Jahrbücher für die Deutsche Armee und Marine / Januar bis März 1881 [38]

Table of contents :
Front Cover
I. ...
diesem Geschenk empfingen die ...
Philosoph von Sans-Souci" in jener Seelenruhe und ...
99 ...
stützung, doch konnte auch sie das mörderische Feuer nicht ...
III. ...
nach dem grofsen Konflikt sich zum erstenmal über York beschwert ...
seiner Regierungszeit in der That sehr langsam. Einem anfangs ...
VII. ...
VIII. ...
IX. ...
Es wird sodann die Stärke und Organisation der französischen ...
X. ...
XII. ...
Mittel Fort Fallen ...
gesehen zu kommen, klingt geradezu fabelhaft, und ist ...
XIII. ...
XIV. ...
II. Allgemeines über Charakter und Kriegszucht ...
handlungen ist uns nur weniges, in jedem Falle ungenügendes ...
XVI. ...
nauigkeit mufs mindestens der Gröfse der Längenstreuung der Ge- ...
XVII. ...
beruht auf den Wahrnehmungen, dafs jeder Pferdefufs seinen be- ...
meinen Friedenseinrichtungen und ist es daher für diejenigen Offiziere, ...
XXII. ...
200 Reiter schwedische Dienste nehmen; während die letzteren unter ...
Georg Wilhelm befand sich in einer sehr schwierigen Lage. ...
XXIII. ...
durch Domänenverteilung und Herabsetzung des Zinsfufses wieder ...
folgt ihr Marius, so bringt er dafür andere Truppen ...
XXIV. ...
XXV. ...
hierdurch ein Fehler entsteht; sie besteht aus einem Visierstabe ...
- ...
vielfältig ausgelegt worden, der Geist desselben mufste wohl ab ...
XXVIII. ...
wertvollen, mit vielen Zeichnungen und Tabellen begleiteten Berichte ...
XXXI. ...

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Jahrbücher

für die

deutsche

Armee

und

Marine .

Verantwortlich redigiert

Von

G.

von

MARÉES Major.

Achtunddreissigster Band. Januar bis März 1881.

BERLIN , 1881.

F.

SCHNEIDER

&

(Goldschmidt & Wilhelmi.) Unter den Linden No. 21.

Printed in Germany

Co.

.

Inhalts -Verzeichnis.

1. Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI. .

63 79

2

82

25

Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen · Bücher u. s. w. ( 15. November bis 15. Dezember) . • XII. Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . Von Spiridion Gopčević (Schlufs) . XIII. Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager, dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg. Von Ohlendorf, Maj . a. D. XIV. Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. Von Fr. Hoenig, Hauptmann a. D. XV. Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. Von L. Sander, Oberst z. D. (Schlufs) •

15 45

2

Die Aufgabe unserer Infanterie in Bataillon und Brigade und die Apologie hierzu : „Zur Taktik der Infanterie von 1880 " . Von . v. Kessel, General . Paris et ses fortifications 1870-1880 par Eugène Ténot . 1. Unteroffizier- Brevier. Von J. Scheibert, Maj. z. D. 2. NotizKalender für Unteroffiziere aller Waffen für 1881. Von W. v. G., Premierlieutenant. 3. Allgemeines Militär- Notizbuch . X. Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen . . . Zeitschriften ( 15. November bis 15. Dezember)

44

Von Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . Spiridion Gopčević (Fortsetzung) . III. Die Konvention von Tauroggen . Von Ebeling, Oberst z. D.. · • IV. Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. Von L. Sander, Oberst z. D. V. Topographische Erörterungen . Von Reichert, Hauptmann VI. Die Gestellung der Pferde und Maultiere für die französische Armee bei einer Mobilmachung. (Nach französischen Quellen.) .. VII. Erfindungen u. s . w. von militärischem Interesse. Zusammengestellt von Fr. Hentsch, Hauptmann a. D.. VIII. Aus ausländischen militärischen Zeitschriften IX. Umschau in der Militär-Litteratur: II.

Seite 1

90 95

105 111

117

119

XI.

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz für das Feuer der Artillerie. Von Alo Dengler, Lieutenant . XVII. Topographische Erörterungen . Von Reichert, Hauptmann (Forts.) . P CA (RE ) 496238

124

127 162

176 198

XVI.

208 219

IV

Inhalts-Verzeichnis

Seite XVIII. XIX.

Beitrag zur Frage der Bekleidung der Mannschaften und Ausrüstung . der Pferde. Von Fr. Hentsch, Hauptmann a. D. Umschau in der Militär-Litteratur : Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neithardt von Gneisenau. Von Hans Delbrück .

Armee- und Volksernährung. Von Dr. C. A. Meinert . Die elektrische Telegraphie. Von O. Henneberg , TelegraphenIngenieur . Das Staatsarchiv . XX . Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen . . Zeitschriften ( 15. Dezember 1880 bis 15. Januar 1881) XXI. Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen Bücher u. s. w. ( 15. Dezember 1880 bis 15. Januar 1881 ) . . . XXII. Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager, dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg. Von Ohlendorf, Major a. D. (Schlufs) XXIII. Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. Von Fr. Hoenig, Hauptmann a. D. (Fortsetzung) XXIV. Zur Infanterietaktik . . XXV. Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz für das Feuer der Artillerie. Von Alo Dengler, Lieutenant (Schlufs) · .

211

229 236

240 241

241 247

249 279 304

313

XXVI . Die Entwickelung der Militärmacht Ost - Rumeliens (Originalbericht) 328 336 XXVII. Die italienische Kriegsakademie 343 XXVIII. Das Artilleriematerial auf der Brüsseler Ausstellung . XXIX . Umschau in der Militär-Litteratur: 347 Feldmarschall Fürst Wrede. Von J. Heilmann, Generalmajor 1. Geschichte des rheinischen Jägerbataillons Nr. 8. Von Weber, Premierlieutenant. 2. Mein Kriegsjahr 1870/71 . Von F. W. 349 Kinzenbach, Pfarrer Über kriegsgeschichtliche Studien. Von v. Gizycki, Major · • 350 352 Atlas zur Geschichte des preussischen Staates XXX. Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen 353 Zeitschriften (15. Januar bis 15. Februar) XXXI . Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen 358 Bücher u. s . w. ( 15. Januar bis 15. Februar) .

I.

Fridericus

Borussorum Rex

MDCCLXXXI.

Suum cuique decus posteritas rependit. (Tacitus. Ann. IV, 35,) Der 23. Dezember 1780 kennzeichnet mit regelmäfsigem Residenzwechsel den Eintritt des grofsen Königs " in Sein neues Regierungsjahr. Am genannten Tage traf der Königliche Herr , aus Potsdam kommend, in Berlin ein. Die Anwesenheit des Monarchen in Seiner Landeshauptstadt belebte den Carneval , zog Fremde herbei , mehrte Durchliest die Erwerbsthätigkeit der Künstler und Handwerker. man das Hofjournal jener Tage ,

so

findet

man : in wie geringem

Maſs der durch Kriegsstrapazen und Krankheiten körperlich gebeugte Staatslenker persönlich teilnahm am Genufs der Berliner Winterlustbarkeiten . „Am 26. Dezember 1780 hatte Se. Majestät eine mit dem Akademiker Formey. "

Unterredung

Am 31. Dezember, nach Aufhebung

der Tafel bei Ihro Majestät der Königin , bethätigte der Monarch, als Generalinspecteur des Militär-Bildungswesens, Sein unablässiges Aneifern ,

indem Er die 36 Infanterieoffiziere

vor Sich kommen

liefs ,

welche von Berliner und auswärtigen Regimentern zu einem Wintercursus versammelt waren , den der Artilleriehauptmann Tempelhof und der Ingenieurcapitän Geyer abhielt. Dem Ersteren äufserte der Kriegsherr " nach einer sehr gnädigen Unterredung " Seine Zufriedenin den huldreichsten Ausdrücken" .

heit

Am Neujahrsvormittag (Montag) fand bei des Königs Majestät grofse Cour statt. Mittags speisten bei Höchstdemselben die in Berlin anwesenden Prinzen und „ verschiedene hohe Standespersonen “ . 1 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI .

2

Im Parolebefehl liefs Fridericus allen „ Herrn Offiziers " zum Neujahr gratulieren. *) In hohem Grade anziehend sind die Königlichen Neujahrszeilen für d'Alembert ; jenen Pariser Gelehrten , welcher 1763 nach achtwöchentlicher Anwesenheit in Charlottenburg und Potsdam beehrt wurde durch die schriftlichen Abschiedsworte : Je suis fâché de voir moment de votre départ , et je n'oublierai point le plaisir que j'ai eu de voir un vrai philosophe. " Das Königliche Schreiben d. d . Berlin 6. Januar 1781 an den "" modernen Anaxaapprocher le

ein

goras " enthält

denkwürdiges

Stück

I

Fridericianischer Autobio-

graphie. Echt ritterliche Denkart prägt sich aus , hier, in dem ehrenden Nachruf für die am 29. November 1780 gestorbene Kaiserin Des derzeitigen Friedensbedürfnisses halber, heifst es sodann : „ Versammelte man einen allgemeinen Kongrefs der europäischen Fürsten , so würde ich sicherlich dafür stimmen, dafs sie Maria Theresia .

in gutem Einvernehmen mit einander lebten ; jedoch das „ Aber" möchte desfalls ohne Ende sein . Unter diesen Umständen bleibt das Sicherste , Schliefslich

Zukunftsgestaltung

die

sagt der Königliche

dem

Schicksal

zu

überlassen . "

Briefschreiber betreffs die

d'Alembert übersandten Abhandlung über

Seiner an

deutsche Litteratur:

I

„ Vous vous moquerez des peines que je me suis données pour indiquer quelques idées du goût et du sel attique à une nation qui jusqu'ici n'a su que manger, boire, faire l'amour et se battre ; toutefois on désire d'être utile. " Kehren wir aus diesen höheren Regionen zurück ins Werkeltagsleben , und blicken wir in den militärischen Dienstkalender des unermüdbaren Heeresinspecteurs . König

die Wachtparade

v. Bornstädt ;

Am 5.

Januar

der Infanterieregimenter

besichtigte der v. Woldeck

und

I I I

am 9. Januar geschah Gleiches bei den Regimentern

v. Ramin und v. Pfuhl.

( Pfuhl " wurde

8 Tagen inspiziert. ) Der "" Heinrichstag"

das zweite Mal innerhalb

1 der 18. Januar

ward gefeiert bei der

Königin, mit grofser Cour, Souper, Ball en domino . „ Alle Offiziere waren eingeladen. " Der Gefeierte selbst befand sich zur Zeit in Rheinsberg . Der König

reiste nach Potsdam zurück

Eintritt ins 70. Lebensjahr. jährlich, am 24. Januar eine

am Tage vor Seinem

Den Berliner Armen liefs Er , wie allbeträchtliche Summe auszahlen .

Von

*) Wir entnehmen dies und anderes Garnisongeschichtliche aus dem ungedruckten Privattagebuch eines Berliner Infanterie - Regimentsadjutanten .

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.

3

diesem Geschenk empfingen die „ Soldatenwittwen " regelmässig 1000 Thaler. In den Gemächern der Königin entwickelte sich am „ Königs Die Prinzen und Prinzessinnen des Königvornehme Welt, erschienen dort zu gesamte die sowie lichen Hauses, Cour, Concert und Souper. Der 24. Januar 1780 war in des Königs

Geburtstag" reges Leben.

6 letzten Lebensjahren der letzte „ Friedrichstag", welchen Er Selbst. in Berlin mit grofser Cour und Tafel feierte . Im

Joachimsthal'schen

Professor Engel vor

Gymnasio hielt am 24. Januar

zahlreicher Versammlung

Eigenschaften eines grofsen Königs .

1781

eine Rede von den

Sie erschien bald im Buchhandel .

Gedicke , Direktor des Friedrichwerderschen Gymnasiums , dichtete zum 24. Januar eine Ode : „Das Das glückliche Alter. " Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt am 25. Januar eine öffentliche Versammlung.

Ihre

Königlichen Hoheiten die

Söhne

des

Prinzen

Ferdinand und der Prinz Friedrich v. Braunschweig beehrten dieselbe mit Ihrer Gegenwart ; ebenso die Minister, das corps diplomaGeheimrat Formey erStandespersonen ".

tique und viele "" hohe

öffnete, als beständiger Akademiesekretär, die Sitzung mit einer der Veranlassung gemäfsen Rede . Sodann überreichte er Namens des Mons . d'Alembert den 7. und 8. Teil von dessen mathematischen Werken .

Minister v. Hertzberg las „Anekdoten und Bemerkungen

über einige merkwürdige und weniger bekannten Züge aus dem Charakter und der Regierungsgeschichte des grofsen Kurfürsten . " — Am folgenden Tage ward des musikliebenden Landesherrn Jahresfest gefeiert durch ein „ Liebhaberkonzert " ; den Beschlufs machte in glanzvollem Hörerkreise : Graun . " *)

„das vortreffliche Te Deum des unsterblichen

* Auf der Mitte der Rückseite des Berliner Friedrichsdenkmals sieht man Karl Heinrich Graun (geb. 1701 , gest. 1759) , königlicher Hofkomponist und Kapellmeister, mit der Rechten ein Orchester leitend. Aus Graun's Kompositionen für die Kirche klingt hervor eine Arbeitsliebe, gröfser noch als die , welche man in seinen Opern findet. Nach der Liegnitzer Schlacht führte die königliche Kapelle freiwillig das Tedeum auf, wie es von Graun nach dem Siege von Prag geschrieben worden, und übersandte die reichliche Einnahme an die preufsischen Feldlazarethe. Der König anerkannte die edle That, indem Er am 15. Juli 1763 dieses Tedeum in der Schlofskapelle zu Charlottenburg wiederholen liefs , und zwar , wie Er ausdrücklich bestimmte , ganz so wie nach der Schlacht von Liegnitz , für die Zuhörer jedoch kostenlos. Aufser dem musikverständigen d'Alembert und dem „ alten Baron “ ( Pöllnitz), die damals , d . i . vom 13. - 19 . Juli , in des Königs Umgebung waren, erschienen 99viele Leute". So des Königs Eigene briefliche Angabe. Anekdotenbücher und illustrierte Geschichtswerke enthalten eine unausrottbar unrichtige Darstellung dieser Charlottenburger Begebenheit. 1*

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.

4

In der grofsen Universitätsaula zu Breslau hielt Professor Steiner, in Gegenwart des Ministers Freiherr v. Dankelmann und einer grofsen 1 Zahl ansehnlicher Persönlichkeiten ,

eine Rede

über den Wert der

schönen Wissenschaften und der Kriegskunst. Demnächst sangen die Studierenden eine Ode. Schliefslich wurde " mit aller Pracht" Gottesdienst abgehalten in der Universitätskirche. Hieran reihete der Gouverneur , v. Tauentzien ,

und ebenso der in Schlesien „ diri-

gierende" Minister v. Hoym einen Festschmaus. Eines anderen Festtages gedenken wir mit dem Hinweis auf die öffentliche Stiftungsfeier in der académie militaire den 3. März. Professor Borelli hielt die Festrede. - Eine Secularerinnerung an den am 24. August 1759 seinen Kunersdorfer Wunden erlegenen Dichter Ewald Christian v. Kleist entsteht uns , indem wir Notiz nehmen von der dem Jahre 1781 angehörigen Thatsache : Professor Beguelin , vormals Lehrer des „ Prinzen von Preufsen ", entledigte sich eines dem Major v. Kleist gegebenen Versprechens , indem er dessen " Frühling " ins Französische übersetzt herausgab, und zwar nach der vom Verfasser selbst besorgten Ausgabe von 1754. *) Im übrigen erneuet sich uns das Andenken an das von diesem Offizier nach der RofsI bach- Schlacht in Leipzig Geleistete ,

wo er auf seines Kriegsherrn

Spezialbefehl und in Dessen mildem Sinn Krankenpfleger und Gefangenenhüter war ; denn es liegt uns ob, unter den im Jahre 1781

1

erteilten königlichen Lehrschriften zuerst zu nennen : Die Instruktion für die Feldlazarethe . Wir wissen 1 .: König Friedrich II . erbte von Seinem Vater die Sorgfalt für den kranken Soldaten .

Während

der gesamten Grofs-

thatenzeit 1740-1786 findet man die Spuren von des Kriegsherrn hochherziger Teilnahme an dem Schicksal verwundeter Krieger.

2 .:

Der königliche Polyhistor war sehr bewandert im Bereich der Heilkunde . Unter seiner persönlichen Beeinflussung vervollkommneten sich die Berliner Chirurgen . - Der Hannoversche Leibarzt Zimmermann wandte sich ,

Rat begehrend wegen eines eigenen veralteten

Schadens, nach London , Paris und Berlin . erwies sich als der beachtenswerteste . Lebens

und Hülfe gegen

die

Der Berliner Ausspruch

Zimmermann, „ Rettung seines

schrecklichsten körperlichen

Leiden

suchend, " reiste demnach zum preufs. Generalchirurgus Schmucker . **) Dieser operierte und heilte ihn ; ein Triumph wundärztlichen Wissens 1 *) Meinend, dafs diesem Heldendichter ein Ehrenplatz in der Ruhmeshalle des Berliner Waffenmuseums zuerkannt worden , erachten wir es für angenehme Pflicht, seiner hier gelegentlich zu gedenken. **) Ritter v. Zimmermann „ Über die Einsamkeit “ , Leipzig 1784 : Bd . I. Vorrede.

1

པ་ 5

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.

und Könnens, so schön und eigenartig dafs der König zunächst den Operateur nach Sans -Souci befahl ,

um Sich vom Sachverhalt genau

berichten zu lassen , und sodann auch den Operierten . Mit diesem hatte der König , in Schmuckers Gegenwart, eine fünfviertelstündige Unterredung, die auf verschiedenerlei Krankheiten und deren Heilung sich erstreckte. In Berlin

am

20. Januar 1781

schrieb König „ Friderich " in

9 Paragraphen Seine „ Instruktion für die Kapitäns bei den Feldlazareths , wonach auch die Doctores und Feldscherer bei den Lazareths sich aufs genaueste richten müssen . " *) vative" Chirurgie.

§. 2 betrifft „ konser-

„ Und weil ein jeder Mann , der mit dem Tode bestraft wird , so verdienen

§. 4 schliefst :

einen anderen umbringt ,

notwendig diejenigen noch härter bestraft zu werden , die da Leute , welche für das Vaterland Leben und Gesundheit gewaget , durch Nachlässigkeit und Gewinnsucht umbringen und umkommen lassen. “ Diese Instruktion ist Vorarbeit für das Königlich preufsische Feldlazareth-Reglement 1787. man preussischerseits

eine

Im kurländischen Feldzuge 1812 befolgte Vorschrift des grofsen

Königs

wegen

Versorgung der Blessierten auf dem Schlachtfeld " ; sie zählt zu den vielen Fridericianischen Instruktionen , uns unbekannt ist.

deren urkundlicher Wortlaut

Um so freudiger begrüfsen wir die vor wenigen Monaten veröffentlichte Arbeit des Gymnasiallehrers Dr. Rethwisch „ über Preufsens höheres Schulwesen im Zeitalter Friedrichs des Grofsen " ; **) ein treffliches Buch ,

in welchem manche schöne Beläge uns neu unter-

breitet werden zur Vervollständigung des Wissens Volksaufklärungsthaten .

von Friedrich's

Quincy Adam, nordamerikanischer Gesandter in Berlin , äufserte 1801 druckschriftlich : " Vielleicht giebt es kein Land in Europa , das uns Amerikanern mit mehr Recht den Vorrang streitig macht, als Deutschland. Diese ehrenvolle Auszeichnung verdankt es vorzüglich Friedrich dem Grofsen und im Besonderen dem Eifer, mit welchem er seinen Plan verfolgte, in allen Schichten seines Volkes gemeinnützige Kenntnisse zu verbreiten." In dem Buch des Herrn Dr. Rethwisch (S. 97) heifst es : „Den ersten Platz im Lehrplan behielt nach wie vor: Die Religion. " Eine Kabinetsordre vom 5. September 1779 mahnt die Schulmeister , sich Mühe zu geben , „ dafs die Leute Attachement zur Religion behalten." Auf des Berliner Gymnasialdirektor Büsching Antrag, daſs kein enrollierter und studierender junger Mensch bürgerlichen

*) Vgl. Militär-Wochenblatt 1835 Nr. 991 . **) Berlin bei R. Oppenheim, 218 S. 8°.

Standes

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI .

6

zum Soldatendienst gezwungen werden möchte , erwiderte der König am 17. Dezember 1781 : Solches zuzugeben ginge garnicht, weil es der hiesigen Verfassung zuwider. "" Wenn indessen hin und wider ein dergleichen junger Mensch unter den Studierenden

sich

findet ,

der vorzüglich viel Genie hat, dann kann das wohl mal stattfinden ; aber generaliter kann das nicht zugegeben werden " . Also die Fridericianische Heeresordnung

gewährte

dem dienstpflichtigen Studenten terer Zeit möglich . Am 20. November 1781 dortige Civil - Feldmarschall ,

in

einzelnen Ausnahmsfällen

mehr Berücksichtigung als in spä-

starb zu Königsberg ,

69 jährig , der ein Mann ,

Joh. Friedr. v. Domhardt ;

denkwürdig u . A. für die Geschichte des preufsischen Landsturmes , der Feldtruppen -Verpflegung und

des preufsischen Kadettencorps , der Remonteangelegenheiten .

Wollte man annehmen , die Fridericianische Generalität sei seit dem grofsen Kriege ( 1756-63 ) nach und nach

eine

geworden, so widersprechen folgende Todesnachrichten.

überalterte " Der General-

major und Inspekteur der niederschlesischen Reiterregimenter, v. Röder, starb zu Breslau am 15. März 1781 , 62 Jahr 7 Wochen alt. Der aus Polnisch-Wartenberg am 12. März 1781 „ nach

oben " abmar-

schierte Husarenregiments- Chef Generalmajor v. Podjurski stand im Alter von 61 Jahr 6 Wochen. Generallieutenant v. Wolffersdorf ist gestorben im Mai 1781

zu Hamm ,

mandant, v . Steinkeller ,

ging den 2. Juli d . J. ,

Tode ab,

63 jährig.

Der Berliner Kom66 Jahre alt ,

nachdem er dem Vaterland 53 Jahre gedient.

mit

Der Ka-

dettengeneral , Freiherr v. Buddenbrock, befand sich im 75. Lebensjahre , als er den 27. November 1781 abberufen wurde ins Jenseit . Der u. A. in den Annalen der preufsischen „ Landwehr “ , sowie nicht minder

in

den

Gedenkblättern

preufsischer

Seemacht

rühmens-

werte Herzog Aug. Wilh. v. Braunschweig- Bevern, General der Infanterie, Gouverneur der Festung Stettin, Chef eines Regiments zu Fuſs , Dompropst

zu Blasi

und Cyriaci in Braunschweig ,

den 12. August 1781 in Stettin 65 jährig. ihm zu Ehren Trauer an auf 14 Tage. * )

starb Sonntag

Der Königliche Hof legte,

Seydlitz, dessen Standbild am 12. April 1781 auf dem Berliner Wilhelmsplatz aufgestellt wurde , „ ohne dafs eine militärische Feier*) Über öffentliche Ausstellung der Leiche im Gouvernementshause und Beisetzung am folgenden Tage vergl. „ Historische , politische , statistische Beiträge, die Königl. preufsischen und benachbarten Staaten betreffend ; " Berlin 1783 , Th . 2 , Bd. 2 , S. 568. Die Leiche , nach Braunschweig überführt, wurde in der Stille beigesetzt im Fürstlichen Gewölbe unter der Domkirche.

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.

7

lichkeit damit verbunden war" , erreichte bekanntlich nur das 53. Lebensjahr.

Der König nahm die Seydlitz-Statue in Augenschein am ersten

Tage der Berliner „ Specialrevue " ,

den 2. Mai 1781 ;

man hat ihm

anekdotisch die Worte in den Mund gelegt : „ Zu diesem Standbild müfsten alle Kavalleristen wallfahrten , wie zu dem eines Heiligen. " Mit des

Bildhauers Tassaert Leistung

sehr zufrieden ,

befahl der

Königliche Auftraggeber im Juni 1781 , die Anfertigung einer Skizze für ein Keith-Denkmal. Aus den uns druckschriftlich aufbehaltenen Cabinetsordres an Tassaert ist ersichtlich, wie der fein kunstsinnige Monarch persönlich sich bemühte um

das Entstehen zweier natur-

getreuer und schöner monumentaler Abbildnisse ; und „berühmte Tote " ehrend.*)

grofse Männer"

Ganz im Gegensatz zu seinem Grofs-

vater, ein Feind des Ceremonials , verzichtete König Friedrich II. auf die Denkmals-Enthüllungsfeierlichkeiten . Der dritte Preufsenkönig war der erste Kriegsfürst , welcher seinen Unterfeldherrn Standbilder stiftete. Die antike Tracht der Marmorfiguren von Schwerin und Winterfeldt , dem Bande

des schwarzen Adlerordens ,

im Widerspruch

mit

kam bei Seydlitz wie bei

Keith u. s . w. in Wegfall. Diese Geschmacksläuterung vollzog sich von Sans-Souci aus . Bildhauer Houdon , in Paris , hatte für den am 30. Mai 1778 gestorbenen Voltaire zwei Büsten aus gebrannter Erde gefertigt ; die eine à l'antique ohne , die andere mit Perrücke ; der König entschied Sich für die französische Tracht,

indem Er das

im Jahre 1781 im Versammlungssaal der Berliner „ Akademie " aufgestellte Voltaire-Brustbild durch Houdon in Marmor ausführen liefs . „ Voltaire pensait

en Grec ,

mais il était Français .

Ne défigurons

แ pas nos contemporains Mit dem

Eintreffen

des

Kriegsherrn

aus

Potsdam in

Char-

lottenburg, den 1. Mai 1781 , beginnt in gewohnter Art wieder Höchstdessen äufserer Dienst als Heeresinspekteur , zunächst eine Prüfung im Einzelnen —

die Spezialrevuen - und dann „das Entrieren ins

Grofse " , d . i . Erteilung von Manövrieraufgaben , Lob- und Nasenspendung für das dabei Geleistete oder Verabsäumte. Aus Berlins Garnisongeschichte haben wir zu erwähnen betreffs der Vorbereitungen zur Revue : „Alle ausländischen Rekruten nebst denjenigen Dienstthuern ,

worinnen noch Wachsthum , wurden

am 21. Februar auf dem Flur der Herrn Kommandeurs gemessen. " Das Infanterieregiment , schierte am 7. April

dem unser Berichterstatter angehört ,

das

*) Oeuvres T. IX. 232.

erste Mal

„ komplett "

zum

mar-

Exerzieren

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.

8

" Wir verfeuerten am 9. April kompagnieweis 6 Patronen (per Mann) ; 4 davon einzeln , weil wir den Leuten das vor 4 Monaten bekommene Exerzitium „ ohne Pulver

vor dem Schönhauser Thore.

auf die Pfanne zu schütten " zeigen mufsten. " Man ermöglichte innerhalb einer Minute sechsmaliges Schiefsen, siebenmaliges Laden. In der Kriegsübungszeit 1746-1756 vermochte man nur 4 Mal in der Nächst Einführung „ eiserner" Ladestöcke bei dem gesamten preufsischen Heere, 1718 und 1719, und deren VerbesseMinute zu feuern .

rung durch eine cylindrische Form ( 1773) war das vom Lieutenant v. Freytag in Vorschlag gebrachte konische Zündloch den Freunden des Schnellfeuers eine hochwillkommene Neuerung . Der grofse König , obwohl Er sehr selten einem „ Lieutenant" das blaue Ordenskreuz erteilte , zeichnete anno 1781 durch dasselbe jenen Subalternoffizier aus ; eine rechtschaffene Strebsamkeit belohnend, nachdem das Frey' tag'sche Zündloch auf Berliner und anderen Drillplätzen sich bewährt hatte. *) „Am 19. April rückte der Gouverneur mit [ den Regimentern zum ersten Male vor das Kottbuser und Hallesche Thor. Wir marschierten durch die Hasenhaide

und nahmen das Alignement mit

dem rechten Flügel an der Hasenhaide , mit dem linken gegen Britz . " Der Gouverneur, Namens von Ramin, befehligte als Generalinspekteur die Berliner Infanterieregimenter ; er war gehaſst und gefürchtet wegen seiner Grobheit und Schärfe. Am 28. April evolutionierte „ der Gouverneur" wieder auf genanntem Gefilde .

Er und die ganze Generalität speiste am 1. Mai

bei Sr. Majestät in Charlottenburg .

Am 2. Mai fand auf dem Exer-

zierplatz vor dem Brandenburger Thore die Spezialrevue der Berliner Infanterieregimenter statt , in

üblicher Weise .

aus seinem Nachtquartier Charlottenburg

Der König erschien

am folgenden Tage noch-

mals im „ Thiergarten " ; die Berliner Reitertruppen Spezialrevue passieren lassend . Alsdann kehrte Er nach Potsdam zurück. Generallieutenant v. Ramin begann nun fuchser für

die „ Generalrevue ".

zu amtieren als Ein-

Er manövrierte am 5. Mai nach

*) Vergl. Bd. VII . unserer „ Jahrbücher" S. 197 und „ Militär - Wochenblatt" 1838 S. 86. Freytag war 1801 Oberst und Kommandeur des Infanterie-Regiments v. Besser. - Aus einer Kabinetsordre vom 11. Mai 1781 entnehmen wir , dafs zur Zeit in den Depots zu Magdeburg, Glogau, Breslau, Schweidnitz und Neifse die Abänderung der Gewehre im Gange war , und dafs an jedem dieser Orte 2 Offiziere prüfen mussten, ob das in den Lauf geschüttete Pulver 99 häufig genug in die Pfanne herabkömmt, „ um desto mehr versichert zu sein, daſs die Abänderung dieser Vorratsgewehre recht gut gemacht worden “ .

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.

der nämlichen

Disposition

geschütze feuerten

wie

am 10. Mai

am 28.

April.

9 "" Die

Bataillons-

im Avancieren wieder mit. "

Den

12. Mai , „ da der Gouverneur nicht zufrieden , avanciert die Linie 2300 Schritt. " Wir fügen hinzu : in ermüdendem sogenannten Ordinairschritt (75 in der Minute , gefafstem Gewehr. Beim Exerzieren ,

28 Zoll weit) ; grofsenteils mit an-

den 15. Mai ,

übte man das althergebrachte

Peloton- und Bataillonsfeuer in der VorwärtsRückwärtsbewegung ; schliesslich „marschierte jedes Regiment

Alignement ,

dann

und für sich en parade vorbei ; die Offiziere salutierten. " " Am 19. Mai geschah das Defilieren wieder vor fremden Generalen und Stabsoffizieren. "

Der König hielt am 20. Mai Detailbesichtigung bei einigen von auswärts heranbefohlenen Regimentern . Am ersten Tage der Generalrevue (21. Mai, Montag) „ geschah der Aufmarsch vor der Hasenhaide. Majestät äufserte sich gegen die Generals sehr unzufrieden : "" Was ich heut gesehen habe , ist nicht einen Schufs Pulver wert gewesen." Dennoch deklarierten Sie bei Parade ein Avancement, Se.

durch welches die Generalmajors v . Dalwig (Kürassier-Regimentschef in Schlesien , 55 Jahre alt) , v . Lossow, v. Eichmann und v. Krockow zu Generallieutenants

ernannt wurden .

Beförderungen zu General-

majors erfolgten nicht. Sieben Oberstlieutenants wurden Obersten. *) “ ,,Am 2. Revuetage geschah der Ausmarsch aus dem Halleschen und Kottbuser Thore flügelweise .

Nachdem durch Rechts- und Links-

deployieren die Linie in 2 Treffen hergestellt war , ward avanciert und retiriert , worauf die Regimenter Prinz Leopold , Wunsch und Prinz Ferdinand ein Carré formierten , welches der König von der Reiterei attaquieren liefs . " Dritter Revuetag . Ausmarsch aus dem Halleschen Thore . Die Avantgarde : 9 Bataillons . Durch diese und deren Soutiens wurde

die Hasenhaide angegriffen . Eine wiederholte Attaque geschah durch Brigaden en échelon ; bei der Avantgarde befanden sich 20 Zwölfpfünder. --- Jeder Mann hatte 10 Patronen . Unser Berichterstatter nennt dieses Manöver marschierten

sehr kriegsähnlich. "

die vor dem Halleschen Thore

Am 23. Mai ins

abends

Lager gerückten

Truppen zurück in ihre Standquartiere. *) Lossow ist im militärischen Testament des grofsen Königs bezeichnet als "grand officier de cavalerie" ; ein Husarenregimentschef, der seine Offiziere gut erzieht ", wie eine Kabinetsordre 1777 dankend besagt , nachdem Lossow einen Bericht eingesendet nebst Karten, die von seinen Offizieren gefertigt und vom Könige als sehr hübsch" belobt wurden . Er starb 1783, 61 jährig.

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.

10

Der König erklärte am Schlufs der Berliner Generalrevue , man habe ihn nicht befriedigt. „ Die Burschen laden nicht gut genug. Das Avancieren gefällt Mir nicht u. s . w. " Er verdeutlichte Sich dem General v. Ramin hierüber und befahl ihm ,

wöchentlich 3 mal

mit den Regimentern vor das Hallesche Thor zu gehen.

Auch mufsten

von jedem Regiment 1 Offizier, 1 Unteroffizier , 6 Mann nach Potsdam geschickt werden , lernen.

um beim 1. Bataillon Garde das Laden zu

" Man hat es ihnen aber dort nicht anders weisen können,

als sie es schon konnten " ; so äuſsert voll Verdrufs unser Tagebuchsmann. In noch üblere Stimmung, wie er, geriet wegen der Königlichen Unzufriedenheit ,, der Herr Gouverneur. " Kaum waren 8 Tage seit der Revue vergangen , als Se. Excellenz ,

befehlgemäfs „das Exerzieren wieder

anfing ".

Möge uns die

Heine'sche Stammbuchzeile : „ Aber fragt mich nur nicht wie " eine Nicht unglaublich lange Reihe harter Stunden ahnen lassen. klingt es ,

wenn Fama verkündet ,

die Zeitgenossen hätten den Ge-

neral v. Ramin einen „ Hunnen " genannt ,

nachdem er eines Tages

seine Infanterielinie „ 4500 Schritt avancieren was

es heifse ,

eine

schlechte

liefs ,

um zu

zeigen

Königsrevue gemacht zu haben “.

Parenthetisch bemerken wir : Ramin empfing für eine „ gute " Revue 1776 und ebenso 1777 ein Königliches Ehrengeschenk von 7000 Thaler. - Im Dezember 1782 kam den Berliner Infanteristen die Erlösungsstunde.

Ein

freundliche

Schlaganfall tötete Ramin

plötzlich.

Generallieutenant v. Möllendorf ,

dem Königlichen Herzen sehr nahe

ein

stehender ,

Der menschen-

ebenso wie Zieten nicht mit Alt -Des-

sauischer Rauheit behafteter Truppenbefehlshaber , Gouverneur und Infanterie- Generalinspekteur.

wurde in Berlin

Die Potsdamer Spezialrevue fand am 17. und 18. Mai statt, die Spandauer am folgenden Tage. Magdeburger Regimenter wurden bei Cörbelitz am 27. d . Mts . besichtigt, neumärkische am 1. und 2. Juni bei Cüstrin , pommersche bei Stargard am 3. bis 5. Juni . Der Generalinspekteur v. Möllendorf,

mit seinen Pommern ,

den diesjährigen Frühjahrsrevuen

der Infanteriematador gewesen zu

sein ;

denn es liegt uns die Nachricht vor :

scheint bei

Se. Majestät hätten in

Stargard „ allerhuldreichst " ein Revuegeschenk gespendet an die beständig dienstleistenden Unteroffiziere und Gemeine „wegen wiesenen besonderen Fleifses und ungemeiner Fertigkeit. " des Leib-Karabinierregiments , Thaler Douceur".

des beDer Chef

Generalmajor v. Bohlen, erhielt 1000

In der Mitte des Dorfes Mokrau, 11/2 Meile von Graudenz, hatte der König Sich 1773

ein

einfaches

Fachgebäude

auf dem Frei-

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.

11

schulzengelände herrichten lassen als Hauptquartier ; 136 Fufs lang, 36 Fufs breit, 10 Fufs hoch, mit Stroh eingedeckt. In einem Nebengebäude war die Küche und ein Saal für die Marschallstafel . Königs Adjutanten fanden

Des

notdürftiges Unterkommen in den näch-

sten Bauernhäusern , die Kabinetssekretairs im Freischulzengebäude, unweit der Königlichen „ Lagerhütte ". Hier verweilte Friedericus sehr gern, weil in Seinem „ Sibirien " oder ,, Irokesien " wie Er das 1772 Ihm zugefallene Polnischneben den HeeresinspekteurPreufsen wohl scherzweis nannte Angelegenheiten eine Menge anderer Dinge landesväterlich zur Erledigung kamen, mit denen durch ordre

eine

alljährlich erteilte General-

in Mokrau der obenerwähnte Civil - Feldmarschall

(der

alte

Domhardt ") betraut wurde , "" um den Nahrungsstand und Ackerbau in hiesiger Provinz immer weiter in Aufnahme zu bringen" u. s. w . "), Professor Preufs äufserte, des grofsen Königs Mafsnahmen für Westpreufsens Hebung schildernd : Die wohlthätige Verwaltung dieser in Kultur des Bodens und der Bewohner weit hinter Schlesien ( 1740) zurückstehenden neuen Provinz „ flicht die

schönste Bürgerkrone in

Friedrichs graue Locken . " Der grofse König residierte 11 Mal in Mokrau, während 3 bis 4 Tagen.

Im Juni 1781 sah Er dort sämtliche west- und ostpreufsischen

Regimenter. Die Infanterie lagerte längs der „ Bingsberge " ; die Reiterei kantonnierte in den nächsten Ortschaften. Schon Ende April d . J. befahl der König

die Saaten zu taxieren, um Flurschä-

den angemessen vergüten zu lassen ; gleichzeitig bestimmte er aber, künftig dafür zu sorgen, dafs ein zusammenhängendes Brachfeld als Revueplatz benutzt werden könne . Am Tage nach seinem Wiedereintreffen im stillen Potsdamer Sommerhause schreibt der König ( den 14. Juni) , etwas ermattet von den Revue- und Reisestrapazen, an d'Alembert : „ Me voici de retour des frontières des Sarmates, que j'ai parcourues, et je suis bien aise „Ich sehe in den Händen de me trouver dans ma cellule. " der Parzen den Faden meiner Tage sich kürzen , ohne dafs es mich rührt. Die tägliche Erfahrung ist eine Schule, welche uns den Unbestand unseres Wesens lehrt. Das Vertrautwerden mit einem stückweisen Absterben ermutigt : der gänzlichen Auflösung mit stoischem 66 „Der Mensch ist ein im Meer der Blick entgegenzusehen . ― Ewigkeit versinkendes Atom.

Der Augenblick seiner Geburt gränzt

*) Desfallsige Einzelnheiten in "9 Westpreufsen unter Friedrich dem Grofsen " ; . Thorn 1866, 195 S. 8°.

12

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI .

an den seines Todes. " mon petit ermitage "

In einem anderen Schreiben (ebenfalls „, dans an Anaxagoras

gerichtet , qui vit au centre des Sybarites de la Seine ") heifst es : " Quand on frise la soixante et dixième année , on doit être prêt à décamper aussitôt que le boute -selle sonne ; quand on a vécu longtemps , on doit connaître le néant des choses humaines. " Bei diesem freundschaftlichen Gedankenaustausch bat der Königliche Briefschreiber, nicht zu glauben, Er sei hypochondrisch geworden . „ Après avoir mûrement réfléchi sur ces graves matières, je compte de conserver ma bonne humeur tant que durera ma chétive et frêle machine. " Von dem jeweiligen Kampf mit seinem „ Seelen-Etuit" berichtet der König brieflich an die Ihm zunächst Stehenden nur, wenn diese in

ihren Privatbriefen irrtümlich

nehmend sich bezeigten.

freudig

Wir wissen

oder besorgnisvoll

teil-

sonach von einigen Gichtan-

fällen , die der König in Potsdam bald nach Rückkehr aus Berlin erduldete, während des Januar und Februar 1781. "9 Ce sont des galanteries dont l'âge favorise les vieillards . " Eine Nachfrage der zur Zeit in Schönhausen residierenden Königin wurde am 31. Mai 1781 erwidert : "" Madame ! Je Vous suis fort obligé de la part que vous prenez à ma santé. Je me traine , comme je puis , et je me tire d'affaire tant bien que mal. Quand l'âge s'avance on ne rajeunit pas, les moindres fatigues coûtent et enfin l'on devient inutile et à charge au monde. " Specielle Gesundheitsnachrichten erhielt des Königs Rheinsberger Bruder, Prinz Heinrich. Immer aber bezwecken die Königlichen Bülletins Tröstung der Briefempfänger wegen ihrer eigenen Gebrechlichkeit. In seinen Briefen an d'Alembert 1781 klagt Friedrich scherzend : „ Le symboles de l'hiver couvrent ma tête à demi chenue ; mon sang se glace ; mon imagination se refroidit ; je traine avec peine les membres cadavéreux de mon ancienne existence. Hélas ! les roses de mon bel âge se sont fanées, et, en tombant , elles ne m'ont laissé que les épines de la caducité. " Alsbald jedoch verjagt der Potsdamer „ poëte philosophe die Wolken des Unmuts, indem er anerkennt, wie lehrreich für Greise die Verse Chaulieu's

Ainsi sans chagrin, sans noirceurs, De la fin de mes jours poison lent et funeste, Je sème encore de quelques fleurs Le peu de chemin qui me reste. „ Songez , mon cher d'Alembert, que la vie est trop courte pour que ce soit la peine de vous affliger. "

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.

13

Mit der sogenannten Minister - Revue, in Potsdam am 16. Juni , begann die

zweite

Hälfte

des

Fridericianischen Regierungsjahres.

Zur schlesischen Revue reisend , verliefs der König Potsdam am 15. August „ganz früh" ; begleitet vom „ Prinz von Preufsen " . Rückkehr erfolgte

am 3. September.

Nach Berlin kam der König am

12. September, speiste bei seiner Schwester Amalie und ritt Nachmittags nach dem „ Gesundbrunnen " , um

dort den Vortrag Seines

Artillerie-Generalinspekteurs entgegenzunehmen und zu übernachten. Am frühesten Morgen des 13. September begann der König die Besichtigung der seit Anfang d. M. „ beim Wedding " sich im Schiefsen und Werfen übenden vier Artillerieregimenter.

Mittags liefs Er am

Oranienburger Thore die vier Wachtparaden exerzieren ; Abends kehrte er heim in Potsdam. Am 18. September endeten die diesjährigen Artillerieübungen . Die preufsischen Artilleristen

hatten

es

Anzahl von Schüssen in der Minute gebracht.

zu

einer sehr hohen

Im Jahre 1781 ver-

suchte man eiserne Kartätschspiegel ; sie bewährten sich und wurden für das Feldgeschütz angefertigt, später auch für die Reserveartillerie. Die Vertauschung des Sielen- mit Kummtgeschirr gehört ebenfalls dem Jahre 1781 an. Sehr erfreut über Vorschläge und Untersuchungen ,

welche für

das Geschützwesen als wirklich nutzbringend befunden wurden, zeigte sich der König abhold solchen Projekten und Modellen , die Ihm „ nur theoretisch “ , „ blofse Träumerei " oder „ windiges Zeug" zu sein schienen . Im Mai 1781 überschickte ein Mechanikus dem Könige ein Instrument , „ das zum Messen und bei militairischen Plans gut zu gebrauchen sein soll , wie er anzeiget. " Der König sandte dasselbe seinem Artilleriechef, Generalmajor v. Holtzendorff, so , wie Ich es gekriegt", und beauftragte denselben, mit der Berliner Akademie sich zu vereinbaren, „ um Solches näher zu examinieren, ob und wozu davon ein nützlicher Gebrauch zu machen stehet und Mir sodann davon zu berichten. " .Die Erfindung erwies sich als „gut und nützlich " ; der Erfinder wurde mit einem Jahrgeld angestellt. Fridericus ehrte das Verdienst überall, wo Er es fand.

Die Infanterieregimenter Bornstädt und Braun, sowie die Garde du corps-Eskadron , das Regiment Gendarmes und die Zietenhusaren marschierten am 20. September nach Potsdam zu den dortigen dreitägigen Kriegsübungen " . Ein Potsdamer Major , welcher den Tod an sich herantreten fühlte , äufserte schriftlich dem Könige sein Bedauern , an diesem Manöver nicht mehr teilnehmen zu können ; und für genossene Gnade dem hohen Gebieter Dank sagend, unterbreitete er Ihm eine letzte Bitte . Eines Kommentars bedarf die Königliche

14

Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.

Antwort nicht ;

sie

zählt

zu denjenigen Fridericianischen Briefen,

welche das Herz erwärmen . „Mein lieber Oberst v. Brünning. Mir gehet der Verlust eines braven Offiziers immer ungemein nahe . Mein Major v. Wachholtz vom Garde - Regiment ist Mir als solcher bekannt ; und dahero thut es Mir sehr leid, aus seinem anliegenden Schreiben zu vernehmen, dafs er sich mit starken Schritten seinem Grabe nähert. Ich beklage seinen bevorstehenden Verlust, und will auf den Fall, dass derselbe wirklich erfolgt, dafs alsdann mit seinem entseelten Körper und dessen Beerdigung es in allen Stücken gehalten werden soll, wie er es in diesem Schreiben verlangt oder noch verlangen möchte. Ich verlasse Mich auf die genaueste Befolgung dieser Meiner Ordre, und bleibe Euer pp. Potsdam, den 19. September 1781. " Von den militärischen Lehrschriften , im

Jahre 1781

erteilte , befinden

sich

welche drei

der grofse König

im

30.

Bande

der

99 Oeuvres". Die beiden ersten derselben (Nr. XXIII und XXIV) bezeugen dieses Kriegsherrn liebevolles Bemühtsein : Denkthätigkeit und Studiereifer zu erleichtern und zu belohnen.

Wir haben im Voranstehenden ersehen , wie Fridericus optimistisch gestimmt heiteren Sinnes bleibt trotz schmerzlich fühlbar zunehmender Leibesschwäche . Hierbei begünstigte ihn eine poetische Gemütsart. An d'Alembert schrieb er den 27. September 1781 :

29 Des imaginations agréables me consolent des afflictions que me donnent des tristes vérités . " Pessimistisch dagegen finden wir den

alten Fritz " stets, wenn

seine

dichterische Phantasie Ihn zu

dem Glauben verleitet, eine Herabminderung der Staatskraft erleben zu müssen.

Wir sahen rücksichtslose Strenge

einen

in Ehren er-

grauten und beim Könige hoch in Gnaden stehenden General treffen, mit dem schwer wiegenden Wort „ Nachexerzieren " . In der Instruktion

d. d. 5. August 1781 , für die Kavallerie-

Inspekteurs , mahnt der Kriegsherr ,

„das Werk nicht ins Stocken

kommen zu lassen " , weil sonst "" durch Nachlässigkeit " der bisherige Ruhm verloren gehe. Die jubiläumsreiche Jetztzeit kann ein Säkularandenken widmen dem sprüchwörtlichen „ Kategorischen Imperativ" . Mit diesem Ausdruck meinte der hochvernünftige Kant den von ritterlichem Sinn getragenen , weitaus das einfach prosaische " Mufs " überragenden Gehorsam im Dienst des Vaterlandes und der Menschheit, wie des grofsen Königs Beispiel solchen lehrte.

Den schönsten Lohn für alle

Anstrengungen und Opfer eines der Trägheit und Selbstsucht entsagenden, der Weichlichkeit und geistigen Unselbständigkeit sich entziehenden Staatsdieners fand und pries der aufklärungsbeflissene

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .

15

Philosoph von Sans-Souci " in jener Seelenruhe und Gemütsheiterkeit, welche das einzige Glück verschaffe, dessen man wahrhaft froh werden könne.

Es ist dies eine philosophische Betrachtung, welche Fridericus Magnus nicht nur niedergelegt hat in Seinen Privatschriften am Abend seines Lebens, sondern auch bethätigt hat stets in seiner Berufserfüllung . *) Unser ist die Pflicht ,

eingedenk zu sein des „ grofsen Königs "

in inniger Verehrung und vollster Dankbarkeit ,

weil er vielfältigst

in väterlicher Weise die Aneiferung gab und die Aufforderung hinterliefs, reich zu werden an - guten Werken . Er Selbst, auf Seiner Ruhmesbahn , ging alleweil bescheid'ner Majestät , als hätt' Er Nichts gethan . “ Zeiten aber steh'n

einher 99 in so Im Buch der

mit Sternen-Schrift Seiner Thaten Zahl. "

(Gr. L.)

II .

Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801).

Von Spiridion Gopčević. (Fortsetzung.) Die Ereignisse zur See .

Bonaparte fühlte, dafs etwas gethan werden müsse, Malta und Egypten zu retten . Seine wiederholten Befehle zum Auslaufen der Entsatzgeschwader wurden schon früher erwähnt . In der französiaber damals eine Panik : die meisten Seewaren und Villeneuve an der Spitze ume Gantea

schen Marine herrschte offiziere

unfähig und hegten vor den Engländern solchen Respekt , dafs sie sich von dreimal schwächeren Geschwadern blockieren liefsen . Linois , Bruix und Latouche - Tréville wären vielleicht unternehmender

*) Vgl. die 1781 vom Königlichen Dichter variierte Stelle aus Voltaire's Trauerspiel „Zaïre" ; Oeuvres XIV, 177. Sodann das Schreiben d. d. Potsdam 27. September 1781 und 13. August 1777, nebst der poetischen Epistel vom 22. Oktober 1776 an d'Alembert, sowie auch den ersten Teil des Briefes vom 10. November 1781 an ebendenselben.

16

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .

gewesen, wenn sie gesehen hätten, dafs der Geist ihrer Mannschaften Perré allein zeigte , dafs er die einem Adein besserer war. miral unbedingt nötige

Kühnheit

als er mit dem „ Généreux " ,

besitze ;

er

war aber gefallen ,

einer Fregatte und zwei Korvetten

im Februar ( 1800) von Malta ausgelaufen und von einer überlegenen englischen Flotte angegriffen worden war, die sein Geschwader nach Décrès , welcher später mit dem heftigem Widerstande nahm. zu entkommen suchte, mufste Valetta La „Guillaume Tell " aus ebenfalls die Flagge streichen . Diane" und Justice " aus ;

Ende August liefen die Fregatten erstere wurde genommen , letztere

entkam nach Toulon . Kurz darauf (5. September 1800) mufste Malta wurde englisch ! Vaubois in La Valetta kapitulieren Bald nachher landete der englische General Sir Ralph Abercromby mit der im Helder und bei Ferrol geschlagenen Armee Am und verstärkte sich auf Malta durch 5-600 Eingeborene. 25. Oktober bekam er Befehl zur Abfahrt ;

er segelte nach Makri

in Kleinasien (gegenüber von Rhodos ) , wo er am 1. Januar 1801 Anker warf.

Dort organisierte er die Streitkräfte, welche zur Lan-

dung in Egypten bestimmt waren . Im August und September hatte Bonaparte durch Otto über einen See-Waffenstillstand unterhandeln lassen , welchen er dazu benutzen wollte , um

6 venezianische Fregatten

mit

1500 Gewehren u. s. w. nach Egypten zu senden .

4800 Rekruten, Die Unterhand-

lungen scheiterten jedoch.

In Brest lagen noch 42

und spanische Linienschiffe

und 10 Fregatten unter Bruix ,

zarredo und Gravina.

Juli

Wie so oft blieb es bei dem Projekte.

und November

Avisos nach Egypten ab. langten glücklich ans Ziel.

Ma-

Sie sollten eine Transportflotte mit 20 000

Mann nach Egypten werfen . Im Juni ,

französische

gingen einige Korvetten, Briggs und

Einige wurden genommen ,

andere ge-

Bonaparte hatte eine Fregatte bauen lassen, die „ Egyptienne " , welche den Tonnengehalt eines Linienschiffes von 74 Kanonen hatte (also etwa 1500 t) und statt der 18 -Pfünder mit 24 -Pfündern bewaffnet war . Sie und die Fregatte „ Justice " liefen am 24. Januar mit 1300 Mann an Bord (darunter 700 Soldaten) aus und landeten nach nur zehntägiger Überfahrt am 3. Februar in Alexandria , wo sie die Truppen, 1000 Gewehre, und das mitgebrachte Artillerie- und Munitionsmaterial ausschifften . 20 Kapitäns, Clément.

Unter den Truppen befanden

sich

100 Lieutenants und der ehemalige Adjutant Desaix' ,

Zwei andere Fregatten „ Africaine " und „ Régénérée " waren

1

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) . bereits 13. Januar mit 700 Soldaten

am Bord von

17

Rochefort aus-

gelaufen , hatten glücklich die Strafse von Gibraltar passiert und trennten sich dann , um die Möglichkeit des Durchdringens zu erhöhen.

Die „Régénérée " lief mit der Brigg „ Lodi " am 1. März in Alexandria ein und schiffte 200 Mann der 51. Halbbrigade , 100 Ar-

tilleristen und viele Vorräte aus. eine englische Fregatte ; entmasten ,

während

die

Die "" Africaine " stiefs jedoch auf

statt diese zu englische

entern ,

suchte

sie

sie zu

nur Kernschüsse abgab .

Diese auf der „Africaine " (welche 400 Soldaten und 250 Seeleute an Bord hatte) 300 Mann aufser Gefecht und zwangen sie zum setzten

Streichen der Flagge. Solche Verstärkungen brachten die französische Armee auf 30 000 Mann . Eine ausgiebigere Verstärkung sollte Ganteaume nach Egypten führen . In Brest wurde nämlich ein Geschwader zusammengestellt, welches

aus den besten Schiffen

Linienschiffe " Indivisible " 80 ,

der grofsen Flotte bestand :

die

„ Formidable " 80 (Flaggenschiff

des Contreadmirals Linois ) , „ Jean Bart " 84 , „ Desaix “ , „ Constitution “, „ Dix Août “ und „ Indomptable" zu je 74 , die Fregatten " Bravoure " 44 und „ Embuscade " 34 und die Brigg " Vautour" 14 Kanonen . Statt aber dieses Geschwader dem tüchtigen Linois zu überlassen , stellte man ihn unter die Befehle Ganteaume's ,

für welchen Bonaparte

eine besondere Vorliebe hatte,

wie schon nach dessen feiger Flucht bei Abukir zu ersehen war. Diese Zuneigung hatte sich noch gesteigert , parte glücklich nach Fréjus brachte ,

da Ganteaume Bona-

wenngleich dies nicht sein ,

sondern Bonapartes Verdienst war, welcher den furchtsamen Vorschlägen des Admirals kein Gehör geschenkt hatte. Ganteaume benutzte

am

23. Januar

( 1801 )

einen

Sturm ,

welcher das englische Blockadegeschwader zerstreut hatte , um auszulaufen. 4000 Soldaten befanden sich an Bord. Der Sturm wütete mit gröfster Heftigkeit , zerstreute das Geschwader und richtete es übel zu . Dem zweiten Admiralschiff Formidable" wurden die drei Marssegel zerrissen, der „ Constitution " die grofse Marsstange abgebrochen , der „ Vautour" so hin- und hergeschleudert , dafs er jeden Augenblick

zu

sinken

drohte.

Am nächsten Tage stiefs die

„Bravoure " auf die englische Fregatte „ Concord " und schlug sie nach heftigem Kampfe in die Flucht. dafür zum Contreadmiral befördert.

Ihr Kapitän Dordelin wurde

Endlich vereinigten sich wieder alle Schiffe auf dem bestimmten Sammelpunkte, nahmen am 30. die englische Korvette " Incendiary " von 28 Kan . und passierten am 5. Febr . Gibraltar. Fünf Tage später 2 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

18

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .

nahm man den Kutter „ Sprightly" von 14 Kanonen , welcher von Lord Keith nach England gesandt worden und am 13. Februar die Fregatte „ Success “ von 40 Kanonen . Durch den „ Sprightly" hatte Ganteaume erfahren , dafs Lord Keith mit 6 Linienschiffen und 50 Transportschiffen in Makri ankere, die Bahn nach Egypten war also frei . Nichtsdestoweniger entsank ihm jetzt das Bifschen Mut, welches er noch besafs, und er wandte sich nach Toulon. Bei den Balearen wurde er vom Admiral Warren welcher mit 4 Linienschiffen

entdeckt,

und 2 Fregatten von Mahon auslief.

Kapitän Bergeret vom „ Dix Août " segelte kühn auf die Engländer los, in der Hoffnung ,

dadurch Ganteaume zum Folgen zu bewegen .

Dieser aber gab ihm das Signal

zum Rückzug .

Vergebens signa-

lisierte Bergeret zurück, dafs es blos 4 englische Linienschiffe seien ; Ganteaume wagte trotz seiner doppelten Übermacht kein Treffen und liefs sich nach Toulon verfolgen, wo er am 19. Februar einlief. Lord St. Vincent , welcher die Bonaparte war wütend .

Brester Blockadeflotte befehligte, hatte Calder mit 7 Linienschiffen und 2 Fregatten zur Verfolgung Ganteaume's nach - Westindien gesandt, Lord Keith lag vor Makri , Warren mit 4 Linienschiffen in Mahon , der Weg nach Egypten war demnach offen gewesen. Um jedoch Ganteaume nicht noch mehr zu entmutigen , stellte er sich durch die Prisen versöhnt und schickte seinen Adjutanten Lacuée nach Toulon, um Ganteaume Mut einzusprechen und sein Geschwader zu verstärken . Schon am 4. Februar hatte Bonaparte Befehl gegeben , die Fregatten „ Carrère" und „ Muiron " mit 18 - Pfündern zu bewaffnen und die alten baufälligen Linienschiffe „ Banel " und " Frontin " für den Transportdienst einzurichten , doch sollten sie 60 Geschütze in den Batterieen behalten. Am 13. befahl Bonaparte, einige Fregatten segelfertig zu machen und die „ Badine " mit 2000 Gewehren, 150 Rekruten, 50 Artilleristen, 12-15 000 Geschossen und dem Friedenstraktat nach Egypten zu senden.

An die dortige Armee erliefs Bo-

naparte am 20. eine schwungvolle Proklamation , in welcher er sie an ihre Siege erinnerte und zum Ausharren ermunterte . Unterm 6. März erhielt General Sahuguet , welcher die Landungstruppen kommandierte , 200 000 Francs Kriegskasse und sein Corps wurde auf 4900 Mann verstärkt. Das Geschwader erhielt durch die Fregatten „ Badine " ,

„ Carrère "

und " Muiron "

und

die

Korvette

„ Heliopolis " Zuwachs und bestand jetzt, die 3 Prisen eingeschlossen , aus 7 Linienschiffen, 6 Fregatten und 2 Briggs .

Am 19. März lief endlich Ganteaume neuerdings aus , da aber

19

Die französische Expedition nach Egypten (1798–1801 ) .

die 99 Constitution " auffuhr und erst wieder flott gemacht werden mufste , verzögerte sich die eigentliche Abfahrt bis zum 22. Man hatte schon die Küste von Sardinien passiert, als am 26. die 4 Linienschiffe Warrens

sichtbar wurden .

Obwohl mehr als doppelt so

stark, floh doch Ganteaume bei diesem Anblick eiligst

zurück ,

bei

welcher Gelegenheit der „ Dix Août “ mit dem „ Formidable " einen Zusammenstofs hatte, der Ganteaume's Flucht noch mehr beschleunigte.

Am 5. April ankerte er wieder in Toulon.

Bonaparte verbifs neuerdings teaume zu ,

seinen Groll und redete Gan-

er möge noch einmal auslaufen .

wenn er bis Derne ,

die Truppen ausschiffen könne , Lord Keith's fürchte .

wo er

wo er

falls er sich so sehr vor der Flotte

Ganteaume lief also am 25. April nochmals Elba ,

Es sei genügend,

Bengasi oder El Baretun gelange ,

aus ,

segelte nach

einige Salven gegen Porto Ferrajo abgab ,

welche

wirkungslos blieben, und setzte dann seinen Weg fort. Nach einigen Tagen brach an Bord der Schiffe eine ansteckende Krankheit aus und Ganteaume hielt es für nötig , den Admiral Linois mit den Linienschiffen „ Formidable " ,

" Desaix"

und

" Indomptable "

zurückzusenden . Dadurch schwächte er die Zahl der Landungstruppen um 1500 Mann . An Sicilien und Candia vorbei durch den Archipel segelnd ,

näherte er

sich endlich der afrikanischen Küste.

Er wollte in Derne einen Piloten für El Baretun aufnehmen , daselbst die 3400 Mann Sahuguet's ausschiffen und diese mit Hülfe Am gemieteter Kamele nach Alexandria marschieren lassen. 8. Juni setzte er die Schaluppen aus und liefs Jerome Bonaparte mit einem Detachement landen . Die Bewohner von Derne vermuteten jedoch feindliche Absichten , versammelten sich am Strande und empfingen die Schaluppen mit einem so heftigen Feuer , diese sich zur Rückkehr veranlafst fanden.

dafs

Ganteaume hätte nun direkt nach Alexandria steuern können . Dies ging jedoch über seinen Mut, obwohl man nur noch 20 Stunden von dieser Stadt entfernt war. Er begnügte sich, die Korvette 3 Heliopolis " dorthin zu senden und ergriff dann feige die Flucht. Wie ungerechtfertigt diese war , zeigte sich aus dem Umstande , dafs die „ Heliopolis" am 9. Juni zum Jubel der Besatzung in Alexandria unangefochten

einlief.

Wäre Ganteaume der Korvette nachgefolgt,

so hätten die ausgeschifften 3400 Mann den Dingen vielleicht

eine

ganz andere Wendung gegeben. Die Feigheit Ganteaume's ist um so unbegreiflicher, als kaum ein anderer Admiral so sehr vom Zufall begünstigt wurde, wie er. Den eng2*

20

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 )

lischen Flotten

stets auf unbegreifliche Weise entkommend , begeg-

nete er immer nur einzelnen Kreuzern ,

die

ihm

zur Beute fielen.

Er hatte bis dahin 1 Fregatte, 1 Korvette und 1 Brigg aufgebracht ; auf seinem Rückzug stiefs er nun am 24. Juni im Canal von Candia auf das Linienschiff „ Swiftsure " von 74 und nahm es nach zweistündigem Kampfe.

Am 4. Juli brachte

er noch 1 Korvette und

8 Transportschiffe auf und lief endlich am 22. Juli wohlbehalten in Toulon ein . Dies war der letzte Versuch, der gemacht wurde , Egypten zu Zwar hatte Bonaparte noch am 19. Mai Bruix den Befehl erteilt, mit seinen 35 Linienschiffen auszulaufen, doch kam es nicht mehr dazu . Menou und die Mameluken . Menou lebte in Egypten sorglos wie ein Vicekönig, obwohl er durch die Depeschen Bonaparte's ,

durch griechische Schiffe , haupt-

sächlich aber durch den treuen Murad Bey von der drohenden Gefahr in Kenntnis gesetzt worden war. Er behauptete, die Engländer beabsichtigten nur den Archipelagus zu erobern, der Grofsvesir habe sich von Heliopolis

noch nicht

tachement doch landen sollte , Meer stürzen .

erholt, und wenn irgend ein De-

werde

In seiner Verblendung

er es gleich Bonaparte ins ging

er

so weit ,

über jene

schlechte Witze zu reifsen , welche von der Notwendigkeit sprachen, sich gegen einen neuen Angriff zu rüsten . Murad Bey hatte

von Kleber

Ibrahim Bey zu korrespondieren.

die

Erlaubnis

erhalten ,

mit

Kleber sah nämlich ein, daſs er

einen geheimen Briefwechsel nicht werde hindern können und dachte so aus Murad's Ergebenheit Nutzen

zu ziehen ,

indem er durch ihn

von den Plänen des Feindes unterrichtet würde.

Murad zog nämlich

die

französische Herrschaft der türkischen vor ,

da er begriff, daſs

die Türken ihm nicht einmal die Souzerainität Oberegyptens lassen würden.

Die

aufrichtige

that noch ein Übriges .

Hochachtung und Zuneigung für

Kleber

Er glaubte Menou ebenso achtenswert wie

Kleber und war ehrlich genug ,

bei Gelegenheit seiner Tributüber-

sendung dem Obergeneral durch Osman Bey el Bardissi über die Vorgänge auf feindlicher Seite Mitteilung zu machen . Dieser kam am 7. Februar 1801 in Kairo an und hatte am 8. Audienz .

Er übergab den Tribut und sagte Menou ,

Grofsvesir Murad Bey durch Ibrahim Bey (Menou) zu vermitteln .

ersucht

dafs

der

habe , bei

ihm

Jussuf Pascha fürchte nämlich ,

es möge

ihm sein Rivale, der Kapudan Pascha Hussejn , in den Unterhand-

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) . lungen mit

den

Franzosen

zuvorkommen .

Murad

Bey

21 glaube ,

Menou würde gut thun , sich mit den Türken auszugleichen, um sie von der Sache der Briten abzuziehen, umsomehr, da das Waffenglück wetterwendisch sei

und diesmal die Alliirten begünstigen könne,

welche grofse Anstalten zu einer allgemeinen Invasion träfen. Abercromby habe die 18 000 Mann in Makri zur Landung bei Abukir bestimmt ; 6000 Mann sollten durch eine zweite Flotte aus Indien. herangebracht und in Sues ausgeschifft werden ; 25 000 Mann würden unter den Befehlen des Grofsvesirs aus Syrien einrücken . wenn es Menou auch gelingen Mann abzuschlagen ,

sollte ,

Selbst

den Anprall dieser 50 000

sei immerhin eine bedeutende Schwächung der

französischen Armee unvermeidlich . Murad Bey selbst sei bereit, im Notfalle mit 1000 Mann und mehr zu den Franzosen zu stofsen und sie nach Kräften zu unterstützen .

Zum Beweise des Mitgeteilten

legte Osman Bey die ganze Korrespondenz mit Ibrahim Bey vor. Statt mit Jussuf Pascha in Unterhandlungen zu treten , welche vielleicht die Türken mit den Briten entzweit oder doch die Invasion verzögert hätten , fuhr Menou den Unterhändler heftig an , dafs Murad mit dem Feinde in Correspondenz stehe. Osman erwiderte erstaunt, dafs dies doch mit Wissen und selbst auf Wunsch Kleber's geschehen sei. Menou schrie zurück, ihn gehe Kleber gar nichts an , er sei gewohnt , seinen eigenen Willen zu haben , er sei kein Landverschacherer wie Kleber und finde dessen Güte gegen Murad sonderbar. Dieser benutze sie nämlich dazu, aus Syrien Mameluken an sich zu ziehen und seine Streitmacht immer mehr zu vergröfsern. er nicht an

Was seine sonstigen Mitteilungen betreffe , so glaube das Märchen von der drohenden Invasion ; es sei von

Murad unverschämt, von der Möglichkeit einer Wendung des Waffenübrigens bedürfe er der guten Ratschläge des

glücks zu sprechen ;

Bey nicht, sondern befehle diesem, sich ruhig in Oberegyten zu verhalten und sich nicht in fremde Angelegenheiten einzumischen . Osman Bey entgegnete beleidigt ,

Murad habe nur das Beste

der Franzosen im Auge gehabt, die Erlaubnis zur Ansichziehung der in der türkischen Armee dienenden Mameluken habe ihm Kleber gegeben,

um jene zu schwächen,

müsse man den Umstand ansehen ,

als Beweis der Loyalität Murad's dafs

er seinen Liebling Moha-

med Bey El Elfi , der zu ihm reumütig zurückgekehrt, in ein Dorf verbannt habe , bis der Obergeneral ihm werde verziehen haben . Auch hier platzte Menou hervor ,

statt jedes Dankes mit dem Tadel

dafs Murad besser gethan hätte,

Fülsen gefesselt einzuschicken.

Elfi Bey an Händen und

22

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . Osman Bey schlofs

diese unerquickliche Unterredung mit der

Bemerkung, er werde die übrigen Generale besuchen, um ihnen seine Hochachtung darzubringen und die Briefe zu überreichen , welche Murad an sie geschrieben . Dies war ein neuer Anlafs für Menou , gegen Murad loszubrechen , der sich unterstehe an jemand Andern als den Obergeneral zu schreiben.

Osman Bey dürfe zwar

die Besuche machen ,

es

aber nicht

wagen, die Briefe auszufolgen. Damit schlofs die Entrevue . Osman Bey war im höchsten Grade empört. Er ging zu Damas und D'Aure ,

welchen

er seine Indignation und zugleich

sein Erstaunen ausdrückte , dafs die Franzosen einen solchen Tölpel zum Nachfolger des edlen Kleber gemacht, der es so sehr verstanden , sich die Sympathieen der Mameluken zu erwerben. Damas bat den Gekränkten, sich aus der Schroffheit Menou's nichts zu machen, deshalb seien doch alle Franzosen dem Murad Bey sehr gewogen . Er solle diesem den peinlichen Empfang verhehlen und den Generalen zu Liebe von Menou's Unart absehen. Osman Bey wartete Menou's.

in Kairo auf eine Änderung der Antwort.

Nach wenigen Wochen kam die Nachricht von der Lan-

dung der Engländer und er erneuerte den Vorschlag einer Kooporation . In der heiklen Lage , in welcher sich die Franzosen befanden, wäre eine Mitwirkung des tapferen Murad Bey mit 1000 bis 1500 Mameluken und einigen Tausend Egyptern nicht zu verachten gewesen. Menou wollte aber nichts davon wissen . Er befahl Osman abzureisen und Murad zu sagen, er solle sich bei strenger Züchtigung hüten, Oberegypten zu verlassen .

Erscheinen der englischen Expedition. Am 27. Februar 1801 ,

als

es

schon

dunkelte , legte auf der

Rhede von Abukir , unterhalb des Brunnenhügels , ein Boot an .

Es

war dies die Schaluppe des englischen Kutters „ Peterel " , welcher die Geniemajore

Mac Karras und Fletcher entstiegen .

kognoszierten die ganze Nacht hindurch die Küste , sorglosen Franzosen bemerkt zu werden .

Sie re-

ohne von den

Erst als der Morgen graute ,

wurde die rückkehrende englische Schaluppe von dem im Madjé - See stationierten französischen Kanonenboote entdeckt und verfolgt. Obwohl Fletcher rief, sie würden sich ergeben, folgte eine volle Salve , welche Mac Karras tötete. Fletcher und die Schiffsmannschaft machten neue Zeichen und wurden hierauf gefangen nach Kairo geschickt , wo sie am 2. März anlangten .

Friant , welcher in Alexandria befehligte.

sandte die bei den Engländern gefundenen Papiere mit ,

aus

denen

23

Die französische Expedition nach Egypten (1798–1801 ) .

man ersah, dafs eine Landung unmittelbar bevorstand . Er verlangte aus diesem Grunde eine Verstärkung von 2 Batterieen und 1 Kavallerieregiment. Am genannten Tage (2. März ) war die französische Armee fol-

gendermafsen organisiert : Division Reynier : (Kairo)

(Brigade- Gen . Robin , Delzons (?) ) = 5400 Mann . 9., 13., 25. und 85. Halb- Br.

Division Lanusse : (Brigade - Gen. Eppler , Valentin, Silly) 4. I. , 18. , 69. u . 88. Halb- Br. = 5400 (Kairo) Division Friant : (Alexandria und Rosette)

(Brigade- Gen . Fugières (?) ,

"9

Zajon-

schek, Boussard (?) ) 61. , 75. HalbBr. , 300 Mann der 51., 1000 Malteser, 1000 Mann Seelegion ( ohne 1800 auf den Schiffen befindliche Seeleute) , je 2 Schwadr. vom 18 .

5000

"

Division Belliard : (Brigade-Gen . Donzelot, Verdier [?? ] ) (Kairo u. Benisuef) 2. u. 22. 1. Halb- Br. = 2500

"

u. 20. Drag.- Reg.

Division Rampon : (Damiette) Division Roize :

(Brigade - Gen. Destaing , Morand) *** 2800 21. l. u. 32. Halb-Br. Lefebvre) (Brigade. - Gen. Bron , 7. Hus. ,

22. Chass . ,

18. u. 20. Drag. Dromedarierregiment : (Oberst Cavalier )

99

3. 14. , 15. , = 2300 = 600

"9

= 1000 = 500

"

Guidenregiment : ( General Duranteau [ ? ] ) Koptenbataillon : (Major Makallem )

Mamelukencorps : (Oberst Barthelemy )

= 1500 = 400

Artilleriecorps : (General Songis ) 100 Feldgesch.

= 1500

Griechenlegion : (Admiral Papas - Oglu )

Artilleriepark : (General Faultrier) etwa 800 Gesch. = 600 = 500 Geniecorps : (Generale Sanson und Bertrand ) = 1000 Veteranen und Invaliden zum Garnisonsdienst

29

"7 99 ,‫و‬

"" " "9

Die ganze Armee zählte also 31 000 Mann , *) davon 3400 Reiter, 2100 Artilleristen, 500 Mann Genietruppen und 25 000 Mann Infanterie. Es mufs jedoch berücksichtigt werden, dafs sich unter diesen 31 000 Mann 6400 Eingeborene befanden (Neger, Mameluken , Griechen , Kopten und Syrier) , welche später ziemlich stark desertierten . Menou war Centralist. Er liebte es , die ganze Armee

um

*) Die auf den Schiffen und der Nilflottille eingeschifften Seeleute (2300 Mann) sind in obiger Zahl nicht eingerechnet.

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .

24

sich zu haben und überall nur die nötigsten Besatzungen zu lassen. Dies wäre schliefslich nicht so tadelnswert gewesen , wenn er die Absicht gehabt hätte, mit der ganzen Armee auf den bedrohten Punkt zu eilen.

Dennoch waren die exponierten Posten zu schwach besetzt.

Gegen Syrien zu waren Salhejé , Mann besetzt.

Belbejs und Sués

Gegen Oberegypten ,

mit Murad Bey

gar nichts

mit je 100

von wo man seit dem Bündnis

zu fürchten hatte ,

standen

dagegen

1200 Mann unter Donze lot bei Benis uef. Rampon hielt die ganze Küste von Rosette bis Tiné und das Delta besetzt. In Burlos lagen

davon 100 ,

in Lesbé 260 Mann .

Diese Truppen

befanden sich alle am rechten Platze, dagegen hatte Menou den wichtigsten Punkt , nachlässigt.

die Küste Alerandria - Rosette ,

Friant mufste von

am meisten ver-

seinen 5000 Mann nicht weniger

als 1400 Mann abgeben : 450 unter Zajon schek im Viereckigen Hause nahe Edku , 300 Mann in Rosette , 150 unter Saint Faust im Fort Jullien , 300 unter Major Vinache im Fort Abukir , 200 unter Oberst Lacroix in Ramanjé. Es blieben ihm somit nur 3600 Mann und die 1800 Seeleute umfassenden Schiffsequipagen. Rechnet man ,

dafs er diese ,

und Veteranen

(im ganzen

die Seelegion und 500 Mann Depots 3300 Mann ) in Alexandria als

Be-

satzung lassen musste, um gegen jeden Handstreich gesichert zu sein , so blieben ihm nur Feindes .

2100 Mann

zur Abwehr

einer Landung des

Es mufs demnach heftig getadelt werden, dafs Menou nicht

eine starke Division (Reynier oder Lanusse) in Ramanjé stehen liefs, von wo sie ebenso leicht nach Alexandria , Damiette oder das Delta rücken konnte. Auf diese wichtige strategische Centralstellung hatte überdies schon Bonaparte in seinem hinterlassenen Memoire aufmerksam gemacht. In Mermeridsché hatte Sir Ralph Abercromby inzwischen eine Landungsarmee zusammengezogen, welche durch Lord Keith Am 21. Februar waren nach Egypten geschafft werden sollte . 17 100 Mann , 700 Pferde und 15 Feldgeschütze beisammen ,

welche

Macht der General für genügend hielt, die Landung zu unternehmen , denn er schätzte die Franzosen nur

auf 15 000 Mann ,

von denen

mindestens 3-4000 für Besatzungen abgerechnet werden

mussten .

Trotzdem ist das Vorgehen Abercromby's sträflicher Leichtsinn . Er hatte in der nächsten Zeit 11 Bataillone Verstärkung zu erwarten (7000 Mann) ; von Indien und dem Cap der guten Hoffnung sollten 6500 Mann herankommen, um in Sues zu landen ; der Grofsvesir stand mit 10 000 Mann in Gebrie und wartete nur das Eintreffen der 5000 von Dschessar versprochenen Reiter ab, um sich gegen

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801) .

25

Salhejé in Bewegung zu setzen ; die türkische Flotte mit 6000 Janitscharen und Arnauten an Bord mufste jeden Augenblick eintreffen . Wenn also Abercromby noch einen

oder zwei Monate wartete ,

so

wurden die Franzosen nicht durch 20 000, sondern von 54 000 Mann angegriffen, darunter 31 000 Engländer, 2000 Seapoys und 6000 treffiche Arnauten . So aber langten alle diese Corps getrennt und in grofsen Zwischenräumen an. Vielleicht war auf die verfrühte Landung Abercromby's nicht wenig der Bericht von Einflußs , den Generalmajor Moore über den Zustand der türkischen Armee erstattete, welche

er mittlerweile im Lager von Jaffa besucht hatte . *)

Er

hätte aber doch wenigstens noch drei Wochen warten können , bis die 6000 durchaus nicht zu verachtenden Arnauten und Janitscharen vom Kapudan Pascha herbeigeführt waren .

Endlich muss noch bitter

getadelt werden, dafs er sich die schlechteste Jahreszeit zur Landung ausersehen hatte. **) Am 20. Februar begann die Einschiffung die Expedition die Anker. Die Türken wollten sich

und am 23. lichtete

im letzten Moment noch durch einen

Handstreich der schönen Engländerinnen bemächtigen , welche sich bei der Expedition befanden, doch mifslangen die Versuche, obwohl eine Dieselbe hatte sich unter Französin nur mit genauer Not entrann. der Beute befunden ,

welche die Engländer kurz vorher in

gekaperten französischen Transportschiffen gemacht.

einigen

Letztere waren

nach Egypten bestimmt und hatten bezeichnenderweise unter andern Luxusgegenständen eine starke Ladung mit obscönen Bildern bemalter Fächer. Kaum war die 176 Fahrzeuge

starke Flotte

unter

Segel ge-

gangen, als ein gemietetes griechisches Transportschiff scheiterte und bis auf einen einzigen Mann mit der Besatzung und der Ladung

*) Charakteristisch für die türkische Armee ist folgender von Wilson in seiner 1802 erschienenen „History of the British Expedition to Egypt " erzählter Vorfall. Der Grofsvesir wollte Revue halten, um sich von der Stärke seiner Armee zu überzeugen. Dies war aber seinen Unterbefehlshabern unangenehm, da sie ihre Truppen für doppelt so stark ausgaben, als sie waren , um den Rest der Rationen in ihre Taschen zu stecken. Sie feuerten deshalb am Morgen des Revuetages einige Schüsse in das Zelt des Grofsvevirs ab. Dieser verstand sofort den zarten Wink und die Revue unterblieb ! **) Die englische Expedition setzte sich folgendermafsen zusammen : Oberkommandant der Armee : Generallieutenant Sir Ralph Abercromby. Dessen Stellvertreter : Generalmajor John Hely Hutchinson. Generalstabschef: Oberstlieutenant Robert Anstruther. Generaladjutant : Brigadegeneral John Hope.

26

Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801) .

(Maultiere)

zugrunde

gatte "9 La Pique " schiffen zur Flotte .

ging.

Dafür stiefs am 26. Februar die Fre-

(Capitain Young)

mit

mehreren

Transport-

Geradezu unglaublich klingt die Thatsache , daſs

die französische Fregatte „ Régénérée " sich der englischen Flotte anschlofs, einen Tag mit ihr segelte und Signale wechselte, ohne von derselben erkannt zu werden. Dies geschah erst, als sie im Vorbeifahren an Alexandria in den Neuen Hafen einlief und daselbst die französische Flagge aufhifste .

In derselben Nacht war auch die

Brigg "" Lodi " in Alexandria eingelaufen , ohne von den Engländern bemerkt worden zu sein. Die Flotte der Letzteren erschien am 1. März ( 1801 ) um 2 Uhr Nachmittags westlich von Alexandria und

steuerte

nach Osten.

Sofort sandte Friant einen Eilboten nach Kairo , um diese Neuigkeit zu melden und abermals Verstärkung

zu verlangen .

Der Eil-

bote langte am 4. März um 2 Uhr nachmittags in Kairo an .

Wenn

Infanterie :

4. Brig. Brigadegeneral John Doyle.

Garde-Brig. Generalmajor Georges James Ludlow .

Coldstream Guards ( 1. Bat.) 3. Garde-Regt. ( 1 Bat.)

859 Baj. 897 29

1. Brig.: Gen.-Maj. Eyre Coote. 1. 54. 54. 92.

Regt. " Royals " (2. Bat.) Regt. ( 1. Bat.) Regt. (2. Bat .) Regt.

664 " 496 489 663

2. Brig. Gen.-Maj . John Francis Craddock.

8. 13. 18. 90.

Regt. Regt. Regt. Regt.

447 "" 650 " 449 758

3. Brig. Gen.-Maj . Richard Carl of Cavan.

50. Regt. 79. Regt. Seebataillon

497 615 " 470 "

2. 30. 44. 89.

Regt. "2 Queen's" Regt. Regt. Regt.

552 421 279 398

Baj. 99 39 99

5. Brig. Brigadegeneral John Stuart. „ Stuart's" od. „Minorca“ od. 945 ,,Queen's German " Regt. „ De Roll's" Regt. od. „ Swiss 534 Guards"

„Dillon's" Regt. od. „ Swiss Guards" 574 Reservebrigade : Gen. -Maj. John Moore u. Brigadegen. Hildebrand Oakes.

23. Regt. 28. Regt. 42. Regt. („ Royal Highlands ") 58. Regt. 40. Regt. (4 Flank. - Comp. ) ,,Corsican Rangers " Stäbe u. s. w.

477 599

782 " 483 250 218 " 84 " Zusammen 14500 Baj. Dazu Offiziere, Unteroffiziere und Trommler 2226 M. Im ganzen Infanterie : 16 776 M.

27

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .

sich Menou an das Memoire Bonaparte gehalten hätte, wäre er keinen Moment in Zweifel gewesen, was er nun zu thun habe.

Reynier

schrieb ihm auch, das Beste sei , mit der ganzen Macht nach Abukir zu rücken, da offenbar dort die Landung stattfinden werde ; in Kairo möge er blos die Depôts und sonstige weniger

tüchtige Leute ,

als

Veteranen, Griechen , Kopten u. s . w. lassen ; und von Syrien her sei

Kavallerie:

33

Artillerie :

Brigade- Gen. Robert Lawson. 150 Pf. 154

89

Brigade- Gen. Edward Finch. 486 Säbel 12. 1. Drag.-Regt., 483 99 26. 1. Drag.- Regt. 11. 1. Drag.- Regt., (d. Res.-Brig. zu53 getheilt) „Hompesch" - Husaren-Regt. , (der 141 99 Res.-Brig. zuget.) 1163 Säbel

63

158 525 Pf.

Dazu Offiz ., Unter150 Mann - - Pf. offiz., Trompet. Im ganzen Kavallerie 1313 Mann 525 Pf.

Pferde Unberitten : Offiz. , Unteroffiz. , Hornisten 53 Mann Gemeine 586 "9 Beritten : Unteroffiziere und Hufschmiede 11 173 721 Gemeine Seeartilleristen (von der Flotte 300 " detachiert) 173 Im ganzen Artill. : 1022 Mann ,,Pioneers ", d. i . 500 99 Maltes. Freiwill. Gesamtarmee : 19 611 Mann m. 850

Pferden und 15 (oder 34) Feldgeschützen. (Genietruppen fehlen in den offiziellen Listen. Sie müssen aber jedenfalls vorhanden gewesen sein und dürften die Gesamtstärke der Armee auf etwa 20 000 Mann erhöht haben, von denen angeblich 1000 Kranke waren.) Seemacht. Oberbefehlshaber : Admiral Lord Keith. Dessen Stellvertreter : Contreadmiral Sir Richard Bickerton. Linienschiffe : „ Foudroyant “ , 84 K. „ Tiger “ , 80 K. (Komod . Sidney Smith) . Ajax" , 80 K. (Kap. Cochrane). „Kent", 74 K. " Minotaur", 74 K. (Kap. Louis) . „ Swiftsure", 74 K. (Kap. Hallowell) . Northumberland ", 74 K Dazu 8 Linienschiffe (,,Monarch", 74 K. , „ Indefatigable ", 74 K., „ Diadem " , 64 K., Europa ", 64 K.,,, Dictator" , " Regulus", 74 K.,,,Stately" , „ Delft") als unbewaffnete Transportschiffe . Fregatten : „ Ulysses " , 42 K. „ St. Dorothée", 42 K. „ Pique “ , 40 K. ,,Penelope", 36 K. „ Flora “ , 36 K. „ Florentine “ , 36 K. Dazu eine Anzahl Fregatten als unbewaffnete Transportschiffe. Korvetten : „ Mondovi “ , „ Cinthia". Briggs : „ Peterel ", „ Cameleon " , ,,Minorca" und später noch ,, Kanguroo“. ―- Kutter : Cruelle " , "Entreprenant". - Schooner : ,,Malta" . -- Bombarden : „Fury“ , „ Tartarus “. Kanonenboote : „ Dangereuse ",,,Négresse" , Janissary". Yacht : „ Braakel “. Ferner eine Anzahl desarmierter Kriegsschiffe (samt den Fregatten , 39 im ganzen) und das gemietete Packetboot „ Duke of York" als Transportschiffe und etwa 100 gemietete Fahrzeuge. Die Zahl der Seeleute auf den 75 Kriegsschiffen dürfte 13 000 Mann betragen haben.

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .

28

nichts zu besorgen,

da der

Grofsvesir nur

eine

schwache

habe und noch gar nicht in El Arisch angekommen sei .

Armee

Die Haupt-

sache wäre, erst die Engländer zu schlagen ; die Türken würden dann von selbst zurückgehen. Man kann nicht vernünftiger sprechen. Dennoch blieb Menou

taub ; er scheute sich ,

den Rat seines Rivalen zu befolgen . Er erdeshalb Ermessen seine geistreichen Dispositionen . eigenem liefs nach Nach dem bedrohten Punkte schickte Menou das 22. Chasseurregiment unter Bron , dem er erst einen Tag später die Division Lanusse und den Rest des 20. Dragonerregiments folgen liefs . Doch schien ihm 1500

Mann

dies noch zu viel,

starke

88.

denn

Halbbrigade

Friant gesandte Verstärkung

er rief unterwegs

zurück,

so

dafs

die

die

ganze

sich auf 4600 Mann (einschliefslich

Artillerie)

und

anlangten.

Dagegen mufste Reynier

9 Kanonen beschränkte,

welche

mit der

obendrein zu spät 13. und 85. (2800

Mann) nach Salhejé , obwohl aus Syrien vorläufig gar keine Gefahr drohen konnte. Morand mit den 1. und 2. Bataillon der 21. und 22. leichten ( 1800 Mann) erhielt Befehl zu Rampon nach Damiette zu stofsen - alles Andere blieb um des Obergenerals geheiligte Person zu Kairo versammelt !!! Reynier und Lanusse begaben sich aufgeregt zu Menou und machten ihm in der eindringlichsten Weise Vorstellungen über seine Anordnungen umsonst ! Menou wollte nichts hören . Er kehrte den Obergeneral hervor und donnerte den braven Offizieren ein energisches : "9 Gehorchen Sie ! " zu . Trostlos kehrten sie zu ihren Truppen zurück und vollzogen die Befehle . zu haben,

wenn er

Menou aber glaubte genug getan

an die Bewohner

Egyptens

schwulstige Proklamation erliefs (5. März) , in

eine

unglaublich

welcher

er verkün-

digte, er werde die soeben gelandeten Engländer ins Meer werfen und die heranrückenden Türken im Wüstensand ersticken . Wenn sich die Eingeborenen empören sollten, werde er so furchtbar strafen , Eine Woche verstrich, wie Kleber nach dem Aufstande Kairo's. ohne dafs Menou von der Landung benachrichtigt worden wäre .

In

Folge dessen schwoll ihm der Kamm und er begann die Engländer zur Zielscheibe seines Witzes

zu machen, behauptend , sie hätten in

der Eile ihre Landungstruppen einzuschiffen vergessen und dies Versehen erst bei Abukir bemerkt. Um so betroffener war er dann am 11. März, als um 3 Uhr nachmittags ein Eilbote die lakonische Meldung überbrachte :

„ General Friant hat bei dem Versuche , die

Engländer an der Landung zu verhindern, eine schwere Niederlage erlitten und musste sich auf Alexandria zurückziehen."

29

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .

Fünfzehnter Abschnitt . Die englische Invasion .

Das Gefecht am Brunnenhügel. Friant war sofort nach dem Erscheinen der englischen Flotte mit der 61. und 75. Halbbrigade, den 4 Schwadronen des 18. und 20. Dragonerregiments, den soeben von der „ Régénérée " ausgeschifften

300 Mann der

51. Halbbrigade uud

3 Batterieen

nach

Sein Corps belief sich auf nur 1850 Mann Abukir aufgebrochen . Infanterie, 180 Reiter und 240 Mann Artillerie, zusammen 2270 Mann, 12 Kanonen . Im Fort A bukir lagen unter dem Geniemajor Vinache 300 Mann der 61. mit 11 Geschützen. Sie konnten Friant verDieser beging aber den Fehler sich im Gegenteil noch zu schwächen, indem er am 3. März 300 Mann zur Besetzung der Landstärken.

enge zwischen Madjé und Edku absandte, als ob diese Hand voll Leute eine Umgehung des Madjé - Sees auf dem

im stande gewesen wäre, Südufer zu verhindern !

Zur Beobachtung genügte

ein

Chasseurs-

Piquet, während diese nutzlos detachierten 300 Mann ein Siebentel der Streitmacht Friant's ausmachten. Mit seinem kleinen Truppencorps nahm Friant schon am 2. März bei Abukir Stellung. Die englische Flotte war, nachdem sie sich voreilig vor Alexandria hatte sehen lassen , noch in der Nacht vor Abukir erschienen, wo sie am 2. früh Anker warf. Tage stürmisch waren, gedacht werden .

Da die nächsten

konnte vor dem 7. an keine Ausschiffung

Friant hatte somit hinlänglich Zeit gehabt, sich eine passende Stellung auszusuchen . Die lange Untätigkeit der Engländer erweckte in ihm sogar die Hoffnung , Menou ankommen.

werde noch rechtzeitig · Hätte dieser noch am 2. März, nach Eintreffen des ge-

fangenen Geniemajors, die gesamte Kavallerie nach Abukir dirigiert, so wäre sie, 2700 Pferde und mindestens 400 Dromedare stark , noch rechtzeitig angelangt ; Friant verfügte sodann über 5400 wenn er noch die überflüssig detachierten 1200 Mann und 300 Seeleute an sich gezogen, gar über 6900 Mann! mit welchen es ihm wahrscheinlich gelungen wäre , die Landungsversuche der Engländer so lange aufzuhalten, bis Menou herangekommen . Dieser hätte mit der Infanterie und Artillerie am 8. eintreffen können , wäre also eben recht gekommen ; dann war man aufser Gefahr. Aber an solche Beschlüsse dachte Menou nicht ,

obwohl er Bonapartes Beispiel

30

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801) .

in einer ähnlichen Lage vor Augen

haben musste.

Friant blieb.

somit auf sich selbst angewiesen . Am 7. um 4 Uhr nachmittags versuchte Sir Sidney- Smith eine Rekognoszierung . Mit 3 Schaluppen lief er in den Madjé - See ein , schiffte 50-60 Mann aus, vertrieb die Besatzung des an der Mündung errichteten Blockhauses , mufste jedoch vor den anrückenden Dragonern den Rückzug antreten . Nach französischer Quelle hätten letztere noch Zeit gehabt, 20 Engländer niederzuhauen .

Nach

englischer Quelle wurde das am Eingang der Mündung des Sees stationierte französische Kanonenboot

angezündet ,

der Brand ver-

löschte jedoch und es fiel tags darauf den Engländern in die Hände. Friant war durch diese Rekognoszierung gemacht worden.

wahrscheinlich

irre

Es scheint, dafs er keine direkte Landung auf der

Rhede, sondern in seinem Rücken , in der Bucht von Canopus oder an den Ufern des Madjé - Sees befürchtete, denn er beging den unverzeihlichen Fehler, den Brunnenhügel * )

gar nicht zu besetzen,

obschon Bonaparte nicht nur auf dessen Wichtigkeit aufmerksam gemacht, sondern sogar ausdrücklich die Erbauung eines Forts auf demselben anbefohlen hatte. Friant stellte die Abtheilung der 51. Halbbrigade zwischen dem Vesiers- und Scheichhügel auf, wo sie seinen äussersten linken Flügel bildete. Ihr schlofs sich gegen Süden die 75. Halbbrigade an, welche in dem Palmengehölz zwischen Scheich- und Brunnenhügel lagerte.

Sie wurde vom Oberst Chouillier befehligt .

Das

Centrum wurde von der Kavallerie ausgefüllt, welche unter des General Boussard Befehlen hinter dem Brunnenhügel stand , um je nach Bedarf auf den bedrohten Punkt eilen zu können . Auf dem südwestlichen Ausläufer des Brunnenhügel , dort wo die Landzunge beginnt , welche das Meer vom Madjé-See trennt ,

befand

sich

61. unter Oberst Dorsenne , nebst einer Positionsbatterie .

die

Diese,

im Verein mit dem Fort Abukir und der Batterie an der Mündung des Madje - Sees , hielt die ganze Küste unter Feuer. Bei Tagesanbruch (2 Uhr) des 8. März segelte die Korvette " Mondovi " (Kapitän Stuart) auf Kanonenschufsweite heran . Um dieselbe Zeit begann die Einschiffung der Truppen in Schaluppen. Die Reservebrigade unter Moore

und

Oakes ,

die Gardebrigade

unter Ludlow und ein Teil der 1. Brigade ( Royals ", 1. Bataillon und 200 Mann vom 2. Bataillon des 54. Regiments) , unter Coote , sowie 10 Geschütze unter Sidney - Smith , Alles

*) S. Seite 21 des Oktober-Heftes.

zusammen

etwa

31

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .

7000 Mann mit 10 Kanonen, sollten gleichzeitig ans Land gesetzt werden, während der Rest von der 1. und die 2. Brigade (3600 Mann) als Reserve folgen würde. Um 3 Uhr wurde das Signal gegeben , alle zu versammeln .

Schaluppen hätten sich um die „ Mondovi " standen unter den Befehlen

Jene

des Kapitän Cochrane vom „ Ajax "

und waren (nach Bonaparte) 150 an der Zahl. (Thiers giebt deren 320 an.) Sie waren in zwei Divisionen geteilt und im Centrum durch die Bombarden „ Fury “ und „ Tartarus " nebst den Briggs „ Peterel “ , „ Camelion “ und „ Minorca" geschützt , während der rechte Flügel

von

dem

Kutter

„ Cruelle " ,

Kanonenbooten

den

„ Dangereuse " und „ Janissary" , sowie zwei armierten Schaluppen, der linke hingegen vom Schooner „ Malta " , Kutter „ Entreprenant ", Kanonenboot „Négresse" und zwei armierten Schaluppen flankiert war. Alle englischen Quellen stimmen

darin überein ,

9 Uhr die Schaluppen sich in Bewegung 10 Uhr an den Strand liefen ,

dafs

erst um

setzen konnten und

während alle

um

französischen Quellen

ebenso einstimmig 61/2 und 7 Uhr dafür bezeichnen und um 9 Uhr das Gefecht bereits enden lassen.

Doch scheint mir die englische

Angabe richtig. Die französischen Geschütze

und das Fort Abukir begannen

die heranrudernden Schaluppen zuerst mit Kugeln , dann mit Kartätschen und Kleingewehr zu beschiefsen, bohrten mehrere derselben in Grund und verursachten auf dem linken Flügel einige Unordnung. Trotzdem setzten aber die Landungsboote ihren Weg fort , während die obenerwähnten 16 englischen Kriegsfahrzeuge den französischen Geschützen antworteten . Nach den französischen Berichten stürzte sich die 61. Halbbrigade mit Elan auf die landenden Feinde und warf sie mit dem Bajonett ins Meer zurück. den

In ihrer Begeisterung folgten die Grenadiere

Fliehenden nach und bemächtigten

sich

12 Schaluppen,

auf

denen sie keck genug den retirierenden Fahrzeugen nachruderten, in dieser Weise die Engländer auf ihrem eigenen Element bekämpfend. Die Engländer wissen jedoch nichts davon .

Nach ihrer Behauptung

erstürmten das 23. und 40. Regiment den (unbesetzten) Brunnenhügel mit dem Bajonett nnd nahmen 3 Kanonen .

Das 42. ( Hoch-

länder) Regiment, welches etwas weiter rechts gelandet war, suchte ebenfalls den Brunnenhügel zu ersteigen.

Friant hatte die 75. so weit von der Küste aufgestellt, dafs sie dem Feuer der Kanonenboote nicht ausgesetzt war. Chouillier konnte infolge dessen nicht schnell genug herankommen ,

wie dies

E

32

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .

Dorsenne gethan .

Als

die 75. den Strand

erreichte ,

fand

sie

bereits den Brunnenhügel besetzt, von dem gegen sie ein heftiges Feuer gerichtet wurde . Um ihn zu umgehen , schwenkte die 75 . links ab, gerieth aber hierdurch in den Schufsbereich der Kanonenboote , welche aus nächster Nähe eine Kartätschensalve abgaben, die 32 Mann tötete und 20 verwundete. Bestürzt weicht sie zurück. Dies wird von dem Rest der englischen Schaluppen benutzt, schnell zu landen. Die Engländer sind jetzt zahlreich genug, um sich ausbreiten zu können . Kaum wendet sich das 42. Regiment gegen den Brunnenhügel , als Friant die 18er Dragoner zum Einhauen beordert. Deren Befehlshaber soll seinen Auftrag ganz verkehrt und falsch aufgefafst und ausgeführt haben. Infolge dessen verlor er die Hälfte seiner Leute und mufste weichen.

Boussard eilt mit den 20er Dra-

gonern herbei, rettet den Rest, greift die eben landenden Garden an, wird jedoch durch

das Feuer

Die 61., ihrer Gegner entledigt,

des 58. Regiments stürmt

zurückgeworfen. von Süden her gegen den

Brunnenhügel , der vom 23. , 40. und 42. Regiment besetzt ist . 75. will die Garden in der Flanke attakieren ,

Die

aber bevor sie dazu

kommt, wird sie selbst von den „ Royals " und dem 54. Regiment in der Flanke gefafst und zum Rückzug gezwungen.

Vergebens suchen

die Dragoner und die 51. den Feind aufzuhalten.

Friant sieht ein,

dafs mit dem Abdrängen der 75. alles verloren ist, Reserve hat er keine, wenn er nicht die 61. zurückruft, mufs sie abgeschnitten werden.

Er tritt also um 11 Uhr den Rückzug an, unterhält noch von

den Höhen an der Rhede von Canopus aus 11/2 Stunden lang Feuer ,

das

mufs jedoch vor der nachdrängenden Übermacht weichen.

Thiers giebt den englischen Verlust auf 1100 , Bonaparte auf 1200 Mann an. Den eigenen beziffert letzterer mit 300 , ersterer mit 400

Mann .

Nach

der

englischen offiziellen

Angabe

wurden

5 Offiziere und 131 Mann getötet, 26 Offiziere und 579 Mann verwundet ,

also ein Gesamtverlust von 741 Mann .

Franzosen beziffert Wilson auf 300 Mann . 1 24- Pfünder, 1 9 - Pfünder , 1 8 -Pfünder, 1 6-zöll. Haubitze . Es unterliegt

keinem Zweifel ,

dafs

Den Verlust der

Die Engländer nahmen 1 6-Pfünder, 3 4-Pfünder,

die

2700 Reiter ,

welche

Menou mit Leichtigkeit hätte senden können , den Sieg entschieden hätten, denn mit mehr als 7000 Mann auf einmal zu landen waren. die Engländer nicht im stande . Im Laufe des Tages schifften die Engländer den Rest ihrer Armee aus. Das Fort Abukir wurde cerniert, die Avantgarde bis zur Redoute Mandora an der Landenge von Canopus vorgeschoben .

Die französische Expedition nach Egypten (1798–1801 ) . Die Kanonenboote

nachdem es der

ein ,

liefen in den Madjé - See

33

80 Mann starken französischen Besatzung der Redoute an der Mündung gelungen war, sich nach Rosette zu retten. 1000 Mann („ Queen's " und die unberittenen Dragoner des 26. Regiments) blockierten Abukir.

Zum Vormarsch auf Alexandria hatte

man somit noch 17 000 Mann, von denen 525 beritten. Unbegreiflicherweise liefs sich Abercromby vier Tage Zeit, bevor er weiterrückte . Er schien also auch nicht das Geheimnis Bonapartes zu kennen : „ Schnelligkeit ist der halbe Erfolg. " Am 10. fand ein Scharmützel mit französischer Kavallerie statt, welche

20 korsikanische Jäger und einen Arzt

gefangen nahm,

während Oberst Spencer mit genauer Not entrann .

Am selben Tag

rekognoszierten die Kapitäne Marley und Stuart in einem Boote auf dem Madjé - See und gelangten bis zum Kanal von Alexandria. Am 12. rückte Abercromby um ein kleines Stück vor.

50 Dragoner

bildeten den Vortrab , dann folgten die Garden nebst den Brigaden Coote und Finch als erstes, Craddock und Lord Cavan als zweites , Stuart und Doyle als drittes Treffen .

Das Treffen bei Canopus. Was Friant schon vor dem Gefechte

am Brunnenhügel thun

sollte, that er jetzt endlich : er zog Zajons check mit den 750 Mann und 2 Kanonen von Edku und dem Viereckigen Hause an sich.

Da

am 11. Lanusse mit 4600 Mann und 9 Kanonen anlangte , beliefen sich

die vor Alexandria

aufgestellten französischen Streitkräfte,

deren Kommando Lanusse übernahm, auf 7000 Mann und 20 Kanonen. Lanusse hätte nun freilich am besten gethan, in der Defensive zu verharren, bis der Rest der französischen Armee herangekommen ; aber einesteils die Besorgnis , Menou möchte durch seine Gegenwart alles verderben ,

dann aber auch der Ehrgeiz ,

einen entscheidenden Sieg zu erringen ,

vor dessen Ankunft

bewogen

ihn

zu dem Ent-

schlusse, noch vor dem Römerlager (zwischen Abukir und Alexandria) eine Schlacht anzunehmen. Dazu mag auch die Besorgnis beigetragen haben , die Engländer möchten nach Besetzung des Römerlagers die auf dem schmalen Damm zwischen Madjé- und Mareotis - See laufende Strafse nach Damanhur und Kairo in ihre Gewalt bringen.

Dies hätte jedoch wenig Nachteil gebracht, da der

Mareotis-See vollkommen trocken lag und die Verbindung mit Kairo somit offen blieb . Friant brannte ebenfalls Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

danach, seine Scharte 3

34

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .

auszuwetzen und so wurde beschlossen , vor dem Römerlager eine Schlacht zu liefern , obwohl Bertrand die energischsten Gegenvorstellungen machte . Abercromby hatte sich endlich am 13. März bei Tagesanbruch dazu bequemt, den Vormarsch auf Alexandria anzutreten .

Da

die Landzunge, auf welcher man vorrückte, nur 1000-3000 Schritte breit ist ,

stützten sich beide Flügel an das Meer und den Madjé-

See, auf der einen Seite von Briggs , Schooner , Kutter und andern leichten Fahrzeugen, auf der andern von Schaluppen und Kanonenbooten begleitet. Der englische Schlachtplan war folgender : Das 1. Treffen, vom 92. geführt, bildet die Linke und sucht die französische Rechte zu umgehen. soll das 1. unterstützen .

Das 2. Treffen bildet das Centrum und Das 3. rückt beiden

als Reserve

nach,

während die Armeereserve den rechten Flügel bildet und die Bewegung des linken zu maskieren sucht. Die Franzosen standen auf den Hügeln vor dem Römerlager (Ramlé) und zwar Lanusse rechts , Friant links. stellte die

vom General Bron

In der Mitte

befehligte Kavallerie

die

Verbin-

dung her. Kaum kamen die Engländer in Sicht , als sie auch schon von den französischen Batterieen beschossen wurden. Da die Sache sich gut anliefs und überdies vorläufig nur der linke

englische Flügel

sichtbar war, welcher die Umgehungskolonne bildete , so ging Bron eigenmächtig

mit

dem 22. Chasseurregiment und der leichten Ar-

tillerie vor und überschüttete das 92. Regiment mit einem wirksamen Feuer.

Der Feind machte Halt und schien zu stutzen .

der dies sah, hielt den Moment für günstig ,

Lanusse ,

den linken Flügel vor

Ankunft des Centrums in den Madjé- See zu werfen .

Er rückte von

den Höhen in die Ebene hinab und schickte sich eben zum Angriff an, als das Centrum sichtbar wurde . Plan und wollte erst dieses sprengen . seurs eine Attacke machen.

Lanusse

änderte nun seinen

Bron mufste mit den Chas-

Sie gelang ,

die Plänklerkette

wurde

über den Haufen gerannt und angeblich 300 Mann des 90. gefangen *). (Thiers schwindelt sie auf 2 Bataillone hinauf. )

Das 20. Dra-

gonerregiment und die 4. leichte Halbbrigade unterstützten sofort die Chasseurs und griffen Craddock an , der seine Brigade sammelte und die Franzosen mit einem solchen Geschofshagel empfing , dafs sie zurückweichen mussten . dabei schwer verwundet.

Oberst Latour - Maubourg wurde

Lanusse sandte jetzt die 18. zur Unter-

*) Die Engländer leugnen dies jedoch mit aller Bestimmtheit ab.

Die französische Expedition nach Egypten (1798–1801 ).

35

stützung, doch konnte auch sie das mörderische Feuer nicht ertragen . Zudem nahte sich jetzt Moore mit dem rechten englischen Flügel und ging auf Lanusse los .

Friant ,

der dies bemerkte ,

verliefs

nun

ebenfalls seine Stellung und griff mit der 61. und 75. den rechten Flügel an.

Lanusse hatte nur noch die 69. , welche mit dem linken

Flügel engagiert war,

und

18. Dragonerregiments .

die beiden

dezimierten Eskadrons des

Er sah ein, dafs er bei der fast dreifachen

Übermacht des Gegners auf keinen Sieg rechnen könne und trat daher den Rückzug an, welchen Friant deckte.

Nachdem die Franzosen ihre Stellungen geräumt und sich auf die Höhen zwischen dem Grünen Hügel und der äufsern Enceinte Alexandrias zurückgezogen , beschlofs Abercromby, sich dieser Stadt zu bemächtigen. Denn der Erfolg des Regiments Dillon , welches den retirierenden Franzosen zwei Kanonen weggenommen, hatte ihn kühn gemacht. Er befahl Hutchinson mit dem Centrum . und linken Flügel den Grünen Hügel wegzunehmen und so weit als möglich vorzudringen, während Moore mit der Reserve auf dem rechten Flügel nachrückte. Hutchinson besetzte auch nach kurzer Kanonade den Grünen Hügel,

von dem aus er das 44. gegen die vorliegende Kanalbrücke sandte , um diese wegzunehmen . Sie war von zwei Kanonen und einer starken Abteilung besetzt. Dem 44. gelang es trotzdem, durch einen Bajonettangriff die Brücke samt den Geschützen zu nehmen. Vielleicht wäre es den Engländern gelungen, die Franzosen ganz

in die Stadt zu werfen und daselbst einzuschliefsen, wenn sie durch das damals trockene Bett des Mareotis-

Sees marschiert wären und etwas östlich des Forts Pompejus einen Angriff gemacht hätten ; bei ihrer Übermacht konnten sie das schon wagen und Lanusse zu werden,

hätte sich sicherlich , um nicht abgeschnitten

in die Stadt zurückgezogen .

nicht auf diesen Einfall.

Aber Abercromby kam

Er liefs seine ganze Armee

in Schlachtordnung vor der französischen Linie stehen und beschränkte sich auf eine Kanonade , welche den Franzosen in ihrer gedeckten Stellung wenig Schaden brachte.

Desto furchtbarer litt sein eigenes Centrum, zwischen den von den beiden Flügeln okkupierten Hügeln schutzlos in der Ebene stand . Erst nach einiger Zeit, als die Verluste unerträglich wurden , entschlofs sich Abercromby zum Rückzug welches

in die Stellung von Ramlé (Römerlager) . Nach Thiers betrug der französische Verlust 5-600 , der englische

13-1400 Mann,

und 1900 Engländer. Mann ,

nach den „ Commentaires " 600

Franzosen

Die offizielle englische Verlustziffer ist 1283

nämlich 8 Offiziere, 172 Mann, 21 Pferde tot ,

70 Offiziere , 3*

36

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .

1033 Mann, 5 Pferde verwundet.

Vier Kanonen hatten die Englän-

der, wie schon erwähnt, erobert. Thiers sagt über diese neue Schlappe komischerweise : Ganze war nichts kognoszierung. " Schlacht ihre

als

eine ,

übrigens

Er behauptet

auch ,

„ Das

sehr überflüssige Re-

dafs

die Franzosen nach der

alte Stellung" bezogen , vergifst

aber zu bemerken ,

dafs diese anderthalb Stunden rückwärts der bei Beginn des Treffens eingenommenen Stellung lag. Nach diesem Treffen bei Canopus *) waren Lanusse und Friant auf Alexandria beschränkt ,

zu dessen Befestigung

sie vor dem

östlichen Ausgang (Thor von Rosette) eine über 3000 Schritt lange Schanzenlinie

anlegten ,

den Isthmus

welche

quer absperrte .

Die

Engländer selbst bemächtigten sich des Römerlagers , befestigten es , errichteten auf einem vorliegenden Hügel

eine

starke Redoute und

sperrten ebenfalls den Isthmus durch eine Schanzenlinie, deren südliches Ende der Brückenkopf beim Kanal am Mareotis- See bildete, welcher durch zwei Batterieen verteidigt wurde, während das andere in einer hinter dem Römerlager angelegten Redoute abschlofs .

Eine

grofse Redoute stützte die Schanzen im Centrum und beherrschte durch ihre erhabene Lage das Vorfeld . Zwei in den Werken stehende und vierzehn auf Kanonenbooten eingeschiffte 24-Pfünder bildeten nebst 34 Feldgeschützen die Armierung dieser von 16 500 Mann besetzten Stellung.

Die Seeleute waren nämlich nach Akukir ge-

schickt worden , von wo das 2. Regiment („ Queens ") abberufen wurde. Dagegen hatte ein Transportschiff am 14. März das von Gibraltar kommende über

700 Mann starke 2. Bataillon des 27. Regiments

ausgeschifft, während

am 19. die türkische Avantgarde :

2 Linien-

schiffe, mehrere Fregatten und kleinere Schiffe, eintraf und den Rest der Kavallerie brachte. Der tapfere Widerstand , den die Franzosen bisher geleistet, schien Abercromby jede Lust zu energischem Vorgehen genommen Nur am 18 . zu haben. Er blieb unthätig in der neuen Stellung. fand ein kleines Gefecht statt.

Auf die Kunde ,

sische Rekognoszierungspatrouille

dass

eine franzö-

sich im trockenen Bette des Ma-

riotis-See zeige, stieg Oberst Archdale mit 60 Dragonern zu Pferde und eilte ihr entgegen . Es war General Destaing mit 1 Compagnie Infanterie und 50 Husaren , zusammen etwa 100 Mann . Archdale, welcher unterdessen noch ein Piquet von 20 Mann an sich gezogen,

*) Ungerechtfertigter Weise von den Franzosen Schlacht bei Ramlé (Römerlager) genannt.

37

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . griff den Feind

in

der Front an ,

während Lieutenant Lewinson

mit 12 Dragonern in der Flanke attackierte. Infanterie

schützend

vor

die

Destaing hatte

Husaren gestellt.

Allein

seine

ihr Feuer

konnte die Dragoner nicht am Durchbruch verhindern , worauf diese den Choc fortsetzten und die Husaren auseinander

sprengten .

Als

sie jedoch zurückkehrten, wurden sie von der mittlerweile gesammelten Infanterie nochmals aus nächster Nähe beschossen und in die Flucht geschlagen . 36 Mann , 2 Offiziere ,

Oberst Archdale verlor

seinen Arm und hatte

42 Pferde

eingebüfst ,

nämlich

7 Mann ,

12 Pferde

verwundet ,

7 Pferde gefangen. 6 Verwundete an.

8 Mann , 43 Pferde

tot,

3 Offiziere , 16 Mann ,

Destaing giebt seinen Verlust auf 1 Toten und Am selben Tage wurde den Engländern auch der

Tod des Obersten Brice von den Garden bekannt , welcher am 14. bei einer Rekognoszierung in französische Gefangenschaft geraten war. Abercromby's Reserve beschäftigte sich inzwischen mit der Belagerung Abukirs .

Die mitgebrachten schweren Geschütze wurden in zwei Batterieen gebracht und das Fort vom 13. März an ununterbrochen beschossen . Bereits am 17. waren seine Geschütze demontiert und am 18. sah sich Vinache zur Kapitulation genötigt, da Bresche geschossen und seine Besatzung auf zwei Drittel reduziert war. 100 Mann wurden gefangen, 11 Kanonen erbeutet.

Die Schlacht bei Ramlé (Römerlager) . Als Menou durch die lakonische Depesche Friants aus seinem süfsen Wahn gerissen worden war, geriet er in grofse Verlegenheit. Er wusste nicht, war er befehlen solle und überliefs es daher seinem Generalstabschef Lagrange ,

die Dispositionen

zu treffen .

Dieser

rief sofort Reynier von Belbejs zurück , Rampon erhielt Befehl , von Damiette nach Ramanjé zu marschieren.

Ebendorthin begab

sich auch Menou mit Reynier und einem Teil der in Kairo stehenden Truppen. Die 9. wurde Reynier entzogen und der Division Belliard einverleibt , welche in Kairo zurückblieb ; Donzelot mufste bis

auf 600 Mann seine Brigade

nach Kairo

senden ,

wo

aufserdem die Eingeborenencorps, die Veteranen, Schwächlichen und Depôts blieben, zusammen 6000 tüchtige Soldaten und 4200 andere. Die Besatzungen von Damiette , Rosette , Alexandria u. s . w. sowie die in letzterer Stadt liegenden 2000 Mann Depôts, Veteranen , Verwundete u.

s.

w.

abgerechnet ,

konnten gegen

die Engländer

112 Halbbrigaden , die Kavallerie, 1 Griechenbataillon, Dromedarier, Guiden und 50 Geschütze verwendet werden, zusammen 15 000 Mann. Menou traf am 17. in Damanhur ein ,

wo er auf Reynier

38

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .

und Rampon stiefs, die sich hier soeben vereint

hatten .

Am 19.

langte er in Alexandria an und am 20. waren hier die Truppen vollzählig versammelt. Die Stimmung der Armee war bereits eine Die ungewohnten zweimaligen Niederlagen, die kolossale Unfähigkeit Menou's erfüllten die Soldaten teils mit Niedergeschlagenheit, teils mit Erbitterung . *)

bedenkliche geworden .

Die Engländer hatten den Damm okkupiert , indem sie sich in El Bejdá festgesetzt.

Menou

erfuhr dies in Damanhur ,

ihm Friant seine Kavallerie entgegengesandt hatte.

wohin

Infolge dessen

mufste man den beschwerlichen Weg durch den (trockenen) Mareotis - See nehmen. In Alexandria angekommen , war Menou in grofser Verlegenheit ,

was er

eigentlich befehlen solle.

Sich durch

Rekognoszieren selbst zu informieren , fiel ihm nicht ein . Er entschlofs Dieser wagte es sich, Lagrange über seine Ansicht zu fragen . aber nicht, sich in einer so entscheidenden Angelegenheit auf seine eigene Weisheit zu verlassen , er bat daher Lanusse um Mitteilung seiner Ideen. Lanusse beriet sich wieder mit Reynier , beide arbeiteten einen Schlachtplan aus und sandten ihn an Menou , der ihn , ohne ihn 20. März setzte .

erst

durchzulesen ,

in den Tagesbefehl

Die Engländer besafsen noch immer die Übermacht. Mann und 36 Geschützen hielten schanzte Linie bei 15 000 Mann konnten.

mit

sie die

Ramlé besetzt , 50

Geschützen

eine Stunde

Mit 16 500 lange ver-

während die Franzosen

zum

vom

blos

Angriff verfügbar machen

(Thiers giebt 10 000 , Bertrand 12 000 Mann an. )

Ob-

wohl den Engländern aufserdem der Vorteil ihrer festen Stellung zu statten kam , war ein Sieg der Franzosen möglichkeit .

Ihr Plan war folgender :

doch kein Ding der Un-

Auf dem äufsersten rechten

Flügel reitet das Dromedarier-Regiment nebst 30 Dragonern durch *) Bezeichnend für diese ist eine Karrikatur, welche damals in der Armee die Runde machte und wahrscheinlich dem General Damas ihre Entstehung verdankte. Sie stellte Menou vor auf seinem Zuge gegen die Engländer. (Er hatte nämlich vor seiner Abreise dem Divan und dem Publikum à la Bonaparte bombastisch verkündigt , er entferne sich „ nur auf einige Tage, um die Engländer ins Meer zu werfen. ") Menou ritt auf einer Schildkröte , umgeben von einer ganzen Kameelkarawane, welche mit seiner Frau , dem kleinen Sulejman Menou , einem enormen Quantum Küchengeschirr (Anspielung auf den ungeheuren Schmeerbauch des Obergenerals) und einer Kollektion Nachttöpfe und Leibstühle beladen waren (auf denen Menou, wie man behauptete , einen grofsen Teil der Zeit zubrachte) . Ganz im Vordergrunde machten sich besonders drei Dromedare bemerkbar, welche unter ihrer Last zusammenzubrechen drohten : das eine war nämlich mit Tagesbefehlen , das zweite mit „ beinahe offiziellen Neuigkeiten " (nouvelles presque officielles) und das dritte mit blanker Wahrheit (la vérité toute entière) beladen !

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ).

39

den trockenen Mareotis- See (auf dem Thiers mit rührender Einfalt eine englische Kanonenbootdivision ankern läfst !) gegen die Redoute, welche den äufsersten linken englischen Flügel bildete, um die Engländer glauben zu machen, es sei ein Angriff auf diesen beabsichtigt. (300 Dragoner hatten den Scheinangriff zu unterstützen und die Verbindung mit Reynier herzustellen .) scheinlichkeit ,

Dies hatte um so mehr Wahr-

als gerade hier die Ebene leichtern Erfolg zu ver-

sprechen schien als

ein Angriff auf die stark verschanzten Höhen

am rechten Flügel (Römerlager) .

In Wirklichkeit

wäre aber ein

solcher Entschlufs gefährlich gewesen, denn die am Madjé- See ankernden 8 Kanonenboote in der rechten , die starke Redoute des Centrums in der linken Flanke konnten sischen rechten Weichen kam er

Flügel übel

dem

daselbst

mitspielen und

in bedenkliche Gefahr.

vordringenden franzöbei

einem

etwaigen

Reynier und Lanusse

hatten daher ganz richtig den Hauptangriff auf das Römerlager gelegt.

Diesem gegenüber stand die

Division

Lanusse ;

General

Silly mit der 4. leichten sollte die Schanzen auf dem vor dem Römerlager liegenden Sandhügel wegnehmen , General Valentin mit der 69. links davon längs des Meeres gegen das Römerlager rücken , während die 18. und 88. die Reserve bildeten . Im Centrum standen. Rampon und Destaing mit der 32. , 51. und 21. leichten 2 Compagnieen der 25.

und dem Griechen - Bataillon .

Sie

nebst sollten

zwischen dem Römerlager und der grofsen Centrumsredoute vordringen, sich dieser bemächtigen und die englische Reserve beschäftigen. Hinter ihnen stand Roize mit der gesamten Kavallerie als Reserve , dahinter Songis mit der Reserveartillerie und hinter dieser , also sehr weit vom Schufs, Menou mit den Guiden. Auf dem rechten Flügel befand sich Reynier mit seiner und Friants *) Division : 13., 85. , 25., 75. und 61. Halbbrigade. Er sollte durch Demonstrationen erst die Engländer festhalten und dann gelegentlich mit eingreifen. Die englische Aufstellung war folgende :

Moore und Oakes

befehligten den rechten Flügel und zwar hielt das 58. Regiment die Ruinen des Römerlagers, das 28. die vorliegende Redoute , das 42. eine kleinere südlich hinter den Ruinen liegende Schanze besetzt. Das 23. stand hinter den Ruinen und hatte die Flankeur-Compagnien des 40. rechts neben sich. Hinter letzteren hielten die Korsikaner eine Schanze besetzt.

Die Reserve

Stuart stehend, bestand

dieses rechten Flügels ,

aus den Regimentern Stuart , Dillon

*) Friant selbst blieb in Alexandria als Kommandant.

unter und

Die französische Expedition nach Egypten (1798–1801) .

40

Rolle nebst

der berittenen Kavallerie .

die Brigaden Ludlow und Coote .

Im Centrum befanden

sich

Ersterer mit den Garden hielt

die verschanzten Höhen besetzt, welche sich südlich des Römerlagers befinden.

Durch die grofse Centrumsredoute (von den Briten später

die „ Citadelle " genannt) von ihm getrennt, befehligte Coote das 1. , 92. und die beiden Bataillone des 54. Regiments, welche Truppen ebenfalls die verschanzten Höhen einnahmen. Hinter diesen befand sich die Reserve und zwar wurde Ludlow durch Doyle mit dem 2., 44. , 89. und 30. Regiment, Coote durch Finch mit den unberittenen Dragonern des 12. und 26. gedeckt.

Am linken Flügel stand Crad-

dock mit dem 8. , 18. , 90. und 13. Regiment , die Ebene zwischen den Centrumshöhen und dem Kanal einnehmend, und Lord Cavan In der Bucht, mit dem 27., 79. und 50. Regiment hinter sich. neben welcher Lord Cavan stand,

ankerten die Kanonenboote „ Né-

gresse " , „ Janissary " und „Dangerous " unter Kapitän Hillyan , während zur Deckung

des

rechten Flügels Kapitän Maitland mit

den Schiffen „ Entreprenant " , „ Cruelle “ , „ Fury “ und „ Tartarus “ längs der Meeresküste

ankerte.

Abercromby befand sich

beim

rechten, Hutchinson beim linken Flügel. Am 21. März um 3 Uhr morgens stand die französische Armee unter Waffen . Cavalier mit den Dromedariern ritt durch das trockene Becken des Mareotis-See und warf sich um halb vier Uhr auf die unweit

des Dammes liegende Redoute ,

welche

er in

der

ersten Überraschung samt den darinnen befindlichen zwei Geschützen nahm. Dies war aber nicht genug, um Abercromby zum Absenden seiner Reserve zu verleiten. Es hätten auch zwei Halbbrigaden Reyniers diesen Scheinangriff

verstärken

sollen ;

zudem

durfte

Lanusse nicht früher angreifen, bevor nicht Reynier ernstlich engagiert war ,

sonst hatte der Scheinangriff keinen Sinn .

Lanusse

konnte jedoch seine Ungeduld nicht bemeistern, er brach zu früh auf und so geschah es , dafs Abercromby bald die eigentliche Gefahr drohe.

erraten hatte , woher

Lanusse führte persönlich die Kolonne Sillys zum Angriff auf die Redoute vor dem Römerlager, und bei der Begeisterung , welche er seinen Truppen einzuflöfsen wufste ,

gelang

es ihm auch,

eine

Flêche der Redoute zu erobern und deren Verteidiger samt einem 6-Pfünder gefangen zu nehmen . Da kam ihm die Nachricht zu, Valentin habe sich verirrt und finde sich nicht zurecht. überlässt die Weiterführung eilt zu Valentin. den Schenkel .

des Angriffes

Lanusse

dem General Silly und

Unterwegs zerschmettert ihm

eine Kanonenkugel

Vier Grenadiere wollen ihn aufheben, doch eine zweite

41

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . Kugel reifst zwei derselben nieder.

Lanusse mufs tötlich verwun-

det weggetragen werden und Valentin ist auf sich selbst angewiesen.

Er trifft vor dem Römerlager ein und sucht es zu erstürmen .

Oberst Houston , welcher es mit dem 58. besetzt hält , durch wohlgezieltes Feuer zurück und veranlafst ihn ,

treibt ihn

sich

auf die

vom 28. besetzte Redoute zu werfen , welche gleichzeitig von Silly in der Front angegriffen wird .

Da die 4. zaudert ,

den Stier bei

den Hörnern anzupacken , läfst Silly sie nach rechts schwenken, die Redoute umgehen

und im Rücken

bemerkt, glaubt gut zu thun, Dies bringt jedoch Verwirrung

angreifen .

wenn

er die

Rampon , 32.

der dies

zu Hülfe

sendet.

hervor , beide Halbbrigaden geraten

in Unordnung und die Redoute , durch das 42. Regiment verstärkt, hält sich . Dagegen gelingt es den Franzosen ,

hinter der Redoute in das

Römerlager zu dringen, wo sich Oberst Crowdjye mit der Linken des 58. feuernd zurückzieht, um dann plötzlich zum Bajonettangriff überzugehen.

Gleichzeitig dringt das 23. in das Innere der Ruinen, um dem 58. Hülfe zu leisten, die Korsikaner rücken vor und be-

besetzen den Zwischenraum zwischen Meer und Ruinen , das 40 . schliefst nebst dem 42. im Rücken der Franzosen die Thüre und so werden etwa 100 der in die Ruinen Eingedrungenen

zum Waffen-

strecken gezwungen . Oberst Paget vom 28. war gleich anfangs verwundet und durch Oberst Chambers ersetzt worden , welcher sich in der Redoute

tapfer gegen

die ihn

umzingelt hatten .

schon ganz

alle Angriffe

der Feinde hielt,

Durch jenen Zwischenfall

ist er nun befreit und da eben das 2. Regiment (,, Queens ") von der Reserve eintrifft, kann der französische Angriff als gescheitert angesehen werden . *) Destaing war unterdessen mit der 21., den 2 Compagnien der 25. und dem Griechen-Bataillon gegen das kleine Thal gerückt, welches das Römerlager von den Centrumshöhen trennte und unbesetzt war. Diese Bewegung hätte die Schlacht entschieden, wenn nicht General Stuart rechtzeitig mit seiner Brigade heran marschirt

wäre und

die Verbindung zwischen dem englischen Centrum und dem rechten Flügel hergestellt hätte .

Schon stand die zu einem Drittel aus Ne-

gern bestehende 21. Halbbrigade im Süden des Römerlagers und kam

*) Was inzwischen die 18. und 88. Halbbrigade der Division Lanusse machten, konnte ich nirgends ersehen ; da nach dessen Tod eine Oberleitung fehlte und die Adjutanten, welche diese Trauerbotschaft dem Obergeneral meldeten, aus Menou keine Silbe herausbrachten, ist es wahrscheinlich, dafs sie unthätig blieben.

42

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801).

mit dem 42. Regiment in Kampf. Wenn Rampon jetzt die 32. und 51. nachfolgen liefs, konnte sich Destaing vielleicht halten . Er war aber soeben , schwenkt.

wie

erwähnt,

zur Unterstützung

Silly's

Während Destaing noch überlegte,

oder dem Feuer

weichen solle,

brauste

ob

links

abge-

er

sich halten

die gesammte

Kavallerie,

2200 Mann, Roize an der Spitze heran und warf sich auf die Redoute und die vorliegenden Schanzen . Diese waren zwar nicht mehr vom Feind besetzt, aber sie boten der Kavallerie ein natürliches Hindernis,

indem diese den Graben übersetzten musfte,

sie Fufsangeln und Fallstricke

fand .

hinter dem

Dieser geniale Reiterangriff

auf Verschanzungen war von Menou selbst angeordnet ; und

einzige Befehl,

Man darf aber nicht etwa glauben , Menou hätte gehabt, Roize der 21. zu Hilfe zu schicken . gender :

Menou

der erste

den er während der ganzen Schlacht erliefs .

spazierte

nach

dabei

die

Absicht

Der Hergang war fol-

dem übereinstimmenden

Zeugnis

aller Augenzeugen hinter der allgemeinen Reserve auf und ab , ohne von der ganzen Schlacht auch nur das mindeste sehen zu können . Den Adjutanten , welche ab und zu Meldung brachten, schenkte er gar kein Gehör. Dreimal verlangte Reynier Befehl zum Angreifen das Orakel blieb stumm. Es schien , als ob Menou auch taub wäre, denn keinem war es bisher gelungen ihm einen Laut zu entlocken . Plötzlich stöfst Menou auf den General Roize , welcher gekommen sein soll, um die berittenen Guiden zu holen.

Wie aus einem Traum .

erwachend, ruft Menou bei seinem Anblick :

"" Lassen Sie

samte Kavallerie einhauen ! "

die ge-

(Menou hatte dabei gar keine Ahnung

von dem, was bisher vorgegangen und wie gegenwärtig die Sachen standen ! ) Roize , nicht wenig erstaunt, frug : „Einhauen ? Ja wo denn ? “ - „ Einerlei wo ; ( !) wozu hätte ich denn eine Kavallerie als zum Einhauen ? " - „ Aber der Feind ist ja noch gar nicht aus den Schanzen gekommen ! " stellte Roize vor. So hauen Sie in die Schanzen ein, die Infanterie kann nicht alles

allein machen ! "

„ Bürger General , das kann nicht Ihr Ernst sein ; ein Kavallerieangriff auf Schanzen ?" - "" Gehorchen Sie ! " „Sie wollen also wirklich , dafs ich mit der Kavallerie die Schanzen erstürme ?"

,,Sie haben

es schon wiederholt gehört ; wollen Sie gehorchen oder nicht ? "

Roize

sah, dafs gegen Menou's Unverstand nicht anzukämpfen war. Er drückte sich den Helm in die Stirne und rief seinen Reitern zu : „Man schikt uns in Sieg oder Tod ; gehen wir, meine Freunde, und fallen wir in Ehren ! "

fand

Glücklicherweise Dies die Veranlassung jenes Reiterangriffes . Roize die ersten Schanzen schon genommen ; was wäre ge-

1

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801). schehen, wenn sie, wie er und Menou anfangs den Händen der Engländer gewesen wären ?

43

glaubten,

noch in

Aber auch jetzt noch war der Angriff schrecklich . Die schon durch die erwähnten Hindernisse in Unordnung gebrachten Reiter stürzten sich pêle-mêle auf das 28. und 42. Regiment, ritten sie über den Haufen und säbelten alles nieder. Dabei wurden sie aber von der eben heranrückenden Brigade Stuart und dem von Oberst Spencer herbeigeführten 40. Regiment überrascht, mit einem Musketenfeuer überschüttet und mit dem Bajonett angegriffen .

Roize

sammelt die ihm zunächst stehenden Reiter, stürzt sich auf das 28. Regiment, wirft es und bemächtigt sich einer kleinen Redoute .

Unter-

dessen hat aber eine eiligst aufgefahrene englische Batterie Tod und Verderben unter die anderen französischen Kavallerieregiment gesandt.

Diese ,

ohnehin

schon ganz

durcheinander

gewürfelt und

von Roize abgeschnitten, geraten in Verwirrung und traten unter dem Feuer Stuart's den Rückzug an . Die 21. will nicht allein zurückbleiben und folgt nach, wird jedoch stark mitgenommen und verliert ihre Fahne ,

welche ein Deutscher

Namens Anton Lutz vom

Regiment Stuart erobert nebst vielen Gefangenen .

Roize selbst mit

seiner handvoll Getreuen sieht seinen Rückzug abgeschnitten. Er steigt vom Pferde und verteidigt

sich mit einem Teil

seiner Mannschaft

so lange in der Redoute , bis diese von den Briten genommen und er niedergehauen ist . gemacht

sich

Ein Häuflein Dragoner hat jedoch den Versuch Dabei geriet ein Offizier mit

durchzuschlagen.

Abercromby in Zweikampf und verwundete ihn tötlich. (Abercromby starb am 28. März an Bord des „ Foudroyant " .) Ein Teil des französischen Centrums

(es ist nicht klar,

ob

zu Rampon's oder

Friant's Division gehörig) hatte gleichzeitig einen Versuch gemacht, die von Ludlow's Garden besetzten Schanzen zu erstürmen . Die englischen Flankeurs wurden zurückgeworfen, worauf sich ein heftiger Kampf entspann, der erst durch Eingreifen Coote's zu Gunsten der Briten entschieden wurde. Die französische Kavallerie hatte

sich mittlerweile gesammelt

und unternahm eine neue Attake, diesmal gegen die Brigade Stuart in der Ebene.

Die rechtzeitige Unterstützung derselben

durch die

Reservebrigade Doyle ( 44. , 89. und 30. ) bewirkte jedoch das Fehlschlagen dieses Reiterangriffes.

Auch

die

gleichzeitigen

Anstren-

gungen der Division Lanus se gegen Ramlé blieben erfolglos , obwohl beide Teile mit solcher Erbitterung kämpften, dafs sie sich nach Verbrauch der Patronen gegenseitig mit Steinen bombardierten. Ein Ausfall der Grenadiere des 40. Regiments bewog endlich die Franzosen zum Rückzug.

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .

44

Reynier hatte sich nicht am Kampf beteiligt, da Menou keinem seiner Adjutanten eine Antwort gah. Freilich hätte man verlangen können, dafs Reynier selbst so klug sein und eigenmächtig zum Angriff schreiten sollte ; er hätte es auch unter jedem anderen Oberkommandanten

gethan ,

aber gereizt

durch

Menou's

Gering-

schätzung, beschränkte er sich auf kalte Vollziehung seiner Befehle . Es mufs dies bitter getadelt werden, denn in solchen Momenten soll vor dem Patriotismus jeder persönliche Groll zurücktreten . Auf dem linken Flügel war, wie schon erwähnt, seit Lanusse's Tod alles zurückgegangen . Nach einem nutzlosen Feuergefecht, während dessen Destaing schwer verwundet und Silly der Schenkel weggerissen worden, wich alles zurück und gab die eroberte Schanze auf.

Im

Centrum

sammelte Rampon seine stark mitgenommene

Halbbrigade und machte noch einen schwachen Versuch zurückzutreiben .

den

Feind

General Baudot wurde hierbei tötlich verwundet,

Rampon's Kleider von Kugeln durchlöchert ; auch hier trat man dann den Rückzug an.

Reynier allein blieb ruhig stehen und ging erst

zurück, als ihm Menou ausdrücklich den Befehl hierzu sandte. Die französischen Verluste waren beträchtlich ; sie betrugen nach meinem

Gewährsmann 1040 Tote, 2000 Verwundete

verwundete

Gefangene

welche vor Ramlé wegen Mangel worden .

und 200 un-

nebst 400 toten Pferden und 2 Geschützen, an Bespannung zurückgelassen

Bonaparte spricht von 2500 Franzosen und 2300 Engländern .

Diese selbst gaben ihren Verlust auf 1514 Mann , 5 Pferde an, nämlich 10 Offiziere 233 Mann tot, 60 Offiziere 1190 Mann verwundet, 3 Offiziere 28 Mann gefangen. Von ihren Generalen waren aufser Abercromby noch Moore , Oakes , Hope und Sidney Smith verwundet. Thiers sagt : beide Theile hätten 2000 Mann verloren ; er sagt aber auch : „ Man konnte keineswegs sagen, dafs die Schlacht verloren sei ( !! ) , da der Feind nicht einen einzigen Schritt vorwärts gethan hatte. Man war nur insofern geschlagen worden, als man nicht vollständig ( !! ) gesiegt hatte. " Um 10 Uhr vormittags war die Schlacht bei Ramlé vollständig beendet und in grofser Niedergeschlagenheit kehrten die Soldaten nach Alexandria zurück . Sie rächten sich an Menou, indem sie eine neue Carricatur cirkuliren liefsen, die Schlacht bei Ramlé vorstellend. Die Franzosen waren dabei durch Löwen repräsentirt, an deren Spitze ein dicker Esel trottete, dessen Kopf eine merkwürdige Aehnlichkeit mit jenem des Obergenerals aufwies ! -

(Schlufs folgt.)

Die Konvention von Tauroggen.

45

III.

Die Konvention von Tauroggen.

Von

Ebeling , Oberst z. D.

Unsere glorreiche Vergangenheit scheint durch die grofsartigen Ereignisse der Jahre 1870 und 1871 etwas in Vergessenheit gekommen zu sein, deshalb erlaubt sich der Verfasser, durch eine kurze Darstellung wieder

einmal die

ruhmvolle

That in

Erinnerung zu

bringen, mit welcher unsere erste nationale Erhebung gewissermassen beginnt.

Die Kapitulation , welche der General von York am 30. De-

zember 1812 , also genau vor 69 Jahren , auf der Mühle von Poscherun mit dem russischen General v. Diebitsch abgeschlossen hat, ist ohnehin eine der merkwürdigsten und folgenreichsten , welche die Geschichte kennt. - Von den vielen Quellen für dieses Thema sollen nur die beiden wichtigsten hervorgehoben werden :

die rühmlichst bekannte

Biographie des Generals v. York von Droysen und die hinterlassenen Werke des

Generals v. Clausewitz ,

ersten Ranges . dafs Clausewitz

also

eines Militärschriftstellers

Diese Quelle ist dadurch noch besonders interessant , die Verhandlungen

der Russen mit York grössten-

teils selbst geführt hat. Auch war er bei dem Abschlufs der Kapitulation als Zeuge zugegen .

Preufsen, welches durch den Krieg von 1806/1807 in jeder Beziehung furchtbar gelitten hatte, wurde durch den Frieden von Tilsit nicht nur zu einer Macht 2. oder 3. Ranges herabgedrückt, sondern es blieb auch nur noch dem Namen nach ein souveräner Staat. Der eigentliche Herr von Preufsen war der Kaiser Napoleon. Seit den Verträgen Roms mit den überwundenen Staaten ist wohl nie einem unglücklichen Kriege

ein so trauriger Friede gefolgt.

dingungen wurden nicht einmal gehalten . die für

Und die Be-

Das erschöpfte Land konnte

damalige Verhältnisse ungeheure Kontribution von 150 Mil-

lionen Thalern nur allmählich aufbringen ; das wurde von den Franzosen zu den schamlosesten Erpressungen

aller Art benutzt , welche

Die Konvention von Tauroggen .

46

nach einer mässigen Berechnung über 100 Millionen Thaler betragen haben. Auch in die inneren Verhältnisse mischte sich der französische Kaiser hinein ;

wurde

preufsische Staatsmann

le nommé Stein" geächtet.

Es ist bekannt,

was

doch im Dezember 1808 der grofse

zu jenen Zeiten unter den ungünstigsten

Umständen in Preufsen geleistet worden ist. Hier sei nur auf die militärischen Verhältnisse hingewiesen und an die vorsichtig aber sicher fortschreitenden Einrichtungen Scharnhorst's erinnert, wie das Krümpersystem ,

wonach die kleine Armee in kurzer Zeit verdreifacht wer-

den konnte, an die vier befestigten Lager und ähnliches . Neue Anforderungen stellte der französische Machthaber an den auf das Äufserste erschöpften Staat dann wieder bei Ausbruch des Krieges mit Rufsland. Am 24. Februar 1812 wurde Preufsen zu einem Schutz- und Trutzbündnis mit dem Unterdrücker gegen den alten Bundesgenossen gezwungen ;

der Abschlufs

aber wurde von Napoleon hinterlistigerweise

dieses Bündnisses

so lange verzögert,

bis die Spitzen der ungeheueren gegen Ruſsland bestimmten Truppenmassen das preussische Gebiet betreten hatten . Keine Wahl gab es für Preufsen mehr ; von Neutralität konnte natürlich keine Rede sein , und wenn es sich Rufsland ganz in die Arme warf, wozu die Vorgänge von 1807 wahrlich nicht ermutigten , wurde es jedenfalls der Schauplatz eines verheerenden Krieges ohne Gleichen, Opfer des ersten furchtbaren Stofses .

das

sichere

In dem Bündnisvertrage mufste sich Preufsen verpflichten , Hälfte seiner kleinen Armee 21 000 Mann mit 60 Geschützen

die ins

Feld zu stellen. Auch mufste es ungeheuere Lieferungen an Naturalien aller Art leisten . Diese sollten zwar auf den Rest der französischen Kontributionsforderung , welche noch 30 Millionen Francs betrug, angerechnet werden, sie gingen aber so über alles Mafs hinaus , dafs Preufsen am Ende des Jahres 1812 von Frankreich über 100 Millionen Francs zu fordern zosen während

hatte.

Dafs

der Durchmärsche Preufsen

Land betrachteten ,

versteht sich von selbst .

aufserdem die Fran-

durchaus

als

erobertes

So wurden allein aus

Ostpreufsen und Litthauen aufser den vertragsmässigen Fuhren 76 000 Pferde und 26 000 Wagen weggeschleppt . Den traurigsten Eindruck machte das Bündnis auf die Armee. Etwa dreifsig Offiziere *) nahmen ihren Abschied , darunter sehr her-

*) Bis vor kurzem enthielten die gesamten Geschichtswerke die Angabe, dreihundert Offiziere hätten zu dieser Zeit ihren Abschied genommen. Erst vor einigen Jahren hat Max Lehmann diese Fabel berichtigt.

Die Konvention von Tauroggen.

47

vorragende Männer, wie Gneisenau, Grolman, Boyen, Clausewitz, Grat Friedrich zu Dohna und andere .

Einige begaben sich direkt in rus-

sische Dienste, andere nach Spanien , zu fechten.

Auch Scharnhorst trat

um dort gegen die Franzosen

als Kriegsminister ab und ging

als Inspekteur der Festungen nach Schlesien. Den Oberbefehl über das preufsische Hülfscorps erhielt auf Napoleons ausdrücklichen Wunsch der General der Infanterie v. Grawert, ein ehrenwerther aber etwas schwacher Mann , der in Napoleon einen Halbgott sah, und dessen ganzes Streben

darauf ging,

durch

Nachgiebigkeit und Gefälligkeit gegen die Franzosen ein gutes Einvernehmen zu erhalten . Ihm wurde auf Scharnhorst's Rat als zweiter im Kommando der Generallieutenant v. York beigegeben. Die preufsischen Truppen bestanden

(nach Abgabe zweier Ka-

vallerieregimenter an die grofse Kavalleriereserve Murat) aus 19 Bataillonen,

16

Schwadronen

und

712

Batterieen .

Sie wurden

als

27. Division der grofsen Armee dem 10. Armeecorps unter Kommando des Marschalls Macdonald, Herzogs von Tarent, zugeteilt. Denübrigen Teil des 10. Corps bildete die Division Grandjean, Polen, Bayern und Westfalen . In Macdonald war den preufsischen Truppen ein Chef gegeben , der im vorzüglichen Grade geeignet war , persönlich zu gewinnen . Seiner Liebenswürdigkeit verbunden mit militärischer Offenheit war Dabei war er von wahrhaft loyalem nur schwer zu widerstehen . Charakter, das Raubsystem anderer französischer Marschälle war ihm Seinem früher erworbenen hohen Ruhme hat er gänzlich fremd. während

des

Feldzugs

nur wenig

entsprochen.

Obgleich erst

47 Jahre alt, war er doch schon bequem und des Kriegführens überdrüssig geworden ; er beschäftigte sich am liebsten mit seinen Gütern, Gartenanlagen, Schäfereien u . dergl.; damals galt er indessen Dafs nun ein Mann noch für einen Heerführer ersten Ranges. von solchem Charakter , eingenommen zu sein

der noch dazu für die Preufsen besonders schien ,

bei den preufsischen Offizieren bald

sehr beliebt werden musste, war natürlich, ohnehin war eine Stimmung wie die des Generals Grawert durchaus nicht vereinzelt. Um so wichtiger war es deshalb, dafs in der Person des Generals York ein fester Halt für alles Preufsentum gegeben war, der sich in keiner Weise vor dem französischen beugte , ihnen bei jeder Gelegenheit Clausewitz schildert uns diesen kalt und schroff entgegentrat . merkwürdigen Mann folgendermaſsen :

77General York war ein Mann von boren den 26. September 1759) ,

einigen fünfzig Jahren (ge-

ausgezeichnet durch Bravour und

Die Konvention von Tauroggen.

48

kriegerische Tüchtigkeit.

Er hatte in seiner Jugend in den Hollän-

dischen Kolonien gedient, sich also in der Welt umgesehen und den Ein heftiger, leidenschaftlicher Wille, Blick des Geistes erweitert. den er aber in anscheinender Kälte, ein gewaltiger Ehrgeiz, den er in beständiger Resignation verbirgt, und ein starker kühner Charakter zeichnen diesen Mann aus. General York ist ein rechtschaffener Mann, aber er ist finster, gallsüchtig und versteckt, und darum Persönliche Anhänglichkeit ist ist er ein schlimmer Untergebener. ihm ziemlich fremd ; was er thut, thut er seines Rufes wegen und weil Das Schlimmste ist , dafs er bei einer er von Natur tüchtig ist. im Grunde sehr versteckt ist. Geradheit und Derbheit von Maske Er prahlt, wo er wenig Hoffnung hat, aber noch lieber scheint er eine Sache verloren zu geben, wo er eigentlich nur wenig Gefahr sieht. ―― Er war unbedenklich einer der ausgezeichnetsten Männer unserer Armee. Scharnhorst, welcher seine hohe Brauchbarkeit in einer Zeit, wo sich nur wenige brauchbar gezeigt hatten, um so wichtiger hielt, weil sich damit eine grofse Abneigung gegen die Franzosen verband, hat sich mit ihm immer auf einem freundschaftlichen Fufse zu erhalten gesucht, obgleich in York immer ein unterdrücktes Von Zeit zu Zeit schien es losbrechen zu Gift gegen ihn kochte . wollen ; Scharnhorst that aber,

als merkte

er nichts und schob ihn.

überall vor, wo ein Mann seiner Art nützlich werden konnte. “ Dagegen sagt Droysen : ,,Freilich war York von unerschütterlicher Strenge in allem , was den Dienst und die Zucht betraf. Auch unter den Offizieren fehlte es nicht an solchen, denen, wie einer es ausdrückt, seine Nähe niederdrückend, sein Eisherz abschreckend war. Es verstummte in seiner Nähe das Frondiren und Besserwissen, aber nach einer guten Attaque, nach einem tapferen Gefecht fühlte man den Beifall seines Blickes . Überglücklich, sagt ein anderer, war man, wenn er einmal freundlich mit einem sprach. Auch in den Truppen verstand er das Gefühl für Pflicht und Ehre zu entzünden ; er buhlte nie um ihre Gunst,

suchte nie

zu gewinnen oder

an sich zu ziehen und

selten, dafs er ein aufmunterndes, noch seltener, dafs er ein Wort des Lobes gesprochen hätte. Nur um so sicher beherrschte er sie. Die adstringirende Kraft seines Wesens und der durchaus preussische Geist, in dem er sie führte, erneuerte er zuerst das, was vor allem in der Schlacht bei Jena untergegangen zu sein schien. war York's eigenstes Wesen begründet.

Eben darin

Man hatte viele Geschichten

von der eisernen Festigkeit des alten Isegrim, von seiner kalten Ruhe, von seinem preufsischen Stolz. Und ein Stolz war es doch

Die Konvention von Tauroggen.

49

auch, sich erzählen zu können, wie er, als einst ein höherer französischer Offizier gesandt sei,

um in seiner Nähe zu sein,

denselben

eingeladen habe, die Vorposten zu bereiten, wie er immer näher an die des Feindes herangeritten sei , dann gar in den Bereich der feindlichen Kanonen, die sofort lebhaft zu feuern begannen . Und als der Franzose auf die Gefahr aufmerksam gemacht, gefragt habe, ob es nicht besser sei ,

sich

zu

entfernen,

habe

York

erwidert,

ein

preufsischer Offizier würde solche Frage nicht gethan haben, und sei noch eine halbe Stunde weiter geritten. "

Mit Macdonald stand York, wie man zu sagen pflegt, keinem Fufse .

auf gar

Er hatte sich im Juni bei dem Marschall in Königs-

berg gemeldet und vermied es nachher immer, mit ihm zusammenzutreffen, so dafs sie sich selten gesehen haben.

während des eigentlichen Feldzugs nur

Macdonald sagte in seiner offenen Weise zu

einem preufsischen Offizier über York : le soupçonne de mauvaise volonté ! "

il est bon militaire, mais je

Über den Feldzug nur eine ganz kurze Skizze.

Das 10. Armee-

corps bildete den linken Flügel der grofsen Armee und sollte einerseits mit dem Corps des Marschalls Oudinot

den General Wittgen-

stein bekämpfen, andererseits Riga belagern. Die Preufsen befanden sich auf dem äussersten linken Flügel, also Riga gegenüber. Dort hatten sie schon am 19. Juli bei Eckau ein siegreiches Gefecht gegen 6000 Russen, welche aus Riga vorgedrungen waren. Am 24. Juli liefs der Gouverneur von Riga die Vorstädte abbrennen , am 28. forderte Grawert die Festung vergeblich zur Übergabe auf.

Am 5. und

7. August neue Ausfallgefechte ; am 13. meldete Grawert sich wegen eines Beinbruches, infolge eines Sturzes mit dem Pferde, krank und York erhielt das Kommando , aber unter recht ungünstigen Umständen, da das preufsische Corps zu weit ausgedehnt und zu verzettelt aufgestellt war.

Dennoch wurde

ein dritter Angriff der Russen in

mehren kleineren Gefechten am 22. , 23. , 24. und 26. August siegreich abgewiesen, freilich , wie York selbst sagte, nur deshalb, weil er von den Russen mit gar zu wenig Umsicht und Energie ausgeführt worden war . Im September erhielt die Garnison von Riga bedeutende Verstärkungen ; dieser Umstand wurde zu einer gröfseren Offensive benutzt, die aber gänzlich scheiterte . Die Russen verloren 5 000 Mann , Besonders

darunter 2500 Gefangene,

hervorzuheben sind dabei

Bauske, welche York französischen gegen

die Preufsen

1200 Mann.

die glänzenden Gefechte bei

am 29. und 30. September lieferte, Riga

zu

verwendenden

um den

Belagerungstrain

zu

schützen, der ohne alle Deckung zu weit vorgegangen war, ein Fehler 4 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

Die Konvention von Tauroggen.

50 Macdonald's .

Auf den Marschall und

Aktion einen sehr günstigen Eindruck. wähnt ihrer mit den Worten :

die Franzosen

machte diese

Auch das 24. Bulletin er-

„ man hat noch nicht den offiziellen

Bericht über das glänzende Gefecht bei Bauske,

welches

dem Ge-

neral v. York und den preufsischen Truppen so viel Ehre macht. “ Erwähnt sei hier gleich, dafs York dafür später der Ehrenlegion bekam, dafs ihm ferner eine

das Offizierkreuz Jahresrente von

20 000 Fres ., Aussicht auf ein selbständiges Kommando und sogar auf den Marschallstab zugesichert wurden. Aber trotz der Erfolge bei Bauske liefs sich die Einschliefsung von Riga wegen der grofsen Sümpfe und Waldungen und wegen der schwierigen Verpflegung der Truppen nur sehr mangelhaft ausführen, denn an eine förmliche Belagerung

war vollends nicht zu denken.

Der Marschall liefs deshalb den Belagerungstrain Ende Oktober zurückführen . Im November machten die Russen einen letzten Angriffsversuch, aber auch dieser scheiterte, hauptsächlich in dem siegreichen Gefecht des Generals v. Massenbach bei Friedrichstadt am 19. November. Anfang

November hatte

York

erfahren , dafs

Napoleon den

18. Oktober unter sehr ungünstigen Verhältnissen den Rückzug von Moskau

angetreten

habe .

Der

Gouverneur

v. Essen, teilte ihm dies mit und forderte

ihn

von

Riga,

zugleich

von der Verbindung mit den Franzosen loszumachen .

General auf,

sich

York sandte das

bezügliche Schreiben durch den Grafen Brandenburg am 5. November nach Berlin. Aehnliche Anträge hatte General Essen schon im August gemacht ; York hatte sie zurückgewiesen , bei den Verhandlungen indessen auch diplomatisches Talent gezeigt. In

Am 13. November war der Winter mit aller Strenge eingetreten . der Nacht waren bei 18 Grad Kälte sämtliche Gewässer fest

zugefroren. Über die Lage und die Leiden der grofsen Armee tauchten bald die bedenklichsten Gerüchte auf. Auch die Preufsen litten bei schlechter Verpflegung , die seit einiger Zeit der Fürsorge eines Franzosen, Namens Bergier, unterstellt war, und infolge mangelhafter Bekleidung aufserordentlich .

Es kam nun zu dem bekannten

heftigen Zerwürfnis zwischen Macdonald und York. Es ist nicht recht klar, was den Marschall bei seinem sonst so liebenswürdigen Wesen zu

einem

auffallend

schroffen Verhalten gegen York veranlafste .

Man hat behauptet, er habe auf Napoleons Befehl so gehandelt ; das ist aber unwahrscheinlich, denn einmal war es nicht Napoleons Art, in solchen Fällen ein verstecktes und mittelbares Verfahren vorzuschreiben, und dann ist es auch ziemlich gewifs, dafs Macdonald erst

Die Konvention von Tauroggen.

51

nach dem grofsen Konflikt sich zum erstenmal über York beschwert hat. Es geschah dies in einem Brief an Maret, Herzog von Bassaro, Dieses Schreiben Präsident des grofsen Hauptquartiers in Wilna. ist überdies

nie an seine Adresse gekommen ,

es wurde von Ko-

saken aufgefangen und York später durch den General Diebitsch zugestellt. Auch die Belohnungen für Bauske erhielt York erst Mitte Dezember, also viel später. So mufs man wohl annehmen, dafs Macdonald auf eigene Hand gehandelt hat, möglicherweise auf Einflüsterungen seines französischen Generalstabs, besonders eines Oberst Vielleicht hatte er Terrier, oder vornehmer russischer Einwohner. von jenen Verhandlungen mit dem General Essen gehört und war mifstrauisch geworden. Gewifs ist seine Absicht gewesen, York zum Aufgeben seines Kommandos zu treiben, Pflichtgefühl nicht gelingen konnte . Der Streit selbst entstand durch

was ihm aber bei dessen

sehr berechtigte

Klagen des

Generals Massenbach über schlechte Verpflegung, besonders über das Ausbleiben aller Fourage . York machte darüber am 25. November einen eingehenden Bericht.

Als dieser zwei Tage ohne Antwort blieb

schrieb York - bei der grofsen Not ein empörendes Verfahren : „dafs anderem unter Tone schrofferem in jetzt und zum zweitenmal er solchen Ungebührlichkeiten

nicht länger zusehen könne,

sowohl

wegen der Erhaltung der Truppen, als auch wegen der Pflichten, die Das Schreiben war übrigens in den er gegen seinen König habe " . gewöhnlichen militärischen Formen und mit der dem Vorgesetzten Darauf schickte der Marschall am schuldigen Achtung abgefafst . 27. um Mitternacht seinen Adjutanten , Oberst Terrier, zu York mit einem Schreiben, welches den völligen Bruch herbeiführen musste. York wurde geweckt und las den Brief.

Es

war augenscheinlich

darauf abgesehen, ihn zu überraschen, denn der Oberst Terrier fragte worauf wiederholt : "" Was werden Ew. Exzellenz nun thun ?" York erwiderte : "" Ruhig weiter schlafen, sobald Sie aus der Thüre sind. " - Am folgenden Tage widerlegte er Punkt für Punkt der ihm gemachten Beschuldigungen . Der Marschall erliefs darauf zwei Tagesbefehle, welche womöglich noch verletzender für York waren , und dieser berichtete nun durch den Hauptmann v. Schack an den König und durch den Lieutenant v. Canitz an den General v. Krusemark, preufsischen Bevollmächtigten im Hauptquartier zu Wilna, Macdonald , wie schon erwähnt, an Maret. Seltsam berührt uns das Antwortschreiben des Generals v. Krusemark.

Es

ergeht sich in langen

Tiraden des

Bedauerns

über

den Konflikt und verspricht, dafs der Verfasser sich alle Mühe geben 4*

Die Konvention von Tauroggen.

52

werde , die schädlichen Folgen von York abzuwenden , erwähnt aber nicht des furchtbaren Rückzuges und seiner Folgen. Lieutenant v . Canitz ,

ein

intelligenter

Offizier ,

Dagegen brachte aus

eigener

An-

schauung sichere Nachrichten über das gräfsliche Elend , über die gänzliche Auflösung der grofsen Armee. Zur Orientierung sei hier an einige Daten erinnert : der Übergang über die Beresina hatte vom 26. bis 29. November stattgefunden ; welches

das berüchtigte 29.

einen Teil des Unheils kundgiebt ,

ist vom

Bulletin,

3. Dezember

datiert ; am 4. Dezember verliefs Napoleon die Armee und ging nach Dresden ; am 6. Dezember rückten die Nachzügler der grofsen Armee in Wilna ein. Canitz war dort am Morgen des 5. eingetroffen und verliefs es wieder am Abend des 6. Er hat über diese Reise einen interessanten Bericht veröffentlicht.

Nach seiner Ansicht konnte es

für York bald recht gleichgültig sein, was der Kaiser oder gar sein Marschall über ihn dachten. - Canitz kehrte am 10. Dezember zurück und York liefs die schlimmen Nachrichten sofort dem Marschall mitteilen ,

aber dieser

hielt

es wegen des Konfliktes unter

seiner Würde , davon Notiz zu nehmen .

men.

Unterdessen waren neue Anträge der Russen an York gekomIn Riga hatte ein Wechsel im Kommando stattgefunden : der

General Essen war durch den

Marquis Paulucci

ersetzt worden,

welcher York sogleich dringend aufforderte, von den Franzosen abzufallen . Allein York lehnte alles Handeln auf eigene Verantwortung ab , schickte jedoch seinen Adjutanten , Major v. Seidlitz , russischen Anträgen nach Berlin .

Von

mit

den

dort war er bis jetzt ohne

jede Ermächtigung geblieben , mit den Russen zu unterhandeln , es war nur das Vertrauen auf seine bewährte Besonnenheit und Vaterlandsliebe betont worden.

Paulucci ,

ein Italiener von intriguantem

Charakter, welchem sehr viel daran lag, für sich den Ruhm zu gewinnen , dafs er den preufsischen General zu einer Kapitulation veranlafst habe ,

wiederholte seine Anträge immer dringender.

Wenn

York sie auch alle abgelehnt hat, so scheint er sich doch zu direkten Mitteilungen des Kaisers Alexanders an den König von Preufsen als Mittelsperson angeboten zu haben. mit ihm in einer gewissen Verbindung

Das benutzte Paulucci , zu bleiben .

um

Ein früherer

preufsischer Offizier, der Schwiegersohn Scharnhorsts, Oberstlieutenant Graf Friedrich zu Dohna ( der nachherige Feldmarschall) , kam häufig zu York und hat sich, wie aus seinen Memoiren (sie sind vor etwa fünf Jahren als Manuskript gedruckt) hervorgeht, sogar längere Zeit in seinem Hauptquartier aufgehalten . Der Marschall fühlte trotz

seiner anscheinenden Sorglosigkeit

Die Konvention von Tauroggen. sehr wohl das Schwierige

seiner Lage.

53

Als er am 18. Dezember

vom König von Neapel endlich den bestimmten Befehl zum Abmarsch erhielt, beschlofs er, schon am andern Tage aufzubrechen .

Es war

aber auch die höchste Zeit, denn zugleich erfuhr er, dafs der russische General Wittgenstein mit 25 000 Mann abgeschickt sei , um ihm den Rückzug abzuschneiden .

Dieser geschah nun in folgender Weise .

Der

Marschall mit der Division Grandjean (6000 Mann) und der Brigade Massenbach (4000 Mann) brach am Morgen des 19. auf und marschierte sehr rasch , so dafs er die 26 oder 28 Meilen bis Wainuti in sieben Tagen zurücklegte .

York

(mit 10 000 Mann unter dem

General v. Kleist) konnte erst am 20. abmarschieren und da er über 600 Wagen bei sich hatte, vermochte er bei den schlechten Wegen nur langsam zu folgen.

Als er am 25. Koltyniani erreichte, war er dem-

gemäfs von dem Marschall schon um zwei Tagemärsche getrennt und ohne alle Verbindung mit ihm.

Der Vorwurf, welchen die Franzosen

York gemacht haben , er sei absichtlich so langsam marschiert , scheint wenig begründet zu sein, da die Verhältnisse die Verzögerung vollständig erklären . Der russische General Wittgenstein war am 17. Dezember von Niemeczyn aufgebrochen und marschierte über Wilkomirz und Keydany in der Richtung

auf Georgenburg .

Aufser

seiner eigent-

lichen Avantgarde unter dem General Schappelow hatte er zwei Detachements vorgeschickt , links den General Kutusof und rechts den General Diebitsch. Dieser mit 1400 Mann , gröfstenteils Kosacken, (bei seinem Stabe war auch Oberstlieutenant v. Clausewitz) befand sich am 25. durch Zufall bei Koltyniani York gegenüber und zwar zwischen ihm und Macdonald .

„ General Diebitsch " , sagt Clau-

sewitz , „ konnte sich glücklich preisen , durch den Zufall so günstig geführt zu sein , denn wenn er auch nicht auf grofse militärische Erfolge rechnen konnte, da jede Unterstützung

weit entfernt war ,

so

war doch die Möglichkeit einer Verständigung mit den Preufsen vom höchsten Wert. " Die Stellung der verschiedenen Truppenteile am 25. war folgende : York mit 10 000 Mann bei Koltyniani ; ihm gegenüber Diebitsch mit 1400 Mann ; der Marschall mit 4000 Preufsen unter General Massenbach bei Wainuti, 6 Meilen von Koltyniani ;

General

Grandjean mit 6000 Mann bei Tauroggen, 4 Meilen von Koltyniani ; General Kutusof mit mit 4000 Mann bei Piktupöhnen ; er hatte auch Tilsit besetzt, stand also schon im Rücken der Franzosen ; General Schappelow mit 3000 Mann bei Georgenburg,

etwa 3 Tagemärsche

von Tilsit ; General Wittgenstein selbst mit dem Gros 15 000 Mann

Die Konvention von Tauroggen .

54

bei Keydany, 5 bis 6 Tagemärsche von Tilsit ; und General Löwis endlich mit 5000 Mann von Riga kommend , 4 Tagemärsche hinter York. Am folgenden Tage machten alle diese Abteilungen einen Marsch vorwärts . Nur Kutusof blieb stehen , wurde von Grandjean angegriffen und mit grofsem Verlust zurückgeworfen. Dabei zeichnete sich noch preufsische Kavallerie (schwarze Husaren unter Oberstlieutenant v. Treskow) in glänzender Weise aus. Es war das letzte Gefecht, welches Preufsen auf Seite der Franzosen mitgemacht haben. Kutusof mufste über den Niemen nach Ragnit zurückgehen und Grandjean besetzte Tilsit. Der Marschall war schon am 25. Yorks wegen in grofser Unruhe, da er gar keine Nachrichten von ihm hatte. Er rückte in kleinen Tagemärschen nach Tilsit, wo er am 29. stehen blieb , York Zeit zu lassen, heranzukommen.

um

Alle Versuche , ihm Befehle

zuzuschicken, scheiterten , auch von starken Patrouillen

ausgeführt,

an der Wachsamkeit der Kosacken ; die Verbindung zwischen beiden war absolut aufgehoben. Aus der eben geschilderten Aufstellung allerdings isoliert war , konnte .

dafs

sehen wir ,

dafs York

er auf keine Unterstützung

rechnen

Aber war nicht General Diebitsch ganz in derselben Lage?

Und wie konnte er daran denken , mit seinen 1400 Kosacken die 10 000 Preufsen ernstlich aufhalten zu wollen ? ――- Zwar wufste York nicht, wo die andern Wittgensteinschen Truppen

standen ,

aber er

war gewifs am wenigsten der Mann , sich durch ängstliche Annahmen und Rücksichten leiten zu lassen .

Jeder tüchtige General hätte an

Yorks Stelle die Truppen des Generals Diebitsch zurückgeworfen, dann das Wittgensteinsche Gros zu umgehen oder schlimmsten Falls sich durch dasselbe durchzuschlagen versucht. Gewifs hätte York dabei grofsen Verlust an seinem Fuhrwesen erlitten, andererseits ist es aber nicht unwahrscheinlich, dafs er über die russischen Truppen, wie ihre Stellung nun einmal war, wesentliche Vorteile erlangt hätte. Jedenfalls

aber war es der hohen

militärischen Tüchtigkeit Yorks

durchaus angemessen , dafs er unter anderen politischen Verhältnissen auch nicht einen Augenblick im Zweifel gewesen wäre , was er zu thun hatte .

Man darf wohl behaupten ,

dafs er das ,

was er hier

gegen die Russen unterliefs , gegen die Franzosen unter den schwierigsten würde.

Umständen

mit der äussersten Energie

ausgeführt haben

General Diebitsch hatte York sofort um Unterredung bitten lassen, und diese fand noch am Abend des 25. statt. Diebitsch setzte dabei seine Lage ziemlich offen auseinander, woraus hervorging, dafs

Die Konvention von Tauroggen .

55

er York nicht ernstlich aufhalten könne , schilderte dann aber den völligen Untergang der grofsen Armee und hob die für Preufsen sehr günstige Stimmung des Kaisers Alexander hervor, der seinen Generalen ausdrücklich befohlen habe , die preufsischen Truppen nur im York erklärte sich nicht beNotfalle als Feinde zu behandeln . stimmt *), er wollte erst die Rückkehr des Major Seydlitz aus Berlin abwarten, auch wollte er seine Stellung als Soldat mehr gerechtfertigt sehen. Man kam endlich überein, dafs vorläufig nichts geschehen, dafs York nur langsam vorrücken sollte. Beim Schlusse der Unterredung wünschte York zu weiteren Verhandlungen einen der früheren preussischen Offiziere zu haben, und dazu wurde der Oberstlieutenant v. Clausewitz bestimmt. Was nun dessen damaliges Urteil über York betrifft, so erfahren wir von ihm selbst, dafs er ihm nur wenig traute, dafs er Diebitsch vor seiner Verstocktheit warnte und dafs er,

als in der Nacht die

Vorposten alarmiert wurden , zu sich selbst sagte : „ Du hast ihn richtig erraten, er überfällt uns von hinten. " - Er hatte ihn aber nicht richtig beurteilt ;

eine jener Patrouillen , welche Macdonald zu

York schicken wollte, hatte nämlich jenen Alarm verursacht. Die Unterhandlungen zogen sich nun noch einige Tage ohne bestimmtes Resultat hin. Es fiel York gerade bei seinem Charakter, bei seinen strengen Begriffen von Gehorsam und militärischer Zucht ungemein schwer, einen Entschlufs zu fassen . Welche Kämpfe mögen damals in der Seele dieses Mannes vorgegangen sein?! - Und nun kehrte gar am 29. Major Seydlitz von Berlin zurück , ohne Bescheid jedoch, ohne Weisung, auf die russischen Anträge ohne Antwort. York war unterdessen bis Wilkuschkin gekommen , ihn trennte von Macdonald eigentlich nur eine dünne Kosackenkette - der entscheidende Augenblick war

also da.

Am Abend

Clausewitz zu York geschickt ,

um

Bedingungen

brachte

anzubieten.

Er

zum letztenmal zwei

des

29.

wurde

die russischen

Schreiben

mit :

den

wiederholt erwähnten Brief Macdonalds an Marat mit der Beschwerdeüber York und ein Schreiben des Generals d'Auvray, Chef des Wittgensteinschen Generalstabes, aus welchem hervorging, dafs das Gros der Wittgensteinschen Armee am 31. Dezember schon bei Sommerau sein und den wichtigen Paſs von Schillupischken im Rücken der Verbündeten besetzt haben würde , ein Umstand , der später zu einer militärischen Rechtfertigung Yorks dienen konnte .

* ) Er muss aber doch ziemlich weit gegangen sein, wie aus dem später angeführten Briefe unseres Kaisers hervorgeht .

Die Konvention von Tauroggen.

56

Durch das Zögern der letzten Tage war York immerhin schon kompromittiert , aufserdem war gerade im letzten Augenblick ein Offizier von der Massenbachschen Kavallerie , Lieutenant v. Warnsdorf, durch die Kosacken gekommen, welcher York den bestimmten Befehl brachte, sich sofort mit dem Marschall zu vereinigen . Nun zögerte York nicht länger. Er reichte Clausewitz die Hand

mit den Worten : "" Ihr habt mich! Sagen Sie dem General Diebitsch , dafs ich ihn morgen früh auf der Mühle von Poscherun sprechen will und dafs ich fest entschlossen bin, mich von den Franzosen und ihrer Sache zu trennen . Ich werde das aber nicht halb thun , sondern Euch auch den Massenbach verschaffen. " Graf Dohna erzählt noch, York habe vorher den Oberst v. Röder, seinen Generalstabschef, rufen lassen ,

ihm die russischen Anerbie-

tungen mitgeteilt und ihn um seine Meinung gefragt.

Oberst Röder

habe geäufsert , dafs die Bedingungen für den König , für den Staat und für die Armee sehr vorteilhaft seien , dafs er aber doch keinen Rat erteilen könne , weil ein solcher Schritt für die Person des Generals sehr gefährlich sein würde. und mit lauter Stimme gerufen : König gehe ich aufs Schaffot ! An

Massenbach

wurde

Da habe ihn York unterbrochen „Was, meine Person ? ich nehme an !"

nun

derselbe

Für meinen

Lieutenant Warnsdorf,

welcher diesen Auftrag mit Freuden übernahm, zurückgeschickt, und zwar um Massenbach der Verantwortung zu entziehen, mit dem bestimmten schriftlichen Befehl, sogleich an das preufsische Hauptcorps heranzurücken .

Massenbach zögerte

auch nicht ,

folgen, und die Ausführung glückte durchaus .

diesem Befehl zu

Unbemerkt und un-

gehindert marschierte er am Morgen des 31. mit 6 Bataillonen und 10 Schwadronen von Tilsit ab . Nur die Stabswache , 30 Pferde unter dem Lieutenant v. Korf , konnte nicht mitgenommen werden . Gegen diese benahm sich Macdonald seinem Charakter gemäfs , indem er sie reich beschenkt ungehindert ziehen liefs . Zu dem Offizier sagte er: „ Wenn die Verhältnisse sich ändern , sehen wir uns bald wieder, sonst treffen wir uns auf dem Felde der Ehre. " Unterdessen war die Konvention am 30. Dezember morgens Merk8 Uhr auf der Mühle von Poscherun abgeschlossen worden. würdiger Weise waren nur geborene Preufsen dabei zugegen , von - von preufsischer Seite York , Oberst Röder und Major Seydlitz russischer General Diebitsch ,

die Oberstlieutenants Clausewitz

und

Die Die Bedingungen waren für Preufsen sehr günstig. Yorkschen Truppen wurden neutral erklärt und ihnen ein ebenfalls neutraler Landstrich an der preufsischen Grenze zwischen Memel, Dohna.

Die Konvention von Tauroggen.

57

Labiau , Tilsit und dem Kurischen Haff angewiesen . Wenn einer der beiden Monarchen die Ratifikation verweigerte , erhielten sie freien Abmarsch auf dem kürzesten Wege, verpflichteten sich aber, falls der König von Preufsen die Konvention ablehnte , zwei Monate nicht gegen Rufsland zu dienen. York schickte mit der Konvention den Major v. Thiele nach Berlin .

Der Schlufs seines Schreibens an den König lautet:

"" Ew.

Majestät lege ich willig meinen Kopf zu Füfsen , falls ich gefehlt haben sollte ; ich würde mit der freudigen Beruhigung sterben, wenigstens nicht als treuer Unterthan, als wahrer Preufse gefehlt zu haben . Jetzt oder nie ist der Zeitpunkt , wo Ew. Majestät sich von den übermütigen Forderungen eines Alliierten losreifsen können , dessen Pläne mit Preufsen in ein mit Recht Besorgnis erregendes Dunkel gehüllt waren , wenn das Glück ihm treu geblieben wäre . Diese Ansicht hat mich geleitet ; gebe der Himmel , dafs sie zum Heile des Vaterlandes führt!" Sobald der Marschall

den Abschlufs

der Konvention

brach er sofort auf und erreichte ungehindert Melaucken.

erfuhr * ), Die Rus-

sen hatten nämlich versäumt, den wichtigen Paſs von Schillupischken zu

besetzen ,

indem

General

Schappelow irrtümlicher Weise

Strafse nach Insterburg eingeschlagen hatte .

die

Von Melaucken ging

Macdonald weiter nach Königsberg, wo er sich mit der 10 000 Mann starken Division Heudelet vereinigte ,

doch konnte er nicht mehr

daran denken, Ostpreufsen zu halten. Es dürfte hier der Ort sein, ein paar Worte über den direkten Einfluss der Kapitulation auf die Lage der Kriegführenden und auf die nächsten Ereignisse zu sagen. Konnte sich York , wie es der Fall war, ohne erheblichen Verlust mit Macdonald vereinigen , so mufste Wittgenstein dieser vereinigten Armee eine Schlacht liefern . Gelang es ihm, dazu seine Truppen zusammenzubringen, so besafs er wohl ein numerisches Übergewicht .

Dafür hatte er aber viele Kosacken

und neue Formationen, während die verbündete Armee aus erprobten Kerntruppen bestand . Konnte Wittgenstein - und das war weit wahrscheinlicher seine Abteilungen nicht vereinigen , so hatte er nur wenig Aussicht auf Erfolg . Er wich dann wohl einer Schlacht aus , was er indessen auch nur mit Verlust thun konnte , und Macdonald gewann Zeit, die 10 000 Mann starke Division Heudelet heranzuziehen, wodurch er alle Chancen für sich gewann. sagt Clausewitz , „ganz undenkbar gewesen ,

„ Es wäre “ ,

dafs Wittgenstein

*) Sie wurde ihm durch York am Mittag des 31. mitgeteilt.

mit

Die Konvention von Tauroggen.

58

23-24 000 Mann gröfstenteils erschöpfter Truppen über den Niemen gegangen wäre, wenn eine tüchtige Armee von 30 000 Mann, welche nicht im geringsten in die Katastrophe der grofsen Armee verwickelt war, dahinter oder hinter dem Pregel gestanden hätte.

Es ist die

höchste Wahrscheinlichkeit , dafs der russische Krieg vorläufig sein Ziel erreicht haben würde. " Und wie gestaltete

sich gar das Verhältnis in weiterer Folge,

wenn die Franzosen auch nur einige Wochen Zeit gewannen , sich zu erholen?

Sie konnten leicht auch in Napoleons Abwesenheit über

100 000 Mann aufbringen und

zwar folgende Truppen :

6000 Mann, Heudelet 10 000 Mann, Durutte (von

Grandjean

der Danziger Be-

satzung) 4000 Mann, Trümmer der grofsen Armee immerhin 10 000 Mann, die Preuſsen konnten durch die Truppen des Generals v. Bülow sofort auf 24 000 Mann gebracht werden ; dazu 22 000 Österreicher und 6000 Sachsen zusammen 82 000 Mann wohlorganisierter, gröfstenteils kriegsgewohnter Truppen.

Rechnet man dazu noch die.

Besatzungen der Festungen und die aus Polen und Preufsen zusammengerafften Reserven , 30 bis 35 000 Mann, so erhält man 112- bis 117 000 Mann .

Die Russen dagegen konnten zu einer weiteren Of-

fensive höchstens 70 000 Mann verwenden , und wie ist es glaublich, dafs der ohnehin so kriegsunlustige und zaudernde Feldmarschall Kutusof damit weiter vorgegangen wäre.

Wurde andererseits Wittgenstein geschlagen ,

kam es zum ern-

sten, erbitterten Kampfe, so blieben die Russen Feinde der Preussen , und diesen blieb nichts anderes übrig, als sich Napoleon ganz in die Arme zu werfen.

Was aber von diesem zu

erwarten stand , das zeigen am besten die Verhandlungen vom Januar 1813 , in welchen Napoleon zwar sehr grofse Anforderungen an Preufsen stellte , dafür aber nur ungemein wenig zusagte. Sein System , wie Häuſser das so glänzend ausgeführt hat , gestattete ständnisse.

ihm eben keine Zuge-

Noch gröfser als die direkten waren die mittelbaren und moralischen Folgen : der gewaltige Anstofs zu einem völligen Wechsel der preufsischen Politik und der ungeheuere Eindruck auf die Stimmung der Nation . Die Nachricht von der Konvention wurde in Preufsen, man kann wohl sagen in ganz Deutschland, mit grofser Freude, von der Armee mit Enthusiasmus aufgenommen , nur in den leitenden Kreisen nicht. Der König selbst schien dadurch sehr unangenehm berührt zu sein. Wie seine eigentliche Herzensmeinung war , wissen wir jetzt aus einem

sehr interessanten Dokument ,

einem

Briefe ,

welchen

Se .

Die Konvention von Tauroggen.

59

Majestät der Kaiser vor 10 Jahren an Pertz geschrieben hat und der in dessen Leben Gneisenau's abgedruckt ist. „ Der König , unser Vater " - so lautet die von Sr. Majestät ursprünglich mündlich mitgeteilte, dann aber auch schriftlich berichtigte Erzählung - "" war eben im Begriff, mit dem Kronprinzen, dem Prinzen Friedrich und mir seinen gewöhnlichen Nachmittagsspaziergang zu unternehmen, als gegen 3 Uhr Graf Henkel vor der Orangerie des neuen Gartens, in der das Diner eingenommen war, mit seinen Depeschen

(vom 26. Dezember)

der uns warten hiefs , Platzes

eintraf

und sofort von dem Könige,

demselben nach einer entfernteren Stelle des

zu folgen befehligt

wurde .

Ungefähr nach

einer halben

Stunde , welche Zeit wir in der äufsersten Spannung verbrachten , kam der König zurück und zwar mit einem Ausdruck der Befriedigung, den wir seit lange nicht an ihm bemerkt hatten und der uns um so mehr in Erstaunen setzte ,

als er mit der jetzt an uns und

die umgebenden Adjutanten und Gouverneure gerichteten Äufserung in offenem Widerspruche zu stehen schien . „Graf Henkel, sagte der König , hat mir eine schlimme Nach-

richt gebracht ; York hat mit seinem Corps kapituliert, und ist dasselbe also in russischer Gefangenschaft ; die Zeit von 1806 scheint sich wiederholen zu sollen. Wir waren wie versteinert. Der König aber befahl nun , während der Graf Henkel nach Berlin gesandt wurde, die Promenade anzutreten und erzählte uns während derselben, mit welchem Geschick und mit welcher Schnelligkeit General Diebitsch das Yorksche Corps mit starken Truppenmassen umgangen, ihm den Rückzug nötigt habe.

abgeschnitten

und

es so

zur Kapitulation ge-

„ Demungeachtet aber dauerte die gehobene Stimmung unseres Vaters sichtlich fort und verriet sich im Laufe des Tages noch durch einen andern kleinen Vorfall. Wir waren abends zu einem Ball beim Oberpräsidenten v. Bassewitz eingeladen , nach Eingang

einer so

Als der König

uns

hatten aber

beschlossen ,

schmerzlichen Nachricht nicht hinzugehen .

zu seiner Theestunde eintreten sah , fragte er:

ich denke , ihr geht zum Ball ? und als der Kronprinz angab, weshalb wir nicht gehen euch nicht abhalten sollen . wähnten heiteren

wollten , antwortete er :

den Grund das hätte

Diese Äufserung zusammen mit der er-

Stimmung ,

die

machte uns beide so verwirrt ,

den ganzen Abend

fortdauerte,

dafs wir nach dem Thee unsere

Gouverneure befragten, aber auch von ihnen ,

die

von dem wahren

Verhalt der Sachen keine Ahnung hatten , eine Erklärung nicht erhalten konnten.

Dagegen erzählten sie uns am andern Morgen von

Die Konvention von Tauroggen.

60

einem seltsamen Gerücht, das auf dem gestrigen Balle ausgesprochen sei und das natürlich nicht minder unglaublich klang, als die Kapitulation - dem Gerücht , York habe gar nicht kapituliert , sondern sei zu den Russen übergegangen

oder habe mit ihnen Frieden auf

Und in der That war dies die Auffassungsweise, in der sich durch verschiedene von Graf Henkel mitgebrachte und aus Unvorsichtigkeit sogleich verteilte Privatbriefe die Nachricht eigene Hand geschlossen .

von Yorks Entschlufs

sogleich in weiteren Kreisen verbreitet und

überall, namentlich auf dem Balle einen unverhehlten Jubel erregt hatte, welchen der König, obgleich innerlich ihn teilend , doch jetzt Vielmehr schien noch weniger als zuvor öffentlich verraten durfte. es, falls man nicht Frankreich voreilig reizen und namentlich seitens des Marschalls Augereau einen plötzlichen , Stadt , Land und Thron gefährdenden Gewaltstreich hervorrufen wollte , dringend notwendig, dafs der König seine (scheinbare) Mifsbilligung der Kapitulation sofort öffentlich und energisch ausspreche. Dies aber geschah bereits am folgenden Tage (3. Januar) in der Weise , daſs , als man sich (nach damaligem Dienst) um 11 Uhr zur Paroleausgabe beim Könige dieser in sehr ernstem Tone den Kommandanten ,

versammelte ,

Obristen v. Kessel, folgendermafsen anredete : Ich höre , dafs auf dem gestrigen Balle ganz falsche Nachrichten über das Yorksche Corps verbreitet worden sind . Ich allein habe die richtige Nachricht SorYork hat kapituliert und wird vor ein Kriegsgericht gestellt ! gen Sie dafür ,

dafs diese allein richtige Nachricht verbreitet werde

und jedes andere Gerücht verstummen müsse. „Gleich darauf indessen nahm der König seine heitere Stimmung wieder auf und Jedermann verstand , wie seine Worte gemeint gewesen seien , nur wir jugendliche Gemüter noch eine Weile nicht , bis auch uns nach und nach von unsern Gouverneuren das Geheimnis unter dem Siegel der Verschwiegenheit erklärt wurde. " Es sei hier auch noch gleich das schöne Zeugnis erwähnt, welches der König später, etwa im Jahre 1824 , dem General York ausgestellt hat. Es ist das eine eigenhändige Bemerkung zu dem damals erschienenen Werk von Ségur „Histoire de la grande armée" und lautet : „ Die That des General York wird dereinst in der Geschichte um so glänzender erscheinen, wenn man sie als Gegenstück zu den zahlreichen Beispielen so vieler Staatsmänner und Befehlshaber betrachtet, welche die ihnen übertragene Gewalt mifsbrauchten ,

indem sie

nur ihre eigenen Zwecke und Ideeen im Auge hatten, die sich aber, wo es auf Verantwortung ankam, hinter höhere Autoritäten flüchteten

Die Konvention von Tauroggen .

61

und ihre Fürsten Beschwerden blofsstellten , die zu vermeiden ihre Pflicht gewesen wäre . Diese Konvention bietet ein bedeutsames Beispiel, wie ein treuer Diener, durch die Umstände zu einem selbständigen Entschlufs gedrängt, seinem Könige die ihm anvertrauten Truppen und seinem Vaterlande die Vorteile Entscheidung

sichern ,

die

Nachteile

konnte, ohne weiter zu greifen ,

einer augenblicklichen

der

Verzögerung abwenden als ihm gebührte - indem , wenn

der von ihm gethane Schritt zurückgethan werden sollte , nichts erforderlich war, als ein einziges Opfer ,

wozu er sich selbst weihte,

auch in diesem Fall wie immer bereit, seine Treue mit seinem Leben zu besiegeln, wie er sie durch sein ganzes ruhmvolles Leben vorund nachher bewiesen hat. " Wenn also der König unangenehm berührt schien , so waren es andere hochgestellte Persönlichkeiten in der That . Man sah sich durch die Eigenmächtigkeit des Generals in eine schwere Verlegenheit gebracht. Der richtige Augenblick zu einem Wechsel der Politik schien noch nicht gekommen zu sein. Und wenn er wirklich da war, durfte dann ein General auf seine Hand die Entscheidung herbeiführen ? - Man erkannte in Berlin weder die Folgen des Unterganges der grofsen Armee noch die Folgen , welche Yorks Austritt aus der Reihe der Fechtenden auf die weitere Kriegführung haben mufste. Konnte General Krusemark, der Augenzeuge des fürchterlichen Rückzuges, noch von Wilna aus , wo die Trümmer der grofsen Armee den elendesten Bettlern gleich in Lumpen gehüllt und den Stab in der Hand hereinwankten , einen solchen Brief schreiben, wie darf man sich wundern, dafs in Berlin die richtige Einsicht fehlte ? Dafs übrigens die That des Generals York zum Schein verurteilt wurde , war natürlich , war durchaus notwendig. Befand sich doch der König und die Regierung in der Gewalt der Franzosen , und ist es wohl nur der unbegreiflichen Verblendung des plumpen Augereau zuzuschreiben , dafs der König am 25. Januar ungehindert nach Breslau abreisen konnte . So wurde denn Oberstlieutenant von Natzmer mit Befehlen abgeschickt, welche York des Kommandos entsetzten und vor ein Kriegsgericht stellen sollten.

Da Natzmer diesen

Zweck seiner Sendung bei den russischen Vorposten angab , wurde er nicht durchgelassen , wohl aber wurde ihm gestattet , ein

eigen-

händiges Schreiben des Königs an den Kaiser Alexander persönlich zu überbringen. -Andererseits hat die öffentliche Meinung es immer als eine unbegründete Härte betrachtet, und York selbst hat es bitter empfunden dafs er auf seine Rehabilitierung ohne ein Zeichen der Anerkennung über zwei Monate warten musste. Die

Die Konvention von Tauroggen.

62

eigentliche Rehabilitirung

fand am 11. März statt durch folgenden

Parolebefehl des Königs an die Armee : " Nachdem Ich durch die von dem Generallieutenant v. York eingereichte Rechtfertigung der mit dem Kaiserlich russischen General v. Diebitsch abgeschlossenen Konvention

und durch das Urteil der

zur Untersuchung dieser Sache von Mir ernannten Kommission Mich . vollständig überzeugt habe , dafs der Generallieutenant v. York wegen jener Konvention in jeder Hinsicht ganz vorwurfsfrei ist und zu ihrer Annahme nur durch die Umstände, welche der verspätete Abmarsch des 10. Armeecorps aus seiner Stellung vor Riga veranlafste , durch die gänzliche Trennung des 10. Armeecorps in sich und durch die in jener kritischen Lage sehr vorteilhaften Bedingungen der ihm angetragenen Konvention bewogen worden ist - so mache Ich solches der Armee hierdurch mit dem Beifügen bekannt , dass ich den Generallieutenant v. York solchemnach nicht nur in dem Kom⚫ mando des ihm untergebenen Armeecorps bestätiget , sondern ihm zum Beweise Meiner Zufriedenheit auch den Oberbefehl über die Truppen des Generalmajors von Bülow übertragen habe. " Gewifs war das eine glänzende Genugthuung , aber es scheint -doch fast, als wenn York auch jetzt noch 12 Tage nach Abschlufs des Vertrags von Kalisch - den Franzosen gegenüber gerechtfertigt werden sollte, denn sein Verfahren wird nur als ein Akt der Zweckmässigkeit aus militärischen Rücksichten hingestellt, was gewifs nicht zutreffend war. Vom rein militärischen Standpunkt aus läfst sich die Kapitulation durchaus nicht rechtfertigen und es

würde damit.

auch die eigentliche Gröfse der That wegfallen . Die Behauptungen Unberufener, York habe nur nach Instruktion Nach allem, gehandelt , hat Droysen ausreichend zurückgewiesen .

dafs

er ganz und gar

Was sein Verhältnis zu Macdonald betrifft ,

so sei hier noch

was wir wissen , können wir nur annehmen , auf eigene Hand gehandelt hat.

einmal wiederholt ,

dafs

wir

kein Recht zu der Annahme

York habe sich nur durch seinen Groll lassen ;

es

wäre

Zweck gewesen.

haben,

gegen den Marschall leiten

das ein ungeheueres Mittel für einen

kleinlichen

Im Gegenteil wies er alle Zumutungen der Russen ,

den Marschall gefangen

zu nehmen

fechten , entschieden zurück .

oder gegen die Franzosen zu

Dagegen ist es aber wohl denkbar, daſs

ein freundlicheres Verhältnis zwischen beiden ,

an Yorks Stelle ein

Mann von ähnlichem Charakter wie Macdonald , eine wahre Ergebenheit gegen die Person des Vorgesetzten dieses merkwürdige Ereignis doch vielleicht nicht zugelassen hätten.

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

63

Wie der König , wie die Nation über die französische Gewaltherrschaft dachten, das wufste York.

Ebenso wufste er aber auch,

welche Abneigung man in Berlin gegen jeden plötzlichen Wechsel der Rollen haben würde, gegen jedes Auftreten mit äusserster Energie. Er musste durchaus darauf gefafst sein, dafs sein Verfahren gemifsbilligt, vielleicht sogar entschieden

verdammt werden würde .

Und

dabei hatte man ihn auf seine wiederholten direkten Anfragen ohne jeden Bescheid gelassen wollte man ihn nicht im Notfall als Opfer vorschieben ?

Es

war wahrlich keine

blofse Redensart von

ihm, wenn er am Abend des 29. sagte : „ mir wackelt der Kopf auf den Schultern. " Wenn also General York unter solchen Umständen ganz allein auf seine Verantwortung

einen

Entschlufs ausführte ,

welcher die

preufsische Politik in die entgegengesetzte Richtung fortreifsen sollte und musste, so war das eine der kühnsten, wahrhaft grofsen Handlungen, wie sie je in der Geschichte vorgekommen ist. Deshalb Ruhm und Ehre seinem Andenken !

IV .

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. Von

L. Sander , Oberst z. D.

Einleitung .

Für die Geschichte des

preufsischen Ingenieur-

corps hatten wir seit jeher eine lebhafte Teilnahme empfunden ; insonderheit war es das Verhältnis Friedrichs des Grofsen zu demselben, worein wir einen genaueren Einblick thun mochten, umsomehr, da wir mehrere ältere Festungen kennen lernten , in deren Gestaltung die persönlichen Anschauungen des grofsen Königs den entschiedensten Ausdruck gefunden hatte . Dazu leistete uns die seit dem Jahre 1877 erschienene Geschichte des Ingenieurcorps und der Pioniere in Preufsen von dem Generalmajor v. Bonin die trefflichsten Dienste. auch weitergehende Eindrücke

bei

uns

Dieses Studium hat aber hinterlassen ,

die wir nun,

64

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

angeregt durch die seitdem

zu unserer Kenntnis gekommenen Auf-

sätze über Organisation des Ingenieurcorps , hier wiederzugeben versuchen wollen . Wir bringen zu diesem Behuf zunächst Geschichtliches , knüpfen daran eine Prüfung des Geschehenen und legen

endlich als unsere

Folgerung daraus die Erfordernisse für etwaige fernere Änderungen in der Organisation des Ingenieurcorps dar. I. Geschichtliches . Bei dem uns vorliegenden glauben wir nicht fehl

zu gehen ,

Zweck

wenn wir unserer ursprünglichen

Neigung folgend in den geeigneten Fällen vorzugsweise bei den Zeiten Friedrichs des Grofsen verweilen , und der vorhergehenden , sowie der nachfolgenden überhaupt nur vervollständigend gedenken. Wir beginnen mit der Art und Weise , den Ersatz für das Ingenieurcorps zu schaffen, unter welch letzterem wir immer auch den Kreis

der Persönlichkeiten verstehen wollen ,

welche

den für

Kriegszwecke nach heutiger Anschauung erforderlichen Ingenieurdienst thaten. Vor dem Kurfürsten Friedrich III. hatte man sich nach Bedarf mit Anwerbungen begnügt ,

welche meist im Auslande geschahen .

Seitdem ist schon eine gröfsere Regelmässigkeit darin dafs man neben den vorzugsweise beliebten ,

für

zu erblicken ,

das Fach einiger-

mafsen vorgebildeten und empfohlenen Ausländern

auch geeignete

Offiziere aus der Infanterie oder Artillerie verwendete und im übrigen Civil-Bauverständige annahm. So blieb es auch unter Friedrich dem Grofsen ,

unter welchem

der Zutritt von Ausländern sofort einen lebhaften Zug annahm .

Bei

Beginn des siebenjährigen Krieges wurde freilich befohlen , dafs alle bis dahin bei den nunmehr eingestellten Staatsbauten beschäftigt gewesenen jungen Leute ,

welche

das Baufach erlernt hatten , bei der

Artillerie oder bei den Ingenieuren eintreten sollten . Nach dem Kriege fand aber eine noch vermehrte Heranziehung von Ausländern statt. Es wird jedoch auch von Aspiranten berichtet ,

welche der König

nach vorangegangener Prüfung gewöhnlich selbst angenommen habe. Die Anschauungen desselben in diesen Beziehungen möchten darin zu erkennen sein, dafs er dem mit Beschaffung des nötigen Zuwachses für das Ingenieurcorps beauftragten Juni 1781

schreibt ,

Oberstlieutenant

er wolle keine jungen Leute ,

v. Haab im

sondern solche

haben , die etwas verstehen und die er gleich als Kapitäns anstellen könne , ein Modus , zu welchem er sich übrigens auch gelegentlich eines Briefes schon im Jahre 1764 bekannt haben soll. Nach Friedrich dem Grofsen wurden

die Ersatzverhältnisse des

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

65

Ingenieurcorps bald mit denen der übrigen Offiziercorps in Übereinstimmung gebracht. Die Fürsorge für die Ausbildung betreffend kann man nicht behaupten ,

dafs

dieselbe ganz und gar gemangelt hätte , denn schon

seit dem Kurfürsten Georg Wilhelm wurden mehrfach junge Leute, die etwas versprachen , älteren erprobten Ingenieuren zur Ausbildung in Theorie und Praxis überwiesen . Reisen in fremden Ländern sollten

dann das

weitere bewirken .

Friedrich Wilhelm I. ordnete

aufserdem zu diesem Zwecke häufige Versetzungen an. auf Ausbildung im Feldkriege bedacht, liefs daneben aufser Offizieren aller Waffen wiederholt auch Ingenieure Friedrich der Grofse ,

bei fremden Armeeen an Feldzügen teilnehmen .

In seinen späteren

Regierungsjahren nahm er dann für die Ausbildung von Ingenieuren noch einen besonderen Professor in seinen Dienst. Die Anbahnung einer systematischen Ausbildung der Ingenieure ist aber erst unter Friedrich Wilhelm II. anzunehmen, unter welchem im Jahre 1788 die Errichtung erfolgte .

einer Ingenieurakademie in Potsdam

Dieselbe wurde zwar durch die unglücklichen Kriegsereig-

nisse von 1806/1807 mit verschlungen und die Ingenieure waren zeitweise auf den Besuch der im Jahre 1810 in Berlin mit besonderen Kursen für Ingenieure und Artilleristen errichteten allgemeinen Militärakademie beschränkt, dafür trat dann aber im Jahre 1816 in Berlin die vereinigte Artillerie- und Ingenieurschule ins Leben.

Den

Organisationsveränderungen bei derselben haben wir hier nicht weiter

zu folgen. Behufs Darstellung des Verhältnisses der Ingenieure zur Armee heben wir etwas aus Dienst, Rangierung und Besoldung derselben heraus . Von Anfang an ist nicht das Festungsbauwesen allein der eigentliche Dienstzweig

der Ingenieure gewesen ;

sie fanden vielmehr bei

den Ausführungen aus dem Gebiete der Technik überhaupt die mannigfaltigste Verwendung. Daneben waren ihnen die damals nur geringen Geschäfte

des heutigen

grofsen Generalstabes übertragen.

Im Kriegsfalle wurden einer Armee und vor Festungen dem Angriffscorps auch Ingenieure beigegeben . Die Trennung des Militär- und Civil-Bauwesens und somit auch der Ingenieure dafür, ordnete Friedrich Wilhelm I. bald nach seinem Regierungsantritt zwar an , führte sie aber nicht vollständig durch. Unter Friedrich dem Grofsen änderte sich in diesen Beziehungen im allgemeinen nichts .

Dazu finden wir, dafs den Ingenieuren nun-

mehr auch bei den militärischen Operationen im Verein mit den Ad5 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

66

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps .

jutanten des Königs die Generalstabsgeschäfte zufielen.

Für die tech-

nische Truppe schien mit der im Jahre 1742 befohlenen Errichtung eines Pionierregiments , zu welchem fast ausschliesslich Ingenieuroffiziere traten, einen Aufschwung nehmen zu sollen . Dasselbe wurde indes schon zu Anfang des siebenjährigen Krieges seinem ursprünglichen Zweck wieder entzogen und in ein Füsilierregiment verwandelt.

Es gab alsdann wieder nur Pontoniere und Mineure mit ihren eigenen Offizieren . Den Pontonieren verblieb ihr bestimmt abgegrenzter Dienst des Brückenschlages, während den Mineuren, da es besondere Sappeure nicht gab ,

vorzugsweise die Belagerungsarbeiten und der Artillerie die Feldverschanzungen zufielen. Erst seit Friedrich Wilhelm II. trat

eine schärfere Begrenzung

des Dienstes der Ingenieure ein ; insonderheit wurden durch das im Februar 1790

erschienene Ingenieurreglement die Verhältnisse

des

Ingenieurcorps überhaupt, der Geschäftsgang innerhalb desselben und seine Stellung zur Armee ausführlich bestimmt. Pontoniere und Mineure blieben noch davon getrennt ; letztere wurden aber im Kriege gegen Frankreich 1792/93 zu allen Arten von Pionierarbeiten verwendet. Die Verbindung der technischen Truppe unter dem Namen Pioniere , welche in verhältnismässigen Teilen Pontoniere , Mineure und nun auch Sappeure in sich begreifen sollten, mit dem Ingenieurcorps geschah aber erst infolge der Kabinetsordre vom 4. November 1809 ,

betreffend die Reorganisation des Corps , worüber bereits

seit dem Jahre 1807 Beratungen

stattgefunden

erst im Jahre 1816 planmäfsig ins Leben trat.

hatten ,

die jedoch

Die den Ingenieuren

seitdem beim Festungs- und Militärbau überhaupt, sowie andernteils bei den Pionieren bekannter voraus .

obliegenden

Dienstverrichtungen setzen wir als

Militärische Rangbezeichnungen scheinen sich allgemein erst unter Friedrich Wilhelm I. herausgebildet zu haben ; ein regelmäfsiges Aufsteigen zu höheren Rangstufen aber auch da noch nicht . In den früheren Zeiten hatten zuerst die vereinzelt vorkommenden Generalquartiermeister und Chefs letztere Bezeichnung für

der Ingenieure und Kondukteure ,

welch

die jüngsten Ingenieurdienst thuenden Per-

sönlichkeiten aufkam, einen ausschliesslich militärischen Rang.

Sonst

wurden wohl nur die als Offiziere bezeichnet , welche als solche aus anderen Waffen der eigenen waren.

oder aus fremden Armeeen eingetreten

Friedrich der Grofse beliebte bei den Beförderungen unter den Ingenieuren grofse Unregelmässigkeiten , und für den grofsen Teil der weniger

Glücklichen war das

Avancement in der zweiten

Hälfte

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps . seiner Regierungszeit in der That sehr langsam.

67

Einem anfangs sehr

begünstigten Fremdling antwortete er auf eine diesfällige Klage noch in seinem letzten Lebensjahre : „ es werde schon alles kommen , wie es sich mit dem Avancement schicke ; die Ingenieure rangierten nicht mit den

anderen

Offizieren

der Armee."

Die

leitenden

Offiziere

bei den Festungsbauten wählte der König selbst aus und gab ihnen eine Anzahl jüngerer Offiziere zur Unterstützung bei ; ein sonstiges Verhältnis , wie zwischen direkten Vorgesetzten und Untergebenen gab es im Ingenieurcorps nicht. bei der Artillerie

Die Pontoniere wurden auch fortan

als Unterstab geführt ,

wie das namentliche Verzeichnis

und die Offiziere ,

derselben

offizierstande hervorgegangen waren ,

zeigt ,

nicht als

aus dem Unter-

gleichberechtigt mit

den anderen Offizieren der Armee , ihre Stellung vielmehr subalterne angesehen . zieren ,

welche ,

als eine

Ähnlich verhielt es sich mit den Mineuroffi-

obwohl sich mehrere unter den älteren persönlich einer an-

gesehenen Stellung erfreuten . Wie sich in dieser Beziehung die Verhältnisse weiterhin änderten , darüber können wir uns füglich auf das beziehen, was zuvor in betreff des Dienstes angeführt ist, und wollen nur nachholen, dafs Friedrich Wilhelm II.

schon

in seiner Verordnung vom

17. Juni 1787

aus-

sprach : "" Höchstdieselben wollten auch das Avancement, welches eine billige Belohnung treu geleisteter Dienste sei , nung im Corps fortgehen lassen. "

in der gröfsten Ord-

Im Punkte der Kompetenzen der Ingenieure herrschte lange Zeit eine den angeführten Verhältnissen entsprechende Unsicherheit . gab offenbar gar keinen Etat ,

Es

vielmehr wurden jene für jeden Fall

besonders festgestellt, auch bei besonderen Aufträgen häufig Remunerationen zugesichert, jedoch nicht immer pünktlich bezahlt . Friedrich der Grofse erhöhte schon vor dem siebenjährigen Kriege die Gehälter der Ingenieuroffiziere etwas . Günstlinge erhielten Zulagen und den leitenden Ingenieuren wurden, wie den Kommandanten in den Festungen, verschiedene Nutzungen (Gras, Fischerei u. s . w.) gewährt . Die Gehälter blieben aber lange Zeit unverändert und waren schliefslich geringer als diejenigen Armee.

der anderen Offiziere der

Unter Friedrich Wilhelm II. trat auch in dieser Beziehung eine günstige Wendung ein, so zwar, dafs die sämtlichen Gehälter der Ingenieure

nahezu verdoppelt wurden .

weiterhin gesetzlich geregelt ,

Das System der Bauzulagen ,

erhielt sich noch lange , während das-

jenige der Nutzungen durch eine Kabinetsordre vom 17. März 1809 beseitigt wurde, wonach die Nutzung der Festungsgrundstücke künftig 5*

68

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

lediglich für Königliche Rechnung geschehen sollte. Reorganisation von 1816

aufgestellten Etat

In dem bei der

endlich waren den ein-

zelnen Rangklassen der Ingenieuroffiziere die etwas höheren Gehälter der Kavallerie zugebilligt lich 5 Thaler mehr.

und den Sekondelieutenants sogar monat-

Zur weiteren Beleuchtung des bisher Erwähnten wird es dienen , wenn wir noch etwas

darüber bringen ,

was

man die

eigentliche

Stimmung den Ingenieuren und deren Dienst gegenüber nennen könnte, sowohl seitens der Vorgesetzten vom obersten Kriegsherrn herab, als auch seitens der übrigen Kameraden der Armee. Die Art der Kriegführung zwar Anlaſs

zu

einer Reihe

des Grofsen Kurfürsten war ,

ob er

von Angriffsoperationen gegen feste

Städte und Festungen hatte, der Einführung des Vauban'schen regelmässigen Angriffs nicht günstig. Friedrich Wilhelm I. bekundete gelegentlich des Falles der beabsichtigten Unterdrückung der von einem Ingenieuroffizier geschriebenen Broschüre über Fortifikation eine gewisse Liberalität .

Er be-

merkte, dafs das Schreiben und Druckenlassen nicht verboten wäre ; er fände darin

auch gar nichts ,

wenn sie

nur nichts von

seinen

Sachen und von seinen Festungen berichteten und bekannt machten. Im übrigen finden wir überliefert, dafs sich der König nicht nur mit den Verhältnissen seiner jungen Ingenieuroffiziere, sondern auch mit den Festungen auf das eingehendste beschäftigt habe .

Er hinterliefs

denn auch seinem Nachfolger ein zwar nicht zahlreiches, aber ziemlich geordnetes Ingenieurcorps . Friedrich der Grofse fand infolge des Beginnens des ersten schlesischen Krieges bald nach seinem Regierungsantritt nicht die Zeit, sich den Organisationsfragen des Ingenieurcorps und dem Baudienst eingehender zu widmen .

Die Unternehmungen gegen Festungen zeigen

uns sodann die Ingenieure nicht mitbeteiligt bei Bearbeitung der erforderlichen Dispositionen.

Dem zweiten schlesischen Kriege folgte die

eifrige Fortsetzung der früher begonnenen Umbauten der schlesischen Festungen.

Der König legte nun zwar ein grofses Gewicht auf das

Studium der Fortifikation , fanterie empfahl ,

indem er es auch den Offizieren der In-

und auf die Ingenieure war er übrigens bemüht ,

belehrend einzuwirken ; die Leitung des Festungsbauwesens und der übrigen Arbeiten der Ingenieure hatte er aber schon seit dem Kriege allmählich, selbst in die Hand genommen , genieuroffiziere

zu

seiner Unterstützung

würfe und deren Ausführung unterhielt den Kommandanten ,

wobei

heranzog .

er nur einige InÜber

die Ent-

er einen Schriftwechsel mit

und nur in dem Falle ,

wenn der leitende In-

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

69

genieuroffizier sein besonderes Vertrauen genofs , direkt mit diesem . In dem

nun folgenden

siebenjährigen Kriege war

nicht minder vor Festungen Erfolge verbunden.

als im freien Felde

Namentlich in den Fällen

der Kampf wohl mit wechselndem

des

Mifsgeschickes

war dann der König , um es kurz zu sagen, stets geneigt, die Schuld auf die Ingenieure zu schieben . meist eine nur

Im Feldkriege war ihnen überdies

subalterne Stellung

technische Leistung überlassen .

angewiesen

und ausschliesslich

Wenig werden sie da trotz der aus-

gedehntesten Verwendung besonders genannt, aber immer mehr tadelnd als anerkennend. entwürdigend .

Die Äufserungen

des Königs sind mitunter sogar

Nach dem siebenjährigen Kriege trat der Festungsbau

wieder in seine Rechte, wobei es uns nicht verwundern kann , wenn die direkte Leitung wurde.

durch den König nun noch weiter ausgedehnt

Es geschah dies in der Art, dafs derselbe die Gouverneure

und Kommandanten mehr überging und fast nur direkt mit den bauleitenden älteren Ingenieuroffizieren verkehrte .

Schliefslich

ist hier

noch der für die damalige Zeit bedenkliche Umstand zu erwähnen, dafs der König dem Ingenieurcorps wie der Artillerie und den Husaren gestattete , Bürgerliche als Offiziere aufzunehmen, und sogar dementsprechend einige Versetzungen aus der Infanterie und Kavallerie vornahm. Dafs darauf unter Friedrich Wilhelm II. mung für die Ingenieure entstand ,

geht

eine günstigere Strö-

schon aus alledem hervor,

was oben aus dieser Zeit berichtet ist, und es möge nur noch darauf hingedeutet werden , dafs der früheren Anschauung entgegen nunmehr geraume Zeit der Grundsatz festgehalten wurde, dafs die Eleven der Ingenieurakademie adeliger Abkunft sein mufsten. Leider waren die kommenden Ereignisse

der

Festigung des Ingenieurcorps

auf der

Bei dem Reorganisationsplan von nicht günstig . 1809 hatte man nun zwar die Grundidee, das Ingenieur- und Pioniercorps zu einem Elitecorps zu machen und mit dem Generalstab auf neuen Grundlage

gleichen Fufs zu stellen , allein nun waren es wieder die glücklichen Kriegsereignisse von 1812 bis 1815 und die mit denselben zur Geltung gekommenen Personen, welche jene Idee in Vergessenheit kommen liefsen. Dafs die Ingenieure bei der Armee nur in geringer Achtung gestanden hätten, darüber finden wir direkte Beweise eigentlich nicht vor. Indessen kann man darüber kaum Zweifel hegen , wenn man das

üble

Verhalten

einiger Persönlichkeiten

schon seit Friedrich

Wilhelm I. und später die ganze Behandlungsweise unter Friedrich dem Grofsen in Betracht zieht. Es wird uns ferner gelegent-

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

70

lich der Reorganisationsbestrebungen

nach

dem

Kriege von 1806

-1807 durch einen Ausspruch des bei jenen mehrfach beteiligten Gneisenau bestätigt , wonach die Mitglieder des Ingenieurcorps bis dahin bei den übrigen Teilen der Armee in Nichtachtung gestanden hätten ;

nicht

zu gedenken der

offiziellen

für

den

Generalmajor

v. Scharnhorst von dem Ingenieurmajor Pullet angefertigten Denkschrift , worin sich der letztere über die Zurücksetzung und Gleichgültigkeit beklagt , würde.

mit welcher das Corps in der Armee behandelt

Wie verhält es sich nun bei alledem mit der damaligen ganzen Haltung des Ingenieurcorps und welche hatte es aufzuweisen ?

Leistungen

Die Zeiten vor Friedrich dem Grofsen lassen, was zunächst die Integrität der Ingenieure anbetrifft, dieselbe mehrfach in einem zweifelhaften Lichte erscheinen, und nachdem man unter Friedrich Wilhelm I. zu einer strafferen militärischen Organisation des Ingenieurcorps übergegangen war, folgten in demselben zahlreiche schwere Bestrafungen und Excesse, welche anscheinend zumeist in subordinationswidrigem Verhalten begründet gewesen sein

sollen .

Die Fachleistungen bei

den verhältnismäfsig zahlreichen Festungsbauten, zu welchen freilich in einigen Fällen Ausländer herbeigezogen wurden, waren immerhin ansehnlich genug.

Daneben wurden schon im 17. Jahrhundert von

einheimischen Ingenieuren Werke schanzungskunst geschrieben .

über Kriegsbaukunst bezw. Ver-

Auch darf wohl nicht übergangen wer-

den, dafs der Czar Peter der Grofse , angezogen von dem Rufe der brandenburgischen Ingenieure , sich von dem Kurfürst Friedrich III . einige gute Ingenieure ausbat.

Wie dies alles unter dem grofsen König gewesen sei , dies zusammenfassend gerecht zu beurteilen , erscheint uns nicht wenig schwierig. Begründet finden wir dies zumeist in dem nun blühenden System, Ausländer herbeizuziehen, unter welchen sich viele befanden , welche lediglich des materiellen Vorteils willen mehr als Abenteurer in preussischen Dienst gingen. men der Ingenieuroffiziere

Freilich führte das geringe Einkom-

schliefslich auch allgemeiner zu eigen-

nützigen Handlungen gelegentlich des Festungsbaues . lichen

Fachleistungen

müssen

ders betrachtet werden.

die

Von den eigent-

verschiedenen Branchen beson-

Im freien Felde

schlofs die Kriegführung

des Königs

eine sehr merklich hervortretende Thätigkeit der Ingenieure lange Zeit überhaupt aus , und wo die Umstände dazu angethan waren , wie zeitweilig im siebenjährigen Kriege , mangelt es , wie schon bemerkt, sehr an diesfälligen näheren Angaben. Die Er-

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps . folge im Festungskriege , genieure

gestellt werden

soweit

sie

müssen ,

allein

auf Rechnung

71 der In-

sprachen im ganzen nicht ent-

schieden zu Ungunsten derselben, und es sind mehrfach Beweise von richtiger Erkenntnis der Sachlage, sowie einer geschickten Benutzung Bei der Anlage von der lokalen Verhältnisse zu verzeichnen. Festungen hatten die Kriegsbaumeister

des Königs

zwar nur die

Ideeen desselben zur Ausführung zu bringen, doch können wir nicht umhin , in

ihnen gerade hierbei einiges Verdienst nachzurühmen.

Was

dieser Beziehung noch besteht und einer genauen Beurteilung

unterzogen werden kann, wird dem gewifs nicht widersprechen . Die Ausländer aber haben mit Ausnahme des schon seit 1748 wegen Verdachts von Verräterei durch Gefangensetzung beseitigten Walrawe nur geringen Anteil hieran . Auch als Schriftsteller haben sich Friedrichs Ingenieure versucht. Abgesehen von Lefebvre's Memoire über Minierkunst und sein Buch über Fortifikation schrieb auch v. d. Lahr eine vortreffliche Abhandlung über Minen, und verfafsten noch zwei andere Deutsche

eine Abhandlung über Festungsangriff , bezw. ein

Werk über Winterpostierungen. nahmearbeiten ,

welche

Ein

anderer

erfand bei den Auf-

schon früher zu dem Thätigkeitsgebiet der

Ingenieure gehört hatten ,

eine neue bahnbrechende Darstellungsart.

Die von Friedrich Wilhelm II. getroffenen , oben erwähnten Organisationsveränderungen vermochten nicht durchweg die vorhandenen Übelstände zu begleichen .

Infolge des Umstandes, daſs die Ingenieur-

offiziere früheren Bestimmungen entgegen stets eine lange Reihe von Jahren in ihren Garnisonen standen ,

verheiratete

Teil, namentlich der jüngeren Offiziere sehr früh.

sich ein grofser

Dem System, sich

durch Beteiligung an Leistungen beim Festungsbau Vorteil zu verschaffen, soll noch bis zu Ende jenes Jahrhunderts nicht entsagt sein. Es fand sich ferner wieder 1804 das Ingenieurdepartement veranlafst zu rügen, dafs die jüngeren Offiziere sich häufig Ausschreitungen und Dienstvergehen zu Schulden kommen liefsen. Ein vollständiger Umschwung in diesen Beziehungen wurde durch die bald eintretende Reorganisation herbeigeführt. pfiehlt

es sich auch seit

zu betrachten.

Die Fachleistungen der Ingenieure em-

der hier zu besprechenden Zeit gesondert

Bezüglich der Thätigkeit im freien Felde kann uns

der Krieg gegen Frankreich 1792/93 nur veranlassen, zu wiederholen , dafs damals die Mineure zu allerlei Pionierarbeiten verwendet wurden. 1806/7 kam es bei den herrschenden Armeezuständen gar nicht erst zu einer Thätigkeit der Ingenieure, vielmehr scheint es, als ob deren Anwesenheit gänzlich in Vergessenheit geraten wäre. zügen von 1812 bis 1815 ist wieder

In den Feld-

eine nutzbringende Thätigkeit

72

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

der Ingenieure zu bemerken .

Wenn man aber nach genaueren Nach-

richten darüber sucht, so sind es fast nur die provisorischen Befestigungen bei dem Feldzuge 1813 in Schlesien , der Mark und Sachsen, worüber dergleichen zu finden sind, wogegen es bei der eigentlichen Feldthätigkeit sowohl

in den kriegsgeschichtlichen Werken ,

den Berichten der Truppen daran mangelt.

als in

Die darauf folgende , fast

die ganze erste Hälfte des Jahrhunderts andauernde Friedensperiode war für Ingenieure

und Pioniere nicht günstig ,

um ihre im freien

Felde zu leistenden Dienste, wie man es nach Vollendung der Reorganisation von 1816 wohl hätte Licht zu stellen .

erwarten sollen ,

in das gehörige

Im Festungskriege zeigten sich die Ingenieure jenes

Zeitraums ihrer Aufgabe wohl gewachsen . ist ein Zeugnis dafür

Vor dem Krige 1806/7

die viermonatliche Belagerung von Mainz im

Winter 1792/93 und die Abwehr des französischen Angriffs gegen Wesel 1794 ; in dem unglücklichen Kriege selbst aber vor allen die ruhmreiche Verteidigung von Danzig.

Im

übrigen litten ja im all-

gemeinen damals die älteren Ingenieure in den Festungen an ähnlichen Mängeln der Tüchtigkeit, wie die Gouverneure und Kommandanten.

Der Aufschwung seit 1813

diesem Gebiet ,

übte seinen Einfluss auch auf

wie die Erfolge bei den nun bald erforderlich wer-

denden Belagerungen und die den Ingenieuren dafür zu teil gewordenen Auszeichnungen beweisen . Im Festungsbau selbst trat seit Friedrichs des Grofsen Tode mit dem Bemühen , die im gesamten Ingenieurwesen erkannten Schäden zu verbessern , vorläufig zugleich eine Pause ein .

Nach den Freiheitskriegen

erkannte man

bei

der

ganz veränderten ungünstigen Gestaltung des Staatsgebietes die Notwendigkeit, die Landesverteidigung durch Festungen zu unterstützen, und ging auch bald mit deren

Neuanlage und Verstärkung vor.

Es entwickelte sich dabei bis zu den dreifsiger Jahren die bekannte neue preufsische Befestigungsmanier , welche bis zur Einführung der gezogenen Geschütze in Preufsen die Norm blieb und auch im Auslande vielfach nachgeahmt wurde. hier noch des schon oben

erwähnten

Rühmenswert wäre

in der Hauptsache

von dem

Generalmajor v. Regler des Ingenieurcorps verfafsten Ingenieurreglements zu gedenken , welches, 1790 herausgegeben, noch jetzt in vielen Punkten als Grundlage bei Entscheidung zweifelhafter Fälle angesehen wird; ferner auch des Umstandes , dafs von 1810 ab mehrere Ingenieuroffiziere bei den damaligen Militärbildungsanstalten als Lehrer dienten. II. Prüfung der Resultate in den dargestellten Perioden und seitdem. Die Periode von Friedrich dem Grofsen

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. schnitt, wie wir gesehen haben ,

73

in Bezug auf Ingenieurverhältnisse

zwar im ganzen noch günstig genug ab, jedoch übergehen wir dieselbe , weil das Bedürfnis eines Ingenieurcorps in der Armee damals den mafsgebenden Kreisen wohl noch nicht zur vollsten Erkenntnis gekommen war.

Dem grofsen König war es von vornherein offenbar ,

dafs

er

namentlich zur Verteidigung und Behauptung des Gebietes , welches er seinen Staaten wieder zuzufügen gedachte , Ingenieure sehr nötig haben werde . Man müfste deshalb wohl auch annehmen , dafs er das, was geschah , für ausreichend hielt, um ein Ingenieurcorps , welches seinen Ansprüchen genügen würde, heranzuziehen und zu unterhalten. so wenig wie zur Sicherstellung des

Wir haben nun gesehen , dafs

Ersatzes für dasselbe , als zur regelmässigen Ausbildung des letzteren Einrichtungen bestanden. Die Fortbildung der jüngeren Ingenieuroffiziere durch die älteren gelegentlich des Dienstes war durch die ganze Art des Betriebes und dafür festgesetzte Einrichtungen ebenfalls nichts weniger als gewährleistet .

Das Beste noch meinte wohl

der König selbst zu thun, indem er die Ingenieure über seine eigenen So diktierte er im ihr Fach betreffenden Anschauungen aufklärte. Breslauer Winterquartier 1758 den Feldingenieuren eine struktion.

eigene In-

Die Festungskommandanten erhielten als Ergänzung ihrer

Instruktionen spezielle Vorschriften über die Verwendung der Truppen, Aufstellung von Besetzungsplänen , Verhalten beim feindlichen Einfall in Schlesien, sowie bei wirklichen Belagerungen selbst , also solche, auch den Ingenieuren zu gute kommen sollten . Es wurde.

welche

auch schon im Jahre 1752 eine gröfsere Belagerungsübung angeordnet, um Offiziere und Truppen im Festungskriege aber könnte zur Begleichung

zu üben .

Vor allen

der erwähnten Mängel die eingehende

Weise geeignet erscheinen, mit welcher sich der König in den Zeiten, wo ihn die Kriegführung nicht abzog , auch dem Festungsbau widmete, und, wie wir gesehen haben, zuerst mit den betreffenden Kommandanten und späterhin mit den nach seiner Wahl angestellten bauleitenden Ingenieuroffizieren in direkten Schriftverkehr trat. Dennoch gelang es den Ingenieuren nicht, sich die Zufriedenheit ihres obersten Kriegsherrn zu erwerben !

Aus

dem Feldkriege

hören wir darüber

fast gar nichts ; im Festungskriege geschah es wenigstens in einzelnen Fällen ; noch mehr, wie es scheint, im Festungsbau . In der Armee gewannen die Ingenieure ebenfalls keine Achtung, wobei indes das unverschuldete Verhalten der abenteuernden Ausländer in Betracht zu nehmen ist. Ob

man seit Friedrich Wilhelm

II.

zunächst

die klare An-

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

74

schauung von der Notwendigkeit eines Ingenieurcorps in der Armee , und zwar eines gediegenen , hatte, möge dahingestellt bleiben . Wenigstens wandte man sich einem damit

übereinstimmenden System zu .

Die Einrichtungen , welche man demnach traf,

und welche wir oben

erwähnt haben , bewährten sich aber unter der Nachwirkung der früheren Zustände nicht alsbald und befähigten das Ingenieurcorps um so weniger, den Ereignissen von 1806/7 gewachsen zu sein , als die damaligen Anschauungen den Wert der Festungen gänzlich verläugneten , Armee

und verkehrter Weise namentlich für den Fall , dafs die

schon

geschlagen

sei .

Das

klarere Licht ,

welches darauf

Männer wie Scharnhorst und Gneisenau auch über diesen Zweig des Krieges verbreiteten, brachte nun die Notwendigkeit eines entsprechenden Ingenieurcorps zu vollem Bewusstsein, und das Wenige , was man bis zum Wiederausbruch des Krieges thun konnte, war ja auch von wesentlichem Erfolg begleitet . Nach wiederhergestelltem Frieden kam nun im Jahre 1816 die Reorganisation

zu stande.

Die Erfahrungen

auf dem Gebiete des

Festungswesens waren in den letzten glücklichen Kriegen nicht wieder verloren gegangen ; der Festungsbau kam wieder in Flufs ,

und

so verblieb denn ein Feld , wo es den preufsischen Ingenieuren vergönnt war , sich Anerkennung bei Sachverständigen aller Länder zu erwerben.

Wir sagen ,

" es verblieb

ein Feld " in Hinblick

anderen Seiten der Ingenieurthätigkeit, Ingenieurfelddienst .

auf die

den Festungsdienst und den

Ersteren zwar nach Mafsgabe der dafür vorhan-

denen spärlichen Mittel zu üben , aber dem Felddienst , anderen Truppen hätte

wie

blieb den Ingenieuren unverwehrt ;

er bei den gröfseren Herbstübungen der

zur Darstellung kommen und geübt werden.

können, blieben dieselben fern . Wir finden nicht, dafs etwa die höheren Ideeen , denen man sich bei Aufstellung des Reorganisationsplanes hingegeben hatte, direkt verläugnet worden wären, sie verschwanden aber, und die zum Teil im Geiste derselben gegebenen höheren Bestimmungen wurden entweder nicht beachtet oder falsch ausgelegt. Hiermit haben wir die Darstellung der Eindrücke aus der Geschichte des Ingenieurcorps, wenn auch ohne einen Abschnitt gerade scharf zu begrenzen , so doch ersichtlichermafsen im ganzen mit der Mitte dieses Jahrhunderts abgeschlossen und wollen nun noch einen Blick auf die Folgezeit werfen. Da machen wir denn sogleich die Wahrnehmung, dafs die Stimmung für das Festungs- und Ingenieurwesen wechselte , je nachdem die Festungen in den verschiedenen europäischen Kriegen ihre Rolle spielten.

Nach dem Kriege in der Krim und 1859 in Italien hob

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. sich dieselbe auch bei uns . Ingenieurcorps

und

75

Es folgten darauf Etatserhöhungen des

später Vermehrung

der Pioniertruppe

einer anderweitigen Organisation derselben.

nebst

Es wurden ferner behufs

mehrerer Annäherung der Ingenieure , ebenso wie der Artillerie , an die beiden anderen Waffen im Dienst sowohl , wie in der persönlichen Verknüpfung der Offizierscorps Einrichtungen getroffen , „ um die allgemeine kriegswissenschaftliche Bildung ihrer Offiziersaspiranten auf ganz gleichen Grundlagen und in Gemeinsamkeit mit den Offiziersaspiranten der Infanterie und Kavallerie auf ein und denselben Lehranstalten zu erzielen " . Bei dieser guten Grundlage liefs man es aber nicht bewenden. Die Fürsorge für unseren Gegenstand äufserte sich auch noch in den Bestimmungen über Festungsdienstübungen ,

Besetzungspläne für die

würfe für dieselben ;

Festungen und Armierungsent-

die Belagerungsübungen

der Pioniere wurden

fortan zum teil unter Mitbeteiligung der anderen Truppen in gröfserem Mafsstabe angelegt und die Heranziehung der ersteren zu den Herbstübungen gefafst.

der

letzteren wieder mehr

und mehr in das Auge

Der Krieg 1864 gegen Dänemark, in welchem den Befesti-

gungen und den technischen Truppen

eine hervorragende Rolle zufiel , konnte diesen Eifer nur steigern . Der deutsche Krieg 1866 , wo dergleichen mehr in den Hintergrund trat , brachte aber wieder eine gewisse Gleichgültigkeit mit sich , welche erst die Erfahrungen des deutsch-französischen Krieges , trotzdem sich die Festungen des damaligen Kriegstheaters

nicht gegen die zerstörende Wirkung der

gezogenen Geschütze ausgerüstet fanden ,

zu heben geeignet waren.

Ingenieure und Pioniere zeigten sich der hier in kurzem dargestellten Fürsorge für ihr Fach wohl würdig und es ist ihnen die höhere Anerkennung in keinem Falle vorenthalten

worden.

In der Armee

erlangten sie zunächst im dänischen Kriege , wo sie den anderen Truppen bei den Hauptunternehmungen zu Lande und zu Wasser tapfer vorangingen , sogar eine gewisse Popularität. Der deutsche Krieg konnte dieselbe freilich nicht vermehren . Eher hätte man dies vom französischen Kriege

erwarten

sollen .

geschehen sei , möchten wir nicht behaupten .

Dafs es aber

Die Fälle , wo sie in

den Kampf mit

der Waffe verwickelt wurden und gut bestanden, sind zwar aufgezeichnet und ihr Vorgehen bei den Belagerungen wird

rühmlich befunden, aber weder bei den grofsen Cernierungen, wo sie doch berufen waren, durch Verstärkung der Einschliefsungslinien zum Gelingen des Werkes in hervorragender Weise beizutragen , noch sonst im freien Felde hat ihre Thätigkeit vermocht ,

eine besonders leb-

hafte Erinnerung an dieselben bei den Truppen hervorzurufen .

Uns

76

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

scheint es wenigstens so ,

und die Art und Weise , wie sie seitdem

bei den gröfseren Herbstübungen zur Verwendung kommen , belehrt uns darüber keines anderen .

Freilich ist es kein Wunder, wenn der

Aufwand, welcher jetzt für Neuanlage und Verstärkung von Festungen gemacht wird, die Augen mehr auf sich zieht . So haben wir denn gesehen, dafs es im ganzen und grofsen nur das Gebiet des Festungsbaues und des Festungskrieges gewesen ist , auf welchem die Ingenieure

so

zu sagen einen Rang in der Armee

haben behaupten können ; im übrigen ist ein gewisses Hintanbleiben trotz aller Anstrengungen nicht hinwegzuläugnen . Damit ist aber der man ist ja darüber einig , dafs in Zukunft auch im freien Felde die Ingenieurarbeiten in noch grösse-

guten Sache nicht gedient ,

rem Mafse

denn

als bisher zu Hülfe gezogen werden müssen ,

ganz ab-

gesehen davon , dafs die künftigen Kämpfe um die grofsen Festungen sich zum grofsen Teil in ähnlicher Weise wie diejenigen im eigentlichen freien Felde abspielen werden .

Wir sind der Meinung, daſs,

während die anderen Truppen sich dabei so viel als möglich selbst helfen , Ingenieure und Pioniere auf den schwierigeren Stellen zusammengehalten und sonst nur als Ratgeber und zur Anleitung dienen sollen ; gerade darin aber liegt es , dafs man den Ingenieuren, wenn sie einmal in solchen Fällen zugezogen werden , eine gröfsere Autorität als bisher zugestehen mufs , und es bleibt nun zu untersuchen , was wohl geschehen müsse , damit man dazu williger werde . Hinsichtlich der

Ergänzung

des

Offizier corps

der In-

genieure bedürfen die jetzt bestehenden Grundsätze kaum einer Änderung ; namentlich wäre es wohl ganz verfehlt , etwa nur ganz besondere Kapazitäten heranziehen wieder angedeutet findet .

zu

wollen ,

wie man hin

und

Dagegen mufs für die Ingenieure die Ver-

schärfung des sonst für alle Waffen gleichen Portepeefähnrichexamens in der Mathematik beibehalten werden, weil sich dieselben ohne eine gröfsere Beholfenheit in dieser Wissenschaft denn doch häufig einer gewissen Hülfslosigkeit in ihrem Dienst gegenüber befinden würden, man möge diesen nun regeln, wie man wolle. Hiermit sind wir nun gleich auf einen der entscheidenden Punkte

gekommen, wodurch eine Wendung zum Bessern begründet werden könnte , nämlich auf eine Entlastung der Ingenieure in den ihnen zufallenden Dienstzweigen . Wir unsern Teiles finden, dafs eine solche in durchgreifender Weise möglich sei , wenn man nämlich die Bauausführungen aller Art an den Festungen im Frieden, von den Reparaturen bis zur vollständigen Neuanlage daraus striche und dieselben in ähnlicher Weise wie die Garnisonbauten durch an-

77

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. dere Baumeister

ausführen

liefse.

Das kann

nun

nicht so viel

heifsen, als müsse die Baubeschäftigung die Befähigung für den rein militärischen Dienst

absolut benachteiligen , denn ein Jeder weifs , dafs eine gute und fördersame Herstellung von Bauten , namentlich grofser und schwieriger , bei den verantwortlichen Leitenden Eigenschaften voraussetzt und kräftigt, deren Besitz einen Militär immerhin auch erfreuen kann.

Dazu haben die Bauausführungen noch das voraus , dafs bei ihnen immer der Ernstfall vorliegt , während dies

bei den Hauptaufgaben des Militärs doch nur im Kriege der Fall ist. Der Ingenieur wird also eine tüchtige Baupraxis im Frieden in mehr als einer Hinsicht als gute Vorschule für einen grofsen Teil seiner Aufgaben im Kriege ansehen können .

Müssen wir hiergegen nun schon anführen, dafs dem Ingenieur die Vorschule des gesamten Pionierdienstes genügen könne , namentlich , wenn etwas reichlichere

Mittel gewährt würden als bisher, so ist doch auch nicht zu leugnen, dafs der ganze Hergang bei dem Bauwesen ein anderer ist und sein mufs, als bei militärischen Dingen , selbst den Kriegsarbeiten , und dafs der Einflufs dieses Umstandes im ganzen nicht als günstig erachtet werden kann . Begründet finden wir dies in der Notwendigkeit, meist erst eine Masse genauer Vorarbeiten vorzunehmen, ferner in dem Verhältnis zwischen den Bauleitenden und denen, die ihnen gewissermassen untergeben sind, d. h. den Arbeitnehmern aller Art, und endlich auch in dem naturgemäfs langsamern Verlauf von Bauten . Viele Ingenieuroffiziere werden in dem gewifs nicht unberechtigten Bewusstsein der von ihnen aufgewendeten Mühen und demnächst der erreichten Erfolge jene Verhältnisse vorkommenden Falles auch auf den Militärdienst übertragen wollen und sich dabei , wenn sie nicht sehr wählerisch und geschickt sind , leicht vergreifen . Aber auch die weniger Eingenommenen und

dabei Einsichtigsten werden von

jenem Einfluss nicht unberührt bleiben ; Menschen.

das liegt in der Natur des

Das könnte man noch alles für Ansichtssache halten. wird doch nicht bestritten werden können ,

Aber das

dafs den Ingenieuren

durch ihre Verwendung zum Festungsbau die Zeit zu ihrer weiteren militärischen Ausbildung im Wege des Sehens und hauptsächlich in dem des eigenen Studiums, mehr als gut ist, entzogen wird. die Pflichtgetreuesten

werden

dafür am

wenigsten

Gerade

übrig behalten ,

weil diese sich ganz in Anspruch genommen finden müssen, um den Anforderungen des ihnen obliegenden Baudienstes gerecht zu werden. In der That kann da nicht füglich

eine Teilung

des Studiums

für

Bau und Krieg zugelassen werden , sonst müfste sich bezüglich des

78

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

ersten Faches eine nicht zu billigende Halbheit erzeugen .

Meint man,

der Ingenieur bedürfe des Studiums der Kriegsgeschichte und -Wissenschaften weniger, als der Offizier anderer Waffen , und es reiche für ihn aus , wenn er sich diesem Studium hingebe , sobald seine Verwendung beim Bau aufhöre , so können wir dem nicht beistimmen und finden , dafs es sich eher umgekehrt verhalte . Der Ingenieur tritt meist vereinzelt auf und findet selten jemand , der ihm hilft ; Anhalt für das , was unter seiner Leitung ausgeführt werden soll, ist man nicht gewohnt, ihm anders als in knappster Form zu geben , und was dann ausgeführt wird , läfst für jeden etwas anderes zu wünschen übrig . Das setzt dann eine besonders gute Rüstung voraus. Wir haben ferner oben gesehen , dafs sich die Ingenieure in keiner der betrachteten Perioden eines besonderen Ansehens bei der Armee erfreuten , und wenn dafür auch mehrfach andere Gründe vorlagen, so wird man doch nicht fehlgehen , wenn man diese Thatsache überhaupt zum guten Teil einer gewissen Voreingenommenheit gegen den Baudienst zuschreibt. Wer sich einem unparteiischen Urteil nicht verschliefst, der wird finden , dafs man diese Beobachtung bis tief in die neuere Zeit hinein machen konnte . Dieser Anstofs könnte also zugleich unter Entlastung des Ingenieuroffiziers hinweggeräumt werden. Als einen nicht minder wichtigen Punkt sehen wir die unmittelbare Annäherung der Ingenieure an die andern Truppen an. Eine solche scheint uns durch die blofse Entlastung vom Baudienst noch nicht hinreichend gewährleistet, denn eine besondere Richtung würden erstere mehr oder weniger abweichend von letztern nach wie vor inne halten . Welche dies sei , darüber weitere Auseinandersetzungen zu machen , würde mifslich sein ;

wir finden die-

selbe aber begründet in der Stellung der Ingenieure unter einen einDie andern zigen Chef, von dessen Ansichten sie abhängig sind . Truppen (mit Ausnahme der Artillerie , wo aber das Verhältnis im ganzen doch ein anderes ist) stehen zwar corpsweise auch unter einem Chef, dem kommandierenden General ; deren giebt es aber viele, und es mufs sich sonach eine freiere Bewegung ihrer gesamten Untergebenen herstellen.

Die besondere Richtung ,

welche der In-

genieur meist festzuhalten glauben mufs , wird den hohen Vorgesetzten anderer Waffen nicht ganz zusagen , und dies wird auf die Verwendung der Waffe nicht ohne Einflufs bleiben. dieser Beziehung

Wir glauben in

auf die Zeit nach der Reorganisation von 1816

hinweisen zu dürfen.

Damals trug

man

sich eigentlich noch mit

höhern Ideeen über das Ingenieurcorps als jetzt.

Aber 29 die in Aus-

79

Topographische Erörterungen. sicht genommene Teilnahme der Ingenieuroffiziere

an den General-

stabsreisen und an den gröfseren Übungen der andern Truppen fanden vorläufig nicht statt. Höchstens wurden einzelne Ingenieuroffiziere und Pionierdetachements requiriert , um für die gröfseren Herbstübungen Lager abzustecken und zu erbauen, Brunnen, Tränken und ähnliche Anlagen herzustellen ; das gewöhnliche Loos der Pioniere in der Manöverzeit war die Übernahme des Wachtdienstes in den Garnisonen, während der Abwesenheit der andern Truppen. " Noch aus den dreifsiger Jahren wird uns berichtet: „Eine Heranziehung der Ingenieuroffiziere und Pioniere zu den gröfseren Herbstübungen der andern Truppengattungen fand zwar vielfach statt , es wurden dabei die Betreffenden aber nicht als technische Waffe benutzt, sondern ----wie früher schon lediglich als Arbeiter , um die Aufgaben der andern Truppen zu erleichtern und Ersparnisse zu machen." So etwas ist nun zwar schon seit mehreren Dezennien zu den überwundenen Standpunkten zu zählen , und die Anschauungen , denen der Ingenieur in seinem Corps zu folgen hat, sind den allgemeinen Anschauungen in der Armee möglichst angepasst , indessen fehlt dabei eben die Originalität, und es erscheint uns dieserhalb zu den noch wünschenswerten Einrichtungen zu gehören, die Ingenieure auch hinsichtlich ihres Avancements zu den kommandierenden Generalen in ein ähnliches Verhältnis zu bringen , wie die Offiziere von der Infanterie und Kavallerie. (Schlufs folgt.)

V.

Topographische Erörterungen. Von

Reichert , Hauptmann. I. Über den Begriff der Bezeichnung „ Divergenzwinkel " . Die Geschichte des Divergenzwinkels ist folgende : Als die Kippregel in Preufsen eingeführt wurde , war nur ein Modell in Gebrauch - das sogenannte ältere Breithauptsche . Eine wesentliche Anforderung an diese Kippregel war

die Pa-

Topographische Erörterungen.

80

rallelität der optischen Axe und der Libellenaxe. Ein Fehler gegen dieses Erfordernis wurde mit dem sprachlich und sachlich ganz passenden Namen „ Divergenzwinkel " bezeichnet, und diese Bezeichnung ging in alle Lehrbücher über.

Später

trat

neben

der

Breithaupt'schen

auch

die

dänische

Kippregel in Gebrauch ; da diese keine Libelle am Rohr hatte, konnte ein Divergenzwinkel im bisherigen Sinne nicht existieren ; es kam hier vielmehr auf die Übereinstimmung der Linealfläche mit der Fufsröhrenlibelle einerseits und auf die richtige Stellung des Nullpunktes am Nonius andererseits an . Die Disharmonie der Linealfläche und der Fufsröhrenlibelle konnte nun auch mit Recht ein Divergenzwinkel genannt werden , hatte aber mit dem bisherigen Divergenzwinkel weniger gemein, als die falsche Stellung des Nonius , welche bei der dänischen Kippregel die eigentliche Erbschaft des bisherigen DiverDie gemeinsame Wirkung dieser bei-

genzwinkels angetreten hatte .

zu trennenden Fehler wurde nun uneigentlich auch mit dem Namen Divergenzwinkel bezeichnet . den ganz

Diese Konfusion ist zu bedauern und hat gewifs manchem Topographenanfänger und Fähnrich das klare Verständnis für die Sache erschwert. Vor einigen Jahren

sind neue Kippregeln eingeführt , die nun

gar 2 Röhrenlibellen , auf dem Rohr und auf dem Lineal, und auch 2 Limben mit zwei Nonien haben . Wo steckt nun der Divergenzwinkel ? In der Libelle am Rohr ? In der Libelle am Lineal ? In dem einen Nonius ? Man kann

Im andern?

nun freilich

Beide haben ihr Recht.

sagen : Das Instrument wird auf den

Horizont hin geprüft und die Abweichung, die sich bei dieser Prüfung ergiebt, nenne ich den Divergenzwinkel .

Dagegen ist einzuwenden ,

dafs diese Abweichung bei jedem Instrument andere und sehr verschiedene Ursachen hat, und dafs es notwendig Verwirrung erzeugen mufs, wenn man eine sprachlich unpassende Bezeichnung derart kollektiv anwendet. Man darf nun

wohl im Interesse der Lernenden

wünschen,

dafs der Divergenzwinkel aus der topographischen Nomenklatur verschwindet. Dafür haben wir jetzt : 1. falsche Lage der Röhrenlibelle am Rohr, 2. falsche Lage der Fufsröhrenlibelle ,

3. Abweichung der Nonien. Will man aber die alte Bezeichnung beibehalten , so gebührt sie dem ersten dieser drei Fehler.

Topographische Erörterungen .

81

II. Bedeutung und Anwendbarkeit des Korrektionswinkels . Der Korrektionswinkel wird bei der Messung von Vertikalwinkeln ermittelt und in Rechnung gestellt, um eine etwaige fehlerhafte Neigung der Mefstischplatte unschädlich alle erlernt.

zu machen :

Der Satz ist richtig aber nicht vollständig ,

So haben wir es

und

diese Unvoll-

ständigkeit ist von erheblichen Folgen , wie man sofort aus den Konsequenzen erkennen wird. Es wird weiter geschlossen : Da bei allen neueren und auch bei der dänischen Kippregel die Neigung der Tischplatte vor jeder Winkelmessung vollkommen berichtigt wird , so ist der Korrektionswinkel zwecklos geworden. Der vorstehende Satz ist schon falsch:

Der Korrektionswinkel

eliminiert nämlich nicht nur die Schiefe der Tischplatte, sondern auch den Indexfehler (die unrichtige Einstellung des Nonius zum Limbus) . Die Sache selbst ist ja nicht

zweifelhaft .

Ist die Tischplatte

nach dem Ziel hin um 2 Grad geneigt und der Index zeigt schon an und für sich 30 statt 0, so würde der Aufnehmer, der nach einem Punkt im Horizont visiert - 5º ablesen, obgleich die Libelle einspielt. Der Korrektionswinkel ist , da eben die Libelle einspielt, auch = - 5º.

--- 50

(- ) + 5º ±0 Die Rechnung ergiebt demnach 0 , wie es auch richtig ist, da ja im Horizont visiert wurde , und man sieht , wie durch den Korrektionswinkel nicht nur die schiefe Stellung der Tischplatte, sondern auch der Indexfehler eliminiert worden ist. Dies ist sehr wichtig. Bei der Breithaupt'schen Kippregel stellte man zwar theoretisch die Anforderung , dafs der Nonius auf 0 einspielt, wenn die optische Axe im Horizont steht. In praxi war das aber ganz gleichgültig, denn der Korrektionswinkel wurde ja immer in Rechnung gezogen und machte schädlich.

einen

etwaigen Indexfehler un-

Wer mit der dänischen Kippregel arbeitete, konnte keinen

Korrektionswinkel nehmen, weil ihm die Libelle am Rohr fehlte, und der Indexfehler eliminierte sich nicht mehr ; fest bis zur nächsten Justierung ,

war er da ,

so safs er

und die Topographen ,

denen die

genaue Einsicht in ihr Instrument fehlte , Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

hatten wenigstens das 6

Die Gestellung der Pferde und Maultiere

82

ganz richtige Gefühl ,

wenn

man sie so oft sagen hörte , „ die alte

Breithaupt'sche sei ihnen lieber". Der neue Mefstischapparat , der feinere Messungen ermöglichen soll, und es auch thut , besitzt eine Libelle am Rohr und gestattet die Messung

mit dem Korrektionswinkel .

Obgleich die Präzisions-

messungen die Domäne dieser neuen Kippregeln sind , es kein besseres Mittel giebt ,

und obgleich

den Indexfehler bei den Messungen

unschädlich zu machen, als eben den Korrektionswinkel, so ist dieser doch über den Stellschrauben am Stativ vergessen . Man wird es wohl glauben ,

dafs der ganze hier geschilderte

Verlauf der Dinge ein anderer hätte sein müssen , wenn überall da , wo gedruckt zu lesen steht: „ Der Korrektionswinkel korrigiert die schräge Stellung der Tischplatte" auch der Zusatz hätte : „ und zugleich den Indexfehler “.

nicht gefehlt

Man darf daher wohl an die topographischen Lehrbücher die Bitte richten, diesen Zusatz nicht zu vermeiden, sondern überall da , wo vom Indexfehler die Rede ist, auch zu vermerken, dafs er durch . den Korrektionswinkel eliminiert, werden kann ,

und ebenso da , wo

der Zweck der Röhrenlibelle am Rohr abgehandelt wird , zu erwähnen , dafs sie bei genaueren Messungen die Möglichkeit gewährt, den Indexfehler unschädlich zu machen. (Fortsetzung folgt.)

VI .

Die Gestellung der Pferde

und Maultiere für

die französische Armee bei einer Mobilmachung. (Nach französischen Quellen.)

Im Falle einer teilweisen oder vollständigen Mobilmachung der französischen Armee oder bei einer Truppenversammlung in irgend einem Teile Frankreichs hat der Kriegsminister die erforderlichen Gestellungen anzuordnen , um die verschiedenen Truppencorps nach jeder Richtung hin in Kriegsbereitschaft zu setzen . Die Gestellung der Pferde u . s. w. beginnt zugleich mit der Mobilmachung (am 2. Tage derselben )

und wird hierbei

die Ab-

schätzung dieser Tiere zu Grunde gelegt, welche bereits im Frieden

für die französische Armee bei einer Mobilmachung.

83

jährlich in den Hauptorten des Kantons , als den Sammelpunkten der Gestellung ausgearbeitet ist. Die Arbeiten für die letztere gliedern sich in :

1. die Zählung der Tiere ;

2. die Abschätzung der Tiere ;

3. die Gestellung selbst. 1.

Die Zählung .

In den ersten Dezembertagen eines jeden

Jahres erläfst in jeder Gemeinde der Maire eine öffentliche Aufforderung an die Besitzer von Pferden u . s . w. , vor dem 1. Januar auf der Mairie den Bestand der in ihrem Besitz befindlichen Tiere anzuHiervon sind allein ausgenommen : die diplomatischen Vergeben. — treter der fremden

Mächte ;

die

Staatsangehörigen

von

Brasilien ,

Bolivia, Ecuador, Chili , Costa Rica, Portugal, Honduras, Neu-Granada, den Sandwichs - Inseln , Salvador, Nicaragua, Peru , der Argentinischen Conföderation, Guatemala, Spanien und Rufsland (wenn letztere nicht Grundbesitzer oder Pächter sind). In eine zu diesem Zwecke angelegte „ Angabeliste " werden alle die als vorhanden angegebenen Tiere mit dem Namen ihres Besitzers , dessen Beschäftigung und Wohnort und einer Beschreibung des Tieres selbst (Geschlecht, Alter, Gröfse , Farbe) eingetragen. Auf Grund dieser Liste stellen alsdann die Maires zum 15. Januar jeden Jahres eine „ Zählliste " der für den Fall einer Mobilmachung zum Heeresdienst verfügbaren Pferde zusammen . Diese Liste umfafst alle Pferde, welche am 1. Januar des betreffenden Jahres 6 Jahre alt oder älter sind ; bei Maultieren beginnt die Aufnahme mit 4 Jahren. ―― Nicht aufgenommen werden solche Tiere , die bereits bei einer anderen Gemeinde eingetragen sind , Fehler , mangelhaften Baues

ferner solche , welchen wegen

oder aus

anderen Gründen sich zum

Heeresdienst nicht eignen , schliefslich diejenigen , von denen festgestellt, dafs sie die vorgeschriebene Gröfse nicht besitzen. Zwischen dem 16. und 20. Januar lassen

die Maires

alsdann

durch die Feldhüter und Polizeibeamten mittelst Besichtigung feststellen , ob alle brauchbaren Tiere genau angegeben sind .

Wo dies nicht der

Fall ist oder sind die Angaben unrichtig, so wird ein Protokoll aufgenommen , die Tiere werden amtlich in die ‫ כל‬Zählliste " eingetragen und die Schuldigen verfallen in eine Geldstrafe von 25 bis 2000 Frcs .

die

Zwischen dem 20. und 25. Januar jeden Jahres stellen hierauf Maires aufser den beiden bereits bezeichneten Listen einen

" zusammengefassten Standesausweis oder Zahlenauszug" in doppelter Ausfertigung zusammen (einen für den Rekrutirungschef der regionalen Subdivision , den anderen für die Präfektur). enthält :

Dieser Standesausweis

1. alle in der Gemeinde vorhandenen Tiere der fraglichen 6*

Die Gestellung der Pferde und Maultiere

84 Art ;

2. alle Tiere, welche das gesetzliche Alter erreicht haben , und

alle diejenigen , welche dies Alter in dem laufenden Jahre nicht erreichen werden. Nach diesem Standesausweis fertigt jeder Bezirkskommandeur seinerseits einen allgemeinen Standesausweis für die betreffende Subdivision an und übersendet zum 25. Januar ein Exemplar dem

Kriegsministerium ,

ein

anderes

dem Generalkommando.

Dieser allgemeine Standesausweis der Subdivision bildet nunmehr die Grundlage für die Einteilung der Tiere behufs Gestellung. Es mufs hierbei bemerkt werden, dafs die Angaben der Maires. gewöhnlich sehr unvollständig sind, in der Regel, weil die mit Aufstellung dieser Angaben Beauftragten in militärischen Dingen wenig Bescheid wissen , vor allem auf dem Lande , wo die Maires bis zur heutigen Stunde noch eine grofse Nachlässigkeit an den Tag legen , obgleich von Seiten

des Ministeriums dieser Gegenstand besonderer

Sorgfalt anempfohlen

worden ist ,

da es sich doch hier um ein so

wichtiges Gesetz handelt , welches auf die Mobilmachung der Armee von sehr hohem Einflusse ist. - Die Abschätzungskommissionen haben die durch die Maires verschuldeten Fehler zu beseitigen und man hat hierdurch den besten Beweis an der Hand, dafs das Gesetz über die Gestellung vom 3. Juli 1877 noch nicht in Fleisch und Blut des Volkes übergegangen ist. 2.

Die Abschätzung der zum Heeresdienst geeigneten Tiere .

Diese erfolgt in jedem Jahr gewöhnlich in der Zeit vom 15. Mai bis 15. Juni. Zu diesem Zwecke haben die Generalkommandos im voraus jede Subdivision in eine bestimmte Zahl von Abschätzungskommissionen gegliedert, welche ihre Arbeit alle gleichzeitig beginnen und zum 15. Juni beendet haben

sollen .

Die Zahl der Abschätzungs-

kommissionen hängt nicht von der Ausdehnung des Bezirks, sondern von der Zahl der Tiere ab , welche auf Grund der erwähnten Zähllisten abzuschätzen sind ; es ist hierbei als Mafsstab festgehalten , daſs jede Kommission wenigstens 25 Tage zur Erledigung ihrer Arbeiten gebraucht und schwankt deren Anzahl zwischen 2 und 8 in jeder Subdivision oder jedem Rekrutirungsbezirk, an dessen Spitze sich ein Bezirkskommandeur befindet . Die Abschätzungskommission ist aus sammengesetzt :

folgendem Personal zu-

a) Ein Offizier des stehenden Heeres, der Reserve oder Territorialarmee (Kavallerie, Artillerie oder Train ) als Vorsitzender, durch den kommandirenden General dazu ernannt.

b) Ein bürgerliches Mitglied der Gemeinde ,

ausgewählt

durch

für die französische Armee bei einer Mobilmachung. den Präfekten,

85

wenn möglich unter den verabschiedeten Offizieren

einer berittenen Truppe , Munizipalräten .

andernfalls

unter den hierzu

geeigneten

c) Ein Militärtierarzt , von der Militärbehörde dazu bestimmt ; ist ein solcher nicht vorhanden , ein Civiltierarzt, von dem Präfekten auf Ersuchen des Generalkommandos bezeichnet. d)

Ein Unteroffizier einer berittenen Truppe als Schreiber und

tunlichst der Truppe entnommen , welcher der Vorsitzende angehört, wenn dieser ein Offizier des stehenden Heeres ist. Der Vorsitzende und das bürgerliche Mitglied haben jeder eine entscheidende Stimme, gehen die Stimmen auseinander, so giebt die des Vorsitzenden den Ausschlag . Zum mindesten zwei Gensdarmen sind bei der Abschätzung behufs Aufrechterhaltung der Ordnung zur Stelle ; der eine hat das Maſs in den Händen und übergiebt es dem Tierarzt bei Vorführung des abzuschätzenden Tieres .

Wenigstens

3 Tage vor

Beginn

der

Ab-

schätzung wird durch Anschlagzettel an der Thüre der Mairie und in den gröfsten und entferntesten Häusergruppen der Ort der Abschätzung sowohl als auch die Stunde bekannt gemacht, zu welcher die Bewohner der einzelnen Strafsen und Viertel ihre Tiere vorzuführen haben . -

∞ 6828

Bei der Abschätzung selbst erfolgt die Vorführung der Tiere nach der alphabetischen Ordnung der Besitzer. Jedes Pferd wird nach Gröfse und Bauart eine der folgenden Klassen zugeteilt :

1. Klasse : Reserve- Kavallerie (Kürassiere) . . . . Gröfse 1,54 m u. mehr, 2. Linien1,50 bis 1,54 m, " "" " (Dragoner) leichte 3. 1,47 , 1,50 m, "" (Chasseurs u. Husaren) " " 4. "" Reitpferde 1,48 , 1,54m, "" 5. leichte Zugpferde } (Artillerie) 6.

29

7.

""

Trainpferde (schwere Zugpferde) . . Maultiere zum Gepäcktragen . .

29

Maultiere zum leichten Zug Maultiere zum schweren Zug

8. 9.

""

1,48 m u. mehr,

99

1,44m

"

"

1,44 m

""

"9

1,44 m

""

Für Corsika ist ausnahmsweise das geringste Mafs auf 1,44 m für Pferde , auf 1,40 m für Maultiere festgesetzt. In den andern Departements darf das kleinste Mafs im Notfalle auf die Entscheidung des Generalkommandos hin herabgehen auf 1,46 m für die 5 . und 6. , auf 1,42 m für die 7. , 8. und 9. Klasse. Der vorsitzende Offizier überzeugt sich persönlich von dem guten Bau des Tieres und läfst dasselbe zu diesem Zwecke im Schritt und Trabe vorführen.

Die

4 ersten Klassen der Tiere bilden ,

soweit

Die Gestellung der Pferde und Maultiere

86

letztere als zum Kriegsdienst tauglich bezeichnet sind , Offizier- und Truppenpferde ; die Offizierpferde sollen fehlerfrei sein und angenehme Bewegungen haben . Hengste dürfen nur für die 6. Klasse genommen werden ; die leichtesten derselben werden den Cadres der Traincompagnien überwiesen , welche gestellte Fuhrwerke nachzuführen haben.

und mit Hengsten bespannte

Die zu jedem Dienst als vollständig unbrauchbar bezeichneten Tiere, sei es wegen Alters , Abnutzung oder Fehler, werden endgültig diejenigen hingegen , welche unter dem geringsten Mafs oder die zur Zeit aus zufälligen Ursachen zum Heeresdienst nicht geeignet, werden vorläufig zurückgestellt und müssen bei der nächsten entlassen ,

Abschätzung wieder vorgestellt werden . Die Aufnahme jedes

endgültig

abgeschätzten

Tieres

in

die

Abschätzungsliste erfolgt der Entscheidung gemäfs nach der alphabetischen Ordnung der Besitzer.

Jede Liste wird doppelt angefertigt

und mit einer Zusammenzählung in den

einzelnen Klassen

abge-

schlossen. Das eine Exemplar wird dem Maire behufs Beifügung zur Zählliste übergeben , das andere erhält der betreffende Bezirkskommandeur. Die vorsitzenden Offiziere ergänzen während der Abschätzung die Zähllisten , welche Lücken enthalten und tragen dort jedes Tier ein, welches ihnen mit Unrecht ausgelassen zu sein schien . Nach Besichtigung der Tiere jeder Gemeinde prüft die Kommission alle die Tiere , welche ihnen von Bewohnern anderer Kommunen vorgeführt werden , aber aus irgend einem Grunde nicht am Hierbei wird eine Verhandlung Wohnorte zur Stelle sein konnten . für jede der Gemeinden aufgenommen , zu welchen die vorgeführten Tiere in Wirklichkeit gehören , und selbigen Tags dem Kommandeur der Gensdarmeriebrigade zugesendet , in dessen Bezirk sich diese Gemeinde befindet . Aufserdem erhält der betreffende Eigentümer einen Ausweis . Nachdem das Verfahren in allen Gemeinden ihres Bezirks beendigt , stellt die Kommission auf:

1.

eine Zählliste der Kommission

auf Grund der Zähllisten der einzelnen Gemeinden ; 2. eine Liste der vorläufig zurückgestellten Tiere ; 3. eine Liste der endgültig zurückgewiesenen Tiere . - Von diesen drei , gleichfalls in zwei Exemplaren angefertigten Listen geht eine dem Kriegsministerium , die andere dem betreffenden Rekrutirungsamt zu. Bei Beurteilung dieses ganzen Verfahrens mufs es auffallen , dafs man nicht die Veränderungen berücksichtigt ,

welche mit den abge-

schätzten Tieren vorgehen können (Wechsel des Besitzers , Aufenthalts-

für die französische Armee bei einer Mobilmachung. ortes, Tod u. s . w.).

87

Es dürften daher im Falle einer Mobilmachung

gewiſs viele unvermutete Veränderungen eintreten, so daſs , wenn man in einer Gemeinde die angewiesene und erforderliche Zahl ausheben will , dort leicht eine viel geringere Zahl von Tieren vorhanden ist . Die Bemühungen des Kriegsministeriums , diese Unvollkommenheit des Gesetzes abzustellen, sind bis jetzt vergeblich gewesen. 3.

Gestellung der Pferde im Falle der Mobilmachung.

Die Kommissionen beginnen ihre Thätigkeit am zweiten Mobilmachungstage an den Hauptorten des Gestellungsbezirks .

Die Mit-

glieder der Kommission sind bereits im Frieden bezeichnet und jedes begiebt sich sofort auf seinen Posten , nachdem es am ersten Mobilmachungstage

die nähere Weisung erhalten hat.

setzt sich ebenso zusammen wie im Frieden ,

Die Kommission

doch sind derselben

noch zugeteilt : ein Stellvertreter des bürgerlichen Mitgliedes und des Tierarztes , um Störungen zu vermeiden ; zwei Civilschreiber des Ortes (ein Lehrer , Beschlagsschmiede Territorialarmee .

Mairieschreiber u. des

Sind

stehenden solche

s.

w.) ;

Heeres ,

der

nicht vorhanden ,

ein oder mehrere Reserve

oder

der

so bestimmt der

Maire auf Anordnung des Präfekten bürgerliche Beschlagsschmiede . Die Benachrichtigung an die Vorsitzenden der Kommission und die Tierärzte erfolgt zur Zeit ihrer Ernennung , die für die Civilmitglieder und deren Stellvertreter wird beim Stabe des Bezirkskommandos

aufbewahrt und den Betreffenden gleich nach Eingang

des Mobilmachungsbefehles zugeschickt. Die Schreiber und Beschlagschmiede werden gleichfalls früher bestimmt und reisen ohne Verzug ab; die Civilschreiber und Civilbeschlagschmiede hat der Maire ebenso im voraus bestimmt und benachrichtigt. Bei der Gensdarmeriebrigade, welche den Mittelpunkt des Gestellungsbezirks bildet, werden im Frieden aufser den notwendigen Mafsen, Brenneisen u . s . w . die Einberufungsordre für die Führer von je zwei Tieren , sowie auch für die Unteroffiziere, welche als Transportführer dienen, bereit gehalten. In jedem Hauptort des Gestellungsbezirkes ist der Raum , wo die Abschätzung u . s. w. stattfinden soll , schon im Frieden durch die Militärbehörde in Gemeinschaft mit dem Maire ausgesucht und festgestellt.

Um die Sonderung der Tiere nach Gemeinden zu erleich-

tern, hat die erstere bei Zeiten das nötige Material (Stangen, Planken, Fähnchen von verschiedener Farbe u. s . w.) anzuschaffen .

Die Bezirke

folgen hierbei in alphabetischer Ordnung und bei diesen alsdann die einzelnen Gemeinden in hintereinander stehenden Kolonnen ; Pfosten mit der Bezeichnung der Gemeinde zeigen den Weg und erleichtern die geordnete Aufstellung der abzuschätzenden Tiere.

88

Die Gestellung der Pferde und Maultiere Die Kommission hält bei Vornahme der Gestellung bezirksweise

folgende Ordnung ein : A.

Besichtigung der Tiere , welche im verflossenen Jahre abge-

schätzt ; Untersuchung der Pferde, welche seit der letzten Abschätzung das vorgeschriebene Alter erreicht haben und

solcher ,

welche

aus

irgend einem Grunde bei der Zählung nicht angegeben oder vorgestellt waren, obgleich sie das gesetzliche Alter erreicht hatten. B.

Ausloosen der Tiere , in dem Falle , dafs die Zahl der vor-

handenen und diensttauglichen Tiere gröfser ist als die Gestellungsquote der betreffenden Kategorie und etwaige Untersuchung bei gewünschtem Tausch. C. Gestellung der Tiere. - Alle entweder früher oder jetzt abgeschätzten Tiere werden hierbei sofort , je nachdem sie für dienstbrauchbar anerkannt worden sind, nach den verschiedenen Kategorien in besondere Gruppen aufgestellt. Die Ausloosung findet für jede Kategorie bezirksweise statt ; die Gemeinden desselben Bezirks werden in alphabetischer Ordnung aufgerufen und in jeder Gemeinde erfolgt die Ausloosung nach der Reihe , in der die Eigentümer im verflossenen Jahr in der Abschätzungsliste eingetragen worden sind. Für jeden Eigentümer sind soviel Loosnummern als er Tiere zur Stelle und in der betreffenden Liste eingeschrieben hat.

Der Name der Eigentümer wird mit den von ihm

gezogenen Nummern in eine Ziehungsliste eingetragen. Die Ziehung findet durch einen vom Vorsitzenden bezeichneten Maire des Kantons mittelst numerirter Kugeln statt, welche in einem Leinwandsack bei der Gensdarmeriebrigade des Hauptortes des Gestellungsbezirkes aufbewahrt werden. Nach Beendigung der verschiedenen Verrichtungen verkündet die Kommission die Gestellung der Tiere. Jedes der letzteren wird sofort auf der linken Schulter mit der Ankaufsnummer bezeichnet. Zu diesem Zweck weist das Generalkommando jeder Kommission

eine

nach

Hunderten abgerundete und der Menge der zu gestellenden Tiere ent- In der Schmiede sprechende Anzahl von Stammrollennummern zu . — erhält alsdann das Tier auf dem linken Vorderfufs die eben erwähnte Ankaufsnummer, auf dem rechten den festgesetzten Anfangsbuchstaben des Armeecorps eingebrannt.

(Die Buchstaben sind nach dem Alphabet

an die Corps verteilt, so dafs das I. mit A beginnt ; die Buchstaben I, K, O , Q, W und Y sind hierbei ausgelassen .) Bestimmungsgemäfs müssen die gestellten Tiere mit gutem Beschlag, einem Halfter nebst Riemen und einer Trense versehen sein ;

für die französische Armee bei einer Mobilmachung.

89

fehlt eines dieser Gegenstände oder ist er nicht in gehöriger Verfassung, so wird sofort Abhülfe getroffen. Der Vorsitzende der Kommission giebt jedem der übernommenen Tiere seine Bestimmung und stellt sie in Transporte zusammen , welche er dann den Führern mit Rücksicht auf deren endgültige militärische Bestimmung übergiebt. Letztere sind entweder Leute , welche zur Verfügung der Militärbehörde in Friedenszeiten vom Dienst im stehenden Heere als Ernährer der Familie befreit sind, oder Leute, welche zu den Hülfsdienstzweigen des Heeres bestimmt sind, oder Mannschaften der Territorialarmee ; nur im Notfalle verwendet man hierzu Pferdeknechte . Die Einberufungsordres für die Leute dieser Art sind bei den Gensdarmeriebrigaden niedergelegt und werden von dem Bezirkskommando auf dem Laufenden gehalten . Bei denjenigen Leuten, welche nach Ablieferung der Tiere an ihrem Bestimmungsort in ihre Heimat zurückehren, wird bei Verteilung der Begleitkommandos darauf Rücksicht genommen, dafs sie auf leichte Weise heimkehren können, wozu sie von den Truppenteilen , welche die Tiere empfangen haben , in Marsch gesetzt werden , während die zum Heeresdienst verpflichteten dann nach dem Orte ihrer endgültigen Bestimmung geschafft werden . Der Transportführer erhält von dem Vorsitzenden der Kommission eine nach Anordnung des Generalkommandos aufgestellte Marschroute Am und ein Verzeichnis der Mannschaften seines Kommandos . Gestellungsorte wird das Futter der gestellten Tiere auf Fouragequittungen des Vorsitzenden der Kommission und auf Rechnung des das

Tier erhaltenden

Truppenteils

empfangen .

Für die Zeit

des

Transportes empfängt der Führer das Futter gleichfalls in obiger Art auf Grund der ihm vom Vorsitzenden der Abnahmekommission bei

Aushändigung der

Marschroute übergebenen Quittungen.

Der

Einheitssatz des Futters wird für die betreffende Zeit gleichmässig mit 4 kg Heu und 5 kg Hafer berechnet . Das Eintreffen der Transporte an dem Bestimmungsorte fällt je nach der Entsendung zwischen dem 3. und 10. Mobilmachungstag. Nachgestellungen ziehen sich bis zum 12. Mobilmachungstag hin. Nach Beendigung der Abnahme lösen die Vorsitzenden die bez. Kommissionen auf und berichten an das Generalkommando ; die

Militärpersonen begeben sich dann unverzüglich auf ihren Posten, sei es zum stehenden Heere, zur Reserve oder Territorialarmee.

90

Erfindungen u. s. w. von militärischem Interesse.

VII .

Erfindungen u .

s. w. von militärischem Interesse .

Zusammengestellt von

Fr. Hentsch, Hauptmann a. D.

Apparat zur Bestimmung der Geschwindigkeit des Geschosses in Gewehren und Geschützen . Von Siemens & Halske in Berlin.

Der Apparat besteht

dem Induktionsapparat ,

aus dem Mefsapparat,

einer Batterie Leydner-Flaschen

und dem

zu diesem Zwecke eingerichteten Gewehr oder Geschütz . Den Mefsapparat bildet im wesentlichen ein durch Gewicht bewegtes Werk, welches eine Trommel mit konstanter Geschwindigkeit in Rotation versetzt. Die Trommel ist dazu bestimmt , elektrische Funken aufzufangen, welche dadurch entstehen, dafs das Geschofs an einzelnen Stellen im Drähte zerreifst.

Gewehrlauf angebrachte ,

elektrisch geladene

Der Trommel gegenüber steht ein in

ein Glasröhrchen eingeschmolzener Platindraht. Die Drehungsgeschwindigkeit der Trommel wird durch zwei Zifferblätter mit Zeigern angegeben. Die Entfernung der einzelnen auf der Trommel markierten Funken mifst man durch eine Mikrometerschraube. Die stählerne Trommel wird durch eine Terpentinölflamme berufst. Der ihr gegenüberstehende Platindraht ist verbunden mit einem Messingrohr, das von einer dicken Hartgummirolle umgeben ist. Das Messingrohr dient zur Aufnahme eines Leitungsdrahtes, der also auf diese Weise mit dem Platindrahte in Verbindung steht. nach verstellbar , so

Letzterer ist der ganzen Höhe

verzeichnet werden kann , den braucht.. Aus

der Trommel

dafs eine gröfsere Anzahl Schüsse

dem Platindraht

auf dieser

ohne dafs sie von neuem berufst zu wer-

springen während

des Schusses

Funken

auf die berufste Trommel über und erzeugen daselbst je einen kleinen, von Rufs befreiten Kreis , in dessen Mitte ein scharf begrenzter Punkt die Stelle anzeigt, wo der Funken übersprang.

Erfindungen u. s. w. von militärischem Interesse.

91

An den Induktor wird nur die Forderung gestellt , dafs er im stande ist, die Leydener Flasche auf eine Schlagweite von etwa 5 mm zu laden.

Die Batterie

licher Gröfse.

besteht aus 8 Leydener Flaschen gewöhn-

An den mit der inneren Belegung verbundenen Messing-

knöpfen der Flaschen werden gut isolierte Drähte angebracht .

Jeder

der letzteren wird mit einem der im Gewehrlaufe resp . Geschützrohre steckenden Drähte verbunden .

In

dem Gewehrlauf sind

in gleichen Abständen

von 15 cm

Löcher eingebohrt , welche isolierte Drähte aufnehmen und um letztere hermetisch geschlossen sind . Diese dünnen Kupferdrähte sind an dem einen Ende mit einem der von den Knöpfen der Leydener Flaschen herkommenden Leitungsdrähte verbunden , an dem anderen Ende dagegen gut isoliert . Bei den Geschützrohren geht der Draht nicht durch dessen Wände hindurch, sondern wird nur von einer Seite so eingesteckt, dafs sein gut isoliertes Ende

im Hohlraum

des Rohres

etwas vor-

steht und beim Schufs von dem Projektile nur umgedrückt wird , während die Drähte im Gewehrlaufe von demselben durchgerissen werden. Der Apparat wird nun in folgender Weise gehandhabt : Zunächst steckt man die Drähte in den Gewehrlauf; dann werden mit der Erde verbunden : die rotierende Walze und mit derselben der ganze Mefsapparat,

der Gewehrlauf und der untere der beiden aufserhalb

an der Leydener Batterie angebrachten Messingknöpfe .

Der

obere

der beiden Knöpfe wird mit dem Platindraht in Glasröhrchen in Verbindung gebracht, ferner der Messingknopf, der mit der inneren Seite des Deckels des Kastens, in welchem die Flaschen stehen , und dadurch beim Zuklappen des letzteren mit den inneren Belegungen der Flaschen kommuniziert ,

mit dem Induktor und jeder von den ins

Gewehr gesteckten Drähten mit der inneren Leydener Flaschen.

Erfolgt nun der Schufs ,

Belegung so

einer der

zerreifst das Ge-

schofs nacheinander die Drähte im Laufe, die metallische Verbindung derselben mit den letzteren wird hergestellt und die in ihnen enthaltene positive Elektrizität zur Erde abgeleitet, während zu gleicher Zeit ein Funke vom Platindraht zur Trommel überspringt, indem die negative Ladung der äufseren Belegung der betreffenden Flasche ebenfalls zur Erde übergeht , da sie von der positiven nicht mehr gebunden ist. Nach dem Schusse wird das Laufwerk des Mefsapparates festgestellt ,

die Mikrometerschraube

eingerückt und die Entfernung

der einzelnen Punkte in Skalenteilen der Mikrometerschraube gemessen. Diese letzteren werden dann, da die Geschwindigkeit der

92

Erfindungen u. s. w. von militärischem Interesse.

Trommel

bekannt gerechnet. -

ist ,

unmittelbar

in

um-

Sekundenbruchteile

Apparat zum Messen der Sprengkraft des Pulvers . Der Umstand, dafs bei der vielfach zum Messen der Sprengkraft des Pulvers üblichen Pistolenprobe

bei gleich

starkem Besatz kein ge-

nügend gleichmässiger Ausschlag erzielt wird und die am Instrument angebrachte Feder infolge ihrer starken Abnutzung mit der Zeit sogar zu falschen Angaben führt, hat die Anwendung der sogenannten Stangenprobe veranlafst,

welche diesen Übelstand beseitigt.

Dieser

Probierapparat besteht aus einem Mörser, einem Hammer, einer Feder, dem Zündstifte und Deckel. Ist der Mörser geladen, so wird er mit dem Deckel ,

welcher in zwei

senkrechten Stangen seine Führung

hat , geschlossen und die Feder auf den niedrigsten Stand herabgedrückt .

Sobald nun das auf den Zündstift gesteckte Zündhütchen

mittels des Hammers zur Explosion gebracht wird, schlägt das hierdurch ebenfalls explodierte Pulver den Deckel und somit die Feder in die Höhe ; ersterer fällt nach Erreichung seines höchsten Standes wieder herab und läfst die Feder an dem Punkt zurück, welcher die Stärke des Pulvers in Graden anzeigt. -Distanzmesser mit magnetischer Bewegungsübertragung. Von Siemens u. Halske in Berlin. Der elektrische Distanzmesser dient dazu , den Ort, an welchem sich ein in Bewegung befindliches Objekt in jedem Moment befindet, zu bestimmen .

Das

Prinzip des Apparates ist folgendes : Bezeichne O den Ort eines Objektes , z. B. den Hauptmast eines Fahrzeuges , welches von zwei Beobachtungspunkten B und B₂ aus durch zwei Fernrohre F₁ und F2 gesehen werden kann.

Die Fernrohre seien um vertikale Achsen,

welche durch die Punkte B₁ und B2 gehen, drehbar . B₁ und B₂ bilden

die Endpunkte

der Basis ,

Diese Punkte

von welcher

aus die

Messung erfolgt. An dem Punkt , woselbst man den Ort erfahren will , an dem sich das feindliche Objekt befindet , also von wo aus z. B. die Entzündung

einer Seemine erfolgen soll , wenn das feind-

liche Schiff über dieselbe

fortsegelt ,

ist

ein Indikator

aufgestellt,

welcher zwei um die Achsen b₁ und b₂ drehbar angebrachte Lineale 1½ und l½ in übrigens fester Verbindung mit einander trägt.

Durch

eine

Fern-

elektrische Kraftübertragung macht die Bewegung des

rohres F1 das Lineal 11 und

des Fernrohres F₂

das

Lineal 12 mit.

Wird also das Fernrohr F₁ nach dem Objekte O hin gerichtet , bewegt sich gleichzeitig

das Lineal 1,

so

um dieselben Winkelgrade ;

ebenso bewirkt die Drehung des Fernrohres F2 eine gleiche Winkelbewegung des Lineals 12.

Der Schnittpunkt o beider Lineale bildet

Erfindungen u. s. w. von militärischem Interesse.

93

alsdann mit den Drehpunkten b₁ und b₂ der letzteren ein Dreieck ob₁ b2 , welches dem Beobachtungsdreiecke OB₁ B₂ ähnlich ist, so dafs beim Bekanntsein beider Basen die Entfernung des Objektes O berechnet werden

kann.

Nennt man die

Beobachtungsbasis

B₁

die

Basis des Indikators b, so ist z . B. die Entfernung des Objektes von B₁ B X = X. b B Da bekannt ist, so ist es nur nötig, die Entfernung b

ob₁ = X zu messen und mit dem Quotienten beider Basen zu multiplizieren, um die gesuchte Entfernung zu erhalten .

Sind die Standpunkte der

Fernröhre fest gewählt, so kann man auf den Linealen ob

und ob

passende Teilungen auftragen und auf diesen an dem Schnittpunkte der Lineale die Entfernungen direkt ablesen . Wird auf dem Tische des Indikators bib₂ die Karte des Beobachtungsterrains in dem Mafsstabe b : B aufgetragen ,

so

dafs also

die Punkte b₁ und be die Standorte der Beobachtungsinstrumente B₁ und B₂ repräsentieren ,

so giebt der Schnittpunkt der Lineale un-

mittelbar den Ort des Objektes auf dieser Karte an.

Durch die be-

stehenden elektrischen Bewegungsübertragungen bleiben die Achsen der Fernrohre F₁ und F₂ mit den Linealen 1, bezw. 12 parallel, wie immer auch die Fernrohre gerichtet werden mögen .

Verfolgen also

beide Fernrohre fortwährend ein sich bewegendes Ziel, so beschreibt der Schnittpunkt der beiden Lineale selben auf der Karte.

des Indikators

den Weg des-

Die Aufstellung des Indikators kann an jedem

beliebigen Orte erfolgen ,

also z . B. bei Anwendung des Apparates

zur Küstenverteidigung in den Panzerthürmen ,

während die Beob-

achtungsstationen an übersichtlichen Punkten aufserhalb liegen. Ein ähnlicher Apparat ist von dem französischen Marineoffizier M. G. Le Goarant de Tromelin konstruiert. Die Messung geschieht bei demselben ebenfalls durch Fernrohre , welche sich an den Endpunkten einer Basis bb

befinden.

Es sei z. B.

wieder O der zu beobachtende Gegenstand, F₁ und F₂ zwei in einer gröfseren Entfernung ,

etwa 1000 m , von einander aufgestellte, um

die Punkte b₁ bezw. b₂ drehbare Teleskope. In dem von b₁ nur 1 m entfernten Punkte e ist ein um letzteren Punkt drehbarer Zeiger Z angebracht ,

welcher vermöge

einer zwischen e und be bestehenden

elektrischen Übertragung bei eintretender Drehung des Teleskops B stets dem letzteren genau parallel gerichtet bleibt. Es leuchtet ein, dafs

die Entfernung

zwischen

dem Beobachtungspunkte b₁ und O,

Erfindungen u. s. w. von militärischem Interesse.

94

da die Länge der Seiten des

kleinen Dreieckes acd ,

wobei d der

Schnittpunkt des Zeigers Z mit der Achse des Fernrohres F₁ ist, bei dem

oben angenommenen Verhältnisse

Länge der Seiten des

leicht festgestellt werden kann . des Teleskopes F

genau

ein Tausendstel

der

ähnlichen Dreieckes bb20 beträgt , jederzeit Eine in der Verlängerung der Achse

angebrachte Skala gestattet ,

diese Entfernung ,

auch wenn das beobachtete Objekt O in Bewegung ist, in jedem beliebigen Augenblicke ablesen zu können, vorausgesetzt, dafs die Teleskope von den Beobachtern unausgesetzt genau auf das Objekt gerichtet werden.

Die zur Übertragung der Bewegung des Teleskopes

B₂ auf den gleichgerichteten Zeiger Z dienenden Apparate beruhen im wesentlichen auf dem bei dem Siemens -Halske'schen Instrumente angewendeten Prinzipe . Der Kurvimeter mit Zifferblatt. Von Fritz Châtelain in Neuchâtel ( Schweiz ) . Von den verschiedenen Mitteln, welche bisher zum Messen der Entfernungen auf geographischen Karten und Situationsplänen benutzt worden sind , ist dem Zirkel stets der Vorzug geblieben .

Sein Gebrauch ist aber um so zeitraubender und die

Berechnung um so länger, je gröfsere Krümmungen die zu messende Linie oder Strafse besitzt . Um diesem Übelstande abzuhelfen , um ferner alle Berechnung überflüssig zu machen und dabei sehr schnell operieren zu können , sei der Weg noch so krumm, ist obiges Instrument konstruiert. Der Kurvimeter ist solide und dabei sehr handlich und einfach gebaut und sein Gebrauch von Jedermann leicht zu erlernen.

Derselbe besteht aus zwei parallelen Metallplatten mit Griff.

Auf der einen Platte ist äufserlich ein Zifferblatt angebracht, auf dem sich ein Zeiger bewegt. An der dem ersten Griffe entgegengesetzten Seite ist zwischen den Platten ein nach unten hervorstehendes Rädchen angebracht, welches durch ein zwischen den Platten befindliches Räderwerk mit

dem Zeiger in Verbindung steht.

Das Rädchen ist

an seiner Peripherie mit Zähnen versehen, welche das Abgleiten des Instrumentes vom Papier verhindern und ihm den nötigen Halt verleihen . Bei Benutzung dieses Instrumentes hält man den Griff senkrecht nach oben ,

das Zifferblatt dem Auge zugekehrt, das Rädchen

genau am Ausgangspunkte aufgesetzt.

Darauf läfst man es alle

Krümmungen der Linie , deren Länge man ermitteln will, durchlaufen , wobei man leicht das Instrument aufdrückt und es von rechts nach links gehen läfst.

Der Zeiger rückt in dem Mafse vorwärts , als der

Apparat fortbewegt wird, und giebt die Ortsveränderung des letzteren mit vollkommener Genauigkeit in Kilometern an. Jeder kleine Abschnitt des Zifferblattes bezeichnet einen Kilometer.

Bevor man mit

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften. dem Messen beginnt ,

95

stellt man behufs Erleichterung des Ablesens

den Zeiger auf den Nullpunkt der Einteilung des Zifferblattes . Das Instrument ist zum Messen der Entfernungen auf Karten im Mafsstabe von 1/100 000 und 1/800 000 eingerichtet und dient die äufsere Einteilung für den ersten, die innere für den letzteren Mafsstab . Dasselbe kann aber auch für andere Mafsstäbe gebraucht werden , und nimmt man z. B. bei 1/50 000 die Hälfte der auf dem Zifferblatte für 1/100 000 gefundenen Kilometer, bei 1/25 000 ein Viertel u . s . w. Der Preis des Instrumentes ist

sehr niedrig und beträgt mit Etui

6,25 Mark für das Stück.

VIII .

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

Organ für reichs .

die militär-wissenschaftlichen

21. Bd. 2. u. 3. Heft.

Vereine

Öster-

Die Mittel zum Schutze gegen

grofse und überraschende Verluste , vom Oberlieutenant Roksandié. Die bedeutenden Fortschritte in den ballistischen Leistungen der Handfeuerwaffen wie der Geschütze ,

sowie die Kunst

der tak-

tischen Verwendung derselben verursachen häufig grofse Verluste , die um so gefährlicher wirken, als sie in der Regel eine moralische Auflösung zur Folge haben. Treten solche Verluste bei geschlossenen Abteilungen ein , so ist dieses stets Schuld des Führers ; die Kunst dieselben zu vermeiden, hat daher sehr an Bedeutung gewonnen, denn der Führer hat nur dann seine Truppe in der Hand , wenn er sie physisch und moralisch zu schonen versteht. Von diesem Gesichtspunkte geht die ballistisch-taktische Studie aus und beginnt mit der Entwickelung folgender Punkte : 1. Die Wirkung der gegenwärtigen Feuerwaffen . 2. Die Umstände, durch welche die Wirkung vermehrt oder gemindert werden kann . 3. Die Mittel der Schiefskunst und der Taktik auf das Höchste

zu steigern. Als Beispiel für das Vorkommen plötzlicher und grofser Verluste dient das Auftreten

der preufsischen Garde bei St. Privat ,

die in

etwa 10 Minuten mehr als 6000 Mann verlor, obgleich die Wirkung

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

96

des Feuers der Franzosen

eine mehr zufällige und nicht eine Folge

rationeller Übung im Frieden war.

In zukünftigen Kriegen sind alle

Armeeen mit weittragenden Gewehren bewaffnet und im Schiefsen auf weite Entfernungen ausgebildet.

Die Artillerie, die schon 1870

auf Seite der Deutschen so grofse Resultate

erzielte ,

ist in allen

Staaten ebenfalls so verbessert, dafs sich die Tragweite der Geschosse gar nicht berechnen läfst. der Verluste aus

Der Verfasser giebt nun eine Statistik

dem letzten deutsch-französischen Kriege ,

wobei

er zu dem Resultat gelangt, dafs die obere Hälfte des Körpers gerade zweimal so oft getroffen wird , wie die untere , und dafs von allen Treffern 79 Prozent durch Gewehr- und 16 Prozent durch Geschützfeuer verursacht sind.

Im weiteren legt der Verfasser seine Grund-

sätze für die Verwendung

des Massenfeuers dar , die wir hier nicht

weiter erwähnen, da sie genau mit den bei uns geltenden Prinzipien übereinstimmen . In Bezug auf die Mittel zur Vermeidung der grofsen Verluste erwähnt der Verfasser : 1. Verminderung der Zielhöhe . Raum ist , parallelen

desto mehr schützt , Terrain

Knieen oder Liegen .

Je gröfser der bestrichene

namentlich bei einem der Flugbahn

die Verminderung der

Zielhöhe

durch Bücken,

Die grofsen Verluste an Offizieren waren Folge

häufigen und längeren Stehens ;

Schutz

dagegen

gewährt

nicht

zu

langes Sichzeigen und (bei rechtszügigen Gewehren) Aufenthalt seitwärts und vorwärts des rechten Flügels . 2. Formation der Truppe . Der Führer mufs stets dafür Sorge tragen, dafs die Truppe den möglichst kleinsten Raum in der Streufläche der Geschosse einnimmt ,

wobei Zielhöhe ,

Bodenbeschaffenheit zu berücksichtigen sind . besten die

Distance und

Hierzu eignet sich am

durchbrochene Linie und das Abbrechen der Züge in

Reihen oder Sektionen . Erstere Formation ist auf gröfseren Entfernungen und da am vorteilhaftesten , wo Frontal- und Flankenfeuer zu berücksichtigen sind , letztere auf den weitesten Entfernungen , wo es sich oft nur um ein Nichtgesehenwerden handelt und da, wo man durch die eigene Feuerlinie gut maskiert ist.

Im Präzisionsfeuer auf

kürzeren Entfernungen ist diese Formation nicht zu verwenden . 3. Schnelle Bewegung und eigene Feuerwirkung . Eine rasch vorwärts und unter einen Winkel von 45 ° ausgeführte Bewegung ist das sicherste Mittel, es folgen nur einzelne gezielte Schüsse , während die ungezielten noch in der früheren Richtung abgegeben werden. Gegen Salvenfeuer schützt Niederwerfen beim Aufleuchten der Schüsse . Sowie überhaupt eine Abteilung merkt , dafs sie das Feuer auf sich gezogen hat, mufs sie sich schnell vorwärts bewegen,

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

geschützt durch

starkes Feuer liegen

97

bleibender Abteilungen ,

das

jedoch nie Salvenfeuer sein darf, da dieses zu lange Pausen giebt. 4. Benutzung der Deckungen und der Bodenbeschaffenheit.

Es ist der Grundsatz zu beobachten , daſs bei gleicher Bodenbeschaffenheit die ungefährdeten Räume hinter Deckungen sich vergröfsern , je näher man an den Feind herankommt , daher Ausnutzung dieser Räume und strenges Anschmiegen der Formationen an dieselben. Weicher , unebner Boden , sowie eine gegen die Flugbahn geneigte Böschung schützen gegen Aufschläger. 5. Verhinderung der Distanceermittelung seitens des Gegners.

Man entziehe dem Feinde die Gelegenheit, seine Schüsse

zu beobachten, z . B. durch Aufstellen hinter Objekte, die einen grofsen Teil des Zwischenterrains decken , rasche Stellungsveränderungen, durchbrochene Formation u. s. w. u. s. w. Hiernach geht

der Verfasser

tillerie über und stellt ,

zu den Schutzmitteln gegen Ar-

nach eingehender Betrachtung der Wirkung

der verschiedenen Geschofsarten ,

gleiche Prinzipien wie die

obigen

Diese sind jedoch einfacher , da es sich meistens um gröfsere Entfernungen handelt , so dafs der Führer vorzugsweise darauf zu sehen hat , die Truppe dem Auge des Gegners zu entziehen , was

auf.

meistens durch Niederlegen (z . B. in Wiesen , Feldern u . s . w .) geschehen kann , sonst schützt nur schneller vorwärts und seitwärts stattfindender Positionswechsel. Der ganze Artikel ist eine wohldurchdachte Studie , die von neuem zeigt, wie sehr die Anforderungen

an den Truppenführer gesteigert

sind und wie genaue Kenntnis der Ballistik der Infanteriewaffe sowie der Geschütze ein unbedingtes Erfordernis geworden ist.

Spectateur militaire. ( 15. August 1880. ) im Luftballon.

Die Photographie

Der Spectateur hat wiederholt auf den Vorteil,

den photographische Aufnahmen von Ballons

aus gewähren würden,

hingewiesen, ohne dafs es jedoch zu einem praktischen Versuch gekommen wäre ; gewesen.

dieses

ist erst jetzt durch Mr. Desmaret

Das erlangte Resultat,

der Fall

das noch keineswegs ein vollkom-

menes genannt werden kann , hat zur folge gehabt, dafs der Kriegsminister den jungen Erfinder

zu sich kommen liefs , und dafs wei-

tere Versuche seitens der École aërostatique zu Meudon stattfinden werden. Die erste zum Zweck einer photographischen Terrainaufnahme veranstaltete Auffahrt fand am 15. Juni d. J. bei Rouen statt, und zwar in

einer Höhe von etwa 1300 m , die zweite nahe dabei

in ungefähr 1100 m Höhe . Beide Aufnahmen , Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

die sich im Besitz 7

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

98

der Redaction des Spectateur militaire befinden, von 1

sind im Mafsstabe

1000 , und umfassen ungefähr 9 Hektaren .

Obgleich die Luft

im Moment der Aufnahme sehr nebelig war, so sind dennoch Häuser, Mauern ,

Strafsen u. s. w.

wesen , so würden

sehr deutlich ,

wäre die Luft klarer ge-

auch die Menschen erkennbar sein ; man könnte

daher im Kriege Aufnahmen von Lagern , Marschkolonnen , belagerten Festungen u . s. w. mit solcher Genauigkeit machen ,

dafs

sich die

Stärke der Abteilungen bestimmt angeben liefse, während der Ballon selbst vor feindlichem Feuer vollständig sicher wäre . Derartige Aufnahmen sind vom Ballon captif aus bereits mehrfach gemacht , doch ist deren Verwendung zu Kriegszwecken nur eine sehr bedingte . Die Ansicht, dafs die schnelle Bewegung des freien Ballons der Aufnahme hinderlich sein würde, hat sich nicht bestätigt.

Am 14. Juni betrug

die Geschwindigkeit 6-7 m in einer Sekunde, und doch ist auf der Platte nicht die geringste Störung zu entdecken , es ist dieses die Folge des

sehr empfindlichen Kollodiums

und des durch Elektrizität be-

wirkten raschen Öffnens und Schliefsens der Platte, das kaum 1/100 Sekunde erfordert, so dafs sich in einer Höhe von 1000 m keine einzige verschobene Linie

zeigt.

Um entgegengesetzte Luftströmungen

überwinden zu können , empfiehlt der Verfasser einen von Dampfkraft getriebenen Propeller , dessen praktische Verwendung jedoch vorläufig noch nicht festgestellt ist.

Es wird daher in solchen Fällen wohl

nichts anderes übrig bleiben , als auf günstigen Wind zu warten. Jedenfalls ist durch das erlangte Resultat schon jetzt zu konstatieren, dafs photographische Aufnahmen und Rekognoszierungen von freien Ballons aus können .

möglich sind und aufserordentlichen Nutzen bringen

Journal des Sciences militaires.

(Oktober 1880. )

Das In-

fanteriegefecht auf den nahen Entfernungen. Das Grasund das Mauser- Gewehr. Trotz der grofsen technischen Verbesserungen der Gewehre und trotz der bedeutenden Leistungen derselben auf den weiten Entfernungen liegt die Entscheidung des Infanteriegefechtes doch nur auf den nahen Entfernungen , d . h. innerhalb der Grenze von 600 m, da bis hier noch von Resultaten gegen eine Schützenlinie nicht die Rede sein kann . Die französische Schiefsinstruktion wie die

übrigen

reglementarischen

Vorschriften geben

jedoch keine oder nur ungenügende Direktiven über die Verwendung des Gewehres auf den kurzen Distancen , namentlich sind die vorgeschriebenen Haltepunkte durchaus nicht den Gefechtsverhältnissen entsprechend .

Der Verfasser dringt daher darauf, stets den Fufs des

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

99

Zieles, bezw. den Erdboden unter dem Ziel als Haltepunkt zu nehmen, woraus sich für die vier feststehenden Visierlinien des Gras- Gewehres folgende Zielvorschriften ergeben :

Mit der

ersten Visierlinie bis zu

200 m, mit der zweiten 200-300 m , mit der dritten 300-350 m mit dem Visier für 400 m auf 350-400 m. Die Richtigkeit dieser Haltepunkte wird durch statistische Notizen über die Flugbahn nachNach dieser einleitenden Betrachtung wird das Schnell-

gewiesen.

feuer beleuchtet .

Wenn der Kampf auf den nahen Entfernungen seine

äusserste Heftigkeit erreicht hat, wenn jeder Schütze so oft schiefst, als er Gelegenheit hat, ein Ziel genau zu erfassen , so ist in diesem Falle doch noch nicht die volle Leistungsfähigkeit der Waffe ausgebeutet, es kann noch eine Steigerung stattfinden , und zwar durch das Schnellfeuer. Die über die Anwendung desselben vorhandenen reglementarischen Vorschriften

sind sehr ungenau und bedürfen der

Der Verfasser schlägt vor , als Vervollkommnung und Präzision . äusserste Grenze für die Verwendung desselben die Distance von 300 m vorzuschreiben und die Mannschaft vollständig darin auszubilden, hierbei das Gewehr genau horizontal, d . h. parallel dem Erdboden anzuschlagen und in diesem Anschlage so rasch als irgend ohne weiteres Zielen zu feuern . Der dichte Pulverdampf wird ein genaues Zielen schon von selbst unmöglich machen , allein , da das Schnellfeuer nur dann abgegeben werden soll, wenn der Gegner im letzten Stadium des Angriffes sich zum sprungweisen Vormöglich

gehen erhebt , so wird die Wirkung dennoch eine ganz bedeutende sein. Unter allen Umständen mufs hierbei der Führer die Feuerleitung in der Hand behalten und sofort wieder zum Präzisionsfeuer übergehen, sobald der Gegner sich wieder niedergeworfen hat. Die Anerziehung dieser Feuerdisziplin wird schwierig sein, allein sie ist ein dringendes Bedürfnis und wird stets in den entscheidenden Momenten zur Anwendung kommen müssen . Im zweiten Teile betrachtet der Verfasser die deutsche Schiefsinstruktion und tadelt hierbei

sowohl den Mangel bestimmter Vor-

schriften über die Anwendung und die Ausführung des Schnellfeuers, wie auch die Visiereinrichtung des (in seinen ballistischen Leistungen dem Gras- Gewehr gleichen) deutschen Gewehres für die näheren Entfernungen , d. h . im Bereich des Standvisiers . Die durch die Instruktion vorgeschriebenen Haltepunkte

von ein und

zwei

scheinbaren

Kopfhöhen sind für das Gefecht auf der Ebene gar nicht anwendbar, wolle man hier treffen, so müsse man nicht unter , sondern vor das Ziel halten. 7*

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

100

Der Verfasser vergleicht nun beide Gewehre auf Grund der für dieselben erlassenen Instruktionen , in der Offensive und Defensive gegeneinander , wobei von der jeder Defensivstellung innewohnenden Überlegenheit Abstand genommen ist. Ist das Gras- Gewehr in der Defensive , so sind beide Modelle bis an 300 m heran in ihren Leistungen gleich . durch

Von hier an ist das französische Gewehr sowohl

sein Schnellfeuer , wie durch seine beim Präzisionsfeuer stets

günstigen Zielpunkte dem deutschen Gewehr stets überlegen, ausgenommen, wenn die Verteidiger hinter einem Schützengraben liegen , dessen Erdaufwurf 0,60 m Höhe hat , denn deutsche Gewehr ein gutes Abkommen.

gegen

diesen hat das

In der Offensive zeigt sich

die Überlegenheit der Visiereinrichtung des Gras-Gewehres in gleicher Weise . Als unerlässliche Bedingung für das Gelingen eines Frontalangriffes wird hierbei die Mitwirkung der Artillerie bis zu dem Augenblicke hingestellt, wo der Angreifer auf 150 m vor der Verteidigungsstellung angekommen ist, eine Ausnahme kann nur dann hiervon gemacht werden , wenn der Angreifer gleichzeitig auch in der Flanke mit überlegenen Kräften auftreten kann. Im dritten Teile stellt der Verfasser die taktischen Grundsätze für die Verwendung des Gras- Gewehres

auf den

nahen Distancen,

zugleich mit den Vorschriften für die Feuerarten und die anzuwendenden Visiere zusammen , wobei er folgende 6 Punkte reglementarisiert haben will : 1. Für jedes Schnellfeuer ist horizontaler Anschlag ,

d . h. pa-

rallel dem Terrain , zu nehmen . 2. Die Grenze des Schnellfeuers ist die Distanz von 300 m. 3. Bei gefechtsmässigen Schiefsübungen ist häufig Schnellfeuer in drei Lagen von je 4-5 Patronen zu üben , als Ziel dienen dabei Schützenlinien in stehender, knieender und liegender Stellung . 4. Bei allem Präzisionsschiefsen ist auf den Fufs des Zieles zu halten , auf den näheren Entfernungen mit den entsprechenden feststehenden Visieren , auf den weiteren mit dem eingestellten Schieber auf die wirkliche Distance plus 25 m. 5. Die ersparte Munition ist zu gefechtsmäfsigem Schiefsen zu verwenden, Angriff und Verteidigung sind nach den in dieser Studie entwickelten Grundsätzen ,

unter abwechselndem

Schnellfeuer und

Präzisionsfeuer, zu üben.

6. Die Brustwehren der Schützengräben sind auf 0,80 m zu erhöhen ,

und zwar , abgesehen von der Erschwerung des Zielens für den Gegner , der dadurch erreichten besseren Deckung wegen . Die

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

101

Soutiens, wie die Bataillonsreserve sind ebenfalls durch Erddeckungen vor den Sprengstücken der Granaten zu schützen .

Die Reserve des

Regiments bedarf dieser Deckungen nicht. Wenngleich wir uns keineswegs mit allen vom Verfasser ausgesprochenen Grundsätzen einverstanden erklären können , so müssen wir doch die streng objektive Behandlung des ganzen Themas anerkennen. Im Allgemeinen wird die Entscheidung

des Gefechtes

schon früher

wie innerhalb der Grenzen von 200 m eintreten, dafs aber in dieser Zone die Visierung des deutschen Gewehres keine sehr günstige ist, wird jeder von uns gern zugeben ; es ist dagegen wohl zu erwägen , dafs das Gewehr hierfür auch ein Äquivaleut, sowohl in der so sehr langgestreckten Rasanz der Flugbahn des Standvisiers , wie auch in der aufserordentlichen Einfachheit der Visiereinrichtung, bietet.

Das

deutsche

mit

Gewehr schiefst innerhalb

300 m gegen alle Ziele

einer Visierlinie, wo das französische drei verschiedene verwendet.

Journal des Sciences militaires. Betrachtungen über die Taktik der Zukunft. Man mufs alle 10 Jahre seine Taktik ändern, wenn man seine Überlegenheit erhalten will, sagt Napoleon I.

Von

diesem Ausspruche ausgehend, betrachtet der Verfasser in kurzen , charakteristischen Zügen den gegenwärtigen Zustand der Taktik der französischen Armee, woraus wir folgendes entnehmen . Die allgemeine

Kampfart der

Infanterie

besteht in

successiv

verstärkten Schützenlinien ,

deren Dichtigkeit in den verschiedenen Gefechtsmomenten verschieden ist. Als äufserste Dichtigkeit schreibt

das französische Reglement 1 Mann auf je 1 m vor , dies ist aber unzureichend, und müsste man wenigstens 1 Mann auf 0,75 m rechnen.

Dagegen würde es sich empfehlen, die vorgeschriebenen , „ ren-

forts" in Wegfall kommen zu lassen. Die Einführung eines Repetirgewehres ist nur noch eine Frage der Zeit, sie ist ein dringendes Bedürfnis geworden . Dem Distanceschätzen wird noch nicht genügende Beachtung geschenkt. Die künstlichen Schutzmittel, Schützengräben u . s . w. haben eine besondere Bedeutung erlangt. Jedes Feuer auf weite Entfernungen muſs stets auf einen bestimmten Punkt konzentriert werden. Eine Stellung, die eine nur einigermassen günstige Verteidigung bietet,

darf nur dann

Angriff unterstützt.

angegriffen werden, wenn die Artillerie den

Letztere

mufs

aufser Gewehrschufsweite

den

Kampf mit der feindlichen Artillerie beginnen, um sie entweder zum Schweigen zu bringen , oder deren Wirkung zu paralysieren . wird auch die Artillerie müssen.

sich

Häufig

durch künstliche Deckungen schützen

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

102

In Bezug auf die Kavallerie wickelt :

Die

Kavallerie

werden

eröffnet den

folgende Grundsätze ent-

Feldzug ,

die

selbständigen

Kavalleriedivisionen werden die ersten Gefechte liefern, die durchaus nicht unwichtig sind, denn es kommt darauf an , Gebiet zu besetzen und Eisenbahnen

schnell feindliches

und Telegraphen zu zerstören,

während sie die eigene Armee mit einem für den feindlichen undurchdringlichen Schleier umgeben sich bemühen ,

soll .

Jeder der beiden Gegner wird

diesen Schleier zu zerreifsen ,

derjenige wird Sieger

sein, der es versteht, auf dem entscheidenden Punkte mit überlegenen Kräften aufzutreten. Hierzu ist rasche Konzentrierungsfähigkeit erforderlich, die der französischen Kavallerie fehlt, weil die Kavalleriedivisionen zu grofse Rayons

einnehmen.

stellen, dafs die Kavallerie,

um zu sehen ,

Als Grundsatz

ist festzu-

sehr schwach sein kann,

um aber zu schlagen , sehr stark auftreten mufs. Die grofse Schlacht wird ebenfalls durch Kavallerie eingeleitet. Attacken gegen Infanterie sind undenkbar, aufser wenn diese demoralisiert ist ; in Ordnung zurückgehende Infanterie kann nicht

mit Erfolg angegriffen werden .

Nach der Schlacht mufs die Kavallerie den Sieg ausnutzeu und den Gegner verhindern , sich wieder zu setzen. Das Gefecht der Kavallerie zu Fufs wird in Zukunft eine gröfsere Rolle spielen, wenngleich die häufig aufgestellte Behauptung, der Kavallerist solle im Tiraillement dasselbe leisten wie der Infanterist, niemals wahr werden wird. Der Verfasser ist von der Notwendigkeit permanenter Zuteilung von Infanterie zu den Kavalleriedivisionen

überzeugt.

Nichts wird den.

Gegner so an der Ausnutzung eines Erfolges hindern, wie das unerwartete

Auftreten von auch nur

Niemals darf die Infanterie die dern,

beide Waffen können ,

vollständig

selbständig

schwachen Infanterieabteilungen.

freie Bewegung der Kavallerie hin-

unter stetem im Augehalten des Zieles

operieren .

Die Kavallerie hat gegen früher

eine bedeutend wichtigere Bestimmung erhalten, allein sie ist noch weit entfernt, den an sie zu stellenden Anforderungen zu genügen .

Journal des Sciences militaires ( Oktober-Heft) .

Bemerkun-

Seit den wenigen Jahren, wo gen zu den grofsen Manövern . gröfsere Manöver nach dem Vorbilde der deutschen auch in Frankreich stattfinden, hat sich die französische journalistische Militärlitteratur mit besonderer Vorliebe der Besprechung dieses neuen, immer noch sehr unvollkommen ausgebildeten Dienstzweiges zugewandt. Gegenwärtiger Artikel bespricht in seinem ersten Teile die allgemeinen Bemerkungen über den Zweck und den Nutzen der Divisionsmanöver überhaupt, wobei die hierbei Grundsätze besonderes Interesse bieten.

ausgesprochenen taktischen

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

103

Die Divisionsmanöver geben der Truppe Gelegenheit , den Marschund Kantonnementsdienst gründlich zu üben und zu erlernen, aufserdem befestigen sie die Sicherheit im Auftreten und in der Verwendung der taktischen Einheiten . Die Manöver waren, soweit sie den Marsch- und Kantonnementsdienst betreffen, gut geleitet, von der Ausführung der Gefechtsübungen läfst sich dasselbe nicht behaupten , hier bedarf noch manches der Vervollkommnung. Im allgemeinen tadelt der Verfasser die nicht genügend durchgeführten Angriffsentwicklungen, die zu frühe zum Stillstand gebracht werden, noch bevor die Schwierigkeiten , die sich beim weiteren Vorgehen entgegenstellen würden , in richtiger Weise überwunden werden ; ferner fehlt es an jeder Veränderung in den Stärkeverhältnissen, wie sie durch das Terrain und die beiderseitigen Dispositionen hervorgerufen werden . Im Speziellen erwähnt der Verfasser folgende Punkte . vallerie scheint gänzlich darauf zu greifen .

verzichten ,

Die Ka-

die Infanterie anzu-

Prinzipiell mufs sie jedoch jede auf dem Rückzuge befind-

liche Infanterie attackieren, häufig kann sie hier in wenigen Minuten mit geringen Verlusten mehr erreichen ,

wie die übrigen Waffen in

längerer Zeit und bei grofsen Verlusten. Dasselbe ist der Fall, wenn das zweite Treffen der feindlichen Infanterie zu weit vom ersten entfernt ist, hier kann sie ohne Gefahr angreifen,

da die zweite Linie

dann nicht zur rechten Zeit eingreifen wird . Was die Artillerie betrifft, so kam sie bei dem im allgemeinen waldigen, sehr koupierten Terrain zu wenig zur Verwendung, man war eben der Ansicht, dafs das Terrain keine günstige Positionen hat. Die Artillerie wirkt aber mehr durch den moralischen Einfluss als durch die Zahl der Treffer, und sie mufs unter allen Umständen die vorgehende Infanterie unterstützen . Die Infanterie hatte ersten Linie,

eine zu geringe Frontausdehnung in der

es gab zu viele einzelne Linien und die Abstände der

Treffen waren zu grofs , kurz , es fehlte an dem richtigen Zusammenhang des Bataillons.

Die Operationen der Infanterie erfordern eine

lange und methodische Vorbereitung, um den schliefslichen konzentrischen Durchbruch

zu

ermöglichen ,

oder um

ein vernichtendes

Massenfeuer auf den entscheidenden Angriffspunkt richten zu können . Bis zu diesem Augenblicke sind alle Operationen nur vorbereitender Art. Es macht jedoch den Eindruck, als ob die Offiziere die zerstreute Fechtart als Zweck und nicht als Mittel zum Zweck ansähen, das Konzentrieren findet schon auf zu

weiten Entfernungen statt,

wodurch beim Manöverieren im koupierten Terrain fortwährend Unordnungen entstanden .

In solchen Fällen müssen die Echelons scharfe

1

Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.

104

Verbindung halten und ein Bataillon darf nicht über 200 m in der Tiefenaufstellung haben.

Wenn dagegen das Reglement für die Front-

ausdehnung 300 m vorschreibt, den Moment des Chocs

so ist

festgesetzt ,

damit die Ausdehnung für

während bei den

einleitenden

Operationen die Ausdehnung eine weit gröfsere sein mufs. Im allgemeinen nutzte die Infanterie weder in der Offensive noch in der Defensive das Terrain genügend aus . Im zweiten Teile des Artikels ein Mittel anzugeben,

dazu

über,

die Manöver mehr der Wirklichkeit ähnlich

zu gestalten.

Er will nämlich

jurés)

die

haben ,

geht der Verfasser

vereidigte

auf beiden Seiten

Schiedsrichter (arbitres

die Verluste bestimmen , und

eine gewisse Anzahl Leute aufser Gefecht setzen .

Wir geben diesen

Teil des Aufsatzes hier nicht wieder, weil wir ihn für durchaus nicht zweckentsprechend halten ; nicht die Zahl der Verluste, sondern der moralische Zustand giebt im Gefecht die Entscheidung.

Avenir militaire (Nr. Cherbourg .

663 u . f. ) .

Die Verteidigung von

Anknüpfend an den im vergangenen Sommer stattge-

habten Besuch des Präsidenten der französischen Republik in Cherbourg, giebt vorstehender Artikel eine Kriegshafens und seiner Befestigungen ,

historische Entwickelung des sowie

eine Kritik

über die

gegenwärtig nicht mehr genügenden Verteidigungswerke desselben. Der erste Entwurf der Verteidigungsanlagen stammt von Vauban, der eine Enceinte von ungefähr zwei Dritteln der jetzigen Ausdehnung während er auf dem rechten Ufer ein Bassin für die

konstruierte ,

Kriegsmarine, genau an derselben Stelle, wo es jetzt noch ist, ausgraben liefs 2, das kleinere Schiffe bis zu 20 Kanonen aufzunehmen bestimmt war. Da man jedoch der Ansicht war, dafs diese Anlagen nicht genügend stark sein würden , um ausreichenden Schutz gegen einen feindlichen Angriff zu gewähren , so wurden die bereits weit vorgeschrittenen Arbeiten wieder zerstört.

Gegen Ende des vorigen

Jahrhunderts wurde die Idee von neuem wieder aufgenommen , und der Bau nach dem ursprünglichen Entwurf mit wesentlichen Erweiterungen begonnen. Statt des kleinen Vauban'schen Bassins wurde ein mächtiger Damm in das Meer hineingebaut, gleichzeitig wurden die noch jetzt vorhandenen grofsen steinernen Bauten zum Schutz des Hafens errichtet. Diese entsprechen natürlich den Anforderungen der Jetztzeit nicht mehr. Das für die Flotte so wichtige grofse Marinearsenal ist dadurch, dafs es zu nahe dem Meeresdamme liegt, dem Feuer der modernen Geschütze vollständig preisgegeben . Es geht den Marineverteidigungs- Einrichtungen ebenso wie den Land-

Umschau in der Militär-Litteratur.

105

sind für ihre Zeit gebaut und konnten die Vervollkommnungen der Angriffswaffen nicht voraussehen . Der Admiral festungen,

sie

Jauréguiberry hat offen die Schwächen des jetzigen Verteidigungssystems ausgesprochen, und es steht zu erwarten, dafs die Abhülfe bald eintreten wird, um so mehr, da gerade jetzt der Kriegsminister Farre sich eingehend mit der Küstenverteidigung beschäftigt. Vor allen Dingen mufs der westliche Hafeneingang, der jetzt mit steinernen Türmen befestigt ist, mit Panzertürmen versehen werden. Der Verfasser spricht zum Schlufs die Hoffnung aus, dafs der Besuch des Präsidenten die energische Inangriffnahme dieser Maſsregeln zur Folge haben wird.

IX .

Umschau in der Militär-Litteratur .

Die Aufgabe unserer Infanterie in Bataillon und Brigade und die Apologie hierzu : ,, Zur Taktik der Infanterie von 1880" von v. Kessel , General der Infanterie , Generaladjutant Sr. Majestät Ordenskommission . Verehrtester Gönner !

des

Kaisers ,

Präses

der

General-

Sie zeihen mich einer Unterlassungs-

sünde und rufen mir die Worte ins Gedächtnis : „ Qui tacet, dum loqui potuit, assentire videtur!" Scheinbar verdiene ich Ihren Vorwurf. Und doch habe ich nicht ohne reifliches Erwägen in dem vorliegenden Falle gehandelt ! - Sie wissen , die Jahrbücher haben es sich zur Aufgabe gemacht , für die Verbreitung guter taktischer Schriften nach Kräften Sorge zu tragen, andere aber tot zu schweigen , wenn nicht zu befürchten

steht ,

dafs der Name

des Autors

oder

sonst ein Kunstmittel dem betreffenden Buche eine ungebührliche Beachtung verschaffen könnte ! ― Aus diesem Grunde wurde u. A. auch das etwa vor einem Jahr erschienene Buch „ Die Aufgabe unserer Infanterie in Bataillon und Brigade" in den Jahrbüchern nicht besprochen. Der im siebenten Heft des MilitärWochenblatts enthaltene Aufsatz Zur Taktik der Infanterie von 1880 " ändert die Lage nun aber vollständig

und zwingt,

auch ohne Ihre

Mahnung, die dem ersten Werke gegenüber bisher beobachtete Reserve aufzugeben.

Umschau in der Militär-Litteratur.

106

Es ist Ihnen nicht unbekannt, mit welcher Spannung ich damals dem angekündigten Erscheinen des erstgenannten Buches entgegensah.

Der anonyme Verfasser

sollte in hohen militärischen Kreisen

zu suchen sein ; meine und die Vermutung Vieler fiel auf einen berühmten Militär- Schriftsteller,

auf den die Armee mit ganz beson-

derem Vertrauen und grofsen Hoffnungen blickt. Das Buch erschien es scheuchten seine ersten Zeilen schon die entstandene Vermutung ! Geistes !

Das war seine Feder nicht , da war kein Hauch seines Wenn auch einigermassen 4 enttäuscht , las ich doch

mit gespanntestem Interesse weiter . Sprache und Gedankengang des Werkes machten dies nicht zu einer leichten Arbeit ! Ich fand mich so wenig in dem Buche zurecht ,

dafs ich

erst nach wiederholtem

Durchlesen einzelner Stellen den Sinn einigermafsen zu erraten oder den Zusammenhang der Gedanken herzustellen im stande war. Der Bleistift ohne den, wie Sie wissen, ich nie ein Buch lese - war in fast unausgesetzter Thätigkeit , der breite

weifse Rand reichte.

nicht aus für die zahlreichen Bemerkungen, die der Augenblick gebar. Je weiter ich beim Lesen vorschritt , um so mehr mehrten sich die Bedenken, ob es nutzbringend sei, das Buch in den Jahrbüchern zu empfehlen - und als ich schliefslich mit Lesen fertig war , stand der Entschlufs fest : Der Rest heifst Schweigen! - Der Name des Verfassers blieb nur kurze Zeit ein Geheimnis ! Böse Zungen zischelten denselben anfangs,

aber bald führte ihn der Wind über Strom und

Thal und Hügel ! Mich berührte das Erfahrene sehr schmerzlich ; war doch der Verfasser vor etwa 15 Jahren durch sein Werk „ Die Ausbildung des preussischen Infanterie- Bataillons im praktischen Dienst" für mich ein hellleuchtender Leitstern gewesen -- ein Grund mehr zum Schweigen ! - Es wurde das Unterdrücken meiner persönlichen Anschauungen dadurch sehr erleichtert, dafs mir Leidenden im ewigen Rom die Wellen der Tiber mondelang rythmische Sänge

von den

unsterblichen Kriegsthaten der Römer zuplätscherten oder im weltentzogenen Tibur Wasserfall und Nachtigal mir in brausend-schmetterndem Konzert dieselben Weisen zusangen , die einst Catull zu süfsen Liedern begeisterten . Als ich dann erfrischt im Sommer meines Daseins gewohnte Kreise wieder betrat und von mancher lieben und schätzenswerten Seite litterarischen Bericht über die letzte Vergangenheit erhielt , sprach kein Mensch mehr darüber,

dafs im

Anfang d. J. jenes Werk „ Die Aufgabe unserer Infanterie u. s. w. “ erschienen war. Die hierdurch hervorgerufene Ansicht , das Werk habe somit in der Armee

keine besonders

günstige Aufnahme ge-

funden, erhielt gewissermafsen noch dadurch eine Bestätigung ,

dafs

Umschau in der Militär-Litteratur. die in

ziemlicher Anzahl vorliegenden

107

neuen Schriften taktischen

Inhalts im grofsen und ganzen auf dem Boden des Reglements standen und, wenn auch auf verschiedenem Wege , demselben Ziele zustrebten und dabei bewiesen, dafs man in der Armee die Grundsätze für die Ausbildung

der Infanterie

zum Gefecht klar erkannt habe.

(Vergl. die „ Umschau in der Militär-Litteratur" Jahrbücher. )

im Juli-Heft der

Hervorragend unter diesen Büchern war das bereits

im Frühjahr erschienene , mir aber leider verspätet unter die Augen gekommene „ Über die Fechtweise und die Gefechtsausbildung des Infanterie-Bataillons . "

Mit welch freudigem Gefühl las ich auch dort ,

daſs man in jahrelangem regen Streben dahin gelangt sei, die Hauptgrundsätze für die neue Taktik zu erkennen und festzustellen ,

und

dafs es nur noch notwendig sei, die Konsequenzen dieser Grundsätze bis in die Details hinein zu ziehen , sie auf unsere Übungsplätze und in die Praxis zu übertragen. in dieser Beziehung betreten . behagliche Friedensschlendrian

Der richtige Weg sei aber auch

Allerdings schleiche sich daneben der ein und man fange wieder an ,

dem

Wert des Formellen sowie einem gewohnheitsmässigen Mechanismus eine zu grofse Beachtung zuzuwenden. Unter diesen Umständen können Sie sich, Verehrtester, gewifs leicht mein Staunen vorstellen, als vor kurzem das siebente Beiheft des Militär-Wochenblatts diesen verhältnismässig

sehr umfangreichen Aufsatz ,

betitelt „ Zur Taktik

der Infanterie von 1880" brachte , der sich beim ersten Blicke als eine stark gefärbte Schutzschrift für jenes mehrgenannte Werk „ Die Aufgabe unserer Infanterie u . s. w. " entpuppte. Ganz besonders auffallend war hierbei noch, dafs der von aller Welt als der Verfasser der letztgenannten Broschüre bezeichnete Offizier selbst als der Verteidiger derselben auftritt und „ zur Entschuldigung einige Worte " schreibt.

Allerdings übernimmt er nicht ausdrücklich die Autorschaft

der „ Aufgabe unserer Infanterie ", spricht im Gegenteil von den Motiven,

welche den

Verfasser

bewogen

haben

können ,

von der

Möglichkeit , dafs man der Schreibart des Reglements sich hat zuwenden wollen , dafs man der Individualität des Verfassers Eifer und Interesse für die Sache billigerweise nachsehen müsse u. s. w. Aber alle Zweifel über die Person des Autors jenes ersten Werkes werden dann wieder durch andere Stellen genommen, wie z . B. „ aber niemals stehen wir gebeugten Hauptes vor einer Kritik , am wenigsten dann, wenn es sich um Auseinandersetzungen einer Materie handelt, in welcher wir glauben zu Hause zu sein und zwar nicht als Werkzeug einer toten Wiederholung des Erlernten , sondern als Schüler der Zeit , der nach besten Kräften gearbeitet hat . . . “

Umschau in der Militär-Litteratur.

108

oder „ da gar keine Veranlassung vorliegt ,

die bestimmenden

Ansichten (für Abfassung der Broschüre) zu verschweigen , so wollen wir dies ebenfalls aufzuklären suchen . . . " u. A. m. Wir dürfen daher wohl mit voller Bestimmtheit Verfasser und Verteidiger der hier zu Grunde liegenden Schrift als eine Person ansehen !! Der Verfasser sagt im Eingang seiner Verteidigungsschrift: „Es kann hier nicht darauf ankommen , neuen Besprechung zu unterwerfen ,

den Inhalt des Buches

aber es

einer

ist doch interessant

und lehrreich, zu ermitteln , welchen Boden die zum Teil neuen Gedanken des Buches in der Armee gefunden haben. Gewifs, so sagen Sie sehr richtig , Verteidiger

hätte der vorhandene „ Boden "

längst

bekannt

preuſsischen Offiziercorps !

sein

können ,

d.

doch dem Herrn i.

der Geist

des

Auch unterschreibe ich Ihre fernere Be-

merkung, dafs die ganze Verteidigungsschrift eigentlich nur aus dem bestehe , worauf „ es nicht ankomme " , aus einer neuen Besprechung des alten Buches ,

der

eine Selbstunterschätzung des Autors

zum Vorwurfe zu machen sei .

nicht

Um einen gewissen Anhalt über die

Aufnahme seines Werkes zu gewinnen, glaubt der Herr Selbstverteidiger auf die in fachwissenschaftlichen Blättern erschienenen Empfehlungen und Kritiken , sind ", fufsen zu dürfen .

„ die ganz

aufserordentlich

zahlreich

(Unter den aufgeführten Blättern finden wir

auch die "9 Zeitung für Niederschlesien ", die „ Neue Preufsische Zeitung" , die „ Post ", die „ Triersche Zeitung".)

Hierbei wird auch her-

vorgehoben, dafs man "" selbst den lebhaften Tadel, den die Broschüre stellenweise gefunden, in gewisser Art zu den günstigen Symptomen rechnen könnte ,

denn

nur einschneidende Behauptungen werden so

lebhafte Widersacher finden " . - Wer nur einigermafsen mit den Verhältnissen unserer Militärlitteratur bekannt ist , ich versichern ,

der wird , das kann

die in den Fachzeitschriften veröffentlichten Beur-

teilungen taktischer Werke im allgemeinen nicht als den Reflex der in der Armee über das bezügliche Werk herrschenden Ansichten ansehen, die Besprechungen in politischen Zeitungen aber nach dieser Richtung hin noch weniger hoch halten dürfen . „ Das ist alles recht schön und gut , was Sie hier sagen , so

höre ich

Sie ,

mein

Gönner ,

einwenden ,

dient jedoch höchstens

nur zur Entschuldigung dafür , dafs Sie das Buch „ Die Aufgabe unserer Infanterie u. s. w. " bisher in den Jahrbüchern unbesprochen liefsen. Ich möchte aber nun auch gerne Ihr eingehendes Urteil über das Werk veröffentlicht sehen ! "

Schön ! Doch mufs hier zunächst

noch bemerkt werden , dafs es viel leichter ist, ein taktisches Werk zu schreiben, als ein solches öffentlich zu beurteilen . - Taktische Schriften

Umschau in der Militär-Litteratur.

109

enthalten in der Regel persönliche Ansichten und Anschauungen .

Der

Autor stützt sich bei seinen Behauptungen auf eine lange und reiche Diensterfahrung

oder auf eingehende theoretische Studien u . s . w.

Kann der Kritiker ihm ,

falls er anderer Ansicht ,

nun gleich das

Fridericiani'sche „ Qu'importe l'expérience ...! entgegenschleudern , oder ihm mit mathematischer Bestimmtheit das Unzutreffende der geäufserten Ansichten beweisen ?

Das letztere ist geradezu unmöglich ;

es kann sich höchstens Ansicht gegen Ansicht stellen, wobei sich die Sache leicht aufs persönliche Gebiet hinüberspielt und an Belehrung und allgemeinem Interesse verliert ! Dabei herrscht bekanntlich infolge der eigentümlichen Verhältnisse des Offiezierstandes bei militärischen Autoren vielfach eine übergrofse Empfindlichkeit, die sie sachliche Ausstellungen nur zu oft als Kränkungen ihrer Person ansehen läfst . „Personne n'est infaillible que le pape" sagt Friedrich der Grofse und belehrt andere an seinen begangenen Fehlern ! Zu solchem Freimut können sich aber nur grofse Männer emporschwingen ! Doch nun zur Sache ! Bestände bei uns -- was in Bezug auf taktische Schriften gewifs sehr erspriefslich wäre ― nach Art der päpstlichen Kongregation eine Kommission , welche darüber wachte, dafs militärische Schriften mit einem die Gemüter verwirrenden Inhalt

nicht

an die Öffentlichkeit gelangten

die grofse Ehre zu Teil , Buch

und mir

würde

als Mitglied dieser Kommission über das

„ Die Aufgabe unserer Infanterie in Bataillon und Brigade "

Bericht zu erstatten , „ Index “ zu setzen.

so

würde

ich vorschlagen ,

dasselbe auf den

Denn eine Schrift, die es für notwendig erach-

tet, der deutschen Armee heutigen tags noch des langen und breiten darzuthun , die „Kolonne nach der Mitte" des Bataillons sei keine geeignete Kampfformation mehr , eine Schrift , die glaubt , heutigen tags noch 99 überall die Wege öffnen zu müssen, welche der Compagniekolonne Eingang verschaffen sollen " , eine Schrift, die behauptet, es würde heutigen tags im

deutschen Heere bei

denen , welchen die

eigentliche Führung des Kampfes obliegt , noch lebhaft über die Bedeutung von Form und Geist gestritten, - eine solche Schrift kann sehr leicht verwirrend wirken.

Eine Schrift , die für „ das Stadium

der Vorbereitung zum Angriff " als ideale Verwendung der vier auseinandergezogenen Compagnieen ein Viereck hinstellt, "" entweder mit der Spitze oder mit einer breiten Seite dem Feinde zugekehrt , im Quadrat von je 80 bis 100 Schritt Länge die Seite ", über

welche

Form die spätere Schutzschrift nochmals sagt, „das Bataillon nimmt an Sicherheit , an Beweglichkeit und wesentlicher Erleichterung zu, wenn es im auseinandergezogenen Viereck marschiert " , eine

110

Umschau in der Militär-Litteratur.

Schrift , die bei Entwickelung der Grundsätze für den Gebrauch der Truppe heutigen tags

sich noch in langen Auseinandersetzungen

über Anschlufs der Taktik an das Schiefsen auspricht und die Entwickelung und Bewegung der Truppe ,, nach Direktion und Mitte regelt “ , eine solche Schrift kann leicht Unheil stiften ! Eine Schrift , die — wenn auch nur zu Ausbildungszwecken - bei den Manöverübungen des Bataillons in Compagniekolonnen den Adjutanten auf der verlängert gedachten Marschlinie vorreiten und betreffendenfalls an dem . Schnittpunkte

dieser Linie

mit

der vom Direktionspunkte her

in

Gedanken gezogenen halten läfst, um der „ Richtungscompagnie “ ihre Stelle zu bezeichnen , eine Schrift , die zu gleichem Zwecke die Compagniechefs ihre Compagnieen verlassen läfst, damit sie sich den Platz für diese aufsuchen u. eine solche Schrift kann — gewiſs nicht nutzbringend werden ! Eine Schrift, die Beispiele giebt, wie sich ein Bataillon , ein Regiment , ja sogar eine ganze Brigade, im Terrain in Compagniekolonnen

aufzulösen hat ,

ohne

dafs eine

bestimmte Gefechtsidee , eine bestimmte Verwendung jeder dieser Kampfeinheiten im Gefecht zu Grunde liegt, - eine Schrift, die mit solchen, doch lediglich nur zum Kampf aufgelösten, Einheiten , künstliche Manöver ausführt und evolutioniert u . s . w. , eine solche Schrift verdunkelt allerdings auf das Gefährlichste unsere ersten taktischen Gesetze , die eine Truppe sich nur dann in Compagniekolonnen auflösen heifsen , wenn eine unmittelbare Gefechtsthätigkeit dies verlangt oder Verluste dazu zwingen! Aber all diese Punkte sind doch nur leichte Sünden gegenüber der Behauptung , die Form unserer althergebrachten und vielbewährten Compagniekolonne

ent-

spreche nicht mehr den heute zu machenden Anforderungen , sie müsse unbedingt durch eine andere, vom Verfasser empfohlene ersetzt werden. Mit solchen Forderungen rüttelt man an unseren Grundfesten einer taktischen Spielerei zu Liebe ! Eine solche Schrift - anathema sit! Ich würde glauben , durch einen derartigen kurzen Hinweis die Tendenz der in Rede stehenden Schrift genügend gekennzeichnet und mein Urteil über dieselbe hinlänglich begründet zu haben. Bei solcher Sachlage werden Sie, verehrtester Gönner, einsehen, dafs es sich kaum lohnt, auf Einzelheiten der Schrift noch weiter einzugehen und derselben gegenüber z . B. zu markten ,

ob es durchführbar ist,

beim Angriffe von Örtlichkeiten ein für alle Mal die mittelste Compagnie zur Richtungstruppe zu machen und ihr die Direktion auf das Angriffsobjekt zu geben , oder ob man heutigen tags , wo bekanntlich die Compagnie die Kampfeinheit ist, noch von einer Leitung der gesamten Schützenlinie

des Bataillons durch den Führer der

1 f

Umschau in der Militär-Litteratur.

111

Richtungscompagnie sprechen oder gar Befehle für die Schützenlinie nur an diesen senden darf,

oder ob es wohl in der Regel möglich

während der ganzen Dauer des Angriffs, unabhängig von den vorgehenden Truppen, den Gegner durch stehende Detachements beschiefsen zu lassen u. s. w. u. s . w. Wollte ich mich sein

wird ,

hier auf solche „ Kleinigkeiten " einlassen , ich müfste der sehr weitläufigen Broschüre und der eben nicht sehr glücklich ausgefallenen Verteidigungsschrift noch ein neues umfangreiches Buch folgen lassen , in welchem ich dann auch das Gute , welches hier und da in die Urschrift eingestreut ist ,

gerne

hervorheben würde ,

wie z. B. dafs

beim Angriff das Feuergefecht möglichst nahe dem Gegner eröffnet Aber ein solches Verfahren scheint mir werden soll, u. A. m . nicht angebracht zu sein, da es nicht von Nutzen für die Sache sein würde . Eine Ausdruckweise der vorliegenden Schutzschrift anwendend, erlaube ich mir schliesslich meine Ansicht dahin zusammenzufassen : Es ist schwer,

ein Buch zu finden , auf das wir hoffnungsloser blicken , als auf dieses ! Sollen die Besten unseres Heeres 10 Jahre geschafft und gearbeitet haben und schliefslich weiter vom Ziele sein ,

als

zu der Zeit ,

wo man ans Werk ging ,

den Erfah-

rungen des deutsch - französischen Krieges Ausdruck und Gestalt zu geben? Hat der Verstand der Verständigen 10 Jahre lang die Armee falsche Bahnen wandeln lassen ? Nach den hier in Rede stehenden Schriften sollte man es glauben ! Dank über den Geist , der in

Aber diese täuschen sich Gott sei der Armee herrscht ,

sie urteilen

vielleicht nach den Eindrücken des Exerzierplatzes und ähnlichem ! Tausende von Anzeichen für den Beweis des Gegenteiles liegen vor. Unter denselben ist für mich eins der schwerwiegendsten jene vortreffliche Schrift, die bereits im Eingang dieser Besprechung erwähnt und im Dezember-Heft der Jahrbücher eingehend beleuchtet worden . ist. Dort finden Sie , Verehrtester , auch meine Anschauungen klargelegt, die im grofsen und ganzen mit den in jenem Buche enthaltenen übereinstimmen , dort sehen Sie die Fahne aufgepflanzt , die ich V. M. hochhalten werde im Kampfe gegen Andersgläubige .

Paris et ses fortifications 1870-1880 par Eugène Ténot. Mit der Karte (1 : 200 000) des Paris.

verschanzten Lagers

von

In ein "" Für und Wider " über den Inhalt dieses ächt französischen Werkes kann diese Besprechung nicht eingehen und begnügen wir uns , das Hauptsächlichste des Inhalts anzugeben. Von der Idee,

Umschau in der Militär-Litteratur.

112

dafs die militärischen Kräfte Frankreichs , einschliefslich seiner Fortifikationen, die Höhe der Zeit erreicht haben , ist der Verfasser tief durchdrungen ; als den Glanzpunkt der neuen Schöpfungen bezeichnet er Paris und nimmt , wie wohl

die

meisten seiner Landsleute, an,

dafs Paris nunmehr sicher vor jedweder Einnahme ist. Wir Deutsche sind ganz einverstanden mit dieser Annahme , - sobald Frankreich uns keinen Krieg aufdrängt ; sollte es jedoch wieder zum Kriege kommen, - so würden wir voraussichtlich zu erwägen haben , ob ein abermaliges Vorgehen auf Paris eine Notwendigkeit sei ; von der Zahl und Stärke

der

operationsfähigen

französischen Feldarmeeen

wird es alsdann abhängen, ob eine vollständige Cernierung der 160 km im Bereich der Möglichkeit liegt . Das 216 Seiten

enthaltende Buch ist in 11 Kapitel eingeteilt.

Dieselben umfassen Betrachtungen über die frühere Befestigung von Paris , war.

die hauptsächlichsten Gründe , warum dieselbe ungenügend Ferner die Erfahrungen im Jahre 1870 ; Notwendigkeit der

nunmehrigen Befestigung und Vorzüge der verschanzten Lager , mit Metz, Paris und Plewna als Beispiele . - Beschreibung der Nordfront. von Paris ; Stärke und Stellungen der deutschen Armee vor der Nordfront , Fehler der Deutschen vor Saint-Denis . - Beschreibung der Forts Montmorency , Domont , Montlignon, der Batterie Blémur, der Positionen bei Écouen , Stains . -— Beschreibung der Positionen nördlich der Marne ,

bei Vaujours , Chelles, der Batterieen von Montfer-

meil und Livry, Auszug und Besprechung eines in den Jahrbüchern (1878) gebrachten Aufsatzes „ die

strategische Bedeutung des heu-

tigen Paris bei einem Kriege gegen Deutschland, " übersetzt im Journal des sciences militaires ; Berechnung der zu einer Umschliefsung notwendigen Truppenstärke. - Beschreibung der Fortifikationen an den Krümmungen der unteren Seine mit dem Mont-Valérien , des neuen Forts von Cormeilles , des Ausfalls des Generals Trochu, Besprechung des defensiven und offensiven Wertes der Westfront. Strategische Bedeutung des Abschnittes zwischen Marne und Seine ; die

Positionen

der

Deutschen ,

Schlacht

neuen Befestigungen bei Villiers , Champigny ,

die Sucy , Villeneuve . ―

bei

Champigny ,

Die Forts von Ivry , Bicêtre , Montrouge , Vanves , Issy mit den neuen von Chatillon , Verrières und Palaiseau , Bombardement und Angriff der Südfront , Kämpfe bei Chevilly , Châtillon , l'Hay, Malmaison, Buzenval. - Beschreibung der Südwest- und Westfront mit Versailles als Mittelpunkt, Debatten im Jahre 1874 mit den Meinungen von Thiers, die Befestigungen von Palaiseau , Villeras, HautBuc, St. Cyr, Bois d'Arcy, Marly. ― Die Umfassungseisenbahn, die

Umschau in der Militär-Litteratur.

113

Umfassungslinie, Berechnung der zur Verteidigung und zum Angriff von Paris notwendigen Truppenzahl , Wechselbeziehungen zwischen der neuen Militärorganisation Frankreichs und der Befestigung von Paris , Vergleich mit der Organisation in Deutschland . - Nochmals Besprechung der in den „ Jahrbüchern " befindlichen „ strategischen insbesondere über die Einschliefsung mit

Betrachtung von Paris " ,

Intervallen, Bedeutung von Paris nach einem an der Grenze allenfalls erlittenen Echec , strategische und taktische Vorteile , welche sich für die französische Armee ergeben, wenn sie sich auf die Kanonen von Paris stützt.

Während die Ostgrenze

mit einem ungeheueren System fester

Plätze bedeckt sei, umgäbe sich Paris , so schreibt der Verfasser, der Eckstein der nationalen Unabhängigkeit mit einer so festen und imposanten Umwallung, dafs die noch unlängst als kolossal betrachtete Befestigung von 1840 im Vergleich zur jetzigen fast dürftig erscheine. Dieses epochemachende Unternehmen sei begonnen und durchgeführt worden inmitten eines als aufserordentlich erscheinenden, jedoch nur scheinbaren Indifferentismus

der Öffentlichkeit.

Verfasser wirft die

Frage auf, ob diese Stille eine freiwillige Disziplin oder ein Zeichen der Erschöpfung des nationalen Gefühls gewesen wäre und kommt zu dem Schlufs , dafs von dem letzteren nie die Rede sein konnte , dafs ein Volk einer Lauigkeit im Patriotismus nicht angeklagt werden könne ,

dessen Kammern nie eine militärische Anforderung ver-

sagen , welches sich selbst so strenge militärische Pflichten auferlegt und so treu erfüllt. Die Furcht, dafs man es an Vorsicht und Klugheit fehlen lasse ,

wenn man zu laut von demjenigen spräche , was man zur Verteidigung des nationalen Bodens für notwendig erachte, wäre sicherlich zu entschuldigen , aber höchst überflüssig , da man Befestigungsarbeiten den Blicken der Fremden doch nicht entziehen

könne. Durch die nunmehrige Beschreibung der neuen Befestigungen von Paris sollen die Landsleute belehrt, den Deutschen dagegen soll nichts Neues berichtet werden . Aufserdem aber soll der Name des Leiters der Arbeiten,

des Generals Seré de Rivière,

der dem

grofsen Publikum kaum bekannt geworden sein mag , die verdiente Öffentlichkeit erhalten ; das Land soll wissen , ob durch die Bauten sein Vertrauen , mit welchem es Millionen hergab ohne zu zählen , auch gerechtfertigt worden ist, ob man aus den Lektionen von 1870 Nutzen gezogen habe . Verfasser hebt die Ansicht eines hervorragenden englischen Offiziers hervor , wonach Paris von nun an unverwundbar sei, zum Unterschied von deutschen Stimmen, denen gemäss die

seit 1874 errichtete Befestigung nichts als Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

ein grofser Irrtum 8

Umschau in der Militär-Litteratur.

114

wäre, und will durch seine Arbeit jedem aufgeklärten Leser die Grundlage zu eigener Meinung geben. Nach Ansicht des Verfassers hätte im Jahre 1870 ein frühzeitig

begonnener Angriff auf die Front von Saint-Denis reussieren können , weil diese als eine der schwächsten von Paris bekannt war. Sie bilde einen ausspringenden Winkel , der von allen Seiten auf wirksame Tragweite der schweren gezogenen Geschütze beherrscht wäre und hätte der Fall des Forts von Saint-Denis dem Feinde erlaubt , selbst ohne die Einnahme des Forts de l'Est abzuwarten, Batterieen bei Clichy gegen die bevölkertsten Teile von Paris wirken zu lassen. An Stelle eines energischen Angriffes hätten die Preufsen erst am 21. Januar das Feuer der Belagerungsbatterieen eröffnet und konnten dieselben vor Eröffnung der zweiten Parallele einen Sturm nicht mehr wagen, da mittlerweile die Widerstandskraft der Belagerten gestiegen sei . Es sei eine sehr verbreitete Ansicht unter den Ingenieuren Frankreichs, dafs eine reguläre Attacke gegen die Gesamtwerke von Saint-Denis geglückt wäre, wenn sie besser in Scene gesetzt, früher und energischer durchgeführt worden wäre . wenig gelitten ; die double couronne wäre ,

Das Fort de l'Est hätte obgleich ihr stark

zu-

gesetzt worden , noch am 26. Januar in hinreichend gutem Zustand gewesen. Dagegen sei es wahr , dafs die Front de la Briche enorm gelitten habe. Während die Deutschen im Jahre 1870 nur 80 km zu umschliefsen hatten, hätten sie nunmehr genau das Doppelte Verfasser 17 Armeecorps berechnet .

Und

zu cernieren, wozu

welcher Unterschied be-

stände im Vergleich zu 1870 bezüglich der Terrainverhältnisse ! Die dominierenden Positionen, welche damals die Deutschen im Besitz gehabt und mit

Muse in starke

Stellungen umgewandelt hätten,

wären nunmehr im Besitz der Verteidiger.

Nachdem Verfasser

die

zu Anfang in Paris befindlichen Truppen aufgezählt, ruft er aus : und es genügten 15 000 in den Forts verteilte Soldaten mit 30-40 000 Mann kaum organisierter Marschregimenter, um die von ihrem Triumph vor Sedan berauschte deutsche Armee an der äufseren Verteidigungslinie von Paris aufzuhalten.

240 000 preufsische Soldaten, von den

besten Truppen der Welt, mit 700 Geschützen , geführt durch M. de Moltke wurden unbeweglich gemacht, zurückgehalten zu einer passiven Blokierung vor einer Umwallung von nur 80 km Umfang, verteidigt durch eine niedergedrückte Armee ! Aus dieser Thatsache zieht Verfasser den Schlufs, dafs das jetzige Paris mit seinem doppelten Umfang, mit Truppen, welche nicht erst zu improvisieren wären, im Stande sei, eine noch viel kolossalere Armee aufzuhalten .

Umschau in der Militär-Litteratur.

115

Es wird sodann die Stärke und Organisation der französischen und deutschen Armee

eingehend besprochen .

der Mobilmachung 1 300 000 Mann

Frankreich habe bei

zur Disposition ,

von

welchen

750 000 Mann mit 2046 Geschützen in weniger als 2 Wochen komplet aufgestellt wären ,

während für Deutschland nur 850 000 Mann

gedienter Leute disponibel seien.

Trotzdem will Verfasser zur Be-

satzung von Paris die Armeecorps nicht schwächen. Er verlangt nur die Abgabe der vierten Bataillone aus den 4 an Paris angrenden Regionen : Amiens, Rouen, Le Mans, Orleans, dann 40 000 Mann neuer Formationen und 120 000 Mann der Armée territoriale . Für die Besatzung der neuen Forts müfsten die besten Truppen ausgesucht werden ; sie wären Kommandanten zu unterstellen , welche wiederum unter den fähigsten und erprobtesten Männern auszuwählen seien. Für die Besatzung der 7 neuen grofsen Forts Saint-Cyr, Palaiseau, Villeneuve - Saint- Georges,

Vaujours,

Domont,

Cormeilles und

Marly werden durchschnittlich je 1200 Mann Besatzung gefordert ; für die Forts zweiter Ordnung Haut - Buc, Villeras, Villiers , Chelles , Garges, Ecouen, Montmorency, Montlignon werden je 600 Mann und je 300 Mann für die geschlossenen Batterieen oder kleinen Schanzen verlangt. Nach dem übersichtlichen und

sehr sauber ausgeführten,

dem

Werke angehefteten Plan sind 20 neue Forts hinzugekommen ; dieselben sind durchschnittlich mehr wie 10 km den alten Forts vorgeschoben.

Der Umfang des von den neuen Forts

beherrschten

Terrains beträgt 160 km, der Durchmesser desselben 50 km .

Die

Tragweite der Geschütze wurde zu 8 km angenommen, so dafs einzelne

Forts

(Palaiseau von Villeneuve , Marly von Cormeil) 16 km

von einander entfernt liegen .

Ausserhalb des von den neuen Forts

beherrschten Raums liegen Corbeil,

Limours ,

Neauphle ,

Pontoise,

Luzarches, Dammartin , Tournan ; die Grenzlinie geht durch Lagny, Monthery, Chevreuse, Poissy. Da in dem Werke des Herrn Ténot öfter Bezug auf den Aufsatz in den „ Jahrbüchern “ „ Über die strategische Bedeutung von Paris " genommen wird , so wollen wir nicht unterlassen auf die Unterschiede in beiden Plänen aufmerksam zu machen, wobei wir bemerken, dafs für den in den Jahrbüchern enthaltenen Plan kein Anspruch auf mathematische Genauigkeit gemacht wird. In letzterem Plan wären 3 Forts hinzu zu zeichnen : Champigny, Sury zwischen

den Forts 12 und 13 (Villeneuve und Villiers) und

Verriers , zwischen den Forts 8 und 9 (Chatillon und Palaiseau) . Dagegen sind folgende in den „ Jahrbüchern “ angegebene Forts 8*

Umschau in der Militär-Litteratur.

116

auf dem Plan von E. Ténot nicht vorhanden , demnach voraussichtlich nicht

existirend :

1 und 2 westlich St. Germain , 10 zwischen

Palaiseau und Lonjumeau,

11 bei Choisy (bei welchen übrigens die

„ Jahrbücher" bereits ein ? anführten) 16 zwischen Vaujour und Gonesse ; ferner sind die als Forts angegebenen Nummern 18 und 24 nur Redouten mit den Namen de la Butte Pinçon und de Francoville. Der Schlufs des Werkes des Herrn Ténot überrascht uns nicht. Er ruft aus : Paris liegt nunmehr über der Machtsphäre Deutschlands . In weniger als 10 Jahren, seit der Zeit , da das zweite Kaiserreich Frankreich zu Boden geworfen und

waffenlos

zurückliefs ,

hat die

Republik auf das Vollkommenste für die Sicherheit des Vaterlandes gesorgt.

Das erste Stück der Arbeit

zu unserer Wiederherstellung

ist mit der Vollendung von Paris fertig Vollendung unseres

und ist

es

erlaubt an die

geheiligten Tagewerks von nun an zu denken !

Wenn die Republik von 1870 die Ehre des Vaterlands gerettet hatte, so giebt sie ihm heute mit der Kraft die Freiheit zurück. und Metz können nun zur Hoffnung sich ermuntern ,

Strafsburg

denn in dem

unbesiegbaren Paris liegt die Garantie ihrer sicheren Befreiung . Wenn es uns auch ferne liegt, irgend welche polemische Betrachtungen anzustellen , so können wir doch nicht umhin, am Schlufs des Referats unseren eigenen Standpunkt in einigen Hauptpunkten durch kurze Sätze darzulegen. Die Ansichten Alles von den Feldarmeeen , wenig von den Festungen zu erwarten , sind nunmehr in Deutschland stark in den Hintergrund gedrängt ; glücklicher Weise legen wir auf die Armee, wie auf die Festungen gleich viel Wert.

Wenn auch in

Frankreich für beide gleich viel geschieht, so scheint es uns doch, dafs der Wert der Befestigungen dort allzu hoch geschätzt wird ; geschieht dieses, so nimmt man die Festungen etc. bewusst oder unbewufst, als Basis seiner Operationen an. seinen Entschliefsungen derart eingeengt ,

Alsdann ist man aber in dafs man leicht in Gefahr

kommt den objektiven Blick oder den Geist der Initiative zu verlieren. Wenn wir dem Grundsatze nicht huldigen, dafs die Kraft eines Landes mit dem Fall seiner Hauptstadt gebrochen sei, so müſsen wir trotzdem Frankreich Recht geben, wenn es diesem Grundsatz Rechnung trägt, da derselbe bei jedem Franzosen tief eingewurzelt ist. Wir halten es aber nicht nötig, dafs die neuen Befestigungen . von Paris so weit vorgeschoben wurden ;

sowohl ihre Entfernungen

von den alten Forts wie ihre Entfernungen unter einander scheinen entschieden zu weit, um einem förmlichen Angriff mit Erfolg entgegen treten zu können.

Dagegen scheint der Zweck , eine eigentliche Cer-

nierung unmöglich zu machen vielleicht erreicht zu sein .

Umschau in der Militär-Litteratur. 1.

Unteroffizier- Brevier.

Ein Festgeschenk ,

117 herausgegeben

von J. Scheibert , Maj . z . D. (Preis 1,20 Mark .) 2. NotizKalender für Unteroffiziere aller Waffen für 1881. Zusammengestellt von W. v. G. , Premier - Lieutenant. 1,50 Mark. )

3. Allgemeines Militär- Notizbuch .

(Preis 0,50 Mark . Heftes .)

(Preis

5. Auflage.

Vergl. im übrigen noch Nr. XI . dieses

Obgleich es eigentlich aufserhalb der Tendenz

der Jahrbücher

liegt, Bücher wie die oben bezeichneten einer Besprechung zu unterziehen , glauben wir in dem vorliegenden Falle doch eine Ausnahme machen und auf diese drei für Unteroffiziere bezw. Mannschaften bestimmten Bücher wegen ihrer Eigenartigkeit und Vortrefflichkeit besonders hinweisen zu dürfen. Der Verfasser des Unteroffizier-Breviers ist ein in der MilitärLitteratur so bekannter Schriftsteller, dafs es keiner weiteren Worte über die dem Büchlein dadurch verliehene Bedeutung bedarf.

Die

von Herzen kommende und zu Herzen gehende Sprache des Herrn Major Scheibert pafst ganz ausgezeichnet für das vorliegende Werk. Der Unteroffizier, in der Einleitung sehr richtig als das Knochengerüst des Heereskörpers bezeichnet, findet in den 27 Kapiteln viel des Belehrenden , Erbauenden und Herzerfrischenden für seine sehr schwierige Lebensstellung ; das Büchlein ist ihm ein treuer Ratgeber für alle Lagen des Lebens , sei es im Dienst , sei es aufser Dienst, sei es seinen Vorgesetzten, Kameraden oder Untergebenen gegenüber, sei es in der Kaserne, auf dem Manöver oder im Felde.

Sehr pas-

sende Sinnsprüche stehen an der Spitze jedes Kapitels. (Über dem Abschnitt der Feldwebel " steht z. B.: „ Nenne mir Muse den Mann , den Vielgewandten " .)

Das Büchlein verdient eine grofse Verbreitung.

Es wird auf Geist und Gemüt gewifs günstig wirken und so zur Hebung Dem rein des Unteroffizierstandes nicht unwesentlich beitragen. praktischen Bedürfnisse wendet sich die zweite der oben bezeichneten Schriften zu .

Diese bringt , was Bestimmungen anbelangt , wohl alles

für den Unteroffizier über seine Stellung Wissenswerte in sehr geeigneter Weise . Eine Anleitung zu dienstlichen Schreiben , Angaben über Verhalten bei Hitzschlag und Rotz sind schätzenswerte Beigaben. In dem eigentlichen Kalenderteile befinden sich recht praktisch angelegte Listen, die das Führen eines besonderen Korporalschaftsbuches z . B. ganz unnötig machen.

Nicht ganz auf der Höhe der Zeit stehen nach dies-

seitiger Ansicht in dem Tageskalender die militärischen Erinnerungstage ; hier sind

viele Fehler und Unrichtigkeiten mit unterlaufen .

(z. B. soll am 17. Januar Belfort erobert sein, Zieten anstatt am 27 .

Umschau in der Militär-Litteratur.

118

am 26. Januar gestorben, am 18. Mai statt am 14. geboren sein , die Schlacht bei Colombey-Nouilly wird Courcelles genannt, von einer ersten Schlacht bei Amiens ist gesprochen , Cholusitz statt Chotusitz , Herchsheim statt Gerchsheim , Dickisch statt Diebitsch geschrieben u. s. w.).

Wir empfehlen eine gründliche Umarbeitung dieses Teiles

und möchten raten, hierbei den bekannten vortrefflichen Firck'schen Kalender zu Rate zu ziehen. Dem Äufseren nach ist das Buch recht dauerhaft gemacht und für den täglichen Gebrauch recht geeignet. Wenn wir uns nun mit einigen Worten dem dritten Buch zuwenden, so müssen wir zunächst unser grofses Staunen ausdrücken , wie es möglich ist , ein solch reichhaltiges und gut ausgestattetes Buch für 50 Pf. zu liefern.

Und dabei wird von dem Verleger noch

1 Prozent der Einnahme dem Kriegsministerium für den Invalidenfond zur Verfügung gestellt, was gewifs mit der Zeit einen ganz erheblichen Betrag abwerfen wird, da augenblicklich bereits über 30 000 Exemplare abgesetzt sind.

Das Buch ist aber auch in seiner Art

vortrefflich. In 16 verschiedenen Kapiteln hält es dem Soldaten eine Menge der ihn dienstlich berührenden Gegenstände vor Augen, die sich weniger auf die Dienstinstruktion als auf das tägliche Interesse beziehen. Das Verzeichnis der vaterländischen Gedenktage bedarf vielleicht einiger Abänderungen, und wird in dieser Beziehung auf das in Betreff des Notizkalenders für Unteroffiziere Gesagte verwiesen. -Für Notizen über den täglichen Dienst ist eine Pergamenttafel , für die 10-tägigen Einnahmen und Ausgaben ein Pergamentstreifen eingeklebt. Ein Federhalter mit Feder , Stift zum Schreiben auf Pergament oder Papier und Gummi, eine Menge weiſses Papier, eine Vorrichtung auf der inneren Seite des sehr dauerhaften Umschlages , um das Bild der Braut oder eines sonst nahe Stehenden in dem Notizbuch anzubringen, beweisen den höchst praktischen Sinn, der bei Zusammenstellung des letzteren obgewaltet hat. Wenn wir für die Zukunft etwas zu wünschen hätten , so wäre es, zu ermöglichen , dafs anstatt der Goldfeder eine sogenannte Wunderfeder (zum Schreiben

ohne Dinte) dem Federhalter beigegeben

wird, denn gerade das Herbeischaffen von Dinte ist auf Wache , im Bivuak oder im Felde oft für den Soldaten sehr schwierig ; auch läfst es sich wohl ermöglichen, noch einen immerwährenden Kalender anzubringen. Sehr bedauern wir , dafs die späte Zusendung des Büchleins es nicht gestattete, vor den eben verflossenen Festtagen auf dasselbe aufmerksam zu machen, denn das Büchlein wäre ganz ausgezeichnet zum Weihnachtsgeschenk geeignet gewesen .

Aber das ist

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.

119

ja auch einer seiner Vorzüge, dafs es an keine Zeit gebunden , also immer voll zu verwerten ist. Wir wünschen dem rührigen Verleger, dafs an die oben genannte Zahl der verkauften Exemplare recht bald eine neue Null gehängt werden mufs .

X.

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen Zeitschriften.

(15. November bis 15. Dezember.)

Militär- Wochenblatt ( Nr. 94-102) : Über die Organisation und das Material der französischen Artillerie . - Belehrungsschiefsen und Schwarmsalve . - Der Salpeterkrieg an Südamerikas Westküste. Die Neubefestigung von Paris. - Ein Gang durch die Kasernen von Rom . Ein Rekognoszierungsritt während der Manöver in Galizien im Herbst 1880. - Hippologische Bemerkungen von dem ehemaligen Die Schiefsausbildung Kriegsschauplatze auf der Balkan-Halbinsel. der Infanterie in den Niederlanden. - Die Übungen mit Gegnern Beiheft zum Militär-Wochenblatt (7. Heft) auf dem Exerzierplatz .

Zur

Taktik der Infanterie von 1880.

(8. Heft) : Ursprung und

erste Gestalt des preufsischen Feldpredigeramtes. Neue militärische Blätter (Dezember- Heft) : Zwei „ gymnastische Wünsche ". Das Verhältnis Rufslands und Englands in Vorderund Central-Asien, militärisch, geschichtlich und kritisch dargestellt. Die non valeurs der Infanterie in Frankreich. Mitteilungen aus dem Gebiete der Feuerwaffen . - Über das Verhältnis von Enceinte und Forts zu einander und Grundsätze für deren Anlage. Allgemeine Militär-Zeitung ( Nr. 91-98) : Die deutsche Kriegsmarine und die Kolonialfrage. Die Fufsbekleidung des französischen Infanteristen . - Die Abschaffung des Sprungkastens . Beschlossene Entfestigung von Königgrätz . - Die Visiereinrichtung der Handfeuerwaffen. Das deutsche Reichsheer im Frühjahr 1880-

-

Die Bewegungsgeschwindigkeit abgefeuerter Geschosse und deren

Messung durch die Elektrizität.

Noch einmal :

Hat die Umände-

rung des Infanteriegewehres M./71 in ein Magazingewehr nur Vorteile ?

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze

120

Deutsche Heeres - Zeitung ( Nr. 93–101 ) : Die Militärzeitungen , ihre Stellungen und Ziele. - Studie über die Fabrikation eines modernen kriegsgeschichtlichen Werkes . Vorschläge zu einer neuen Heereserweiterung . - Beitrag zur Fabrikation der Patronenhülsen. - Übungen ohne Truppe zur Ausbildung der unteren Führer. Die Popoffkas . --

Bewaffnung , Ausrüstung und Bekleidung der alt-

griechischen und römischen Soldaten . Militär -Zeitung

für die

Reserve-

und Landwehr-Offiziere des

deutschen Heeres ( Nr. 47–50) : Der Widerstand der französischen Festungen in den Feldzügen 1814/15. -- Kolin und Leuthen. Archiv für die Artillerie- und Ingenieur - Offiziere (87. Band 6. Heft) : Die Flächen kleinsten Widerstandes und gröfsten Antriebes . - Geschichtliche Entwickelung der Artillerieschiefskunst in Deutschland. -- Das neue englische Hinterlandergeschütz für reitende Batterieen. Feldmäfsige Heizung von Zelten. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie ( Heft XI . ) : Aus den Reiseberichten S. M. S. 99 Luise ". -- Aus den Reiseberichten S. M. S. , Ariadne". Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine (XXI . Band 4. Heft) : Eine Studie Die kriegerischen Eigenschaften der modernen Heere. über Konstantinopel .

Die deutsche Militärgesetz -Novelle und ihre

Wirkungen. - Über Verwendung reitender Batterieen . Zur Stützpunktetaktik . -- Der Steppenkrieg . - Sammlung türkischer Dokumente über den letzten Krieg 1877-78 . ―― im Deutschen Reiche .

Die Schifffahrtskanäle

Österreichisch- ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad “ ( Nr. 90 -99) : Die Militärrechtspflege. - Nationale Corps und Armeesprachen. Festungstruppen. Die Ersatzreserve . Die Einjährig -Freiwilligen. -- Die kurdischen Einfälle in Persien.

Österreichische Militär-Zeitung ( Nr. 91-99) : Die Befestigung von Paris und das deutsche Festungssystem gegenüber dem französischen . Die russische Armee im Jahre 1880. Die Sprachenfrage in der Armee. Ein neues Marinegeschütz . Das Militärbrod . Überproduktion auf militär-litterarischem Gebiete. - Die Abhärtung der Mannschaft in Ungarn. Organisation des Landsturmes im Frieden . Österreichisch-ungarische Militär-Zeitung „ Vedette" (Nr. 91–99) : Die Berittenmachung der Hauptleute. - Die französische Kritik und die französische Armee.

Zur Aufklärung über die Haltung unserer

Kavallerie bei galizischen Manövern. - Die Befestigungen in Galizien. - Das neue Exerzierreglement. -- Über den Armeegeist und seine Wirkungen.

aus anderen militärischen Zeitschriften.

121

Der „Veteran" (Nr. 40) : Ein neues Marinegeschütz . Le Spectateur militaire (15. November 1880) : Die grofsen MaGeschichte des früheren Generalstabscorps . növer des 9. Corps . -

Die Thäler im Waadtlande.

Der Verpflegungsdienst

in

der

schweizerischen Armee. Journal des Sciences militaires (November - Heft 1880) : Über Unterricht in der Taktik. Die wahre nationale Armee. - Rolle der Fortifikation im letzten Orientkriege. Bemerkungen, gelegentlich der praktischen Instruktion vom 17. Februar 1875 über den Kavalleriedienst im Felde . - Einige Betrachtungen über die Taktik der Zukunft. - Über den Parteigängerkrieg .

Bulletin de la Réunion des officiers ( Nr. 47-50) : Der neue Der Die Transporte bei den Alten.

Krieg in Afghanistan .

Krieg von Chili gegen Peru

und Bolivia. -

selbstbewegbaren Torpedos vom Lande

Leitapparat um die

aus regieren zu können .

Das Demontiergeschütz und seine Wichtigkeit im Belagerungs- und Gebirgskriege . - Anwendung der Feldverschanzung auf dem Schlachtfelde und ihre Verwendung in der Taktik . _____ Der Militärtelegraph während der letzten Feldzüge . Die grofsen österreichisch-ungarischen Manöver. L'avenir militaire ( Nr. 681-686) : Die Generalinspektion des Generalstabsdienstes im Jahre 1880. - Über die Unteroffiziere . Das Wiederengagement der UnterDer Dienst von 40 Monaten. offiziere. - Die kommandierenden Generale und Marschälle in Frankreich. Die Schlacht von Mazra. L'armée française ( Nr. 439-451 ) : Die berittenen Hauptleute . - Die Befestigungen der Schweiz . Zum Infanterieavancement. Das einDie Solderhöhung bei der Armee und die Militärsteuer. Der AnDer Dienst von 40 Monaten. jährige Engagement. kauf der Eisenbahnen vom militärischen Gesichtspunkte . Le progrès militaire (Nr. 5-12) : Der Munitionsersatz . - Das Administrationsgesetz . Die Festungstruppen . Das Resultat der Manöver. - Die verabschiedeten Offiziere . -- Die Konsequenzen des Algerien, - Die Reorganisation der 40 monatlichen Dienstes . Kavallerie . -- Das Wiederengagement der Unteroffiziere . Die Krankenträger . Die Der neue Avancements- Gesetzesvorschlag. Depotcadres .

Das Administrationsgesetz.

La France militaire ( Nr. 1-15) : Über die Militärverwaltung. Die grofsen Manöver in Frankreich und Deutschland. - Die Schulen der Soldatenkinder . - Die grofsen Manöver in Ungarn . - Die

Adjutantmajors. --

Die grofsen Manöver der Zukunft.

Der Dienst

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze

122

der Compagniechefs

zu Pferde. -- Die Manöver der Division

Einige

Constantine.

Bemerkungen über die

vor

Schlacht bei Ba-

Einige paume. - Die Felddecken. — Die Festungsregimenter . praktische Beobachtungen in Betreff der Kavallerie. -- Die Metallräder beim Feldmaterial. - Die Mobilmachung in unseren Grenz-

-

Die regionale Rekrutierung .

departements.

Unsere Vorräte an

Das Brod während der grofsen Manöver und im Kartuschen. Felde. - Initiative und Verantwortlichkeit. - Über Feldartillerie . Revue d'Artillerie ( November 1880) : Versuche mit den Zündern der Die schwedische Artillerie. ―― Das PrüfungsFeldprojektile. schiefsen in der deutschen Armee. Revue maritime et coloniale ( November- Heft 1880) : Die englische Handelsmarine . - Expedition des „ La Bourdonnais " ins indische Meer. -- (Dezember 1880) : Fingirter Angriff und Verteidigung durch englische Torpilleurs . Russischer Invalide ( Nr. 242-264) : Die Zukunft des Schiefsens auf weite Distanzen und eins der Mittel zur Erhöhung seiner Bedeutung . -- Über die Abschaffung der freiwilligen Arbeiten bei den Truppen. Über die Versorgung der kämpfenden Truppen mit Patronen.

Über die türkisch-motenegrinische Grenzlinie.

Wajenny Sbornik ( November- Heft) :

Übersicht der Operationen

des Rustschuk - Detachements im September und Oktober 1877. — Übersicht der in unserer Militärlitteratur über verschiedene taktische Fragen geäufserten Meinungen .

Über die Vereinigung der Artillerie

mit den übrigen Waffen im Hinblick auf die Kommandoverhältnisse . --- Erinnerungen an die mit der 2. Gardedivision im türkischen — Kriege verlebte Zeit . Die 3. Gardedivision im Kriege 1877/78. Russisches Artillerie - Journal (November- Heft) : Prüfung der Feld- und passageren Befestigungen in ihrer Wirksamkeit gegenüber den Geschossen verschiedenen Kalibers . Bericht über die im Sommer 1879 auf dem Polygon zu Meppen vorgenommenen Versuche mit Krupp'schen Geschützen . Über die Richtmannschaften bei der Feldartillerie. Russisches

Ingenieurjournal

Skizze der Thätigkeit

(September-

der Offiziere

und

Oktober- Heft) :

und einiger Mannschaften

des

6. , 4. und 3. Sappeurbataillons bei der Verteidigung von Sewastopol. Über die Herstellung und Erneuerung von Tunnels zur Kriegszeit. Morskoi Sbornik (Oktober- und November- Hefte) : Über die Voraussagung der Petersburger Überschwemmungen. Über die Verteidigung der Küsten durch Torpedos . während der letzten 25 Jahre.

Der russische Schiffsbau

aus anderen militärischen Zeitschriften.

123

L'Esercito (Nr. 131-143) : Die Schlacht. Die Reduktion des stehenden Heeres in Frankreich. Die Maschinen der Fabrik in — Terni. Das Avancement der Spezialwaffen und die Kriegsschule . Die Militärschulen. Das neue Kriegsbudget. Giornale di Artiglieria e genio (September-Oktober) :

Die neue

elektro-magnetischen Maschinen und deren Anwendung für die elektrische Beleuchtung , die Militärtelegraphie und zur Sprengung von Minen und Torpedos. - Historische Erinnerungsblätter über die BeDer Mitrailleur Gardner. festigung von Verona. Rivista marittima ( November 1880) : Die taktische Waffe bei künftigen Seegefechten. - Die Kriegshäfen . ― Bericht der höheren Kommission über den Rifs im 45 -cm - Geschütz auf dem „ Duilio “. Über den militärischen Nutzen der transoceanischen Dampfer.

-

Die Vorschläge innerhalb der italienischen Kriegsmarine . Army and Navy Gazette (Nr. 1087-1090) : Die französische Armee und die religiösen Sekten. - Der Schiefsdienst bei der Kavallerie . Die russische Marine. Die französische Kavallerie. Unsere Feldartillerie . Army and Navy Journal ( Nr. 898-900 ) : Rekrutierung für die Armee. Das unterseeische Geschütz . Die Jahresberichte . The United Service (Dezember 1880) : Die französische Feldartillerie . - Über Kavallerie. _____ Marinesignale. — Die SignaldienstOrganisation . Allgemeine Schweizerische Militär - Zeitung ( Nr. 47–50) : Der Karabiner und dessen Verwendung und Bedeutung für unsere Dragonerregimenter. -- Zu unserem Schiefswesen . Die neue blinde Patrone zur Magazinladung. Landesbefestigung, Miliz und stehendes Heer. Zeitschrift für die Schweizerische Artillerie versuche in der Schweiz .

( Nr. II ) :

Pulver-

Revue militaire suisse ( Nr. 19-22) : Die Feuersdisziplin . Studie über die verschiedenen Gattungen von Infanteriefeuer und ihre taktische Anwendung. - Die Rekrutierung. Eintritt eines Bataillons in das Kantonnement.

Militaert Tidsskrift (7. Heft) :

Die kavalleristische Dreitreffen-

Die Anwendung des Infanteriespatens bei flüchtigen Feldbefestigungen in Oesterreich. -- Über die Verteidigung von Kopenhagen durch Heer und Flotte.

taktik.

Kongl . Krigsvetenkaps - Akademiens Handlingar ( 19.-21. Heft) : Einiges über die alten Über das Bajonettieren . Der Zulukrieg. Jahresbericht über die VerReglements des schwedischen Heeres . änderungen in der Seekriegswissenschaft. - Über die Feuerwirkung

Verzeichnis der bei der Redaction eingegangenen Bücher etc.

124

nebst dem Terraineinfluſs bei dem Schiefsen mit dem 1867er Gewehr _________ Über die Kampfweise

bei einem Abstand von 400 bis 600 m. und Ausbildung der Infanterie.

Norsk Militaert Tidsskrift (43. Bd. II . Heft) : Das österreichischungarische Wehrsteuergesetz . Das bulgarische Heer. Memorial de Ingenieros (Nr. 22-23) :

Betrachtungen über die

Elektrizität und ihre militärische Verwendung . - Die Arbeiten der Das Photophon. - Die Hülfspraktischen Schule zu Guadalajara. waffen in belagerten Festungen . Revista cientifico-militar (Bd . 9 Nr. 7-9) : Vergleichende Studie über die Mobilisierung des belgischen , französischen und deutschen Über Heeres. Die Manöver im Jahre 1880 in Deutschland . ― die Tachümetrie . — Die Instruktionen für die Offiziere des 10. Corps . Studien über die Kriegskunst und Kriegsgeschichte : Kriegspolitik. Die Militär-Geographisches . Der Krieg und die Kunst . Hygiene und die Ernährung des Soldaten . La illustracion militar ( Nr. 1-3) : Die Fortschritte in der Kriegskunst. Über Torpedoboote . Die Kanone „ Sotomayor ". - Betrachtungen Die praktische Ingenieurschule zu Guadalajara. über die militärische Situation Europas . Revista militar ( Nr. 21-22) : Die strategische Situation Italiens in Bezug auf Frankreich. Die Grundprinzipien für eine Militärreitschule. Die Notwendigkeit von Nationalheeren, allgemeiner und Reserven . - Der indirekte Schufs der , Milizen Dienstpflicht Artillerie.

Über Übungen im Walde .

XI.

Verzeichnis

der

bei

der

Redaction

eingegan-

genen neu erschienenen Bücher u.

s. w.

(15. November bis 15. Dezember. )

Arnim , v. , Oberst z . D.:

Die Schlachtentaktik sonst und

jetzt besonders mit Rücksicht auf die heutigen Aufgaben der Eine taktische Studie . Berlin 1881 . Infanterie beim Angriff. Fr. Luckhardt. - 8º. - 48. S. - Preis : 1,20 Mark.

Verzeichnis der bei der Redaction eingegangenen Bücher etc. Baumann , Leonhardt v. , Oberstlieutenant z. D.;

Studien über

die Verpflegung der Kriegsheere im Felde . Teil ( 2. Band) . Vierte Abteilung. ―― 8º. ---- 265 S.

125

Leipzig 1880.

Historischer C. F. Winter.

Cardinal v. Widdern , Hauptmann und Lehrer an der Kriegsschule in Metz : Handbuch für Truppenführung und Befehlsabfassung . Vierter Teil : Der Stabs- und Truppendienst im Rücken der operierenden Heere .

Etappeninstruk-

tion . Etappenkrieg. Zweite vervollständigte Auflage mit 140 S. Kartenbeilagen. Gera 1880. A. Reisewitz . - 8º. Dellbrück , Hans :

Das Leben des Feldmarschalls Grafen

Neidhardt von Gneisenau.

Fünfter Band (Schlufs) .

Fort-

setzung des gleichnamigen Werkes von G. E. Pertz . Berlin 1880 . G. Reimer. - 8º. 711 S. - Preis : 10 Mark. Erzherzog Johann , k. k. Feldmarschalllieutenant und Kommandeur der 33. Infanterietruppendivision :

Geschichte des k. k. In-

fanterieregimentes Erzherzog Wilhelm Nr. 12. Gr . 8° . Wien 1880. L. W. Seidel und Sohn .

II. Teil.

854 S.

Text, 316 S. Anlagen. - Preis : 5 Mark. Frontalangriff der Infanterie. Von einem preufsischen Offizier. Brandenburg a. H. 1881. Rud. Koch. - 8º. — 611 S. G., W. v. , Premierlieutenant : Notizkalender für Unteroffiziere aller Waffen für 1881. Breslau 1881. Louis Köhler. Preis : 1,50 Mark. Knorr , Emil , Major : Die polnischen Aufstände seit 1830 in ihrem Zusammenhange mit den internationalen Umsturzbestrebungen. Unter Benutzung archivalischer Quellen . 8º.431 S. 1880. E. S. Mittler und Sohn. -

Berlin Preis :

8 Mark. Meinert, Dr. C. A. , Armee- und Volksernährung .

Ein Versuch

Professor C. v. Voit's Ernährungstheorie für die Praxis zu verwerten, 2 Bde.

In zwei Teilen mit 8 lithographierten farbigen Tafeln . Berlin 1880. E. S. Mittler u . Sohn . 8º. 934 S.

Preis : 16,40 Mark. Militärische Klassiker des In- und Auslandes . Heft.

Sechstes

Napoleon I.: Militärische Schriften , erläutert und

mit Anmerkungen versehen durch Boie , Major im Grofsen Ge159 S. neralstab . Berlin 1880. F. Schneider u . Co. ― 8º. - Preis : 1,50 Mark.

Sachliche Darstellung Müller , M. , Ingenieur : Rettungswesen. der bis Ende 1879 in dieser Klasse erteilten Patente nebst An-

126

Verzeichnis der bei der Redaction eingegangenen Bücher etc. hang über Vorrichtungen zum Schutze der Gesundheit bei geMit 30 Abbildungen . sundheitsgefährlichen Beschäftigungen. Berlin 1880. Th . Grieben . — 8º. 50 S.

Notizbuch , Allgemeines Militär- . 5. Auflage. Th. Lehmann u. Co. Preis : 0,50 Mark.

Prettin a. Elbe .

Rang- und Quartierliste der kaiserlichen Marine für das Jahr 1881. Auf Befehl S. M. des Kaisers und Königs. Berlin 1880. E. S. Mittler und Sohn . kl. 8º. - 122 S. - Preis : 2,50 Mark. Scheibert, J., Major z . D.: geschenk.

Berlin 1880.

Unteroffizier - Brevier. Ein FestFr. Luckhardt. - kl. 8º.- 108 S.

Stiehl, Major à la suite des ostpreufsischen Fufsartillerieregiments Nr. 1 u . s . w . Geschichte des pommerschen Fufsartillerieregiments Nr. 2 und schleswigschen Fufsartilleriebataillons Nr. 9. Auf dienstliche Veranlassung bearbeitet . Mit 6 Plänen und 6 Skizzen in Steindruck. Berlin 1880. E. S. Mittler u. Sohn.

8º.

124 S.

Preis : 4 Mark.

Thürheim , A. Graf, Gedenkblätter aus der Kriegsgeschichte der k. k. österreichischen Armee. Schlufslieferung. Voss, E. von, Premierlieutenant im Grofsherzogl . Mecklenburgischen Grenadierregiment Nr. 89 .: Beiträge zur mecklenburgischen Fahnenkunde . Schwerin in M. 1880. A. Schmale . ― kl. 8º. 24 S. Weber, Premierlieutenant im rheinischen Jägerbataillon Nr. 8.: Geschichte des rheinischen Jägerbataillons

Nr.

8

seiner Errichtung bis zum Jahre 1880. Berlin 1880. E. S. Mittler u. Sohn . - 8º. 239 S. Preis : 4 Mark.

Berichtigungen . Im November-Heft lies : S. S. S. Im Dezember-Heft lies : S. S.

195 201 211 316 323

Z. Z. Z. Z. Z.

7 v. u.: „des " statt „ der“. 16 : „Sungari " statt „ Gungari “. 3 v. u.: „ Alai Tagh " statt „ Altai Tagh “ . 2 : „ 19 162 “ statt „ 16 162 “ . 12 : „wachen " statt „wachsen“.

Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin W.

XII .

Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801). Von Spiridion

Gopčević.

(Schlufs.) Die Einnahme von Rosette durch die Verbündeten. In Kairo wartete

man mit Spannung auf die Nachricht von

dem Ausgange der Schlacht bei Ramlé.

Vorsichtshalber befahl Bel-

liard am 17. März dem General Donzelot , in Eilmärschen von Siut heranzukommen. Schon am 21. erzählte man sich die Details eines erfochtenen Sieges .

Als aber am 24. noch immer keine Nach-

richt eintraf, wurde man unruhig, besonders, da abends ein Courier von Belbejs anlangte, welcher die Nachricht brachte, der Grofsscheich der Terabin -Araber des Sebah - Biar - Thales habe sagen lassen, ein türkisches Reitercorps sei dort aufgetaucht und auf dem Marsche gegen Kairo.

Die 9. Halbbrigade

rückte

sofort nach Birket

el

Hadschi , und die ganze Nacht wie der nächste Tag wurden mit Zurüstungen zugebracht.

Den Ausbruch

eines Aufstandes befürch-

tend, räumte man die Spitäler und zog sich in die Citadelle und die Forts zurück.

Am 26. erfuhr man , dafs die angeblichen türkischen

Reiter nur Mameluken waren, welche sich an Murad Bey anschliefsen wollten.

Dagegen traf am 27. abends Kapitän Tiochi ,

Adjutant

des 2. Generalstabschefs Adjutantgeneral René , ein und meldete die Niederlage vom 21.

Gleichzeitig brachte

er Befehle zur Räumung

Ober-Egyptens und zur Reduzierung der sonstigen Garnisonen ; Robin sollte mit 1500 Mann nach Ramanjé gesandt werden. Auf Seite der Verbündeten starb Abercromby Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

am 28. März 9

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .

128

und Hutchinson wurde sein Nachfolger. schwierigen Aufgabe ,

denn

trotz

Dieser

stand vor einer

der drei Siege seines Vorgängers

war die Lage der englischen Armee keine glückliche zu nennen . Die französische Macht war noch ungebrochen , die ohnehin nicht zahlreiche britische Streitmacht hingegen stark zusammengeschmolzen. Die verwundeten

und kranken Leute

und Pferde abgerechnet,

verfügte Hutchinson nur über ungefähr 15 712 Briten und 6300 Türken mit

500 Pferden.

Der bisherige Abgang durch Tote ,

Gefan-

gene und Desertierte belief sich auf ungefähr 50 Offiziere , 50 Unteroffiziere und Spielleute, 1100 Gemeine . Hutchinson konnte demnach an keine Offensive denken , wenn nicht bald VerstärGlücklicherweise war

kungen eintrafen .

soeben

Rest der türkischen Flotte unter dem Kapudan angelangt.

Sie bestand aus

5 Linienschiffen

von

(25.

März)

Hussejn Pascha

dem Dreidecker „ Selimjé " von

74 Kanonen ,

4 Fregatten

der

110 ,

und 4 Korvetten ,

nebst mehreren Transportschiffen , welche 6000 Janitscharen und Arnauten an Bord hatten. Hutchinson gab diesen Truppen einen festeren Halt , indem er sie unter das Kommando des Obersten Spencer stellte und ihnen das 58. und 40. Regiment, und 8 Kanonen ,

zusammen 800 Mann ,

war Kapitän Beavor mit des

Edku - Sees

(zwischen

zugesellte .

30 Husaren

Schon

am 23.

einigen Schaluppen gegen die Mündung Alexandria und Rosette) abgegangen,

welche durch das Viereckige Haus " beherrscht wurden . Nach einigen Schüssen warfen die Franzosen die beiden dort befindlichen Geschütze ins Meer und räumten den Posten ,

welcher von Beavor

besetzt

wurde. Am 24. abends waren 300 Türken unter Mustafa Aga als Verstärkung eingetroffen. Sie sollten gegen Rosette marschieren, konnten aber um keinen Preis zu einem Nachtmarsch gebracht werden.

Tags darauf rekognoszierten Kapitän Marley und Lieutenant

Wright mit 1 Schaluppe und 1 Kanonenboot gegen Edku , von wo sich die französische Vedette sofort zurückzog. Am 29. forderte Sidney Smith Rosette zur Übergabe auf, Am 2. April kam Spencer mit

erhielt aber gar keine Antwort. seinen 800 Engländern und 4000

vom Kjaja des Kapudans befehligten Türken zum „ Viereckigen Hause “ . In Rosette standen 800 Franzosen unter Oberst St. Faust. Dieser , vom Scheich von Edku von allem in Kenntnis sandte seinen Adjutanten mit nach Edku

der Kavallerie

zu rekognoszieren ,

Araber auszufragen ,

worauf

er

begnügte

dahin ab .

gesetzt,

Statt aber

sich dieser damit ,

selbstzufrieden

zurückkehrte

einen und

berichtete : im Viereckigen Hause ständen nur 7-800 Türken , welche sich

mit der Anlegung

eines Feldspitals beschäftigten.

Der treue

129

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .

behauptete

Scheich

Mittel

Meer

FortFallen

Rosette.

Edku

er, die Türken hätten sich

ElHamad ErAft

bereits

gegen

Bewegung

Edku

gesetzt ,

in

man

möge seine Briefe verbrennen und ihm nicht

Fua

V.Al

da-

gegen, seine Angaben seien genau und am 6. schrieb

exan

mehr antworten . * ) Spen-

d Ramanje

cer , welcher am 6. durch Schebrachit.

das 2. Regiment auf 1450 Engländer und 4300 Tür-

Damunkar

Perastack.

ken, zusammen 5750 Mann 8 Kanonen, verstärkt wor-

Schabur

Ni

den , rückte nunmehr am 7. weiter vor. St. Faust sah, dafs es Er liefs die

ernst wurde . Kranken ,

Invaliden

und

Alkam Schwächlichen, 250 Mann im

Benerhassels

Belbejs, ELMenair

Wardan

ganzen , in

das Fort

Jullien schaffen , dessen Garnison sie bilden sollten. Mit dem Rest

550 Mann

Om Dinar

schiffte er auf das an-

Seki.

dere (rechte) Ufer über. Weil aber die Türken am

Embabi

Cairo . Dochise

7. nicht kamen, kehrte er wieder nach Rosette zurück.

Am folgenden Mor-

gen stiefsen die türkischen und die französischen Vorposten aufeinander und St. Faust beeilte sich , wieder das rechte Ufer zu gewinnen. Der Oberkommissär Sartelon , welcher von Ramanjé eingetroffen war, um die Magazinvorräte Rosettes in Empfang zu nehmen, mufste sich unverrichteter Dinge wieder einschiffen . Gegen 4

Uhr nachmittags

Turm Abu Mandur ,

signalisierte

der Posten auf dem

dafs vier feindliche Kolonnen

im Anrücken

seien, eine englische gegen Fort Jullien und 3 türkische gegen die

*) Aus Wilson's Schilderung geht hervor, dass der biedere Scheich den Doppelspion machte. 9*

130

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .

Stadt, den Turm und das Dorf Kedid ( 11/2 Stunden oberhalb Rosette) .

Alles

schiffte

sich jetzt ein ;

da jedoch der Wind nicht

günstig war, und die Barken nur langsam stromauf rudern konnten , befanden sich noch mehrere derselben im Hafen , in die Stadt drangen und den Hauptplatz

als

besetzten.

die Türken

Die Dscherm ,

welche die Arrièregarde bilden sollte ,

benutzte dies , um eine volle

Lage

zu geben ,

in

die

dichtgeschaarten Türken

furchtbar aufräumte. dur passierte ,

unter denen

sie

Als die Dscherm jedoch den Turm Abu Man-

dessen sich die Türken bereits bemächtigt ,

wurde

sie von einem Schusse in den Grund gebohrt und sank so schnell, dafs die Besatzung gröfstenteils ertrank . Die anderen Dschermen kamen

am 9. wohlbehalten in Ramanjé an ; die Truppen waren

jedoch schon

in El Aft ans Land gegangen ,

wo soeben

General

Morand mit der 21. leichten und 1 Batterie eingetroffen war. Am selben Abend forcierte eine türkische Flottille die Mündung des Nil -Armes und zwang vier französische Dschermen, sich unter die Kanonen des Forts Jullien zurückzuziehen , zu dessen Belagerung Spencer das 2. Regiment ( 600 Mann) und 500 Arnauten zurückliefs, während er mit dem Rest stromaufwärts gegen El Hamad rückte , wo er zwischen Nil und Edku- See in vorteilhafter Stellung sein Lager aufschlug . lagerung des Forts es ,

dafs

Lord Dalhousie leitete unterdessen die BeJullien .

Gleich

am ersten Tage

duldete er

seine türkischen Alliirten zwei in einem nahen Wäldchen

gefangene Franzosen marterten und dann

mit deren abgeschnittenen

Köpfen in den Strafsen von Rosette paradierten . Am 16. hatte Dalhousie zwei Belagerungsbatterieen auf 300 Yards angelegt und das Feuer gegen den Südwestwinkel des Forts eröffnet.

Gleichzeitig begannen die türkischen Kanonenboote * ) eine

lebhafte Kanonade ,

während auch der mittlerweile mit dem Rest

der Albanesen eingetroffene Kapudan Pascha

aus einem nordöstlich

im Delta aufgestellten 18 -Pfünder eigenhändig schofs . Im Fort Jullien befanden sich 15 Geschütze , darunter ein 24 Pfünder und mehrere Karronaden der gestrandeten englischen Korvette "9 Cormorant " . Aufserdem war jede der vier bei Fort ankernden Dschermen mit einem Geschütze bewaffnet.

dem Am

16. wurde eine derselben in Brand geschossen und flog auf, nachdem sich ihre Bemannung in das Fort gerettet. In der Nacht glitten vier türkische Kanonenboote

an diesem vorbei.

Tags darauf wurde das

*) Sie standen unter dem Kommando der englischen Schiffskapitäne Stevenson und Curry.

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . Bombardement fortgesetzt ,

131

obwohl mit wenig Erfolg , da die eng-

lischen Batterieen schlecht angelegt waren.

Blos der Kapudan Pascha

erzielte einige Wirkung .

endlich der beschossene

vorspringende Winkel blos .

Am 18.

stürzte

ein und legte die Festungsartillerie teilweise

Die Arnauten benutzten dies, um sich bis auf 50 Yards her-

anzuschleichen und heftiges Musketenfeuer zu unterhalten . Gleichzeitig wurde der Rest der französischen Dschermen vernichtet . Die erste war in den Grund gebohrt ,

die zweite

durch eine Bombe in

Brand gesteckt worden . Als sie dann aufflog , brachten ihre herabstürzenden Trümmer auch die letzte Dscherm zum Sinken . Die vier Dschermen,

welche die Türken vorher an dem Fort vorbeigebracht

und die von Sidney Smith ausgerüstet worden ,

eröffneten abends

auch von Südosten das Bombardement, doch mufsten sie sich zurückziehen , da angeblich die Lafetten der Karronaden durch den Rückstofs gebrochen waren. In der Nacht begann auch eine 900 Yards vom Fort errichtete Mörserbatterie unter den Kapitänen Lemoinne und Duncan Bomben zu werfen, deren eine die französische Flagge wegschofs . Am 19. , morgens 8 Uhr, zeigte sich eine weifse Flagge , worauf

die englischen Batterieen sofort das Feuer einstellten ,

während die

türkischen noch weiterschossen. Lord Dalhousie versprach Rückbeförderung der Besatzung nach Frankreich, worauf diese sich ergab Es waren noch 268 Mann (einschl.

und um 3 Uhr ausmarschierte. 60 Seeleute

der Flottille) , von

40 Franzosen waren

gefallen.

denen aber nur

160 kampffähig.

Ein gefangener Türke ,

eine

schöne

Französin und mehrere Negerinnen befanden sich unter der Beute. Der Kapudan Pascha war über Dalhousies Eigenmächtigkeit bei Abschliefsung der Kapitulation beleidigt und grofse Mühe ihn zu versöhnen.

Sidney

Smith hatte

Um Alexandria die Verbindung mit dem Innern zu erschweren , hatten die englischen Ingenieure inzwischen am 13. April den Damm zwischen Madjé- und Mareotis - See, über welchen die Strafse und der Kanal zwischen Alexandria und Ramanjé führt, durchstochen . Das Wasser ergofs sich in Strömen in das trockene Bett des Mareotis - See, jedoch erst nach einem Monat war das Niveau der beiden Seeen ein gleiches geworden . Übrigens täuschten sich die Engländer in ihren Bemühungen .

Die Verbindung

mit Alexandria war

allerdings erschwert, aber nicht aufgehoben ; die englischen Kanonenboote konnten wegen der geringen Tiefe des neuen Sees noch nicht einlaufen und dieser bildete einen natürlichen Schutz der Südseite Alexandrias.

Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801) .

132

Nachdem aber durch die Überschwemmung (welche übrigens einem den Engländern in die Hände gefallenen Briefe Menou's ihre Entstehung verdankte) Alexandria leichter überwacht werden konnte, entschlofs sich Hutchinson , die Stellung Spencer's bei El Hamad zu verstärken .

Erst sandte

er am 13. April das 18. , 90. , 79. Re-

giment und eine Abteilung des 11. Dragonerregiments ; am 17. folgten das 30. und 89. , am 18. die Generale Craddock und Doyle , am 23. Anstruther und der Generalstab ,

endlich am 26. Hut-

chinson selbst mit mehreren Regimentern .

Vor Alexandria blie-

ben nur die Brigade Ludlow und Stuart ,

das 54. , 13. , 27., 44.,

23., 28. und 42. Regiment, das Seebataillon (Abukir) und die unberittenen Dragoner des 26. nebst den Husaren, zusammen 8550 Kombattanten, zurück. Coote führte das Oberkommando. Hutchinson's

Armee in El

Hamad

war folgendermaſsen

zu-

sammengesetzt : Brigade Craddock : 8. , 18., 79. und 90. Reg . = 2120 Kombatt. , = 1900 " Doyle : 1. , 30 , 50. und 92. Reg. "

99

Spencer (Reserve) : 2. , 40. , 58. Reg . = 1650 und Korsikaner = 430 Kolonne Oberst Stewart : 89. Reg.

Generalstab

" "

100

Infanterie •

" · = 6200 Kombatt.

Brigade Finch : 12. und 26. Dragoner- Reg. Detachement bei Spencer : 11 . " " " " Stewart : 12. "" "

Kavallerie . Artillerie : 4 Batter. mit 18 Geschützen



=

530 Kombatt ., 60 " 40 "

• =

630 Kombatt.

• =

320 Mann.

Zusammen 7150 Engländer. Dazu an Alliirten : Albanesen bei Stewart's Kolonne (mit 4 Kan. ) = 1500 Mann. Janitscharen bei Hutchinson (mit 8 Kan.) Albanesen bei Spencer . •

• = 1100 = 3700

"

" Syrische Kavallerie (Anfang Mai eingetroffen) = 700 "" Zusammen 7000 Türken. Die Streitmacht Hutchinsons belief sich somit auf 14 150 Mann

und 30 Kanonen , darunter 1430 Reiter. Dieser Armee gegenüber in El Aft hatte Morand nur 1150 Mann mit 4 Kanonen konzentriert ,

nämlich die

von 1400 auf 500

Mann geschmolzene 21. leichte, die 550 Mann von Rosette und 100 Artilleristen.

Zu seiner Verstärkung sandte Morand den General Va-

lentin mit der 69. und dem 7. Husarenregiment nebst terie, zusammen 1000 Mann mit 4 Kanonen, ab.

einer Bat-

Weil aber Ramanjé

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801).

bedroht war ,

WO

nur

200

Mann

133

unter Oberst Lacroix

lagen,

liefs Morand auf Anraten seiner Generale Lagrange mit der Division Reynier (4000 Mann ), 3 Dragonerregimenter (600 Mann) und 5 Batterieen (20 Kanonen ) dahin abgehen . (Reynier lebte, seines Von Ramanjé rückte Kommandos enthoben , in Alexandria . ) Lagrange gegen El Aft vor, General Valentin in Fuá lassend . Ursprünglich sollte auch die 9. unter Oberst Pépin manjé stofsen ;

nach Ra-

am 7. April , nur noch 5 Meilen von dort entfernt,

erhielt sie jedoch von Belliard Befehl , sofort nach Kairo zurückzukehren.

Belliard hatte nämlich erfahren, daſs Jussuf Pascha am

4. mit 25 000 Türken ,

1200 Engländern und 200 Artilleristen von

El Arisch aufgebrochen sei.

Diese Nachricht war falsch ,

genügte , Belliard von nun an ängstlich zu machen .

aber sie

Er wandte sich

an seinen einstigen Gegner und jetzigen Freund Murad Bey und bat ihn (ohne Wissen Menou's) mit seinen Mameluken ,

deren Zahl

sich jetzt auf 1500 Mann belief, zu ihm zu stofsen. Murad Bey war edelmütig genug , seinen Exgegner nicht das Benehmen Menou's entgelten zu lassen. nach Benisuef. Dort wurde 22. April hinweggerafft.

Er setzte sich in Bewegung und kam er von der stark wütenden Pest am

Die Franzosen ,

welche seinen Heldenmut

und seine Seelengröfse bewunderten , bedauerten aufrichtig diesen Verlust und bestatteten ihn zu Sauguj bei Tachta mit allen militärischen Ehren ; da nach Ansicht der Mameluken Niemand würdig war, seine Waffen zu tragen , zerbrachen sie dieselben auf seinem Grabe . Nach seiner letzten Anordnung ging das Kommando auf Osman Bey El Tamburgi *) über, welcher zwar auch die Franzosen den Türken vorzog und ihnen zum Beweis dessen Korn zusandte, aber doch vorsichtshalber neutral blieb. **) Anfang Mai war die französische Armee somit folgendermaſsen verteilt : In Alexandria stand Menou mit 10 400 Mann , von denen jedoch 2700 verwundet waren. dabei nicht eingerechnet.)

(Die 1800 Seeleute der Schiffe sind

In der Stellung

El Aft - Ramanjé

hatte Lagrange mit den von Robin herangeführten 1500 Mann - 8800 Kombattanten mit 28 Geschützen ; Belliard verfügte in

*) So genannt, weil er vorher bei den Mameluken Trommler gewesen. ** Aus Wilsons Werk scheint übrigens hervorzugehen , dafs Murad ein Doppelspiel getrieben, indem er kurz vor seinem Tode an die Engländer geschrieben und sie um ihren Schutz gegen Türken und Franzosen gebeten , " welche er beide glühend hasse". Danach hätte er auch den Marsch nach Benisuef nur unternommen, um sich mit der englischen Armee zu vereinigen. Unmöglich ist dies alles nicht, besonders nach dem unverschämten Benehmen Menou's.

134

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .

Kairo über 8000 Mann, zu welchen noch die Besatzungen von Damiette (480 Mann) und Burlos müssen. Von

den

Engländern befanden

(150 Mann)

sich

gerechnet werden

8000 unter Coote vor

Alexandria , 5000 (davon 4500 Verwundete und Kranke) in Rosette und Abukir , 7150 (nebst 5000 Arnauten, 1200 Janitscharen und 800 eben eingetroffenen syrischen Reitern) unter Hutchinson bei El Hamad , gegenüber Lagrange. Auf Andrängen Hussejn Paschas war Sidney Smith zurückberufen worden und Oberst Montresor (des 18.) Rosette ,

wo

begonnen hatten. gen ,

Befehlshaber in

die Türken bereits mit der Ermordung der Christen Um einem allgemeinen Christenmassacre vorzubeu-

erzwang Hutchinson aber von Hussejn Pascha

liches strenges Verbot.

ein diesbezüg-

Übrigens machten die Türken ihren Alliirten

viel zu schaffen , da sie nach ihrer Gewohnheit hausten. leute von Rosette z . B. mufsten Engländer und des

Die Kauf-

dem Kjaja gegen den Befehl der

Kapudan 25 000 Piaster zahlen ,

da

er ihnen

drohte, sie erdrosseln zu lassen, wenn sie ihn verrieten. Die Einnahme von Ramanjé durch die Verbündeten. Am 4. Mai wurde

der Oberst Stewart mit dem Kommando

einer fliegenden Kolonne betraut ,

welche

aus

dem 89.

Regiment,

40 Dragonern, 1500 Albanesen , zusammen 2000 Mann mit 10 Geschützen (2 Zwölfpfünder, 2 Haubitzen, 2 Sechspfünder und 4 türk . Feldgeschütze) bestand .

Er überschritt an diesem Tage vormittags

9 Uhr den Nil ; am jenseitigen Ufer besetzte man den Kanal von Berimbal und das Dorf dieses Namens. Am 5. begann die ganze kombinierte Armee stromaufwärts den Vormarsch ; Stewart am rechten, die Hauptarmee mit einer Avantgarde , Ufer.

Die Verbindung wurde

unter Spencer ,

am linken

durch 5 englische und 10 türkische

Kanonenboote, 10 englische nnd 15 türkische Dschermen hergestellt, welche unter Befehl

der Kapitäne Stevenson , Curry und Mor-

rison , sowie des Kapudan standen. Fess ,

welcher

Mulaj Mohamed , Prinz von

ein Rädelsführer der egyptischen Insurrektion wäh-

rend des Feldzuges

nach Syrien gewesen ,

schlofs

sich mit seinen

Begleitern den Engländern an. Am 6. brachten Araber die Köpfe von 4 Franzosen, welche sie bei dem Überfalle eines französischen Detachements von 16 Mann erbeutet.

Bei dieser Gelegenheit zwang Hutchinson den Groſs-

admiral ein Verbot gegen das von den Türken beliebte Martern und Köpfen der Gefangenen zu erlassen , doch hatte dies keinen Erfolg.

135

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .

Am nächsten Tage erwartete Hutchinson den Tahir Pascha mit 2000 Reitern, welche nach einer Mitteilung des Grofsvesiers am 6. eintreffen sollten.*) Am 6. Mai kam ein bei El Aft stationiertes französisches Kanonenboot hervor und begann eine Kanonade gegen Stewart , worauf auch Tirailleurs

sichtbar wurden .

Stewart liefs sofort seine Artil-

lerie auffahren , während die Albanesen dasselbe thaten . zösische Kanonenboote suchten zu forcieren ,

Vier fran-

unter diesem Feuer die Durchfahrt

allein zwei wurden von den albanesischen Batterieen

in den Grund gebohrt und eins zerstörten die Franzosen selbst . Das vierte entkam . 26 Dschermen , welche zurückgelassen worden, fielen den Alliirten zur Beute. Am folgenden Morgen entdeckte ein türkisches Streifcorps , dafs El Aft nächtlicherweile von den Franzosen geräumt worden ; gleichzeitig wurde die verlassene Stellung von einer britischen Patrouille besetzt . Nachdem dann auch an diesem Tage 700 jämmerlich aussehende syrische Reiter Tahir Paschas

eingetroffen waren ,

besetzte

man am 8., ohne Widerstand zu finden, Fuá und marschierte gegen Ramanjé , wo Lagrange inzwischen seine ganze Macht konzentriert hatte . Er stand mit dem Rücken dicht an den Nil gelehnt ; sein Zentrum befand sich um das Fort herum, sein rechter Flügel zwischen Nil und Alexandria-Kanal, im Rücken durch die gesamte Kavallerie gedeckt.

Der linke Flügel stand zwischen dem Fort und der Stadt

Ramanjé , ebenfalls zwischen Nil und Kanal. Wenn es Lagrange's Absicht gewesen wäre, sich ganz einschliefsen und dann durch einen

*) Jussuf Pascha war nämlich am 12. März von Gedrié aufgebrochen und am 15. in Gasa angekommen , wo er bis zum 22. rastete, weil in El Arisch die Pest wütete (sie hatte in einem Monat die 4000 Mann starke türkische Besatzung auf 1500 reduziert). In Gasa teilte er seine 16 000 Mann starke Armee in 3 Divisionen, deren eine er selbst kommandierte, während Tahir Pascha und Mehemed Pascha die anderen befehligten . Am 22. wurde Tahir Pascha mit 3000 Mann 5 Kanonen vorgeschoben , am 28. langte der Grofsvesir in El Arisch an , wo er durch Major Misset von der Schlacht bei Ramlé hörte . Am 2. April rückte Tahir Pascha gegen Katjé , am 5. folgte Mehemed Pascha , am 20. der Grofsfürst selbst, welcher dort am 24. anlangte und sofort nach Salhejé marschierte, welches er am 27. ohne Widerstand besetzte. Am 30. forderte er Kairo zur Übergabe auf und marschierte nach Ablehnung am 7. Mai bis Korajm. Bei seiner Armee befanden sich 42 Engländer : Oberstlieutenant Holloway leitete als Generalstabschef, Major Hope befehligte die Artillerie , Kapitän Leake leitete die Avantgarde , (Tahir Pascha mit 2000 syrischen und 1000 arabischen Reitern) , Kapitän Lacy deren Unterstützung (Mehemed Pascha mit 5000 Arnauten). Tahir Pascha sandte aber blos 700 syrische Reiter über Katjé und Damiette zu Hutchinson.

136

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .

Angriff bis auf den letzten Mann in den Nil werfen zu lasssen, hätte er keine bessere Stellung einnehmen können . Die Alliirten brachen am 9. Mai um 5½ Uhr früh auf. Oberst Stewart rückte mit seinen 2000 Mann und 10 Geschützen am rechten Nilufer gegen Dessug , Oberst Murray mit der Avantgarde am

linken Ufer gegen Mehallet Daut vor (nordwestlich

manjé), wo sich ihm ein Arabertrupp anschlofs.

von Ra-

Um die französische

Stellung zu rekognoszieren , ritt Murray mit Major Birch den Kanal entlang gegen

den französischen

rechten

Flügel ,

während

Major

Wilson (der Autor des oft citierten Werkes) mit einigen Arabern auf Ramanjé zu ritt, dadurch den linken Flügel erkennend .

Für La-

grange's meisterhafte Aufstellung spricht der Umstand , dafs Wilson sich der Stadt auf 400 Yards nähern konnte , ohne angegriffen zu werden, und dann, als dies geschah, und überdies eine Division des rechten Flügels gegen Murray hervorbrach ,

konnte es ihm noch ge-

lingen, mit heiler Haut zu entkommen ! Als Murray und Wilson die Nachricht von der ungeschickten Aufstellung Lagrange's brachten , wollte Hutchinson dies gar nicht glauben.

Obwohl er die Franzosen für schwächer hielt, als sie waren

(auf Grund eines älteren in El Aft gefundenen Dokumentes glaubte er , es nur mit 3931 Mann zu thun zu haben) , that er doch gar nichts , um Lagrange einzuschliefsen , er beschränkte sich vielmehr darauf, eine Demonstration zu machen, welche Lagrange einschüchtern und zum Rückzuge zwingen sollte . Er liefs nämlich die Türken gegen die Flanke des französischen rechten Flügels Stellung nehmen, während er seinen rechten Flügel in Mehallet Daut aufstellte . Unterdessen hatten die

syrischen Reiter einen Vorstofs gegen

den französischen rechten Flügel gemacht. gonerregimenter rückten

zu

Drei französische Dra-

dessen Schutz vor und

begannen zu

scharmützeln .

Da beide Teile gleich stark waren, kam es zu keiner

Entscheidung.

Hutchinson liefs daher das 12. Dragonerregiment mit

2 Kanonen links abschwenken

und eingreifen.

Es wurde aber von

2 aufgefahrenen französischen Geschützen beschossen und erlitt einige Verluste, da es seltsamerweise, statt durch einen energischen Angriff die Batterie zu nehmen ,

im Feuer Halt machte ,

eigenen Geschütze spielen zu lassen .

um

Das Resultat war ,

erst

seine

dafs

die

Engländer und Türken nach einiger Zeit zurückgehen mussten, ohne etwas erreicht zu haben .

Auch auf dem englischen rechten Flügel

begann ein leichtes Geplänkel. Während dieser Affaire waren Stewart und die Flottille nicht unthätig geblieben .

Letztere rückte mit Benutzung einer günstigen

Die französische Expedition nach Egypten (1798--1801) .

137

Brise vorwärts und begann mit der französischen Flottille Landtruppe eine heftige Kanonade. Stunde vor Dessug Halt gemacht ,

und den

Stewart hatte anfangs eine halbe da er bei diesem Dorfe feind-

liche Reiter antraf und mit Übermacht angegriffen zu werden fürchtete. Lagrange liefs zu seiner Unterstützung 300 Grenadiere , 200 Husaren und 2 Kanonen an das rechte Ufer zu setzen , welche bei der Moschee Stellung nahmen. Inzwischen kam die englische Flottille herauf und suchte diese 500 Franzosen vom Hauptcorps abzuschneiden .

Aber zwei am Ein-

gang jenes Seitenarmes errichtete Batterieen, welcher den Hafen von Ramanjé bildet, zwangen die Fahrzeuge zum Rückzug , nachdem sie eine Dscherm in den Grund gebohrt. Jetzt sandte Stewart unter Lord Blaney vor.

die Grenadiere Es

Rückzuge zu bewegen und ungehindert hinüber.

des 89.

gelang diesem ,

und 6 Kanonen

die Franzosen

schifften

zum

sie nach Ramanjé

Blaney folgte und nahm hinter dem Damm Stellung, wäh-

rend Kapitän Adye mit der Artillerie in den Hafen hinüberschofs , aus dem eben 70 französische Dschermen zu entfliehen suchten . Nachdem aber eines der Kanonenboote in den Grund gebohrt worden, gingen die übrigen wieder zurück , worauf auch die Engländer ihr Feuer

einstellten .

Stewart legte

das 89. hinter den

Damm ,

gegenüber der Hafenmündung, zu beiden Seiten lagerten die Albanesen. Diese pflanzten ihrer Gewohnheit gemäss ihre zahlreichen Fähnlein auf den Damm , dadurch der französischen Artillerie ihre Stellung verratend, was für sie von nachteiligen Folgen begleitet war. Das Detachement des 12. Dragonerregiments

nahm im Dattelwald

zwischen dem Dorfe Dessug und dem Nil Stellung .

Die türkische

Flottille, welche sich mittlerweile der englischen angeschlossen , in das Feuer ein.

fiel

Um 4 Uhr nachmittags ging Hutchinson an den Kanal vor ; die Korsikaner und 26. Dragoner bildeten bei Mehallet Daut den äufsersten rechten Flügel.

An sie schlofs sich das in Kolonnen auf-

gelöste

Die

2. Regiment an.

übrigen

10 Regimenter

einer langen Linienfront gegen den Kanal.

standen in

Links von ihnen , durch

einen grofsen Zwischenraum getrennt, befanden sich die Türken. Auf diese Bewegung hin setzte sich die gesamte franz. Kavallerie mit 6 Kanonen in Bewegung und ritt jenseits des Kanals nach Südosten, in der Mitte zwischen Mehallet Daut und Lakanné Halt machend. Während dieses wurden sie von schossen.

Manövers

(des einzigen

zwei vorgezogenen

vernünftigen Lagrange's)

englischen Kanonen

Jetzt war den Engländern

die Einschliefsung

stark beder fran-

138

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .

zösischen Armee erschwert , gesetzt waren.

indem jene

Bei der Übermacht der

einem Flankenangriff ausenglischen Armee

hätte

übrigens Hutchinson wenigstens einen Versuch unternehmen können , er liefs sich aber imponieren und begnügte sich mit einem Geplänkel . Statt auf Vernichtung des Feindes einzugehen, hatte er sich blos ein Zurückdrängen zum Ziel gesetzt . Daher sandte er den Kapitän Brice zu Stewart, um nächtlicherweile eine Batterie für die 10 Geschütze zu errichten , deren Feuer die französische Stellung unhaltbar machen sollte . Gegen Abend befahl er , Linie einzustellen . Nun waren

das Feuer auf der ganzen

aber 200 Türken unterdessen immer näher an die

französische Stellung herangeschlichen, von der sie zuletzt blos noch 100 Yards entfernt waren .

Sie konnten daher nicht gut zurückgehen,

ohne entdeckt zu werden .

Statt aber in möglichster Auflösung den

Rückzug anzutreten ,

um so

den Franzosen wenig Ziel zu

bieten ,

sammelten sie sich in einen Rudel, sprangen plötzlich auf und liefen schnell davon .

Die erstaunten Franzosen gaben eine Salve ab und

brachen dann mit Hurrah hervor.

Hutchinson , welcher ein Über-

denhaufenwerfen des ganzen türkischen Corps befürchtete, liefs schnell die Brigade Doyle links abschwenken und gegen die Franzosen rücken . Diese zogen sich nunmehr wieder zurück . Den Türken hatte dieser unbesonnene Rückzug 50 Mann gekostet . falle der Franzosen feuerten sie ab.

Gegen

11

Uhr begann

Aus Angst vor einem Über-

die ganze Nacht über ihre Flinten

auch Stewart's Artillerie ,

zösische Dscherm zu beschiefsen , zwang sie dadurch zur Rückkehr.

welche

eine fran-

zu entfliehen suchte , und

Etwas später glitt Kapitän Curry

mit den englischen Dschermen an Ramanjé vorbei , in dessen Hafen jetzt die französische Flottille eingeschlossen war. Am andern Morgen wollte eben die von Brice errichtete Batterie ihr Feuer beginnen , als ein französischer Offizier in einer Dscherm erschien und die weifse Fahne schwenkte. Es stellte sich jetzt heraus ,

dafs Lagrange in der Nacht den Rückzug bewerk-

stelligt und blos im Fort eine Besatzung von 110 Mann und 18 Kanonen gelassen hatte .

Die Kanonenboote hatte

man versenkt ,

die

80 Dschermen hingegen unversehrt den Alliirten zur Beute gelassen und auch die reichen Zwieback- , Schnaps- und Mehlmagazine nicht vernichtet.

Lagrange

scheint

also Menou's würdiger Generalstabs-

chef gewesen zu sein . Die ganze Affaire hatte den Engländern 36 Mann gekostet, nämlich 2 tote, 4 verwundete Offiziere ; 8 tote, 22 verwundete Gemeine ;

Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801) . 10 tote, 5 verwundete Pferde.

139

Der Verlust der Türken belief sich

auf etwa 150 , jener der Franzosen auf 100 Mann. Am

selben Tage ging Lieutenant Drake

mit

30 Dragonern

vom 12. Regiment Wasser holen , als er Flintenschüsse vernahm . Diesen folgend gewahrte er eine französische Dragonerschwadron des 22. Regiments im Kampf mit Arabern . gaben sich die Franzosen.

Bei seinem Herannahen er-

Es waren noch 3 Offiziere und 50 Mann.

Der Adjutant und 5 Mann waren verwundet , 1 Sergeant getötet. Die Schwadron kam von Alexandria und sollte Lagrange Depeschen bringen. In Ramanjé blieb

eine Besatzung von 300 Türken ;

setzte sich am 11. morgens gegen Kairo in Bewegung.

der Rest In Sche-

brachit wurde Halt gemacht und Major Montresor zum Grofsvesir nach Belbejs gesandt.

Er sollte ihn bewegen , auf Sues zu

marschieren, woselbst Admiral Blanket Ende April die Avantgarde der indischen Hilfsarmee Baird's ans Land gesetzt haben sollte . *) Am 12. abends

lagerte Hutchinson in Kafr Haudeg ,

Ferastak ,

der Mündung

rastete man.

an

des

Stewart

gleichnamigen Kanals.

in

Am 13 .

Abends wurde dann Wilson zum Grofsvesir gesandt,

um ihm von jeder Schlacht abzuraten , ihm vereinigt.

bevor

sich Hutchinson mit

Am 14. setzten die Alliirten ihren Marsch fort.

Bei Eschlime

hörten sie Flintenschüsse und gewahrten bald darauf einen bedeutenden Convoi , den Rest der französischen Flottille unter Eskorte von 250 Mann , welche sich seit 2 Tagen mit verfolgenden Arabern im

Kampf befanden .

Sie

waren

von Kairo geschickt und den

Menuf-Kanal herabgekommen, daher sie Lagranges Truppen nicht begegneten und von dem Vorgefallenen nichts wufsten . Als die Franzosen die ersten Albanesen von Stewart's Kolonne erblickten, schifften sie

*) In Wirklichkeit war diese Absicht infolge der veränderten Situation nicht zur Ausführung gekommen. Das indische Hilfscorps , unter Befehl des Generalmajors Baird, und mit Nichtkombattanten 7619 Mann stark, landete vielmehr erst am 14. (nach anderen Nachrichten am 21.) Mai von Bombay und dem Kap der guten Hoffnung aus an der Ostküste Ober- Egyptens in Kossejr mit den ersten Truppen und trat von dort nach Beschaffung von 5000 Kamelen in der Zeit vom 20. Juni bis 20. Juli den Marsch nach Kenné an. Daselbst wurde es auf den Nil zunächst nach Kairo geschafft, wo die letzten Truppen am 10. August eintrafen. Am 31. Aug. ist alsdann die Division bei Rosette versammelt , von wo Baird am 1. September nach Alexandria ging. Die Division ist während des ganzen Feldzuges nicht zur Thätigkeit vor dem Feinde gelangt , soll aber nach den „ Commentaires 200 Tote, 1100 Kranke und 400 Deserteure gehabt haben ; mein Gewährsmann spricht sogar von 2000 Mann, welche die Pest geraubt habe.

140

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .

sich

auf dem linken Ufer

Dattelwald.

aus

und verschanzten

sich in

einem

Die Albanesen liefsen sich von den Arabern nun eben-

falls überfahren und griffen , unterstützt von der eben eintreffenden Avantgarde des Kapudan die Franzosen wütend an. Diese hielten sich tapfer, bis sie Lieutenant Diggins mit Dragonern herannahen sahen. Dann boten sie Übergabe an, wenn er ihr Leben verbürgen wolle.

Er that es auch ,

trotz

der Einsprache

der Türken .

Beute war unermesslich : Kleider , Weine , Schnaps , schütze und 125 000 Francs .

Die

12 schwere Ge-

Zwei Negermädchen wurden den Ge-

fangenen vom Kapudan weggenommen.

Abends lagerte Hutchinson

in Schabur , Stewart in Kafr Sajad . 13. in Kairo angelangt.

Lagrange war schon am

Sechszehnter Abschnitt.

Der Verlust Egyptens .

Der Marsch gegen Kairo . In Kairo hatte Belliard ,

wie erwähnt ,

nach Absendung Ro-

bins die zu seinem Corps gehörigen Besatzungen von Lesbé

und

Burlos

abgerechnet , *) 8000 Mann 22 Kanonen zur Verfügung , **) von denen mindestens 7500 vollkommen kampffähig waren . Am 13 .

stiefs Lagrange mit 8600 Mann 28 Kanonen zu ihm , was seine Streitmacht auf 16 100 Mann 50 Kanonen brachte . Damit liefs sich schon eine Entscheidungsschlacht liefern .

Wenn Belliard 1600

Mann in der Citadelle liefs , wo sie vollständig hinreichten, eine Belagerung von 14 Tagen auszuhalten ,

konnte er den Grofsvesir, der

am 9. bei Belbejs angekommen war , mit 14 500 Mann und 50 Kanonen angreifen.

Jussuf Paschas Armee war zwar durch 40 Eng-

länder und etwa 8000 Insurgenten (Araber und Egypter ,

lediglich

auf Raub spekulierendes Gesindel) auf 21 000 Mann gebracht worden (von denen er jedoch nur 18 000 zur Hand hatte) , aber Heliopolis hatte gezeigt, was die türkischen Truppen damals wert waren . Belliard schien auch

ein neues Heliopolis zu beabsichtigen , denn

am 15. rückte er dem Grofsvesir entgegen. unverzeihlichen Fehler,

Er beging jedoch den

10 000 Mann

unter Almeras in Kairo zu

lassen und nur 4600 Mann Infanterie ,

900 Reiter und 500 Artille-

*) Am 4. April bereits war die Sprengung von Salhejé und Belbejs angeordnet worden. **) Donzelot war mit seinem Corps am 6. April eingetroffen; die Besatzungen von Salhejé und Belbejs am 14.

141

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ). risten, zusammen 6000 Mann 24 Geschütze, mit sich zu nehmen.

Die

Entschuldigung, er habe eine Überrumpelung Kairos durch die Engländer verhüten wollen , ist nicht stichhaltig. Denn Hutchinson stand am 16. erst in Alkam und überdies hatten 1600 Mann in der Citadelle so wenig zu besorgen als 10 000 , doch ungenügend waren ,

gegen die Engländer

welche schliesslich das offene Feld zu

behaupten. Am 15. Mai marschierte Belliard aus, plänkelte abends mit den türkischen

Vorposten und stiefs

anderen Tags bei Tagesanbruch

unweit El Menajr auf die feindliche Armee. Der Grofsvesir hatte Tags

zuvor Major Wilson

empfangen ,

sich aber geweigert, seinen Ratschlägen Gehör zu schenken .

Er be-

hauptete, längeres Zuwarten oder gar Rückzug würden seine Armee zur Auflösung bringen ,

zudem

habe

er

im Falle einer Niederlage

nicht zu befürchten , dafs ihn Belliard weit verfolgen würde . Auf die Nachricht vom Anrücken desselben sandte Jussuf Pascha 3000 Reiter und 3 Kanonen unter Tahir Pascha gegen El Menajr , mit dem Befehl, die französische Armee in der Nacht zu beunruhigen . Belliard hatte unterdessen bei El Men ajr eine Schlachtordnung gebildet, welche jener Kleber's bei Heliopolis nachgemacht war, die Infanterie in zwei Carrés unter Lagrange und Robin an den Flügeln , die Kavallerie im Zentrum . Um 8 Uhr morgens wurde Tahir Pascha durch 1500 Reiter

verstärkt und begann den Angriff von der einen Seite, während Me hemed Pascha mit 5000 Albanesen und Reitern nebst 9 Kanonen auf der anderen Seite

manövrierte .

Da jedoch keiner von Beiden

sich in ein ernstliches Gefecht einliefs , rückte Belliard langsam aber Der Grofsvesir wich aber auf Benulhissar (Benerstetig vor. hasse) zurück ,

weil Holloway ihm ernstlich von einer Entschei-

dungsschlacht abriet.

So weit zu

folgen zögerte Belliard , welcher

besorgte , von Kairo weggelockt und abgeschnitten zu werden , denn ein Reitertrupp hatte sich von den Türken getrennt und suchte in weiter Ferne die Franzosen zu umgehen . Er ordnete daher den Rückzug an ; sein Verlust in dem Gefechte hatte 50 Mann, jener der Türken etwa 250 Mann betragen. Am 17. abends erhielt Hutchinson in Alkam Nachricht vom Gefecht bei El Chanka , welches die Türken für einen Sieg ihrerseits ausgaben. Dem Grofsvesir unterstellte sich Stewart tags darauf bei Menuf,

nachdem

er noch durch das 30. Regiment und

11. Dragonerregiment (450 Mann) verstärkt worden die Albanesen dem Kapudan zurückgab .

Am 21.

war ,

hingegen

besetzte Stewart

142

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .

Birts champ , woselbst er bis 4. Juli blieb, während sich Hutchinson's Truppen bei Alkam nicht rührten . Dieser selbst hatte mit Hussejn Pascha am 23. das Lager verlassen und war am 24. bei Jussuf Pascha eingetroffen, wo beide bis 27. blieben. Krankheiten hatten Hutchinsons Armee sehr geschwächt. 1460 Mann waren krank, daher konnte er nur noch über 5500 Engländer und 6000 Türken verfügen , das Corps Stewart's ( 800 Mann ) eingerechnet. Hutchinson fühlte , dafs er bei seiner Schwäche einer Niedersehr ausgesetzt war.

lage

Deshalb sah

er es gern ,

dafs Jussuf

Pascha nach der Affaire von El Chanka mit ihm in Fühlung blieb. Ausserdem stiefs am 30. auch Osman Bey El Tamburgi mit 1200 Mameluken zu den Alliirten. Am 1. Juni setzte sich nun endlich Hutchinson in Bewegung. General Lawson und der Geniekommandant Kapitän Brice wurden nach Rosette gesandt, um Belagerungsartillerie für Kairo herbeizuholen .

Am 3. erfuhr Hutchinson ,

dafs Murray mit dem Vortrab

der indischen Armee in Kossejr gelandet und Ende Mai von Malta her 1000 Mann Verstärkung eingetroffen , 28. und 42. Regiment vor Alexandria Anmarsch seien.

so dafs infolgedessen das

entbehrlich geworden und im

Durch diese Nachrichten, zu denen sich noch jene

der Wegnahme von Lesbé , Damiette und Burlos gesellte, etwas erleichtert , fort.

setzte Hutchinson

am 4.

seinen Marsch auf Lokmas

Auch Stewart verliefs an diesem Tage sein bisheriges Lager

und vereinigte

sich am nächsten Morgen mit dem Grofsvesir

bei

Schubra el Schaabi , während Hutchinson Wardan erreichte. Am 7. kam letzterer bis Om Dinar ,

wo der Nil sich in die beiden

Arme spaltet , am 9. bis Seki , während der Grofsvesir gleichzeitig bis Charlahan vorrückte . Dann rasteteten beide Armeecorps , um Baird mit der indischen Armee den Nil gewinnen zu lassen , damit Belliard bei einem etwaigen Rückzug nach Oberegypten aufgehalten werden könne. Erst am 15. Juni rückten Hutchinson und Jussuf Pascha

nach Tanasch

bez .

Besus

vor

anderthalb

Stunden

vor Kairo . Am selben Tage liefs Hutchinson durch einen Mameluken Belliard zur Übergabe auffordern, was dieser natürlich ablehnte .

Daher

rückte Stewart nach Schubra el Chejmé vor und Hutchinson besetzte Zenejn und Warak el Hader.

Ihm schlossen sich rechts

die Mameluken in Beschtil an (deren Vortrab Embabé besetzte) , während der Kapudan den äussersten rechten Flügel einnahm . In den nächsten Tagen wurde fleifsig rekognosziert.

Noch am 16. hatte

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ).

143

über den Nil zwischen Schubra und Am 19. war sie vollendet und ermöglichte die

man den Bau einer Brücke Besus beschlossen .

Verbindung des Grofsvesirs mit Hutchinson und dem Kapudan . bestand aus 60 Dschermen und war 160 Yards lang.

Sie

Anfangs lag es in Hutchinson's Absicht, Kairo direkt anzuallein die Furcht , Belliard möchte über Dschisé ausfallen oder auch zurückgehen, bewog ihn noch am 19. abends, Gegenbefehl

greifen ;

zu geben. Darüber entrüstet, wollten die türkischen Soldaten Kairo auf eigene Faust stürmen, doch gelang es dem Kapitän Marley , sie zu beruhigen.

Tiser Pascha bei

Stewart nahm hinter Elmini ,

Eisawoj (Iznuj) , Ibrahim Pascha vor Haleb bei Schubra , Jussuf Pascha selbst bei Dimjet Stellung. Am 21. morgens

rückte

Hutchinson

zwischen Dakrur und

Senin gegen Dschisé vor. In seiner Rechten bei Tehurmis stand Hussejn Pascha mit den Mameluken im Rücken. Von letzteren attackierten Osman Bey Hassan und Mohamed Bey el Elfi

mit

einigen anderen die französischen Vorposten und trieben sie bis in die Werke , zogen sich dann aber in guter Ordnung zurück , obwohl sie durch Kartätschenschüsse etwas gelitten . Hierauf besetzten die Mameluken Sachit - Michk , so dafs Dschisé nun vollständig eingeschlossen war.

In Telbjé ,

unweit davon ,

wurde ein Depot für

schweres Geschütz errichtet und ein engl. Offizier mit 500 Albanesen, welche durch Oberstlieutenant Lindenthal (der beim Kapudan seit 2 Monaten Generalstabsdienste verrichtete) gut gedrillt worden, stellte sich zum Angriff auf.

Am 21. trafen die Generale Moore , Oakes

und Hope ein, welch letzterer die beiden aus Alexandria abgerückten Regimenter brachte, durch welche die Zahl der Kairo umschliefsenden Truppen auf 30 500 Mann anwuchs .

Die Kapitulation von Kairo. Belliard hatte dem allen ruhig zugesehen, ohne zu einem energischen Entschlufs

zu kommen.

Jetzt war

es

natürlich zu spät ,

sich etwa nach Alexandria durchzuschlagen . Noch konnte man wenigstens die Waffenehre retten , wenn man sich mit den verfügbaren 12 500 Mann auf die Türken warf und sie schlug , länder über die Brücke zu Hülfe kommen konnten.

bevor die EngAber die Fran-

zosen schienen wie gelähmt. Belliard rief einen Kriegsrat zusammen, in dem es sehr lebhaft zuging.

Lagrange

machte Belliard gegründete

Vorwürfe

wegen

der bisherigen Unthätigkeit, dann aber gab er das naive Votum ab , man möge erst Menou's Ansicht einholen ! Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

Der Kommandant der 10

144

Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801) .

Citadelle, Oberst Dupas , sprach die vernünftige Idee aus, einen Angriff wenigstens zu versuchen , da man auch nach einer Niederlage zur Kapitulation noch immer Gelegenheit haben werde . Donzelot vertrat die Ansicht , sich nach Oberegypten zurückzuziehen und daselbst den Widerstand möglichst zu verlängern ; Morand machte den Vorschlag, sich durch die Türken nach Damiette durchzuschlagen. Der Genieoberst Hautpoul stimmte dem bei. Die Generale Duranteau und Valentin waren hingegen auf Dupas' Seite. war schliesslich der Ansicht ,

Belliard

dafs jeder Widerstand vergeblich sei .

Er sandte am 22. Juni morgens Unterhändler zu Hutchinson , mit dem man endlich am 27. vereinbarte , dafs die dem General Belliard unterstellten französischen Truppen den Kampf einstellen , mit ihren Waffen , Gepäck u. s. w. nach Rosette eskortiert und von dort nach Frankreich befördert wreden sollten . Waren die Engländer schon durch die unerwartete Kapitulation so vergröfserte sich noch ihr Erstaunen, als sie erfuhren, die französische Armee sei 14 350 Mann stark, habe 50 Kanonen und 367 Geschütze im Park, 2000 Centner Pulver, 70 000 Ge-

freudig überrascht ,

schosse und riesige

Magazine .

13 930 eigentliche Soldaten ,

Unter jener

Zahl befanden

darunter 800 Kranke ,

sich

500 Veteranen

und 760 Eingeborene (die Anderen waren alle desertiert). Der Rest bestand aus 344 Seeleuten der Nilflottille und 82 Civilpersonen.

Am 28. Juni wurde das Fort Sulkovski vom 30. Regiment, das Pyramidenthor von den Grenadieren und der Leibwache des Kapudan besetzt. Oberst Paget ging als Geisel in das französische, Oberst Langlois in das englische , Oberst Touissard in das türkische Lager. Am 2. Juli wurde Oberst Montresor mit der Siegesdepesche nach London gesandt. Man hatte in der That Grund , sich zu freuen , denn selten hat Glück und Zufall eine Armee so sehr begünstigt als die englische Invasionsarmee . Wenn man Wilsons Bericht über den traurigen Zustand des englischen und den jämmerlichen des türkischen Heeres vor Kairo liest, begreift man, dafs die Engländer noch nach der Kapitulation besorgt waren, die Franzosen möchten ihren Entschlufs bereuen und zu den Waffen greifen . Wilson läfst durchblicken, dafs in diesem Falle die alliirte Armee trotz der beiden okkupierten Punkte in eine kritische Situation geraten wäre. Daher vermieden es auch die Briten, den Franzosen zu irgend welchem Zwist Anlaſs zu geben. Als am 4. Juli Major St - Genies mit 100. Dromedariern vor dem Pyramidenthor erschien, wagte es die englische Wache nicht, ihn aufzuhalten . Corps gelang ,

Der Umstand, dafs es einem solchen

durch alle Posten und mitten durch die Armee un-

145

Die französische Expedition nach Egypten (1798-801 ) . gesehen zu kommen , wahr.

klingt geradezu fabelhaft,

und ist dennoch

Ja es heifst sogar, dafs die Dromedarier schon am 28. Juni

vor Kairo erschienen waren und bis zum 4. Juli um die Pyramiden herumschlichen, bis sie einen günstigen Moment erspähten . dem wurden sie von niemandem bemerkt !

Und trotz-

Die Engländer , als sie

erfuhren, der Major bringe Depeschen von Menou , gerieten in Aufregung, da sie fürchteten , Belliard werde die Kapitulation widerrufen . Indes geschah dies nicht.

Im Gegenteil, die Dromedarier liefsen sich

in die Kapitulation einschliefsen . Am 6. Juli kam der Grofsvesir, um Revue abzuhalten .

Er kam

eben recht , der feierlichen Abholung des Sarges Kleber's beizuwohnen. Die Franzosen wollten nämlich den Leichnam dieses berühmten Feldherrn , den sie nach Wilson's Zeugnis geradezu vergötterten, nach Frankreich mitnehmen . Unter Kanonendonner, in welchen die Engländer aus Hochachtung mit einstimmten , und mit vielem Prunk wurde der Sarg aus der Bastion von Dschisé geholt. Am 10. räumten alsdann die Franzosen Kairo . Wie eine Sündflut ergofs sich die türkische Armee

in die Stadt und begann trotz

der Konvention und trotz Abmachungen der Engländer ihre übliche Wirtschaft. Einzelne Häuser wurden geplündert , einzelne Kaufleute ermordet. Des Grofsvesirs erstes Geschäft war , entgegen dem Wortlaut der auch von den Engländern unterschriebenen Konvention, alle mohamedanischen Frauen , welche im Verdacht standen, mit den Franzosen verkehrt zu haben ,

ins Wasser werfen zu lassen.

70 französischen Frauen fanden beim Konsul Rosetti Schutz . ) Janitscharen prefsten

die Kaufleute ,

indem sie

(Die Die

dieselben zwangen,

sie als „ Wächter" gegen etwaige Plünderungen aufzunehmen und ihnen dafür das halbe Erträgnis der Tageseinnahmen abzuliefern . Es bleibt eine Schande

für die stolzen Briten ,

dafs

sie

sich mit

solchem Gesindel abgaben, es als ihre ཧ Alliirten " betrachteten. Am 15. Juli räumten die Franzosen auch Dschisé und begannen ihren Marsch nach Rosette , eskortiert vom General Moore *) und dem Kapudan .

Seltsames Schauspiel !

mit Waffen und Gepäck , eskortiert von Corps Briten und Türken !

Eine französische Armee einem halb so schwachen

Am 31. Juli begann hierauf beim 99 Viereckigen Hause" die Ein*) Zu Moore's Division wurde das 30. Regiment gesellt , während Stewart dafür das Detachement des 86. bekam , welches , wie schon erwähnt , unter Oberst Lloyd in Sues gelandet war, von wo es am 7. Juni abmarschierte und am 10. beim Grofsvesir eintraf, nachdem es durch die Hitze furchtbar gelitten und ein Dutzend Leute verloren hatte. 10 *

146

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .

schiffung der Franzosen , welche bis zum 9. August währte. Oktober landete die Armee in Frankreich .

Im

Weiteres Mifsgeschick der Franzosen . Wie es kurz vor der Invasion, nach der von Murad Bey erhaltenen Nachricht, Menou's

einzige Sorge war nicht etwa Verteidigungsmafsregeln zu treffen, sondern --- die Artilleriepferde beschnei-

den zu lassen ,

so hielt er es jetzt

für seine wichtigste Pflicht als

Obergeneral , die Backöfen und Fleischbänke in Alexandria täglich zu visitieren und alles Andere - dem Fatum zu überlassen. Er war ja Muselmann geworden ! Er hatte in Alexandria noch 11 900 Mann , ohne 680 Civilpersonen, von denen nötigenfalls 3-400 bewaffnet werden konnten. Von ersteren waren jedoch 2500 Verwundete und 1500 Seeleute der im Hafen liegenden Schiffe.

Zu

einem Ausfall konnte man

also nur

etwa 8000 Mann verwenden , immerhin genug , um wenigstens einen Überfall des englischen Lagers zu versuchen, in dem sich nur 8000 Mann befanden , die sich später durch Krankheiten auf 5000 reduzierten . Menou kam ein solcher Gedanke nicht in den Sinn ; Lanusse war tot, Reynier hatte sich ins Privatleben zurückgezogen, von den anderen Generalen war keiner einflussreich und fähig genug, die immer mehr versumpfende Armee aufzurütteln .

zu einer energischen That

In der Stadt machte sich bald Mangel fühlbar, denn Menou hatte über die Betrachtungen des äufseren Zustandes der Fleischbänke und Backöfen

an eine Füllung der Magazine

sich daher gezwungen , zuschliefsen ,

nicht gedacht.

mit den Aulad - Ali

Man sah

einen Kontrakt ab-

laut welchem diese sich gegen ungemein hohe Preise

zur Approvisionirung Alexandrias verpflichteten . Ausserdem bequemte sich endlich Menou zur Aussendung eines Fouragier- und Requirierdetachements. Der Dromedarier- Oberst Cavalier mit 125 Dromedariern, 280 Infanteristen und Artilleristen , 150 Dragonern, 1 Vierpfünder und 550 Kamelen brach am 14. Mai auf, holen .

um Proviant zu

Am 16. langte er bei El Osch am Nil an, fand aber dieses

Dorf verlassen .

Er rückte also weiter ,

in Amram Lebensmittel auftreiben ,

konnte jedoch ebensowenig

da auch hier die Einwohner

geflohen. In der Meinung, die Engländer ständen noch in Ramanjé , fafste er den Entschlufs, nach Kairo zu marschieren und aus den dortigen Magazinen seine Dromedare zu beladen .

Am 17. stiefs er

jedoch auf eine Nilflottille, welche sich als feindliche entpuppte und ihn mit Schüssen begrüfste .

Cavalier hielt es für ratsam ,

sich

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) . wieder zurückzuziehen.

147

Er war aber bereits vom Kapudan erblickt

worden, welcher sofort Hutchinson davon avisierte.

Doyle liefs das

12. Dragonerregiment und eine Abteilung des 26. , zusammen 250 Reiter , aufsitzen und trabte mit diesen wie mit 2 Kanonen in der angegebenen Richtung zur Verfolgung . Seine Infanterie sollte möglichst schnell folgen . Wilson und Oberst Abercromby sprengten voraus und entdeckten endlich Cavalier , Araberstamm im Kampf befand.

welcher sich mit

Die Überlegenheit

erkennend , griff Wilson zu einer Kriegslist. zu sprechen und forderte ihn gebung auf.

einem

der Franzosen

Er verlangte Cavalier

im Namen Hutchinson's zur Er-

Anfangs zeigte sich jener entrüstet , doch als Wilson

achzelzuckend zu Doyle zurücksprengte , sandte ihm Cavalier einen Offizier nach und bat ihn zurückzukommen ; er wolle erst seine Offiziere um ihre Meinung befragen.

Nachdem dies geschehen ,

den Engländern Übergabe der Pferde und

Kamele

bot er

an , verlangte

jedoch, frei mit den Waffen nach Kairo marschieren zu dürfen . Wilson lehnte dies ab und forderte Ergebung, wogegen die Franzosen sofort mit Waffen und Gepäck

nach Frankreich geschafft werden

sollten .

Cavalier ging endlich, von seinen Leuten gedrängt, darauf ein. Wilson selbst bestätigt ,

dafs die Kapitulation übereilt war , denn die nicht

einmal halb so starken Engländer waren äusserst erschöpft , die Infanterie 3 Meilen zurück und Cavalier stand der Weg durch die Wüste offen.

Es ist in der That unbegreiflich, dafs dieser nicht die

englischen Dragoner mit seiner Übermacht zersprengte und ihre Geschütze nahm , worauf er von der nachfolgenden englischen Infanterie nichts mehr zu fürchten hatte. Menou , welcher diesen Vorfall erst einen Monat später erfuhr, schäumte vor Wut und erliefs einen fulminanten Tagesbefehl, in dem sich das Erhabene mit dem Lächerlichen Cavalier ,

sich

paarte .

Er beschuldigte

an die Engländer verkauft zu haben ,

um mit dem

Sündengeld heimkehren zu können , sagte der Armee , sie dürfe ihm selbst nicht gehorchen, wenn er sich jemals eine ähnliche Pflichtvergessenheit zu Schulden kommen lassen sollte, und versicherte schliefslich mit Pathos , dafs die Ehre alles , das Geld nichts sei. Die Armee begann inzwischen immer lauter zu murren und neuerdings deklamierte man überall von der gebieterischen Notwendigkeit, Menou zu entfernen und Reynier zum Oberkommandanten zu ernennen. Destaing , von seiner Wunde wieder genesen , hinterbrachte Menou solches und riet zu Vollmacht hierzu .

einer Gewaltmafsregel .

Menou gab ihm

In der Nacht vom 13. zum 14. Mai marschierte Destaing mit

148

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ).

1 Batterie , 1 Schwadron , 1 Geschütz und 1 Sappeur -Abteilung vor das Haus Reynier's ,

besetzte alle Zugänge und schickte den Ad-

jutanten Menou's , Major Novel , mit einer Abteilung Soldaten hinauf.

Die Thüren wurden erbrochen, Reynier aus dem Bette gerissen

und aufgefordert, sich anzukleiden und zu folgen ; er solle nach Frankreich geschafft werden .

Reynier , nicht wenig erstaunt, verlangte an

Menou zu schreiben , was Novel gestattete. Reynier beklagte sich in dem Briefe an Menou über dessen Niedrigkeit, kündigte ihm an, dafs er bei Bonaparte Gerechtigkeit suchen und Einsetzung

eines

Kriegs-

gerichtes fordern werde und gab ihm schliefslich noch einige gutgemeinte militärische Ratschläge . Brigg 29 Lodi

schaffen ,

Dann liefs er sich willig auf die

auf welcher er den gleichfalls verhafteten

Generaladjutant Boyer fand.

Am 28. Juni landeten beide in Nizza .

Gleichzeitig waren aber auch der General Damas und der Oberkommissär D'Aure verhaftet und auf den Aviso 99 Good Union " gebracht worden, welcher jedoch den Engländern in die Hände fiel. *) Aber nicht nur die Armee ,

auch

die Gelehrten hatten Anlaſs ,

sich über Menou's Gewaltthätigkeit zu beklagen. Schon nach der Schlacht bei Ramlé hatte er fünf oder sechs in Alexandria befindliche Gelehrte verhaften und

nach Kairo

transportieren lassen ,

um

sie zur Beendigung der ihnen befohlenen wissenschaftlichen Arbeiten zu zwingen.

Dort herrschte aber die Pest , welche in einem Monat

500 Franzosen und 18 000 Eingeborene wegraffte . Infolgedessen beschlossen die Gelehrten, nach Alexandria zurückzukehren . Nachdem sie in Ramanjé erst unter dem Vorwand zurückgehalten worden, Menou wolle nicht durch sie die unnützen Esser vermehren , und nachdem man sie auszuplündern versucht , eskortierte sie Cavalier nach Alexandria , wo sie jedoch Menou nicht einlassen wollte . nachdem sie die ganze Nacht im Freien zugebracht ,

Erst

steckte er sie

*) Reynier fand nicht die gehoffte Gerechtigkeit. Am 6. Juli befahl Bonaparte ihn und Boyer über die Vorgänge zu interpellieren', da er jedoch in den gegen Menou geschleuderten Vorwürfen sich selbst betroffen fühlte, da nur er es war, der diesem Schwachkopfe solch eine Gewalt anvertraut, schwieg er still und verweigerte das verlangte Kriegsgericht. Infolgedessen holte sich Reynier selbst Genugthuung. Nach der Rückkehr Menou's und Destaing's forderte er beide zum Duell . Destaing stellte sich und wurde am 5. Mai 1802 erschossen. Menou verging darob jede Lust zu einem Duell, er steckte sich hinter Bonaparte und dieser war schwach genug, Menou ein glänzendes Ehrenzeugnis auszustellen und Reynier ― 30 Meilen von Paris (nach Nevers) zu verbannen, unter gleichzeitig ausgesprochenen heftigen Tadel. Erst 1805 kam er wieder aus der Ungnade heraus, konnte es aber trotz seiner hervorragenden Leistungen niemals zum Marschallstab bringen , den er eher verdient, als so manche feile Kreatur (Grouchy, Lefebvre).

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801). 5 Tage lang

in Quarantaine

149

und kündigte ihnen dann seinen Ent-

schlufs an , sie nach Frankreich zu schicken . Am 5. Juni wurden ihrer 48 an Bord der Brigg „ Oiseau " geschafft , aber erst am 15. Juli stach man in See. Das Schiff wurde bald von der Korvette "" Cinthia" angehalten und von Lord Keith zur Rückkehr nach Alexandria veranlafst , wo Menou aber von neuem in schärfster Weise dafür sorgte, dafs die Brigg wieder in See ging . Sie wurde der englischen Brigg „ Kanguroo " angehalten und nach Abukir gebracht , wo Lord Keith über Menou's Gebahren sehr nun von

entrüstet war. Er schrieb diesem, dafs er den „ Oiseau " verbrennen und die Gelehrten an den Strand setzen werde , falls Menou sich weigern sollte, die Brigg einzulassen. Menou gab hierauf seine Erlaubnis, doch trauten ihm die Gelehrten nicht, und es kam auf allen dabei beteiligten Schiffen zu aufregenden Scenen, deren Details zu schildern der Raum

zu eng . Endlich kehrte die „ Oiseau “ am 26. Juli mit den Gelehrten nach Alexandria zurück , nachdem letztere beständig zwischen Leben und Tod geschwebt. Um seiner Kleinlichkeit die Krone aufzusetzen, steckte sie Menou bis zum 1. August in die Quarantaine und dann in die neuerrichtete Nationalgarde. ―― Die 2500 Mann 5 Kanonen , welche Jussuf Pascha am 6. Mai unter Ibrahim Pascha el Halebi gegen Damiette abgeschickt hatte , langten daselbst am 14. Mai an und forderten die 480 Mann starke Besatzung zur Übergabe auf.

Diese lehnten ab und zogen sich

in das Fort Lesbé zurück, wo sie aber auch von einer Division englischer Kanonenboote angegriffen wurden .

Infolgedessen vernagelten

sie in der Nacht die Kanonen , liefsen das Gepäck zurück und marschierten nach Burlos , wo sie sich mit der 150 Mann starken Besatzung dieses Forts vereinigten . Gemeinsam schiffte man sich dann. auf 4 Kanonenbooten und einem Aviso ein und suchte zu entkommen. Am

19.

wurden

sie jedoch von der „ Cinthia " aufgebracht und

nach Malta geführt. In Damiette und Lesbé fanden die Türken 54 , in Burlos 5 Geschütze vor.

Die Belagerung von Alexandria. In Alexandria stieg der Mangel an Lebensmitteln seit Mitte Mai immer höher. Fleisch wurde bald gar nicht mehr ausgeteilt, sondern nur Brot und Reis.

Später begann auch das Brot zu fehlen .

In den Spitälern wütete der Skorbut.

Auf Gante aume's Erschei-

nen setzte man die letzte Hoffnung. Am 9. Juni lief die Korvette „ Heliopolis “ mit 100 Rekruten ein, aber Gante aume blieb ferne .

Menou , der täglich am Meeres-

150

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .

strand spazieren ging, um nach der französischen Flotte auszuspähen, die er in jedem Segel zu erkennen glaubte, sah sich fast die Augen wund ; Ganteaume kam nicht. Die Anordnung militärischer Vorkehrungen überliefs er seinen Offizieren .

Die von Lanusse zuerst

tracierte Schanzenlinie , welche die Landenge , auf der Alexandria liegt , gegen Osten absperren sollte , wurde vollendet, nachdem 600 Arbeiter 4 Monate daran gearbeitet.

Zwischen ihr und der äusseren

Enceinte wurde jede Kuppe mit Schanzen An Geschützen fehlte sitionsgeschütze

es nicht ,

denn

und Batterieen

gekrönt.

man besafs 455 (406 ?) Po-

ohne die 50 Feldkanonen .

Gegen die

englischen

Schaluppen auf dem Mareotis-See krönte man zwischen diesem und der Enceinte ebenfalls mehrere Kuppen mit Schanzen . In gleicher Weise verfuhr man auf der nur 500-2000 Schritte breiten Landzunge im Süden gegen den Marabut durch einen Graben eingefasst , können .

zu.

Der neue Hafen wurde

um einem Handstreich begegnen zu

Menou hielt sich somit für unüberwindlich und kündigte Bonaparte prahlerisch eine Verteidigung an , welche jene denkwürdige Genuas durch Masséna weit in Schatten stellen werde . Einstweilen ernannte er den Major St. Genies zum Kommandanten des auf 100 Mann geschmolzenen Dromedarierregiments und sandte ihn am 2. Juli ab ;

die Abteilung

fiel aber bei Kairo , wie bereits er-

wähnt, gleich ihren Vorgängern den Engländern in die Hände . Am 5. Juli teilten die englischen Vorposten den französischen die Nachricht von der Kapitulation Kairos mit , und diese verbreitete sich mit Blitzesschnelle in der Stadt.

Menou drohte jeden ,

der

davon sprechen würde, erschiefsen zu lassen, denn nach seinen „ beinahe offiziellen " Nachrichten sei die Sache eine englische Kriegslist. Als ihm aber am 7. die offizielle Bestätigung zukam , geriet

er in

furchtbare Wut und liefs sich im Tagesbefehl über Belliard in wenig schmeichelhafter Weise aus . gleich ihm gesonnen seien , teidigen ,

nach Rosette

Armee zu vereinigen. Frankreich ,

Gleichzeitig erlaubte er allen, die nicht sich bis

zum letzten Atemzug zu ver-

zu marschieren

Am 14. schickte

und

sich mit

Belliard's

er dann einen Aviso nach

um Belliard und alle Generale anzuklagen , dafs sie

durch ihre Feigheit seine „ besten " Mafsregeln durchkreuzten .

Die Engländer hatten indessen Verstärkungen an sich gezogen. Anfangs Juli waren das 2. Bataillon des 20. Regiments, das 24., 25. und 26. Regiment und

22. leichte Dragonerregiment eingetroffen, ein irisches Bataillon „ Ancient Irish Fencibles " (ehemalige irische Milizen) und Rekruten zur Ausfüllung der Lücken in mehreren ebenso

151

Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801). Regimentern.

Am

1.

August folgten dann noch die

Regimenter

" Watteville" (schweizer Söldlinge) und „ Chasseurs Britanniques " (aus den Resten des Condé - Corps gebildet) (Schützencorps) und britische Artillerie . neue Ordre de bataille nötig , Bath - Ordens

und

welche

Generallieutenant

nebst dem „ Rifle - Corps " Infolgedessen wurde eine

der

seither zum Ritter des

ernannte

Hutchinson

am

9. August erliefs : *)

*) Ordre de bataille der englischen Truppen am 9. August 1801 . Infanterie :

Carey). Coldstream Guards 3. Garde- Regiment



• 552 Bajon. . 590

1. Brig. Gen. - Maj. Ludlow (Brig. - Maj. Ramsay) . . 25. Regt. · 27. Regt. ( 1 Bat.) • 27. Regt. (2. Bat.) 44. Regt.

526

538 465 334

" " " 29

2. Brig. Gen. -Maj . Finch (Brig.- Maj . Popham ). 1. Regt. (2. Bat.) 26. Regt. • 54. Regt. (1. Bat. ) 54 Regt. (2. Bat.)

·

352 438 . 381 . 384

" " 29

3. Brig. : Brig. - Gen. Stuart (Brig.- Maj. Misset ) . Regt. Regt. Regt. Regt.

Stuart (Minorca) . 600 383 De Rolle 393 Dillon 572 Watteville

4. Brig. Brig.- Gen . Hope (Brig.-Maj. Napier). 8. Regt. 18. Regt. 79. Regt. 90. Regt.

285 293 434 437

" "3 " "

" "" " "

5. Brig.: Brig. - Gen. Doyle (Brig.-Maj. Doyle ) . 30. Regt. 50 Regt. 89. Regt. 92. Regt.

269 Bajon. 337 n 311 " 414 "9

6. Brig. Brig. - Gen . Blake (Brig.-Maj. Chatterton ). 20. Regt. ( 1. Bat.) 20. Regt. ( 2. Bat.) 24. Regt. A. Irish Fencibles

. •

604 484 . 438 420

Reserve- Brig. Gen. - Maj. Moore und Brig. - Gen. Oakes (Brig.-Maj . Groves). 327 2. Regt. . 343 23. Regt. 338 28. Regt. 490 42. Regt. 238 58. Regt . .

Maj. Garde - Brig.: Gen. Earl of Cavan (Brig.-Maj .

29 " "9 "

29 " 29 "

40. Regt. (4 Flanken146 Compagnieen) • . 397 Rifle-Corps . "9 Chasseurs Britanniques . 595 Corsican Rangers . 60 " 82 Stabs -Corps . 13. Reg. in Rosette deta450 " chiert . Zusammen 14 880 Bajon. Dazu an Offiz., Unteroffiz. u. Trommlern 2300 Mann. Im ganzen Infanterie 17 100 Mann.

Die Kavallerie bestand aus dem 11., 12. , 22. und 26. Dragonerregiment (gröfstenteils in Rosette liegend) und dem „ Hompesch "-Husarenregiment , zusammen etwa 1300 Mann stark. Die Artillerie (Brigadegeneral Lawson ) zählte ungefähr 730 Mann,

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .

152

Auf englischer Seite war bis August nichts geschehen.

Bemerkenswertes

Coote war stets auf der Hut und inspizierte täglich die

Verteidigungslinie ,

denn bei der Schwäche seiner Truppen , welche

von 8500 auf 5000 geschmolzen waren ,

mufste er froh sein , wenn

es ihm gelang, sich gegen einen Angriff Menou's zu halten . Am 20. Juni war durch Zufall die Fregatte „ Iphigenie “ verbrannt.

Am selben Tage soll (nach Wilson) Menou den Damm des

Nilkanals zwischen seiner Verteidigungslinie und dem Grünen Hügel durchstochen

haben ,

um durch Überschwemmung des Glacis

einen breiten holländischen Wassergraben vor schaffen.

der Festungsfront

sich zu

Wilson erzählt auch, dafs Coote in der Nacht des 23. die

Errichtung eines Gegendammes begann, der nach einmonatlicher Arbeit glücklich beendet wurde, obwohl nur nächtlicherweile gearbeitet werden konnte und die Franzosen einen zweiten Durchstich bewerkstelligt hatten.

Menou ,

obwohl

er die Arbeiten hören und sehen

mufste, that die ganze Zeit über nichts, diese zu hindern . war 150 Yards

lang ,

6 breit ,

18 Fufs

Duncan mit dem Ingenieurcorps war sein Erbauer. mein Erstaunen kund geben ,

Der Damm

tief und 8 hoch.

Oberst

Ich kann nur

dafs keine meiner sonstigen Quellen

dieser Angelegenheit Erwähnung macht. Am 9. August trafen Doyle , am 11. Hope , am 13. Moore mit ihren Truppen bei Coote ein. Am selben Tage liefen 26 englische und türkische Kanonenboote in den Mareotis - See ein und wollten die französische Flotte

angreifen.

Diese

zog

sich aber an

das Ufer zurück . Oberstlieutenant Anstruther und Kapitän Brice rekognoszierten hierauf die Küste bis

zum Marabut .

Hutchinson

wollte anfangs noch in der Nacht des 15. einen Angriff unternehmen , da aber die eingetroffenen Boote keinen dreitägigen Proviant mitgenommen , mufste er bis 17. verschoben werden. Am Abend des 16. schiffte sich Coote mit seiner Division ein .

Es waren die Bri-

gaden Cavan, Ludlow und Finch (ohne das 1. Regiment) nebst 100 Dragonern des 26. ,

zusammen 5000 Mann .

(Wilson giebt 4000

an, da auch er, obwohl sonst sehr verlässlich, die Effektivstärke der die maltesischen „Pioneers “ 250, mit dem Ingenieurcorps belief sich also die Stärke der vor Alexandria liegenden britischen Armee auf etwa 19 400 Mann mit 36 Feldgeschützen. Veranschlagt man die seit der ersten Landung eingetroffenen Verstärkungen (das Seebataillon war am 6. August wieder eingeschifft worden) auf etwa 7000 Mann, so ergiebt sich ein Abgang von 6600 Mann. Die Zahl der Toten, Gefangenen , Desertierten und an ihren Wunden Gestorbenen beläuft sich auf etwa 1600 Mann. Nicht weniger als 5000 Mann müssen demnach als infolge von Krankheiten abwesend betrachtet werden. 200 davon starben an der Pest, 400 an sonstigen Krankheiten, 360 erblindeten , der Rest genas oder blieb zeitlebens invalid.

153

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . englischen Truppen immer zu gering veranschlagt . )

Während

die

Flottille über den Mareotis - See segelte, unternahm Craddock mit seiner Division einen Scheinangriff gegen

die Ostfront von Alexan-

dria, um Menou's Aufmerksamkeit abzulenken. General Doyle , der halb krank von Rosette herbeigeeilt war , sollte einen Angriff gegen den Grünen Hügel, Moore einen anderen gegen den Nole- Hügel ( am Meere vor der französischen Front links) unternehmen . Bei Tagesanbruch ( 17. August) ging das 30. Regiment gegen die linke, das 50. gegen die rechte Schanze des Grünen Hügels vor, das 92. folgte als Reserve nach. Die Werke wurden ohne Mühe genommen, da sich in ihnen nur ein Posten befand , der sich nach wenigen Schüssen zurückzog .

Gleichzeitig fiel auch der Nole- Hügel

den „ Löwenstein'schen Jägern " (wahrscheinlich mit dem „ Rifle-Corps " identisch) ohne Kampf in die Hände .

Die Franzosen begannen hier-

auf aus ihrer Hauptlinie eine dreistündige Kanonade , welche Moore zum Aufgeben des Nole-Hügels zwang , der von den Franzosen sofort wieder besetzt wurde. Um 7 Uhr morgens brachen plötzlich 600 Franzosen hervor und griffen den grünen Hügel an. 7 Compagnieen des 30. Regiments , zusammen 215 Mann stark , lagen daselbst versteckt und fielen die beinahe schon auf dem Gipfel angekommenen Franzosen mit gefälltem Bajonett an. Ein heftiges Handgemenge entspann sich, Doyle eilte mit dem 50. und 92. herbei und die Franzosen wurden mit Verlust von 100 Mann und 10 Gefangenen (?) zurückgetrieben, während das 30. blos 28 Mann einbüfste . Nach dieser Affaire verlief der Rest des Tages in einer Kanonade. Engländer führt für

diesen Tag

Die

offizielle Verlustliste der

54 Mann ,

nämlich 2 verwundete

Offiziere, 3 verwundete und 1 gefallener Unteroffizier, 9 tote und 39 verwundete Gemeine . Coote war unterdessen glücklich auf der Westseite von Alexandria gelandet, wohin Menou

nur 500 Mann gesendet hatte.

Diese

reichten hin, Coote von seiner ursprünglichen Absicht, zwischen Marabut und Alexandria zu landen, abzubringen , genügten aber nicht, jede Landung zu hindern . Denn Coote wusste sie bei den Bädern und Katakomben festzuhalten , und weiter segelte .

indem er Finch davor Halt machen liefs

Die 500 Franzosen

Finch in ihrem Rücken landen würde, des alten Kanals hinaus wagten , gekommen

wären .

mufsten befürchten, dafs

falls sie sich über die Reste

wodurch sie zwischen zwei Feuer

Sie liefsen es daher geschehen, dafs Coote um

10 Uhr vormittags ruhig jenseits des Marabut landete.

Er besetzte

die Höhen um die Bucht und führte gegen das auf der Insel Mara-

154

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .

but liegende Fort zwei Batterieen auf; davon eine mit 3 24-Pfändern. Abends liefs Menou die französische Flottille in Brand stecken, indem er sich einbildete, dadurch „Brander" zu erzeugen, welche die englische Flottille in Brand stecken würden. Am 18. kletterte die Flankeurcompagnie des 54. Regiments auf den Felsen herum und schoss im Fort Marabut alles nieder, was sich über den Mauern sehen liefs .

Die beiden Batterieen, unterstützt von

mehreren Fregatten und türkischen Korvetten, begannen dann mit 6 24-Pfündern ihr Feuer. Von 3 dort befindlichen französischen Kanonenbooten wurden 2 versenkt, eins entkam.

Am 20. mittags stürzte

der Turm ein. In Folge dessen ergab sich der Kommandant Major Etienne abends mit 168 Mann und 10 Kanonen . Obwohl die Franzosen die mittlerweile von den Engländern in den Fahrkanälen des alten Hafens gelegten Seezeichen entfernt hatten, segelte Kapitän Cochrane dennoch mit 2 Briggs und 5 türkischen Korvetten durch und zwang dadurch die „ Heliopolis ", wollen, zum Rückzug .

welche dem Marabut hatte Hilfe bringen

Diese 7 Fahrzeuge blieben unbehelligt.

erscheint geradezu unbegreiflich, wenn man sich erinnert, Linienschiffe

Dies

dafs zwei

und ungefähr 7 Fregatten nebst einem Dutzend Kor-

vetten, Briggs und Kanonenbooten den Franzosen im alten Hafen zur Verfügung standen. Am Morgen des 22. unternahm Coote einen ernstlichen Angriff auf Alexandria. Auf der schmalen Landzunge des alten Hafens und dem Mareotissee rückte er um 6 Uhr in drei Kolonnen vor. Das Centrum marschierte auf den Sandhügeln , der linke Flügel (Brigade Cavan) am Strande des Hafens, der rechte an jenem des Sees . Die Avantgarde unter Oberst Joliffe bestand aus dem 1. Bataillon der 27., 200 Garden , eine Abteilung der Löwenstein-Jäger unter Major Pepongay ,

6 Feldgeschützen unter Major Cookson und des 26.

Dragoner-Regiments, zusammen etwa 1300 Mann. Kapitän Stevenson mit 45 Schaluppen flankierte den rechten, Kapitän Cochrane mit 5 Korvetten, Flügel.

2 Briggs

und einer Anzahl Kanonenboote den linken

Französischerseits

stand Eppler mit 1 Bataillon der 18.,

1 Schwadron Dragoner und 1 Batterie, zusammen 500 Mann , 4 Kanonen hinter dem alten Kanal. Menou schien also diese Streitmacht für genügend zu halten, einem zehnmal stärkeren Feinde zu trotzen. Zwei kleine Batterieen, deren eine mit einem 18 - Pfünder armiert war, decken.

sollten die Flanken gegen einen Angriff der Flottillen

Kaum hatte

sich das Gefecht entsponnen ,

als eine türkische

Korvette durch den Wind gegen die eine dieser Batterieen getrieben

155

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . wurde .

Sie benutzte

dies,

um eine

volle Lage zu geben, welche

aus nächster Nähe abgefeuert so gut traf, dafs die ganze Besatzung der Batterie kampfunfähig gemacht wurde. Die Engländer drangen hierauf unter Kanonendonner vorwärts , die Franzosen hierdurch zum Weichen zwingend . Stevenson bemächtigte sich jetzt auch der mit einem 18-Pfünder armierten Batterie und die Garden nahmen die Schanze zur Rechten . ländern zur Beute.

Das französische Lager fiel ebenfalls den Eng-

Coote begnügte sich mit diesem Erfolge nicht ; Oberst Duncan mufste mit dem 26. Dragonerregiment die attackieren.

Diese

zogen

sich zurück

französischen Dragoner

und verleiteten

den Feind

hierdurch zum Nachsetzen . Kaum war dies geschehen, als die französische Infanterie unvermutet auftauchte und auf 30 Yards eine volle Salve abgab. Seltsamerweise traf nicht ein Schufs und die Engländer konnten sich verlustlos zurückziehen.

Alexandria

Pharas

For

FortMarabut

Marabut Bucht. Rhede

Feiger al Alter Hafen

este des aller

Forteauroy Bader Katakomber

Neuer Hafers

Ence.uite FortPompejus Canal

Mareotis - See . Coote war bis in den Schufsbereich des Forts Leturcq (Bäderfort) vorgedrungen , machte hier Halt und errichtete Batterieen. Unterdessen suchte Cochrane das Fort vom Norden zu enfilieren, er wurde aber durch das Feuer des Feigenhalbinsel- Forts und des Forts Caffarelli vor der Südwest - Enceinte der Stadt zum Rückzug Abermals ist es mir unbegreiflich, warum nicht die französische Flotte ausgelaufen und die 7 Fahrzeuge Cochrane's vernichtet hat. Bei ihrer Übermacht wäre ein Mifserfolg unmöglich

gezwungen.

gewesen. Dieses Gefecht kostete den Franzosen angeblich 200 Mann und 7 schwere Geschütze. Die Engländer gaben ihren Verlust auf 3 Tote und 40 Verwundete an - ein sonderbares Verhältnis !

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .

156

Hutchinson, von diesem Erfolg benachrichtigt, beschlofs den Angriff gegen die Westfront Alexandrias

mit aller Macht fortzusetzen ;

daher sandte er in der Nacht den Oberst Spencer mit 1500 Mann Verstärkung.

Weil aber die Fahrzeuge bis abends nicht segelfertig

waren und er fürchtete , Menou möchte in der Nacht mit seiner ganzen Macht gegen Coote

ausfallen, nahm er zu einem Scheinangriff

von Osten seine Zuflucht.

Eine Abteilung Türken

und Engländer

schlich sich vor Tagesanbruch an die französische Verteidigungslinie heran und begann in die Luft

zu

schiefsen.

Die Franzosen,

alar-

miert, schossen aus allen Kanonen , töteten einen Engländer und verwundeten einen andern, wurden aber hierdurch abgehalten, gegen Coote

etwas

stiefsen .

zu

unternehmen,

zu dem

am 25. noch 700 Türken

Am 22. war auch Kapitän Chollet bei dem Marabut ein-

getroffen, nachdem

er 6 Wochen lang mit 100 Mameluken und 50

Arabern in der Wüste umhergestreift und mit den Alexandria verproviantierenden Arabern mehrere Scharmützel bestanden . Menou besorgte eine Landung auf der Feigenhalbinsel oder eine Wegnahme der im alten Hafen liegenden Flotte. Er liefs daher 11 Schiffe versenken und andere auf den Strand ziehen, damit sie als feste Batterien dienten. liche Kämpfe

mit der türkischen Flottille, welche 3000 Kugeln da-

gegen verschofs . die Stellungen

Das Fort Pompejus hatte inzwischen täg-

Am 23. morgens kam Hutchinson zu Coote, um

zu inspizieren .

fast in den Grund gebohrt Brief Menou's, der jedoch

Auf der Rückfahrt wäre sein Boot

worden .

Am

folgenden Tage kam ein

nur unwichtige Dinge enthielt.

Am 25 .

morgens begannen die beiden gegen Leturcq errichteten Batterieen mit 3 24-Pfündern und 5 Mörsern ihr Feuer. Da jedoch die Plattformen der Geschütze einbrachen, nahm es bald ein Ende . Bomben , welche bis zu Coote's verwundeten 2 Mann.

Zelt

flogen ,

Die französischen töteten

einen

und

Abends beschlofs Coote, sich der im Süden des Forts liegenden Höhen durch

einen Handstreich

zu bemächtigen .

Oberstlieutenant

Smith mit dem 1. Bataillon des 20. Regiments und

einer Schwa-

dron des 26. Dragonerregiments unter Lieutenant Kelly , zusammen 750 Mann, schlichen sich mit ungeladenen Gewehren in den Rücken des Bataillons der 18. Halbbrigade und umzingelten diese, während sich das 2. Bataillon des 20. zur Unterstützung

bereit

hielt.

Die

Franzosen wurden mit dem Bajonett angegriffen . Sie gaben eine Salve ab und suchten sich dann ebenfalls mit blanker Waffe zu verteidigen, wurden aber teils niedergemetzelt (30) , teils gefangen (57) . Ein kleiner Teil rettete sich durch Schwimmen, andern gelang es

157

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801) . sich

zum Fort durchzuschlagen.

Die Dragoner hatten unterdessen ,

weiter vordringend, das Bataillon der 21. angegriffen ,

welches zwar

ebenfalls in Verwirrung gekommen war, aber sich sammelte und den Anprall brav aushielt.

Auch aus der Stadt brachen jetzt 1000 Mann

hervor und so wurden die Engländer um 1/211 Uhr zum Stehen gebracht.

Doch blieben sie in

dem Besitze

der

eroberten

Hügel.

Ihren Verlust gaben sie auf 3 verwundete Offiziere und 33 verwundete Mann an. Die von Hutchinson auf dem "" Grünen Hügel" errichteten 4 Batterieen begannen am 26. früh mit 10 24 - Pfändern , 6 12 -Pfändern und 2 Haubitzen , ein heftiges Bombardement gegen die Ostfront.

Ein 24 -Pfünder sprang, aber von der türkischen Flot-

tille unterstützt gelang es der Batterie bis Mittag die Südlinie der Franzosen zum Schweigen zu bringen.

Die Räumung Egyptens. Die Niedergeschlagenheit der französischen Armee stieg schnell höher.

Menou hatte bis auf das Linienschiff „ Causse " die Fre-

gatten " Egyptienne " , „ Justice " , "Leoben " , „ Mantua “ , „ Régénéré e" und 3 genommenen türkischen Korvetten alle Schiffe versenken lassen ; nun gab er Befehl , auch diese zu vernichten. Dies erweckte neuerdings das Murren der Soldaten , welche die schönen Schiffe durch eine Kapitulation dem Lande erhalten wollten . während des

letzten

nächtlichen Angriffes

Zudem hatte er sich

nicht sehen lassen und

war erst am folgenden Morgen in das Fort gekommen . bestürmten Rampon und Songis , Menou zu

Die Soldaten .

einer Übergabe zu

bewegen, da unter einem solchen „ tête carrée " doch auf keinen Erfolg zu rechnen sei. Rampon begab sich auch zu Menou und fragte ihn um seine Absichten . Menou antwortete, er werde sich bis auf den letzten Mann man seit Beginn

verteidigen .

Rampon

meinte

dagegen,

nachdem

der Belagerung 1000 Tote und gegen 700 Gefan-

gene verloren habe , 240 Invaliden seien, 1387 Mann in den Spitälern lägen, Alexandria beinahe auf seine Enceinte beschränkt sei und zu fürchten stände,

bei weiteren Verlusten werde man weniger

günstige Bedingungen erhalten als jetzt ; vollauf Genüge geschehen, jeder

da

ferner der Waffenehre

fernere Widerstand aber

sei, indem man auf Erfolg doch nicht rechnen

zwecklos

könne : halte er es

an der Zeit, mit dem Feinde in Unterhandlungen zu treten. Menou begann sofort nach seiner Weise zu toben, schrie, dafs die ganze Welt ihn verlasse, man möge sich dem Feind überliefern, er für seine Person werde sich allein weiter verteidigen etc. Rampon zuckte die Achseln ,

bat ihn,

sich die Sache zu über-

Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801 ).

158

legen und versammelte alle Generale bei

sich zur Beratung.

Man

einigte sich zur Absendung D'Armagnac's an Menou, um diesem mitzuteilen, dafs die ganze Armee - Destaing, Zajonschek und Delzon's die Ansichten Rampon's teile. Seitens Menou's

ausgenommen

erfolgte natürlich ein neuer Wutausbruch ; er warf D'Armagnac vor, dafs er ihn zum General gemacht, während dieser ihn zum Dank verrate u. S. W. D'Armagnac meinte kühl, es stehe ihm frei, sein Patent zurückzunehmen , wenn er dadurch gehofft, ihn von der Sache der Armee

abzuziehen .

Auf das wurde Menou ruhiger und sagte

endlich : „Es ist gut, ich werde die Unterhandlungen eröffnen. " Es war 4 Uhr nachmittags (27. August) , als er zwei Adjutanten zu

Hutchinson und Coote sandte.

hätten zwar alle

Dispositionen

zu

Beide

erwiderten , sie

einem allgemeinen Angriff ge-

troffen ; aber sie willigten gerne in den verlangten dreitägigen Waffenstillstand, bis die Antwort Lord Keith's angelangt wäre. Am 29. hielt Menou im Hause Friant's Kriegsrat. Generale,

Sämtliche

Sartelon , Le Roy und der Hafenkommandant Kapitän

Richer , zusammen 17 Personen, waren zugegen.

Nach einleitenden

Worten Menou's stellte Delgorgne den traurigen Zustand der Besatzung dar und trat für eine ehrenvolle Kapitulation ein.

Rampon ,

D'Armagnac und Richer pflichteten seinen Ansichten bei. Sartelon erwähnte noch der 1900 Kranken und Verwundeten, sowie der geringen, nur auf 29 Tage reichenden Lebensmittel.

Es wurde ,

nachdem Destaing , Zaj onschek und Delzons gegen jede Kapitulation gesprochen, abgestimmt.

14 Stimmen waren für , die genann-

ten 3 gegen die Kapitulation .

Menou erhob sich darauf und sagte,

bisher habe er auf Entsatz gehofft, nachdem aber Ganteaume verschwunden und der Zustand der Besatzung ein so trauriger sei, stimme er ebenfalls mit der Majorität .

Friant , Rampon , Sanson ,

Songis und Delgorgne wurden zu Kommissären ernannt, welche die Unterhandlungen führen sollten. Bevor die Versammlung auseinander ging, sprach Meno u wieder über die Pflichtvergessenheit einiger Generale,

denen die gegenwärtige Lage zu verdanken sei, insbeson-

dere Belliards , und er versicherte, dafs nach seiner Rückkehr entweder Belliard's oder sein (Menou's) Kopf auf dem Schaffot fallen müsse . Am nächsten Tag wurden dem Kriegsrat die Entwürfe vorgelegt, welche von allen gebilligt wurden ; nur Destaing erging sich in Phrasen über die Unzweckmässigkeit einer Kapitulation . Rampon bemerkte trocken , es sei möglich, dafs sich Destaing fürchte vor den Engländern zu erscheinen, bei den anderen Generalen sei dies

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) . aber nicht der Fall, da sie ein reines Gewissen hätten. auf die unwürdige Behandlung ,

welche

Dies zielte

dem gefangenen englischen

Kapitän Boyle durch Destaing zu teil geworden war. wurde hierauf unterfertigt.

159

Der Entwurf

Man verlangte Waffenstillstand bis zum

17. September, an welchem Tage man Alexandria übergeben werde, falls bis dahin kein Entsatz komme ; ferner die Erlaubnis alle Schiffe und die ganze Artillerie nach Frankreich überführen zu dürfen ; endlich für die Gelehrten das Recht ihre Sammlungen mitzunehmen. Die Abschriften verzögerten jedoch die Übersendung des Entwurfes so lange, dafs Hutchinson dem Adjutant Menou's Abert die verlangte Verlängerung der Waffenruhe auf 36 Stunden abschlug

und

erklärte, um Mitternacht angreifen zu wollen . Diese Nachricht erfüllte in Alexandria alle mit Bestürzung, und Menou bat nochmals um Geduld , man werde bestimmt die Proklamation schicken.

am nächsten Tage

Hutchinson ging endlich auf zwölfstündige Verlängerung der Frist ein.

Am 30. las Menou dem Kriegsrat nochmals die Entwürfe vor,

Destaing begann wieder seine Opposition, wurde jedoch von seinen Kameraden zur Ruhe verwiesen. Oberst Chuillier von der 61. und Adjutant Abert überbrachten dem englischen Obergeneral den Entwurf und nahmen folgende Antwort mit: 1. Die französische Armee soll mit Waffen, Gepäck und 10 Feldkanonen nach Frankreich geschafft werden . 2. Der Platz wird nach 10 Tagen übergeben und die französischen Truppen in weiteren 10 Tagen eingeschifft werden.

Die Ab-

reise wird stattfinden , sobald die Flotte segelfertig sein wird. 3. Die Gelehrtenkommission mufs

alle öffentlichen Denkmäler,

arabischen Manuskripte, Karten , Zeichnungen , Memoires und Sammlungen den englischen Generalen überlassen. 4. Die Details der Vollziehung werden dieselben sein , der Konvention von Kairo.

wie bei

Sollten diese Bedingungen nicht bis 10 Uhr abends angenommen werden, würden die Feindseligkeiten wieder beginnen . Um 5 Uhr nachmittags erhielt Menou diese Antwort und teilte sie

dem eiligst versammelten Kriegsrate mit.

Obwohl

durch den

schroffen Ton beleidigt, glaubte man nichts Besseres thun zu können, als die Bedingungen anzunehmen . Die Gelehrten , als sie vom Art . 3 vernahmen , gerieten in Entrüstung und protestierten dagegen , da Menou kein Recht habe, über ihr Eigentum zu verfügen eine Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

11

4

Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801 ) .

160

ganz richtige Bemerkung.

Menou machte deshalb Hutchinson Vor-

stellungen, doch blieb seine Verwendung umsonst, denn ein gewisser Hamilton , Hutchinson's Freund , wartete nur darauf, sich der Früchte fremder Arbeit zu bemächtigen.*) Natürlich wollten sich die Gelehrten der englischen Unverschämtheit nicht fügen ,

sie schickten Savigny ,

Delîle und Geoffroy

an Hutchinson ,

dem sie kurz und bündig erklärten ,

Art. 3 bestehe ,

würden sie die Früchte ihrer vierjährigen Arbeiten

in das Meer werfen ,

wenn

er

wodurch sie für Europa verloren gingen ,

auf

das

dann über seinen Barbarismus das entsprechende Urteil fällen würde. Unter solchen Umständen sah sich endlich der edle Lord zum Nachgeben gezwungen .

Nur Hamilton machte noch einen Versuch ,

sich die Sammlungen anzueignen ,

indem er die Gelehrten zu über-

reden suchte, sie mögen ihre Arbeiten der englischen Regierung verkaufen, welche gut zahlen würde . Am 2. September mittags besetzten die Engländer das Territorium

aufserhalb der Enceinte .

Die

ganze

Besatzung betrug

noch

10 528 Mann, nämlich 5965 Infanterie und Kavallerie, 759 Artillerie, 278 Guiden, Syrier und Dromedarier, 290 Marineartilleristen, 1230 Matrosen , 261 Sappeurs u . s . w. , 118 Griechen , 240 Invaliden , 1387 Kranke.

Dazu kommen noch 685 Civilpersonen.

Die Zahl der Ge-

schütze belief sich auf 312 in den Landbatterieen, 77 auf den Schiffen. Alle anderen waren vorher vernichtet worden Man hatte noch 300 Pferde , 800 Dromedare , 1952 Centner Pulver und 14 102 geladene Patronen.

30.

Am 14. wurde die erste Abteilung in Abukir eingeschifft, am Nur Menou verliefsen die letzten Franzosen das Land . **)

zögerte

noch mit

seiner Abreise.

Am 14. Oktober wurde

er von

* ) So haben es die Engländer häufig gemacht. Was in Athen verstümmelt oder gestohlen ist, fällt den biederen Briten zur Last, deren Gesandter, Lord Elgin , selbst darin mit gutem Beispiel voranging. Besonders im Orient sind die Briten so sehr als Antiquitätendiebe berüchtigt , daſs überall auf sie ein strenges Auge gerichtet wird. Auf der Athener Akropolis sah ich selbst , wie sich die Engländer die Demütigung gefallen lassen mufsten , vom Invaliden auf Schritt und Tritt begleitet zu werden, während ich und andere allein umherstreifen durften. **) Nach dem Abzuge der Franzosen begannen die Türken ihre alte Wirtschaft. Osman Bey Tamburgi und seine Freunde wurden zum Besuche des englischen Contreadmirals Bickerton eingeladen, und als sie so thōricht waren, darauf einzugehen , ihre Barke von einem türkischen Kanonenboote in den Grund gebohrt. Osman und 3 andere Beys blieben, 3 Beys wurden schwer verwundet und gefangen. Osman Bey Bardisi entkam .

161

Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) . der Pest befallen ,

aber trotzdem reiste er am 18. auf der Fregatte

„Dido " ab und wurde durch Larrey während der Fahrt kuriert. Bonaparte ratifizierte die Konvention Menou's ,

doch erklärte

er am 9. Dezember , Menou habe kein Recht gehabt, die Rückgabe der Transportschiffe zuzugestehen, diese wurden daher zurückbehalten . Aus den nach Frankreich gegangenen 870 Eingeborenen wurden am 7. Januar 1802

1 Schwadron

Mameluken ( 150 Mann) und

1 Ba-

taillon Egypter zu 9 Compagnieen (720 Mann) gebildet . Die Beute

der Engländer und Türken bestand in 1553 Ge-

schützen, von denen allerdings viele

unbrauchbar waren ;

6 Kriegs-

schiffen (die Engländer erhielten die Fregatten „ Régénérée " (52) , „ Egyptienne " (50 ) und „ Mantoue “ ( 32 ) , fahrzeugen ; gatten

die Türken

nebst 100 Transport-

das Linienschiff „ Causse " (64) ,

Justice " (44 ) und „ Leoben “ (32) ,

die Fre-

nebst 100 Transport-

fahrzeugen und 3 ihnen von den Franzosen genommenen Korvetten. Man kann annehmen ,

dafs die Franzosen in Egypten nach und

nach 44 000 Europäer (Franzosen, Malteser und Italiener) , einschliefslich der zu Lande verwendeten Seelegion und 7000 Eingeborenen (ohne die als Polizei dienenden sogenannten Janitscharencompagnieen , von denen allein 7 in Kairo standen) , also im ganzen 51 000 Mann im Feld verwendeten. An Deserteuren verlor die Armee 700 Franzosen und 2500 Eingeborene.

Im Jahre 1801 kehrten infolge

der verschiedenen Kapitulationen 25 930 Mann (davon 2900 Kranke und Verwundete) zurück. Schlägt man die Zahl der in den vorhergehenden Jahren den Engländern in die Hände gefallenen Gefangenen und der als invalid heimgesandten Veteranen auf 2000 Mann an , so ergiebt sich, dafs die Franzosen in den 40 Monaten ihrer egyptischen Campagne nicht weniger als 20 000 Tote eingebüfst haben (darunter 5000 Eingeborene) , eingeschlossen.

die Opfer der Pest und sonstiger Krankheiten

Natürlich beliefen

sich die Verluste

ihrer Gegner,

besonders der Türken , auf das Vier- bis Fünffache. Die Engländer verloren, einschliefslich des syrischen Feldzuges und der Gefangenen , sowie der an Krankheiten ungefähr 8000 Mann .

zu grunde Gegangenen nach und nach

Die Verluste zur See (Abukir) und die um-

gekommenen Einwohner Egyptens und Syriens eingeschlossen , hatte somit die französische

Expedition beiläufig 140 000 Menschen das

Leben gekostet, ohne einen anderen Nutzen zu bringen , als wissenschaftliche Forschungen, die auch mit weniger Opfern erreicht werden. konnten , zu ermöglichen und die Geschichte durch einen allerdings ganz originellen und höchst interessanten Feldzug bereichert zu haben . 11 *

162

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager, Vom unparteiischen Standpunkt der Civilisation

aus beurteilt,

mufs man das Mifslingen der französischen Expedition allerdings lebhaft bedauern, denn jedes Land , das unter dem Banne des Halbmondes steht, ist für die Civilisation verloren !

XIII .

Gustav Adolph in seinem Verhältnis

zu seinem

Schwager, dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg .

Von Ohlendorf, Major a. D.

Es hat lange Zeit das Vorurteil geherrscht, der 30jährige Krieg, welcher unserem Vaterlande schlagen , Katholiken

so tiefe und schmerzliche Wunden ge-

sei nichts anderes als ein Kampf gewesen , in welchem und Protestanten ihres höchsten Gutes , ihres Glaubens

wegen mit dem Schwerte in der Hand sich in tiefster Erbitterung gegenübergestanden und dasselbe nicht eher niedergelegt hätten , als bis nach langem und blutigem Ringen Freiheit in ihren religiösen Handlungen und Bewegungen erkämpft worden . Eine gewisse Geschichtschreibung gab sich bis vor wenigen Jahrzehnten alle Mühe , diese Ansicht durch tendenziöse Darstellungen zu begründen. Wir bedauern, unter den Männern dieser Richtung in erster Linie unseren grofsen Dichter Schiller nennen zu müssen , der in seiner Geschichte des 30jährigen Krieges mehr als ein mal den Historiker vergafs und der Phantasie des Poeten freien Lauf liefs . Freilich kann uns dies Verfahren nicht in Erstaunen setzen , Schiller unter Geschichte verstand .

wenn wir wissen ,

was

„ Die Geschichte, " sagt der grofse

Dichter , aber wenig zuverlässige Historiker, in einem Briefe

vom

10. Dezember 1788 , „ ist nur ein Magazin für meine Phantasie , und die Gegenstände müssen sich gefallen lassen , was sie unter meinen Händen werden ; ich werde

stets

eine

schlechte Quelle für

einen

künftigen Geschichtsforscher sein , der das Unglück hat, sich an mich zu wenden ! " Allerdings hatten recht viele das Unglück , sich an ihn zu wenden . Was der Dichter, ohne näher und eingehender zu

dem Kurfüsiten Georg Wilhelm von Brandenburg.

163

prüfen und kritisch zu sichten, aus Quellen entnommen , die heutzutage vor dem Richterstuhle der Geschichte als trübe und verfälscht angesehen werden, wurde ohne weitere Prüfung, einzig und allein auf Schiller's Autorität hin , als wahre und wirkliche Geschichte weiter gegeben, teilweise sogar noch geflissentlich mit einem hellstrahlenden Glorienscheine umgeben. Wie der Krieg selbst, so wurde auch der gefeiertste Held desselben , Gustav Adolph, von einseitig konfessionellem Standpunkte aus beurteilt. „ Man hat sich daran gewöhnt, " sagt Professor Droysen in der Vorrede zu seinem „ Gustav Adolph " , des Schwedenkönigs welthistorische Bedeutung darin zu sehen , dafs vom Rande des Unterganges rettete . Zwei geschäftig

er das Evangelium Jahrhunderte sind

gewesen ,

machen und

diese Anschauung zu der herrschenden zu so sein Andenken gleichsam zu verklären . Die Ehr-

erbietung vor seinen Tugenden hat sich mit der Bewunderung für seine Pläne und seine Thaten vermischt. Weil er die evangelische Lehre geschützt , gerettet hat , will man , dafs er ausgezogen sei, um sie zu schützen und zu retten. Als der Heros des Protestantismus lebt er in der Erinnerung der evangelischen Welt, als der fromme Held im Dienste des Glaubens . Wie man den Apostel Paulus abgebildet sieht mit der offenen Bibel in der Linken und dem nackten Schwert in der Rechten, so steht der Nordländer vor dem Blick der bewundernden Nachwelt. " selbe berühmte Professor ,

dem

Und weiter sagt der-

es vergönnt war, zu seinem Werke

über den Schwedenkönig bisher noch ungedruckte und gröfstenteils unbekannte Archivalien in München und Dresden zu benutzen : „nicht dafs für die Entwickelung der reinen

Lehre Gustav Adolphs Ein-

greifen in die deutschen Angelegenheiten

entscheidend gewesen

ist,

bestreite ich ; aber ich bestreite , dafs er zu nutz und frommen des kirchlichen Lebens und der Glaubensfreiheit in sie hat eingreifen wollen. Ich behaupte, daſs ihn Gründe durchaus politischer Natur zur Verwendung auch dieses Mittels bewogen, gezwungen haben. " Wäre nun aber Gustav Adolph

als Heros des Protestantismus

einzig und allein zu Verteidigung und Rettung des evangelischen Glaubens nach Deutschland gekommen , ohne politische Absichten und Hintergedanken ,

dann

müfste unerbittlich der Schlufs gezogen

werden, dafs alle die evangelischen Fürsten, Städte und Kommunen , die sich bei dem Erscheinen des Schwedenkönigs auf deutschem Boden nicht sofort ihm anschlossen, sondern fest zu Kaiser und Reich hielten , als Abtrünnige von der evangelischen Sache zu behandeln sind ; dann müfste das Verhalten der beiden bedeutendsten Fürsten im deutschen Reiche , des Kurfürsten Georg von Sachsen und Georg

164

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

Wilhelm von Brandenburg, in dem Mafse getadelt und verurteilt werden, wie dasjenige des Schwedenkönigs gelobt und gerühmt zu werden verdient .

Und in der That, man ist so weit gegangen und hat

deutsche Fürsten, die in richtiger Erkenntnis der Verhältnisse ihren Verpflichtungen gegen Kaiser und Reich treu zu bleiben gewillt waren , man hat namentlich den Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg einer unlauteren Gesinnung, eines schnöden Egoismus, ja der Gleichgültigkeit für die evangelische Sache einzig und allein in der Absicht ,

anzuklagen versucht , natürlich

um den Schwager desselben ,

den

schwedischen König Gustav Adolph, in um so höherem und reinerem Lichte erscheinen

zu

lassen !

Und

das hat bei gänzlicher

Verkennung der Thatsachen deutsche Geschichtsschreibung

gethan !

Erst 200 Jahre mufsten vergehen , um das Verhältnis zwischen dem Schwedenkönig

und dem Kurfürsten

von Brandenburg in anderem

und richtigerem Lichte erscheinen zu lassen.

Und doch können Män-

ner wie Droysen, deren Objektivität bei Beurteilung der Zeitverhältnisse im 30 jährigen Kriege hier anerkannt werden muſs , und die uns den Beweis liefern , dafs in letzter Instanz die deutsche Kaiserkrone der Magnet war, der den Schwedenkönig nach Deutschland zog, sich nicht dazu verstehen , das Verhalten des Kurfürsten Georg Wilhelm offen und ohne Umschweif zu billigen und anzuerkennen ; sie glauben die Gelegenheit benutzen zu müssen , um hier und da wegen seines zögernden Verhaltens beim Abschlusse eines Bündnisses mit Schweden dem Kurfürsten Tadel , sprechen zu müssen .

bald

gelinde , bald weniger milde , aus-

Seltsamer Widerspruch ! Entweder war Gustav

Adolph ein Eroberer, der die Religion nur als Vorwand gebrauchte, um damit seine herrschsüchtigen Pläne zu verdecken ; und dann mufs

das Verhalten

des

Kurfürsten

Georg Wilhelm

deutsch und patriotisch und seine Weigerung ,

als durchaus

freiwillig mit dem

Schwedenkönig ein Bündnis abzuschliefsen , als durchaus richtig angesehen und beurteilt werden ; oder aber er war kein Eroberer und nur zur Rettung der evangelischen Religion nach Deutschland gekommen. In diesem Falle vermöchten wir den Kurfürsten von einer Gleichgültigkeit und Interessenlosigkeit an der evangelischen Sache nicht los- und freizusprechen . Prüfen wir nun

an der Hand der Geschichte ,

neuesten Forschungen , königs

welcher Art

zu seinem Schwager ,

das Verhältnis

dem Kurfürsten

gestützt auf die des Schweden-

Georg Wilhelm von

Brandenburg , war, beginnend mit der Werbung Gustav Adolphs um die Hand der brandenburgischen Prinzessin Marie Eleonore und endigend mit dem Bündnis, das der Kurfürst unter dem Drucke der vor

165

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg. Berlin aufmarschierten

schwedischen Kriegsmacht mit seinem „ zur

evangelischen Religion " von Schweden herübergekommenen Schwager zu schliefsen gezwungen war. Gerade diese Periode der damaligen Zeit ist unserer Ansicht nach auch ganz besonders

Rettung der

geeignet ,

ein richtiges Bild über den Charakter des unglücklichsten und Boden ausgefochten

aller Kriege , die je auf deutschem Grund sind, zu entwerfen. Gustav Adolph wurde

als Sohn Carls IX. im Jahre 1594

am

9. Dezember auf dem Schlosse zu Stockholm geboren und hatte schon als zartes Kind Gelegenheit, auf einem Feldzuge in Liefland, wohin ihn sein Vater mitgenommen hatte, die Schrecken des Krieges kennen zu lernen. Der Vater liefs es sich angelegen sein, die geistigen Anlagen des Sohnes ,

die in reichem Mafse vorhanden waren , durch tüchtige

Lehrer, die zum Teil aus dem Auslande herbeigerufen wurden, auszubilden und weiter zu entwickeln . Unter den Lehrern und Erziehern glänzte in

erster Linie

der schwedische Gelehrte und Sekretär der

Reichskanzlei Johann Skytte, ein weitgereister Mann ; ihm zur Seite stand ein Brandenburger von Geburt ,

Otto v. Mörner ,

ferner der

französische Graf de la Gardie , der den jungen Prinzen speziell in die militärischen Wissenschaften einzuführen hatte . Die Kenntnisse des Schülers erweiterten sich ungemein rasch ; in verhältnismäſsig kurzer Zeit verstand er aufser seiner Muttersprache sieben fremde Sprachen und konnte sie teilweise sprechen . Dabei wurden die klassischen Sprachen des Altertums

besonders berücksichtigt.

Eine Lieblings-

lektüre des jungen Prinzen bildeten die Schriften von Xenophon,,, des rechten militiae historicus , " belli et pacis ".

und

Hugo Grotius Traktat :

„de jure

Der Vater sorgte zugleich dafür , dafs bei allen Fort-

schritten in den Wissenschaften

auch die moralische Erziehung des

Sohnes in genügender Weise berücksichtigt wurde. sich die echt religiöse Natur von Gustaph Adolph ,

Daher erklärt seine

ungeheu-

chelte und aufrichtige Wärme , mit welcher er dem evangelischen Glaubensbekenntnisse zugethan war , seine Milde und Leutseligkeit, mit welcher er, wenn er wollte, Jedermann , auch den Feind, zu fesseln verstand. Indessen darf nicht unerwähnt bleiben, dafs Gustav Adolph ein schroffer, abgeschlossener Charakter war, bald mit kalter Ruhe überlegend, bald im feurigen Thatendrange von Plänen zu Plänen eilend, so dafs selbst ein aufsergewöhnlich begabter Mann, sein Kanzler Oxenstierna ,

ihm zu folgen Mühe hatte.

Nach , aufsergewöhnlichen

Thaten verlangend, griff er bei Ausführung derselben auch zu auſsergewöhnlichen Mitteln . Um die Energie des jungen Königs zu kennzeichnen ,

mag er-

166

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

wähnt werden , was der Graf Per Brahe über ihn

erzählt .

Als der

König, heifst es, einstens krank war und heftiges Fieber hatte , forderte er den Grafen auf, mit ihm Contra zu fechten.

Und er focht

mit demselben an verschiedenen Tagen in einem Efssaal und schlug so, dafs ihn das Fieber verliefs. *) Kaum 15 Jahre

alt ,

Kriege gegen Rufsland ;

bat er den Vater um ein Kommando im

die Bitte wurde ihm abgeschlagen.

Als er

aber ein Jahr älter geworden war , wurde ihm im dänischen Kriege ein kleines Corps anvertraut ,

mit welchem

er

die erste glückliche

Waffenthat, die Eroberung der Insel Öland, vollbrachte . Als nicht zu unserer Aufgabe gehörend übergehen wir hier die kriegerischen Ereignisse ,

in welche Gustav Adolph, der 1611 , nach

dem Tode seines Vaters , zur Regierung gelangt war, mit mehreren Nachbarstaaten Dänemark , Rufsland und Polen verwickelt wurde.

Erwähnt mag nur werden, dafs der König schon im Kriege

gegen Polen , wenn auch ohne Erfolg , eifrig bestrebt war, mit dem Kurfürsten von Brandenburg , Preufsen belehnt war , zu schliefsen. safs ,

war

der zugleich mit

dem

Herzogthum

dieser wichtigen Provinz wegen ein Bündnis

Denn wer Preufsen und die preufsischen Häfen beBaltische Meer V die Ostsee.

zugleich Herr über das

Durch die Besetzung von Preufsen ,"

sagt ein Gutachten

aus da-

maliger Zeit, „ ist dem Könige von Polen Hand und Fufs abgeschlagen , daher jeder , der mit Polen Krieg führe , alles daran setzen müsse , die preufsischen Häfen festzuhalten. " Ein im Jahre 1618

mit Polen

abgeschlossener Waffenstillstand

verschaffte Gustav Adolph einige Jahre Ruhe , die er vor allem zur Verbesserung des Heerwesens benutzte.

Was sich in den Feldzügen

nicht bewährt und unpraktisch erwiesen hatte, wurde abgeschafft . In erster Linie galt es, die Musketen und das grobe Geschütz handlicher und leichter zu machen ; es wurde daher für erstere der Gabelstock beseitigt und das Feuerschlofs

an denselben einfacher eingerichtet.

Ganz besonders aber wendete er der Erweiterung der Flotte grofse Aufmerksamkeit zu , in der durchaus richtigen Erkenntnis, dafs ohne Schiffe und Matrosen die Herrschaft im Baltischen Meere weder zu erringen noch festzuhalten sei. In diese Zeit fällt auch der

ernstliche Plan der Vermählung

Gustav Adolphs mit der brandenburgischen Prinzessin Maria Eleonora , Tochter des Kurfürsten Johann Sigismund . haft fest ,

Übrigens steht unzweifel-

wie Rommel in der neueren Geschichte von Hessen klar-

*) Droysen I. 61 .

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

167

legt, dafs zwischen der Königin Witwe von Schweden und dem Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel bereits im Jahre 1615 wechsel, betreffend die Heirat Gustav Adolphs

ein Brief-

mit der brandenbur-

gischen Prinzessin , stattfand . Denn der Mutter lag damals sehr daran, dafs ihr Sohn seine Geliebte , die Ebba Brahe , aufgebe und eine standesgemäfse Heirat mit einer Prinzessin eingehe ; der Landgraf aber

sah in der Verbindung

des Schwedenkönigs

mit einem

evangelischen deutschen Kurhause seinen eigenen Vorteil und setzte alles daran, dieselbe perfekt zu machen .

Hieronymus von Birkholz ,

ein Brandenburger von Geburt , der in Diensten der Königin Witwe von Schweden stand, wurde schon 1615 bei einer gelegentlichen Reise nach Deutschland beauftragt , in Berlin betreffs des Heiratsprojektes das Terrain zu sondieren . Birkholz berichtet über seine Mission an Gustav Adolph und den Kanzler Oxenstierna und rühmt dabei besonders die Liebenswürdigkeit , Einfachheit und Schönheit der brandenburgischen Prinzessin.

Doch

Gustav Adolph hatte

es

nicht

sehr

eilig mit der Verbindung . „ Seine unaussprechliche Lust und Liebe zum Kriege macht, dafs er von keiner Heirat hören wolle, " schreibt 1616 Falkenberg an den Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel. *) Da aber aus politischen Gründen eine Verbindung mit dem Kurfürsten von Brandenburg Gustav Adolph sehr wichtig und von aufserordentlicher Bedeutung war, wurde Birkholz 1616 wieder an den Berliner Hof geschickt mit dem Auftrage ,

daselbst zu erklären :

„ wenn das

Andere (das Bündnis nämlich) Fortgang genommen , die Heirat und anderes mehr folgen solle. " Doch war man anfangs am Berliner Hofe für das Heiratsprojekt nicht sehr eingenommen.

Der Kurfürst

Johann Sigismund, der Vater der Prinzessin Marie Eleonore, erklärte dem schwedischen General von Armin ,

der 1617 zur weiteren Dis-

kussion der Angelegenheit nach Berlin gesandt war, dafs er bei Ausführung des Projektes sein Verhältnis zu dem König von Polen, seinem Lehnsherrn in Betracht zu ziehen und zu erwägen habe , ob nicht dieser die projektierte Verbindung als gegen sich gerichtet ansehen würde . Um den bisherigen Verhandlungen mehr Nachdruck zu geben, wurde 1617 Johann Casimir , der Pfalzgraf von Zweibrücken , der Schwager Gustav Adolphs , beauftragt , in Berlin betreffs der Heirat weitere Schritte zu thun. Es scheinen am brandenburgischen Hofe verschiedene Parteien geherrscht zu haben , die wiederholt ihre Ansichten betreffs der Verbindung wechselten, wenigstens bezeugen dies

* Droysen I. 101.

168

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

die von Johann Casimir

an Gustav Adolph eingesandten

Berichte .

Soviel scheint fest zu stehen, dafs der Kurfürst anfangs geneigt war, später aber schwankend wurde , die Kurfürstin Anna indessen der geplanten Verbindung abgeneigt blieb ; denn trotz der eifrigsten Bemühungen des Landgrafen Moritz von Hessen-Cassel, des Pfalzgrafen von Zweibrücken und anderer evangelischer Fürsten in Deutschland, die eine Verbindung Gustav Adolphs

mit einer deutschen Fürsten-

tochter, und darauf gegründet ein schwedisch-deutsches Bündnis gegen Kaiser und Reich herbeisehnten, kam im Jahre 1618 die Heirat noch nicht zu stande.

Statt dessen wurde eine Verlobung der Prinzessin

Maria Elenora mit

dem

ältesten Sohne des Königs Sigismund von

Polen in Betracht gezogen,

ein Projekt, welchem namentlich Georg

Wilhelm zustimmte, das indessen nicht zur Ausführung kam . Nach dem Tode des Kurfürsten Johann Sigismund waren die Aussichten für Gustav Adolph noch geringer geworden ; denn die Kurfürstin Anna, deren Einfluss entscheidend war, blieb der Verheiratung abgeneigt . Dazu kam, dafs auch der neue Kurfürst Georg Wilhelm, aus Furcht vor seinem Lehnsherrn, dem Könige von Polen, sich für das Zustandekommen der Ehe wenig oder gar nicht interessierte ; hatte doch letzterer schon gedroht, die Belehnung mit dem Herzogtum Preufsen ihm vorenthalten zu wollen , wenn er die beabsichtigte Verheiratung mit Gustav Adolph nicht zu verhindern suche. Doch Gustav

Adolph

war nicht

der Mann ,

der

sich

durch

Schwierigkeiten zurückschrecken oder von der Ausführung eines ein mal gefassten Planes abhalten liefs .

Im Gegenteil mit der Grösse der

Schwierigkeiten wuchs auch des Königs Energie und Mut , dieselben aus dem Wege zu räumen ; so auch im vorliegenden Falle.

Da alle

bisher indirekt gepflogenen Werbungen und Anträge in Berlin nicht zum Ziele geführt hatten , entschlofs er sich, selbst nach der Prinzessin Residenz zu reisen und dort in eigener Person seine Werbung zu wiederholen. Er schickte zu diesem Zwecke den Grafen Gustav Horn voraus,

um dem berliner Hofe seine Absicht kund zu geben.

Gustav Adolph war schon bereit,

die Reise anzutreten, und im Be-

griffe, ein Schiff zu besteigen, als er erfuhr, dafs die kürfürstlichen Herrschaften Berlin verlassen hatten. Aber aufgeschoben war für den König nicht aufgehoben ; im Mai 1620 trat er die Reise wirklich an und erschien unter dem Namen Gars (Gustavus Adolphus Rex Sueciae) in Berlin.

Dafs der König schon früher ein mal, und

zwar im Jahre 1618 persönlich in Berlin war, wie mehrere Historiker,

darunter auch Gfrörer ,

annehmen , scheint nach neueren For-

schungen auf einem Irrtum zu beruhen .

Die persönliche Liebens-

169

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

würdigkeit und Leutseligkeit des Königs während seines Aufenthalts in Berlin hatte den erwünschten Erfolg ; die Kurfürstin Witwe willigte ein, und der König konnte nach abgeschlossenem Heiratskontrakt wieder nach Schweden zurückreisen . Fürchtend , dafs durch die Weigerung des

Kurfürsten

Georg

Wilhelm ,

seines

demnächstigen

Schwagers , die Hochzeit sich noch die Länge ziehen könne , schickte Gustav Adolph alsbald seinen Kanzler Oxenstierna nach Berlin mit dem Auftrage,

die junge Braut nach Schweden zu führen, und mit

der ganz bestimmten Weisung, durch Verhandlungen über nebensächliche Dinge, als Mitgift und Aussteuer, die Angelegenheit nicht zu verzögern. In der That kam die Heirat der Prinzessin dem brandenburgischen Hofe sehr wohlfeil zu stehen, da Schweden die Ausstattung übernahm ; letztere erhielt zu ihrem Gebrauche die Einnahmen aus den Städten Linköping , Ekasjö und verschiedenen Kronhöfen in der Höhe von 40 000 Thalern . Am 7. Oktober 1620 landete die Prinzessin, welche, wie der Kanzler Oxenstierna sich ausdrückte „ honesta facie, animo verecundo , ingenio modesto, pudicitia insigni " war, in Begleitung ihrer Mutter und eines bescheidenen Gefolges in Colmar, woselbst sie von dem König-Bräutigam empfangen wurde ; die Hochzeit fand bald darauf unter grofsen Feierlichkeiten in Stockholm statt . Ein neuer Krieg mit Polen rief den Schwedenkönig wiederum auf das blutige Schlachtfeld, wo er sich in verschiedenen glücklichen Gefechten und vor allem

durch die Eroberung

der Festung Riga

neue Lorbeeren erkämpfte . Bald nachher (im Jahre 1624) brachte das katholische Frankreich , oder vielmehr dessen allgewaltiger Minister, der Kardinal Richelieu, einem

grofs

angelegten Plane

folgend,

ein geheimes Bündnis mit

England, den Generalstaaten, Venedig und Savoyen gegen Österreich und das deutsche Reich zu stande. Der ehrgeizige Minister setzte alles daran, Österreich zu schwächen . Als Kardinal der römischkatholischen Kirche verschmähte er es nicht, sich als Mittel der evangelischen Fürsten des deutschen Reiches und fremder evangelischer Regenten von Dänemark und Schweden zu bedienen .

Dafs es sich

hierbei einzig und allein um einen politischen Krieg und nicht im geringsten um religiöse Interessen handelte,

ist aus der Zusammen-

setzung des Bundes

Was dem französischen

klar und

Kardinal noch Skrupel machte, Oberbefehlshaber

ersichtlich .

war die Wahl des Mannes, der als

an die Spitze der Expedition treten sollte .

wandte sich nach Kopenhagen und Stockholm ; war es bekannt , grofse Neigung

denn

Man

dem Kardinal

dafs beide Könige zum Kriege gegen Deutschland hatten .

Es

waren

nämlich

verschiedene

deutsche

170

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

Fürsten, wie der oben genannte Landgraf Moritz von Hessen-Cassel , der Pfalzgraf Johann Casimir von Zweibrücken (G. Adolphs Schwager), der vertriebene Kurfürst von der Pfalz und andere schon früher mit Gustav Adolph in Unterhandlungen getreten und hatten ihn unter Versprechung aller möglichen Hülfe dringend zu einem Feldzug gegen Kaiser und Reich eingeladen . Uns interessiert es ganz besonders , an dieser Stelle hervorzuheben,

dafs

der Kurfürst Georg Wilhelm

von Brandenburg anfangs, als der Minister Schwarzenberg sein erster Ratgeber war , den verschiedentlich wiederholten Aufforderungen, dem Bündnisse beizutreten , Widerstand entgegensetzte . Später indessen gelang es

dem Landgrafen Moritz von Hessen und Männern

wie Knesebeck und Winterfeld , den Kurfürsten umzustimmen,

was

um so leichter gelang, als dieser bei Übertragung der Kurwürde auf den Bayern-Herzog Max nicht gefragt, und bei der Abstimmung übergangen war. Georg Wilhelm fühlte sich dadurch gekränkt und zwar mit vollem Rechte.. Auf Betreiben der antihabsburgischen Partei am brandenburgischen Hofe wurde eine Gesandtschaft an Gustav Adolph geschickt. Brandenburgs Gesandter , Bellin , trat mit dem Könige betreffs des Bündnisses in nähere Verhandlungen ein und erhielt von Oxenstierna die Bedingungen , unter welchen der Schwedenkönig zu einem Einfall Gustav Adolph hatte bereits den Opein Deutschland bereit war. rationsplan in der Art entworfen, dafs er in Polen und durch Polen nach Schlesien vorbrechen wollte ; Bellin dagegen schlug vor, nicht Polen, sondern Deutschland selber zum Kriegsschauplatze zu machen und am Rhein und Neckar den Krieg zu führen .

Es handelte sich

für Gustav Adolph um die Operationsbasis , (sedes belli nach damaligem Ausdrucke) die ein Ort am baltischen Meere sein müsse, und zwar entweder Danzig oder Stettin. Letzterer Ort, meinte Gustav, sei vorzuziehen , weil "2 terra amica, princeps amicus, civitas amica " , doch sei dabei zu bedenken, dafs man beim weiteren Vordringen von Stettin aus das grofse Danzig im Rücken habe ; daher mufs die sedes belli werden. *)

nach Danzig

verlegt

und

dieses vorher eingenommen

Bellin durchschaute ganz richtig die Absicht des Königs, durch Verlegung der kriegerischen Aktion nach Polen die eigenen Interessen zu fördern, und erkannte zur Genüge, dafs auf diese Weise das Herzogtum Preufsen aufserordentlich gefährdet, den Interessen der evangelischen Fürsten in Deutschland

*) Droysen I. 199.

dagegen

mit dieser Art

der

171

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg. Führung der Operationen war auch der Grund ,

wenig

oder gar

nicht gedient sei .

Das

warum es zum Abschlusse eines eigentlichen

Bündnisses zwischen Gustav Adolph und Georg Wilhelm von Brandenburg jetzt nicht kam. Auch Frankreich konnte sich mit Schweden nicht verständigen,

da Gustav vorab als ersten Anteil an der

Beute zwei sichere Häfen ,

einen

an der Ostsee und einen an der

Nordsee verlangte, ferner das „ unumschränkte Kriegsdirektorium " für sich in Anspruch nahm, worauf der kluge französische Kardinal einzugehen doch zu gewagt und allzu gefährlich fand . Obgleich nun das französisch- schwedische Bündnis nicht perfekt geworden, statt Gustav Adolph vielmehr der König Christian von Dänemark seitens Frankreich als Kriegsoberster in Aussicht genommen war, der denn auch als solcher auf dem deutschen Kriegstheater auftrat, verlor Gustav Adolph Krieges

mit Polen die

deutschen

trotz

eines

Augen und hielt seinen Blick fester denn je richtet,

in der

neu

ausgebrochenen

Angelegenheiten nicht

aus

den

auf Deutschland ge-

sicheren Überzeugung, dafs sich ihm bei den Spal-

tungen und Trennungen daselbst über kurz oder lang eine günstigere Gelegenheit zum Eingreifen bieten würde .

Preufsischer Feldzug von 1626. Während der Krieg zwischen Schweden und Polen nach abgelaufenem Waffenstillstande wieder von neuem

begann,

war der König

Christian von Dänemark im August 1626 bei Lutter am Barenberge von Tilly so gründlich aufs Haupt Stade

zurückging.

geschlagen,

dafs

er eiligst bis

" Von Lutter bis nach Stade , das war eine Re-

tirade ", lautete der Refrain eines in damaliger Zeit gern und oft gesungenen Kriegsliedes . Schon früher (April 1626 ) war Mansfeld mit seinen Banden von Wallenstein an der Dessauer Brücke zu Paaren getrieben,

so

dafs dessen Völker, wie Wallenstein sich ausdrückte,

,,zertrennt und zerhackt ", die Wahlstatt verliefsen . In Schweden hatten inzwischen bedeutende Rüstungen stattgefunden, aber Niemand werde.

wufste,

wohin sich das Ungewitter entladen

Nach der Schlacht an der Dessauer Brücke erschien Winter-

feld im Auftrage des Kurfürsten von Brandenburg bei Gustav Adolph, um ihn an der Elbe

entlang zu

einer Diversion nach Deutschland

zu bewegen, Wismar als Landungsplatz in Vorschlag bringend ; auch Christian von Dänemark schlofs sich dem Wunsche Georg Wilhelms an, schlug aber die Oder als Marschlinie vor. *)

*) Droysen I. 275.

172

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

Dem Schwedenkönig kam die Sache verdächtig vor, weil ihm der Vorschlag erst nach der verlorenen Schlacht an der Dessauer Brücke gemacht wurde ; er wies daher beide Projekte kurz von der Hand, und Winterfeld mufste unverrichteter Sache wieder nach Brandenburg abreisen .

Gustav aber hielt den Zeitpunkt gekommen , um

handelnd in die Ereignisse eingreifen zu können . Er wählte sich als Angriffsobjekt aus verschiedenen Gründen die Provinz Preussen ; ein mal, um Polen von den Mündungen der Weichsel und vom Meere abzuschneiden , und auf diese Weise seinem Todfeind Sigismund eine tötliche Wunde beizubringen ; dann aber und vornehmlich deshalb , um durch Besetzung einiger fester Plätze in Preufsen dem deutschen Kriegstheater näher zu sein .

Es sei hierbei daran erinnert, dafs das

jetzige Preufsen damals zwischen der Krone Polen fürsten von Brandenburg geteilt war ;

und

letzterer besafs

dem Kurdie Küsten-

striche längs dem frischen und kurischen Haff, aber unter polnischer Lehnshoheit ;

diesen Teil hatte Gustav im Auge, als er den Opera-

tionsplan entwarf.

Polen hatte in richtiger Erkenntnis der Sachlage

den Kurfürsten Georg Wilhelm auffordern lassen , auf der Hut zu sein und die Küstenschanzen vor Pillau in stand zu setzen. Mitte Juni lief die schwedische Flotte , 150 Segel stark , mit einer Besatzung von 20 000 Mann aus und erschien Ende Juni auf der Höhe vor Pillau .

Der Kommandant

Sebastian v. Hohendorff, *) der Verfügung hatte .

Dafs mit

von Pillau war der Oberstlieutenant alles

dieser

in allem 350 Mann schwachen Besatzung

zu seiner und

mit

einigen alten zum Teil schon unbrauchbaren Kanonen ein erfolgreicher Kampf gegen die Schweden nicht aufgenommen werden konnte , verstand sich von selbst. Ein schwedischer Parlamentär liefs sich bei Hohendorff melden und verlangte die Übergabe von Pillau, fügte aber zur besseren Orientierung des Kommandanten und zur Beschleunigung der Angelegenheit

die Drohung hinzu , sofort Gewalt gebrauchen zu

wollen, sofern die Festung nicht freiwillig übergeben werde. Hohendorff machte hierüber eiligst Meldung an die preufsischen Oberräte, aus deren Mitte Wolf von Kreytzen, der Kriegsoberste über das gesamte preussische Heerwesen, nebst zwei Kollegen abgeschickt wurde, um mit Gustav Adolph weitere Verhandlungen einzuleiten .

Dass der

Schwedenkönig den Bitten der Gesandten , das preufsische Land mit einer Besetzung zu verschonen , nicht Folge gab , lag auf der Hand ; denn Gustav Adolph war nicht der Mann ,

der

sich durch bittende

Gesandten von einem geplanten Unternehmen abbringen liefs .

Auch

*) Vergl. über das Folgende : Lohmeyer , Gustav Adolph und die preufsische Regierung im Jahre 1626 ; Droysen I. 276 u. ff.

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

173

der Hinweis der Gesandten auf das Abhängigkeitsverhältnis des KurPolens und die Pflicht des ersteren , die

fürsten von der Krone

preufsische Küste zu schützen, blieb bei Gustav Adolph ohne Erfolg. Eine viertägige Frist zur weiteren Beratung war alles, was der König Am folgenden Tage (28. Juni) erschien eine zweite dem Landrat und Voigt zu Fischhausen , Fab . von Gesandtschaft,

ihnen bewilligte .

v. Bork , geführt, und bat um Stillstand der Operationen . Durchaus natürlich war das Verlangen der Gesandtschaft, der König möge sich « an den Kurfürsten direkt wenden. "" Eine Resolution des Kurfürsten ," antwortete Gustav Adolph ,

wäre unnütz , denn wenn man sie auch

sie doch sehr schlecht , weder warm noch kalt es für den Kurfürsten und für das Land , wenn man hier Resolution nehme. " Um den weiteren Verhandlungen ein erlangte ,

so würde

sein ; besser wäre

traf der König Anstalten , sich nötigenfalls mit von Pillau zu setzen ; indessen leistete HohenBesitz den in Gewalt

Ende zu machen ,

dorff keinen Widerstand, und so

nahm Gustav Adolph die Festung

ohne Kampf und Blutvergiefsen ein. Gustav Adolph schob seine Truppen eiligst nach Süden vor ; auf dem Marsche dorthin, in Frauenburg, erschien eine neue preussische Gesandtschaft vor ihm mit der Bitte, stehen zu bleiben und mit dem Kurfürsten das weitere zu verhandeln.

Der König

Gesandtschaften und der Unterhandlungen müde ;

aber war der

nicht

mit milden

Worten, wie anfangs, sondern mit „ harten , scharfen Reden, mit Blut und Hals in zweischlagen Bedräuungen " fuhr er die Gesandten darunter Hiob Löpner , altstädtischen Ratsverwandten von Königsberg - an und erwiderte auf die Klagen über die Einnahme von Pillau : „er habe die Festung jure naturali, civili et omni jure “ eingenommen. Wenn er dann in weiterer Unterredung mit den Gesandten hinzufügt , sie möchten nur seinen Schwager aus dem Spiele lassen und selbständig mit ihm ein Bündnis abschliefsen, so klingt das wie offene Aufforderung ,

von dem rechtmässigen Landesherrn abzufallen

und demselben den gebührenden Gehorsam zu kündigen . Dafs die preufsischen Abgeordneten dies anfangs nicht thaten, sondern wiederholt auf ihren Fürsten , den Kurfürsten Georg Wilhelm , hinwiesen und von dessen Entschliefsungen sich abhängig machen wollten , ist denselben gewifs zur hohen Ehre anzurechnen . Auch sie waren, wie der König von Schweden , Anhänger der evangelischen Lehre und derselben treu und mit warmem Herzen ergeben ; wenn sie also mit Gustav nicht paktierten, so ist das wohl ein handgreiflicher Beweis , dafs die Ankunft des Königs im Herzogtum Preufsen mit der Religion und der evangelischen Sache nichts zu thun hatte .

Trotz aller Ein-

wirkungen auf die preufsischen Gesandten seitens des Königs waren

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

174

dieselben zu einem Neutralitätsbündnisse nicht zu bewegen.

Aber

Gustav Adolphs Rede wurde immer deutlicher und hatte endlich den gewünschten Erfolg . „ Ich schwöre Euch bei dem wahren Gott", sagte er zu dem Königsberger Bürgermeister, „ wo Ihr Euch länger aufhalten oder mit einer umschweifenden Armee aufgezogen kommen werdet, Ihr sehen sollt , dafs ich alsdann mit meinen Orlogschiffen mich vor Eure Brücken und Häuser legen , die Erklärung in eurem Blute suchen und Euch das lehren will ,

was Ihr Euch nicht vermutet " .

Diese

Sprache wirkte ; denn den Gesandten war bekannt, dafs der Schwedenkönig der Mann war, sein Versprechen unter allen Bedingungen, koste es, was es wolle, zu halten . Ein Neutralitätstraktat kam zu stande , wie es Gustav Adolph wünschte . Somit war die ganze Ostseeküste in des Königs Gewalt gekommen - nur Danzig leistete noch Widerstand und zwar mit Erfolg. Wie verhielt sich nun der Kurfürst Georg Wilhelm solchem Verfahren seines Schwagers , des Schwedenkönigs , gegenüber ?

„ Es ist

bekannt " , schreibt Droysen , "" wie jammervoll die Entscheidung des Kurfürsten ausfiel ; wie er aus jener energisch antihabsburgischen Richtung , die er 1624 befolgt hatte , erst überging zu einer faulen und feigen Neutralität, um sich endlich dem Kaiser ganz in die Arme zu werfen".

Wir verstehen nun aufrichtig gestanden nicht , wie ein

deutscher Geschichtsforscher , von der Autorität unseres

Gewährs-

mannes, solch ein Urteil über einen deutschen Fürsten niederschreiben kann, und vermögen es absolut nicht zu begreifen, worin die Jämmerlichkeit des Entschlusses des Kurfürsten liegen soll . Statt alles andern lassen wir den Kurfürsten selber reden , der durchaus Recht hatte, über das Vorgehen seines Schwagers und die Einnahme von Pillau sich sehr erbittert auszusprechen : „ Das sollte Freundschaft sein und die gemeine Sache befördern helfen ?

Was helfen mir meine Freunde,

wenn sie mir das thun, was ich von meinen Feinden erwarten sollte ! Sitze ich still und sehe meinem Unglück zu , was wird man von mir sagen?

Wehre ich mich dagegen und thue was ich kann , so

habe ich doch nicht solchen Schimpf und glaube nicht ,

dass

der

Kaiser es mit mir werde ärger machen , als dieser (Gustav Adolph nämlich) .

Und weil er bis dato gegen mich nichts gethan , so mufs

ich doch dann Gnade und alles Gute hoffen , wenn ich mich auch zu ihm schlage . Er beklagt sich , dafs einige seiner Räte , darunter Knesebeck, die Einnahme von Pillau entschuldigten und fährt dann fort 29 alle Welt würde mich für eine feige Memme halten , da ich so ganz still sitzen sollte ; besser mit Ehren gestorben, als mit Schanden gelebt ; ich habe nur einen Sohn (den nachherigen grofsen Kurfürsten) ; bleibt der Kaiser Kaiser , so bleibe ich und mein Sohn auch wohl

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

175

Kurfürst, da ich mich beim Kaiser halten werde ; was soll ich dann thun , wenn ich alles quitt bin und die Schweden all mein Land in Gewalt haben werden ?" *) Das war die Auffassung der Sachlage seitens des Kurfürsten , und wir meinen , jeder unbefangene Beurteiler könnte dieser nur beistimmen. Warum sollte Georg Wilhelm vom Kaiser abfallen , der , wie er selber gesteht, „, gegen ihn bis dato nichts gethan ", und sich auf Seite eines fremden Monarchen stellen , der ihm als königlicher Schwager mitten im Frieden eine Festung - Pillau -- und dann weiter gehend fast ein ganzes Herzogtum entrissen hatte ?

War denn

Gustav Adolph seinem Schwager nicht feindlich gesinnt, und stand jener diesem bei der Landung vor Pillau nicht als Feind gegenüber ? Würde ein Abfall des Kürfürsten vom wohlgesinnten Kaiser und ein Uebertritt desselben zu einem in sein Herzogtum mit feindlicher Absicht gekommenen fremden Fürsten , wenn beides mit freiem Willen und ohne Zwang geschah , nicht durchaus unnatürlich , geradezu erbärmlich und jämmerlich gewesen sein ?

Und wenn es sich noch bei der

Wegnahme des preufsischen Herzogtums um religiöse Interessen gehandelt hätte ;

wenn Gustav Adolph bei seiner Landung den Kur-

fürsten Georg Wilhelm zur Wiederherstellung der evangelischen Lehre und zur Sicherstellung derselben vergeblich um Hülfe und Unterstützung angerufen hätte !?

Aber wir betonen hier und müssen her-

vorheben, dafs von Religion und religiösen Interessen der Evangelischen in Deutschland bei Gustav Adolph absolut keine Rede war.

Die Pläne

des Schwedenkönigs waren im Jahre 1626 bei seiner ersten Landung für Jedermann so durchsichtig und klar, dass es Gustav verschmähte , die Religion

als fadenscheinigen Deckmantel für seine eigentlichen

und wahren Absichten in den Augen der grofsen Masse zu gebrauchen . Einen Schlag gegen Polen zu führen und im Besitze eines Hafens an der Ostsee den deutschen Angelegenheiten näher und näher zu kommen , dies waren die wahren Motive , welche den König zur Wegnahme von Pillau veranlafsten ! Der Kurfürst schickte Gesandte an den Schwedenkönig und forderte Pillau und sein Herzogtum zurück ; natürlich vergeblich , worauf der Kurfürst sich anschickte , ein Truppencorps zusammenzuziehen, um nach Preufsen aufzubrechen. Gustav aber war als siegreicher König Ende des Jahres 1626 wieder nach Schweden zurückgekehrt, während sein Kanzler Oxenstierna in dem eroberten Preufsen das Amt eines „ Generalgubernators " verwaltete . (Schlufs folgt.)

*) Droysen I., 281 . Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

12

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik .

176

XIV .

Die römische Kriegszucht

bis

zum Ende

der Republik.

Von F. Hoenig , Hauptmann a. D. Dulce et decorum est pro patria mori!

Einleitung.

I.

Bei keinem Volke des Altertums hat der Begriff Vaterland derartig die Handlungen des Individuums bestimmt, bei keinem die Erkenntnis der Pflichten gegen dasselbe so zu Einheit, Kraft und Ansehen geführt , bei keinem wuchs die Liebe zum Vaterlande so aus natürlichen Bedingungen heraus wie bei den Römern . Der oben vorangestellte Satz war im alten Rom gleichsam das Symbol alles Erhabenen , der Inbegriff der Mannespflicht und Mannesehre, er war die Religion des Römers ! Aber dieser Begriff schliefst auch eine gefährliche Kehrseite in sich .

Die Vaterlandsliebe

trieb zu Kraftentfaltung und Thaten an,

sie liefs das Volk Opfer tragen ,

sie

schuf und entwickelte Männer,

grofs durch Willenskraft , von Begeisterung bezaubert ,

aber sie war

es auch , die den Ehrgeiz des Einzelnen unterstützte , die in seiner Brust den Durst nach Ruhm und Ansehen nährte und ihn auf der Bahn zu Macht und Gröfse die Idee des Vaterlandes zu Gunsten persönlicher Ziele vergessen

oder

übersehen liefs ,

die Vaterland

Person identifizierte , Volk , Parteien und Heer mifsbrauchte . man dahin gelangte ,

lung findet ,

Als

zogen über den geheiligten Boden des Vater-

landes jene wilden Stürme hin , welchen die Person

und

die wir Bürgerkriege

nennen , in

das Feld zu beispielloser Macht und Entwicke-

zugleich

aber

auch das Fundament des Volkes , des

Heeres und des Staates aufwühlt

und die

drei Mächte

dem Spiel

einer verweichlichten , regierungsunfähigen Gesellschaft überliefert, unter deren wechselnden Händen sie sich nach und nach zu Moder auflösen, den des Windes Brausen wegfegt.

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

II.

Allgemeines

177

über Charakter und Kriegszucht der Römer.

Unsere Arbeit kann nicht in Erwiesenheit Anspruch

allen Punkten auf geschichtliche Hat doch noch niemand die

erheben .

Materie gründlich behandelt.

Alles , was darüber nachgewiesen , ist

Stückwerk und befindet sich selbst in den hauptsächlichsten Werken über die römische Geschichte stückweise zerstreut. Wie ungenügend ist dies für einen Staat, der darauf beruhte, dafs Bürger und Soldat eins waren , in welchem das Heerwesen in der Entwickelung des inneren und äufseren Staatslebens eine einflussreichere Rolle gespielt hat , als in irgend einem anderen Lande. Vergebens suchen wir auch in der Kriegsgeschichte des gröfsten Eroberungsvolkes nach den Bestimmungen und Verordnungen über die Kriegszucht seines Heeres ,

nach den Gesetzen seiner Mannes-

zucht, nach Strafbestimmungen und Geboten , welche das unendliche Gebiet des

inneren Lebens im Heere

regeln .

Vergebens forschen

wir, wie weit die Machtvollkommenheit der einzelnen Grade ging . Bei einzelnen Feldherren stehen wir sogar noch gegen das Ende der Republik vor einem Dunkel, das nur ungenügend auf die Machtvollkommenheit seines Grades, Heer und Staat gegenüber, schliefsen läfst. Und doch war die Kriegszucht der römischen Heere eine derartige , dafs ihnen auf die Dauer kein Gegner zu widerstehen vermochte, und so aus

einer kleinen städtischen Gemeinde ein Welt-

reich werden konnte . Solchem Phänomen gegenüber müssen dauernd wirkende Ursachen vorhanden gewesen sein und sicherlich genaue Bestimmungen bestanden haben ,

welche

einen so

einheitlichen

Kriegsgeist erzeugten. Kriegsbrauch , Kriegsregeln und Kriegsrecht haben sich bei den Römern wie bei allen späteren Völkern ungeschrieben vererbt. Darüber gab es weder von Staats Seiten Gesetze, noch im Heere Bestimmungen ; politische Lage, persönliche Anschauung und Notwendigkeit allein diktierten die Handlungsweise des Feldherrn . Aber Kriegszucht und Geist der verschiedenen römischen Heere in den vielen Jahrhunderten ihres Bestehens können

nur das Ergebnis eines fest

aufgezeichneten Systems gewesen sein, dessen Träger die Feldherren waren. Es würde jedoch grundfalsch sein und von einer grofsen Unkenntnis oder von einem Mifsverstehen der römischen Geschichte und des

römischen Heerwesens zeugen ,

wenn man

als Regel an-

nehmen wollte, dafs die Kriegszucht der römischen Heere allein von der Persönlichkeit des Feldherrn abgehangen habe , wenngleich eine 12 *

178

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

der persönliche Ein-

etwa 100 Jahre lang

kurze Spanne Zeit

flufs des Feldherrn auf Wesen und Form geradezu bestimmend einwirkte ; es war dies aber die Zeit des bereits angefangenen Verfalls die

der römischen Republik ,

Zeit der Anarchie

und der Empor-

kömmlinge. Der Grund, warum der römische Staat aus einer kleinen Stadtgemeinde so schnell zu einem Grofsstaat, und aus diesem zu einem Weltreich emporstieg, welches von längerem Bestand war als irgend ein anderes, mufs in tiefen inneren Qualitäten des Volkes gesucht werden.

Eine der hauptsächlichsten

Auffassung der Ehe.

dieser Eigenschaften war die

Die römische Frau nahm von jeher neben

dem Manne die Stellung einer Herrin ein, und durchaus unrichtig ist die landläufige Ansicht ,

dafs ihr erst das Christentum die Sklaven-

fesseln genommen habe . Die strenge Innehaltung der Monogamie erzeugte feste, abgeschlossene Familien, und in dieser Beziehung stand die derbe , harte und hausbackene Kultur der römischen Gemeinden weit über der der Hellenen . galt bei den ersteren

als

Familienbegründung und Kinderzeugung

eine

sittliche Notwendigkeit und Bürger-

pflicht . Dieses Bewusstsein safs tief im römischen Volke und hat sich zum Teil noch bis in die Zeiten seines Verfalls erhalten. Die Stammväter des späteren römischen Volkes wurden in ihrer Sphäre als vollendete Staatsmänner geboren, und weil sie das Leben in seiner vollen Realität nachgingen ,

erkannten und ihm

weil sie alles

ihrem Recht festhielten ,

mit praktischem

Blicke

nüchtern auffafsten und mit Energie an

darum vermochten

die Familien

und Ge-

meinden zu nie dagewesenem Ansehen und zu einer Selbständigkeit zu gelangen ,

welche später , gröfsere Verbände umschliefsend , Rom

den Charakter eines Föderativstaates gab und die sofort zu Reibereien und erbitterten Kämpfen führte , verstiefs . Das von der Natur

sobald

man gegen ihr Recht

vorgezeichnete Rechtsverhältnis

zwischen

Mann und Frau, Kindern und Eltern hat kein Volk so schlicht erfafst und so unerbittlich durchgeführt als die Römer. Der „pater familias " hatte im alten Rom Rechte, Gewalt und Autorität, wie sie nie wieder ein Familienhaupt, weder der Familie , noch dem Staate , noch dem Gesetze gegenüber inne gehabt. Innerhalb des Hauses hielt er nicht allein auf strengste Zucht , sondern er übte auch volle Gerichtsbarkeit ; nur in Bezug auf Aussetzungen von Kindern, oder Verkauf des Weibes und des verheirateten Sohnes ahndete

das Gericht.

Er konnte ein mündiges Glied zur Sklaverei

179

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. verdammen ,

oder an ihm das höchste Richteramt ,

die Todesstrafe ,

vollziehen lassen, ohne dafs weder Gesetz noch König ihn zur Rechenschaft ziehen durften , höchstens nahm der "9 Familienrat" dabei eine beratende Stelle ein .

Unter solchen Bedingungen entwickelten sich

alle die weltbekannten römischen Geschlechter ; aus ihnen erwuchsen die Patrizier und, ob unter dem Königtum, oder der späteren Republik, oder dem noch späteren Kaisertum , überall spielen sie eine bestimmte, zwar häufig unterbrochene, aber immer einflussreiche Rolle in der römischen Geschichte.

Die Familien- und Klassenunterschiede,

die mit ihren Wurzeln bis auf die Gründung Roms zurückgehen , sind niemals aus dem römischen Volke verschwunden, und auf den verschiedenen Familien und Klassen , ihrem Anteil am öffentlichen Leben , ihren Pflichten gegen den Staat beruhte die Gesundheit und Kraft des Volkes.

Sein praktischer Instinct wurde der Träger des Rechts-

bewusstseins und der Schöpfer der Rechtslehre , deren Hauptziel "" Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz " war ! Die römische Verfassung stellte die Pflichten und Rechte genau fest, die Volk und Regierung sich gegenüber und welche beide dem Vaterlande gegenüber hatten, und unter die Hauptpflichten des römischen Bürgers gehörte von je her der Kriegsdienst. Der Nichtbürger

stand dem Bürger schroff und in Bezug auf

die Teilnahme am öffentlichen Leben recht- und machtlos gegenüber. So hart und tyrannisch dies erscheint, so hat doch niemals ein Volk gegeben, wo andrerseits die Gleichheit der Bürgerschaft vor dem Gesetz so strenge durchgeführt worden ist. Wie die Stellung des Vaters der Familie, so war die des Königs dem Staate gegenüber, und aus diesem natürlichen und systematischen Aufbau,

dessen Form die Republik

seinem Wesen derselbe blieb,

zwar veränderte,

der

aber in

ergab sich die Machtsphäre der ober-

sten Gewalt und die Pflichtsphäre der römischen Bürger.

Römischer

Bürger zu sein , war eine Ehre, und da nur er Heeresdienst leistete, so ruhte das Dienen von vorne herein auf zwei mächtigen Stützen : 1. Der Homogenität und 2. dem Ehrprinzip. war ein Recht und eine Pflicht

Das Waffentragen

des römischen Bürgers allein und

diese Thatsache ist die Grundlage des römischen Heerwesens überhaupt .

Aus der

Gleichheit vor dem Gesetz,

der Treue und dem

Gehorsam, ja der Machtlosigkeit des Sohnes (Kinder) dem Vater gegenüber, aus derselben Treue und demselben Gehorsam, welchen der römische

Bürger dem

Schutzherrn seines Gemeinwesens , der

obersten Gewalt, gegenüber schuldig

war, zog die römische Kriegs-

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

180

zucht ihre Festigkeit und sittliche Kraft, und ohne genaue Kenntnis des inneren Aufbaus der Familiengemeinde sie nicht verstanden werden.

und des Staates kann

Mit dem Ehrprinzip stehen zwar nach unserer Auffassung die harten abschreckenden Strafen im Widerspruch, welche sowohl der Vater über die Kinder , wie der Obere über die Unteren im Heere verhängen durfte .

Ungehorsam wurde niemals, auch in den späte-

sten Zeiten der Republik,

anders

als

mit Stockschlägen bestraft.

Die Väter handhabten den Stock allgemein gegen die

straffälligen

Söhne, und im Heere waren Stockschläge das häufigste und gebräuchlichste Strafmittel.

Ungehorsam

hing jedesmal

von den Verhältnissen ab, unter welchen er vorkam .

Das Strafmafs

bei

Im Felde zog

er die Todesstrafe nach sich, ebenso Untreue oder Fahnenflucht, und die Machtvollkommenheit jedes Grades ging zu allen Zeiten so weit, dafs jeder

selbständige Führer diese Strafen

nach eigenem Er-

messen verhängen konnte , ohne vorher einen Richterspruch gehört zu haben oder hören zu müssen , ja, ohne eine andere Rechtfertigung den Höherstehenden, oder, wenn der Strafvollstrecker der Feldherr selbst war, der Regierung gegenüber , eine Meldung des Thatbestandes .

nötig zu haben , als

Diese Zustände erscheinen uns weder mit dem Ehrprinzip noch mit der Rechtsauffassung des

römischen Volkes

vereinbar.

Aber

auch hierfür liegt die Lösung in seinem Charakter. Römische Rückist ein tief bei uns sprichwörtlich geworden sichtslosigkeit innerer, allgemeiner Charakterzug , der zwar überall auftritt, aber nirgends so real wie in der Kriegszucht. Rücksichtslos ging der römische Bürger, der römische Feldherr, der römische Staat vor, sobald sie ein Ziel ins Auge gefasst hatten . Rücksichtslos war die väterliche Strenge , rücksichtslos die Strafe für jeden, der am geheiligten Vaterlande gesündigt ; rücksichtslos baute der Feldherr seine Heerstrafsen über Berge und Ströme , vor denen wir heute noch staunend stehen.

Noch bewundern wir die gewalti-

gen Römerwälle, welche die Schutzgrenzen des Reiches bildeten, und deren Spuren in neuerer Zeit , wenigstens von der Donau zum Main und von hier bis zur Sieg in Deutschland wieder aufgefunden worden sind. *)

Man bedenke nur, welche Vorbereitungen und Anstren-

gungen das Aufwerfen einer einfachen Feldbefestigung uns verursacht und halte dagegen die Thatsache, dafs ein römisches Heer von Marius ab niemals lagerte, ohne vorher das Lager durch aufgeworfene Wälle

*) Prof. E. Hübner: Römisches in Deutschland. Deutsche Rundschau 1879, Juli.

181

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. abgeschlossen zu haben.

Diese Rücksichtslosigkeit entsprang aus

der Willenskraft ! Homogenität und Ehre, Treue und Gehorsam bleiben unwirksam, treibt .

Die

wenn Nervation sie nicht zu fafsbaren Ergebnissen

Weckung

und Belebung der Willenskraft ,

Übung in ihrer Äufserung römischen Erziehung.

bildete

sowie

die

darum ein Hauptmerkmal

der

Die meisten römischen Feldherren sind weniger grofs und eigentümlich durch kühnes Denken als durch Willenskraft, d . h . kühnes Handeln . Ihre Operationen tragen nicht den Stempel gelehrter Kombinationen, sondern das Endziel des Krieges , die Niederwerfung des Gegners, halten sie stets im Auge, und mit rücksichtsloser Energie gehen sie dem Ziele auf den Leib. Die Willenskraft ist zwar die Essenz der Feldherrnkunst,

und ohne sie giebt es keinen Feld-

herrn ; aber nirgendwo hat man ihre Stählung so verfolgt wie im alten Rom. Der Soldat wurde im Frieden an die kolossalsten Anstrengungen gewöhnt, seine Dienstzeit war in dieser Beziehung eine permanente Kriegswirklichkeit, und mit Rücksichtslosigkeit forderte der Feldherr von den Untergebenen die Einsetzung ihrer Kraft bis zu völliger Erschöpfung. Die römische Volkserziehung und folgerichtig die des Soldaten richtete ihr Augenmerk dabei auf eine Seite, welche heute leider weniger gepflegt wird,

nämlich auf mannes wür-

dige Selbstbeherrschung in dem Ertragen physischer Schmerzen, und die Kunst hat dieser Erziehungsrichtung in dem „ sterbenden Gladiator " greifbaren und innigen Ausdruck gegeben . Der römische Jüngling, der die Heldengestalten seiner Geschichte im Geiste bei sich trug, wollte nur Römer sein und als Römer leben, heldenhaft kämpfen sterben ! Dieser Stolz und diese Zuverals Römer und ebenso sicht lebten im Volke , als Italien kaum unterworfen,

als Karthago

noch mächtig und jungfräulich über das Meer herüberleuchtete , und der gröfste Grieche in unvergleichlichen Siegeszügen die Welt durchDas Handinhand gehen von Familien-, Volks- und milistürmte. tärischer Erziehung hatten sie im Laufe zweier Jahrhunderte erzeugt . Aber auch die "9 Tugend " der römischen Rücksichtslosigkeit hatte eine barbarische Rückseite.

Je mehr Gebiet unterworfen wurde , desto

mehr Nichtbürger lebten mit, neben und unter den Bürgern als Insassen des Staates . Rücksichtslos setzte man sie gegen die Bürger zurück ; man räumte ihnen zwar politische und öffentliche Rechte ein ; man liefs sie am Heeresdienst teilnehmen ; dazu trieb die Not. Aber sie waren neben den Vollblutrömern nur geduldet . So ging es sogar noch mit den Transpadanisten um die Mitte des 1. Jahrhunderts, und diese Zurücksetzung

sollte später von einem Menschen-

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

182

kenner, J. Cäsar, mit Wucht und Wärme politisch ausgebeutet, eine Bedingung seines Erfolges gegen den Nebenbuhler werden . Rücksichtslos schlossen sich die Familien ab, rücksichtslos hielten sie an der Überlieferung und ihren

Vorrechten " fest ; rücksichtslos wurden

die gefangenen Gegner getötet, schlimmer war, rücksichtlos

später Sklaven,

was vielleicht noch

verfolgte man neben dem Heere,

dem

Staate, die Person des feindlichen Heerführes , forderte

seine Aus-

lieferung und führte

durch

Gassen Roms, weide ;

rücksichtslos

Feldherrn ,

ihn als

Sklave im Triumphzuge

die

damit das ruhmdurstige Volk sich an eigener Gröfse drang man

oder liefs ihn

Karthago, plünderte Korinth, Sitze der Pharaonen .

auf Verbannung des feindlichen

enthaupten,

rücksichtslos

zerstörte man

verbrannte Athen und verwüstete die

Aber rücksichtslos fiel auch jedes Haupt eines

Verschwörers gegen Rom, und rücksichtslos wurde der unglückliche Feldherr des Vaterlandes verlustig erklärt und in

die Verbannung

geschickt oder erschlagen. Der Nichtrömer galt dem Römer nichts ; das Leben eines Sklaven hatte für ihn nur insofern Wert , als es ihm Geld einbrachte, und auch in Rücksicht auf diese Auffassung leuchtet die „ Realität “ ein, mit der er das Dasein betrachtete . Der Sklave durfte vorab nicht heiraten . War der Kindersegen in römischen Bürgerfamilien das gröfste Glück , so wurde er bei Sklaven und Proletariat als eine Bedrohung der Macht der Bürger angesehen . ihm

durch das Verbot der Verheiratung

Darum suchte

vorzubeugen .

Wie

man wenig

dies gelang , lehrt die spätere Geschichte Roms , die an Stelle einer solchen der römischen Bürger eine Geschichte des „, Weltproletariats “ wurde , angesammelt in und um Rom .

Von dem Augenblick ab, da

Alexander der Grofse die Augen geschlossen , stand das dieserart erzogene Volk ohne gleichmächtigen Nebenbuhler da und ebenso sein Heer. Die Kriege mit Pyrrhus , Karthago , Philipp von Macedonien, Jugurtha, Cimbern, Teutonen und Mithridates führte Rom zwar nicht ohne schwere Kämpfe und eigene Gefahr zu Ende .

Aber in keinem

dieser hatte es ein Volk achten gelernt, sondern nur Feldherrngröfse fürchten. So kam es, dafs die Römer sich allein das Wort

29 Volk

beilegten und die anderen Nationen als nicht gleichberechtigt

betrachteten ,

ebensowenig ihre Heere.

Aus der

hieraus

folgenden

Menschenverachtung ist jene rohe, harte und gräuelhafte Kriegszucht dem Gegner gegenüber entstanden, die alle römischen Heere, sowohl zu

ihrer Blütezeit wie

im Verfall , kennzeichnet.

Humanität war

ein unbekannter Begriff, und obwohl die Römer ein Rechtsvolk waren, auf dessen Rechtsauffassung wir heute noch zurückgreifen ,

kannten

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

183

sie kein bindendes Rechtsverhältnis anderen Völkern gegenüber.

War

der Gegner überwunden, so fiel sein Hab und Gut selbstverständlich auch Was Wert hatte, war Kriegsbeute

dem Sieger in den Schofs .

der gefangene feindliche Soldat wurde insofern als Wertobjekt betrachtet, als er für den römischen Staat arbeiten musste. Politische Verhandlungen und Verträge , nach der Niederwerfung des

Gegners,

kannte man von der Unterwerfung Italiens ab ebensowenig, sondern nur ein Gesetz , den Willen Roms, das den Frieden diktierte . Eine Ausnahme

war es ,

wenn in späterer Zeit das gestohlene Gut der

ausgeliefert oder nach billigen Regeln an die eigenen Soldaten verteilt wurde ; im allgemeinen sorgten dann die Feldherren zuerst für Füllung der eigenen Taschen. Dennoch wanderten ungeRegierung

heure Wertstücke nach Rom und thatsächlich war die Welt , soweit Blühende sie beim Ende der Republik bekannt , ausgeplündert. Länder verarmten unter römischer Verwaltung vollends.

Geld und

Wertobjekte , aus allen Ländern nach Rom geschleppt, blieben nicht ohne die schlimmsten Folgen für den römischen Staat ; und als die orientalischen Provinzen ausgesogen und das mittlerweile in und um Rom angehäufte Proletariat von dort nicht mehr befriedigt werden konnte , da begann die Zeit , dafs dieses an die Taschen der reichen Bürger Roms dachte.

Die römischen Legionen ,

welche

bis

an die

Ufer des Euphrat gedrungen, die gesamten Länder, welche das Mittelmeer umsäumt , durchstreift hatten , sie fanden auf ihren Wegen die Spuren einer älteren und innigeren Kultur , als die ihres eigenen Vaterlandes, und in diesem Bewusstsein kehrten sie heim. Aber zum Verständnis dieses Geistes kam man in Rom nie , und was die römischen Heere, die die attischen Gefilde durchschritten, an Kunstschätzen heimwärts führten , erwarb sich im Schofse der römischen Was die Römer Gesellschaft nur die Gunst eines Luxusplatzes. uns dann überliefert haben , ist verhältnismäfsig wenig , und was sie nach jenen Vorbilden selbst geschafft, noch weniger. Auf die Kriegszucht der Heere haben stets die religiösen Begriffe der Kultur einen grofsen Einfluss ausgeübt. Wo das Herz des griechischen Kriegers gebebt hätte , da schlug die römische Soldateska , ohne Gefühl und Verständnis der Religion der Schönheit, der wunderbarsten Männerfigur Haupt und Arme ab ; die Kriegszucht der Heere Muhameds und seiner Nachfolger war allein aus den Satzungen seiner Glaubenslehre hervorgegangen , und auch bei den christlichen Völkern wurde der Glaube das Triebrad zur Völkerwanderung nach dem Osten , und bei ihnen entwickelten sich unter dem Hauche des Gesetzes der christlichen Liebe neue Begriffe

184

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

Humanität und Völkerrecht --- und erzeugten eine Kriegszucht freilich erst nach mehr als 1/2 Jahrtausenden , - die die Römer für Weichlichkeit angesehen haben würden .

Die römische Religion war

die hausbackenste von allen , welche bestanden haben ; sie war eine reine Hausreligion und der Tempel der Vesta das römische Universalhaus .

Die römische Mythologie ist gegen die griechische gedanken-

und allegoriearm , und der Sieg der Letzteren über die Erstere, sowie die Verschmelzung - will sagen Umtaufe der griechischen Götter und Göttinnen in römische blieb auf das Volk ohne allen Einfluss. Die Vesta war die Schutzpatronin des römischen Hauses und Mars der Kriegsgott .

Was unter seinem Beistand errungen ,

Ersteren anvertraut.

wurde der

Schon in der ältesten römischen Zeit spricht

sich die aufserordentliche Verehrung des Kriegsgottes aus.

Die ersten

Lieder , welche die römische Dichtung erzeugte , waren Mars gewidmete Kriegslieder, und jener Gott hiefs von jeher der " niederwerfende göttliche Verfechter des Bürgertums " . Diese Hausreligion erscheint. kalt und nüchtern, aber sie entsprach der praktischen Lebensrichtung der Römer und hat der Kriegszucht ihrer Heere dieselbe Kraft verliehen , welche der muhamedanische Fanatismus und Fatalismus den Arabern einimpfte .

Die römische Geschichte ist eine Kriegsgeschichte ,

und in jedem Kriege focht der Römer für sein Haus, seine Familie , seine Gemeinde, seinen Staat , für sich selbst ; diese realen Faktoren deckten sich mit den idealen (religiösen) , beide bilden das Saatfeld der Vaterlandsliebe . So sind Homogenität und Ehrprinzip , Treue und Gehorsam , Willenskraft und Vaterlandsliebe die Träger der römischen Kriegszucht während der besseren Zeit der Republik gewesen ,

alle aus

demselben Boden erwachsen (dem Hause), alle demselben Ziele nachstrebend, der Gröfse und dem Ruhme des Vaterlandes ! Eine auf so realer Grundlage errichtete Zucht mufste Gefolge überall

haben , nach

alle Nachteile

in

ihrem

welche der Kampf um materielle und reale Güter

sich

zieht,

Härte , Grausamkeit, Verachtung der Mit-

völker, Rücksichtslosigkeit, Raub und Zerstörung, Bereicherung, Verfall in Luxus und endlich Verderb!

III. Vom servianischen Militärgesetz bis zum rullianischen (bezüglich bis zur Unterwerfung Italiens ) . Bis zum sechsten König von Rom trugen die Bürger allein die Last des Heeresdienstes, und es ist zu vermuten, dafs bis dahin nur eine Waffe, die Reiterei, bestanden hat.

Jeder Bürger war vom 18.

bis 60. Jahre dienstpflichtig, und der König hatte die alleinige Ent-

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

185

scheidung über Krieg und Frieden ; ihm fiel auch die Führung des Heeres zu. Die vielen Kriege und die Erweiterung des römischen Gebiets, die mit der Letzteren steigende Zahl der Insassen im Gegensatz zu den römischen Bürgern trieb zur ersten vollständigen Verwaltungsreform unter Servius Tullius . Die Verteidigung des heimischen Herdes war eine Ehrensache, aber diese Ehrenpflicht im Laufe der Zeit zu einer so empfindlichen Last geworden, dafs die Bürger allein sie nicht mehr zu tragen vermochten.

Obwohl die Geschichte darüber schweigt, von wem die Urheber-

schaft der ersten Heeresumgestaltung ausgegangen ist, kann doch angenommen werden , dafs sie nicht von den Insassen (Plebejern), sondern von den Bürgern selbst herrührt.

Die Ersteren sahen wohl ein , dafs

der Kriegsdienst ihnen keine Rechte ,

sondern nur Pflichten gab,

welche sie dem eigenen Berufsleben entzogen und die nebenbei noch . recht kostspielig waren . Wie hätten sie sich da zu einem solchen Mandat drängen können ?! Hatten sie doch unter dem Schirme der Wehrhaftigkeit der römischen Bürger wenn zwar rechtlos -- doch immer ruhig und sicher gelebt und noch nicht ein Mal einen Teil der finanziellen Last, die der Kriegsdienst mit sich brachte, getragen. Denn bis zu diesem Zeitabschnitt mufste der römische Bürger , der Soldat wurde , sich nicht allein auf eigene Kosten kleiden und ausrüsten, sondern er war gesetzlich verpflichtet, dem Staate im Notfalle Geld vorzuschiefsen .

Also Gebietserweiterung war das Gebot für die

erste Heeresumgestaltung, und

wie hier unter dem sechsten König

von Rom, so zieht sich dasselbe Gebot der Notwendigkeit durch die Geschichte der römischen Republik. Je menschenraubender der Kriegsdienst wurde , je

mehr mufste man der Notwendigkeit nach-

geben und schliefslich ohne Rücksicht auf Abkunft , Vermögen und Nationalität die Lücken der Heere mit dem füllen , was man fand. Unter diesen Triebfedern nahm die Auffassung von der Ehre zu dienen in demselben Mafse ab, wie die Gebietserweiterung zunahm , und im letzten Jahrhundert der römischen Republik war sie wohl allein nur unter der Reiterei

vorhanden ,

jener Waffe ,

welche bis zuletzt die

Domäne der römischen Bürger (Patrizier) blieb. Bekanntlich bildeten die römischen Gemeinden von jeher 3 Teile. Unter Servius Tullius trat nun an Stelle der Dreiteilung eine Vierteilung in gleich grofse

Gebiete,

und jeder

Gebietsteil hatte die

gleiche Anzahl zur Reiterei und zum Fufsvolk zu stellen . Die Zeit der Dienstpflicht blieb bestehen , wie sie bisher festgesetzt war, nur wurde sie insofern genauer geregelt , als man nach Altersklassen ein Angriffs-

und Verteidigungsheer bildete

(aktives Heer und Reserve).

186

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

Das erstere trug in Krieg und Frieden Waffen , das letztere nur dann , wenn es aufgerufen worden war. Zu dem ersteren gehörte von nun ab jeder römische Bürger und Insasse des Reiches vom 18. bis zum vollendeten 46. Jahre , bis 60. Jahre.

zum letzteren jeder

vom 47.

Die servianische Heeresverfassung hob den Kriegsdienst aus der engen Sphäre einer Last der römischen Bürger heraus und machte ihn für die Allgemeinheit bindend . Nunmehr mufsten alle Begüterten - gleichgültig ob Bürger oder Insassen dem Staate im Notfalle Geld vorschiefsen , nunmehr mufsten sie alle dienen . War ehemals das römische Bürgerrecht für den Heeresdienst notwendig, so wurde von nun ab der Besitz , und zwar der Grad des Besitzes , die alleinige Basis seiner Regelung , Landbesitz .

nicht der Kapitalbesitz ,

sondern der

Die kriegspflichtige Mannschaft wurde auf Grund eines Grundbesitzregisters nach der Gröfse des Landbesitzes in 5 Klassen eingeteilt. Das Register war zugleich Aushebungsrolle und vertrat in dieser Beziehung unsere alphabetischen Listen. Von den fünf Klassen musste sich die rüsten , Staate .

erste auf eigene Kosten kleiden und ausdie vier anderen erhielten Kleidung und Ausrüstung vom Aber über die Hälfte des Ländereibesitzes fiel unter die

1. Klasse ,

und so wurde festgesetzt ,

dafs auf 80 dieser je 20 der

drei folgenden und je 28 der letzten Klasse auszuheben seien . Die Ländereien der 1. Klasse befanden sich ausschliefslich in den Händen der Patrizier.

Dies blieb im allgemeinen so bis zum Ausbruch

des ersten Bürgerkrieges . Daher kann man rechnen, dafs beim Fufsvolk auf 48 römische Bürger 80 Insassen kamen ; noch ungünstiger für die letzteren war das numerische Verhältnis bei der Reiterei. Von diesen Truppen kann nur die Reiterei als stehendes Heer in unserem Sinne betrachtet werden. Das Fufsvolk wurde allein im Kriegsfalle vollzählig gemacht ; nach dem Kriege kehrte die weitaus gröfste Anzahl heim, nur schwache Cadres blieben zurück, soweit es einerseits die Formationen, anderseits die Pflege und Aufbewahrung von Waffen , Ausrüstungs- und Bekleidungsgegenständen erforderten. Die Reitere

dagegen wurde immer komplet gehalten ;

sie war im

römischen Heerwesen der Träger der Ritterlichkeit ; aus ihr ging auch eine Anzahl von Generalen hervor.

Einen eigentlichen Waffen-

stolz entdecken wir unter dem Fufsvolk erst bei Julius Cäsar , da freilich in hohem Grade , während er in der Reiterei von jeher bestand und niemals aus ihren Reihen verschwand. Sie hielt im Frieden jahraus jahrein regelmässige Übungen ab und trat als Vertreterin

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

187

der römischen Ritterschaft mit ihren glänzenden Schilden, blinkenden Speeren und mutigen Rossen bei allen Festlichkeiten auf, so dass sie die Lieblingswaffe der Römer wurde. Die Namen der ersten Schwadronen wagte niemand zu beseitigen , sie trotzten den Stürmen der Republik, und alle Vermehrungen, welche im Laufe der Jahrhunderte an Reiterei nötig wurden , lehnten sich an diesen von den ersten drei römischen Schwadronen getragenen Kriegsgeist an und vererbten sich von ihnen von Geschlecht zu Geschlecht.

Die römische

Reiterei war eine Patrizierwaffe wie nie eine ähnliche in einem anderen Staate bestehende, und sie ist es bis zum Zusammenbruch des Reiches geblieben .

Die Nachkommen der römischen Vollblutbürger

liefsen nie das Ziel aufser Augen , ihre Offizierstellen mit ihren Anhängern und Verwandten zu besetzen , und bis zur Marius'schen „militärischen Revolution in der Aushebung des Heeres " behaupteten die Patrizier noch ihre Stelle bei drei Vierteilen der römischen Reiterei. An ihrer Konsequenz und Politik war selbst die bittere Parteileidenschaft gescheitert , Besetzung

denn wir wissen ja ,

dafs die

der höheren und niederen Offizierstellen auf politischem

Wege durchging. Die Formation des Fufsvolkes war die Legion .

Servius Tullius

verdoppelte ihre numerische Stärke , indem er sie von 4200 auf 8400 Mann brachte . Die Legion war aber keine neue Formation ; war der Name ,

im übrigen

das Neue an ihr

war sie eine nach altdorischer Art ge-

rüstete und gegliederte Phalanx, die sechs Glieder zu je 1000 Mann Schwergerüsteter bildete.

Der Rest bestand aus 2400 Ungerüsteten .

In den 4 ersten Gliedern der Legion standen die Dienstpflichtigen der ersten Ländereiklasse , im fünften und sechsten die mindergerüsteten der 2. und 3 .; die 4. und 5. bildeten die 2400 Ungerüsteten oder Leichtbewaffneten (Reserveleute) . Beim Tode des Servius Tullius mögen die römischen Heere beider Kategorieen 20 000 Mann gezählt haben . Vorerst wurden mit der Zunahme der Bevölkerung die Cadres nicht vermehrt, sondern der Überschufs

an Dienstpflichtigen

den bestehenden

zugeteilt .

Nicht

allein hier, sondern in der römischen Kriegsgeschichte überhaupt ruht das Berechnen der Effektivstärke auf unsicherem Untergrund. Niemals hat man

sich an die Sollstärke irgend eines Truppenteils

gehalten. Man kann demnach nicht allein aus dem starken Kontingent, welches die römischen Bürger noch nach dieser Verschmelzung von Bürgern und

Insassen

zum Kriegsdienst stellten, sondern auch aus

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik .

188

ihrer taktischen Gliederung ersehen , die schwersten Opfer brachte, Ehre ansah,

in

wie der Bürger vor wie nach

und wie er es nicht minder als eine

den ersten Reihen

der Legion

zu

kämpfen .

Die

Unterwerfung Italiens ist denn auch eine That des bewaffneten römischen Bürgertums . Bis zu Servius Tullius war der römische Bürger zugleich Soldat, und wir haben im vorigen Kapitel darauf hingewiesen, wie dieses Verhältnis in der Kriegszucht zur Homogenität führte . Nun trugen auch die Insassen die Kriegslast , und wenn von vorne herein jene Homogenität dadurch etwas verloren ging, so war die neue Heeresverfassung doch in sofern von grofser Bedeutung, als sie Bürger und Insassen zu einem Volk verschmolz , wodurch dem ganzen Volke Geschmack und Sinn für Kriegswesen zugetragen wurde . Von nun ab hielt das Steigen der numerischen Streitkräfte mit der Erweiterung des Gebietes

gleichen Schritt.

Schutze des eigenen Reiches an den Grenzen ,

da

Da das Angriffsheer nur zum

war,

so lag es verfassungsgemäfs

und hier an den stets wechselnden

und weiter

hinaus greifenden Wachtplätzen , hier wo die männliche Bevölkerung zwischen 18 und 46 Jahren gewaffnet auf des Reiches Wacht stand, hier entwickelte der Gehorsam,

sich das Ehrprinzip, die Freundschaft, die Treue,

die Willensstärke und die Rücksichtslosigkeit,

kurz

die „ virtus “ , und ging allmählich in Fleisch und Blut des ganzen Volks über.

Die politischen inneren Kämpfe ,

welche

mit den Tagen der

Republik anfingen , übten bis zur Unterwerfung Italiens nur geringen Einfluss auf das Heer, das vorerst mit keiner politischen Partei Fühlung haben wollte, und, über den Parteien und aufserhalb der mannichfachen Verfassungskämpfe stehend , bewährte sich seine Treue, Hingabe und sein Gehorsam glänzend, bis die durch die Verfassung an seine Spitze gestellten Generale den Verfall seiner Kriegszucht herbeiführten. Nicht von unten , sondern von oben wurde. der Bau untergraben , Partei- und Eigenliebe waren die Motive. Der Parteileidenschaft und den Parteiinteressen, sowie dem durch die Vaterlandsliebe selbst geweckten Ehrgeiz fiel der Hort des Vaterlandes, der Stolz des Bürgertums zum Opfer, „die Treue und Zuverlässigkeit des Heeres " .

Die

späteren tief in die Kriegszucht

eingreifenden Verfassungsänderungen sie setzten an die Stelle des

zerstörten ihre sittliche Kraft ;

allgemeinen Interesses persönliche, an

die Stelle des Vaterlandes Ehrgeiz und Ehrsucht ; sie machten aus dem Staats- und Volksheere des Servius Tullius ein Partei- und Parlamentsheer, wenngleich die politischen Körperschaften in Rom mehr das Merkmal städtischer Gemeinden als einer parlamentarischen Volks-

189

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. vertretung in unserem Sinne tragen .

Sie schufen einen besonderen.

Soldatenstand, der sich immer mehr vom Volke entfernte , bis er sich gänzlich von diesem und seiner Verfassung löste und, in der Gewalt entschlossener Heerführer, beide über den Haufen warf. Bei ihm war von Vaterlandsliebe keine Rede mehr. digungssucht eigener Begierden, Vaterlandsliebe .

Treue,

Eigene Interessen und die Befrieeigener Leidenschaften waren seine

Gehorsam und Zuverlässigkeit kannte

er

gegen den Staat überhaupt nicht mehr und dem Feldherrn gegenüber nur so lange, wie er ihn persönlich fesselte und seine Wünsche befriedigte . Vom Kriegsdienste waren nach dem Gesetze des Servius Tullius. die nicht ansässigen Leute (Kinderzeuger, proletarii) als Kombattanten grundsätzlich ausgeschlossen ; dieser Umstand war von entscheidender Wirkung für das Ehrprinzip . Aus ihnen nahm man die Handwerker, Schuster und Schneider u. s. w., auch die Spielleute , und für den Notfall wurde jeder Legion eine Anzahl Ersatzmänner aus ihren Reihen zugeteilt ; unbewaffnet folgten sie ins Feld . EbenSO waren die Industriellen , zwar nicht nach dem Gesetz, aber doch thatsächlich wegen ihrer Nichtansässigkeit vom Waffenrecht ausgeschlossen, woraus die Geringschätzung der Gewerbe in der römischen Geschichte hervorging. Die Reiterei war die theuerste sowie die am schwersten zu beschaffende Waffe,

und

wenn

sie sich auch zum gröfsten Teile aus.

der ersten Klasse der Besitzer ergänzte, so vermochte dieselbe doch nicht immer alle Freistellen zu besetzen . Da sie ferner im Frieden auf Kriegsfufs gehalten wurde , so verursachte sie empfindliche Kosten, und um diese gerecht zu verteilen, führte schon Servius Tullius eine Wehrsteuer ein.

Unverheiratete Frauen ,

unmündige

Knaben und

kinderlose Greise , die Grundbesitz hatten, mufsten den unvermögenden Reitern die Pferde stellen und füttern .

Wir erwähnen das hier,

weil die Wehrsteuer eine Zeitfrage ist , und bemerken dabei ,

dafs

gegen das letzte Jahrhundert der Republik noch eine schärfere Wehrsteuer eingeführt wurde . *) Unter dieser Verfassung

erreichte die Kriegszucht ihre

Blüte-

periode, unter ihrem Hebel wurden Bürger und Insassen thatsächlich eins , unter ihren strengen Gesetzen das italienische Gebiet unterworfen, und das konsequent im Auge gehaltene Ziel

der

militärischen

Erziehung , „ Empfänglichkeit für Sieg und Ruhm", sowie das Bewusstsein des Volkes , alles, was es erreicht hatte, nur durch sich

* Übrigens hatte die Wehrsteuer auch schon bei den Korinthern bestanden.

190

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

selbst und aus sich selbst hervor erkämpft zu haben, ergab jene Homogenität, jene heroische Opferwilligkeit, jene glühende Vaterlandsliebe, unter deren mächtigem Zauber die Legionen zur Erkämpfung der Weltherrschaft Roms ansetzten. Der fundamentale Satz

unseres Heerwesens :

kein entehrendes Verbrechen begangen ,

„Jeder ,

welcher

ist dienstpflichtig ," wurde

nicht von unseren grofsen Patrioten ins Leben gerufen , sondern er war die Kardinalbedingung des römischen Heerwesens ; er ist vielmehr, nachdem er lange geschlummert, wieder zu neuem Dasein erweckt worden und er mufste im modernen Leben zu demselben Erfolge führen , wie es im römischen der Fall war. Denn die Kriegszucht jedes Heeres gründet sich auf dieselben Bedingungen und wird sich immer auf dieselben gründen, so lange es ein Heerwesen giebt. So präzisiert wie

in unserer Heeresverfassung tritt die Form

des

Ehrprinzips freilich auch in der Blüteperiode der römischen nicht auf, und kein Geschichtswerk erzählt von ihrer Existenz ; aber die hohe Achtung, die die Römer vor der gesitteten Stellung des Mannes hatten, die Ehrbarkeit und Schlichtheit ihres Lebens, das römische Bürgerrecht, das später auch auf begüterte Insassen überging, sie brachten denselben Begriff zum Ausdruck und machten ihn ebenso zur Vorbedingung der Würdigkeit des Waffentragens , wie unser formvollendeter und abgerundeter Gesetzesparagraph. Die Gesetze der römischen Kriegszucht lassen sich in folgende zusammenfassen: 1. Der König ist der oberste Verwalter, Richter und Feldherr. Er steht über dem Gesetz . 2. Von dem Augenblick ab, wo er die oberste Gewalt feierlich übernommen, ist ihm, wie der Bürger und Insasse, jeder Soldat Treue und Gehorsam schuldig. 3. Die Besetzung der Ämter und Verteilung der Offizierstellen steht ihm allein zu. 4. Den Oberbefehl im Kriege führt der König . 5. Die Person des Königs ist heilig und unangreifbar. 6. Der König kann selbständig weder den Krieg erklären, noch Frieden schliefsen . Für beides mufs er das Urteil der Bürger einholen . 7. Jeder Bürger und begüterte Insasse ist wehrpflichtig. 8. Die Dienstzeit im Feldheere rechnet vom 18. bis zum 46. Jahre. 9. Die im Reserveheer vom 47. bis zum 60. Jahre . 10. Die Bekleidung ,

Ausrüstung und Besoldung

der

Soldaten

liegt, mit Ausnahme der Ausgehobenen der 1. Klasse, den Gemeinden ob.

191

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

11. Jedem Soldaten steht der Weg zu den Offizierstellen offen. 12. Die Strafgewalt wegen aller Vergehen - nicht militärischer wie militärischer - untersteht dem Feldherrn und seinen Sachwaltern (Offizieren) . 13. Jeder

selbständige Kommandeur kann nach eigenem Ermessen bis zur Verhängung der Todesstrafe gehen. 14. Ungehorsam und Unpünktlichkeit werden im Frieden mit

körperlichen Züchtigungen geahndet (Stockschläge) .*) 15. Im Kriege ziehen Ungehorsam, Untreue, Feigheit und Überlaufen Todesstrafe nach sich. 16. Das Feldheer ist zur Verteidigung der Landesgrenzen da. Es steht demnach bewaffnet an den Grenzen . Seine sowie die Aufrufung des Reserveheeres steht dem Könige zu. 17. Das letztere trägt im Frieden keine Waffen und übt ebensowenig. 18. Die Entlassung des ersteren, nach Beendigung des Krieges, untersteht dem Könige . 19. Das Ehrenwort ist verbindlich. 20. Der Feldherr (König , Konsul) darf nicht an der Spitze eines Heeres innerhalb der Stadtmauern auftreten. 21. Hat er den Oberbefehl übernommen , so ist sein Platz im Lager ; die eigentliche Stadt darf er nicht regelmässig betreten . 22. Der Feldherr Pferde. **)

steigt als Führer des

Fufsvolkes

nicht zu

23. Alles eroberte unbewegliche wie bewegliche Gut ist Eigentum des Staates. 24. Der Feldherr darf sich weder mit letzterem bereichern , noch ersteres eigenmächtig verwalten. 25. Der Feldherr hat das Recht ,

besondere Leistungen

Soldaten mit beweglichem eroberten Gut zu belohnen , bestimmten Fällen .

eines

aber nur in

26. Feindliche Gefangene sind Sklaven. 27. Ihr Loos hängt von ihrem Verhalten und dem Gutachten des Feldherrn ab. 28. Er kann sie töten , verkaufen , zu schweren Arbeiten und Anlage von Kolonien verwenden lassen ; Austausch ist erlaubt .

*) Ob und wie Trunkenheit im und aufser Dienst , im Kriege und Frieden , geahndet wurden, ist nicht bekannt. **) Wurde bereits im Kriege gegen Pyrrhus aufgehoben. Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

13

192

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. 29. Feindliche

Städte ,

welche

sich verteidigen ,

verfallen wie

feindliche Gefangene der Bestimmung des Feldherrn .*) 30. Der Feldherr hat nicht allein das Recht

der Verhängung

der Todesstrafe über die Gemeinen , sondern auch über die Offiziere. 31. Jeder römische Bürger Kriegszeiten Quartier ,

und Insasse hat dem Soldaten in

Stroh und Holz

dieser Kosten trägt die Gemeinde .

zu liefern.

Ebenso

unverzüglich Transportmittel und Vorspann

Die Deckung

haben die zu stellen ,

Gemeinden welche von

der Militärbehörde nachgesucht werden. 32. Die Verpflegung des Heeres

im Kriege erfolgt auf Grund

der Ausschreibungen des Feldherrn . Die Kosten tragen die Gemeinden . In der Provinz oder auf feindlichem Gebiet erhalten die Heere sich durch Requisition . Ob eine Scheidung in höhere und niedere Gerichtsbarkeit bestanden, ist nicht erwiesen ; es kann auch nicht angenommen werden. Die Kommandeure der Centurien und Schwadronen hatten Strafgewalt (Disziplinargewalt). Näheres darüber ist nicht überliefert. Aber ein Umstand mufs hervorgehoben werden , der sich durch die gesamte römische Kriegszucht verfolgen läfst , nämlich , dafs im Frieden verhältnismäfsig wenig und leicht, im Kriege unnachsichtlich strenge gestraft wurde .

Nichtmilitärische Vergehen ,

wie

z . B. Diebstahl ,

zogen nach

römischem Recht die gleichharte Strafe wie Landesverrat nach sich, und unnachsichtlich verfiel der Soldat , der ihn beging , dem Gesetz . Ebenso wurde Ungehorsam, Treubruch , Überlaufen, Feigheit geahndet und die Lagerordnung im Kriege und an den Grenzen mit unnachsichtiger Strenge aufrecht erhalten. Dagegen wurden Abweichungen von der Bekleidung, sowie Unpünktlichkeit im Frieden kaum oder sehr gering bestraft , eine Erscheinung, die auch bei Julius Cäsar zutrifft.

Der Grund , dafs Uniformvernachlässigungen in der Regel gar nicht beachtet wurden, mufs darin gesucht werden , dafs sich bis zu Servius Tullius alle Soldaten selbst auszurüsten und zu kleiden hatten und von ihm bis zum Ende der Republik ein Teil. Ob ein Soldat dabei im Frieden nach eigener Phantasie militärische Windbeutelei trieb , war Offizieren und Heerführern gleichgültig . Auch über die Ehrenbezeugungen der Unteren dem Oberen gegenüber herrscht im allgemeinen Dunkel. haft ,

Dafs solche bestanden haben, ist unzweifel-

aber über ihre Form und die Bestrafungen gegen Zuwider-

*) Über das Loos feindlicher offener Städte ist nichts bekannt.

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

193

handlungen ist uns nur weniges, in jedem Falle ungenügendes überliefert. Der Übergang des Königtums in die Republik änderte an den servianischen Bestimmungen nichts. Die Konsuln kann man nicht anders. als zwei auf Jahreszeit gewählte Könige bezeichnen , die

während

ihrer Amtsdauer unverletzlich waren,

wie jene, und aufserhalb des Gesetzes standen . Sie hatten die oberste Verwaltung , das Richterund Feldherrnamt inne. Indessen verkannte man auch in der Republik den Vorteil der vereinten Gewalt in einer Person im Kriege nicht, und darum wurde denn neben den Konsuln ein Diktator mit absoluter Machtvollkommenheit ernannt, der sich als Stütze einen magister equitum (Untergeneral) wählte . Hierin liegen freilich --- im Vergleich zum Person war -

servianischen Gesetz , wo der König alles in seiner die Anfänge der Teilung der bürgerlichen und

militärischen Gewalt , und von nun ab beginnen sich auch die Begriffe Bürger und Soldat schon von einander zu lösen . Denn der Feldherr war und blieb unumschränkt wie der König und handelte danach den Soldaten gegenüber , während der Bürger und Insasse, der nicht Soldat war , unter dem Gesetze stand. Noch ein anderer Umstand mufs erwähnt werden , welcher in späteren Jahrhunderten die politischen Parteikämpfe direkt ins Heer trug und seine Kriegszucht zerstörte . Nach servianischem Gesetz konnte , wie wir angedeutet, jeder Bürger oder Insasse (Plebejer) Offizier werden, und sein Emporsteigen zu den höchsten Stellen hing vom Feldherrn , später von der Centurienwahl ab. Dagegen waren die Plebejer von allen Gemeindeämtern und Gemeindepriestertümern ausgeschlossen und eine Ehe zwischen Bürger und Plebejer gesetzlich ungültig. Diese heillose Bestimmung war eine der Hauptursachen des späteren Zwistes der Parteien und ihrer erbitterten Kämpfe. Sie untergrub die ehemals erhabene Stellung der Frau, sie leistete den Halbehen Vorschub und

erzeugte

ein Verhältnis

unter beiden Geschlechtern ,

welches

unserer modernen Halbwelt gleichkommt. So lange die römischen Frauen ehrbare Mütter waren und als solche geachtet wurden, stand es mit Ehrbarkeit und Sittenreinheit , Mut und Pflicht , mit Volksund Heerwesen gut,

und auch die Kriegszucht der Truppen blieb unangetastet von dem Krebsschaden des römischen Gassenwesens , welchen die Halbehen nach sich zogen , die dem Manne Kraft, Leidenschaft und Stolz raubten

und

ihn den

weichlichen und konspiren-

den Einflüssen von Kebsweibern und - modern zu sprechen - Blusenmännern auslieferten, beide stets Verbündete, wo es sich um Umsturz und Befriedigung handelt, im heutigen Paris genau wie im alten Rom. 13 *

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

194

Was konnte, was mufste daraus werden, wenn der eine Plebejer im Heere eine hohe Stellung einnahm , wenn er womöglich selbst Feldherr mit königlicher Gewalt wurde und seine nächsten Verwandten rechtlos im Staate

standen ?

Damit mufste

die Sucht

in die Kriegszucht getrieben werden , dafs jeder zu Ansehen und Macht gelangte Plebejer sie seine Macht fühlen liefs ; damit mufsten Rivalität und Mifsgunst der Stände ins Heer übergehen und in Parteien zerbröckeln .

dieses

In kein Heerwesen hat denn auch das poli-

tische Parteiwesen so verderbend eingegriffen, wie in das römische, und

die strenge Kriegszucht , welche bis zur Unterwerfung Italiens

herrschte, fiel schmählich dem Neid , der Herschsucht und Mifsgunst zum Opfer ; nirgendwo hat auch der Nepotismus so viel gesündigt.

Noch

bevor die Unterwerfung Italiens erreicht, zeigten sich die Folgen der vorhin angedeuteten Parteiverhältnisse, und die erste Revolution, welche Rom gesehen , war eine Militärrevolution ", aus dem sozialen Leben heimlich entkeimt.

Der Adel hatte den Bauern gegenüber das Schuld-

recht rücksichtslos gehandhabt, und als man vor einem Kriege stand (495) , verweigerte die Bauernschaft ihre Gestellung zur Aushebung. In dieser Not wurden die Schuldgesetze suspendirt, und nun stellten sie sich. Der Sieg war erfochten , und als das Heer heimkehrte, legte der Diktator Manius Valerius dem Senat Reformvorschläge vor, die die Stellung der Bauern verbessern sollten .

Der Senat lehnte

sie nach überstandener Gefahr ab .

Noch lagerte das Heer geschlossen vor den Thoren der Stadt, als es die Entscheidung vernahm, und gebrochen war zum ersten Male seine Treue dem Feldherrn gegenüber.

Unter Führung der Bezirkskommandeure, die meist plebejische

Kriegstribunen und von den Centurien gewählt waren ,

zog

es in

militärischer Ordnung nach einem Hügel zwischen Tiber und Anio, der seitdem der heilige Berg genannt wurde, und besetzte ihn.

Diese

Thatsache ist wert , genauer untersucht zu werden . Man kann mit Sicherheit annehmen, dafs damals höchstens 1/3 der Legionäre aus Bauern bestand, den Rest bildeten Adel und Bürger.

Aber so hatte

sich in dem eben beendeten Kriege der Korpsgeist entwickelt , die Mehrzahl ,

daſs

welche gar keinen Grund zur Unzufriedenheit hatte,

von der Minderzahl fortgerissen wurde.

Der Senat gab nach.

Die

Revolution war zwar unblutig verlaufen , aber verhängnisvoll für die römische Kriegszucht.

Der Gegensatz zwischen Heer und Senat war

in offenen Bruch übergegangen , und die Autorität der obersten Gewalt unter den Willen des Heeres gebeugt worden.

Das Heer selbst hatte

die heilige Person des Konsuls verlassen und den Weg der offenen Auflehnung betreten ,

und was das schlimmste war ,

das Andenken

195

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. an diesen Treubruch wurde eine festliche Erinnerung.

Die erbitterten

Kämpfe um die Ausgleichung der Stände warfen von nun ab überall ihre Schatten auf die Kriegszucht , denn es lag in der Eigenart der römischen Verfassung , dafs in ihr Volk , Parteien , Stände und Heer vereint, aber auch getrennt wurden .

Unter den Dezemviren stieg die

Not der Bauern wiederum, eine doppelte Anzahl von Rekruten muſste ausgehoben werden, um im Innern und bei den gleichzeitigen Kriegen gegen Volsker und Samniter genug Soldaten zur Hand zu haben. Da fand man eines Morgens den tapfersten Volkstribun L. Dentatus vor dem Lager ermordet ; man schrieb die That den Umtrieben der Dezemviren zu ; die Erbitterung stieg, und zum zweiten Mal verliefs das

Heer

seine

marschierte wählte.

Führer ,

durchzog

die

wieder auf den heiligen

Die

Folgen hiervon

Strafsen

Berg ,

der

wo es

Stadt

und

seine Tribune

waren die „Kriegstribunen mit kon-

sularischer Gewalt" , die der Adel den Plebejern zuerkannte . Centurien wählten sie auf die Amtsdauer des Konsulats. -

Die Der

Weg zu den Offizierstellen stand seit Servius Tullius jedem Plebejer offen, jetzt erforderten aber die mannigfachen Kriege mehr Feldherren mit konsularischer Gewalt als die Verfassung zuliefs , und da diese Kriegstribunen aus der Wahl der Centurien hervorgingen , so waren die Feldherrnstellen zum gröfsten Teile bald mit Plebejern besetzt. Schnell nach einander folgten weitere entscheidende Zugeständnisse

an die Plebejer.

445 wurde die Gültigkeit gemischter Ehen

aus beiden Ständen

gesetzlich

Zahlmeister ,

den

auch

anerkannt,

Plebejern

421 ,

dieses

Amt

bei Errichtung der zugesichert,

366 wurde L. Sextius der erste plebejische Konsul.

und

Aber alle diese

Zugeständnisse und Ausgleichungen vermochten die nun ein mal bestehende Rivalität der Klassen nicht zu beseitigen, und der Klassenhafs , welcher die Geschichte der römischen Republik durchzieht, spiegelt sich allmählich im Heerwesen selbst wieder. In Bezug auf die Machtvollkommenheit der Feldherren ( Konsuln , Diktatoren) trat

eine

empfindliche Einschränkung ein .

Eine der

Hauptparagraphen der römischen Kriegszucht, der sagte, dafs „alles bewegliche und unbewegliche Gut, welches der Soldat im Kriege eroberte, dem Staate anheimfallen mufste ", scheint nicht immer beachtet worden zu sein, und eine Kontrole der am Feinde stehenden Feldherren war nicht möglich .

Um diese zu erreichen , wurden ihm

zwei Zahlmeister zur Seite gestellt (Quästoren) . Kriege verschlangen viel Geld . teren Klassen ;

nun

Die fortwährenden

Die Not stieg dadurch bei den un-

kam noch hinzu,

dafs

das Fufsvolk seit dem

Vejenter- bis zur Beendigung der Samniterkriege auch während des

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

196

Winters im Dienst gehalten wurde, und da der Sold für das Heer von den Gemeinden aufgebracht und bezahlt werden mufste , so griff die Verarmung bis zu völliger Erschöpfung der unteren Klassen um sich. In dieser Lage übernahm der Senat die Soldzahlung auf Rechnung der indirekten Abgaben aus Domänen, eine Mafsregel von weitgehendem Einfluss.

War der Soldat, wie angeführt,

gesetzlich (moralisch) vom Bürger gelöst worden, nun auch materiell, tretende

persönliche

Feldherren

so löste man ihn

welcher Umstand für das in den Vordergrund Verhältnis

zwischen

Soldaten

wichtig ist ; hinter dem Feldherrn

und

traten Staat und

Vaterland mehr und mehr zurück, und der Soldat, der nach und nach in seinem Feldherrn die Staatsgewalt zu erblicken glaubte, betrachtete auch seine Besoldung als von diesem herkommend. Zu diesen Neuerungen trat eine andere wicht.

von gleichgrofsem Ge-

Die servianische Klasseneinteilung der Bürger und Insassen

lieferte bei

den menschenverschlingenden Kriegen

nötigen Ersatz .

Das

wurde besonders

nicht mehr den

im Etruskerkriege fühlbar,

und daher dehnte Quintus Fabius Rullianus die Wehrpflicht auf alle nicht Ansässigen aus ( 304) , mit der Bedingung, dafs jeder ein Minimalvermögen von 900 Mark nachweisen konnte.

Der Etruskerkrieg

führte die Unterwerfung Mittelitaliens, der gegen Pyrrhus die von Unteritalien unter die römische Herrschaft herbei und mit der Besitznahme von Tarent standen Rom die Meere offen. Gesamtitaliens

(266)

70 Jahre später,

folgte dem

rullianischen

Die Unterwerfung Gesetze zwar erst

aber man kann doch annehmen,

zucht der Römer bis

dafs die Kriegs-

zu diesem Zeitabschnitt auf dem Ehrprinzip

ruhte, und dafs der Kriegsdienst vom Staate und den ansässigen wie nichtansässigen Bürgern als eine Ehrenpflicht betrachtet wurde. Noch hatte ja kein Proletarier in der Legion gestanden , darin gefochten und für Roms Gröfse gesiegt .

In dieser ganzen Periode hatten die

römischen Legionen nur zwei schimpfliche Niederlagen erlitten. eine gegen die Samniter, die andere gegen die Celten.

Die

Die ersteren

schonten den Römerstolz nicht, sondern beugten ihn unter das kaudinische Joch ;

als

dann der römische Senat die Kapitulation seiner

Feldherren zerrifs, die übrigens in dieser Lage den Rat der Bürger nicht hatten einholen

können und gegen die Bestimmungen

des Gesetzes verstofsen mufsten , da zeigte sich die Kriegszucht der Samniter den zurückgehaltenen römischen Geiseln (Stabsoffiziere

und Reiterei)

gegenüber in wahrhaft grofsmütiger Weise.

Die Römer brachen den mit Samnium geschlossenen Vertrag und begannen den Krieg von neuem.

Dennoch gaben

die

Samniter den

197

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. Geiseln die Freiheit, deren Haupt sie fordern konnten .

Niemals

haben Römer dem Feinde gegenüber gleich edel gehandelt, und die Lehre,

welche ihnen das hartnäckige Bergvolk am Eingang ihrer

Bahn erteilte , blieb unbeachtet.

Weder der römische Feldherr noch

der römische Soldat kannten Grofsmut.

T Ca

22

Dieses Beispiel lehrt schla-

gend, dafs Grofs- und Edelmut (Humanität) schon von Feldherren geübt wurden, als der Begriff noch keinen Namen hatte, und als es noch kein Volksrecht gab,

und

dafs

die persönliche Ehre, das Ge-

wissen und die Notwendigkeit ihre Hauptleiter gewesen sind und sein werden . Hätten aber an Stelle der Samniter Römer gestanden, sicherlich wäre dann das Leben der Geiseln dahin gewesen . Die zweite schimpfliche Niederlage erlitten sie gegen Bren-

નૈ en

nus an der Allia ( 390) . Stets vom Siege begleitet, hatte die römische Kriegszucht bereits damals jenen Hochmut angenommen , welcher wiederholt zum Verderben der römischen Waffen beitragen (Punier,

Cimbern und Teutonen, Germanen) .

sollte

Die an Mittelitalien

angrenzenden Celten waren ein unruhiges, wildes , kriegerisches Volk, gewohnt bis tief in die angrenzenden Länder zu streifen .

Aber die

Römer waren von ihrer Unbesiegbarkeit überzeugt . Geringschätzend betrachteten sie die Wilden, gänzlich unbekannt mit ihrer Kampfart ; die Folge war vollständige Niederlage , Flucht und Zersprengung ihres Heeres .

Brennus zog in Rom ein, welches er in Flammen aufgehen

liefs, und niemals vergafs Rom die erste Berührung mit seinen nördlichen Nachbarn, die ihm schon in der nächsten Periode so vortreffliche Dienste leisten sollten, und welche eher die Erkämpfer der Weltherrschaft Roms genannt zu werden verdienen als die Italiker. Ein merkwürdiges Geschick vollzog sich an dem ersten Eroberungsvolk der Welt.

Schon 5 Jahrhunderte hatte es vom Kriege und

Kampfe gelebt und Ruhm und Sieg nachgestrebt, da platzten römische Legionen und griechische Phalanx aufeinander und die beiden Feldschlachten Herakleia und Ausculum wurden Niederlagen der Römer. Unleugbar war Pyrrhus allen römischen Feldherren jener Zeit riesenhaft überlegen,

seine Mafsnahmen und Operationen

verrieten nicht

weniger die alexandrinische Schule als sein persönliches Verhalten . Pyrrhus war ein Feldherr, seine Gegner unbedeutende Taktiker, die sich im kleinen Kriege (Samniter , Etrusker) gebildet hatten , mit welchen in moderner Zeit die französischen Generale verglichen werden können,

die

sich

ihre

Lorbeeren in

Algier erkämpft haben.

Pyrrhus unterlag nicht der höheren Führung der Gegner, sondern den unsicheren Bedingungen, auf denen

seine Feldzüge beruhten.

eigene Einsicht von der Unmöglichkeit,

Die

sie zu dauerndem Erfolg

198

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps .

ausnutzen zu

können,

nicht minder die römische Zähigkeit, Rück-

sichtslosigkeit und Consequenz, jene gewaltigen Hebel ihrer Kriegszucht, welche ihre fabelhafte Spannkraft erst in der Stunde der Gefahr entwickelten, sie sind seine Widersacher und Überwinder gewesen. Niemals schafft sich die Stimme der Notwendigkeit so Gehör wie im Kriege ,

und niemals griff ein Volk so zu allen

Mitteln, ob gesetzlich oder nicht , als diese Römer, wenn damit die Gefahr vom Vaterlande fern gehalten werden konnte. Zur Schlacht von Herakleia waren nach rullianischem Gesetz bereits nichtansässige Bürger ausgerückt,

und als den Senat die Hiobspost von

ihrem Verlust erreichte, da verfügte er die sofortige Einreihung des brauchbaren Proletariats , und unter dem Heere von 80 000 Mann, welches bei Ausculum wieder geschlagen wurde, standen nur 20 000 römische Bürger und 8000 Reiter. Diese Mafsregel hatte nur die höchste Not gebieten können .

Das wird verständlich, wenn man be-

denkt, dafs die Einstellung des Proletariats gesetzwidrig erfolgte, und wie verächtlich der römische Bürger auf dasselbe herabsah. Die Kriege gegen Pyrrhus sind für die römische Feldherrnkunst nicht ruhmvoll, aber hier noch zeigte sich ihre Kriegszucht rein und nicht angefressen von den gemeinen Trieben späterer Zeit. Pyrrhus entliefs nach der Schlacht bei Herakleia die römischen Gefangenen auf Ehrenwort zu der Feier der Saturnalien. hergehenden Friedensverhandlungen zerschlugen sich ;

Die neben-

aber als der

Krieg von neuem begann, da stellten sie sich wieder, keiner brach sein Wort. (Fortsetzung folgt.)

XV .

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. Von

L. Sander , Oberst z. D. (Schlufs.) III.

Erfordernisse bei

einer nochmaligen Reorgani-

sation des Ingenieurcorps . Bei der Besprechung einer Organisation des Ingenieurcorps nehmen wir Abstand von einer genaueren

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. Etatisierung desselben und überlassen

199

die diesbezüglichen Feststel-

lungen dem Bedürfnis, wie es sich mit mehr oder minder scharf ausgesprochener Notwendigkeit wohl bald genug herausstellen würde. Wir verbleiben ferner bei einem einigen Ingenieur- Offiziercorps ,

welches auch die Offiziere der Pioniertruppe giebt . Die Offiziere aufserhalb der letzteren werden wir vorzugsweise einfach Ingenieure nennen. 1. Pioniere. Die Pioniere haben wir in Anbetracht unseres schon mehrfach angedeuteten Zweckes gewissermafsen nur ergänzungsweise zu betrachten .

Sie bleiben insofern in demselben Verhältnis zum Ingenieurcorps , wie bisher ,

als

die Ingenieuroffiziere

bei ihnen ihre Laufbahn be-

ginnen und mit den durch die einschlagenden Verhältnisse gebotenen Pausen als Truppenoffiziere dienen. Wir sind der Meinung , dafs die Organisation der Pioniere eine Änderung nicht erfordert, und dafs namentlich es recht wohl möglich ist ,

dafs einerseits die Offiziere

schiedenen Zweigen

die gehörige Kenntnis in den ver-

des Pionierdienstes

erlangen ,

andererseits

die

Mannschaften zu einer befriedigenden Fertigkeit darin gebracht werden. Im übrigen soll damit nicht ausgeschlossen sein , dafs nicht noch mancherlei geschehen könnte , um den Übergang der Pioniere in die Kriegsformation und demnächst die Verwendbarkeit derselben in allen neu formierten Teilen zu begünstigen.

2. Ingenieure. Wir hatten uns bereits dahin ausgesprochen, dafs den Ingenieuren die Bauausführung abzunehmen sei . Worin demnächst ihr Dienst zu bestehen habe, soll nun, bevor wir zur Organisation selbst kommen, in den folgenden drei Abschnitten besonders dargelegt werden . a) Theoretischer Dienst. Unter dem theoretischen Dienst begreifen wir den Teil der auf die dereinstige Kriegsverwendung gerichteten Beschäftigung, welche sich nicht anders , als durch Wort oder Schrift darstellt . um

Derselbe ist gerade bei den Ingenieuren von

so gröfserer Wichtigkeit ,

weil die

praktische Vorübung

ihrer

Dienstzweige für den Krieg hauptsächlich des Kostenpunktes wegen nicht in dem Mafse betrieben werden kann, wie bei den übrigen Truppen , und von den beiden hierbei zu verfolgenden Hauptrichtungen , als Fortbildung der Wissenschaft und Übung an Aufgaben über bestimmt bezeichnete Fälle, kann daher die letztere als Ausgleichungs-

200

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

mittel jenes Umstandes bei den Ingenieuren kaum entbehrt werden. Erstere aber etwa einem Comité ganz

allein zu überlassen ,

scheint

uns hier weder geboten, noch überhaupt nützlich . Als Gegenstände dieses Dienstes stellen sich die folgenden dar : Die anderen Truppen. Auf der Wirkung ihrer Waffen und der hierauf begründeten Taktik beruhen die von den Werken des Ingenieurs zu fordernden Eigenschaften .

Sich von den Fortschritten

und überhaupt den Änderungen , welche hierin gemacht werden, in Kenntnis zu halten und mit allem wohl vertraut zu bleiben, ist daher für den Ingenieur das

erste.

Dazu dient das Studium der Regle-

ments und Vorschriften , sowie das Beobachten der Übungen .

der sonstigen Litteratur , demnächst

Der Pionierdienst (Sektions- und allgemeiner). Der Pionierdienst ist ,

wie oben erwähnt ,

ein besonderer Zweig des Ingenieur-

dienstes, und die Ingenieure treten nach Mafsgabe der Verhältnisse dazu über. Auf die diesfällige theoretische Übung derselben, so lange sie aufser direktem Verbande mit den Pionieren stehen , also weniger ankommen ,

als

indem einmal ermittelt wird ,

auf die Fortbildung was

könnte es

dieses Dienstes,

die eigene Taktik erfordert , und

aufserdem beobachtet, was in dieser Beziehung bei anderen Armeeen geschieht.

Die Pioniere selbst können sich damit nicht abgeben und

thun besser ,

wenn

sie sich lediglich darauf legen , ihre jedesmalige

Jahresübung nach fester Norm zu betreiben. Befestigung.

Die Feldbefestigung ist ein Teil des Pionier-

dienstes und es gilt deshalb hierüher dasselbe wie dort. Die permanente Befestigung ist zwar weniger mobil als

jene ,

indes machen sich doch schon bei jeder Neuanlage , sobald man sie ganz fertig sieht, und wenn namentlich die Benutzung derselben von den verschiedenen Branchen weiter durchgearbeitet wird,

allerlei Wünsche geltend, die geprüft sein wollen. Daneben tauchen neue Probleme in Verwendung der Waffen in verschiedenen Richtungen auf,

welche berücksichtigt werden müssen. Damit ist denn die Fortbildung dieser Kunst schon hinlänglich angeregt . Für die

theoretische Übung darin wird , wie wir weiter sehen , gesorgt sein.

hinlänglich

Die provisorische Befestigung unterscheidet sich nur dadurch von der permanenten, dafs dabei nach Mafsgabe der Zeit und Mittel nur eine Art behelfsweisen Baues in Anwendung kommt. Es ist natürlich , machen

dafs die Untersuchung über die Fortschritte, die man

musste ,

für den

Behelfsbau doch wohl

wichtig ist, als für den permanenten .

fast nicht minder

Festungsbauten in provisori-

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps .

201

schem Charakter werden aber im Frieden fast gar nicht ausgeführt, und es würde deshalb die theoretische Übung dafür das Beste thun müssen. Fortifikatorische Festungsarmierung .

Obgleich jetzt die

Anlage neuer Festungen und die Verbesserung der alten künftige . fortifikatorische Armierungen mehr und mehr erleichtert , so werden dergleichen doch nie aufhören , eine wichtige Rolle zu spielen, ganz abgesehen von dem möglichen Falle, dafs bei drohendem Kriege eine provisorische Befestigung angelegt wird, vorbehaltlich ihrer fortifikaDie Fortbildung dieses torischen Armierung zu geeigneter Zeit. Gegenstandes scheint uns mit derjenigen der provisorischen Befestigung zusammenzuhängen. Übung desselben kommt im Frieden nur in sehr beschränktem Mafse vor und es müfste auch hier die theoretische Übung die Lücke ausfüllen . Die einmal abgeschlossenen Armierungsentwürfe der Festungen brauchten dabei nicht immer wieder hervorgezogen zu werden . Festungskrieg.

In

dem Bilde ,

welches

man

sich hiervon

macht, pflegt man zunächst Festungswerke zu erblicken , wo Geschütze von einer Stelle heraus- und hineinschiefsen . Beiderlei Werke und selbst die

sich im Feuer gegenüberstehenden Geschütze sind aber

gewissermassen tot , und es mufs erst durch anderweitige Truppenthätigkeit Bewegung hervorgebracht werden . Dies kann wiederum gröfstenteils nur mit Hülfe der Ingenieurarbeiten geschehen , geht daraus hervor ,

dafs

in Anordnung

auf eine Fortbildung Bedacht alledem finden bekanntlich

zu nehmen

statt.

Bei

und es

der letzteren nicht minder ist.

Friedensübungen in

allem guten Willen sind sie

aber in verschiedener Hinsicht überhaupt nur beschränkt und die Fortführung der Arbeiten im Innern der Werke kann fast gar nicht zur Darstellung gebracht werden . eigentlich weder Artillerie- ,

wie diejenigen der neuesten Zeit

und dafs der Hergang ungefähr in der

zweiten Hälfte der Belagerung ist .

dafs sich bis jetzt

noch Ingenieur- und sonstige Truppen-

thätigkeit an einer Fortsfestung , sind , hat erproben können ,

Dazu kommt ,

einer solchen Festung noch Problem

Hier mufs also wieder die theoretische Übung

aushelfen ,

die

sich dann, um den Gegenstand doch nicht unerwähnt zu lassen, auch mit Besetzung der Festungen und Bearbeitung diesfälliger Pläne zu befassen hat. Das jahrelange Verbleiben von b) Praktischer Dienst.

nahezu der Hälfte der Offiziere des Ingenieurcorps in solch theoretischem Dienst würde offenbar keine günstige Wirkung hervorbringen , und wenn man jetzt Baumeister ausbildet, so müfste man sich damit

202

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

Theoretiker schaffen.

Die Ingenieure

müssen

daher auch in prak-

tischen Dienst hineingezogen werden, selbstverständlich in der dafür günstigeren Jahreszeit ,

und wiederum auch nicht mehr , als es eine

gedeihliche Ausbildung der Theorie und Übung in derselben zulässt. Während wir dann zu der letzteren auch noch das Beiwohnen und Beobachten von Übungen rechnen, so setzen wir bei dem praktischen Dienst voraus ,

dafs

der Ingenieur wirklich als Dienstthuer eintritt,

übrigens unter Ausschlufs der gelegentlichen Abhülfe von anderweitigem Offiziermangel auf diesem Wege . Als die in der uns vorliegenden Beziehung zu

bevorzugenden

Zweige des praktischen Dienstes sehen wir die folgenden an : Pionierdienst. Hierbei kommen die grofsen Pontonier- und Belagerungsübungen besonders in Betracht. Die kleinen Übungen dieser Art müfsten dann aushelfen ,

wenn man

mit ersteren nicht

auszureichen gedächte . Teilnahme an Schanzenbau und einzelnen Zweigen des allgemeinen Pionierdienstes rechnen wir schon zu den Ausnahmen, und die Detailübung des Sektionsdienstes schliefsen wir ganz aus. Dienst der anderen Waffen.

Das Teilnehmen am Dienst

anderer Waffen halten wir für den Ingenieur , direktem Verband mit den Pionieren steht ,

so

lange

für wichtiger ,

er aufser als das-

jenige an dem Pionierdienst selbst ; einfach deshalb, weil er in letzterem manche der ihm so nötigen Erfahrungen gar nicht machen kann . Die Auswahl der Waffen betreffend, so steht ohne Frage die Infanterie oben an, weil gerade diese es ist, mit welcher der Ingenieur im Kampfe zusammenzugehen hat , sei es im freien Felde oder vor Festungen.

Die

Zeit der Ausbildung der Compagnieen und

der

Bataillone würde dem Ingenieur in dieser Beziehung zwar auch nützliches bieten, müfste ihn jedoch daneben in viele Details hineinführen, deren Miterlernung wohl überflüssig für ihn ist.

Wir meinen daher,

dafs man den Dienst der Ingenieure der in Rede stehenden Kategorie bei der Infanterie in die Zeit vom Regimentsexerzieren bis zu den Manövern fallen lassen müfste. Vom Dienste bei der Kavallerie würde sich für den Ingenieur

zwar auch mancher Nutzen heraus-

rechnen lassen , aber doch weniger direkt , weshalb dieselbe für gewöhnlich auszuschliefsen wäre . In demselben Falle befindet sich unserer Meinung nach die Feldartillerie ,

und von der Fufsartillerie

wäre wohl deshalb abzusehen, weil die dem Ingenieur nötige Kenntnis der Leistungen dieser Waffe gelegentlich der grofsen

Belagerungs-

übungen praktisch in hinlänglichem Mafse erlangt werden kann. Dagegen halten wir endlich die Teilnahme an den Generalstabsreisen,

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps .

203

die doch wohl auch dem Truppendienst beigezählt werden können , für ein vortreffliches Bildungsmittel zu dem Berufe des Feldingenieurs, und eine fast notwendige Ergänzung der Dienstleistung bei der Infanterie zur Zeit ihrer gröfseren Übungen. Festungsdienst.

Wir haben den Ingenieur zuerst mannigfach

im theoretischen Dienst und dann auch noch im praktischen durch die Belagerungsübungen mit

den Festungen in Berührung

gesehen .

Es bleibt nun noch eine Seite des Festungsdienstes übrig , den der Ingenieur nicht nur zur eigenen Ausbildung, sondern gewissermaſsen als Lehrer und Ratgeber zu pflegen hat.

Zunächst rechnen wir hierzu

Besprechungen mit den Kommandanten über das Ganze der Verteidigung ihrer Festung , also Armierung und Besetzung derselben, sowie Dienst der Besatzung für alle Angriffsarten und die verschiedenen Stadien derselben.

Derartige Konferenzen dürften, für den Ingenieur

wenigstens , schon an sich über den theoretischen Dienst hinausgehen. Zu verbinden wären dieselben zudem noch mit den von den Kommandanten mit den Truppen die nun

abzuhaltenden Festungsdienstübungen,

einmal ohne Beteiligung

sprechend durchgeführt werden

der Ingenieure kaum zweckent-

können .

gleich die beste Gelegenheit geboten , mierungsarbeiten zu erproben .

Letzteren würde dann zu-

die Ausführung einzelner Ar-

Bei den grofsen Belagerungsübungen

tritt dies alles mehr in den Hintergrund, ganz abgesehen davon, dafs doch nur ein kleiner Teil der Ingenieure daran Teil nehmen kann. Es bleibt uns c) Der bisherige Fortifikationsdienst.

noch übrig , etwas über die Gestaltung des Fortifikationsdienstes zu sagen , aus dessen Hauptzweig , der thätigen Bauausführung, der Ingenieur nach obigem zwar austreten soll, mit welchem er aber immer noch eng genug verbunden erscheint .

In der That ist er nicht ganz

davon zu trennen ; uns aber scheint folgende Einrichtung möglich . Den Dienst des Platzingenieurs übernimmt mit den nachfolgenden Einschränkungen

ein älterer Baumeister ,

etwa mit dem dem

sonstigen Usus nachgebildeten Titel eines Festungsbauinspektors . Als Postenoffiziere fungieren unter jenen jüngere oder Bauführer.

Baumeister

Fortifikationssekretäre und Wallmeister werden , da sie ja nach wie vor in einem rein militärischen Verhältnis zu dem Kommandanten bleiben, ohne Veränderung beibehalten . Die höheren Instanzen für das Festungsbauwesen werden beim Kriegsministerium eingerichtet ,

unbeschadet

der Einschaltung einer

Zwischeninstanz , womit jedoch das Ingenieurcorps nichts zu thun hat. Die Leistung des vorbenannten Baupersonals erstreckt sich mit

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

204

Ausschlufs alles Taktischen auf das Gesamte aller Bauausführung und -Verwaltung nebst allem, was zur Vorbereitung und demnächst zur Abwickelung dieses Geschäftes gehört , also die Anfertigung der speziellen Entwürfe und der Kostenanschläge , die Beschaffung der personellen und materiellen Mittel , endlich das Kassen- und Rechnungswesen . Auch das Rayongeschäft fällt in der ganzen Ausdehnung, wie bisher den Fortifikationen, denselben zu . In Anbetracht dessen scheint uns auch ein Bauoffiziercorps , welches etwa nach Art bei der Artillerie , aus den Pionierunteroffizieren

der Zeugoffiziere hervorginge ,

nicht ausreichend , vielmehr den Festungsbaumeistern eine Ausbildung nötig, wie sie nur auf den technischen Hochschulen erreicht werden kann. Das baukünstlerische Moment wäre vielleicht

etwas weniger zu betonen ,

aber durchaus nicht zu vernachlässigen ; denn warum sollten wohl allein Festungswerke dem Beschauer mifsfällig vor die Augen treten ? Der Meinung, dafs man nun wohl das Festungs- mit dem Garnisonbauwesen vermischen könnte , wir bestimmt entgegen , denn

treten

ein Festungsbaumeister würde genug

zu thun haben, um sich für die spezielle Branche durch- und weiterzubilden, ganz abgesehen davon, dafs im Falle der Vermischung die Möglichkeit, gerade in dringenden Fällen auf einer Seite in Verlegenheit zu kommen, um so näher gerückt wäre. Was hiernach für die Ingenieure übrig bliebe , ergiebt sich nun von selbst , und noch sicherer würde es sich in der Praxis herausstellen. geben ,

Im Allgemeinen würde es darauf hinauslaufen , worauf der Schutz des Verteidigers

Angreifers

und andererseits

eigenen beruht.

Das würde

die

das

anzu-

gegen die Waffen des

vorteilhafteste Verwendung seiner

dann mindestens die Anfertigung von

generellen Entwürfen für solche Anlagen bedingen ,

wo dergleichen ins Spiel kommt, also jedenfalls für alle Neuanlagen und Umbauten von Defensionswerken. Ihrer Prüfung müfsten dann noch nicht allein die hierauf von den Festungsbaumeistern gefertigten speziellen Entwürfe, sondern überhaupt alle Entwürfe der letzteren unterliegen, um zu verhüten , dafs nicht Anlagen zutage treten, die den Kriegsverhältnissen nicht hiernach ,

dafs

entsprechen würden. Selbstverständlich ist es die Schulausbildung der Ingenieure dieselbe bleiben

müfste wie bisher.

Die dann noch erforderliche Weiterbildung würde sich im Wege des hier angedeuteten Dienstes finden . Umgekehrt

würden sich die Festungsbaumeister bald in die ihnen noch nicht geläufigen Eigenheiten dieses Zweiges der Baukunst einarbeiten und, auſserdem durch die vielfach gegebenen Normalien unterstützt , in ihren speziellen Entwürfen allen Ansprüchen genügen können . Bei

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

205

den Bauausführungen selbst würde , was sowohl deren Kontrolirung als schliesslich die Ab- und Übernahme betrifft, den Ingenieuren eine besondere Einwirkung

zu übertragen

sein.

Die Mitbeteiligung der

übrigen Interessenten, als der Kommandanten und der Artillerie- und sonstigen Behörden, verbliebe dann wie bisher. Zur Erhaltung des Bestehenden

wäre ferner die gutachtliche

Mitwirkung der Ingenieure , namentlich in Bezug auf die Dringlichkeit, erforderlich. Insonderheit mufsten in dieser Beziehung von demselben die Armierungsbestände aller Art jährlich revidiert werden . gen

Endlich würde sich nach Mafsgabe der geschäftlichen Beziehuneine Teilung

des Festungsarchivs, der Pläne

sowohl als

der

Schriften, notwendig erweisen in der Art, dafs den Festungsbaumeistern alles verbliebe , was lediglich auf den Bau Bezug hätte und so lange es die Dauer desselben erforderte . Alles dies bedingt nun schon, dafs einer jeden Festung zur Wahrnehmung des daselbst noch verbleibenden Ingenieurgeschäftes

eine Anzahl Offiziere,

etwa in der-

selben Zusammensetzung, wie jetzt, zugeteilt würde, die jedoch nicht in ihrer Festung,

sondern in dem Ingenieur-Stabsquartier des be-

treffenden Armeecorps zu stehen hätten. Kriege.

Anders bei ausbrechendem

Dann müssten die Festungen nach ihrer Lage vom Kriegs-

schauplatz mit Ingenieuren besetzt werden,

welche

alle durch das

Kriegsverhältnis bedingten Geschäfte zu übernehmen hätten, während die Festungsbaumeister ihre bisherigen Geschäfte behielten und natürlich auch jetzt als eine sehr schätzbare Unterstützung der erstern angesehen werden müfsten.

3. Organisatorisches. Bei jedem Armeecorps wird im Sitz des Generalkommandos ein Ingenieurstab gebildet, welcher sich aus dem Pionierbataillon und den Ingenieuren zusammensetzt. Dies sind zunächst diejenigen, welche nach Mafsgabe des zuvor Angeführten zu den im Bereiche des Corps. liegenden Festungen gehören ; aufserdem kann der Ausgleichung wegen eine Zuteilung der Ingenieure anderer benachbarter Festungen eintreten. An der Spitze des Stabes steht ein Ingenieuroffizier mit dem Range eines Regimentskommandeurs. Dem Pionierbataillon gegenüber befindet er sich in

einem ähnlichen Verhältnis,

wie ein Pionierinspekteur, den Ingenieuren gegenüber aber in einem viel engeren, als etwa ein Festungsinspekteur, da er die ganze Arbeit des anderen Teiles des Ingenieurstabes anzuordnen, zu verteilen , zu leiten und schliesslich wiederum zu prüfen hat. Unter ihm fungieren die übrigen Stabsoffiziere, auf die zu dem betreffenden Ingenieurstabe

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps .

206

gehörenden Festungen verteilt, leute und Subalternoffiziere. Das Verhältnis kommando

ist

des

als direkte Vorgesetzte der Haupt-

Ingenierstabes

zu

dem General-

wie dasjenige eines Infanterieregimentes, also ge-

wissermassen noch enger,

als des Generalstabes,

dessen Offiziere ja

noch unter ihrem eigenen Chef stehen. Die Avancementsvorschläge für den gesamten Ingenieurstab gehen deshalb durch das Generalkommando, und es mufs nun, abgesehen von sonstiger Nützlichkeit, durch die Diensteinrichtung bei

dem Ingenieurstabe

dem komman-

dierenden General erleichtert werden, von der Qualifikation der Offiziere

desselben bis

zu den Hauptleuten herab genaue Kenntnis zu

erlangen. Dazu dient einmal der jährliche praktische Dienst bei der Infanterie. Aufserdem sind neben dem Chef mindestens noch für die Stabsoffiziere Vorträge beim kommandierenden General einzuführen ,

der Berichte

nicht zu gedenken.

und

sonstigen Eingaben

an denselben gar

An Stoff, welcher den kommandierenden General

interessieren kann, fehlt es nicht.

Da ist vor allem die Feldbefesti-

gung und die Schulung der Truppen in derselben nach verschiedenen Mafsstäben ; ferner der Belagerungs- und Verteidigungsdienst und die Art und Weise,

wie auch dieser bei den Truppen in Übung zu er-

halten ; endlich die Verteidigungsfähigkeit der Festungen im Bereiche des Generalkommandos . Die bisherigen höheren Ressorts des Ingenieurcorps betreffend ,

so müssen hiernach natürlich einige Änderungen eintreten ,

die wir uns wie folgt denken : Die Festungs- und die Pionierinspekteure

fallen weg.

Die Ingenieurinspekteure werden in ihrem bisherigen Wirkungskreis ebenfalls

nicht beibehalten ,

weil für dieselben zwischen den

kommandierenden Generalen und den Stabschefs der Ingenieure kein Platz verbleibt.

Da es

aber

auch Generale der Ingenieure geben

mufs , um geeignetenfalls , wie beispielsweise bei einem grofsen Belagerungscorps, in der erforderlichen Autorität auch durch den Rang unterstützt zu werden, und da doch den Ingenieuren auch die Möglichkeit gewährt werden mufs ,

in der eigenen Waffe einen höheren

Rang, als den eines Regimentskommandeurs zu erreichen, und zwar, ohne dabei in derselben Stellung zu bleiben, so werden eine Anzahl Generale mit dem Rang von Brigadekommandeuren ernannt ,

welche

zu besonderen Aufträgen im Bereiche des Ingenieurwesens und was damit verwandt ist, zur Disposition stehen. Auch die Einwirkung eines Chefs in der bisherigen Weise kann nicht fortbestehen .

Dafür

halten wir jedoch einen

zu jeder Zeit

Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.

207

thätigen gemeinschaftlichen Regulator für die gesamten Verhältnisse des Ingenieurcorps nötig , welcher Kommandeur desselben heifsen und mit dem Range eines Divisionskommandeurs ausgestattet werden könnte .

Demselben soll zunächst die Überwachung der Anciennitäts-

verhältnisse im ganzen Corps obliegen , mit der Verpflichtung , den kommandierenden Generalen das Erforderliche darüber mitzuteilen. Demnächst soll er die gehörige Besatzung der Festungen und Pionierbataillone mit Offizieren im Auge behalten

und auch hierüber mit

dem kommandierenden General in Verbindung bleiben . ihm das noch

zu

erwähnende Ingenieurcomité

Endlich wird

in bisheriger Weise

unterstellt und wäre somit sein Wirkungskreis für den fortlaufenden Friedensdienst dargelegt.

Den Krieg betreffend , so bleibt ihm eben-

falls in bisheriger Weise das Ganze der Mobilisierung der Pioniere, sowohl für das Feld ,

als für Besatzung und Belagerung, ferner bei

ausbrechendem Kriege die Kommandierung der Ingenieur-Offiziere für die verschiedenen Stäbe . Er selbst tritt alsdann zum grofsen Hauptquartier. Schliefslich haben wir noch des Ingenieurcomités Erwähnung zu thun.

Eigentlich bildet schon jeder nach obigem einzurichtende Das hat aber, wie wir gesehen

Ingenieurstab ein solches im Kleinen.

haben , einen ganz anderen Zweck, nämlich Übung und Schulung der Offiziere desselben , und erst das besondere Comité macht in allen technischen Angelegenheiten

sowohl aus den Hauptbranchen ,

dem

Pionier- und Festungsdienst , als auch den sonstigen Nebenbranchen die nötigen Feststellungen. Die diesfälligen Korrespondenzen gehen durch das Kommando des Ingenieurcorps. Feststellungen von rein taktischer Beziehung dagegen bleiben dem Chef des Generalstabes der Armee vorbehalten und geht in diesem Falle die Korrespondenz durch das Generalkommando. Zur Vermittelung bleibt auf Antrag des einen oder des anderen immer noch das Kriegsministerium übrig.

Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine Band XXXVIII.

14

208

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz

XVI .

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz für das Feuer der Artillerie. Von

Alo Dengler, Lieutenant im Königl. bayer. 2. Fufsartillerie-Regiment.

Die Telemetrie begegnet in artilleristischen Kreisen noch immer teils ungläubigem,

teils

geradezu ablehnendem Kopfschütteln ,

jedes neu auftauchende Projekt

oder jeder Versuch ,

wieder auf die Tagesordnung zu setzen ,

und

dieses Thema

hat vielfach mit Vorurteil,

passiver Gleichgiltigkeit oder gar selbstgefälliger Ironie zu kämpfen. Trotz dieser ziemlich allgemeinen antitelemetrischen Strömung bekennt sich der Verfasser zu jener Sekte von Schwärmern ,

die den

Glauben auf den handgreiflichen Nutzen der Distanzmessung für das artilleristische Schiefsen und die Hoffnung auf die Erreichung eines dem Ideal wenigstens gegeben haben.

nahe kommenden Mefsinstrumentes

Der hohe Wert , ja die Notwendigkeit

nie

auf-

einer genauen Distanz-

messung für das Feuer der Artillerie im Feld- wie im Festungskriege braucht, obwohl vielfach bestritten , eigentlich keine Begründung mehr, wenn man sich die Vorteile klar macht, die für die Geschützwirkung sich daraus ergeben, und die glänzenden Resultate, die bei derartigen Versuchen auf verschiedenen Schiefsplätzen erreicht wurden. Dafs wir noch keinen offiziell eingeführten Entfernungsmesser besitzen, dürfte vielleicht weniger der Verkennung dieser Thatsachen, als dem Umstande zugeschrieben werden ,

dafs man sich entweder über das anzuwendende System nicht einigen konnte, oder weil bisher das telemetrische Problem überhaupt noch keine praktische, kriegsbrauchbare Lösung gefunden hatte , indem noch alle, oft mit Aufgebot von viel Scharfsinn ausgeführten Versuche und Systeme gegen eine oder mehrere jener Anforderungen verstiefsen, die an einen feldmäfsigen Telemeter zu stellen sind. Ein solches Instrument mufs folgenden Bedingungen entsprechen : 1. Es mufs hinreichend genau messen.

Der

Grad der Ge-

für das Feuer der Artillerie.

209

nauigkeit mufs mindestens der Gröfse der Längenstreuung der Geschosse entsprechen . In Berücksichtigung der Art der Verteilung der Schüsse im Streuungsraum dürfte gefordert werden müssen, dafs die gemessene Entfernung höchstens um die Hälfte der ganzen Längenstreuung von der wirklichen abweicht , für kleine Ziele aber höchdie Treffstens 1/4 , damit ― abgesehen von den Tageseinflüssen resultate nicht schon durch die Messung beeinträchtigt werden. 2. Die Messung mufs in kürzester Zeit ausgeführt werden können . 3. Es mufs jederzeit die Messung sofort beginnen können, ohne dafs erst Prüfungen und Korrekturen des Instrumentes stattfinden . 4. Dasselbe mufs bei jedem Wetter, namentlich bei trüber Luft , Wind

u. s . w . und

in jedem

Terrain (abschüssig ,

harter

Boden,

starke Bewachsung u. dgl.) zu verwenden sein. 5. Der Gebrauch des Instrumentes mufs einfach und leicht zu erlernen sein , um Irrtümer zu vermeiden ,

alle Berechnungen

oder

Benutzung von Hülfstabellen ausschliefsen und nur 1-2 Mann Bedienung erfordern. 6. Das Instrument selbst mufs kompendiös , solid , aber leicht und nicht zu voluminös konstruiert sein, um hinreichende Haltbarkeit und Unempfindlichkeit zu besitzen, ohne die Batterie oder den Mann zu sehr zu belasten . 7. Schliefslich dürfen die Kosten nicht unverhältnismäfsig grofs sein. "*) Bevor die Konstruktionsgrundsätze und Vorzüge des Paschwitzschen Telemeters erörtert werden sollen, dem eine Superiorität über sämtliche bisher bekannt gewordenen derlei Erfindungen (und deren Zahl ist nicht gering) zuzugestehen ist , erscheint es vielleicht nicht unangemessen ,

den Zweifeln

über

die Nützlichkeit der Einführung

eines Distanzmefsapparates in die Ausrüstung der Batterieen zu begegnen.

Die Wichtigkeit

häufig unterschätzt ,

teils

der Kenntnis wegen

der

der

Zielentfernungen

unvermeidlichen

wird

natürlichen

Streuung der Geschütze , teils wegen der sog. Tageseinflüsse , welche immerhin noch ein systematisches Einschiefsen erforderlich machen. Der Einwand : „ Das Einschiefs verfahren mittelst Gabelns , wie es die Schiefsregeln vorschreiben , ist noch immer der einfachste und beste Distanzmesser ", weil es direkt und sicher zum Ziele führt ,

hat zwar eine gewisse Berechtigung , so lange die

Frage noch in der Schwebe ist, ob dieser Weg auch der kürzeste

*) Nach Major Kritter's Aufsatz „ Messen der Entfernungen von Zielen im Kriege" im Archiv f. Art.- und Ing.-Offiz. 80. Bd. 14 *

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz

210

und zweckmäfsigste ist ?

Wenn

auch beim Schiefsen

auf be-

kannte (gemessene) Entfernungen immer noch ein feineres Einschiefsen zur Ermittelung der Tagesportee erforderlich ist , so handelt es sich immer doch darum : wer wird früher damit fertig sein, also Zeit und Munition gespart und inzwischen die beste Wirkung erzielt haben ? Die Antwort kann nicht zweifelhaft sein . Ohne aber unsere Ansicht darüber

a priori in den Vordergrund stellen zu wollen , bleibt zunächst ein anderes gewichtiges Moment zu bedenken , sehr geeignet, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken : Die Bewaffnung ist nämlich in fast allen

europäischen Heeren ,

lungen und der

Dank

der grofsen Weltausstel-

enorm gesteigerten Erleichterungen des Verkehrs ,

nahezu gleich vollkommen geworden ,

so

dafs

kein Staat vor dem

anderen mehr ein wesentliches Übergewicht voraus hat.

Die Firma

Krupp beherrscht mit ihren Stahlgeschützen den gesamten Kanonenmarkt des Kontinents ,

und wo man sich davon emanzipierte , wie

in Frankreich und England ,

hat

man es an sorgfältigen und kost-

spieligen Versuchen nicht fehlen lassen , um zu einem Geschützsystem von derselben Leistungsfähigkeit wie

das Krupp'sche

Ein Unterschied in den Konstruktionsgrundzügen ,

zu gelangen.

welche eine Prä-

ponderanz der Wirkung etwa in der Weise ergeben würde , wie zwischen Vorder- und Hinterlader in den Kriegen 1866 und 1870/71 besteht zwischen keiner der Artillerieen der europäischen Grofsmächte mehr ;

denn auch England wendet sich der Hinterladung wieder zu

und in Bezug auf vorteilhafte Geschofs- und Zünderkonstruktionen und wirksameres Pulver sind alle Militärstaaten gleichmässig fortgeschritten.

Auf eine Überlegenheit in der Bewaffnung (auch der In-

fanterie) kann also

in

einem

mehr gerechnet werden .

kommenden Feldzuge

Dieselbe

zunächst nicht

mufs vielmehr in ihrer Anwen-

dung gesucht werden, und hiefür ist neben der Art der Verwendung (Taktik) für die Artillerie das Schiefsen , d. h. das Treffen und die Wirkung das

mafsgebende Element.

Nachdem

nun

fast alle

europäischen Artillerieen auch unsere Schiefsregeln mit einigen Modifikationen adoptiert haben ,

mithin das Einschiefsverfahren allent-

halben das gleiche ist , so ist schliesslich nur noch der im Vorteil, der mit dem Einschiefsen am ersten fertig ist, d. h. wer den ersten treffenden

Schufs

abgiebt.

Ob ein auf Distanzschätzung , Be-

obachtung der Schüsse und strikte Befolgung der Schiefsregeln siertes Schiefsen

immer gleich

liegenden Flugbahn führen wird ,

glücken und

ba-

zur theoretisch richtig

bleibe vor der Hand dahingestellt

(- die Erfahrung und die Beispiele im X. Abschnitt des Handbuches für Artillerie-Offiziere beweisen, dafs dies nicht der Fall ist - ) ; zu

für das Feuer der Artillerie.

211

berücksichtigen ist, dafs im Felde die Beobachtung der Schüsse , hauptsächlich

feindlicher Artillerie gegenüber ,

durch

aufsteigenden

Rauch eines eben abgefeuerten Geschützes, Terraingestaltung , Kulturverhältnisse oder durch das gleichzeitige Feuer mehrerer Batterieen , z . B. einer Abteilung

auf dasselbe Ziel, sehr erschwert ,

sogar für längere Zeit unmöglich gemacht wird. viele

Schüsse der Einschiefsskala fraglich ,

falsch beobachtet werden und

bei

manchmal

Hierdurch werden minder Ängstlichen

so die Schufswirkung entweder sehr

stören oder ganz illusorisch machen .

Ferner steht aufser allem

Zweifel, dafs die Stärke unserer Schiefsregeln in der individuellen Sicherheit der feuerleitenden Offiziere bezüglich der Anwendung derselben auf die verschiedenartigsten praktischen , teneren Fälle , vollkommen

in Fleisch und Blut

übergegangen

nicht engherzig und pedantisch aufgefafst , erfafst und angewendet sein wollen .

Dazu ist aber

und

welche

eine gründliche durchzumachen

erringen unsere Artillerie -Offiziere allerdings

Gelegenheit haben . lande steht ,

dafs jene

sein müssen ,

sondern in ihrem Geiste

Schule und langjährige Praxis erforderlich , und sich zu

namentlich die sel-

und in ihrer Übung im Beobachten liegt ,

reichliche

Wie weit es in dieser Richtung mit dem Aus-

entzieht

sich der allgemeinen Einsicht und aus leicht

begreiflichen Gründen

auch der Kritik.

Doch dürfte es

sich em-

pfehlen, mehr Pessimist als Optimist zu sein , um sich vor grausamen Enttäuschungen

zu

schützen .

Leider

ist dem Verfasser keine sta-

tistische Zusammenstellung bekannt, welche die durchschnittliche Anzahl der bei den Schiefsübungen zum Einschiefsen gebrauchten Granaten und die mittlere Feuergeschwindigkeit während dieser Operation erkennen liefse , um sich ein Bild der Schiefsfertigkeit vergleichenden

Artilleriecorps

zu konstruieren .

Nach

der zu

allem

aber,

was man auf unseren Schiefsplätzen so hier und da mitansehen kann , im Zusammenhalte mit dem , was ab und zu vom Auslande in die Öffentlichkeit dringt , läfst sich ohne Schwarzseherei annehmen, dafs die Unterschiede keine sehr grofsen mehr sind .

Thatsache ist,

dafs

nichts einen schlechteren Eindruck macht, als ein plan- und resultatloses Schiefsen der Artillerie, und nichts ist wiederum erhebender für die eigenen im Gefecht stehenden Truppen, als wenn sie gleich die ersten Granaten in die feindlichen Reihen hineinwettern sehen , wenn der Feind sich nirgends hinwenden , nirgends auftauchen kann , ohne von unseren Geschossen sofort verfolgt und sogleich erreicht zu werden. Dies Kunststück ist aber nur beim Schiefsen auf bekannte

Distanzen

ausführbar.

wahren Entfernungen mit den

Wohl treffen

die

gemessenen

schliefslich erschossenen nicht immer

212

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz

überein, denn unsere gezogenen Geschütze besitzen zwar eine groſse , aber

keine

absolute Trefffähigkeit ,

und

selbst

diese

ist

wieder

durch atmosphärische Einflüsse , Mangel an Richt- und Feuerdisziplin u. s. w.

erheblich beeinträchtigt ,

bestehen ,

und

es bleibt stets die Aufgabe

diese störenden Einflüsse durch sachgemäfse Korrekturen

zu beherrschen und zu paralysieren . Jedes Distanzmefsverfahren kann daher nur sichere Anhaltspunkte für die erste zu nehmende Erhöhung liefern ; seine Leistung mufs jedoch eine Zuverlässigkeit besitzen, dafs der etwa begangene Mefsfehler noch im

richtigen Verhältnis zur

Längenstreuung der Geschosse steht ( 14 bis 12 der Längenstreuung) , so dafs es nur noch einer geringen Korrektur am Aufsatz bedarf, um die Mehrzahl der Geschosse als Treffer am Ziel zu haben .

Die

Vorbedingungen hierzu liegen einmal in der Kenntnis der Streuungsverhältnisse, dann der Genauigkeit des Richtens und der Zuverlässigkeit des Mefsverfahrens.

Man

Richten noch keineswegs

mufs leider gestehen ,

das leisten ,

dafs

wir im

was durch eine rationelle

Erlernung dieser Fertigkeit erreicht werden kann , wenn unser vortreffliches Geschützmaterial ausgenutzt werden soll. Es kommt gewifs viel häufiger vor , durch Richtfehler

dafs das

seitens

schnelle

der Kanoniere ,

und sichere Einschiefsen als

durch Fehler

Beobachtung seitens des Batteriekommandeurs verzögert wird.

in der Sehr

beachtenswert sind die einschlägigen Bemerkungen in dem Aufsatze „Ausbildung und Verwendung der Feldartillerie" im Militär-Wochen་ blatt 1880 , Nr. 32 und 34. Ein genau arbeitender Distanzapparat kontrolliert zugleich die Richtung und läfst als solche erkennen und leicht abstellen.

grobe Richtfehler sofort

In den kommenden Kriegen wird es ferner weniger darauf ankommen, überhaupt den ersten Schufs abzugeben, als vielmehr darauf, zuerst in die wirksamste Sphäre unserer Geschosse zu

den Feind

bringen, also zuerst zu treffen.

Die

verheerende Wirkung ,

welche

nur eine einzige gut eingeschossene und sorgfältig bediente Batterie schon mit wenig Schüssen anzurichten vermag, ist aber ebenso bekannt, wie wir wissen, dafs wir hinter einem solchen Resultat selbst auf dem Schiefsplatze, wo keine feindlichen Geschosse uns entgegenimmer noch zurückbleiben . Diese mifsliche

geschleudert werden, Erscheinung

müssen

wir

aber

wieder gröfstenteils dem Mangel an

einem guten Distanzmesser, und erst in zweiter Linie dem unseren Schiefsregeln zu Grunde liegenden Prinzipe zuschreiben . Eine einigermafsen gewissenhafte Distanzschätzung gehört zu den Seltenheiten, da - abgesehen von der Schwierigkeit der Ausführung auf gröfseren Entfernungen

der erfahrene Batteriekommandeur nichts

für das Feuer der Artillerie .

213

mehr fürchtet, als beim Einschiefsen oder gar schon beim ersten Schufs einen direkten Treffer zu haben . Letztere lassen sich in der That schwer als solche

erkennen,

und selbst wenn man die Über-

zeugung hat, einen Treffer beobachtet zu haben , aber doch nicht ganz sicher ist, so nimmt man lieber den Schufs als + oder ?, selbst auf die Gefahr hin, das Einschiefsen zu verzögern, als sich einer Illusion hinzugeben,

von denen die Praxis lehrte,

dafs sie das ganze Ein-

schiefsen verderben und meist sehr spät erst entdeckt werden .

Ebenso

ungünstig ist es , bei der Gabelbildung einen Schufs zu erhalten, der sehr nahe an der Grenze der ganzen Längenstreuung liegt, wodurch gleichfalls öfters eine Wiederholung des ganzen Einschiefsens von vorne an bedingt wird, wenn man sich nicht mit gruppenweisem Hinauf- oder Herunterklettern um 25 m (1/16) endlos abquälen will . Ist aber die Entfernung fehlerfrei gemessen, so fällt das Ziel in die Mitte der Längenstreuung der Geschosse und die mittlere Flugbahn höchstens um die Differenz der sog. Tagesportee nach vor- oder rückwärts .

Würde der mittlere Messungsfehler gleich der mittleren Län-

genstreuung sein, so fällt der mittlere Treffpunkt um ebensoviel vor oder hinter den beabsichtigten , Falle jene Schüsse als Treffer grenze liegen.

man würde jedoch schon in diesem erhalten,

welche an der Streuungs-

Man darf also nur eine Gruppe von vielleicht sechs

Schüssen abgeben, um

zu erkennen , ob die Mehrzahl der Geschosse

vor oder hinter dem Ziele aufgeschlagen hat und ob eine Korrektur angezeigt ist sagen.

oder nicht,

worüber die Schiefsregeln das Nötige be-

Gröbere Korrekturen als 25 m werden selten notwendig wer-

den, wohl aber könnte sich das Bedürfnis nach einer feineren (12,5 m oder 1/2 Sechzehntel Grad) herausstellen. Giebt man nun der Truppe ein Instrument zum Messen von Entfernungen in die Hand, von dem man weifs, dafs seine mittleren Mefsfehler sogar kleiner sind als die mittlere Streuung der Geschosse der Länge nach, so

wird die ur-

sprüngliche Scheu vor einem direkten Treffer bei dem nun feineren und viel einfacheren Einschiefsen sofort verschwinden. Soll ausnahmsweise eine ausgedehnte feindliche Position auf die gröfsten Schufsdistanzen (über 3000 m) beschossen werden , bei denen die Fallwinkel schon sehr steil zu werden beginnen, mithin die Rasanz und gleichzeitig auch die Trefffähigkeit geringer, das Schätzen der Entfernung, Richten und die Beobachtung schwieriger wird, so ist ein Distanzmesser geradezu unentbehrlich .

Die Vorausbestimmung der Entfernung

eigenen Feuer mindestens den mittleren Wirkungswert .

sichert dem Bei länge-

ren Kanonaden , wie sie ja in der Einleitung des Gefechtes gerne vorkommen, wird dann die Entfernung auch während des Feuers

214

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz

vorteilhaft bestimmt und kontroliert , weil der Feind das Bestreben haben wird, sich durch succesives Vor- oder Zurückziehen unserer Geschofswirkung zu entziehen, was selbst mit Hülfe von Fernrohren nicht immer wahrnehmbar ist .

Hat eine Distanzmefsabteilung diese

ihre erste Aufgabe erfüllt, so mifst sie , wenn sie einigermafsen findig und rührig, d. h. dazu erzogen ist, die Entfernungen nach den markantesten Punkten des Gefechtsfeldes und giebt so dem Batteriekommandeur die wertvollsten Daten für Ziel- und Entfernungswechsel oder auch das Feuer auf sich bewegende Ziele .

Es

ist leider ein Mifsstand aller auf Dreiecksmessung beruhender Instrumente ,

dafs die Entfernungen sich bewegender Objekte nicht direkt

zu messen sind.

Hier mufs man sich eben durch passende Hülfs-

zielpunkte zu helfen suchen, da es immer einfacher ist, aus in der Nähe liegenden Objekten von bekannter Entfernung auf eine unbekannte zu schliefsen. Ein weiterer Vorteil eines guten Distanzmessers besteht darin , dafs mit ihm der Unterricht im Schätzen der Entfernungen ein viel erfolgreicherer sein wird,

und dafs den gröfsten Nutzen davon der

den Unterricht leitende Offizier ziehen wird, indem er durch den Vergleich sein Augenmafs schärft, worin allein die Sicherheit im Schätzen beruht. Karten sind zu diesem Zwecke lange nicht so geeignet. Die Distanzschätzung bleibt aber immer wichtig für solche Gefechtsmomente, in denen Artillerie, namentlich reitende , nach raschem Vorgehen oder während der Verfolgung sogleich in Aktion treten muſs. In diesen aufgeregten Augenblicken mag freilich der Distanzmesser vergessen bezw. sein Resultat nicht abgewartet werden ; aber hier kommt die durch den Unterricht mit dem Telemeter erlangte Fertigkeit im Distanzschätzen zu statten , und nach eingetretener Ruhe besitzt man an seinem Instrument wieder ein vortreffliches Hülfsmittel, die scheinbar richtig erschossene Entfernung zu kontrolieren . Durch einen mit Fernrohr versehenen Telemeter, wie es der Paschwitz'sche ist, geht man auch leichter der Unsicherheit und grofsen Verantwortung aus dem Wege,

auf die eigenen Truppen zu schiefsen .

Der

Feldzug 1870/71 weist mehrere derartige traurige Beispiele auf, ohne dafs die betreffenden Artillerieoffiziere , deren Aufmerksamkeit eine geteilte und auf's nächste, die Feuerleitung , gerichtete ist, ein Vorwurf treffen könnte. Feldstecher sind gewöhnlich zu schwach, um den Irrtum zu erkennen . Wir glauben im Vorausgehenden unsere oben offen hingestellte Frage genügend

zu Gunsten der Einführung eines Distanzmessers

beantwortet und bewiesen zu haben , dafs beim regelmässigen Schiefsen

für das Feuer der Artillerie.

215

auf bekannte Entfernungen an Zeit und Munition gespart und ein taktisches Übergewicht gewonnen wird einem Feinde gegenüber, der die Entfernungen nur schätzt. Die kostbaren Granaten der Protzausrüstung

werden hinfür

nicht mehr ins blaue hinein verknallt,

sondern erfüllen ihren materiellen Zweck, und eine im Gefecht stehende Feldbatterie kommt weniger oft in die fatale Situation, sich zu verschiefsen, bevor nur einigermafsen Wirkung erzielt ist. Für das Feuer der Fufsartillerie ist das Schiefsen auf bekannte Entfernung ohnedies Norm und handelt es sich jetzt nur mehr darum, den brauchbarsten Distanzmesser aus den bis jetzt bekannten Distanzmessern für artilleristische Zwecke durch Abwägen aller Vor- und Nachteile herauszufinden. Bevor jedoch auf diese mehr technische Seite dieses Themas eingegangen wird,

sei

es ge-

stattet, einen Auszug aus dem Londoner Engineering vom 25. Oktober 1873 , betitelt : „ Zweck der Telemetrie " mitzuteilen, um die Harmonie der oben entwickelten Anschauungen mit den anderwärts gewonnenen darzutun . Der betreffende Passus lautet : „ Die jüngsten grofsen Verbesserungen der Geschütze in Bezug auf Tragweite und Treffsicherheit,

wie nicht minder die

auf die

Spitze getriebene technische Vollendung der Infanteriewaffe haben die eigentliche Wirkungssphäre der Feldartillerie um

mindestens 500 m

hinausgeschoben und machen es bei dem dermaligen unverkennbaren Bestreben, der Aktion der Menschen auf dem Schlachtfelde mehr und mehr die Maschine

zu substituieren ,

für

diese Waffengattung

in

hohem Grade ratsam, auf möglichste Ausnutzung der Geschützwirkung bedacht zu

nehmen und ' dem Ausgangspunkt ihrer Einschiefsskala,

besonders in der Weitschufspraxis, wo die Einfallwinkel der Geschosse immer steiler werden, eine solidere Basis zu geben, als solche das an und für sich schon trügliche, im Kampfe aber durch Momente verschiedener Art vom Irrtum noch mehr beeinflusste Augenmafs zu bieten im stande ist. Denn indem sich nach vorheriger Ermittelung der Distanz die Probeschüsse von vorne herein schon innerhalb einer räsonablen Grenze bewegen , hat man nicht erst nötig, die Aufmerksamkeit des Feindes durch ein zeitraubendes, die kostbare Munition . verschleuderndes Feuer auf sich zu lenken , ihm Zeit und Gelegenheit zu Gegenbewegungen zu geben, sondern kann durch ein sicheres Feuer raschen Erfolg erzielen , während ein unsicheres und schwankendes Feuer nur denjenigen zu gute kommt, die demselben ausgesetzt sind. Aber nicht allein in Bezug auf Treffsicherheit und Zeit können mittelst der Telemetrie Erfolge

erzielt

der Schufsbereich der Artillerie wird erheblich

werden ,

erweitert ,

auch ein

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz

216

Umstand, der bei grofsen Entscheidungsschlachten schwer ins Gewicht fallen dürfte .

Es ist bekannt, dafs die Artillerie nicht allzu oft den

Platz wechseln, und wenn sie einmal günstige Position eingenommen hat, dieselbe bis auf's äusserste ausnutzen soll, mithin gar häufig in die Lage kommt, auf Entfernungen über 2000 m zu schiefsen, eine Portee,

bei

Glück "

abgegebener

welcher man der Distanzbestimmung mittelst „auf gut Probeschüsse

nur geringen Erfolg beimessen

kann , wenn man all die hinderlichen, das Erkennen des Einschlagpunktes abgeschossener Granaten erschwerenden Umstände des Felddienstes gegen die des Schiefsplatzes abwägt.

Es

liegt somit der

Gedanke ziemlich nahe, dafs in solchen Fällen bei aller Achtung vor persönlicher Bravour doch auch, nachdem durch die immensen Fortschritte in der Waffentechnik

die Kriegskunst mehr und mehr zur

Wissenschaft wird, die Einführung des berechnenden Elementes ihre Berechtigung haben dürfte “ . — Die Würdigung der aufgeführten Vorteile hat bekanntlich unter den Fachmännern grofse Anstrengungen bezüglich der Herstellung eines für den Felddienst brauchbaren Telemeters hervorgerufen . Das königlich preufsische Kriegsministerium liefs ausgedehnte Versuche mit dem Berdan'schen Telemeter anstellen ; in Österreich probierte man den Distanzmesser von Oberst Roskiewiez ; das schweizerische Militärdepartement hat auf Anregung des dortigen Artilleriecorps

vor mehreren Jahren einen

förmlichen Konkurs für

derartige Instrumente ausgeschrieben ; in England scheint in neuester Zeit der Nolan'sche Distanzmesser zur Einführung gelangt zu sein, während Frankreich den Télémètre de combat von Boulengé besitzt. Wie schon obiger einem englischen Fachblatte entnommene Artikel zeigt , dafs man in England den Wert der Telemetrie besonders zu schätzen weifs , so beweisen nachstehende Versuche, *) dafs diese Nation , welche in jeder Technik obenan steht, kein Mittel scheut, diesen Rang zu behaupten und in artilleristischer Beziehung, auf Grund ausgedehnter Versuche und Erfahrungen , System in der Waffe zu gelangen . wurden nämlich bei Gelegenheit

zu

einem

vollkommenen

Im Lager von Okehampton ( 1875) der Schiefsübungen der Artillerie

Parallelversuche vorgenommen , deren Resultate vom gröfsten Erfolg gekrönt wurden. Dies das Urteil höchst fähiger und kompetenter Fachmänner. Die Versuche sollten nämlich u. a . die relative Feuerwirkung einer Feldbatterie feststellen, 1. wenn die Entfernungen nach dem Augenmafse geschätzt und

*) Aus „ Einiges über die jetzige englische Artillerie " im „ Sammler ", Beilage zur „ A. Abd .- Ztg. " vom 20. Juni 1876 von K.

für das Feuer der Artillerie.

217

2. wenn sie durch einen Dinstanzmesser ermittelt werden . Das hierzu benutzte Instrument war der Nolans'sche Telemeter. Ein Beispiel möge genügen :

"9 Eine Batterie bekam die Aufgabe, auf ein Objekt zu schiefsen, welches aus acht 9 Fufs hohen Scheiben bestehend ein Kavallerieregiment vorstellte , das in halboffener Kolonne auf 4000 Yards Aufstellung genommen hatte .

Geschütze und Zielobjekt standen auf Hügeln nahezu auf gleicher Höhe ; aber die Terrainwellen waren derart, dafs das Ziel den Blicken der Batterie vollkommen entzogen war,

sowie diese ihre Geschütze nur ein wenig zurücknahm. Der Distanzmesser bestimmte die Entfernung auf 3930 Yards bis zur Tête der Kolonne . Die Batterie feuerte eine Salve mit der entsprechenden Elevation und 4 von den 6 Granaten fielen und explodierten mitten in der Regimentskolonne . Dieses Resultat wäre ohne den Distanzmesser oder den glücklichsten Zufall eine Unmöglichkeit gewesen ! Das Terrain war so gestaltet , dafs man viele Probeschüsse hätte machen müssen, ehe man die richtige Entfernung gefunden, und die Kavallerie hätte längst die Zeit benutzen können, sich zu retten. " Im Lager zu Okehampton wurde auch probiert , mit dem Telemeter nur 1-2 Geschütze zur Ermittelung der Tagesportee aufzustellen , während dessen das Gros der Geschütze (Batterieabteilung) bis zum entscheidenden Augenblicke in der Nähe gedeckt und , möglich in Gefechtsfront entwickelt , hält , wägung verdient. Zeit ,

sich zu

näher heran ,

Der das Einschiefsen leitende Offizier hat vollauf

orientieren , die

wo

ein Gedanke , der Er-

die Wagenstaffeln kommen unterdessen

nicht feuernden Geschütze

sind nicht unnötigen

Verlusten ausgesetzt und ihr gemeinsames Eingreifen wird dann um so imponierender wirken. Andere und sehr strenge Proben mit dem Nolan'schen Distanzmesser wurden Aldershott,

Dartmoor u.

s.

W.

vorgenommen

zu Shoeburynefs ,

von denen folgende hervorgehoben

werden sollen : *) 1. Bei

einem

im Jahre 1869

stattgefundenen Parallelversuch

zwischen zwei nach dem gewöhnlichen Schätzungssystem und zwei mit Hülfe von Nolans Distanzmesser ausgerüsteten , auf verschiedene Zielentfernungen verwendeten Geschützen war das Resultat für letztere derart günstig, dafs fast alle ihre Schüsse als zur mit „ tötlicher Wirkung" bezeichneten Kolumne gehörig betrachtet wurden , während 2/3 der auf die geschätzten Entfernungen verfeuerten Geschosse ihr Ziel gänzlich verfehlt hatten.

*) Aus Dingler's Polyt. Journal 196. Bd. 7. H. S. 505 „ Kapitän Nolan's Distanzmesser für Zwecke der Feldartillerie".

218

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz etc. 2. Bei den zu Dartmoore angestellten Schufsversuchen wurden

über 2000 Geschosse und davon die gröfsere Hälfte mit Anwendung des Distanzmessers verfeuert , wobei sich , sobald Nichtgebrauch des Instruments eintrat, jedesmal ein auffallender Mangel an Genauigkeit und Schufswirkung zeigte. So verfeuerte z. B. eine reitende Batterie am 22. Juni 1869 mit Hülfe des Distanzmessers 45 Schüsse auf etwa 1300 Yards Entfernung gegen Scheibenreihen von 54 Fufs Breite und 9 Fufs Höhe, und wiesen die beiden ersten Scheibenreihen hernach 433 Treffer, also fast 10 Treffer pro Schufs, während am 30. Juni 97 nach blofser Distanzschätzung auf annähernd gleicher Entfernung und das gleiche Ziel abgegebene Schüsse nur 118 Treffer oder etwa 11/4 Treffer pro Schufs lieferten . Bei einem dritten Versuche wurden auch die Abstände sich bewegender Ziele von in der Nähe liegenden Hülfszielobjekten mit Erfolg gemessen. Die Resultate dieser Versuche haben den Wert der Distanzmessung im Felde wieder deutlich vor Augen geführt und alle Einwendungen gründlich beseitigt . Dürfte es nicht auch bei uns angezeigt sein, analoge Versuche mit dem Paschwitz'schen Telemeter anzustellen, der Erfindung eines Landsmannes, welche von Autoritäten wie General Neumann , *) Professor Lorber**) u . a. die gröfste Anerkennung gefunden ? vollkommen geeignet ,

den

genügen und

Bewaffnung resp . Ausrüstung zu vervollstän-

unsere

Der Distanzmesser von Paschwitz erscheint eingangs aufgestellten Anforderungen zu

digen.

(Schlufs folgt. )

*) Im Archiv f. Art.- und Ing. - Offiz. nungsmesser".

86. Bd . pag. 252 „ Ein neuer Entfer-

**) Im Repertorium für Experimentalphysik , physikalische Technik, mathematische und astronomische Instrumentenkunde, herausgegeben von Dr. Carl, Professor an der K. b. Kriegsakademie in München, 1879 S. 687 und in Dingler's polytechnischem Journal Bd. 235 H. 3 S. 199.

Topographische Erörterungen.

219

XVII.

Topographische Erörterungen. Von

Reichert , Hauptmann. (Fortsetzung.) III .

Ueber präzise Ablesung an der Latte.

Es ist üblich

und vielfach

empfohlen, bei der Ablesung der

Entfernung an der Latte den einen der beiden Distanzfäden auf die roten Marken einzustellen, welche von Meter zu Meter an der Distanz. latte angebracht sind, oder doch auf eine solche Stelle, wo die Farben Schwarz und Weifs zusammenstofsen. Diese Anweisung ist auch

gewifs sehr zweckentsprechend für

alle die zahlreichen Kotenmessungen, bei denen es darauf ankommt, schnell die Entfernung zu ermitteln und

sich bei der Ablesung vor

groben Irrtümern zu schützen . Man läuft so weniger Gefahr, sich um 10 oder gar 100 m zu verzählen. Es kommen aber Fälle vor, wo auf Distanzen von 10 bis 100 m die Ablesung unbedingt auf den Meter genau sein mufs, namentlich bei der im Sommer häufig notwendigen Prüfung und Berichtigung des Distanzmessers. In diesen Fällen erscheint das erwähnte Verfahren keineswegs empfehlenswert . Hier habe ich es stets sicherer gefunden, den einen Distanzfaden auf die Mitte eines weifsen Lattenteils zu richten, derart, dafs dieser durch den schwarzen Faden in zwei gleiche Hälften geteilt wird. Was die praktische Erfahrung ergiebt, wird sich auch überzeugend begründen lassen :

Fig. 1.

Fig. II.

220

Topographische Erörterungen .

Man vergleiche die beiden Zeichnungen, und man bemerkt sofort, dafs eine kleine Verschiebung des Fadens in Fig . II. bei weitem weniger ins Auge fallen würde als bei Fig. I. In der Fig. II. kann man den Faden den untersten Teil des weifsen Feldes decken lassen, man kann ihn auch auf den obersten Teil des schwarzen Feldes einstellen . wie es hier beispielsweise geschehen ist ; der Unterschied fällt nicht ins Auge.

Für die gleiche Teilung des weifsen Feldes aber ist das

Auge ganz ungemein empfindlich .

Da giebt es keine Schwankung in

der Grenze ; das kleinste Übergewicht auf der einen Seite fällt sofort und deutlich auf. Dazu kommt,

dafs das Auge beim Anschauen der Latte einer

Täuschung unterworfen ist : die weifse Farbe macht sich namentlich bei hellem Licht auf Kosten der schwarzen breit, die weifsen Felder erscheinen stärker als die schwarzen, und die natürliche Folge davon ist, dafs man im Fall II. den Faden,

welchen

man auf die Grenze

einrichten will , zu weit in das schwarze Feld hineinstellt.

IV .

Die Höhenbestimmung durch Nivellement mit der Kippregel.

Jede

Kippregel kann als

Nivellirinstrument benutzt

wenn mit dem Fernrohr eine Röhrenlibelle verbunden ist.

werden ,

Im allge-

meinen wird auf diese Fähigkeit sehr wenig Wert gelegt, was schon daraus hervorgeht, dafs manchen Kippregeln - z . B. die sogenannten dänischen die Libelle am Rohr fehlt. Da auf diese Weise die Höhenbestimmung durch Winkelmessung so zu sagen allein privilegirt ist,

haben auch die Lehrschriften wenig oder gar keine Notiz von

dem Nivellement genommen.

Es ist dies aber zu bedauern, denn in

den allerdings beschränkten Fällen, in denen das Nivellement anwendbar ist,

verdient

metrischen Verfahren . Vorteile,

es bei weitem den Vorzug vor dem trigonoDie nivellitische Höhenbestimmung bietet alle

die überhaupt in betracht kommen ,

denn sie ist schneller

und bequemer auszuführen und ergiebt genauere Resultate. Die Fehlerquellen , unter denen die trigonometrische Höhenmessung leidet, sind sehr mannigfach. Ohne Einzelheiten zu wiederholen, wollen wir nur betonen , dafs sie sowohl den Fehlern des Instruments ,

als

denen der Winkelablesung,

als

denen der Distanz-

messung, als endlich denen der Rechnung unterliegt. dagegen ist eine so

einfache Operation , dafs

dafs

nicht

Das Nivelliren

diese Einfachheit an sich schon die gröfsere Sicherheit gewährleistet. Die grössere Bequemlichkeit und Schnelligkeit des nivellitischen Verfahrens liegt darin, die Tischplatte

ängstlich horizontal gestellt zu werden

Beitrag zur Frage der Bekleidung der Mannschaften etc. braucht,

dafs

die

221

unbequeme Winkelablesung am Nonius

und dafs der Höhenunterschied abgezählt wird .

wegfällt,

ohne jede Rechnung an der Latte

Ist man nun gezwungen, in einem flachen Gelände lange ohne z. B. im Walde - so kann es leicht kommen, Anschlufs zu arbeiten dafs sich bei der Höhenbestimmung durch Winkelmessung ganz unzulässige Fehler einstellen , wesentlicher ist

es,

denn je flacher das Gelände ist,

genau die Höhen zu bestimmen.

desto

Ein Meter

Fehler im Gebirge thut wenig Schaden, aber ein Meter Fehler dort, wo die Höhenunterschiede überhaupt nur ein paar Meter betragen, beeinträchtigt den Wert der Arbeit ganz bedeutend.

Hier zum Bei-

spiel erscheint das Nivellement vorzugsweise am Platz . Was nun die Anwendbarkeit betrifft, so ist sie,

wie schon er-

wähnt, eine beschränkte . Die Grenzen sind gegeben durch die Länge der Latte einerseits und die Höhe des Instruments über dem Boden andererseits. wie

man

Steht der Lattenträger tiefer und nimmt er die Latte ,

sagt,

hoch, so ist die

ganze Länge der Latte für das

Nivellement verfügbar, man kann also Höhenunterschiede bis zu 3 m bestimmen,

nämlich von der Brust des Instrumententrägers bis zur

Spitze der Latte . Steht der Lattenträger höher als der Stations-> punkt ist, lo läfst sich das Nivellement noch bis auf 1,3 m anwenden nämlich von der Brusthöhe des Trägers bis zu seinen Fülsen .

XVIII .

Beitrag zur Frage der Bekleidung der schaften und

Ausrüstung der

Mann-

Pferde.

Von

Fr. Hentsch , Hauptmann a. D.

In neuerer Zeit gehen die Bestrebungen dahin , das Schuhzeug der Armee zu verbessern und die Übelstände , selben gezeigt haben ,

zu beseitigen .

welche sich bei dem-

Unter vielfachen Vorschlägen,

welche in dieser Richtung gemacht worden, stehende hervorzuheben :

sind besonders nach-

Der von H. Ringleb in Rixdorf gefertigte

" unverlierbare

222

Beitrag zur Frage der Bekleidung der Mannschaften

Marschstiefel

besitzt den Vorteil ,

dafs er bei hohem Spanne leicht

anzuziehen, sowie durch das alleinige Zuziehen der unteren Schnalle fest am Spanne und an der Ferse gehalten und in Folge dessen sein Verlieren unmöglich wird.

Der Schaft des Stiefels ist an der vor-

deren Seite bis auf die Spanne senkrecht aufgeschnitten und an ihm an der einen Schafthälfte eine Lasche befestigt, welche bis zur Mitte des Fufsblattes

geht und

derartig

eingesteppt ist, dafs Schaft und

Lasche an der ganzen Naht schräg eingeschärft sind .

Auf der an-

deren Hälfte des Schaftes ist eine Klappe mit einer Anzahl Riemen angebracht und ebenfalls bis zur Mitte des Fufsblattes aufgesteppt. Die Riemen werden durch auf der anderen Schaftfläche gegenüber angebrachte Schnallen gesteckt und der Form des Fufses entsprechend zusammengezogen. Hierbei greift die inwendig befindliche Lasche auf der gegenüberliegenden Seite des Schaftes ein und befindet sich sonach vollständig zwischen Schaft und Klappe. Dadurch soll ein ganz fester, den Fufs vor dem Verlieren des Stiefels und vor Nässe bewahrender und sonach warm haltender Verschlufs erreicht werden. Die Beinkleider können nach Belieben unter oder über den Stiefeln getragen, auch soll bei Lösen der Schnallen dem Fufse Luft zugeführt werden,

so

dafs

ein Ausziehen

der

Stiefel

beim Schlafen behufs

Schonung des Fufses unnötig wird. Bei dem von Labber in Nièvre (Frankreich) vorgeschlagenen

Schnürstiefel mit Schaft wird der Zweck verfolgt ,

die Vorzüge und

Bequemlichkeiten eines Stiefels mit denen eines Schnürstiefels zu vereinigen und die Nachteile des einen wie des anderen zu beseitigen . Wie der Stiefel hat

dieses Schuhwerk einen Oberteil oder Schaft,

um das Bein zu schützen, und wie der Schnürstiefel ist er auf dem Spann geschlitzt, wird daselbst jedoch so zusammengehalten, dafs sich der Schuh dem Spann des Fuſses anpafst und erweitert oder verengt werden kann. Zu dem Zwecke trägt der Stiefel hier an jeder Seite eine Lasche, welche durch Schnüre mit einander verbunden werden. Unter denselben liegt das Zungenblatt des Stiefels. Ist die Verschnürung der Laschen lose, so kann sich das Schuhwerk auf dem Spanne unter einem Drucke von innen ausdehnen , es ist dies aber nicht möglich, wenn die Verschnürung festgezogen wird .

Die Wechselwir-

kung der Verschnürung der Laschen und des Zungenblattes gestattet, den Einschlupf und

das Stichmafs

des Fufsspannes in beträchtlich

weitem Spielraume zu halten, je nach Bequemlichkeit u. s. w. des Fulses. Die Absätze der Stiefel werden bis jetzt aus Leder hergestellt, G. Schildknecht in St. Gallen fertigt solche schon aus Eisen

223

und Ausrüstung der Pferde. bei den für berittene Mannschaften bestimmten Stiefeln . selben wird an einer nasenartigen Verlängerung ,

welche

An denoben und

unten scharf abgekantet, oder auch unten scharf abgesetzt und oben abgerundet

ist ,

der Sporn

charnierartig durch eine Schraube und

zwar bei ersterer Form der Nase feststehend, bei letzterer Form, für welchen Fall ein gerader Sporn zur Anwendung kommen soll, beweglich angebracht.

Der bewegliche Sporn soll den Vorteil bieten , dafs

er beim Abwärtssteigen sich im Falle eines Anstofsens aufwärts bewegt, nach Überwindung des Hindernisses aber sofort wieder in seine gewöhnliche Lage zurückkehrt , wobei ein weiteres Hinabsinken verhindert .

die

scharfe Kante der Nase

Um die bisher den Kastensporen anhaftenden Mängel zu beseitigen ,

welche besonders in Erlahmung und Zerbrechung der Halte-

feder und Abbrechen des Spornstiftes , weil derselbe an der Andrückstelle der Feder zu schwach ist ,

bestehen ,

zu beseitigen ,

hat W.

Hülter in Iserlohn den Sporen und Kasten nachstehende Einrichtung gegeben : Der Spornstift ist bedeutend kräftiger gehalten, gleichmäfsig stark Kästchen.

und pafst genau in das in den Absatz eingelassene

Letzteres enthält eine Schraube, die unter dem Fufs her

mittelst eines Schraubenziehers im Absatz gedreht wird . ist bis zum Absatze hohl ,

Die Schraube

mit Gewinden versehen , und nimmt bei

ihrem Drehen den Spornstift und dessen am Ende befindliches Schraubengewinde auf.

Wird kein Sporn getragen, so wird an seine Stelle

ein Kastenschliefser eingeschraubt , um das Eindringen von Schmutz u. s. w. zu verhindern .

Der Sporn selbst hat an Stelle des sonst ge-

bräuchlichen Rades eine Hohlkugel erhalten , welche in sich einen spitzen, in den Spornhals geschraubten Dorn aufnimmt. Auf den Dorn ist im Innern der Kugel eine Spiralfeder und eine Scheibe geschoben . In gewöhnlichem Zustande drückt die Spiralfeder die Scheibe und damit die Hohlkugel so weit vor , innerhalb letzterer liegt.

dafs die Dornspitze

Tritt der Sporn in Thätigkeit ,

so

wird

durch Gegendrücken gegen das Fleisch des Pferdes die Spiralfeder durch Vermittelung der sich gegen die inneren Kugelwände stützenden Scheibe zusammen- und die Dornspitze hervorgedrückt.

Durch

diese Sporen sollen folgende Vorteile erreicht werden : 1. Unbedingtes Festsitzen des Sporns am Stiefel, wenn auch der Spornschenkel nicht genau

am

Absatze

anschliefst ;

2. leichtes Abnehmen des Sporns ,

ohne in Gefahr zu sein, sich die Finger durch die Räder zu verletzen ; 3. Vermeidung des Zerreifsens der Beinkleider ; nötiger Belästigung des Pferdes.

4. Vermeidung un-

Ebenso wie sich bei der Bekleidung u . s . w. des Mannes manche 15 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

224

Beitrag zur Frage der Bekleidung der Mannschaften

Übelstände gezeigt haben ,

ebenso

genügt auch die Ausrüstung des

Pferdes nicht nach jeder Richtung hin, und ist es hier besonders der Hufbeschlag, über dessen Zweckmäfsigkeit die Ansichten sehr geteilt sind. Um letzteren zu verbessern ist von dem Schmiedemeister J. Chr. Stolberg ein Hufeisen

aus

zwei Teilen konstruiert, welche

durch übereinander greifende Lappen mittelst eines Schlitzes in dem einen und eines Nietstiftes in dem andereren derart mit einander verbunden sind, dafs beide Teile gegen einander bewegt und durch Anziehen des Stiftes festgestellt werden können.

Bei der Anfertigung

dieses Hufeisens haben sich indessen zwei Mängel , wendbarkeit

desselben sehr beschränken ,

welche die An-

herausgestellt ,

nämlich :

1. die geringe Haltbarkeit der eben bezeichneten Art der Verbindung der beiden Teile des Hufeisens, da beim Gebrauche sowohl die Lappen an der Drehungsstelle leicht brechen, als auch die kurzen Nietstifte in dem Schlitze sich leicht lockern ; 2. die Unmöglichkeit, das Hufeisen in der angegebenen Ausführung vorn mit einer Kappe oder einem Aufzuge

zu versehen ,

welche

letztere

bei den meisten Ge-

brauchspferden als ein wesentlicher Stützpunkt für die Vorderzehen des Hufes verlangt wird. Diese Mängel hat nun Dr. C. Schneitler in Berlin zu beseitigen gesucht.

Derselbe hat zu dem Zwecke die Stahllamellen der

beiden Teile an ihrem oberen Ende gerollt und in die dadurch entstandenen runden Öffnungen zwei

starke Nietstifte

Platte dient zur Verbindung der beiden Teile .

gesteckt.

Eine

Diese hat zwei Schlitze ,

durch welche die obigen Nietstifte gehen, welche letztere so vernietet werden ,

dafs

eine Bewegung und Feststellung (letztere durch An-

ziehen der Stifte) der beiden Teile zu einander ermöglicht ist.

Die

Nietstifte erhalten oben über dem länglichen Schlitze kleine Unterlagsscheiben .

Die

obige Platte kann an ihrer vorderen Seite mit

einer Kappe oder Aufzug nach Erfordern versehen sein, sie wird aus einem weichen und zähen Bandeisen hergestellt.

Mehrere Einschnitte

dienen, wie bei dem Stolberg'schen Eisen, zur Befestigung desselben am Huf mittels Nägeln mit hakenförmigem Kopf. Auch die Einfügung von Lederstreifen zwischen die Stahllamellen und die Verbreiterung derselben auf der oberen Seite des Hufeisens und einer Trittfläche ist bei dem Stolberg'schen Hufeisen

vorhanden.

zur Bedeckung der Platte ein besonderes Stück Leder

Jedoch ist mittels eines

kleinen Stiftes auf der Platte befestigt, welches bezweckt, eine ebene Trittfläche von überall gleicher Höhe für den Pferdefufs herzustellen . Eine weitere Verbesserung des Hufbeschlages hat F. Kather in Hannover durch sein Hufeisen angestrebt . Diese Konstruktion

und Ausrüstung der Pferde. beruht auf den Wahrnehmungen,

225

dafs jeder Pferdefufs

seinen be-

sonderen Auftritts- oder Angriffspunkt hat, welcher am Hufbeschlage sich

durch eine gröfsere Abnutzung des Eisens

bemerkbar macht,

dafs ein Ausgleiten des Hufes vermieden wird durch Verteilung der Auftritts- oder Angriffspunkte auf die Trittfläche desselben und Verlegung auf diejenigen Stellen,

welche

dem Angriffe

am wenigsten

unterliegen, dafs ferner vorzugsweise der innere Arm des Hufeisens, welcher regelmäfsig

dem Angriffe

am wenigstens

unterliegt,

den

geeigneten Punkt für eine Schärfungseinrichtung darbietet, und dafs endlich scharfkantige

erhöhte

Flächenabschnitte des Hufeisens ,

geeigneten Stellen des Hufeisens angebracht,

sich

empfehlen,

an

nicht

minder auch, daſs eine gröfsere Anzahl solcher erhöhten , scharfkantigen Abgrenzungen gegen den Auftrittspunkt ratsam und zuverlässig sind , ohne dafs für das Pferd eine Erschwerung ,

oder die Gefahr einer

Selbstverletzung desselben oder einer Verletzung anderer Pferde dabei eintreten kann .

Der Konstrukteur bringt daher an den erfahrungs-

mäfsig oder wahrnehmbar vorhandenen Auftrittspunkten an der Zehe des Hufes an dem Eisen Vertiefungen von 2 bis 3 mm Tiefe an . Die Vertiefung

wird durch eine scharfkantige Erhöhung von Stahl

am Zehenende des inneren Hufeisenarmes gebildet, zeigt nur an dieser Stelle obige Tiefe und erstreckt sich nach dem äufseren Hufeisenarme, an dessen Zehenende sie verläuft. Jeder innere Hufeisenarm ist am Trachtenende und von dessen äussersten Grenze etwa 21/2 cm entfernt, aufserdem mit je einer stollenartigen scharfkantigen Erhöhung von Stahl in der Weise versehen , dafs beide einen nach aufsen offenen Winkel bilden und auch hier ähnliche Reibungsverhältnisse in entgegengesetzter Richtung entstehen, wie die, welche bei der Vertiefung am

Zehenende

des

Hufeisens

auftreten .

Jeder

äufsere

Arm

des

Hufeisens erhält an seinem äussersten Trachtenende zur Vermeidung eines

ungleichmässigen Auftrittes des Hufes

ebenfalls

eine

stollen-

artige, jedoch abgerundete Erhöhung ohne scharfe Kante und ist an seinem Zehenende so verstärkt, dafs derselbe mit der Erhöhung am Zehenende

des inneren

Armes

gleiche Stärke oder Dicke erlangt,

und dafs er sich bis vor den Stollen am Trachtenende hin verjüngt. Bei

einer

solchen Einrichtung der

Hufeisen trifft der Huf stets

gleichmässig den Boden und wird dadurch eine Zerrung des Fufses selber und des Eisens verhindert.

von

Vor längerer Zeit wurden in Berlin vor einer gröfseren Anzahl Offizieren und Fachmännern Versuche mit einer Vorrichtung

angestellt, welche zum Zwecke hatte, das Durchgehen der Pferde zu verhindern und das Bändigen derselben zu erreichen.

Die Resultate 15*

Beitrag zur Frage der Bekleidung der Mannschaften

226 waren

zufriedenstellend .

Bei der Wichtigkeit

dieser Angelegenheit

wurden hierauf von verschiedenen Seiten weitere Versuche mit gleiche Zwecke verfolgenden Apparaten angestellt und unter anderen auch eine solche Vorrichtung von Ch . Eifsbrückner in Geestemünde konstruiert.

Dieselbe besteht aus eigentümlich eingerichteten Scheu-

klappen, welche sich beim Gebrauche mit leichtem Drucke über die Augen legen.

Auf einem

über den Kopf des

Metallbügel sind die Scheuklappen

Pferdes

geführten

mittels einer Welle angeordnet.

Diese Welle liegt in einem winkelförmigen Bügel, und bewirken zwei Spiralfedern, welche über einen horizontalen Hebel der Scheuklappen greifen, dafs diese letzteren immer das Bestreben haben, sich fest auf das Auge des Pferdes zu legen. aus

einer Lederscheibe .

welche

mit Zeug

Die Scheuklappe selbst besteht

Ihr Rand ist mit

überzogen

sind,

so

dafs

Spiralfedern

versehen ,

sich der so

gebildete

elastische Rand derselben eng anschliefsend um das Auge herumlegt, ohne jedoch dasselbe im geringsten zu drücken.

Der oben erwähnte

Hebel dient zum Halten der Klappe in geöffneter Stellung .

Derselbe

legt sich in einen aus zwei Winkeln gebildeten U - förmigen Schlitz , in welchem er durch einen kleinen Riegel fest und die Klappe somit offen gehalten wird .

Der Riegel wird durch eine Spiralfeder immer

nach unten gedrückt,

in sein oberes hakenförmiges Ende greift ein

anderer drehbarer Hebel,

dessen entgegengesetztes Ende durch eine

im Charnier bewegliche

Stange

steht.

mit

einer Zugleine in Verbindung

Für gewöhnlich werden die Scheuklappen so weit nach unten

bewegt, dafs der Riegel in den Schlitz des Hebels fafst, wodurch die Klappen in einer Stellung gehalten werden, Pferdes nicht belästigt.

welche die Augen des

Ist Gefahr des Durchgehens

vorhanden , so

zieht man die Leine an, wodurch die Riegel ausgelöst und die Augen des Pferdes durch die Klappen verschlossen werden. Eine andere, zum Teil der vorbesprochenen ähnliche Vorrichtung ist von V. Kem hadjen in Paris aufgestellt. Dieser Apparat zerfällt in zwei Teile,

deren

einer die Aufgabe hat ,

den Pferden im

Bedarfsfalle momentan die Augen zu schliefsen , während der andere Teil des Apparates in einer Vorrichtung besteht, mittels deren man den Pferden Wasser in die Nüstern spritzen kann . Die Schenklappen sind aus Leder oder Metall gefertigt und bleiben immer offen, wenn man den Apparat nicht in Bewegung setzt.

Dieselben sind durch Lederplatten mittels Charniere am Ge-

schirre befestigt.

An den Charnieren wirken Federn, und an den

Scheuklappen befinden sich zwei Ringnägel, an denen Schnüre angebracht sind, die durch letztere am Obergeschirr weitergehen und sich

und Ausrüstung der Pferde. dann

vereinigt bis zum Fahrer fortsetzen.

227 Den anderen Teil be-

treffend, so befindet sich am Trittbrett des Fahrers unten eine kleine. mit Wasser gefüllte Spritze , schläuche

von deren Mündung dünne Kautschuk-

durch am Halsgeschirr angebrachte Halter bis zum Kopf-

geschirr des Pferdes gehen,

wo

sie

durch Lederschrauben mit den

am Geschirre befestigten Lederrohren Nüstern der Pferde gerichtet sind .

vereinigt werden, Sobald die Pferde

die

in die

durchgehen ,

zieht der Fahrer an der oben genannten Schnur und tritt auf die gefüllte Spritze, wodurch den Pferden sofort die Augen geschlossen werden, während Wasser in die Nüstern dringt. Auch in Bezug auf die Konstruktion der Kummete hat

man

Verbesserungen angestrebt und vornehmlich sein Augenmerk darauf gerichtet ,

Konstruktionen zu erfinden , welche es ermöglichen , dem-

selben Kummet

verschiedene Gröfse zu geben , so dafs es für jeden

Pferdehals pafst .

Hier ist zu erwähnen das von F. Gottwald in

Lauban gefertigte verstellbare Kummet.

Dieses

unterscheidet sich

von den bisher gebräuchlichen hauptsächlich dadurch, dafs derjenige Teil desselben , wo das Pferd seinen Körper zum Zuge anstemmt, wesentlich verstärkt, im unteren Teile aber Raum für freie Bewegung der Vorderhand gelassen ist.

An dem mit Leder überzogenen Rah-

men ist zu dem Zwecke mittels Bindfadenverschnürung eine massive Rippe an der Rückseite angebracht. Rippe ist die Veranlassung ,

dafs

Die eigentliche Wölbung dieser

dieselbe das Pferd ,

trotzdem sie

massiv ist, doch nicht drückt, was überdies noch durch hinreichende Polsterung vermieden wird .

Es verhindern aber diese massiven Rip-

pen das Zusammendrücken des verstärkten Teiles des Kummets , wodurch bei den bisher gebräuchlichen Konstruktionen ein völliges Verlieren der Form eine Stahlfeder

hervorgerufen wurde. geschraubt ,

welche

durch die Zugösen verhindert .

feste

Rippe ist

das Verdrücken des

Auf diese

Kummets

Zieht nämlich das Pferd an , so drückt

die Zugöse auf die Feder , dieselbe wird zusammengeprefst und der Rahmen selbst somit entlastet. Nach dem Aufhören des Druckes dehnt sich

die Feder wieder

halse anpassen zu können ,

aus .

Um das Kummet jedem Pferde-

befinden sich an dem unteren Teile des

Rahmens Metallbügel , die wie bei jedem anderen Kummet die Zugösen, Leinenringe u. s . w. tragen. geteilten Rahmens

ein

Es ist an jedem Ende des unten.

solcher Bügel angebracht ,

und befindet sich

an dem am linken Rahmenarme befestigten ein viereckiger gekrümmter Zapfen, der mit mehreren Löchern versehen ist und in einer an dem rechtsseitigen Bügel befindlichen Büchse gehalten wird.

Dadurch,

dafs

durch

eine Schraube

man die Schraube durch das

eine

228

Beitrag zur Frage der Bekleidung der Mannschaften etc.

oder andere Loch steckt, läfst sich das Kummet weiter machen. Eine andere Konstruktion des Kummets u.

J. Watsow in Bruce (Canada)

besteht aus zwei Stahlteilen ,

ist von

aufgestellt.

oder enger

E. Fischer

Dieses

Kummet

d. h . jede Längshälfte des Kummets

wird von einer dünnen Stahlplatte gebildet, welche entweder in einem Gesenke die erforderliche Form erhalten hat oder auch aus Stahl gegossen wird.

Jeder Teil hat umgebogene

Ränder ,

Querschnitt der Teile annähernd halbrunde Form zeigt.

so

dafs

ein

Die Ränder

sind mit Löchern versehen zum Anbringen eines Überzuges , der entweder aus Leder oder aus dünnem Metall besteht. In ersterem Falle ist der Überzug angenäht, in letzterem angenietet. Dieser Überzug soll hauptsächlich im Winter dazu dienen , die in dem Hohlraum des Kummets enthaltene Luft einzuschliefsen und dieselbe zum Warmhalten des Pferdehalses

zu benutzen .

Im Sommer bleibt entweder

der Überzug ganz weg oder er wird ebenso wie die Kummethälften mit Öffnungen versehen , damit die Luft zirkulieren kann. Seite der Teile sind Arme angebracht , Geschirres befestigt werden .

An jeder

an welche die Zugösen des

Die Enden beider Teile sind mit auf-

gebogenen und mit Löchern versehenen Rändern versehen . An dem oberen Ende sind beide Teile des Kummets durch einen Bolzen drehbar verbunden . Dieser Bolzen geht durch die senkrechten Ränder, zwischen welche eine oder mehrere Scheiben aus Holz oder Leder eingelegt werden, wenn das Kummet weitergemacht werden soll. Die unteren Enden beider Kummethälften sind in ähnlicher Weise mit einander verbunden .

Wenn das Kummet weiter gemacht werden soll,

so setzt man hier ein entsprechend geformtes Stück ein .

Letzteres

besitzt einen Rand, welcher den Rändern der Kummetteile entspricht. Der durch

dieses Stück hindurchgehende Bolzen

wird durch

eine

Klemme an seiner Stelle erhalten , welche letztere durch ein Charnier mit ihm befestigt ist und über die Ränder hinübergelegt wird. Um die nachteiligen Folgen zu verhüten, welche fast immer entstehen ,

wenn

die Pferde

im Stalle mit

d. h. über die zu ihrer Befestigung Halfterriemen deburg eine

dem Fufse sich „ fangen" ,

dienende Halfterkette oder den

treten , ist von A. Fordemann besondere

in Burg bei MagVorrichtung konstruiert worden. Dieselbe

besteht im wesentlichen aus einer aus Federstahl

gebogenen Klammer, welche durch einen Stift in zwei Abteilungen geteilt wird. Die kleine Abteilung, im Rücken der Klammer , dient zur Aufnahme der Halfterkette oder des Halfterriemens , welcher darin Spielraum hat ;

in der gröfseren Abteilung ,

zwischen dem obigen Stifte

und der

Umschau in der Militär-Litteratur.

229

Kammeröffnung bewegt sich ein durch die letztere eingeführter Ring, der mittels eines in denselben gebogenen Klobens an der Krippe, Stallwand oder einem Pfosten befestigt wird.

Tritt nun z. B. das Pferd

über die Kette , so wird meistens schon durch den ersten Ruck , jedenfalls aber durch die nächste Kraftanstrengung, um sich frei zu machen, der Ring aus der Klammer herausgerissen und das Pferd schnell aus der gefährlichen Situation befreit .

Ist der Ring aus der Feder aus-

geschnappt, so wird die Klammer, um ihn wieder einzufügen, mittels eines Schlüssels , der mit Schraubengewinden versehen ist und in eine Kerbe des Klammerschenkels pafst , aufgesperrt .

Es kann nicht für

jedes Pferd genau ein und derselbe Apparat benutzt werden ,

viel-

mehr mufs je nach der Individualität des Tieres das Ausschnappen des Ringes erleichtert oder erschwert werden . Es mufs also die Stärke für jedes Pferd verschieden gewählt werden.

Man kann aber

auch auf bequemere Weise bei ein und derselben Klammer die zum Ausschnappen des Ringes erforderliche Kraft durch einen verschieden dicken Ring regulieren . verschiedener Stärke ,

Zu jedem Apparate gehören daher 3 Ringe

welche sich bei Anwendung einer Kraft ,

einem Gewichte von beziehungsweise 25 , aus der Klammer losreifsen .

die

30 und 35 kg entspricht,

XIX .

Umschau in der Militär- Litteratur.

Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neithardt von Gneisenau.

Vierter

Delbrück.

und fünfter (Schlufs-) Band.

Fortsetzung

des

Von Hans

gleichnamigen Werkes

von

G. H. Pertz .

In den jüngst verflossenen Tagen hat der Ablauf eines Jahrzehnts die Erinnerung an den historisch so hochbedeutenden Moment der Kaiserproklamation zu Versailles besonders wachgerufen .

Wenn

hierbei der sinnende Geist sich den allmählichen Aufbau des jetzt äufserlich fertig dastehenden Gebäudes vergegenwärtigte , so traten gewifs vor allem der grofse Kurfürst von Brandenburg, - der grofse der erste Hohenzollernkaiser des Deutschen König von Preufsen, Reiches als rüstige Werkführer jenes Riesenbaues vor das geistige Sicherlich weilten die Gedanken dann auch einige Augen-

Auge .

Umschau in der Militär-Litteratur.

230

blicke bei jener Zeit, da vor 7 Jahrzehnten Männer wie Stein , Hardenberg, Gneisenau u. a. an diesem Bau zimmerten und hämmerten . Sie hatten , saure Wochen " in jener Zeit der schweren Not, aber ihre Arbeit ermöglichte es erst dem gesamten Volke, fortan mitzuschaffen und zu fördern und schliefslich das Werk krönen zu helfen! Im Hinblick hierauf darf man es eine Gunst des Zufalls nennen , dafs gerade jetzt den Manen

letzten

des

vollständig

endlich eine Ehrenschuld

der drei Letztgenannten

abgezahlt worden ist ,

deren

Tilgung länger als ein Jahrzehnt scheinbar ins Stocken geraten war. Bekanntlich hatte kein Geringerer als der hochgeschätzte Biograph des Freiherrn vom Stein es auch auf sich genommen, das Leben des Feldmarschalls Gneisenau

zu schildern ,

Kriege den dritten Band

dieses Werkes

sah dann die Träume seiner Helden

und kurz vor dem grofsen veröffentlicht.

Dr.

Pertz

zur herrlichsten That werden ;

aber es war ihm nicht vergönnt, das angefangene biographische Werk zu ende zu bringen ; der Tod entrückte ihn im Jahre 1875 dem Ein junger Gelehrter übernahm die dankbare, aber in mancher Beziehung auch sehr schwierige Aufgabe, ein bereits bekanntes , von einem grofsen Meister begonnenes Werk weiter zu irdischen Schaffen .

führen ;

er

übergab im

Jahre

Biographie Gneisenau's in lichkeit.

1880 Fortsetzung und

zwei

Schlufs der

umfangreichen Bänden der Öffent-

Mit grofsem Eifer , äufserster Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit hat des Dr. Pertz Nachfolger die übernommene Aufgabe zu lösen gesucht ; und es ist gewifs kein kleines Verdienst, das wertvolle litterarische Monument jenes Helden der Befreiungskriege in so verhältnismässig kurzer Zeit fertig gestellt zu haben . Dr. Delbrück ist hierbei absichtlich auf anderen Bahnen gewandelt als sein Vorgänger, so dafs das einem Leben geltende Werk aus zwei sehr verschiedenartigen Teilen zusammengesetzt ist. Die Pertz'sche Arbeit ist augenscheinlich bestrebt, ihren Helden mitten in den Ereignissen leben zu lassen ; diese selbst setzt sie mit Fug und Recht im grofsen Ganzen als bekannt voraus . Wenn sie sich daher der Schilderung der Thatsachen zuwendet , so geschieht es nur, um das, was Gneisenau in den einzelnen Zeitabschnitten oder an einzelnen wichtigen Tagen that, sprach , schrieb u . s . w. , was ihn bei seinen Handlungen und Äufserungen berührte und bewegte, dem Leser ins rechte Licht zu setzen.

Ohne Frage hat eine solche Dar-

stellungsweise ihre grofsen Schattenseiten , sie macht vor allen Dingen eine angenehm zu lesende , abgeschlossene Schilderung unmöglich ; aber sie zeigt dafür den Handel und Wandel der in Betracht kom-

Umschau in der Militär-Litteratur.

231

menden Personen in lebenswarmer Erscheinung , und das, so däucht mir, ist unbedingt bei einem solchen Werke die Hauptsache ! Es Ganz anders hat Dr. Delbrück seine Aufgabe aufgefafst . handelte sich für ihn darum, Gneisenau's Leben vom Januar 1814 ab zu schildern , also namentlich die Thätigkeit des Generals in den Feldzügen von 1814 und 1815 , während welcher er bekanntlich dem Feldmarschall Blücher als Generalstabschef zur Seite stand. Der Herr Verfasser hat dies am besten dadurch zu dafs er die Ereignisse

geglaubt,

erreichen

zusammenhängender Weise und auf das

in

Eingehendste darstellt und dabei nach Möglichkeit den Einfluss Gneisenau's auf dieselben hervorhebt. Diesen einzelnen historischen Abschnitten folgen alsdann in chronologischer Ordnung die auf jene Zeit bezug habenden Briefe, Dokumente u. s . w. ohne Hinweis, zu welcher Stelle des Textes sie gehören . So stehen also ganz unabhängig nebeneinander eine Geschichte der Feldzüge von 1814 und 1815 , soweit sie die Blücher'sche Armee betreffen, und eine Sammlung von Briefen u . s . w. aus jener Zeit, soweit sie Gneisenau betreffen . Nur mit Mühe kann sich der aufmerksame Leser aus beiden Teilen dann wohl ein Lebensbild Gneisenau's zurechtlegen . -Was mag den Herrn Verfasser

zu solchem Verfahren bewogen

haben, das grundsätzlich von der Darstellungsweise seines vielerfahrenen Vorgängers abweicht?

War

derung der bezüglichen Ereignisse des Lebens Gneisenau's sei ,

und

er der Ansicht , auch dafs

zugleich

dafs

die Schil-

eine Schilderung

für ein getreues Lebensbild

es an den betreffenden Stellen der Einflechtung der bezug habenden Briefe und anderen Auslassungen nicht bedürfe , ein angenehmer Beirat anzusehen seien ?

diese vielmehr

Dann wäre

aber

als

nur die

Herausgabe jener Briefe , Dokumente und Aktenstücke erforderlich gewesen ; denn über die beiden hier in Betracht kommenden Feldzüge sind, abgesehen von den bereits früher veröffentlichten Schriften , in den letzten 15 Jahren so vortreffliche Werke erschienen, dafs ich es im Hinblick auf die Lebensstellung des Herrn Verfassers sogar als ein sehr gewagtes Unternehmen bezeichnen möchte ,

neben den

Werken von Bogdanowitsch oder der geistvollen Arbeit Th . v . Bernhardi's oder dem auf sorgfältigen Aktenstudien fufsenden Werke des Generals v . Ollech

oder nach den berühmten Waterloo -Vorlesungen

Chesney's u. s . w . noch mit einer Geschichte jener Feldzüge an die Öffentlichkeit

zu

treten.

Allerdings

hatte

der Herr Verfasser das

Glück, die Studienhefte eines Offiziers des grofsen Generalstabes benutzen zu dürfen, und auf Grund derselben einige bisher noch nicht aufgedeckte Irrtümer beseitigen zu können ,

die zum Teil aber auch

Umschau in der Militär-Litteratur.

232

schon in den Jahrbüchern durch dieselbe Quelle zur Aufklärung gebracht waren . Der Einsicht des Herrn Verfassers sind sicherlich die Bedenken nicht entgangen , welche seiner Darstellungsweise entgegenstanden ; aber in seinem Eifer und in seiner Liebe zur Sache hat er sie wohl nicht für sehr erheblich erachtet.

Indem er forschte, grübelte , nach-

dachte und überlegte , verschob sich vielleicht unwillkürlich der Gegenstand derartig ,

dafs

schliesslich nicht

sondern eine Darstellung

eine Biographie Gneisenau's,

der Begebenheiten bei

der Blücher'schen

Armee in den Feldzügen 1814 und 1815 entstanden ist, und zwar eine Darstellung, die von den persönlichen Anschauungen , Betrachtungen , Urteilen des Herrn Verfassers vollständig durchtränkt ist. Meine Wenigkeit , die eingestandenermafsen die mit einer objektiven Kritik schwer vereinbare Untugend besitzt , Verfassers immer nebeneinander stellungsweise

und bei

zu halten ,

der vorhandenen

Person und Werk des fühlte bei solcher Dar-

Sachlage den

Geist des

Widerspruches lebhaft in sich erwachen, und es war mir vielfach kaum möglich , einige Sätze zu lesen , ohne Protest gegen die ausgesprochenen Ansichten zu erheben. Beim Durchstudieren des Abschnittes über die unglücklichen Gefechte der schlesischen Armee an der Marne drängte sich mir sogar der Entschlufs auf, in einem besonderen Aufsatze den Ansichten des Herrn Verfassers entgegenzutreten, damit dieselben nicht an Orten, wo Zeit und Verhältnisse ein gründliches Studium der Quellen verhindern ,

Wurzel fassen.

Indem ich

mir die Veröffentlichung des betreffenden Aufsatzes vorbehalte , beschränke

ich

mich jetzt darauf,

hier

durch Wiedergabe

einiger

Stellen des vorliegenden Werkes die Anschaungsweise des Herrn Verfassers klar zu legen . Im ersten Kapitel des 4. Bandes , in welchem

der Herr Verfasser sich in längeren Auseinandersetzungen

über die bereits von Pertz geschilderten Verhandlungen in Frankfurt a. M. und die beginnt

dort gefafsten Beschlüsse nochmals

ausspricht ,

er folgendermaßsen : „ Nachdem die verfolgende Armee

erste grofse Hindernis , den Rhein , Kriegführung

dafs in betreff der Operationen

eintreten muſste) und

was nun geschehen solle. " wifs am besten ,

mufste

einen Augenblick still stehen (es

damit gesagt sein , ein Stillstand

erreicht hatte ,

wie

sehr

in Beratung

soll

das die wohl

auf kurze Zeit getreten werden,

Der Herr Biograph Gneisenau's weifs gesein Held jeder Zögerung

abhold war.

Derselbe legt am 20. November dem Könige eine Denkschrift vor, worin es u. a. heifst : „ Sollen wir am Rhein stehen bleiben, den Truppen einige Zeit Erholung gönnen und unsere Bedürfnisse und Ver-

Umschau in der Militär-Litteratur.

233

stärkungen erwarten ? Oder sollen wir noch eine Anstrengung mehr machen und dem Feinde nicht Ruhe noch Rast lassen , um die Früchte der errungenen Siege uns zu sichern und einen dauerhaften Frieden vorzuschreiben ?" Bedarf es der näheren Angabe, in welchem Kurz vorher , am 16. NoSinne Gneisenau's Antwort ausfiel ?! vember ,

hatte er an Clausewitz geschrieben :

,, .

. . Der grofse

Mann, der die Leute, die er nicht mag, rückwärts über die Schulter ansieht, findet es sehr thöricht, dafs man über den Rhein gehen will . . . . Der Rhein sei ja ein Abschnitt ; da müsse man stehen bleiben und sich erst wieder herstellen , um dem Feind den Übergang zu verwehren . . . . ." Seite 18 des 4. Bandes lesen wir nachstehende Betrachtungen :

„ Man sollte meinen ,

dafs die gröfsere Wahrschein-

lichkeit des Sieges es leichter macht ,

einen kühnen Entschlufs

zu

fassen . Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Gerade die höchste Wahrscheinlichkeit eines unmittelbar bevorstehenden glücklichen Abschlusses macht gewöhnliche Naturen um so ängstlicher, alles wieder zu verlieren . . . . “ „Überhaupt (ein Lieblingsausdruck des Herrn Verfassers) sichert eine sehr grofse materielle Überlegenheit zwar im allgemeinen den endlichen Sieg, aber keineswegs einen schnellen Sieg. Das gilt ebenso vom ganzen Kriege, wie vom einzelnen Gefecht. Im Gegenteil bringen grofse Massen schon an sich eine gewisse Langsamkeit der Bewegung mit sich. Vor allem aber hat der Wunsch, mit möglichster Sicherheit zu operieren und möglichst allen und jeden widrigen Zufall zu vermeiden, auf den kühnen Feldherrn verständigerweise ebenso sehr Einflufs , wie auf den ängstlichen . . . . Noch bezeichnender für die Stellung des Herrn Verfasser ist vielleicht die auf S. 48 befindliche Stelle :

„ Wenn man die Unfähigkeit

an sich als ein selbständiges Moment in den Kampf des alten Europas gegen Napoleon und die Revolution behandelt, so ist das nichts anderes als das, was man gewöhnlich mit geringer Achtung die militärische Theorie nennt . Dafs die militärische Theorie ein stark hemmendes Moment in der kriegerischen Aktion

der Epoche

war ,

ist

gewifs . . . . Simple Einfalt und Zaghaftigkeit sind als Mitarbeiter nicht gefährlicher, denn als Gegner, da sie von echter Kraft endlich doch mit fortgerissen werden .

Stark werden sie erst, wenn sie die schwer

zu durchdringende Rüstung einer Theorie, d. h. einer falschen Theorie, denn eine wahre könnte nie schädlich sein, anlegen.

Die Fertigkeit

des Systematisierens ist daher eine Eigenschaft, die auch unbedeutenden Personen grofsen Einflußs verschaffen kann. " Diese Worte stehen , wie ich zur Vermeidung von Irrtümern hervorheben möchte , nicht etwa in Clausewitz Werk „ Vom Kriege ",

sondern in Gneisenau's

Umschau in der Militär-Litteratur.

234

Biographie . noch einmal, Marne) kam ,

Auf S. 68

sagt der Herr Verfasser :

„ Übersehen

wir

wie dieses grofse Unglück (die Niederlagen an der so stand der unvergleichlichen Thatkraft und Urteils-

kraft Napoleons doch eine gewisse, aus gar zu grofser Siegeszuversicht entspringende Unvorsichtigkeit der Blücher'schen Heeresleitung (es) wurde gegenüber ..." Einige Zeilen weiter heifst es dann 39. Napoleon recht eigentlich von seinen Gegnern der Erfolg entgegengetragen ; er selbst hat ihn nicht erzwungen, noch wäre er dazu im stande gewesen . Man darf aber darum von seiner Feldherrnkunst nicht geringer denken : denn wenn vielleicht öfter ebenso vortrefflich angelegten Manövern andere Zufälle keinen Erfolg gegönnt haben, so ist ihm dafür auch kein Ruhm zu teil geworden . Man giebt ihm also höchstens hier zu viel, was ihm dort zu wenig geworden ist . . ." Wenige Seiten vorher ( auf S. 65) findet ein Portepeefähnrich oder junger Reserveoffizier auch ein Recept, wie man einen Rückzug unmittelbar vor dem Feinde ausführt. Dort heifst es wörtlich : " Man ordnet ihn (den Rückzug) auf folgende Weise. Eine Abteilung wird Die Kavallerie vorausgeschickt und besetzt das nächste Dorf. mit der reitenden Artillerie kommt als Arrieregarde an die Queue und verschafft durch einen Vorstofs dem Gros die Zeit , sich durch Dann folgt die Arrieregarde dieses Defilé hindurch zu ziehen. schnell und die Besatzung des Defilés verteidigt dasselbe so lange, Unter dem Schutz bis das Gros das nächste Defilé erreicht hat. der Arrieregarde folgt hierauf auch die Besatzung des ersten Defilés . So geht es fort, bis die Dunkelheit einbricht und man sich durch einen Nachtmarsch dem Feind völlig entziehen kann . " Man verzeihe mir, wenn ich hiermit die wörtlichen Anführungen aus dem vorliegenden Werke schon abschliefse ; es könnte sonst des guten zu viel werden. Es sei nur noch auf die „ Reflection " hingewiesen, die der Herr Verfasser behufs Aufklärung über das Verhalten der schlesischen Armee nach der Schlacht bei Laon auf den Seiten 112-116 des 4. Bandes Blüchers

Umgebung

wurde,

anstellt.

Je

vorsichtiger man in

um so kühner scheint der Biograph

Gneisenau's in seinen Folgerungen zu werden . Vielleicht dürfte es auch interessant und lehrreich sein , hier noch einige Proben der besonderen Ausdrucksweise des Herrn Verfassers zu geben, der z . B. das Wort , vollkommen " das m. E. nur in idealer Beziehung angewendet werden dürfte , in Verbindung mit Begriffen wie Niederlage, Flucht, Hoffnungslosigkeit u . s . w. gebraucht. S. 3. finden wir ,,die den Moment ergreifende Thatkraft und Elasticität der Heerführung. " wird S. 17 die Frage aufgeworfen, ob Napoleon fähig sei als „ nicht bevor-

Umschau in der Militär-Litteratur.

235

rechtigtes Mitglied der europäischen Staatenfamilie" weiter zu existieren, S. 20 von der „verzweifelten Kühnheit des Untergangs " , S. 24 von der Heranziehung "9 der schon sesshafteren Masse populärer Formationen " gesprochen .

S. 35 wird der thatsächliche Versuch Schwarzen-

bergs , Preufsen davon zu überzeugen , dafs es unrätlich sei , auf Paris zu marschieren, ein „ versuchen wollen " genannt , S. 47 gesagt : „ der Sieg von La Rothière hatte

auf die Stellung der Parteien keinen

Einfluss gehabt ; vielmehr eher den bestehenden Gegensatz verschärft “ , während S. 48 steht :

keine Partei nahm es sich übel ", S. 49 „ den 66 Charakter einer wohlwollenden Loyalität, den er sonst bewährt hatte , S. 52 „ Man kann nicht einmal sagen ,

dafs Mufflings Vorschlag die

Lage der Verbündeten vollkommen gesichert hätte. " Unbedenklich hätte ich diesen nur den ersten Seiten des 4. Bandes entnommenen Stellen auch die auf S. 12 befindliche „ Das englische Kabinet wurde bedenklich" hinzugefügt, wenn mir nicht noch zur rechten Zeit Goethe's Leonore von Este zugeflüstert hätte : „ Du scheinst bedenklich “ . Es mag fraglich bleiben, ob solche Ausdrucksweise nur auf dem Gebiete poetischer

Licenz

statthaft

ist ,

unzweifelhaft

dichterische

Aus-

schmückung ist es aber , wenn auf S. 421 des 4. Bandes bei Schilderung der Verfolgung nach der Schlacht bei Belle- Alliance behauptet wird , dafs einige Tambours und Hornisten , die man zu Pferde setzte , den Feind durch Trommeln und Blasen weiterschreckten . Wie ich dies schon an anderer Stelle hervorzuheben mir erlaubte, ist in der vor einigen Jahren erschienenen Regimentsgeschichte des Dragonerregiments

No.

2

gabe nachgewiesen.

das

Unrichtige dieser allgemein verbreiteten An-

(In dem Werke des Generals v. Ollech, welches

übrigens vor jener Regimentsgeschichte einem Tambour die Rede.)

erschien, ist auch nur von

So viel Anlafs zu Bemerkungen der 4. Werkes dem Kritiker gab , die

er

Band des vorliegenden

mit Rücksicht auf seine Leser

und den zur Verfügung stehenden Raum noch möglichst einzuengen suchte , so wenig liefert der fünfte,

der Schlufsband.

Er behandelt.

die Friedensjahre von 1815 bis zum Tode Gneisenau's (23. August 1831 ) , aus denen erhebliches nicht zu berichten war. Der Herr Verfasser tritt der Sache entsprechend mit seiner Darstellung und seinen Bemerkungen allmählich immer mehr in den Hintergrund und läfst die Briefe u . s . w. Gneisenau's somit voll auf den Leser wirken . Wäre der erste Teil dieses Abschnittes ,

in welchem der Herr Ver-

fasser manchmal etwas weit von der geraden Strafse abweicht , um seine Ansichten und Anschauungen nach Dichterart „der Menge zu zeigen", etwas kürzer gefafst worden, der Genufs beim Lesen wäre

Umschau in der Militär-Litteratur.

236

ein noch ungestörterer gewesen. auf S. 8 über Gneisenau Gesagte S. 412

gebrachte

Brief

an

Nicht ganz zutreffend will mir das erscheinen ;

auch dürfte der auf

Clausewitz allem Anschein nach nicht

am 10. Januar 1820, sondern am 18. geschrieben sein . Wie leicht ersichtlich, war es bei dieser Besprechung des so hoch interessanten und wichtigen Werkes nicht die Absicht ,

hier an der

Hand desselben Angaben über Gneisenau's Leben zu bringen .

Das-

selbe durfte im allgemeinen als bekannt vorausgesetzt werden, und wäre neues in dieser Beziehung kaum zu bringen gewesen. Der Hauptwert des Buches besteht unzweifelhaft in den veröffentlichten Briefen u . dergl. Aus ihnen lernt man Gneisenau recht kennen ; er steht zwar nicht in dem ganz unbefleckten Glanze da, mit dem die Geschichtsschreibung die historische Person umgeben durfte, aber er kommt mit seinen kleinen menschlichen Schwächen unserem Herzen näher und wird erst jetzt in seiner ganzen Bedeutung voll verstanden. Hier auf einzelnes aus den zahlreichen Briefen näher einzugehen, würde zur richtigen und gründlichen Kenntnis Gneisenau's gewifs nicht beitragen. Wer ihn kennen lernen will, mufs sich in die gesamte Korrespondenz vertiefen . Gerne hätten wir dieselbe daher als Mittelund Zielpunkt des Delbrück'schen Werkes gesehen ; aber auch ohne dies bleiben die beiden letzten Bände der Gneisenau'schen Biographie ein höchst wertvoller Schatz, den keiner unbeachtet lassen darf, der für Gneisenau und jene grofse Zeit, in welcher er hervorragend wirkte, Interesse hat, und ein solches darf man wohl bei jedem Patrioten vorausv. M. setzen.

Armee- und Volksernährung. Ein Versuch, Professor C. v. Voit's Ernährungstheorie für die Praxis zu verwerten. Von Dr. C. A. Meinert. Tafeln.

2 Theile mit 8 lithographierten farbigen

Obgleich das vorliegende Werk an mafsgebender

Stelle und in

militärischen Kreisen schon in hohem Maſse Beachtung und Würdigung gefunden hat, so erscheint bei der hohen Bedeutung des behandelten Gegenstandes

eine eingehendere

diesen Blättern dennoch geboten. in den letzten 20 Jahren

Besprechung desselben

in

Der Versuch des Verfassers , der

durch die Wissenschaft aufgestellten Er-

nährungstheorie in der Praxis mehr Geltung zu verschaffen, verdient gewifs volle Anerkennung und ganz besonders den Dank der Kreise, an welche Dr. Meinert sich zuerst wendet. Selbst der Umstand, dafs der Autor in gewisser Weise pro domo spricht und stets

auf die von ihm besonders

empfohlenen Fleisch-

Umschau in der Militär-Litteratur.

237

präparate zurückkommt, kann ihm das Verdienst an dieser fleifsigen Arbeit nicht schmälern, da er nach unserer Ansicht einen objektiven Standpunkt festgehalten hat . Mag es immerhin in unserer Armee noch viele geben , die von Ernährungstheorien wenig halten und dem Grundsatz huldigen : „ Wenn es mir schmeckt und ich mich satt essen kann, frage ich viel nach der chemischen Wir sind in neuester Zusammensetzung meiner Nahrungsmittel. " Zeit darauf hingewiesen und werden uns für die Zukunft derartigen Erwägungen doch nicht ganz entziehen können.

Unzweifelhaft haben

jene ja insofern recht , als der Mensch ebenso instinktiv wie das Tier auf die Nahrungsmittel hingewiesen wird , die seinem Körper zuträglich sind , und erfordert es keine chemischen Kenntnisse, sich bei einer Wahl zwischen Rinderbraten und Kohlstrünken für ersteren zu entscheiden .

Für das gelobte Land,

wo Milch und Honig fliefst " ,

ist das vorliegende Buch auch nicht geschrieben, sondern für Kreise , in denen die Notwendigkeit gebietet, einen Menschen täglich mit 30 bis 40 Pfennigen zu ernähren , und zwar zu ernähren , dafs ihm die seinem Körper notwendigen Substanzen zugeführt werden. Verfasser beginnt sein Werk mit der Theorie über die Ernährung des Menschen .

"" Nicht für Ärzte und Hygieniker ist der nach-

folgende erste Abschnitt bestimmt, " sagt Dr. Meinert, er wendet sich vielmehr an das Laienpublikum und erörtert in eingehendster ,

all-

gemein verständlicher Weise die Aufgabe der Ernährung des Menschen. Er bespricht dann die Nährstoffe im

allgemeinen und

erklärt die

Verdauung und den Stoffwechsel im menschlichen Körper. Wir lernen bei dieser Gelegenheit eine grofse Zahl berühmter Ärzte und Gelehrten kennen, die sich mit diesem für die Menschheit so überaus wichtigen Gegenstande beschäftigt haben, und ersehen eingehend sich der Verfasser mit dieser Frage lesen wir auf S. 54 und 55, dafs

daraus ,

wie

beschäftigt hat.

So

nach C. v. Voit ein Mensch von

mittlerem Körpergewicht bei mittlerer Arbeit täglich 118 g Eiweiſs , 56 g Fett und 500 g Kohlenhydrate bedarf, während bei angestrengter schwerer Arbeit 145 g Eiweifs , 100 g Fett und 447 g Kohlenhydrate zu seiner Erhaltung nötig sind. -- Es folgen dann die Nährstoffe im speziellen und die Genufsmittel , sowie eine kurze Angabe der Umstände, welche die Verdauung hemmen. Mit S. 110 beginnt der 2. Abschnitt , rung des Menschen in der Praxis handelt.

welcher von der ErnähVerfasser führt uns zu-

erst durch vier Gruppen tabellarischer Zusammenstellungen über die Ernährung : A. von Arbeitern und Beamten , B. von Soldaten, C. in Wohlthätigkeitsanstalten und D. in Gefangenanstalten mitten in die

Umschau in der Militär-Litteratur.

238

Praxis . Diese Angaben der verschiedensten Gelehrten geben viel Stoff zum Nachdenken . Dr. Meinert resumiert daraus u . A. auf S. 122 :

Die praktischen Erfahrungen am eigenen Körper , die ein

jedes Individuum zeit seines Lebens durch die

tägliche Nahrungs-

aufnahme erwirbt, bilden das Urteil über den Wert der Speisen und sind ein Schatz von Kenntnissen, die in dem Satz : „ die Speise schmeckt und bekömmt oder belästigt " einen ebenso entschiedenen wie wichtigen Ausdruck

finden .

Diese Erkenntnis

bleibt der Wegweiser,

welcher dem Menschen die Selbsterhaltung lehrt.

Dafs

aber auch

auf diesem Gebiet sich allmählich grofse Irrtümer eingeschlichen und zur successiven Degeneration ganzer Volksstämme geführt haben, lehrt die Erfahrung . " In den nun folgenden lehrreichen Auslassungen über die Ausnutzbarkeit der verschiedenen

Nahrungsmittel ,

gemischte

Nahrung

oder Vegetarianismus, der Fleischkonsum in Europa, sowie der Konsum an Brotfrüchten u . s. w. , finden wir auch eine Zusammenstellung der täglichen Brotrationen

für die Soldaten aller gröfseren

Armeeen, aus der zu ersehen, dafs der russische Soldat am meisten, 1228 g , der englische am wenigsten , 680 g, Brot erhält.

Die an-

geschlossenen Tabellen über die Zusammensetzung einer Normalkost bietet für Truppenmenagen einen guten Anhalt, wenn sie auch nur für Volksküchen berechnet sind . Leider gestattet uns der Raum nicht , auf die vielen folgenden Tabellen einzeln einzugehen , sie bieten so mannichfache Zusammenstellungen der verschiedenen Lebensmittel nach Nährwert, Preisen, Verteilung u . s. w., geben statistische Angaben in so vielen Richtungen , dafs man wohl für jede nur mögliche Erwägung einen Anhalt finden wird . Dr. Meinert geht

dann

auf Konserven und das Patentfleisch-

pulver über und führt bei dieser Gelegenheit an , dafs bis zum Jahre 1876 nach Dr. Jüdell über 400 verschiedene Methoden zur Herstellung derartiger Präparate bekannt wurden. Sehr richtig unterscheidet der Verfasser Luxus- und Necessitätskonserven, von denen er nur die letzteren ins Auge fafst, da die anderen für die Verpflegung der Soldaten und ärmeren Volksklassen keine Bedeutung haben . Mag man immerhin für die Beköstigung des Soldaten im Frieden auch unbedingt frischem Fleisch und Gemüsen den Vorzug vor den besten Konserven geben,

so

behalten dieselben für die Armee

doch immerhin eine so grofse Bedeutung , kann, jeder Offizier

müsse

mit

dafs man wohl verlangen

ihrem Wert und der richtigen Art

und Weise ihrer Verwendung vollkommen vertraut sein.

Dr. M. ist

selbst weit entfernt, die Konserven und Fleischpräparate für die Gar-

Umschau in der Militär-Litteratur.

239

nisonverpflegung zu empfehlen, da er auf S. 237 sagt : „ Die frischen Lebensmittel werden Konversen nie ersetzen und selbstverständlich wird der Soldat jene stets vorziehen .

Allein

Kriegen müssen Zeiten eintreten , mittel nicht zu schaffen sind. "

die frischen Nahrungs-

Verfasser giebt

in denen

in allen grofsen

dann von S. 276-287 in tabellarischer Über-

sicht die Kostsätze der verschiedenen gröfseren Armeeen nach ihrem Gehalt und Preisen an . Für unsere Armee sind die Preise im Mittel nach 21 Garnisonen berechnet, welche wir von S. 315-350 speziell erwähnt finden . Hieran schliefst sich eine Erwägung, welches System des Menagebetriebes am vorteilhaftesten sei , wobei der Verfasser zu dem Schlufs gelangt, dafs die relativ beste Kost bei dem gemischten System,

d. h.

teils

kontraktlichen Lieferungen ,

Einkauf erzielt worden sei. reine Kontraktlieferung , können nicht umhin ,

teils

freihändigem

Es folgt dann die Portionslieferung, die

und endlich der freihändige Einkauf.

Wir

gegen solches Ergebnis unsere Bedenken aus-

zusprechen , wobei uns langjährige praktische Erfahrungen zur Seite stehen , Bedenken, denen übrigens Dr. Meinert an jener Stelle selbst Ausdruck gegeben hat und uns das weitere Eingehen darauf erspart. Ganz besonderer Beachtung verdienen die auf S. 400--413 enthaltenen Speisetabellen für 30 Tage ,

bei welchen Morgen- , Mittag-

und Abendkost auf Kopf und Tag von 26,5-28 Pfennige berechnet ist, wenn wir auch die zum Schlufs ausgerechnete Ersparnis für irrelevant halten möchten .

Der erste Band schliefst mit einigen Koch-

rezepten für das Patent-Fleischpulver und die Fleischtafeln , 10 Rezepten aus der Menage

nadier-Regiments Königin Olga Nr. 119 . Der zweite Band behandelt die Kost munalen Anstalten , Klassen.

sowie

des königlich württembergischen Gre-

in

staatlichen und kom-

die Volksküchen- und die Kost der arbeitenden

Wenn dieser Band nun für uns auch kein direktes Interesse

hat , so bietet er doch einen Anhalt zur Beurteilung der früheren Beköstigung eines grofsen Teiles unseres Ersatzes . Wir erhalten in diesem Band ferner eine sehr ausführliche Darstellung über die verschiedenen Konservierungsverfahren ,

Auseinandersetzungen ,

die zur

Beurteilung immerhin von Bedeutung sind , wenn sie auch vielleicht nur wenige Leser dieser Blätter interessieren werden . Besondere Beachtung verdient dann aber der Nachtrag zur Ernährung des Soldaten, in welchem die wesentlichsten Bemerkungen des Generalarztes Dr. Roth und des Oberstabsarztes Dr. Fröhlich über das vorliegende Werk Berücksichtigung gefunden haben. Dafs der Verfasser aber auch die mit der Chiffre G. W. veröffentlichten Artikel in der DarmJahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

16

Umschau in der Militär-Litteratur.

240

städter Allgemeinen Militär-Zeitung, welche selbst im Auslande scharfe Zurückweisung gefunden haben, hier noch besonders widerlegt, scheint uns ganz überflüssig zu sein. Auf uns hat dieser Aufsatz nur den Eindruck gemacht ,

als

ob

er aus einem total verdorbenen Magen

stammt und in daraus hervorgegangener Mifsstimmung geschrieben ist. Das Schlufskapitel des vorliegenden Werkes behandelt den Ein-

flufs der Ernährung auf die Lebensdauer des Menschen ,

sowie auf

seine physische und moralische Gesundheit, unter Zugabe statistischer Tabellen über die Sterblichkeit bei verschiedenartiger Ernährung. Es sei schliesslich noch ganz

besonders

auf die beigegebenen

farbigen Tabellen mit graphischer Darstellung der früher besprochenen Verhältnisse aufmerksam gemacht, da man durch dieselben ein überaus klares Bild erhält, wie und wo die Kost unserer Leute zu verbessern oder zweckentsprechender zusammenzusetzen ist . Der Preis

dieses

für jeden Offizier ,

befinden seiner Leute am Herzen liegt, Mark) wird seine Beschaffung

wohl

dem das leibliche Wohl-

so wichtigen Buches ( 16,40

im allgemeinen

auf die

Re-

gimentsbibliotheken beschränken , wo dasselbe aber auch nicht fehlen dürfte.

Sicherlich werden nur sehr wenige der Belehrungsuchen-

den dasselbe mit dem Gefühl

aus der Hand legen :

hört' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube ! "

„ Die Botschaft Btz.

Die elektrische Telegraphie im engeren Sinne. Bearbeitet von 0. Henneberg , Telegraphen-Ingenieur. Von Professor Dr. Zetzschke's Handbuch der elektrischen Telegraphie ist bereits erschienen : Die Geschichte der elektrischen Telegraphie, die Lehre

von der Elektricität und dem Magnetismus, mit

besonderer Berücksichtigung ihrer Beziehungen zur Telegraphie . Von dem 3. Band des Handbuchs, der elektrischen Telegraphie im engeren Sinne, liegt uns die erste Lieferung vor. Dieselbe behandelt den Bau oberirdischer Linien und zwar die Materialien hierfür und die Herstellung derselben nebst ihrer Prüfung .

Es werden die im heu-

tigen Telegraphenbetriebe vorhandenen Einrichtungen eingehend behandelt und wird nur da auf historische Entwickelungen zurückgegriffen, wo es zur Beurteilung der Resultate wünschenswert erschien. Die Arbeit wird voraussichtlich keinen Tadler haben ; sie hat sich bereits überall Freunde erworben und nung finden.

wird immer mehr Anerken-

In den Kreisen unserer Offiziere interessiert man sich jetzt allgemein für die Kriegstelegraphie .

Dieselbe

beruht auf den allge-

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.

241

meinen Friedenseinrichtungen und ist es daher für diejenigen Offiziere, welche sich speziell mit der Kriegstelegraphie zu beschäftigen haben, in hohem Grad erwünscht, wenn sie an der Hand eines so vortrefflichen Buches , wie des vorliegenden ,

ihr Wissen vermehren können .

Wir sehen den weiteren Lieferungen mit Interesse entgegen.

Das Staatsarchiv.

Sammlung

schichte der Gegenwart.

offizieller Aktenstücke

zur Ge-

Leipzig, Duncker u . Humblot .

Wir glauben die Aufmerksamkeit unserer Leser auf das 4. und 5. Heft des 37. Bandes obigen Sammelwerkes lenken zu dürfen, wenn dasselbe auch sonst nur dem Studium des Staatsrechtes und für eine spätere Zeit dem der Geschichte zu dienen bestimmt ist.

Die

oben genannten Hefte bringen nämlich unter den Nummern 7168 und 69 die

dem Grofsfürsten Nicolaus Nicolajewitsch dem Älteren

zugeschriebene Krieg , in

Denkschrift

welchem derselbe

über

den russisch - türkischen

bekanntlich den Oberbefehl über die

russischen Truppen führte, sowie die hierauf unter persönlicher Kontrole des Kaisers Alexander von dem russischen Kriegsminister Miljutin verfasste Antwort. Beide Denkschriften, von den mafsgebendsten Persönlichkeiten nach den besten, offiziellen und privaten unzugänglichen Dokumenten zusammengestellt ,

sind ursprünglich in der

Nouvelle Revue, welche in Deutschland wenig verbreitet ist, veröffentlicht worden . Sie werfen auf viele dunkele Partieen jenes grofsen Krieges das erste Licht.

XX.

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen Zeitschriften. (15. Dezember 1880 bis 15. Januar 1881.)

Militär-Wochenblatt ( Nr. 104—106 für 1880, Nr. 1–5 für 1881 ) : Die Altertums- und Trophäensammlung des Hauptzeughauses zu München . Das Offiziercorps der dänischen Armee und seine Etats. --Das Bajonettfechten. - Aus den russischen Übungslagern. Die bulgarische Reichswehr. Ein Schreiben des General Drago-

16 *

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze

242

mirow an den Verfasser der „Neurussischen Taktik " . - Die verschiedenen Feuerarten der Infanterie und ihre Anwendung. - Die griechische Armee. Die französische Kavallerie . ― Zur militärischen Lage Englands . Sprungkasten oder Voltigierpferd für die Infanterie. - Das Bajonettfechten. Neue militärische Blätter (Januar- Heft) :

Die Grenzverhältnisse

zwischen Ruſsland einer- , Österreich und Deutschland andererseits . - Der Marschall Mac Mahon und das französische Heer seit dem Kriegsausbruch 1870. Einige Bemerkungen und Wünsche inbetreff unserer Schiefsinstruktion. - Grundzüge der geschichtlichen Entwickelung der Kasakenheere . — Wie der französische General Custine am 21. Oktober 1792 zur Eroberung von Mainz kam. ― Soldatenstand und Christentum . Allgemeine Militär-Zeitung ( Nr. 99-101 für 1880, Nr. 1-4 für 1881) : Über die Vermehrung der Feldartillerie . - Über das epideDie Pferdezucht mische Auftreten von Erfrierungen in Feldheeren . — in Frankreich. - Beiträge zur Geschichte des Krieges zwischen Chili und Peru mit Bolivia. Die Fufsartillerie im Feld- und Festungskriege . Deutsche Heeres-Zeitung ( Nr. 102 für 1880, Nr. 1–4 für 1881 ) : Die für die Schweiz bis jetzt vorgeschlagenen Befestigungssysteme . Eine "" Wehrsteuer " für das Deutsche Reich. --- Das spanische Geniecorps. Sprungkasten und Bajonettfechten . Militär-Zeitung für die

Reserve-

und Landwehr- Offiziere des

deutschen Heeres ( Nr. 52 für 1880 , Nr. I u. 2 für 1881) : Die Bekleidung und Ausrüstung der preufsischen Landwehr. - Die Expeditionen der Engländer nach Afghanistan in den Jahren 1878-1880. - Die griechische Armee. - Die Reiterei. --- Geschütz-Exerzierreglement der Fufsartillerie . Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie ( Heft XII . ) : Die theoretische Begründung des Buys-Ballot'schen Gesetzes. - Aus den Reiseberichten S. M. S. „ Prinz Adalbert". Österreichische Militärische Zeitschrift (X. u . XI . Heft) : ArmeeStudie leitung und Truppenführung in ihren Wechselbeziehungen. Kleine Beiträge für die über die Elementartaktik der Infanterie. Die königlich ungaAusbildung und das Dienstleben im Heere . rische Honvéd-Kavallerie im Jahre 1880. Folgerungen für die Zukunft der Feldartillerie

und deren taktische Verwendung

durch

Auftreten von Artilleriemassen. Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine (XXI. Band 5. Heft) : Über den notwendigen Kriegsstand eines Heeres. - Das erste und

aus anderen militärischen Zeitschriften .

243

Glied . -

Die Landmacht Rufslands. - Das Sanitätswesen des deutschen Heeres. Der russisch-türkische Krieg . Über den taktischen Wert des Schiefsens auf grofse Distanzen . -

das

zweite

Sammlung türkischer Dokumente über den letzten Krieg 1877-78 . Österreichisch-ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad “ ( Nr. 100 -103 für 1880 , Nr. 1-4 für 1881 ) : Die Mannschaftsbetten in den Die Politik im Offizierscorps . Kasernenzimmern . Die EisenÜbungsbahn Pest-Semlin. Über Nationalitäts -Idee im Heere. märsche der Infanterie .

Österreichische Militär-Zeitung ( Nr. 100-102 für 1880, Nr. 1-3 für 1881 : Die Unterkunft der Soldaten . — Zur Frage der Repetiergewehre. - Zum Thema : Armeegeist . -- Landwehrkavallerie . Die königlich ungarische Honvéd-Kavallerie im Jahre 1880. und Volkswohlstand.

Armee

Österreichisch-ungarische Militär-Zeitung „ Vedette" Nr. 100-104 für 1880) : Über den Armeegeist und seine Wirkungen. - Das neue Ein Wort zum Aufsatz : „Aufklärung über die

Exerzierreglement .

Haltung unserer Kavallerie bei galizischen Manövern . Der „Veteran" (Nr. 42—46 für 1880 , Berittenmachung der

Hauptleute

in

Nr. 1-3 für 1881 ) : Die

der französischen

Armee.

Eine Besteigung der Terglou zu militär-wissenschaftlichen Zwecken . Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens (Nr. XI . u. XII . ) : Die neueren Schiffsstahlfabrik.

und

Küstengeschütze

der Krupp'schen Guſs-

Le spectateur militaire (15. Dezember 1880) :

Über die Administration und administrative Organisation der Armee. ―― Geschichte des früheren Generalstabscorps . Die Thäler im Waatlande . Journal des Sciences militaires (Dezember - Heft 1880) : Über Unterricht in der Taktik. — Die Rolle der Befestigungen im letzten Orientkriege. - Über den Parteigängerkrieg . Bulletin de la Réunion des officiers ( Nr. 51 u . 52 für 1880, Nr. 1—3 für 1881) : Der neue Krieg in Afghanistan . - Anwendung der Feldverschanzungen auf dem Schlachtfelde und ihr Einfluss auf die Taktik. Das Demontiergeschütz

und seine Bedeutung

im Belagerungs- und

Gebirgskriege . Die Militärtelegraphie während der letzten Feldzüge . -— Die Militärtransporte bei den Alten. - Studie über das Zahlungswesen. Staaten Europas .

Das ――

Generalstabscorps in den verschiedenen Studie über ein prismatisches grobkörniges

Pulver für ein 14 zölliges Küstengeschütz Modell 1877. - Selbstthätige Topographie. Studie über das Patrouillensystem zur Aufklärung vor einer selbständigen Kavalleriedivision.

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze

244

L'avenir militaire ( Nr. 687-692) : Der Dienst zu 40 Monaten und die Effektivbestände. - Die Unteroffiziersschulen . - Die Armee und die Eisenbahnen . Die Engländer in Afghanistan . - Über die Pferde der leichten Kavallerie . - Der Eisenbahndienst im Kriege. -- Die Engländer am Kap. L'armée française ( Nr. 452-465 ) :

Das Avancement.

Die

Die Armee Der Wiederankauf der Eisenbahnen. ― katholischen Cercles . Die griechische Armee. Das

Remonten. und die

Jahr 1880 vom militärischen Gesichtspunkte betrachtet . Die Adjutanten der Kavallerie. - Die Ansicht des Generals Totleben über die Anwendung der Feldartillerie im Gefecht. dition. Über Taktik.

Die Merv-Expe-

La France militaire (Nr. 16 für 1880, Nr. 1-2 für 1881 ) : Kanonen und Kanoniere. - Die Spione . Zwei neue Gewehre . Die Engländer am Kap . - Die Lage der italienischen Flotte. Die Feldartilleriemanöver. Das belgische karthoDie Rekrutierung der egyptischen Armee. graphische Institut . Der Aufstand der Boers. - Der LuftballonErfahrungen mit einem Dampftrain.

dienst vom militärischen Gesichtspunkt. Le progrès militaire (Nr. 13-22) : Die Fufsmanöver der ArtilDie BeNotwendigkeit der Erhöhung des Offiziersoldes. lerie. Die Hauptleute 2. Klasse . Das Admikleidungsanstalten. nistrationsgesetz. — Vergleich des Soldes in Holland und in Frankreich . Die Geniearbeiten . - Die Transformierung der Kürassiere. Die Reorganisation der Das Schiefsen in den Kasernenstuben . Infanterie . Revue d'Artillerie ( Dezember 1880) : Bericht über die Versuche eines Detachements des 33. Artillerieregiments , welches den Zweck hatte , mit den Geschützen das Eis der Loire zu brechen. - Über die Pulverwirkung bei Geschützen . --- Schiefsversuche gegen schwer durchdringliche

Hindernisse .

-

Die

englische

Artillerie .

Die

Schiefsausbildung im Auslande. Russischer Invalide ( Nr. 265 für 1880 -Nr. 2 für 1881 ) : Über die Abfassung von Regimentsgeschichten. - Über die Versorgung der Truppen mit Patronen . -- Über die Vorrichtung des Major Lange Übersicht zur Bearbeitung des Pferdes mit Trense und Kanthare. der im Jahre 1880 in Europa vorgefallenen politischen Ereignisse. Wajenny Sbornik ( Dezember- Heft) : Materialien zur Beschreibung Jahreseinteilung der Operationen des Rustschuk-Detachements . des Dienstbetriebes der Truppen. -- Über die Herstellung von Ein-

aus anderen militärischen Zeitschriften .

245

grabungen und Befestigungen in der Nähe des Feindes und unter Über seinem Feuer . Die taktische Ausbildung der Kavallerie. den Dienst der donischen Kasaken sorischen befestigten

Lager.

zur

Kriegszeit .

Über die

Die

provi-

Fourageverpflegung

der

Truppen im Hinblick auf den Truppentrain . - Die Okkupation von Bosnien . Materialien zur Geschichte des Terek-Kasakenheeres von 1559-1880 . Ein Jahr im Sattel. Erinnerungen eines GeneralStabsoffiziers an den Krieg in Armenien 1877-78.

Russisches Artillerie-Journal (Dezember 1880) : Über die Thätigkeit der Artillerie

auf dem Schipka - Pafs vom 22. Juli bis zum 12. August 1877. Regeln über die dreizölligen Leuchtraketen. beim Schiefsen aus Geschützen . Russisches

Ingenieurjournal ( November und Dezember 1880)

Die Thätigkeit der Offiziere und einiger Mannschaften des 6., 4. und 3. Sappeur-Bataillons bei der Verteidigung von Sewastopol. - Die Aufladung des Pontontrains auf Zugplattformen. Morskoi Sbornik ( Dezember 1880) : Wladiwostok oder Olga ? Auf welchem Boden steht der Leuchtturm von Jenikale ? - Das Springen (Platzen) des Armstrong'schen 100 t - Geschützes Duilio. - Die Härtung des Stahls.

auf dem

Rivista militare (November 1880) : Studie über die Feldartillerie. Montenegro vor dem und nach dem Berliner Traktat. - Die Küstenverteidigung.

Bericht und Gesetzesvorschlag inbetreff der Modi-

fikation des Rekrutierungsgesetzes . (Dezember 1880 ) : die Feldartillerie . --- Die Küstenverteidigung.

Studie

über

L'Esercito italiano ( Nr. 144—150 für 1880, No. 1–6 für 1881 ) : Die Zukunft der Unteroffiziere. --- Die Waffenfabrik in Terni . - Über Über Scheibenschiefsen . - Die Reservelebensmittel des Heeres . Militärjustiz . - Die Neuordnung der Infanteriebrigaden.

Die neue

Schiefsinstruktion für die englische Infanterie. Giornale di Artiglieria e genio ( November- Heft) : Notizen über das 45 cm-Geschütz . Die russische Artillerie.

Studien

über

die

Rivista marittima (Dezember 1880) :

Belagerungsartillerie. Die Schiffsfrage.

Die

neuen Schiffskonstruktionen für die italienische Marine. Die Kriegshäfen. ―― Die Schiffsventilation . - Der Krieg in Süd-Amerika . -Das Schiefsen von der Küste gegen erhöhte Punkte. Army and Navy Gazette ( Nr. 1091-1094) : Das deutsche HeeresDie system. Unsere Feldartillerie . Das britische Militär. Der Basutokrieg . militärische Situation in Irland. Die Reor-

Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.

246

ganisation unserer Feldartillerie .

Die Wirren im Transvaallande. Der Boernaufstand . - Carl im Jahre 1880 . Eduard Stuart. - Maschinengeschütze für Schiffe. Die

Marine

Army and Navy Journal ( Nr. 901-906) : Amerikanische Soldaten in Egypten. - Die Fortificationsbill. -Weiteste Tragfähigkeit der Das 19. Armeecorps Handfeuerwaffen. - Unser Pensionssystem . ― im Shenandoahthal. The United Service (Januar 1881) : Die Organisation der Militärakademie. Die Kavallerie der britischen Armee . Zwei Schlachtbilder. - Die Organisation der deutschen Artillerie. Allgemeine Schweizerische Militär - Zeitung (Nr. 51 und 52 für 1880 No. 1-3 für 1881 ) : Landesbefestigung, Miliz und stehendes Heer. Die fortschreitende Entwickelung der französischen Armee. - Zur Geschichte der Geschützgiefserkunst in der Schweiz. - Englischer Garnisondienst. Die Flugschriften über Landesbestigung. Die Delegirtenversammlung des eidgenössischen Offiziervereins in Olten. - Das Pferdewesen der schweizer Kavallerie. Zeitschrift für die Schweizerische Artillerie ( Nr. 12) : Meine Eindrücke bei den grofsen Manövern des königlich preufsischen Gardeund des III. Armeecorps . - Pulverversuche in der Schweiz . Revue militaire suisse Die Rekrutierung.

1881) :

(Nr. 23 u. 24 für 1880 , No. 1-2 für Das Loewesche Repetiergewehr. - Ver-

sammlung der III. Division im Jahre 1880. Die Bataillonsquartiermeister. - Eindrücke eines russischen Offiziers in der Schweiz, im September 1880. - Gefechtsmethode eines Infanteriebataillons . De militare Spectator (No. 1) : Übersicht der verschiedenen in Holland mit grobkörnigem Pulver ausgeführten Versuche . - Der Unterricht über die Militärarzneikunde in England .

Bemerkungen

über den Gebrauch von Signalscheiben bei den Schiefsübungen der Infanterie. Der russische Schnelllader, System Krnka . Norsk Militaert Tidsskrift (43. Bd. 12. Heft) : Instruktionsschulen zur Ausbildung der Infanterieoffiziere ohne festen Gehalt von 1867 bis 1880 nebst solchen für Reserveoffiziere von 1864. -- Über Anwendung und Leitung von Infanteriemassenfeuer. Militaert Tidsskrift (7. Heft) :

Reiterei-Dreitreffentaktik .

Die

Anwendung des Infanteriespatens für flüchtige Feldbefestigung in Österreich. Über die Verteidigung von Kopenhagen durch Heer und Flotte. Memorial de Ingenieros ( Nr. 24 für 1880, No. I für 1881) : Die Elektricität und ihre militärische Ausnutzung. Die Schluſsübungen Photophon Das der praktischen Schule zu Guadalajara. . - Über

Verzeichnis der bei der Redaction eingegangenen Bücher etc.

den Festungsrayon.

247

Erfahrungen der Artillerie in Italien .

Über

Sappenarbeiten . Revista cientifico militar ( Nr. 10 --- 13) : Der Krieg und die Kunst. Studie über die Truppenführung . ·-Studien über die Geschichte, Organisation und Taktik der Kavallerie . - Die russische Expedition Studien über die Kunst und die Kriegsgeschichte .

gegen die Tekes.

- Die Belagerung von Zaragoza . militar (Nr. 3) : Über die Erziehung. Die praktische Ingenieurschule.

Die

Revista militar (Nr. 23 u. 24) : Über die Infanterie. direkte Schufs der Artillerie. Die Übungen im Walde.

Der inDie

La illustracion Helden von Tarifa.

Notwendigkeit der nationalen Heere, der allgemeinen Dienstpflicht . der Milizen und Reserven . Das Heer und die Kolonieen .

XXI.

Verzeichnis

der

bei

der

Redaction

genen neu erschienenen Bücher

eingegan-

u. s.

w.

(15. Dezember 1880 bis 15. Januar 1881.)

Kinzenbach, F. , evangelischer Pfarrer : Mein Kriegsjahr 1870–71 . Erinnerungen eines ehemaligen Kriegsfreiwilligen im rheinischen Jägerbataillon No. 8. Mülheim a . d . Ruhr 1880. 8º. 271 S. des Verfassers . -

Selbstverlag

Kossmann, Major und Bataillonskommandeur : Die Terrainlehre , Terraindarstellung und das militärische Aufnehmen . Mit Berücksichtigung der neuesten Bestimmungen der königlich preufsichen Landesaufnahme. schnitt . Stein.

Mit über 500 Figuren in Holz-

Fünfte sehr verbesserte Auflage. 8. – 288 S. Preis : 4 Mark .

Potsdam 1880 , A.

Stegen , Le comte van der , Capitaine au corps d'état-major : Conférences sur la guerre d'Orient en 1877-78 . 80. - 56 S. 1880 , C. Muquardt. ―

Bruxelles

Verteidigungs- , das , und Befestigungssystem der Schweiz. Mit einer Übersichtsskizze . Von einem Freunde der Schweiz . 96 S. —— Preis : 70 ct. Bern 1881 , B. F. Haller. - 8" .

Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin W.

XXII .

Gustav Adolph in seinem Verhältnis

zu seinem

Schwager, dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

Von Ohlendorf, Major a. D. (Schlufs .) Neue Landung Gustav Adolph's und Feldzug von 1627. Im Januar des Jahres 1627 war der Kurfürst Georg Wilhelm an der Spitze von 4000 Blauröcken und 600 Pferden nach Preufsen marschiert, hauptsächlich, um den Neutralitätsvertrag, den die preuſsischen Stände im vergangenen Jahre mit Gustav Adolph geschlossen , zu lösen.

Dafs der Kurfürst dabei den Gedanken hegte , mit Hülfe

der Polen, die gegen die zurückgelassenen schwedischen Truppen mit Glück

gekämpft hatten , die Festung Pillau zurückzuerobern ,

nicht ausgeschlossen sein , war.

zumal ja der Schwedenkönig

mag

abwesend

Georg Wilhelm begab sich mit seinem Corps nach Königsberg,

wurde aber von Oxenstierna durch Abgesandte gefragt , Neutralitätsvertrag beitreten wolle

oder nicht.

Statt

ob

er dem

ein entschie-

denes Ja oder Nein zu sagen , gab er eine ausweichende Antwort, die beide Parteien - Polen und Schweden zufriedenstellen sollte.

Königsberg werde neutral bleiben ,

anschliefsen.

er selbst sich den Polen

Der Kurfürst , höchst wahrscheinlich von dem bei ihm

eingetroffenen kaiserlichen Gesandten, Burggraf Hannibal von Dohna, beeinflusst, versuchte , Pillau den Schweden wieder zu entreifsen und marschierte zu diesem Zwecke nach Lochstädt , unweit Pillau.

Da

landete anfangs Mai Gustav Adolph bei genannter Festung . Er war 17 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

250 nämlich

schon im Januar durch seinen Oberst Teuffel von Lübeck

aus benachrichtigt, dafs , obgleich „ les desseins du dit Electeur sont encore inconnus , l'on tient, qu'il attaquera le fort de Pillau. "

Durch

die Ankunft Gustav Adolph's, die den Kurfürsten völlig überraschte , waren für diesen die Aussichten , Pillau

zu

nehmen ,

hebliches geringer geworden, ja man kann sagen , haften Organisation des verschwunden.

um ein er-

bei der mangel-

brandenburgischen Truppencorps

fast ganz

Georg Wilhelm bezog bei Lochstädt , „ da , wo

ein

enger Pafs ist ", ein verschanztes Lager ; ihm gegenüber Gustav Adolph, „ campo a campo" , so nahe , dafs die Posten mit einander reden konnten. Der Kurfürst zog dem Ungewissen einer Waffenentscheidung einen Waffenstillstand vor , der bis Michaelis dauern sollte.

Er versprach darin ,

gegen Pillau

nichts Feindseliges zu

unternehmen, dagegen verpflichtete sich Schweden, nicht mehr Truppen in Preuſsen zu halten , als zur Besetzung von Pillau notwendig war. Den Rücken frei, konnte sich Gustav Adolph gegen Dirschau wenden ,

um von hier aus ,

in Vereinigung mit seinem Hauptheere ,

entweder gegen Danzig oder gegen die an der Weichsel, unweit Meve stehenden Polen einen Schlag zu führen .

Wir übergehen hier die

einzelnen Operationen des Schwedenkönigs , glücklich verliefen .

welche

im allgemeinen

Während derselben überraschte ihn der branden-

burgische Gesandte v. Knesebeck und eröffnete ihm im Namen seines Herrn, dafs er in Rücksicht auf sein Lehnsverhältnis zu Polen nicht dulden dürfe, dafs im Herzogtum Preufsen für das schwedische Heer Werbungen stattfänden und Lebensmittel requiriert würden ; er müsse hiermit beides verbieten und fordere auch den Zoll von Pillau zurück.

Dieser Schritt des Kurfürsten genügte, um seinen königlichen

Schwager schnurstracks gegen ihn in die Waffen zu rufen .

Mit der

dem König eigenen Schnelligkeit wandte er sich gegen die brandenburgischen Truppen in Preufsen.

Um ein kleineres Corps , das sich

der polnischen Armee anschliefsen sollte , verhindern ,

an dieser Vereinigung zu

sandte Gustav den Grafen Thurn mit 11 Schwadronen

voraus, der die Brandenburger unweit Mohrungen einholte . anfangs traf diese

das Mifsgeschick,

dafs ihr Führer ,

Gleich

der General

Kalkstein, im Gefechte blieb ; als am anderen Tage der König selbst mit dem Reste seiner Truppen herangekommen war, beeilte sich das brandenburgische Corps ,

ohne von den Gewehren auch nur im ge-

ringsten Gebrauch gemacht zu haben, in der Stärke von 1800 Mann und 6 Geschützen

eine Kapitulation

2 Compagnieen Fufsvolk ,

die Fahnen

Kurfürsten zurückgeschickt ,

abzuschliefsen .

Die Offiziere,

und Geschütze wurden dem

dagegen mussten 1200 Musketiere und

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

251

200 Reiter schwedische Dienste nehmen ; während die letzteren unter die schwedischen Schwadronen verteilt wurden, bildete man aus dem Fufsvolk ein

besonderes Regiment ,

welches nach der Farbe seiner

Fahnen später das gelbe genannt wurde. *)

Der Kurfürst mufste sich

einen sehr harten Vertrag gefallen lassen, wonach im

Herzogtum Preufsen werben ,

noch

er keine Soldaten

solche aus

anderen Orten,

namentlich aus dem polnischen Lager an sich ziehen durfte ; Königsberg solle wegen der Neutralität nicht beeinträchtigt werden " u . s. w. Dem König war

es nämlich sehr erwünscht ,

dafs

das

grofse und

reiche Königsberg sich neutral erklärt hatte. Ende 1627 begab zurück.

sich Gustav Adolph wieder

Das Kommando über die

nach Schweden

zurückgebliebenen schwedischen

Truppen wurde wiederum dem bewährten Kanzler Oxenstierna übertragen , an welchen sich Georg Wilhelm durch seinen Gesandten Knesebeck wiederholt mit der Forderung wandte , die besetzten Plätze wieder herauszugeben.

Der schwedische Kanzler, der die mit Polen

eingeleiteten Friedensunterhandlungen

auf seines Herrn Geheifs ab-

sichtlich in die Länge ziehen musste , um einen Vorwand zu haben, Pillau festzuhalten , erwiderte dem Kurfürsten ausweichend , indem er auf die täglich wachsende Macht des Kaisers hinwies , die ihm sehr gefährlich werden könne, — eine Behauptung , die Georg Wilhelm schwer verständlich war. Anfangs

1628

kehrte Gustav Adolph

Schweden zurück ,

selbstverständlich ,

dafs

lebendiger wurde .

In dieses Jahr fällt ein sehr wichtiges Ereignis ,

welches

die

aus

kriegerische Aktion gegen Polen sofort

in Rücksicht auf Gustav Adolph's

deutschen Angelegenheiten gegenüber die

Unterstützung

der Stadt Stralsund

hier

späteres Verhalten den erwähnt werden muſs :

durch schwedische Truppen

während der Belagerung durch ein kaiserliches Heer unter Wallenstein . Stralsund stand unter Landeshoheit des pommerschen Herzogs Bogislav, war aber zugleich Mitglied der Hansa und als solches mit grofsen Privilegien ausgerüstet. Bekanntlich mufsten die Kaiserlichen die Belagerung aufheben und unverrichteter Sache wieder

abziehen .

Als der Herzog Bogislav von Pommern nach Aufhebung der Belagerung Gesandte an Gustav Adolph schickte und ihn bitten liefs , seine Truppen aus Stralsund zurückzuziehen, durch Pommern nichts gegen das Reich zu unternehmen , damit das Land endlich von der Last der Einquartierung befreit würde, antwortete der Schwede : „ Ich habe niemals etwas wider das Reich im Sinne gehabt (sic !) ; aber Stral-

*) Gfrörer S. 249.

17 *

252

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

sund wird den Reichssatzungen entgegen bedrängt. mich um Hülfe gebeten ,

Die Stadt hat

die ich nicht verweigern konnte ; ich darf

auch mein Volk nicht abberufen , sie sei denn gesichert. " *) In der That blieben in Stralsund schwedischerseits 4000 Mann zu Fufs und 1000 Pferde, trotz Einsprache des Herzogs von Pommern . Während Gustav Adolph sich von Ende 1628 bis zum Frühjahr des folgenden Jahres in Schweden aufhielt , trug

der

schwedische

General Wrangel in verschiedenen Gefechten nicht unerhebliche Vorteile über die Polen davon, so namentlich bei Gorzno. In diese Zeit - März - fällt die Unterstützung der Polen durch ein kaiserliches Truppencorps von etwa 20 000 Mann unter dem General v. Arnim. Wir erwähnen dieses Ereignis hier ,

weil später Gustav Adolph bei

seiner Kriegserklärung gegen den Kaiser auf dasselbe grofses Gewicht legte und daraus einen Grund zum Kriege herleitete . konzentrierte

Gustav Adolph seine Truppen

Dirschau und Marienburg.

Zu

Im Mai 1629

an der Weichsel bei

bedeutenden Ereignissen

sollte es

übrigens auf dem Kriegsschauplatze nicht mehr kommen ; das Friedensbedürfnis machte sich für beide Teile in gleicher Weise geltend . Dazu kam ,

dafs Frankreich alles aufbot ,

zwischen Gustav Adolph

und dem Könige Sigismund von Polen einen Frieden oder doch mindestens einen mehrjährigen Waffenstillstand herzustellen ;

denn der

französische Kardinal hielt den Zeitpunkt für gekommen , dafs Gustav Adolph seine Waffen gegen den Kaiser richten sollte ,

welcher ,

die

Belagerung von Stralsund ausgenommen, überall siegreich aufgetreten war.

Auch der Kurfürst von Brandenburg liefs

es sich angelegen

sein, durch seine Gesandten auf eine Beilegung der Feindseligkeiten zwischen Schweden und Polen hinzuwirken ; hatte es doch sehr grofses Interesse für ihn , sein Land Preufsen so rasch wie möglich von der drückenden Last fremder, namentlich schwedischer Einquartierung zu befreien . Die Unterhandlungen fanden unter eifriger Mitwirkung des französischen Gesandten Charnacé statt ; seitens Brandenburg nahmen der

Landeshauptmann

Andreas

v.

Krentzen ,

Landrat

Bernhard

v. Koenigseck und Hofgerichtsrat Rauschke daran teil. Diese Herren erklärten dem Schwedenkönig rundweg , dafs die Abtretung von Marienburg und Höft, welche Städte sich in den Händen der Schweden befanden, die conditio sine qua non sei.

Nach langem Hin- und

Herverhandeln kam dann endlich folgender Vertrag zu stande : Gustav Adolph behält in Preufsen die Städte Braunsberg , Tolkemit , Elbing , das Fischauer Werder, einen bedeutenden Teil des grofsen Werders ,

*) Hurter, Geschichte Wallenstein's 276 ff.

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg. ein Stück der

Danziger Nehrung und Pillau.

253

Der Kurfürst von

Brandenburg erhält „in Sequester" die Städte Marienburg und Stumm, den Rest des

grofsen Werders

und das Danziger Höft ,

doch der-

gestalt, daſs , wenn ein eigentlicher Frieden nicht erfolgt, Georg Wilhelm genannte Orte wieder an Schweden abgeben soll ; als Garantie dafür tritt Brandenburg an Schweden noch Fischhausen , Lochstädt und Memel ab. So war für Schweden ein sehr vorteilhafter Frieden geschlossen ; in den Städten Pillau und Memel hatte der König seiner Gewalt,

zwei Plätze in

die ihm die Herrschaft mehr oder weniger über die

ganze Küste sicherten . Der Kurfürst von Brandenburg aber hatte erhebliche Einbufse an Land erlitten, abgesehen davon, dafs er auch auf andere Weise, durch Verlust an Kriegsmaterial u . s . w. empfindlich geschädigt war . Gustav aber übertrug dem Reichskanzler Oxenstierna die Verwaltung der neu

erworbenen Besitzungen , liefs in Pillau stärkere

Befestigungen anlegen und kehrte schwedischen

Reichstage

konnte

nach der

Schweden zurück .

König

Friedensvertrag vorlegen und war stolz ,

Dem

den

abgeschlossenen

besonders

auf die neu er-

worbenen Seeplätze Memel und Pillau hinweisen zu können . Nachträglich sei hier noch erwähnt , dafs auch das Kurfürstentum Brandenburg in der eben geschilderten Periode aufserordentlich schwer unter hatte.

dem Drucke der kriegerischen Ereignisse zu leiden

Bald waren es dänische Truppen, bald die Banden des Grafen

von Mansfeld ,

bald

diejenigen

des Herzogs Christian von Braun-

schweig , die das Kurfürstentum plündernd und raubend durchzogen und unbarmherzig immer konnten .

Requisitionen

eintrieben ,

wie und wo sie nur

Georg Wilhelm hatte sich dem König Christian von

Dänemark gegenüber neutral erklärt, aber er besafs nicht die Mittel und die Macht, den einbrechenden Banden gegenüber die Neutralität mit den Waffen in der Hand aufrecht zu erhalten. Die Zahl der Truppen , die Georg Wilhelm damals hielt , war so gering , dafs sie nicht einmal ausreichte , um den Grafen Mansfeld von den Grenzen seines Kurfürstentums fern zu halten .

Auf des Kurfürsten Vorstel-

lungen hin bewilligten endlich die Landstände die Mittel , um ein Corps von 3500 Mann zu werben ; aber was sollte diese schwache Truppe gegenüber den Mansfeldschen und dänischen Schaaren ?

Von

der Instandsetzung und Armierung der Festungen im Lande wollten die Landstände gar nichts wissen ; " unsere Voreltern, " hiefs es, „haben zum Bau der Festungen das Nötige hergegeben, seitdem sind 99 Jahre her, Zölle und Umgelder sind in Masse erhoben worden ; davon konnte

254

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

das Nōtige zur Erhaltung der Festungen zurückgelegt werden ; auſserdem helfen sie

auch doch nichts. "

Der Kurfürst klagt im Februar

1626 : " Mansfeld sei, trotz seiner feierlichen Erklärung, nie die Marken betreten zu wollen, in sein Kurfürstentum hereingebrochen, habe die

festen Plätze

eingenommen u. s. w. ,

Dänemark gefolgt.

Der Kurfürst

giebt

dann

sei

der König von

eine lebendige Schilderung

von dem wüsten Treiben dieser Banden , welche selbst , altes Eisen und Ackergerätschaften "

fortschleppten ,

persönlich in seinem Schlosse von tiert sei .

und

fügt hinzu ,

dafs

er

dem dänischen Gesandten insul-

Nicht genug an den Raubscharen des

Grafen Mansfeld

und den Völkern des Dänenkönigs erschienen auch kaiserliche Truppen unter dem bekannten Oberst v. Arnim in den Marken, besetzten Frankfurt a. O. , Krossen, Landsberg und betrugen sich derart, daſs der Minister Schwarzenberg Interessant ist zu erfahren, mund ,

bei Wallenstein bittere dafs Wallenstein

Klage führte .

den Markgrafen Sigis-

Oheim des Kurfürsten , der in Abwesenheit Georg Wilhelms

Statthalter war ,

bitten liefs ,

seinem Oberst Arnim für kurze Zeit

etwas Munition und einige Stücke zu leihen , und zugleich versicherte, beides wieder zurückerstatten zu wollen ; ob das geschehen, mag bei der allgemeinen Unsicherheit des Eigentums im 30jährigen Kriege mindestens fraglich sein.

Gustav Adolph's Kriegserklärung an den Kaiser und Expedition nach Deutschland. Um die Stellung und Handlungsweise des Kurfürsten von Brandenburg gegen seinen Schwager Gustav Adolph während des

nun

folgenden Krieges in Deutschland im richtigen Lichte würdigen und verstehen zu können, wie Georg Wilhelm, der evangelische Kurfürst und Schwager des evangelischen Schwedenkönigs, der vorgeblich der protestantischen Sache wegen nach Deutschland kam, sich erst durch geladene und vor seiner Residenz Berlin

aufgestellte Kanonen zum

Abschlusse eines Bündnisses zwingen liefs : müssen wir uns die Motive näher betrachten , welche den König Gustav Adolph zum Kriege mit Deutschland veranlafsten, und ohne Umschweif die Frage beantworten : kam Gustav Adolph der evangelischen Sache , der Religion wegen nach Deutschland, oder waren es politische Motive und Interessen , die dem König das Schwert gegen Kaiser und Reich in die Hand drückten und ihm die Marschbefehle an seine Truppen dikGewöhnlich denkt man sich die Sache so , als wenn tierten ? Gustav Adolph aus Mitleid für

seine unterdrückten Glaubensbrüder

in Deutschland, von den evangelischen Fürsten, Städten und Ständen

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

255

gerufen, einzig und allein aus religiösem Pflichtgefühl die gefährliche, beschwerliche getreten habe .

und kostspielige

Expedition

nach Deutschland an-

Das war und ist auch heute

noch im grofsen und

ganzen die gewöhnliche Auffassung und Anschauung , die aber auch zugleich eine oberflächliche ist.

Man konnte und kann die Uneigen-

nützigkeit , Selbstlosigkeit und Opferfreudigkeit des schwedischen Königs in vielen Kreisen auch heute noch nicht genug preisen und denselben als Märtyrer für die evangelische Sache hinstellen .

Gern

soll zugegeben werden , dafs Gustav Adolph trotz seines durchaus kriegerischen Charakters ein religiös gesinnter, man kann sagen frommer Monarch war ; gern soll ferner anerkannt werden , evangelischen Sache treu

und vom Herzen

dafs er der

ergeben war :

hingegen

müssen wir entschieden gegen die Auffassung auftreten, dafs die Religion die eigentliche und wahre Veranlassung zum Kriege gewesen wäre ,

und müssen diejenigen deutschen Fürsten ,

und unter diesen

den Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg, in Schutz nehmen, gegen welche man so gern und so ohne weiteren Grund den Verdacht, von der evangelischen Sache abgefallen zu möchte , weil

sie

erst in der elften Stunde ,

sein ,

schleudern

zum Teil sogar durch

Waffengewalt gezwungen, auf Seite des Königs traten ! Kurfürst Georg Wilhelm besafs gewifs ebenso viel Frömmigkeit , ebenso grofse Hingebung und Interese für die evangelische Sache, als der Schwedenkönig .

Nicht vom Standpunkte einer bestimmten Religion , sondern

von dem eines Deutschen mufs das Urteil in dieser Frage abgegeben werden . Gewöhnlich sieht man das 1629 vom Kaiser erlassene Restitutionsedikt ,

wonach die Evangelischen

benen Kirchengüter herausgeben mufsten , rischen Expedition nach Deutschland an.

alle

seit 1525 erwor-

als Ursache der kriegeDieser Erlafs war unseres

Erachtens ungerecht und politisch fehlerhaft ; aber der Schwedenkönig unterhandelte schon 1624 , also zu einer Zeit , wo noch niemand im Deutschen Reiche an ein Restitutionsedikt dachte , zu Avignon mit Frankreich und anderen Mächten wegen und gegen Deutschland ,

und

eines Feldzuges

nach

konnte sich nur wegen seiner hohen

Forderungen als unumschränkter Kriegsoberster mit dem katholischen Kardinal Richelieu

nicht einigen.

Ein Glück

sich die Unterhandlungen zerschlugen ,

für den König , dafs

denn es wäre ihm nicht ge-

lungen, sich in den Augen der Mit- und Nachwelt mit dem religiösen Nimbus zu umgeben, wie ihm das später gelingen sollte. Der Plan zu dem Feldzuge

nach Deutschland war bereits vor

Erlafs des Edikts festgestellt ; „ er (Gustav Adolph) würde den Krieg unternommen haben , " sagt Droysen II. 96 , „ auch wenn kein Resti-

256

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

tutionsedikt wäre

erlassen worden ,

auch wenn

es keine um ihres

Glaubens willen duldende evangelische Christen in Deutschland gegeben hätte. "

Aber die Mifsstimmung der Evangelischen in Deutsch-

land, die durch das Restitutionsedikt in hohem Grade hervorgerufen war ,

kam

statten ,

dem Könige bei Verfolgung

seines Planes sehr gut zu

an diese schlofs er sich an und verstand es , mit sicherem

Blick mehr Vorteil

daraus zu ziehen ,

als ihm ein neues Heer von

so und so viel tausend Mann hätte gewähren können. Gustav Adolph war es nicht unbekannt, dafs er bei den deutschen Fürsten

wenig Unterstützung finden würde.

Er hatte vor

seiner

Landung den Hofmarschall Diedrich v. Falkenberg nach Deutschland geschickt, um die evangelischen Höfe für sich zu gewinnen.

Dieser

hatte nur bei solchen Fürsten Eingang und Gehör gefunden , die entweder schon früher in offener Opposition gegen den Kaiser standen oder mit Sehnsucht darauf rechneten, bei der ersten besten Gelegenheit den Schritt zu thun.

Dahin gehörten die Herzöge von Braun-

schweig-Lüneburg, der alte Markgraf von Baden, Moritz von HessenKassel,

der Administrator von Magdeburg

und

fürsten von Brandenburg und Sachsen indessen und wiesen die

schwedischen Anerbietungen ab.

von Dänemark hegte

andere.

Die Kur-

zogen sich zurück Auch der König

gegen Gustav Adolph aus nicht näher zu er-

örternden Gründen grofses Mifstrauen und konnte daher letzterer auf materielle Hülfe des ersteren nicht rechnen. gegründete Hoffnung hegen , namentlich

französische

dafs ihm

Dagegen konnte er die

englische ,

Geldunterstützungen

holländische und

nicht fehlen

würden.

Der zuverlässigste Verbündete für Gustav war Bethlen Gabor , der Fürst von Siebenbürgen ,

dieser unruhige, eroberungssüchtige Mann,

der schon lange auf eine Gelegenheit, gegen Österreich loszubrechen, gewartet hatte und dieserhalb mit Gustav Adolph schon lange Zeit im Briefwechsel stand. Was

nun

zunächst

die

militärischen Streitkräfte anbelangt ,

welche für die Unternehmung gegen Deutschland verwendet wurden, so hatte Gustav Adolph es sich seit Übernahme der Regierung ganz besonders

angelegen

sein lassen ,

seines Landes zu verbessern ,

die militärischen Einrichtungen

und war nach jedem Feldzuge eifrig

beschäftigt, die darin gewonnenen Erfahrungen zu verwerten und die zutage getretenen Mängel abzustellen . Auf diese Weise hatte denn auch der König seine Armee auf einen hohen Stand der Ausbildung gebracht ; sie übertraf darin ohne Zweifel alle diejenigen anderer Reiche ; selbst die kriegsgewohnten und siegreichen Truppen des deutschen Kaisers und der katholischen Liga unter Wallenstein und

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg. Tilly standen ,

rücksichtlich der Ausbildung , der Kunst

vrieren u. s. w. denjenigen des Schwedenkönigs

257 zu

manö-

um ein erhebliches

nach . Gustav Adolph's vornehmste Einrichtung war , dafs er ein stehendes Heer schuf und diese Institution auf den Grundbesitz basierte .

Es wurde

eine Art allgemeine Wehrpflicht eingeführt

und

damit dem Soldatenstande ein ehrender Stempel aufgedrückt. Dieser -- anGrundsatz war es aber auch , der die schwedischen Truppen fangs wenigstens so vorteilhaft von denjenigen der fremden Armeeen abhob , wo nur Söldlinge dienten , deren Grundsatz war : „ , ubi bene , ibi patria ". Schon die Vorfahren des Königs hatten Versuche gemacht, Regimenter und Fähnlein Compagnieen ― in bestimmter Stärke zu bilden.

Gustav änderte an der taktischen Einteilung seiner Armee

zu verschiedenen Malen, so dafs die Stärke der Regimenter bei Ausbruch des Krieges mit Deutschland eine verschiedene war ; er hatte die Absicht ,

die Zahl

der Fähnlein jedes Regiments auf 12 zu er-

höhen und diese auf 150 Mann zu bringen . stärkung der Armee wurde indessen nicht so

dafs

thatsächlich Regimenter zu 8 und

Die beabsichtigte Verzum Abschlufs gebracht , 12 Fähnlein bestanden

und letztere teils 150 teils 120 Mann stark waren .

(Letzteres war

gewöhnlich bei den im Auslande geworbenen Truppen der Fall.) Die Infanterie bestand aus Musketieren und Pickenieren ; jene machten den Hauptbestandteil des Fufsvolkes aus . Bei einer Stärke von 120 Mann bestand das Fähnlein

aufser

den Offizieren , Unteroffizieren und Spielleuten aus 48 Pickenieren und 54 Musketieren ; bei 150 Mann aus 75 Musketieren und 59 Pickenieren . Der König liefs es sich ganz besonders angelegen sein , die Bewaffnung und Ausrüstung seiner Truppen zu verbessern , d . h. sie leichter zu machen ; so haben wir früher schon erwähnt, dafs er das Gewehr handlicher machte , und der Mann dasselbe selbst halten, mithin die Gabel wegfallen konnte. Als besonders selbständiges Rüstzeug ist die sog. Schweinsfeder anzusehen , ein Spiefsschaft mit einer langen eisernen Spitze , der gegen Kavallerie schräg in die Erde gesteckt wurde und für die Infanterie einen Wall bildete, mithin dem späteren Bajonett entsprach. Da diese Waffe indessen der Beweglichkeit der Truppe sehr hinderlich war , so wurde dieselbe später nie anders als auf Wagen nachgeführt, um bei aufgeworfenen Verschanzungen verwandt zu werden . Pulver und Blei wurden in Kapseln getragen , da es Patrontaschen nach unserem heutigen Begriffe noch nicht gab ; die Musketiere

258

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

trugen an der linken Seite

an einem Riemen einen Säbel .

Bei der

allmählichen Verbesserung der Gewehre traten die Pickeniere

mehr

und mehr in den Hintergrund ; sie hatten zu Gustav Adolph's Zeit statt der Picken Partisane von 11 Fufs Länge, die an beiden Ender mit geschärften Eisenspitzen versehen waren . Die Kavallerie bestand hauptsächlich aus Kürassieren (Bewaffnung : Schwert und Pistolen) , zu welchen später die Dragoner, d. h. berittene Musketiere und Pickeniere traten .

(Bewaffnung : Infanterie-

gewehr, Degen, ohne Reiterstiefel und Sporen) . Sehr grofses Gewicht legte Gustav auf die Artillerie und kann der König als eigentlicher Reformator dieser Waffe angesehen werden . Neben den schweren Stücken - 1/2 Carthaunen und Feldschlangen, die von 24 bezw. 16 Pferden gezogen wurden - führte er leichte Feldkanonen ein „Eisenstücke im Gegensatz zu den Metallstücken wovon jedes Regiment 2-3 erhielt ; lederne Kanonen waren auch eine Zeit lang in Gebrauch, doch kamen dieselben nach der Breitenfelder Schlacht wieder in Vergessenheit . Gustav Adolph errang seine Siege namentlich durch seine Infanterie und Artillerie ; beide Waffen übertrafen die kaiserlichen an Beweglichkeit und Manövrierfähigkeit um ein bedeutendes, wohingegen seine Kavallerie der Zahl und Güte nach derjenigen der Deutschen unterlegen war. Im schwedischen Heere herrschte gute Zucht und wurde das Artikelsbrief - zur Aufrechthaltung der Dis-

Militärstrafgesetz

ziplin mit Strenge angewandt.

Auch sorgte der König in religiöser

Beziehung für seine Soldaten ;

damit ein regelmässiger Gottesdienst

bei dem mobilen Heere abgehalten werden konnte, nahm er Armeeprediger mit ins Feld ; und Abendgebet bei

bekannt ist es, dafs von ihm das Morgen-

den

im Felde

stehenden Truppen eingeführt

wurde. Bei Beurteilung der Zucht und Disziplin im schwedischen Heere darf man aber vor allem nicht vergessen, dafs im Jahre 1630, als der König an der Ostseeküste landete, das alte und eigentliche schwedische Nationalheer nicht mehr bestand und er eine Menge von Söldlingen und Geworbenen aus aller Herren Länder, eben so gut Deutsche, Engländer,

Schotten,

Niederländer, Dänen und Polen,

Schweden unter seinen Truppen hatte. traf die der Eingeborenen sogar.

wie

eigentliche

Die Zahl der Ausländer über-

Auch hatte

das Heer

alle diese

verschiedenartigen Nationalitäten nicht erst bei der Landung in sich aufgenommen,

sondern

es

enthielt

sie

Kriege gegen Polen und Rufsland her.

schon mehrere Jahre,

vom

Allerdings hatte es die Per-

sönlichkeit von Gustav Adolph verstanden,

alle

diese heterogenen

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

259

Elemente so fest wie möglich zuammenzuschweifsen, so dafs ein leidliches Ganze daraus entstanden war und sein Heer von den Wallensteinschen und Tillyschen Landsknechten vorteilhaft abstach ; - nicht zu gedenken der wilden und räuberischen Banden eines Mansfeld und Christians von Braunschweig. Trotz alledem kamen aber auch in dem schwedischen Heere die wildesten Ausschreitungen gegen die Landeseinwohner vor. Es sei nur an die grausame Plünderung von Frankfurt an der Oder erinnert, in welcher Stadt die Bürger dem Schwedenkönig zugethan und zum grössten Teile evangelisch waren ! Die hierbei verübten Excesse des schwedischen Soldaten fanden vor und unter den Augen des Königs statt ! Das war eben die Allgewalt einer traurigen Zeit, der sich auch ein eiserner Mann, wie der König Gustav, beugen mufste! Bekleidet waren die schwedischen Truppen anfangs auf die verschiedenartigste Weise , doch war der König bestrebt, nach und nach in gewisser Weise eine Uniformierung derselben ein- und durchzuführen. Noch im Jahre 1626 nach der Einnahme von Pillau mufste er den preufsichen Gesandten gegenüber betreffs des Aussehens seiner Truppen die Bemerkung machen : „ Die ich bei mir habe, sind zwar arme schwedische Bauernburschen, unansehnlich und schlecht gekleidet ; aber sie schlagen sich gut und ich hoffe, sie in kurzem besser zu kleiden. "

Die Stärke des Heeres wird verschiedenartig angegeben ,

man

nimmt für gewöhnlich an, dafs sich unter Gustav Adolph's persönlicher Führung bei der Landung etwa 40 000 Mann befanden, nicht mitgerechnet jene Truppen, die in Preufsen, Finnland , Stralsund und an anderen Orten standen . Schon kurze Zeit nach der Landung, nachdem der König die ersten Operationen siegreich durchgeführt, schwoll sein Heer mächtig an, da viele der Söldlinge aus den kaiserlichen Heeren in Hoffnung auf bessere und fettere Beute unter seine Fahnen eilten. Nachdem alle Vorbereitungen zum Einschiffen der Truppen getroffen, ging die Flotte am 17. Juni 1630 unter Segel und erschien am 26. desselben Monats vor der Insel Usedom, woselbst Gustav Adolph auch sofort mit dem Ausschiffen der Truppen begann. tümlich

wird oft angegeben,

der Schwedenkönig

Irr-

sei auf der Insel

Rügen gelandet ; dieser Annahme widersprechen die besten und glaubwürdigsten Schriftsteller der damaligen Zeit ; als sicher ist anzunehmen, dafs das Ausschiffen der Truppen an der nördlichen Seite der Insel Usedom, da wo die Peene ins Meer mündet, unweit des Dorfes Peenemünde,

stattgefunden hat.

„ Jacta nunc est alea ; transivit S.

260

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

Majestas non Rubiconem ,

sed vastum mare ", so verkündete Came-

rarius den Generalstaaten die Landung.

Das Ausschiffen der Trup-

pen ging wider Erwarten glücklich, ohne Bedrohung durch den Feind von statten ; in wenigen Tagen war die Insel Usedom besetzt, zu deren Verteidigung gegen unerwartete Angriffe Schanzen aufgeworfen wurden . Auch dem drückenden Mangel an Proviant — Gustav Adolph hatte nur 4000 Tonnen Brod für sein Heer -

sollte bald durch

Lieferungen der Stadt Stralsund und seitens seines Kanzlers Oxenstierna aus Preufsen her abgeholfen werden . Es muss auffällig erscheinen, dafs der König vor dem Auslaufen seiner Kriegsflotte aus Schweden und der Landung an der deutschen Küste eine eigentliche Kriegserklärung an den deutschen Kaiser nicht erlassen hatte . Erst als die Landung vollzogen und ein Teil der Insel Usedom in seinem Besitze war, erliefs er zur Rechtfertigung dieses Einfalls ein Manifest, das folgende Motive hervorhob : 1. Wer in der Nähe eines ehrgeizigen Monarchen

lebe ,

könne

nicht länger die Früchte des Friedens geniessen, als ein solcher Monarch zu erlauben für gut halte. 2. Seine Briefe an Bethlen Gabor, Fürst von Siebenbürgen , seien 1625 aufgefangen und erbrochen. 3. Im Kriege gegen Sigismund von Polen , der Ansprüche auf den schwedischen Thron mache , habe der Kaiser durch Wallenstein mit 10 000 Mann seinen Feind unterstützt. 4. Der Kaiser habe boten.

ihm Truppen im Reiche zu werben ver-

5. Der Kaiser wolle sich zum Herrn der Ostsee machen . 6. Die Herzöge von Mecklenburg, seiner Schwester Söhne , seien trotz seiner Vermittelung bei

dem Lübecker Frieden nicht wieder

eingesetzt. 7. Seinen Abgesandten sei der Zutritt zu den Verhandlungen in Lübeck untersagt. Es mag hier erläuternd eingeschaltet werden , dafs der Frieden zu Lübeck zwischen dem Kaiser und König Christian von Dänemark geschlossen wurde ; die daselbst gepflogenen Verhandlungen konnten Schweden in keiner Weise berühren. Der Kaiser erwiderte : 1. Schweden habe durch Unterstützung des widerspenstigen Stralsund die Feindseligkeiten begonnen . 2. Die Abweisung

der schwedischen Gesandten in Lübeck sei

bis zur Räumung Stralsunds die notwendige Konsequenz gewesen . 3. Mit Unrecht mafse sich Schweden das ausschliefsliche Recht

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

261

der Beherrschung der Ostsee an, sperre den Handel mit kaiserlichen Städten und stehe mit allen Feinden des Reiches in Verbindung. Vergeblich sieht man sich in

dem Manifest des Königs nach

religiösen Motiven um ; davon spricht er nur, wenn er an die evangelischen Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen schreibt, um sie zum Abschlusse eines Bündnisses zu vermögen .

Es ist dieses höchst

charakteristisch und mufs beachtet werden .

Friedrich der Grofse,

der die Gründe Gustav Adolph's zum Kriege gegen Deutschland „frivol “ nennt, urteilt über das Manifest in seinen n Mémoires de Brandebourg " also : „ es sei ein Meisterstück königlicher Sophisterei ; dasselbe enthalte keine triftigeren Gründe zum Kriege, als Carl II. von England gegen Holland gehabt ; aber die Forderung Oxenstierna's auf dem Konvent zu Frankfurt, „Pommern an Schweden abzutreten " , sei der wahrhafteste Kommentar zu diesem Manifeste ". Und an einer anderen Stelle sagt Preufsens grofser König : „ Ist es Recht, für solche Dinge, wie Gustav Adolph sie vorbrachte, das menschliche Geschlecht dem Blutvergiefsen

zu

weihen ,

um den Ehrgeiz und die Laune

eines einzigen Menschen zu befriedigen ? "

Damit charakterisiert

Friedrich den

der im schwedischen

schwedischen

König treffend ,

Reichsrat einst sagte : „ für mich gibt es kein Ruhe mehr, es sei denn die ewige! " Nach seiner Landung war Gustav freilich eifrig bemüht, Sympathien für sich rege zu machen ; aber den religiösen Gesichtspunkt hob er erst dann hervor, in seinen Reden und Proklamationen nannte er sich erst dann Befreier der Deutschen von der Übermacht des Kaisers, Beschützer der protestantischen Religion u. s . w. , als er die ungeheure Wirkung gewahrte , welche eine solche mit Glück durchgeführte Rolle hervorbringen konnte. " Nicht weil er Deutschland, das Evangelium in Deutschland, sondern weil er Schweden in Gefahr sieht, greift er zu den Waffen :

nicht um Deutschland zu erretten,

sondern um Schweden zu beschützen .

Jene andere , bisher so ver-

breitete und immer noch so beliebte Ansicht von dem für die Rettung des Evangeliums unternommenen deutschen Kriegszuge Gustav Adolph's zeugt von Mangel an Verständnis

für politische Dinge,

oder von

mangelhafter Kenntnis der Quellen für die Geschichte Gustav Adolph's. *) Der Hauptgrund und das bewegende Motiv für Gustav Adolph zu dem Kriege mit Deutschland war

die Sucht und das Verlangen

nach der Herrschaft über das baltische Meer.

Gustav Adolph glaubte

unter keinen Umständen es zugeben zu dürfen,

*) Droysen II. 18. Anmerkung.

dafs der Kaiser an

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

262

der Ostsee festen Fufs fasse ,

und als die kaiserlichen Fahnen nach

Niederwerfung der dänischen und mannsfeldschen Truppen in Jütland wehten , auszuführen .

entschlofs

siegreich

er sich, den Zug nach Deutschland

Was der König eigentlich wollte, liefs er unzweifelhaft

durchblicken, als er 1628 mit Stralsund einen Vertrag abschlofs und darin stipulierte : „ Die Stadt verbleibe inskünftig beständig bei König und Krone von Schweden ". Die wichtige und viel umworbene Stadt Stralsund hatte der König zu seiner Operationsbasis ausersehen ; von hier aus sollte der eigentliche Angriff erfolgen . Denn Gustav Adolph sah als weitblickender Stratege einen Hauptvorteil in einer kräftigen und raschen Offensive und war nicht, wie sein Kanzler Oxenstierna , der Ansicht, Schweden und das neu erworbene Stralsund definitiv zu schützen.

" Wir dürfen uns nicht in Schweden

verkriechen ",

schreibt er an

letzteren,

sondern müssen mit einer Armee nach Deutschland gehen “ . Auch seinen Reichsständen gegenüber legte er 1629 im Senate zu Upsala die Gründe für die Offensive dar. „ Allerdings bemühen sich Dänemark und Brandenburg ", hiefs es , „ für einen Vergleich mit dem Kaiser ; indessen, will man mit Ehren aus einem Vergleiche herausgehen, so ist es besser, man begegnet dem Kaiser mit einer Armee an seinen Grenzen und traktiert mit ihm " unter dem Helm" , als hier in Schweden zu warten. *) Der König entwickelte seinen zaudernden Landständen gegenüber die Gründe für die Offensive mit grofser Gewandtheit und mit einer Offenheit, richtigen Lichte

sprach

welche den eigentlichen Zweck des Krieges im

zeigte.

Bezeichnend

ist die Antwort von Gustav

auf den Einwand der Landstände ; die Deutschen würden sich ihm, selbst wenn er Sieger bliebe , nicht anschliefsen. "" Wenn ich Sieger bin,

so sind sie

Oxenstierna,

meine

Beute ! "

Und daher konnte der Kanzler

der wie kein anderer Minister Teilnehmer der geheim-

sten Gedanken des Königs war, mehrere Jahre nach dem Tode desselben in demselben Reichsrate zu Stockholm sagen : „ Pommern und die Seeküste sind gleich einer Bastion für die Krone Schweden und besteht darin unsere Sicherheit gegen den Kaiser und war die vornehmste Ursache , welche Seine Selige Majestät in die Waffen brachte ". ler :

Und bei einer anderen Gelegenheit äufserte derselbe Kanz-

„ Der Hauptzweck

des deutschen Krieges

war keineswegs die

Verteidigung des Glaubens, sondern damit die Krone Schweden und unsere deutschen Reichsverwandten (Reichsfürsten) in Sicherheit säſsen und unabhängig wären, darum zogen wir aus ".

*) Droysen II. 34.

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

263

Die Aufnahme, welche Gustav Adolph beim Betreten der deutschen Küste fand, war wider sein Erwarten kühl ; nur die Stadt Stralsund sandte eine Deputation und seitens der vertriebenen Herzöge von Mecklenburg, seiner Schwester Söhne, kamen Gesandte. Von Enthusiasmus und freudigem Empfang war keine Spur ! Die kaiserlichen Truppen lagen zu dieser Zeit sehr zerstreut im Lande ; in Pommern standen 16 000 Mann unter Torquato Conti, in Schlesien die Obersten Göz Westfalen,

und Tiefenbach mit 10 000 Mann ,

in

Oberpfalz und Franken 30 000 Mann unter Tilly und

Pappenheim. Die für ihn so günstige Situation rasch erkennend und benutzend traf der König Anstalten,

sich schleunigst in den Besitz der Stadt

Stettin zu setzen. Pommersche Gesandte, die vom Herzoge Bogislav mit dem Gesuche um Neutralität zu dem Schwedenkönige geschickt. waren, kehrten unverrichteter Sache nach Stettin zurück. Am 9. Juli schon erschien die schwedische Heeresmacht vor der Stadt,

in der

sich der Pommernherzog mit einem kleinen Truppencorps von 1500 Mann aufhielt. „Wer nicht mit mir ist, ist wider mich " , erwiderte Gustav Adolph dem Herzog, der persönlich noch ein mal, aber vergebens, um Neutralität bat. schlofs sich Bogislaw,

Nicht freiwillig, sondern gezwungen ent-

angesichts des vor den Thoren der Stadt bi-

vakierenden schwedischen Heeres,

dem Bündnis beizutreten , dessen

einzelne (14) Punkte Gustav in sehr berechnender Weise entworfen . hatte .

Interressant für uns ist der 14. Artikel des Traktrates , der

über die spätere Erbfolge im Herzogtum handelt . Bogislav schon bejahrt und Nachfolge

Da der Herzog

nicht mehr zu erwarten war,

ging Gustav Adolph's Plan dahin, sich die Erbfolge im pommerschen Herzogtum zu sichern . Zwischen Kurbrandenburg und Pommern bestand jedoch seit dem 15. Jahrhunderte eine Erbverbrüderung ;

es

mufste somit ein Umweg eingeschlagen werden, um zum Ziele zu gelangen. Der bez. Artikel im Traktat besagte daher : Sollte der Herzog von Pommern ohne

männliche Nachkommen sterben,

ehe

der

Kurfürst von Brandenburg als „eventualiter behuldigter Successor " diese Einigung bestätigt und

das Herzogtum

eingelöst

hätte ,

oder

sollte dem Kurfürst das Herzogtum von anderen bestritten werden, so nimmt Gustav Adolph für sich und seine Nachkommen das Recht in Anspruch,

die

pommerschen Lande

solange in Sequestration zu

halten, bis die Successionsfrage geordnet und von dem zukünftigen Nachfolger

alle

Kriegskosten

an

Schweden

zurückgezahlt

sind " .

Dabei wird ausdrücklich stipuliert, dafs von dem Herzogtum Pommern selbst kein Pfennig zu dieser Bezahlung zu entrichten ist. Diese

264

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

letzte Klausel war natürlich in der Absicht beigefügt, um Kurbrandenburg die Ablösung zu erschweren, d. h. möglichst weit hinauszuschieben.

„ Das ist " , sagt Gfrörer S. 703 ,

„ der erste handgreifliche

Beweis, dafs Gustav Adolph nicht blos um der Religion willen nach Deutschland herüberkam, woran man freilich unter uns vernünftiger Weise nie hätte

zweifeln sollen " .

Diese Art und Weise, ein deut-

sches Herzogtum für sich in Anspruch zu Weise einem

nehmen,

das

rechtlicher

andern deutschen Fürstenhause durch Vertrag gehört,

übertrifft an Willkür noch die Wegnahme der Festung Pillau ; und doch macht man dem Kurfürsten von Brandenburg, der so hart geschädigt werden sollte,

einen Vorwurf daraus,

dafs er sich seinem

königlichen Schwager nicht sofort in die Arme warf! Die Stadt Stettin wurde von den schwedischen Truppen besetzt und ein höherer schwedischer Offizier daselbst zum Kommandanten ernannt. Der pommersche Oberst Damitz wurde mit seinem Regimente 1200 Mann - in schwedische Dienste genommen ; dasselbe wurde wegen der Farbe seiner Fahnen das weifse genannt. Für alle die glücklichen und unerwartet eingetretenen Ereignisse ordnete Gustav zum Danke gegen Gott für den 23. Juli einen Bettag an.

Interessant ist

es,

was im Archiv I. No. 107 d . d . Feld-

lager bei Stettin 22. Juli 1630 darüber uns mitgeteilt ist . . . „ Seine Majestät befiehlt

ernstlich

und gnädigst,

dafs jeder sich dazu (zu

dem Bettage) wohl vorbereite , sich nüchtern und frei von allem Kummer halte; besonders, dafs morgen jeder von I. M. Armee und dem dazu gehörigen Volk Fasttag

halte und

Köchen, Auf- oder Verkäufern

verkehre,

weder mit Marketendern , bis

die

beiden Predigten

gehört und beendet sind. Bei höchstbemeldeter I. K. M. Ungnade und unausweichlicher Strafe ". Wir übergehen hier die einzelnen Operationen des Königs , die zur gänzlichen Okkupation von Pommern ausgeführt wurden . Nach Osten hin trat Gustav mit seinem Kanzler Oxenstierna in Verbindung, der bekanntlich mit einem Corps in Preufsen stand ; nach Westen zu wurde die Kommunikation mit Stralsund eröffnet . Alle diese Bewegungen des schwedischen Heeres waren von so viel Glück begleitet , dafs in wenigen Monaten der gröfste Teil von Pommern in Gustav Adolph's Gewalt kam und die Hauptstädte des Herzogtums, wie Anklam, Pasewalk, Stargard u . s . w. von schwedischen Truppen besetzt waren. Es

sei

nur noch

Magdeburg Verbindung

erwähnt, dafs der König um diese Zeit mit anknüpfte und

zwar durch den Markgrafen

Christian Wilhelm von Brandenburg, der vor dem Jahre 1625 luthe-

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg .

265

rischer Bischof von Magdeburg gewesen , seit Beendigung des dänischen Krieges aber abgesetzt war. Der schwedische Oberst Falkenberg wurde aufserdem nach Magdeburg geschickt , um dort zerfahrenen Verhältnisse im schwedischen Interesse zu ordnen .

Von Pommern

wandte

sich der König nach Mecklenburg ;

die

die

ursprüngliche Absicht, das Herzogtum von der Seeseite zu erobern, mufste der ungünstigen und stürmischen Witterung wegen aufgegeben werden . Bei dem Vormarsche gegen Rostock traten übrigens dem König so viele ungünstige Verhältnisse entgegen, sein Heer litt an Krankheit und Entbehrungen aller Art in so hohem Grade, dafs Gustav gezwungen wurde, das Unternehmen aufzugeben und nach Pommern . zurückzukehren , um so mehr, als die Kaiserlichen in Mecklenburg sich in ansehnlicher Zahl verstärkten.

Oxenstierna wurde beauftragt,

einen Teil des Hauptheeres von Preufsen nach Pommern zu schicken . Hierdurch verstärkt richtete Gustav seinen Marsch gegen die Kaiserlichen,

welche

sich unter dem Oberst Pehaumburg bei Garz ver-

schanzt hatten.

Ohne es auf die Waffenentscheidung ankommen zu lassen, führte dieser sein Corps über Küstrin, das ihm auf Befehl des Kurfürsten von Brandenburg die Thore öffnete, nach Frankfurt an der Oder zurück ; auf der Verfolgung der Kaiserlichen war es , wo die Schweden zum ersten Male die Mark Brandenburg berührten. Das Jahr 1630 schlofs für Gustav Adolph mit der Eroberung Pommerns ; nur Greifswald und das wichtige Colberg befanden sich zu Ende des Jahres noch in kaiserlicher Gewalt. "„ Man würde übrigens " , sagt Droysen II. 186 , „ in grofsem Irrtum sein, glaubte man, dafs wenigstens jetzt, nach den ersten glänzenden Erfolgen der Schweden,

die Stimmung in Deutschland sich

hob und man sie als Befreier festlich begrüfste .

Gustav Adolph und

sein Heer waren und blieben in diesen Gegenden Fremdlinge. " Während der König das Herzogtum Pommern mit Waffengewalt sich unterwarf,

versuchte er es,

mit anderen evangelischen Fürsten

durch Gesandte Verbindungen anzuknüpfen . Ganz besonders war ihm daran gelegen, mit den beiden bedeutendsten unter den evangelischen Fürsten, den Kurfürsten Georg von Sachsen und Georg Wilhelm von Brandenburg, Verträge abzuschliefsen, um nicht allein materiell, sondern auch moralisch dadurch unterstützt zu werden . Resultat der Unterhandlungen

Das

mit ersterem war für Gustav Adolph

nur ein negatives ; der Kurfürst verharrte auf Seite des Kaisers. Nicht glücklicher war der König hatte bereits vor seiner Landung,

mit dem Brandenburger.

Er

im Jahre 1629 , zu verschiedenen

Malen sich schriftlich an seinen Schwager gewandt, um denselben an 18 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine Band XXXVIII.

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

266

sein Interesse zu ketten.

Aber Georg Wilhelm, der die Wegnahme

von Pillau nicht verschmerzen konnte, war mifstrauisch gegen seinen Schwager. Als der König gelandet, schickte der Kurfürst Legationen an ihn ab, um ihn zu bitten, etwaige Differenzen mit dem Kaiser auf gütlichem Wege auszugleichen und forderte für sich Neutralität, die Gustav entschieden verweigerte . Eine zweite Gesandtschaft unter Führung des Herrn v. Wilmersdorf erschien bei Gustav Adolph während der Expedition nach Mecklenburg, um den König zu vermögen , dem Kurfürsten die nachgesuchte Neutralität zu gewähren.

Er

sei

aus Schweden gekommen,

sagte Gustav bei dieser Gelegenheit, und suche kein lucrum als „securitatem regni sui “ ; er könne ebensowenig zurück , wie irgend einem Fürsten Neutralität zuzusichern , auch wenn es sein Schwager sei ; "" denn das sage ich Euch klar voraus ", setzte

der König

hinzu ,

„ ich

will von keiner Neutralität

nichts S. Liebden mufs Freund oder Feind sein ; wenn ich an die Grenze komme , so mufs Sie sich warm oder kalt erklären ; hier streitet Gott oder der Teufel . Will S. Liebden es mit Gott wissen, noch hören.

halten,

wohl,

so trete Sie zu mir ; will Sie es aber lieber mit dem

Teufel halten , so mufs Sie fürwahr mit mir fechten ; tertium non dabitur ; dessen seid gewifs. Was ist überhaupt Neutralität ? Ich verstehe es nicht, solch ein Ding ist doch nichts als lauter Quisquiliae, die der Wind aufhebt und wegweht. " *) Und als ihm Wilmersdorf bedeutete, dafs er der Stadt Danzig Neutralität zugesichert habe, antwortete der König : ja wohl, denn da war es zu meinem Vorteile ". Aber Brandenburg wollte er die Gunst der Neutralität nicht zugestehen ; Brandenburg müsse sich mit ihm vereinigen, sonst verstände er sich zu nichts . Damit wurde Wilmersdorf entlassen . In

seiner Not wandte sich Georg Wilhelm an den Kurfürsten

von Sachsen,

der sich in gleicher Lage

befand und berief, da er

auch von diesem keine genügende Antwort erhielt, die Angesehensten seiner Stände nach Berlin . schen Generals Banner,

Bis auf den Schwager des schwedi-

Curt v. Pfuel, der zu einer Verbindung mit

Schweden riet, war man einstimmig der Ansicht :

„weder mit dem

Kaiser noch mit dem Schweden solle man sich in Konjunkturen einlassen, sich des Krieges weder offensiv noch defensiv teilhaftig machen, vielmehr in des Kaisers Devotion verbleiben und sich mit Sachsen in Verbindung halten "

mit anderen Worten neutral bleiben .

Aber

Gustav hatte bereits wiederholt erklärt, Brandenburg die Neutralität nicht konzedieren zu können, ―― weil sie ihm nichts nutzen konnte.

*) Droysen II . 225.

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

267

Georg Wilhelm befand sich in einer sehr schwierigen Lage. Ein durchaus ehrlicher und aufrichtiger Charakter, hatte er die Pläne seines Schwagers genügend durchschaut und die Ueberzeugung gewonnen, dafs es sich bei denselben einzig und allein um politische Interessen handele. Warum sollte er vom Kaiser abfallen, um einem fremden König bei der Durchführung politischer Ideen behülflich zu sein? und wenn er es that, welchen Dank hatte er vom Schweden zu erwarten? Wir können mithin den Kurfürsten nicht anklagen, dafs er unter den Verhältnissen, wie sie wirklich lagen, nicht sofort und gutwillig auf Seite Schwedens trat ; ja wir gehen sogar weiter und behaupten, der Schritt wäre , wenn er erfolgte, ein unnatürlicher gewesen. Dafs man von gewisser Seite her den Kurfürsten Georg Wilhelm einer grofsen Schwäche beschuldigt, ihm sogar Mangel an Interesse für die Sache der Evangelischen vorgeworfen hat, zeugt von Unkenntnis der wirklichen Sachlage , und ist ein Beweis,

dafs

man die Dinge von einem engherzigen, weil ausschliefslich konfessionellen Standpunkte aus beurtheilt. Zur Charakterisierung der Verhältnisse mag hier noch angeführt werden, dafs auch andere deutsche Fürsten bei Gustav Adolph um Neutralität nachsuchten ; so erschienen im November 1630 Bevollmächtigte der Grafen von Oldenburg mit demselben Gesuche, wurden aber ebenfalls abgewiesen : denn Gustav Adolph handelte nach dem biblischen Spruche : „ Wer nicht mit mir ist, ist wider mich. "

Nur

der Landgraf Wilhelm von Hessen-Cassel ging offen zu Gustav Adolph über, wohl besonders aus Rache, weil der Kaiser einen Erbstreit zwischen ihm und Darmstadt zu Gunsten des letzteren entschieden hatte. Um die deutschen Fürsten leichter und rascher zum Abschlusse eines Bündnisses mit dem Könige zu bewegen, verpflichtete sich derselbe jenen gegenüber, ihnen alle Eroberungen zu garantieren , welche sie mit den eigenen Truppen in den Landen der Liga machen würden. „Wie 200 Jahre später Napoleon " , bemerkt hier Gfrörer, „ bewaffnete Gustav Deutsche gegen Deutsche durch das Reizmittel der Habsucht. " Es ist bereits erwähnt, dafs Gustav Adolph nach Vertreibung der Kaiserlichen aus Garz und dem Abzuge derselben nach Frankfurt a. Oder zum ersten Male kurbrandenburgisches Gebiet berührte. Georg Wilhelm geriet darüber in „nicht geringe Perplexität " , um so mehr, als der König jetzt die bestimmte Forderung an den Kurfürsten stellte , ihm den Pafs bei Küstrin zu übergeben .

Es fanden 18*

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

268

darüber längere Verhandlungen zwischen dem brandenburgischen Gesandten Kanzler Götze und Gustav Adolph, sowie zwischen dem schwedischen Oberst Mützlaf und dem Kurfürsten statt. Trotz aller Anstrengungen des schwedischen Königs und seiner Gesandten gelang es nicht, die Standhaftigkeit des Kurfürsten zu erschüttern und ihn in seinem Entschlusse, sich vorläufig völlig neutral zu halten, wankend zu machen. Den schwedischen Oberst entliefs der Kurfürst mit der Antwort,

dafs es ihm rein unmöglich sei, mit dem Kaiser

zu brechen und sich offen mit dessen Feinde zu verbinden ; Wissen und Willen seines Kriegsobersten

ohne

Georg von Sachsen-

und der evangelischen Mitstände könne er eine solche Verbindung erst recht nicht eingehen .

Gustav Adolph möge aber von offenen

Feindseligkeiten gegen ihn abstehen, da er zu bedenken habe, welch schlimmen Eindruck ein solches Verfahren auf alle Evangelischen machen würde". Nicht günstiger verliefen die Unterhandlungen des Königs mit Georg von Sachsen ; auch dieser war trotz wiederholter Unterhandlungen nicht zu bewegen, ein Bündnis mit Gustav abzuschliessen .

Als Ersatz für seine diplomatische Niederlage bei den evangelischen Fürsten des Deutschen Reiches

kann das schwedisch-fran-

zösische Bündnis gelten, welches zwischen dem König und dem französischen katholischen Kardinal Richelieu zu Bärwalde in dieser Zeit abgeschlossen wurde. Danach zahlte Frankreich eine reichliche Geldunterstützung in der Höhe von 400 000 Thaler an Schweden , dieses dagegen verpflichtete sich " zur Bekämpfung des Kaisers, zur Sicherung der Ostsee und des offenen Meeres , zur Freiheit des Handels und Aufrechthaltung anderer materieller Interessen " eine Armee von 30 000 Mann zu Fufs und 6 000 zu Pferde zu halten. Um die noch in der Gewalt der Kaiserlichen befindlichen festen Plätze zu erobern und so der Armee beim weiteren Vormarsch den Rücken zu decken , marschierte Gustav Adolph nun, von dem südlich Stettin gelegenen Garz aufbrechend, über Neubrandenburg und Treptow gegen das wichtige Demmin, das nach nur 3 tägiger Belagerung die Thore öffnete . *) Von Demmin aus wurde die Belagerung von Greifswald

eingeleitet ,

die

indessen

nicht so

rasch von

statten

ging, da sich der kaiserliche Kommandant Perusi wider Erwarten zu halten und den ihm anvertrauten Posten mit Geschick und Energie zu verteidigen verstand.

Doch fiel das wichtige Kolberg nach

*) Interessant dürfte die Bemerkung sein, dafs ein Rittmeister Moltke, aus Mecklenburg stammend, mit einigen 100 Reitern einen Handstreich auf Malchin ausführte und die kleine Festung auf diese Weise in schwedische Gewalt brachte.

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

269

fünfmonatlicher tapferer Verteidigung seitens des Oberstlieutenants Franz v. Mors in die Hände der Schweden . Man fand daselbst 40 Geschütze , 200 Tonnen Kraut, viel Salpeter und Munition, während die Besatzung mit „ Sack und Pack, brennenden Lunten , fliegenden Fahnen, 2 Cornet Reitern , 9 Compagnieen zu Fufs und 2 Stück “ abzog. Die Lage änderte sich für Gustav Adolph mit einem Schlage, als Tilly, der bis dahin unthätig in Sachsen und den thüringischen Staaten gestanden , mit einem starken Corps nordwärts ins Brandenburgische rückte und, trotz der Scheinbewegungen des Königs , auf Frankfurt a. d . Oder losmarschierte, woselbst er anfangs Januar 1631 eintraf.

Zum ersten Male stand der alte liguistische General einem

schwedischen Truppen-Corps unter Horn bei Soldin gegenüber, während Gustav zur selben Zeit bei Pasewalk und Prenzlau operierte . Aus Besorgnis, Horn könne von dem namentlich an Kavallerie stärkeren Tilly in seinen Cantonnements überfallen werden , erteilte der König seinem General den Befehl, seine Truppen weiter rückwärts Doch an einen Ueberfall nach Stargard und Pyritz zu verlegen. dachte Tilly nicht. Nachdem Frankfurt und Landsberg in Verteidigungszustand gesetzt waren, beschlofs der liguistische General, sich gegen Gustav Adolph zu wenden,

aber nicht auf direktem Wege,

sondern im weiten Bogen ausholend , ohne allen Zweifel in der Absicht, um den schwedischen König über den eigentlichen Zweck und den ferneren Verlauf der Operationen im Ungewissen zu halten . Danach marschierte Tilly von Frankfurt über Fürstenwalde nach Brandenburg an der Havel, verstärkte sich dort, schwenkte mit etwa 25 000 Mann rechts nach Norden ab, drang über Neu-Ruppin in's Mecklenburgische ein und erschien unerwartet vor Neu-Brandenburg, das der schwedische General Knipphausen besetzt hielt. Die Stadt fiel, ehe es Gustav gelungen war, von dem benachbarten Pasewalk zum Entsatze heranzukommen. Trotz dieses unzweifelhaft erheblichen Erfolges

trat

Tilly den Rückzug gegen Magdeburg an ,

während

Gustav Adolph sich anschickte, Frankfurt a. d . Oder zu erobern . Um dies bewerkstelligen zu können, trat er mit dem brandenburgischen Oberst Kracht, dem Kommandanten von Küstrin, in Verbindung, mit der Forderung, ihm den Pafs von Küstrin zu überliefern. Nach anfänglicher Weigerung kam Oberst Kracht der Forderung nach, als der König eine deutlichere Sprache zu reden begann . Schon nach 3 tägiger Belagerung fiel diese wichtige Oderfestung in die Hände der Schweden ; dem allgemeinen Gebrauche folgend , mufste Gustav eine mehrstündige Plünderung der eroberten Stadt den Soldaten zuge-

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager

270 stehen ,

und doch waren

vielmehr Sache !

dem

gröfsten

die Bürger Teile

nach

ihm nicht feindlich gesinnt, Anhänger

der

evangelischen

Bald sollte auch das wichtige Landsberg in schwedische Ge-

walt fallen.

Im Besitze der Festung Frankfurt schrieb Gustav Adolph

an den Kurfürsten von Brandenburg :

er

könne

sich

doch nun der

Hoffnung hingeben, dafs er sich mit ihm verbinden und ihm die geforderten Pässe übergeben werde.

Der Kurfürst

war jedoch nicht

geneigt, weder das eine noch das andere zu thun . Die evangelischen Fürsten nämlich hatten sich in Leipzig zu einem Konvente zusammengefunden, um über ihre fernere Stellung dem Kaiser und Gustav Adolph gegenüber unter einander in Beratung zu treten . die meisten evangelischen Fürsten,

So wenig nämlich

darunter Sachsen und Branden-

burg, geneigt waren, auf Seite des Schweden zu treten, ebensowenig waren sie gewillt,

zu den von dem Kaiser getroffenen Institutionen ,

wozu das Restitutionsedikt gehörte,

so ohne weiteres zu schweigen.

Sie beschlossen, dem Kaiser in „ devotester Weise" Vorstellung darüber zu machen ; doch wurde ein von den versammelten Fürsten zu Leipzig unterzeichnetes Manifest vom Kaiser abgewiesen und die Unterzeichner an ihre Pflichten erinnert. Um gegen alle Eventualitäten gesichert zu sein, beschlofs man, Werbungen in gröfserem Maſse als bisher vorzunehmen ;

so versprach Sachsen 11 000 Mann ; Bran-

denburg 4000 Mann zu Fufs und 1000 zu Pferde. Bund,

den man

Der so geschlossene

wohl den „ neuen schmalkaldischen Bund" nannte,

sollte zum Schutze der augsburgischen Konfession dienen, reine Defensionsverfassung haben.

also eine

Gustav Adolph hatte zu Leipzig Versuche gemacht, die evangelischen Fürsten zu sich hinüberzuziehen ; mufste ihm doch sehr daran liegen, bevor er zum Angriff der kaiserlichen Heere schritt, der Hilfe und der Unterstützung von Sachsen und Brandenburg versichert zu sein . Aber bei allem Eifer und Gewandtheit gelang es den schwedischen Gesandten Grafen Solms und Chemnitz nicht, die Evangelischen von der ihnen seitens des Kaisers drohenden Gefahr zu überzeugen und sie auf Gustavs Seite zu ziehen.

Im Namen des Kon-

vents schrieb Johann Georg dem König , daſs er ihm für die gegebenen Freundschaftsversicherungen danke, indessen der Ansicht sei, dafs die evangelischen Fürsten auf gütlichem Wege durch Unterhandlungen mit dem Kaiser sich verständigen würden ; er habe bereits im Namen der übrigen in Schritte gethan.

Leipzig

versammelten

Fürsten

dazu

die

nötigen

Doch Gustav Adolph liefs sich durch diese abweisende Antwort in seinem Vorhaben nicht irre machen . Er mufste unter allen Um-

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

271

ständen jetzt, wo seine Marschroute durch Brandenburg führte, zunächst mit dem Kurfürsten Georg Wilhelm auf friedlichem Wege ins Reine

kommen,

um dann später mit Georg von Sachsen sein Ver-

hältnis ordnen zu können .

Bei dem so traurigen und verwahrlosten

Zustande des brandenburgischen Heerwesens

und

im Besitze

der

wichtigsten festen Plätze wie Colberg, Frankfurt und Landsberg, wodurch der Rücken des schwedischen Heeres völlig gedeckt war, wäre. es dem Könige ein leichtes gewesen, gewalt

zu einem Bündnisse

zu

seinen Schwager mit Waffen-

zwingen.

Aber Gustav vermied es

immer noch, diesen Weg zu beschreiten und knüpfte immer von neuem wieder Unterhandlungen an. Damit verging die Zeit, ohne dafs der Zweck erreicht wurde .

Und gerade jetzt, wo die Lage der

Festung Magdeburg immer kritischer und ernsthafter wurde, muſste dem König daran liegen, so rasch als möglich seinen Schwager auf seine Seite zu ziehen ; jeder Tag, Bündnisses mit dem Kurfürsten

den er bei dem Abschlusse eines

gewann,

bringen, der sich gar nicht berechnen liefs.

konnte ihm einen Gewinn Magdeburg war die Parole

der damaligen Zeit ; der Verlust dieses Bollwerks konnte für Gustav und sein Heer der Untergang,

das Ende sein !

Trotz aller Erfolge , die der König bis dahin über eine Feinde davongetragen, befand sich derselbe in einer höchst mifslichen Lage. Abgesehen davon,

dafs er selbst in dieser Zeit über den schwachen

Stand seines Heeres, namentlich der Kavallerie, über das Ausbleiben der Unterstützungen an Geld und Proviant aus Schweden und Pommern Klage führt, wurde er immer dringender aufgefordert, der bedrängten Stadt und kommen.

Festung Magdeburg nun endlich zu Hülfe zu

Da Gustav die Überzeugung gewann, dafs auf dem Wege

der Güte mit seinem Schwager ein Abkommen nicht zu treffen war , beschritt er den Weg, den den Weg der Gewalt.

er bis dahin ängstlich vermieden hatte,

Ohne

von dem kurfürstlichen Schwager die

Erlaubnis des Durchzuges durch Brandenburg zu haben, trat er am 17. April 1631 von Landsberg aus den Vormarsch gegen die Residenz des Kurfürsten , gegen Berlin ,

an.

Als

er am 21. April in

Küstrin ankam, erschien vor ihm der brandenburgische Gesandte, Kanzler Götze, um ihm die Mitteilung zu machen, dafs der Kurfürst einer Verbindung mit ihm nicht prinzipaliter abgeneigt sei , ihm aber die „ absolute Administration des ganzen Kriegswesens " nicht überlassen könne und er ebenso , wie die übrigen evangelischen Fürsten des Leipziger Konvents , „ ein imperium a part " verlangen müsse. Gustav Adolph,

der die Wirkung seines Vormarsches schon merle,

ging darauf nicht ein und marschierte weiter ;

er verlangte den un-

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager ,

272

summum imperium".

geteilten Oberbefehl, das

In seiner Not wies

der Kurfürst den Obersten Kracht in Küstrin an, den Schweden Paſs Indessen genügte dem König diese Erlaubnis nicht mehr ; er forderte jetzt die Festung Küstrin selbst und das

und Repafs zu gestatten.

wichtige Spandau dazu , "" da er bei seinem weiteren Vordringen den Platz nicht im Rücken lassen könne, ohne eigene Besatzung darin zu haben " .*) In Frankfurt meldeten sich neue Gesandte bei ihm, bereit , die Unterhandlungen wieder aufzunehmen ; er entliefs sie jedoch mit dem Bescheide , dem Kurfürsten zu melden, dafs er in kürzester Zeit vor seiner Residenz einzutreffen gedenke. Am 1. Mai zog Gustav sein Heer um Köpenick zusammen und schickte von hier aus den Grafen Ortenburg an den Kurfürsten , um ihn zur Übergabe der Festung Küstrin zu bewegen ; folg.

Mit dem Auftrage,

doch

ohne Er-

der Forderung etwas mehr Nachdruck zu

geben, wurden General Horn und Hofrath Steinberg nach Berlin gesandt. Die Mission dieser Herren hatte eine Zusammenkunft derselben mit dem brandenburgischen Kanzler v. Götze , den Räten Levin v. Knesebeck und Kurt Bertram v. Pfuel zur Folge, aber auch jetzt ohne Erfolg ; denn die Brandenburger hielten daran fest und bestanden darauf, Spandau und Küstrin mit eigenen Truppen zu besetzen, verstanden sich aber schliesslich dazu, Spandau in dem Falle der schwedischen Armee zu öffnen, wenn dieselbe geschlagen den Rückzug anzutreten gezwungen werde. mehr .

Das Erfolglose

Diese Antwort genügte dem Könige nicht

der Unterhandlungen der beiderseitigen Ge-

sandten einsehend, verlangte Gustav eine persönliche Zusammenkunft mit Georg Wilhelm selbst, die auch seitens des Kurfürsten bewilligt wurde. Am 3. Mai brach der König mit 1000 Musketieren, 3 Schwadronen und 5 Regimentsstäben von Köpenick gegen Berlin auf; 1/4 Stunde davon entfernt trafen der König und der Kurfürst in Begleitung seiner Gemahlin und seines ganzen Hofes in einem Wäldlein " zusammen. Als auch hier noch kein Abkommen erfolgte, wollte Gustav Adolph kurz entschlossen nach Köpenick zurück und gab zu verstehen,

dafs er an der Spitze seiner Armee zurückkehren werde.

Auf Bitten der kurfürstlichen Damen stand er nicht allein davon ab, sondern er war liebenswürdig genug, einer Einladung nach Berlin zu folgen. Am 3. Mai abends erschien er mit 1000 Mann in der kurfürstlichen Residenz und übernachtete auf dem Schlosse ; zugleich aber wurde dem in Köpenick lagernden Heere der Befehl erteilt, den Vormarsch gegen Berlin unverweilt anzutreten, was

*) Droysen II. 299.

auch geschah ;

am 4. Mai

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

273

erschien das schwedische Heer vor der Residenz Berlin .

So wurden,

während draufsen vor den Thoren schwedische Truppen biwakierten , die Unterhandlungen fortgesetzt und, wie sich von selbst versteht , zu einem

für

Schweden günstigen Abschlusse

geführt.

Der Kurfürst

willigte in die Übergabe der Festung Spandau und wies

den bran-

denburgischen Kommandanten daselbst an, dem schwedischen Feldmarschall Horn die Thore zu öffnen und sich diesem im Falle einer Defensive

des

Platzes

unterzuordnen .

Gustav Adolph, Spandau

Dagegen

verpflichtete

sich

an den Kurfürsten wieder herauszugeben ,

sobald Magdeburg entsetzt,

das

schwedische Heer in Sicherheit ge-

bracht und dessen etwaiger Rückzug nicht gefährdet sei .

Es wurde.

dann eine „ Formula des Eides " entworfen, die von den brandenburgischen Truppen in Spandau beschworen wurde .

Dieses interessante

Aktenstück hat nach Droysen II. 302 folgenden Wortlaut : „ Nachdem die Königliche Majestät in Schweden und Churfürstliche Durchlaucht zu Brandenburg,

unsere gnädigste Herrn, sich mit ein-

ander freundlichst (!) dahin verglichen,

dafs die königliche Majestät

in Schweden uns in diese Festung zur Defension derselbigen eingelegt, als schwören wir hiemit zu Gott einen leiblichen Eid, dafs wir solche Festung bis auf den

äufsersten Tropfen unseres Blutes zu

Ihrer Königlichen Majestät Dienst und Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht

als

des

rechten Erbherrn ,

auch alles das übrige,

so

derselbigen

Bestem defendiren ,

in der zwischen Ihre Königliche Majestät

und Churfürstliche Durchlaucht aufgerichtete Kapitulation enthalten und verglichen, stet, fest und unverbrüchlich halten : dawider weder von uns selbst nicht handeln,

noch

andern,

so uns untergeben,

zu

handeln verstatten wollen ; da auch, welches Gott gnädiglich verhüten, mit Ihrer Königlichen Majestät

ein unverhoffter Fall

sich

begeben

sollte, so wollen wir alsdann auf Sr. Churfürstlichen Durchlaucht und dero Nachkommen , alleine sehen , dero commando folgen und derselbigen allein verbunden bleiben, so wahr uns Gott helfe, durch Christum seinen Sohn . " Am 6. Mai rückten die Schweden in Spandau ein ; Oberst Axel Lilie wurde zum Kommandanten daselbst ernannt und ihm vom Könige

die

Weisung

Festung" zu bleiben.

gegeben , unter allen Umständen „ Herr der Gustav aber traf am 7. in Potsdam ein , um

von hier aus, wie er vorgab, dem hartbedrängten Magdeburg zu Hülfe zu kommen, was er bei der räumlichen Entfernung der beiden Orte von einander in 2 Tagen ausführen konnte . Er that es nicht. - Es ist hier nicht der Ort , die Gründe zu untersuchen , veranlassten,

die

den König

den Weitermarsch einzustellen ; genug, dafs nach dem

274

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

Falle von Magdeburg die öffentliche Meinung sich so sehr gegen den König wandte ,

dafs er es für nötig fand , in einer „ Apologie " sich

zu rechtfertigen.*)

Er wälzte die Schuld des Falles von Magdeburg

von sich ab auf die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg , „ die sich beide also erwiesen , dafs er nicht habe wissen können , ob sie Freund oder Feind seien ". Was nun Georg Wilhelm betrifft, so sei hier in Kürze daran erinnert , dafs Gustav Adolph so frühzeitig Herr der Festungen , also auch des Landes und einer etwaigen Rückzugslinie war, dafs er genügend Zeit hatte , den Vormarsch gegen Magdeburg rechtzeitig anzutreten , um , wenn auch erst in der elften Stunde , der hart bedrängten Stadt , die den König mehr als ein mal zur Eile gemahnt hatte , den so willkommenen Entsatz zu leisten . Auch der Grund des Königs , „ er sei deshalb nicht direkt auf Magdeburg marschiert, weil die erschöpften Marken seine Truppen nicht zu ernähren im stande waren, " ist deshalb, wie Gfrörer richtig bemerkt, nicht stichhaltig, weil Gustav Adolph nach dem Falle von Magdeburg in eben denselben Marken mehrere Wochen mit seinem Heere stehen blieb und ohne Zufuhr von anderswoher aus denselben seine Truppen verpflegen musste .

Die Gründe

des Nichterscheinens

des Königs vor

der belagerten Stadt dürften ganz wo anders , als in der räumlichen und zeitlichen Unmöglichkeit zu suchen sein ! Nach dem Falle von Magdeburg konnte die Situation des Königs insofern eine sehr ungünstige werden , wenn der siegreiche Tilly in rascher Ausbeutung des aufserordentlichen Erfolges , wie es die Eroberung von Magdeburg zu jener Zeit immerhin war, sich rasch und energisch gegen ihn gewandt hätte.

Das geschah

nun nicht und

Gustav Adolph fand Zeit genug , seine Apologie zu schreiben und die Verhandlungen mit seinem widerspenstigen Schwager wegen der endgültigen Uebergabe aller Festungen und eines definitiven Schutzund Trutzbündnisses aufs neue zu beginnen . Georg Wilhelm forderte nach dem Falle Magdeburgs mit Fug und Recht seine Festung Spandau zurück ; der König erklärte sich scheinbar bereit , die Festung herauszugeben, ging sogar noch einen bedeutenden Schritt weiter und erklärte ,

ganz Kurbrandenburg

aufgeben

und sich hinter die Oder

zurückziehen zu wollen , damit der siegreiche Tilly das verlassene Kurfürstentum ohne Widerstand zu finden , einnehmen könne. Diese Sprache erschreckte den Berliner Hof, der wegen seiner mit Gustav

*) Vergl. die Broschüre : Kurzer aber gegründeter Bericht | Warumb die Königl. | Majestät zu Schweden | der Stadt Magdeburg nicht | secundiren können “. 1631 .

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

275

abgeschlossenen Konvention den General Tilly fürchtete ; daher Georg Wilhelm durch seine Gesandten Curt v. Pfuel und Levin v. Knesebeck den König bitten liefs

zu

bleiben ,

um

nötigenfalls

die kur-

fürstlichen Lande zu schützen. Der König glaubte aus dieser ihm günstigen Stimmung Kapital schlagen zu können und schickte den Grafen Ortenburg nach Berlin, um direckt und offen ein enges Bündnis und

eine „ kategorische Resolution " zu fordern .

Darauf wollte man

in Berlin nicht eingehen. Man gab zur Antwort , dafs der Kurfürst an und für sich einem Bündnisse mit ihm nicht abgeneigt sei , indessen könne man sich nicht gut von den evangelischen Fürsten trennen und müsse vor allen Dingen erst die Ansicht und den Rat des Kurfürsten von Sachsen einholen.

Gustav Adolph ,

der merkte,

dafs die Drohung mit dem Abmarsche der schwedischen Truppen nicht mehr auf den Kurfürsten wirkte , war zufriedengestellt , als er von seinem Schwager bis

zum Eintreffen der Antwort Kursachsens

die Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes zugesichert erhielt. diese Antwort eintraf, über die

liefs Georg Wilhelm

hart bedrängte Lage

zu

dem Könige wiederholt

seines Kurfürstentums Vorstellungen

machen, wie das Land unmöglich schwedischen Truppen

Ehe

im stande sei ,

ernähren .

noch länger die

Der Kurfürst

übertrieb nicht,

sondern sprach der Wirklichkeit gemäfs ; seit mehreren Wochen schon lagen die Schweden in den Marken , nachdem vorher die Mannsfeldschen Schaaren und die kaiserlichen Heere das Land durchzogen und ausgesogen hatten. Als endlich die absagende Antwort von Sachsen bei Georg Wilhelm eingetroffen war ,

bat er den König ,

das auszuführen , was er

ihm selber vorgeschlagen habe , d . h. seine Truppen hinter die Oder zurückzuführen .

Jetzt aber verweigerte der König dies.

Noch ein-

mal versuchte er es, die streitige Angelegenheit auf friedlichem Wege zu ordnen , indem

er die Kurfürsten bat , die Vermittelung in der

Sache zu übernehmen, eine Bitte, die seitens dieser abgelehnt wurde . Da auf diesem Wege

nichts

auszurichten

war ,

so nahm

Gustav

Adolph, der den Willen hatte, die einmal gewonnene Position nicht wieder herauszugeben , eine drohende Sprache an und erklärte dem Kurfürsten, er möge sich bis zum 7. Juni resolvieren , ob er Freund oder Feind sein wolle ; wäre die "" Resolution " dann nicht da , so werde er ihn feindlich behandeln . Der Kurfürst aber, sich auf den geschlossenen Vertrag stützend , blieb bei seiner ursprünglichen Forderung und verlangte Spandau.

Da schrieb Gustav Adolph noch am

Abend des 8. Juni dem Kurfürsten einen Aufsagebrief und erklärte ihm , morgen zwischen 7 und 8 Uhr werde er Spandau räumen ;

er

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,

276

habe nichts dagegen einzuwenden , wenn er die Festung wieder besetzte ; indessen sei hiermit die Freundschaft zwischen Schweden und Brandenburg gekündigt ; der Kurfürst werde von jetzt an als Feind behandelt. Wirklich verliefs am 9. Juni morgens die schwedische Besatzung Spandau, an deren Stelle sofort brandenburgische Truppen einrückten . Gustav Adolph, entschlossen , der Ungewissheit in seiner Lage und dem Zögern des Schwagers ein Ende zu machen , marschierte mit seiner Heeresmacht direkt auf Berlin zu, woselbst sich der Kurfürst mit seinem Hofe aufhielt ; Munition und Geschütz wurden auf einigen Der König 20 Schiffen auf der Havel und Spree nachgeführt. stellte seine Truppen vor Berlin auf, ordnete die Regimentsstücke und liefs sie laden. Die Schiffe legten am Unterbaum an. Nachdem diese Vorbereitungen getroffen, wurde ein Trompeter in die Stadt geschickt, um dem Kurfürsten die Aufforderung zu überbringen , augenblicklich die Thore der Stadt zu öffnen , wenn nicht, würde man den Eingang Georg Wilhelm sandte Curt Bertram v. Pfuel

mit Gewalt erzwingen .

heraus , der aber von Gustav „ schlecht abgewiesen " wurde. Darauf öffnete man die Thore , „ die kurfürstliche Frau Mutter , alle fürstlichen Frauen und Fräulein " zogen hinaus ins schwedische Lager, das sich von der Hasenhaide bis zur Stadtmauer ausdehnte , den König bittend,

nichts feindliches gegen die Residenz

zu beginnen ;

" wobei die alte pfälzische Frau Wittib das Beste gethan" . Gustav Adolph versprach es ; am Nachmittage erschien der Kurfürst selbst und gab zu den von Schweden aufgestellten Forderungen seine Einwilligung. Am Abend wurde zur Feier der „glücklichen Versöhnung “ ein Fest im Lusthause des Kurfürsten gegeben ; mehrere Male trank Gustav in heiterer Laune auf das Wohl Ihrer Kurfürstlichen Durchlaucht. Am anderen Morgen fuhr der König in einem Kahne über die Spree

und liefs

Regimentsstücke lösen.

und Feier des Tages die Nach Gfrörer hatte man vergessen, die Stücke

zur Verherrlichung

zu entladen , und so schossen etwa 40 derselben scharf gegen die Stadt ; 6 Dreifsigpfünder schlugen teils im Schlosse, teils in den benachbarten Häusern ein, ohne indessen Menschen zu verletzen. Der König entschuldigte diesen unangenehmen Vorfall bei dem Kurfürsten und schob die Schuld davon auf angetrunkene Kanoniere . *) Am 11. Juni 1631 wurde der eigentliche Vertrag abgeschlossen, wonach Gustav Adolph während des ganzen Krieges das Besatzungsrecht von Spandau

behielt ,

in Bezug auf Küstrin ihm der Durch-

*) Gfrörer 823 und Droysen II. 352 ff.

277

dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.

marsch mit gröfseren und kleineren Truppenmassen gestattet,

auch

ihm das Recht zugestanden wurde , daselbst schwedische Truppen zu halten. Der brandenburgische Kommandant von Spandau, sowie die ganze brandenburgische Besatzung schwört dem Könige den Eid der Treue , der sie verpflichtet, ihn im Falle der Not aufzunehmen und sich unter seinen Oberbefehl zu stellen. Der Kurfürst kann auf eigene Rechnung Volk anwerben , jedoch verpflichtet er sich , dem Könige in dem Kurfürstentume hinsichtlich der Werbung freie Hand zu lassen und denjenigen Brandenburgern, die den Dienst des Kurfürsten mit dem des Königs vertauschen wollen ,

nicht hinderlich

zu sein. Es sei hierbei erwähnt, dafs Archenholz aus einem schwediscchen Archive mitteilt, Gustav Adolph habe eine Verbindung seiner Tochter Christina mit dem Sohne Georg Wilhelms, dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm, dem nachherigen grofsen Kurfürsten, geplant und habe Versuche gemacht, seinen Schwager für das Projekt günstig und geneigt Vom Standpunkte der Politik aus wäre eine Verbindung Kurbrandenburgs mit dem damals so mächtigen Schweden durchaus vorteilhaft gewesen, und wir sehen hieraus wiederum, welch hohen

zu stimmen.

Wert Gustav Adolph

auf eine Verbindung seines Königshauses mit

einem deutschen Fürstenhause, speziell Kurbrandenburg, legte. Daſs dieselbe nicht zu stande kam , legt Zeugnis dafür ab , wie tief bei Georg Wilhelm die Abneigung gegen seinen

königlichen Schwager

Wurzel geschlagen hatte, um so mehr, wenn man bedenkt , daſs derselbe Georg Wilhelm der Verheiratung seiner Schwester Maria Eleonora mit Gustav Adolph einstens ebenfalls nicht zugethan war. Am 12. Juni rückten wieder schwedische Truppen in Spandau ein und blieben auch während des ganzen Krieges dort.

Der Kurfürst

sollte noch 9 Jahre lang Zeuge der schrecklichen Leiden und Drangsale aller Art sein, die sein brandenburgisches Land von den befreundeten Schweden zu erdulden hatte.

Schon zu des Königs Lebzeiten

begann die Disziplin im schwedischen Heere lockerer zu werden ; aber sein kräftiger Arm fuhr noch ab und zu recht fühlbar zwischen die rohe Soldateska und raubgierigen Landsknechte und brachte sie zur Raison ;

als

aber der König auf dem Schlachtfelde bei Lützen

seinen Geist ausgehaucht hatte , wurde sein anfangs so sehr wegen Zucht und Disziplin gerühmtes Heer unter Generalen wie Banner, dem Herzog Bernhard von Weimar und Torstenson , der Schrecken der Einwohner unserer deutschen Gauen ; der " Schwedentrank" ist als grauenhaftes abscheuliches Inquisitionsmittel in manchen Gegenden noch im Gedächtnisse der Bevölkerung, und der Ruf „der Schwede

278

Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager etc.

kommt" galt noch 100 Jahre und länger , ja ,

gilt heute

noch in

einigen deutschen Landen als wirksames Schreckmittel. Es ist nicht

unsere Aufgabe ,

hier

den weiteren Verlauf des

Krieges, wie er sich nach dem Abschlusse des Bündnisses zwischen Georg Wilhelm und Gustav Adolph gestaltete , zu Kurfürst starb am 1. Dezember 1640. Sein Sohn , Friedrich Wilhelm ,

übernahm ,

und unter den denkbar

erzählen . Der der Kronprinz

20 Jahre alt , in schwierigster Lage

ungünstigsten Verhältnissen die Regierung.

Seine erste Sorge war, mit den Schweden ein Abkommen dahin zu schliefsen ,

dafs seine Marken so weit wie möglich bei den Durch-

zügen u. s . w. geschont blieben ;

ferner war er bestrebt ,

sich

ein

stehendes Truppencorps zu schaffen , was ihm denn auch nach und nach unter Mühen und grofsen Anstrengungen gelang. Im

westfälischen

Frieden ,

in

welchem

Schweden ganz Vor-

pommern nebst Rügen, von Hinterpommern die Städte Stettin, Garz, Damm u. s. w. erwarb, erhielt der Kurfürst Friedrich Wilhelm den Rest von Pommern ,

und als Entschädigung von Vorpommern ,

welches sein Haus ,

wie

oben bereits erwähnt ,

auf

ein Erbrecht hatte,

die Bistümer Halberstadt, Minden, Kammin und Magdeburg als Herzogtum . Wunderbare Fügung in der Geschichte !

Der Vater Georg Wil-

helm wird in seiner Residenz Berlin durch schwedische Truppen und schwedische Regimentsstücke gezwungen , mit dem Könige des nordischen Reiches ein Bündnis zu schliefsen und einem fremden Herrscher seine Festungen

zur Aufnahme

ausländischer

Söldlinge zu

öffnen . Der 11jährige Sohn aber, Kronprinz Friedrich Wilhelm, der Zeuge gewesen, wie fremdes Kriegsvolk vor den Thoren der Residenz gelagert, und der angesehen hat, dafs ausländische Söldnerschaaren die eigenen vaterländischen Fluren raubend

und plündernd durchzogen,

erringt sich den Beinamen „ grofser Kurfürst “ , indem er die Schaaren desselben nordischen Reiches ,

welche auf Veranlassung Frankreichs

in die Marken einfielen, in der Schlacht bei Fehrbellin siegreich aufs Haupt schlägt und die in Preufsen eingedrungenen Schweden in einem späteren Winterfeldzuge nach Liefland zurücktreibt !

279

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

XXIII .

Die römische Kriegszucht

bis

zum Ende

der Republik.

Von F. Hoenig , Hauptmann a. D. (Fortsetzung.) IV .

Bis zur Militärreform des Marius .

Beim Tode des Servius Tullius zählte, wie erwähnt, das römische Heer beider Kategorieen ungefähr 20 000 Mann . der Unterwerfung Italiens

Als Rom kurz vor

(im letzten Samniterkriege

und in

dem

gegen Pyrrhus) diesen Gegnern gegenüber vor der Frage stand „ Sein oder Nichtsein " , brachte es die verhältnismäfsig ungeheure Ziffer von 60 000 Mann auf ; ihnen folgten weitere 40 000 Mann als Unter diesen 100 000 Mann sind die Besatzungstruppen Reserve. vom 47. bis 60. Jahre nicht mitgerechnet ; dabei muss man ferner bedenken , dafs Etrurien und Unteritalien noch Gegner Roms waren. Wie hoch die Bevölkerung des Reiches

um jene Zeit war ,

kann

nicht angegeben werden ; jedenfalls war aber das Verhältnis der ansässigen und nichtansässigen, sowie des Proletariats zu den römischen Bürgern im Heere schon zu Ungunsten der letzteren ausgefallen . Nach und nach wurden die servianischen und rullianischen Militärgesetze

auf die

unterworfenen

Stämme

ausgedehnt.

Alle

höheren Offizierstellen wurden dabei durchweg mit Altrömern " besetzt, die unteren bis zum Centurienkommandeur mit Neurömern . Im

übrigen liefs

man die Gemeinde- und Stammverbände bei den

neu geschaffenen Legionen möglichst bestehen.

Nicht allein militä-

risch, auch politisch verfuhr man den italienischen Stämmen gegenüber weise, Periode

klug

und mäfsig .

Die Geschichte

erzählt aus

dieser

von keinem der für den Feind so erniedrigenden Schau-

gepränge, wie sie in den späteren Jahren der Republik und während des Kaiserreichs in Rom an der Tagesordnung waren. Auch in dieser Beziehung steht werfung Italiens

die

römische

über der der

Kriegszucht

späteren

Zeit.

bis

zur Unter-

Die Römer

waren

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

280 nicht allein

ein

militärisches und

Rechtsvolk ,

sondern

auch

ein

politisches Volk und mit richtigem Instinkt stellten sie den besiegten italienischen Stämmen schonende Friedensbedingungen. ein Volk einigen und einen grofsen Staat schaffen.

Man

wollte

Und man schaffte

es vorwiegend durch weise Handhabung der Wehrpflicht im Laufe von etwa 5 Jahrhunderten. Die militärischen Tugenden der Römer entwickelten sich in dieser Zeit nicht allein aus sich selbst heraus. Vielmehr waren es vor allem die hartnäckigen Kämpfe gegen ein

stolzes , ehrbewusstes Gebirgsvolk , in welchen sie , ringend um die endgültige Herrschaft , sich stärkten , kräftigten und bildeten . Strategen weist diese lange Periode auf römischer Seite keine , auf feindlicher nur Pyrrhus

auf;

wohl

aber unter

Männer von grofser Willensstärke dem

treu

Staat und Vaterlande

zahlreiche

den Römern

und Opferwilligkeit , ergebene

brave

und

die

noch

Heerführer ,

nichts anderes kannten , als für des Vaterlandes Gröfse zu kämpfen denen das Gesetz heilig war ---- und die dabei und zu sterben von den besten Teilen des Volkes getragen wurden . Unvergleichlich gröfser, wuchtiger , thatkräftiger, leidenschaftlicher sind die Feldherren der nun folgenden verhältnismässig kurzen Periode von stark 2 Jahrhunderten . Aber je mehr ihre Gröfse in den Vordergrund tritt, desto mehr verschwindet der gemeinsame Zielpunkt, Gesetz , Verfassung , Staat , kurz das Vaterland , desto mehr weicht die Kriegszucht der Römer von den servianischen und rullianischen Gesetzen ab. Bald kann man nicht mehr von einer einheitlichen Kriegszucht sprechen, sondern von einer vielseitigen , so verschieden in Heeren, wie deren Feldherren verschieden waren . Italien

war

und Pyrrhus '

unterworfen

hatte

das

Volk

Geschmack bekommen. feldzüge " ,

so

und

seit

der

den

Besiegung

einzelnen

Etruriens

an auswärtigen Eroberungen

Waren die bisherigen Kriege „ Binnen-

lag jetzt die römische Macht über ganz Italien,

und

über die seine Grenzen bespülenden Meere mussten die nächsten kriegerischen Verwickelungen auf dem Wege zur Weltherrschaft führen . seinem

Alexander der Grofse hatte Tode

fiel sie

die

alte Welt vereinigt ;

wieder auseinander.

Griechen , Egypter , Perser , Assyrier , Meder ,

mit

Phönizier, Macedonier, alle jene Kulturvölker

der alten Welt, erliegen nach und nach römischem Heifshunger, der mit jedem neuen Erfolge unstillbarer wird und schliefslich in tierische Unersättlichkeit

übergeht.

Der überreizte

Zustand führt

dann zwar zu äufserem Glanze, aber er wurde auch das Fahrwasser zu immer höher steigender persönlicher Macht der Feldherren, und der Boden zur Entwickelung zahlreicher Emporkömmlinge, befähigter

281

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

und glücklicher, berechtigter und unberechtigter.

Die äufsere Macht

des römischen Staates steigt mit jedem Jahre und beim Ende der Republik stehen die römischen Lager an den Ufern des Rheins, an der Nordküste von Spanien und Frankreich. Ohne Meeresherrschaft hat es nie einen Grofsstaat gegeben und ohne sie noch weniger eine Weltmacht bestanden . Das erkannte auch der praktische Römersinn, und so treten wir in die Periode der Entwickelung der römischen Seemacht, welche analog erzogen wurde wie das Landheer. Nur verdient hervorgehoben zu werden, dafs sich ihre Rekrutierung auf die Küstenländer beschränkte , und da diese nicht von Latinern, sondern von Griechen bewohnt waren, so bestand die römische Kriegsflotte unter der Republik zum gröfsten Teile aus Griechen .

Zunächst

schuf man 2 Flottenheere, jedem wurden zwei Zahlmeister zur Seite gestellt. Ihre Befugnisse entsprachen denen, die wir bei der LandKarthago , welches bisher das Meer macht entwickelt haben . sah die römische Macht mit Neid emporsteigen . Bald berührten sich beider Sphären und Rom wurde in den ersten grösseren auswärtigen Krieg verwickelt.

beherrscht hatte ,

Die Einigung Italiens hatte in das Kriegswesen mehr Einheit gebracht.

Aus Einzelkämpfen gegen Bergvölker und den Massen-

kämpfen gegen Pyrrhus ging zunächst eine taktische Änderung hervor, die höhere Beweglichkeit zum Ziele hatte und in der dem Einzelkampf eine gröfsere Rolle zugewiesen wurde . Gleich wichtig wie diese taktischen und technischen Änderungen für die Kriegskunst waren

innere für die Kriegszucht.

mit ihrer furchtbaren Strenge bestehen.

Die Strafen blieben

Vor wie

nach konnte der

Feldherr oder selbständige Kommandeur jedem unter ihm stehenden Soldaten den Kopf vor die Füſse legen, und nicht allein den gemeinen Mann, sondern auch den Offizier und Stabsoffizier mit Ruten züchtigen lassen , militärische.

für nicht militärische Verbrechen sowohl wie für

Dagegen wurden die Stellen der Stabsoffiziere verdoppelt, und die Scheidung zwischen ihnen und den Subalternoffizieren trat mehr hervor.

Zwar stand nach servianischem Gesetz jedem Soldaten der

Weg zu den höchsten Offizierstellen offen, und bekanntlich gelangten plebejische Kriegstribunen durch Centurienwahl an die Spitze der Legionen . Aber in der Regel stieg der vom Soldaten zum Offizier Beförderte nicht höher als bis zum Centurienkommandeur. Dahin führte regelmässiges Avancement ; die Beförderungen aufser der Reihe fallen

erst

in

die

Zeit der Parteiwillkür und Bürgerkriege .

Die

Beförderung der an der Spitze jeder Legion stehenden sechs Kriegs19 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

282

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

tribunen (Stabsoffiziere)

erfolgte

nicht der Reihe nach.

wählte man gewöhnlich Männer der besseren Klassen . weniger eingreifende Mafsregeln ,

so

Zu ihnen Sind dies

wurde eine andere dieser Zeit

für die Kriegszucht verhängnisvoll : es ist die Beschränkung der Machtvollkommenheit der Feldherren in der Besetzung aller , besonders

der Stabs offizierstellen.

ihr unbestrittenes Recht.

Bisher war dies

Seit dem Jahre 263 hing die Besetzung

aller Offizierstellen von der Bürgerschaftswahl ab ,

und sie hat ihr

Recht in Bezug auf die Kriegstribunen fest durchgeführt zum Schaden des Heeres, seiner Kriegszucht und zu ihrem eigenen Unheil. Um von vorne herein die schlimmste Willkür auszuschliefsen , setzte man fest, dafs der Wahl zum Stabsoffizier wenigstens eine Dienstzeit von 10 Jahren vorausgegangen sein musste.

Aber die Bestimmung

wurde bald ein toter Buchstabe

von Anfang an mehr

verletzt als beachtet worden.

und sie ist

Mit dieser Neuerung rifs man rück-

sichtslos den Bau von 5 Jahrhunderten nieder, mit ihm öffnete man der Protektion und Konnektion Thür und Thor und der Parteihafs drang ins Heer .

Er zernagte seinen Geist und machte es aus einem

Werkzeuge des Vaterlandes zu einem solchen der Intrigue, aus einem nationalen zu einem Parteiheer. Von diesem unheilvollen Paragraphen ab rechnete der rapide Verfall der römischen Kriegszucht. Eine fernere Neuerung war , dafs die bisherige Gliederung des Soldaten in der Legion nach dem Vermögensnachweis aufgehoben wurde und an Stelle dessen seine militärische Brauchbarkeit trat , eine Mafsregel , die den Verhältnissen entsprach . Denn der Vermögensnachweis zur Berechtigung des Dienens überhaupt blieb bestehen , nur trat als Soldat an seinen Platz die militärische Befähigung.

Man mag die Anordnung von einer Seite

betrachten , welche man will , jedenfalls schlofs sie das Ehrprinzip nicht nur nicht aus , sondern war im stande, es zu kräftigen , wenn diese Weisheit nur nicht durch die Unsittlichkeit des vorhergehenden Paragraphen illusorisch gemacht worden wäre. Die veränderte Taktik erforderte dabei eine längere Dienstzeit des Fufsvolks im Frieden

als bisher, und dieser Umstand musste in

einem verständig geleiteten Heerwesen zur Belebung des Ehrgeizes verwertet werden , was nicht besser geschehen konnte , als dadurch , den besten Soldaten auch an den besten Platz zu stellen . Nun noch einige Worte über den Ersatz .

Das weitaus gröfste

Kontingent der römischen Rekruten bildeten jetzt die Bauern wie einst die wohlhabenden Bürger. Italien hatte kaum eine Industrie und Der Bauernstand war auch sein Handel war höchst unbedeutend.

283

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. durch Domänenverteilung und Herabsetzung

des

Zinsfufses wieder

emporgeblüht (seit 410), und in ihm hatten sich Sittenreinheit und Fleifs, Treue und Ehrlichkeit erhalten.

Der Landmann war im all-

gemeinen von kräftigerem Körperbau und eignete sich vortrefflich zum Soldaten . Er besafs Liebe und Anhänglichkeit an sein Eigentum,

an seine Familie

und Gemeinde

und die Erinnerung an die

heldenmütigen Kämpfe der Vorfahren hatten in ihm lebhafte Vaterlandsliebe erweckt. So war der Hauptteil des Menschenmaterials , mit dem man in die punischen Kriege

zog ;

der

andere kleinere ,

Klassen freilich schon angekränkelt ,

bildete

in den höchsten

auch noch immer den

würdigen Träger echter Römertugend und des militärischen Geistes . Indessen man hatte eine Hauptziffer im Exempel gelassen ,

nämlich den Feldherrn .

aufser Rechnung

Rom war Grofsmacht geworden ,

aber für diese pafste eine städtische Verfassung nicht mehr , nach der der Bürgermeister auch Feldherr war. Der Kampf , in den es trat, war ein Ringen zweier Völker um ihre Existenz ; beide konnten nicht auf einer Scholle leben , eines mufste fallen . Hier , wo auf beiden Seiten die letzten Kräfte eingesetzt wurden , war von Seiten Roms nicht begriffen, dafs nicht jeder Konsul ein Feldherr und somit jedes Kalenderjahr neue Feldherren schaffen konnte. Der Heerführer wird geboren, aber er bedarf der Zeit und Gelegenheit zur Entwickelung, und diese hatten die römischen Feldherren bisher nicht gehabt ;

es waren stocksteife ,

militärische Pedanten .

sie einem Heere gegenüber mit Feldherrn wie Pyrrhus , Hannibal ,

Mithridates ,

dann

mussten

sie unterliegen .

Traten

Hamilcar Diese Zu-

stände waren der Ausdruck der römischen Verfassung und das Wesen seines

straffen

republikanischen Militarismus ;

über seinen Ranggenossen erheben. Feldherren aufser Marcellus ,

niemand sollte

sich

Daher sind die römischen

Scipio Africanus

und

allenfalls noch

Nero nichts als Mittelmäfsigkeiten , und niemals ist das so erschreckend für Rom zu Tage getreten , als vom Anfang der punischen Kriege bis zur Schlacht bei Cannae .

Kein einziger Feldherr erscheint

als eine Individualität ; alle tragen den Stempel der Gleichheit . Unter diesen schwung- und leidenschaftslosen Männern kroch auch die Kriegszucht der Truppen träge dahin.

Wir lesen weder von Herois-

mus noch von Ausdauer, weder von grofsen Märschen, überstandenen Anstrengungen noch kühnen Zielen , und nichts erscheint kläglicher, als

die Festnahme des

karthagischen Flottenkommandeurs Hanno

durch Regulus, sowie des letzteren glückliche Landung in Afrika und seine ersten Thaten als Erfolge

zu verherrlichen ,

wie

es geschah . 19 *

284

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

Die ersten römischen Truppen ,

welche

den Fufs

auf überseeische

Länder gesetzt hatten, liefsen ein trauriges Andenken zurück .

20 000

Sklaven schickten sie nach Rom , brandschatzend und plündernd durchzogen sie karthagisches Gebiet. Ungeheure Menschenmassen forderte der dann entbrannte Kampf zu Wasser und zu Lande , ein Unglück nach dem anderen traf die römischen Waffen , man kannte nur noch fliehende Römer !

Und jene Niederlagen erlitt Rom von dem verspotteten Karthago , von dem Heere , das es wegen seiner „punischen Treue " und seines Krämergeistes belächelt hatte .

Frei-

lich, weit standen die Truppen des Hamilcar und Hannibal gegen die römischen Legionen zurück , aber ihre taktische und sittliche Unterlegenheit hob das Genie des Feldherrn glänzend auf. Dieses wurde ihr Vaterland ,

ihre Zuversicht und es flöfste ihnen jenen hamilcar-hannibalischen Hafs ein , den nur grofse Naturen in sich

tragen können, und führte sie unter dieser Leidenschaft von Sieg zu Sieg. Auf römischer Seite war die stolze Zuversicht auf ihre Unüberwindlichkeit elendem Kleinmut gewichen , der Soldat hatte seine Vaterlandsliebe verloren , das Vertrauen zum Feldherrn eingebüfst, und bereits begann der in Rom sich zeigende Pöbel seine Konspirationen mit den Legionen. „ Unser Adel steht im Bündnisse mit dem

" Gegner", das war das erste froudierende Losungswort, welches unter das Heer geschleudert wurde . Die Stadt war Grofsstadt geworden. Bereits im Jahre 419 mahnte die Sklavenversammlung ihre Väter an die Gefährlichkeit der Sklavenmassen, die stets ein natürliches Bündnis mit den Freigelassenen unterhielten !

Im Jahre 304 beschränkte

man zwar die politischen Rechte der letzteren ,

aber damit war die

Gefahr nicht beseitigt. Jetzt, nach der Schlacht bei Cannae , gab es keine Familie mehr, welche nicht um einen Gefallenen trauerte , der politische Verband Italiens

schien

auseinander

zu fallen

und war

schon zum Teil gesprengt, da sammelten sich die Reste der geschlagenen Legionen vor den Thoren der Hauptstadt ; das Land war an männlichen Kräften nahezu erschöpft *) , der beste Teil der Bevölkerung deckte die Blachfelder , man verfügte über kein Heer mehr und im Angesichte der Stadt stand der gefürchtete feindliche Feldherr. Es war die Krisis in der Geschichte Roms. Nicht entfesselte Genialität überdauerte sie und führte sie zum glücklichen Ausgang, sondern die bewunderungswerte Zähigkeit, Rücksichtslosigkeit, KonDie gefalsequenz und Opferwilligkeit des römischen Charakters .

*) 300 000 Bürger und Insassen sollen während dieser Kriege bis zur Schlacht bei Cannae gefallen sein.

285

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. lenen Menschen waren

nicht zu ersetzen

Schlacht bei Cannae römischen Kriegszucht.

ist

und die Lage

nach der

der hohe Wendepunkt

in

der

Zählten wir im vorigen Kapitel die Gesetze auf, auf welcher sie fufste , so müssen wir von nun ab die geschichtlichen Ereignisse logisch verfolgen.

Sie lehren, wie Feldherren, Soldaten und Parteien

gegen die Stimme des Gesetzes allmählich abstumpfen, und an ihnen ist der Verfall der römischen Kriegszucht bis zu völliger Auflösung deutlich abzulesen. Zunächst sah der Senat ein, dafs er Heerführer nötig hatte, und dafs die politische Furcht ,

welche

in

allen Republiken der Macht

eines Feldherrn gegenüber bestanden hat und bestehen wird, hier aufgegeben werden mufste , sollte das Vaterland überhaupt gerettet werden. Das Amt des Feldherrn wurde daher verlängert und , die Lehre der Schlacht an der Trebia benutzend, seine Amtsführung von der „ Situation " abhängig gemacht.

Der erste Feldherr ,

welcher

unter diesen neuen Verhältnissen auftrat, war M. C. Marcellus . mit dem neuen Feldherrn kam auch ein neues Heer ,

Aber

und was das

römische Heerwesen von nun ab an Tüchtigkeit des Feldherrn gewann, das büfste es an Kriegszucht ein. Schon vor der Schlacht bei Ausculum hatte man ausnahmsweise das Proletariat eingestellt ;

die

Ausnahme wurde wiederholt ; man blieb nicht mehr bei diesem stehen, sondern griff zu den Sklaven , und der Kampf um die Weltherrschaft wurde der Grund des Verlustes eines " nationalen Heeres. " Mit Zusammenraffung aller männlichen Elemente Senat die Befreiung des Vaterlandes , anderes ,

„ die Homogenität

welchem es bestand .

erreichte der

aber das Opfer verlangte ein

des Heeres

und das Ehrprinzip " ,

auf

Nunmehr war Insasse, Bürger und Soldat nicht

mehr dasselbe , es bildete sich nach und nach ein besonderer Soldatenstand, dessen üble Folgen während der punischen Kriege zwar noch nicht

empfindlich

werden ,

die

aber von nun ab unter der

römischen Kriegszucht fortleben und gelegentlich in erschreckender Weise zum Ausdruck gelangen . Aus dem Heere ,

in dem das Dienen auf Vermögensnachweis

und Ehre beruhte , wurde allmählich ein Landsknechtentum ; der nie mehr

aufhörende

Kriegszustand

machte

aus

der

Ausnahme

eine

Regel und brachte alles in die Reihen des Heeres , gleichgültig welche Menschen er findet und wo er sie findet. Die Kriege mit Karthago

zeigen

ihrer ganzen Rücksichtslosigkeit.

die römische Kriegszucht in

Nicht allein Feindesgebiet wurde

verheert, schlimmer noch erging es den von Rom abgefallenen Städten

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

286

Capua und Tarent. Ihre Wiedereinnahme wurde der Höhepunkt des Sklavenhandels , dessen Erlös in die leere Staatskasse flofs. Auf der anderen Seite

verzichteten

die Soldaten

Gunsten des Staates auf ihren Sold .

der besseren Klassen zu

Aber wie es in langen Kriegen

aller Völker geht, so war es auch hier .

Die Äcker lagen brach, der

Familiensinn ging verloren , Rohheit griff um sich und das Proletariat vermehrte sich , während die besseren Klassen schnell zurückgingen ; alles

Umstände

von heilloser

Wirkung

auf die

Kriegszucht der

Legionen, die auf solchen Ersatz angewiesen waren . Als Hasdrubal aus Spanien und Hannibal aus Apulien anfingen, sich

über Rom

hinweg die Hand

zu reichen ,

Legionen im Felde, ungefähr 200 000 Mann .

standen

23

neue

Marcellus , der tüch-

tigste Feldherr, war gefallen, ebenso die beiden (spanischen) Scipionen . Die Lage Roms schien verzweifelt. wartet , kam der Erfolg.

Doch schneller , als man es er-

Zunächst wurde Hasdrubal von Nero ge-

schlagen (Sena) ; dann wandte sich dieser gegen Hannibal, und diese Episode ist bezeichnend für die römische Kriegszucht.

Der Krieg

hatte auf beiden Seiten grofse Männer im offenen Kampfe gefordert, aber stets erwies das karthagische Heldengeschlecht den braven Toten die militärische Ehre. So bei Paullus , Gracchus und Marcellus.

Hier aber liefs der römische Heerführer Hannibal das Haupt

seines Bruders Hasdrubal , der bei Sena gefallen vor die Fülse schleudern ! So weit ging der Völkerhafs, dafs Kriegsbrauch, Kriegsregeln und Kriegszucht erstorben schienen . Es folgte die Expedition des P. Scipio nach Karthago mit der Schlacht bei Zama, und überall ergreifen die Römer jedes Mittel, dem Feinde zu schaden, wenn es nur hilft. So die tückische Art , wie sie nächtlich , nachdem zur Täuschung Friedensverhandlungen angeknüpft waren , unter Scipio die Lager der Karthager anzünden und die letzteren niedermachten . So die schändlichen Brandschatzungen Scipio's, so das massenhafte Aufgreifen aller Bewohner und Verhandeln als Sklaven. Man hat Scipio Africanus Heeres vielfach angegriffen und wollen.

wegen der Grausamkeiten seines ihn selbst als grausam hinstellen

Nichts ist unrichtiger als das .

Solange die Entscheidung

in diesem schlimmsten aller Vernichtungskriege nicht gefallen , duldete und befahl er freilich selbst alles, was hier angeführt. Es war eben ein Vernichtungskampf, und jedes Mittel , welches die Vernichtung des Feindes befördern konnte , wurde ergriffen . Aber als Karthago unterworfen, sein Heer vernichtet, seine Flotte an Rom ausgeliefert und die Väter der Stadt abhängige römische Beamte geworden , da

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

287

ist es gerade Scipio Africanus , der vergafs , dafs zwei seiner Blutsverwandten gegen den Nationalfeind im

Ebro

den Tod

gefunden ,

und der zeigte, dafs mit dem Friedensschlufs auch die Leidenschaft im Feldherrn verstummen mufs. Die Verhandlungen , welche nun zwischen dem römischen Senat und den Bürgern Karthagos folgten, kann kein Soldat ohne Erröten lesen .

Hannibals Heer war vernichtet, aber sein Name allein genügte , um den römischen Senat zittern zu machen. Nicht mit Karthagern. hatten Hamilcar , Hasdrubal und Hannibal ihre Erfolge errungen, nicht an ihrer Spitze waren

die beiden ersten den Heldentod gestorben und keiner von allen dreien focht mit Begeisterung für ihr krämerhaftes Staatsleben . Von einem Vaterland der Kathager kann man überhaupt nicht sprechen . Was jene drei Kriegsvirtuosen erreichten, erlangten sie durch sich allein und trotz der engherzigen Karthager. Ihre Truppen waren Sizilianer, Iberer, Kelten , den römischen Nationalheeren gegenüber Landsknechte , Söldner , und taktisch wie moralisch unterlegen . Dieses Beispiel zeigt schlagend und glänzend die Falschheit der Doktrinen der modernen Kriegstheoretiker, die da vermeinen, dafs ein gesittetes Volksheer den Sieg in seinen Taschen trüge. Man hatte keinen Feldherrn, der diesen drei gewachsen war, und unter diesem beklemmenden Gefühl forderte der Senat die Auslieferung

Hannibal's. Günstigsten Falls würde der Held als römischer Sklave unter Peitschenhieben in irgend einem Steinbruch

sein Ende gefunden haben . Aber der Feldherr hatte gesiegt und den Staat gerettet und zwar ein jugendlicher Mann , der der Liebling des Volkes war ; der Feldherr hatte ein moralisches Recht mitzusprechen und in der Treue seiner Legionen die Macht, seinem Wort Nachdruck zu verleihen .

Dieser zwischen Scipio Africanus und dem Senat zum ersten Male zum Ausdruck gelangte Gegensatz zwischen Feldherrn- und Bürgerverwaltung schlug zu Gunsten des Ersteren aus und das wurde von eminenter moralischer Bedeutung für den in der Bildung begriffenen Soldatenstand. Mit Bürgermeistergeneralen, womöglich ihre eigene Unfähigkeit kennend, war leicht fertig werden .

Die Sache wandte sich, als Feld-

herren da waren und von diesem Wendepunkt ab beginnt das verderbliche , eifersüchtige Ringen zwischen Parteien , zwischen Bürger (Gesetzes- Verfassungsmacht) und Militär (Feldherrngröſse und Feldherrneinfluſs), oder in seiner letzten Konsequenz zwischen Vaterland und Person ! Die karthagischen Bürger hatten die Auslieferung Hannibal's schon zugesagt und alle Verhandlungen waren im Reinen , da legte

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

288

Scipio Africanus sein Veto ein. Das verächtliche , feige Verhalten erregte seine Leidenschaft im höchsten Grade ; er sah in der Forderung einen Verstofs gegen Kriegsbrauch , Kriegsregel und Kriegszucht und verhinderte sie. An die Rettung Roms konnte ein ehrenwerter Mann unmöglich die Schändung seiner Ehre, die des Heeres und der Römer selbst heften , und so wurde Scipio hier mit dem Retter der materiellen römischen Macht auch der Retter und Wahrer der römischen Ehre - zum letzten Male in der Geschichte der römischen Kriegszucht ! Drüben stand es anders .

Die Einwilligung der Karthager auf

die römische Forderung war moralischer Selbstmord ,

und wenn je

ein Volk seinen Untergang mit Schimpf und Schande angetreten, Die Schacherer waren des dann war es jene phönizische Kolonie. Heldengeschlechts nicht wert , sie verübten Hochverrat Heiligen und traten die Ehre ihres Landes in den Kot.

an

allem

Das Bei-

spiel lehrt, wie niedrig , gemein, entehrt ein durch Handel und Luxus verderbtes Kaufmannsvolk endet ! Der römische Senat hatte noch eine zweite Forderung an Scipio gestellt, gleich schimpflich, und auch diese blieb durch Scipio unerfüllt. Man strebte eine Seemacht an , und doch war man für die Nicht genug , ersten Bedingungen einer solchen ohne Verständnis. dafs

Karthago geknebelt am Boden lag und seinen Zins

römische Staatskasse sandte ;

in die

nein , die Stadt , welche heute noch,

nachdem unzählige Stürme und Erschütterungen über sie dahin gezogen , alle Bedingungen eines Handelsplatzes in sich vereint und über 100 000 Menschen Lebensunterhalt gewährt (Tunis) , sie sollte zerstört und nicht wieder aufgebaut werden. Gegen eine solche Verletzung des Kriegsbrauchs und der Kriegszucht stemmte sich Scipio mit allen Kräften , aber so weit ging die rücksichtslose Grausamkeit und Konsequenz , - aber auch die Ehrlosigkeit des römischen Senats dafs es die Forderung vertrag aufnahm ,

als

einen Paragraphen in den Friedens-

dafs die Idee von der Notwendigkeit der Zerstö-

rung sich von 201 bis 146 forterbte

und

endlich in diesem Jahre

das „ceterum censeo " des alten Cato vollstreckt wurde , vollstreckt wurde von einem Träger des stolzen Namens , dem Rom seine Rettung verdankte , Scipio Africanus Minor.

Keiner der beiden grofsen

Gegner sollte das Ende dieser Dinge erleben , beide waren in einem Jahre (183) gestorben .

Der grofse Römer eines natürlichen Todes,

der gröfsere Karthager als Verbannter freiwillig durch Gift. Die punischen Kriege waren noch nicht beendet, als Rom seine Hand

an die Reste des alexandrinischen Reiches legte

und seine

289

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. Legionen hintereinander eroberten.

Macedonien , Klein-Asien und Griechenland

Gleichzeitig wurde

die

Unterwerfung

Spaniens

weiter

durchgeführt und Numidien niedergeworfen, während im Innern des Landes die gröfsten römischen Staatsmänner ,

die , Gracchen , ihre

bürgerlichen Reformen durchsetzten. Immer mehr Menschen verschlangen die unaufhörlichen Kriege , besonders die in Spanien , und dieser Kriegszustand in Permanenz, der den viel früheren Zusammenbruch des römischen Volkes herbeigeführt haben würde , wenn die römischen Legionen sich wie früher noch aus den besseren Volksklassen ergänzt hätten,

war ein

will-

kommenes Feld des „ Soldatenstandes ". Nach dem Gesetz waren Proletariat und Sklaven von der Ehre zu dienen und das Vaterland zu verteidigen

zwar noch immer ausgeschlossen ,

war längst ein toter Buchstabe geworden . kraten

oder

Demokraten

das

aber das Gesetz

Je nachdem die Aristo-

Übergewicht

hatten ,

Feldherrenstellen mit ihren Günstlingen besetzt,

und

wurden so

die

bricht die

ehr- und schamlose Zeit an , wo gleichzeitig Männer an der Spitze der römischen Heere

standen ,

die unter

sich

politisch verfeindet,

auch militärische Feindschaft erzeugten, die für das Vaterland gegen den Feind zogen ,

und dabei schon auf den Augenblick rechneten ,

wo sie ihre Nebenbuhler aus dem Felde schlagen würden .

In allen

Legionen und in allen Offiziersgraden hatten die politischen Parteien Vertreter ;

sie

standen nebeneinander in Reih und Glied ,

doch an

Stelle der Homogenität des Offiziergeistes nahm die Protektion , das heimliche Frondieren und Konspirieren unter ihnen immer mehr zu , bis die Kriegszucht durch zahlreiche Meuchelmorde öffentlich geschändet wurde. Die grofsen Eroberungen hatten immer mehr Proletariat erzeugt, tausende und abertausende von Sklaven wanderten nach der Stadt, die im wahren Sinne des Wortes Volksstadt geworden war. Alle Nationalitäten mengten sich in ihren Gassen bunt durcheinander und der Stand der Nichtsthuer und Gaffer , der Propagandisten und Frondisten nahm erschreckend zu . Roms Geschick wurde auf den Gassen bestimmt , und in den Schenken , die längst blühten , safsen die halbtrunkenen Proletariatsgenerale und malten mit Kreidestrichen Feldzugspläne auf die Tische . Seit Cannae hatten die Legionen den nationalen Charakter eingebüfst ; wer brauchbar war, war eingestellt worden ; jetzt war

er vollends

verloren gegangen

und

unter der

Forderung der Notwendigkeit diese war wieder eine Konsequenz der unersättlichen Verschlingungskrankheit - nahm man die Menschen, wo und wie man sie fand .

So bestand eine ewige Verbindung zwischen

290

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

Soldaten, Proletariat und Sklaven , zwischen militärischen und politischen Unzufriedenen . Jene gefährlichen Unzufriedenen waren während des ganzen vorletzten und letzten Jahrhunderts der Republik in den römischen Legionen zahlreich vorhanden und zwar hauptsächlich und am gefährlichsten unter den Offizieren . mit

denen

Spanien,

Es waren keine römischen Legionen , Macedonien ,

Griechenland ,

Klein-Asien

und

Gallien niedergeworfen wurden ; er waren Menschen , die in diesen Ländern zusammengerafft und von römischen Offizieren befehligt Daher jene grausame, ehr- und gesetzlose Kriegszucht, daher jenes Zerstören , Brandschatzen , Stehlen und Plündern , daher

wurden.

jene Mord- und Greuelthaten den Feinden gegenüber und im eigenen So durchzog man den Pelopones und Macedonien . Wundert Lager. wenn die römische Kriegsfurie die Hellenentempel wenn Korinth und Athen in Feuer aufgingen , wenn der römische Feldherr den König Jugurtha bestach , damit er unter Zusicherung der Straflosigkeit seine Vettern und Miterben ermorde, man sich da ,

zerstörte ,

um mit Macedonien fertig zu werden ? Offene und sogar verbündete Städte wurden mit schweren Kontributionen belegt und, wenn sie sich an den römischen Senat wandten , ihre Bürger hingerichtet oder als Sklaven verkauft, wie in Abdera und Chalkis . Wie die Offiziere im grofsen, so stahlen die Soldaten im kleinen, und der dritte macedonische Krieg war ein vollständiger Räuberkrieg. schmähliches Beunruhigungsmittel.

Dazu trat noch ein anderes

Abschied und Urlaub waren

So flofs Geld in die Staatskasse und in die gegen Taschen der Offiziere , das Dienen wurde eine Strafe die Truppenteile waren nie vollzählig, und das die frühere Ehre -käuflich geworden.

Übel rächte sich auf dem Fufs in Gestalt der taktischen Niederlagen in Thessalien und vollständig verwahrloster Kriegszucht . Dabei hatten sich die besten dienstpflichtigen Römer schon seit dem dritten punischen Kriege vorwiegend in die Reiterei gedrängt, und damit war die militärische Gleichheit vollends zerrissen worden ; der besitzende Mittelstand fiel immer mehr aus und neben der adeligen Reiterei standen im Fufsvolk Proletariat und angeworbene Celten, Iberer u. s. w. So bildete sich eine Waffenscheidung , die auch in der Kriegszucht zum Ausdruck kam.

Als z . B. die Reiterei (252)

zum Schanzen befohlen wurde , verweigerte sie dem Konsul A. Cotta den Gehorsam ; das Handwerk war ihr zu gemein ; ähnliches wiederholte

sich in

Spanien .

nicht ankamen ,

suchten

Jene Vornehmen , den

Kriegsdienst

welche

in der Reiterei

zu umgehen ,

und so

mufste ( 180) , um sie zur Dienstpflicht zu zwingen, ein Gesetz ein-

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

291

gebracht werden, nach welchem nur der Anspruch auf ein Gemeindeamt haben konnte , beibrachte .

der den Nachweis einer 10jährigen Dienstzeit

Das heillose Gesetz der Ernennung der Stabsoffiziere

durch Bürgerbeschlufs hatte trotz aller Kriege die Scheidung zwischen Subaltern- und höheren Offizieren immer schärfer gezogen , und auch hier war im 2. Jahrhundert

der Begriff der Einheit verschwunden. ein Räuberhandwerk umgeschlagen ,

und die militärische Zucht in

was zum ersten Male schon bei Scipio Africanus auffällt.

Bekamen

die Veteranen des alten Nationalheeres bei ihrer Entlassung eine Entschädigung oder eine kleine Siegesgabe , so war das eine grofse Ausnahme ; Scipio dagegen schleuderte das Beutegeld - das gesetzlich dem Staate zukam mit vollen Händen unter seine Soldaten . Die Veteranen des zweiten macedonischen und kleinasiatischen Krieges kehrten schon durchgängig als wohlhabende Leute heim ; der Kriegsdienst war zu einem Gewerbe und Handwerk herabgesunken , und der Feldherr ,

welcher das eroberte bewegliche Gut nur zum Teil an den

Staat ablieferte , wurde schon besonders gepriesen, und als der redliche Lucius Paullus wieder strenge nach dem Gesetze verfuhr ,

da

fehlte nicht viel, dafs ihm seine eigenen Soldaten, unter denen viele auf Erwerb lauernde Freiwillige waren, die Ehre des Triumphes aberkannt hätten . Der Verfall der Kriegszucht entgangen .

war dem römischen Senat nicht

Er machte auch verschiedene Anstrengungen, sie wieder

zu heben, und da ist es Cato, der besondere Beachtung verdient. Nach der Schlacht bei Cannae war bekanntlich bei den Aushebungen zum

Militärdienst bis

aufs

Knabenalter zurückgegriffen

worden ; aufserdem steckte man Schuldknechte und Verbrecher , ja sogar 8000 vom Staate gekaufte Sklaven in die Legionen ; ebenso waren von Cannae bis Zama und bis zur Zerstörung Karthago's mehrere

phönizische

Abteilungen

Mafsregeln hatten den Römern

eingereiht worden .

eine Lehre gegeben.

Auch diese Als Tiberius

Gracchus , welcher hauptsächlich jene Sklavensoldaten befehligte, Hannibal den Weg nach Benevent verlegen wollte , fand er durch die List eines Treulosen den Tod ,

und die Folge

Sklavenheer auseinanderlief. Welche Mafsregeln anordnete, ist leider nicht überliefert.

war ,

dafs

das

der Senat hierauf

An eine Verminderung der römischen Streitkräfte war nicht zu denken , andererseits

schien es dringend geboten , dem Ausnahmezustand im Ersatzwesen und den genannten Abweichungen vom servianisch-rullianischen Gesetz ein Ende zu machen . Man hob die Klasseneinteilung nach Länderbesitz

vollständig

auf und liefs

die

292

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

Freigeborenheit fallen .

Dienstpflichtig

für

die Legionen

war

von

nun ab jeder Freigeborene und Freigelassene, wenn er ein Minimalvermögen von 345 Mark nachweisen konnte , für die Flotte bei 129 Mark.

Im Notfalle

konnte

man für beide

bis

auf 33 Mark

heruntergreifen . Sonderbar , man wollte die Kriegszucht heben und man machte.

ein Gesetz ,

welches

das Heer noch mehr dem Spiel der Parteien

überlieferte . Denn die Centurien hatten zugleich Stimme und das Recht der Wahl der Stabsoffiziere .

eine politische Was war nun

die Folge dieses Gesetzes ? Der wechselnde Kampf der Parteien spielte sich genau so im Heere ab und dieses entfiel vollkommen dem Vaterlande und dem Staate.

Es dauerte denn auch nicht lange

und die römischen Legionen traten in den Kampf unter sich in der Hand zweier Parteihäupter, beide für die Beurteilung der römischen Kriegszucht von Bedeutung, Marius und Sulla. V.

Die Militärreform des Marius .

Die Kriegszucht der römischen Heere beruhte bis zur Unterwerfung Italiens auf der Ehre des Dienens aller besitzenden Klassen , und gewaltig,

urwüchsig

und heroisch ist der Kampf um die Eini-

gung der Italiker. Von der Grofsmachtstellung bis zur Erlangung der Weltherrschaft gebot die Notwendigkeit, von den fundamentalen Bedingungen abzuweichen , welche die Ehrbarkeit der römischen Kriegszucht ausgemacht hatten . Das rullianische und catosche Militärgesetz waren Zugeständnisse der Not, aber das, was man durch sie erreichen wollte, wurde nicht erreicht.

Die Periode vom Anfang der punischen Kriege bis zum Auftreten des Marius ist vielmehr durch ihre Ausnahmezustände in Permanenz charakteristisch. Man hatte im Heerwesen fortwährend experimentiert ; man konnte sich nicht entschliefsen , das Überlieferte aufzugeben, und scheute vor dem Betreten des neuen Weges zurück, den die ungeheure Ausbreides Reiches, das Zurückgehen des besitzenden Mittelstandes,

tung

die Verweichlichung der ersten Stände sowie das Anwachsen des Proletariats vorzeichneten . Alle Mafsregeln jener Zeit tragen den Stempel der Halbheit, und die Frage, was wird aus Rom, wenn der Mann geboren ist, der es versteht, aus dem Proletariat ein Heer zu schaffen, hatte an 2 Jahrhunderte die patriotischen Gemüter beschäfMan sah längst ein , dafs es kein einheitliches Heer mehr gab ,

tigt.

und dafs die Kriegszucht der Heere die Schande Roms besiegelt hatte. Mit jedem fähigen Führer, den die Gunst der politischen Parteien an die Spitze eines Heeres brachte, erlitt sein moralischer

293

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

Wert Einbufse ; es gab nur noch persönliche Heere . Die die Parteien und Klassen tief aufrüttelnde Gracchenzeit war da gewesen und die Getreideverteilungen an die arbeitsscheuen Menschenmassen, welche in und um Rom lagerten, hatten von Tag zu Tag das Proletariat vermehrt . Panis et circenses ! Die Heere, die an den Grenzen des weiten Gebietes fochten, thaten was sie wollten , und Schwächen , Fehler und Verbrechen des Feldherrn der einen Partei wurden allein dazu benutzt ,

den Feldherrn der

anderen

an seine Stelle

zu

schieben .

Lange schon hatte der Pöbel dabei die entscheidende Rolle gespielt, denn diese drohende Masse war von Demokraten wie Aristokraten gleich sehr umworben .

Er hatte ja auch schon mitgefochten und war

mit gefüllten Taschen heimgekehrt.

Die neu erworbenen Länder

waren nach und nach zum Kriegsdienst heranzogen worden, aber Einheit in der Organisation bestand nicht und noch weniger Einheit in der Kriegszucht . Nun war der Mann da, welcher mit einem Schlage änderte ; aber gebessert hat er nicht.

Er besafs wohl die Energie, vorübergehend

Zucht und Disziplin einzuführen, aber ob er überhaupt die Fähigkeit hatte, die Gröfse

der Aufgabe

zu übersehen,

mufs sehr bezweifelt

werden. Das konnte nur einem Genie möglich sein, welches über den Parteien stand, aber nicht einem kurzsichtigen Parteihaupt gelingen .

Selbst ein Proletarier, trug er die guten und schlechten Sol-

dateneigenschaften dieser Klasse in sich, und an der Spitze des Proletariats war er nicht dem Gesetze, aber dem Wesen nach, der erste Imperator von Rom. geebnet.

Die Gracchen hatten ihm politisch den Weg

Die Kriegszucht der Periode , in die wir nun treten, erfordert zum Verständnis eigentlich eine eingehende Charakteristik der Feldherren . Denn was bis zur Unterwerfung Italiens das Gesetz war, vertrat nun die Person . Indessen aus Raumrücksichten müssen wir uns dabei auf das allernotwendigste beschränken .

Auch können wir nur

die Feldherren betrachten, die einen tieferen Einfluss auf die römische Kriegszucht ausgeübt haben. Die beiden bedeutendsten dieser Klasse sind Marius und Sulla ; der erstere in Bezug auf die Heeresumgestaltung , der letztere in Bezug auf seine Kriegszüge mit grofsen taktischen Entscheidungen . Beide Persönlichkeiten waren Repräsentanten der extremen politischen Parteien,

der

Demokraten

und Aristokraten ,

und hieraus

konnte nichts anderes als Rivalität, Zwist und Bürgerkrieg und damit Teilung des Heeres in offene feindliche Lager jener politischen Parteien hervorgehen . Indessen hat Marius in sofern eine gewisse sitt-

294

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

lichere Bedeutung, als er die Basis des Heerwesens auf gesetzlichem Wege änderte ,

und mit diesem von Grund aus veränderten System

Erfolge erzielte (Aquä Sextiä

und Vercellä), die , im Grunde genom-

men, die dankbaren Römer, trotz seiner späteren Fehlgriffe und Verbrechen, nie vergassen . Marius war der Exerziermeister, Virtuose in Kleinigkeiten,

Sulla der Feldherr,

ersterer

letzterer strebte politisch wie militärisch

nach grofsen Zielen. Aber ein Mann wie Marius mufste ihm vorangegangen sein ; ohne ihn hätte er seinen Beruf nicht erfüllen können. Das Heerwesen war krank, die taktische Ausbildung stand nicht auf der Höhe der Zeit, Bezahlung und Bekleidung der Soldaten waren verbesserungsbedürftig und die Kriegszucht war vollständig erschlafft. Änderung war geboten und Marius brachte sie mit der Rücksichtslosigkeit der römischen Bauernnatur. Ein Hüne von Gestalt, war er von Jugend auf an alle jene Strapazen gewöhnt, die er später von seinen Soldaten forderte . Zunächst hob er den Vermögensnachweis zum Dienen auf und führte an Stelle des gesetzlich bis hierher bestandenen Bürgerheeres ein Söldnerheer ein, in welchem freiwilligen Anmeldungen ein Hauptplatz eingeräumt wurde.

Mit dieser Ersatzänderung ging die in den

Legionen überlieferte Ordnung nach Vermögen , Dienstalter und Dienstqualifikation ein , und damit war das gesamte römische Heerwesen von den gesetzlichen Überlieferungen getrennt, dem Staate entrissen und der Person des Feldherrn unterstellt. Waren die besitzenden Bürger von der Wehrpflicht nicht ausgeschlossen , so lag es doch in der Natur der Dinge , dafs sich das angewachsene Proletariat schaarenweise zum Kriegsdienste stellte , der seit dem zweiten punischen und dritten macedonischen Kriege eine verlockende Erwerbsquelle geworden war, in welchem jeder Proletarier das römische Bürgerrecht erlangen konnte, wobei er noch bei seiner Heimkehr vom Feldherrn mit Land und Gut beschenkt wurde.

Ferner stellten sich eben so willig

alle

die unterworfenen Völker, welche Geschmack am Kriegsdienst hatten, so Iberen, Celten, Ligurier, Balearen , Thracier, Numidier, Bithynier. Das aristokratische Prinzip, das bisher der Grundzug des römischen Heerwesens gewesen, war dahin, Bürger uud Soldat nicht mehr dasMan hatte gesetzlich einen eigenen Soldatenstand geschaffen, der, wie wir gesehen, zwar schon über ein Jahrhundert in der Bildung begriffen war, und damit war es mit der römischen Verfassung aus ; selbe .

es gab kein nationales Heer mehr, sondern eine Söldnerschaar, die alles was sie erhoffte und erstrebte auf die Person des Feldherrn stellte.

295

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. Dabei kam die absolute

militärische Gleichstellung innerhalb

der Legion hauptsächlich den niederen Klassen zu Gute .

Wer über-

haupt brauchbar befunden wurde, dem wies der Offizier seine Stelle an. Ferner fiel die verschiedene Bewaffnung innerhalb der Legion fort und ein neues Exerzierreglement regelte die Ausbildung der Soldaten in einheitlicherem Geiste als bisher. Schon früher hatte man dem Einzelkampf mehr Aufmerksamkeit geschenkt,

aber der

erste und gründliche Reformator ist auch hier

Marius, und in dieser Beziehung ist er sowohl für Sulla's wie für Cäsar's Erfolge von Bedeutung. Ferner verschwanden, was von nicht minder hohem moralischen Einfluss war, die 4 bisherigen Feldzeichen der Legion, der Wolf, der mannköpfige Stier, das Rofs und der Eber, und alle Legionen erhielten neben den Fähnlein der Kohorten als allgemeines Kampfzeichen den silbernen Adler. Die

einzige bevorzugte Heeresabteilung, welche bestehen blieb ,

oder deren frühere schwache Anfänge von nun ab im römischen Heerwesen feste Gestalt und höhere Bedeutung gewinnen , ist die Leibwache des Feldherrn . Diese Truppe ist für die römische Kriegszucht eher eine Schmach als eine Ehre. Ging sie doch nicht aus der Absicht hervor,

zur Erhöhung

des Feldherrnansehens beizutragen,

sondern

sie war eine Folge der Notwendigkeit und eine Notwehr des Feldherrn gegen die eigene untergebene Soldateska. Scipio Ämilianus war es, der

zum

Schutze seiner Person

eine Leibwache von 500

Köpfen aus Freiwilligen seines Heeres bildete , als seine Legionen im numantinischen Kriege in Unbotmässigkeit und Verwilderung verfallen waren.

Jene Leibwache erhält seit Marius höhere Löhnung, ist von

Schanzarbeiten befreit und wird aus den tüchtigsten und zuverlässigsten Soldaten ergänzt.

Hier verdient auch noch die sofortige Ver-

schanzung des Lagers aufgezählt zu werden, die zwar schon seit der Unterwerfung Italiens Kriegsgesetz war , aber niemals so rücksichtslos und konsequent durchgeführt wurde wie von Marius, Sulla und Cäsar.

Zufolge der von uns aufgeführten „ Kriegsartikel " hatte der Feldherr das Recht, besondere Auszeichnungen mit beweglicher Beute zu belohnen. Dieses Recht war bis zu Scipio Africanus dem Älteren mit grofser Zurückhaltung und Vorsicht geübt worden ; es war ja auch nicht nötig, davon Gebrauch zu machen , denn jene römischen Aber von nun ab war das " Recht " Soldaten hatten selbst Besitz . zur Willkür geworden, und wie die Gracchen Länder und Getreideverteilungen

einführten ,

so

wurde

es

Feldherrn brauch ,

nach

296

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

jedem Kriege Beuteverteilungen unter den Soldaten

vorzunehmen .

Der Kriegsdienst lief dadurch mit der Zeit in eine Spekulation auf Besitzerwerb hinaus , und die Kriegszucht kennzeichnete sich im dritten macedonischen Kriege bereits als ein systematisch betriebenes Raubwesen. Nun trat ein anderer Umstand hinzu . Der Soldat war vom Vaterlande gelöst, seine Heimat das Lager, seine Hoffnung der Feldherr. Den entlassenen Proletarier nahm weder Invaliden- noch Armenhaus auf.

Ganz natürlich, dafs er des Soldes und der Beute

halber solange diente als irgend möglich und erst ausschied , wenn er sich durch die Dienstzeit die Mittel zu einer bürgerlichen Existenz erworben hatte ! Die Macht des Feldherrn war durch die persönlichen Heere des Marius absolut geworden, und dieselben Legionen, die gegen äuſsere Feinde in den Kampf geführt wurden , folgten ihm auch gegen Staat und Vaterland ,

wenn der Feldherr der Mann war ,

lichen Hoffnungen zu befriedigen .

Der Kriegsdienst

Staatspflicht mehr, sondern ein Handwerk. herr mit den dieser Periode

entlassenen Soldaten das

Veteranensystem

zum

Nun wollte es kein Feld-

verderben ,

so fälschlich als

ihre persönwar ja keine

und

daher tritt in

etwas Gutes

ersten Male mit

gepriesene

ganzer Macht auf und

wird in der Folge einer der Hauptgründe, der die römische Kriegszucht vollends zu Grabe trägt . Solange Roms Heere aus römischen Bürgern bestanden , sprach man nicht von Veteranen, mit denen nun gefährliche Propaganda getrieben wurde.

Der Bürgerstolz hätte sich

dagegen empört. Pensions- und Invalidengesetze bestanden nicht , wer durch Krankheit oder Verstümmelung dienstunbrauchbar geworden, schied aus und fiel weder der Gemeinde noch dem Staate zur Last . Jetzt aber überschwemmten sie Italien, und die hartnäckigen Kriege gegen Mithridates sind es, welche die Veteranen zu einer neuen Macht anwachsen lassen. Rom war der Sitz des Reiches , und wer den römischen Pöbel beherrschte , der beherrschte das Reich. Kein Feldherr ist seit Marius ohne Parteifarbe und so schickte jeder seine Veteranen in das Weichbild der ewigen Stadt , zur Hand zu haben .

um sie in der Not

Wer aus den asiatischen und spanischen Kriegen

heimkehrte , trug eine Anweisung auf Ackerland in der Tasche und brachte aufserdem genügend bewegliche Beute mit. So kamen die Staatsdomänen

nach

und nach in den Besitz

der Pro-

letariats-Veteranen, und dafs die Äcker nicht zu weit von Rom selbst ab lagen, dafür sorgten Marius, Sulla, Lucullus und Sertorius, neben den Feldherrn zugleich die mächtigsten politischen Parteihäupter. Die Veteranen -Ansiedlungen sind erst durch Marius

zu einem

297

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. förmlichen Gebrauch mit Gesetzeskraft geworden.

Diese Thatsache

darf bei der Beurteilung der römischen Kriegszucht nicht

aufser

Augen gelassen werden , derenthalben dieser rohe Demokratensoldat in den Himmel erhoben worden ist. Es ist wahr , dafs er die Kriegszucht mit altrömischer Strenge übte und seine Verdienste sollen in dieser Beziehung nicht geschmälert

werden ;

auch

beugte

er die

widerstrebenden

wohlhabenden

Klassen unter seine eiserne Faust und schmolz alles , gleichgültig ob reich oder arm, vornehm oder gering, zusammen .

Aber daneben trug

er die Eigenschaften des bäuerischen Emporkömmlings sein Leben lang mit sich und in roher Anmafsung kam es ihm nicht darauf an , einer ganzen Legion auf dem Schlachtfelde das Bürgerrecht zu verleihen und den römischen Senat ob seiner Einsprüche zu verhöhnen . So selbstbewufst fühlten sich die Feldherren auf Grund der Marius'schen Reformen, und wenn es das Geschick wünschte ,

dafs Heer , Gesetz

und Verfassung zusammenstiefsen , dann erhielten Senat und Vaterland von dem General Befehle , der der mächtigste war. Indessen eins respektierte Marius doch , und dadurch sticht die Bauernnatur gegen Lucullus und Pompejus vorteilhaft ab. Er bereicherte sich nicht

auf Kosten

der Gegner

wie jene

lich hatte er auch nicht in dem Mafse

und starb

arm.

Frei-

dazu Gelegenheit wie sie.

Kaum waren diese durchgreifenden Veränderungen

eingetreten ,

da

stand Rom vor einer langdauernden schweren Insurrektion , die man den Kampf der Italiker und der Unzufriedenen gegen die besitzende Aristokratie nennen kann , und in welcher jenes Bergvolk , das sich der Unterwerfung unter Roms Machtgebot vor 200 Jahren so lange widersetzt hatte ,

die Seele

des Widerstandes

bildete .

Hier traten

die römischen Heere zum ersten Male im offenen Felde ihren eigenen Sklaven gegenüber , denn

unter dem Befehle Silo's standen neben

30 000 Marsern, Samniten , Sabellern 20 000 Sklaven, und diese Insurrektion war es, wo auf beiden Seiten der seit Jahrhunderten angehäufte Klassenhafs zum blutigen Durchbruch kam, und wo die Disziplin und Kriegszucht hüben und drüben den Weg der Frevelthaten wanderte .

Hier in diesem grofsen

aufständischen Gebiet , wo eine

einheitliche Kriegführung wegen seiner Zerrissenheit nicht

möglich

und alles erlaubt war, was nicht gesehen wurde, standen die Insurgenten den Legionen um nichts an taktischer Gewandtheit und Ausdauer nach, und auch hier siegte nicht überlegene Führung und bessere

Schulung ,

sondern die Konsequenz ,

Energie des Senats.

Rücksichtslosigkeit

und

Aber der Sieg war teuer , sehr teuer erkauft.

Man kann sagen , dafs die römischen Bürger zum letzten Male für 20 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

298

ihr Hab und Gut eintraten , und dafs ihre Kriegszucht in diesem letzten Ringen nicht besser war als die der Gegner. Völlige Verwilderung rifs um sich und die Gräuelthaten dieser Periode liefsen schon erkennen ,

was

in noch schwereren Zeiten

eintreten würde .

Rom hatte alles aufgeboten, um die Insurrektion niederzuschmettern und damit waren die bedenklichsten Elemente in die Legionen gelangt.

Die politische Propaganda, welche sie in den Oberbefehl wie

in die Gemeinen trugen ,

zernagten die Kriegszucht vollends ;

noch

eine kurze Spanne und der erste thätliche Angriff der eigenen Soldaten erfolgte Feldherrn .

auf die geheiligte Person des Konsuls und

eigenen

Unter den Mauern von Pompeji erschlugen die Legionäre

A. P. Albinus mit Knitteln und Steinen , nur ein Zufall rettete den. Konsul Cato vor gleichem Geschick. Und was that der Oberkommandierende (Sulla) ? Er ermahnte die Soldaten, durch tapferes Verhalten vor dem Feinde diesen Vorfall auszuwischen ! Kaum war die Insurrektion gedämpft , dem hafserfüllten Mithridates aus,

da brach der Krieg mit

nach Hannibal Roms hartnäckig-

ster Gegner , und in schweren Kriegsjahren (89-63 ) fanden Sulla, Lucullus und Pompejus Gelegenheit, sich zweifelhaften Feldherrnruhm zu erwerben, aber durch desto schändlichere Grausamkeiten, Erpressungen und Plünderungen die römische Kriegszucht zu beschmutzen . Dafs von Seiten des Gegners zuerst Grausamkeiten begangen wurden , ist keine Entschuldigung für die Römer.

Indessen Sulla sollte, bevor

er nach Kleinasien abging, den gröfsten Verstofs gegen die römische Kriegszucht vollführen, den sich bisher ein Feldherr hatte zu Schulden kommen lassen. Ihm war die Führung des Krieges gegen Mithridates übertragen; kaum hatte er Rom verlassen, da übertrugen ihn die Demokraten an seinen

politischen Gegner Marius.

Sulla

empfing im Lager von Nola die beiden Volkstribunen , welche ihm den Beschlufs des Volkes zu überbringen hatten. Aber das Volk war in seinen Augen ein Pöbelhaufen und an der Spitze von sechs Legionen mit 35 000 Mann überbrachte er dem Volke seine Antwort. Sie war blutig .

Schleunigst brach er gegen Rom auf und hier be-

geht der Führer der Aristokraten dasselbe Verbrechen , Spanne später J. Cäsar ins Werk setzte.

das

eine 1

Seine Legionen waren im Marius'schen Geiste geschult ; sie standen den politischen Dingen vollständig gleichgültig gegenüber. Sulla redete sie an, wie später Cäsar ; in den Motiven !

war Egoismus in rohester Gestalt , „ Folgt ihr mir ,

doch welch ein Unterschied

Kein Ehrprinzip trieb ihn bei diesen Worten ; den

es

er den Soldaten predigte .

so bleibt Euch die Führung des Krieges in Asien,

299

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. folgt ihr Das zog.

Marius ,

so

bringt

er

dafür

andere

Truppen

mit. "

Von den höheren Offizieren blieb ihm nur einer getreu, die anderen traten zurück .

Die Legionäre

doch auf reiche Beute in der Stadt ,

folgten

ihm

und das

alle ;

hofften sie

war ja ihr einziges

Ziel. Ohne Zögern überschritt der Feldherr die Grenze der Hauptstadt , trieb die Marianer zu Paaren und liefs alles niedermachen, Die Wachtfeuer was der Gegenpartei angehörte. Marius entkam . der Legionen brannten auf dem Marktplatz der Hauptstadt ; das Gesetz , gegen welches die römische Kriegszucht bisher noch nicht gefehlt hatte , "" dafs kein Kampf innerhalb der Stadtmauern der Hauptstadt geführt werden durfte " , war wie die übrigen mit Füssen getreten worden ! Von Rom wandte sich Sulla nach Asien , und als er der Stadt den Rücken gekehrt, erschien sein Nebenbuhler an der Spitze eines von Cinna zusammengerafften Heeres. Unter den Mauern Roms machte er Halt.

Sendlinge gingen

Auftrage des Feldherrn gewährt.

in die Stadt ,

und

erbaten im

die Erlaubnis zum Einrücken.

Sie wurde

Doch dieses Spiel war beim Bauerngeneral keine Achtung

und Ehrfurcht vor dem Gesetze ; nicht die Kriegszucht hatte es ihm diktiert , nein , es war eine kleinliche Parodie auf das „ gesetzlose " Einrücken Sullas und vom Standpunkt der Kriegszucht aus ohne allen Wert.

In der Stadt folgte Marius dem Beispiele Sullas.

Die

Anhänger des Gegners wurden mit Acht und Mord verfolgt und als Sulla nach drei glücklichen Kriegsjahren gegen Mithridates heimkehrte , vernichtete er unter den Thoren Roms die Legionen des Marius . In der Stadt selbst hub darauf das entsetzlichste Gemetzel an, welches die Weltgeschichte kennt.

Das Heer Sullas übertraf an Schändlich-

keiten das seines Gegners, die Kriegszucht der Truppen war in rohes Morden, Plündern und Bereichern übergegangen . Sulla hatte eine cäsarische Ader in sich, aber er verstand es , seinen Ehrgeiz zu zügeln und betrachtete sich allein als das Haupt und den Exekutor der berechtigten Wünsche der Aristokratie. zog er sich ins Privatleben

Als er diese befriedigt,

zurück ; der Bürgerkrieg

spielte

sich

jedoch im fernen Spanien fort und auch hier zerrifs er die letzten Bande der Kriegszucht.

Sulla hatte absolut keine Achtung vor dem

Menschenleben ; er war blasiert , geistreich , witzig , und in betreff seiner Sitten ein echtes Kind der verweichlichten und verkommenen römischen Aristokratie jener Tage.

Er zerstörte Athen und aus den

brennenden Trümmern rettete er die Werke des Sophokles , die er mit Vorliebe las . Er dichtete und feierte die Künste und hätte ein 20 *

300

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

römischer Alcibiades werden können , wäre das Vaterland nicht von beiden Seiten in einen giftspeienden Krater verwandelt gewesen . Sulla war einer der begabtesten Männer Roms.

Die Entschlossen-

heit und Kühnheit seiner Kriegszüge und die Schnelligkeit und Rücksichtslosigkeit, mit der er sie ausführte, machen ihn zu einem grofsen Feldherrn .

Aber niemals sank die Kriegszucht der römischen Le-

gionen zu so niedrigem Banditenwesen herab wie unter ihm , und niemals ist jener Geist wieder allgemein aus dem Heere gewichen auch unter J. Cäsar nicht - und trotz ihm nicht ! Der Feldherr kannte überhaupt kein Gesetz , und das was er vertrat.

keine Kriegszucht als seine Person

Schlug der Soldat den Feind, gehorchte er

ihm , dann forderte er nichts weiter,

und die Zügellosigkeit , Maſs-

losigkeit und Grausamkeit seiner Natur ging auf seine Legionäre über. Wenn er selbst vor dieser Soldateska sicher blieb , so verdankte er es der fortwährenden Beuteverteilung und der Leibwache, die nie von ihm wich. Niemals hat sich in und um Rom so viel Kriegsproletariat angesammelt , wie zu seiner Zeit, und nur durch Beute und Geld hielt er die Legionen im Zaume. Hier verdient ferner hervorgehoben zu werden, dafs seit ihm eine permanente Besatzung in Rom blieb , und über den Haufen geworfen .

damit war ein

Das Heer hatte sich in diesem

weiteres Kriegsgesetz

schrecklichen Bürgerkriege in

die Rolle gemeiner Rächer gefunden, und beide Antagonisten, Marius und Sulla , benutzten es zur Vollstreckung ihrer Rachepläne . Man kann sich denn auch nicht wundern, dafs ein ganzes Heer wider den Willen seines Feldherrn (Scipio) zu Sulla übergeht, sobald es sieht, dafs seine Sache verloren ist. Man kann nicht staunen , dafs die eigenen Truppen

im Laufe weniger Jahre sechs kommandierende Generale erschlugen (Albinus , Cato, Rufus , Flaccus, Cinna und Carbo). War Sulla doch selbst mit diesem Beispiel vorangegangen und hatte er, ohne jede gerichtliche Untersuchung, die von ihm gefangenen gegnerischen Generale Damasippus, Carrinas , selbst den schwerverwundeten Pontius, von seinen Legionären in Fetzen zerreifsen lassen . Hätte ihn dabei nicht die Idee geleitet, durch rücksichtslose Hinschlachtung aller mächtigen gegnerischen Elemente Heer und Offiziere unter die bürgerliche (gesetzliche) Gewalt zurück zu bringen , so würde er als eins der grausamsten Scheusale dastehen, die die Geschichte kennt. So kann man ihm wenigstens nicht die Absicht absprechen , den römischen Staat wieder auf den überlieferten Grundlagen aufrichten zu wollen, in ihm das Heerwesen an die richtige Stelle zu bringen und die Kriegszucht der Legionen wieder unter die Staatsgesetze zu

301

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. beugen.

Doch gerade für die letzte Aufgabe war er am wenigsten

geeignet. Sulla's Legionen haben ungleich mehr Schändlichkeiten verübt als die des Marius, und er war es , der zuerst am schwersten gegen die „ Kriegsartikel "

verstiefs ;

aber

zieht

man

zwischen ihm

und

Marius einen Vergleich , dann war er insofern der bessere , aufser sich eine höhere Gewalt anerkannte und ihr zu

als er dienen

glaubte ,

Mittel ,

nämlich

der

aristokratischen

Verfassung.

Die

welche er dazu wählte, Ausrottung der Gegner um jeden Preis , sind entsetzlich; aber in dieser schwierigen und verwickelten Lage schlossen sie die Möglichkeit einer Besserung nicht aus . Betracht ziehen , dafs Aufgabe verzweifelte .

Dazu muss man in

der Feldherr schliefslich an seiner eigenen Fand er doch unter seinen untergebenen

Generalen, und gerade unter seinen Günstlingen, lebhafte Opposition . So weigerte

sich Pompejus nach der Beendigung des sizilianischen

und afrikanischen Krieges ,

seine Truppen zu entlassen ,

Sulla hier nicht

dann

eingriff,

und wenn

mufs die Rücksicht lediglich den

verwandtschaftlichen

Banden

Pompejus fesselten .

Anders verfuhr er mit Ofella .

zugeschrieben

werden ,

die

ihn

an

Dieser forderte

das Konsulat, ohne gesetzlich dazu berechtigt zu sein, und als er in seiner Opposition verharrte , liefs Sulla ihn auf öffentlichem Marktplatz niederstofsen . Es war eine Zeit , wo kein General einen höheren über sich haben wollte, darin standen die Aristokraten den Demokraten um nichts nach . Die Herrschsucht der Parteien hatte sich auf die Feldherren übertragen .

Mafslose Ehrsucht und unbe-

rechtigter Ehrgeiz hatten die ehemals stolze und reine Bürgertugend verwischt,

da jeder die Ehre

und

das Gesetz der Ordnung darin

erblickte, nicht über die Amtsgenossen hervorragen zu wollen. Diese Generale kannten keine Person und kein Gesetz über sich. An der Spitze ihrer Legionen schoben sie sich selbst an seine Stelle . Zu verwundern ist es nicht ; hatte man doch einen 50jährigen permanenten Bürgerkrieg durchgemacht, wodurch in Staat, Verfassung, Gemeinde und Heerwesen Anarchie eingetreten war . Das zeigt sich am besten, wenn man einen Blick in die Provinzen wirft. die römischen Waffen zwar immer siegreich . und die Ufer der Donau wurden erreicht.

Nach aufsen waren

Die Nordküste Spaniens Spanien ist es dann, wo

der begabte und ehrgeizige Sertorius dem Dolche seiner Untergebenen erliegt.

Dieser ,

obwohl Marianer ,

hatte

dem von Marius in Rom

angesetzten Gemetzel dadurch ein Ende gemacht, dafs er die letzten 4000 Marianer unter dem Vorwande der Soldzahlung zusammenberief, sie umzingeln und niedermachen liefs .

Später erhielt er die Führung

302

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.

des Krieges in Spanien . und errichtete

eine

Doch auch er handelte auf eigene Faust

eigene demokratische

Partei und Verwaltung . Sertorius hatte wie Hannibal nur ein Auge , und wie dieser das Talent , fremde Völker an sich zu ziehen und aus ihnen ein kleines aber vortreffliches Heer zu organisieren , mit welchem er , von den ungünstigsten strategischen Verhältnissen ausgehend , den Aufstand organisierte, in den bald der gröfste Teil Spaniens verwickelt wurde. Metellus, Calvinus, Manlius und Pompejus hatten Mühe, ihn niederzuwerfen. Sertorius konnte der Nemesis nicht entgehen . Durch den Krieg den Krieg und mit ihm die Opposition gegen die römischen Machthaber organisierend , mufste er gewärtig sein , daſs, wer sich selbst auflehnt , auch Empörung gegen sich grofs zieht. Und so kam es . Sein Heer bestand zum Teil aus übergelaufenen römischen Legionären (ungefähr 3000 Mann) und die höheren Offizierstellen waren durchweg mit Altrömern besetzt. Sein ritterliches Wesen hatte ihm die Herzen der Iberer gewonnen , und er gehört zu den wenigen Feldherren der römischen Geschichte ,

unter dem keine Grausam-

keiten begangen worden sind . Er war zugleich Staatsmann, der während des Krieges schon an seine Folgen im Frieden dachte . Statt in Bürgerquartiere legte

er seine Truppen in Baracken und schlug selbst sein Zelt dort auf ; er bestrafte jeden Frevel am Gegner mit rücksichtsloser Strenge, und die Kriegszucht seiner Truppen

soweit sie nach äufseren Anhaltspunkten beurteilt werden darf die der besseren Zeit der römischen Republik

kann dicht neben gestellt werden.

Sertorius hatte eine Macht von ungefähr 130 000 Mann gegen sich ,

und trotzdem

ihm

nur ein Drittel dieser Stärke zu Gebote

stand , behauptete er sich in langen erfolgreichen Treffen. Nachdem seine Gegner der Reihe nach geschlagen , wagte kein Konsul des Jahres den Oberbefehl gegen ihn zu übernehmen und in dieser Lage that der Senat einen höchst gefährlichen Schritt. Er sandte den geheimen aber erkannten Gegner seiner (der sullanischen) Verfassung, Pompejus, nach Spanien, und es unterlag keinem Zweifel, dafs dieser, sobald Sertorius verdrängt war, sein offener Gegner wurde . Aber auch das Talent des Sertorius mufste wie einst das Hannibal's gegen die römische Konsequenz auf die Dauer unterliegen. Mit der Abnahme seiner Hülfsquellen , mit dem Ausbleiben des Ersatzes - nach Verlust seines Heeres griff Mifsstimmung unter seinen Truppen um sich , deren Hauptträger die altrömischen Offiziere waren . Sie rechneten , sobald sie ihre eigene Sache zu Gunsten des Gegners

dahingehen

sahen ,

auf Belohnung

303

Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. ihrer Verbrechen beim Gegner.

Bei einem Mahle wurde der Feld-

herr von seinen Offizieren meuchlings ermordet .

Nach seinem Tode

zeigte sich, wie trotz des Unglücks des letzten Jahres, die Truppen noch am Feldherrn festhielten . Perpenna, sein Hauptgünstling, war der Anstifter des Komplotts gewesen, ihn

geliebt ,

dafs

gesetzt hatte .

und so

sehr hatte Sertorius

er ihn in seinem Testament als Haupterben ein-

Die Truppen, welche von dem Gange der Ereignisse

Kenntnis erhalten , murrten , und als Perpenna den Oberbefehl übernahm ,

hatte

er nur noch elende

Truppen waren

davongelaufen .

Insurgentenhaufen .

Mit jenen trat

Die besten

er Pompejus ent-

gegen, wie Staub fegte dieser aber die Schwärme weg. Pompejus Gesinnung.

war ein schwacher Feldherr ,

aber von ehrenwerter

Perpenna überreichte ihm die hinterlassene Korrespon-

denz seines Oberfeldherrn, in der Hoffnung auf reichen Lohn .

Diese

war für viele Zeitgenossen in Rom gefährlich, doch Pompejus warf sie ungelesen ins Feuer und überlieferte Perpenna dem Henker. Kein besseres Bild boten die Römer in Klein-Asien .

Beide

römischen Feldherren Lucullus und Pompejus thaten an der Spitze ihrer Heere was sie wollten. dafs

sie nicht einmal die

nehmen brauchten.

Der Krieg selbst gab so reiche Beute , römische Staatskasse in Anspruch zu

Beide kehrten reich heim, und ersterer verteilte

372 Millionen , letzterer 87 Millionen Mark an seine Soldaten ; dabei erhielten die heimkehrenden Feldherren Triumphzüge gleich dem des Scipio Africanus (dem Älteren) und die Veteranen Domänenländer ! In einem Punkte unterschieden sich Lucullus und Pompejus. Lucullus

vergalt jede feindliche Grausamkeit mit gleicher Münze ;

Pompejus trat den Gefangenen durchweg menschlich gegenüber, und das verdient in der Periode der Grausamkeit besondere Hervorhebung.

Wie sich in und um Rom ein Proletariat auf dem Lande

entwickelte, so hatte sich unter den vielen Verstöfsen, deren sich die römische Rechtspflege und Kriegszucht in den Ländern des Mittelmeeres schuldig gemacht, ein Proletariat auf dem Meere herangebildet, welches so mächtig wurde , dafs dagegen ein Seekrieg geführt werden musste. Ein anderer Feldherr würde mit den Piraten kurzen Prozefs gemacht haben.

Doch Pompejus , wohl einsehend , dafs die

Piraterie eine Antwort auf den eigenen Volksverfall war, behandelte sie human, indem er sie als Sklaven in die Kolonien schickte . Wie hier

zur

See ,

so

hatte

er auch im

Landkriege

Gefangenen nicht mehr als Sklaven verhandelt ,

die gemachten

sondern

sie

zur

Kolonisierung des eroberten Gebietes verwertet. Alle Gesetzlosigkeiten , Eigenmächtigkeiten und Willkürlichkeiten

Zur Infanterietaktik .

304

der Feldherren waren die Folge der Marius'schen Reformen. Marius hatte aus dem „ Bürgerheere " eine Söldnerschaar gemacht , und als diese radikale Veränderung in Heer- und Volkswesen vor sich gegangen war , da standen alle den Verhältnissen Thür und Thor offen, die eingetreten sind, sobald die Feldherren da waren, die sich Es war eine Zeit tiefer Schmach und

Herren der Kohorte fühlten .

Verfalls , eine Zeit der Schande für die römische Kriegszucht . (Schlufs folgt.)

XXIV .

Zur Infanterietaktik.

Die wichtigen ,

die Taktik der Infanterie betreffenden Fragen,

welche seit den letzten Kriegen in Flufs kamen , Versuche zu ihrer Lösung hervorgerufen .

haben zahlreiche

Übereinstimmend wird darin anerkannt die Notwendigkeit möglichster Verwertung unserer weittragenden Hinterlade- Präzisionsgewehre, nicht minder aber auch das Gebot , der Wirkung der gegnerischen , gewifs

ebenbürtigen Waffe gebührend Rechnung

zu tragen .

und wie dies im grofsen Ganzen zu bethätigen ist ,

Wann

darüber besteht

kein Zweifel, das Detail der Durchführung aber steht noch nicht fest. Hierfür einen Beitrag zu liefern

durch Vorführung mancher ,

nicht allenthalben genügend beachteter Thatsachen , nachstehender Zeilen .

noch

ist der Zweck

1. Beilage H. der Schiefsinstruktion setzt die Grenzen fest, bis zu welchen gegen mannsbreite Ziele von jedem einzelnen Schusse noch ein Treffer erwartet werden kann . Wenn daher jenseits dieser Grenzen Ziele beschossen werden sollen, welche aus in Zwischenräumen nebeneinander befindlichen Figuren bestehen, z. B. lockere Schützenlinien, so mufs zur sicheren Erreichung

einer Treffwirkung

eine gröfsere

Zahl von Gewehren auf diese Ziele gerichtet werden. Von den Geschossen , welche die Figuren bezw . Schützen nicht

Zur Infanterietaktik .

treffen ,

305

geht ein Teil zu kurz oder zu hoch ,

denselben durch .

ein anderer zwischen

Erstere sind Folge falscher Visierstellung , unrich-

tigen Abkommens, und jedenfalls tragen mehr oder minder die Schuld daran die Schiefsenden ; bei letzteren

dagegen trifft ,

da

sie

mit

richtiger Elevation abgegangen sind , die Schiefsenden keine Schuld. Die Zahl der durch die Lücken gehenden Geschosse ist in keiner Weise zu bemessen und deshalb sind auch die Resultate oft sehr überraschend .

Bei zwei an verschiedenen Orten gegen lockere

Schützenlinien unter ganz gleichen Verhältnissen (Ziel : 60 Figurenscheiben mit 40 cm Zwischenraum ; Schützenzahl : 40 Mann knieend ; 400 Schufs ;

Entfernung 600 m ; Visiere 550/650 ; Salven) abgehal-

tenen Belehrungsschiefsen wurden folgende Resultate erzielt : I. Abteilung hatte 72 Rundtreffer, 12 Querschläge , 32 Figuren , II. Abteilung hatte 46 Rundtreffer, 11 Querschläge, 38 Figuren . Bei einem Prüfungsschiefsen gegen lockere Schützenlinien hatten von zwei gleich starken Abteilungen in der nämlichen Zeit ( 1 Minute) erschossen : III. Abteilung : mit 457 Schufs 79 Rundtreffer, d. h. 17 Prozent Rundtreffer 1727 Schufs

und

24

Prozent

186 Rundtreffer ,

Figurentreffer ; d.

h.

11

IV.

Prozent

Abteilung :

mit

Rundtreffer und

68 Prozent Figurentreffer. Gewöhnlich werden als günstigste Resultate diejenigen betrachtet, welche die meisten Figurentreffer aufweisen. Trotz der geringeren Anzahl von Rundtreffern ist diesem

nach

das Resultat von II. besser als von I. , und trotz der geringeren Prozentzahl von Rundtreffern von III.

auch

das Resultat von IV. besser als jenes

Bei III. ist noch zu bemerken , dafs diese Abteilung wahrscheinlich 3 Minuten Zeit gebraucht hätte ,

um die gleiche Anzahl Feinde

aufser Gefecht zu setzen wie Abteilung IV. Das günstige Resultat von Abteilung IV. fällt entschieden mit auf Rechnung der gröfseren Schufszahl , welches Mittel , Bereich des

einzelnen Schusses

verlassen ist ,

sobald der

wesentlich mit den

Erfolg sichern hilft. Es dürfte von Interesse sein , sich ein Bild zu machen von der Art und Weise, in welcher die Schützen im Gefechte von Geschossen umschwirrt werden. Um dies darzustellen empfiehlt es sich , entweder die Figuren auf Sektionsscheiben zu kleben oder erst nach dem Beschufs der Sektionsscheiben die ausgeschnittenen Figurenscheiben auf selbe legen zu lassen.

Zur Infanterietaktik.

306

Man wird vielleicht einwenden ,

das Zielen und Abkommen sei

leichter gegen Sektionsscheiben als gegen Figuren ;

wenn man aber

erwägt, daſs der Gegner meist in Pulverdampf gehüllt ist, was durch Gewehrschläge darzustellen versucht wird, so erscheint die Sektionsscheibe als ein ebenso zweckmässiges wie wohlfeiles Mittel für Darstellung des Pulverdampfes . Um ein Beispiel zu erhalten, wurden 2 Sektionsscheiben hinter der 50 cm hohen Brustwehr eines Schützengrabens aufgestellt und auf den Entfernungen 700 und 400 m von 8 Mann jedesmal 25 Patronen gegen dieselben, stehend aufgelegt, verfeuert, somit auf jeder Entfernung 200 Schufs abgegeben . Die Figurentreffer wurden nach dem Beschusse durch Auflegen von ausgeschnittenen Figurenscheiben ermittelt. Tafel I. und II. ( siehe die Anlage) zeigen die erschossenen Treffer gegen gedeckte bezw. teilweise

gedeckte Schützenlinien von Kopf-,

Brust- und Rumpfscheiben auf 700 und 400 m, sowie die durch die Lücken u . s. w. gegangenen Geschosse . Bei Tafel III. und IV. wurden die

ausgeschnittenen Figuren-

scheiben 50 cm über den Fufs der Sektionsscheiben gehalten und dadurch das Resultat gegen ungedeckte Schützenlinien von KopfBrust- und Rumpfscheiben ermittelt.

2. Beilage H. der Schiefsinstruktion giebt den ungefähren Prozentsatz an Treffern , welcher den verschiedenen Zielen gegenüber zu erwarten ist .

Für die Theorie, zur Berechnung des Munitionsbedarfes

haben diese Angaben entschiedenen Wert, obwohl die von der Truppe am Schiefsplatze gewonnenen Resultate sehr davon abweichen , meist ungünstiger sind . Es stehen uns zahlreiche Beispiele zur Verfügung ; wir erlauben uns nachstehend nur die Resultate eines Belehrungsschiefsens vorzuführen ,

welches

vor kurzem von 2 Abteilungen in verschiedenen

Garnisonen ausgeführt wurde .

Wir sehen hier, dafs in N. dieselbe Abteilung, welche gegen die aufrechte Linie mit der Salve 21 Prozent Rundtreffer erzielte, 5 Minuten später am selben Platze, also unter ganz gleichen Verhältnissen, mit dem Schützenfeuer - nach jeder Patrone war eine kurze Pause - nur 11 Prozent Rundtreffer erreichte.

In M. werden gegen auf-

rechte Compagniekolonnen mit der Salve nur 7 Prozent , gegen 24 Prozent Rundtreffer erschossen .

in N. da-

Minimalund Maximalleistung nach der Mafsgabe Schiefsinstrukt .

demnach Prohaupt zente

307

Querschläge

Garnison

Rundtreffer

Mannsbreiten Von den vorhandenen ohne mit Mannsbr eiten wurden ProBerücksichtigung der zente aufser Gefecht gesetzt Querschläge

über-

Mann 40 stehend

800

200

800

Schützenfeuer Salven

N.

42

M.

29

N.

22

M.

N.

15

34

43

38 (48)

21

11

34

40

38 (44)

14

10

23

32

25 (35)

11

9

17

24

19 (27)

13

7

16

11

17

12 (19)

48

24

8

18

24

20 (27)

19

8

29

34

32 (38)

24

26

27 (29)

15-30

750 850

15-30

22

200

21

20-40

M.

750 850

388

800

Mann 40 stehend

200

42

750 850

Schützenfeuer Salven

Mann 40 stehend

800

M.

75

200

750 850

74

Mann 40 stehend

m

29

Aufrechniete Compag Kolonn Mannsbr eeiten .90

Feuerart

nung in

Visiere

Entfer-

TH

Aufrechte Compagnie Mannsbreiten 90 Linie .in

Ziele

Schufszahl

Anzahl Schützen der

Zur Infanterietaktik.

20-40

N.

43

21

Wenn sich auch für diese verschiedenartigen Resultate Erklärungen finden lassen und hierdurch Anhaltspunkte , welche in der Folge zu berücksichtigen sein werden , so bleibt es doch immerhin Thatsache , dafs die Faktoren , welche auf die Resultate einwirken, sehr mannigfacher Art sind und auch in der Erregung des Gefechtes unmöglich allgemein gewürdigt werden können . Es ist deshalb gewifs gerechtfertigt, wenn man zu dem Schlusse kommt, dafs in der Wirklichkeit nicht nur gegen Schützenlinien , sondern auch gegen alle anderen Ziele möglichst gute lichst viele Schüsse

abgegeben werden müssen ,

und auch mög-

um die Nachteile,

welche alle die einwirkenden Zufälligkeiten u. s . w. im Gefolge haben, einigermafsen auszugleichen. *)

3. Will man ein wirksames, überlegenes Feuer in kurzer Zeit abgeben , so

mufs

man in den meisten Fällen sehr dichte Schützen-

*) Von sachkundiger Hand wurde uns aufser dem Kurz- und Weitschufs zur Erklärung der grofsen Differenz zwischen der Salve und dem Schützenfeuer gegen die aufrechte Linie in N. noch bemerkt , dafs , wie es S. 104 in der " Verwendung

Zur Infanterietaktik.

308 linien verwenden ;

dichte Ketten

aber sind grofsen Verlusten aus-

gesetzt, wird man sagen. Prüfen wir dieses näher und denken uns zwei Abteilungen gegenüber : die Abteilung A. bestehe aus 100 liegenden Schützen, die Abteilung B. bestehe aus 50 liegenden Schützen , und beide Abteilungen seien in gleicher Breite ausgeschwärmt. Rechnet man gegen die liegende Schützenlinie etwa 1/3 der Treffer , welche gegen die liegende geschlossene Linie zu erwarten

sind ,

so

erhält

man nach der Schiefsinstruktion auf 500 m Entfernung als Minimum 2 Prozent ; die Verluste einer doppelt so dichten Schützenlinie werden dann ungefähr 4 Prozent betragen . Unter der Voraussetzung, dafs das Feuertempo auf beiden Seiten ein gleiches ist , ergiebt sich bei z. B. 5 Schufs in der Minute , daſs die Abteilung A. 500 Schufs abfeuert. Dieser Schufszahl entsprechen

in der Abteilung B. 10 Treffer ;

rechnet man per Treffer 1 Mann Abgang, so ist in 1 Minute von der Abteilung B. 15 aufser Gefecht gesetzt. Die Abteilung B. giebt dagegen in dieser Minute nur 250 Schufs

ab ; dieser Schufszahl entsprechen in der Abteilung A. 10 Mann Abgang, d. i . 1/10. Würde die Abteilung A.

aus 150 Mann bestehen ,

also

3 mal

so dicht sein als die Abteilung B. , so erlitte sie dreifachen Verlust, d . i . 6 Prozent. Es würden dann in einer Minute von A. mit 750 Schufs bei B.

15 Mann

Abteilung B. mit 250 Schufs aufser Gefecht setzen würde.

aufser Gefecht gesetzt ,

während die

ebenfalls 15 Mann der Abteilung A.

Setzen wir das erste Beispiel fort, so ergiebt sich für die 2. Minute : A. feuert 90 mal 5 Schüsse, dies giebt 1,5 pCt. Verlust bei B. , d. h . 7 M. , B. 3,5 "9 40 "" 5 " » " " "" A. , d. h . 7 M. , "" für die 3. Minute : A. feuert 83 mal 5 Schüsse , dies giebt 1 pCt. Verlust bei B. , d . h. 4 M., B. 33 " 5 "9 n "9 " 3 " " "" A. , d . h. 4 M. In 3 Minuten erleidet somit A. 21 Mann Verlust, bleiben 79 Mann, B. 21 Mann Verlust, bleiben 29 Mann .

des Infanteriegewehres M./71 " erwähnt ist, beim Schützenfeuer der Kern immer anders liegt , als bei der Salve. Ersterenfalls nimmt der Schütze nämlich das Korn fein, schiefst also kürzer, was zur Folge haben kann, dafs nur das Ende der Trefferreihe oder gar nur ein Ausläufer ans Ziel kommt, während mit demselben Visier bei der Salve (das Korn wird meist voller genommen) der Kern oder noch ein ihm ziemlich nahe liegender Teil der Trefferreihe ins Ziel trifft.

Zur Infanterietaktik.

309

Das ursprüngliche Stärkeverhältnis von 2 : 1

ist daher bedeu-

tend verändert zu Ungunsten der Abteilung B. Ähnlich lässt sich das zweite Beispiel ( A. 3 mal so stark als B. ) fortsetzen ; es ergiebt sich für die 2. Minute : A. feuert 135 mal 5 Schüsse , dies giebt 1,5 pCt . Verlust bei B., d. h. 10 M. , B. 35 " 5 5,5 " 99 99 "" " A. , d . h. 10 M. , 99 " für die 3. Minute : A. feuert 125 mal 5 Schufs, dies giebt 1 pCt. Verlust bei B. , d. h . 6 M. , 5 "" B. 25 " 5 " " A., d. h. 6 M. " " " "

In 3 Minuten verliert jede Abteilung 31 Mann , 119 Mann, bei B. nur noch 19 Mann .

bei A. bleiben

Das ursprüngliche Stärkeverhältnis 3 : 1 ist noch mehr zu Ungunsten von B. verändert, als im ersten Beispiele. Wir sind weit davon entfernt, vorstehenden Berechnungen einen ausschlaggebenden Wert beizulegen , ein System darauf ausbauen zu wollen, wir würden uns im Hinblicke auf das unter 2 Erwähnte einer grofsen Inkonsequenz schuldig machen.

Es wird aber nicht zu ver-

messen sein , wenn wir aus vorstehendem folgern , erhöhte Zahl der

in Thätigkeit tretenden

dafs

durch die

Gewehre die

Nachteile

einer dichten Schützenlinie in Bezug auf Verluste einer weniger dichten Schützenlinie gegenüber mehr oder minder ausgeglichen werden. Es bedarf keines besonderen Nachweises , dafs , wenn die stärkere Abteilung A. eine breitere Front einzunehmen vermag , als die gegenüberstehende schwächere Abteilung B. , die Feuerwirkung noch vielmehr zu Ungunsten von B. sich gestaltete , daher die breite umfassende Front stets anzuwenden ist, wo es die Verhältnisse zulassen . 4. Eine mächtige Feuerwirkung bedingt starke Schützenlinien und werden deshalb die Ketten entweder gleich bei Annahme der Gefechtsformation genügend stark gemacht,

oder dieselben werden erst bei

Eröffnung des Feuers entsprechend verstärkt . Beilage H. Ziffer 2a . der Schiefsinstruktion bestimmt ,

dafs die

Züge in sich zusammengehalten, zwischen den einzelnen Zügen aber scharf hervortretende Zwischenräume offengelassen werden müssen . Gruppenabstände nur ausnahmsweise

sind somit zulässig ,

wie

ausgeschlossen z.

B.

wenn

und werden wohl mehrere

schmale

Deckungen von Abteilungen desselben Zuges in Benutzung kommen. Nachdem nun kriegsstarke Züge in der Schützenlinie selbst ohne Gruppenabstände eine bedeutende Breitenausdehnung haben und deshalb schwer zu leiten sind ,

so dürfte es sich wohl empfehlen ,

die

Zur Infanterietaktik.

310

Halbzüge direkt unter den Compagniechef zu stellen und das Feuer mittelst der Halbzugsführer zu leiten. Halbzugsschwarmsalven sind auch leichter auszuführen als Zugsschwarmsalven.

Übrigens ist durch

das

allmählich aus der Praxis

sich entwickelnde Verfahren, beim geleiteten Schützenfeuer stets nur eine Patrone verfeuern zu lassen , gebracht.

Dasselbe

letzteres der Salve ziemlich nahe

bekommt dadurch mehr den Charakter

einer

nicht abgerundeten Salve, der Zielwechsel kann sofort vorgenommen werden ,

ohne erst stopfen zu müssen ;

einzelnen Patronen

die Pausen zwischen den

können wie bei der Salve nach Bedarf verkürzt

oder verlängert werden , bis der Pulverdampf sich verzogen hat, das Feuer ist ganz in der Hand des Führers. Tritt später das Gefecht in ein Stadium ,

welches

die Feuer-

leitung schliesslich mehr oder minder aufhebt, dann fallen überhaupt die Feuerpausen von selbst fort und es ist deshalb gleichgültig , ob eine oder mehrere Patronen angesagt werden , ununterbrochen fortrollen .

das Feuer wird eben

5. Wann soll die Schützenlinie des Angreifers das Feuer eröffnen? Der Verteidiger, welchem meist die Entfernungen im Vorterrain bekannt sind, ist in der Lage, der Infanterie des Angreifers von dem Augenblicke an, in welchem sie in den Bereich des Infanteriegewehres tritt, durch seine Infanterie grofse Verluste beizubringen. luste werden besonders grofs sein ,

Diese Ver-

so lange der Angreifer sich be-

wegt und der Verteidiger sein Feuer ungestört abgeben kann. Wenn daher die Angriffsartillerie das Infanteriefeuer des Verteidigers während des Vorgehens der Angriffsinfanterie nicht genügend zu dämpfen vermag, so mufs letztere von dem Augenblicke

an ,

in

welchem ihre Verluste zu empfindlich werden , das Feuer eröffnen . Auf welcher Entfernung dies stattzufinden hat , läfst sich nicht allgemein angeben ; aufser der Wirkung des feindlichen Feuers ist hier das Terrain besonders mafsgebend ; man geht eben unter allen Umständen so nahe als „ möglich " heran , was „möglich “ ist, das weifs man aber nicht im voraus. Die Schiefsinstruktion setzt als des Infanteriefeuers fest ;

gegen

äusserste Grenze für Eröffnung

alle Ziele die Entfernungen von 700 m

auf diesen Entfernungen

deckt liegenden Verteidigers

sind allerdings die Verluste des ge-

noch mässig ,

das Schwirren der Ge-

schosse um die Köpfe und ihr Einschlagen in die Deckungen werden die Ruhe aber sehr beeinträchtigen und gar mancher Verteidiger wird

Zur Infanterietaktik.

311

seinen Schufs ins Blaue abgeben , um sich nicht beim Zielen des Schutzes der Deckung begeben zu müssen . Die Tafeln I - IV. geben einige Beispiele, welche der Beachtung wert erscheinen. In der freien Ebene wird man ohne Unterstützung des Feuers selten viel näher (als 700 m) an den Verteidiger herankommen, die Verluste würden eben zu grofs, der verbleibende Rest der Schützenlinie zu schwach zu einem überwältigenden Feuer sein. es gelänge bis

auf 400 m

Selbst wenn

heranzukommen , wie vielfach empfohlen

wird, so dürfte nicht zu übersehen sein, dafs der ungedeckte Schütze dort einen sehr harten Stand hat.

(Siehe Tafel IV.)

Ist es dem Angreifer gelungen , aus seiner ersten Position das Feuer des Verteidigers

zu dämpfen , ihn am ungestörten Schiefsen zu hindern (dazu gehört aber ein überwältigendes Feuer , also viel Munition , starke Schützenschwärme) , dann erst wird weiter vorgegangen werden können . Es ist dringend , dafs die Tradition des ungestümen „ Drauflos “ den Prinzipien der modernen Feuertaktik Konzessionen mache :

wir

müssen uns bequemen , im Angriffe rechtzeitig Halt zu machen und von dort aus dann systematisch vorzugehen ; es dürfte dies mehr Erfolg versprechen als

ein verfrühtes Vorprellen ,

welchem sicherer

Rückschlag droht, und erneutes Ansetzen ist stets schwierig.

6. Sehr erfreulich ist es, zu ersehen, dafs der Gedanke, den Sturm durch liegen bleibende feuernde Abteilungen so lange als möglich unterstützen zu lassen, neuerdings in der Militär-Litteratur angeregt worden ist. Derselbe fand bereits Aufnahme in „ Verwendung des Infanteriegewehres M./71 " und kam auch vor 3-4 Jahren allgemein zum Ausdrucke bei

den Frühjahrsmanövern des

Gardecorps .

Auf der

freien Ebene des Exerzierplatzes war dabei das Feuer frontal und der Sturm gegen die Flanke gerichtet oder umgekehrt ; im abwechselnden Gelände bei gröfseren Truppenkörpern wird dieses Verfahren häufig auch innerhalb der Front für einzelne Truppenkörper möglicht werden .

er-

Wer ferner die Vorträge in der Militär- Schiefsschule zu Spandau kennt ,

wird sich erinnern ,

dafs

dort das gleiche Angriffsverfahren

empfohlen wurde ; russische Militärschriftsteller vertreten diesen Standpunkt ebenfalls .

Zur Infanterietaktik.

312

Es wäre sehr zu wünschen ,

dafs

sich dieses Verfahren in die

Praxis einbürgere und überall da zur Anwendung käme, wo es, durch das Terrain begünstigt, Erfolg verspricht. Fassen wir vorstehende Punkte nochmals in Kürze zusammen, so sehen wir , dafs es sich immer empfehlen wird , ausgiebigstes Feuer anzuwenden, um die Nachteile, welche geringe Schufsleistung, nicht genau zutreffende Visiere u. s. w. im Gefolge haben , auszuein wirksames Feuer erfordert starke Schützenschwärme,

gleichen ;

die Nachteile dichter Schützenketten in Bezug auf Verluste werden durch die erhöhte Zahl der in Thätigkeit tretenden Gewehre mehr oder minder aufgewogen ; das Feuer des Angreifers mufs von Eröffnung an ein ergiebiges sein , man mufs dem Gegner das Gesetz diktieren ; das Feuer des Angreifers wird beginnen, sobald jenes des Verteidigers zu empfindlich wird ; erst wenn letzteres genügend gedämpft ist , kann aus der ersten Feuerposition weiter vorgegangen werden . Das Feuer liegenbleibender Abteilungen mufs , wenn irgend möglich, jedes Terrain gewinnen, wie insbesondere den Sturm unterstützen. Vorstehende

Themas

nicht zu

erschöpfen ,

wohl

aber

deren

Inbetrachtnahme anzuregen, war der Zweck dieser Zeilen . Schliefslich erlauben wir uns noch den Wunsch auszusprechen, es möchte bei den Friedensmanövern

dem Feuergefechte ,

d . i . der

Wirkung des Feuers, mehr Beachtung geschenkt werden. Es kommt noch immer vor, dafs ein überlegenes, im Ernstfalle vielleicht allein

schon den Gegner zum Abzuge

gar keine Berücksichtigung seitens Folge davon ist ,

zwingendes Feuer

der Schiedsrichter findet.

dafs der Angreifer fast niemals

Die

frontal angreift,

sondern sein Heil in mitunter sehr unwahrscheinlichen Umgehungen sucht und auch findet. Die Prinzipien eines offensiven Feuers werden durch eine solche Manöverpraxis nicht anerzogen ; wenn aber die Schiedsrichter der Feuerwirkung die nötige Beachtung schenken , so kann es auch bei Friedensmanövern gezeigt werden , wie man durch Anwendung eines überlegenen Feuers in die feindliche Stellung eine Lücke reifst ,

in

der man sich mit frischen Truppen festsetzt und hierdurch die erste Stufe zum Siege erklimmt.

November 1880.

P.

313

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz etc.

XXV .

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz für

das Feuer der Artillerie. Von

Alo Dengler, Lieutenant im Königl. bayer. 2. Fufsartillerie -Regiment. (Schlufs. ) Eine langjährige Erfahrung auf dem Gebiete der Telemetrie hat die

Gebrüder v.

Paschwitz

nach Herstellung verschiedener Kon-

struktionen und nach unzähligen kostspieligen Versuchen belehrt, dafs weder auf akustischem Wege (Zeitmesser) , noch auf rein optischem (Bildweitenmesser) , sondern nur mit Hülfe der Geometrie sich fragliches Problem in praktisch brauchbarer Weise lösen läfst. Der Paschwitz'sche Telemeter Triangulation .

Die

als

beruht Hülfsseite

demnach

auf

abgesteckte

dem Basis

Prinzip

der

ist konstant

25 m, ebenso sind die anliegenden Winkel gegeben, der parallaktische Winkel ist veränderlich. Zur Bestimmung der Entfernung irgend eines Objektes ist demnach die Aufstellung in 2 Punkten , welche stets den gleichen Abstand von einander haben (25 m) und die Absteckung eines konstanten Winkels a, der nahezu = R ist, in jedem der beiden Punkte nötig . Wenn auch das Prinzip der Distanzbestimmung mittelst Absteckens von konstanten Winkeln keineswegs neu ist, so ist doch die Verwendung desselben bei dem nachstehend beschriebenen Instrumente und dessen Einrichtung , welche die unmittelbare Ablesung der Entfernung ohne irgend welche Rechnung oder Hülfstabellen u. a. gestattet, ganz eigenartig , höchst einfach und mehr als hinlänglich genau , wie weiter unten dargethan wird. Wegen der grofsen Disproportion zwischen Basis und Distanz geht hervor , dafs die Vorteile einer festen Unterlage und optischen Vergröfserung nicht entbehrt werden können , Stative und Fernrohr zur Anwendung gelangten.

weshalb

Die einzelnen Teile des Apparates sind : *) 1. das optische *) Nach der Brochüüre des Erfinders : „ Beschreibung des Telemeters von Paschwitz (Patent) von E. v. Paschwitz." 2. Aufl. -- Kissingen 1880 bei Schachenmeyer . Preis 1 Mark. 21 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz

314

Instrument, -

2. die beiden Stative, - 3. der Mefsstab, -- 4. die

Ausgleichvorrichtung mit Visierstab, Messingschiene und Zielschildchen , 5. das Mefsband aus Stahl. Zu 1. Das optische Instrument. Dasselbe besteht aus einem ca. 30 cm langen Fernrohr mit Fadenkreuz und einem vor demselben angebrachten Winkelspiegel , welcher nur die Hälfte des Objektivglases verdeckt und die Lichtstrahlen um einen etwas kleineren Winkel als 90 ° ( etwa a = 8934°) ablenkt , damit der Mefsstab in Balance erhalten wird. An der Aufsenseite des Instruments befinden sich 2 Ringe ,

mittelst deren es in die Lager der beiden

Stative eingelegt und wie ein Nivellierinstrument um seine Axe gedreht werden kann. -- Im Spiegelgehäuse ist ferner ein Diopter angebracht, dessen Visierlinie mit der des Winkelspiegels zusammenfällt , also annähernd senkrecht zur Visur nach dem Objekte steht . Der Winkelspiegel besteht aus einer plankonvexen Glaslinse, auf deren Konvexfläche eine Planfläche von etwa 1 mm Durchmesser konzentrisch aufgeschliffen ist und aus einem in der Brennweite der Linse angebrachten Zielstifte . Ferner befindet sich beim Objektivglas ein halbrundes Kompensationsglas , wodurch das optische Bild des entfernten Objektes ein wenig hinausgeschoben und mit dem des nahen Zielschildchens in der Ebene des Fadenkreuzes vereinigt wird. Zu 2.

Die

beiden hölzernen

dreibeinigen

Stative I. und II .

tragen die Lager von Messing zum Einlegen des Fernrohres und sind mit Vorrichtungen zum Horizontal- und Vertikalbewegen versehen.

Zu 3. Der Mefsstab ist aus Holz und 74 cm lang ; derselbe wird bei Vornahme einer Messung mittelst der unter 4 beschriebenen Messingschiene in die Schlitze des Lagers I. gelegt und durch Häkchen festgehalten und ist mit zwei Einteilungen versehen , nämlich mit der auf der oberen Seite befindlichen Distanzskala, welche die Entfernungen von 800 m bis 10 000 m enthält und der seitlichen groben Einteilung zum Einstellen des Zielschildchens . Zu 4. Die Ausgleich vorrichtung. Zum leichteren Verständnifs dieser Anordnung sei erwähnt, dafs es bei Vornahme einer Messung sehr schwierig und zeitraubend wäre , das Stativ II. oder vielmehr eine an dem Lager desselben angebrachte Marke genau auf das Fadenkreuz des optischen Instruments auszustellen.

Die Kom-

pensationsvorrichtung nun ermöglicht , dafs die Vertikalaxe des Stativs II. um die halbe Länge der Ausgleichstäbe rechts und links. vom Fadenkreuze des Spiegelbildes

entfernt

sein darf,

ohne dafs

für das Feuer der Artillerie.

315

hierdurch ein Fehler entsteht ; sie besteht aus einem Visierstabe und der Messingschiene, welche beide mit gleichen Einteilungen versehen sind .

Der Visierstab ist am Lager des Stativs II. befestigt und

mit einer Visiervorrichtung versehen , wie das Fernrohr zeigt .

welche

Er besitzt wie der Mefsstab

obere Einteilung und eine gröbere seitliche .

Seiten gleichviel über dieselbe hervorragt.

eine feinere

Die Messingschiene

ist auf dem Mefsstab in der Art befestigt ,

des Lagers I.

auf denselben Punkt

dafs

dieser auf beiden

Sie ist in zwei Schlitzen

verschiebbar und kann nach Mafsgabe der Ablesung

am Visierstabe auf einen bestimmten Indexstrich eingestellt werden . Das Zielschildchen ist auf dem Mefs- und dem Visierstabe verschiebbar und ist mit einem senkrechten Strich und einer Oeffnung zum Einstellen auf das Fadenkreuz bezw. zum Ablesen der groben Einteilung und rückwärts mit einem Zeiger versehen. Zu 5.

Das Stahlband dient zum Abstecken der Basis , deren

Länge (25 m) durch zwei an den Endringen angebrachte Nieten bezeichnet ist und wie die Mefsbänder der Geometer in einem Ledergehäuse aufgerollt werden kann. Konstruktionsbedingungen :

Das Messen der beiden Basis-

winkel könnte ebensogut mit Hülfe eines Theodoliten oder Spiegelsextanten geschehen und die Aufgabe

als

gelöst

erscheinen.

Da

iedoch diese Instrumente nicht die nötige Einfachheit besitzen , so hat man in Erwägung des Umstandes, dafs nicht die ganzen Winkel von 0-90 ° oder allenfalls bis 100 °, sondern nur deren Differenz von 90 ° oder einem andern naheliegenden konstanten Winkel gemessen zu werden braucht , vereinfachte Instrumente dieser Art konstruirt und sie Differentialinstrumente genannt. Solche giebt es nun für einen und zwei Aufstellungspunkte , mit und ohne Stativbenutzung. Dafs Instrumente, welche die Basis in sich selbst tragen und demnach nur eine einzige Aufstellung zur Beobachtung verlangen und in deren Konstruktion schon ganz erhebliche Fortschritte gemacht wurden (z . B. der Berdan'sche und Rośkiewicz'sche Distanzmeſsapparat) das Ideal eines Telemeters sind und alle übrigen zu verdrängen im stande wären , ist ebenso sicher, als dafs solche wegen ihrer Subtilität und grofsen Empfindlichkeit gegen äufsere Einflüsse, z . B. einseitiges Erwärmen durch die Sonne, unvermeidliche Erschütterungen und Verbiegungen durch Verpackung und Transport , Luftundulationen , Verschrauben u. s. w. für den eigentlichen Feldgebrauch niemals verwendbar sein werden . Die Mefsinstrumente ohne Stativ benutzung z. B. das Projekt des Premierlieutenant Mücke)

haben trotz aller

Protektion und bei aller Energie und Ausdauer der Erfinder bis jetzt 21 *

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz

316

zu keinem brauchbaren Resultat geführt und werden auch nie etwas Erspriefsliches leisten können.

Der Grund hiervon liegt einmal, wie leicht einzusehen, im Genauigkeitsgrade der angewandten Winkelmefsmethode, weniger in dem Umstande, ob die Basis seitlich vom Visierobjekte oder in dessen Richtung gelegt wird, ferner ob man ein rechtoder schiefwinkeliges oder gleichseitiges Dreieck zu grunde liegt, hauptsächlich aber darin , dafs es absolut unmöglich ist, das Instrument aus freier Hand mit der nötigen Ruhe und Sicherheit zu halten. Dazu gehören bei den hochgespannten Anforderungen , d. h. bei dem grofsen Mifsverhältnis zwischen Basis und Distanz, Nerven und Muskeln von Eisen ,

um

nur einigermafsen

zuverlässige Resultate

zu

liefern .

Nun ist aber das mit seinem Schwerpunkte stets auf gespanntem Fufs befindliche und von physischen wie moralischen Eindrücken so vielfach bewegte ,

zweibeinige menschliche Gestell das denkbar ungünstigste Stativ für die Anwendung eines derartigen Instrumentes. Paschwitz hat auch die verführerische Klippe mit weiser Vorsicht umgangen, das abgeprotzte Geschütz selbst als Stativ benutzen zu wollen , wie dies beim Nolan'schen Distanzmesser angeordnet ist. Von dem auf gleichen Prinzip (Aufstellung in 2 Punkten, Benutzung von Fernrohr und Stativ) wie der Paschwitz'sche Telemeter beruhenden Instrumenten enthalten jedoch alle anderen stets bewegliche Teile zum Messen der Winkel, welche stets bei sorgfältigster Ausführung infolge ihrer Konstruktion als Differentialinstrumente unter einem besonderen Derangement zu leiden haben, indem der optische Teil des Apparates, mit dem visiert, und der mechanische, mit dem die Winkel gemessen werden , beständig in gegenseitiger Kollision sind, so dafs die gemessenen Entfernungen mit den wirklichen stets mehr oder minder differieren und dasselbe Instrument zu verschiedenen Zeiten ungleiche Mefsresultate liefert. Genannte Fehlerquellen schliefst jedoch der Paschwitz'sche Telemeter aus , weil sämmtliche Teile des optischen Instrumentes fest mit einander verschraubt sind , dasselbe also einen einzigen starren Körper bildet , der solchen Störungen nicht ausgesetzt ist.

Theorie des Instrumentes . *) Es sei AZ

D die zu bestimmende Entfernung und denkt man

sich von A (Stativ I.) aus den konstanten Winkel a mittelst des im Spielgehäuse angebrachten Diopters abgesteckt und in der Richtung AB

*) Nach Prof. Lorber's hochwissenschaftlicher Abhandlung in Dr. Carl's Repertorium für physikalische Technik und Dingler's polytechnischem Journal.

317

für das Feuer der Artillerie.

die horizontale Distanz AB = 25 m = C aufgetragen ,

dann

aus dem

Endpunkte B nach Einstellung auf Z wieder den Winkel a abgesteckt und den Schnittpunkt C auf einem in der Verlängerung der Visierlinie AZ oder derselben parallel liegenden eingeteilten Stab markiert, so giebt der Abstand AC = a einen Anhalts-

punkt zur Ermittelung von D. Denn aus den beiden Dreiecken ABZ und CBZ folgt

AC = AB ·

ZBC) sin (ZAB oder sin ZBC

sin a - B) sin B

a = b

sin ZBC oder

AZ — AB . sin (ZAB + ZBC) sin B

= b •

D = b • sin (a + B)

sin ẞ sin y

Wäre a bekannt , so liefse sich aus beiden Gleichungen ẞ ausscheiden und die zu bestimmende schiefe B'

Entfernung D durch a , b und a ausdrücken . Da aber α, obwohl konstant ,

MA

a.p

doch nicht bekannt ist ,

und da ferner ,

selbst wenn a be-

E

kannt wäre ,

eine

Rechnung aus-

geführt werden müfste, so hat man gesucht , sich von diesem Winkel unabhängig zu machen . Sind für eine andere Entfernung Di die entsprechenden Gröfsen

und B1, so ist sin Bi sin (a - B1) und D₁ = b • = b a1 = b sin (a + 81) sin Bi man erkennt nun leicht, dafs b2 a a1 = (D1 - D) DD₁'

a

sin sin

d . h. , dafs die Unterschiede der Stababschnitte von dem konstanten Winkel a unabhängig sind , und dafs somit eine etwaige Änderung von a keinen

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz

318

Einfluss auf die Unterschiede a - a₁ haben kann.

Da der Stab ver-

schiebbar sein mufs, der Nullpunkt der Teilung aber, um verschieden bezeichnete a zu umgehen, nicht im Scheitel des Winkels ist ,

son-

dern etwa in N, so sind die Ablesungen am Stabe m und m₁, deren Unterschied nur dann gleich a ai ist, wenn a = m c und a1 = m1 ist, d . h. wenn der Stab stets so eingelegt wird , dafs ein bestimmter Punkt desselben (Markenpunkt) mit einem am Stativ I. angebrachten, festbleibenden und von der Stabverschiebung koinzidiert.

unabhängigen Index

Der konstante Winkel a wird nun aber im 2. Standpunkte nicht genau vom Punkte B aus abgesteckt , weil dies eine subtile Aufstellung des Stativs II. verursachen würde ;

über B verlangen und daher

Zeitaufwand

dieser Winkel wird vielmehr von einem in der

Nähe befindlichen Punkt B ' abgesteckt und trifft die Visur jetzt den Stab in C' ,

es wird mithin

nicht BC sondern B'C' abgesteckt und

folglich mufs der Stab, um nicht zu wenig abzulesen , um das Stück C'C y verschoben werden , damit man den richtigen Abschnitt m erhält. Um

diese Verschiebung bewerkstelligen

stimmen zu können , schildchens

und ihre Gröfse

be-

liest man den Abstand des Zeigers des Ziel-

vom Anfangspunkte

der Teilung am seitlich liegenden

Visierstabe, d. h. den Schnittpunkt E der Visur AB, also nE ab.Da nun aber y = nE ist (weil der Winkel

für die kleinste zu messende

Entfernung von 800 m erst den Wert 1 ° 48' erreicht, und weil EE' bd hinreichend genau ist, so ergiebt sich D

bd

y = nE + EE ' - nE + D

bd Nachdem sich

aber ,

als

von D abhängig ,

nicht ermitteln

D läfst ,

so kann die Verschiebung blofs um das abgelesene Stück nE

vorgenommen werden , so dafs also die Ablesung auf dem Mefsstabe bd beträgt. nicht m , sondern m D Nun darf aber nicht übersehen werden, dafs der Stab AN nicht in der Vertikalebene AZ ,

sondern

seitlich

davon angebracht ist ;

folglich trifft die Visur den Stab auch nicht in C' , sondern in C ",

mithin wird die Stabablesung noch um gC' = d.cos ẞ =

bd₁ verkürzt . D

319

für das Feuer der Artillerie.

Es

daher schliesslich

ergiebt

der

mit Rücksicht auf die Be-

schaffenheit des Instruments abgelesene Stababschnitt bd₁ bd bd - a + c M = m D D Ꭰ

bd1 D ' Ꭰ

Für eine andere Entfernung D, ändern sich die Werte M1 , mi

und a

wie folgt bd

bdi

bd

bd1

M₁ = m1

= a₁ + c

D1

D₁

D₁

D₁

Um eine einfachere Beziehung zwischen Distanz und Mefsstabablesung aufstellen zu können, benützt man die Differenzen der Stababschnitte und man erhält schliesslich 1 1 M - M1 = b2 Ꭰ Ꭰ D ) - bd ( − D₁) ( - ) · ( − 1 1 ) - bd, (1

= (b2 - bd -

bd₁) . (1

D₁ und wenn man d = di setzt , weil der geringe Unterschied nicht mafsgebend sein kann ,

M ―

M₁ = (b2 ―――

1 G 2bd) • (·

1

und hieraus

M - M₁ + (b²

• 2bd) · G -)

Nimmt man als gröfste zu messende Entfernung D₁ = 10000 m und setzt den dieser Entfernung entsprechenden Stababschnitt M₁ = 0, so wird b2 b2 ---- 2bd 2bd M = D 10 000 oder nach Einsetzung der Werte b = 25 m und d = 33 mm auch

623,35 M =

- 0,062335 , D

wobei M und D in Metern ausgedrückt sind . Für die gesuchte Entfernung ergiebt sich hieraus 623,35 D = M + 0,062335' wobei

aber zu

berücksichtigen

bleibt ,

dafs der Stab so eingelegt

werden mufs, dafs für die Entfernung D = 10 000 m der Abschnitt M wirklich = 0 wird , d. h. dafs das Iustrument justiert ist . Es ist daher nötig , jenen Teilstrich am Stabe (Markenpunkt) zu ermitteln, der beim Einlegen desselben mit dem Index zusammenfallen mufs. Dieser Punkt läfst sich nun sehr leicht mit Hülfe bekannter Entfernungen finden.

Ist nun der Mefsstab mit einer Teilung versehen,

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz

320

bei deren Teilstrichen die entsprechenden Entfernungen

stehen ,

SO

können diese sofort abgelesen werden. Der Paschwitz'sche Mefsstab ist demnach für die Entfernungen von 800-10 000 m beziffert, nach folgender Skala : 800 m ist M - 716,85 mm, für D www 99 =

99

""

19

99

""

""

""

561,02

29

""

""

249,34

""

""

4 000 "" 5 000 99

""

29 - 145,44 "" = 93,50

62,34 41,56

""

"" ‫وو‬

26,72

""

""

15,58

""

99

6,93

""

=

15

1" ""



"" 29

"" "" ""

9 000 "" 29 10 000 "" ""

99

-

33

"" 6 000 22 22 7 000 99 "" 8 000 "" ""

" -

39

13 33

33 33

1 000 "" 2.000 "" 3 000 ""

0.

Vorausgesetzt , dafs der Mefsstab richtig geteilt und mit der Messingschiene richtig verbunden , dafs ferner das Fadenkreuz berichtigt ist (die Prüfung geschieht wie bei einem umlegbaren Nivellierfernrohre) , haben auf die Ermittelung der Entfernung zwei Fehler Einfluss : 1. der reine Distanzmessungsfehler , hervorgerufen durch Fehler im Visieren , Einstellen und Ablesen , und 2. der Fehler in Folge der fehlerhaft abgesteckten Basis . Zu 1. Der reine Distanzmessungsfehler wächst im quadratischen Verhältnis zur Entfernung. Professor Lorber hat nun zur Ermittelung der Gröfsen dieser Fehler unter seiner Leitung

von seinen

Schülern

500 Messungen

nach trigonometrisch genau bestimmten Punkten von 830 bis 7829 m unter allen Witterungsverhältnissen , namentlich auch bei stark windigem Wetter ,

anstellen

lassen und aus diesen die Leistungs-

fähigkeit des Paschwitz'schen Telemeters festgesetzt. Der mittlere Distanzmessungsfehler wurde

zu 0,000001874 D2

oder in Prozenten 0,0001874 D berechnet , wobei ein mittlerer Fehler im Winkelmesser von 7 Secd . oder eine Differenz am Mefsstabe von 1,17 mm bei Ausschlufs eines Basisfehlers sich ergab. Tabelle der reinen Distanzmessungsfehler (F1 ) : 1000 ist F1 für D 1,9 m oder 0,19 Prozent,

29 99

33

23

7,5 ,, = 16,9 "" "" 30,0 ""

""

0,37

""

""

0,56

""

""

0,75

""

46,8 ""

""

0,94

""

""

23

2000 "" = 3000 "" ‫وو‬ - 4000 "" 5000 ""

""

u. s. w.

F

für das Feuer der Artillerie. Zu 2.

Der

321

Fehler wegen der Basis

steht im einfachen

Verhältnisse zur Distanz und nimmt natürlich mit der Ungenauigkeit der Basis zu. Paschwitz gab seinem Instrumente früher zum Auftragen der Basis eine Mefsschnur bei , bei deren Benutzung der Fehler F₂ = 0,00877 D oder 0,877 Prozent der Entfernung aus 400 Messungen abgeleitet

wurde ,

was einem mittleren Fehler von

22 cm in der Absteckung der Basis gleichkommt ,

woraus sich fol-

gende Tabelle ergiebt : für D - 1000 m ist F2 = 9 m oder 0,9 Prozent, = 19 2000 "" 99 1,0 99 29 "" 32 = 3000 22 "" 1,1 "" "" "" 99 "" 47 1,2 4000 "" 29 "" 99 "" 1,3 65 "" "" "" - 5000 "" Da bei allen Entfernungen unter 4500 m, welche in der Artilleriepraxis gerade am häufigsten vorkommen , der Fehler wegen der mit der Schnur gemessenen Basis gröfser als der reine Distanzmessungsfehler wird , und

nur

so

mehr

soll nunmehr die Schnur ganz vermieden werden Stahlmefsband zur Verwendung kommen.

das

Lorber ermittelte

den durchschnittlichen Fehler (F2 ) bei Benutzung eines solchen zu 0,00326 D oder 0,326 Prozent der Entfernung, was einem mittleren Basisfehler von 8 cm entspricht. Der mittlere Gesamtfehler ist schliesslich = VF12 + F22 = oder in Prozenten Vpi2p22 , woraus sich folgende Tabelle bei Verwendung des Stahlbandes zum Abstecken der Basis ergiebt : für D 1000 m ist F = 4 m oder 0,4 Prozent, 22

99

-

"" "" 99

""

2000 "" 3000 "" 4000 "" 5000 ""

""

"" - 10 "" "" = 20 99 33 ‫وو‬

""

50 ""

99

""

22

0,5

""

0,7 0,8

""

Durch die Wahl einer gröfseren Basis, Teilung des Stabes

abgeändert werden

geringere Fehler erzielen .

99

""

1,0

u. s. w.

wodurch dann auch die

müfste ,

könnte

man noch

Allein den Bedürfnissen der Praxis ent-

spricht eine längere Basis nicht und dürfte man einerseits mit 25 m Basis, andererseits mit der erreichten Genauigkeit an der zulässigen bezw. erreichbaren Grenze angekommen sein. Verfahrungsweise :

Behufs

Vornahme

einer Messung

stellt der Beobachter das Stativ I. in A auf, legt das optische Instrument in das Lager ,

visiert das Objekt Z an und läfst sodann vom

Gehülfen, indem er durch das im Spiegelgehäuse angebrachte Diopter sicht, rechtsseitlich das Stativ II. in der Visierlinie des Diopters und in 25 m Abstand vom Stativ I. in B aufstellen . Zu dem Zwecke

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz

322

wird das eine Ende des Mefsbandes in einen Haken des Stativs II. gehängt ,

während der Beobachter bei A das andere Ende hält und

mäfsig anspannt.

Nun richtet der Gehülfe den Visierstab nach dem

Objekt und hängt das Zielschildchen auf den vom Beobachter in A im Spiegelbilde des optischen Instruments abgelesenen und ihm zugerufenen Schnittpunkt des Fadenkreuzes mit dem Visierstabe, z. B. auf die Zahl 42

oder verschiebt dasselbe

auf Zuruf so lange vor-

bezw . rückwärts, bis der vertikale Faden mit dem Vertikalstrich am Zielschildchen einspielt.

Demnächst liest er an der oberen Seite des

Visierstabes den Stand des Schildchens mittelst des Zeigers ab, z . B. auf 421/ 4Hierauf wechseln

Beobachter

und

Gehülfe

ihre Plätze .

Der

Beobachter legt das optische Instrument in das Lager des Stativs II . und visiert das Objekt Z genau wieder in derselben Weise wie das erste Mal an, während der Gehülfe die Messingschiene am Index des Lagers I. auf die vorhin abgelesene Ziffer am Visierstabe (z . B. 42¹ ) einlegt.

Hierauf hängt resp . verschiebt der Gehülfe das Zielschildchen

auf den ihm vom Beobachter zugerufenen Schnittpunkt des Fadenkreuzes mit dem Mefsstabe, worauf, wenn wieder Koinzidenz zwischen Vertikalfaden und Vertikalstrich des Schildchens hervorgestellt

ist,

an der oberen Mefsstabskala die Entfernung mittellst des Zeigers am Zielschildchen abgelesen wird

( z. B. 2520 m) .

Die ganze Messung

dauert 2-32 Minuten ; das Gesamtgewicht beträgt (inkl. Stative) 10 kg. Aus Vorstehendem lassen sich nun die Vorteile des Paschwitz'schen Distanzmessers gegenüber anderen Konstruktionen leicht nachweisen . Zunächst möge ein kommissionelles Gutachten hier Beachtung finden , welches vom badischen Feldartillerieregiment No. 14 abgegeben wurde : „ 1. Die Handhabung des solide und kompendiös konstruirten Instruments bietet keinerlei Schwierigkeit und kann dieselbe von nur einigermafsen gewandten Leuten leicht erlernt. werden. 2.

Das Instrument zeichnet sich vor anderen Distanzmessern

vorteilhaft dadurch aus ,

dafs seine Anwendung vom Terrain und

der Kultur vollständig unabhängig ist ,

weil sich sein Prinzip nicht auf Vertikalmessung des Objekts gründet . - Es ist vollstän-

dig gleich brauchbar , ob man nach der Höhe oder Tiefe mifst , ob die Stative auf horizontaler oder geneigter Ebene stehen , wenn nur die beiden Standpunkte und das Ziel unter sich sichtbar sind. 3. Das Instrument mifst mit einer erstaunlichen , bis jetzt

für das Feuer der Artillerie.

323

noch unerreichten Genauigkeit ; die vorkommenden Fehler sind für den beabsichtigten Zweck kaum nennenswert . 4.

Dieses so genau messende Instrument kann in vielen Fällen,

namentlich aber dann, wo es sich um das Beschiefsen unbeweglicher Objekte handelt, einer damit versehenen Batterie von entschiedenem Nutzen sein. - Es könnten mit seiner Hülfe die annähernd erschossenen Entfernungen kontroliert werden, und hätte der Batteriekommandeur ,

besonders

beim Schiefsen auf grofse Entfernungen ,

einen zuverlässigeren Ausgangspunkt für seine Einschiefsskala als die blofse freie Schätzung. 5.

Wenn auch zwei Stative notwendig sind ,

so

ist

doch das

Gesamtvolumen und Gewicht des ganzen Apparates kein erheblich gröfseres , als dasjenige der seither mitgeführten Distanzmesser, und könnte derselbe an einem Fahrzeuge der ersten Wagenstaffel (warum nicht am ersten Geschütz ?) ohne Anstand mitgeführt werden . 6. Der Paschwitz'sche Telemeter mufs aus vorstehenden Rücksichten als sehr beachtenswert bezeichnet werden. " Im

speziellen besteht die

Überlegenheit des

Paschwitz'schen

Telemeters in folgenden Punkten : a)

Genauigkeit.

Wie oben angegebene, von Professor Lorber

aufgestellte Tabellen ersichtlich machen , ist der mittlere Mefsfehler beim Paschwitz'schen Instrument auf kleinen und mittleren Entfernungen

durchgängig

geringer

als

die

mittlere

Längenstreuung

(also 14 der ganzen) der Geschosse und auf Entfernungen über 3000 m immer noch kleiner als die halbe Längenstreuung. Vergleicht man die Leistungsfähigkeit des P.'schen Telemeters

mit

dem Berdan'schen Distanzmesser, von dem zwei Konstruktionen mit 2 m und 4 m Basis ausgeführt sind, über dessen Genauigkeit jedoch nichts bekannt ist,

und einigen anderen Systemen

und nimmt man

deshalb von vorneherein an, dafs die optische und mechanische Einrichtung ebensogut sein soll ,

als bei vorliegendem ,

so

ergiebt

die

Berechnung schon einen reinen Messungsfehler : bei

1,5 m Basis von 0,000772 D in Prozenten (Roskiewicz) , 2 "" 0,000515 D "" } (Berdan) , 4 "" 0,000258 D "" "" 25 D 0,000187 (Paschwitz) . "" "" 99 ""

Mit dem Plösse'schen Objektivmikrometer (für Marinezwecke) berechnet sich für eine 4000 m betragende Entfernung des Ziels ein Fehler von 7-14 Scd.

oder dieser Winkelmessung

entsprechend

etwa 40-80 m Mefsfehler oder 1-2 Prozent der Entfernung.

Die

Winkelmessung wird aber hier aufser der vollkommenen Beschaffen-

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz

324

heit des Instrumentes durch den Grad der Sehschärfe und die Helligkeit der Luft, Witterung u. s. w. bedingt und

ist

selbst für gut

justierte derartige Instrumente der Genauigkeitsgrad eher höher als 2 Prozent, denn geringer. - Boulengé giebt als Fehlergrenzen für seinen télémètre de combat 25-50 m selbst zu ,

was

für 2500 m

schon

dafs

der Nutzen

1-2 Prozent der Entfernung beträgt ,

so

einer solchen Distanzmessung kein sehr grofser mehr sein wird. Aus diesen Beispielen geht hervor, dafs der Paschwitz'sche Telemeter den hervorragendsten Feld-Distanzmefsinstrumenten an Genauigkeit nicht nur nicht übertrifft .*)

nachsteht ,

sondern

sie alle an Leistungsfähigkeit

b) Schnelligkeit der Messung. alle jene Konstruktionen ,

In dieser Beziehung stehen

welche eine Aufstellung in zwei Punkten

mit Stativbenutzung verlangen , im allgemeinen den für eine Aufstellung eingerichteten nach. Am meisten voraus haben hier die auf akustischem Prinzip beruhenden Distanzmesser , doch ist ihre Anwendung nur eine beschränkte und sind Täuschungen am leichtesten möglich ; die Mefsresultate haben dann nur mehr sehr fraglichen Wert . allen anderen Entfernungsmessern , mögen

sie

feststehend

oder

die

beweglich

auf Triangulation sein ,

die

Bei

beruhen ,

Hülfsseite

am

Beobachtungsorte oder am Ziele liegen , und letztere konstant oder variabel sein , ist der Zeitunterschied für eine genaue Messung kein sehr grofser. sprucht

Das Verfahren

22-32

Minuten ,

mit dem P.'schen Instrument beanein

Zeitaufwand ,

der

immer

noch

geringer ist , als die auf das Einschiefsen auf unbekannte (geschätzte) Entfernungen verwendete Zeit , während welcher meist nichts

getroffen ,

aber viel Pulver

Aufregung in der Batterie herrscht .

verknallt wird

und die gröſste

Kann man es ermöglichen , die

Distanzmeſsabteilung beritten zu machen und der Batterie mit dem rekognoszierenden Offizier einige 100 m vorauszuschicken

(wie

es

früher in Bayern mit dem Franz'schen Distanzmesser Usus und Vorschrift war) , so ist diese Zeit keine verlorene . Und selbst nach dem Einrücken in die Position ist es für eine Batterie besser , mit Laden, Richten, Anbringen von Masken, Organisation des Munitionsersatzes u. dgl . sich einige Minuten zu gönnen, als durch unsichere , übereilte Schüsse zu früh die eigene Stellung zu verraten . c) Unempfindlichkeit und Einfachheit des Instruments. Das eigentliche optische Instrument des Telemeters Paschwitz, ein kleines terrestrisches Fernrohr mit davor geschraubtem *) Von den für den Feldkrieg unbrauchbaren , auf elektrischem Prinzip beruhenden Distanzmessern wurde hier selbstverständlich abstrahiert.

für das Feuer der Artillerie. Spiegel , struktion .

ist von der denkbar einfachsten Form und solidesten KonDasselbe besteht gewissermafsen aus einem einzigen

starren Körper , sind ,

325

und

dessen einzelne Teile fest mit einander verschraubt

besitzt

demnach

einen grofsen Vorzug vor ähnlichen

Instrumenten mit gekreuzten Fernrohren oder drehbaren Spiegeln u . dgl . Was nun die Winkelmefs vorrichtung anbelangt , so ersetzt der Mefsstab nicht nur den Limbus,

sondern auch, da die Entfernungen unmittelbar daran abgelesen werden können, umständliche Dreiecksauflösungen oder Rechenmaschinen , während eine Alhidade mit Nonius ganz wegfällt und in einfachster Weise durch das Fadenkreuz ersetzt wird.

Man hat nämlich

einen eingeteilten Kreissektor von 25 m Radius, der natürlich ungleich mehr zu leisten im stande ist , als ein gewöhnlicher Limbus von allenfalls 10 cm Radius. Gegenwärtiges Instrument besitzt durchaus keine diffizilen , dem Derangement ausgesetzten Teile und ist seine kompendiöse Konstruktion zugleich die Ursache seiner Genauigkeit. Jede Messung kann sofort , ohne irgend welche Prüfungen und Korrekturen am Instrumente ,

begonnen werden, ein Resultat , das bei den meisten anderen mit grofser Energie und jahrelanger Ausdauer in Deutschland, der Schweiz, England, Rufsland u . s . w. mit den verschiedensten Distanzprismen , Winkelspiegeln , Winkelsextanten angestellten Versuchen und mit den verschiedenartigsten Mefsmethoden nicht erreicht wurde . - Kompensations- und Mefsstab sind praktisch geteilt und

erleichtert die zweifarbige Skala auch ohne Zuhülfenahme der Bezifferung das Einstellen des Zielschildchens sehr. Parallelen zwischen Anforderungen und Konstruktionsbedingungen einer- , sowie den neuesten Distanzmessern andererseits begründen die Behauptung, dafs der Telemeter Paschwitz alle anderen an Einfachheit und praktischer Einrichtung Vorzüge jener ,

übertrifft ,

wie Weglassung der Stative ,

Person , rascheres vereinigt finden ,

Mefsverfahren

u . dgl . ,

die

und dafs

einzelne

Messung durch eine sich aber nirgends

stets auf Kosten anderer wichtiger Bedingungen

namentlich der Genauigkeit gewonnen wurden .

So bedient sich der

Nolan'sche Distanzmesser als Stativ zwei Geschütze, die mit Schrauben zum Geben der feinen Seitenrichtung und besonderer Vorrichtungen zum

Auflegen der gekreuzten

jedoch nicht und

besitzt

Fernrohre

versehen

sind ,

erreicht

die Verlässigkeit wie das Paschwitz'sche Instrument zur Rechenausführung

eine

komplizierte Rechenwalze .

Der Berdan'sche Felddistanzmesser soll gar ein sechsspänniges Fahrzeug zu seinem Transport verlangen und kostet nebenbei 20 000 M. per Exemplar.

326

Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz Der vom k. k. Oberst Roskiewicz

ausgeführte Apparat wiegt

30 kg und ist in zwei Kisten verpackt ; seine Mikrometereinrichtung ist äusserst subtil, das ganze Instrument verlangt eine zarte Behandlung , dessen Zuverlässigkeit ist leicht alterierbar. Alle anderen , besonders die

älteren Konstruktionen von Distanzmessern leiden an

so auffallenden Mängeln, dafs sie mit dem Paschwitz'schen überhaupt nicht konkurrieren können , so die Entfernungsmesser von Franz (Bauernfeind'sche dreiseitige Prismen), von Meyer ( Spiegelwerkzeug) , Olivier ( desgl. ) , Glöckner (Spiegelsextant mit Mikrometereinrichtung) , Goulier (fünfseitige Glasprismen) , der russische Artillerie-Distanzmesser von Gorjunow (Fernrohr mit Okularschrauben-Mikrometer) , der englische Marineheliometer und Brewster's Mikrometer (Doppelbildmikrometer mit Objektivgläsern oder Krystallprismen mit doppelter Strahlenbrechung) , die règle à lunette von Adam (eine drehbare oder feste Regel nebst Schlitten und Fernröhren mit senkrechten Fäden) , der télémètre de combat von Boulengé (mit Alkohol gefüllte , mit Schwimmer und Skala versehene Glasröhre) u . v . a . m. d) Einfachheit und Universalität des Gebrauches .

Je

einfacher das Instrument, desto einfacher gewöhnlich auch seine Anwendung. Dies trifft wenigstens für den Telemeter Paschwitz vollkommen zu. Die anzuwendenden Manipulationen stimmen fast ganz mit den zum Richten dienenden überein ; es ist daher zu seiner Bedienung weder ein Offizier, noch ein Unteroffizier nötig , sondern jeder Kanonier mit gutem Sehvermögen kann nach einiger Anleitung mit dem Paschwitz'chen Telemeter Messungen vornehmen . stellung

des Zielschildchens

Da die Ein-

am Kompensations- wie Mefsstabe

er-

folgen kann ohne Ablesung der bezifferten Skalen, so fällt auch der Einwand weg, es könnten hierdurch Irrtümer bezüglich der zu messenden Entfernungen entstehen ,

und bleibt derselbe auch bei nicht

sehr heller Witterung verwendbar.

Indem

man Stativ I.

und das

dazu gehörige Lager schwärzte , dagegen Stativ II. mit Messinglager blank liefs, hat man Verwechselungen auch in dieser Richtung vorgebeugt .

Am optischen Instrument kann nichts verschraubt oder in

Unordnung gebracht werden , da die Schraubenköpfe alle ins Metall eingelassen und abgeschliffen sind . Dieser Telemeter erfordert nicht einmal eine besonders sorgfältige Verpackung und können ihm die Erschütterungen beim Transport, Nässe , Staub, abnorme Temperaturen u. dgl. nichts anhaben.

Das Mefsverfahren ist vom Terrain und der

Witterung unabhängig, indem einmal das Stahl band als Hilfsmittel zur Bestimmung der Basis , selbst bei sehr starkem Wind , freischwebend benützt werden kann und also nur erfordert, dafs die

für das Feuer der Artillerie.

sich sichtbar sind ;

3 Dreieckspunkte unter

327

die durch das Gewicht

. des Stahlbandes unvermeidliche Einsen kung kann von vornherein berücksichtigt werden und entspricht, wenn man das Mefsband als gedrückten Parabelbogen sich denkt , eine mittlere Einsenkung von 30 cm erst einer Verkürzung der Basis von kaum 1 cm. Man braucht also in dieser Richtung gar nicht besonders ängstlich zu sein. Das Stahlband besitzt auch gegenüber der Mefsschnur oder einer gegliederten Kette oder einem leinenen Mefsband den Vorzug , dafs es sich ohne Verwickelung ebensoleicht auf- wie abwickeln läfst , keiner Veränderung

seiner Länge durch Dehnen , und weniger dem

auch niemals besonders justiert zu Ebenso hat man sich durch die Stativ benutzung

Zerreifsen ausgesetzt ist , werden braucht .

somit

von jedem störenden Einfluss der Bodenbeschaffenheit unabhängig gemacht und man kann die Messung ebensowohl auf harten Strafsen als in sumpfigen Wiesen , bewachsenen Feldern , welligem Gelände, ja selbst bei sehr bedeutendem Niveauunterschiede der beiden Standpunkte

ohne Einbufse

an Genauigkeit

vornehmen .

Die

hölzernen

Stative sind sehr leicht, bequem und jedenfalls den früher in Bayern gebräuchlichen zerlegbaren Holzstäben mit Spitze und Eisenfuls vorzuziehen. Schliefslich ist noch hervorzuheben, dafs der so handliche Apparat fast gar kein Ziel bietet und dafs auch der Platzwechsel der Messenden vermieden werden könnte, wenn man gleich von vorneherein dem Apparat 2 Fernrohre und 2 Zielschildchen mitgiebt, was schon im Interesse einer notwendig werdenden Reserve ist . Bei geschulten Leuten und mit dieser Ausstattung könnte durch das gleichzeitige Ausführen mehrerer Operationen die Messung in vielleicht einer Minute vollzogen werden. Wünscht man

diese komparativen Betrachtungen

noch weiter

fortgesetzt, so mufs auf einen Aufsatz in den "" Mitteilungen über Artillerie- und Geniewesen " Wien 1875 , 2. Heft hingewiesen werden, in welchem „ Der gegenwärtige Stand der Telemetrie und der Telemeter System Paschwitz " besprochen sind .

Ferner hat der belgische

Artilleriemajor P. Henrard im Annuaire d'art etc. militaires, 1873 , S. 516 einen sehr interessanten Aufsatz veröffentlicht, betitelt : „ Les instruments à mésurer les distances en campagne ", welcher die nachstehenden Instrumente einer vergleichenden Kritik unterzieht : Sextant lunette de campagne des belgischen Artilleriemajors Hanoteau ( 1867) . Taschentelemeter des französischen Artilleriekapitäns Gautier ( 1867) . Den in der russischen und englischen Artillerie eingeführten Telemeter Nolan . - Die Distanzmesser des russischen Oberst Stubendorf und des französischen Geniemajors Gautier.

Den Tele-

Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens.

328

meter Gastaldi. Den Autostadiometer Plebani. - Den Stadiometer Bylandt. Den Telemeter Paschwitz (älteres Modell) . Jedenfalls scheint der Paschwitz'sche Telemeter an mafsgebender Stelle einer eingehenden Prüfung wert und ist Verfasser überzeugt, dafs sich das Interesse der artilleristischen Kreise demselben ebenso rasch zuwenden wird, wie er noch von jedem sympathisch begrüfst wurde, der sich mit dem Instrumente und seinen Vorzügen näher vertraut machte . Was die Änderung unserer Schiefsregeln bei definitiver Einführung eines Distanzmessers anlangt, so ist dieselbe eine unwesentliche und darf wohl der Initiative der Artillerieschiefsschule in Berlin überlassen werden .

Keinesfalls

wird

sich das Schiefsen auf bekannte

Entfernungen komplizieren und besonders bei unseren neuen Feldgeschützen, die alle ziemlich gleichmässig schiefsen , sehr einfach gestalten und aufserordentlich rentieren .

XXVI.

Die Entwickelung der Militärmacht Ost -Rumeliens. (Originalbericht.)

Im September-Heft 1879 der Jahrbücher wurde ein kurzer Überblick des von der

europäischen Kommission für Ost-Rumelien aus-

gearbeiteten Organisationsplanes und der Dienstverhältnisse der ostrumelischen Miliztruppe veröffentlicht. Diesem Abrifs waren einige Bemerkungen über das im Juni 1879

vorhandene Material

beigefügt

nebst einigen Voraussetzungen über die Art und Weise , in welcher die Organisationsbestimmungen mutmafslich ausgenutzt werden würden, um die Miliz möglichst bald in den Rahmen der Kommissionsbeschlüsse einzufügen . Die Mutmafsungen sind weit hinter dem Thatsächlichen zurückgeblieben. Während die hohe Diplomatie Zeter schrie über das Unwesen in Ost-Rumelien, über Masseneinfuhr von Waffen, Munitionsanhäufung , gymnastische Gesellschaften und Unionsbestrebungen, gedachten die ganze Spalten der interessierten Zeitungen anfüllenden Berichte nur höchst selten der Miliz und deren Fortschreiten. Nichtsdestoweniger ist gerade in dieser Beziehung ,

wenn auch ganz im

329

Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens. stillen , tüchtiges geleistet worden ,

und ist die Miliztruppe betreffs

ihrer Organisation nicht nur vorgeschritten, sondern nahezu am Ziele. Diese stetige und rüstige Entwickelung einer so jungen und unter so wenig günstigen Auspizien entstandenen Armee zu verfolgen, verdient umsomehr die Aufmerksamkeit gerade des deutschen Militärs, als ein Deutscher und aus der preufsischen Armee hervorgegangener Militär, der türkische Generalmajor Strecker Pascha, der Organisator der so schnell sich selbständig machenden jungen rumelischen Miliz gewesen ist.

Sein Wirken verdient von militärischer

Seite um so mehr Anerkennung , Pascha in einem

selbständig

als

seine Stellung

als türkischer

und bulgarisch sein wollenden Lande

voll politischer Umtriebe eine ungemein schwierige sein mufste und sich gerade der Durchführung der neutralen Bestimmungen hinsichtlich der Zusammensetzung der Miliz- und Gendarmerietruppe Hemmnisse entgegenstellten , die sein Vorgänger im Amte nicht hatte bewältigen können .

Derselbe war mit der herrschenden Strömung bald

derartig in Konflikt gekommen , und er abberufen wurde.

dafs seine Stellung eine unhaltbare

Am Schlusse des vorerwähnten Aufsatzes war bereits erwähnt, dafs das Kommando der Miliz aus russischen Händen in die des Gouvernements der autonomen Provinz übergegangen war und letzteres begonnen hatte, die russische Militärschöpfung den entsprechenden Bestimmungen des Statutes anzupassen. Nachdem man sich bereits entschlossen hatte, aus 9 Bataillonen zu je 4 Compagnieen deren 12 zu je 3 Compagnieen zu formieren, wurde noch in letzter Stunde eine Änderung der diesbezüglichen Dispositionen dahin getroffen ,

dafs

aus den vorhandenen

36 Com-

pagnieen 9 Bataillone mit je 1 Präsenzcompagnie formiert wurden ; 2 Compagnieen wurden zu

den 2 Infanteriecompagnieen des Lehr-

bataillons bestimmt, die restierenden 25 Compagnieen aber in 3 Bataillonen vereinigt , der Stamm der Sappeur-Compagnie des Lehrbataillons und der Artilleriewerkstätte durch Abgabe von Mannschaften aus einigen Bataillonen zusammengestellt.

Die Stärke der 9 Batail-

lone zu je 1 Compagnie wechselte zwischen 170 und 250 Mann, die der 3 sogenannten mobilen Bataillone 1500 und 2200 Mann. Diese Ungleichheit in den trug nicht wenig dazu bei ,

betrug

dagegen

zwischen je

Stärkeverhältnissen der Bataillone

vorhandene Schwierigkeiten zu erhöhen ,

wie neue zu schaffen ; namentlich in Anbetracht der anfangs geringen Stabilität der Offiziere, besonders der Compagniechefs , die auch nicht in genügender Anzahl vorhanden waren , um sämtliche Compagnieen 22 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.

Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens .

330

mit älteren erfahrenen Kommandanten besetzen zu können .

Ein fort-

währender Wechsel in der Besetzung der Offizierstellen , wie solcher vorgenommen wurde, konnte das Übel nur verschlimmern . Die Unsicherheit des Landes ,

das nach Abzug der Russen einer vollstän-

ständigen Anarchie anheimzufallen drohte , die Furcht vor einer türkischen Invasion ,

die einige bulgarische Hitzköpfe gerne zum Los-

schlagen auf eigene Faust ausgebeutet hätten ; der gänzliche Mangel an Gendarmerie und Polizei, die Umtriebe räuberischer Banden in den Grenzgebirgen stellten hohe Anforderungen an die Miliztruppe , von der

ein grofser

Teil in Compagnieen und kleinere Detachements

nach den gefährdeten Punkten hier-, bald dorthin zu ziehen.

entsendet werden musste ,

Eine gewisse Zuchtlosigkeit war die

um bald

natürliche Folge bei der

solchen Anforderungen noch nicht gewachsenen jungen Miliztruppe ; die gelockerte militärische Zucht fand sich aber schnell wieder, als nach und nach die Bataillone in ihre Garnisonsorte zurückkehrten und die Friedensarbeit von neuem aufnehmen konnten . Einzelne Detachements

sind

freilich

bislang

noch

in einigen

Grenzdistrikten im

Rhodope- Gebirge gegen das Vilajet Adrianopel und im Balkan aufgestellt ; es wurde aber Sorge getragen, selbe von Zeit zu Zeit abzulösen . Unter den obwaltenden Umständen war an eine Rekrutierung für das Jahr 1879 nicht mehr zu denken ; und namentlich

die verschiedenen Civil-

administrativen Behörden waren noch in den An-

fängen ihrer Organisation begriffen und ohne deren kräftiges Mitwirken war möglich.

eine

nur

einigermafsen

regelmässige Aushebung

nicht

Die Bevölkerung selbst war auch noch nicht stabil genug.

Die vor den russischen Heeren geflüchteten muselmännischen Familien kehrten heim, teils nur um ihre Liegenschaften zu veräussern und dann wieder auszuwandern ,

andererseits

Okkupationsarmee zurückgegangenen

suchten die mit der

und in den angrenzenden tür-

kischen Vilajets ansässigen Bulgaren ihre verlassenen Wohnsitze wieder auf.

Ein Ab- und Zuzug ,

eine durchgehende

Bewegung fand

so in der Bevölkerung statt und machte es vorderhand unmöglich, Ortsregister und eine annähernd richtige Statistik , einer Aushebung, aufzustellen .

die Grundlagen

Der Jahrgang 1879 ging so der Miliz verloren, aber diesen Verlust machte eine in die gesamte Organisationsarbeit tief einschneidende Verordnung des Generalgouverneurs wett ,

wonach sämtliche

militärdiensttauglichen Männer im Alter von 21-32 Jahren

in die

Cadres der Miliz eingereiht wurden. Das organische Statut ist in seinen einzelnen Paragraphen sehr

331

Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens.

vielfältig ausgelegt worden, der Geist desselben mufste wohl ab und zu unter den politischen Inspirationen mutungen erfahren .

eines Diplomaten starke Zu-

So suchte man auch obige Verordnung des Gou-

verneurs als im Widerspruche mit den organisatorischen Bestimmungen darzustellen und selbe nur als einen Deckmantel für die offiziell aufgehobenen gymnastischen Vereine anzusehen . eine noch das andere ist irgendwie Statut ,

die allgemeine Wehrpflicht

zutreffend .

Weder das

Einmal besagt das

dekretierend und die Dienstzeit

auf 12 Jahre und das vom 20. bis 32. Lebensjahre festsetzend, dafs unmittelbar nach Promulgation lichen Bevölkerung von den

des Statutes Neugeborenen

die Listen der männbis

einschliefslich der

32jährigen in den Gemeinden zu etablieren seien, andererseits konnte die thatsächliche Auflösung der gymnastischen Vereine sich nur vollziehen , indem man ihnen den eigentümlichen , d. h. privaten Charakter nahm , und die diesen Gesellschaften Angehörigen den Jahrgängen der Miliz

einreihte und sie unter militärisches Gesetz und

Kommando stellte.

Wenn auch der Wortlaut der betreffenden gou-

vernementalen Ordonnanz besagte, die Mitglieder der gymnastischen Gesellschaften in die Listen der Miliz einzuschreiben , so wurden von seiten der Militärbehörde nur die im militärpflichtigen Alter stehenden acceptiert ; alles was unter 20 und über 30 Jahre alt, war aber aufser Acht gelassen , und diese waren froh, von dem Exerzierzwange befreit zu sein. Wenn nun auch noch im vergangenen Jahre die Ansicht vertreten werden konnte, die Organisation der ost-rumelischen Militärmacht werde sich allmählich und in der Weise vollziehen , dafs nur aktiv gediente Leute, also nur von dem Jahrgang 1859 an aufwärts jahrgangsweise, das nötige Material zur Errichtung der Kriegsbataillone liefern und somit 11 Jahre erforderlich sein würden, um die Organisation durchzuführen , so ist man in Rumelien schneller damit gewesen und hat dieses Werk in 11 Monaten vollendet.

Das für

die Formation von 12 Bataillonen des ersten Bans und einer gleichen Zahl des zweiten Bans erforderliche Menschenmaterial ist nicht nur vorhanden ,

sondern

auch jahrgangsweise in den Kontrollregistern

eingetragen und gesichtet, serve der Miliz.

desgleichen für die 4 Jahrgänge der Re-

Dies zu erreichen, ist überall möglich, sobald man eben die vorhandene männliche Bevölkerung einreiht ; der Wert einer solchen unausgebildeten und weder an militärische Ordnung noch Disziplin noch an Handhabung der Waffe gewöhnten Masse möchte aber noch weit hinter dem Gambetta'schen „ lever en masse" und unserer Bürgergarde 22 *

Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens .

332

seligen Angedenkens zurückbleiben.

Wenn nun in Ost-Rumelien die

getroffene

Mafsnahme nicht nur von einem praktischen Zwecke aus hinsichtlich des gewonnenen Vermögens, Bataillone aufstellen zu können, folgenreich sein konnte, sondern auch bezüglich des militärischen Wertes

der so

schnell formierten

Kriegsbataillone,

so ist

dies der zur Zeit der Okkupation von den Russen eifrigst betriebenen Ausbildung der waffenfähigen bulgarischen Bevölkerung zu verdanken . Die viel besungenen gymnastischen Vereine gaben ja nur den Namen her für Bürger- oder Milizcompagnieen,

denen nur die Uni-

form fehlte und die in jeder Gemeinde formiert waren, um mehrmals wöchentlich Exerzier-

und

Schiefsübungen

vorzunehmen,

die von

russischen Offizieren und Unteroffizieren geleitet wurden. nicht nur in jeder bulgarischen

Gemeinde

ausnahmslos

russische

Unteroffiziere als Exerziermeister stationiert , sondern auch Offiziere beauftragt, die Exerzitien häufig zu inspizieren. Rechnet man die dem Bulgaren unter der türkischen Herrschaft anerzogene und fast angeborene persönliche Unterwürfigkeit, die Gewohnheit des unweigerlichen Gehorchens zu der eisernen Strenge der russischen Knute hinzu, so kann auch der den Verhältnissen Fernstehende zu der Ansicht gelangen , dafs in Rumelien etwas geschafft sein kann, was zwar nicht den Parade- mit dem Feldsoldaten verbindet, zu letzterem aber gut vorgearbeitet hat.

Der Russe

besitzt

ein aufserordentliches Talent,

derartige Institutionen ins Leben zu rufen ;

so wenig

er auch zu

einem europäischen Kriege berufen sein mag , so gut weifs er die gegebenen Verhältnisse in Asien, im Kaukasus und dem südöstlichen Europa auszubeuten und seinen Zwecken dienstbar zu machen . Während nun von Seiten der stehenden Truppe der Miliz der Winter eifrig benutzt wurde , um die Politur der militärischen Ausbildung herzustellen , wurden von Seiten der Verwaltung die nötigen Vorbereitungen getroffen, um mit Beginn des Frühjahres die Organisation des der Miliz zugewiesenen Menschenmaterials vornehmen und erfolgreich durchführen zu können. Vor allem mufste dem Mifsverhältnisse im Etat der einzelnen Bataillone abgeholfen werden . bei auch noch ganz

Das Budget der Provinz wurde neben-

und gar unnötig beschwert,

indem mehr als

9000 Mann unter Waffen gehalten wurden, von denen die Hälfte in 3 Bataillonen vereinigt wenig Nutzen von ihrer aktiven Dienstzeit ziehen konnte. Unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse wurde die Demobilisierung der Miliz befohlen ; die Bataillone hatten sich auf den durch

333

Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens.

die Organisationsbestimmungen festgesetzten Etat mit je einer Präsenzcompagnie zu setzen ; bei 3 Bataillonen verblieben aber aufserdem je 2 mobile Compagnieen in einer der Präsenzcompagnie gleichen Stärke . Der Gesammtetat der Miliz wurde hiermit auf etwa 4200 Unteroffiziere und Soldaten herabgesetzt. Die durch diese Herabminderung des Effektivstandes erforderliche Entlassung von Unteroffizieren und Mannschaften wurde derart vorgenommen, dafs ohne Berücksichtigung der Stärkeverhältnisse der einzelnen Bataillone sämtliche älteren Jahrgänge zur Entlassung kamen ; so wurden die 23jährigen und älteren Leute durchgängig, die 22jährigen aber bis zur Hälfte aus dem aktiven Dienste entlassen, die aus diesem Entlassungsverfahren

resultierenden

Ungleichheiten in

dem

aktiven Dienststande der Bataillone wurden durch Abgaben des Überschusses von Seiten der stärkeren Bataillone an die schwächeren ausgeglichen.

Hierbei wurde darauf Rücksicht genommen, dafs die aus

einem Bataillone in das andere übertretenden Mannschaften möglichst aus dem Kreise geboren

waren,

in

dessen Bataillone

sie versetzt

wurden . Das Statut giebt als Regel, dafs der Eingeborene die aktive Dienstzeit in dem Bataillone seines Kreises abdienen soll . Die obenberegte Umformation der Miliz war in sofern für deren Fortentwickelung von grofsem Werte, als nun die Präsenzcompagnieen durchweg zur Dienstausbildung und zum Garnison-

der Bataillone

dienst blieben , während 6 mobile Compagnieen zu Expeditionen und zur Verwendung im Interesse der Ruhe und Sicherheit des Landes verfügbar waren . Das organische Statut sieht vor, dafs jedes der 6 Departements der Provinz 2 Militärbezirke bilden soll und bestimmt die Hauptorte dieser Militärdistrikte, welch' erstere identisch mit dem Garnisonorte der betreffenden Druschina (Bataillon) sind . Es blieb aber dem Gouvernement vorbehalten , die einzelnen Verwaltungskantone , 4-6 bei jedem Departement , auf die betreffenden Militärbezirke zu verteilen . Die Festsetzung der Grenzen der einzelnen Militärbezirkskommandos konnte jedoch erst vorgenommen werden, nachdem durch die Provinzialversammlung die der einzelnen Kreise gesetzlich geregelt waren .

Gelegentlich der hiernach erfolgenden Einteilung der einzel-

nen Kantone mufste militärischerseits berücksichtigt werden, dafs einzelne Militärdistrikte nicht fast durchweg aus rein bulgarischen oder rein türkischen und griechischen Kantonen bestehen würden. Es war im militärischen Interesse durchaus wünschenswert, eineVerschmelzung der einzelnen Nationalitäten in den Bataillonen herbeizuführen .

So

hätte der geographischen Lage nach der rein türkische Kanton Cied-

Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens.

334

jali dem Militärdistrikt von Hermanly zugeteilt werden müssen, woraus eine Zusammensetzung von 4/5 Türken und 1/5 Bulgaren der Bataillone des beregten Bezirkes entstanden wäre ;

dasselbe wäre im De-

partement von Philippopel der Fall gewesen, wo naturgemäfs ein türkischer und ein griechischer Kanton in einem Militärbezirk zusammengefafst hätten werden müssen . Dies wurde vermieden, und sind die Bataillone durchweg der Bevölkerungszahl und den Nationalitäten der Provinz entsprechend zusammengesetzt. Nachdem nun

die Grenzen der einzelnen Militärbezirke genau

festgelegt worden waren,

konnten die betreffenden Bezirkskomman-

deure angewiesen werden ,

von den Verwaltungsbehörden die Listen

der im dienstpflichtigen Alter stehenden Leute zu fordern . Der Einschreibung in diese Listen hatten

sich

mannichfache

Schwierigkeiten entgegengestellt und dieselbe ganz erheblich verzögert. Es bestanden weder in den bulgarischen, noch türkischen noch griechischen Gemeinden irgend welche Civil- oder Kirchenregister, aus denen die im militärpflichtigen Alter stehenden Leute, d . h . von 21 bis 32 Jahren, hätten entnommen werden können ; nur die katholischbulgarische Gemeinde von Philippopel

und die

zerstreut im Lande

vorhandenen armenischen Gemeinden haben solche, doch kam diese verschwindende Minderheit gar nicht in Betracht . So waren die Verwaltungsbehörden angewiesen,

die

bungen durch die Ortsbehörden vornehmen zu lassen .

Einschrei-

Das Ergebnis

dieser notgedrungenen Maſsnahme konnte nur ein höchst unzuverlässiges sein und zwar ,

weil

einerseits weder Verwaltungs- ,

noch

Justiz-, noch Finanz-, noch jedwede Civilbehörde durchaus noch weit entfernt sind , ihrer Bestimmung nur irgendwie zu entsprechen, und andererseits die Zuverlässigkeit der Munizipalbeamten und der Gemeindevorsteher keineswegs über allen Zweifel erhaben ist ; davon haben die Einschreibungen in die Kontrollregister und in die Rekrutierungslisten

sprechende

Beweise

geführt.

Erst

den

Militär-

behörden blieb es vorbehalten , gelegentlich der allgemeinen Kontrollversammlungen und der Rekrutierungen , die wissentlich und unwissentlich begangenen Unregelmässigkeiten ans Licht zu ziehen und einigermafsen , so gut

es eben ging, wett zu machen .

Nicht zu leugnen

ist es, dafs eine Aufstellung von Altersklassenlisten hier zu Lande sehr schwierig ist ,

so lange keine Kirchen- oder Civilregister existieren ;

von der Landbevölkerung weifs durchschnittlich niemand, wie alt er ist, die eigene Mutter zeigt sich oft sehr vergesslich, was Monat und Jahr der Geburt ihrer Kinder anbetrifft. So war es mehr oder minder dem Gutdünken der betreffenden Ortsvorstände anheim gegeben,

F

335

Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens . den männlichen Einwohnern ihrer Gemeinde

eine Alterszahl zuzu-

sprechen. Die noch sehr geringe Stabilität, namentlich der aus- und einwandernden türkischen Bevölkerung, war auch dazu angethan, eine genaue Aufstellung von Listen zu verhindern. So konnten erst im Monate

April

die

Einschreibungen der

Militärpflichtigen , d. h. der 11 Jahrgänge , von den 21 jährigen bis zu denen von 32 Jahren einschliefslich, als abgeschlossen angesehen werden; diese Einschreibung ergab die erkleckliche Summe von rund 56 000 dem Dienste in der Miliz Anheimfallenden. Diese Listen

enthielten

nun

aber

selbstredend

sämtliche

im

militärdienstpflichtigen Alter stehende männliche Personen , ob militärbrauchbar oder nicht, ob durch Stellung und Beschäftigung im Staatsdienste ganz oder teilweise vom Militärdienste befreit oder nicht. Um das vorhandene Material alsdann zu sichten und zu ordnen, wurde eine ‫ وو‬Generalkontrolle " aller Militärpflichtigen angeordnet und solche im Monate August ausgeführt. Die Ausübung dieser Kontrolle wurde den Rekrutierungs -Kommissionen übertragen , die Eingeschriebenen durch Plakate und spezielle Gestellungsordres nach dem Hauptorte ihres Kantons befohlen , woselbst

die

Kontrollkommission

geschriebenen in

tagte.

Da die Namen der Ein-

die betreffenden Altersklassen vorher in den Ge-

meinden veröffentlicht worden waren, so konnte ein jeder Eingeschriebene gegen eine etwaige unrechtmässige Einteilung in die Jahrgänge reklamieren .

Die

Kontrollkommissionen ,

welche

selbstverständlich

unter

Assistenz des betreffenden Bezirkskommandeurs und Bezirksfeldwebels arbeiteten, hatten die Weisung , die Dienstpflichtigen in 3 Kategorien einzuteilen, deren 1. die zum Militärdienst brauchar befundenen und jederzeit Disponibelen enthalten soll ; die 2. Kategorie besteht aus den für die Friedenszeit vom Militärdienst dispensierten, während die 3. die zeitweise Zurückgestellten , d . h. körperlich schwachen , Mindermafshabenden u. s. w. umfafst (Ersatzreserve) . Für die Einteilung in die 3 Kategorien wurden die für das Rekrutement einschlägigen Bestimmungen zu Grunde gelegt.

Die Dienstuntauglichen waren aus

den Listen gänzlich zu streichen. Gelegentlich der Kontrolle

wurden nun die Listen der

Ein-

geschriebenen bedeutend vervollständigt und mancher Verborgene ans Licht gezogen . Die Generalkontrolle ergab folgendes Resultat betreffend der Einteilung der 56 000 Eingeschriebenen : Kontrollierte

und eingeschriebene Militärdiensttaugliche 50 862

336

Die italienische Kriegsakademie.

Mann ; darunter Bulgaren 38 589 , Griechen 2892 , Armenier 70, Türken 8696, Juden 190, Zigeuner 107 , Pomaken *) 318 . Verfügbar für Formation der Bataillone des 1. Ban 11 323 Mann, 18 248 "" 2 . "" "" "" "" "" " Im ganzen 29 571 Mann. Zur Formation dieser 24 Bataillone sind erforderlich 24 336 Mann . Davon sind vorhanden in der Reserve der Miliz . 17 315 ‫وو‬ . 021 7 "" Es müssen also eingestellt werden . während zu Reserveformationen verbleiben

· 22 550

29

Es sind dispensiert von den Friedensübungen im 1. Ban "" 2 . "" "" "" "" "9

2 795

39

3 179

"



8 528

"

Mithin verfügbar für die Friedenszeit im 1. Ban "" 2. "" "" "" " "" Es befinden sich in der Ersatzreserve

• 15 069 3 477

29

(Schlufs folgt.)

XXVII .

Die italienische Kriegsakademie.** )

Wenn es wahr ist, dafs der Geist einer Armee die Hauptsache ist, nicht die Form , und wenn es ferner wahr ist, dafs dieser Geist zum Teil seinen Ausdruck findet in den Leistungen der ersten militärwissenschaftlichen Bildungsanstalten , so erscheint eine kurze Betrachtung der italienischen Kriegsakademie wohl berechtigt und lohnenswert. Für uns ist sie noch von besonderem Interesse , weil unsere preuſsische Kriegsakademie der italienischen im grofsen Ganzen zum Vorbild gedient hat. Die preufsischen Erfolge des Jahres 1866 hatten auch jenseits der Alpen der Ansicht Bahn

gebrochen ,

dafs

heutzutage

für

ein

Offiziercorps handwerksmäſsige Routine nicht mehr genügt, daſs vielmehr wissenschaftliche Durchbildung ein dringendes Erfordernis ist. Es fehlte in Italien aber bisher ganz an einer höheren Bildungsanstalt für die Offiziere des Heeres.

*) Pomaken sind Gebirgsstämme, muselmännischen Glaubens, aber meist nur der bulgarischen Sprache mächtig. **) Scuola superiore di guerra.



Die italienische Kriegsakademie .

337

Am 11. März 1867 wurde ein königliches Dekret, betreffend die des Generalstabes veröffentlicht . In dem kriegs-

Reorganisation

ministeriellen Bericht, welcher vor der Unterzeichnung an den König gesandt war, heifst es : *) „ Der Entwurf der Reorganisation des Generalstabes , verbunden entspricht mit der Errichtung einer höheren Kriegsschule genau einem dreifachen Zwecke und zwar : 1. die Generalstabsoffiziere zeitweilig in den praktischen Dienst zu den Truppenteilen zurückzusenden ;

2. in den Truppenteilen selbst dadurch ,

dafs

sich

zeit-

weilig in ihnen mit besonderen Kenntnissen begabte Offiziere befinden , wissenschaftliche Bildung zu verbreiten ;

3.

allen intelligenten

und strebsamen Offizieren einen Weg zur Verbesserung ihrer Karriere zu eröffnen und zwar durch das einzige Mittel, das in Friedenszeiten Anrecht auf solche Bevorzugung geben kann , durch das Studium. “ Dann lautet der Artikel 27 des Dekrets selber : „Es wird eine höhere Kriegsschule eingerichtet, zu der die unteren Offiziere und Linientruppen zugelassen werden können und an der die Sekondelieutenants des Generalstabes teilnehmen . " Wir wollen hier gleich vorweg bemerken, dafs zu den „ unteren " Offizieren auch die Hauptleute rechnen .

Seit dem Jahre 1872 wur-

den jedoch nur noch Lieutenants zugelassen .

Die „ Sekondelieute-

nants des Generalstabes ", welche sich direkt aus dem Kadettenhause (regia militare academia) rekrutierten , wurden durch königliches Dekret vom 24. Dezember 1870 unterdrückt. Infanterie- und Kavallerieoffiziere können sich , nachdem sie zwei Jahre in der Charge sind , zum Aufnahmeexamen melden . Artillerie- und GenieOffiziere berufen .

werden in

einem gewissen Prozentsatz ohne Examen ein-

Die gröfste Schwierigkeit bei Gründung der neuen Anstalt verursachte bei

der grofsen Bildungsverschiedenheit

des

italienischen

Offiziercorps die Festsetzung der Aufnahmebedingungen . So machte man eine sehr grofse Zahl Disziplinen zum Prüfungsgegenstand, wohl in der Hoffnung , dafs der eine oder der andere doch in einem

Zweigę

etwas Befriedigendes

leisten

werde.

Es

würde zu weit führen , all den allmählich eingetretenen Veränderungen auf diesem Gebiete hier zu folgen, und seien nur die Bestimmungen für das Jahr 1868 erwähnt. In diesem wurden die Examinanden

*) Wir folgen im grofsen Ganzen den Angaben eines im Maiheft 1880 der Rivista militare italiana enthaltenen Aufsatzes : „ Alcuni cenni sulla scuola di guerra. ―― G. Bertelli"

Die italienische Kriegsakademie .

338 geprüft in :

Geschichte , Fortifikation , Taktik , Physik und Statistik,

französischem Aufsatz, Planzeichnen , Arithmetik, Geometrie, Algebra, Trigonometrie, Chemie, Geographie. Für diese Disziplinen sind dann Multiplikatoren des Resultats festgesetzt, je nach der Bedeutung, die man ihnen beimifst . Mathematik war z . B. mit 20, der italienische Aufsatz mit 30, Geographie und Geschichte mit 12 , Fortifikation und Taktik mit 10 und Französisch mit nur 6 multipliziert. Wenn man gegen die obige Aufzählung diejenigen Fächer hält, die bei der Aufnahmeprüfung für die preufsische Kriegsakademie verlangt werden, so fällt das Vorherrschen nicht militärischer Disziplinen in Italien auf.

Auch werden

die

eigentlichen militärischen

Disziplinen nur mit 10 multipliziert, der italienische Aufsatz hingegen mit 30 !

Übrigens zeigen sich in diesen Zahlen bedeutende Schwan-

kungen ;

so wird das Französische statt wie 1868 mit 6 , im Jahre

1871 mit 40 multipliziert ! Ferner wechselt die Art des Examens beständig . Bald wird mündlich, bald schriftlich, bald mündlich und schriftlich in einzelnen Fächern geprüft. Jetzt findet nur noch in der Mathematik mündliche Prüfung statt und ist das Examen im übrigen ein schriftliches . Es erstreckt sich lediglich auf nichtmilitärische Gegenstände, da seit dem Jahre 1875 Fortifikation und Taktik in Fortfall gekommen sind, und regt die Frage an, ob man es denn wirklich noch mit einer Militärschule zu thun hat! Anfangs

war von den Aspiranten noch zu erweisen ,

dafs

sie

gute Augen hatten und körperliche Fähigkeit zum Reiten besafsen . Auch · hiervon hat man seit dem Jahre 1871 vollständig abgesehen . Es sei hierbei

erwähnt ,

dafs bereits im Frühjahr 1867 eine

offizielle Vorbereitungsanstalt für das Examen zur Kriegsschule ins Leben gerufen

wurde ,

welche in 3 bis 5 Monaten alles das kurz

wiederholen sollte, was in den niederen Militärschulen gelehrt wird. Der Italiener nennt, entgegen den bei uns herrschenden Anschauungen, eine solche Vorbereitungsschule eine „ weise “ Einrichtung . In den ersten Jahren nach Errichtung der Kriegsschule zu Turin war der Andrang zum Examen

ein ganz

bedeutender.

Bald aber

kam der Rückschlag . Abgesehen davon , daſs die Hauptleute , wie seit dem Jahre 1872 nicht mehr mit konkurrieren konnten , wirkten verschiedene Ursachen darauf ein , dafs die Zahl schon gesagt,

der sich Meldenden immer geringer wurde . Zunächst war es die Einrichtung, dafs einzelne der Examinanden „ promoviert“ wurden ,

d. h . sie hatten

in allen Fächern bestanden .

Die italienische Kriegsakademie. Im ersten Jahre wurde nur einer promoviert.

339 Die anderen galten

als nicht genügend , wurden aber zum Teil, um die Hörsäle zu füllen , Natürlich war es immer peinlich , zu den Nichtbestanund die Furcht hiervor hielt auf die Dauer manchen gehören, zu denen von der Ablegung des Examens ab. Bei uns ist es bekanntlich nicht Mode , den Einzelnen offiziell mitzuteilen , ob sie in allen Fächern. einberufen.

bestanden haben , sie erhalten nur Mitteilung , ob sie überhaupt bestanden haben oder nicht. Es fehlt allerdings dabei für spätere Kommandierungen der Einzelnen das Vergleichsmoment : aber das schadet bei dem Vertrauen , das allgemein und ohne Reserve

der obersten Leitung dieser An-

gelegenheiten entgegengebracht wird, nicht das geringste . Während bei uns nach Ablauf des Besuches der Kriegsakademie die Betreffenden nur ein allgemeines Zeugnis mit erhalten, bestimmt in Italien der Artikel 33 nachstehendes : „ Diejenigen Offiziere , geeignet erweisen ,

welche

sich bei

der Schlufsprüfung als

erhalten ein Diplom und werden nach ihrer An-

ciennetät in den Avancementslisten eingetragen, um zur nächst höheren Charge aufzurücken ,

wenn sie

sich im ersten Drittel der Offiziere

ibrer Charge und ihrer Waffe befinden oder in dasselbe eintreten. " Diese Mafsregel , die dazu dienen sollte , Lust und Liebe zum Studium zu wecken , hat ganz eigentümliche Folgen gehabt. Dafs sie zunächst eine wenig

systematische Streberei grofsziehen muſs ,

liegt auf der Hand . Natürlich bemächtigten sich die „ Rechenmeister" in der italienischen Armee sehr bald dieser Bestimmung, und es war, wenn man einfach die Rangliste Offiziere

zur Hand nahm und die Zahl der

in einer Charge feststellte ,

nicht schwer herauszufinden ,

welches Drittel zu überspringen am günstigsten sei . Jeder, der 2 Jahre Offizier war, durfte sich melden : sollte der Subalternoffizier nun versuchen, das oberste Drittel der Unterlieutenants, der Premierlieutenants oder der Hauptleute zu überspringen ? Das letztere erschien das Vorteilhafteste und es war zu erreichen, wenn der betreffende Offizier erst zur Kriegsschule ging , sobald er beinahe bis zur Hauptmann- oder Rittmeistercharge herangerückt war. Wurde er dann während des dreijährigen Cursus nach der Tour befördert, so durfte er trotz seiner Charge die Schule bis zum Schlufs besuchen ; verliefs er aber als diplomierter Kriegsschüler und als Hauptmann die Kriegsschule, so avancierte er zum Major, sobald er in das erste Drittel seiner Charge gekommen war. Man umging hierdurch noch das besondere Examen, welches in Italien zur Ernennung zum Stabsoffizier erforderlich ist. So kam es bald dahin,

dafs nur ältere Premierlieutenants sich zum

Die italienische Kriegsakademie.

340

Besuche der Schule meldeten .

Sehr richtig

sagt der Verfasser der

Skizze in der Rivista militare italiana, dafs ein diplomierter Offizier von etwa 35 Jahren, der auf der Kriegsschule „ gelernt hat, wie man studieren mufs , " und der nun erst durch eifriges Privatstudium die Früchte der gelernten Methode einheimsen soll, eine etwas befremdende Erscheinung ist .

Jugendliche Kraft und jugendliche Geisteselasticität

und die Aussicht auf eine ganze Reihe in voller Kraft zu verbringender Jahre gehören dazu , um mit Erfolg auf den Grundlagen der Kriegsakademie weiterzubauen ! Nicht allein in Bezug auf die Qualität der Schüler, sondern auch in Bezug auf ihre Zahl ergaben die italienischen Verhältnisse nachteilige Konsequenzen . In jedem Jahre sollten 60 Schüler aufgenommen werden ; es konnten aber thatsächlich in den 13 Jahren von 1867 bis 1879 nur einbeordert werden :

55 , 60, 56, 50, 58 , 60, 60 , 62 ,

62 , 41 , 28 , 31 , 37 , so dafs 1879 statt 180 Schüler nur 96 im ganzen vorhanden waren ! Also ungefähr die Hälfte, und trotzdem der ganze Apparat von Einrichtungen und Lehrkräften ! Der Besuch der italienischen Kriegsschule soll 3 Jahre dauern : Lehrgegenstände sind : Kriegskunst, Kriegsgeschichte, Militärgeographie, Fortifikation , Topographie, Artilleriewesen, Militärverwaltung, Militärgesetzgebung, Generalstabsdienst, Reiten , Weltgeschichte, Geographie, Mathematik , italienische Litteratur, französische, englische und deutsche Sprache, Physik, Chemie und Geologie . Hiervon gehören seit dem Jahre 1869 zu den fakultativen Disziplinen : Gruppe A. im 1. Jahre : descriptive Geometrie, im 2. Jahre : descriptive und sphärische Trigonometrie und im 3. Jahre : Geodäsie ; Gruppe B. im 1. Jahre : Physik , im 2. Jahre : im 3. Jahre : Geologie und Mineralogie ;

Chemie und

Gruppe C .: die deutsche Sprache für alle drei Jahre ; Gruppe D.: die englische Sprache in gleicher Weise . Jeder Schüler mufs sich für eine dieser Grupppen entscheiden ;

alle übrigen aufgeführten Lehrgegenstände

sind

obligatorisch.

russische Sprache fehlt ganz auf dem italienischen Lehrplan , aber ist die deutsche und englische vertreten .

Die dafür

Die obligatorischen Fächer und praktischen Übungen verteilen sich auf die einzelnen Studienjahre , wie folgt :

1. Jahrgang : Mathematik, physische und politische Geographie, Fortifikation, Bau- und Planzeichnen, Artilleriewesen, italienische und französische Litteratur. Zum Schlusse des Sommersemesters : Praktische Terrainaufnahme und Kroquieren .

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Die italienische Kriegsakademie. 2.

Jahrgang :

geschichte ,

Taktik

und

Strategie ,

Fortifikation ,

Militärgeographie , Generalstabsdienst ,

graphie , italienische und französische Litteratur.

Kriegs-

allgemeine GeoIm Sommer meh-

rere Wochen lang taktische und fortifikatorische Übungen im Terrain. 3. Jahrgang : Taktik und Strategie, allgemeine Weltgeschichte , Kriegsgeschichte, Militärverwaltung, Militärgesetzgebung, Generalstabsdienst, französische Litteratur.

Zum Schlusse findet in der bei uns

üblichen Weise eine Generalstabsreise (campagna logistica) statt. Aufserdem

erhalten

die Schüler noch Unterricht im Reiten , *)

Fechten , praktischen Artilleriedienst , Telegraphie und Hippologie. Das Programm ist aufserordentlich reichhaltig , vielleicht zu reichhaltig.

Zu den bei uns auf dem Lehrplan stehenden Unterrichts-

gegenständen kommen nämlich in Italien noch als obligatorisch hinzu : Weltgeschichte , ratur ,

Geographie ,

französische Sprache und Litte-

italienische Litteratur und Militärgesetzgebung, während von

den bei uns eingeführten nur Militärrecht und Militärhygiene fehlen . Obendrein werden Strategie und Kriegsgeschichte getrennt aufgeführt, so dafs man fast annehmen könnte , in abstrakter Weise