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German Pages 365 Year 1881
Table of contents :
Front Cover
I. ...
diesem Geschenk empfingen die ...
Philosoph von Sans-Souci" in jener Seelenruhe und ...
99 ...
stützung, doch konnte auch sie das mörderische Feuer nicht ...
III. ...
nach dem grofsen Konflikt sich zum erstenmal über York beschwert ...
seiner Regierungszeit in der That sehr langsam. Einem anfangs ...
VII. ...
VIII. ...
IX. ...
Es wird sodann die Stärke und Organisation der französischen ...
X. ...
XII. ...
Mittel Fort Fallen ...
gesehen zu kommen, klingt geradezu fabelhaft, und ist ...
XIII. ...
XIV. ...
II. Allgemeines über Charakter und Kriegszucht ...
handlungen ist uns nur weniges, in jedem Falle ungenügendes ...
XVI. ...
nauigkeit mufs mindestens der Gröfse der Längenstreuung der Ge- ...
XVII. ...
beruht auf den Wahrnehmungen, dafs jeder Pferdefufs seinen be- ...
meinen Friedenseinrichtungen und ist es daher für diejenigen Offiziere, ...
XXII. ...
200 Reiter schwedische Dienste nehmen; während die letzteren unter ...
Georg Wilhelm befand sich in einer sehr schwierigen Lage. ...
XXIII. ...
durch Domänenverteilung und Herabsetzung des Zinsfufses wieder ...
folgt ihr Marius, so bringt er dafür andere Truppen ...
XXIV. ...
XXV. ...
hierdurch ein Fehler entsteht; sie besteht aus einem Visierstabe ...
- ...
vielfältig ausgelegt worden, der Geist desselben mufste wohl ab ...
XXVIII. ...
wertvollen, mit vielen Zeichnungen und Tabellen begleiteten Berichte ...
XXXI. ...
Jahrbücher
für die
deutsche
Armee
und
Marine .
Verantwortlich redigiert
Von
G.
von
MARÉES Major.
Achtunddreissigster Band. Januar bis März 1881.
BERLIN , 1881.
F.
SCHNEIDER
&
(Goldschmidt & Wilhelmi.) Unter den Linden No. 21.
Printed in Germany
Co.
.
Inhalts -Verzeichnis.
1. Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI. .
63 79
2
82
25
Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen · Bücher u. s. w. ( 15. November bis 15. Dezember) . • XII. Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . Von Spiridion Gopčević (Schlufs) . XIII. Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager, dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg. Von Ohlendorf, Maj . a. D. XIV. Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. Von Fr. Hoenig, Hauptmann a. D. XV. Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. Von L. Sander, Oberst z. D. (Schlufs) •
15 45
2
Die Aufgabe unserer Infanterie in Bataillon und Brigade und die Apologie hierzu : „Zur Taktik der Infanterie von 1880 " . Von . v. Kessel, General . Paris et ses fortifications 1870-1880 par Eugène Ténot . 1. Unteroffizier- Brevier. Von J. Scheibert, Maj. z. D. 2. NotizKalender für Unteroffiziere aller Waffen für 1881. Von W. v. G., Premierlieutenant. 3. Allgemeines Militär- Notizbuch . X. Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen . . . Zeitschriften ( 15. November bis 15. Dezember)
44
Von Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . Spiridion Gopčević (Fortsetzung) . III. Die Konvention von Tauroggen . Von Ebeling, Oberst z. D.. · • IV. Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. Von L. Sander, Oberst z. D. V. Topographische Erörterungen . Von Reichert, Hauptmann VI. Die Gestellung der Pferde und Maultiere für die französische Armee bei einer Mobilmachung. (Nach französischen Quellen.) .. VII. Erfindungen u. s . w. von militärischem Interesse. Zusammengestellt von Fr. Hentsch, Hauptmann a. D.. VIII. Aus ausländischen militärischen Zeitschriften IX. Umschau in der Militär-Litteratur: II.
Seite 1
90 95
105 111
117
119
XI.
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz für das Feuer der Artillerie. Von Alo Dengler, Lieutenant . XVII. Topographische Erörterungen . Von Reichert, Hauptmann (Forts.) . P CA (RE ) 496238
124
127 162
176 198
XVI.
208 219
IV
Inhalts-Verzeichnis
Seite XVIII. XIX.
Beitrag zur Frage der Bekleidung der Mannschaften und Ausrüstung . der Pferde. Von Fr. Hentsch, Hauptmann a. D. Umschau in der Militär-Litteratur : Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neithardt von Gneisenau. Von Hans Delbrück .
Armee- und Volksernährung. Von Dr. C. A. Meinert . Die elektrische Telegraphie. Von O. Henneberg , TelegraphenIngenieur . Das Staatsarchiv . XX . Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen . . Zeitschriften ( 15. Dezember 1880 bis 15. Januar 1881) XXI. Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen Bücher u. s. w. ( 15. Dezember 1880 bis 15. Januar 1881 ) . . . XXII. Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager, dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg. Von Ohlendorf, Major a. D. (Schlufs) XXIII. Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. Von Fr. Hoenig, Hauptmann a. D. (Fortsetzung) XXIV. Zur Infanterietaktik . . XXV. Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz für das Feuer der Artillerie. Von Alo Dengler, Lieutenant (Schlufs) · .
211
229 236
240 241
241 247
249 279 304
313
XXVI . Die Entwickelung der Militärmacht Ost - Rumeliens (Originalbericht) 328 336 XXVII. Die italienische Kriegsakademie 343 XXVIII. Das Artilleriematerial auf der Brüsseler Ausstellung . XXIX . Umschau in der Militär-Litteratur: 347 Feldmarschall Fürst Wrede. Von J. Heilmann, Generalmajor 1. Geschichte des rheinischen Jägerbataillons Nr. 8. Von Weber, Premierlieutenant. 2. Mein Kriegsjahr 1870/71 . Von F. W. 349 Kinzenbach, Pfarrer Über kriegsgeschichtliche Studien. Von v. Gizycki, Major · • 350 352 Atlas zur Geschichte des preussischen Staates XXX. Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen 353 Zeitschriften (15. Januar bis 15. Februar) XXXI . Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen neu erschienenen 358 Bücher u. s . w. ( 15. Januar bis 15. Februar) .
I.
Fridericus
Borussorum Rex
MDCCLXXXI.
Suum cuique decus posteritas rependit. (Tacitus. Ann. IV, 35,) Der 23. Dezember 1780 kennzeichnet mit regelmäfsigem Residenzwechsel den Eintritt des grofsen Königs " in Sein neues Regierungsjahr. Am genannten Tage traf der Königliche Herr , aus Potsdam kommend, in Berlin ein. Die Anwesenheit des Monarchen in Seiner Landeshauptstadt belebte den Carneval , zog Fremde herbei , mehrte Durchliest die Erwerbsthätigkeit der Künstler und Handwerker. man das Hofjournal jener Tage ,
so
findet
man : in wie geringem
Maſs der durch Kriegsstrapazen und Krankheiten körperlich gebeugte Staatslenker persönlich teilnahm am Genufs der Berliner Winterlustbarkeiten . „Am 26. Dezember 1780 hatte Se. Majestät eine mit dem Akademiker Formey. "
Unterredung
Am 31. Dezember, nach Aufhebung
der Tafel bei Ihro Majestät der Königin , bethätigte der Monarch, als Generalinspecteur des Militär-Bildungswesens, Sein unablässiges Aneifern ,
indem Er die 36 Infanterieoffiziere
vor Sich kommen
liefs ,
welche von Berliner und auswärtigen Regimentern zu einem Wintercursus versammelt waren , den der Artilleriehauptmann Tempelhof und der Ingenieurcapitän Geyer abhielt. Dem Ersteren äufserte der Kriegsherr " nach einer sehr gnädigen Unterredung " Seine Zufriedenin den huldreichsten Ausdrücken" .
heit
Am Neujahrsvormittag (Montag) fand bei des Königs Majestät grofse Cour statt. Mittags speisten bei Höchstdemselben die in Berlin anwesenden Prinzen und „ verschiedene hohe Standespersonen “ . 1 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI .
2
Im Parolebefehl liefs Fridericus allen „ Herrn Offiziers " zum Neujahr gratulieren. *) In hohem Grade anziehend sind die Königlichen Neujahrszeilen für d'Alembert ; jenen Pariser Gelehrten , welcher 1763 nach achtwöchentlicher Anwesenheit in Charlottenburg und Potsdam beehrt wurde durch die schriftlichen Abschiedsworte : Je suis fâché de voir moment de votre départ , et je n'oublierai point le plaisir que j'ai eu de voir un vrai philosophe. " Das Königliche Schreiben d. d . Berlin 6. Januar 1781 an den "" modernen Anaxaapprocher le
ein
goras " enthält
denkwürdiges
Stück
I
Fridericianischer Autobio-
graphie. Echt ritterliche Denkart prägt sich aus , hier, in dem ehrenden Nachruf für die am 29. November 1780 gestorbene Kaiserin Des derzeitigen Friedensbedürfnisses halber, heifst es sodann : „ Versammelte man einen allgemeinen Kongrefs der europäischen Fürsten , so würde ich sicherlich dafür stimmen, dafs sie Maria Theresia .
in gutem Einvernehmen mit einander lebten ; jedoch das „ Aber" möchte desfalls ohne Ende sein . Unter diesen Umständen bleibt das Sicherste , Schliefslich
Zukunftsgestaltung
die
sagt der Königliche
dem
Schicksal
zu
überlassen . "
Briefschreiber betreffs die
d'Alembert übersandten Abhandlung über
Seiner an
deutsche Litteratur:
I
„ Vous vous moquerez des peines que je me suis données pour indiquer quelques idées du goût et du sel attique à une nation qui jusqu'ici n'a su que manger, boire, faire l'amour et se battre ; toutefois on désire d'être utile. " Kehren wir aus diesen höheren Regionen zurück ins Werkeltagsleben , und blicken wir in den militärischen Dienstkalender des unermüdbaren Heeresinspecteurs . König
die Wachtparade
v. Bornstädt ;
Am 5.
Januar
der Infanterieregimenter
besichtigte der v. Woldeck
und
I I I
am 9. Januar geschah Gleiches bei den Regimentern
v. Ramin und v. Pfuhl.
( Pfuhl " wurde
8 Tagen inspiziert. ) Der "" Heinrichstag"
das zweite Mal innerhalb
1 der 18. Januar
ward gefeiert bei der
Königin, mit grofser Cour, Souper, Ball en domino . „ Alle Offiziere waren eingeladen. " Der Gefeierte selbst befand sich zur Zeit in Rheinsberg . Der König
reiste nach Potsdam zurück
Eintritt ins 70. Lebensjahr. jährlich, am 24. Januar eine
am Tage vor Seinem
Den Berliner Armen liefs Er , wie allbeträchtliche Summe auszahlen .
Von
*) Wir entnehmen dies und anderes Garnisongeschichtliche aus dem ungedruckten Privattagebuch eines Berliner Infanterie - Regimentsadjutanten .
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.
3
diesem Geschenk empfingen die „ Soldatenwittwen " regelmässig 1000 Thaler. In den Gemächern der Königin entwickelte sich am „ Königs Die Prinzen und Prinzessinnen des Königvornehme Welt, erschienen dort zu gesamte die sowie lichen Hauses, Cour, Concert und Souper. Der 24. Januar 1780 war in des Königs
Geburtstag" reges Leben.
6 letzten Lebensjahren der letzte „ Friedrichstag", welchen Er Selbst. in Berlin mit grofser Cour und Tafel feierte . Im
Joachimsthal'schen
Professor Engel vor
Gymnasio hielt am 24. Januar
zahlreicher Versammlung
Eigenschaften eines grofsen Königs .
1781
eine Rede von den
Sie erschien bald im Buchhandel .
Gedicke , Direktor des Friedrichwerderschen Gymnasiums , dichtete zum 24. Januar eine Ode : „Das Das glückliche Alter. " Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt am 25. Januar eine öffentliche Versammlung.
Ihre
Königlichen Hoheiten die
Söhne
des
Prinzen
Ferdinand und der Prinz Friedrich v. Braunschweig beehrten dieselbe mit Ihrer Gegenwart ; ebenso die Minister, das corps diplomaGeheimrat Formey erStandespersonen ".
tique und viele "" hohe
öffnete, als beständiger Akademiesekretär, die Sitzung mit einer der Veranlassung gemäfsen Rede . Sodann überreichte er Namens des Mons . d'Alembert den 7. und 8. Teil von dessen mathematischen Werken .
Minister v. Hertzberg las „Anekdoten und Bemerkungen
über einige merkwürdige und weniger bekannten Züge aus dem Charakter und der Regierungsgeschichte des grofsen Kurfürsten . " — Am folgenden Tage ward des musikliebenden Landesherrn Jahresfest gefeiert durch ein „ Liebhaberkonzert " ; den Beschlufs machte in glanzvollem Hörerkreise : Graun . " *)
„das vortreffliche Te Deum des unsterblichen
* Auf der Mitte der Rückseite des Berliner Friedrichsdenkmals sieht man Karl Heinrich Graun (geb. 1701 , gest. 1759) , königlicher Hofkomponist und Kapellmeister, mit der Rechten ein Orchester leitend. Aus Graun's Kompositionen für die Kirche klingt hervor eine Arbeitsliebe, gröfser noch als die , welche man in seinen Opern findet. Nach der Liegnitzer Schlacht führte die königliche Kapelle freiwillig das Tedeum auf, wie es von Graun nach dem Siege von Prag geschrieben worden, und übersandte die reichliche Einnahme an die preufsischen Feldlazarethe. Der König anerkannte die edle That, indem Er am 15. Juli 1763 dieses Tedeum in der Schlofskapelle zu Charlottenburg wiederholen liefs , und zwar , wie Er ausdrücklich bestimmte , ganz so wie nach der Schlacht von Liegnitz , für die Zuhörer jedoch kostenlos. Aufser dem musikverständigen d'Alembert und dem „ alten Baron “ ( Pöllnitz), die damals , d . i . vom 13. - 19 . Juli , in des Königs Umgebung waren, erschienen 99viele Leute". So des Königs Eigene briefliche Angabe. Anekdotenbücher und illustrierte Geschichtswerke enthalten eine unausrottbar unrichtige Darstellung dieser Charlottenburger Begebenheit. 1*
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.
4
In der grofsen Universitätsaula zu Breslau hielt Professor Steiner, in Gegenwart des Ministers Freiherr v. Dankelmann und einer grofsen 1 Zahl ansehnlicher Persönlichkeiten ,
eine Rede
über den Wert der
schönen Wissenschaften und der Kriegskunst. Demnächst sangen die Studierenden eine Ode. Schliefslich wurde " mit aller Pracht" Gottesdienst abgehalten in der Universitätskirche. Hieran reihete der Gouverneur , v. Tauentzien ,
und ebenso der in Schlesien „ diri-
gierende" Minister v. Hoym einen Festschmaus. Eines anderen Festtages gedenken wir mit dem Hinweis auf die öffentliche Stiftungsfeier in der académie militaire den 3. März. Professor Borelli hielt die Festrede. - Eine Secularerinnerung an den am 24. August 1759 seinen Kunersdorfer Wunden erlegenen Dichter Ewald Christian v. Kleist entsteht uns , indem wir Notiz nehmen von der dem Jahre 1781 angehörigen Thatsache : Professor Beguelin , vormals Lehrer des „ Prinzen von Preufsen ", entledigte sich eines dem Major v. Kleist gegebenen Versprechens , indem er dessen " Frühling " ins Französische übersetzt herausgab, und zwar nach der vom Verfasser selbst besorgten Ausgabe von 1754. *) Im übrigen erneuet sich uns das Andenken an das von diesem Offizier nach der RofsI bach- Schlacht in Leipzig Geleistete ,
wo er auf seines Kriegsherrn
Spezialbefehl und in Dessen mildem Sinn Krankenpfleger und Gefangenenhüter war ; denn es liegt uns ob, unter den im Jahre 1781
1
erteilten königlichen Lehrschriften zuerst zu nennen : Die Instruktion für die Feldlazarethe . Wir wissen 1 .: König Friedrich II . erbte von Seinem Vater die Sorgfalt für den kranken Soldaten .
Während
der gesamten Grofs-
thatenzeit 1740-1786 findet man die Spuren von des Kriegsherrn hochherziger Teilnahme an dem Schicksal verwundeter Krieger.
2 .:
Der königliche Polyhistor war sehr bewandert im Bereich der Heilkunde . Unter seiner persönlichen Beeinflussung vervollkommneten sich die Berliner Chirurgen . - Der Hannoversche Leibarzt Zimmermann wandte sich ,
Rat begehrend wegen eines eigenen veralteten
Schadens, nach London , Paris und Berlin . erwies sich als der beachtenswerteste . Lebens
und Hülfe gegen
die
Der Berliner Ausspruch
Zimmermann, „ Rettung seines
schrecklichsten körperlichen
Leiden
suchend, " reiste demnach zum preufs. Generalchirurgus Schmucker . **) Dieser operierte und heilte ihn ; ein Triumph wundärztlichen Wissens 1 *) Meinend, dafs diesem Heldendichter ein Ehrenplatz in der Ruhmeshalle des Berliner Waffenmuseums zuerkannt worden , erachten wir es für angenehme Pflicht, seiner hier gelegentlich zu gedenken. **) Ritter v. Zimmermann „ Über die Einsamkeit “ , Leipzig 1784 : Bd . I. Vorrede.
1
པ་ 5
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.
und Könnens, so schön und eigenartig dafs der König zunächst den Operateur nach Sans -Souci befahl ,
um Sich vom Sachverhalt genau
berichten zu lassen , und sodann auch den Operierten . Mit diesem hatte der König , in Schmuckers Gegenwart, eine fünfviertelstündige Unterredung, die auf verschiedenerlei Krankheiten und deren Heilung sich erstreckte. In Berlin
am
20. Januar 1781
schrieb König „ Friderich " in
9 Paragraphen Seine „ Instruktion für die Kapitäns bei den Feldlazareths , wonach auch die Doctores und Feldscherer bei den Lazareths sich aufs genaueste richten müssen . " *) vative" Chirurgie.
§. 2 betrifft „ konser-
„ Und weil ein jeder Mann , der mit dem Tode bestraft wird , so verdienen
§. 4 schliefst :
einen anderen umbringt ,
notwendig diejenigen noch härter bestraft zu werden , die da Leute , welche für das Vaterland Leben und Gesundheit gewaget , durch Nachlässigkeit und Gewinnsucht umbringen und umkommen lassen. “ Diese Instruktion ist Vorarbeit für das Königlich preufsische Feldlazareth-Reglement 1787. man preussischerseits
eine
Im kurländischen Feldzuge 1812 befolgte Vorschrift des grofsen
Königs
wegen
Versorgung der Blessierten auf dem Schlachtfeld " ; sie zählt zu den vielen Fridericianischen Instruktionen , uns unbekannt ist.
deren urkundlicher Wortlaut
Um so freudiger begrüfsen wir die vor wenigen Monaten veröffentlichte Arbeit des Gymnasiallehrers Dr. Rethwisch „ über Preufsens höheres Schulwesen im Zeitalter Friedrichs des Grofsen " ; **) ein treffliches Buch ,
in welchem manche schöne Beläge uns neu unter-
breitet werden zur Vervollständigung des Wissens Volksaufklärungsthaten .
von Friedrich's
Quincy Adam, nordamerikanischer Gesandter in Berlin , äufserte 1801 druckschriftlich : " Vielleicht giebt es kein Land in Europa , das uns Amerikanern mit mehr Recht den Vorrang streitig macht, als Deutschland. Diese ehrenvolle Auszeichnung verdankt es vorzüglich Friedrich dem Grofsen und im Besonderen dem Eifer, mit welchem er seinen Plan verfolgte, in allen Schichten seines Volkes gemeinnützige Kenntnisse zu verbreiten." In dem Buch des Herrn Dr. Rethwisch (S. 97) heifst es : „Den ersten Platz im Lehrplan behielt nach wie vor: Die Religion. " Eine Kabinetsordre vom 5. September 1779 mahnt die Schulmeister , sich Mühe zu geben , „ dafs die Leute Attachement zur Religion behalten." Auf des Berliner Gymnasialdirektor Büsching Antrag, daſs kein enrollierter und studierender junger Mensch bürgerlichen
*) Vgl. Militär-Wochenblatt 1835 Nr. 991 . **) Berlin bei R. Oppenheim, 218 S. 8°.
Standes
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI .
6
zum Soldatendienst gezwungen werden möchte , erwiderte der König am 17. Dezember 1781 : Solches zuzugeben ginge garnicht, weil es der hiesigen Verfassung zuwider. "" Wenn indessen hin und wider ein dergleichen junger Mensch unter den Studierenden
sich
findet ,
der vorzüglich viel Genie hat, dann kann das wohl mal stattfinden ; aber generaliter kann das nicht zugegeben werden " . Also die Fridericianische Heeresordnung
gewährte
dem dienstpflichtigen Studenten terer Zeit möglich . Am 20. November 1781 dortige Civil - Feldmarschall ,
in
einzelnen Ausnahmsfällen
mehr Berücksichtigung als in spä-
starb zu Königsberg ,
69 jährig , der ein Mann ,
Joh. Friedr. v. Domhardt ;
denkwürdig u . A. für die Geschichte des preufsischen Landsturmes , der Feldtruppen -Verpflegung und
des preufsischen Kadettencorps , der Remonteangelegenheiten .
Wollte man annehmen , die Fridericianische Generalität sei seit dem grofsen Kriege ( 1756-63 ) nach und nach
eine
geworden, so widersprechen folgende Todesnachrichten.
überalterte " Der General-
major und Inspekteur der niederschlesischen Reiterregimenter, v. Röder, starb zu Breslau am 15. März 1781 , 62 Jahr 7 Wochen alt. Der aus Polnisch-Wartenberg am 12. März 1781 „ nach
oben " abmar-
schierte Husarenregiments- Chef Generalmajor v. Podjurski stand im Alter von 61 Jahr 6 Wochen. Generallieutenant v. Wolffersdorf ist gestorben im Mai 1781
zu Hamm ,
mandant, v . Steinkeller ,
ging den 2. Juli d . J. ,
Tode ab,
63 jährig.
Der Berliner Kom66 Jahre alt ,
nachdem er dem Vaterland 53 Jahre gedient.
mit
Der Ka-
dettengeneral , Freiherr v. Buddenbrock, befand sich im 75. Lebensjahre , als er den 27. November 1781 abberufen wurde ins Jenseit . Der u. A. in den Annalen der preufsischen „ Landwehr “ , sowie nicht minder
in
den
Gedenkblättern
preufsischer
Seemacht
rühmens-
werte Herzog Aug. Wilh. v. Braunschweig- Bevern, General der Infanterie, Gouverneur der Festung Stettin, Chef eines Regiments zu Fuſs , Dompropst
zu Blasi
und Cyriaci in Braunschweig ,
den 12. August 1781 in Stettin 65 jährig. ihm zu Ehren Trauer an auf 14 Tage. * )
starb Sonntag
Der Königliche Hof legte,
Seydlitz, dessen Standbild am 12. April 1781 auf dem Berliner Wilhelmsplatz aufgestellt wurde , „ ohne dafs eine militärische Feier*) Über öffentliche Ausstellung der Leiche im Gouvernementshause und Beisetzung am folgenden Tage vergl. „ Historische , politische , statistische Beiträge, die Königl. preufsischen und benachbarten Staaten betreffend ; " Berlin 1783 , Th . 2 , Bd. 2 , S. 568. Die Leiche , nach Braunschweig überführt, wurde in der Stille beigesetzt im Fürstlichen Gewölbe unter der Domkirche.
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.
7
lichkeit damit verbunden war" , erreichte bekanntlich nur das 53. Lebensjahr.
Der König nahm die Seydlitz-Statue in Augenschein am ersten
Tage der Berliner „ Specialrevue " ,
den 2. Mai 1781 ;
man hat ihm
anekdotisch die Worte in den Mund gelegt : „ Zu diesem Standbild müfsten alle Kavalleristen wallfahrten , wie zu dem eines Heiligen. " Mit des
Bildhauers Tassaert Leistung
sehr zufrieden ,
befahl der
Königliche Auftraggeber im Juni 1781 , die Anfertigung einer Skizze für ein Keith-Denkmal. Aus den uns druckschriftlich aufbehaltenen Cabinetsordres an Tassaert ist ersichtlich, wie der fein kunstsinnige Monarch persönlich sich bemühte um
das Entstehen zweier natur-
getreuer und schöner monumentaler Abbildnisse ; und „berühmte Tote " ehrend.*)
grofse Männer"
Ganz im Gegensatz zu seinem Grofs-
vater, ein Feind des Ceremonials , verzichtete König Friedrich II. auf die Denkmals-Enthüllungsfeierlichkeiten . Der dritte Preufsenkönig war der erste Kriegsfürst , welcher seinen Unterfeldherrn Standbilder stiftete. Die antike Tracht der Marmorfiguren von Schwerin und Winterfeldt , dem Bande
des schwarzen Adlerordens ,
im Widerspruch
mit
kam bei Seydlitz wie bei
Keith u. s . w. in Wegfall. Diese Geschmacksläuterung vollzog sich von Sans-Souci aus . Bildhauer Houdon , in Paris , hatte für den am 30. Mai 1778 gestorbenen Voltaire zwei Büsten aus gebrannter Erde gefertigt ; die eine à l'antique ohne , die andere mit Perrücke ; der König entschied Sich für die französische Tracht,
indem Er das
im Jahre 1781 im Versammlungssaal der Berliner „ Akademie " aufgestellte Voltaire-Brustbild durch Houdon in Marmor ausführen liefs . „ Voltaire pensait
en Grec ,
mais il était Français .
Ne défigurons
แ pas nos contemporains Mit dem
Eintreffen
des
Kriegsherrn
aus
Potsdam in
Char-
lottenburg, den 1. Mai 1781 , beginnt in gewohnter Art wieder Höchstdessen äufserer Dienst als Heeresinspekteur , zunächst eine Prüfung im Einzelnen —
die Spezialrevuen - und dann „das Entrieren ins
Grofse " , d . i . Erteilung von Manövrieraufgaben , Lob- und Nasenspendung für das dabei Geleistete oder Verabsäumte. Aus Berlins Garnisongeschichte haben wir zu erwähnen betreffs der Vorbereitungen zur Revue : „Alle ausländischen Rekruten nebst denjenigen Dienstthuern ,
worinnen noch Wachsthum , wurden
am 21. Februar auf dem Flur der Herrn Kommandeurs gemessen. " Das Infanterieregiment , schierte am 7. April
dem unser Berichterstatter angehört ,
das
*) Oeuvres T. IX. 232.
erste Mal
„ komplett "
zum
mar-
Exerzieren
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.
8
" Wir verfeuerten am 9. April kompagnieweis 6 Patronen (per Mann) ; 4 davon einzeln , weil wir den Leuten das vor 4 Monaten bekommene Exerzitium „ ohne Pulver
vor dem Schönhauser Thore.
auf die Pfanne zu schütten " zeigen mufsten. " Man ermöglichte innerhalb einer Minute sechsmaliges Schiefsen, siebenmaliges Laden. In der Kriegsübungszeit 1746-1756 vermochte man nur 4 Mal in der Nächst Einführung „ eiserner" Ladestöcke bei dem gesamten preufsischen Heere, 1718 und 1719, und deren VerbesseMinute zu feuern .
rung durch eine cylindrische Form ( 1773) war das vom Lieutenant v. Freytag in Vorschlag gebrachte konische Zündloch den Freunden des Schnellfeuers eine hochwillkommene Neuerung . Der grofse König , obwohl Er sehr selten einem „ Lieutenant" das blaue Ordenskreuz erteilte , zeichnete anno 1781 durch dasselbe jenen Subalternoffizier aus ; eine rechtschaffene Strebsamkeit belohnend, nachdem das Frey' tag'sche Zündloch auf Berliner und anderen Drillplätzen sich bewährt hatte. *) „Am 19. April rückte der Gouverneur mit [ den Regimentern zum ersten Male vor das Kottbuser und Hallesche Thor. Wir marschierten durch die Hasenhaide
und nahmen das Alignement mit
dem rechten Flügel an der Hasenhaide , mit dem linken gegen Britz . " Der Gouverneur, Namens von Ramin, befehligte als Generalinspekteur die Berliner Infanterieregimenter ; er war gehaſst und gefürchtet wegen seiner Grobheit und Schärfe. Am 28. April evolutionierte „ der Gouverneur" wieder auf genanntem Gefilde .
Er und die ganze Generalität speiste am 1. Mai
bei Sr. Majestät in Charlottenburg .
Am 2. Mai fand auf dem Exer-
zierplatz vor dem Brandenburger Thore die Spezialrevue der Berliner Infanterieregimenter statt , in
üblicher Weise .
aus seinem Nachtquartier Charlottenburg
Der König erschien
am folgenden Tage noch-
mals im „ Thiergarten " ; die Berliner Reitertruppen Spezialrevue passieren lassend . Alsdann kehrte Er nach Potsdam zurück. Generallieutenant v. Ramin begann nun fuchser für
die „ Generalrevue ".
zu amtieren als Ein-
Er manövrierte am 5. Mai nach
*) Vergl. Bd. VII . unserer „ Jahrbücher" S. 197 und „ Militär - Wochenblatt" 1838 S. 86. Freytag war 1801 Oberst und Kommandeur des Infanterie-Regiments v. Besser. - Aus einer Kabinetsordre vom 11. Mai 1781 entnehmen wir , dafs zur Zeit in den Depots zu Magdeburg, Glogau, Breslau, Schweidnitz und Neifse die Abänderung der Gewehre im Gange war , und dafs an jedem dieser Orte 2 Offiziere prüfen mussten, ob das in den Lauf geschüttete Pulver 99 häufig genug in die Pfanne herabkömmt, „ um desto mehr versichert zu sein, daſs die Abänderung dieser Vorratsgewehre recht gut gemacht worden “ .
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.
der nämlichen
Disposition
geschütze feuerten
wie
am 10. Mai
am 28.
April.
9 "" Die
Bataillons-
im Avancieren wieder mit. "
Den
12. Mai , „ da der Gouverneur nicht zufrieden , avanciert die Linie 2300 Schritt. " Wir fügen hinzu : in ermüdendem sogenannten Ordinairschritt (75 in der Minute , gefafstem Gewehr. Beim Exerzieren ,
28 Zoll weit) ; grofsenteils mit an-
den 15. Mai ,
übte man das althergebrachte
Peloton- und Bataillonsfeuer in der VorwärtsRückwärtsbewegung ; schliesslich „marschierte jedes Regiment
Alignement ,
dann
und für sich en parade vorbei ; die Offiziere salutierten. " " Am 19. Mai geschah das Defilieren wieder vor fremden Generalen und Stabsoffizieren. "
Der König hielt am 20. Mai Detailbesichtigung bei einigen von auswärts heranbefohlenen Regimentern . Am ersten Tage der Generalrevue (21. Mai, Montag) „ geschah der Aufmarsch vor der Hasenhaide. Majestät äufserte sich gegen die Generals sehr unzufrieden : "" Was ich heut gesehen habe , ist nicht einen Schufs Pulver wert gewesen." Dennoch deklarierten Sie bei Parade ein Avancement, Se.
durch welches die Generalmajors v . Dalwig (Kürassier-Regimentschef in Schlesien , 55 Jahre alt) , v . Lossow, v. Eichmann und v. Krockow zu Generallieutenants
ernannt wurden .
Beförderungen zu General-
majors erfolgten nicht. Sieben Oberstlieutenants wurden Obersten. *) “ ,,Am 2. Revuetage geschah der Ausmarsch aus dem Halleschen und Kottbuser Thore flügelweise .
Nachdem durch Rechts- und Links-
deployieren die Linie in 2 Treffen hergestellt war , ward avanciert und retiriert , worauf die Regimenter Prinz Leopold , Wunsch und Prinz Ferdinand ein Carré formierten , welches der König von der Reiterei attaquieren liefs . " Dritter Revuetag . Ausmarsch aus dem Halleschen Thore . Die Avantgarde : 9 Bataillons . Durch diese und deren Soutiens wurde
die Hasenhaide angegriffen . Eine wiederholte Attaque geschah durch Brigaden en échelon ; bei der Avantgarde befanden sich 20 Zwölfpfünder. --- Jeder Mann hatte 10 Patronen . Unser Berichterstatter nennt dieses Manöver marschierten
sehr kriegsähnlich. "
die vor dem Halleschen Thore
Am 23. Mai ins
abends
Lager gerückten
Truppen zurück in ihre Standquartiere. *) Lossow ist im militärischen Testament des grofsen Königs bezeichnet als "grand officier de cavalerie" ; ein Husarenregimentschef, der seine Offiziere gut erzieht ", wie eine Kabinetsordre 1777 dankend besagt , nachdem Lossow einen Bericht eingesendet nebst Karten, die von seinen Offizieren gefertigt und vom Könige als sehr hübsch" belobt wurden . Er starb 1783, 61 jährig.
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.
10
Der König erklärte am Schlufs der Berliner Generalrevue , man habe ihn nicht befriedigt. „ Die Burschen laden nicht gut genug. Das Avancieren gefällt Mir nicht u. s . w. " Er verdeutlichte Sich dem General v. Ramin hierüber und befahl ihm ,
wöchentlich 3 mal
mit den Regimentern vor das Hallesche Thor zu gehen.
Auch mufsten
von jedem Regiment 1 Offizier, 1 Unteroffizier , 6 Mann nach Potsdam geschickt werden , lernen.
um beim 1. Bataillon Garde das Laden zu
" Man hat es ihnen aber dort nicht anders weisen können,
als sie es schon konnten " ; so äuſsert voll Verdrufs unser Tagebuchsmann. In noch üblere Stimmung, wie er, geriet wegen der Königlichen Unzufriedenheit ,, der Herr Gouverneur. " Kaum waren 8 Tage seit der Revue vergangen , als Se. Excellenz ,
befehlgemäfs „das Exerzieren wieder
anfing ".
Möge uns die
Heine'sche Stammbuchzeile : „ Aber fragt mich nur nicht wie " eine Nicht unglaublich lange Reihe harter Stunden ahnen lassen. klingt es ,
wenn Fama verkündet ,
die Zeitgenossen hätten den Ge-
neral v. Ramin einen „ Hunnen " genannt ,
nachdem er eines Tages
seine Infanterielinie „ 4500 Schritt avancieren was
es heifse ,
eine
schlechte
liefs ,
um zu
zeigen
Königsrevue gemacht zu haben “.
Parenthetisch bemerken wir : Ramin empfing für eine „ gute " Revue 1776 und ebenso 1777 ein Königliches Ehrengeschenk von 7000 Thaler. - Im Dezember 1782 kam den Berliner Infanteristen die Erlösungsstunde.
Ein
freundliche
Schlaganfall tötete Ramin
plötzlich.
Generallieutenant v. Möllendorf ,
dem Königlichen Herzen sehr nahe
ein
stehender ,
Der menschen-
ebenso wie Zieten nicht mit Alt -Des-
sauischer Rauheit behafteter Truppenbefehlshaber , Gouverneur und Infanterie- Generalinspekteur.
wurde in Berlin
Die Potsdamer Spezialrevue fand am 17. und 18. Mai statt, die Spandauer am folgenden Tage. Magdeburger Regimenter wurden bei Cörbelitz am 27. d . Mts . besichtigt, neumärkische am 1. und 2. Juni bei Cüstrin , pommersche bei Stargard am 3. bis 5. Juni . Der Generalinspekteur v. Möllendorf,
mit seinen Pommern ,
den diesjährigen Frühjahrsrevuen
der Infanteriematador gewesen zu
sein ;
denn es liegt uns die Nachricht vor :
scheint bei
Se. Majestät hätten in
Stargard „ allerhuldreichst " ein Revuegeschenk gespendet an die beständig dienstleistenden Unteroffiziere und Gemeine „wegen wiesenen besonderen Fleifses und ungemeiner Fertigkeit. " des Leib-Karabinierregiments , Thaler Douceur".
des beDer Chef
Generalmajor v. Bohlen, erhielt 1000
In der Mitte des Dorfes Mokrau, 11/2 Meile von Graudenz, hatte der König Sich 1773
ein
einfaches
Fachgebäude
auf dem Frei-
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.
11
schulzengelände herrichten lassen als Hauptquartier ; 136 Fufs lang, 36 Fufs breit, 10 Fufs hoch, mit Stroh eingedeckt. In einem Nebengebäude war die Küche und ein Saal für die Marschallstafel . Königs Adjutanten fanden
Des
notdürftiges Unterkommen in den näch-
sten Bauernhäusern , die Kabinetssekretairs im Freischulzengebäude, unweit der Königlichen „ Lagerhütte ". Hier verweilte Friedericus sehr gern, weil in Seinem „ Sibirien " oder ,, Irokesien " wie Er das 1772 Ihm zugefallene Polnischneben den HeeresinspekteurPreufsen wohl scherzweis nannte Angelegenheiten eine Menge anderer Dinge landesväterlich zur Erledigung kamen, mit denen durch ordre
eine
alljährlich erteilte General-
in Mokrau der obenerwähnte Civil - Feldmarschall
(der
alte
Domhardt ") betraut wurde , "" um den Nahrungsstand und Ackerbau in hiesiger Provinz immer weiter in Aufnahme zu bringen" u. s. w . "), Professor Preufs äufserte, des grofsen Königs Mafsnahmen für Westpreufsens Hebung schildernd : Die wohlthätige Verwaltung dieser in Kultur des Bodens und der Bewohner weit hinter Schlesien ( 1740) zurückstehenden neuen Provinz „ flicht die
schönste Bürgerkrone in
Friedrichs graue Locken . " Der grofse König residierte 11 Mal in Mokrau, während 3 bis 4 Tagen.
Im Juni 1781 sah Er dort sämtliche west- und ostpreufsischen
Regimenter. Die Infanterie lagerte längs der „ Bingsberge " ; die Reiterei kantonnierte in den nächsten Ortschaften. Schon Ende April d . J. befahl der König
die Saaten zu taxieren, um Flurschä-
den angemessen vergüten zu lassen ; gleichzeitig bestimmte er aber, künftig dafür zu sorgen, dafs ein zusammenhängendes Brachfeld als Revueplatz benutzt werden könne . Am Tage nach seinem Wiedereintreffen im stillen Potsdamer Sommerhause schreibt der König ( den 14. Juni) , etwas ermattet von den Revue- und Reisestrapazen, an d'Alembert : „ Me voici de retour des frontières des Sarmates, que j'ai parcourues, et je suis bien aise „Ich sehe in den Händen de me trouver dans ma cellule. " der Parzen den Faden meiner Tage sich kürzen , ohne dafs es mich rührt. Die tägliche Erfahrung ist eine Schule, welche uns den Unbestand unseres Wesens lehrt. Das Vertrautwerden mit einem stückweisen Absterben ermutigt : der gänzlichen Auflösung mit stoischem 66 „Der Mensch ist ein im Meer der Blick entgegenzusehen . ― Ewigkeit versinkendes Atom.
Der Augenblick seiner Geburt gränzt
*) Desfallsige Einzelnheiten in "9 Westpreufsen unter Friedrich dem Grofsen " ; . Thorn 1866, 195 S. 8°.
12
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI .
an den seines Todes. " mon petit ermitage "
In einem anderen Schreiben (ebenfalls „, dans an Anaxagoras
gerichtet , qui vit au centre des Sybarites de la Seine ") heifst es : " Quand on frise la soixante et dixième année , on doit être prêt à décamper aussitôt que le boute -selle sonne ; quand on a vécu longtemps , on doit connaître le néant des choses humaines. " Bei diesem freundschaftlichen Gedankenaustausch bat der Königliche Briefschreiber, nicht zu glauben, Er sei hypochondrisch geworden . „ Après avoir mûrement réfléchi sur ces graves matières, je compte de conserver ma bonne humeur tant que durera ma chétive et frêle machine. " Von dem jeweiligen Kampf mit seinem „ Seelen-Etuit" berichtet der König brieflich an die Ihm zunächst Stehenden nur, wenn diese in
ihren Privatbriefen irrtümlich
nehmend sich bezeigten.
freudig
Wir wissen
oder besorgnisvoll
teil-
sonach von einigen Gichtan-
fällen , die der König in Potsdam bald nach Rückkehr aus Berlin erduldete, während des Januar und Februar 1781. "9 Ce sont des galanteries dont l'âge favorise les vieillards . " Eine Nachfrage der zur Zeit in Schönhausen residierenden Königin wurde am 31. Mai 1781 erwidert : "" Madame ! Je Vous suis fort obligé de la part que vous prenez à ma santé. Je me traine , comme je puis , et je me tire d'affaire tant bien que mal. Quand l'âge s'avance on ne rajeunit pas, les moindres fatigues coûtent et enfin l'on devient inutile et à charge au monde. " Specielle Gesundheitsnachrichten erhielt des Königs Rheinsberger Bruder, Prinz Heinrich. Immer aber bezwecken die Königlichen Bülletins Tröstung der Briefempfänger wegen ihrer eigenen Gebrechlichkeit. In seinen Briefen an d'Alembert 1781 klagt Friedrich scherzend : „ Le symboles de l'hiver couvrent ma tête à demi chenue ; mon sang se glace ; mon imagination se refroidit ; je traine avec peine les membres cadavéreux de mon ancienne existence. Hélas ! les roses de mon bel âge se sont fanées, et, en tombant , elles ne m'ont laissé que les épines de la caducité. " Alsbald jedoch verjagt der Potsdamer „ poëte philosophe die Wolken des Unmuts, indem er anerkennt, wie lehrreich für Greise die Verse Chaulieu's
Ainsi sans chagrin, sans noirceurs, De la fin de mes jours poison lent et funeste, Je sème encore de quelques fleurs Le peu de chemin qui me reste. „ Songez , mon cher d'Alembert, que la vie est trop courte pour que ce soit la peine de vous affliger. "
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.
13
Mit der sogenannten Minister - Revue, in Potsdam am 16. Juni , begann die
zweite
Hälfte
des
Fridericianischen Regierungsjahres.
Zur schlesischen Revue reisend , verliefs der König Potsdam am 15. August „ganz früh" ; begleitet vom „ Prinz von Preufsen " . Rückkehr erfolgte
am 3. September.
Nach Berlin kam der König am
12. September, speiste bei seiner Schwester Amalie und ritt Nachmittags nach dem „ Gesundbrunnen " , um
dort den Vortrag Seines
Artillerie-Generalinspekteurs entgegenzunehmen und zu übernachten. Am frühesten Morgen des 13. September begann der König die Besichtigung der seit Anfang d. M. „ beim Wedding " sich im Schiefsen und Werfen übenden vier Artillerieregimenter.
Mittags liefs Er am
Oranienburger Thore die vier Wachtparaden exerzieren ; Abends kehrte er heim in Potsdam. Am 18. September endeten die diesjährigen Artillerieübungen . Die preufsischen Artilleristen
hatten
es
Anzahl von Schüssen in der Minute gebracht.
zu
einer sehr hohen
Im Jahre 1781 ver-
suchte man eiserne Kartätschspiegel ; sie bewährten sich und wurden für das Feldgeschütz angefertigt, später auch für die Reserveartillerie. Die Vertauschung des Sielen- mit Kummtgeschirr gehört ebenfalls dem Jahre 1781 an. Sehr erfreut über Vorschläge und Untersuchungen ,
welche für
das Geschützwesen als wirklich nutzbringend befunden wurden, zeigte sich der König abhold solchen Projekten und Modellen , die Ihm „ nur theoretisch “ , „ blofse Träumerei " oder „ windiges Zeug" zu sein schienen . Im Mai 1781 überschickte ein Mechanikus dem Könige ein Instrument , „ das zum Messen und bei militairischen Plans gut zu gebrauchen sein soll , wie er anzeiget. " Der König sandte dasselbe seinem Artilleriechef, Generalmajor v. Holtzendorff, so , wie Ich es gekriegt", und beauftragte denselben, mit der Berliner Akademie sich zu vereinbaren, „ um Solches näher zu examinieren, ob und wozu davon ein nützlicher Gebrauch zu machen stehet und Mir sodann davon zu berichten. " .Die Erfindung erwies sich als „gut und nützlich " ; der Erfinder wurde mit einem Jahrgeld angestellt. Fridericus ehrte das Verdienst überall, wo Er es fand.
Die Infanterieregimenter Bornstädt und Braun, sowie die Garde du corps-Eskadron , das Regiment Gendarmes und die Zietenhusaren marschierten am 20. September nach Potsdam zu den dortigen dreitägigen Kriegsübungen " . Ein Potsdamer Major , welcher den Tod an sich herantreten fühlte , äufserte schriftlich dem Könige sein Bedauern , an diesem Manöver nicht mehr teilnehmen zu können ; und für genossene Gnade dem hohen Gebieter Dank sagend, unterbreitete er Ihm eine letzte Bitte . Eines Kommentars bedarf die Königliche
14
Fridericus Borussorum Rex MDCCLXXXI.
Antwort nicht ;
sie
zählt
zu denjenigen Fridericianischen Briefen,
welche das Herz erwärmen . „Mein lieber Oberst v. Brünning. Mir gehet der Verlust eines braven Offiziers immer ungemein nahe . Mein Major v. Wachholtz vom Garde - Regiment ist Mir als solcher bekannt ; und dahero thut es Mir sehr leid, aus seinem anliegenden Schreiben zu vernehmen, dafs er sich mit starken Schritten seinem Grabe nähert. Ich beklage seinen bevorstehenden Verlust, und will auf den Fall, dass derselbe wirklich erfolgt, dafs alsdann mit seinem entseelten Körper und dessen Beerdigung es in allen Stücken gehalten werden soll, wie er es in diesem Schreiben verlangt oder noch verlangen möchte. Ich verlasse Mich auf die genaueste Befolgung dieser Meiner Ordre, und bleibe Euer pp. Potsdam, den 19. September 1781. " Von den militärischen Lehrschriften , im
Jahre 1781
erteilte , befinden
sich
welche drei
der grofse König
im
30.
Bande
der
99 Oeuvres". Die beiden ersten derselben (Nr. XXIII und XXIV) bezeugen dieses Kriegsherrn liebevolles Bemühtsein : Denkthätigkeit und Studiereifer zu erleichtern und zu belohnen.
Wir haben im Voranstehenden ersehen , wie Fridericus optimistisch gestimmt heiteren Sinnes bleibt trotz schmerzlich fühlbar zunehmender Leibesschwäche . Hierbei begünstigte ihn eine poetische Gemütsart. An d'Alembert schrieb er den 27. September 1781 :
29 Des imaginations agréables me consolent des afflictions que me donnent des tristes vérités . " Pessimistisch dagegen finden wir den
alten Fritz " stets, wenn
seine
dichterische Phantasie Ihn zu
dem Glauben verleitet, eine Herabminderung der Staatskraft erleben zu müssen.
Wir sahen rücksichtslose Strenge
einen
in Ehren er-
grauten und beim Könige hoch in Gnaden stehenden General treffen, mit dem schwer wiegenden Wort „ Nachexerzieren " . In der Instruktion
d. d. 5. August 1781 , für die Kavallerie-
Inspekteurs , mahnt der Kriegsherr ,
„das Werk nicht ins Stocken
kommen zu lassen " , weil sonst "" durch Nachlässigkeit " der bisherige Ruhm verloren gehe. Die jubiläumsreiche Jetztzeit kann ein Säkularandenken widmen dem sprüchwörtlichen „ Kategorischen Imperativ" . Mit diesem Ausdruck meinte der hochvernünftige Kant den von ritterlichem Sinn getragenen , weitaus das einfach prosaische " Mufs " überragenden Gehorsam im Dienst des Vaterlandes und der Menschheit, wie des grofsen Königs Beispiel solchen lehrte.
Den schönsten Lohn für alle
Anstrengungen und Opfer eines der Trägheit und Selbstsucht entsagenden, der Weichlichkeit und geistigen Unselbständigkeit sich entziehenden Staatsdieners fand und pries der aufklärungsbeflissene
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .
15
Philosoph von Sans-Souci " in jener Seelenruhe und Gemütsheiterkeit, welche das einzige Glück verschaffe, dessen man wahrhaft froh werden könne.
Es ist dies eine philosophische Betrachtung, welche Fridericus Magnus nicht nur niedergelegt hat in Seinen Privatschriften am Abend seines Lebens, sondern auch bethätigt hat stets in seiner Berufserfüllung . *) Unser ist die Pflicht ,
eingedenk zu sein des „ grofsen Königs "
in inniger Verehrung und vollster Dankbarkeit ,
weil er vielfältigst
in väterlicher Weise die Aneiferung gab und die Aufforderung hinterliefs, reich zu werden an - guten Werken . Er Selbst, auf Seiner Ruhmesbahn , ging alleweil bescheid'ner Majestät , als hätt' Er Nichts gethan . “ Zeiten aber steh'n
einher 99 in so Im Buch der
mit Sternen-Schrift Seiner Thaten Zahl. "
(Gr. L.)
II .
Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801).
Von Spiridion Gopčević. (Fortsetzung.) Die Ereignisse zur See .
Bonaparte fühlte, dafs etwas gethan werden müsse, Malta und Egypten zu retten . Seine wiederholten Befehle zum Auslaufen der Entsatzgeschwader wurden schon früher erwähnt . In der französiaber damals eine Panik : die meisten Seewaren und Villeneuve an der Spitze ume Gantea
schen Marine herrschte offiziere
unfähig und hegten vor den Engländern solchen Respekt , dafs sie sich von dreimal schwächeren Geschwadern blockieren liefsen . Linois , Bruix und Latouche - Tréville wären vielleicht unternehmender
*) Vgl. die 1781 vom Königlichen Dichter variierte Stelle aus Voltaire's Trauerspiel „Zaïre" ; Oeuvres XIV, 177. Sodann das Schreiben d. d. Potsdam 27. September 1781 und 13. August 1777, nebst der poetischen Epistel vom 22. Oktober 1776 an d'Alembert, sowie auch den ersten Teil des Briefes vom 10. November 1781 an ebendenselben.
16
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .
gewesen, wenn sie gesehen hätten, dafs der Geist ihrer Mannschaften Perré allein zeigte , dafs er die einem Adein besserer war. miral unbedingt nötige
Kühnheit
als er mit dem „ Généreux " ,
besitze ;
er
war aber gefallen ,
einer Fregatte und zwei Korvetten
im Februar ( 1800) von Malta ausgelaufen und von einer überlegenen englischen Flotte angegriffen worden war, die sein Geschwader nach Décrès , welcher später mit dem heftigem Widerstande nahm. zu entkommen suchte, mufste Valetta La „Guillaume Tell " aus ebenfalls die Flagge streichen . Diane" und Justice " aus ;
Ende August liefen die Fregatten erstere wurde genommen , letztere
entkam nach Toulon . Kurz darauf (5. September 1800) mufste Malta wurde englisch ! Vaubois in La Valetta kapitulieren Bald nachher landete der englische General Sir Ralph Abercromby mit der im Helder und bei Ferrol geschlagenen Armee Am und verstärkte sich auf Malta durch 5-600 Eingeborene. 25. Oktober bekam er Befehl zur Abfahrt ;
er segelte nach Makri
in Kleinasien (gegenüber von Rhodos ) , wo er am 1. Januar 1801 Anker warf.
Dort organisierte er die Streitkräfte, welche zur Lan-
dung in Egypten bestimmt waren . Im August und September hatte Bonaparte durch Otto über einen See-Waffenstillstand unterhandeln lassen , welchen er dazu benutzen wollte , um
6 venezianische Fregatten
mit
1500 Gewehren u. s. w. nach Egypten zu senden .
4800 Rekruten, Die Unterhand-
lungen scheiterten jedoch.
In Brest lagen noch 42
und spanische Linienschiffe
und 10 Fregatten unter Bruix ,
zarredo und Gravina.
Juli
Wie so oft blieb es bei dem Projekte.
und November
Avisos nach Egypten ab. langten glücklich ans Ziel.
Ma-
Sie sollten eine Transportflotte mit 20 000
Mann nach Egypten werfen . Im Juni ,
französische
gingen einige Korvetten, Briggs und
Einige wurden genommen ,
andere ge-
Bonaparte hatte eine Fregatte bauen lassen, die „ Egyptienne " , welche den Tonnengehalt eines Linienschiffes von 74 Kanonen hatte (also etwa 1500 t) und statt der 18 -Pfünder mit 24 -Pfündern bewaffnet war . Sie und die Fregatte „ Justice " liefen am 24. Januar mit 1300 Mann an Bord (darunter 700 Soldaten) aus und landeten nach nur zehntägiger Überfahrt am 3. Februar in Alexandria , wo sie die Truppen, 1000 Gewehre, und das mitgebrachte Artillerie- und Munitionsmaterial ausschifften . 20 Kapitäns, Clément.
Unter den Truppen befanden
sich
100 Lieutenants und der ehemalige Adjutant Desaix' ,
Zwei andere Fregatten „ Africaine " und „ Régénérée " waren
1
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) . bereits 13. Januar mit 700 Soldaten
am Bord von
17
Rochefort aus-
gelaufen , hatten glücklich die Strafse von Gibraltar passiert und trennten sich dann , um die Möglichkeit des Durchdringens zu erhöhen.
Die „Régénérée " lief mit der Brigg „ Lodi " am 1. März in Alexandria ein und schiffte 200 Mann der 51. Halbbrigade , 100 Ar-
tilleristen und viele Vorräte aus. eine englische Fregatte ; entmasten ,
während
die
Die "" Africaine " stiefs jedoch auf
statt diese zu englische
entern ,
suchte
sie
sie zu
nur Kernschüsse abgab .
Diese auf der „Africaine " (welche 400 Soldaten und 250 Seeleute an Bord hatte) 300 Mann aufser Gefecht und zwangen sie zum setzten
Streichen der Flagge. Solche Verstärkungen brachten die französische Armee auf 30 000 Mann . Eine ausgiebigere Verstärkung sollte Ganteaume nach Egypten führen . In Brest wurde nämlich ein Geschwader zusammengestellt, welches
aus den besten Schiffen
Linienschiffe " Indivisible " 80 ,
der grofsen Flotte bestand :
die
„ Formidable " 80 (Flaggenschiff
des Contreadmirals Linois ) , „ Jean Bart " 84 , „ Desaix “ , „ Constitution “, „ Dix Août “ und „ Indomptable" zu je 74 , die Fregatten " Bravoure " 44 und „ Embuscade " 34 und die Brigg " Vautour" 14 Kanonen . Statt aber dieses Geschwader dem tüchtigen Linois zu überlassen , stellte man ihn unter die Befehle Ganteaume's ,
für welchen Bonaparte
eine besondere Vorliebe hatte,
wie schon nach dessen feiger Flucht bei Abukir zu ersehen war. Diese Zuneigung hatte sich noch gesteigert , parte glücklich nach Fréjus brachte ,
da Ganteaume Bona-
wenngleich dies nicht sein ,
sondern Bonapartes Verdienst war, welcher den furchtsamen Vorschlägen des Admirals kein Gehör geschenkt hatte. Ganteaume benutzte
am
23. Januar
( 1801 )
einen
Sturm ,
welcher das englische Blockadegeschwader zerstreut hatte , um auszulaufen. 4000 Soldaten befanden sich an Bord. Der Sturm wütete mit gröfster Heftigkeit , zerstreute das Geschwader und richtete es übel zu . Dem zweiten Admiralschiff Formidable" wurden die drei Marssegel zerrissen, der „ Constitution " die grofse Marsstange abgebrochen , der „ Vautour" so hin- und hergeschleudert , dafs er jeden Augenblick
zu
sinken
drohte.
Am nächsten Tage stiefs die
„Bravoure " auf die englische Fregatte „ Concord " und schlug sie nach heftigem Kampfe in die Flucht. dafür zum Contreadmiral befördert.
Ihr Kapitän Dordelin wurde
Endlich vereinigten sich wieder alle Schiffe auf dem bestimmten Sammelpunkte, nahmen am 30. die englische Korvette " Incendiary " von 28 Kan . und passierten am 5. Febr . Gibraltar. Fünf Tage später 2 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
18
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .
nahm man den Kutter „ Sprightly" von 14 Kanonen , welcher von Lord Keith nach England gesandt worden und am 13. Februar die Fregatte „ Success “ von 40 Kanonen . Durch den „ Sprightly" hatte Ganteaume erfahren , dafs Lord Keith mit 6 Linienschiffen und 50 Transportschiffen in Makri ankere, die Bahn nach Egypten war also frei . Nichtsdestoweniger entsank ihm jetzt das Bifschen Mut, welches er noch besafs, und er wandte sich nach Toulon. Bei den Balearen wurde er vom Admiral Warren welcher mit 4 Linienschiffen
entdeckt,
und 2 Fregatten von Mahon auslief.
Kapitän Bergeret vom „ Dix Août " segelte kühn auf die Engländer los, in der Hoffnung ,
dadurch Ganteaume zum Folgen zu bewegen .
Dieser aber gab ihm das Signal
zum Rückzug .
Vergebens signa-
lisierte Bergeret zurück, dafs es blos 4 englische Linienschiffe seien ; Ganteaume wagte trotz seiner doppelten Übermacht kein Treffen und liefs sich nach Toulon verfolgen, wo er am 19. Februar einlief. Lord St. Vincent , welcher die Bonaparte war wütend .
Brester Blockadeflotte befehligte, hatte Calder mit 7 Linienschiffen und 2 Fregatten zur Verfolgung Ganteaume's nach - Westindien gesandt, Lord Keith lag vor Makri , Warren mit 4 Linienschiffen in Mahon , der Weg nach Egypten war demnach offen gewesen. Um jedoch Ganteaume nicht noch mehr zu entmutigen , stellte er sich durch die Prisen versöhnt und schickte seinen Adjutanten Lacuée nach Toulon, um Ganteaume Mut einzusprechen und sein Geschwader zu verstärken . Schon am 4. Februar hatte Bonaparte Befehl gegeben , die Fregatten „ Carrère" und „ Muiron " mit 18 - Pfündern zu bewaffnen und die alten baufälligen Linienschiffe „ Banel " und " Frontin " für den Transportdienst einzurichten , doch sollten sie 60 Geschütze in den Batterieen behalten. Am 13. befahl Bonaparte, einige Fregatten segelfertig zu machen und die „ Badine " mit 2000 Gewehren, 150 Rekruten, 50 Artilleristen, 12-15 000 Geschossen und dem Friedenstraktat nach Egypten zu senden.
An die dortige Armee erliefs Bo-
naparte am 20. eine schwungvolle Proklamation , in welcher er sie an ihre Siege erinnerte und zum Ausharren ermunterte . Unterm 6. März erhielt General Sahuguet , welcher die Landungstruppen kommandierte , 200 000 Francs Kriegskasse und sein Corps wurde auf 4900 Mann verstärkt. Das Geschwader erhielt durch die Fregatten „ Badine " ,
„ Carrère "
und " Muiron "
und
die
Korvette
„ Heliopolis " Zuwachs und bestand jetzt, die 3 Prisen eingeschlossen , aus 7 Linienschiffen, 6 Fregatten und 2 Briggs .
Am 19. März lief endlich Ganteaume neuerdings aus , da aber
19
Die französische Expedition nach Egypten (1798–1801 ) .
die 99 Constitution " auffuhr und erst wieder flott gemacht werden mufste , verzögerte sich die eigentliche Abfahrt bis zum 22. Man hatte schon die Küste von Sardinien passiert, als am 26. die 4 Linienschiffe Warrens
sichtbar wurden .
Obwohl mehr als doppelt so
stark, floh doch Ganteaume bei diesem Anblick eiligst
zurück ,
bei
welcher Gelegenheit der „ Dix Août “ mit dem „ Formidable " einen Zusammenstofs hatte, der Ganteaume's Flucht noch mehr beschleunigte.
Am 5. April ankerte er wieder in Toulon.
Bonaparte verbifs neuerdings teaume zu ,
seinen Groll und redete Gan-
er möge noch einmal auslaufen .
wenn er bis Derne ,
die Truppen ausschiffen könne , Lord Keith's fürchte .
wo er
wo er
falls er sich so sehr vor der Flotte
Ganteaume lief also am 25. April nochmals Elba ,
Es sei genügend,
Bengasi oder El Baretun gelange ,
aus ,
segelte nach
einige Salven gegen Porto Ferrajo abgab ,
welche
wirkungslos blieben, und setzte dann seinen Weg fort. Nach einigen Tagen brach an Bord der Schiffe eine ansteckende Krankheit aus und Ganteaume hielt es für nötig , den Admiral Linois mit den Linienschiffen „ Formidable " ,
" Desaix"
und
" Indomptable "
zurückzusenden . Dadurch schwächte er die Zahl der Landungstruppen um 1500 Mann . An Sicilien und Candia vorbei durch den Archipel segelnd ,
näherte er
sich endlich der afrikanischen Küste.
Er wollte in Derne einen Piloten für El Baretun aufnehmen , daselbst die 3400 Mann Sahuguet's ausschiffen und diese mit Hülfe Am gemieteter Kamele nach Alexandria marschieren lassen. 8. Juni setzte er die Schaluppen aus und liefs Jerome Bonaparte mit einem Detachement landen . Die Bewohner von Derne vermuteten jedoch feindliche Absichten , versammelten sich am Strande und empfingen die Schaluppen mit einem so heftigen Feuer , diese sich zur Rückkehr veranlafst fanden.
dafs
Ganteaume hätte nun direkt nach Alexandria steuern können . Dies ging jedoch über seinen Mut, obwohl man nur noch 20 Stunden von dieser Stadt entfernt war. Er begnügte sich, die Korvette 3 Heliopolis " dorthin zu senden und ergriff dann feige die Flucht. Wie ungerechtfertigt diese war , zeigte sich aus dem Umstande , dafs die „ Heliopolis" am 9. Juni zum Jubel der Besatzung in Alexandria unangefochten
einlief.
Wäre Ganteaume der Korvette nachgefolgt,
so hätten die ausgeschifften 3400 Mann den Dingen vielleicht
eine
ganz andere Wendung gegeben. Die Feigheit Ganteaume's ist um so unbegreiflicher, als kaum ein anderer Admiral so sehr vom Zufall begünstigt wurde, wie er. Den eng2*
20
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 )
lischen Flotten
stets auf unbegreifliche Weise entkommend , begeg-
nete er immer nur einzelnen Kreuzern ,
die
ihm
zur Beute fielen.
Er hatte bis dahin 1 Fregatte, 1 Korvette und 1 Brigg aufgebracht ; auf seinem Rückzug stiefs er nun am 24. Juni im Canal von Candia auf das Linienschiff „ Swiftsure " von 74 und nahm es nach zweistündigem Kampfe.
Am 4. Juli brachte
er noch 1 Korvette und
8 Transportschiffe auf und lief endlich am 22. Juli wohlbehalten in Toulon ein . Dies war der letzte Versuch, der gemacht wurde , Egypten zu Zwar hatte Bonaparte noch am 19. Mai Bruix den Befehl erteilt, mit seinen 35 Linienschiffen auszulaufen, doch kam es nicht mehr dazu . Menou und die Mameluken . Menou lebte in Egypten sorglos wie ein Vicekönig, obwohl er durch die Depeschen Bonaparte's ,
durch griechische Schiffe , haupt-
sächlich aber durch den treuen Murad Bey von der drohenden Gefahr in Kenntnis gesetzt worden war. Er behauptete, die Engländer beabsichtigten nur den Archipelagus zu erobern, der Grofsvesir habe sich von Heliopolis
noch nicht
tachement doch landen sollte , Meer stürzen .
erholt, und wenn irgend ein De-
werde
In seiner Verblendung
er es gleich Bonaparte ins ging
er
so weit ,
über jene
schlechte Witze zu reifsen , welche von der Notwendigkeit sprachen, sich gegen einen neuen Angriff zu rüsten . Murad Bey hatte
von Kleber
Ibrahim Bey zu korrespondieren.
die
Erlaubnis
erhalten ,
mit
Kleber sah nämlich ein, daſs er
einen geheimen Briefwechsel nicht werde hindern können und dachte so aus Murad's Ergebenheit Nutzen
zu ziehen ,
indem er durch ihn
von den Plänen des Feindes unterrichtet würde.
Murad zog nämlich
die
französische Herrschaft der türkischen vor ,
da er begriff, daſs
die Türken ihm nicht einmal die Souzerainität Oberegyptens lassen würden.
Die
aufrichtige
that noch ein Übriges .
Hochachtung und Zuneigung für
Kleber
Er glaubte Menou ebenso achtenswert wie
Kleber und war ehrlich genug ,
bei Gelegenheit seiner Tributüber-
sendung dem Obergeneral durch Osman Bey el Bardissi über die Vorgänge auf feindlicher Seite Mitteilung zu machen . Dieser kam am 7. Februar 1801 in Kairo an und hatte am 8. Audienz .
Er übergab den Tribut und sagte Menou ,
Grofsvesir Murad Bey durch Ibrahim Bey (Menou) zu vermitteln .
ersucht
dafs
der
habe , bei
ihm
Jussuf Pascha fürchte nämlich ,
es möge
ihm sein Rivale, der Kapudan Pascha Hussejn , in den Unterhand-
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) . lungen mit
den
Franzosen
zuvorkommen .
Murad
Bey
21 glaube ,
Menou würde gut thun , sich mit den Türken auszugleichen, um sie von der Sache der Briten abzuziehen, umsomehr, da das Waffenglück wetterwendisch sei
und diesmal die Alliirten begünstigen könne,
welche grofse Anstalten zu einer allgemeinen Invasion träfen. Abercromby habe die 18 000 Mann in Makri zur Landung bei Abukir bestimmt ; 6000 Mann sollten durch eine zweite Flotte aus Indien. herangebracht und in Sues ausgeschifft werden ; 25 000 Mann würden unter den Befehlen des Grofsvesirs aus Syrien einrücken . wenn es Menou auch gelingen Mann abzuschlagen ,
sollte ,
Selbst
den Anprall dieser 50 000
sei immerhin eine bedeutende Schwächung der
französischen Armee unvermeidlich . Murad Bey selbst sei bereit, im Notfalle mit 1000 Mann und mehr zu den Franzosen zu stofsen und sie nach Kräften zu unterstützen .
Zum Beweise des Mitgeteilten
legte Osman Bey die ganze Korrespondenz mit Ibrahim Bey vor. Statt mit Jussuf Pascha in Unterhandlungen zu treten , welche vielleicht die Türken mit den Briten entzweit oder doch die Invasion verzögert hätten , fuhr Menou den Unterhändler heftig an , dafs Murad mit dem Feinde in Correspondenz stehe. Osman erwiderte erstaunt, dafs dies doch mit Wissen und selbst auf Wunsch Kleber's geschehen sei. Menou schrie zurück, ihn gehe Kleber gar nichts an , er sei gewohnt , seinen eigenen Willen zu haben , er sei kein Landverschacherer wie Kleber und finde dessen Güte gegen Murad sonderbar. Dieser benutze sie nämlich dazu, aus Syrien Mameluken an sich zu ziehen und seine Streitmacht immer mehr zu vergröfsern. er nicht an
Was seine sonstigen Mitteilungen betreffe , so glaube das Märchen von der drohenden Invasion ; es sei von
Murad unverschämt, von der Möglichkeit einer Wendung des Waffenübrigens bedürfe er der guten Ratschläge des
glücks zu sprechen ;
Bey nicht, sondern befehle diesem, sich ruhig in Oberegyten zu verhalten und sich nicht in fremde Angelegenheiten einzumischen . Osman Bey entgegnete beleidigt ,
Murad habe nur das Beste
der Franzosen im Auge gehabt, die Erlaubnis zur Ansichziehung der in der türkischen Armee dienenden Mameluken habe ihm Kleber gegeben,
um jene zu schwächen,
müsse man den Umstand ansehen ,
als Beweis der Loyalität Murad's dafs
er seinen Liebling Moha-
med Bey El Elfi , der zu ihm reumütig zurückgekehrt, in ein Dorf verbannt habe , bis der Obergeneral ihm werde verziehen haben . Auch hier platzte Menou hervor ,
statt jedes Dankes mit dem Tadel
dafs Murad besser gethan hätte,
Fülsen gefesselt einzuschicken.
Elfi Bey an Händen und
22
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . Osman Bey schlofs
diese unerquickliche Unterredung mit der
Bemerkung, er werde die übrigen Generale besuchen, um ihnen seine Hochachtung darzubringen und die Briefe zu überreichen , welche Murad an sie geschrieben . Dies war ein neuer Anlafs für Menou , gegen Murad loszubrechen , der sich unterstehe an jemand Andern als den Obergeneral zu schreiben.
Osman Bey dürfe zwar
die Besuche machen ,
es
aber nicht
wagen, die Briefe auszufolgen. Damit schlofs die Entrevue . Osman Bey war im höchsten Grade empört. Er ging zu Damas und D'Aure ,
welchen
er seine Indignation und zugleich
sein Erstaunen ausdrückte , dafs die Franzosen einen solchen Tölpel zum Nachfolger des edlen Kleber gemacht, der es so sehr verstanden , sich die Sympathieen der Mameluken zu erwerben. Damas bat den Gekränkten, sich aus der Schroffheit Menou's nichts zu machen, deshalb seien doch alle Franzosen dem Murad Bey sehr gewogen . Er solle diesem den peinlichen Empfang verhehlen und den Generalen zu Liebe von Menou's Unart absehen. Osman Bey wartete Menou's.
in Kairo auf eine Änderung der Antwort.
Nach wenigen Wochen kam die Nachricht von der Lan-
dung der Engländer und er erneuerte den Vorschlag einer Kooporation . In der heiklen Lage , in welcher sich die Franzosen befanden, wäre eine Mitwirkung des tapferen Murad Bey mit 1000 bis 1500 Mameluken und einigen Tausend Egyptern nicht zu verachten gewesen. Menou wollte aber nichts davon wissen . Er befahl Osman abzureisen und Murad zu sagen, er solle sich bei strenger Züchtigung hüten, Oberegypten zu verlassen .
Erscheinen der englischen Expedition. Am 27. Februar 1801 ,
als
es
schon
dunkelte , legte auf der
Rhede von Abukir , unterhalb des Brunnenhügels , ein Boot an .
Es
war dies die Schaluppe des englischen Kutters „ Peterel " , welcher die Geniemajore
Mac Karras und Fletcher entstiegen .
kognoszierten die ganze Nacht hindurch die Küste , sorglosen Franzosen bemerkt zu werden .
Sie re-
ohne von den
Erst als der Morgen graute ,
wurde die rückkehrende englische Schaluppe von dem im Madjé - See stationierten französischen Kanonenboote entdeckt und verfolgt. Obwohl Fletcher rief, sie würden sich ergeben, folgte eine volle Salve , welche Mac Karras tötete. Fletcher und die Schiffsmannschaft machten neue Zeichen und wurden hierauf gefangen nach Kairo geschickt , wo sie am 2. März anlangten .
Friant , welcher in Alexandria befehligte.
sandte die bei den Engländern gefundenen Papiere mit ,
aus
denen
23
Die französische Expedition nach Egypten (1798–1801 ) .
man ersah, dafs eine Landung unmittelbar bevorstand . Er verlangte aus diesem Grunde eine Verstärkung von 2 Batterieen und 1 Kavallerieregiment. Am genannten Tage (2. März ) war die französische Armee fol-
gendermafsen organisiert : Division Reynier : (Kairo)
(Brigade- Gen . Robin , Delzons (?) ) = 5400 Mann . 9., 13., 25. und 85. Halb- Br.
Division Lanusse : (Brigade - Gen. Eppler , Valentin, Silly) 4. I. , 18. , 69. u . 88. Halb- Br. = 5400 (Kairo) Division Friant : (Alexandria und Rosette)
(Brigade- Gen . Fugières (?) ,
"9
Zajon-
schek, Boussard (?) ) 61. , 75. HalbBr. , 300 Mann der 51., 1000 Malteser, 1000 Mann Seelegion ( ohne 1800 auf den Schiffen befindliche Seeleute) , je 2 Schwadr. vom 18 .
5000
"
Division Belliard : (Brigade-Gen . Donzelot, Verdier [?? ] ) (Kairo u. Benisuef) 2. u. 22. 1. Halb- Br. = 2500
"
u. 20. Drag.- Reg.
Division Rampon : (Damiette) Division Roize :
(Brigade - Gen. Destaing , Morand) *** 2800 21. l. u. 32. Halb-Br. Lefebvre) (Brigade. - Gen. Bron , 7. Hus. ,
22. Chass . ,
18. u. 20. Drag. Dromedarierregiment : (Oberst Cavalier )
99
3. 14. , 15. , = 2300 = 600
"9
= 1000 = 500
"
Guidenregiment : ( General Duranteau [ ? ] ) Koptenbataillon : (Major Makallem )
Mamelukencorps : (Oberst Barthelemy )
= 1500 = 400
Artilleriecorps : (General Songis ) 100 Feldgesch.
= 1500
Griechenlegion : (Admiral Papas - Oglu )
Artilleriepark : (General Faultrier) etwa 800 Gesch. = 600 = 500 Geniecorps : (Generale Sanson und Bertrand ) = 1000 Veteranen und Invaliden zum Garnisonsdienst
29
"7 99 ,و
"" " "9
Die ganze Armee zählte also 31 000 Mann , *) davon 3400 Reiter, 2100 Artilleristen, 500 Mann Genietruppen und 25 000 Mann Infanterie. Es mufs jedoch berücksichtigt werden, dafs sich unter diesen 31 000 Mann 6400 Eingeborene befanden (Neger, Mameluken , Griechen , Kopten und Syrier) , welche später ziemlich stark desertierten . Menou war Centralist. Er liebte es , die ganze Armee
um
*) Die auf den Schiffen und der Nilflottille eingeschifften Seeleute (2300 Mann) sind in obiger Zahl nicht eingerechnet.
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .
24
sich zu haben und überall nur die nötigsten Besatzungen zu lassen. Dies wäre schliefslich nicht so tadelnswert gewesen , wenn er die Absicht gehabt hätte, mit der ganzen Armee auf den bedrohten Punkt zu eilen.
Dennoch waren die exponierten Posten zu schwach besetzt.
Gegen Syrien zu waren Salhejé , Mann besetzt.
Belbejs und Sués
Gegen Oberegypten ,
mit Murad Bey
gar nichts
mit je 100
von wo man seit dem Bündnis
zu fürchten hatte ,
standen
dagegen
1200 Mann unter Donze lot bei Benis uef. Rampon hielt die ganze Küste von Rosette bis Tiné und das Delta besetzt. In Burlos lagen
davon 100 ,
in Lesbé 260 Mann .
Diese Truppen
befanden sich alle am rechten Platze, dagegen hatte Menou den wichtigsten Punkt , nachlässigt.
die Küste Alerandria - Rosette ,
Friant mufste von
am meisten ver-
seinen 5000 Mann nicht weniger
als 1400 Mann abgeben : 450 unter Zajon schek im Viereckigen Hause nahe Edku , 300 Mann in Rosette , 150 unter Saint Faust im Fort Jullien , 300 unter Major Vinache im Fort Abukir , 200 unter Oberst Lacroix in Ramanjé. Es blieben ihm somit nur 3600 Mann und die 1800 Seeleute umfassenden Schiffsequipagen. Rechnet man ,
dafs er diese ,
und Veteranen
(im ganzen
die Seelegion und 500 Mann Depots 3300 Mann ) in Alexandria als
Be-
satzung lassen musste, um gegen jeden Handstreich gesichert zu sein , so blieben ihm nur Feindes .
2100 Mann
zur Abwehr
einer Landung des
Es mufs demnach heftig getadelt werden, dafs Menou nicht
eine starke Division (Reynier oder Lanusse) in Ramanjé stehen liefs, von wo sie ebenso leicht nach Alexandria , Damiette oder das Delta rücken konnte. Auf diese wichtige strategische Centralstellung hatte überdies schon Bonaparte in seinem hinterlassenen Memoire aufmerksam gemacht. In Mermeridsché hatte Sir Ralph Abercromby inzwischen eine Landungsarmee zusammengezogen, welche durch Lord Keith Am 21. Februar waren nach Egypten geschafft werden sollte . 17 100 Mann , 700 Pferde und 15 Feldgeschütze beisammen ,
welche
Macht der General für genügend hielt, die Landung zu unternehmen , denn er schätzte die Franzosen nur
auf 15 000 Mann ,
von denen
mindestens 3-4000 für Besatzungen abgerechnet werden
mussten .
Trotzdem ist das Vorgehen Abercromby's sträflicher Leichtsinn . Er hatte in der nächsten Zeit 11 Bataillone Verstärkung zu erwarten (7000 Mann) ; von Indien und dem Cap der guten Hoffnung sollten 6500 Mann herankommen, um in Sues zu landen ; der Grofsvesir stand mit 10 000 Mann in Gebrie und wartete nur das Eintreffen der 5000 von Dschessar versprochenen Reiter ab, um sich gegen
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801) .
25
Salhejé in Bewegung zu setzen ; die türkische Flotte mit 6000 Janitscharen und Arnauten an Bord mufste jeden Augenblick eintreffen . Wenn also Abercromby noch einen
oder zwei Monate wartete ,
so
wurden die Franzosen nicht durch 20 000, sondern von 54 000 Mann angegriffen, darunter 31 000 Engländer, 2000 Seapoys und 6000 treffiche Arnauten . So aber langten alle diese Corps getrennt und in grofsen Zwischenräumen an. Vielleicht war auf die verfrühte Landung Abercromby's nicht wenig der Bericht von Einflußs , den Generalmajor Moore über den Zustand der türkischen Armee erstattete, welche
er mittlerweile im Lager von Jaffa besucht hatte . *)
Er
hätte aber doch wenigstens noch drei Wochen warten können , bis die 6000 durchaus nicht zu verachtenden Arnauten und Janitscharen vom Kapudan Pascha herbeigeführt waren .
Endlich muss noch bitter
getadelt werden, dafs er sich die schlechteste Jahreszeit zur Landung ausersehen hatte. **) Am 20. Februar begann die Einschiffung die Expedition die Anker. Die Türken wollten sich
und am 23. lichtete
im letzten Moment noch durch einen
Handstreich der schönen Engländerinnen bemächtigen , welche sich bei der Expedition befanden, doch mifslangen die Versuche, obwohl eine Dieselbe hatte sich unter Französin nur mit genauer Not entrann. der Beute befunden ,
welche die Engländer kurz vorher in
gekaperten französischen Transportschiffen gemacht.
einigen
Letztere waren
nach Egypten bestimmt und hatten bezeichnenderweise unter andern Luxusgegenständen eine starke Ladung mit obscönen Bildern bemalter Fächer. Kaum war die 176 Fahrzeuge
starke Flotte
unter
Segel ge-
gangen, als ein gemietetes griechisches Transportschiff scheiterte und bis auf einen einzigen Mann mit der Besatzung und der Ladung
*) Charakteristisch für die türkische Armee ist folgender von Wilson in seiner 1802 erschienenen „History of the British Expedition to Egypt " erzählter Vorfall. Der Grofsvesir wollte Revue halten, um sich von der Stärke seiner Armee zu überzeugen. Dies war aber seinen Unterbefehlshabern unangenehm, da sie ihre Truppen für doppelt so stark ausgaben, als sie waren , um den Rest der Rationen in ihre Taschen zu stecken. Sie feuerten deshalb am Morgen des Revuetages einige Schüsse in das Zelt des Grofsvevirs ab. Dieser verstand sofort den zarten Wink und die Revue unterblieb ! **) Die englische Expedition setzte sich folgendermafsen zusammen : Oberkommandant der Armee : Generallieutenant Sir Ralph Abercromby. Dessen Stellvertreter : Generalmajor John Hely Hutchinson. Generalstabschef: Oberstlieutenant Robert Anstruther. Generaladjutant : Brigadegeneral John Hope.
26
Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801) .
(Maultiere)
zugrunde
gatte "9 La Pique " schiffen zur Flotte .
ging.
Dafür stiefs am 26. Februar die Fre-
(Capitain Young)
mit
mehreren
Transport-
Geradezu unglaublich klingt die Thatsache , daſs
die französische Fregatte „ Régénérée " sich der englischen Flotte anschlofs, einen Tag mit ihr segelte und Signale wechselte, ohne von derselben erkannt zu werden. Dies geschah erst, als sie im Vorbeifahren an Alexandria in den Neuen Hafen einlief und daselbst die französische Flagge aufhifste .
In derselben Nacht war auch die
Brigg "" Lodi " in Alexandria eingelaufen , ohne von den Engländern bemerkt worden zu sein. Die Flotte der Letzteren erschien am 1. März ( 1801 ) um 2 Uhr Nachmittags westlich von Alexandria und
steuerte
nach Osten.
Sofort sandte Friant einen Eilboten nach Kairo , um diese Neuigkeit zu melden und abermals Verstärkung
zu verlangen .
Der Eil-
bote langte am 4. März um 2 Uhr nachmittags in Kairo an .
Wenn
Infanterie :
4. Brig. Brigadegeneral John Doyle.
Garde-Brig. Generalmajor Georges James Ludlow .
Coldstream Guards ( 1. Bat.) 3. Garde-Regt. ( 1 Bat.)
859 Baj. 897 29
1. Brig.: Gen.-Maj. Eyre Coote. 1. 54. 54. 92.
Regt. " Royals " (2. Bat.) Regt. ( 1. Bat.) Regt. (2. Bat .) Regt.
664 " 496 489 663
2. Brig. Gen.-Maj . John Francis Craddock.
8. 13. 18. 90.
Regt. Regt. Regt. Regt.
447 "" 650 " 449 758
3. Brig. Gen.-Maj . Richard Carl of Cavan.
50. Regt. 79. Regt. Seebataillon
497 615 " 470 "
2. 30. 44. 89.
Regt. "2 Queen's" Regt. Regt. Regt.
552 421 279 398
Baj. 99 39 99
5. Brig. Brigadegeneral John Stuart. „ Stuart's" od. „Minorca“ od. 945 ,,Queen's German " Regt. „ De Roll's" Regt. od. „ Swiss 534 Guards"
„Dillon's" Regt. od. „ Swiss Guards" 574 Reservebrigade : Gen. -Maj. John Moore u. Brigadegen. Hildebrand Oakes.
23. Regt. 28. Regt. 42. Regt. („ Royal Highlands ") 58. Regt. 40. Regt. (4 Flank. - Comp. ) ,,Corsican Rangers " Stäbe u. s. w.
477 599
782 " 483 250 218 " 84 " Zusammen 14500 Baj. Dazu Offiziere, Unteroffiziere und Trommler 2226 M. Im ganzen Infanterie : 16 776 M.
27
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .
sich Menou an das Memoire Bonaparte gehalten hätte, wäre er keinen Moment in Zweifel gewesen, was er nun zu thun habe.
Reynier
schrieb ihm auch, das Beste sei , mit der ganzen Macht nach Abukir zu rücken, da offenbar dort die Landung stattfinden werde ; in Kairo möge er blos die Depôts und sonstige weniger
tüchtige Leute ,
als
Veteranen, Griechen , Kopten u. s . w. lassen ; und von Syrien her sei
Kavallerie:
33
Artillerie :
Brigade- Gen. Robert Lawson. 150 Pf. 154
89
Brigade- Gen. Edward Finch. 486 Säbel 12. 1. Drag.-Regt., 483 99 26. 1. Drag.- Regt. 11. 1. Drag.- Regt., (d. Res.-Brig. zu53 getheilt) „Hompesch" - Husaren-Regt. , (der 141 99 Res.-Brig. zuget.) 1163 Säbel
63
158 525 Pf.
Dazu Offiz ., Unter150 Mann - - Pf. offiz., Trompet. Im ganzen Kavallerie 1313 Mann 525 Pf.
Pferde Unberitten : Offiz. , Unteroffiz. , Hornisten 53 Mann Gemeine 586 "9 Beritten : Unteroffiziere und Hufschmiede 11 173 721 Gemeine Seeartilleristen (von der Flotte 300 " detachiert) 173 Im ganzen Artill. : 1022 Mann ,,Pioneers ", d. i . 500 99 Maltes. Freiwill. Gesamtarmee : 19 611 Mann m. 850
Pferden und 15 (oder 34) Feldgeschützen. (Genietruppen fehlen in den offiziellen Listen. Sie müssen aber jedenfalls vorhanden gewesen sein und dürften die Gesamtstärke der Armee auf etwa 20 000 Mann erhöht haben, von denen angeblich 1000 Kranke waren.) Seemacht. Oberbefehlshaber : Admiral Lord Keith. Dessen Stellvertreter : Contreadmiral Sir Richard Bickerton. Linienschiffe : „ Foudroyant “ , 84 K. „ Tiger “ , 80 K. (Komod . Sidney Smith) . Ajax" , 80 K. (Kap. Cochrane). „Kent", 74 K. " Minotaur", 74 K. (Kap. Louis) . „ Swiftsure", 74 K. (Kap. Hallowell) . Northumberland ", 74 K Dazu 8 Linienschiffe (,,Monarch", 74 K. , „ Indefatigable ", 74 K., „ Diadem " , 64 K., Europa ", 64 K.,,, Dictator" , " Regulus", 74 K.,,,Stately" , „ Delft") als unbewaffnete Transportschiffe . Fregatten : „ Ulysses " , 42 K. „ St. Dorothée", 42 K. „ Pique “ , 40 K. ,,Penelope", 36 K. „ Flora “ , 36 K. „ Florentine “ , 36 K. Dazu eine Anzahl Fregatten als unbewaffnete Transportschiffe. Korvetten : „ Mondovi “ , „ Cinthia". Briggs : „ Peterel ", „ Cameleon " , ,,Minorca" und später noch ,, Kanguroo“. ―- Kutter : Cruelle " , "Entreprenant". - Schooner : ,,Malta" . -- Bombarden : „Fury“ , „ Tartarus “. Kanonenboote : „ Dangereuse ",,,Négresse" , Janissary". Yacht : „ Braakel “. Ferner eine Anzahl desarmierter Kriegsschiffe (samt den Fregatten , 39 im ganzen) und das gemietete Packetboot „ Duke of York" als Transportschiffe und etwa 100 gemietete Fahrzeuge. Die Zahl der Seeleute auf den 75 Kriegsschiffen dürfte 13 000 Mann betragen haben.
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .
28
nichts zu besorgen,
da der
Grofsvesir nur
eine
schwache
habe und noch gar nicht in El Arisch angekommen sei .
Armee
Die Haupt-
sache wäre, erst die Engländer zu schlagen ; die Türken würden dann von selbst zurückgehen. Man kann nicht vernünftiger sprechen. Dennoch blieb Menou
taub ; er scheute sich ,
den Rat seines Rivalen zu befolgen . Er erdeshalb Ermessen seine geistreichen Dispositionen . eigenem liefs nach Nach dem bedrohten Punkte schickte Menou das 22. Chasseurregiment unter Bron , dem er erst einen Tag später die Division Lanusse und den Rest des 20. Dragonerregiments folgen liefs . Doch schien ihm 1500
Mann
dies noch zu viel,
starke
88.
denn
Halbbrigade
Friant gesandte Verstärkung
er rief unterwegs
zurück,
so
dafs
die
die
ganze
sich auf 4600 Mann (einschliefslich
Artillerie)
und
anlangten.
Dagegen mufste Reynier
9 Kanonen beschränkte,
welche
mit der
obendrein zu spät 13. und 85. (2800
Mann) nach Salhejé , obwohl aus Syrien vorläufig gar keine Gefahr drohen konnte. Morand mit den 1. und 2. Bataillon der 21. und 22. leichten ( 1800 Mann) erhielt Befehl zu Rampon nach Damiette zu stofsen - alles Andere blieb um des Obergenerals geheiligte Person zu Kairo versammelt !!! Reynier und Lanusse begaben sich aufgeregt zu Menou und machten ihm in der eindringlichsten Weise Vorstellungen über seine Anordnungen umsonst ! Menou wollte nichts hören . Er kehrte den Obergeneral hervor und donnerte den braven Offizieren ein energisches : "9 Gehorchen Sie ! " zu . Trostlos kehrten sie zu ihren Truppen zurück und vollzogen die Befehle . zu haben,
wenn er
Menou aber glaubte genug getan
an die Bewohner
Egyptens
schwulstige Proklamation erliefs (5. März) , in
eine
unglaublich
welcher
er verkün-
digte, er werde die soeben gelandeten Engländer ins Meer werfen und die heranrückenden Türken im Wüstensand ersticken . Wenn sich die Eingeborenen empören sollten, werde er so furchtbar strafen , Eine Woche verstrich, wie Kleber nach dem Aufstande Kairo's. ohne dafs Menou von der Landung benachrichtigt worden wäre .
In
Folge dessen schwoll ihm der Kamm und er begann die Engländer zur Zielscheibe seines Witzes
zu machen, behauptend , sie hätten in
der Eile ihre Landungstruppen einzuschiffen vergessen und dies Versehen erst bei Abukir bemerkt. Um so betroffener war er dann am 11. März, als um 3 Uhr nachmittags ein Eilbote die lakonische Meldung überbrachte :
„ General Friant hat bei dem Versuche , die
Engländer an der Landung zu verhindern, eine schwere Niederlage erlitten und musste sich auf Alexandria zurückziehen."
29
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .
Fünfzehnter Abschnitt . Die englische Invasion .
Das Gefecht am Brunnenhügel. Friant war sofort nach dem Erscheinen der englischen Flotte mit der 61. und 75. Halbbrigade, den 4 Schwadronen des 18. und 20. Dragonerregiments, den soeben von der „ Régénérée " ausgeschifften
300 Mann der
51. Halbbrigade uud
3 Batterieen
nach
Sein Corps belief sich auf nur 1850 Mann Abukir aufgebrochen . Infanterie, 180 Reiter und 240 Mann Artillerie, zusammen 2270 Mann, 12 Kanonen . Im Fort A bukir lagen unter dem Geniemajor Vinache 300 Mann der 61. mit 11 Geschützen. Sie konnten Friant verDieser beging aber den Fehler sich im Gegenteil noch zu schwächen, indem er am 3. März 300 Mann zur Besetzung der Landstärken.
enge zwischen Madjé und Edku absandte, als ob diese Hand voll Leute eine Umgehung des Madjé - Sees auf dem
im stande gewesen wäre, Südufer zu verhindern !
Zur Beobachtung genügte
ein
Chasseurs-
Piquet, während diese nutzlos detachierten 300 Mann ein Siebentel der Streitmacht Friant's ausmachten. Mit seinem kleinen Truppencorps nahm Friant schon am 2. März bei Abukir Stellung. Die englische Flotte war, nachdem sie sich voreilig vor Alexandria hatte sehen lassen , noch in der Nacht vor Abukir erschienen, wo sie am 2. früh Anker warf. Tage stürmisch waren, gedacht werden .
Da die nächsten
konnte vor dem 7. an keine Ausschiffung
Friant hatte somit hinlänglich Zeit gehabt, sich eine passende Stellung auszusuchen . Die lange Untätigkeit der Engländer erweckte in ihm sogar die Hoffnung , Menou ankommen.
werde noch rechtzeitig · Hätte dieser noch am 2. März, nach Eintreffen des ge-
fangenen Geniemajors, die gesamte Kavallerie nach Abukir dirigiert, so wäre sie, 2700 Pferde und mindestens 400 Dromedare stark , noch rechtzeitig angelangt ; Friant verfügte sodann über 5400 wenn er noch die überflüssig detachierten 1200 Mann und 300 Seeleute an sich gezogen, gar über 6900 Mann! mit welchen es ihm wahrscheinlich gelungen wäre , die Landungsversuche der Engländer so lange aufzuhalten, bis Menou herangekommen . Dieser hätte mit der Infanterie und Artillerie am 8. eintreffen können , wäre also eben recht gekommen ; dann war man aufser Gefahr. Aber an solche Beschlüsse dachte Menou nicht ,
obwohl er Bonapartes Beispiel
30
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801) .
in einer ähnlichen Lage vor Augen
haben musste.
Friant blieb.
somit auf sich selbst angewiesen . Am 7. um 4 Uhr nachmittags versuchte Sir Sidney- Smith eine Rekognoszierung . Mit 3 Schaluppen lief er in den Madjé - See ein , schiffte 50-60 Mann aus, vertrieb die Besatzung des an der Mündung errichteten Blockhauses , mufste jedoch vor den anrückenden Dragonern den Rückzug antreten . Nach französischer Quelle hätten letztere noch Zeit gehabt, 20 Engländer niederzuhauen .
Nach
englischer Quelle wurde das am Eingang der Mündung des Sees stationierte französische Kanonenboot
angezündet ,
der Brand ver-
löschte jedoch und es fiel tags darauf den Engländern in die Hände. Friant war durch diese Rekognoszierung gemacht worden.
wahrscheinlich
irre
Es scheint, dafs er keine direkte Landung auf der
Rhede, sondern in seinem Rücken , in der Bucht von Canopus oder an den Ufern des Madjé - Sees befürchtete, denn er beging den unverzeihlichen Fehler, den Brunnenhügel * )
gar nicht zu besetzen,
obschon Bonaparte nicht nur auf dessen Wichtigkeit aufmerksam gemacht, sondern sogar ausdrücklich die Erbauung eines Forts auf demselben anbefohlen hatte. Friant stellte die Abtheilung der 51. Halbbrigade zwischen dem Vesiers- und Scheichhügel auf, wo sie seinen äussersten linken Flügel bildete. Ihr schlofs sich gegen Süden die 75. Halbbrigade an, welche in dem Palmengehölz zwischen Scheich- und Brunnenhügel lagerte.
Sie wurde vom Oberst Chouillier befehligt .
Das
Centrum wurde von der Kavallerie ausgefüllt, welche unter des General Boussard Befehlen hinter dem Brunnenhügel stand , um je nach Bedarf auf den bedrohten Punkt eilen zu können . Auf dem südwestlichen Ausläufer des Brunnenhügel , dort wo die Landzunge beginnt , welche das Meer vom Madjé-See trennt ,
befand
sich
61. unter Oberst Dorsenne , nebst einer Positionsbatterie .
die
Diese,
im Verein mit dem Fort Abukir und der Batterie an der Mündung des Madje - Sees , hielt die ganze Küste unter Feuer. Bei Tagesanbruch (2 Uhr) des 8. März segelte die Korvette " Mondovi " (Kapitän Stuart) auf Kanonenschufsweite heran . Um dieselbe Zeit begann die Einschiffung der Truppen in Schaluppen. Die Reservebrigade unter Moore
und
Oakes ,
die Gardebrigade
unter Ludlow und ein Teil der 1. Brigade ( Royals ", 1. Bataillon und 200 Mann vom 2. Bataillon des 54. Regiments) , unter Coote , sowie 10 Geschütze unter Sidney - Smith , Alles
*) S. Seite 21 des Oktober-Heftes.
zusammen
etwa
31
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .
7000 Mann mit 10 Kanonen, sollten gleichzeitig ans Land gesetzt werden, während der Rest von der 1. und die 2. Brigade (3600 Mann) als Reserve folgen würde. Um 3 Uhr wurde das Signal gegeben , alle zu versammeln .
Schaluppen hätten sich um die „ Mondovi " standen unter den Befehlen
Jene
des Kapitän Cochrane vom „ Ajax "
und waren (nach Bonaparte) 150 an der Zahl. (Thiers giebt deren 320 an.) Sie waren in zwei Divisionen geteilt und im Centrum durch die Bombarden „ Fury “ und „ Tartarus " nebst den Briggs „ Peterel “ , „ Camelion “ und „ Minorca" geschützt , während der rechte Flügel
von
dem
Kutter
„ Cruelle " ,
Kanonenbooten
den
„ Dangereuse " und „ Janissary" , sowie zwei armierten Schaluppen, der linke hingegen vom Schooner „ Malta " , Kutter „ Entreprenant ", Kanonenboot „Négresse" und zwei armierten Schaluppen flankiert war. Alle englischen Quellen stimmen
darin überein ,
9 Uhr die Schaluppen sich in Bewegung 10 Uhr an den Strand liefen ,
dafs
erst um
setzen konnten und
während alle
um
französischen Quellen
ebenso einstimmig 61/2 und 7 Uhr dafür bezeichnen und um 9 Uhr das Gefecht bereits enden lassen.
Doch scheint mir die englische
Angabe richtig. Die französischen Geschütze
und das Fort Abukir begannen
die heranrudernden Schaluppen zuerst mit Kugeln , dann mit Kartätschen und Kleingewehr zu beschiefsen, bohrten mehrere derselben in Grund und verursachten auf dem linken Flügel einige Unordnung. Trotzdem setzten aber die Landungsboote ihren Weg fort , während die obenerwähnten 16 englischen Kriegsfahrzeuge den französischen Geschützen antworteten . Nach den französischen Berichten stürzte sich die 61. Halbbrigade mit Elan auf die landenden Feinde und warf sie mit dem Bajonett ins Meer zurück. den
In ihrer Begeisterung folgten die Grenadiere
Fliehenden nach und bemächtigten
sich
12 Schaluppen,
auf
denen sie keck genug den retirierenden Fahrzeugen nachruderten, in dieser Weise die Engländer auf ihrem eigenen Element bekämpfend. Die Engländer wissen jedoch nichts davon .
Nach ihrer Behauptung
erstürmten das 23. und 40. Regiment den (unbesetzten) Brunnenhügel mit dem Bajonett nnd nahmen 3 Kanonen .
Das 42. ( Hoch-
länder) Regiment, welches etwas weiter rechts gelandet war, suchte ebenfalls den Brunnenhügel zu ersteigen.
Friant hatte die 75. so weit von der Küste aufgestellt, dafs sie dem Feuer der Kanonenboote nicht ausgesetzt war. Chouillier konnte infolge dessen nicht schnell genug herankommen ,
wie dies
E
32
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .
Dorsenne gethan .
Als
die 75. den Strand
erreichte ,
fand
sie
bereits den Brunnenhügel besetzt, von dem gegen sie ein heftiges Feuer gerichtet wurde . Um ihn zu umgehen , schwenkte die 75 . links ab, gerieth aber hierdurch in den Schufsbereich der Kanonenboote , welche aus nächster Nähe eine Kartätschensalve abgaben, die 32 Mann tötete und 20 verwundete. Bestürzt weicht sie zurück. Dies wird von dem Rest der englischen Schaluppen benutzt, schnell zu landen. Die Engländer sind jetzt zahlreich genug, um sich ausbreiten zu können . Kaum wendet sich das 42. Regiment gegen den Brunnenhügel , als Friant die 18er Dragoner zum Einhauen beordert. Deren Befehlshaber soll seinen Auftrag ganz verkehrt und falsch aufgefafst und ausgeführt haben. Infolge dessen verlor er die Hälfte seiner Leute und mufste weichen.
Boussard eilt mit den 20er Dra-
gonern herbei, rettet den Rest, greift die eben landenden Garden an, wird jedoch durch
das Feuer
Die 61., ihrer Gegner entledigt,
des 58. Regiments stürmt
zurückgeworfen. von Süden her gegen den
Brunnenhügel , der vom 23. , 40. und 42. Regiment besetzt ist . 75. will die Garden in der Flanke attakieren ,
Die
aber bevor sie dazu
kommt, wird sie selbst von den „ Royals " und dem 54. Regiment in der Flanke gefafst und zum Rückzug gezwungen.
Vergebens suchen
die Dragoner und die 51. den Feind aufzuhalten.
Friant sieht ein,
dafs mit dem Abdrängen der 75. alles verloren ist, Reserve hat er keine, wenn er nicht die 61. zurückruft, mufs sie abgeschnitten werden.
Er tritt also um 11 Uhr den Rückzug an, unterhält noch von
den Höhen an der Rhede von Canopus aus 11/2 Stunden lang Feuer ,
das
mufs jedoch vor der nachdrängenden Übermacht weichen.
Thiers giebt den englischen Verlust auf 1100 , Bonaparte auf 1200 Mann an. Den eigenen beziffert letzterer mit 300 , ersterer mit 400
Mann .
Nach
der
englischen offiziellen
Angabe
wurden
5 Offiziere und 131 Mann getötet, 26 Offiziere und 579 Mann verwundet ,
also ein Gesamtverlust von 741 Mann .
Franzosen beziffert Wilson auf 300 Mann . 1 24- Pfünder, 1 9 - Pfünder , 1 8 -Pfünder, 1 6-zöll. Haubitze . Es unterliegt
keinem Zweifel ,
dafs
Den Verlust der
Die Engländer nahmen 1 6-Pfünder, 3 4-Pfünder,
die
2700 Reiter ,
welche
Menou mit Leichtigkeit hätte senden können , den Sieg entschieden hätten, denn mit mehr als 7000 Mann auf einmal zu landen waren. die Engländer nicht im stande . Im Laufe des Tages schifften die Engländer den Rest ihrer Armee aus. Das Fort Abukir wurde cerniert, die Avantgarde bis zur Redoute Mandora an der Landenge von Canopus vorgeschoben .
Die französische Expedition nach Egypten (1798–1801 ) . Die Kanonenboote
nachdem es der
ein ,
liefen in den Madjé - See
33
80 Mann starken französischen Besatzung der Redoute an der Mündung gelungen war, sich nach Rosette zu retten. 1000 Mann („ Queen's " und die unberittenen Dragoner des 26. Regiments) blockierten Abukir.
Zum Vormarsch auf Alexandria hatte
man somit noch 17 000 Mann, von denen 525 beritten. Unbegreiflicherweise liefs sich Abercromby vier Tage Zeit, bevor er weiterrückte . Er schien also auch nicht das Geheimnis Bonapartes zu kennen : „ Schnelligkeit ist der halbe Erfolg. " Am 10. fand ein Scharmützel mit französischer Kavallerie statt, welche
20 korsikanische Jäger und einen Arzt
gefangen nahm,
während Oberst Spencer mit genauer Not entrann .
Am selben Tag
rekognoszierten die Kapitäne Marley und Stuart in einem Boote auf dem Madjé - See und gelangten bis zum Kanal von Alexandria. Am 12. rückte Abercromby um ein kleines Stück vor.
50 Dragoner
bildeten den Vortrab , dann folgten die Garden nebst den Brigaden Coote und Finch als erstes, Craddock und Lord Cavan als zweites , Stuart und Doyle als drittes Treffen .
Das Treffen bei Canopus. Was Friant schon vor dem Gefechte
am Brunnenhügel thun
sollte, that er jetzt endlich : er zog Zajons check mit den 750 Mann und 2 Kanonen von Edku und dem Viereckigen Hause an sich.
Da
am 11. Lanusse mit 4600 Mann und 9 Kanonen anlangte , beliefen sich
die vor Alexandria
aufgestellten französischen Streitkräfte,
deren Kommando Lanusse übernahm, auf 7000 Mann und 20 Kanonen. Lanusse hätte nun freilich am besten gethan, in der Defensive zu verharren, bis der Rest der französischen Armee herangekommen ; aber einesteils die Besorgnis , Menou möchte durch seine Gegenwart alles verderben ,
dann aber auch der Ehrgeiz ,
einen entscheidenden Sieg zu erringen ,
vor dessen Ankunft
bewogen
ihn
zu dem Ent-
schlusse, noch vor dem Römerlager (zwischen Abukir und Alexandria) eine Schlacht anzunehmen. Dazu mag auch die Besorgnis beigetragen haben , die Engländer möchten nach Besetzung des Römerlagers die auf dem schmalen Damm zwischen Madjé- und Mareotis - See laufende Strafse nach Damanhur und Kairo in ihre Gewalt bringen.
Dies hätte jedoch wenig Nachteil gebracht, da der
Mareotis-See vollkommen trocken lag und die Verbindung mit Kairo somit offen blieb . Friant brannte ebenfalls Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
danach, seine Scharte 3
34
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .
auszuwetzen und so wurde beschlossen , vor dem Römerlager eine Schlacht zu liefern , obwohl Bertrand die energischsten Gegenvorstellungen machte . Abercromby hatte sich endlich am 13. März bei Tagesanbruch dazu bequemt, den Vormarsch auf Alexandria anzutreten .
Da
die Landzunge, auf welcher man vorrückte, nur 1000-3000 Schritte breit ist ,
stützten sich beide Flügel an das Meer und den Madjé-
See, auf der einen Seite von Briggs , Schooner , Kutter und andern leichten Fahrzeugen, auf der andern von Schaluppen und Kanonenbooten begleitet. Der englische Schlachtplan war folgender : Das 1. Treffen, vom 92. geführt, bildet die Linke und sucht die französische Rechte zu umgehen. soll das 1. unterstützen .
Das 2. Treffen bildet das Centrum und Das 3. rückt beiden
als Reserve
nach,
während die Armeereserve den rechten Flügel bildet und die Bewegung des linken zu maskieren sucht. Die Franzosen standen auf den Hügeln vor dem Römerlager (Ramlé) und zwar Lanusse rechts , Friant links. stellte die
vom General Bron
In der Mitte
befehligte Kavallerie
die
Verbin-
dung her. Kaum kamen die Engländer in Sicht , als sie auch schon von den französischen Batterieen beschossen wurden. Da die Sache sich gut anliefs und überdies vorläufig nur der linke
englische Flügel
sichtbar war, welcher die Umgehungskolonne bildete , so ging Bron eigenmächtig
mit
dem 22. Chasseurregiment und der leichten Ar-
tillerie vor und überschüttete das 92. Regiment mit einem wirksamen Feuer.
Der Feind machte Halt und schien zu stutzen .
der dies sah, hielt den Moment für günstig ,
Lanusse ,
den linken Flügel vor
Ankunft des Centrums in den Madjé- See zu werfen .
Er rückte von
den Höhen in die Ebene hinab und schickte sich eben zum Angriff an, als das Centrum sichtbar wurde . Plan und wollte erst dieses sprengen . seurs eine Attacke machen.
Lanusse
änderte nun seinen
Bron mufste mit den Chas-
Sie gelang ,
die Plänklerkette
wurde
über den Haufen gerannt und angeblich 300 Mann des 90. gefangen *). (Thiers schwindelt sie auf 2 Bataillone hinauf. )
Das 20. Dra-
gonerregiment und die 4. leichte Halbbrigade unterstützten sofort die Chasseurs und griffen Craddock an , der seine Brigade sammelte und die Franzosen mit einem solchen Geschofshagel empfing , dafs sie zurückweichen mussten . dabei schwer verwundet.
Oberst Latour - Maubourg wurde
Lanusse sandte jetzt die 18. zur Unter-
*) Die Engländer leugnen dies jedoch mit aller Bestimmtheit ab.
Die französische Expedition nach Egypten (1798–1801 ).
35
stützung, doch konnte auch sie das mörderische Feuer nicht ertragen . Zudem nahte sich jetzt Moore mit dem rechten englischen Flügel und ging auf Lanusse los .
Friant ,
der dies bemerkte ,
verliefs
nun
ebenfalls seine Stellung und griff mit der 61. und 75. den rechten Flügel an.
Lanusse hatte nur noch die 69. , welche mit dem linken
Flügel engagiert war,
und
18. Dragonerregiments .
die beiden
dezimierten Eskadrons des
Er sah ein, dafs er bei der fast dreifachen
Übermacht des Gegners auf keinen Sieg rechnen könne und trat daher den Rückzug an, welchen Friant deckte.
Nachdem die Franzosen ihre Stellungen geräumt und sich auf die Höhen zwischen dem Grünen Hügel und der äufsern Enceinte Alexandrias zurückgezogen , beschlofs Abercromby, sich dieser Stadt zu bemächtigen. Denn der Erfolg des Regiments Dillon , welches den retirierenden Franzosen zwei Kanonen weggenommen, hatte ihn kühn gemacht. Er befahl Hutchinson mit dem Centrum . und linken Flügel den Grünen Hügel wegzunehmen und so weit als möglich vorzudringen, während Moore mit der Reserve auf dem rechten Flügel nachrückte. Hutchinson besetzte auch nach kurzer Kanonade den Grünen Hügel,
von dem aus er das 44. gegen die vorliegende Kanalbrücke sandte , um diese wegzunehmen . Sie war von zwei Kanonen und einer starken Abteilung besetzt. Dem 44. gelang es trotzdem, durch einen Bajonettangriff die Brücke samt den Geschützen zu nehmen. Vielleicht wäre es den Engländern gelungen, die Franzosen ganz
in die Stadt zu werfen und daselbst einzuschliefsen, wenn sie durch das damals trockene Bett des Mareotis-
Sees marschiert wären und etwas östlich des Forts Pompejus einen Angriff gemacht hätten ; bei ihrer Übermacht konnten sie das schon wagen und Lanusse zu werden,
hätte sich sicherlich , um nicht abgeschnitten
in die Stadt zurückgezogen .
nicht auf diesen Einfall.
Aber Abercromby kam
Er liefs seine ganze Armee
in Schlachtordnung vor der französischen Linie stehen und beschränkte sich auf eine Kanonade , welche den Franzosen in ihrer gedeckten Stellung wenig Schaden brachte.
Desto furchtbarer litt sein eigenes Centrum, zwischen den von den beiden Flügeln okkupierten Hügeln schutzlos in der Ebene stand . Erst nach einiger Zeit, als die Verluste unerträglich wurden , entschlofs sich Abercromby zum Rückzug welches
in die Stellung von Ramlé (Römerlager) . Nach Thiers betrug der französische Verlust 5-600 , der englische
13-1400 Mann,
und 1900 Engländer. Mann ,
nach den „ Commentaires " 600
Franzosen
Die offizielle englische Verlustziffer ist 1283
nämlich 8 Offiziere, 172 Mann, 21 Pferde tot ,
70 Offiziere , 3*
36
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .
1033 Mann, 5 Pferde verwundet.
Vier Kanonen hatten die Englän-
der, wie schon erwähnt, erobert. Thiers sagt über diese neue Schlappe komischerweise : Ganze war nichts kognoszierung. " Schlacht ihre
als
eine ,
übrigens
Er behauptet
auch ,
„ Das
sehr überflüssige Re-
dafs
die Franzosen nach der
alte Stellung" bezogen , vergifst
aber zu bemerken ,
dafs diese anderthalb Stunden rückwärts der bei Beginn des Treffens eingenommenen Stellung lag. Nach diesem Treffen bei Canopus *) waren Lanusse und Friant auf Alexandria beschränkt ,
zu dessen Befestigung
sie vor dem
östlichen Ausgang (Thor von Rosette) eine über 3000 Schritt lange Schanzenlinie
anlegten ,
den Isthmus
welche
quer absperrte .
Die
Engländer selbst bemächtigten sich des Römerlagers , befestigten es , errichteten auf einem vorliegenden Hügel
eine
starke Redoute und
sperrten ebenfalls den Isthmus durch eine Schanzenlinie, deren südliches Ende der Brückenkopf beim Kanal am Mareotis- See bildete, welcher durch zwei Batterieen verteidigt wurde, während das andere in einer hinter dem Römerlager angelegten Redoute abschlofs .
Eine
grofse Redoute stützte die Schanzen im Centrum und beherrschte durch ihre erhabene Lage das Vorfeld . Zwei in den Werken stehende und vierzehn auf Kanonenbooten eingeschiffte 24-Pfünder bildeten nebst 34 Feldgeschützen die Armierung dieser von 16 500 Mann besetzten Stellung.
Die Seeleute waren nämlich nach Akukir ge-
schickt worden , von wo das 2. Regiment („ Queens ") abberufen wurde. Dagegen hatte ein Transportschiff am 14. März das von Gibraltar kommende über
700 Mann starke 2. Bataillon des 27. Regiments
ausgeschifft, während
am 19. die türkische Avantgarde :
2 Linien-
schiffe, mehrere Fregatten und kleinere Schiffe, eintraf und den Rest der Kavallerie brachte. Der tapfere Widerstand , den die Franzosen bisher geleistet, schien Abercromby jede Lust zu energischem Vorgehen genommen Nur am 18 . zu haben. Er blieb unthätig in der neuen Stellung. fand ein kleines Gefecht statt.
Auf die Kunde ,
sische Rekognoszierungspatrouille
dass
eine franzö-
sich im trockenen Bette des Ma-
riotis-See zeige, stieg Oberst Archdale mit 60 Dragonern zu Pferde und eilte ihr entgegen . Es war General Destaing mit 1 Compagnie Infanterie und 50 Husaren , zusammen etwa 100 Mann . Archdale, welcher unterdessen noch ein Piquet von 20 Mann an sich gezogen,
*) Ungerechtfertigter Weise von den Franzosen Schlacht bei Ramlé (Römerlager) genannt.
37
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . griff den Feind
in
der Front an ,
während Lieutenant Lewinson
mit 12 Dragonern in der Flanke attackierte. Infanterie
schützend
vor
die
Destaing hatte
Husaren gestellt.
Allein
seine
ihr Feuer
konnte die Dragoner nicht am Durchbruch verhindern , worauf diese den Choc fortsetzten und die Husaren auseinander
sprengten .
Als
sie jedoch zurückkehrten, wurden sie von der mittlerweile gesammelten Infanterie nochmals aus nächster Nähe beschossen und in die Flucht geschlagen . 36 Mann , 2 Offiziere ,
Oberst Archdale verlor
seinen Arm und hatte
42 Pferde
eingebüfst ,
nämlich
7 Mann ,
12 Pferde
verwundet ,
7 Pferde gefangen. 6 Verwundete an.
8 Mann , 43 Pferde
tot,
3 Offiziere , 16 Mann ,
Destaing giebt seinen Verlust auf 1 Toten und Am selben Tage wurde den Engländern auch der
Tod des Obersten Brice von den Garden bekannt , welcher am 14. bei einer Rekognoszierung in französische Gefangenschaft geraten war. Abercromby's Reserve beschäftigte sich inzwischen mit der Belagerung Abukirs .
Die mitgebrachten schweren Geschütze wurden in zwei Batterieen gebracht und das Fort vom 13. März an ununterbrochen beschossen . Bereits am 17. waren seine Geschütze demontiert und am 18. sah sich Vinache zur Kapitulation genötigt, da Bresche geschossen und seine Besatzung auf zwei Drittel reduziert war. 100 Mann wurden gefangen, 11 Kanonen erbeutet.
Die Schlacht bei Ramlé (Römerlager) . Als Menou durch die lakonische Depesche Friants aus seinem süfsen Wahn gerissen worden war, geriet er in grofse Verlegenheit. Er wusste nicht, war er befehlen solle und überliefs es daher seinem Generalstabschef Lagrange ,
die Dispositionen
zu treffen .
Dieser
rief sofort Reynier von Belbejs zurück , Rampon erhielt Befehl , von Damiette nach Ramanjé zu marschieren.
Ebendorthin begab
sich auch Menou mit Reynier und einem Teil der in Kairo stehenden Truppen. Die 9. wurde Reynier entzogen und der Division Belliard einverleibt , welche in Kairo zurückblieb ; Donzelot mufste bis
auf 600 Mann seine Brigade
nach Kairo
senden ,
wo
aufserdem die Eingeborenencorps, die Veteranen, Schwächlichen und Depôts blieben, zusammen 6000 tüchtige Soldaten und 4200 andere. Die Besatzungen von Damiette , Rosette , Alexandria u. s . w. sowie die in letzterer Stadt liegenden 2000 Mann Depôts, Veteranen , Verwundete u.
s.
w.
abgerechnet ,
konnten gegen
die Engländer
112 Halbbrigaden , die Kavallerie, 1 Griechenbataillon, Dromedarier, Guiden und 50 Geschütze verwendet werden, zusammen 15 000 Mann. Menou traf am 17. in Damanhur ein ,
wo er auf Reynier
38
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .
und Rampon stiefs, die sich hier soeben vereint
hatten .
Am 19.
langte er in Alexandria an und am 20. waren hier die Truppen vollzählig versammelt. Die Stimmung der Armee war bereits eine Die ungewohnten zweimaligen Niederlagen, die kolossale Unfähigkeit Menou's erfüllten die Soldaten teils mit Niedergeschlagenheit, teils mit Erbitterung . *)
bedenkliche geworden .
Die Engländer hatten den Damm okkupiert , indem sie sich in El Bejdá festgesetzt.
Menou
erfuhr dies in Damanhur ,
ihm Friant seine Kavallerie entgegengesandt hatte.
wohin
Infolge dessen
mufste man den beschwerlichen Weg durch den (trockenen) Mareotis - See nehmen. In Alexandria angekommen , war Menou in grofser Verlegenheit ,
was er
eigentlich befehlen solle.
Sich durch
Rekognoszieren selbst zu informieren , fiel ihm nicht ein . Er entschlofs Dieser wagte es sich, Lagrange über seine Ansicht zu fragen . aber nicht, sich in einer so entscheidenden Angelegenheit auf seine eigene Weisheit zu verlassen , er bat daher Lanusse um Mitteilung seiner Ideen. Lanusse beriet sich wieder mit Reynier , beide arbeiteten einen Schlachtplan aus und sandten ihn an Menou , der ihn , ohne ihn 20. März setzte .
erst
durchzulesen ,
in den Tagesbefehl
Die Engländer besafsen noch immer die Übermacht. Mann und 36 Geschützen hielten schanzte Linie bei 15 000 Mann konnten.
mit
sie die
Ramlé besetzt , 50
Geschützen
eine Stunde
Mit 16 500 lange ver-
während die Franzosen
zum
vom
blos
Angriff verfügbar machen
(Thiers giebt 10 000 , Bertrand 12 000 Mann an. )
Ob-
wohl den Engländern aufserdem der Vorteil ihrer festen Stellung zu statten kam , war ein Sieg der Franzosen möglichkeit .
Ihr Plan war folgender :
doch kein Ding der Un-
Auf dem äufsersten rechten
Flügel reitet das Dromedarier-Regiment nebst 30 Dragonern durch *) Bezeichnend für diese ist eine Karrikatur, welche damals in der Armee die Runde machte und wahrscheinlich dem General Damas ihre Entstehung verdankte. Sie stellte Menou vor auf seinem Zuge gegen die Engländer. (Er hatte nämlich vor seiner Abreise dem Divan und dem Publikum à la Bonaparte bombastisch verkündigt , er entferne sich „ nur auf einige Tage, um die Engländer ins Meer zu werfen. ") Menou ritt auf einer Schildkröte , umgeben von einer ganzen Kameelkarawane, welche mit seiner Frau , dem kleinen Sulejman Menou , einem enormen Quantum Küchengeschirr (Anspielung auf den ungeheuren Schmeerbauch des Obergenerals) und einer Kollektion Nachttöpfe und Leibstühle beladen waren (auf denen Menou, wie man behauptete , einen grofsen Teil der Zeit zubrachte) . Ganz im Vordergrunde machten sich besonders drei Dromedare bemerkbar, welche unter ihrer Last zusammenzubrechen drohten : das eine war nämlich mit Tagesbefehlen , das zweite mit „ beinahe offiziellen Neuigkeiten " (nouvelles presque officielles) und das dritte mit blanker Wahrheit (la vérité toute entière) beladen !
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ).
39
den trockenen Mareotis- See (auf dem Thiers mit rührender Einfalt eine englische Kanonenbootdivision ankern läfst !) gegen die Redoute, welche den äufsersten linken englischen Flügel bildete, um die Engländer glauben zu machen, es sei ein Angriff auf diesen beabsichtigt. (300 Dragoner hatten den Scheinangriff zu unterstützen und die Verbindung mit Reynier herzustellen .) scheinlichkeit ,
Dies hatte um so mehr Wahr-
als gerade hier die Ebene leichtern Erfolg zu ver-
sprechen schien als
ein Angriff auf die stark verschanzten Höhen
am rechten Flügel (Römerlager) .
In Wirklichkeit
wäre aber ein
solcher Entschlufs gefährlich gewesen, denn die am Madjé- See ankernden 8 Kanonenboote in der rechten , die starke Redoute des Centrums in der linken Flanke konnten sischen rechten Weichen kam er
Flügel übel
dem
daselbst
mitspielen und
in bedenkliche Gefahr.
vordringenden franzöbei
einem
etwaigen
Reynier und Lanusse
hatten daher ganz richtig den Hauptangriff auf das Römerlager gelegt.
Diesem gegenüber stand die
Division
Lanusse ;
General
Silly mit der 4. leichten sollte die Schanzen auf dem vor dem Römerlager liegenden Sandhügel wegnehmen , General Valentin mit der 69. links davon längs des Meeres gegen das Römerlager rücken , während die 18. und 88. die Reserve bildeten . Im Centrum standen. Rampon und Destaing mit der 32. , 51. und 21. leichten 2 Compagnieen der 25.
und dem Griechen - Bataillon .
Sie
nebst sollten
zwischen dem Römerlager und der grofsen Centrumsredoute vordringen, sich dieser bemächtigen und die englische Reserve beschäftigen. Hinter ihnen stand Roize mit der gesamten Kavallerie als Reserve , dahinter Songis mit der Reserveartillerie und hinter dieser , also sehr weit vom Schufs, Menou mit den Guiden. Auf dem rechten Flügel befand sich Reynier mit seiner und Friants *) Division : 13., 85. , 25., 75. und 61. Halbbrigade. Er sollte durch Demonstrationen erst die Engländer festhalten und dann gelegentlich mit eingreifen. Die englische Aufstellung war folgende :
Moore und Oakes
befehligten den rechten Flügel und zwar hielt das 58. Regiment die Ruinen des Römerlagers, das 28. die vorliegende Redoute , das 42. eine kleinere südlich hinter den Ruinen liegende Schanze besetzt. Das 23. stand hinter den Ruinen und hatte die Flankeur-Compagnien des 40. rechts neben sich. Hinter letzteren hielten die Korsikaner eine Schanze besetzt.
Die Reserve
Stuart stehend, bestand
dieses rechten Flügels ,
aus den Regimentern Stuart , Dillon
*) Friant selbst blieb in Alexandria als Kommandant.
unter und
Die französische Expedition nach Egypten (1798–1801) .
40
Rolle nebst
der berittenen Kavallerie .
die Brigaden Ludlow und Coote .
Im Centrum befanden
sich
Ersterer mit den Garden hielt
die verschanzten Höhen besetzt, welche sich südlich des Römerlagers befinden.
Durch die grofse Centrumsredoute (von den Briten später
die „ Citadelle " genannt) von ihm getrennt, befehligte Coote das 1. , 92. und die beiden Bataillone des 54. Regiments, welche Truppen ebenfalls die verschanzten Höhen einnahmen. Hinter diesen befand sich die Reserve und zwar wurde Ludlow durch Doyle mit dem 2., 44. , 89. und 30. Regiment, Coote durch Finch mit den unberittenen Dragonern des 12. und 26. gedeckt.
Am linken Flügel stand Crad-
dock mit dem 8. , 18. , 90. und 13. Regiment , die Ebene zwischen den Centrumshöhen und dem Kanal einnehmend, und Lord Cavan In der Bucht, mit dem 27., 79. und 50. Regiment hinter sich. neben welcher Lord Cavan stand,
ankerten die Kanonenboote „ Né-
gresse " , „ Janissary " und „Dangerous " unter Kapitän Hillyan , während zur Deckung
des
rechten Flügels Kapitän Maitland mit
den Schiffen „ Entreprenant " , „ Cruelle “ , „ Fury “ und „ Tartarus “ längs der Meeresküste
ankerte.
Abercromby befand sich
beim
rechten, Hutchinson beim linken Flügel. Am 21. März um 3 Uhr morgens stand die französische Armee unter Waffen . Cavalier mit den Dromedariern ritt durch das trockene Becken des Mareotis-See und warf sich um halb vier Uhr auf die unweit
des Dammes liegende Redoute ,
welche
er in
der
ersten Überraschung samt den darinnen befindlichen zwei Geschützen nahm. Dies war aber nicht genug, um Abercromby zum Absenden seiner Reserve zu verleiten. Es hätten auch zwei Halbbrigaden Reyniers diesen Scheinangriff
verstärken
sollen ;
zudem
durfte
Lanusse nicht früher angreifen, bevor nicht Reynier ernstlich engagiert war ,
sonst hatte der Scheinangriff keinen Sinn .
Lanusse
konnte jedoch seine Ungeduld nicht bemeistern, er brach zu früh auf und so geschah es , dafs Abercromby bald die eigentliche Gefahr drohe.
erraten hatte , woher
Lanusse führte persönlich die Kolonne Sillys zum Angriff auf die Redoute vor dem Römerlager, und bei der Begeisterung , welche er seinen Truppen einzuflöfsen wufste ,
gelang
es ihm auch,
eine
Flêche der Redoute zu erobern und deren Verteidiger samt einem 6-Pfünder gefangen zu nehmen . Da kam ihm die Nachricht zu, Valentin habe sich verirrt und finde sich nicht zurecht. überlässt die Weiterführung eilt zu Valentin. den Schenkel .
des Angriffes
Lanusse
dem General Silly und
Unterwegs zerschmettert ihm
eine Kanonenkugel
Vier Grenadiere wollen ihn aufheben, doch eine zweite
41
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . Kugel reifst zwei derselben nieder.
Lanusse mufs tötlich verwun-
det weggetragen werden und Valentin ist auf sich selbst angewiesen.
Er trifft vor dem Römerlager ein und sucht es zu erstürmen .
Oberst Houston , welcher es mit dem 58. besetzt hält , durch wohlgezieltes Feuer zurück und veranlafst ihn ,
treibt ihn
sich
auf die
vom 28. besetzte Redoute zu werfen , welche gleichzeitig von Silly in der Front angegriffen wird .
Da die 4. zaudert ,
den Stier bei
den Hörnern anzupacken , läfst Silly sie nach rechts schwenken, die Redoute umgehen
und im Rücken
bemerkt, glaubt gut zu thun, Dies bringt jedoch Verwirrung
angreifen .
wenn
er die
Rampon , 32.
der dies
zu Hülfe
sendet.
hervor , beide Halbbrigaden geraten
in Unordnung und die Redoute , durch das 42. Regiment verstärkt, hält sich . Dagegen gelingt es den Franzosen ,
hinter der Redoute in das
Römerlager zu dringen, wo sich Oberst Crowdjye mit der Linken des 58. feuernd zurückzieht, um dann plötzlich zum Bajonettangriff überzugehen.
Gleichzeitig dringt das 23. in das Innere der Ruinen, um dem 58. Hülfe zu leisten, die Korsikaner rücken vor und be-
besetzen den Zwischenraum zwischen Meer und Ruinen , das 40 . schliefst nebst dem 42. im Rücken der Franzosen die Thüre und so werden etwa 100 der in die Ruinen Eingedrungenen
zum Waffen-
strecken gezwungen . Oberst Paget vom 28. war gleich anfangs verwundet und durch Oberst Chambers ersetzt worden , welcher sich in der Redoute
tapfer gegen
die ihn
umzingelt hatten .
schon ganz
alle Angriffe
der Feinde hielt,
Durch jenen Zwischenfall
ist er nun befreit und da eben das 2. Regiment (,, Queens ") von der Reserve eintrifft, kann der französische Angriff als gescheitert angesehen werden . *) Destaing war unterdessen mit der 21., den 2 Compagnien der 25. und dem Griechen-Bataillon gegen das kleine Thal gerückt, welches das Römerlager von den Centrumshöhen trennte und unbesetzt war. Diese Bewegung hätte die Schlacht entschieden, wenn nicht General Stuart rechtzeitig mit seiner Brigade heran marschirt
wäre und
die Verbindung zwischen dem englischen Centrum und dem rechten Flügel hergestellt hätte .
Schon stand die zu einem Drittel aus Ne-
gern bestehende 21. Halbbrigade im Süden des Römerlagers und kam
*) Was inzwischen die 18. und 88. Halbbrigade der Division Lanusse machten, konnte ich nirgends ersehen ; da nach dessen Tod eine Oberleitung fehlte und die Adjutanten, welche diese Trauerbotschaft dem Obergeneral meldeten, aus Menou keine Silbe herausbrachten, ist es wahrscheinlich, dafs sie unthätig blieben.
42
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801).
mit dem 42. Regiment in Kampf. Wenn Rampon jetzt die 32. und 51. nachfolgen liefs, konnte sich Destaing vielleicht halten . Er war aber soeben , schwenkt.
wie
erwähnt,
zur Unterstützung
Silly's
Während Destaing noch überlegte,
oder dem Feuer
weichen solle,
brauste
ob
links
abge-
er
sich halten
die gesammte
Kavallerie,
2200 Mann, Roize an der Spitze heran und warf sich auf die Redoute und die vorliegenden Schanzen . Diese waren zwar nicht mehr vom Feind besetzt, aber sie boten der Kavallerie ein natürliches Hindernis,
indem diese den Graben übersetzten musfte,
sie Fufsangeln und Fallstricke
fand .
hinter dem
Dieser geniale Reiterangriff
auf Verschanzungen war von Menou selbst angeordnet ; und
einzige Befehl,
Man darf aber nicht etwa glauben , Menou hätte gehabt, Roize der 21. zu Hilfe zu schicken . gender :
Menou
der erste
den er während der ganzen Schlacht erliefs .
spazierte
nach
dabei
die
Absicht
Der Hergang war fol-
dem übereinstimmenden
Zeugnis
aller Augenzeugen hinter der allgemeinen Reserve auf und ab , ohne von der ganzen Schlacht auch nur das mindeste sehen zu können . Den Adjutanten , welche ab und zu Meldung brachten, schenkte er gar kein Gehör. Dreimal verlangte Reynier Befehl zum Angreifen das Orakel blieb stumm. Es schien , als ob Menou auch taub wäre, denn keinem war es bisher gelungen ihm einen Laut zu entlocken . Plötzlich stöfst Menou auf den General Roize , welcher gekommen sein soll, um die berittenen Guiden zu holen.
Wie aus einem Traum .
erwachend, ruft Menou bei seinem Anblick :
"" Lassen Sie
samte Kavallerie einhauen ! "
die ge-
(Menou hatte dabei gar keine Ahnung
von dem, was bisher vorgegangen und wie gegenwärtig die Sachen standen ! ) Roize , nicht wenig erstaunt, frug : „Einhauen ? Ja wo denn ? “ - „ Einerlei wo ; ( !) wozu hätte ich denn eine Kavallerie als zum Einhauen ? " - „ Aber der Feind ist ja noch gar nicht aus den Schanzen gekommen ! " stellte Roize vor. So hauen Sie in die Schanzen ein, die Infanterie kann nicht alles
allein machen ! "
„ Bürger General , das kann nicht Ihr Ernst sein ; ein Kavallerieangriff auf Schanzen ?" - "" Gehorchen Sie ! " „Sie wollen also wirklich , dafs ich mit der Kavallerie die Schanzen erstürme ?"
,,Sie haben
es schon wiederholt gehört ; wollen Sie gehorchen oder nicht ? "
Roize
sah, dafs gegen Menou's Unverstand nicht anzukämpfen war. Er drückte sich den Helm in die Stirne und rief seinen Reitern zu : „Man schikt uns in Sieg oder Tod ; gehen wir, meine Freunde, und fallen wir in Ehren ! "
fand
Glücklicherweise Dies die Veranlassung jenes Reiterangriffes . Roize die ersten Schanzen schon genommen ; was wäre ge-
1
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801). schehen, wenn sie, wie er und Menou anfangs den Händen der Engländer gewesen wären ?
43
glaubten,
noch in
Aber auch jetzt noch war der Angriff schrecklich . Die schon durch die erwähnten Hindernisse in Unordnung gebrachten Reiter stürzten sich pêle-mêle auf das 28. und 42. Regiment, ritten sie über den Haufen und säbelten alles nieder. Dabei wurden sie aber von der eben heranrückenden Brigade Stuart und dem von Oberst Spencer herbeigeführten 40. Regiment überrascht, mit einem Musketenfeuer überschüttet und mit dem Bajonett angegriffen .
Roize
sammelt die ihm zunächst stehenden Reiter, stürzt sich auf das 28. Regiment, wirft es und bemächtigt sich einer kleinen Redoute .
Unter-
dessen hat aber eine eiligst aufgefahrene englische Batterie Tod und Verderben unter die anderen französischen Kavallerieregiment gesandt.
Diese ,
ohnehin
schon ganz
durcheinander
gewürfelt und
von Roize abgeschnitten, geraten in Verwirrung und traten unter dem Feuer Stuart's den Rückzug an . Die 21. will nicht allein zurückbleiben und folgt nach, wird jedoch stark mitgenommen und verliert ihre Fahne ,
welche ein Deutscher
Namens Anton Lutz vom
Regiment Stuart erobert nebst vielen Gefangenen .
Roize selbst mit
seiner handvoll Getreuen sieht seinen Rückzug abgeschnitten. Er steigt vom Pferde und verteidigt
sich mit einem Teil
seiner Mannschaft
so lange in der Redoute , bis diese von den Briten genommen und er niedergehauen ist . gemacht
sich
Ein Häuflein Dragoner hat jedoch den Versuch Dabei geriet ein Offizier mit
durchzuschlagen.
Abercromby in Zweikampf und verwundete ihn tötlich. (Abercromby starb am 28. März an Bord des „ Foudroyant " .) Ein Teil des französischen Centrums
(es ist nicht klar,
ob
zu Rampon's oder
Friant's Division gehörig) hatte gleichzeitig einen Versuch gemacht, die von Ludlow's Garden besetzten Schanzen zu erstürmen . Die englischen Flankeurs wurden zurückgeworfen, worauf sich ein heftiger Kampf entspann, der erst durch Eingreifen Coote's zu Gunsten der Briten entschieden wurde. Die französische Kavallerie hatte
sich mittlerweile gesammelt
und unternahm eine neue Attake, diesmal gegen die Brigade Stuart in der Ebene.
Die rechtzeitige Unterstützung derselben
durch die
Reservebrigade Doyle ( 44. , 89. und 30. ) bewirkte jedoch das Fehlschlagen dieses Reiterangriffes.
Auch
die
gleichzeitigen
Anstren-
gungen der Division Lanus se gegen Ramlé blieben erfolglos , obwohl beide Teile mit solcher Erbitterung kämpften, dafs sie sich nach Verbrauch der Patronen gegenseitig mit Steinen bombardierten. Ein Ausfall der Grenadiere des 40. Regiments bewog endlich die Franzosen zum Rückzug.
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .
44
Reynier hatte sich nicht am Kampf beteiligt, da Menou keinem seiner Adjutanten eine Antwort gah. Freilich hätte man verlangen können, dafs Reynier selbst so klug sein und eigenmächtig zum Angriff schreiten sollte ; er hätte es auch unter jedem anderen Oberkommandanten
gethan ,
aber gereizt
durch
Menou's
Gering-
schätzung, beschränkte er sich auf kalte Vollziehung seiner Befehle . Es mufs dies bitter getadelt werden, denn in solchen Momenten soll vor dem Patriotismus jeder persönliche Groll zurücktreten . Auf dem linken Flügel war, wie schon erwähnt, seit Lanusse's Tod alles zurückgegangen . Nach einem nutzlosen Feuergefecht, während dessen Destaing schwer verwundet und Silly der Schenkel weggerissen worden, wich alles zurück und gab die eroberte Schanze auf.
Im
Centrum
sammelte Rampon seine stark mitgenommene
Halbbrigade und machte noch einen schwachen Versuch zurückzutreiben .
den
Feind
General Baudot wurde hierbei tötlich verwundet,
Rampon's Kleider von Kugeln durchlöchert ; auch hier trat man dann den Rückzug an.
Reynier allein blieb ruhig stehen und ging erst
zurück, als ihm Menou ausdrücklich den Befehl hierzu sandte. Die französischen Verluste waren beträchtlich ; sie betrugen nach meinem
Gewährsmann 1040 Tote, 2000 Verwundete
verwundete
Gefangene
welche vor Ramlé wegen Mangel worden .
und 200 un-
nebst 400 toten Pferden und 2 Geschützen, an Bespannung zurückgelassen
Bonaparte spricht von 2500 Franzosen und 2300 Engländern .
Diese selbst gaben ihren Verlust auf 1514 Mann , 5 Pferde an, nämlich 10 Offiziere 233 Mann tot, 60 Offiziere 1190 Mann verwundet, 3 Offiziere 28 Mann gefangen. Von ihren Generalen waren aufser Abercromby noch Moore , Oakes , Hope und Sidney Smith verwundet. Thiers sagt : beide Theile hätten 2000 Mann verloren ; er sagt aber auch : „ Man konnte keineswegs sagen, dafs die Schlacht verloren sei ( !! ) , da der Feind nicht einen einzigen Schritt vorwärts gethan hatte. Man war nur insofern geschlagen worden, als man nicht vollständig ( !! ) gesiegt hatte. " Um 10 Uhr vormittags war die Schlacht bei Ramlé vollständig beendet und in grofser Niedergeschlagenheit kehrten die Soldaten nach Alexandria zurück . Sie rächten sich an Menou, indem sie eine neue Carricatur cirkuliren liefsen, die Schlacht bei Ramlé vorstellend. Die Franzosen waren dabei durch Löwen repräsentirt, an deren Spitze ein dicker Esel trottete, dessen Kopf eine merkwürdige Aehnlichkeit mit jenem des Obergenerals aufwies ! -
(Schlufs folgt.)
Die Konvention von Tauroggen.
45
III.
Die Konvention von Tauroggen.
Von
Ebeling , Oberst z. D.
Unsere glorreiche Vergangenheit scheint durch die grofsartigen Ereignisse der Jahre 1870 und 1871 etwas in Vergessenheit gekommen zu sein, deshalb erlaubt sich der Verfasser, durch eine kurze Darstellung wieder
einmal die
ruhmvolle
That in
Erinnerung zu
bringen, mit welcher unsere erste nationale Erhebung gewissermassen beginnt.
Die Kapitulation , welche der General von York am 30. De-
zember 1812 , also genau vor 69 Jahren , auf der Mühle von Poscherun mit dem russischen General v. Diebitsch abgeschlossen hat, ist ohnehin eine der merkwürdigsten und folgenreichsten , welche die Geschichte kennt. - Von den vielen Quellen für dieses Thema sollen nur die beiden wichtigsten hervorgehoben werden :
die rühmlichst bekannte
Biographie des Generals v. York von Droysen und die hinterlassenen Werke des
Generals v. Clausewitz ,
ersten Ranges . dafs Clausewitz
also
eines Militärschriftstellers
Diese Quelle ist dadurch noch besonders interessant , die Verhandlungen
der Russen mit York grössten-
teils selbst geführt hat. Auch war er bei dem Abschlufs der Kapitulation als Zeuge zugegen .
Preufsen, welches durch den Krieg von 1806/1807 in jeder Beziehung furchtbar gelitten hatte, wurde durch den Frieden von Tilsit nicht nur zu einer Macht 2. oder 3. Ranges herabgedrückt, sondern es blieb auch nur noch dem Namen nach ein souveräner Staat. Der eigentliche Herr von Preufsen war der Kaiser Napoleon. Seit den Verträgen Roms mit den überwundenen Staaten ist wohl nie einem unglücklichen Kriege
ein so trauriger Friede gefolgt.
dingungen wurden nicht einmal gehalten . die für
Und die Be-
Das erschöpfte Land konnte
damalige Verhältnisse ungeheure Kontribution von 150 Mil-
lionen Thalern nur allmählich aufbringen ; das wurde von den Franzosen zu den schamlosesten Erpressungen
aller Art benutzt , welche
Die Konvention von Tauroggen .
46
nach einer mässigen Berechnung über 100 Millionen Thaler betragen haben. Auch in die inneren Verhältnisse mischte sich der französische Kaiser hinein ;
wurde
preufsische Staatsmann
le nommé Stein" geächtet.
Es ist bekannt,
was
doch im Dezember 1808 der grofse
zu jenen Zeiten unter den ungünstigsten
Umständen in Preufsen geleistet worden ist. Hier sei nur auf die militärischen Verhältnisse hingewiesen und an die vorsichtig aber sicher fortschreitenden Einrichtungen Scharnhorst's erinnert, wie das Krümpersystem ,
wonach die kleine Armee in kurzer Zeit verdreifacht wer-
den konnte, an die vier befestigten Lager und ähnliches . Neue Anforderungen stellte der französische Machthaber an den auf das Äufserste erschöpften Staat dann wieder bei Ausbruch des Krieges mit Rufsland. Am 24. Februar 1812 wurde Preufsen zu einem Schutz- und Trutzbündnis mit dem Unterdrücker gegen den alten Bundesgenossen gezwungen ;
der Abschlufs
aber wurde von Napoleon hinterlistigerweise
dieses Bündnisses
so lange verzögert,
bis die Spitzen der ungeheueren gegen Ruſsland bestimmten Truppenmassen das preussische Gebiet betreten hatten . Keine Wahl gab es für Preufsen mehr ; von Neutralität konnte natürlich keine Rede sein , und wenn es sich Rufsland ganz in die Arme warf, wozu die Vorgänge von 1807 wahrlich nicht ermutigten , wurde es jedenfalls der Schauplatz eines verheerenden Krieges ohne Gleichen, Opfer des ersten furchtbaren Stofses .
das
sichere
In dem Bündnisvertrage mufste sich Preufsen verpflichten , Hälfte seiner kleinen Armee 21 000 Mann mit 60 Geschützen
die ins
Feld zu stellen. Auch mufste es ungeheuere Lieferungen an Naturalien aller Art leisten . Diese sollten zwar auf den Rest der französischen Kontributionsforderung , welche noch 30 Millionen Francs betrug, angerechnet werden, sie gingen aber so über alles Mafs hinaus , dafs Preufsen am Ende des Jahres 1812 von Frankreich über 100 Millionen Francs zu fordern zosen während
hatte.
Dafs
der Durchmärsche Preufsen
Land betrachteten ,
versteht sich von selbst .
aufserdem die Fran-
durchaus
als
erobertes
So wurden allein aus
Ostpreufsen und Litthauen aufser den vertragsmässigen Fuhren 76 000 Pferde und 26 000 Wagen weggeschleppt . Den traurigsten Eindruck machte das Bündnis auf die Armee. Etwa dreifsig Offiziere *) nahmen ihren Abschied , darunter sehr her-
*) Bis vor kurzem enthielten die gesamten Geschichtswerke die Angabe, dreihundert Offiziere hätten zu dieser Zeit ihren Abschied genommen. Erst vor einigen Jahren hat Max Lehmann diese Fabel berichtigt.
Die Konvention von Tauroggen.
47
vorragende Männer, wie Gneisenau, Grolman, Boyen, Clausewitz, Grat Friedrich zu Dohna und andere .
Einige begaben sich direkt in rus-
sische Dienste, andere nach Spanien , zu fechten.
Auch Scharnhorst trat
um dort gegen die Franzosen
als Kriegsminister ab und ging
als Inspekteur der Festungen nach Schlesien. Den Oberbefehl über das preufsische Hülfscorps erhielt auf Napoleons ausdrücklichen Wunsch der General der Infanterie v. Grawert, ein ehrenwerther aber etwas schwacher Mann , der in Napoleon einen Halbgott sah, und dessen ganzes Streben
darauf ging,
durch
Nachgiebigkeit und Gefälligkeit gegen die Franzosen ein gutes Einvernehmen zu erhalten . Ihm wurde auf Scharnhorst's Rat als zweiter im Kommando der Generallieutenant v. York beigegeben. Die preufsischen Truppen bestanden
(nach Abgabe zweier Ka-
vallerieregimenter an die grofse Kavalleriereserve Murat) aus 19 Bataillonen,
16
Schwadronen
und
712
Batterieen .
Sie wurden
als
27. Division der grofsen Armee dem 10. Armeecorps unter Kommando des Marschalls Macdonald, Herzogs von Tarent, zugeteilt. Denübrigen Teil des 10. Corps bildete die Division Grandjean, Polen, Bayern und Westfalen . In Macdonald war den preufsischen Truppen ein Chef gegeben , der im vorzüglichen Grade geeignet war , persönlich zu gewinnen . Seiner Liebenswürdigkeit verbunden mit militärischer Offenheit war Dabei war er von wahrhaft loyalem nur schwer zu widerstehen . Charakter, das Raubsystem anderer französischer Marschälle war ihm Seinem früher erworbenen hohen Ruhme hat er gänzlich fremd. während
des
Feldzugs
nur wenig
entsprochen.
Obgleich erst
47 Jahre alt, war er doch schon bequem und des Kriegführens überdrüssig geworden ; er beschäftigte sich am liebsten mit seinen Gütern, Gartenanlagen, Schäfereien u . dergl.; damals galt er indessen Dafs nun ein Mann noch für einen Heerführer ersten Ranges. von solchem Charakter , eingenommen zu sein
der noch dazu für die Preufsen besonders schien ,
bei den preufsischen Offizieren bald
sehr beliebt werden musste, war natürlich, ohnehin war eine Stimmung wie die des Generals Grawert durchaus nicht vereinzelt. Um so wichtiger war es deshalb, dafs in der Person des Generals York ein fester Halt für alles Preufsentum gegeben war, der sich in keiner Weise vor dem französischen beugte , ihnen bei jeder Gelegenheit Clausewitz schildert uns diesen kalt und schroff entgegentrat . merkwürdigen Mann folgendermaſsen :
77General York war ein Mann von boren den 26. September 1759) ,
einigen fünfzig Jahren (ge-
ausgezeichnet durch Bravour und
Die Konvention von Tauroggen.
48
kriegerische Tüchtigkeit.
Er hatte in seiner Jugend in den Hollän-
dischen Kolonien gedient, sich also in der Welt umgesehen und den Ein heftiger, leidenschaftlicher Wille, Blick des Geistes erweitert. den er aber in anscheinender Kälte, ein gewaltiger Ehrgeiz, den er in beständiger Resignation verbirgt, und ein starker kühner Charakter zeichnen diesen Mann aus. General York ist ein rechtschaffener Mann, aber er ist finster, gallsüchtig und versteckt, und darum Persönliche Anhänglichkeit ist ist er ein schlimmer Untergebener. ihm ziemlich fremd ; was er thut, thut er seines Rufes wegen und weil Das Schlimmste ist , dafs er bei einer er von Natur tüchtig ist. im Grunde sehr versteckt ist. Geradheit und Derbheit von Maske Er prahlt, wo er wenig Hoffnung hat, aber noch lieber scheint er eine Sache verloren zu geben, wo er eigentlich nur wenig Gefahr sieht. ―― Er war unbedenklich einer der ausgezeichnetsten Männer unserer Armee. Scharnhorst, welcher seine hohe Brauchbarkeit in einer Zeit, wo sich nur wenige brauchbar gezeigt hatten, um so wichtiger hielt, weil sich damit eine grofse Abneigung gegen die Franzosen verband, hat sich mit ihm immer auf einem freundschaftlichen Fufse zu erhalten gesucht, obgleich in York immer ein unterdrücktes Von Zeit zu Zeit schien es losbrechen zu Gift gegen ihn kochte . wollen ; Scharnhorst that aber,
als merkte
er nichts und schob ihn.
überall vor, wo ein Mann seiner Art nützlich werden konnte. “ Dagegen sagt Droysen : ,,Freilich war York von unerschütterlicher Strenge in allem , was den Dienst und die Zucht betraf. Auch unter den Offizieren fehlte es nicht an solchen, denen, wie einer es ausdrückt, seine Nähe niederdrückend, sein Eisherz abschreckend war. Es verstummte in seiner Nähe das Frondiren und Besserwissen, aber nach einer guten Attaque, nach einem tapferen Gefecht fühlte man den Beifall seines Blickes . Überglücklich, sagt ein anderer, war man, wenn er einmal freundlich mit einem sprach. Auch in den Truppen verstand er das Gefühl für Pflicht und Ehre zu entzünden ; er buhlte nie um ihre Gunst,
suchte nie
zu gewinnen oder
an sich zu ziehen und
selten, dafs er ein aufmunterndes, noch seltener, dafs er ein Wort des Lobes gesprochen hätte. Nur um so sicher beherrschte er sie. Die adstringirende Kraft seines Wesens und der durchaus preussische Geist, in dem er sie führte, erneuerte er zuerst das, was vor allem in der Schlacht bei Jena untergegangen zu sein schien. war York's eigenstes Wesen begründet.
Eben darin
Man hatte viele Geschichten
von der eisernen Festigkeit des alten Isegrim, von seiner kalten Ruhe, von seinem preufsischen Stolz. Und ein Stolz war es doch
Die Konvention von Tauroggen.
49
auch, sich erzählen zu können, wie er, als einst ein höherer französischer Offizier gesandt sei,
um in seiner Nähe zu sein,
denselben
eingeladen habe, die Vorposten zu bereiten, wie er immer näher an die des Feindes herangeritten sei , dann gar in den Bereich der feindlichen Kanonen, die sofort lebhaft zu feuern begannen . Und als der Franzose auf die Gefahr aufmerksam gemacht, gefragt habe, ob es nicht besser sei ,
sich
zu
entfernen,
habe
York
erwidert,
ein
preufsischer Offizier würde solche Frage nicht gethan haben, und sei noch eine halbe Stunde weiter geritten. "
Mit Macdonald stand York, wie man zu sagen pflegt, keinem Fufse .
auf gar
Er hatte sich im Juni bei dem Marschall in Königs-
berg gemeldet und vermied es nachher immer, mit ihm zusammenzutreffen, so dafs sie sich selten gesehen haben.
während des eigentlichen Feldzugs nur
Macdonald sagte in seiner offenen Weise zu
einem preufsischen Offizier über York : le soupçonne de mauvaise volonté ! "
il est bon militaire, mais je
Über den Feldzug nur eine ganz kurze Skizze.
Das 10. Armee-
corps bildete den linken Flügel der grofsen Armee und sollte einerseits mit dem Corps des Marschalls Oudinot
den General Wittgen-
stein bekämpfen, andererseits Riga belagern. Die Preufsen befanden sich auf dem äussersten linken Flügel, also Riga gegenüber. Dort hatten sie schon am 19. Juli bei Eckau ein siegreiches Gefecht gegen 6000 Russen, welche aus Riga vorgedrungen waren. Am 24. Juli liefs der Gouverneur von Riga die Vorstädte abbrennen , am 28. forderte Grawert die Festung vergeblich zur Übergabe auf.
Am 5. und
7. August neue Ausfallgefechte ; am 13. meldete Grawert sich wegen eines Beinbruches, infolge eines Sturzes mit dem Pferde, krank und York erhielt das Kommando , aber unter recht ungünstigen Umständen, da das preufsische Corps zu weit ausgedehnt und zu verzettelt aufgestellt war.
Dennoch wurde
ein dritter Angriff der Russen in
mehren kleineren Gefechten am 22. , 23. , 24. und 26. August siegreich abgewiesen, freilich , wie York selbst sagte, nur deshalb, weil er von den Russen mit gar zu wenig Umsicht und Energie ausgeführt worden war . Im September erhielt die Garnison von Riga bedeutende Verstärkungen ; dieser Umstand wurde zu einer gröfseren Offensive benutzt, die aber gänzlich scheiterte . Die Russen verloren 5 000 Mann , Besonders
darunter 2500 Gefangene,
hervorzuheben sind dabei
Bauske, welche York französischen gegen
die Preufsen
1200 Mann.
die glänzenden Gefechte bei
am 29. und 30. September lieferte, Riga
zu
verwendenden
um den
Belagerungstrain
zu
schützen, der ohne alle Deckung zu weit vorgegangen war, ein Fehler 4 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
Die Konvention von Tauroggen.
50 Macdonald's .
Auf den Marschall und
Aktion einen sehr günstigen Eindruck. wähnt ihrer mit den Worten :
die Franzosen
machte diese
Auch das 24. Bulletin er-
„ man hat noch nicht den offiziellen
Bericht über das glänzende Gefecht bei Bauske,
welches
dem Ge-
neral v. York und den preufsischen Truppen so viel Ehre macht. “ Erwähnt sei hier gleich, dafs York dafür später der Ehrenlegion bekam, dafs ihm ferner eine
das Offizierkreuz Jahresrente von
20 000 Fres ., Aussicht auf ein selbständiges Kommando und sogar auf den Marschallstab zugesichert wurden. Aber trotz der Erfolge bei Bauske liefs sich die Einschliefsung von Riga wegen der grofsen Sümpfe und Waldungen und wegen der schwierigen Verpflegung der Truppen nur sehr mangelhaft ausführen, denn an eine förmliche Belagerung
war vollends nicht zu denken.
Der Marschall liefs deshalb den Belagerungstrain Ende Oktober zurückführen . Im November machten die Russen einen letzten Angriffsversuch, aber auch dieser scheiterte, hauptsächlich in dem siegreichen Gefecht des Generals v. Massenbach bei Friedrichstadt am 19. November. Anfang
November hatte
York
erfahren , dafs
Napoleon den
18. Oktober unter sehr ungünstigen Verhältnissen den Rückzug von Moskau
angetreten
habe .
Der
Gouverneur
v. Essen, teilte ihm dies mit und forderte
ihn
von
Riga,
zugleich
von der Verbindung mit den Franzosen loszumachen .
General auf,
sich
York sandte das
bezügliche Schreiben durch den Grafen Brandenburg am 5. November nach Berlin. Aehnliche Anträge hatte General Essen schon im August gemacht ; York hatte sie zurückgewiesen , bei den Verhandlungen indessen auch diplomatisches Talent gezeigt. In
Am 13. November war der Winter mit aller Strenge eingetreten . der Nacht waren bei 18 Grad Kälte sämtliche Gewässer fest
zugefroren. Über die Lage und die Leiden der grofsen Armee tauchten bald die bedenklichsten Gerüchte auf. Auch die Preufsen litten bei schlechter Verpflegung , die seit einiger Zeit der Fürsorge eines Franzosen, Namens Bergier, unterstellt war, und infolge mangelhafter Bekleidung aufserordentlich .
Es kam nun zu dem bekannten
heftigen Zerwürfnis zwischen Macdonald und York. Es ist nicht recht klar, was den Marschall bei seinem sonst so liebenswürdigen Wesen zu
einem
auffallend
schroffen Verhalten gegen York veranlafste .
Man hat behauptet, er habe auf Napoleons Befehl so gehandelt ; das ist aber unwahrscheinlich, denn einmal war es nicht Napoleons Art, in solchen Fällen ein verstecktes und mittelbares Verfahren vorzuschreiben, und dann ist es auch ziemlich gewifs, dafs Macdonald erst
Die Konvention von Tauroggen.
51
nach dem grofsen Konflikt sich zum erstenmal über York beschwert hat. Es geschah dies in einem Brief an Maret, Herzog von Bassaro, Dieses Schreiben Präsident des grofsen Hauptquartiers in Wilna. ist überdies
nie an seine Adresse gekommen ,
es wurde von Ko-
saken aufgefangen und York später durch den General Diebitsch zugestellt. Auch die Belohnungen für Bauske erhielt York erst Mitte Dezember, also viel später. So mufs man wohl annehmen, dafs Macdonald auf eigene Hand gehandelt hat, möglicherweise auf Einflüsterungen seines französischen Generalstabs, besonders eines Oberst Vielleicht hatte er Terrier, oder vornehmer russischer Einwohner. von jenen Verhandlungen mit dem General Essen gehört und war mifstrauisch geworden. Gewifs ist seine Absicht gewesen, York zum Aufgeben seines Kommandos zu treiben, Pflichtgefühl nicht gelingen konnte . Der Streit selbst entstand durch
was ihm aber bei dessen
sehr berechtigte
Klagen des
Generals Massenbach über schlechte Verpflegung, besonders über das Ausbleiben aller Fourage . York machte darüber am 25. November einen eingehenden Bericht.
Als dieser zwei Tage ohne Antwort blieb
schrieb York - bei der grofsen Not ein empörendes Verfahren : „dafs anderem unter Tone schrofferem in jetzt und zum zweitenmal er solchen Ungebührlichkeiten
nicht länger zusehen könne,
sowohl
wegen der Erhaltung der Truppen, als auch wegen der Pflichten, die Das Schreiben war übrigens in den er gegen seinen König habe " . gewöhnlichen militärischen Formen und mit der dem Vorgesetzten Darauf schickte der Marschall am schuldigen Achtung abgefafst . 27. um Mitternacht seinen Adjutanten , Oberst Terrier, zu York mit einem Schreiben, welches den völligen Bruch herbeiführen musste. York wurde geweckt und las den Brief.
Es
war augenscheinlich
darauf abgesehen, ihn zu überraschen, denn der Oberst Terrier fragte worauf wiederholt : "" Was werden Ew. Exzellenz nun thun ?" York erwiderte : "" Ruhig weiter schlafen, sobald Sie aus der Thüre sind. " - Am folgenden Tage widerlegte er Punkt für Punkt der ihm gemachten Beschuldigungen . Der Marschall erliefs darauf zwei Tagesbefehle, welche womöglich noch verletzender für York waren , und dieser berichtete nun durch den Hauptmann v. Schack an den König und durch den Lieutenant v. Canitz an den General v. Krusemark, preufsischen Bevollmächtigten im Hauptquartier zu Wilna, Macdonald , wie schon erwähnt, an Maret. Seltsam berührt uns das Antwortschreiben des Generals v. Krusemark.
Es
ergeht sich in langen
Tiraden des
Bedauerns
über
den Konflikt und verspricht, dafs der Verfasser sich alle Mühe geben 4*
Die Konvention von Tauroggen.
52
werde , die schädlichen Folgen von York abzuwenden , erwähnt aber nicht des furchtbaren Rückzuges und seiner Folgen. Lieutenant v . Canitz ,
ein
intelligenter
Offizier ,
Dagegen brachte aus
eigener
An-
schauung sichere Nachrichten über das gräfsliche Elend , über die gänzliche Auflösung der grofsen Armee. Zur Orientierung sei hier an einige Daten erinnert : der Übergang über die Beresina hatte vom 26. bis 29. November stattgefunden ; welches
das berüchtigte 29.
einen Teil des Unheils kundgiebt ,
ist vom
Bulletin,
3. Dezember
datiert ; am 4. Dezember verliefs Napoleon die Armee und ging nach Dresden ; am 6. Dezember rückten die Nachzügler der grofsen Armee in Wilna ein. Canitz war dort am Morgen des 5. eingetroffen und verliefs es wieder am Abend des 6. Er hat über diese Reise einen interessanten Bericht veröffentlicht.
Nach seiner Ansicht konnte es
für York bald recht gleichgültig sein, was der Kaiser oder gar sein Marschall über ihn dachten. - Canitz kehrte am 10. Dezember zurück und York liefs die schlimmen Nachrichten sofort dem Marschall mitteilen ,
aber dieser
hielt
es wegen des Konfliktes unter
seiner Würde , davon Notiz zu nehmen .
men.
Unterdessen waren neue Anträge der Russen an York gekomIn Riga hatte ein Wechsel im Kommando stattgefunden : der
General Essen war durch den
Marquis Paulucci
ersetzt worden,
welcher York sogleich dringend aufforderte, von den Franzosen abzufallen . Allein York lehnte alles Handeln auf eigene Verantwortung ab , schickte jedoch seinen Adjutanten , Major v. Seidlitz , russischen Anträgen nach Berlin .
Von
mit
den
dort war er bis jetzt ohne
jede Ermächtigung geblieben , mit den Russen zu unterhandeln , es war nur das Vertrauen auf seine bewährte Besonnenheit und Vaterlandsliebe betont worden.
Paulucci ,
ein Italiener von intriguantem
Charakter, welchem sehr viel daran lag, für sich den Ruhm zu gewinnen , dafs er den preufsischen General zu einer Kapitulation veranlafst habe ,
wiederholte seine Anträge immer dringender.
Wenn
York sie auch alle abgelehnt hat, so scheint er sich doch zu direkten Mitteilungen des Kaisers Alexanders an den König von Preufsen als Mittelsperson angeboten zu haben. mit ihm in einer gewissen Verbindung
Das benutzte Paulucci , zu bleiben .
um
Ein früherer
preufsischer Offizier, der Schwiegersohn Scharnhorsts, Oberstlieutenant Graf Friedrich zu Dohna ( der nachherige Feldmarschall) , kam häufig zu York und hat sich, wie aus seinen Memoiren (sie sind vor etwa fünf Jahren als Manuskript gedruckt) hervorgeht, sogar längere Zeit in seinem Hauptquartier aufgehalten . Der Marschall fühlte trotz
seiner anscheinenden Sorglosigkeit
Die Konvention von Tauroggen. sehr wohl das Schwierige
seiner Lage.
53
Als er am 18. Dezember
vom König von Neapel endlich den bestimmten Befehl zum Abmarsch erhielt, beschlofs er, schon am andern Tage aufzubrechen .
Es war
aber auch die höchste Zeit, denn zugleich erfuhr er, dafs der russische General Wittgenstein mit 25 000 Mann abgeschickt sei , um ihm den Rückzug abzuschneiden .
Dieser geschah nun in folgender Weise .
Der
Marschall mit der Division Grandjean (6000 Mann) und der Brigade Massenbach (4000 Mann) brach am Morgen des 19. auf und marschierte sehr rasch , so dafs er die 26 oder 28 Meilen bis Wainuti in sieben Tagen zurücklegte .
York
(mit 10 000 Mann unter dem
General v. Kleist) konnte erst am 20. abmarschieren und da er über 600 Wagen bei sich hatte, vermochte er bei den schlechten Wegen nur langsam zu folgen.
Als er am 25. Koltyniani erreichte, war er dem-
gemäfs von dem Marschall schon um zwei Tagemärsche getrennt und ohne alle Verbindung mit ihm.
Der Vorwurf, welchen die Franzosen
York gemacht haben , er sei absichtlich so langsam marschiert , scheint wenig begründet zu sein, da die Verhältnisse die Verzögerung vollständig erklären . Der russische General Wittgenstein war am 17. Dezember von Niemeczyn aufgebrochen und marschierte über Wilkomirz und Keydany in der Richtung
auf Georgenburg .
Aufser
seiner eigent-
lichen Avantgarde unter dem General Schappelow hatte er zwei Detachements vorgeschickt , links den General Kutusof und rechts den General Diebitsch. Dieser mit 1400 Mann , gröfstenteils Kosacken, (bei seinem Stabe war auch Oberstlieutenant v. Clausewitz) befand sich am 25. durch Zufall bei Koltyniani York gegenüber und zwar zwischen ihm und Macdonald .
„ General Diebitsch " , sagt Clau-
sewitz , „ konnte sich glücklich preisen , durch den Zufall so günstig geführt zu sein , denn wenn er auch nicht auf grofse militärische Erfolge rechnen konnte, da jede Unterstützung
weit entfernt war ,
so
war doch die Möglichkeit einer Verständigung mit den Preufsen vom höchsten Wert. " Die Stellung der verschiedenen Truppenteile am 25. war folgende : York mit 10 000 Mann bei Koltyniani ; ihm gegenüber Diebitsch mit 1400 Mann ; der Marschall mit 4000 Preufsen unter General Massenbach bei Wainuti, 6 Meilen von Koltyniani ;
General
Grandjean mit 6000 Mann bei Tauroggen, 4 Meilen von Koltyniani ; General Kutusof mit mit 4000 Mann bei Piktupöhnen ; er hatte auch Tilsit besetzt, stand also schon im Rücken der Franzosen ; General Schappelow mit 3000 Mann bei Georgenburg,
etwa 3 Tagemärsche
von Tilsit ; General Wittgenstein selbst mit dem Gros 15 000 Mann
Die Konvention von Tauroggen .
54
bei Keydany, 5 bis 6 Tagemärsche von Tilsit ; und General Löwis endlich mit 5000 Mann von Riga kommend , 4 Tagemärsche hinter York. Am folgenden Tage machten alle diese Abteilungen einen Marsch vorwärts . Nur Kutusof blieb stehen , wurde von Grandjean angegriffen und mit grofsem Verlust zurückgeworfen. Dabei zeichnete sich noch preufsische Kavallerie (schwarze Husaren unter Oberstlieutenant v. Treskow) in glänzender Weise aus. Es war das letzte Gefecht, welches Preufsen auf Seite der Franzosen mitgemacht haben. Kutusof mufste über den Niemen nach Ragnit zurückgehen und Grandjean besetzte Tilsit. Der Marschall war schon am 25. Yorks wegen in grofser Unruhe, da er gar keine Nachrichten von ihm hatte. Er rückte in kleinen Tagemärschen nach Tilsit, wo er am 29. stehen blieb , York Zeit zu lassen, heranzukommen.
um
Alle Versuche , ihm Befehle
zuzuschicken, scheiterten , auch von starken Patrouillen
ausgeführt,
an der Wachsamkeit der Kosacken ; die Verbindung zwischen beiden war absolut aufgehoben. Aus der eben geschilderten Aufstellung allerdings isoliert war , konnte .
dafs
sehen wir ,
dafs York
er auf keine Unterstützung
rechnen
Aber war nicht General Diebitsch ganz in derselben Lage?
Und wie konnte er daran denken , mit seinen 1400 Kosacken die 10 000 Preufsen ernstlich aufhalten zu wollen ? ――- Zwar wufste York nicht, wo die andern Wittgensteinschen Truppen
standen ,
aber er
war gewifs am wenigsten der Mann , sich durch ängstliche Annahmen und Rücksichten leiten zu lassen .
Jeder tüchtige General hätte an
Yorks Stelle die Truppen des Generals Diebitsch zurückgeworfen, dann das Wittgensteinsche Gros zu umgehen oder schlimmsten Falls sich durch dasselbe durchzuschlagen versucht. Gewifs hätte York dabei grofsen Verlust an seinem Fuhrwesen erlitten, andererseits ist es aber nicht unwahrscheinlich, dafs er über die russischen Truppen, wie ihre Stellung nun einmal war, wesentliche Vorteile erlangt hätte. Jedenfalls
aber war es der hohen
militärischen Tüchtigkeit Yorks
durchaus angemessen , dafs er unter anderen politischen Verhältnissen auch nicht einen Augenblick im Zweifel gewesen wäre , was er zu thun hatte .
Man darf wohl behaupten ,
dafs er das ,
was er hier
gegen die Russen unterliefs , gegen die Franzosen unter den schwierigsten würde.
Umständen
mit der äussersten Energie
ausgeführt haben
General Diebitsch hatte York sofort um Unterredung bitten lassen, und diese fand noch am Abend des 25. statt. Diebitsch setzte dabei seine Lage ziemlich offen auseinander, woraus hervorging, dafs
Die Konvention von Tauroggen .
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er York nicht ernstlich aufhalten könne , schilderte dann aber den völligen Untergang der grofsen Armee und hob die für Preufsen sehr günstige Stimmung des Kaisers Alexander hervor, der seinen Generalen ausdrücklich befohlen habe , die preufsischen Truppen nur im York erklärte sich nicht beNotfalle als Feinde zu behandeln . stimmt *), er wollte erst die Rückkehr des Major Seydlitz aus Berlin abwarten, auch wollte er seine Stellung als Soldat mehr gerechtfertigt sehen. Man kam endlich überein, dafs vorläufig nichts geschehen, dafs York nur langsam vorrücken sollte. Beim Schlusse der Unterredung wünschte York zu weiteren Verhandlungen einen der früheren preussischen Offiziere zu haben, und dazu wurde der Oberstlieutenant v. Clausewitz bestimmt. Was nun dessen damaliges Urteil über York betrifft, so erfahren wir von ihm selbst, dafs er ihm nur wenig traute, dafs er Diebitsch vor seiner Verstocktheit warnte und dafs er,
als in der Nacht die
Vorposten alarmiert wurden , zu sich selbst sagte : „ Du hast ihn richtig erraten, er überfällt uns von hinten. " - Er hatte ihn aber nicht richtig beurteilt ;
eine jener Patrouillen , welche Macdonald zu
York schicken wollte, hatte nämlich jenen Alarm verursacht. Die Unterhandlungen zogen sich nun noch einige Tage ohne bestimmtes Resultat hin. Es fiel York gerade bei seinem Charakter, bei seinen strengen Begriffen von Gehorsam und militärischer Zucht ungemein schwer, einen Entschlufs zu fassen . Welche Kämpfe mögen damals in der Seele dieses Mannes vorgegangen sein?! - Und nun kehrte gar am 29. Major Seydlitz von Berlin zurück , ohne Bescheid jedoch, ohne Weisung, auf die russischen Anträge ohne Antwort. York war unterdessen bis Wilkuschkin gekommen , ihn trennte von Macdonald eigentlich nur eine dünne Kosackenkette - der entscheidende Augenblick war
also da.
Am Abend
Clausewitz zu York geschickt ,
um
Bedingungen
brachte
anzubieten.
Er
zum letztenmal zwei
des
29.
wurde
die russischen
Schreiben
mit :
den
wiederholt erwähnten Brief Macdonalds an Marat mit der Beschwerdeüber York und ein Schreiben des Generals d'Auvray, Chef des Wittgensteinschen Generalstabes, aus welchem hervorging, dafs das Gros der Wittgensteinschen Armee am 31. Dezember schon bei Sommerau sein und den wichtigen Paſs von Schillupischken im Rücken der Verbündeten besetzt haben würde , ein Umstand , der später zu einer militärischen Rechtfertigung Yorks dienen konnte .
* ) Er muss aber doch ziemlich weit gegangen sein, wie aus dem später angeführten Briefe unseres Kaisers hervorgeht .
Die Konvention von Tauroggen.
56
Durch das Zögern der letzten Tage war York immerhin schon kompromittiert , aufserdem war gerade im letzten Augenblick ein Offizier von der Massenbachschen Kavallerie , Lieutenant v. Warnsdorf, durch die Kosacken gekommen, welcher York den bestimmten Befehl brachte, sich sofort mit dem Marschall zu vereinigen . Nun zögerte York nicht länger. Er reichte Clausewitz die Hand
mit den Worten : "" Ihr habt mich! Sagen Sie dem General Diebitsch , dafs ich ihn morgen früh auf der Mühle von Poscherun sprechen will und dafs ich fest entschlossen bin, mich von den Franzosen und ihrer Sache zu trennen . Ich werde das aber nicht halb thun , sondern Euch auch den Massenbach verschaffen. " Graf Dohna erzählt noch, York habe vorher den Oberst v. Röder, seinen Generalstabschef, rufen lassen ,
ihm die russischen Anerbie-
tungen mitgeteilt und ihn um seine Meinung gefragt.
Oberst Röder
habe geäufsert , dafs die Bedingungen für den König , für den Staat und für die Armee sehr vorteilhaft seien , dafs er aber doch keinen Rat erteilen könne , weil ein solcher Schritt für die Person des Generals sehr gefährlich sein würde. und mit lauter Stimme gerufen : König gehe ich aufs Schaffot ! An
Massenbach
wurde
Da habe ihn York unterbrochen „Was, meine Person ? ich nehme an !"
nun
derselbe
Für meinen
Lieutenant Warnsdorf,
welcher diesen Auftrag mit Freuden übernahm, zurückgeschickt, und zwar um Massenbach der Verantwortung zu entziehen, mit dem bestimmten schriftlichen Befehl, sogleich an das preufsische Hauptcorps heranzurücken .
Massenbach zögerte
auch nicht ,
folgen, und die Ausführung glückte durchaus .
diesem Befehl zu
Unbemerkt und un-
gehindert marschierte er am Morgen des 31. mit 6 Bataillonen und 10 Schwadronen von Tilsit ab . Nur die Stabswache , 30 Pferde unter dem Lieutenant v. Korf , konnte nicht mitgenommen werden . Gegen diese benahm sich Macdonald seinem Charakter gemäfs , indem er sie reich beschenkt ungehindert ziehen liefs . Zu dem Offizier sagte er: „ Wenn die Verhältnisse sich ändern , sehen wir uns bald wieder, sonst treffen wir uns auf dem Felde der Ehre. " Unterdessen war die Konvention am 30. Dezember morgens Merk8 Uhr auf der Mühle von Poscherun abgeschlossen worden. würdiger Weise waren nur geborene Preufsen dabei zugegen , von - von preufsischer Seite York , Oberst Röder und Major Seydlitz russischer General Diebitsch ,
die Oberstlieutenants Clausewitz
und
Die Die Bedingungen waren für Preufsen sehr günstig. Yorkschen Truppen wurden neutral erklärt und ihnen ein ebenfalls neutraler Landstrich an der preufsischen Grenze zwischen Memel, Dohna.
Die Konvention von Tauroggen.
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Labiau , Tilsit und dem Kurischen Haff angewiesen . Wenn einer der beiden Monarchen die Ratifikation verweigerte , erhielten sie freien Abmarsch auf dem kürzesten Wege, verpflichteten sich aber, falls der König von Preufsen die Konvention ablehnte , zwei Monate nicht gegen Rufsland zu dienen. York schickte mit der Konvention den Major v. Thiele nach Berlin .
Der Schlufs seines Schreibens an den König lautet:
"" Ew.
Majestät lege ich willig meinen Kopf zu Füfsen , falls ich gefehlt haben sollte ; ich würde mit der freudigen Beruhigung sterben, wenigstens nicht als treuer Unterthan, als wahrer Preufse gefehlt zu haben . Jetzt oder nie ist der Zeitpunkt , wo Ew. Majestät sich von den übermütigen Forderungen eines Alliierten losreifsen können , dessen Pläne mit Preufsen in ein mit Recht Besorgnis erregendes Dunkel gehüllt waren , wenn das Glück ihm treu geblieben wäre . Diese Ansicht hat mich geleitet ; gebe der Himmel , dafs sie zum Heile des Vaterlandes führt!" Sobald der Marschall
den Abschlufs
der Konvention
brach er sofort auf und erreichte ungehindert Melaucken.
erfuhr * ), Die Rus-
sen hatten nämlich versäumt, den wichtigen Paſs von Schillupischken zu
besetzen ,
indem
General
Schappelow irrtümlicher Weise
Strafse nach Insterburg eingeschlagen hatte .
die
Von Melaucken ging
Macdonald weiter nach Königsberg, wo er sich mit der 10 000 Mann starken Division Heudelet vereinigte ,
doch konnte er nicht mehr
daran denken, Ostpreufsen zu halten. Es dürfte hier der Ort sein, ein paar Worte über den direkten Einfluss der Kapitulation auf die Lage der Kriegführenden und auf die nächsten Ereignisse zu sagen. Konnte sich York , wie es der Fall war, ohne erheblichen Verlust mit Macdonald vereinigen , so mufste Wittgenstein dieser vereinigten Armee eine Schlacht liefern . Gelang es ihm, dazu seine Truppen zusammenzubringen, so besafs er wohl ein numerisches Übergewicht .
Dafür hatte er aber viele Kosacken
und neue Formationen, während die verbündete Armee aus erprobten Kerntruppen bestand . Konnte Wittgenstein - und das war weit wahrscheinlicher seine Abteilungen nicht vereinigen , so hatte er nur wenig Aussicht auf Erfolg . Er wich dann wohl einer Schlacht aus , was er indessen auch nur mit Verlust thun konnte , und Macdonald gewann Zeit, die 10 000 Mann starke Division Heudelet heranzuziehen, wodurch er alle Chancen für sich gewann. sagt Clausewitz , „ganz undenkbar gewesen ,
„ Es wäre “ ,
dafs Wittgenstein
*) Sie wurde ihm durch York am Mittag des 31. mitgeteilt.
mit
Die Konvention von Tauroggen.
58
23-24 000 Mann gröfstenteils erschöpfter Truppen über den Niemen gegangen wäre, wenn eine tüchtige Armee von 30 000 Mann, welche nicht im geringsten in die Katastrophe der grofsen Armee verwickelt war, dahinter oder hinter dem Pregel gestanden hätte.
Es ist die
höchste Wahrscheinlichkeit , dafs der russische Krieg vorläufig sein Ziel erreicht haben würde. " Und wie gestaltete
sich gar das Verhältnis in weiterer Folge,
wenn die Franzosen auch nur einige Wochen Zeit gewannen , sich zu erholen?
Sie konnten leicht auch in Napoleons Abwesenheit über
100 000 Mann aufbringen und
zwar folgende Truppen :
6000 Mann, Heudelet 10 000 Mann, Durutte (von
Grandjean
der Danziger Be-
satzung) 4000 Mann, Trümmer der grofsen Armee immerhin 10 000 Mann, die Preuſsen konnten durch die Truppen des Generals v. Bülow sofort auf 24 000 Mann gebracht werden ; dazu 22 000 Österreicher und 6000 Sachsen zusammen 82 000 Mann wohlorganisierter, gröfstenteils kriegsgewohnter Truppen.
Rechnet man dazu noch die.
Besatzungen der Festungen und die aus Polen und Preufsen zusammengerafften Reserven , 30 bis 35 000 Mann, so erhält man 112- bis 117 000 Mann .
Die Russen dagegen konnten zu einer weiteren Of-
fensive höchstens 70 000 Mann verwenden , und wie ist es glaublich, dafs der ohnehin so kriegsunlustige und zaudernde Feldmarschall Kutusof damit weiter vorgegangen wäre.
Wurde andererseits Wittgenstein geschlagen ,
kam es zum ern-
sten, erbitterten Kampfe, so blieben die Russen Feinde der Preussen , und diesen blieb nichts anderes übrig, als sich Napoleon ganz in die Arme zu werfen.
Was aber von diesem zu
erwarten stand , das zeigen am besten die Verhandlungen vom Januar 1813 , in welchen Napoleon zwar sehr grofse Anforderungen an Preufsen stellte , dafür aber nur ungemein wenig zusagte. Sein System , wie Häuſser das so glänzend ausgeführt hat , gestattete ständnisse.
ihm eben keine Zuge-
Noch gröfser als die direkten waren die mittelbaren und moralischen Folgen : der gewaltige Anstofs zu einem völligen Wechsel der preufsischen Politik und der ungeheuere Eindruck auf die Stimmung der Nation . Die Nachricht von der Konvention wurde in Preufsen, man kann wohl sagen in ganz Deutschland, mit grofser Freude, von der Armee mit Enthusiasmus aufgenommen , nur in den leitenden Kreisen nicht. Der König selbst schien dadurch sehr unangenehm berührt zu sein. Wie seine eigentliche Herzensmeinung war , wissen wir jetzt aus einem
sehr interessanten Dokument ,
einem
Briefe ,
welchen
Se .
Die Konvention von Tauroggen.
59
Majestät der Kaiser vor 10 Jahren an Pertz geschrieben hat und der in dessen Leben Gneisenau's abgedruckt ist. „ Der König , unser Vater " - so lautet die von Sr. Majestät ursprünglich mündlich mitgeteilte, dann aber auch schriftlich berichtigte Erzählung - "" war eben im Begriff, mit dem Kronprinzen, dem Prinzen Friedrich und mir seinen gewöhnlichen Nachmittagsspaziergang zu unternehmen, als gegen 3 Uhr Graf Henkel vor der Orangerie des neuen Gartens, in der das Diner eingenommen war, mit seinen Depeschen
(vom 26. Dezember)
der uns warten hiefs , Platzes
eintraf
und sofort von dem Könige,
demselben nach einer entfernteren Stelle des
zu folgen befehligt
wurde .
Ungefähr nach
einer halben
Stunde , welche Zeit wir in der äufsersten Spannung verbrachten , kam der König zurück und zwar mit einem Ausdruck der Befriedigung, den wir seit lange nicht an ihm bemerkt hatten und der uns um so mehr in Erstaunen setzte ,
als er mit der jetzt an uns und
die umgebenden Adjutanten und Gouverneure gerichteten Äufserung in offenem Widerspruche zu stehen schien . „Graf Henkel, sagte der König , hat mir eine schlimme Nach-
richt gebracht ; York hat mit seinem Corps kapituliert, und ist dasselbe also in russischer Gefangenschaft ; die Zeit von 1806 scheint sich wiederholen zu sollen. Wir waren wie versteinert. Der König aber befahl nun , während der Graf Henkel nach Berlin gesandt wurde, die Promenade anzutreten und erzählte uns während derselben, mit welchem Geschick und mit welcher Schnelligkeit General Diebitsch das Yorksche Corps mit starken Truppenmassen umgangen, ihm den Rückzug nötigt habe.
abgeschnitten
und
es so
zur Kapitulation ge-
„ Demungeachtet aber dauerte die gehobene Stimmung unseres Vaters sichtlich fort und verriet sich im Laufe des Tages noch durch einen andern kleinen Vorfall. Wir waren abends zu einem Ball beim Oberpräsidenten v. Bassewitz eingeladen , nach Eingang
einer so
Als der König
uns
hatten aber
beschlossen ,
schmerzlichen Nachricht nicht hinzugehen .
zu seiner Theestunde eintreten sah , fragte er:
ich denke , ihr geht zum Ball ? und als der Kronprinz angab, weshalb wir nicht gehen euch nicht abhalten sollen . wähnten heiteren
wollten , antwortete er :
den Grund das hätte
Diese Äufserung zusammen mit der er-
Stimmung ,
die
machte uns beide so verwirrt ,
den ganzen Abend
fortdauerte,
dafs wir nach dem Thee unsere
Gouverneure befragten, aber auch von ihnen ,
die
von dem wahren
Verhalt der Sachen keine Ahnung hatten , eine Erklärung nicht erhalten konnten.
Dagegen erzählten sie uns am andern Morgen von
Die Konvention von Tauroggen.
60
einem seltsamen Gerücht, das auf dem gestrigen Balle ausgesprochen sei und das natürlich nicht minder unglaublich klang, als die Kapitulation - dem Gerücht , York habe gar nicht kapituliert , sondern sei zu den Russen übergegangen
oder habe mit ihnen Frieden auf
Und in der That war dies die Auffassungsweise, in der sich durch verschiedene von Graf Henkel mitgebrachte und aus Unvorsichtigkeit sogleich verteilte Privatbriefe die Nachricht eigene Hand geschlossen .
von Yorks Entschlufs
sogleich in weiteren Kreisen verbreitet und
überall, namentlich auf dem Balle einen unverhehlten Jubel erregt hatte, welchen der König, obgleich innerlich ihn teilend , doch jetzt Vielmehr schien noch weniger als zuvor öffentlich verraten durfte. es, falls man nicht Frankreich voreilig reizen und namentlich seitens des Marschalls Augereau einen plötzlichen , Stadt , Land und Thron gefährdenden Gewaltstreich hervorrufen wollte , dringend notwendig, dafs der König seine (scheinbare) Mifsbilligung der Kapitulation sofort öffentlich und energisch ausspreche. Dies aber geschah bereits am folgenden Tage (3. Januar) in der Weise , daſs , als man sich (nach damaligem Dienst) um 11 Uhr zur Paroleausgabe beim Könige dieser in sehr ernstem Tone den Kommandanten ,
versammelte ,
Obristen v. Kessel, folgendermafsen anredete : Ich höre , dafs auf dem gestrigen Balle ganz falsche Nachrichten über das Yorksche Corps verbreitet worden sind . Ich allein habe die richtige Nachricht SorYork hat kapituliert und wird vor ein Kriegsgericht gestellt ! gen Sie dafür ,
dafs diese allein richtige Nachricht verbreitet werde
und jedes andere Gerücht verstummen müsse. „Gleich darauf indessen nahm der König seine heitere Stimmung wieder auf und Jedermann verstand , wie seine Worte gemeint gewesen seien , nur wir jugendliche Gemüter noch eine Weile nicht , bis auch uns nach und nach von unsern Gouverneuren das Geheimnis unter dem Siegel der Verschwiegenheit erklärt wurde. " Es sei hier auch noch gleich das schöne Zeugnis erwähnt, welches der König später, etwa im Jahre 1824 , dem General York ausgestellt hat. Es ist das eine eigenhändige Bemerkung zu dem damals erschienenen Werk von Ségur „Histoire de la grande armée" und lautet : „ Die That des General York wird dereinst in der Geschichte um so glänzender erscheinen, wenn man sie als Gegenstück zu den zahlreichen Beispielen so vieler Staatsmänner und Befehlshaber betrachtet, welche die ihnen übertragene Gewalt mifsbrauchten ,
indem sie
nur ihre eigenen Zwecke und Ideeen im Auge hatten, die sich aber, wo es auf Verantwortung ankam, hinter höhere Autoritäten flüchteten
Die Konvention von Tauroggen .
61
und ihre Fürsten Beschwerden blofsstellten , die zu vermeiden ihre Pflicht gewesen wäre . Diese Konvention bietet ein bedeutsames Beispiel, wie ein treuer Diener, durch die Umstände zu einem selbständigen Entschlufs gedrängt, seinem Könige die ihm anvertrauten Truppen und seinem Vaterlande die Vorteile Entscheidung
sichern ,
die
Nachteile
konnte, ohne weiter zu greifen ,
einer augenblicklichen
der
Verzögerung abwenden als ihm gebührte - indem , wenn
der von ihm gethane Schritt zurückgethan werden sollte , nichts erforderlich war, als ein einziges Opfer ,
wozu er sich selbst weihte,
auch in diesem Fall wie immer bereit, seine Treue mit seinem Leben zu besiegeln, wie er sie durch sein ganzes ruhmvolles Leben vorund nachher bewiesen hat. " Wenn also der König unangenehm berührt schien , so waren es andere hochgestellte Persönlichkeiten in der That . Man sah sich durch die Eigenmächtigkeit des Generals in eine schwere Verlegenheit gebracht. Der richtige Augenblick zu einem Wechsel der Politik schien noch nicht gekommen zu sein. Und wenn er wirklich da war, durfte dann ein General auf seine Hand die Entscheidung herbeiführen ? - Man erkannte in Berlin weder die Folgen des Unterganges der grofsen Armee noch die Folgen , welche Yorks Austritt aus der Reihe der Fechtenden auf die weitere Kriegführung haben mufste. Konnte General Krusemark, der Augenzeuge des fürchterlichen Rückzuges, noch von Wilna aus , wo die Trümmer der grofsen Armee den elendesten Bettlern gleich in Lumpen gehüllt und den Stab in der Hand hereinwankten , einen solchen Brief schreiben, wie darf man sich wundern, dafs in Berlin die richtige Einsicht fehlte ? Dafs übrigens die That des Generals York zum Schein verurteilt wurde , war natürlich , war durchaus notwendig. Befand sich doch der König und die Regierung in der Gewalt der Franzosen , und ist es wohl nur der unbegreiflichen Verblendung des plumpen Augereau zuzuschreiben , dafs der König am 25. Januar ungehindert nach Breslau abreisen konnte . So wurde denn Oberstlieutenant von Natzmer mit Befehlen abgeschickt, welche York des Kommandos entsetzten und vor ein Kriegsgericht stellen sollten.
Da Natzmer diesen
Zweck seiner Sendung bei den russischen Vorposten angab , wurde er nicht durchgelassen , wohl aber wurde ihm gestattet , ein
eigen-
händiges Schreiben des Königs an den Kaiser Alexander persönlich zu überbringen. -Andererseits hat die öffentliche Meinung es immer als eine unbegründete Härte betrachtet, und York selbst hat es bitter empfunden dafs er auf seine Rehabilitierung ohne ein Zeichen der Anerkennung über zwei Monate warten musste. Die
Die Konvention von Tauroggen.
62
eigentliche Rehabilitirung
fand am 11. März statt durch folgenden
Parolebefehl des Königs an die Armee : " Nachdem Ich durch die von dem Generallieutenant v. York eingereichte Rechtfertigung der mit dem Kaiserlich russischen General v. Diebitsch abgeschlossenen Konvention
und durch das Urteil der
zur Untersuchung dieser Sache von Mir ernannten Kommission Mich . vollständig überzeugt habe , dafs der Generallieutenant v. York wegen jener Konvention in jeder Hinsicht ganz vorwurfsfrei ist und zu ihrer Annahme nur durch die Umstände, welche der verspätete Abmarsch des 10. Armeecorps aus seiner Stellung vor Riga veranlafste , durch die gänzliche Trennung des 10. Armeecorps in sich und durch die in jener kritischen Lage sehr vorteilhaften Bedingungen der ihm angetragenen Konvention bewogen worden ist - so mache Ich solches der Armee hierdurch mit dem Beifügen bekannt , dass ich den Generallieutenant v. York solchemnach nicht nur in dem Kom⚫ mando des ihm untergebenen Armeecorps bestätiget , sondern ihm zum Beweise Meiner Zufriedenheit auch den Oberbefehl über die Truppen des Generalmajors von Bülow übertragen habe. " Gewifs war das eine glänzende Genugthuung , aber es scheint -doch fast, als wenn York auch jetzt noch 12 Tage nach Abschlufs des Vertrags von Kalisch - den Franzosen gegenüber gerechtfertigt werden sollte, denn sein Verfahren wird nur als ein Akt der Zweckmässigkeit aus militärischen Rücksichten hingestellt, was gewifs nicht zutreffend war. Vom rein militärischen Standpunkt aus läfst sich die Kapitulation durchaus nicht rechtfertigen und es
würde damit.
auch die eigentliche Gröfse der That wegfallen . Die Behauptungen Unberufener, York habe nur nach Instruktion Nach allem, gehandelt , hat Droysen ausreichend zurückgewiesen .
dafs
er ganz und gar
Was sein Verhältnis zu Macdonald betrifft ,
so sei hier noch
was wir wissen , können wir nur annehmen , auf eigene Hand gehandelt hat.
einmal wiederholt ,
dafs
wir
kein Recht zu der Annahme
York habe sich nur durch seinen Groll lassen ;
es
wäre
Zweck gewesen.
haben,
gegen den Marschall leiten
das ein ungeheueres Mittel für einen
kleinlichen
Im Gegenteil wies er alle Zumutungen der Russen ,
den Marschall gefangen
zu nehmen
fechten , entschieden zurück .
oder gegen die Franzosen zu
Dagegen ist es aber wohl denkbar, daſs
ein freundlicheres Verhältnis zwischen beiden ,
an Yorks Stelle ein
Mann von ähnlichem Charakter wie Macdonald , eine wahre Ergebenheit gegen die Person des Vorgesetzten dieses merkwürdige Ereignis doch vielleicht nicht zugelassen hätten.
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
63
Wie der König , wie die Nation über die französische Gewaltherrschaft dachten, das wufste York.
Ebenso wufste er aber auch,
welche Abneigung man in Berlin gegen jeden plötzlichen Wechsel der Rollen haben würde, gegen jedes Auftreten mit äusserster Energie. Er musste durchaus darauf gefafst sein, dafs sein Verfahren gemifsbilligt, vielleicht sogar entschieden
verdammt werden würde .
Und
dabei hatte man ihn auf seine wiederholten direkten Anfragen ohne jeden Bescheid gelassen wollte man ihn nicht im Notfall als Opfer vorschieben ?
Es
war wahrlich keine
blofse Redensart von
ihm, wenn er am Abend des 29. sagte : „ mir wackelt der Kopf auf den Schultern. " Wenn also General York unter solchen Umständen ganz allein auf seine Verantwortung
einen
Entschlufs ausführte ,
welcher die
preufsische Politik in die entgegengesetzte Richtung fortreifsen sollte und musste, so war das eine der kühnsten, wahrhaft grofsen Handlungen, wie sie je in der Geschichte vorgekommen ist. Deshalb Ruhm und Ehre seinem Andenken !
IV .
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. Von
L. Sander , Oberst z. D.
Einleitung .
Für die Geschichte des
preufsischen Ingenieur-
corps hatten wir seit jeher eine lebhafte Teilnahme empfunden ; insonderheit war es das Verhältnis Friedrichs des Grofsen zu demselben, worein wir einen genaueren Einblick thun mochten, umsomehr, da wir mehrere ältere Festungen kennen lernten , in deren Gestaltung die persönlichen Anschauungen des grofsen Königs den entschiedensten Ausdruck gefunden hatte . Dazu leistete uns die seit dem Jahre 1877 erschienene Geschichte des Ingenieurcorps und der Pioniere in Preufsen von dem Generalmajor v. Bonin die trefflichsten Dienste. auch weitergehende Eindrücke
bei
uns
Dieses Studium hat aber hinterlassen ,
die wir nun,
64
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
angeregt durch die seitdem
zu unserer Kenntnis gekommenen Auf-
sätze über Organisation des Ingenieurcorps , hier wiederzugeben versuchen wollen . Wir bringen zu diesem Behuf zunächst Geschichtliches , knüpfen daran eine Prüfung des Geschehenen und legen
endlich als unsere
Folgerung daraus die Erfordernisse für etwaige fernere Änderungen in der Organisation des Ingenieurcorps dar. I. Geschichtliches . Bei dem uns vorliegenden glauben wir nicht fehl
zu gehen ,
Zweck
wenn wir unserer ursprünglichen
Neigung folgend in den geeigneten Fällen vorzugsweise bei den Zeiten Friedrichs des Grofsen verweilen , und der vorhergehenden , sowie der nachfolgenden überhaupt nur vervollständigend gedenken. Wir beginnen mit der Art und Weise , den Ersatz für das Ingenieurcorps zu schaffen, unter welch letzterem wir immer auch den Kreis
der Persönlichkeiten verstehen wollen ,
welche
den für
Kriegszwecke nach heutiger Anschauung erforderlichen Ingenieurdienst thaten. Vor dem Kurfürsten Friedrich III. hatte man sich nach Bedarf mit Anwerbungen begnügt ,
welche meist im Auslande geschahen .
Seitdem ist schon eine gröfsere Regelmässigkeit darin dafs man neben den vorzugsweise beliebten ,
für
zu erblicken ,
das Fach einiger-
mafsen vorgebildeten und empfohlenen Ausländern
auch geeignete
Offiziere aus der Infanterie oder Artillerie verwendete und im übrigen Civil-Bauverständige annahm. So blieb es auch unter Friedrich dem Grofsen ,
unter welchem
der Zutritt von Ausländern sofort einen lebhaften Zug annahm .
Bei
Beginn des siebenjährigen Krieges wurde freilich befohlen , dafs alle bis dahin bei den nunmehr eingestellten Staatsbauten beschäftigt gewesenen jungen Leute ,
welche
das Baufach erlernt hatten , bei der
Artillerie oder bei den Ingenieuren eintreten sollten . Nach dem Kriege fand aber eine noch vermehrte Heranziehung von Ausländern statt. Es wird jedoch auch von Aspiranten berichtet ,
welche der König
nach vorangegangener Prüfung gewöhnlich selbst angenommen habe. Die Anschauungen desselben in diesen Beziehungen möchten darin zu erkennen sein, dafs er dem mit Beschaffung des nötigen Zuwachses für das Ingenieurcorps beauftragten Juni 1781
schreibt ,
Oberstlieutenant
er wolle keine jungen Leute ,
v. Haab im
sondern solche
haben , die etwas verstehen und die er gleich als Kapitäns anstellen könne , ein Modus , zu welchem er sich übrigens auch gelegentlich eines Briefes schon im Jahre 1764 bekannt haben soll. Nach Friedrich dem Grofsen wurden
die Ersatzverhältnisse des
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
65
Ingenieurcorps bald mit denen der übrigen Offiziercorps in Übereinstimmung gebracht. Die Fürsorge für die Ausbildung betreffend kann man nicht behaupten ,
dafs
dieselbe ganz und gar gemangelt hätte , denn schon
seit dem Kurfürsten Georg Wilhelm wurden mehrfach junge Leute, die etwas versprachen , älteren erprobten Ingenieuren zur Ausbildung in Theorie und Praxis überwiesen . Reisen in fremden Ländern sollten
dann das
weitere bewirken .
Friedrich Wilhelm I. ordnete
aufserdem zu diesem Zwecke häufige Versetzungen an. auf Ausbildung im Feldkriege bedacht, liefs daneben aufser Offizieren aller Waffen wiederholt auch Ingenieure Friedrich der Grofse ,
bei fremden Armeeen an Feldzügen teilnehmen .
In seinen späteren
Regierungsjahren nahm er dann für die Ausbildung von Ingenieuren noch einen besonderen Professor in seinen Dienst. Die Anbahnung einer systematischen Ausbildung der Ingenieure ist aber erst unter Friedrich Wilhelm II. anzunehmen, unter welchem im Jahre 1788 die Errichtung erfolgte .
einer Ingenieurakademie in Potsdam
Dieselbe wurde zwar durch die unglücklichen Kriegsereig-
nisse von 1806/1807 mit verschlungen und die Ingenieure waren zeitweise auf den Besuch der im Jahre 1810 in Berlin mit besonderen Kursen für Ingenieure und Artilleristen errichteten allgemeinen Militärakademie beschränkt, dafür trat dann aber im Jahre 1816 in Berlin die vereinigte Artillerie- und Ingenieurschule ins Leben.
Den
Organisationsveränderungen bei derselben haben wir hier nicht weiter
zu folgen. Behufs Darstellung des Verhältnisses der Ingenieure zur Armee heben wir etwas aus Dienst, Rangierung und Besoldung derselben heraus . Von Anfang an ist nicht das Festungsbauwesen allein der eigentliche Dienstzweig
der Ingenieure gewesen ;
sie fanden vielmehr bei
den Ausführungen aus dem Gebiete der Technik überhaupt die mannigfaltigste Verwendung. Daneben waren ihnen die damals nur geringen Geschäfte
des heutigen
grofsen Generalstabes übertragen.
Im Kriegsfalle wurden einer Armee und vor Festungen dem Angriffscorps auch Ingenieure beigegeben . Die Trennung des Militär- und Civil-Bauwesens und somit auch der Ingenieure dafür, ordnete Friedrich Wilhelm I. bald nach seinem Regierungsantritt zwar an , führte sie aber nicht vollständig durch. Unter Friedrich dem Grofsen änderte sich in diesen Beziehungen im allgemeinen nichts .
Dazu finden wir, dafs den Ingenieuren nun-
mehr auch bei den militärischen Operationen im Verein mit den Ad5 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
66
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps .
jutanten des Königs die Generalstabsgeschäfte zufielen.
Für die tech-
nische Truppe schien mit der im Jahre 1742 befohlenen Errichtung eines Pionierregiments , zu welchem fast ausschliesslich Ingenieuroffiziere traten, einen Aufschwung nehmen zu sollen . Dasselbe wurde indes schon zu Anfang des siebenjährigen Krieges seinem ursprünglichen Zweck wieder entzogen und in ein Füsilierregiment verwandelt.
Es gab alsdann wieder nur Pontoniere und Mineure mit ihren eigenen Offizieren . Den Pontonieren verblieb ihr bestimmt abgegrenzter Dienst des Brückenschlages, während den Mineuren, da es besondere Sappeure nicht gab ,
vorzugsweise die Belagerungsarbeiten und der Artillerie die Feldverschanzungen zufielen. Erst seit Friedrich Wilhelm II. trat
eine schärfere Begrenzung
des Dienstes der Ingenieure ein ; insonderheit wurden durch das im Februar 1790
erschienene Ingenieurreglement die Verhältnisse
des
Ingenieurcorps überhaupt, der Geschäftsgang innerhalb desselben und seine Stellung zur Armee ausführlich bestimmt. Pontoniere und Mineure blieben noch davon getrennt ; letztere wurden aber im Kriege gegen Frankreich 1792/93 zu allen Arten von Pionierarbeiten verwendet. Die Verbindung der technischen Truppe unter dem Namen Pioniere , welche in verhältnismässigen Teilen Pontoniere , Mineure und nun auch Sappeure in sich begreifen sollten, mit dem Ingenieurcorps geschah aber erst infolge der Kabinetsordre vom 4. November 1809 ,
betreffend die Reorganisation des Corps , worüber bereits
seit dem Jahre 1807 Beratungen
stattgefunden
erst im Jahre 1816 planmäfsig ins Leben trat.
hatten ,
die jedoch
Die den Ingenieuren
seitdem beim Festungs- und Militärbau überhaupt, sowie andernteils bei den Pionieren bekannter voraus .
obliegenden
Dienstverrichtungen setzen wir als
Militärische Rangbezeichnungen scheinen sich allgemein erst unter Friedrich Wilhelm I. herausgebildet zu haben ; ein regelmäfsiges Aufsteigen zu höheren Rangstufen aber auch da noch nicht . In den früheren Zeiten hatten zuerst die vereinzelt vorkommenden Generalquartiermeister und Chefs letztere Bezeichnung für
der Ingenieure und Kondukteure ,
welch
die jüngsten Ingenieurdienst thuenden Per-
sönlichkeiten aufkam, einen ausschliesslich militärischen Rang.
Sonst
wurden wohl nur die als Offiziere bezeichnet , welche als solche aus anderen Waffen der eigenen waren.
oder aus fremden Armeeen eingetreten
Friedrich der Grofse beliebte bei den Beförderungen unter den Ingenieuren grofse Unregelmässigkeiten , und für den grofsen Teil der weniger
Glücklichen war das
Avancement in der zweiten
Hälfte
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps . seiner Regierungszeit in der That sehr langsam.
67
Einem anfangs sehr
begünstigten Fremdling antwortete er auf eine diesfällige Klage noch in seinem letzten Lebensjahre : „ es werde schon alles kommen , wie es sich mit dem Avancement schicke ; die Ingenieure rangierten nicht mit den
anderen
Offizieren
der Armee."
Die
leitenden
Offiziere
bei den Festungsbauten wählte der König selbst aus und gab ihnen eine Anzahl jüngerer Offiziere zur Unterstützung bei ; ein sonstiges Verhältnis , wie zwischen direkten Vorgesetzten und Untergebenen gab es im Ingenieurcorps nicht. bei der Artillerie
Die Pontoniere wurden auch fortan
als Unterstab geführt ,
wie das namentliche Verzeichnis
und die Offiziere ,
derselben
offizierstande hervorgegangen waren ,
zeigt ,
nicht als
aus dem Unter-
gleichberechtigt mit
den anderen Offizieren der Armee , ihre Stellung vielmehr subalterne angesehen . zieren ,
welche ,
als eine
Ähnlich verhielt es sich mit den Mineuroffi-
obwohl sich mehrere unter den älteren persönlich einer an-
gesehenen Stellung erfreuten . Wie sich in dieser Beziehung die Verhältnisse weiterhin änderten , darüber können wir uns füglich auf das beziehen, was zuvor in betreff des Dienstes angeführt ist, und wollen nur nachholen, dafs Friedrich Wilhelm II.
schon
in seiner Verordnung vom
17. Juni 1787
aus-
sprach : "" Höchstdieselben wollten auch das Avancement, welches eine billige Belohnung treu geleisteter Dienste sei , nung im Corps fortgehen lassen. "
in der gröfsten Ord-
Im Punkte der Kompetenzen der Ingenieure herrschte lange Zeit eine den angeführten Verhältnissen entsprechende Unsicherheit . gab offenbar gar keinen Etat ,
Es
vielmehr wurden jene für jeden Fall
besonders festgestellt, auch bei besonderen Aufträgen häufig Remunerationen zugesichert, jedoch nicht immer pünktlich bezahlt . Friedrich der Grofse erhöhte schon vor dem siebenjährigen Kriege die Gehälter der Ingenieuroffiziere etwas . Günstlinge erhielten Zulagen und den leitenden Ingenieuren wurden, wie den Kommandanten in den Festungen, verschiedene Nutzungen (Gras, Fischerei u. s . w.) gewährt . Die Gehälter blieben aber lange Zeit unverändert und waren schliefslich geringer als diejenigen Armee.
der anderen Offiziere der
Unter Friedrich Wilhelm II. trat auch in dieser Beziehung eine günstige Wendung ein, so zwar, dafs die sämtlichen Gehälter der Ingenieure
nahezu verdoppelt wurden .
weiterhin gesetzlich geregelt ,
Das System der Bauzulagen ,
erhielt sich noch lange , während das-
jenige der Nutzungen durch eine Kabinetsordre vom 17. März 1809 beseitigt wurde, wonach die Nutzung der Festungsgrundstücke künftig 5*
68
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
lediglich für Königliche Rechnung geschehen sollte. Reorganisation von 1816
aufgestellten Etat
In dem bei der
endlich waren den ein-
zelnen Rangklassen der Ingenieuroffiziere die etwas höheren Gehälter der Kavallerie zugebilligt lich 5 Thaler mehr.
und den Sekondelieutenants sogar monat-
Zur weiteren Beleuchtung des bisher Erwähnten wird es dienen , wenn wir noch etwas
darüber bringen ,
was
man die
eigentliche
Stimmung den Ingenieuren und deren Dienst gegenüber nennen könnte, sowohl seitens der Vorgesetzten vom obersten Kriegsherrn herab, als auch seitens der übrigen Kameraden der Armee. Die Art der Kriegführung zwar Anlaſs
zu
einer Reihe
des Grofsen Kurfürsten war ,
ob er
von Angriffsoperationen gegen feste
Städte und Festungen hatte, der Einführung des Vauban'schen regelmässigen Angriffs nicht günstig. Friedrich Wilhelm I. bekundete gelegentlich des Falles der beabsichtigten Unterdrückung der von einem Ingenieuroffizier geschriebenen Broschüre über Fortifikation eine gewisse Liberalität .
Er be-
merkte, dafs das Schreiben und Druckenlassen nicht verboten wäre ; er fände darin
auch gar nichts ,
wenn sie
nur nichts von
seinen
Sachen und von seinen Festungen berichteten und bekannt machten. Im übrigen finden wir überliefert, dafs sich der König nicht nur mit den Verhältnissen seiner jungen Ingenieuroffiziere, sondern auch mit den Festungen auf das eingehendste beschäftigt habe .
Er hinterliefs
denn auch seinem Nachfolger ein zwar nicht zahlreiches, aber ziemlich geordnetes Ingenieurcorps . Friedrich der Grofse fand infolge des Beginnens des ersten schlesischen Krieges bald nach seinem Regierungsantritt nicht die Zeit, sich den Organisationsfragen des Ingenieurcorps und dem Baudienst eingehender zu widmen .
Die Unternehmungen gegen Festungen zeigen
uns sodann die Ingenieure nicht mitbeteiligt bei Bearbeitung der erforderlichen Dispositionen.
Dem zweiten schlesischen Kriege folgte die
eifrige Fortsetzung der früher begonnenen Umbauten der schlesischen Festungen.
Der König legte nun zwar ein grofses Gewicht auf das
Studium der Fortifikation , fanterie empfahl ,
indem er es auch den Offizieren der In-
und auf die Ingenieure war er übrigens bemüht ,
belehrend einzuwirken ; die Leitung des Festungsbauwesens und der übrigen Arbeiten der Ingenieure hatte er aber schon seit dem Kriege allmählich, selbst in die Hand genommen , genieuroffiziere
zu
seiner Unterstützung
würfe und deren Ausführung unterhielt den Kommandanten ,
wobei
heranzog .
er nur einige InÜber
die Ent-
er einen Schriftwechsel mit
und nur in dem Falle ,
wenn der leitende In-
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
69
genieuroffizier sein besonderes Vertrauen genofs , direkt mit diesem . In dem
nun folgenden
siebenjährigen Kriege war
nicht minder vor Festungen Erfolge verbunden.
als im freien Felde
Namentlich in den Fällen
der Kampf wohl mit wechselndem
des
Mifsgeschickes
war dann der König , um es kurz zu sagen, stets geneigt, die Schuld auf die Ingenieure zu schieben . meist eine nur
Im Feldkriege war ihnen überdies
subalterne Stellung
technische Leistung überlassen .
angewiesen
und ausschliesslich
Wenig werden sie da trotz der aus-
gedehntesten Verwendung besonders genannt, aber immer mehr tadelnd als anerkennend. entwürdigend .
Die Äufserungen
des Königs sind mitunter sogar
Nach dem siebenjährigen Kriege trat der Festungsbau
wieder in seine Rechte, wobei es uns nicht verwundern kann , wenn die direkte Leitung wurde.
durch den König nun noch weiter ausgedehnt
Es geschah dies in der Art, dafs derselbe die Gouverneure
und Kommandanten mehr überging und fast nur direkt mit den bauleitenden älteren Ingenieuroffizieren verkehrte .
Schliefslich
ist hier
noch der für die damalige Zeit bedenkliche Umstand zu erwähnen, dafs der König dem Ingenieurcorps wie der Artillerie und den Husaren gestattete , Bürgerliche als Offiziere aufzunehmen, und sogar dementsprechend einige Versetzungen aus der Infanterie und Kavallerie vornahm. Dafs darauf unter Friedrich Wilhelm II. mung für die Ingenieure entstand ,
geht
eine günstigere Strö-
schon aus alledem hervor,
was oben aus dieser Zeit berichtet ist, und es möge nur noch darauf hingedeutet werden , dafs der früheren Anschauung entgegen nunmehr geraume Zeit der Grundsatz festgehalten wurde, dafs die Eleven der Ingenieurakademie adeliger Abkunft sein mufsten. Leider waren die kommenden Ereignisse
der
Festigung des Ingenieurcorps
auf der
Bei dem Reorganisationsplan von nicht günstig . 1809 hatte man nun zwar die Grundidee, das Ingenieur- und Pioniercorps zu einem Elitecorps zu machen und mit dem Generalstab auf neuen Grundlage
gleichen Fufs zu stellen , allein nun waren es wieder die glücklichen Kriegsereignisse von 1812 bis 1815 und die mit denselben zur Geltung gekommenen Personen, welche jene Idee in Vergessenheit kommen liefsen. Dafs die Ingenieure bei der Armee nur in geringer Achtung gestanden hätten, darüber finden wir direkte Beweise eigentlich nicht vor. Indessen kann man darüber kaum Zweifel hegen , wenn man das
üble
Verhalten
einiger Persönlichkeiten
schon seit Friedrich
Wilhelm I. und später die ganze Behandlungsweise unter Friedrich dem Grofsen in Betracht zieht. Es wird uns ferner gelegent-
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
70
lich der Reorganisationsbestrebungen
nach
dem
Kriege von 1806
-1807 durch einen Ausspruch des bei jenen mehrfach beteiligten Gneisenau bestätigt , wonach die Mitglieder des Ingenieurcorps bis dahin bei den übrigen Teilen der Armee in Nichtachtung gestanden hätten ;
nicht
zu gedenken der
offiziellen
für
den
Generalmajor
v. Scharnhorst von dem Ingenieurmajor Pullet angefertigten Denkschrift , worin sich der letztere über die Zurücksetzung und Gleichgültigkeit beklagt , würde.
mit welcher das Corps in der Armee behandelt
Wie verhält es sich nun bei alledem mit der damaligen ganzen Haltung des Ingenieurcorps und welche hatte es aufzuweisen ?
Leistungen
Die Zeiten vor Friedrich dem Grofsen lassen, was zunächst die Integrität der Ingenieure anbetrifft, dieselbe mehrfach in einem zweifelhaften Lichte erscheinen, und nachdem man unter Friedrich Wilhelm I. zu einer strafferen militärischen Organisation des Ingenieurcorps übergegangen war, folgten in demselben zahlreiche schwere Bestrafungen und Excesse, welche anscheinend zumeist in subordinationswidrigem Verhalten begründet gewesen sein
sollen .
Die Fachleistungen bei
den verhältnismäfsig zahlreichen Festungsbauten, zu welchen freilich in einigen Fällen Ausländer herbeigezogen wurden, waren immerhin ansehnlich genug.
Daneben wurden schon im 17. Jahrhundert von
einheimischen Ingenieuren Werke schanzungskunst geschrieben .
über Kriegsbaukunst bezw. Ver-
Auch darf wohl nicht übergangen wer-
den, dafs der Czar Peter der Grofse , angezogen von dem Rufe der brandenburgischen Ingenieure , sich von dem Kurfürst Friedrich III . einige gute Ingenieure ausbat.
Wie dies alles unter dem grofsen König gewesen sei , dies zusammenfassend gerecht zu beurteilen , erscheint uns nicht wenig schwierig. Begründet finden wir dies zumeist in dem nun blühenden System, Ausländer herbeizuziehen, unter welchen sich viele befanden , welche lediglich des materiellen Vorteils willen mehr als Abenteurer in preussischen Dienst gingen. men der Ingenieuroffiziere
Freilich führte das geringe Einkom-
schliefslich auch allgemeiner zu eigen-
nützigen Handlungen gelegentlich des Festungsbaues . lichen
Fachleistungen
müssen
ders betrachtet werden.
die
Von den eigent-
verschiedenen Branchen beson-
Im freien Felde
schlofs die Kriegführung
des Königs
eine sehr merklich hervortretende Thätigkeit der Ingenieure lange Zeit überhaupt aus , und wo die Umstände dazu angethan waren , wie zeitweilig im siebenjährigen Kriege , mangelt es , wie schon bemerkt, sehr an diesfälligen näheren Angaben. Die Er-
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps . folge im Festungskriege , genieure
gestellt werden
soweit
sie
müssen ,
allein
auf Rechnung
71 der In-
sprachen im ganzen nicht ent-
schieden zu Ungunsten derselben, und es sind mehrfach Beweise von richtiger Erkenntnis der Sachlage, sowie einer geschickten Benutzung Bei der Anlage von der lokalen Verhältnisse zu verzeichnen. Festungen hatten die Kriegsbaumeister
des Königs
zwar nur die
Ideeen desselben zur Ausführung zu bringen, doch können wir nicht umhin , in
ihnen gerade hierbei einiges Verdienst nachzurühmen.
Was
dieser Beziehung noch besteht und einer genauen Beurteilung
unterzogen werden kann, wird dem gewifs nicht widersprechen . Die Ausländer aber haben mit Ausnahme des schon seit 1748 wegen Verdachts von Verräterei durch Gefangensetzung beseitigten Walrawe nur geringen Anteil hieran . Auch als Schriftsteller haben sich Friedrichs Ingenieure versucht. Abgesehen von Lefebvre's Memoire über Minierkunst und sein Buch über Fortifikation schrieb auch v. d. Lahr eine vortreffliche Abhandlung über Minen, und verfafsten noch zwei andere Deutsche
eine Abhandlung über Festungsangriff , bezw. ein
Werk über Winterpostierungen. nahmearbeiten ,
welche
Ein
anderer
erfand bei den Auf-
schon früher zu dem Thätigkeitsgebiet der
Ingenieure gehört hatten ,
eine neue bahnbrechende Darstellungsart.
Die von Friedrich Wilhelm II. getroffenen , oben erwähnten Organisationsveränderungen vermochten nicht durchweg die vorhandenen Übelstände zu begleichen .
Infolge des Umstandes, daſs die Ingenieur-
offiziere früheren Bestimmungen entgegen stets eine lange Reihe von Jahren in ihren Garnisonen standen ,
verheiratete
Teil, namentlich der jüngeren Offiziere sehr früh.
sich ein grofser
Dem System, sich
durch Beteiligung an Leistungen beim Festungsbau Vorteil zu verschaffen, soll noch bis zu Ende jenes Jahrhunderts nicht entsagt sein. Es fand sich ferner wieder 1804 das Ingenieurdepartement veranlafst zu rügen, dafs die jüngeren Offiziere sich häufig Ausschreitungen und Dienstvergehen zu Schulden kommen liefsen. Ein vollständiger Umschwung in diesen Beziehungen wurde durch die bald eintretende Reorganisation herbeigeführt. pfiehlt
es sich auch seit
zu betrachten.
Die Fachleistungen der Ingenieure em-
der hier zu besprechenden Zeit gesondert
Bezüglich der Thätigkeit im freien Felde kann uns
der Krieg gegen Frankreich 1792/93 nur veranlassen, zu wiederholen , dafs damals die Mineure zu allerlei Pionierarbeiten verwendet wurden. 1806/7 kam es bei den herrschenden Armeezuständen gar nicht erst zu einer Thätigkeit der Ingenieure, vielmehr scheint es, als ob deren Anwesenheit gänzlich in Vergessenheit geraten wäre. zügen von 1812 bis 1815 ist wieder
In den Feld-
eine nutzbringende Thätigkeit
72
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
der Ingenieure zu bemerken .
Wenn man aber nach genaueren Nach-
richten darüber sucht, so sind es fast nur die provisorischen Befestigungen bei dem Feldzuge 1813 in Schlesien , der Mark und Sachsen, worüber dergleichen zu finden sind, wogegen es bei der eigentlichen Feldthätigkeit sowohl
in den kriegsgeschichtlichen Werken ,
den Berichten der Truppen daran mangelt.
als in
Die darauf folgende , fast
die ganze erste Hälfte des Jahrhunderts andauernde Friedensperiode war für Ingenieure
und Pioniere nicht günstig ,
um ihre im freien
Felde zu leistenden Dienste, wie man es nach Vollendung der Reorganisation von 1816 wohl hätte Licht zu stellen .
erwarten sollen ,
in das gehörige
Im Festungskriege zeigten sich die Ingenieure jenes
Zeitraums ihrer Aufgabe wohl gewachsen . ist ein Zeugnis dafür
Vor dem Krige 1806/7
die viermonatliche Belagerung von Mainz im
Winter 1792/93 und die Abwehr des französischen Angriffs gegen Wesel 1794 ; in dem unglücklichen Kriege selbst aber vor allen die ruhmreiche Verteidigung von Danzig.
Im
übrigen litten ja im all-
gemeinen damals die älteren Ingenieure in den Festungen an ähnlichen Mängeln der Tüchtigkeit, wie die Gouverneure und Kommandanten.
Der Aufschwung seit 1813
diesem Gebiet ,
übte seinen Einfluss auch auf
wie die Erfolge bei den nun bald erforderlich wer-
denden Belagerungen und die den Ingenieuren dafür zu teil gewordenen Auszeichnungen beweisen . Im Festungsbau selbst trat seit Friedrichs des Grofsen Tode mit dem Bemühen , die im gesamten Ingenieurwesen erkannten Schäden zu verbessern , vorläufig zugleich eine Pause ein .
Nach den Freiheitskriegen
erkannte man
bei
der
ganz veränderten ungünstigen Gestaltung des Staatsgebietes die Notwendigkeit, die Landesverteidigung durch Festungen zu unterstützen, und ging auch bald mit deren
Neuanlage und Verstärkung vor.
Es entwickelte sich dabei bis zu den dreifsiger Jahren die bekannte neue preufsische Befestigungsmanier , welche bis zur Einführung der gezogenen Geschütze in Preufsen die Norm blieb und auch im Auslande vielfach nachgeahmt wurde. hier noch des schon oben
erwähnten
Rühmenswert wäre
in der Hauptsache
von dem
Generalmajor v. Regler des Ingenieurcorps verfafsten Ingenieurreglements zu gedenken , welches, 1790 herausgegeben, noch jetzt in vielen Punkten als Grundlage bei Entscheidung zweifelhafter Fälle angesehen wird; ferner auch des Umstandes , dafs von 1810 ab mehrere Ingenieuroffiziere bei den damaligen Militärbildungsanstalten als Lehrer dienten. II. Prüfung der Resultate in den dargestellten Perioden und seitdem. Die Periode von Friedrich dem Grofsen
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. schnitt, wie wir gesehen haben ,
73
in Bezug auf Ingenieurverhältnisse
zwar im ganzen noch günstig genug ab, jedoch übergehen wir dieselbe , weil das Bedürfnis eines Ingenieurcorps in der Armee damals den mafsgebenden Kreisen wohl noch nicht zur vollsten Erkenntnis gekommen war.
Dem grofsen König war es von vornherein offenbar ,
dafs
er
namentlich zur Verteidigung und Behauptung des Gebietes , welches er seinen Staaten wieder zuzufügen gedachte , Ingenieure sehr nötig haben werde . Man müfste deshalb wohl auch annehmen , dafs er das, was geschah , für ausreichend hielt, um ein Ingenieurcorps , welches seinen Ansprüchen genügen würde, heranzuziehen und zu unterhalten. so wenig wie zur Sicherstellung des
Wir haben nun gesehen , dafs
Ersatzes für dasselbe , als zur regelmässigen Ausbildung des letzteren Einrichtungen bestanden. Die Fortbildung der jüngeren Ingenieuroffiziere durch die älteren gelegentlich des Dienstes war durch die ganze Art des Betriebes und dafür festgesetzte Einrichtungen ebenfalls nichts weniger als gewährleistet .
Das Beste noch meinte wohl
der König selbst zu thun, indem er die Ingenieure über seine eigenen So diktierte er im ihr Fach betreffenden Anschauungen aufklärte. Breslauer Winterquartier 1758 den Feldingenieuren eine struktion.
eigene In-
Die Festungskommandanten erhielten als Ergänzung ihrer
Instruktionen spezielle Vorschriften über die Verwendung der Truppen, Aufstellung von Besetzungsplänen , Verhalten beim feindlichen Einfall in Schlesien, sowie bei wirklichen Belagerungen selbst , also solche, auch den Ingenieuren zu gute kommen sollten . Es wurde.
welche
auch schon im Jahre 1752 eine gröfsere Belagerungsübung angeordnet, um Offiziere und Truppen im Festungskriege aber könnte zur Begleichung
zu üben .
Vor allen
der erwähnten Mängel die eingehende
Weise geeignet erscheinen, mit welcher sich der König in den Zeiten, wo ihn die Kriegführung nicht abzog , auch dem Festungsbau widmete, und, wie wir gesehen haben, zuerst mit den betreffenden Kommandanten und späterhin mit den nach seiner Wahl angestellten bauleitenden Ingenieuroffizieren in direkten Schriftverkehr trat. Dennoch gelang es den Ingenieuren nicht, sich die Zufriedenheit ihres obersten Kriegsherrn zu erwerben !
Aus
dem Feldkriege
hören wir darüber
fast gar nichts ; im Festungskriege geschah es wenigstens in einzelnen Fällen ; noch mehr, wie es scheint, im Festungsbau . In der Armee gewannen die Ingenieure ebenfalls keine Achtung, wobei indes das unverschuldete Verhalten der abenteuernden Ausländer in Betracht zu nehmen ist. Ob
man seit Friedrich Wilhelm
II.
zunächst
die klare An-
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
74
schauung von der Notwendigkeit eines Ingenieurcorps in der Armee , und zwar eines gediegenen , hatte, möge dahingestellt bleiben . Wenigstens wandte man sich einem damit
übereinstimmenden System zu .
Die Einrichtungen , welche man demnach traf,
und welche wir oben
erwähnt haben , bewährten sich aber unter der Nachwirkung der früheren Zustände nicht alsbald und befähigten das Ingenieurcorps um so weniger, den Ereignissen von 1806/7 gewachsen zu sein , als die damaligen Anschauungen den Wert der Festungen gänzlich verläugneten , Armee
und verkehrter Weise namentlich für den Fall , dafs die
schon
geschlagen
sei .
Das
klarere Licht ,
welches darauf
Männer wie Scharnhorst und Gneisenau auch über diesen Zweig des Krieges verbreiteten, brachte nun die Notwendigkeit eines entsprechenden Ingenieurcorps zu vollem Bewusstsein, und das Wenige , was man bis zum Wiederausbruch des Krieges thun konnte, war ja auch von wesentlichem Erfolg begleitet . Nach wiederhergestelltem Frieden kam nun im Jahre 1816 die Reorganisation
zu stande.
Die Erfahrungen
auf dem Gebiete des
Festungswesens waren in den letzten glücklichen Kriegen nicht wieder verloren gegangen ; der Festungsbau kam wieder in Flufs ,
und
so verblieb denn ein Feld , wo es den preufsischen Ingenieuren vergönnt war , sich Anerkennung bei Sachverständigen aller Länder zu erwerben.
Wir sagen ,
" es verblieb
ein Feld " in Hinblick
anderen Seiten der Ingenieurthätigkeit, Ingenieurfelddienst .
auf die
den Festungsdienst und den
Ersteren zwar nach Mafsgabe der dafür vorhan-
denen spärlichen Mittel zu üben , aber dem Felddienst , anderen Truppen hätte
wie
blieb den Ingenieuren unverwehrt ;
er bei den gröfseren Herbstübungen der
zur Darstellung kommen und geübt werden.
können, blieben dieselben fern . Wir finden nicht, dafs etwa die höheren Ideeen , denen man sich bei Aufstellung des Reorganisationsplanes hingegeben hatte, direkt verläugnet worden wären, sie verschwanden aber, und die zum Teil im Geiste derselben gegebenen höheren Bestimmungen wurden entweder nicht beachtet oder falsch ausgelegt. Hiermit haben wir die Darstellung der Eindrücke aus der Geschichte des Ingenieurcorps, wenn auch ohne einen Abschnitt gerade scharf zu begrenzen , so doch ersichtlichermafsen im ganzen mit der Mitte dieses Jahrhunderts abgeschlossen und wollen nun noch einen Blick auf die Folgezeit werfen. Da machen wir denn sogleich die Wahrnehmung, dafs die Stimmung für das Festungs- und Ingenieurwesen wechselte , je nachdem die Festungen in den verschiedenen europäischen Kriegen ihre Rolle spielten.
Nach dem Kriege in der Krim und 1859 in Italien hob
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. sich dieselbe auch bei uns . Ingenieurcorps
und
75
Es folgten darauf Etatserhöhungen des
später Vermehrung
der Pioniertruppe
einer anderweitigen Organisation derselben.
nebst
Es wurden ferner behufs
mehrerer Annäherung der Ingenieure , ebenso wie der Artillerie , an die beiden anderen Waffen im Dienst sowohl , wie in der persönlichen Verknüpfung der Offizierscorps Einrichtungen getroffen , „ um die allgemeine kriegswissenschaftliche Bildung ihrer Offiziersaspiranten auf ganz gleichen Grundlagen und in Gemeinsamkeit mit den Offiziersaspiranten der Infanterie und Kavallerie auf ein und denselben Lehranstalten zu erzielen " . Bei dieser guten Grundlage liefs man es aber nicht bewenden. Die Fürsorge für unseren Gegenstand äufserte sich auch noch in den Bestimmungen über Festungsdienstübungen ,
Besetzungspläne für die
würfe für dieselben ;
Festungen und Armierungsent-
die Belagerungsübungen
der Pioniere wurden
fortan zum teil unter Mitbeteiligung der anderen Truppen in gröfserem Mafsstabe angelegt und die Heranziehung der ersteren zu den Herbstübungen gefafst.
der
letzteren wieder mehr
und mehr in das Auge
Der Krieg 1864 gegen Dänemark, in welchem den Befesti-
gungen und den technischen Truppen
eine hervorragende Rolle zufiel , konnte diesen Eifer nur steigern . Der deutsche Krieg 1866 , wo dergleichen mehr in den Hintergrund trat , brachte aber wieder eine gewisse Gleichgültigkeit mit sich , welche erst die Erfahrungen des deutsch-französischen Krieges , trotzdem sich die Festungen des damaligen Kriegstheaters
nicht gegen die zerstörende Wirkung der
gezogenen Geschütze ausgerüstet fanden ,
zu heben geeignet waren.
Ingenieure und Pioniere zeigten sich der hier in kurzem dargestellten Fürsorge für ihr Fach wohl würdig und es ist ihnen die höhere Anerkennung in keinem Falle vorenthalten
worden.
In der Armee
erlangten sie zunächst im dänischen Kriege , wo sie den anderen Truppen bei den Hauptunternehmungen zu Lande und zu Wasser tapfer vorangingen , sogar eine gewisse Popularität. Der deutsche Krieg konnte dieselbe freilich nicht vermehren . Eher hätte man dies vom französischen Kriege
erwarten
sollen .
geschehen sei , möchten wir nicht behaupten .
Dafs es aber
Die Fälle , wo sie in
den Kampf mit
der Waffe verwickelt wurden und gut bestanden, sind zwar aufgezeichnet und ihr Vorgehen bei den Belagerungen wird
rühmlich befunden, aber weder bei den grofsen Cernierungen, wo sie doch berufen waren, durch Verstärkung der Einschliefsungslinien zum Gelingen des Werkes in hervorragender Weise beizutragen , noch sonst im freien Felde hat ihre Thätigkeit vermocht ,
eine besonders leb-
hafte Erinnerung an dieselben bei den Truppen hervorzurufen .
Uns
76
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
scheint es wenigstens so ,
und die Art und Weise , wie sie seitdem
bei den gröfseren Herbstübungen zur Verwendung kommen , belehrt uns darüber keines anderen .
Freilich ist es kein Wunder, wenn der
Aufwand, welcher jetzt für Neuanlage und Verstärkung von Festungen gemacht wird, die Augen mehr auf sich zieht . So haben wir denn gesehen, dafs es im ganzen und grofsen nur das Gebiet des Festungsbaues und des Festungskrieges gewesen ist , auf welchem die Ingenieure
so
zu sagen einen Rang in der Armee
haben behaupten können ; im übrigen ist ein gewisses Hintanbleiben trotz aller Anstrengungen nicht hinwegzuläugnen . Damit ist aber der man ist ja darüber einig , dafs in Zukunft auch im freien Felde die Ingenieurarbeiten in noch grösse-
guten Sache nicht gedient ,
rem Mafse
denn
als bisher zu Hülfe gezogen werden müssen ,
ganz ab-
gesehen davon , dafs die künftigen Kämpfe um die grofsen Festungen sich zum grofsen Teil in ähnlicher Weise wie diejenigen im eigentlichen freien Felde abspielen werden .
Wir sind der Meinung, daſs,
während die anderen Truppen sich dabei so viel als möglich selbst helfen , Ingenieure und Pioniere auf den schwierigeren Stellen zusammengehalten und sonst nur als Ratgeber und zur Anleitung dienen sollen ; gerade darin aber liegt es , dafs man den Ingenieuren, wenn sie einmal in solchen Fällen zugezogen werden , eine gröfsere Autorität als bisher zugestehen mufs , und es bleibt nun zu untersuchen , was wohl geschehen müsse , damit man dazu williger werde . Hinsichtlich der
Ergänzung
des
Offizier corps
der In-
genieure bedürfen die jetzt bestehenden Grundsätze kaum einer Änderung ; namentlich wäre es wohl ganz verfehlt , etwa nur ganz besondere Kapazitäten heranziehen wieder angedeutet findet .
zu
wollen ,
wie man hin
und
Dagegen mufs für die Ingenieure die Ver-
schärfung des sonst für alle Waffen gleichen Portepeefähnrichexamens in der Mathematik beibehalten werden, weil sich dieselben ohne eine gröfsere Beholfenheit in dieser Wissenschaft denn doch häufig einer gewissen Hülfslosigkeit in ihrem Dienst gegenüber befinden würden, man möge diesen nun regeln, wie man wolle. Hiermit sind wir nun gleich auf einen der entscheidenden Punkte
gekommen, wodurch eine Wendung zum Bessern begründet werden könnte , nämlich auf eine Entlastung der Ingenieure in den ihnen zufallenden Dienstzweigen . Wir unsern Teiles finden, dafs eine solche in durchgreifender Weise möglich sei , wenn man nämlich die Bauausführungen aller Art an den Festungen im Frieden, von den Reparaturen bis zur vollständigen Neuanlage daraus striche und dieselben in ähnlicher Weise wie die Garnisonbauten durch an-
77
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. dere Baumeister
ausführen
liefse.
Das kann
nun
nicht so viel
heifsen, als müsse die Baubeschäftigung die Befähigung für den rein militärischen Dienst
absolut benachteiligen , denn ein Jeder weifs , dafs eine gute und fördersame Herstellung von Bauten , namentlich grofser und schwieriger , bei den verantwortlichen Leitenden Eigenschaften voraussetzt und kräftigt, deren Besitz einen Militär immerhin auch erfreuen kann.
Dazu haben die Bauausführungen noch das voraus , dafs bei ihnen immer der Ernstfall vorliegt , während dies
bei den Hauptaufgaben des Militärs doch nur im Kriege der Fall ist. Der Ingenieur wird also eine tüchtige Baupraxis im Frieden in mehr als einer Hinsicht als gute Vorschule für einen grofsen Teil seiner Aufgaben im Kriege ansehen können .
Müssen wir hiergegen nun schon anführen, dafs dem Ingenieur die Vorschule des gesamten Pionierdienstes genügen könne , namentlich , wenn etwas reichlichere
Mittel gewährt würden als bisher, so ist doch auch nicht zu leugnen, dafs der ganze Hergang bei dem Bauwesen ein anderer ist und sein mufs, als bei militärischen Dingen , selbst den Kriegsarbeiten , und dafs der Einflufs dieses Umstandes im ganzen nicht als günstig erachtet werden kann . Begründet finden wir dies in der Notwendigkeit, meist erst eine Masse genauer Vorarbeiten vorzunehmen, ferner in dem Verhältnis zwischen den Bauleitenden und denen, die ihnen gewissermassen untergeben sind, d. h. den Arbeitnehmern aller Art, und endlich auch in dem naturgemäfs langsamern Verlauf von Bauten . Viele Ingenieuroffiziere werden in dem gewifs nicht unberechtigten Bewusstsein der von ihnen aufgewendeten Mühen und demnächst der erreichten Erfolge jene Verhältnisse vorkommenden Falles auch auf den Militärdienst übertragen wollen und sich dabei , wenn sie nicht sehr wählerisch und geschickt sind , leicht vergreifen . Aber auch die weniger Eingenommenen und
dabei Einsichtigsten werden von
jenem Einfluss nicht unberührt bleiben ; Menschen.
das liegt in der Natur des
Das könnte man noch alles für Ansichtssache halten. wird doch nicht bestritten werden können ,
Aber das
dafs den Ingenieuren
durch ihre Verwendung zum Festungsbau die Zeit zu ihrer weiteren militärischen Ausbildung im Wege des Sehens und hauptsächlich in dem des eigenen Studiums, mehr als gut ist, entzogen wird. die Pflichtgetreuesten
werden
dafür am
wenigsten
Gerade
übrig behalten ,
weil diese sich ganz in Anspruch genommen finden müssen, um den Anforderungen des ihnen obliegenden Baudienstes gerecht zu werden. In der That kann da nicht füglich
eine Teilung
des Studiums
für
Bau und Krieg zugelassen werden , sonst müfste sich bezüglich des
78
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
ersten Faches eine nicht zu billigende Halbheit erzeugen .
Meint man,
der Ingenieur bedürfe des Studiums der Kriegsgeschichte und -Wissenschaften weniger, als der Offizier anderer Waffen , und es reiche für ihn aus , wenn er sich diesem Studium hingebe , sobald seine Verwendung beim Bau aufhöre , so können wir dem nicht beistimmen und finden , dafs es sich eher umgekehrt verhalte . Der Ingenieur tritt meist vereinzelt auf und findet selten jemand , der ihm hilft ; Anhalt für das , was unter seiner Leitung ausgeführt werden soll, ist man nicht gewohnt, ihm anders als in knappster Form zu geben , und was dann ausgeführt wird , läfst für jeden etwas anderes zu wünschen übrig . Das setzt dann eine besonders gute Rüstung voraus. Wir haben ferner oben gesehen , dafs sich die Ingenieure in keiner der betrachteten Perioden eines besonderen Ansehens bei der Armee erfreuten , und wenn dafür auch mehrfach andere Gründe vorlagen, so wird man doch nicht fehlgehen , wenn man diese Thatsache überhaupt zum guten Teil einer gewissen Voreingenommenheit gegen den Baudienst zuschreibt. Wer sich einem unparteiischen Urteil nicht verschliefst, der wird finden , dafs man diese Beobachtung bis tief in die neuere Zeit hinein machen konnte . Dieser Anstofs könnte also zugleich unter Entlastung des Ingenieuroffiziers hinweggeräumt werden. Als einen nicht minder wichtigen Punkt sehen wir die unmittelbare Annäherung der Ingenieure an die andern Truppen an. Eine solche scheint uns durch die blofse Entlastung vom Baudienst noch nicht hinreichend gewährleistet, denn eine besondere Richtung würden erstere mehr oder weniger abweichend von letztern nach wie vor inne halten . Welche dies sei , darüber weitere Auseinandersetzungen zu machen , würde mifslich sein ;
wir finden die-
selbe aber begründet in der Stellung der Ingenieure unter einen einDie andern zigen Chef, von dessen Ansichten sie abhängig sind . Truppen (mit Ausnahme der Artillerie , wo aber das Verhältnis im ganzen doch ein anderes ist) stehen zwar corpsweise auch unter einem Chef, dem kommandierenden General ; deren giebt es aber viele, und es mufs sich sonach eine freiere Bewegung ihrer gesamten Untergebenen herstellen.
Die besondere Richtung ,
welche der In-
genieur meist festzuhalten glauben mufs , wird den hohen Vorgesetzten anderer Waffen nicht ganz zusagen , und dies wird auf die Verwendung der Waffe nicht ohne Einflufs bleiben. dieser Beziehung
Wir glauben in
auf die Zeit nach der Reorganisation von 1816
hinweisen zu dürfen.
Damals trug
man
sich eigentlich noch mit
höhern Ideeen über das Ingenieurcorps als jetzt.
Aber 29 die in Aus-
79
Topographische Erörterungen. sicht genommene Teilnahme der Ingenieuroffiziere
an den General-
stabsreisen und an den gröfseren Übungen der andern Truppen fanden vorläufig nicht statt. Höchstens wurden einzelne Ingenieuroffiziere und Pionierdetachements requiriert , um für die gröfseren Herbstübungen Lager abzustecken und zu erbauen, Brunnen, Tränken und ähnliche Anlagen herzustellen ; das gewöhnliche Loos der Pioniere in der Manöverzeit war die Übernahme des Wachtdienstes in den Garnisonen, während der Abwesenheit der andern Truppen. " Noch aus den dreifsiger Jahren wird uns berichtet: „Eine Heranziehung der Ingenieuroffiziere und Pioniere zu den gröfseren Herbstübungen der andern Truppengattungen fand zwar vielfach statt , es wurden dabei die Betreffenden aber nicht als technische Waffe benutzt, sondern ----wie früher schon lediglich als Arbeiter , um die Aufgaben der andern Truppen zu erleichtern und Ersparnisse zu machen." So etwas ist nun zwar schon seit mehreren Dezennien zu den überwundenen Standpunkten zu zählen , und die Anschauungen , denen der Ingenieur in seinem Corps zu folgen hat, sind den allgemeinen Anschauungen in der Armee möglichst angepasst , indessen fehlt dabei eben die Originalität, und es erscheint uns dieserhalb zu den noch wünschenswerten Einrichtungen zu gehören, die Ingenieure auch hinsichtlich ihres Avancements zu den kommandierenden Generalen in ein ähnliches Verhältnis zu bringen , wie die Offiziere von der Infanterie und Kavallerie. (Schlufs folgt.)
V.
Topographische Erörterungen. Von
Reichert , Hauptmann. I. Über den Begriff der Bezeichnung „ Divergenzwinkel " . Die Geschichte des Divergenzwinkels ist folgende : Als die Kippregel in Preufsen eingeführt wurde , war nur ein Modell in Gebrauch - das sogenannte ältere Breithauptsche . Eine wesentliche Anforderung an diese Kippregel war
die Pa-
Topographische Erörterungen.
80
rallelität der optischen Axe und der Libellenaxe. Ein Fehler gegen dieses Erfordernis wurde mit dem sprachlich und sachlich ganz passenden Namen „ Divergenzwinkel " bezeichnet, und diese Bezeichnung ging in alle Lehrbücher über.
Später
trat
neben
der
Breithaupt'schen
auch
die
dänische
Kippregel in Gebrauch ; da diese keine Libelle am Rohr hatte, konnte ein Divergenzwinkel im bisherigen Sinne nicht existieren ; es kam hier vielmehr auf die Übereinstimmung der Linealfläche mit der Fufsröhrenlibelle einerseits und auf die richtige Stellung des Nullpunktes am Nonius andererseits an . Die Disharmonie der Linealfläche und der Fufsröhrenlibelle konnte nun auch mit Recht ein Divergenzwinkel genannt werden , hatte aber mit dem bisherigen Divergenzwinkel weniger gemein, als die falsche Stellung des Nonius , welche bei der dänischen Kippregel die eigentliche Erbschaft des bisherigen DiverDie gemeinsame Wirkung dieser bei-
genzwinkels angetreten hatte .
zu trennenden Fehler wurde nun uneigentlich auch mit dem Namen Divergenzwinkel bezeichnet . den ganz
Diese Konfusion ist zu bedauern und hat gewifs manchem Topographenanfänger und Fähnrich das klare Verständnis für die Sache erschwert. Vor einigen Jahren
sind neue Kippregeln eingeführt , die nun
gar 2 Röhrenlibellen , auf dem Rohr und auf dem Lineal, und auch 2 Limben mit zwei Nonien haben . Wo steckt nun der Divergenzwinkel ? In der Libelle am Rohr ? In der Libelle am Lineal ? In dem einen Nonius ? Man kann
Im andern?
nun freilich
Beide haben ihr Recht.
sagen : Das Instrument wird auf den
Horizont hin geprüft und die Abweichung, die sich bei dieser Prüfung ergiebt, nenne ich den Divergenzwinkel .
Dagegen ist einzuwenden ,
dafs diese Abweichung bei jedem Instrument andere und sehr verschiedene Ursachen hat, und dafs es notwendig Verwirrung erzeugen mufs, wenn man eine sprachlich unpassende Bezeichnung derart kollektiv anwendet. Man darf nun
wohl im Interesse der Lernenden
wünschen,
dafs der Divergenzwinkel aus der topographischen Nomenklatur verschwindet. Dafür haben wir jetzt : 1. falsche Lage der Röhrenlibelle am Rohr, 2. falsche Lage der Fufsröhrenlibelle ,
3. Abweichung der Nonien. Will man aber die alte Bezeichnung beibehalten , so gebührt sie dem ersten dieser drei Fehler.
Topographische Erörterungen .
81
II. Bedeutung und Anwendbarkeit des Korrektionswinkels . Der Korrektionswinkel wird bei der Messung von Vertikalwinkeln ermittelt und in Rechnung gestellt, um eine etwaige fehlerhafte Neigung der Mefstischplatte unschädlich alle erlernt.
zu machen :
Der Satz ist richtig aber nicht vollständig ,
So haben wir es
und
diese Unvoll-
ständigkeit ist von erheblichen Folgen , wie man sofort aus den Konsequenzen erkennen wird. Es wird weiter geschlossen : Da bei allen neueren und auch bei der dänischen Kippregel die Neigung der Tischplatte vor jeder Winkelmessung vollkommen berichtigt wird , so ist der Korrektionswinkel zwecklos geworden. Der vorstehende Satz ist schon falsch:
Der Korrektionswinkel
eliminiert nämlich nicht nur die Schiefe der Tischplatte, sondern auch den Indexfehler (die unrichtige Einstellung des Nonius zum Limbus) . Die Sache selbst ist ja nicht
zweifelhaft .
Ist die Tischplatte
nach dem Ziel hin um 2 Grad geneigt und der Index zeigt schon an und für sich 30 statt 0, so würde der Aufnehmer, der nach einem Punkt im Horizont visiert - 5º ablesen, obgleich die Libelle einspielt. Der Korrektionswinkel ist , da eben die Libelle einspielt, auch = - 5º.
--- 50
(- ) + 5º ±0 Die Rechnung ergiebt demnach 0 , wie es auch richtig ist, da ja im Horizont visiert wurde , und man sieht , wie durch den Korrektionswinkel nicht nur die schiefe Stellung der Tischplatte, sondern auch der Indexfehler eliminiert worden ist. Dies ist sehr wichtig. Bei der Breithaupt'schen Kippregel stellte man zwar theoretisch die Anforderung , dafs der Nonius auf 0 einspielt, wenn die optische Axe im Horizont steht. In praxi war das aber ganz gleichgültig, denn der Korrektionswinkel wurde ja immer in Rechnung gezogen und machte schädlich.
einen
etwaigen Indexfehler un-
Wer mit der dänischen Kippregel arbeitete, konnte keinen
Korrektionswinkel nehmen, weil ihm die Libelle am Rohr fehlte, und der Indexfehler eliminierte sich nicht mehr ; fest bis zur nächsten Justierung ,
war er da ,
so safs er
und die Topographen ,
denen die
genaue Einsicht in ihr Instrument fehlte , Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
hatten wenigstens das 6
Die Gestellung der Pferde und Maultiere
82
ganz richtige Gefühl ,
wenn
man sie so oft sagen hörte , „ die alte
Breithaupt'sche sei ihnen lieber". Der neue Mefstischapparat , der feinere Messungen ermöglichen soll, und es auch thut , besitzt eine Libelle am Rohr und gestattet die Messung
mit dem Korrektionswinkel .
Obgleich die Präzisions-
messungen die Domäne dieser neuen Kippregeln sind , es kein besseres Mittel giebt ,
und obgleich
den Indexfehler bei den Messungen
unschädlich zu machen, als eben den Korrektionswinkel, so ist dieser doch über den Stellschrauben am Stativ vergessen . Man wird es wohl glauben ,
dafs der ganze hier geschilderte
Verlauf der Dinge ein anderer hätte sein müssen , wenn überall da , wo gedruckt zu lesen steht: „ Der Korrektionswinkel korrigiert die schräge Stellung der Tischplatte" auch der Zusatz hätte : „ und zugleich den Indexfehler “.
nicht gefehlt
Man darf daher wohl an die topographischen Lehrbücher die Bitte richten, diesen Zusatz nicht zu vermeiden, sondern überall da , wo vom Indexfehler die Rede ist, auch zu vermerken, dafs er durch . den Korrektionswinkel eliminiert, werden kann ,
und ebenso da , wo
der Zweck der Röhrenlibelle am Rohr abgehandelt wird , zu erwähnen , dafs sie bei genaueren Messungen die Möglichkeit gewährt, den Indexfehler unschädlich zu machen. (Fortsetzung folgt.)
VI .
Die Gestellung der Pferde
und Maultiere für
die französische Armee bei einer Mobilmachung. (Nach französischen Quellen.)
Im Falle einer teilweisen oder vollständigen Mobilmachung der französischen Armee oder bei einer Truppenversammlung in irgend einem Teile Frankreichs hat der Kriegsminister die erforderlichen Gestellungen anzuordnen , um die verschiedenen Truppencorps nach jeder Richtung hin in Kriegsbereitschaft zu setzen . Die Gestellung der Pferde u . s. w. beginnt zugleich mit der Mobilmachung (am 2. Tage derselben )
und wird hierbei
die Ab-
schätzung dieser Tiere zu Grunde gelegt, welche bereits im Frieden
für die französische Armee bei einer Mobilmachung.
83
jährlich in den Hauptorten des Kantons , als den Sammelpunkten der Gestellung ausgearbeitet ist. Die Arbeiten für die letztere gliedern sich in :
1. die Zählung der Tiere ;
2. die Abschätzung der Tiere ;
3. die Gestellung selbst. 1.
Die Zählung .
In den ersten Dezembertagen eines jeden
Jahres erläfst in jeder Gemeinde der Maire eine öffentliche Aufforderung an die Besitzer von Pferden u . s . w. , vor dem 1. Januar auf der Mairie den Bestand der in ihrem Besitz befindlichen Tiere anzuHiervon sind allein ausgenommen : die diplomatischen Vergeben. — treter der fremden
Mächte ;
die
Staatsangehörigen
von
Brasilien ,
Bolivia, Ecuador, Chili , Costa Rica, Portugal, Honduras, Neu-Granada, den Sandwichs - Inseln , Salvador, Nicaragua, Peru , der Argentinischen Conföderation, Guatemala, Spanien und Rufsland (wenn letztere nicht Grundbesitzer oder Pächter sind). In eine zu diesem Zwecke angelegte „ Angabeliste " werden alle die als vorhanden angegebenen Tiere mit dem Namen ihres Besitzers , dessen Beschäftigung und Wohnort und einer Beschreibung des Tieres selbst (Geschlecht, Alter, Gröfse , Farbe) eingetragen. Auf Grund dieser Liste stellen alsdann die Maires zum 15. Januar jeden Jahres eine „ Zählliste " der für den Fall einer Mobilmachung zum Heeresdienst verfügbaren Pferde zusammen . Diese Liste umfafst alle Pferde, welche am 1. Januar des betreffenden Jahres 6 Jahre alt oder älter sind ; bei Maultieren beginnt die Aufnahme mit 4 Jahren. ―― Nicht aufgenommen werden solche Tiere , die bereits bei einer anderen Gemeinde eingetragen sind , Fehler , mangelhaften Baues
ferner solche , welchen wegen
oder aus
anderen Gründen sich zum
Heeresdienst nicht eignen , schliefslich diejenigen , von denen festgestellt, dafs sie die vorgeschriebene Gröfse nicht besitzen. Zwischen dem 16. und 20. Januar lassen
die Maires
alsdann
durch die Feldhüter und Polizeibeamten mittelst Besichtigung feststellen , ob alle brauchbaren Tiere genau angegeben sind .
Wo dies nicht der
Fall ist oder sind die Angaben unrichtig, so wird ein Protokoll aufgenommen , die Tiere werden amtlich in die כלZählliste " eingetragen und die Schuldigen verfallen in eine Geldstrafe von 25 bis 2000 Frcs .
die
Zwischen dem 20. und 25. Januar jeden Jahres stellen hierauf Maires aufser den beiden bereits bezeichneten Listen einen
" zusammengefassten Standesausweis oder Zahlenauszug" in doppelter Ausfertigung zusammen (einen für den Rekrutirungschef der regionalen Subdivision , den anderen für die Präfektur). enthält :
Dieser Standesausweis
1. alle in der Gemeinde vorhandenen Tiere der fraglichen 6*
Die Gestellung der Pferde und Maultiere
84 Art ;
2. alle Tiere, welche das gesetzliche Alter erreicht haben , und
alle diejenigen , welche dies Alter in dem laufenden Jahre nicht erreichen werden. Nach diesem Standesausweis fertigt jeder Bezirkskommandeur seinerseits einen allgemeinen Standesausweis für die betreffende Subdivision an und übersendet zum 25. Januar ein Exemplar dem
Kriegsministerium ,
ein
anderes
dem Generalkommando.
Dieser allgemeine Standesausweis der Subdivision bildet nunmehr die Grundlage für die Einteilung der Tiere behufs Gestellung. Es mufs hierbei bemerkt werden, dafs die Angaben der Maires. gewöhnlich sehr unvollständig sind, in der Regel, weil die mit Aufstellung dieser Angaben Beauftragten in militärischen Dingen wenig Bescheid wissen , vor allem auf dem Lande , wo die Maires bis zur heutigen Stunde noch eine grofse Nachlässigkeit an den Tag legen , obgleich von Seiten
des Ministeriums dieser Gegenstand besonderer
Sorgfalt anempfohlen
worden ist ,
da es sich doch hier um ein so
wichtiges Gesetz handelt , welches auf die Mobilmachung der Armee von sehr hohem Einflusse ist. - Die Abschätzungskommissionen haben die durch die Maires verschuldeten Fehler zu beseitigen und man hat hierdurch den besten Beweis an der Hand, dafs das Gesetz über die Gestellung vom 3. Juli 1877 noch nicht in Fleisch und Blut des Volkes übergegangen ist. 2.
Die Abschätzung der zum Heeresdienst geeigneten Tiere .
Diese erfolgt in jedem Jahr gewöhnlich in der Zeit vom 15. Mai bis 15. Juni. Zu diesem Zwecke haben die Generalkommandos im voraus jede Subdivision in eine bestimmte Zahl von Abschätzungskommissionen gegliedert, welche ihre Arbeit alle gleichzeitig beginnen und zum 15. Juni beendet haben
sollen .
Die Zahl der Abschätzungs-
kommissionen hängt nicht von der Ausdehnung des Bezirks, sondern von der Zahl der Tiere ab , welche auf Grund der erwähnten Zähllisten abzuschätzen sind ; es ist hierbei als Mafsstab festgehalten , daſs jede Kommission wenigstens 25 Tage zur Erledigung ihrer Arbeiten gebraucht und schwankt deren Anzahl zwischen 2 und 8 in jeder Subdivision oder jedem Rekrutirungsbezirk, an dessen Spitze sich ein Bezirkskommandeur befindet . Die Abschätzungskommission ist aus sammengesetzt :
folgendem Personal zu-
a) Ein Offizier des stehenden Heeres, der Reserve oder Territorialarmee (Kavallerie, Artillerie oder Train ) als Vorsitzender, durch den kommandirenden General dazu ernannt.
b) Ein bürgerliches Mitglied der Gemeinde ,
ausgewählt
durch
für die französische Armee bei einer Mobilmachung. den Präfekten,
85
wenn möglich unter den verabschiedeten Offizieren
einer berittenen Truppe , Munizipalräten .
andernfalls
unter den hierzu
geeigneten
c) Ein Militärtierarzt , von der Militärbehörde dazu bestimmt ; ist ein solcher nicht vorhanden , ein Civiltierarzt, von dem Präfekten auf Ersuchen des Generalkommandos bezeichnet. d)
Ein Unteroffizier einer berittenen Truppe als Schreiber und
tunlichst der Truppe entnommen , welcher der Vorsitzende angehört, wenn dieser ein Offizier des stehenden Heeres ist. Der Vorsitzende und das bürgerliche Mitglied haben jeder eine entscheidende Stimme, gehen die Stimmen auseinander, so giebt die des Vorsitzenden den Ausschlag . Zum mindesten zwei Gensdarmen sind bei der Abschätzung behufs Aufrechterhaltung der Ordnung zur Stelle ; der eine hat das Maſs in den Händen und übergiebt es dem Tierarzt bei Vorführung des abzuschätzenden Tieres .
Wenigstens
3 Tage vor
Beginn
der
Ab-
schätzung wird durch Anschlagzettel an der Thüre der Mairie und in den gröfsten und entferntesten Häusergruppen der Ort der Abschätzung sowohl als auch die Stunde bekannt gemacht, zu welcher die Bewohner der einzelnen Strafsen und Viertel ihre Tiere vorzuführen haben . -
∞ 6828
Bei der Abschätzung selbst erfolgt die Vorführung der Tiere nach der alphabetischen Ordnung der Besitzer. Jedes Pferd wird nach Gröfse und Bauart eine der folgenden Klassen zugeteilt :
1. Klasse : Reserve- Kavallerie (Kürassiere) . . . . Gröfse 1,54 m u. mehr, 2. Linien1,50 bis 1,54 m, " "" " (Dragoner) leichte 3. 1,47 , 1,50 m, "" (Chasseurs u. Husaren) " " 4. "" Reitpferde 1,48 , 1,54m, "" 5. leichte Zugpferde } (Artillerie) 6.
29
7.
""
Trainpferde (schwere Zugpferde) . . Maultiere zum Gepäcktragen . .
29
Maultiere zum leichten Zug Maultiere zum schweren Zug
8. 9.
""
1,48 m u. mehr,
99
1,44m
"
"
1,44 m
""
"9
1,44 m
""
Für Corsika ist ausnahmsweise das geringste Mafs auf 1,44 m für Pferde , auf 1,40 m für Maultiere festgesetzt. In den andern Departements darf das kleinste Mafs im Notfalle auf die Entscheidung des Generalkommandos hin herabgehen auf 1,46 m für die 5 . und 6. , auf 1,42 m für die 7. , 8. und 9. Klasse. Der vorsitzende Offizier überzeugt sich persönlich von dem guten Bau des Tieres und läfst dasselbe zu diesem Zwecke im Schritt und Trabe vorführen.
Die
4 ersten Klassen der Tiere bilden ,
soweit
Die Gestellung der Pferde und Maultiere
86
letztere als zum Kriegsdienst tauglich bezeichnet sind , Offizier- und Truppenpferde ; die Offizierpferde sollen fehlerfrei sein und angenehme Bewegungen haben . Hengste dürfen nur für die 6. Klasse genommen werden ; die leichtesten derselben werden den Cadres der Traincompagnien überwiesen , welche gestellte Fuhrwerke nachzuführen haben.
und mit Hengsten bespannte
Die zu jedem Dienst als vollständig unbrauchbar bezeichneten Tiere, sei es wegen Alters , Abnutzung oder Fehler, werden endgültig diejenigen hingegen , welche unter dem geringsten Mafs oder die zur Zeit aus zufälligen Ursachen zum Heeresdienst nicht geeignet, werden vorläufig zurückgestellt und müssen bei der nächsten entlassen ,
Abschätzung wieder vorgestellt werden . Die Aufnahme jedes
endgültig
abgeschätzten
Tieres
in
die
Abschätzungsliste erfolgt der Entscheidung gemäfs nach der alphabetischen Ordnung der Besitzer.
Jede Liste wird doppelt angefertigt
und mit einer Zusammenzählung in den
einzelnen Klassen
abge-
schlossen. Das eine Exemplar wird dem Maire behufs Beifügung zur Zählliste übergeben , das andere erhält der betreffende Bezirkskommandeur. Die vorsitzenden Offiziere ergänzen während der Abschätzung die Zähllisten , welche Lücken enthalten und tragen dort jedes Tier ein, welches ihnen mit Unrecht ausgelassen zu sein schien . Nach Besichtigung der Tiere jeder Gemeinde prüft die Kommission alle die Tiere , welche ihnen von Bewohnern anderer Kommunen vorgeführt werden , aber aus irgend einem Grunde nicht am Hierbei wird eine Verhandlung Wohnorte zur Stelle sein konnten . für jede der Gemeinden aufgenommen , zu welchen die vorgeführten Tiere in Wirklichkeit gehören , und selbigen Tags dem Kommandeur der Gensdarmeriebrigade zugesendet , in dessen Bezirk sich diese Gemeinde befindet . Aufserdem erhält der betreffende Eigentümer einen Ausweis . Nachdem das Verfahren in allen Gemeinden ihres Bezirks beendigt , stellt die Kommission auf:
1.
eine Zählliste der Kommission
auf Grund der Zähllisten der einzelnen Gemeinden ; 2. eine Liste der vorläufig zurückgestellten Tiere ; 3. eine Liste der endgültig zurückgewiesenen Tiere . - Von diesen drei , gleichfalls in zwei Exemplaren angefertigten Listen geht eine dem Kriegsministerium , die andere dem betreffenden Rekrutirungsamt zu. Bei Beurteilung dieses ganzen Verfahrens mufs es auffallen , dafs man nicht die Veränderungen berücksichtigt ,
welche mit den abge-
schätzten Tieren vorgehen können (Wechsel des Besitzers , Aufenthalts-
für die französische Armee bei einer Mobilmachung. ortes, Tod u. s . w.).
87
Es dürften daher im Falle einer Mobilmachung
gewiſs viele unvermutete Veränderungen eintreten, so daſs , wenn man in einer Gemeinde die angewiesene und erforderliche Zahl ausheben will , dort leicht eine viel geringere Zahl von Tieren vorhanden ist . Die Bemühungen des Kriegsministeriums , diese Unvollkommenheit des Gesetzes abzustellen, sind bis jetzt vergeblich gewesen. 3.
Gestellung der Pferde im Falle der Mobilmachung.
Die Kommissionen beginnen ihre Thätigkeit am zweiten Mobilmachungstage an den Hauptorten des Gestellungsbezirks .
Die Mit-
glieder der Kommission sind bereits im Frieden bezeichnet und jedes begiebt sich sofort auf seinen Posten , nachdem es am ersten Mobilmachungstage
die nähere Weisung erhalten hat.
setzt sich ebenso zusammen wie im Frieden ,
Die Kommission
doch sind derselben
noch zugeteilt : ein Stellvertreter des bürgerlichen Mitgliedes und des Tierarztes , um Störungen zu vermeiden ; zwei Civilschreiber des Ortes (ein Lehrer , Beschlagsschmiede Territorialarmee .
Mairieschreiber u. des
Sind
stehenden solche
s.
w.) ;
Heeres ,
der
nicht vorhanden ,
ein oder mehrere Reserve
oder
der
so bestimmt der
Maire auf Anordnung des Präfekten bürgerliche Beschlagsschmiede . Die Benachrichtigung an die Vorsitzenden der Kommission und die Tierärzte erfolgt zur Zeit ihrer Ernennung , die für die Civilmitglieder und deren Stellvertreter wird beim Stabe des Bezirkskommandos
aufbewahrt und den Betreffenden gleich nach Eingang
des Mobilmachungsbefehles zugeschickt. Die Schreiber und Beschlagschmiede werden gleichfalls früher bestimmt und reisen ohne Verzug ab; die Civilschreiber und Civilbeschlagschmiede hat der Maire ebenso im voraus bestimmt und benachrichtigt. Bei der Gensdarmeriebrigade, welche den Mittelpunkt des Gestellungsbezirks bildet, werden im Frieden aufser den notwendigen Mafsen, Brenneisen u . s . w . die Einberufungsordre für die Führer von je zwei Tieren , sowie auch für die Unteroffiziere, welche als Transportführer dienen, bereit gehalten. In jedem Hauptort des Gestellungsbezirkes ist der Raum , wo die Abschätzung u . s. w. stattfinden soll , schon im Frieden durch die Militärbehörde in Gemeinschaft mit dem Maire ausgesucht und festgestellt.
Um die Sonderung der Tiere nach Gemeinden zu erleich-
tern, hat die erstere bei Zeiten das nötige Material (Stangen, Planken, Fähnchen von verschiedener Farbe u. s . w.) anzuschaffen .
Die Bezirke
folgen hierbei in alphabetischer Ordnung und bei diesen alsdann die einzelnen Gemeinden in hintereinander stehenden Kolonnen ; Pfosten mit der Bezeichnung der Gemeinde zeigen den Weg und erleichtern die geordnete Aufstellung der abzuschätzenden Tiere.
88
Die Gestellung der Pferde und Maultiere Die Kommission hält bei Vornahme der Gestellung bezirksweise
folgende Ordnung ein : A.
Besichtigung der Tiere , welche im verflossenen Jahre abge-
schätzt ; Untersuchung der Pferde, welche seit der letzten Abschätzung das vorgeschriebene Alter erreicht haben und
solcher ,
welche
aus
irgend einem Grunde bei der Zählung nicht angegeben oder vorgestellt waren, obgleich sie das gesetzliche Alter erreicht hatten. B.
Ausloosen der Tiere , in dem Falle , dafs die Zahl der vor-
handenen und diensttauglichen Tiere gröfser ist als die Gestellungsquote der betreffenden Kategorie und etwaige Untersuchung bei gewünschtem Tausch. C. Gestellung der Tiere. - Alle entweder früher oder jetzt abgeschätzten Tiere werden hierbei sofort , je nachdem sie für dienstbrauchbar anerkannt worden sind, nach den verschiedenen Kategorien in besondere Gruppen aufgestellt. Die Ausloosung findet für jede Kategorie bezirksweise statt ; die Gemeinden desselben Bezirks werden in alphabetischer Ordnung aufgerufen und in jeder Gemeinde erfolgt die Ausloosung nach der Reihe , in der die Eigentümer im verflossenen Jahr in der Abschätzungsliste eingetragen worden sind. Für jeden Eigentümer sind soviel Loosnummern als er Tiere zur Stelle und in der betreffenden Liste eingeschrieben hat.
Der Name der Eigentümer wird mit den von ihm
gezogenen Nummern in eine Ziehungsliste eingetragen. Die Ziehung findet durch einen vom Vorsitzenden bezeichneten Maire des Kantons mittelst numerirter Kugeln statt, welche in einem Leinwandsack bei der Gensdarmeriebrigade des Hauptortes des Gestellungsbezirkes aufbewahrt werden. Nach Beendigung der verschiedenen Verrichtungen verkündet die Kommission die Gestellung der Tiere. Jedes der letzteren wird sofort auf der linken Schulter mit der Ankaufsnummer bezeichnet. Zu diesem Zweck weist das Generalkommando jeder Kommission
eine
nach
Hunderten abgerundete und der Menge der zu gestellenden Tiere ent- In der Schmiede sprechende Anzahl von Stammrollennummern zu . — erhält alsdann das Tier auf dem linken Vorderfufs die eben erwähnte Ankaufsnummer, auf dem rechten den festgesetzten Anfangsbuchstaben des Armeecorps eingebrannt.
(Die Buchstaben sind nach dem Alphabet
an die Corps verteilt, so dafs das I. mit A beginnt ; die Buchstaben I, K, O , Q, W und Y sind hierbei ausgelassen .) Bestimmungsgemäfs müssen die gestellten Tiere mit gutem Beschlag, einem Halfter nebst Riemen und einer Trense versehen sein ;
für die französische Armee bei einer Mobilmachung.
89
fehlt eines dieser Gegenstände oder ist er nicht in gehöriger Verfassung, so wird sofort Abhülfe getroffen. Der Vorsitzende der Kommission giebt jedem der übernommenen Tiere seine Bestimmung und stellt sie in Transporte zusammen , welche er dann den Führern mit Rücksicht auf deren endgültige militärische Bestimmung übergiebt. Letztere sind entweder Leute , welche zur Verfügung der Militärbehörde in Friedenszeiten vom Dienst im stehenden Heere als Ernährer der Familie befreit sind, oder Leute, welche zu den Hülfsdienstzweigen des Heeres bestimmt sind, oder Mannschaften der Territorialarmee ; nur im Notfalle verwendet man hierzu Pferdeknechte . Die Einberufungsordres für die Leute dieser Art sind bei den Gensdarmeriebrigaden niedergelegt und werden von dem Bezirkskommando auf dem Laufenden gehalten . Bei denjenigen Leuten, welche nach Ablieferung der Tiere an ihrem Bestimmungsort in ihre Heimat zurückehren, wird bei Verteilung der Begleitkommandos darauf Rücksicht genommen, dafs sie auf leichte Weise heimkehren können, wozu sie von den Truppenteilen , welche die Tiere empfangen haben , in Marsch gesetzt werden , während die zum Heeresdienst verpflichteten dann nach dem Orte ihrer endgültigen Bestimmung geschafft werden . Der Transportführer erhält von dem Vorsitzenden der Kommission eine nach Anordnung des Generalkommandos aufgestellte Marschroute Am und ein Verzeichnis der Mannschaften seines Kommandos . Gestellungsorte wird das Futter der gestellten Tiere auf Fouragequittungen des Vorsitzenden der Kommission und auf Rechnung des das
Tier erhaltenden
Truppenteils
empfangen .
Für die Zeit
des
Transportes empfängt der Führer das Futter gleichfalls in obiger Art auf Grund der ihm vom Vorsitzenden der Abnahmekommission bei
Aushändigung der
Marschroute übergebenen Quittungen.
Der
Einheitssatz des Futters wird für die betreffende Zeit gleichmässig mit 4 kg Heu und 5 kg Hafer berechnet . Das Eintreffen der Transporte an dem Bestimmungsorte fällt je nach der Entsendung zwischen dem 3. und 10. Mobilmachungstag. Nachgestellungen ziehen sich bis zum 12. Mobilmachungstag hin. Nach Beendigung der Abnahme lösen die Vorsitzenden die bez. Kommissionen auf und berichten an das Generalkommando ; die
Militärpersonen begeben sich dann unverzüglich auf ihren Posten, sei es zum stehenden Heere, zur Reserve oder Territorialarmee.
90
Erfindungen u. s. w. von militärischem Interesse.
VII .
Erfindungen u .
s. w. von militärischem Interesse .
Zusammengestellt von
Fr. Hentsch, Hauptmann a. D.
Apparat zur Bestimmung der Geschwindigkeit des Geschosses in Gewehren und Geschützen . Von Siemens & Halske in Berlin.
Der Apparat besteht
dem Induktionsapparat ,
aus dem Mefsapparat,
einer Batterie Leydner-Flaschen
und dem
zu diesem Zwecke eingerichteten Gewehr oder Geschütz . Den Mefsapparat bildet im wesentlichen ein durch Gewicht bewegtes Werk, welches eine Trommel mit konstanter Geschwindigkeit in Rotation versetzt. Die Trommel ist dazu bestimmt , elektrische Funken aufzufangen, welche dadurch entstehen, dafs das Geschofs an einzelnen Stellen im Drähte zerreifst.
Gewehrlauf angebrachte ,
elektrisch geladene
Der Trommel gegenüber steht ein in
ein Glasröhrchen eingeschmolzener Platindraht. Die Drehungsgeschwindigkeit der Trommel wird durch zwei Zifferblätter mit Zeigern angegeben. Die Entfernung der einzelnen auf der Trommel markierten Funken mifst man durch eine Mikrometerschraube. Die stählerne Trommel wird durch eine Terpentinölflamme berufst. Der ihr gegenüberstehende Platindraht ist verbunden mit einem Messingrohr, das von einer dicken Hartgummirolle umgeben ist. Das Messingrohr dient zur Aufnahme eines Leitungsdrahtes, der also auf diese Weise mit dem Platindrahte in Verbindung steht. nach verstellbar , so
Letzterer ist der ganzen Höhe
verzeichnet werden kann , den braucht.. Aus
der Trommel
dafs eine gröfsere Anzahl Schüsse
dem Platindraht
auf dieser
ohne dafs sie von neuem berufst zu wer-
springen während
des Schusses
Funken
auf die berufste Trommel über und erzeugen daselbst je einen kleinen, von Rufs befreiten Kreis , in dessen Mitte ein scharf begrenzter Punkt die Stelle anzeigt, wo der Funken übersprang.
Erfindungen u. s. w. von militärischem Interesse.
91
An den Induktor wird nur die Forderung gestellt , dafs er im stande ist, die Leydener Flasche auf eine Schlagweite von etwa 5 mm zu laden.
Die Batterie
licher Gröfse.
besteht aus 8 Leydener Flaschen gewöhn-
An den mit der inneren Belegung verbundenen Messing-
knöpfen der Flaschen werden gut isolierte Drähte angebracht .
Jeder
der letzteren wird mit einem der im Gewehrlaufe resp . Geschützrohre steckenden Drähte verbunden .
In
dem Gewehrlauf sind
in gleichen Abständen
von 15 cm
Löcher eingebohrt , welche isolierte Drähte aufnehmen und um letztere hermetisch geschlossen sind . Diese dünnen Kupferdrähte sind an dem einen Ende mit einem der von den Knöpfen der Leydener Flaschen herkommenden Leitungsdrähte verbunden , an dem anderen Ende dagegen gut isoliert . Bei den Geschützrohren geht der Draht nicht durch dessen Wände hindurch, sondern wird nur von einer Seite so eingesteckt, dafs sein gut isoliertes Ende
im Hohlraum
des Rohres
etwas vor-
steht und beim Schufs von dem Projektile nur umgedrückt wird , während die Drähte im Gewehrlaufe von demselben durchgerissen werden. Der Apparat wird nun in folgender Weise gehandhabt : Zunächst steckt man die Drähte in den Gewehrlauf; dann werden mit der Erde verbunden : die rotierende Walze und mit derselben der ganze Mefsapparat,
der Gewehrlauf und der untere der beiden aufserhalb
an der Leydener Batterie angebrachten Messingknöpfe .
Der
obere
der beiden Knöpfe wird mit dem Platindraht in Glasröhrchen in Verbindung gebracht, ferner der Messingknopf, der mit der inneren Seite des Deckels des Kastens, in welchem die Flaschen stehen , und dadurch beim Zuklappen des letzteren mit den inneren Belegungen der Flaschen kommuniziert ,
mit dem Induktor und jeder von den ins
Gewehr gesteckten Drähten mit der inneren Leydener Flaschen.
Erfolgt nun der Schufs ,
Belegung so
einer der
zerreifst das Ge-
schofs nacheinander die Drähte im Laufe, die metallische Verbindung derselben mit den letzteren wird hergestellt und die in ihnen enthaltene positive Elektrizität zur Erde abgeleitet, während zu gleicher Zeit ein Funke vom Platindraht zur Trommel überspringt, indem die negative Ladung der äufseren Belegung der betreffenden Flasche ebenfalls zur Erde übergeht , da sie von der positiven nicht mehr gebunden ist. Nach dem Schusse wird das Laufwerk des Mefsapparates festgestellt ,
die Mikrometerschraube
eingerückt und die Entfernung
der einzelnen Punkte in Skalenteilen der Mikrometerschraube gemessen. Diese letzteren werden dann, da die Geschwindigkeit der
92
Erfindungen u. s. w. von militärischem Interesse.
Trommel
bekannt gerechnet. -
ist ,
unmittelbar
in
um-
Sekundenbruchteile
Apparat zum Messen der Sprengkraft des Pulvers . Der Umstand, dafs bei der vielfach zum Messen der Sprengkraft des Pulvers üblichen Pistolenprobe
bei gleich
starkem Besatz kein ge-
nügend gleichmässiger Ausschlag erzielt wird und die am Instrument angebrachte Feder infolge ihrer starken Abnutzung mit der Zeit sogar zu falschen Angaben führt, hat die Anwendung der sogenannten Stangenprobe veranlafst,
welche diesen Übelstand beseitigt.
Dieser
Probierapparat besteht aus einem Mörser, einem Hammer, einer Feder, dem Zündstifte und Deckel. Ist der Mörser geladen, so wird er mit dem Deckel ,
welcher in zwei
senkrechten Stangen seine Führung
hat , geschlossen und die Feder auf den niedrigsten Stand herabgedrückt .
Sobald nun das auf den Zündstift gesteckte Zündhütchen
mittels des Hammers zur Explosion gebracht wird, schlägt das hierdurch ebenfalls explodierte Pulver den Deckel und somit die Feder in die Höhe ; ersterer fällt nach Erreichung seines höchsten Standes wieder herab und läfst die Feder an dem Punkt zurück, welcher die Stärke des Pulvers in Graden anzeigt. -Distanzmesser mit magnetischer Bewegungsübertragung. Von Siemens u. Halske in Berlin. Der elektrische Distanzmesser dient dazu , den Ort, an welchem sich ein in Bewegung befindliches Objekt in jedem Moment befindet, zu bestimmen .
Das
Prinzip des Apparates ist folgendes : Bezeichne O den Ort eines Objektes , z. B. den Hauptmast eines Fahrzeuges , welches von zwei Beobachtungspunkten B und B₂ aus durch zwei Fernrohre F₁ und F2 gesehen werden kann.
Die Fernrohre seien um vertikale Achsen,
welche durch die Punkte B₁ und B2 gehen, drehbar . B₁ und B₂ bilden
die Endpunkte
der Basis ,
Diese Punkte
von welcher
aus die
Messung erfolgt. An dem Punkt , woselbst man den Ort erfahren will , an dem sich das feindliche Objekt befindet , also von wo aus z. B. die Entzündung
einer Seemine erfolgen soll , wenn das feind-
liche Schiff über dieselbe
fortsegelt ,
ist
ein Indikator
aufgestellt,
welcher zwei um die Achsen b₁ und b₂ drehbar angebrachte Lineale 1½ und l½ in übrigens fester Verbindung mit einander trägt.
Durch
eine
Fern-
elektrische Kraftübertragung macht die Bewegung des
rohres F1 das Lineal 11 und
des Fernrohres F₂
das
Lineal 12 mit.
Wird also das Fernrohr F₁ nach dem Objekte O hin gerichtet , bewegt sich gleichzeitig
das Lineal 1,
so
um dieselben Winkelgrade ;
ebenso bewirkt die Drehung des Fernrohres F2 eine gleiche Winkelbewegung des Lineals 12.
Der Schnittpunkt o beider Lineale bildet
Erfindungen u. s. w. von militärischem Interesse.
93
alsdann mit den Drehpunkten b₁ und b₂ der letzteren ein Dreieck ob₁ b2 , welches dem Beobachtungsdreiecke OB₁ B₂ ähnlich ist, so dafs beim Bekanntsein beider Basen die Entfernung des Objektes O berechnet werden
kann.
Nennt man die
Beobachtungsbasis
B₁
die
Basis des Indikators b, so ist z . B. die Entfernung des Objektes von B₁ B X = X. b B Da bekannt ist, so ist es nur nötig, die Entfernung b
ob₁ = X zu messen und mit dem Quotienten beider Basen zu multiplizieren, um die gesuchte Entfernung zu erhalten .
Sind die Standpunkte der
Fernröhre fest gewählt, so kann man auf den Linealen ob
und ob
passende Teilungen auftragen und auf diesen an dem Schnittpunkte der Lineale die Entfernungen direkt ablesen . Wird auf dem Tische des Indikators bib₂ die Karte des Beobachtungsterrains in dem Mafsstabe b : B aufgetragen ,
so
dafs also
die Punkte b₁ und be die Standorte der Beobachtungsinstrumente B₁ und B₂ repräsentieren ,
so giebt der Schnittpunkt der Lineale un-
mittelbar den Ort des Objektes auf dieser Karte an.
Durch die be-
stehenden elektrischen Bewegungsübertragungen bleiben die Achsen der Fernrohre F₁ und F₂ mit den Linealen 1, bezw. 12 parallel, wie immer auch die Fernrohre gerichtet werden mögen .
Verfolgen also
beide Fernrohre fortwährend ein sich bewegendes Ziel, so beschreibt der Schnittpunkt der beiden Lineale selben auf der Karte.
des Indikators
den Weg des-
Die Aufstellung des Indikators kann an jedem
beliebigen Orte erfolgen ,
also z . B. bei Anwendung des Apparates
zur Küstenverteidigung in den Panzerthürmen ,
während die Beob-
achtungsstationen an übersichtlichen Punkten aufserhalb liegen. Ein ähnlicher Apparat ist von dem französischen Marineoffizier M. G. Le Goarant de Tromelin konstruiert. Die Messung geschieht bei demselben ebenfalls durch Fernrohre , welche sich an den Endpunkten einer Basis bb
befinden.
Es sei z. B.
wieder O der zu beobachtende Gegenstand, F₁ und F₂ zwei in einer gröfseren Entfernung ,
etwa 1000 m , von einander aufgestellte, um
die Punkte b₁ bezw. b₂ drehbare Teleskope. In dem von b₁ nur 1 m entfernten Punkte e ist ein um letzteren Punkt drehbarer Zeiger Z angebracht ,
welcher vermöge
einer zwischen e und be bestehenden
elektrischen Übertragung bei eintretender Drehung des Teleskops B stets dem letzteren genau parallel gerichtet bleibt. Es leuchtet ein, dafs
die Entfernung
zwischen
dem Beobachtungspunkte b₁ und O,
Erfindungen u. s. w. von militärischem Interesse.
94
da die Länge der Seiten des
kleinen Dreieckes acd ,
wobei d der
Schnittpunkt des Zeigers Z mit der Achse des Fernrohres F₁ ist, bei dem
oben angenommenen Verhältnisse
Länge der Seiten des
leicht festgestellt werden kann . des Teleskopes F
genau
ein Tausendstel
der
ähnlichen Dreieckes bb20 beträgt , jederzeit Eine in der Verlängerung der Achse
angebrachte Skala gestattet ,
diese Entfernung ,
auch wenn das beobachtete Objekt O in Bewegung ist, in jedem beliebigen Augenblicke ablesen zu können, vorausgesetzt, dafs die Teleskope von den Beobachtern unausgesetzt genau auf das Objekt gerichtet werden.
Die zur Übertragung der Bewegung des Teleskopes
B₂ auf den gleichgerichteten Zeiger Z dienenden Apparate beruhen im wesentlichen auf dem bei dem Siemens -Halske'schen Instrumente angewendeten Prinzipe . Der Kurvimeter mit Zifferblatt. Von Fritz Châtelain in Neuchâtel ( Schweiz ) . Von den verschiedenen Mitteln, welche bisher zum Messen der Entfernungen auf geographischen Karten und Situationsplänen benutzt worden sind , ist dem Zirkel stets der Vorzug geblieben .
Sein Gebrauch ist aber um so zeitraubender und die
Berechnung um so länger, je gröfsere Krümmungen die zu messende Linie oder Strafse besitzt . Um diesem Übelstande abzuhelfen , um ferner alle Berechnung überflüssig zu machen und dabei sehr schnell operieren zu können , sei der Weg noch so krumm, ist obiges Instrument konstruiert. Der Kurvimeter ist solide und dabei sehr handlich und einfach gebaut und sein Gebrauch von Jedermann leicht zu erlernen.
Derselbe besteht aus zwei parallelen Metallplatten mit Griff.
Auf der einen Platte ist äufserlich ein Zifferblatt angebracht, auf dem sich ein Zeiger bewegt. An der dem ersten Griffe entgegengesetzten Seite ist zwischen den Platten ein nach unten hervorstehendes Rädchen angebracht, welches durch ein zwischen den Platten befindliches Räderwerk mit
dem Zeiger in Verbindung steht.
Das Rädchen ist
an seiner Peripherie mit Zähnen versehen, welche das Abgleiten des Instrumentes vom Papier verhindern und ihm den nötigen Halt verleihen . Bei Benutzung dieses Instrumentes hält man den Griff senkrecht nach oben ,
das Zifferblatt dem Auge zugekehrt, das Rädchen
genau am Ausgangspunkte aufgesetzt.
Darauf läfst man es alle
Krümmungen der Linie , deren Länge man ermitteln will, durchlaufen , wobei man leicht das Instrument aufdrückt und es von rechts nach links gehen läfst.
Der Zeiger rückt in dem Mafse vorwärts , als der
Apparat fortbewegt wird, und giebt die Ortsveränderung des letzteren mit vollkommener Genauigkeit in Kilometern an. Jeder kleine Abschnitt des Zifferblattes bezeichnet einen Kilometer.
Bevor man mit
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften. dem Messen beginnt ,
95
stellt man behufs Erleichterung des Ablesens
den Zeiger auf den Nullpunkt der Einteilung des Zifferblattes . Das Instrument ist zum Messen der Entfernungen auf Karten im Mafsstabe von 1/100 000 und 1/800 000 eingerichtet und dient die äufsere Einteilung für den ersten, die innere für den letzteren Mafsstab . Dasselbe kann aber auch für andere Mafsstäbe gebraucht werden , und nimmt man z. B. bei 1/50 000 die Hälfte der auf dem Zifferblatte für 1/100 000 gefundenen Kilometer, bei 1/25 000 ein Viertel u . s . w. Der Preis des Instrumentes ist
sehr niedrig und beträgt mit Etui
6,25 Mark für das Stück.
VIII .
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
Organ für reichs .
die militär-wissenschaftlichen
21. Bd. 2. u. 3. Heft.
Vereine
Öster-
Die Mittel zum Schutze gegen
grofse und überraschende Verluste , vom Oberlieutenant Roksandié. Die bedeutenden Fortschritte in den ballistischen Leistungen der Handfeuerwaffen wie der Geschütze ,
sowie die Kunst
der tak-
tischen Verwendung derselben verursachen häufig grofse Verluste , die um so gefährlicher wirken, als sie in der Regel eine moralische Auflösung zur Folge haben. Treten solche Verluste bei geschlossenen Abteilungen ein , so ist dieses stets Schuld des Führers ; die Kunst dieselben zu vermeiden, hat daher sehr an Bedeutung gewonnen, denn der Führer hat nur dann seine Truppe in der Hand , wenn er sie physisch und moralisch zu schonen versteht. Von diesem Gesichtspunkte geht die ballistisch-taktische Studie aus und beginnt mit der Entwickelung folgender Punkte : 1. Die Wirkung der gegenwärtigen Feuerwaffen . 2. Die Umstände, durch welche die Wirkung vermehrt oder gemindert werden kann . 3. Die Mittel der Schiefskunst und der Taktik auf das Höchste
zu steigern. Als Beispiel für das Vorkommen plötzlicher und grofser Verluste dient das Auftreten
der preufsischen Garde bei St. Privat ,
die in
etwa 10 Minuten mehr als 6000 Mann verlor, obgleich die Wirkung
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
96
des Feuers der Franzosen
eine mehr zufällige und nicht eine Folge
rationeller Übung im Frieden war.
In zukünftigen Kriegen sind alle
Armeeen mit weittragenden Gewehren bewaffnet und im Schiefsen auf weite Entfernungen ausgebildet.
Die Artillerie, die schon 1870
auf Seite der Deutschen so grofse Resultate
erzielte ,
ist in allen
Staaten ebenfalls so verbessert, dafs sich die Tragweite der Geschosse gar nicht berechnen läfst. der Verluste aus
Der Verfasser giebt nun eine Statistik
dem letzten deutsch-französischen Kriege ,
wobei
er zu dem Resultat gelangt, dafs die obere Hälfte des Körpers gerade zweimal so oft getroffen wird , wie die untere , und dafs von allen Treffern 79 Prozent durch Gewehr- und 16 Prozent durch Geschützfeuer verursacht sind.
Im weiteren legt der Verfasser seine Grund-
sätze für die Verwendung
des Massenfeuers dar , die wir hier nicht
weiter erwähnen, da sie genau mit den bei uns geltenden Prinzipien übereinstimmen . In Bezug auf die Mittel zur Vermeidung der grofsen Verluste erwähnt der Verfasser : 1. Verminderung der Zielhöhe . Raum ist , parallelen
desto mehr schützt , Terrain
Knieen oder Liegen .
Je gröfser der bestrichene
namentlich bei einem der Flugbahn
die Verminderung der
Zielhöhe
durch Bücken,
Die grofsen Verluste an Offizieren waren Folge
häufigen und längeren Stehens ;
Schutz
dagegen
gewährt
nicht
zu
langes Sichzeigen und (bei rechtszügigen Gewehren) Aufenthalt seitwärts und vorwärts des rechten Flügels . 2. Formation der Truppe . Der Führer mufs stets dafür Sorge tragen, dafs die Truppe den möglichst kleinsten Raum in der Streufläche der Geschosse einnimmt ,
wobei Zielhöhe ,
Bodenbeschaffenheit zu berücksichtigen sind . besten die
Distance und
Hierzu eignet sich am
durchbrochene Linie und das Abbrechen der Züge in
Reihen oder Sektionen . Erstere Formation ist auf gröfseren Entfernungen und da am vorteilhaftesten , wo Frontal- und Flankenfeuer zu berücksichtigen sind , letztere auf den weitesten Entfernungen , wo es sich oft nur um ein Nichtgesehenwerden handelt und da, wo man durch die eigene Feuerlinie gut maskiert ist.
Im Präzisionsfeuer auf
kürzeren Entfernungen ist diese Formation nicht zu verwenden . 3. Schnelle Bewegung und eigene Feuerwirkung . Eine rasch vorwärts und unter einen Winkel von 45 ° ausgeführte Bewegung ist das sicherste Mittel, es folgen nur einzelne gezielte Schüsse , während die ungezielten noch in der früheren Richtung abgegeben werden. Gegen Salvenfeuer schützt Niederwerfen beim Aufleuchten der Schüsse . Sowie überhaupt eine Abteilung merkt , dafs sie das Feuer auf sich gezogen hat, mufs sie sich schnell vorwärts bewegen,
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
geschützt durch
starkes Feuer liegen
97
bleibender Abteilungen ,
das
jedoch nie Salvenfeuer sein darf, da dieses zu lange Pausen giebt. 4. Benutzung der Deckungen und der Bodenbeschaffenheit.
Es ist der Grundsatz zu beobachten , daſs bei gleicher Bodenbeschaffenheit die ungefährdeten Räume hinter Deckungen sich vergröfsern , je näher man an den Feind herankommt , daher Ausnutzung dieser Räume und strenges Anschmiegen der Formationen an dieselben. Weicher , unebner Boden , sowie eine gegen die Flugbahn geneigte Böschung schützen gegen Aufschläger. 5. Verhinderung der Distanceermittelung seitens des Gegners.
Man entziehe dem Feinde die Gelegenheit, seine Schüsse
zu beobachten, z . B. durch Aufstellen hinter Objekte, die einen grofsen Teil des Zwischenterrains decken , rasche Stellungsveränderungen, durchbrochene Formation u. s. w. u. s. w. Hiernach geht
der Verfasser
tillerie über und stellt ,
zu den Schutzmitteln gegen Ar-
nach eingehender Betrachtung der Wirkung
der verschiedenen Geschofsarten ,
gleiche Prinzipien wie die
obigen
Diese sind jedoch einfacher , da es sich meistens um gröfsere Entfernungen handelt , so dafs der Führer vorzugsweise darauf zu sehen hat , die Truppe dem Auge des Gegners zu entziehen , was
auf.
meistens durch Niederlegen (z . B. in Wiesen , Feldern u . s . w .) geschehen kann , sonst schützt nur schneller vorwärts und seitwärts stattfindender Positionswechsel. Der ganze Artikel ist eine wohldurchdachte Studie , die von neuem zeigt, wie sehr die Anforderungen
an den Truppenführer gesteigert
sind und wie genaue Kenntnis der Ballistik der Infanteriewaffe sowie der Geschütze ein unbedingtes Erfordernis geworden ist.
Spectateur militaire. ( 15. August 1880. ) im Luftballon.
Die Photographie
Der Spectateur hat wiederholt auf den Vorteil,
den photographische Aufnahmen von Ballons
aus gewähren würden,
hingewiesen, ohne dafs es jedoch zu einem praktischen Versuch gekommen wäre ; gewesen.
dieses
ist erst jetzt durch Mr. Desmaret
Das erlangte Resultat,
der Fall
das noch keineswegs ein vollkom-
menes genannt werden kann , hat zur folge gehabt, dafs der Kriegsminister den jungen Erfinder
zu sich kommen liefs , und dafs wei-
tere Versuche seitens der École aërostatique zu Meudon stattfinden werden. Die erste zum Zweck einer photographischen Terrainaufnahme veranstaltete Auffahrt fand am 15. Juni d. J. bei Rouen statt, und zwar in
einer Höhe von etwa 1300 m , die zweite nahe dabei
in ungefähr 1100 m Höhe . Beide Aufnahmen , Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
die sich im Besitz 7
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
98
der Redaction des Spectateur militaire befinden, von 1
sind im Mafsstabe
1000 , und umfassen ungefähr 9 Hektaren .
Obgleich die Luft
im Moment der Aufnahme sehr nebelig war, so sind dennoch Häuser, Mauern ,
Strafsen u. s. w.
wesen , so würden
sehr deutlich ,
wäre die Luft klarer ge-
auch die Menschen erkennbar sein ; man könnte
daher im Kriege Aufnahmen von Lagern , Marschkolonnen , belagerten Festungen u . s. w. mit solcher Genauigkeit machen ,
dafs
sich die
Stärke der Abteilungen bestimmt angeben liefse, während der Ballon selbst vor feindlichem Feuer vollständig sicher wäre . Derartige Aufnahmen sind vom Ballon captif aus bereits mehrfach gemacht , doch ist deren Verwendung zu Kriegszwecken nur eine sehr bedingte . Die Ansicht, dafs die schnelle Bewegung des freien Ballons der Aufnahme hinderlich sein würde, hat sich nicht bestätigt.
Am 14. Juni betrug
die Geschwindigkeit 6-7 m in einer Sekunde, und doch ist auf der Platte nicht die geringste Störung zu entdecken , es ist dieses die Folge des
sehr empfindlichen Kollodiums
und des durch Elektrizität be-
wirkten raschen Öffnens und Schliefsens der Platte, das kaum 1/100 Sekunde erfordert, so dafs sich in einer Höhe von 1000 m keine einzige verschobene Linie
zeigt.
Um entgegengesetzte Luftströmungen
überwinden zu können , empfiehlt der Verfasser einen von Dampfkraft getriebenen Propeller , dessen praktische Verwendung jedoch vorläufig noch nicht festgestellt ist.
Es wird daher in solchen Fällen wohl
nichts anderes übrig bleiben , als auf günstigen Wind zu warten. Jedenfalls ist durch das erlangte Resultat schon jetzt zu konstatieren, dafs photographische Aufnahmen und Rekognoszierungen von freien Ballons aus können .
möglich sind und aufserordentlichen Nutzen bringen
Journal des Sciences militaires.
(Oktober 1880. )
Das In-
fanteriegefecht auf den nahen Entfernungen. Das Grasund das Mauser- Gewehr. Trotz der grofsen technischen Verbesserungen der Gewehre und trotz der bedeutenden Leistungen derselben auf den weiten Entfernungen liegt die Entscheidung des Infanteriegefechtes doch nur auf den nahen Entfernungen , d . h. innerhalb der Grenze von 600 m, da bis hier noch von Resultaten gegen eine Schützenlinie nicht die Rede sein kann . Die französische Schiefsinstruktion wie die
übrigen
reglementarischen
Vorschriften geben
jedoch keine oder nur ungenügende Direktiven über die Verwendung des Gewehres auf den kurzen Distancen , namentlich sind die vorgeschriebenen Haltepunkte durchaus nicht den Gefechtsverhältnissen entsprechend .
Der Verfasser dringt daher darauf, stets den Fufs des
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
99
Zieles, bezw. den Erdboden unter dem Ziel als Haltepunkt zu nehmen, woraus sich für die vier feststehenden Visierlinien des Gras- Gewehres folgende Zielvorschriften ergeben :
Mit der
ersten Visierlinie bis zu
200 m, mit der zweiten 200-300 m , mit der dritten 300-350 m mit dem Visier für 400 m auf 350-400 m. Die Richtigkeit dieser Haltepunkte wird durch statistische Notizen über die Flugbahn nachNach dieser einleitenden Betrachtung wird das Schnell-
gewiesen.
feuer beleuchtet .
Wenn der Kampf auf den nahen Entfernungen seine
äusserste Heftigkeit erreicht hat, wenn jeder Schütze so oft schiefst, als er Gelegenheit hat, ein Ziel genau zu erfassen , so ist in diesem Falle doch noch nicht die volle Leistungsfähigkeit der Waffe ausgebeutet, es kann noch eine Steigerung stattfinden , und zwar durch das Schnellfeuer. Die über die Anwendung desselben vorhandenen reglementarischen Vorschriften
sind sehr ungenau und bedürfen der
Der Verfasser schlägt vor , als Vervollkommnung und Präzision . äusserste Grenze für die Verwendung desselben die Distance von 300 m vorzuschreiben und die Mannschaft vollständig darin auszubilden, hierbei das Gewehr genau horizontal, d . h. parallel dem Erdboden anzuschlagen und in diesem Anschlage so rasch als irgend ohne weiteres Zielen zu feuern . Der dichte Pulverdampf wird ein genaues Zielen schon von selbst unmöglich machen , allein , da das Schnellfeuer nur dann abgegeben werden soll, wenn der Gegner im letzten Stadium des Angriffes sich zum sprungweisen Vormöglich
gehen erhebt , so wird die Wirkung dennoch eine ganz bedeutende sein. Unter allen Umständen mufs hierbei der Führer die Feuerleitung in der Hand behalten und sofort wieder zum Präzisionsfeuer übergehen, sobald der Gegner sich wieder niedergeworfen hat. Die Anerziehung dieser Feuerdisziplin wird schwierig sein, allein sie ist ein dringendes Bedürfnis und wird stets in den entscheidenden Momenten zur Anwendung kommen müssen . Im zweiten Teile betrachtet der Verfasser die deutsche Schiefsinstruktion und tadelt hierbei
sowohl den Mangel bestimmter Vor-
schriften über die Anwendung und die Ausführung des Schnellfeuers, wie auch die Visiereinrichtung des (in seinen ballistischen Leistungen dem Gras- Gewehr gleichen) deutschen Gewehres für die näheren Entfernungen , d. h . im Bereich des Standvisiers . Die durch die Instruktion vorgeschriebenen Haltepunkte
von ein und
zwei
scheinbaren
Kopfhöhen sind für das Gefecht auf der Ebene gar nicht anwendbar, wolle man hier treffen, so müsse man nicht unter , sondern vor das Ziel halten. 7*
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
100
Der Verfasser vergleicht nun beide Gewehre auf Grund der für dieselben erlassenen Instruktionen , in der Offensive und Defensive gegeneinander , wobei von der jeder Defensivstellung innewohnenden Überlegenheit Abstand genommen ist. Ist das Gras- Gewehr in der Defensive , so sind beide Modelle bis an 300 m heran in ihren Leistungen gleich . durch
Von hier an ist das französische Gewehr sowohl
sein Schnellfeuer , wie durch seine beim Präzisionsfeuer stets
günstigen Zielpunkte dem deutschen Gewehr stets überlegen, ausgenommen, wenn die Verteidiger hinter einem Schützengraben liegen , dessen Erdaufwurf 0,60 m Höhe hat , denn deutsche Gewehr ein gutes Abkommen.
gegen
diesen hat das
In der Offensive zeigt sich
die Überlegenheit der Visiereinrichtung des Gras-Gewehres in gleicher Weise . Als unerlässliche Bedingung für das Gelingen eines Frontalangriffes wird hierbei die Mitwirkung der Artillerie bis zu dem Augenblicke hingestellt, wo der Angreifer auf 150 m vor der Verteidigungsstellung angekommen ist, eine Ausnahme kann nur dann hiervon gemacht werden , wenn der Angreifer gleichzeitig auch in der Flanke mit überlegenen Kräften auftreten kann. Im dritten Teile stellt der Verfasser die taktischen Grundsätze für die Verwendung des Gras- Gewehres
auf den
nahen Distancen,
zugleich mit den Vorschriften für die Feuerarten und die anzuwendenden Visiere zusammen , wobei er folgende 6 Punkte reglementarisiert haben will : 1. Für jedes Schnellfeuer ist horizontaler Anschlag ,
d . h. pa-
rallel dem Terrain , zu nehmen . 2. Die Grenze des Schnellfeuers ist die Distanz von 300 m. 3. Bei gefechtsmässigen Schiefsübungen ist häufig Schnellfeuer in drei Lagen von je 4-5 Patronen zu üben , als Ziel dienen dabei Schützenlinien in stehender, knieender und liegender Stellung . 4. Bei allem Präzisionsschiefsen ist auf den Fufs des Zieles zu halten , auf den näheren Entfernungen mit den entsprechenden feststehenden Visieren , auf den weiteren mit dem eingestellten Schieber auf die wirkliche Distance plus 25 m. 5. Die ersparte Munition ist zu gefechtsmäfsigem Schiefsen zu verwenden, Angriff und Verteidigung sind nach den in dieser Studie entwickelten Grundsätzen ,
unter abwechselndem
Schnellfeuer und
Präzisionsfeuer, zu üben.
6. Die Brustwehren der Schützengräben sind auf 0,80 m zu erhöhen ,
und zwar , abgesehen von der Erschwerung des Zielens für den Gegner , der dadurch erreichten besseren Deckung wegen . Die
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
101
Soutiens, wie die Bataillonsreserve sind ebenfalls durch Erddeckungen vor den Sprengstücken der Granaten zu schützen .
Die Reserve des
Regiments bedarf dieser Deckungen nicht. Wenngleich wir uns keineswegs mit allen vom Verfasser ausgesprochenen Grundsätzen einverstanden erklären können , so müssen wir doch die streng objektive Behandlung des ganzen Themas anerkennen. Im Allgemeinen wird die Entscheidung
des Gefechtes
schon früher
wie innerhalb der Grenzen von 200 m eintreten, dafs aber in dieser Zone die Visierung des deutschen Gewehres keine sehr günstige ist, wird jeder von uns gern zugeben ; es ist dagegen wohl zu erwägen , dafs das Gewehr hierfür auch ein Äquivaleut, sowohl in der so sehr langgestreckten Rasanz der Flugbahn des Standvisiers , wie auch in der aufserordentlichen Einfachheit der Visiereinrichtung, bietet.
Das
deutsche
mit
Gewehr schiefst innerhalb
300 m gegen alle Ziele
einer Visierlinie, wo das französische drei verschiedene verwendet.
Journal des Sciences militaires. Betrachtungen über die Taktik der Zukunft. Man mufs alle 10 Jahre seine Taktik ändern, wenn man seine Überlegenheit erhalten will, sagt Napoleon I.
Von
diesem Ausspruche ausgehend, betrachtet der Verfasser in kurzen , charakteristischen Zügen den gegenwärtigen Zustand der Taktik der französischen Armee, woraus wir folgendes entnehmen . Die allgemeine
Kampfart der
Infanterie
besteht in
successiv
verstärkten Schützenlinien ,
deren Dichtigkeit in den verschiedenen Gefechtsmomenten verschieden ist. Als äufserste Dichtigkeit schreibt
das französische Reglement 1 Mann auf je 1 m vor , dies ist aber unzureichend, und müsste man wenigstens 1 Mann auf 0,75 m rechnen.
Dagegen würde es sich empfehlen, die vorgeschriebenen , „ ren-
forts" in Wegfall kommen zu lassen. Die Einführung eines Repetirgewehres ist nur noch eine Frage der Zeit, sie ist ein dringendes Bedürfnis geworden . Dem Distanceschätzen wird noch nicht genügende Beachtung geschenkt. Die künstlichen Schutzmittel, Schützengräben u . s . w. haben eine besondere Bedeutung erlangt. Jedes Feuer auf weite Entfernungen muſs stets auf einen bestimmten Punkt konzentriert werden. Eine Stellung, die eine nur einigermassen günstige Verteidigung bietet,
darf nur dann
Angriff unterstützt.
angegriffen werden, wenn die Artillerie den
Letztere
mufs
aufser Gewehrschufsweite
den
Kampf mit der feindlichen Artillerie beginnen, um sie entweder zum Schweigen zu bringen , oder deren Wirkung zu paralysieren . wird auch die Artillerie müssen.
sich
Häufig
durch künstliche Deckungen schützen
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
102
In Bezug auf die Kavallerie wickelt :
Die
Kavallerie
werden
eröffnet den
folgende Grundsätze ent-
Feldzug ,
die
selbständigen
Kavalleriedivisionen werden die ersten Gefechte liefern, die durchaus nicht unwichtig sind, denn es kommt darauf an , Gebiet zu besetzen und Eisenbahnen
schnell feindliches
und Telegraphen zu zerstören,
während sie die eigene Armee mit einem für den feindlichen undurchdringlichen Schleier umgeben sich bemühen ,
soll .
Jeder der beiden Gegner wird
diesen Schleier zu zerreifsen ,
derjenige wird Sieger
sein, der es versteht, auf dem entscheidenden Punkte mit überlegenen Kräften aufzutreten. Hierzu ist rasche Konzentrierungsfähigkeit erforderlich, die der französischen Kavallerie fehlt, weil die Kavalleriedivisionen zu grofse Rayons
einnehmen.
stellen, dafs die Kavallerie,
um zu sehen ,
Als Grundsatz
ist festzu-
sehr schwach sein kann,
um aber zu schlagen , sehr stark auftreten mufs. Die grofse Schlacht wird ebenfalls durch Kavallerie eingeleitet. Attacken gegen Infanterie sind undenkbar, aufser wenn diese demoralisiert ist ; in Ordnung zurückgehende Infanterie kann nicht
mit Erfolg angegriffen werden .
Nach der Schlacht mufs die Kavallerie den Sieg ausnutzeu und den Gegner verhindern , sich wieder zu setzen. Das Gefecht der Kavallerie zu Fufs wird in Zukunft eine gröfsere Rolle spielen, wenngleich die häufig aufgestellte Behauptung, der Kavallerist solle im Tiraillement dasselbe leisten wie der Infanterist, niemals wahr werden wird. Der Verfasser ist von der Notwendigkeit permanenter Zuteilung von Infanterie zu den Kavalleriedivisionen
überzeugt.
Nichts wird den.
Gegner so an der Ausnutzung eines Erfolges hindern, wie das unerwartete
Auftreten von auch nur
Niemals darf die Infanterie die dern,
beide Waffen können ,
vollständig
selbständig
schwachen Infanterieabteilungen.
freie Bewegung der Kavallerie hin-
unter stetem im Augehalten des Zieles
operieren .
Die Kavallerie hat gegen früher
eine bedeutend wichtigere Bestimmung erhalten, allein sie ist noch weit entfernt, den an sie zu stellenden Anforderungen zu genügen .
Journal des Sciences militaires ( Oktober-Heft) .
Bemerkun-
Seit den wenigen Jahren, wo gen zu den grofsen Manövern . gröfsere Manöver nach dem Vorbilde der deutschen auch in Frankreich stattfinden, hat sich die französische journalistische Militärlitteratur mit besonderer Vorliebe der Besprechung dieses neuen, immer noch sehr unvollkommen ausgebildeten Dienstzweiges zugewandt. Gegenwärtiger Artikel bespricht in seinem ersten Teile die allgemeinen Bemerkungen über den Zweck und den Nutzen der Divisionsmanöver überhaupt, wobei die hierbei Grundsätze besonderes Interesse bieten.
ausgesprochenen taktischen
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
103
Die Divisionsmanöver geben der Truppe Gelegenheit , den Marschund Kantonnementsdienst gründlich zu üben und zu erlernen, aufserdem befestigen sie die Sicherheit im Auftreten und in der Verwendung der taktischen Einheiten . Die Manöver waren, soweit sie den Marsch- und Kantonnementsdienst betreffen, gut geleitet, von der Ausführung der Gefechtsübungen läfst sich dasselbe nicht behaupten , hier bedarf noch manches der Vervollkommnung. Im allgemeinen tadelt der Verfasser die nicht genügend durchgeführten Angriffsentwicklungen, die zu frühe zum Stillstand gebracht werden, noch bevor die Schwierigkeiten , die sich beim weiteren Vorgehen entgegenstellen würden , in richtiger Weise überwunden werden ; ferner fehlt es an jeder Veränderung in den Stärkeverhältnissen, wie sie durch das Terrain und die beiderseitigen Dispositionen hervorgerufen werden . Im Speziellen erwähnt der Verfasser folgende Punkte . vallerie scheint gänzlich darauf zu greifen .
verzichten ,
Die Ka-
die Infanterie anzu-
Prinzipiell mufs sie jedoch jede auf dem Rückzuge befind-
liche Infanterie attackieren, häufig kann sie hier in wenigen Minuten mit geringen Verlusten mehr erreichen ,
wie die übrigen Waffen in
längerer Zeit und bei grofsen Verlusten. Dasselbe ist der Fall, wenn das zweite Treffen der feindlichen Infanterie zu weit vom ersten entfernt ist, hier kann sie ohne Gefahr angreifen,
da die zweite Linie
dann nicht zur rechten Zeit eingreifen wird . Was die Artillerie betrifft, so kam sie bei dem im allgemeinen waldigen, sehr koupierten Terrain zu wenig zur Verwendung, man war eben der Ansicht, dafs das Terrain keine günstige Positionen hat. Die Artillerie wirkt aber mehr durch den moralischen Einfluss als durch die Zahl der Treffer, und sie mufs unter allen Umständen die vorgehende Infanterie unterstützen . Die Infanterie hatte ersten Linie,
eine zu geringe Frontausdehnung in der
es gab zu viele einzelne Linien und die Abstände der
Treffen waren zu grofs , kurz , es fehlte an dem richtigen Zusammenhang des Bataillons.
Die Operationen der Infanterie erfordern eine
lange und methodische Vorbereitung, um den schliefslichen konzentrischen Durchbruch
zu
ermöglichen ,
oder um
ein vernichtendes
Massenfeuer auf den entscheidenden Angriffspunkt richten zu können . Bis zu diesem Augenblicke sind alle Operationen nur vorbereitender Art. Es macht jedoch den Eindruck, als ob die Offiziere die zerstreute Fechtart als Zweck und nicht als Mittel zum Zweck ansähen, das Konzentrieren findet schon auf zu
weiten Entfernungen statt,
wodurch beim Manöverieren im koupierten Terrain fortwährend Unordnungen entstanden .
In solchen Fällen müssen die Echelons scharfe
1
Aus ausländischen militärischen Zeitschriften.
104
Verbindung halten und ein Bataillon darf nicht über 200 m in der Tiefenaufstellung haben.
Wenn dagegen das Reglement für die Front-
ausdehnung 300 m vorschreibt, den Moment des Chocs
so ist
festgesetzt ,
damit die Ausdehnung für
während bei den
einleitenden
Operationen die Ausdehnung eine weit gröfsere sein mufs. Im allgemeinen nutzte die Infanterie weder in der Offensive noch in der Defensive das Terrain genügend aus . Im zweiten Teile des Artikels ein Mittel anzugeben,
dazu
über,
die Manöver mehr der Wirklichkeit ähnlich
zu gestalten.
Er will nämlich
jurés)
die
haben ,
geht der Verfasser
vereidigte
auf beiden Seiten
Schiedsrichter (arbitres
die Verluste bestimmen , und
eine gewisse Anzahl Leute aufser Gefecht setzen .
Wir geben diesen
Teil des Aufsatzes hier nicht wieder, weil wir ihn für durchaus nicht zweckentsprechend halten ; nicht die Zahl der Verluste, sondern der moralische Zustand giebt im Gefecht die Entscheidung.
Avenir militaire (Nr. Cherbourg .
663 u . f. ) .
Die Verteidigung von
Anknüpfend an den im vergangenen Sommer stattge-
habten Besuch des Präsidenten der französischen Republik in Cherbourg, giebt vorstehender Artikel eine Kriegshafens und seiner Befestigungen ,
historische Entwickelung des sowie
eine Kritik
über die
gegenwärtig nicht mehr genügenden Verteidigungswerke desselben. Der erste Entwurf der Verteidigungsanlagen stammt von Vauban, der eine Enceinte von ungefähr zwei Dritteln der jetzigen Ausdehnung während er auf dem rechten Ufer ein Bassin für die
konstruierte ,
Kriegsmarine, genau an derselben Stelle, wo es jetzt noch ist, ausgraben liefs 2, das kleinere Schiffe bis zu 20 Kanonen aufzunehmen bestimmt war. Da man jedoch der Ansicht war, dafs diese Anlagen nicht genügend stark sein würden , um ausreichenden Schutz gegen einen feindlichen Angriff zu gewähren , so wurden die bereits weit vorgeschrittenen Arbeiten wieder zerstört.
Gegen Ende des vorigen
Jahrhunderts wurde die Idee von neuem wieder aufgenommen , und der Bau nach dem ursprünglichen Entwurf mit wesentlichen Erweiterungen begonnen. Statt des kleinen Vauban'schen Bassins wurde ein mächtiger Damm in das Meer hineingebaut, gleichzeitig wurden die noch jetzt vorhandenen grofsen steinernen Bauten zum Schutz des Hafens errichtet. Diese entsprechen natürlich den Anforderungen der Jetztzeit nicht mehr. Das für die Flotte so wichtige grofse Marinearsenal ist dadurch, dafs es zu nahe dem Meeresdamme liegt, dem Feuer der modernen Geschütze vollständig preisgegeben . Es geht den Marineverteidigungs- Einrichtungen ebenso wie den Land-
Umschau in der Militär-Litteratur.
105
sind für ihre Zeit gebaut und konnten die Vervollkommnungen der Angriffswaffen nicht voraussehen . Der Admiral festungen,
sie
Jauréguiberry hat offen die Schwächen des jetzigen Verteidigungssystems ausgesprochen, und es steht zu erwarten, dafs die Abhülfe bald eintreten wird, um so mehr, da gerade jetzt der Kriegsminister Farre sich eingehend mit der Küstenverteidigung beschäftigt. Vor allen Dingen mufs der westliche Hafeneingang, der jetzt mit steinernen Türmen befestigt ist, mit Panzertürmen versehen werden. Der Verfasser spricht zum Schlufs die Hoffnung aus, dafs der Besuch des Präsidenten die energische Inangriffnahme dieser Maſsregeln zur Folge haben wird.
IX .
Umschau in der Militär-Litteratur .
Die Aufgabe unserer Infanterie in Bataillon und Brigade und die Apologie hierzu : ,, Zur Taktik der Infanterie von 1880" von v. Kessel , General der Infanterie , Generaladjutant Sr. Majestät Ordenskommission . Verehrtester Gönner !
des
Kaisers ,
Präses
der
General-
Sie zeihen mich einer Unterlassungs-
sünde und rufen mir die Worte ins Gedächtnis : „ Qui tacet, dum loqui potuit, assentire videtur!" Scheinbar verdiene ich Ihren Vorwurf. Und doch habe ich nicht ohne reifliches Erwägen in dem vorliegenden Falle gehandelt ! - Sie wissen , die Jahrbücher haben es sich zur Aufgabe gemacht , für die Verbreitung guter taktischer Schriften nach Kräften Sorge zu tragen, andere aber tot zu schweigen , wenn nicht zu befürchten
steht ,
dafs der Name
des Autors
oder
sonst ein Kunstmittel dem betreffenden Buche eine ungebührliche Beachtung verschaffen könnte ! ― Aus diesem Grunde wurde u. A. auch das etwa vor einem Jahr erschienene Buch „ Die Aufgabe unserer Infanterie in Bataillon und Brigade" in den Jahrbüchern nicht besprochen. Der im siebenten Heft des MilitärWochenblatts enthaltene Aufsatz Zur Taktik der Infanterie von 1880 " ändert die Lage nun aber vollständig
und zwingt,
auch ohne Ihre
Mahnung, die dem ersten Werke gegenüber bisher beobachtete Reserve aufzugeben.
Umschau in der Militär-Litteratur.
106
Es ist Ihnen nicht unbekannt, mit welcher Spannung ich damals dem angekündigten Erscheinen des erstgenannten Buches entgegensah.
Der anonyme Verfasser
sollte in hohen militärischen Kreisen
zu suchen sein ; meine und die Vermutung Vieler fiel auf einen berühmten Militär- Schriftsteller,
auf den die Armee mit ganz beson-
derem Vertrauen und grofsen Hoffnungen blickt. Das Buch erschien es scheuchten seine ersten Zeilen schon die entstandene Vermutung ! Geistes !
Das war seine Feder nicht , da war kein Hauch seines Wenn auch einigermassen 4 enttäuscht , las ich doch
mit gespanntestem Interesse weiter . Sprache und Gedankengang des Werkes machten dies nicht zu einer leichten Arbeit ! Ich fand mich so wenig in dem Buche zurecht ,
dafs ich
erst nach wiederholtem
Durchlesen einzelner Stellen den Sinn einigermafsen zu erraten oder den Zusammenhang der Gedanken herzustellen im stande war. Der Bleistift ohne den, wie Sie wissen, ich nie ein Buch lese - war in fast unausgesetzter Thätigkeit , der breite
weifse Rand reichte.
nicht aus für die zahlreichen Bemerkungen, die der Augenblick gebar. Je weiter ich beim Lesen vorschritt , um so mehr mehrten sich die Bedenken, ob es nutzbringend sei, das Buch in den Jahrbüchern zu empfehlen - und als ich schliefslich mit Lesen fertig war , stand der Entschlufs fest : Der Rest heifst Schweigen! - Der Name des Verfassers blieb nur kurze Zeit ein Geheimnis ! Böse Zungen zischelten denselben anfangs,
aber bald führte ihn der Wind über Strom und
Thal und Hügel ! Mich berührte das Erfahrene sehr schmerzlich ; war doch der Verfasser vor etwa 15 Jahren durch sein Werk „ Die Ausbildung des preussischen Infanterie- Bataillons im praktischen Dienst" für mich ein hellleuchtender Leitstern gewesen -- ein Grund mehr zum Schweigen ! - Es wurde das Unterdrücken meiner persönlichen Anschauungen dadurch sehr erleichtert, dafs mir Leidenden im ewigen Rom die Wellen der Tiber mondelang rythmische Sänge
von den
unsterblichen Kriegsthaten der Römer zuplätscherten oder im weltentzogenen Tibur Wasserfall und Nachtigal mir in brausend-schmetterndem Konzert dieselben Weisen zusangen , die einst Catull zu süfsen Liedern begeisterten . Als ich dann erfrischt im Sommer meines Daseins gewohnte Kreise wieder betrat und von mancher lieben und schätzenswerten Seite litterarischen Bericht über die letzte Vergangenheit erhielt , sprach kein Mensch mehr darüber,
dafs im
Anfang d. J. jenes Werk „ Die Aufgabe unserer Infanterie u. s. w. “ erschienen war. Die hierdurch hervorgerufene Ansicht , das Werk habe somit in der Armee
keine besonders
günstige Aufnahme ge-
funden, erhielt gewissermafsen noch dadurch eine Bestätigung ,
dafs
Umschau in der Militär-Litteratur. die in
ziemlicher Anzahl vorliegenden
107
neuen Schriften taktischen
Inhalts im grofsen und ganzen auf dem Boden des Reglements standen und, wenn auch auf verschiedenem Wege , demselben Ziele zustrebten und dabei bewiesen, dafs man in der Armee die Grundsätze für die Ausbildung
der Infanterie
zum Gefecht klar erkannt habe.
(Vergl. die „ Umschau in der Militär-Litteratur" Jahrbücher. )
im Juli-Heft der
Hervorragend unter diesen Büchern war das bereits
im Frühjahr erschienene , mir aber leider verspätet unter die Augen gekommene „ Über die Fechtweise und die Gefechtsausbildung des Infanterie-Bataillons . "
Mit welch freudigem Gefühl las ich auch dort ,
daſs man in jahrelangem regen Streben dahin gelangt sei, die Hauptgrundsätze für die neue Taktik zu erkennen und festzustellen ,
und
dafs es nur noch notwendig sei, die Konsequenzen dieser Grundsätze bis in die Details hinein zu ziehen , sie auf unsere Übungsplätze und in die Praxis zu übertragen. in dieser Beziehung betreten . behagliche Friedensschlendrian
Der richtige Weg sei aber auch
Allerdings schleiche sich daneben der ein und man fange wieder an ,
dem
Wert des Formellen sowie einem gewohnheitsmässigen Mechanismus eine zu grofse Beachtung zuzuwenden. Unter diesen Umständen können Sie sich, Verehrtester, gewifs leicht mein Staunen vorstellen, als vor kurzem das siebente Beiheft des Militär-Wochenblatts diesen verhältnismässig
sehr umfangreichen Aufsatz ,
betitelt „ Zur Taktik
der Infanterie von 1880" brachte , der sich beim ersten Blicke als eine stark gefärbte Schutzschrift für jenes mehrgenannte Werk „ Die Aufgabe unserer Infanterie u . s. w. " entpuppte. Ganz besonders auffallend war hierbei noch, dafs der von aller Welt als der Verfasser der letztgenannten Broschüre bezeichnete Offizier selbst als der Verteidiger derselben auftritt und „ zur Entschuldigung einige Worte " schreibt.
Allerdings übernimmt er nicht ausdrücklich die Autorschaft
der „ Aufgabe unserer Infanterie ", spricht im Gegenteil von den Motiven,
welche den
Verfasser
bewogen
haben
können ,
von der
Möglichkeit , dafs man der Schreibart des Reglements sich hat zuwenden wollen , dafs man der Individualität des Verfassers Eifer und Interesse für die Sache billigerweise nachsehen müsse u. s. w. Aber alle Zweifel über die Person des Autors jenes ersten Werkes werden dann wieder durch andere Stellen genommen, wie z . B. „ aber niemals stehen wir gebeugten Hauptes vor einer Kritik , am wenigsten dann, wenn es sich um Auseinandersetzungen einer Materie handelt, in welcher wir glauben zu Hause zu sein und zwar nicht als Werkzeug einer toten Wiederholung des Erlernten , sondern als Schüler der Zeit , der nach besten Kräften gearbeitet hat . . . “
Umschau in der Militär-Litteratur.
108
oder „ da gar keine Veranlassung vorliegt ,
die bestimmenden
Ansichten (für Abfassung der Broschüre) zu verschweigen , so wollen wir dies ebenfalls aufzuklären suchen . . . " u. A. m. Wir dürfen daher wohl mit voller Bestimmtheit Verfasser und Verteidiger der hier zu Grunde liegenden Schrift als eine Person ansehen !! Der Verfasser sagt im Eingang seiner Verteidigungsschrift: „Es kann hier nicht darauf ankommen , neuen Besprechung zu unterwerfen ,
den Inhalt des Buches
aber es
einer
ist doch interessant
und lehrreich, zu ermitteln , welchen Boden die zum Teil neuen Gedanken des Buches in der Armee gefunden haben. Gewifs, so sagen Sie sehr richtig , Verteidiger
hätte der vorhandene „ Boden "
längst
bekannt
preuſsischen Offiziercorps !
sein
können ,
d.
doch dem Herrn i.
der Geist
des
Auch unterschreibe ich Ihre fernere Be-
merkung, dafs die ganze Verteidigungsschrift eigentlich nur aus dem bestehe , worauf „ es nicht ankomme " , aus einer neuen Besprechung des alten Buches ,
der
eine Selbstunterschätzung des Autors
zum Vorwurfe zu machen sei .
nicht
Um einen gewissen Anhalt über die
Aufnahme seines Werkes zu gewinnen, glaubt der Herr Selbstverteidiger auf die in fachwissenschaftlichen Blättern erschienenen Empfehlungen und Kritiken , sind ", fufsen zu dürfen .
„ die ganz
aufserordentlich
zahlreich
(Unter den aufgeführten Blättern finden wir
auch die "9 Zeitung für Niederschlesien ", die „ Neue Preufsische Zeitung" , die „ Post ", die „ Triersche Zeitung".)
Hierbei wird auch her-
vorgehoben, dafs man "" selbst den lebhaften Tadel, den die Broschüre stellenweise gefunden, in gewisser Art zu den günstigen Symptomen rechnen könnte ,
denn
nur einschneidende Behauptungen werden so
lebhafte Widersacher finden " . - Wer nur einigermafsen mit den Verhältnissen unserer Militärlitteratur bekannt ist , ich versichern ,
der wird , das kann
die in den Fachzeitschriften veröffentlichten Beur-
teilungen taktischer Werke im allgemeinen nicht als den Reflex der in der Armee über das bezügliche Werk herrschenden Ansichten ansehen, die Besprechungen in politischen Zeitungen aber nach dieser Richtung hin noch weniger hoch halten dürfen . „ Das ist alles recht schön und gut , was Sie hier sagen , so
höre ich
Sie ,
mein
Gönner ,
einwenden ,
dient jedoch höchstens
nur zur Entschuldigung dafür , dafs Sie das Buch „ Die Aufgabe unserer Infanterie u. s. w. " bisher in den Jahrbüchern unbesprochen liefsen. Ich möchte aber nun auch gerne Ihr eingehendes Urteil über das Werk veröffentlicht sehen ! "
Schön ! Doch mufs hier zunächst
noch bemerkt werden , dafs es viel leichter ist, ein taktisches Werk zu schreiben, als ein solches öffentlich zu beurteilen . - Taktische Schriften
Umschau in der Militär-Litteratur.
109
enthalten in der Regel persönliche Ansichten und Anschauungen .
Der
Autor stützt sich bei seinen Behauptungen auf eine lange und reiche Diensterfahrung
oder auf eingehende theoretische Studien u . s . w.
Kann der Kritiker ihm ,
falls er anderer Ansicht ,
nun gleich das
Fridericiani'sche „ Qu'importe l'expérience ...! entgegenschleudern , oder ihm mit mathematischer Bestimmtheit das Unzutreffende der geäufserten Ansichten beweisen ?
Das letztere ist geradezu unmöglich ;
es kann sich höchstens Ansicht gegen Ansicht stellen, wobei sich die Sache leicht aufs persönliche Gebiet hinüberspielt und an Belehrung und allgemeinem Interesse verliert ! Dabei herrscht bekanntlich infolge der eigentümlichen Verhältnisse des Offiezierstandes bei militärischen Autoren vielfach eine übergrofse Empfindlichkeit, die sie sachliche Ausstellungen nur zu oft als Kränkungen ihrer Person ansehen läfst . „Personne n'est infaillible que le pape" sagt Friedrich der Grofse und belehrt andere an seinen begangenen Fehlern ! Zu solchem Freimut können sich aber nur grofse Männer emporschwingen ! Doch nun zur Sache ! Bestände bei uns -- was in Bezug auf taktische Schriften gewifs sehr erspriefslich wäre ― nach Art der päpstlichen Kongregation eine Kommission , welche darüber wachte, dafs militärische Schriften mit einem die Gemüter verwirrenden Inhalt
nicht
an die Öffentlichkeit gelangten
die grofse Ehre zu Teil , Buch
und mir
würde
als Mitglied dieser Kommission über das
„ Die Aufgabe unserer Infanterie in Bataillon und Brigade "
Bericht zu erstatten , „ Index “ zu setzen.
so
würde
ich vorschlagen ,
dasselbe auf den
Denn eine Schrift, die es für notwendig erach-
tet, der deutschen Armee heutigen tags noch des langen und breiten darzuthun , die „Kolonne nach der Mitte" des Bataillons sei keine geeignete Kampfformation mehr , eine Schrift , die glaubt , heutigen tags noch 99 überall die Wege öffnen zu müssen, welche der Compagniekolonne Eingang verschaffen sollen " , eine Schrift, die behauptet, es würde heutigen tags im
deutschen Heere bei
denen , welchen die
eigentliche Führung des Kampfes obliegt , noch lebhaft über die Bedeutung von Form und Geist gestritten, - eine solche Schrift kann sehr leicht verwirrend wirken.
Eine Schrift , die für „ das Stadium
der Vorbereitung zum Angriff " als ideale Verwendung der vier auseinandergezogenen Compagnieen ein Viereck hinstellt, "" entweder mit der Spitze oder mit einer breiten Seite dem Feinde zugekehrt , im Quadrat von je 80 bis 100 Schritt Länge die Seite ", über
welche
Form die spätere Schutzschrift nochmals sagt, „das Bataillon nimmt an Sicherheit , an Beweglichkeit und wesentlicher Erleichterung zu, wenn es im auseinandergezogenen Viereck marschiert " , eine
110
Umschau in der Militär-Litteratur.
Schrift , die bei Entwickelung der Grundsätze für den Gebrauch der Truppe heutigen tags
sich noch in langen Auseinandersetzungen
über Anschlufs der Taktik an das Schiefsen auspricht und die Entwickelung und Bewegung der Truppe ,, nach Direktion und Mitte regelt “ , eine solche Schrift kann leicht Unheil stiften ! Eine Schrift , die — wenn auch nur zu Ausbildungszwecken - bei den Manöverübungen des Bataillons in Compagniekolonnen den Adjutanten auf der verlängert gedachten Marschlinie vorreiten und betreffendenfalls an dem . Schnittpunkte
dieser Linie
mit
der vom Direktionspunkte her
in
Gedanken gezogenen halten läfst, um der „ Richtungscompagnie “ ihre Stelle zu bezeichnen , eine Schrift , die zu gleichem Zwecke die Compagniechefs ihre Compagnieen verlassen läfst, damit sie sich den Platz für diese aufsuchen u. eine solche Schrift kann — gewiſs nicht nutzbringend werden ! Eine Schrift, die Beispiele giebt, wie sich ein Bataillon , ein Regiment , ja sogar eine ganze Brigade, im Terrain in Compagniekolonnen
aufzulösen hat ,
ohne
dafs eine
bestimmte Gefechtsidee , eine bestimmte Verwendung jeder dieser Kampfeinheiten im Gefecht zu Grunde liegt, - eine Schrift, die mit solchen, doch lediglich nur zum Kampf aufgelösten, Einheiten , künstliche Manöver ausführt und evolutioniert u . s . w. , eine solche Schrift verdunkelt allerdings auf das Gefährlichste unsere ersten taktischen Gesetze , die eine Truppe sich nur dann in Compagniekolonnen auflösen heifsen , wenn eine unmittelbare Gefechtsthätigkeit dies verlangt oder Verluste dazu zwingen! Aber all diese Punkte sind doch nur leichte Sünden gegenüber der Behauptung , die Form unserer althergebrachten und vielbewährten Compagniekolonne
ent-
spreche nicht mehr den heute zu machenden Anforderungen , sie müsse unbedingt durch eine andere, vom Verfasser empfohlene ersetzt werden. Mit solchen Forderungen rüttelt man an unseren Grundfesten einer taktischen Spielerei zu Liebe ! Eine solche Schrift - anathema sit! Ich würde glauben , durch einen derartigen kurzen Hinweis die Tendenz der in Rede stehenden Schrift genügend gekennzeichnet und mein Urteil über dieselbe hinlänglich begründet zu haben. Bei solcher Sachlage werden Sie, verehrtester Gönner, einsehen, dafs es sich kaum lohnt, auf Einzelheiten der Schrift noch weiter einzugehen und derselben gegenüber z . B. zu markten ,
ob es durchführbar ist,
beim Angriffe von Örtlichkeiten ein für alle Mal die mittelste Compagnie zur Richtungstruppe zu machen und ihr die Direktion auf das Angriffsobjekt zu geben , oder ob man heutigen tags , wo bekanntlich die Compagnie die Kampfeinheit ist, noch von einer Leitung der gesamten Schützenlinie
des Bataillons durch den Führer der
1 f
Umschau in der Militär-Litteratur.
111
Richtungscompagnie sprechen oder gar Befehle für die Schützenlinie nur an diesen senden darf,
oder ob es wohl in der Regel möglich
während der ganzen Dauer des Angriffs, unabhängig von den vorgehenden Truppen, den Gegner durch stehende Detachements beschiefsen zu lassen u. s. w. u. s . w. Wollte ich mich sein
wird ,
hier auf solche „ Kleinigkeiten " einlassen , ich müfste der sehr weitläufigen Broschüre und der eben nicht sehr glücklich ausgefallenen Verteidigungsschrift noch ein neues umfangreiches Buch folgen lassen , in welchem ich dann auch das Gute , welches hier und da in die Urschrift eingestreut ist ,
gerne
hervorheben würde ,
wie z. B. dafs
beim Angriff das Feuergefecht möglichst nahe dem Gegner eröffnet Aber ein solches Verfahren scheint mir werden soll, u. A. m . nicht angebracht zu sein, da es nicht von Nutzen für die Sache sein würde . Eine Ausdruckweise der vorliegenden Schutzschrift anwendend, erlaube ich mir schliesslich meine Ansicht dahin zusammenzufassen : Es ist schwer,
ein Buch zu finden , auf das wir hoffnungsloser blicken , als auf dieses ! Sollen die Besten unseres Heeres 10 Jahre geschafft und gearbeitet haben und schliefslich weiter vom Ziele sein ,
als
zu der Zeit ,
wo man ans Werk ging ,
den Erfah-
rungen des deutsch - französischen Krieges Ausdruck und Gestalt zu geben? Hat der Verstand der Verständigen 10 Jahre lang die Armee falsche Bahnen wandeln lassen ? Nach den hier in Rede stehenden Schriften sollte man es glauben ! Dank über den Geist , der in
Aber diese täuschen sich Gott sei der Armee herrscht ,
sie urteilen
vielleicht nach den Eindrücken des Exerzierplatzes und ähnlichem ! Tausende von Anzeichen für den Beweis des Gegenteiles liegen vor. Unter denselben ist für mich eins der schwerwiegendsten jene vortreffliche Schrift, die bereits im Eingang dieser Besprechung erwähnt und im Dezember-Heft der Jahrbücher eingehend beleuchtet worden . ist. Dort finden Sie , Verehrtester , auch meine Anschauungen klargelegt, die im grofsen und ganzen mit den in jenem Buche enthaltenen übereinstimmen , dort sehen Sie die Fahne aufgepflanzt , die ich V. M. hochhalten werde im Kampfe gegen Andersgläubige .
Paris et ses fortifications 1870-1880 par Eugène Ténot. Mit der Karte (1 : 200 000) des Paris.
verschanzten Lagers
von
In ein "" Für und Wider " über den Inhalt dieses ächt französischen Werkes kann diese Besprechung nicht eingehen und begnügen wir uns , das Hauptsächlichste des Inhalts anzugeben. Von der Idee,
Umschau in der Militär-Litteratur.
112
dafs die militärischen Kräfte Frankreichs , einschliefslich seiner Fortifikationen, die Höhe der Zeit erreicht haben , ist der Verfasser tief durchdrungen ; als den Glanzpunkt der neuen Schöpfungen bezeichnet er Paris und nimmt , wie wohl
die
meisten seiner Landsleute, an,
dafs Paris nunmehr sicher vor jedweder Einnahme ist. Wir Deutsche sind ganz einverstanden mit dieser Annahme , - sobald Frankreich uns keinen Krieg aufdrängt ; sollte es jedoch wieder zum Kriege kommen, - so würden wir voraussichtlich zu erwägen haben , ob ein abermaliges Vorgehen auf Paris eine Notwendigkeit sei ; von der Zahl und Stärke
der
operationsfähigen
französischen Feldarmeeen
wird es alsdann abhängen, ob eine vollständige Cernierung der 160 km im Bereich der Möglichkeit liegt . Das 216 Seiten
enthaltende Buch ist in 11 Kapitel eingeteilt.
Dieselben umfassen Betrachtungen über die frühere Befestigung von Paris , war.
die hauptsächlichsten Gründe , warum dieselbe ungenügend Ferner die Erfahrungen im Jahre 1870 ; Notwendigkeit der
nunmehrigen Befestigung und Vorzüge der verschanzten Lager , mit Metz, Paris und Plewna als Beispiele . - Beschreibung der Nordfront. von Paris ; Stärke und Stellungen der deutschen Armee vor der Nordfront , Fehler der Deutschen vor Saint-Denis . - Beschreibung der Forts Montmorency , Domont , Montlignon, der Batterie Blémur, der Positionen bei Écouen , Stains . -— Beschreibung der Positionen nördlich der Marne ,
bei Vaujours , Chelles, der Batterieen von Montfer-
meil und Livry, Auszug und Besprechung eines in den Jahrbüchern (1878) gebrachten Aufsatzes „ die
strategische Bedeutung des heu-
tigen Paris bei einem Kriege gegen Deutschland, " übersetzt im Journal des sciences militaires ; Berechnung der zu einer Umschliefsung notwendigen Truppenstärke. - Beschreibung der Fortifikationen an den Krümmungen der unteren Seine mit dem Mont-Valérien , des neuen Forts von Cormeilles , des Ausfalls des Generals Trochu, Besprechung des defensiven und offensiven Wertes der Westfront. Strategische Bedeutung des Abschnittes zwischen Marne und Seine ; die
Positionen
der
Deutschen ,
Schlacht
neuen Befestigungen bei Villiers , Champigny ,
die Sucy , Villeneuve . ―
bei
Champigny ,
Die Forts von Ivry , Bicêtre , Montrouge , Vanves , Issy mit den neuen von Chatillon , Verrières und Palaiseau , Bombardement und Angriff der Südfront , Kämpfe bei Chevilly , Châtillon , l'Hay, Malmaison, Buzenval. - Beschreibung der Südwest- und Westfront mit Versailles als Mittelpunkt, Debatten im Jahre 1874 mit den Meinungen von Thiers, die Befestigungen von Palaiseau , Villeras, HautBuc, St. Cyr, Bois d'Arcy, Marly. ― Die Umfassungseisenbahn, die
Umschau in der Militär-Litteratur.
113
Umfassungslinie, Berechnung der zur Verteidigung und zum Angriff von Paris notwendigen Truppenzahl , Wechselbeziehungen zwischen der neuen Militärorganisation Frankreichs und der Befestigung von Paris , Vergleich mit der Organisation in Deutschland . - Nochmals Besprechung der in den „ Jahrbüchern " befindlichen „ strategischen insbesondere über die Einschliefsung mit
Betrachtung von Paris " ,
Intervallen, Bedeutung von Paris nach einem an der Grenze allenfalls erlittenen Echec , strategische und taktische Vorteile , welche sich für die französische Armee ergeben, wenn sie sich auf die Kanonen von Paris stützt.
Während die Ostgrenze
mit einem ungeheueren System fester
Plätze bedeckt sei, umgäbe sich Paris , so schreibt der Verfasser, der Eckstein der nationalen Unabhängigkeit mit einer so festen und imposanten Umwallung, dafs die noch unlängst als kolossal betrachtete Befestigung von 1840 im Vergleich zur jetzigen fast dürftig erscheine. Dieses epochemachende Unternehmen sei begonnen und durchgeführt worden inmitten eines als aufserordentlich erscheinenden, jedoch nur scheinbaren Indifferentismus
der Öffentlichkeit.
Verfasser wirft die
Frage auf, ob diese Stille eine freiwillige Disziplin oder ein Zeichen der Erschöpfung des nationalen Gefühls gewesen wäre und kommt zu dem Schlufs , dafs von dem letzteren nie die Rede sein konnte , dafs ein Volk einer Lauigkeit im Patriotismus nicht angeklagt werden könne ,
dessen Kammern nie eine militärische Anforderung ver-
sagen , welches sich selbst so strenge militärische Pflichten auferlegt und so treu erfüllt. Die Furcht, dafs man es an Vorsicht und Klugheit fehlen lasse ,
wenn man zu laut von demjenigen spräche , was man zur Verteidigung des nationalen Bodens für notwendig erachte, wäre sicherlich zu entschuldigen , aber höchst überflüssig , da man Befestigungsarbeiten den Blicken der Fremden doch nicht entziehen
könne. Durch die nunmehrige Beschreibung der neuen Befestigungen von Paris sollen die Landsleute belehrt, den Deutschen dagegen soll nichts Neues berichtet werden . Aufserdem aber soll der Name des Leiters der Arbeiten,
des Generals Seré de Rivière,
der dem
grofsen Publikum kaum bekannt geworden sein mag , die verdiente Öffentlichkeit erhalten ; das Land soll wissen , ob durch die Bauten sein Vertrauen , mit welchem es Millionen hergab ohne zu zählen , auch gerechtfertigt worden ist, ob man aus den Lektionen von 1870 Nutzen gezogen habe . Verfasser hebt die Ansicht eines hervorragenden englischen Offiziers hervor , wonach Paris von nun an unverwundbar sei, zum Unterschied von deutschen Stimmen, denen gemäss die
seit 1874 errichtete Befestigung nichts als Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
ein grofser Irrtum 8
Umschau in der Militär-Litteratur.
114
wäre, und will durch seine Arbeit jedem aufgeklärten Leser die Grundlage zu eigener Meinung geben. Nach Ansicht des Verfassers hätte im Jahre 1870 ein frühzeitig
begonnener Angriff auf die Front von Saint-Denis reussieren können , weil diese als eine der schwächsten von Paris bekannt war. Sie bilde einen ausspringenden Winkel , der von allen Seiten auf wirksame Tragweite der schweren gezogenen Geschütze beherrscht wäre und hätte der Fall des Forts von Saint-Denis dem Feinde erlaubt , selbst ohne die Einnahme des Forts de l'Est abzuwarten, Batterieen bei Clichy gegen die bevölkertsten Teile von Paris wirken zu lassen. An Stelle eines energischen Angriffes hätten die Preufsen erst am 21. Januar das Feuer der Belagerungsbatterieen eröffnet und konnten dieselben vor Eröffnung der zweiten Parallele einen Sturm nicht mehr wagen, da mittlerweile die Widerstandskraft der Belagerten gestiegen sei . Es sei eine sehr verbreitete Ansicht unter den Ingenieuren Frankreichs, dafs eine reguläre Attacke gegen die Gesamtwerke von Saint-Denis geglückt wäre, wenn sie besser in Scene gesetzt, früher und energischer durchgeführt worden wäre . wenig gelitten ; die double couronne wäre ,
Das Fort de l'Est hätte obgleich ihr stark
zu-
gesetzt worden , noch am 26. Januar in hinreichend gutem Zustand gewesen. Dagegen sei es wahr , dafs die Front de la Briche enorm gelitten habe. Während die Deutschen im Jahre 1870 nur 80 km zu umschliefsen hatten, hätten sie nunmehr genau das Doppelte Verfasser 17 Armeecorps berechnet .
Und
zu cernieren, wozu
welcher Unterschied be-
stände im Vergleich zu 1870 bezüglich der Terrainverhältnisse ! Die dominierenden Positionen, welche damals die Deutschen im Besitz gehabt und mit
Muse in starke
Stellungen umgewandelt hätten,
wären nunmehr im Besitz der Verteidiger.
Nachdem Verfasser
die
zu Anfang in Paris befindlichen Truppen aufgezählt, ruft er aus : und es genügten 15 000 in den Forts verteilte Soldaten mit 30-40 000 Mann kaum organisierter Marschregimenter, um die von ihrem Triumph vor Sedan berauschte deutsche Armee an der äufseren Verteidigungslinie von Paris aufzuhalten.
240 000 preufsische Soldaten, von den
besten Truppen der Welt, mit 700 Geschützen , geführt durch M. de Moltke wurden unbeweglich gemacht, zurückgehalten zu einer passiven Blokierung vor einer Umwallung von nur 80 km Umfang, verteidigt durch eine niedergedrückte Armee ! Aus dieser Thatsache zieht Verfasser den Schlufs, dafs das jetzige Paris mit seinem doppelten Umfang, mit Truppen, welche nicht erst zu improvisieren wären, im Stande sei, eine noch viel kolossalere Armee aufzuhalten .
Umschau in der Militär-Litteratur.
115
Es wird sodann die Stärke und Organisation der französischen und deutschen Armee
eingehend besprochen .
der Mobilmachung 1 300 000 Mann
Frankreich habe bei
zur Disposition ,
von
welchen
750 000 Mann mit 2046 Geschützen in weniger als 2 Wochen komplet aufgestellt wären ,
während für Deutschland nur 850 000 Mann
gedienter Leute disponibel seien.
Trotzdem will Verfasser zur Be-
satzung von Paris die Armeecorps nicht schwächen. Er verlangt nur die Abgabe der vierten Bataillone aus den 4 an Paris angrenden Regionen : Amiens, Rouen, Le Mans, Orleans, dann 40 000 Mann neuer Formationen und 120 000 Mann der Armée territoriale . Für die Besatzung der neuen Forts müfsten die besten Truppen ausgesucht werden ; sie wären Kommandanten zu unterstellen , welche wiederum unter den fähigsten und erprobtesten Männern auszuwählen seien. Für die Besatzung der 7 neuen grofsen Forts Saint-Cyr, Palaiseau, Villeneuve - Saint- Georges,
Vaujours,
Domont,
Cormeilles und
Marly werden durchschnittlich je 1200 Mann Besatzung gefordert ; für die Forts zweiter Ordnung Haut - Buc, Villeras, Villiers , Chelles , Garges, Ecouen, Montmorency, Montlignon werden je 600 Mann und je 300 Mann für die geschlossenen Batterieen oder kleinen Schanzen verlangt. Nach dem übersichtlichen und
sehr sauber ausgeführten,
dem
Werke angehefteten Plan sind 20 neue Forts hinzugekommen ; dieselben sind durchschnittlich mehr wie 10 km den alten Forts vorgeschoben.
Der Umfang des von den neuen Forts
beherrschten
Terrains beträgt 160 km, der Durchmesser desselben 50 km .
Die
Tragweite der Geschütze wurde zu 8 km angenommen, so dafs einzelne
Forts
(Palaiseau von Villeneuve , Marly von Cormeil) 16 km
von einander entfernt liegen .
Ausserhalb des von den neuen Forts
beherrschten Raums liegen Corbeil,
Limours ,
Neauphle ,
Pontoise,
Luzarches, Dammartin , Tournan ; die Grenzlinie geht durch Lagny, Monthery, Chevreuse, Poissy. Da in dem Werke des Herrn Ténot öfter Bezug auf den Aufsatz in den „ Jahrbüchern “ „ Über die strategische Bedeutung von Paris " genommen wird , so wollen wir nicht unterlassen auf die Unterschiede in beiden Plänen aufmerksam zu machen, wobei wir bemerken, dafs für den in den Jahrbüchern enthaltenen Plan kein Anspruch auf mathematische Genauigkeit gemacht wird. In letzterem Plan wären 3 Forts hinzu zu zeichnen : Champigny, Sury zwischen
den Forts 12 und 13 (Villeneuve und Villiers) und
Verriers , zwischen den Forts 8 und 9 (Chatillon und Palaiseau) . Dagegen sind folgende in den „ Jahrbüchern “ angegebene Forts 8*
Umschau in der Militär-Litteratur.
116
auf dem Plan von E. Ténot nicht vorhanden , demnach voraussichtlich nicht
existirend :
1 und 2 westlich St. Germain , 10 zwischen
Palaiseau und Lonjumeau,
11 bei Choisy (bei welchen übrigens die
„ Jahrbücher" bereits ein ? anführten) 16 zwischen Vaujour und Gonesse ; ferner sind die als Forts angegebenen Nummern 18 und 24 nur Redouten mit den Namen de la Butte Pinçon und de Francoville. Der Schlufs des Werkes des Herrn Ténot überrascht uns nicht. Er ruft aus : Paris liegt nunmehr über der Machtsphäre Deutschlands . In weniger als 10 Jahren, seit der Zeit , da das zweite Kaiserreich Frankreich zu Boden geworfen und
waffenlos
zurückliefs ,
hat die
Republik auf das Vollkommenste für die Sicherheit des Vaterlandes gesorgt.
Das erste Stück der Arbeit
zu unserer Wiederherstellung
ist mit der Vollendung von Paris fertig Vollendung unseres
und ist
es
erlaubt an die
geheiligten Tagewerks von nun an zu denken !
Wenn die Republik von 1870 die Ehre des Vaterlands gerettet hatte, so giebt sie ihm heute mit der Kraft die Freiheit zurück. und Metz können nun zur Hoffnung sich ermuntern ,
Strafsburg
denn in dem
unbesiegbaren Paris liegt die Garantie ihrer sicheren Befreiung . Wenn es uns auch ferne liegt, irgend welche polemische Betrachtungen anzustellen , so können wir doch nicht umhin, am Schlufs des Referats unseren eigenen Standpunkt in einigen Hauptpunkten durch kurze Sätze darzulegen. Die Ansichten Alles von den Feldarmeeen , wenig von den Festungen zu erwarten , sind nunmehr in Deutschland stark in den Hintergrund gedrängt ; glücklicher Weise legen wir auf die Armee, wie auf die Festungen gleich viel Wert.
Wenn auch in
Frankreich für beide gleich viel geschieht, so scheint es uns doch, dafs der Wert der Befestigungen dort allzu hoch geschätzt wird ; geschieht dieses, so nimmt man die Festungen etc. bewusst oder unbewufst, als Basis seiner Operationen an. seinen Entschliefsungen derart eingeengt ,
Alsdann ist man aber in dafs man leicht in Gefahr
kommt den objektiven Blick oder den Geist der Initiative zu verlieren. Wenn wir dem Grundsatze nicht huldigen, dafs die Kraft eines Landes mit dem Fall seiner Hauptstadt gebrochen sei, so müſsen wir trotzdem Frankreich Recht geben, wenn es diesem Grundsatz Rechnung trägt, da derselbe bei jedem Franzosen tief eingewurzelt ist. Wir halten es aber nicht nötig, dafs die neuen Befestigungen . von Paris so weit vorgeschoben wurden ;
sowohl ihre Entfernungen
von den alten Forts wie ihre Entfernungen unter einander scheinen entschieden zu weit, um einem förmlichen Angriff mit Erfolg entgegen treten zu können.
Dagegen scheint der Zweck , eine eigentliche Cer-
nierung unmöglich zu machen vielleicht erreicht zu sein .
Umschau in der Militär-Litteratur. 1.
Unteroffizier- Brevier.
Ein Festgeschenk ,
117 herausgegeben
von J. Scheibert , Maj . z . D. (Preis 1,20 Mark .) 2. NotizKalender für Unteroffiziere aller Waffen für 1881. Zusammengestellt von W. v. G. , Premier - Lieutenant. 1,50 Mark. )
3. Allgemeines Militär- Notizbuch .
(Preis 0,50 Mark . Heftes .)
(Preis
5. Auflage.
Vergl. im übrigen noch Nr. XI . dieses
Obgleich es eigentlich aufserhalb der Tendenz
der Jahrbücher
liegt, Bücher wie die oben bezeichneten einer Besprechung zu unterziehen , glauben wir in dem vorliegenden Falle doch eine Ausnahme machen und auf diese drei für Unteroffiziere bezw. Mannschaften bestimmten Bücher wegen ihrer Eigenartigkeit und Vortrefflichkeit besonders hinweisen zu dürfen. Der Verfasser des Unteroffizier-Breviers ist ein in der MilitärLitteratur so bekannter Schriftsteller, dafs es keiner weiteren Worte über die dem Büchlein dadurch verliehene Bedeutung bedarf.
Die
von Herzen kommende und zu Herzen gehende Sprache des Herrn Major Scheibert pafst ganz ausgezeichnet für das vorliegende Werk. Der Unteroffizier, in der Einleitung sehr richtig als das Knochengerüst des Heereskörpers bezeichnet, findet in den 27 Kapiteln viel des Belehrenden , Erbauenden und Herzerfrischenden für seine sehr schwierige Lebensstellung ; das Büchlein ist ihm ein treuer Ratgeber für alle Lagen des Lebens , sei es im Dienst , sei es aufser Dienst, sei es seinen Vorgesetzten, Kameraden oder Untergebenen gegenüber, sei es in der Kaserne, auf dem Manöver oder im Felde.
Sehr pas-
sende Sinnsprüche stehen an der Spitze jedes Kapitels. (Über dem Abschnitt der Feldwebel " steht z. B.: „ Nenne mir Muse den Mann , den Vielgewandten " .)
Das Büchlein verdient eine grofse Verbreitung.
Es wird auf Geist und Gemüt gewifs günstig wirken und so zur Hebung Dem rein des Unteroffizierstandes nicht unwesentlich beitragen. praktischen Bedürfnisse wendet sich die zweite der oben bezeichneten Schriften zu .
Diese bringt , was Bestimmungen anbelangt , wohl alles
für den Unteroffizier über seine Stellung Wissenswerte in sehr geeigneter Weise . Eine Anleitung zu dienstlichen Schreiben , Angaben über Verhalten bei Hitzschlag und Rotz sind schätzenswerte Beigaben. In dem eigentlichen Kalenderteile befinden sich recht praktisch angelegte Listen, die das Führen eines besonderen Korporalschaftsbuches z . B. ganz unnötig machen.
Nicht ganz auf der Höhe der Zeit stehen nach dies-
seitiger Ansicht in dem Tageskalender die militärischen Erinnerungstage ; hier sind
viele Fehler und Unrichtigkeiten mit unterlaufen .
(z. B. soll am 17. Januar Belfort erobert sein, Zieten anstatt am 27 .
Umschau in der Militär-Litteratur.
118
am 26. Januar gestorben, am 18. Mai statt am 14. geboren sein , die Schlacht bei Colombey-Nouilly wird Courcelles genannt, von einer ersten Schlacht bei Amiens ist gesprochen , Cholusitz statt Chotusitz , Herchsheim statt Gerchsheim , Dickisch statt Diebitsch geschrieben u. s. w.).
Wir empfehlen eine gründliche Umarbeitung dieses Teiles
und möchten raten, hierbei den bekannten vortrefflichen Firck'schen Kalender zu Rate zu ziehen. Dem Äufseren nach ist das Buch recht dauerhaft gemacht und für den täglichen Gebrauch recht geeignet. Wenn wir uns nun mit einigen Worten dem dritten Buch zuwenden, so müssen wir zunächst unser grofses Staunen ausdrücken , wie es möglich ist , ein solch reichhaltiges und gut ausgestattetes Buch für 50 Pf. zu liefern.
Und dabei wird von dem Verleger noch
1 Prozent der Einnahme dem Kriegsministerium für den Invalidenfond zur Verfügung gestellt, was gewifs mit der Zeit einen ganz erheblichen Betrag abwerfen wird, da augenblicklich bereits über 30 000 Exemplare abgesetzt sind.
Das Buch ist aber auch in seiner Art
vortrefflich. In 16 verschiedenen Kapiteln hält es dem Soldaten eine Menge der ihn dienstlich berührenden Gegenstände vor Augen, die sich weniger auf die Dienstinstruktion als auf das tägliche Interesse beziehen. Das Verzeichnis der vaterländischen Gedenktage bedarf vielleicht einiger Abänderungen, und wird in dieser Beziehung auf das in Betreff des Notizkalenders für Unteroffiziere Gesagte verwiesen. -Für Notizen über den täglichen Dienst ist eine Pergamenttafel , für die 10-tägigen Einnahmen und Ausgaben ein Pergamentstreifen eingeklebt. Ein Federhalter mit Feder , Stift zum Schreiben auf Pergament oder Papier und Gummi, eine Menge weiſses Papier, eine Vorrichtung auf der inneren Seite des sehr dauerhaften Umschlages , um das Bild der Braut oder eines sonst nahe Stehenden in dem Notizbuch anzubringen, beweisen den höchst praktischen Sinn, der bei Zusammenstellung des letzteren obgewaltet hat. Wenn wir für die Zukunft etwas zu wünschen hätten , so wäre es, zu ermöglichen , dafs anstatt der Goldfeder eine sogenannte Wunderfeder (zum Schreiben
ohne Dinte) dem Federhalter beigegeben
wird, denn gerade das Herbeischaffen von Dinte ist auf Wache , im Bivuak oder im Felde oft für den Soldaten sehr schwierig ; auch läfst es sich wohl ermöglichen, noch einen immerwährenden Kalender anzubringen. Sehr bedauern wir , dafs die späte Zusendung des Büchleins es nicht gestattete, vor den eben verflossenen Festtagen auf dasselbe aufmerksam zu machen, denn das Büchlein wäre ganz ausgezeichnet zum Weihnachtsgeschenk geeignet gewesen .
Aber das ist
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.
119
ja auch einer seiner Vorzüge, dafs es an keine Zeit gebunden , also immer voll zu verwerten ist. Wir wünschen dem rührigen Verleger, dafs an die oben genannte Zahl der verkauften Exemplare recht bald eine neue Null gehängt werden mufs .
X.
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen Zeitschriften.
(15. November bis 15. Dezember.)
Militär- Wochenblatt ( Nr. 94-102) : Über die Organisation und das Material der französischen Artillerie . - Belehrungsschiefsen und Schwarmsalve . - Der Salpeterkrieg an Südamerikas Westküste. Die Neubefestigung von Paris. - Ein Gang durch die Kasernen von Rom . Ein Rekognoszierungsritt während der Manöver in Galizien im Herbst 1880. - Hippologische Bemerkungen von dem ehemaligen Die Schiefsausbildung Kriegsschauplatze auf der Balkan-Halbinsel. der Infanterie in den Niederlanden. - Die Übungen mit Gegnern Beiheft zum Militär-Wochenblatt (7. Heft) auf dem Exerzierplatz .
Zur
Taktik der Infanterie von 1880.
(8. Heft) : Ursprung und
erste Gestalt des preufsischen Feldpredigeramtes. Neue militärische Blätter (Dezember- Heft) : Zwei „ gymnastische Wünsche ". Das Verhältnis Rufslands und Englands in Vorderund Central-Asien, militärisch, geschichtlich und kritisch dargestellt. Die non valeurs der Infanterie in Frankreich. Mitteilungen aus dem Gebiete der Feuerwaffen . - Über das Verhältnis von Enceinte und Forts zu einander und Grundsätze für deren Anlage. Allgemeine Militär-Zeitung ( Nr. 91-98) : Die deutsche Kriegsmarine und die Kolonialfrage. Die Fufsbekleidung des französischen Infanteristen . - Die Abschaffung des Sprungkastens . Beschlossene Entfestigung von Königgrätz . - Die Visiereinrichtung der Handfeuerwaffen. Das deutsche Reichsheer im Frühjahr 1880-
-
Die Bewegungsgeschwindigkeit abgefeuerter Geschosse und deren
Messung durch die Elektrizität.
Noch einmal :
Hat die Umände-
rung des Infanteriegewehres M./71 in ein Magazingewehr nur Vorteile ?
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze
120
Deutsche Heeres - Zeitung ( Nr. 93–101 ) : Die Militärzeitungen , ihre Stellungen und Ziele. - Studie über die Fabrikation eines modernen kriegsgeschichtlichen Werkes . Vorschläge zu einer neuen Heereserweiterung . - Beitrag zur Fabrikation der Patronenhülsen. - Übungen ohne Truppe zur Ausbildung der unteren Führer. Die Popoffkas . --
Bewaffnung , Ausrüstung und Bekleidung der alt-
griechischen und römischen Soldaten . Militär -Zeitung
für die
Reserve-
und Landwehr-Offiziere des
deutschen Heeres ( Nr. 47–50) : Der Widerstand der französischen Festungen in den Feldzügen 1814/15. -- Kolin und Leuthen. Archiv für die Artillerie- und Ingenieur - Offiziere (87. Band 6. Heft) : Die Flächen kleinsten Widerstandes und gröfsten Antriebes . - Geschichtliche Entwickelung der Artillerieschiefskunst in Deutschland. -- Das neue englische Hinterlandergeschütz für reitende Batterieen. Feldmäfsige Heizung von Zelten. Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie ( Heft XI . ) : Aus den Reiseberichten S. M. S. 99 Luise ". -- Aus den Reiseberichten S. M. S. , Ariadne". Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine (XXI . Band 4. Heft) : Eine Studie Die kriegerischen Eigenschaften der modernen Heere. über Konstantinopel .
Die deutsche Militärgesetz -Novelle und ihre
Wirkungen. - Über Verwendung reitender Batterieen . Zur Stützpunktetaktik . -- Der Steppenkrieg . - Sammlung türkischer Dokumente über den letzten Krieg 1877-78 . ―― im Deutschen Reiche .
Die Schifffahrtskanäle
Österreichisch- ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad “ ( Nr. 90 -99) : Die Militärrechtspflege. - Nationale Corps und Armeesprachen. Festungstruppen. Die Ersatzreserve . Die Einjährig -Freiwilligen. -- Die kurdischen Einfälle in Persien.
Österreichische Militär-Zeitung ( Nr. 91-99) : Die Befestigung von Paris und das deutsche Festungssystem gegenüber dem französischen . Die russische Armee im Jahre 1880. Die Sprachenfrage in der Armee. Ein neues Marinegeschütz . Das Militärbrod . Überproduktion auf militär-litterarischem Gebiete. - Die Abhärtung der Mannschaft in Ungarn. Organisation des Landsturmes im Frieden . Österreichisch-ungarische Militär-Zeitung „ Vedette" (Nr. 91–99) : Die Berittenmachung der Hauptleute. - Die französische Kritik und die französische Armee.
Zur Aufklärung über die Haltung unserer
Kavallerie bei galizischen Manövern. - Die Befestigungen in Galizien. - Das neue Exerzierreglement. -- Über den Armeegeist und seine Wirkungen.
aus anderen militärischen Zeitschriften.
121
Der „Veteran" (Nr. 40) : Ein neues Marinegeschütz . Le Spectateur militaire (15. November 1880) : Die grofsen MaGeschichte des früheren Generalstabscorps . növer des 9. Corps . -
Die Thäler im Waadtlande.
Der Verpflegungsdienst
in
der
schweizerischen Armee. Journal des Sciences militaires (November - Heft 1880) : Über Unterricht in der Taktik. Die wahre nationale Armee. - Rolle der Fortifikation im letzten Orientkriege. Bemerkungen, gelegentlich der praktischen Instruktion vom 17. Februar 1875 über den Kavalleriedienst im Felde . - Einige Betrachtungen über die Taktik der Zukunft. - Über den Parteigängerkrieg .
Bulletin de la Réunion des officiers ( Nr. 47-50) : Der neue Der Die Transporte bei den Alten.
Krieg in Afghanistan .
Krieg von Chili gegen Peru
und Bolivia. -
selbstbewegbaren Torpedos vom Lande
Leitapparat um die
aus regieren zu können .
Das Demontiergeschütz und seine Wichtigkeit im Belagerungs- und Gebirgskriege . - Anwendung der Feldverschanzung auf dem Schlachtfelde und ihre Verwendung in der Taktik . _____ Der Militärtelegraph während der letzten Feldzüge . Die grofsen österreichisch-ungarischen Manöver. L'avenir militaire ( Nr. 681-686) : Die Generalinspektion des Generalstabsdienstes im Jahre 1880. - Über die Unteroffiziere . Das Wiederengagement der UnterDer Dienst von 40 Monaten. offiziere. - Die kommandierenden Generale und Marschälle in Frankreich. Die Schlacht von Mazra. L'armée française ( Nr. 439-451 ) : Die berittenen Hauptleute . - Die Befestigungen der Schweiz . Zum Infanterieavancement. Das einDie Solderhöhung bei der Armee und die Militärsteuer. Der AnDer Dienst von 40 Monaten. jährige Engagement. kauf der Eisenbahnen vom militärischen Gesichtspunkte . Le progrès militaire (Nr. 5-12) : Der Munitionsersatz . - Das Administrationsgesetz . Die Festungstruppen . Das Resultat der Manöver. - Die verabschiedeten Offiziere . -- Die Konsequenzen des Algerien, - Die Reorganisation der 40 monatlichen Dienstes . Kavallerie . -- Das Wiederengagement der Unteroffiziere . Die Krankenträger . Die Der neue Avancements- Gesetzesvorschlag. Depotcadres .
Das Administrationsgesetz.
La France militaire ( Nr. 1-15) : Über die Militärverwaltung. Die grofsen Manöver in Frankreich und Deutschland. - Die Schulen der Soldatenkinder . - Die grofsen Manöver in Ungarn . - Die
Adjutantmajors. --
Die grofsen Manöver der Zukunft.
Der Dienst
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze
122
der Compagniechefs
zu Pferde. -- Die Manöver der Division
Einige
Constantine.
Bemerkungen über die
vor
Schlacht bei Ba-
Einige paume. - Die Felddecken. — Die Festungsregimenter . praktische Beobachtungen in Betreff der Kavallerie. -- Die Metallräder beim Feldmaterial. - Die Mobilmachung in unseren Grenz-
-
Die regionale Rekrutierung .
departements.
Unsere Vorräte an
Das Brod während der grofsen Manöver und im Kartuschen. Felde. - Initiative und Verantwortlichkeit. - Über Feldartillerie . Revue d'Artillerie ( November 1880) : Versuche mit den Zündern der Die schwedische Artillerie. ―― Das PrüfungsFeldprojektile. schiefsen in der deutschen Armee. Revue maritime et coloniale ( November- Heft 1880) : Die englische Handelsmarine . - Expedition des „ La Bourdonnais " ins indische Meer. -- (Dezember 1880) : Fingirter Angriff und Verteidigung durch englische Torpilleurs . Russischer Invalide ( Nr. 242-264) : Die Zukunft des Schiefsens auf weite Distanzen und eins der Mittel zur Erhöhung seiner Bedeutung . -- Über die Abschaffung der freiwilligen Arbeiten bei den Truppen. Über die Versorgung der kämpfenden Truppen mit Patronen.
Über die türkisch-motenegrinische Grenzlinie.
Wajenny Sbornik ( November- Heft) :
Übersicht der Operationen
des Rustschuk - Detachements im September und Oktober 1877. — Übersicht der in unserer Militärlitteratur über verschiedene taktische Fragen geäufserten Meinungen .
Über die Vereinigung der Artillerie
mit den übrigen Waffen im Hinblick auf die Kommandoverhältnisse . --- Erinnerungen an die mit der 2. Gardedivision im türkischen — Kriege verlebte Zeit . Die 3. Gardedivision im Kriege 1877/78. Russisches Artillerie - Journal (November- Heft) : Prüfung der Feld- und passageren Befestigungen in ihrer Wirksamkeit gegenüber den Geschossen verschiedenen Kalibers . Bericht über die im Sommer 1879 auf dem Polygon zu Meppen vorgenommenen Versuche mit Krupp'schen Geschützen . Über die Richtmannschaften bei der Feldartillerie. Russisches
Ingenieurjournal
Skizze der Thätigkeit
(September-
der Offiziere
und
Oktober- Heft) :
und einiger Mannschaften
des
6. , 4. und 3. Sappeurbataillons bei der Verteidigung von Sewastopol. Über die Herstellung und Erneuerung von Tunnels zur Kriegszeit. Morskoi Sbornik (Oktober- und November- Hefte) : Über die Voraussagung der Petersburger Überschwemmungen. Über die Verteidigung der Küsten durch Torpedos . während der letzten 25 Jahre.
Der russische Schiffsbau
aus anderen militärischen Zeitschriften.
123
L'Esercito (Nr. 131-143) : Die Schlacht. Die Reduktion des stehenden Heeres in Frankreich. Die Maschinen der Fabrik in — Terni. Das Avancement der Spezialwaffen und die Kriegsschule . Die Militärschulen. Das neue Kriegsbudget. Giornale di Artiglieria e genio (September-Oktober) :
Die neue
elektro-magnetischen Maschinen und deren Anwendung für die elektrische Beleuchtung , die Militärtelegraphie und zur Sprengung von Minen und Torpedos. - Historische Erinnerungsblätter über die BeDer Mitrailleur Gardner. festigung von Verona. Rivista marittima ( November 1880) : Die taktische Waffe bei künftigen Seegefechten. - Die Kriegshäfen . ― Bericht der höheren Kommission über den Rifs im 45 -cm - Geschütz auf dem „ Duilio “. Über den militärischen Nutzen der transoceanischen Dampfer.
-
Die Vorschläge innerhalb der italienischen Kriegsmarine . Army and Navy Gazette (Nr. 1087-1090) : Die französische Armee und die religiösen Sekten. - Der Schiefsdienst bei der Kavallerie . Die russische Marine. Die französische Kavallerie. Unsere Feldartillerie . Army and Navy Journal ( Nr. 898-900 ) : Rekrutierung für die Armee. Das unterseeische Geschütz . Die Jahresberichte . The United Service (Dezember 1880) : Die französische Feldartillerie . - Über Kavallerie. _____ Marinesignale. — Die SignaldienstOrganisation . Allgemeine Schweizerische Militär - Zeitung ( Nr. 47–50) : Der Karabiner und dessen Verwendung und Bedeutung für unsere Dragonerregimenter. -- Zu unserem Schiefswesen . Die neue blinde Patrone zur Magazinladung. Landesbefestigung, Miliz und stehendes Heer. Zeitschrift für die Schweizerische Artillerie versuche in der Schweiz .
( Nr. II ) :
Pulver-
Revue militaire suisse ( Nr. 19-22) : Die Feuersdisziplin . Studie über die verschiedenen Gattungen von Infanteriefeuer und ihre taktische Anwendung. - Die Rekrutierung. Eintritt eines Bataillons in das Kantonnement.
Militaert Tidsskrift (7. Heft) :
Die kavalleristische Dreitreffen-
Die Anwendung des Infanteriespatens bei flüchtigen Feldbefestigungen in Oesterreich. -- Über die Verteidigung von Kopenhagen durch Heer und Flotte.
taktik.
Kongl . Krigsvetenkaps - Akademiens Handlingar ( 19.-21. Heft) : Einiges über die alten Über das Bajonettieren . Der Zulukrieg. Jahresbericht über die VerReglements des schwedischen Heeres . änderungen in der Seekriegswissenschaft. - Über die Feuerwirkung
Verzeichnis der bei der Redaction eingegangenen Bücher etc.
124
nebst dem Terraineinfluſs bei dem Schiefsen mit dem 1867er Gewehr _________ Über die Kampfweise
bei einem Abstand von 400 bis 600 m. und Ausbildung der Infanterie.
Norsk Militaert Tidsskrift (43. Bd. II . Heft) : Das österreichischungarische Wehrsteuergesetz . Das bulgarische Heer. Memorial de Ingenieros (Nr. 22-23) :
Betrachtungen über die
Elektrizität und ihre militärische Verwendung . - Die Arbeiten der Das Photophon. - Die Hülfspraktischen Schule zu Guadalajara. waffen in belagerten Festungen . Revista cientifico-militar (Bd . 9 Nr. 7-9) : Vergleichende Studie über die Mobilisierung des belgischen , französischen und deutschen Über Heeres. Die Manöver im Jahre 1880 in Deutschland . ― die Tachümetrie . — Die Instruktionen für die Offiziere des 10. Corps . Studien über die Kriegskunst und Kriegsgeschichte : Kriegspolitik. Die Militär-Geographisches . Der Krieg und die Kunst . Hygiene und die Ernährung des Soldaten . La illustracion militar ( Nr. 1-3) : Die Fortschritte in der Kriegskunst. Über Torpedoboote . Die Kanone „ Sotomayor ". - Betrachtungen Die praktische Ingenieurschule zu Guadalajara. über die militärische Situation Europas . Revista militar ( Nr. 21-22) : Die strategische Situation Italiens in Bezug auf Frankreich. Die Grundprinzipien für eine Militärreitschule. Die Notwendigkeit von Nationalheeren, allgemeiner und Reserven . - Der indirekte Schufs der , Milizen Dienstpflicht Artillerie.
Über Übungen im Walde .
XI.
Verzeichnis
der
bei
der
Redaction
eingegan-
genen neu erschienenen Bücher u.
s. w.
(15. November bis 15. Dezember. )
Arnim , v. , Oberst z . D.:
Die Schlachtentaktik sonst und
jetzt besonders mit Rücksicht auf die heutigen Aufgaben der Eine taktische Studie . Berlin 1881 . Infanterie beim Angriff. Fr. Luckhardt. - 8º. - 48. S. - Preis : 1,20 Mark.
Verzeichnis der bei der Redaction eingegangenen Bücher etc. Baumann , Leonhardt v. , Oberstlieutenant z. D.;
Studien über
die Verpflegung der Kriegsheere im Felde . Teil ( 2. Band) . Vierte Abteilung. ―― 8º. ---- 265 S.
125
Leipzig 1880.
Historischer C. F. Winter.
Cardinal v. Widdern , Hauptmann und Lehrer an der Kriegsschule in Metz : Handbuch für Truppenführung und Befehlsabfassung . Vierter Teil : Der Stabs- und Truppendienst im Rücken der operierenden Heere .
Etappeninstruk-
tion . Etappenkrieg. Zweite vervollständigte Auflage mit 140 S. Kartenbeilagen. Gera 1880. A. Reisewitz . - 8º. Dellbrück , Hans :
Das Leben des Feldmarschalls Grafen
Neidhardt von Gneisenau.
Fünfter Band (Schlufs) .
Fort-
setzung des gleichnamigen Werkes von G. E. Pertz . Berlin 1880 . G. Reimer. - 8º. 711 S. - Preis : 10 Mark. Erzherzog Johann , k. k. Feldmarschalllieutenant und Kommandeur der 33. Infanterietruppendivision :
Geschichte des k. k. In-
fanterieregimentes Erzherzog Wilhelm Nr. 12. Gr . 8° . Wien 1880. L. W. Seidel und Sohn .
II. Teil.
854 S.
Text, 316 S. Anlagen. - Preis : 5 Mark. Frontalangriff der Infanterie. Von einem preufsischen Offizier. Brandenburg a. H. 1881. Rud. Koch. - 8º. — 611 S. G., W. v. , Premierlieutenant : Notizkalender für Unteroffiziere aller Waffen für 1881. Breslau 1881. Louis Köhler. Preis : 1,50 Mark. Knorr , Emil , Major : Die polnischen Aufstände seit 1830 in ihrem Zusammenhange mit den internationalen Umsturzbestrebungen. Unter Benutzung archivalischer Quellen . 8º.431 S. 1880. E. S. Mittler und Sohn. -
Berlin Preis :
8 Mark. Meinert, Dr. C. A. , Armee- und Volksernährung .
Ein Versuch
Professor C. v. Voit's Ernährungstheorie für die Praxis zu verwerten, 2 Bde.
In zwei Teilen mit 8 lithographierten farbigen Tafeln . Berlin 1880. E. S. Mittler u . Sohn . 8º. 934 S.
Preis : 16,40 Mark. Militärische Klassiker des In- und Auslandes . Heft.
Sechstes
Napoleon I.: Militärische Schriften , erläutert und
mit Anmerkungen versehen durch Boie , Major im Grofsen Ge159 S. neralstab . Berlin 1880. F. Schneider u . Co. ― 8º. - Preis : 1,50 Mark.
Sachliche Darstellung Müller , M. , Ingenieur : Rettungswesen. der bis Ende 1879 in dieser Klasse erteilten Patente nebst An-
126
Verzeichnis der bei der Redaction eingegangenen Bücher etc. hang über Vorrichtungen zum Schutze der Gesundheit bei geMit 30 Abbildungen . sundheitsgefährlichen Beschäftigungen. Berlin 1880. Th . Grieben . — 8º. 50 S.
Notizbuch , Allgemeines Militär- . 5. Auflage. Th. Lehmann u. Co. Preis : 0,50 Mark.
Prettin a. Elbe .
Rang- und Quartierliste der kaiserlichen Marine für das Jahr 1881. Auf Befehl S. M. des Kaisers und Königs. Berlin 1880. E. S. Mittler und Sohn . kl. 8º. - 122 S. - Preis : 2,50 Mark. Scheibert, J., Major z . D.: geschenk.
Berlin 1880.
Unteroffizier - Brevier. Ein FestFr. Luckhardt. - kl. 8º.- 108 S.
Stiehl, Major à la suite des ostpreufsischen Fufsartillerieregiments Nr. 1 u . s . w . Geschichte des pommerschen Fufsartillerieregiments Nr. 2 und schleswigschen Fufsartilleriebataillons Nr. 9. Auf dienstliche Veranlassung bearbeitet . Mit 6 Plänen und 6 Skizzen in Steindruck. Berlin 1880. E. S. Mittler u. Sohn.
8º.
124 S.
Preis : 4 Mark.
Thürheim , A. Graf, Gedenkblätter aus der Kriegsgeschichte der k. k. österreichischen Armee. Schlufslieferung. Voss, E. von, Premierlieutenant im Grofsherzogl . Mecklenburgischen Grenadierregiment Nr. 89 .: Beiträge zur mecklenburgischen Fahnenkunde . Schwerin in M. 1880. A. Schmale . ― kl. 8º. 24 S. Weber, Premierlieutenant im rheinischen Jägerbataillon Nr. 8.: Geschichte des rheinischen Jägerbataillons
Nr.
8
seiner Errichtung bis zum Jahre 1880. Berlin 1880. E. S. Mittler u. Sohn . - 8º. 239 S. Preis : 4 Mark.
Berichtigungen . Im November-Heft lies : S. S. S. Im Dezember-Heft lies : S. S.
195 201 211 316 323
Z. Z. Z. Z. Z.
7 v. u.: „des " statt „ der“. 16 : „Sungari " statt „ Gungari “. 3 v. u.: „ Alai Tagh " statt „ Altai Tagh “ . 2 : „ 19 162 “ statt „ 16 162 “ . 12 : „wachen " statt „wachsen“.
Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin W.
XII .
Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801). Von Spiridion
Gopčević.
(Schlufs.) Die Einnahme von Rosette durch die Verbündeten. In Kairo wartete
man mit Spannung auf die Nachricht von
dem Ausgange der Schlacht bei Ramlé.
Vorsichtshalber befahl Bel-
liard am 17. März dem General Donzelot , in Eilmärschen von Siut heranzukommen. Schon am 21. erzählte man sich die Details eines erfochtenen Sieges .
Als aber am 24. noch immer keine Nach-
richt eintraf, wurde man unruhig, besonders, da abends ein Courier von Belbejs anlangte, welcher die Nachricht brachte, der Grofsscheich der Terabin -Araber des Sebah - Biar - Thales habe sagen lassen, ein türkisches Reitercorps sei dort aufgetaucht und auf dem Marsche gegen Kairo.
Die 9. Halbbrigade
rückte
sofort nach Birket
el
Hadschi , und die ganze Nacht wie der nächste Tag wurden mit Zurüstungen zugebracht.
Den Ausbruch
eines Aufstandes befürch-
tend, räumte man die Spitäler und zog sich in die Citadelle und die Forts zurück.
Am 26. erfuhr man , dafs die angeblichen türkischen
Reiter nur Mameluken waren, welche sich an Murad Bey anschliefsen wollten.
Dagegen traf am 27. abends Kapitän Tiochi ,
Adjutant
des 2. Generalstabschefs Adjutantgeneral René , ein und meldete die Niederlage vom 21.
Gleichzeitig brachte
er Befehle zur Räumung
Ober-Egyptens und zur Reduzierung der sonstigen Garnisonen ; Robin sollte mit 1500 Mann nach Ramanjé gesandt werden. Auf Seite der Verbündeten starb Abercromby Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
am 28. März 9
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .
128
und Hutchinson wurde sein Nachfolger. schwierigen Aufgabe ,
denn
trotz
Dieser
stand vor einer
der drei Siege seines Vorgängers
war die Lage der englischen Armee keine glückliche zu nennen . Die französische Macht war noch ungebrochen , die ohnehin nicht zahlreiche britische Streitmacht hingegen stark zusammengeschmolzen. Die verwundeten
und kranken Leute
und Pferde abgerechnet,
verfügte Hutchinson nur über ungefähr 15 712 Briten und 6300 Türken mit
500 Pferden.
Der bisherige Abgang durch Tote ,
Gefan-
gene und Desertierte belief sich auf ungefähr 50 Offiziere , 50 Unteroffiziere und Spielleute, 1100 Gemeine . Hutchinson konnte demnach an keine Offensive denken , wenn nicht bald VerstärGlücklicherweise war
kungen eintrafen .
soeben
Rest der türkischen Flotte unter dem Kapudan angelangt.
Sie bestand aus
5 Linienschiffen
von
(25.
März)
Hussejn Pascha
dem Dreidecker „ Selimjé " von
74 Kanonen ,
4 Fregatten
der
110 ,
und 4 Korvetten ,
nebst mehreren Transportschiffen , welche 6000 Janitscharen und Arnauten an Bord hatten. Hutchinson gab diesen Truppen einen festeren Halt , indem er sie unter das Kommando des Obersten Spencer stellte und ihnen das 58. und 40. Regiment, und 8 Kanonen ,
zusammen 800 Mann ,
war Kapitän Beavor mit des
Edku - Sees
(zwischen
zugesellte .
30 Husaren
Schon
am 23.
einigen Schaluppen gegen die Mündung Alexandria und Rosette) abgegangen,
welche durch das Viereckige Haus " beherrscht wurden . Nach einigen Schüssen warfen die Franzosen die beiden dort befindlichen Geschütze ins Meer und räumten den Posten ,
welcher von Beavor
besetzt
wurde. Am 24. abends waren 300 Türken unter Mustafa Aga als Verstärkung eingetroffen. Sie sollten gegen Rosette marschieren, konnten aber um keinen Preis zu einem Nachtmarsch gebracht werden.
Tags darauf rekognoszierten Kapitän Marley und Lieutenant
Wright mit 1 Schaluppe und 1 Kanonenboot gegen Edku , von wo sich die französische Vedette sofort zurückzog. Am 29. forderte Sidney Smith Rosette zur Übergabe auf, Am 2. April kam Spencer mit
erhielt aber gar keine Antwort. seinen 800 Engländern und 4000
vom Kjaja des Kapudans befehligten Türken zum „ Viereckigen Hause “ . In Rosette standen 800 Franzosen unter Oberst St. Faust. Dieser , vom Scheich von Edku von allem in Kenntnis sandte seinen Adjutanten mit nach Edku
der Kavallerie
zu rekognoszieren ,
Araber auszufragen ,
worauf
er
begnügte
dahin ab .
gesetzt,
Statt aber
sich dieser damit ,
selbstzufrieden
zurückkehrte
einen und
berichtete : im Viereckigen Hause ständen nur 7-800 Türken , welche sich
mit der Anlegung
eines Feldspitals beschäftigten.
Der treue
129
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .
behauptete
Scheich
Mittel
Meer
FortFallen
Rosette.
Edku
er, die Türken hätten sich
ElHamad ErAft
bereits
gegen
Bewegung
Edku
gesetzt ,
in
man
möge seine Briefe verbrennen und ihm nicht
Fua
V.Al
da-
gegen, seine Angaben seien genau und am 6. schrieb
exan
mehr antworten . * ) Spen-
d Ramanje
cer , welcher am 6. durch Schebrachit.
das 2. Regiment auf 1450 Engländer und 4300 Tür-
Damunkar
Perastack.
ken, zusammen 5750 Mann 8 Kanonen, verstärkt wor-
Schabur
Ni
den , rückte nunmehr am 7. weiter vor. St. Faust sah, dafs es Er liefs die
ernst wurde . Kranken ,
Invaliden
und
Alkam Schwächlichen, 250 Mann im
Benerhassels
Belbejs, ELMenair
Wardan
ganzen , in
das Fort
Jullien schaffen , dessen Garnison sie bilden sollten. Mit dem Rest
550 Mann
Om Dinar
schiffte er auf das an-
Seki.
dere (rechte) Ufer über. Weil aber die Türken am
Embabi
Cairo . Dochise
7. nicht kamen, kehrte er wieder nach Rosette zurück.
Am folgenden Mor-
gen stiefsen die türkischen und die französischen Vorposten aufeinander und St. Faust beeilte sich , wieder das rechte Ufer zu gewinnen. Der Oberkommissär Sartelon , welcher von Ramanjé eingetroffen war, um die Magazinvorräte Rosettes in Empfang zu nehmen, mufste sich unverrichteter Dinge wieder einschiffen . Gegen 4
Uhr nachmittags
Turm Abu Mandur ,
signalisierte
der Posten auf dem
dafs vier feindliche Kolonnen
im Anrücken
seien, eine englische gegen Fort Jullien und 3 türkische gegen die
*) Aus Wilson's Schilderung geht hervor, dass der biedere Scheich den Doppelspion machte. 9*
130
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .
Stadt, den Turm und das Dorf Kedid ( 11/2 Stunden oberhalb Rosette) .
Alles
schiffte
sich jetzt ein ;
da jedoch der Wind nicht
günstig war, und die Barken nur langsam stromauf rudern konnten , befanden sich noch mehrere derselben im Hafen , in die Stadt drangen und den Hauptplatz
als
besetzten.
die Türken
Die Dscherm ,
welche die Arrièregarde bilden sollte ,
benutzte dies , um eine volle
Lage
zu geben ,
in
die
dichtgeschaarten Türken
furchtbar aufräumte. dur passierte ,
unter denen
sie
Als die Dscherm jedoch den Turm Abu Man-
dessen sich die Türken bereits bemächtigt ,
wurde
sie von einem Schusse in den Grund gebohrt und sank so schnell, dafs die Besatzung gröfstenteils ertrank . Die anderen Dschermen kamen
am 9. wohlbehalten in Ramanjé an ; die Truppen waren
jedoch schon
in El Aft ans Land gegangen ,
wo soeben
General
Morand mit der 21. leichten und 1 Batterie eingetroffen war. Am selben Abend forcierte eine türkische Flottille die Mündung des Nil -Armes und zwang vier französische Dschermen, sich unter die Kanonen des Forts Jullien zurückzuziehen , zu dessen Belagerung Spencer das 2. Regiment ( 600 Mann) und 500 Arnauten zurückliefs, während er mit dem Rest stromaufwärts gegen El Hamad rückte , wo er zwischen Nil und Edku- See in vorteilhafter Stellung sein Lager aufschlug . lagerung des Forts es ,
dafs
Lord Dalhousie leitete unterdessen die BeJullien .
Gleich
am ersten Tage
duldete er
seine türkischen Alliirten zwei in einem nahen Wäldchen
gefangene Franzosen marterten und dann
mit deren abgeschnittenen
Köpfen in den Strafsen von Rosette paradierten . Am 16. hatte Dalhousie zwei Belagerungsbatterieen auf 300 Yards angelegt und das Feuer gegen den Südwestwinkel des Forts eröffnet.
Gleichzeitig begannen die türkischen Kanonenboote * ) eine
lebhafte Kanonade ,
während auch der mittlerweile mit dem Rest
der Albanesen eingetroffene Kapudan Pascha
aus einem nordöstlich
im Delta aufgestellten 18 -Pfünder eigenhändig schofs . Im Fort Jullien befanden sich 15 Geschütze , darunter ein 24 Pfünder und mehrere Karronaden der gestrandeten englischen Korvette "9 Cormorant " . Aufserdem war jede der vier bei Fort ankernden Dschermen mit einem Geschütze bewaffnet.
dem Am
16. wurde eine derselben in Brand geschossen und flog auf, nachdem sich ihre Bemannung in das Fort gerettet. In der Nacht glitten vier türkische Kanonenboote
an diesem vorbei.
Tags darauf wurde das
*) Sie standen unter dem Kommando der englischen Schiffskapitäne Stevenson und Curry.
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . Bombardement fortgesetzt ,
131
obwohl mit wenig Erfolg , da die eng-
lischen Batterieen schlecht angelegt waren.
Blos der Kapudan Pascha
erzielte einige Wirkung .
endlich der beschossene
vorspringende Winkel blos .
Am 18.
stürzte
ein und legte die Festungsartillerie teilweise
Die Arnauten benutzten dies, um sich bis auf 50 Yards her-
anzuschleichen und heftiges Musketenfeuer zu unterhalten . Gleichzeitig wurde der Rest der französischen Dschermen vernichtet . Die erste war in den Grund gebohrt ,
die zweite
durch eine Bombe in
Brand gesteckt worden . Als sie dann aufflog , brachten ihre herabstürzenden Trümmer auch die letzte Dscherm zum Sinken . Die vier Dschermen,
welche die Türken vorher an dem Fort vorbeigebracht
und die von Sidney Smith ausgerüstet worden ,
eröffneten abends
auch von Südosten das Bombardement, doch mufsten sie sich zurückziehen , da angeblich die Lafetten der Karronaden durch den Rückstofs gebrochen waren. In der Nacht begann auch eine 900 Yards vom Fort errichtete Mörserbatterie unter den Kapitänen Lemoinne und Duncan Bomben zu werfen, deren eine die französische Flagge wegschofs . Am 19. , morgens 8 Uhr, zeigte sich eine weifse Flagge , worauf
die englischen Batterieen sofort das Feuer einstellten ,
während die
türkischen noch weiterschossen. Lord Dalhousie versprach Rückbeförderung der Besatzung nach Frankreich, worauf diese sich ergab Es waren noch 268 Mann (einschl.
und um 3 Uhr ausmarschierte. 60 Seeleute
der Flottille) , von
40 Franzosen waren
gefallen.
denen aber nur
160 kampffähig.
Ein gefangener Türke ,
eine
schöne
Französin und mehrere Negerinnen befanden sich unter der Beute. Der Kapudan Pascha war über Dalhousies Eigenmächtigkeit bei Abschliefsung der Kapitulation beleidigt und grofse Mühe ihn zu versöhnen.
Sidney
Smith hatte
Um Alexandria die Verbindung mit dem Innern zu erschweren , hatten die englischen Ingenieure inzwischen am 13. April den Damm zwischen Madjé- und Mareotis - See, über welchen die Strafse und der Kanal zwischen Alexandria und Ramanjé führt, durchstochen . Das Wasser ergofs sich in Strömen in das trockene Bett des Mareotis - See, jedoch erst nach einem Monat war das Niveau der beiden Seeen ein gleiches geworden . Übrigens täuschten sich die Engländer in ihren Bemühungen .
Die Verbindung
mit Alexandria war
allerdings erschwert, aber nicht aufgehoben ; die englischen Kanonenboote konnten wegen der geringen Tiefe des neuen Sees noch nicht einlaufen und dieser bildete einen natürlichen Schutz der Südseite Alexandrias.
Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801) .
132
Nachdem aber durch die Überschwemmung (welche übrigens einem den Engländern in die Hände gefallenen Briefe Menou's ihre Entstehung verdankte) Alexandria leichter überwacht werden konnte, entschlofs sich Hutchinson , die Stellung Spencer's bei El Hamad zu verstärken .
Erst sandte
er am 13. April das 18. , 90. , 79. Re-
giment und eine Abteilung des 11. Dragonerregiments ; am 17. folgten das 30. und 89. , am 18. die Generale Craddock und Doyle , am 23. Anstruther und der Generalstab ,
endlich am 26. Hut-
chinson selbst mit mehreren Regimentern .
Vor Alexandria blie-
ben nur die Brigade Ludlow und Stuart ,
das 54. , 13. , 27., 44.,
23., 28. und 42. Regiment, das Seebataillon (Abukir) und die unberittenen Dragoner des 26. nebst den Husaren, zusammen 8550 Kombattanten, zurück. Coote führte das Oberkommando. Hutchinson's
Armee in El
Hamad
war folgendermaſsen
zu-
sammengesetzt : Brigade Craddock : 8. , 18., 79. und 90. Reg . = 2120 Kombatt. , = 1900 " Doyle : 1. , 30 , 50. und 92. Reg. "
99
Spencer (Reserve) : 2. , 40. , 58. Reg . = 1650 und Korsikaner = 430 Kolonne Oberst Stewart : 89. Reg.
Generalstab
" "
100
Infanterie •
" · = 6200 Kombatt.
Brigade Finch : 12. und 26. Dragoner- Reg. Detachement bei Spencer : 11 . " " " " Stewart : 12. "" "
Kavallerie . Artillerie : 4 Batter. mit 18 Geschützen
•
=
530 Kombatt ., 60 " 40 "
• =
630 Kombatt.
• =
320 Mann.
Zusammen 7150 Engländer. Dazu an Alliirten : Albanesen bei Stewart's Kolonne (mit 4 Kan. ) = 1500 Mann. Janitscharen bei Hutchinson (mit 8 Kan.) Albanesen bei Spencer . •
• = 1100 = 3700
"
" Syrische Kavallerie (Anfang Mai eingetroffen) = 700 "" Zusammen 7000 Türken. Die Streitmacht Hutchinsons belief sich somit auf 14 150 Mann
und 30 Kanonen , darunter 1430 Reiter. Dieser Armee gegenüber in El Aft hatte Morand nur 1150 Mann mit 4 Kanonen konzentriert ,
nämlich die
von 1400 auf 500
Mann geschmolzene 21. leichte, die 550 Mann von Rosette und 100 Artilleristen.
Zu seiner Verstärkung sandte Morand den General Va-
lentin mit der 69. und dem 7. Husarenregiment nebst terie, zusammen 1000 Mann mit 4 Kanonen, ab.
einer Bat-
Weil aber Ramanjé
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801).
bedroht war ,
WO
nur
200
Mann
133
unter Oberst Lacroix
lagen,
liefs Morand auf Anraten seiner Generale Lagrange mit der Division Reynier (4000 Mann ), 3 Dragonerregimenter (600 Mann) und 5 Batterieen (20 Kanonen ) dahin abgehen . (Reynier lebte, seines Von Ramanjé rückte Kommandos enthoben , in Alexandria . ) Lagrange gegen El Aft vor, General Valentin in Fuá lassend . Ursprünglich sollte auch die 9. unter Oberst Pépin manjé stofsen ;
nach Ra-
am 7. April , nur noch 5 Meilen von dort entfernt,
erhielt sie jedoch von Belliard Befehl , sofort nach Kairo zurückzukehren.
Belliard hatte nämlich erfahren, daſs Jussuf Pascha am
4. mit 25 000 Türken ,
1200 Engländern und 200 Artilleristen von
El Arisch aufgebrochen sei.
Diese Nachricht war falsch ,
genügte , Belliard von nun an ängstlich zu machen .
aber sie
Er wandte sich
an seinen einstigen Gegner und jetzigen Freund Murad Bey und bat ihn (ohne Wissen Menou's) mit seinen Mameluken ,
deren Zahl
sich jetzt auf 1500 Mann belief, zu ihm zu stofsen. Murad Bey war edelmütig genug , seinen Exgegner nicht das Benehmen Menou's entgelten zu lassen. nach Benisuef. Dort wurde 22. April hinweggerafft.
Er setzte sich in Bewegung und kam er von der stark wütenden Pest am
Die Franzosen ,
welche seinen Heldenmut
und seine Seelengröfse bewunderten , bedauerten aufrichtig diesen Verlust und bestatteten ihn zu Sauguj bei Tachta mit allen militärischen Ehren ; da nach Ansicht der Mameluken Niemand würdig war, seine Waffen zu tragen , zerbrachen sie dieselben auf seinem Grabe . Nach seiner letzten Anordnung ging das Kommando auf Osman Bey El Tamburgi *) über, welcher zwar auch die Franzosen den Türken vorzog und ihnen zum Beweis dessen Korn zusandte, aber doch vorsichtshalber neutral blieb. **) Anfang Mai war die französische Armee somit folgendermaſsen verteilt : In Alexandria stand Menou mit 10 400 Mann , von denen jedoch 2700 verwundet waren. dabei nicht eingerechnet.)
(Die 1800 Seeleute der Schiffe sind
In der Stellung
El Aft - Ramanjé
hatte Lagrange mit den von Robin herangeführten 1500 Mann - 8800 Kombattanten mit 28 Geschützen ; Belliard verfügte in
*) So genannt, weil er vorher bei den Mameluken Trommler gewesen. ** Aus Wilsons Werk scheint übrigens hervorzugehen , dafs Murad ein Doppelspiel getrieben, indem er kurz vor seinem Tode an die Engländer geschrieben und sie um ihren Schutz gegen Türken und Franzosen gebeten , " welche er beide glühend hasse". Danach hätte er auch den Marsch nach Benisuef nur unternommen, um sich mit der englischen Armee zu vereinigen. Unmöglich ist dies alles nicht, besonders nach dem unverschämten Benehmen Menou's.
134
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) .
Kairo über 8000 Mann, zu welchen noch die Besatzungen von Damiette (480 Mann) und Burlos müssen. Von
den
Engländern befanden
(150 Mann)
sich
gerechnet werden
8000 unter Coote vor
Alexandria , 5000 (davon 4500 Verwundete und Kranke) in Rosette und Abukir , 7150 (nebst 5000 Arnauten, 1200 Janitscharen und 800 eben eingetroffenen syrischen Reitern) unter Hutchinson bei El Hamad , gegenüber Lagrange. Auf Andrängen Hussejn Paschas war Sidney Smith zurückberufen worden und Oberst Montresor (des 18.) Rosette ,
wo
begonnen hatten. gen ,
Befehlshaber in
die Türken bereits mit der Ermordung der Christen Um einem allgemeinen Christenmassacre vorzubeu-
erzwang Hutchinson aber von Hussejn Pascha
liches strenges Verbot.
ein diesbezüg-
Übrigens machten die Türken ihren Alliirten
viel zu schaffen , da sie nach ihrer Gewohnheit hausten. leute von Rosette z . B. mufsten Engländer und des
Die Kauf-
dem Kjaja gegen den Befehl der
Kapudan 25 000 Piaster zahlen ,
da
er ihnen
drohte, sie erdrosseln zu lassen, wenn sie ihn verrieten. Die Einnahme von Ramanjé durch die Verbündeten. Am 4. Mai wurde
der Oberst Stewart mit dem Kommando
einer fliegenden Kolonne betraut ,
welche
aus
dem 89.
Regiment,
40 Dragonern, 1500 Albanesen , zusammen 2000 Mann mit 10 Geschützen (2 Zwölfpfünder, 2 Haubitzen, 2 Sechspfünder und 4 türk . Feldgeschütze) bestand .
Er überschritt an diesem Tage vormittags
9 Uhr den Nil ; am jenseitigen Ufer besetzte man den Kanal von Berimbal und das Dorf dieses Namens. Am 5. begann die ganze kombinierte Armee stromaufwärts den Vormarsch ; Stewart am rechten, die Hauptarmee mit einer Avantgarde , Ufer.
Die Verbindung wurde
unter Spencer ,
am linken
durch 5 englische und 10 türkische
Kanonenboote, 10 englische nnd 15 türkische Dschermen hergestellt, welche unter Befehl
der Kapitäne Stevenson , Curry und Mor-
rison , sowie des Kapudan standen. Fess ,
welcher
Mulaj Mohamed , Prinz von
ein Rädelsführer der egyptischen Insurrektion wäh-
rend des Feldzuges
nach Syrien gewesen ,
schlofs
sich mit seinen
Begleitern den Engländern an. Am 6. brachten Araber die Köpfe von 4 Franzosen, welche sie bei dem Überfalle eines französischen Detachements von 16 Mann erbeutet.
Bei dieser Gelegenheit zwang Hutchinson den Groſs-
admiral ein Verbot gegen das von den Türken beliebte Martern und Köpfen der Gefangenen zu erlassen , doch hatte dies keinen Erfolg.
135
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .
Am nächsten Tage erwartete Hutchinson den Tahir Pascha mit 2000 Reitern, welche nach einer Mitteilung des Grofsvesiers am 6. eintreffen sollten.*) Am 6. Mai kam ein bei El Aft stationiertes französisches Kanonenboot hervor und begann eine Kanonade gegen Stewart , worauf auch Tirailleurs
sichtbar wurden .
Stewart liefs sofort seine Artil-
lerie auffahren , während die Albanesen dasselbe thaten . zösische Kanonenboote suchten zu forcieren ,
Vier fran-
unter diesem Feuer die Durchfahrt
allein zwei wurden von den albanesischen Batterieen
in den Grund gebohrt und eins zerstörten die Franzosen selbst . Das vierte entkam . 26 Dschermen , welche zurückgelassen worden, fielen den Alliirten zur Beute. Am folgenden Morgen entdeckte ein türkisches Streifcorps , dafs El Aft nächtlicherweile von den Franzosen geräumt worden ; gleichzeitig wurde die verlassene Stellung von einer britischen Patrouille besetzt . Nachdem dann auch an diesem Tage 700 jämmerlich aussehende syrische Reiter Tahir Paschas
eingetroffen waren ,
besetzte
man am 8., ohne Widerstand zu finden, Fuá und marschierte gegen Ramanjé , wo Lagrange inzwischen seine ganze Macht konzentriert hatte . Er stand mit dem Rücken dicht an den Nil gelehnt ; sein Zentrum befand sich um das Fort herum, sein rechter Flügel zwischen Nil und Alexandria-Kanal, im Rücken durch die gesamte Kavallerie gedeckt.
Der linke Flügel stand zwischen dem Fort und der Stadt
Ramanjé , ebenfalls zwischen Nil und Kanal. Wenn es Lagrange's Absicht gewesen wäre, sich ganz einschliefsen und dann durch einen
*) Jussuf Pascha war nämlich am 12. März von Gedrié aufgebrochen und am 15. in Gasa angekommen , wo er bis zum 22. rastete, weil in El Arisch die Pest wütete (sie hatte in einem Monat die 4000 Mann starke türkische Besatzung auf 1500 reduziert). In Gasa teilte er seine 16 000 Mann starke Armee in 3 Divisionen, deren eine er selbst kommandierte, während Tahir Pascha und Mehemed Pascha die anderen befehligten . Am 22. wurde Tahir Pascha mit 3000 Mann 5 Kanonen vorgeschoben , am 28. langte der Grofsvesir in El Arisch an , wo er durch Major Misset von der Schlacht bei Ramlé hörte . Am 2. April rückte Tahir Pascha gegen Katjé , am 5. folgte Mehemed Pascha , am 20. der Grofsfürst selbst, welcher dort am 24. anlangte und sofort nach Salhejé marschierte, welches er am 27. ohne Widerstand besetzte. Am 30. forderte er Kairo zur Übergabe auf und marschierte nach Ablehnung am 7. Mai bis Korajm. Bei seiner Armee befanden sich 42 Engländer : Oberstlieutenant Holloway leitete als Generalstabschef, Major Hope befehligte die Artillerie , Kapitän Leake leitete die Avantgarde , (Tahir Pascha mit 2000 syrischen und 1000 arabischen Reitern) , Kapitän Lacy deren Unterstützung (Mehemed Pascha mit 5000 Arnauten). Tahir Pascha sandte aber blos 700 syrische Reiter über Katjé und Damiette zu Hutchinson.
136
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .
Angriff bis auf den letzten Mann in den Nil werfen zu lasssen, hätte er keine bessere Stellung einnehmen können . Die Alliirten brachen am 9. Mai um 5½ Uhr früh auf. Oberst Stewart rückte mit seinen 2000 Mann und 10 Geschützen am rechten Nilufer gegen Dessug , Oberst Murray mit der Avantgarde am
linken Ufer gegen Mehallet Daut vor (nordwestlich
manjé), wo sich ihm ein Arabertrupp anschlofs.
von Ra-
Um die französische
Stellung zu rekognoszieren , ritt Murray mit Major Birch den Kanal entlang gegen
den französischen
rechten
Flügel ,
während
Major
Wilson (der Autor des oft citierten Werkes) mit einigen Arabern auf Ramanjé zu ritt, dadurch den linken Flügel erkennend .
Für La-
grange's meisterhafte Aufstellung spricht der Umstand , dafs Wilson sich der Stadt auf 400 Yards nähern konnte , ohne angegriffen zu werden, und dann, als dies geschah, und überdies eine Division des rechten Flügels gegen Murray hervorbrach ,
konnte es ihm noch ge-
lingen, mit heiler Haut zu entkommen ! Als Murray und Wilson die Nachricht von der ungeschickten Aufstellung Lagrange's brachten , wollte Hutchinson dies gar nicht glauben.
Obwohl er die Franzosen für schwächer hielt, als sie waren
(auf Grund eines älteren in El Aft gefundenen Dokumentes glaubte er , es nur mit 3931 Mann zu thun zu haben) , that er doch gar nichts , um Lagrange einzuschliefsen , er beschränkte sich vielmehr darauf, eine Demonstration zu machen, welche Lagrange einschüchtern und zum Rückzuge zwingen sollte . Er liefs nämlich die Türken gegen die Flanke des französischen rechten Flügels Stellung nehmen, während er seinen rechten Flügel in Mehallet Daut aufstellte . Unterdessen hatten die
syrischen Reiter einen Vorstofs gegen
den französischen rechten Flügel gemacht. gonerregimenter rückten
zu
Drei französische Dra-
dessen Schutz vor und
begannen zu
scharmützeln .
Da beide Teile gleich stark waren, kam es zu keiner
Entscheidung.
Hutchinson liefs daher das 12. Dragonerregiment mit
2 Kanonen links abschwenken
und eingreifen.
Es wurde aber von
2 aufgefahrenen französischen Geschützen beschossen und erlitt einige Verluste, da es seltsamerweise, statt durch einen energischen Angriff die Batterie zu nehmen ,
im Feuer Halt machte ,
eigenen Geschütze spielen zu lassen .
um
Das Resultat war ,
erst
seine
dafs
die
Engländer und Türken nach einiger Zeit zurückgehen mussten, ohne etwas erreicht zu haben .
Auch auf dem englischen rechten Flügel
begann ein leichtes Geplänkel. Während dieser Affaire waren Stewart und die Flottille nicht unthätig geblieben .
Letztere rückte mit Benutzung einer günstigen
Die französische Expedition nach Egypten (1798--1801) .
137
Brise vorwärts und begann mit der französischen Flottille Landtruppe eine heftige Kanonade. Stunde vor Dessug Halt gemacht ,
und den
Stewart hatte anfangs eine halbe da er bei diesem Dorfe feind-
liche Reiter antraf und mit Übermacht angegriffen zu werden fürchtete. Lagrange liefs zu seiner Unterstützung 300 Grenadiere , 200 Husaren und 2 Kanonen an das rechte Ufer zu setzen , welche bei der Moschee Stellung nahmen. Inzwischen kam die englische Flottille herauf und suchte diese 500 Franzosen vom Hauptcorps abzuschneiden .
Aber zwei am Ein-
gang jenes Seitenarmes errichtete Batterieen, welcher den Hafen von Ramanjé bildet, zwangen die Fahrzeuge zum Rückzug , nachdem sie eine Dscherm in den Grund gebohrt. Jetzt sandte Stewart unter Lord Blaney vor.
die Grenadiere Es
Rückzuge zu bewegen und ungehindert hinüber.
des 89.
gelang diesem ,
und 6 Kanonen
die Franzosen
schifften
zum
sie nach Ramanjé
Blaney folgte und nahm hinter dem Damm Stellung, wäh-
rend Kapitän Adye mit der Artillerie in den Hafen hinüberschofs , aus dem eben 70 französische Dschermen zu entfliehen suchten . Nachdem aber eines der Kanonenboote in den Grund gebohrt worden, gingen die übrigen wieder zurück , worauf auch die Engländer ihr Feuer
einstellten .
Stewart legte
das 89. hinter den
Damm ,
gegenüber der Hafenmündung, zu beiden Seiten lagerten die Albanesen. Diese pflanzten ihrer Gewohnheit gemäss ihre zahlreichen Fähnlein auf den Damm , dadurch der französischen Artillerie ihre Stellung verratend, was für sie von nachteiligen Folgen begleitet war. Das Detachement des 12. Dragonerregiments
nahm im Dattelwald
zwischen dem Dorfe Dessug und dem Nil Stellung .
Die türkische
Flottille, welche sich mittlerweile der englischen angeschlossen , in das Feuer ein.
fiel
Um 4 Uhr nachmittags ging Hutchinson an den Kanal vor ; die Korsikaner und 26. Dragoner bildeten bei Mehallet Daut den äufsersten rechten Flügel.
An sie schlofs sich das in Kolonnen auf-
gelöste
Die
2. Regiment an.
übrigen
10 Regimenter
einer langen Linienfront gegen den Kanal.
standen in
Links von ihnen , durch
einen grofsen Zwischenraum getrennt, befanden sich die Türken. Auf diese Bewegung hin setzte sich die gesamte franz. Kavallerie mit 6 Kanonen in Bewegung und ritt jenseits des Kanals nach Südosten, in der Mitte zwischen Mehallet Daut und Lakanné Halt machend. Während dieses wurden sie von schossen.
Manövers
(des einzigen
zwei vorgezogenen
vernünftigen Lagrange's)
englischen Kanonen
Jetzt war den Engländern
die Einschliefsung
stark beder fran-
138
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .
zösischen Armee erschwert , gesetzt waren.
indem jene
Bei der Übermacht der
einem Flankenangriff ausenglischen Armee
hätte
übrigens Hutchinson wenigstens einen Versuch unternehmen können , er liefs sich aber imponieren und begnügte sich mit einem Geplänkel . Statt auf Vernichtung des Feindes einzugehen, hatte er sich blos ein Zurückdrängen zum Ziel gesetzt . Daher sandte er den Kapitän Brice zu Stewart, um nächtlicherweile eine Batterie für die 10 Geschütze zu errichten , deren Feuer die französische Stellung unhaltbar machen sollte . Gegen Abend befahl er , Linie einzustellen . Nun waren
das Feuer auf der ganzen
aber 200 Türken unterdessen immer näher an die
französische Stellung herangeschlichen, von der sie zuletzt blos noch 100 Yards entfernt waren .
Sie konnten daher nicht gut zurückgehen,
ohne entdeckt zu werden .
Statt aber in möglichster Auflösung den
Rückzug anzutreten ,
um so
den Franzosen wenig Ziel zu
bieten ,
sammelten sie sich in einen Rudel, sprangen plötzlich auf und liefen schnell davon .
Die erstaunten Franzosen gaben eine Salve ab und
brachen dann mit Hurrah hervor.
Hutchinson , welcher ein Über-
denhaufenwerfen des ganzen türkischen Corps befürchtete, liefs schnell die Brigade Doyle links abschwenken und gegen die Franzosen rücken . Diese zogen sich nunmehr wieder zurück . Den Türken hatte dieser unbesonnene Rückzug 50 Mann gekostet . falle der Franzosen feuerten sie ab.
Gegen
11
Uhr begann
Aus Angst vor einem Über-
die ganze Nacht über ihre Flinten
auch Stewart's Artillerie ,
zösische Dscherm zu beschiefsen , zwang sie dadurch zur Rückkehr.
welche
eine fran-
zu entfliehen suchte , und
Etwas später glitt Kapitän Curry
mit den englischen Dschermen an Ramanjé vorbei , in dessen Hafen jetzt die französische Flottille eingeschlossen war. Am andern Morgen wollte eben die von Brice errichtete Batterie ihr Feuer beginnen , als ein französischer Offizier in einer Dscherm erschien und die weifse Fahne schwenkte. Es stellte sich jetzt heraus ,
dafs Lagrange in der Nacht den Rückzug bewerk-
stelligt und blos im Fort eine Besatzung von 110 Mann und 18 Kanonen gelassen hatte .
Die Kanonenboote hatte
man versenkt ,
die
80 Dschermen hingegen unversehrt den Alliirten zur Beute gelassen und auch die reichen Zwieback- , Schnaps- und Mehlmagazine nicht vernichtet.
Lagrange
scheint
also Menou's würdiger Generalstabs-
chef gewesen zu sein . Die ganze Affaire hatte den Engländern 36 Mann gekostet, nämlich 2 tote, 4 verwundete Offiziere ; 8 tote, 22 verwundete Gemeine ;
Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801) . 10 tote, 5 verwundete Pferde.
139
Der Verlust der Türken belief sich
auf etwa 150 , jener der Franzosen auf 100 Mann. Am
selben Tage ging Lieutenant Drake
mit
30 Dragonern
vom 12. Regiment Wasser holen , als er Flintenschüsse vernahm . Diesen folgend gewahrte er eine französische Dragonerschwadron des 22. Regiments im Kampf mit Arabern . gaben sich die Franzosen.
Bei seinem Herannahen er-
Es waren noch 3 Offiziere und 50 Mann.
Der Adjutant und 5 Mann waren verwundet , 1 Sergeant getötet. Die Schwadron kam von Alexandria und sollte Lagrange Depeschen bringen. In Ramanjé blieb
eine Besatzung von 300 Türken ;
setzte sich am 11. morgens gegen Kairo in Bewegung.
der Rest In Sche-
brachit wurde Halt gemacht und Major Montresor zum Grofsvesir nach Belbejs gesandt.
Er sollte ihn bewegen , auf Sues zu
marschieren, woselbst Admiral Blanket Ende April die Avantgarde der indischen Hilfsarmee Baird's ans Land gesetzt haben sollte . *) Am 12. abends
lagerte Hutchinson in Kafr Haudeg ,
Ferastak ,
der Mündung
rastete man.
an
des
Stewart
gleichnamigen Kanals.
in
Am 13 .
Abends wurde dann Wilson zum Grofsvesir gesandt,
um ihm von jeder Schlacht abzuraten , ihm vereinigt.
bevor
sich Hutchinson mit
Am 14. setzten die Alliirten ihren Marsch fort.
Bei Eschlime
hörten sie Flintenschüsse und gewahrten bald darauf einen bedeutenden Convoi , den Rest der französischen Flottille unter Eskorte von 250 Mann , welche sich seit 2 Tagen mit verfolgenden Arabern im
Kampf befanden .
Sie
waren
von Kairo geschickt und den
Menuf-Kanal herabgekommen, daher sie Lagranges Truppen nicht begegneten und von dem Vorgefallenen nichts wufsten . Als die Franzosen die ersten Albanesen von Stewart's Kolonne erblickten, schifften sie
*) In Wirklichkeit war diese Absicht infolge der veränderten Situation nicht zur Ausführung gekommen. Das indische Hilfscorps , unter Befehl des Generalmajors Baird, und mit Nichtkombattanten 7619 Mann stark, landete vielmehr erst am 14. (nach anderen Nachrichten am 21.) Mai von Bombay und dem Kap der guten Hoffnung aus an der Ostküste Ober- Egyptens in Kossejr mit den ersten Truppen und trat von dort nach Beschaffung von 5000 Kamelen in der Zeit vom 20. Juni bis 20. Juli den Marsch nach Kenné an. Daselbst wurde es auf den Nil zunächst nach Kairo geschafft, wo die letzten Truppen am 10. August eintrafen. Am 31. Aug. ist alsdann die Division bei Rosette versammelt , von wo Baird am 1. September nach Alexandria ging. Die Division ist während des ganzen Feldzuges nicht zur Thätigkeit vor dem Feinde gelangt , soll aber nach den „ Commentaires 200 Tote, 1100 Kranke und 400 Deserteure gehabt haben ; mein Gewährsmann spricht sogar von 2000 Mann, welche die Pest geraubt habe.
140
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .
sich
auf dem linken Ufer
Dattelwald.
aus
und verschanzten
sich in
einem
Die Albanesen liefsen sich von den Arabern nun eben-
falls überfahren und griffen , unterstützt von der eben eintreffenden Avantgarde des Kapudan die Franzosen wütend an. Diese hielten sich tapfer, bis sie Lieutenant Diggins mit Dragonern herannahen sahen. Dann boten sie Übergabe an, wenn er ihr Leben verbürgen wolle.
Er that es auch ,
trotz
der Einsprache
der Türken .
Beute war unermesslich : Kleider , Weine , Schnaps , schütze und 125 000 Francs .
Die
12 schwere Ge-
Zwei Negermädchen wurden den Ge-
fangenen vom Kapudan weggenommen.
Abends lagerte Hutchinson
in Schabur , Stewart in Kafr Sajad . 13. in Kairo angelangt.
Lagrange war schon am
Sechszehnter Abschnitt.
Der Verlust Egyptens .
Der Marsch gegen Kairo . In Kairo hatte Belliard ,
wie erwähnt ,
nach Absendung Ro-
bins die zu seinem Corps gehörigen Besatzungen von Lesbé
und
Burlos
abgerechnet , *) 8000 Mann 22 Kanonen zur Verfügung , **) von denen mindestens 7500 vollkommen kampffähig waren . Am 13 .
stiefs Lagrange mit 8600 Mann 28 Kanonen zu ihm , was seine Streitmacht auf 16 100 Mann 50 Kanonen brachte . Damit liefs sich schon eine Entscheidungsschlacht liefern .
Wenn Belliard 1600
Mann in der Citadelle liefs , wo sie vollständig hinreichten, eine Belagerung von 14 Tagen auszuhalten ,
konnte er den Grofsvesir, der
am 9. bei Belbejs angekommen war , mit 14 500 Mann und 50 Kanonen angreifen.
Jussuf Paschas Armee war zwar durch 40 Eng-
länder und etwa 8000 Insurgenten (Araber und Egypter ,
lediglich
auf Raub spekulierendes Gesindel) auf 21 000 Mann gebracht worden (von denen er jedoch nur 18 000 zur Hand hatte) , aber Heliopolis hatte gezeigt, was die türkischen Truppen damals wert waren . Belliard schien auch
ein neues Heliopolis zu beabsichtigen , denn
am 15. rückte er dem Grofsvesir entgegen. unverzeihlichen Fehler,
Er beging jedoch den
10 000 Mann
unter Almeras in Kairo zu
lassen und nur 4600 Mann Infanterie ,
900 Reiter und 500 Artille-
*) Am 4. April bereits war die Sprengung von Salhejé und Belbejs angeordnet worden. **) Donzelot war mit seinem Corps am 6. April eingetroffen; die Besatzungen von Salhejé und Belbejs am 14.
141
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ). risten, zusammen 6000 Mann 24 Geschütze, mit sich zu nehmen.
Die
Entschuldigung, er habe eine Überrumpelung Kairos durch die Engländer verhüten wollen , ist nicht stichhaltig. Denn Hutchinson stand am 16. erst in Alkam und überdies hatten 1600 Mann in der Citadelle so wenig zu besorgen als 10 000 , doch ungenügend waren ,
gegen die Engländer
welche schliesslich das offene Feld zu
behaupten. Am 15. Mai marschierte Belliard aus, plänkelte abends mit den türkischen
Vorposten und stiefs
anderen Tags bei Tagesanbruch
unweit El Menajr auf die feindliche Armee. Der Grofsvesir hatte Tags
zuvor Major Wilson
empfangen ,
sich aber geweigert, seinen Ratschlägen Gehör zu schenken .
Er be-
hauptete, längeres Zuwarten oder gar Rückzug würden seine Armee zur Auflösung bringen ,
zudem
habe
er
im Falle einer Niederlage
nicht zu befürchten , dafs ihn Belliard weit verfolgen würde . Auf die Nachricht vom Anrücken desselben sandte Jussuf Pascha 3000 Reiter und 3 Kanonen unter Tahir Pascha gegen El Menajr , mit dem Befehl, die französische Armee in der Nacht zu beunruhigen . Belliard hatte unterdessen bei El Men ajr eine Schlachtordnung gebildet, welche jener Kleber's bei Heliopolis nachgemacht war, die Infanterie in zwei Carrés unter Lagrange und Robin an den Flügeln , die Kavallerie im Zentrum . Um 8 Uhr morgens wurde Tahir Pascha durch 1500 Reiter
verstärkt und begann den Angriff von der einen Seite, während Me hemed Pascha mit 5000 Albanesen und Reitern nebst 9 Kanonen auf der anderen Seite
manövrierte .
Da jedoch keiner von Beiden
sich in ein ernstliches Gefecht einliefs , rückte Belliard langsam aber Der Grofsvesir wich aber auf Benulhissar (Benerstetig vor. hasse) zurück ,
weil Holloway ihm ernstlich von einer Entschei-
dungsschlacht abriet.
So weit zu
folgen zögerte Belliard , welcher
besorgte , von Kairo weggelockt und abgeschnitten zu werden , denn ein Reitertrupp hatte sich von den Türken getrennt und suchte in weiter Ferne die Franzosen zu umgehen . Er ordnete daher den Rückzug an ; sein Verlust in dem Gefechte hatte 50 Mann, jener der Türken etwa 250 Mann betragen. Am 17. abends erhielt Hutchinson in Alkam Nachricht vom Gefecht bei El Chanka , welches die Türken für einen Sieg ihrerseits ausgaben. Dem Grofsvesir unterstellte sich Stewart tags darauf bei Menuf,
nachdem
er noch durch das 30. Regiment und
11. Dragonerregiment (450 Mann) verstärkt worden die Albanesen dem Kapudan zurückgab .
Am 21.
war ,
hingegen
besetzte Stewart
142
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .
Birts champ , woselbst er bis 4. Juli blieb, während sich Hutchinson's Truppen bei Alkam nicht rührten . Dieser selbst hatte mit Hussejn Pascha am 23. das Lager verlassen und war am 24. bei Jussuf Pascha eingetroffen, wo beide bis 27. blieben. Krankheiten hatten Hutchinsons Armee sehr geschwächt. 1460 Mann waren krank, daher konnte er nur noch über 5500 Engländer und 6000 Türken verfügen , das Corps Stewart's ( 800 Mann ) eingerechnet. Hutchinson fühlte , dafs er bei seiner Schwäche einer Niedersehr ausgesetzt war.
lage
Deshalb sah
er es gern ,
dafs Jussuf
Pascha nach der Affaire von El Chanka mit ihm in Fühlung blieb. Ausserdem stiefs am 30. auch Osman Bey El Tamburgi mit 1200 Mameluken zu den Alliirten. Am 1. Juni setzte sich nun endlich Hutchinson in Bewegung. General Lawson und der Geniekommandant Kapitän Brice wurden nach Rosette gesandt, um Belagerungsartillerie für Kairo herbeizuholen .
Am 3. erfuhr Hutchinson ,
dafs Murray mit dem Vortrab
der indischen Armee in Kossejr gelandet und Ende Mai von Malta her 1000 Mann Verstärkung eingetroffen , 28. und 42. Regiment vor Alexandria Anmarsch seien.
so dafs infolgedessen das
entbehrlich geworden und im
Durch diese Nachrichten, zu denen sich noch jene
der Wegnahme von Lesbé , Damiette und Burlos gesellte, etwas erleichtert , fort.
setzte Hutchinson
am 4.
seinen Marsch auf Lokmas
Auch Stewart verliefs an diesem Tage sein bisheriges Lager
und vereinigte
sich am nächsten Morgen mit dem Grofsvesir
bei
Schubra el Schaabi , während Hutchinson Wardan erreichte. Am 7. kam letzterer bis Om Dinar ,
wo der Nil sich in die beiden
Arme spaltet , am 9. bis Seki , während der Grofsvesir gleichzeitig bis Charlahan vorrückte . Dann rasteteten beide Armeecorps , um Baird mit der indischen Armee den Nil gewinnen zu lassen , damit Belliard bei einem etwaigen Rückzug nach Oberegypten aufgehalten werden könne. Erst am 15. Juni rückten Hutchinson und Jussuf Pascha
nach Tanasch
bez .
Besus
vor
anderthalb
Stunden
vor Kairo . Am selben Tage liefs Hutchinson durch einen Mameluken Belliard zur Übergabe auffordern, was dieser natürlich ablehnte .
Daher
rückte Stewart nach Schubra el Chejmé vor und Hutchinson besetzte Zenejn und Warak el Hader.
Ihm schlossen sich rechts
die Mameluken in Beschtil an (deren Vortrab Embabé besetzte) , während der Kapudan den äussersten rechten Flügel einnahm . In den nächsten Tagen wurde fleifsig rekognosziert.
Noch am 16. hatte
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ).
143
über den Nil zwischen Schubra und Am 19. war sie vollendet und ermöglichte die
man den Bau einer Brücke Besus beschlossen .
Verbindung des Grofsvesirs mit Hutchinson und dem Kapudan . bestand aus 60 Dschermen und war 160 Yards lang.
Sie
Anfangs lag es in Hutchinson's Absicht, Kairo direkt anzuallein die Furcht , Belliard möchte über Dschisé ausfallen oder auch zurückgehen, bewog ihn noch am 19. abends, Gegenbefehl
greifen ;
zu geben. Darüber entrüstet, wollten die türkischen Soldaten Kairo auf eigene Faust stürmen, doch gelang es dem Kapitän Marley , sie zu beruhigen.
Tiser Pascha bei
Stewart nahm hinter Elmini ,
Eisawoj (Iznuj) , Ibrahim Pascha vor Haleb bei Schubra , Jussuf Pascha selbst bei Dimjet Stellung. Am 21. morgens
rückte
Hutchinson
zwischen Dakrur und
Senin gegen Dschisé vor. In seiner Rechten bei Tehurmis stand Hussejn Pascha mit den Mameluken im Rücken. Von letzteren attackierten Osman Bey Hassan und Mohamed Bey el Elfi
mit
einigen anderen die französischen Vorposten und trieben sie bis in die Werke , zogen sich dann aber in guter Ordnung zurück , obwohl sie durch Kartätschenschüsse etwas gelitten . Hierauf besetzten die Mameluken Sachit - Michk , so dafs Dschisé nun vollständig eingeschlossen war.
In Telbjé ,
unweit davon ,
wurde ein Depot für
schweres Geschütz errichtet und ein engl. Offizier mit 500 Albanesen, welche durch Oberstlieutenant Lindenthal (der beim Kapudan seit 2 Monaten Generalstabsdienste verrichtete) gut gedrillt worden, stellte sich zum Angriff auf.
Am 21. trafen die Generale Moore , Oakes
und Hope ein, welch letzterer die beiden aus Alexandria abgerückten Regimenter brachte, durch welche die Zahl der Kairo umschliefsenden Truppen auf 30 500 Mann anwuchs .
Die Kapitulation von Kairo. Belliard hatte dem allen ruhig zugesehen, ohne zu einem energischen Entschlufs
zu kommen.
Jetzt war
es
natürlich zu spät ,
sich etwa nach Alexandria durchzuschlagen . Noch konnte man wenigstens die Waffenehre retten , wenn man sich mit den verfügbaren 12 500 Mann auf die Türken warf und sie schlug , länder über die Brücke zu Hülfe kommen konnten.
bevor die EngAber die Fran-
zosen schienen wie gelähmt. Belliard rief einen Kriegsrat zusammen, in dem es sehr lebhaft zuging.
Lagrange
machte Belliard gegründete
Vorwürfe
wegen
der bisherigen Unthätigkeit, dann aber gab er das naive Votum ab , man möge erst Menou's Ansicht einholen ! Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
Der Kommandant der 10
144
Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801) .
Citadelle, Oberst Dupas , sprach die vernünftige Idee aus, einen Angriff wenigstens zu versuchen , da man auch nach einer Niederlage zur Kapitulation noch immer Gelegenheit haben werde . Donzelot vertrat die Ansicht , sich nach Oberegypten zurückzuziehen und daselbst den Widerstand möglichst zu verlängern ; Morand machte den Vorschlag, sich durch die Türken nach Damiette durchzuschlagen. Der Genieoberst Hautpoul stimmte dem bei. Die Generale Duranteau und Valentin waren hingegen auf Dupas' Seite. war schliesslich der Ansicht ,
Belliard
dafs jeder Widerstand vergeblich sei .
Er sandte am 22. Juni morgens Unterhändler zu Hutchinson , mit dem man endlich am 27. vereinbarte , dafs die dem General Belliard unterstellten französischen Truppen den Kampf einstellen , mit ihren Waffen , Gepäck u. s. w. nach Rosette eskortiert und von dort nach Frankreich befördert wreden sollten . Waren die Engländer schon durch die unerwartete Kapitulation so vergröfserte sich noch ihr Erstaunen, als sie erfuhren, die französische Armee sei 14 350 Mann stark, habe 50 Kanonen und 367 Geschütze im Park, 2000 Centner Pulver, 70 000 Ge-
freudig überrascht ,
schosse und riesige
Magazine .
13 930 eigentliche Soldaten ,
Unter jener
Zahl befanden
darunter 800 Kranke ,
sich
500 Veteranen
und 760 Eingeborene (die Anderen waren alle desertiert). Der Rest bestand aus 344 Seeleuten der Nilflottille und 82 Civilpersonen.
Am 28. Juni wurde das Fort Sulkovski vom 30. Regiment, das Pyramidenthor von den Grenadieren und der Leibwache des Kapudan besetzt. Oberst Paget ging als Geisel in das französische, Oberst Langlois in das englische , Oberst Touissard in das türkische Lager. Am 2. Juli wurde Oberst Montresor mit der Siegesdepesche nach London gesandt. Man hatte in der That Grund , sich zu freuen , denn selten hat Glück und Zufall eine Armee so sehr begünstigt als die englische Invasionsarmee . Wenn man Wilsons Bericht über den traurigen Zustand des englischen und den jämmerlichen des türkischen Heeres vor Kairo liest, begreift man, dafs die Engländer noch nach der Kapitulation besorgt waren, die Franzosen möchten ihren Entschlufs bereuen und zu den Waffen greifen . Wilson läfst durchblicken, dafs in diesem Falle die alliirte Armee trotz der beiden okkupierten Punkte in eine kritische Situation geraten wäre. Daher vermieden es auch die Briten, den Franzosen zu irgend welchem Zwist Anlaſs zu geben. Als am 4. Juli Major St - Genies mit 100. Dromedariern vor dem Pyramidenthor erschien, wagte es die englische Wache nicht, ihn aufzuhalten . Corps gelang ,
Der Umstand, dafs es einem solchen
durch alle Posten und mitten durch die Armee un-
145
Die französische Expedition nach Egypten (1798-801 ) . gesehen zu kommen , wahr.
klingt geradezu fabelhaft,
und ist dennoch
Ja es heifst sogar, dafs die Dromedarier schon am 28. Juni
vor Kairo erschienen waren und bis zum 4. Juli um die Pyramiden herumschlichen, bis sie einen günstigen Moment erspähten . dem wurden sie von niemandem bemerkt !
Und trotz-
Die Engländer , als sie
erfuhren, der Major bringe Depeschen von Menou , gerieten in Aufregung, da sie fürchteten , Belliard werde die Kapitulation widerrufen . Indes geschah dies nicht.
Im Gegenteil, die Dromedarier liefsen sich
in die Kapitulation einschliefsen . Am 6. Juli kam der Grofsvesir, um Revue abzuhalten .
Er kam
eben recht , der feierlichen Abholung des Sarges Kleber's beizuwohnen. Die Franzosen wollten nämlich den Leichnam dieses berühmten Feldherrn , den sie nach Wilson's Zeugnis geradezu vergötterten, nach Frankreich mitnehmen . Unter Kanonendonner, in welchen die Engländer aus Hochachtung mit einstimmten , und mit vielem Prunk wurde der Sarg aus der Bastion von Dschisé geholt. Am 10. räumten alsdann die Franzosen Kairo . Wie eine Sündflut ergofs sich die türkische Armee
in die Stadt und begann trotz
der Konvention und trotz Abmachungen der Engländer ihre übliche Wirtschaft. Einzelne Häuser wurden geplündert , einzelne Kaufleute ermordet. Des Grofsvesirs erstes Geschäft war , entgegen dem Wortlaut der auch von den Engländern unterschriebenen Konvention, alle mohamedanischen Frauen , welche im Verdacht standen, mit den Franzosen verkehrt zu haben ,
ins Wasser werfen zu lassen.
70 französischen Frauen fanden beim Konsul Rosetti Schutz . ) Janitscharen prefsten
die Kaufleute ,
indem sie
(Die Die
dieselben zwangen,
sie als „ Wächter" gegen etwaige Plünderungen aufzunehmen und ihnen dafür das halbe Erträgnis der Tageseinnahmen abzuliefern . Es bleibt eine Schande
für die stolzen Briten ,
dafs
sie
sich mit
solchem Gesindel abgaben, es als ihre ཧ Alliirten " betrachteten. Am 15. Juli räumten die Franzosen auch Dschisé und begannen ihren Marsch nach Rosette , eskortiert vom General Moore *) und dem Kapudan .
Seltsames Schauspiel !
mit Waffen und Gepäck , eskortiert von Corps Briten und Türken !
Eine französische Armee einem halb so schwachen
Am 31. Juli begann hierauf beim 99 Viereckigen Hause" die Ein*) Zu Moore's Division wurde das 30. Regiment gesellt , während Stewart dafür das Detachement des 86. bekam , welches , wie schon erwähnt , unter Oberst Lloyd in Sues gelandet war, von wo es am 7. Juni abmarschierte und am 10. beim Grofsvesir eintraf, nachdem es durch die Hitze furchtbar gelitten und ein Dutzend Leute verloren hatte. 10 *
146
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .
schiffung der Franzosen , welche bis zum 9. August währte. Oktober landete die Armee in Frankreich .
Im
Weiteres Mifsgeschick der Franzosen . Wie es kurz vor der Invasion, nach der von Murad Bey erhaltenen Nachricht, Menou's
einzige Sorge war nicht etwa Verteidigungsmafsregeln zu treffen, sondern --- die Artilleriepferde beschnei-
den zu lassen ,
so hielt er es jetzt
für seine wichtigste Pflicht als
Obergeneral , die Backöfen und Fleischbänke in Alexandria täglich zu visitieren und alles Andere - dem Fatum zu überlassen. Er war ja Muselmann geworden ! Er hatte in Alexandria noch 11 900 Mann , ohne 680 Civilpersonen, von denen nötigenfalls 3-400 bewaffnet werden konnten. Von ersteren waren jedoch 2500 Verwundete und 1500 Seeleute der im Hafen liegenden Schiffe.
Zu
einem Ausfall konnte man
also nur
etwa 8000 Mann verwenden , immerhin genug , um wenigstens einen Überfall des englischen Lagers zu versuchen, in dem sich nur 8000 Mann befanden , die sich später durch Krankheiten auf 5000 reduzierten . Menou kam ein solcher Gedanke nicht in den Sinn ; Lanusse war tot, Reynier hatte sich ins Privatleben zurückgezogen, von den anderen Generalen war keiner einflussreich und fähig genug, die immer mehr versumpfende Armee aufzurütteln .
zu einer energischen That
In der Stadt machte sich bald Mangel fühlbar, denn Menou hatte über die Betrachtungen des äufseren Zustandes der Fleischbänke und Backöfen
an eine Füllung der Magazine
sich daher gezwungen , zuschliefsen ,
nicht gedacht.
mit den Aulad - Ali
Man sah
einen Kontrakt ab-
laut welchem diese sich gegen ungemein hohe Preise
zur Approvisionirung Alexandrias verpflichteten . Ausserdem bequemte sich endlich Menou zur Aussendung eines Fouragier- und Requirierdetachements. Der Dromedarier- Oberst Cavalier mit 125 Dromedariern, 280 Infanteristen und Artilleristen , 150 Dragonern, 1 Vierpfünder und 550 Kamelen brach am 14. Mai auf, holen .
um Proviant zu
Am 16. langte er bei El Osch am Nil an, fand aber dieses
Dorf verlassen .
Er rückte also weiter ,
in Amram Lebensmittel auftreiben ,
konnte jedoch ebensowenig
da auch hier die Einwohner
geflohen. In der Meinung, die Engländer ständen noch in Ramanjé , fafste er den Entschlufs, nach Kairo zu marschieren und aus den dortigen Magazinen seine Dromedare zu beladen .
Am 17. stiefs er
jedoch auf eine Nilflottille, welche sich als feindliche entpuppte und ihn mit Schüssen begrüfste .
Cavalier hielt es für ratsam ,
sich
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) . wieder zurückzuziehen.
147
Er war aber bereits vom Kapudan erblickt
worden, welcher sofort Hutchinson davon avisierte.
Doyle liefs das
12. Dragonerregiment und eine Abteilung des 26. , zusammen 250 Reiter , aufsitzen und trabte mit diesen wie mit 2 Kanonen in der angegebenen Richtung zur Verfolgung . Seine Infanterie sollte möglichst schnell folgen . Wilson und Oberst Abercromby sprengten voraus und entdeckten endlich Cavalier , Araberstamm im Kampf befand.
welcher sich mit
Die Überlegenheit
erkennend , griff Wilson zu einer Kriegslist. zu sprechen und forderte ihn gebung auf.
einem
der Franzosen
Er verlangte Cavalier
im Namen Hutchinson's zur Er-
Anfangs zeigte sich jener entrüstet , doch als Wilson
achzelzuckend zu Doyle zurücksprengte , sandte ihm Cavalier einen Offizier nach und bat ihn zurückzukommen ; er wolle erst seine Offiziere um ihre Meinung befragen.
Nachdem dies geschehen ,
den Engländern Übergabe der Pferde und
Kamele
bot er
an , verlangte
jedoch, frei mit den Waffen nach Kairo marschieren zu dürfen . Wilson lehnte dies ab und forderte Ergebung, wogegen die Franzosen sofort mit Waffen und Gepäck
nach Frankreich geschafft werden
sollten .
Cavalier ging endlich, von seinen Leuten gedrängt, darauf ein. Wilson selbst bestätigt ,
dafs die Kapitulation übereilt war , denn die nicht
einmal halb so starken Engländer waren äusserst erschöpft , die Infanterie 3 Meilen zurück und Cavalier stand der Weg durch die Wüste offen.
Es ist in der That unbegreiflich, dafs dieser nicht die
englischen Dragoner mit seiner Übermacht zersprengte und ihre Geschütze nahm , worauf er von der nachfolgenden englischen Infanterie nichts mehr zu fürchten hatte. Menou , welcher diesen Vorfall erst einen Monat später erfuhr, schäumte vor Wut und erliefs einen fulminanten Tagesbefehl, in dem sich das Erhabene mit dem Lächerlichen Cavalier ,
sich
paarte .
Er beschuldigte
an die Engländer verkauft zu haben ,
um mit dem
Sündengeld heimkehren zu können , sagte der Armee , sie dürfe ihm selbst nicht gehorchen, wenn er sich jemals eine ähnliche Pflichtvergessenheit zu Schulden kommen lassen sollte, und versicherte schliefslich mit Pathos , dafs die Ehre alles , das Geld nichts sei. Die Armee begann inzwischen immer lauter zu murren und neuerdings deklamierte man überall von der gebieterischen Notwendigkeit, Menou zu entfernen und Reynier zum Oberkommandanten zu ernennen. Destaing , von seiner Wunde wieder genesen , hinterbrachte Menou solches und riet zu Vollmacht hierzu .
einer Gewaltmafsregel .
Menou gab ihm
In der Nacht vom 13. zum 14. Mai marschierte Destaing mit
148
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ).
1 Batterie , 1 Schwadron , 1 Geschütz und 1 Sappeur -Abteilung vor das Haus Reynier's ,
besetzte alle Zugänge und schickte den Ad-
jutanten Menou's , Major Novel , mit einer Abteilung Soldaten hinauf.
Die Thüren wurden erbrochen, Reynier aus dem Bette gerissen
und aufgefordert, sich anzukleiden und zu folgen ; er solle nach Frankreich geschafft werden .
Reynier , nicht wenig erstaunt, verlangte an
Menou zu schreiben , was Novel gestattete. Reynier beklagte sich in dem Briefe an Menou über dessen Niedrigkeit, kündigte ihm an, dafs er bei Bonaparte Gerechtigkeit suchen und Einsetzung
eines
Kriegs-
gerichtes fordern werde und gab ihm schliefslich noch einige gutgemeinte militärische Ratschläge . Brigg 29 Lodi
schaffen ,
Dann liefs er sich willig auf die
auf welcher er den gleichfalls verhafteten
Generaladjutant Boyer fand.
Am 28. Juni landeten beide in Nizza .
Gleichzeitig waren aber auch der General Damas und der Oberkommissär D'Aure verhaftet und auf den Aviso 99 Good Union " gebracht worden, welcher jedoch den Engländern in die Hände fiel. *) Aber nicht nur die Armee ,
auch
die Gelehrten hatten Anlaſs ,
sich über Menou's Gewaltthätigkeit zu beklagen. Schon nach der Schlacht bei Ramlé hatte er fünf oder sechs in Alexandria befindliche Gelehrte verhaften und
nach Kairo
transportieren lassen ,
um
sie zur Beendigung der ihnen befohlenen wissenschaftlichen Arbeiten zu zwingen.
Dort herrschte aber die Pest , welche in einem Monat
500 Franzosen und 18 000 Eingeborene wegraffte . Infolgedessen beschlossen die Gelehrten, nach Alexandria zurückzukehren . Nachdem sie in Ramanjé erst unter dem Vorwand zurückgehalten worden, Menou wolle nicht durch sie die unnützen Esser vermehren , und nachdem man sie auszuplündern versucht , eskortierte sie Cavalier nach Alexandria , wo sie jedoch Menou nicht einlassen wollte . nachdem sie die ganze Nacht im Freien zugebracht ,
Erst
steckte er sie
*) Reynier fand nicht die gehoffte Gerechtigkeit. Am 6. Juli befahl Bonaparte ihn und Boyer über die Vorgänge zu interpellieren', da er jedoch in den gegen Menou geschleuderten Vorwürfen sich selbst betroffen fühlte, da nur er es war, der diesem Schwachkopfe solch eine Gewalt anvertraut, schwieg er still und verweigerte das verlangte Kriegsgericht. Infolgedessen holte sich Reynier selbst Genugthuung. Nach der Rückkehr Menou's und Destaing's forderte er beide zum Duell . Destaing stellte sich und wurde am 5. Mai 1802 erschossen. Menou verging darob jede Lust zu einem Duell, er steckte sich hinter Bonaparte und dieser war schwach genug, Menou ein glänzendes Ehrenzeugnis auszustellen und Reynier ― 30 Meilen von Paris (nach Nevers) zu verbannen, unter gleichzeitig ausgesprochenen heftigen Tadel. Erst 1805 kam er wieder aus der Ungnade heraus, konnte es aber trotz seiner hervorragenden Leistungen niemals zum Marschallstab bringen , den er eher verdient, als so manche feile Kreatur (Grouchy, Lefebvre).
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801). 5 Tage lang
in Quarantaine
149
und kündigte ihnen dann seinen Ent-
schlufs an , sie nach Frankreich zu schicken . Am 5. Juni wurden ihrer 48 an Bord der Brigg „ Oiseau " geschafft , aber erst am 15. Juli stach man in See. Das Schiff wurde bald von der Korvette "" Cinthia" angehalten und von Lord Keith zur Rückkehr nach Alexandria veranlafst , wo Menou aber von neuem in schärfster Weise dafür sorgte, dafs die Brigg wieder in See ging . Sie wurde der englischen Brigg „ Kanguroo " angehalten und nach Abukir gebracht , wo Lord Keith über Menou's Gebahren sehr nun von
entrüstet war. Er schrieb diesem, dafs er den „ Oiseau " verbrennen und die Gelehrten an den Strand setzen werde , falls Menou sich weigern sollte, die Brigg einzulassen. Menou gab hierauf seine Erlaubnis, doch trauten ihm die Gelehrten nicht, und es kam auf allen dabei beteiligten Schiffen zu aufregenden Scenen, deren Details zu schildern der Raum
zu eng . Endlich kehrte die „ Oiseau “ am 26. Juli mit den Gelehrten nach Alexandria zurück , nachdem letztere beständig zwischen Leben und Tod geschwebt. Um seiner Kleinlichkeit die Krone aufzusetzen, steckte sie Menou bis zum 1. August in die Quarantaine und dann in die neuerrichtete Nationalgarde. ―― Die 2500 Mann 5 Kanonen , welche Jussuf Pascha am 6. Mai unter Ibrahim Pascha el Halebi gegen Damiette abgeschickt hatte , langten daselbst am 14. Mai an und forderten die 480 Mann starke Besatzung zur Übergabe auf.
Diese lehnten ab und zogen sich
in das Fort Lesbé zurück, wo sie aber auch von einer Division englischer Kanonenboote angegriffen wurden .
Infolgedessen vernagelten
sie in der Nacht die Kanonen , liefsen das Gepäck zurück und marschierten nach Burlos , wo sie sich mit der 150 Mann starken Besatzung dieses Forts vereinigten . Gemeinsam schiffte man sich dann. auf 4 Kanonenbooten und einem Aviso ein und suchte zu entkommen. Am
19.
wurden
sie jedoch von der „ Cinthia " aufgebracht und
nach Malta geführt. In Damiette und Lesbé fanden die Türken 54 , in Burlos 5 Geschütze vor.
Die Belagerung von Alexandria. In Alexandria stieg der Mangel an Lebensmitteln seit Mitte Mai immer höher. Fleisch wurde bald gar nicht mehr ausgeteilt, sondern nur Brot und Reis.
Später begann auch das Brot zu fehlen .
In den Spitälern wütete der Skorbut.
Auf Gante aume's Erschei-
nen setzte man die letzte Hoffnung. Am 9. Juni lief die Korvette „ Heliopolis “ mit 100 Rekruten ein, aber Gante aume blieb ferne .
Menou , der täglich am Meeres-
150
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .
strand spazieren ging, um nach der französischen Flotte auszuspähen, die er in jedem Segel zu erkennen glaubte, sah sich fast die Augen wund ; Ganteaume kam nicht. Die Anordnung militärischer Vorkehrungen überliefs er seinen Offizieren .
Die von Lanusse zuerst
tracierte Schanzenlinie , welche die Landenge , auf der Alexandria liegt , gegen Osten absperren sollte , wurde vollendet, nachdem 600 Arbeiter 4 Monate daran gearbeitet.
Zwischen ihr und der äusseren
Enceinte wurde jede Kuppe mit Schanzen An Geschützen fehlte sitionsgeschütze
es nicht ,
denn
und Batterieen
gekrönt.
man besafs 455 (406 ?) Po-
ohne die 50 Feldkanonen .
Gegen die
englischen
Schaluppen auf dem Mareotis-See krönte man zwischen diesem und der Enceinte ebenfalls mehrere Kuppen mit Schanzen . In gleicher Weise verfuhr man auf der nur 500-2000 Schritte breiten Landzunge im Süden gegen den Marabut durch einen Graben eingefasst , können .
zu.
Der neue Hafen wurde
um einem Handstreich begegnen zu
Menou hielt sich somit für unüberwindlich und kündigte Bonaparte prahlerisch eine Verteidigung an , welche jene denkwürdige Genuas durch Masséna weit in Schatten stellen werde . Einstweilen ernannte er den Major St. Genies zum Kommandanten des auf 100 Mann geschmolzenen Dromedarierregiments und sandte ihn am 2. Juli ab ;
die Abteilung
fiel aber bei Kairo , wie bereits er-
wähnt, gleich ihren Vorgängern den Engländern in die Hände . Am 5. Juli teilten die englischen Vorposten den französischen die Nachricht von der Kapitulation Kairos mit , und diese verbreitete sich mit Blitzesschnelle in der Stadt.
Menou drohte jeden ,
der
davon sprechen würde, erschiefsen zu lassen, denn nach seinen „ beinahe offiziellen " Nachrichten sei die Sache eine englische Kriegslist. Als ihm aber am 7. die offizielle Bestätigung zukam , geriet
er in
furchtbare Wut und liefs sich im Tagesbefehl über Belliard in wenig schmeichelhafter Weise aus . gleich ihm gesonnen seien , teidigen ,
nach Rosette
Armee zu vereinigen. Frankreich ,
Gleichzeitig erlaubte er allen, die nicht sich bis
zum letzten Atemzug zu ver-
zu marschieren
Am 14. schickte
und
sich mit
Belliard's
er dann einen Aviso nach
um Belliard und alle Generale anzuklagen , dafs sie
durch ihre Feigheit seine „ besten " Mafsregeln durchkreuzten .
Die Engländer hatten indessen Verstärkungen an sich gezogen. Anfangs Juli waren das 2. Bataillon des 20. Regiments, das 24., 25. und 26. Regiment und
22. leichte Dragonerregiment eingetroffen, ein irisches Bataillon „ Ancient Irish Fencibles " (ehemalige irische Milizen) und Rekruten zur Ausfüllung der Lücken in mehreren ebenso
151
Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801). Regimentern.
Am
1.
August folgten dann noch die
Regimenter
" Watteville" (schweizer Söldlinge) und „ Chasseurs Britanniques " (aus den Resten des Condé - Corps gebildet) (Schützencorps) und britische Artillerie . neue Ordre de bataille nötig , Bath - Ordens
und
welche
Generallieutenant
nebst dem „ Rifle - Corps " Infolgedessen wurde eine
der
seither zum Ritter des
ernannte
Hutchinson
am
9. August erliefs : *)
*) Ordre de bataille der englischen Truppen am 9. August 1801 . Infanterie :
Carey). Coldstream Guards 3. Garde- Regiment
•
• 552 Bajon. . 590
1. Brig. Gen. - Maj. Ludlow (Brig. - Maj. Ramsay) . . 25. Regt. · 27. Regt. ( 1 Bat.) • 27. Regt. (2. Bat.) 44. Regt.
526
538 465 334
" " " 29
2. Brig. Gen. -Maj . Finch (Brig.- Maj . Popham ). 1. Regt. (2. Bat.) 26. Regt. • 54. Regt. (1. Bat. ) 54 Regt. (2. Bat.)
·
352 438 . 381 . 384
" " 29
3. Brig. : Brig. - Gen. Stuart (Brig.- Maj. Misset ) . Regt. Regt. Regt. Regt.
Stuart (Minorca) . 600 383 De Rolle 393 Dillon 572 Watteville
4. Brig. Brig.- Gen . Hope (Brig.-Maj. Napier). 8. Regt. 18. Regt. 79. Regt. 90. Regt.
285 293 434 437
" "3 " "
" "" " "
5. Brig.: Brig. - Gen. Doyle (Brig.-Maj. Doyle ) . 30. Regt. 50 Regt. 89. Regt. 92. Regt.
269 Bajon. 337 n 311 " 414 "9
6. Brig. Brig. - Gen . Blake (Brig.-Maj. Chatterton ). 20. Regt. ( 1. Bat.) 20. Regt. ( 2. Bat.) 24. Regt. A. Irish Fencibles
. •
604 484 . 438 420
Reserve- Brig. Gen. - Maj. Moore und Brig. - Gen. Oakes (Brig.-Maj . Groves). 327 2. Regt. . 343 23. Regt. 338 28. Regt. 490 42. Regt. 238 58. Regt . .
Maj. Garde - Brig.: Gen. Earl of Cavan (Brig.-Maj .
29 " "9 "
29 " 29 "
40. Regt. (4 Flanken146 Compagnieen) • . 397 Rifle-Corps . "9 Chasseurs Britanniques . 595 Corsican Rangers . 60 " 82 Stabs -Corps . 13. Reg. in Rosette deta450 " chiert . Zusammen 14 880 Bajon. Dazu an Offiz., Unteroffiz. u. Trommlern 2300 Mann. Im ganzen Infanterie 17 100 Mann.
Die Kavallerie bestand aus dem 11., 12. , 22. und 26. Dragonerregiment (gröfstenteils in Rosette liegend) und dem „ Hompesch "-Husarenregiment , zusammen etwa 1300 Mann stark. Die Artillerie (Brigadegeneral Lawson ) zählte ungefähr 730 Mann,
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .
152
Auf englischer Seite war bis August nichts geschehen.
Bemerkenswertes
Coote war stets auf der Hut und inspizierte täglich die
Verteidigungslinie ,
denn bei der Schwäche seiner Truppen , welche
von 8500 auf 5000 geschmolzen waren ,
mufste er froh sein , wenn
es ihm gelang, sich gegen einen Angriff Menou's zu halten . Am 20. Juni war durch Zufall die Fregatte „ Iphigenie “ verbrannt.
Am selben Tage soll (nach Wilson) Menou den Damm des
Nilkanals zwischen seiner Verteidigungslinie und dem Grünen Hügel durchstochen
haben ,
um durch Überschwemmung des Glacis
einen breiten holländischen Wassergraben vor schaffen.
der Festungsfront
sich zu
Wilson erzählt auch, dafs Coote in der Nacht des 23. die
Errichtung eines Gegendammes begann, der nach einmonatlicher Arbeit glücklich beendet wurde, obwohl nur nächtlicherweile gearbeitet werden konnte und die Franzosen einen zweiten Durchstich bewerkstelligt hatten.
Menou ,
obwohl
er die Arbeiten hören und sehen
mufste, that die ganze Zeit über nichts, diese zu hindern . war 150 Yards
lang ,
6 breit ,
18 Fufs
Duncan mit dem Ingenieurcorps war sein Erbauer. mein Erstaunen kund geben ,
Der Damm
tief und 8 hoch.
Oberst
Ich kann nur
dafs keine meiner sonstigen Quellen
dieser Angelegenheit Erwähnung macht. Am 9. August trafen Doyle , am 11. Hope , am 13. Moore mit ihren Truppen bei Coote ein. Am selben Tage liefen 26 englische und türkische Kanonenboote in den Mareotis - See ein und wollten die französische Flotte
angreifen.
Diese
zog
sich aber an
das Ufer zurück . Oberstlieutenant Anstruther und Kapitän Brice rekognoszierten hierauf die Küste bis
zum Marabut .
Hutchinson
wollte anfangs noch in der Nacht des 15. einen Angriff unternehmen , da aber die eingetroffenen Boote keinen dreitägigen Proviant mitgenommen , mufste er bis 17. verschoben werden. Am Abend des 16. schiffte sich Coote mit seiner Division ein .
Es waren die Bri-
gaden Cavan, Ludlow und Finch (ohne das 1. Regiment) nebst 100 Dragonern des 26. ,
zusammen 5000 Mann .
(Wilson giebt 4000
an, da auch er, obwohl sonst sehr verlässlich, die Effektivstärke der die maltesischen „Pioneers “ 250, mit dem Ingenieurcorps belief sich also die Stärke der vor Alexandria liegenden britischen Armee auf etwa 19 400 Mann mit 36 Feldgeschützen. Veranschlagt man die seit der ersten Landung eingetroffenen Verstärkungen (das Seebataillon war am 6. August wieder eingeschifft worden) auf etwa 7000 Mann, so ergiebt sich ein Abgang von 6600 Mann. Die Zahl der Toten, Gefangenen , Desertierten und an ihren Wunden Gestorbenen beläuft sich auf etwa 1600 Mann. Nicht weniger als 5000 Mann müssen demnach als infolge von Krankheiten abwesend betrachtet werden. 200 davon starben an der Pest, 400 an sonstigen Krankheiten, 360 erblindeten , der Rest genas oder blieb zeitlebens invalid.
153
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . englischen Truppen immer zu gering veranschlagt . )
Während
die
Flottille über den Mareotis - See segelte, unternahm Craddock mit seiner Division einen Scheinangriff gegen
die Ostfront von Alexan-
dria, um Menou's Aufmerksamkeit abzulenken. General Doyle , der halb krank von Rosette herbeigeeilt war , sollte einen Angriff gegen den Grünen Hügel, Moore einen anderen gegen den Nole- Hügel ( am Meere vor der französischen Front links) unternehmen . Bei Tagesanbruch ( 17. August) ging das 30. Regiment gegen die linke, das 50. gegen die rechte Schanze des Grünen Hügels vor, das 92. folgte als Reserve nach. Die Werke wurden ohne Mühe genommen, da sich in ihnen nur ein Posten befand , der sich nach wenigen Schüssen zurückzog .
Gleichzeitig fiel auch der Nole- Hügel
den „ Löwenstein'schen Jägern " (wahrscheinlich mit dem „ Rifle-Corps " identisch) ohne Kampf in die Hände .
Die Franzosen begannen hier-
auf aus ihrer Hauptlinie eine dreistündige Kanonade , welche Moore zum Aufgeben des Nole-Hügels zwang , der von den Franzosen sofort wieder besetzt wurde. Um 7 Uhr morgens brachen plötzlich 600 Franzosen hervor und griffen den grünen Hügel an. 7 Compagnieen des 30. Regiments , zusammen 215 Mann stark , lagen daselbst versteckt und fielen die beinahe schon auf dem Gipfel angekommenen Franzosen mit gefälltem Bajonett an. Ein heftiges Handgemenge entspann sich, Doyle eilte mit dem 50. und 92. herbei und die Franzosen wurden mit Verlust von 100 Mann und 10 Gefangenen (?) zurückgetrieben, während das 30. blos 28 Mann einbüfste . Nach dieser Affaire verlief der Rest des Tages in einer Kanonade. Engländer führt für
diesen Tag
Die
offizielle Verlustliste der
54 Mann ,
nämlich 2 verwundete
Offiziere, 3 verwundete und 1 gefallener Unteroffizier, 9 tote und 39 verwundete Gemeine . Coote war unterdessen glücklich auf der Westseite von Alexandria gelandet, wohin Menou
nur 500 Mann gesendet hatte.
Diese
reichten hin, Coote von seiner ursprünglichen Absicht, zwischen Marabut und Alexandria zu landen, abzubringen , genügten aber nicht, jede Landung zu hindern . Denn Coote wusste sie bei den Bädern und Katakomben festzuhalten , und weiter segelte .
indem er Finch davor Halt machen liefs
Die 500 Franzosen
Finch in ihrem Rücken landen würde, des alten Kanals hinaus wagten , gekommen
wären .
mufsten befürchten, dafs
falls sie sich über die Reste
wodurch sie zwischen zwei Feuer
Sie liefsen es daher geschehen, dafs Coote um
10 Uhr vormittags ruhig jenseits des Marabut landete.
Er besetzte
die Höhen um die Bucht und führte gegen das auf der Insel Mara-
154
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) .
but liegende Fort zwei Batterieen auf; davon eine mit 3 24-Pfändern. Abends liefs Menou die französische Flottille in Brand stecken, indem er sich einbildete, dadurch „Brander" zu erzeugen, welche die englische Flottille in Brand stecken würden. Am 18. kletterte die Flankeurcompagnie des 54. Regiments auf den Felsen herum und schoss im Fort Marabut alles nieder, was sich über den Mauern sehen liefs .
Die beiden Batterieen, unterstützt von
mehreren Fregatten und türkischen Korvetten, begannen dann mit 6 24-Pfündern ihr Feuer. Von 3 dort befindlichen französischen Kanonenbooten wurden 2 versenkt, eins entkam.
Am 20. mittags stürzte
der Turm ein. In Folge dessen ergab sich der Kommandant Major Etienne abends mit 168 Mann und 10 Kanonen . Obwohl die Franzosen die mittlerweile von den Engländern in den Fahrkanälen des alten Hafens gelegten Seezeichen entfernt hatten, segelte Kapitän Cochrane dennoch mit 2 Briggs und 5 türkischen Korvetten durch und zwang dadurch die „ Heliopolis ", wollen, zum Rückzug .
welche dem Marabut hatte Hilfe bringen
Diese 7 Fahrzeuge blieben unbehelligt.
erscheint geradezu unbegreiflich, wenn man sich erinnert, Linienschiffe
Dies
dafs zwei
und ungefähr 7 Fregatten nebst einem Dutzend Kor-
vetten, Briggs und Kanonenbooten den Franzosen im alten Hafen zur Verfügung standen. Am Morgen des 22. unternahm Coote einen ernstlichen Angriff auf Alexandria. Auf der schmalen Landzunge des alten Hafens und dem Mareotissee rückte er um 6 Uhr in drei Kolonnen vor. Das Centrum marschierte auf den Sandhügeln , der linke Flügel (Brigade Cavan) am Strande des Hafens, der rechte an jenem des Sees . Die Avantgarde unter Oberst Joliffe bestand aus dem 1. Bataillon der 27., 200 Garden , eine Abteilung der Löwenstein-Jäger unter Major Pepongay ,
6 Feldgeschützen unter Major Cookson und des 26.
Dragoner-Regiments, zusammen etwa 1300 Mann. Kapitän Stevenson mit 45 Schaluppen flankierte den rechten, Kapitän Cochrane mit 5 Korvetten, Flügel.
2 Briggs
und einer Anzahl Kanonenboote den linken
Französischerseits
stand Eppler mit 1 Bataillon der 18.,
1 Schwadron Dragoner und 1 Batterie, zusammen 500 Mann , 4 Kanonen hinter dem alten Kanal. Menou schien also diese Streitmacht für genügend zu halten, einem zehnmal stärkeren Feinde zu trotzen. Zwei kleine Batterieen, deren eine mit einem 18 - Pfünder armiert war, decken.
sollten die Flanken gegen einen Angriff der Flottillen
Kaum hatte
sich das Gefecht entsponnen ,
als eine türkische
Korvette durch den Wind gegen die eine dieser Batterieen getrieben
155
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801 ) . wurde .
Sie benutzte
dies,
um eine
volle Lage zu geben, welche
aus nächster Nähe abgefeuert so gut traf, dafs die ganze Besatzung der Batterie kampfunfähig gemacht wurde. Die Engländer drangen hierauf unter Kanonendonner vorwärts , die Franzosen hierdurch zum Weichen zwingend . Stevenson bemächtigte sich jetzt auch der mit einem 18-Pfünder armierten Batterie und die Garden nahmen die Schanze zur Rechten . ländern zur Beute.
Das französische Lager fiel ebenfalls den Eng-
Coote begnügte sich mit diesem Erfolge nicht ; Oberst Duncan mufste mit dem 26. Dragonerregiment die attackieren.
Diese
zogen
sich zurück
französischen Dragoner
und verleiteten
den Feind
hierdurch zum Nachsetzen . Kaum war dies geschehen, als die französische Infanterie unvermutet auftauchte und auf 30 Yards eine volle Salve abgab. Seltsamerweise traf nicht ein Schufs und die Engländer konnten sich verlustlos zurückziehen.
Alexandria
Pharas
For
FortMarabut
Marabut Bucht. Rhede
Feiger al Alter Hafen
este des aller
Forteauroy Bader Katakomber
Neuer Hafers
Ence.uite FortPompejus Canal
Mareotis - See . Coote war bis in den Schufsbereich des Forts Leturcq (Bäderfort) vorgedrungen , machte hier Halt und errichtete Batterieen. Unterdessen suchte Cochrane das Fort vom Norden zu enfilieren, er wurde aber durch das Feuer des Feigenhalbinsel- Forts und des Forts Caffarelli vor der Südwest - Enceinte der Stadt zum Rückzug Abermals ist es mir unbegreiflich, warum nicht die französische Flotte ausgelaufen und die 7 Fahrzeuge Cochrane's vernichtet hat. Bei ihrer Übermacht wäre ein Mifserfolg unmöglich
gezwungen.
gewesen. Dieses Gefecht kostete den Franzosen angeblich 200 Mann und 7 schwere Geschütze. Die Engländer gaben ihren Verlust auf 3 Tote und 40 Verwundete an - ein sonderbares Verhältnis !
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) .
156
Hutchinson, von diesem Erfolg benachrichtigt, beschlofs den Angriff gegen die Westfront Alexandrias
mit aller Macht fortzusetzen ;
daher sandte er in der Nacht den Oberst Spencer mit 1500 Mann Verstärkung.
Weil aber die Fahrzeuge bis abends nicht segelfertig
waren und er fürchtete , Menou möchte in der Nacht mit seiner ganzen Macht gegen Coote
ausfallen, nahm er zu einem Scheinangriff
von Osten seine Zuflucht.
Eine Abteilung Türken
und Engländer
schlich sich vor Tagesanbruch an die französische Verteidigungslinie heran und begann in die Luft
zu
schiefsen.
Die Franzosen,
alar-
miert, schossen aus allen Kanonen , töteten einen Engländer und verwundeten einen andern, wurden aber hierdurch abgehalten, gegen Coote
etwas
stiefsen .
zu
unternehmen,
zu dem
am 25. noch 700 Türken
Am 22. war auch Kapitän Chollet bei dem Marabut ein-
getroffen, nachdem
er 6 Wochen lang mit 100 Mameluken und 50
Arabern in der Wüste umhergestreift und mit den Alexandria verproviantierenden Arabern mehrere Scharmützel bestanden . Menou besorgte eine Landung auf der Feigenhalbinsel oder eine Wegnahme der im alten Hafen liegenden Flotte. Er liefs daher 11 Schiffe versenken und andere auf den Strand ziehen, damit sie als feste Batterien dienten. liche Kämpfe
mit der türkischen Flottille, welche 3000 Kugeln da-
gegen verschofs . die Stellungen
Das Fort Pompejus hatte inzwischen täg-
Am 23. morgens kam Hutchinson zu Coote, um
zu inspizieren .
fast in den Grund gebohrt Brief Menou's, der jedoch
Auf der Rückfahrt wäre sein Boot
worden .
Am
folgenden Tage kam ein
nur unwichtige Dinge enthielt.
Am 25 .
morgens begannen die beiden gegen Leturcq errichteten Batterieen mit 3 24-Pfündern und 5 Mörsern ihr Feuer. Da jedoch die Plattformen der Geschütze einbrachen, nahm es bald ein Ende . Bomben , welche bis zu Coote's verwundeten 2 Mann.
Zelt
flogen ,
Die französischen töteten
einen
und
Abends beschlofs Coote, sich der im Süden des Forts liegenden Höhen durch
einen Handstreich
zu bemächtigen .
Oberstlieutenant
Smith mit dem 1. Bataillon des 20. Regiments und
einer Schwa-
dron des 26. Dragonerregiments unter Lieutenant Kelly , zusammen 750 Mann, schlichen sich mit ungeladenen Gewehren in den Rücken des Bataillons der 18. Halbbrigade und umzingelten diese, während sich das 2. Bataillon des 20. zur Unterstützung
bereit
hielt.
Die
Franzosen wurden mit dem Bajonett angegriffen . Sie gaben eine Salve ab und suchten sich dann ebenfalls mit blanker Waffe zu verteidigen, wurden aber teils niedergemetzelt (30) , teils gefangen (57) . Ein kleiner Teil rettete sich durch Schwimmen, andern gelang es
157
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801) . sich
zum Fort durchzuschlagen.
Die Dragoner hatten unterdessen ,
weiter vordringend, das Bataillon der 21. angegriffen ,
welches zwar
ebenfalls in Verwirrung gekommen war, aber sich sammelte und den Anprall brav aushielt.
Auch aus der Stadt brachen jetzt 1000 Mann
hervor und so wurden die Engländer um 1/211 Uhr zum Stehen gebracht.
Doch blieben sie in
dem Besitze
der
eroberten
Hügel.
Ihren Verlust gaben sie auf 3 verwundete Offiziere und 33 verwundete Mann an. Die von Hutchinson auf dem "" Grünen Hügel" errichteten 4 Batterieen begannen am 26. früh mit 10 24 - Pfändern , 6 12 -Pfändern und 2 Haubitzen , ein heftiges Bombardement gegen die Ostfront.
Ein 24 -Pfünder sprang, aber von der türkischen Flot-
tille unterstützt gelang es der Batterie bis Mittag die Südlinie der Franzosen zum Schweigen zu bringen.
Die Räumung Egyptens. Die Niedergeschlagenheit der französischen Armee stieg schnell höher.
Menou hatte bis auf das Linienschiff „ Causse " die Fre-
gatten " Egyptienne " , „ Justice " , "Leoben " , „ Mantua “ , „ Régénéré e" und 3 genommenen türkischen Korvetten alle Schiffe versenken lassen ; nun gab er Befehl , auch diese zu vernichten. Dies erweckte neuerdings das Murren der Soldaten , welche die schönen Schiffe durch eine Kapitulation dem Lande erhalten wollten . während des
letzten
nächtlichen Angriffes
Zudem hatte er sich
nicht sehen lassen und
war erst am folgenden Morgen in das Fort gekommen . bestürmten Rampon und Songis , Menou zu
Die Soldaten .
einer Übergabe zu
bewegen, da unter einem solchen „ tête carrée " doch auf keinen Erfolg zu rechnen sei. Rampon begab sich auch zu Menou und fragte ihn um seine Absichten . Menou antwortete, er werde sich bis auf den letzten Mann man seit Beginn
verteidigen .
Rampon
meinte
dagegen,
nachdem
der Belagerung 1000 Tote und gegen 700 Gefan-
gene verloren habe , 240 Invaliden seien, 1387 Mann in den Spitälern lägen, Alexandria beinahe auf seine Enceinte beschränkt sei und zu fürchten stände,
bei weiteren Verlusten werde man weniger
günstige Bedingungen erhalten als jetzt ; vollauf Genüge geschehen, jeder
da
ferner der Waffenehre
fernere Widerstand aber
sei, indem man auf Erfolg doch nicht rechnen
zwecklos
könne : halte er es
an der Zeit, mit dem Feinde in Unterhandlungen zu treten. Menou begann sofort nach seiner Weise zu toben, schrie, dafs die ganze Welt ihn verlasse, man möge sich dem Feind überliefern, er für seine Person werde sich allein weiter verteidigen etc. Rampon zuckte die Achseln ,
bat ihn,
sich die Sache zu über-
Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801 ).
158
legen und versammelte alle Generale bei
sich zur Beratung.
Man
einigte sich zur Absendung D'Armagnac's an Menou, um diesem mitzuteilen, dafs die ganze Armee - Destaing, Zajonschek und Delzon's die Ansichten Rampon's teile. Seitens Menou's
ausgenommen
erfolgte natürlich ein neuer Wutausbruch ; er warf D'Armagnac vor, dafs er ihn zum General gemacht, während dieser ihn zum Dank verrate u. S. W. D'Armagnac meinte kühl, es stehe ihm frei, sein Patent zurückzunehmen , wenn er dadurch gehofft, ihn von der Sache der Armee
abzuziehen .
Auf das wurde Menou ruhiger und sagte
endlich : „Es ist gut, ich werde die Unterhandlungen eröffnen. " Es war 4 Uhr nachmittags (27. August) , als er zwei Adjutanten zu
Hutchinson und Coote sandte.
hätten zwar alle
Dispositionen
zu
Beide
erwiderten , sie
einem allgemeinen Angriff ge-
troffen ; aber sie willigten gerne in den verlangten dreitägigen Waffenstillstand, bis die Antwort Lord Keith's angelangt wäre. Am 29. hielt Menou im Hause Friant's Kriegsrat. Generale,
Sämtliche
Sartelon , Le Roy und der Hafenkommandant Kapitän
Richer , zusammen 17 Personen, waren zugegen.
Nach einleitenden
Worten Menou's stellte Delgorgne den traurigen Zustand der Besatzung dar und trat für eine ehrenvolle Kapitulation ein.
Rampon ,
D'Armagnac und Richer pflichteten seinen Ansichten bei. Sartelon erwähnte noch der 1900 Kranken und Verwundeten, sowie der geringen, nur auf 29 Tage reichenden Lebensmittel.
Es wurde ,
nachdem Destaing , Zaj onschek und Delzons gegen jede Kapitulation gesprochen, abgestimmt.
14 Stimmen waren für , die genann-
ten 3 gegen die Kapitulation .
Menou erhob sich darauf und sagte,
bisher habe er auf Entsatz gehofft, nachdem aber Ganteaume verschwunden und der Zustand der Besatzung ein so trauriger sei, stimme er ebenfalls mit der Majorität .
Friant , Rampon , Sanson ,
Songis und Delgorgne wurden zu Kommissären ernannt, welche die Unterhandlungen führen sollten. Bevor die Versammlung auseinander ging, sprach Meno u wieder über die Pflichtvergessenheit einiger Generale,
denen die gegenwärtige Lage zu verdanken sei, insbeson-
dere Belliards , und er versicherte, dafs nach seiner Rückkehr entweder Belliard's oder sein (Menou's) Kopf auf dem Schaffot fallen müsse . Am nächsten Tag wurden dem Kriegsrat die Entwürfe vorgelegt, welche von allen gebilligt wurden ; nur Destaing erging sich in Phrasen über die Unzweckmässigkeit einer Kapitulation . Rampon bemerkte trocken , es sei möglich, dafs sich Destaing fürchte vor den Engländern zu erscheinen, bei den anderen Generalen sei dies
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798–1801 ) . aber nicht der Fall, da sie ein reines Gewissen hätten. auf die unwürdige Behandlung ,
welche
Dies zielte
dem gefangenen englischen
Kapitän Boyle durch Destaing zu teil geworden war. wurde hierauf unterfertigt.
159
Der Entwurf
Man verlangte Waffenstillstand bis zum
17. September, an welchem Tage man Alexandria übergeben werde, falls bis dahin kein Entsatz komme ; ferner die Erlaubnis alle Schiffe und die ganze Artillerie nach Frankreich überführen zu dürfen ; endlich für die Gelehrten das Recht ihre Sammlungen mitzunehmen. Die Abschriften verzögerten jedoch die Übersendung des Entwurfes so lange, dafs Hutchinson dem Adjutant Menou's Abert die verlangte Verlängerung der Waffenruhe auf 36 Stunden abschlug
und
erklärte, um Mitternacht angreifen zu wollen . Diese Nachricht erfüllte in Alexandria alle mit Bestürzung, und Menou bat nochmals um Geduld , man werde bestimmt die Proklamation schicken.
am nächsten Tage
Hutchinson ging endlich auf zwölfstündige Verlängerung der Frist ein.
Am 30. las Menou dem Kriegsrat nochmals die Entwürfe vor,
Destaing begann wieder seine Opposition, wurde jedoch von seinen Kameraden zur Ruhe verwiesen. Oberst Chuillier von der 61. und Adjutant Abert überbrachten dem englischen Obergeneral den Entwurf und nahmen folgende Antwort mit: 1. Die französische Armee soll mit Waffen, Gepäck und 10 Feldkanonen nach Frankreich geschafft werden . 2. Der Platz wird nach 10 Tagen übergeben und die französischen Truppen in weiteren 10 Tagen eingeschifft werden.
Die Ab-
reise wird stattfinden , sobald die Flotte segelfertig sein wird. 3. Die Gelehrtenkommission mufs
alle öffentlichen Denkmäler,
arabischen Manuskripte, Karten , Zeichnungen , Memoires und Sammlungen den englischen Generalen überlassen. 4. Die Details der Vollziehung werden dieselben sein , der Konvention von Kairo.
wie bei
Sollten diese Bedingungen nicht bis 10 Uhr abends angenommen werden, würden die Feindseligkeiten wieder beginnen . Um 5 Uhr nachmittags erhielt Menou diese Antwort und teilte sie
dem eiligst versammelten Kriegsrate mit.
Obwohl
durch den
schroffen Ton beleidigt, glaubte man nichts Besseres thun zu können, als die Bedingungen anzunehmen . Die Gelehrten , als sie vom Art . 3 vernahmen , gerieten in Entrüstung und protestierten dagegen , da Menou kein Recht habe, über ihr Eigentum zu verfügen eine Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
11
4
Die französische Expedition nach Egypten (1798-1801 ) .
160
ganz richtige Bemerkung.
Menou machte deshalb Hutchinson Vor-
stellungen, doch blieb seine Verwendung umsonst, denn ein gewisser Hamilton , Hutchinson's Freund , wartete nur darauf, sich der Früchte fremder Arbeit zu bemächtigen.*) Natürlich wollten sich die Gelehrten der englischen Unverschämtheit nicht fügen ,
sie schickten Savigny ,
Delîle und Geoffroy
an Hutchinson ,
dem sie kurz und bündig erklärten ,
Art. 3 bestehe ,
würden sie die Früchte ihrer vierjährigen Arbeiten
in das Meer werfen ,
wenn
er
wodurch sie für Europa verloren gingen ,
auf
das
dann über seinen Barbarismus das entsprechende Urteil fällen würde. Unter solchen Umständen sah sich endlich der edle Lord zum Nachgeben gezwungen .
Nur Hamilton machte noch einen Versuch ,
sich die Sammlungen anzueignen ,
indem er die Gelehrten zu über-
reden suchte, sie mögen ihre Arbeiten der englischen Regierung verkaufen, welche gut zahlen würde . Am 2. September mittags besetzten die Engländer das Territorium
aufserhalb der Enceinte .
Die
ganze
Besatzung betrug
noch
10 528 Mann, nämlich 5965 Infanterie und Kavallerie, 759 Artillerie, 278 Guiden, Syrier und Dromedarier, 290 Marineartilleristen, 1230 Matrosen , 261 Sappeurs u . s . w. , 118 Griechen , 240 Invaliden , 1387 Kranke.
Dazu kommen noch 685 Civilpersonen.
Die Zahl der Ge-
schütze belief sich auf 312 in den Landbatterieen, 77 auf den Schiffen. Alle anderen waren vorher vernichtet worden Man hatte noch 300 Pferde , 800 Dromedare , 1952 Centner Pulver und 14 102 geladene Patronen.
30.
Am 14. wurde die erste Abteilung in Abukir eingeschifft, am Nur Menou verliefsen die letzten Franzosen das Land . **)
zögerte
noch mit
seiner Abreise.
Am 14. Oktober wurde
er von
* ) So haben es die Engländer häufig gemacht. Was in Athen verstümmelt oder gestohlen ist, fällt den biederen Briten zur Last, deren Gesandter, Lord Elgin , selbst darin mit gutem Beispiel voranging. Besonders im Orient sind die Briten so sehr als Antiquitätendiebe berüchtigt , daſs überall auf sie ein strenges Auge gerichtet wird. Auf der Athener Akropolis sah ich selbst , wie sich die Engländer die Demütigung gefallen lassen mufsten , vom Invaliden auf Schritt und Tritt begleitet zu werden, während ich und andere allein umherstreifen durften. **) Nach dem Abzuge der Franzosen begannen die Türken ihre alte Wirtschaft. Osman Bey Tamburgi und seine Freunde wurden zum Besuche des englischen Contreadmirals Bickerton eingeladen, und als sie so thōricht waren, darauf einzugehen , ihre Barke von einem türkischen Kanonenboote in den Grund gebohrt. Osman und 3 andere Beys blieben, 3 Beys wurden schwer verwundet und gefangen. Osman Bey Bardisi entkam .
161
Die französische Expedition nach Egypten ( 1798-1801) . der Pest befallen ,
aber trotzdem reiste er am 18. auf der Fregatte
„Dido " ab und wurde durch Larrey während der Fahrt kuriert. Bonaparte ratifizierte die Konvention Menou's ,
doch erklärte
er am 9. Dezember , Menou habe kein Recht gehabt, die Rückgabe der Transportschiffe zuzugestehen, diese wurden daher zurückbehalten . Aus den nach Frankreich gegangenen 870 Eingeborenen wurden am 7. Januar 1802
1 Schwadron
Mameluken ( 150 Mann) und
1 Ba-
taillon Egypter zu 9 Compagnieen (720 Mann) gebildet . Die Beute
der Engländer und Türken bestand in 1553 Ge-
schützen, von denen allerdings viele
unbrauchbar waren ;
6 Kriegs-
schiffen (die Engländer erhielten die Fregatten „ Régénérée " (52) , „ Egyptienne " (50 ) und „ Mantoue “ ( 32 ) , fahrzeugen ; gatten
die Türken
nebst 100 Transport-
das Linienschiff „ Causse " (64) ,
Justice " (44 ) und „ Leoben “ (32) ,
die Fre-
nebst 100 Transport-
fahrzeugen und 3 ihnen von den Franzosen genommenen Korvetten. Man kann annehmen ,
dafs die Franzosen in Egypten nach und
nach 44 000 Europäer (Franzosen, Malteser und Italiener) , einschliefslich der zu Lande verwendeten Seelegion und 7000 Eingeborenen (ohne die als Polizei dienenden sogenannten Janitscharencompagnieen , von denen allein 7 in Kairo standen) , also im ganzen 51 000 Mann im Feld verwendeten. An Deserteuren verlor die Armee 700 Franzosen und 2500 Eingeborene.
Im Jahre 1801 kehrten infolge
der verschiedenen Kapitulationen 25 930 Mann (davon 2900 Kranke und Verwundete) zurück. Schlägt man die Zahl der in den vorhergehenden Jahren den Engländern in die Hände gefallenen Gefangenen und der als invalid heimgesandten Veteranen auf 2000 Mann an , so ergiebt sich, dafs die Franzosen in den 40 Monaten ihrer egyptischen Campagne nicht weniger als 20 000 Tote eingebüfst haben (darunter 5000 Eingeborene) , eingeschlossen.
die Opfer der Pest und sonstiger Krankheiten
Natürlich beliefen
sich die Verluste
ihrer Gegner,
besonders der Türken , auf das Vier- bis Fünffache. Die Engländer verloren, einschliefslich des syrischen Feldzuges und der Gefangenen , sowie der an Krankheiten ungefähr 8000 Mann .
zu grunde Gegangenen nach und nach
Die Verluste zur See (Abukir) und die um-
gekommenen Einwohner Egyptens und Syriens eingeschlossen , hatte somit die französische
Expedition beiläufig 140 000 Menschen das
Leben gekostet, ohne einen anderen Nutzen zu bringen , als wissenschaftliche Forschungen, die auch mit weniger Opfern erreicht werden. konnten , zu ermöglichen und die Geschichte durch einen allerdings ganz originellen und höchst interessanten Feldzug bereichert zu haben . 11 *
162
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager, Vom unparteiischen Standpunkt der Civilisation
aus beurteilt,
mufs man das Mifslingen der französischen Expedition allerdings lebhaft bedauern, denn jedes Land , das unter dem Banne des Halbmondes steht, ist für die Civilisation verloren !
XIII .
Gustav Adolph in seinem Verhältnis
zu seinem
Schwager, dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg .
Von Ohlendorf, Major a. D.
Es hat lange Zeit das Vorurteil geherrscht, der 30jährige Krieg, welcher unserem Vaterlande schlagen , Katholiken
so tiefe und schmerzliche Wunden ge-
sei nichts anderes als ein Kampf gewesen , in welchem und Protestanten ihres höchsten Gutes , ihres Glaubens
wegen mit dem Schwerte in der Hand sich in tiefster Erbitterung gegenübergestanden und dasselbe nicht eher niedergelegt hätten , als bis nach langem und blutigem Ringen Freiheit in ihren religiösen Handlungen und Bewegungen erkämpft worden . Eine gewisse Geschichtschreibung gab sich bis vor wenigen Jahrzehnten alle Mühe , diese Ansicht durch tendenziöse Darstellungen zu begründen. Wir bedauern, unter den Männern dieser Richtung in erster Linie unseren grofsen Dichter Schiller nennen zu müssen , der in seiner Geschichte des 30jährigen Krieges mehr als ein mal den Historiker vergafs und der Phantasie des Poeten freien Lauf liefs . Freilich kann uns dies Verfahren nicht in Erstaunen setzen , Schiller unter Geschichte verstand .
wenn wir wissen ,
was
„ Die Geschichte, " sagt der grofse
Dichter , aber wenig zuverlässige Historiker, in einem Briefe
vom
10. Dezember 1788 , „ ist nur ein Magazin für meine Phantasie , und die Gegenstände müssen sich gefallen lassen , was sie unter meinen Händen werden ; ich werde
stets
eine
schlechte Quelle für
einen
künftigen Geschichtsforscher sein , der das Unglück hat, sich an mich zu wenden ! " Allerdings hatten recht viele das Unglück , sich an ihn zu wenden . Was der Dichter, ohne näher und eingehender zu
dem Kurfüsiten Georg Wilhelm von Brandenburg.
163
prüfen und kritisch zu sichten, aus Quellen entnommen , die heutzutage vor dem Richterstuhle der Geschichte als trübe und verfälscht angesehen werden, wurde ohne weitere Prüfung, einzig und allein auf Schiller's Autorität hin , als wahre und wirkliche Geschichte weiter gegeben, teilweise sogar noch geflissentlich mit einem hellstrahlenden Glorienscheine umgeben. Wie der Krieg selbst, so wurde auch der gefeiertste Held desselben , Gustav Adolph, von einseitig konfessionellem Standpunkte aus beurteilt. „ Man hat sich daran gewöhnt, " sagt Professor Droysen in der Vorrede zu seinem „ Gustav Adolph " , des Schwedenkönigs welthistorische Bedeutung darin zu sehen , dafs vom Rande des Unterganges rettete . Zwei geschäftig
er das Evangelium Jahrhunderte sind
gewesen ,
machen und
diese Anschauung zu der herrschenden zu so sein Andenken gleichsam zu verklären . Die Ehr-
erbietung vor seinen Tugenden hat sich mit der Bewunderung für seine Pläne und seine Thaten vermischt. Weil er die evangelische Lehre geschützt , gerettet hat , will man , dafs er ausgezogen sei, um sie zu schützen und zu retten. Als der Heros des Protestantismus lebt er in der Erinnerung der evangelischen Welt, als der fromme Held im Dienste des Glaubens . Wie man den Apostel Paulus abgebildet sieht mit der offenen Bibel in der Linken und dem nackten Schwert in der Rechten, so steht der Nordländer vor dem Blick der bewundernden Nachwelt. " selbe berühmte Professor ,
dem
Und weiter sagt der-
es vergönnt war, zu seinem Werke
über den Schwedenkönig bisher noch ungedruckte und gröfstenteils unbekannte Archivalien in München und Dresden zu benutzen : „nicht dafs für die Entwickelung der reinen
Lehre Gustav Adolphs Ein-
greifen in die deutschen Angelegenheiten
entscheidend gewesen
ist,
bestreite ich ; aber ich bestreite , dafs er zu nutz und frommen des kirchlichen Lebens und der Glaubensfreiheit in sie hat eingreifen wollen. Ich behaupte, daſs ihn Gründe durchaus politischer Natur zur Verwendung auch dieses Mittels bewogen, gezwungen haben. " Wäre nun aber Gustav Adolph
als Heros des Protestantismus
einzig und allein zu Verteidigung und Rettung des evangelischen Glaubens nach Deutschland gekommen , ohne politische Absichten und Hintergedanken ,
dann
müfste unerbittlich der Schlufs gezogen
werden, dafs alle die evangelischen Fürsten, Städte und Kommunen , die sich bei dem Erscheinen des Schwedenkönigs auf deutschem Boden nicht sofort ihm anschlossen, sondern fest zu Kaiser und Reich hielten , als Abtrünnige von der evangelischen Sache zu behandeln sind ; dann müfste das Verhalten der beiden bedeutendsten Fürsten im deutschen Reiche , des Kurfürsten Georg von Sachsen und Georg
164
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
Wilhelm von Brandenburg, in dem Mafse getadelt und verurteilt werden, wie dasjenige des Schwedenkönigs gelobt und gerühmt zu werden verdient .
Und in der That, man ist so weit gegangen und hat
deutsche Fürsten, die in richtiger Erkenntnis der Verhältnisse ihren Verpflichtungen gegen Kaiser und Reich treu zu bleiben gewillt waren , man hat namentlich den Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg einer unlauteren Gesinnung, eines schnöden Egoismus, ja der Gleichgültigkeit für die evangelische Sache einzig und allein in der Absicht ,
anzuklagen versucht , natürlich
um den Schwager desselben ,
den
schwedischen König Gustav Adolph, in um so höherem und reinerem Lichte erscheinen
zu
lassen !
Und
das hat bei gänzlicher
Verkennung der Thatsachen deutsche Geschichtsschreibung
gethan !
Erst 200 Jahre mufsten vergehen , um das Verhältnis zwischen dem Schwedenkönig
und dem Kurfürsten
von Brandenburg in anderem
und richtigerem Lichte erscheinen zu lassen.
Und doch können Män-
ner wie Droysen, deren Objektivität bei Beurteilung der Zeitverhältnisse im 30 jährigen Kriege hier anerkannt werden muſs , und die uns den Beweis liefern , dafs in letzter Instanz die deutsche Kaiserkrone der Magnet war, der den Schwedenkönig nach Deutschland zog, sich nicht dazu verstehen , das Verhalten des Kurfürsten Georg Wilhelm offen und ohne Umschweif zu billigen und anzuerkennen ; sie glauben die Gelegenheit benutzen zu müssen , um hier und da wegen seines zögernden Verhaltens beim Abschlusse eines Bündnisses mit Schweden dem Kurfürsten Tadel , sprechen zu müssen .
bald
gelinde , bald weniger milde , aus-
Seltsamer Widerspruch ! Entweder war Gustav
Adolph ein Eroberer, der die Religion nur als Vorwand gebrauchte, um damit seine herrschsüchtigen Pläne zu verdecken ; und dann mufs
das Verhalten
des
Kurfürsten
Georg Wilhelm
deutsch und patriotisch und seine Weigerung ,
als durchaus
freiwillig mit dem
Schwedenkönig ein Bündnis abzuschliefsen , als durchaus richtig angesehen und beurteilt werden ; oder aber er war kein Eroberer und nur zur Rettung der evangelischen Religion nach Deutschland gekommen. In diesem Falle vermöchten wir den Kurfürsten von einer Gleichgültigkeit und Interessenlosigkeit an der evangelischen Sache nicht los- und freizusprechen . Prüfen wir nun
an der Hand der Geschichte ,
neuesten Forschungen , königs
welcher Art
zu seinem Schwager ,
das Verhältnis
dem Kurfürsten
gestützt auf die des Schweden-
Georg Wilhelm von
Brandenburg , war, beginnend mit der Werbung Gustav Adolphs um die Hand der brandenburgischen Prinzessin Marie Eleonore und endigend mit dem Bündnis, das der Kurfürst unter dem Drucke der vor
165
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg. Berlin aufmarschierten
schwedischen Kriegsmacht mit seinem „ zur
evangelischen Religion " von Schweden herübergekommenen Schwager zu schliefsen gezwungen war. Gerade diese Periode der damaligen Zeit ist unserer Ansicht nach auch ganz besonders
Rettung der
geeignet ,
ein richtiges Bild über den Charakter des unglücklichsten und Boden ausgefochten
aller Kriege , die je auf deutschem Grund sind, zu entwerfen. Gustav Adolph wurde
als Sohn Carls IX. im Jahre 1594
am
9. Dezember auf dem Schlosse zu Stockholm geboren und hatte schon als zartes Kind Gelegenheit, auf einem Feldzuge in Liefland, wohin ihn sein Vater mitgenommen hatte, die Schrecken des Krieges kennen zu lernen. Der Vater liefs es sich angelegen sein, die geistigen Anlagen des Sohnes ,
die in reichem Mafse vorhanden waren , durch tüchtige
Lehrer, die zum Teil aus dem Auslande herbeigerufen wurden, auszubilden und weiter zu entwickeln . Unter den Lehrern und Erziehern glänzte in
erster Linie
der schwedische Gelehrte und Sekretär der
Reichskanzlei Johann Skytte, ein weitgereister Mann ; ihm zur Seite stand ein Brandenburger von Geburt ,
Otto v. Mörner ,
ferner der
französische Graf de la Gardie , der den jungen Prinzen speziell in die militärischen Wissenschaften einzuführen hatte . Die Kenntnisse des Schülers erweiterten sich ungemein rasch ; in verhältnismäſsig kurzer Zeit verstand er aufser seiner Muttersprache sieben fremde Sprachen und konnte sie teilweise sprechen . Dabei wurden die klassischen Sprachen des Altertums
besonders berücksichtigt.
Eine Lieblings-
lektüre des jungen Prinzen bildeten die Schriften von Xenophon,,, des rechten militiae historicus , " belli et pacis ".
und
Hugo Grotius Traktat :
„de jure
Der Vater sorgte zugleich dafür , dafs bei allen Fort-
schritten in den Wissenschaften
auch die moralische Erziehung des
Sohnes in genügender Weise berücksichtigt wurde. sich die echt religiöse Natur von Gustaph Adolph ,
Daher erklärt seine
ungeheu-
chelte und aufrichtige Wärme , mit welcher er dem evangelischen Glaubensbekenntnisse zugethan war , seine Milde und Leutseligkeit, mit welcher er, wenn er wollte, Jedermann , auch den Feind, zu fesseln verstand. Indessen darf nicht unerwähnt bleiben, dafs Gustav Adolph ein schroffer, abgeschlossener Charakter war, bald mit kalter Ruhe überlegend, bald im feurigen Thatendrange von Plänen zu Plänen eilend, so dafs selbst ein aufsergewöhnlich begabter Mann, sein Kanzler Oxenstierna ,
ihm zu folgen Mühe hatte.
Nach , aufsergewöhnlichen
Thaten verlangend, griff er bei Ausführung derselben auch zu auſsergewöhnlichen Mitteln . Um die Energie des jungen Königs zu kennzeichnen ,
mag er-
166
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
wähnt werden , was der Graf Per Brahe über ihn
erzählt .
Als der
König, heifst es, einstens krank war und heftiges Fieber hatte , forderte er den Grafen auf, mit ihm Contra zu fechten.
Und er focht
mit demselben an verschiedenen Tagen in einem Efssaal und schlug so, dafs ihn das Fieber verliefs. *) Kaum 15 Jahre
alt ,
Kriege gegen Rufsland ;
bat er den Vater um ein Kommando im
die Bitte wurde ihm abgeschlagen.
Als er
aber ein Jahr älter geworden war , wurde ihm im dänischen Kriege ein kleines Corps anvertraut ,
mit welchem
er
die erste glückliche
Waffenthat, die Eroberung der Insel Öland, vollbrachte . Als nicht zu unserer Aufgabe gehörend übergehen wir hier die kriegerischen Ereignisse ,
in welche Gustav Adolph, der 1611 , nach
dem Tode seines Vaters , zur Regierung gelangt war, mit mehreren Nachbarstaaten Dänemark , Rufsland und Polen verwickelt wurde.
Erwähnt mag nur werden, dafs der König schon im Kriege
gegen Polen , wenn auch ohne Erfolg , eifrig bestrebt war, mit dem Kurfürsten von Brandenburg , Preufsen belehnt war , zu schliefsen. safs ,
war
der zugleich mit
dem
Herzogthum
dieser wichtigen Provinz wegen ein Bündnis
Denn wer Preufsen und die preufsischen Häfen beBaltische Meer V die Ostsee.
zugleich Herr über das
Durch die Besetzung von Preufsen ,"
sagt ein Gutachten
aus da-
maliger Zeit, „ ist dem Könige von Polen Hand und Fufs abgeschlagen , daher jeder , der mit Polen Krieg führe , alles daran setzen müsse , die preufsischen Häfen festzuhalten. " Ein im Jahre 1618
mit Polen
abgeschlossener Waffenstillstand
verschaffte Gustav Adolph einige Jahre Ruhe , die er vor allem zur Verbesserung des Heerwesens benutzte.
Was sich in den Feldzügen
nicht bewährt und unpraktisch erwiesen hatte, wurde abgeschafft . In erster Linie galt es, die Musketen und das grobe Geschütz handlicher und leichter zu machen ; es wurde daher für erstere der Gabelstock beseitigt und das Feuerschlofs
an denselben einfacher eingerichtet.
Ganz besonders aber wendete er der Erweiterung der Flotte grofse Aufmerksamkeit zu , in der durchaus richtigen Erkenntnis, dafs ohne Schiffe und Matrosen die Herrschaft im Baltischen Meere weder zu erringen noch festzuhalten sei. In diese Zeit fällt auch der
ernstliche Plan der Vermählung
Gustav Adolphs mit der brandenburgischen Prinzessin Maria Eleonora , Tochter des Kurfürsten Johann Sigismund . haft fest ,
Übrigens steht unzweifel-
wie Rommel in der neueren Geschichte von Hessen klar-
*) Droysen I. 61 .
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
167
legt, dafs zwischen der Königin Witwe von Schweden und dem Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel bereits im Jahre 1615 wechsel, betreffend die Heirat Gustav Adolphs
ein Brief-
mit der brandenbur-
gischen Prinzessin , stattfand . Denn der Mutter lag damals sehr daran, dafs ihr Sohn seine Geliebte , die Ebba Brahe , aufgebe und eine standesgemäfse Heirat mit einer Prinzessin eingehe ; der Landgraf aber
sah in der Verbindung
des Schwedenkönigs
mit einem
evangelischen deutschen Kurhause seinen eigenen Vorteil und setzte alles daran, dieselbe perfekt zu machen .
Hieronymus von Birkholz ,
ein Brandenburger von Geburt , der in Diensten der Königin Witwe von Schweden stand, wurde schon 1615 bei einer gelegentlichen Reise nach Deutschland beauftragt , in Berlin betreffs des Heiratsprojektes das Terrain zu sondieren . Birkholz berichtet über seine Mission an Gustav Adolph und den Kanzler Oxenstierna und rühmt dabei besonders die Liebenswürdigkeit , Einfachheit und Schönheit der brandenburgischen Prinzessin.
Doch
Gustav Adolph hatte
es
nicht
sehr
eilig mit der Verbindung . „ Seine unaussprechliche Lust und Liebe zum Kriege macht, dafs er von keiner Heirat hören wolle, " schreibt 1616 Falkenberg an den Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel. *) Da aber aus politischen Gründen eine Verbindung mit dem Kurfürsten von Brandenburg Gustav Adolph sehr wichtig und von aufserordentlicher Bedeutung war, wurde Birkholz 1616 wieder an den Berliner Hof geschickt mit dem Auftrage ,
daselbst zu erklären :
„ wenn das
Andere (das Bündnis nämlich) Fortgang genommen , die Heirat und anderes mehr folgen solle. " Doch war man anfangs am Berliner Hofe für das Heiratsprojekt nicht sehr eingenommen.
Der Kurfürst
Johann Sigismund, der Vater der Prinzessin Marie Eleonore, erklärte dem schwedischen General von Armin ,
der 1617 zur weiteren Dis-
kussion der Angelegenheit nach Berlin gesandt war, dafs er bei Ausführung des Projektes sein Verhältnis zu dem König von Polen, seinem Lehnsherrn in Betracht zu ziehen und zu erwägen habe , ob nicht dieser die projektierte Verbindung als gegen sich gerichtet ansehen würde . Um den bisherigen Verhandlungen mehr Nachdruck zu geben, wurde 1617 Johann Casimir , der Pfalzgraf von Zweibrücken , der Schwager Gustav Adolphs , beauftragt , in Berlin betreffs der Heirat weitere Schritte zu thun. Es scheinen am brandenburgischen Hofe verschiedene Parteien geherrscht zu haben , die wiederholt ihre Ansichten betreffs der Verbindung wechselten, wenigstens bezeugen dies
* Droysen I. 101.
168
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
die von Johann Casimir
an Gustav Adolph eingesandten
Berichte .
Soviel scheint fest zu stehen, dafs der Kurfürst anfangs geneigt war, später aber schwankend wurde , die Kurfürstin Anna indessen der geplanten Verbindung abgeneigt blieb ; denn trotz der eifrigsten Bemühungen des Landgrafen Moritz von Hessen-Cassel, des Pfalzgrafen von Zweibrücken und anderer evangelischer Fürsten in Deutschland, die eine Verbindung Gustav Adolphs
mit einer deutschen Fürsten-
tochter, und darauf gegründet ein schwedisch-deutsches Bündnis gegen Kaiser und Reich herbeisehnten, kam im Jahre 1618 die Heirat noch nicht zu stande.
Statt dessen wurde eine Verlobung der Prinzessin
Maria Elenora mit
dem
ältesten Sohne des Königs Sigismund von
Polen in Betracht gezogen,
ein Projekt, welchem namentlich Georg
Wilhelm zustimmte, das indessen nicht zur Ausführung kam . Nach dem Tode des Kurfürsten Johann Sigismund waren die Aussichten für Gustav Adolph noch geringer geworden ; denn die Kurfürstin Anna, deren Einfluss entscheidend war, blieb der Verheiratung abgeneigt . Dazu kam, dafs auch der neue Kurfürst Georg Wilhelm, aus Furcht vor seinem Lehnsherrn, dem Könige von Polen, sich für das Zustandekommen der Ehe wenig oder gar nicht interessierte ; hatte doch letzterer schon gedroht, die Belehnung mit dem Herzogtum Preufsen ihm vorenthalten zu wollen , wenn er die beabsichtigte Verheiratung mit Gustav Adolph nicht zu verhindern suche. Doch Gustav
Adolph
war nicht
der Mann ,
der
sich
durch
Schwierigkeiten zurückschrecken oder von der Ausführung eines ein mal gefassten Planes abhalten liefs .
Im Gegenteil mit der Grösse der
Schwierigkeiten wuchs auch des Königs Energie und Mut , dieselben aus dem Wege zu räumen ; so auch im vorliegenden Falle.
Da alle
bisher indirekt gepflogenen Werbungen und Anträge in Berlin nicht zum Ziele geführt hatten , entschlofs er sich, selbst nach der Prinzessin Residenz zu reisen und dort in eigener Person seine Werbung zu wiederholen. Er schickte zu diesem Zwecke den Grafen Gustav Horn voraus,
um dem berliner Hofe seine Absicht kund zu geben.
Gustav Adolph war schon bereit,
die Reise anzutreten, und im Be-
griffe, ein Schiff zu besteigen, als er erfuhr, dafs die kürfürstlichen Herrschaften Berlin verlassen hatten. Aber aufgeschoben war für den König nicht aufgehoben ; im Mai 1620 trat er die Reise wirklich an und erschien unter dem Namen Gars (Gustavus Adolphus Rex Sueciae) in Berlin.
Dafs der König schon früher ein mal, und
zwar im Jahre 1618 persönlich in Berlin war, wie mehrere Historiker,
darunter auch Gfrörer ,
annehmen , scheint nach neueren For-
schungen auf einem Irrtum zu beruhen .
Die persönliche Liebens-
169
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
würdigkeit und Leutseligkeit des Königs während seines Aufenthalts in Berlin hatte den erwünschten Erfolg ; die Kurfürstin Witwe willigte ein, und der König konnte nach abgeschlossenem Heiratskontrakt wieder nach Schweden zurückreisen . Fürchtend , dafs durch die Weigerung des
Kurfürsten
Georg
Wilhelm ,
seines
demnächstigen
Schwagers , die Hochzeit sich noch die Länge ziehen könne , schickte Gustav Adolph alsbald seinen Kanzler Oxenstierna nach Berlin mit dem Auftrage,
die junge Braut nach Schweden zu führen, und mit
der ganz bestimmten Weisung, durch Verhandlungen über nebensächliche Dinge, als Mitgift und Aussteuer, die Angelegenheit nicht zu verzögern. In der That kam die Heirat der Prinzessin dem brandenburgischen Hofe sehr wohlfeil zu stehen, da Schweden die Ausstattung übernahm ; letztere erhielt zu ihrem Gebrauche die Einnahmen aus den Städten Linköping , Ekasjö und verschiedenen Kronhöfen in der Höhe von 40 000 Thalern . Am 7. Oktober 1620 landete die Prinzessin, welche, wie der Kanzler Oxenstierna sich ausdrückte „ honesta facie, animo verecundo , ingenio modesto, pudicitia insigni " war, in Begleitung ihrer Mutter und eines bescheidenen Gefolges in Colmar, woselbst sie von dem König-Bräutigam empfangen wurde ; die Hochzeit fand bald darauf unter grofsen Feierlichkeiten in Stockholm statt . Ein neuer Krieg mit Polen rief den Schwedenkönig wiederum auf das blutige Schlachtfeld, wo er sich in verschiedenen glücklichen Gefechten und vor allem
durch die Eroberung
der Festung Riga
neue Lorbeeren erkämpfte . Bald nachher (im Jahre 1624) brachte das katholische Frankreich , oder vielmehr dessen allgewaltiger Minister, der Kardinal Richelieu, einem
grofs
angelegten Plane
folgend,
ein geheimes Bündnis mit
England, den Generalstaaten, Venedig und Savoyen gegen Österreich und das deutsche Reich zu stande. Der ehrgeizige Minister setzte alles daran, Österreich zu schwächen . Als Kardinal der römischkatholischen Kirche verschmähte er es nicht, sich als Mittel der evangelischen Fürsten des deutschen Reiches und fremder evangelischer Regenten von Dänemark und Schweden zu bedienen .
Dafs es sich
hierbei einzig und allein um einen politischen Krieg und nicht im geringsten um religiöse Interessen handelte,
ist aus der Zusammen-
setzung des Bundes
Was dem französischen
klar und
Kardinal noch Skrupel machte, Oberbefehlshaber
ersichtlich .
war die Wahl des Mannes, der als
an die Spitze der Expedition treten sollte .
wandte sich nach Kopenhagen und Stockholm ; war es bekannt , grofse Neigung
denn
Man
dem Kardinal
dafs beide Könige zum Kriege gegen Deutschland hatten .
Es
waren
nämlich
verschiedene
deutsche
170
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
Fürsten, wie der oben genannte Landgraf Moritz von Hessen-Cassel , der Pfalzgraf Johann Casimir von Zweibrücken (G. Adolphs Schwager), der vertriebene Kurfürst von der Pfalz und andere schon früher mit Gustav Adolph in Unterhandlungen getreten und hatten ihn unter Versprechung aller möglichen Hülfe dringend zu einem Feldzug gegen Kaiser und Reich eingeladen . Uns interessiert es ganz besonders , an dieser Stelle hervorzuheben,
dafs
der Kurfürst Georg Wilhelm
von Brandenburg anfangs, als der Minister Schwarzenberg sein erster Ratgeber war , den verschiedentlich wiederholten Aufforderungen, dem Bündnisse beizutreten , Widerstand entgegensetzte . Später indessen gelang es
dem Landgrafen Moritz von Hessen und Männern
wie Knesebeck und Winterfeld , den Kurfürsten umzustimmen,
was
um so leichter gelang, als dieser bei Übertragung der Kurwürde auf den Bayern-Herzog Max nicht gefragt, und bei der Abstimmung übergangen war. Georg Wilhelm fühlte sich dadurch gekränkt und zwar mit vollem Rechte.. Auf Betreiben der antihabsburgischen Partei am brandenburgischen Hofe wurde eine Gesandtschaft an Gustav Adolph geschickt. Brandenburgs Gesandter , Bellin , trat mit dem Könige betreffs des Bündnisses in nähere Verhandlungen ein und erhielt von Oxenstierna die Bedingungen , unter welchen der Schwedenkönig zu einem Einfall Gustav Adolph hatte bereits den Opein Deutschland bereit war. rationsplan in der Art entworfen, dafs er in Polen und durch Polen nach Schlesien vorbrechen wollte ; Bellin dagegen schlug vor, nicht Polen, sondern Deutschland selber zum Kriegsschauplatze zu machen und am Rhein und Neckar den Krieg zu führen .
Es handelte sich
für Gustav Adolph um die Operationsbasis , (sedes belli nach damaligem Ausdrucke) die ein Ort am baltischen Meere sein müsse, und zwar entweder Danzig oder Stettin. Letzterer Ort, meinte Gustav, sei vorzuziehen , weil "2 terra amica, princeps amicus, civitas amica " , doch sei dabei zu bedenken, dafs man beim weiteren Vordringen von Stettin aus das grofse Danzig im Rücken habe ; daher mufs die sedes belli werden. *)
nach Danzig
verlegt
und
dieses vorher eingenommen
Bellin durchschaute ganz richtig die Absicht des Königs, durch Verlegung der kriegerischen Aktion nach Polen die eigenen Interessen zu fördern, und erkannte zur Genüge, dafs auf diese Weise das Herzogtum Preufsen aufserordentlich gefährdet, den Interessen der evangelischen Fürsten in Deutschland
*) Droysen I. 199.
dagegen
mit dieser Art
der
171
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg. Führung der Operationen war auch der Grund ,
wenig
oder gar
nicht gedient sei .
Das
warum es zum Abschlusse eines eigentlichen
Bündnisses zwischen Gustav Adolph und Georg Wilhelm von Brandenburg jetzt nicht kam. Auch Frankreich konnte sich mit Schweden nicht verständigen,
da Gustav vorab als ersten Anteil an der
Beute zwei sichere Häfen ,
einen
an der Ostsee und einen an der
Nordsee verlangte, ferner das „ unumschränkte Kriegsdirektorium " für sich in Anspruch nahm, worauf der kluge französische Kardinal einzugehen doch zu gewagt und allzu gefährlich fand . Obgleich nun das französisch- schwedische Bündnis nicht perfekt geworden, statt Gustav Adolph vielmehr der König Christian von Dänemark seitens Frankreich als Kriegsoberster in Aussicht genommen war, der denn auch als solcher auf dem deutschen Kriegstheater auftrat, verlor Gustav Adolph Krieges
mit Polen die
deutschen
trotz
eines
Augen und hielt seinen Blick fester denn je richtet,
in der
neu
ausgebrochenen
Angelegenheiten nicht
aus
den
auf Deutschland ge-
sicheren Überzeugung, dafs sich ihm bei den Spal-
tungen und Trennungen daselbst über kurz oder lang eine günstigere Gelegenheit zum Eingreifen bieten würde .
Preufsischer Feldzug von 1626. Während der Krieg zwischen Schweden und Polen nach abgelaufenem Waffenstillstande wieder von neuem
begann,
war der König
Christian von Dänemark im August 1626 bei Lutter am Barenberge von Tilly so gründlich aufs Haupt Stade
zurückging.
geschlagen,
dafs
er eiligst bis
" Von Lutter bis nach Stade , das war eine Re-
tirade ", lautete der Refrain eines in damaliger Zeit gern und oft gesungenen Kriegsliedes . Schon früher (April 1626 ) war Mansfeld mit seinen Banden von Wallenstein an der Dessauer Brücke zu Paaren getrieben,
so
dafs dessen Völker, wie Wallenstein sich ausdrückte,
,,zertrennt und zerhackt ", die Wahlstatt verliefsen . In Schweden hatten inzwischen bedeutende Rüstungen stattgefunden, aber Niemand werde.
wufste,
wohin sich das Ungewitter entladen
Nach der Schlacht an der Dessauer Brücke erschien Winter-
feld im Auftrage des Kurfürsten von Brandenburg bei Gustav Adolph, um ihn an der Elbe
entlang zu
einer Diversion nach Deutschland
zu bewegen, Wismar als Landungsplatz in Vorschlag bringend ; auch Christian von Dänemark schlofs sich dem Wunsche Georg Wilhelms an, schlug aber die Oder als Marschlinie vor. *)
*) Droysen I. 275.
172
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
Dem Schwedenkönig kam die Sache verdächtig vor, weil ihm der Vorschlag erst nach der verlorenen Schlacht an der Dessauer Brücke gemacht wurde ; er wies daher beide Projekte kurz von der Hand, und Winterfeld mufste unverrichteter Sache wieder nach Brandenburg abreisen .
Gustav aber hielt den Zeitpunkt gekommen , um
handelnd in die Ereignisse eingreifen zu können . Er wählte sich als Angriffsobjekt aus verschiedenen Gründen die Provinz Preussen ; ein mal, um Polen von den Mündungen der Weichsel und vom Meere abzuschneiden , und auf diese Weise seinem Todfeind Sigismund eine tötliche Wunde beizubringen ; dann aber und vornehmlich deshalb , um durch Besetzung einiger fester Plätze in Preufsen dem deutschen Kriegstheater näher zu sein .
Es sei hierbei daran erinnert, dafs das
jetzige Preufsen damals zwischen der Krone Polen fürsten von Brandenburg geteilt war ;
und
letzterer besafs
dem Kurdie Küsten-
striche längs dem frischen und kurischen Haff, aber unter polnischer Lehnshoheit ;
diesen Teil hatte Gustav im Auge, als er den Opera-
tionsplan entwarf.
Polen hatte in richtiger Erkenntnis der Sachlage
den Kurfürsten Georg Wilhelm auffordern lassen , auf der Hut zu sein und die Küstenschanzen vor Pillau in stand zu setzen. Mitte Juni lief die schwedische Flotte , 150 Segel stark , mit einer Besatzung von 20 000 Mann aus und erschien Ende Juni auf der Höhe vor Pillau .
Der Kommandant
Sebastian v. Hohendorff, *) der Verfügung hatte .
Dafs mit
von Pillau war der Oberstlieutenant alles
dieser
in allem 350 Mann schwachen Besatzung
zu seiner und
mit
einigen alten zum Teil schon unbrauchbaren Kanonen ein erfolgreicher Kampf gegen die Schweden nicht aufgenommen werden konnte , verstand sich von selbst. Ein schwedischer Parlamentär liefs sich bei Hohendorff melden und verlangte die Übergabe von Pillau, fügte aber zur besseren Orientierung des Kommandanten und zur Beschleunigung der Angelegenheit
die Drohung hinzu , sofort Gewalt gebrauchen zu
wollen, sofern die Festung nicht freiwillig übergeben werde. Hohendorff machte hierüber eiligst Meldung an die preufsischen Oberräte, aus deren Mitte Wolf von Kreytzen, der Kriegsoberste über das gesamte preussische Heerwesen, nebst zwei Kollegen abgeschickt wurde, um mit Gustav Adolph weitere Verhandlungen einzuleiten .
Dass der
Schwedenkönig den Bitten der Gesandten , das preufsische Land mit einer Besetzung zu verschonen , nicht Folge gab , lag auf der Hand ; denn Gustav Adolph war nicht der Mann ,
der
sich durch bittende
Gesandten von einem geplanten Unternehmen abbringen liefs .
Auch
*) Vergl. über das Folgende : Lohmeyer , Gustav Adolph und die preufsische Regierung im Jahre 1626 ; Droysen I. 276 u. ff.
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
173
der Hinweis der Gesandten auf das Abhängigkeitsverhältnis des KurPolens und die Pflicht des ersteren , die
fürsten von der Krone
preufsische Küste zu schützen, blieb bei Gustav Adolph ohne Erfolg. Eine viertägige Frist zur weiteren Beratung war alles, was der König Am folgenden Tage (28. Juni) erschien eine zweite dem Landrat und Voigt zu Fischhausen , Fab . von Gesandtschaft,
ihnen bewilligte .
v. Bork , geführt, und bat um Stillstand der Operationen . Durchaus natürlich war das Verlangen der Gesandtschaft, der König möge sich « an den Kurfürsten direkt wenden. "" Eine Resolution des Kurfürsten ," antwortete Gustav Adolph ,
wäre unnütz , denn wenn man sie auch
sie doch sehr schlecht , weder warm noch kalt es für den Kurfürsten und für das Land , wenn man hier Resolution nehme. " Um den weiteren Verhandlungen ein erlangte ,
so würde
sein ; besser wäre
traf der König Anstalten , sich nötigenfalls mit von Pillau zu setzen ; indessen leistete HohenBesitz den in Gewalt
Ende zu machen ,
dorff keinen Widerstand, und so
nahm Gustav Adolph die Festung
ohne Kampf und Blutvergiefsen ein. Gustav Adolph schob seine Truppen eiligst nach Süden vor ; auf dem Marsche dorthin, in Frauenburg, erschien eine neue preussische Gesandtschaft vor ihm mit der Bitte, stehen zu bleiben und mit dem Kurfürsten das weitere zu verhandeln.
Der König
Gesandtschaften und der Unterhandlungen müde ;
aber war der
nicht
mit milden
Worten, wie anfangs, sondern mit „ harten , scharfen Reden, mit Blut und Hals in zweischlagen Bedräuungen " fuhr er die Gesandten darunter Hiob Löpner , altstädtischen Ratsverwandten von Königsberg - an und erwiderte auf die Klagen über die Einnahme von Pillau : „er habe die Festung jure naturali, civili et omni jure “ eingenommen. Wenn er dann in weiterer Unterredung mit den Gesandten hinzufügt , sie möchten nur seinen Schwager aus dem Spiele lassen und selbständig mit ihm ein Bündnis abschliefsen, so klingt das wie offene Aufforderung ,
von dem rechtmässigen Landesherrn abzufallen
und demselben den gebührenden Gehorsam zu kündigen . Dafs die preufsischen Abgeordneten dies anfangs nicht thaten, sondern wiederholt auf ihren Fürsten , den Kurfürsten Georg Wilhelm , hinwiesen und von dessen Entschliefsungen sich abhängig machen wollten , ist denselben gewifs zur hohen Ehre anzurechnen . Auch sie waren, wie der König von Schweden , Anhänger der evangelischen Lehre und derselben treu und mit warmem Herzen ergeben ; wenn sie also mit Gustav nicht paktierten, so ist das wohl ein handgreiflicher Beweis , dafs die Ankunft des Königs im Herzogtum Preufsen mit der Religion und der evangelischen Sache nichts zu thun hatte .
Trotz aller Ein-
wirkungen auf die preufsischen Gesandten seitens des Königs waren
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
174
dieselben zu einem Neutralitätsbündnisse nicht zu bewegen.
Aber
Gustav Adolphs Rede wurde immer deutlicher und hatte endlich den gewünschten Erfolg . „ Ich schwöre Euch bei dem wahren Gott", sagte er zu dem Königsberger Bürgermeister, „ wo Ihr Euch länger aufhalten oder mit einer umschweifenden Armee aufgezogen kommen werdet, Ihr sehen sollt , dafs ich alsdann mit meinen Orlogschiffen mich vor Eure Brücken und Häuser legen , die Erklärung in eurem Blute suchen und Euch das lehren will ,
was Ihr Euch nicht vermutet " .
Diese
Sprache wirkte ; denn den Gesandten war bekannt, dafs der Schwedenkönig der Mann war, sein Versprechen unter allen Bedingungen, koste es, was es wolle, zu halten . Ein Neutralitätstraktat kam zu stande , wie es Gustav Adolph wünschte . Somit war die ganze Ostseeküste in des Königs Gewalt gekommen - nur Danzig leistete noch Widerstand und zwar mit Erfolg. Wie verhielt sich nun der Kurfürst Georg Wilhelm solchem Verfahren seines Schwagers , des Schwedenkönigs , gegenüber ?
„ Es ist
bekannt " , schreibt Droysen , "" wie jammervoll die Entscheidung des Kurfürsten ausfiel ; wie er aus jener energisch antihabsburgischen Richtung , die er 1624 befolgt hatte , erst überging zu einer faulen und feigen Neutralität, um sich endlich dem Kaiser ganz in die Arme zu werfen".
Wir verstehen nun aufrichtig gestanden nicht , wie ein
deutscher Geschichtsforscher , von der Autorität unseres
Gewährs-
mannes, solch ein Urteil über einen deutschen Fürsten niederschreiben kann, und vermögen es absolut nicht zu begreifen, worin die Jämmerlichkeit des Entschlusses des Kurfürsten liegen soll . Statt alles andern lassen wir den Kurfürsten selber reden , der durchaus Recht hatte, über das Vorgehen seines Schwagers und die Einnahme von Pillau sich sehr erbittert auszusprechen : „ Das sollte Freundschaft sein und die gemeine Sache befördern helfen ?
Was helfen mir meine Freunde,
wenn sie mir das thun, was ich von meinen Feinden erwarten sollte ! Sitze ich still und sehe meinem Unglück zu , was wird man von mir sagen?
Wehre ich mich dagegen und thue was ich kann , so
habe ich doch nicht solchen Schimpf und glaube nicht ,
dass
der
Kaiser es mit mir werde ärger machen , als dieser (Gustav Adolph nämlich) .
Und weil er bis dato gegen mich nichts gethan , so mufs
ich doch dann Gnade und alles Gute hoffen , wenn ich mich auch zu ihm schlage . Er beklagt sich , dafs einige seiner Räte , darunter Knesebeck, die Einnahme von Pillau entschuldigten und fährt dann fort 29 alle Welt würde mich für eine feige Memme halten , da ich so ganz still sitzen sollte ; besser mit Ehren gestorben, als mit Schanden gelebt ; ich habe nur einen Sohn (den nachherigen grofsen Kurfürsten) ; bleibt der Kaiser Kaiser , so bleibe ich und mein Sohn auch wohl
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
175
Kurfürst, da ich mich beim Kaiser halten werde ; was soll ich dann thun , wenn ich alles quitt bin und die Schweden all mein Land in Gewalt haben werden ?" *) Das war die Auffassung der Sachlage seitens des Kurfürsten , und wir meinen , jeder unbefangene Beurteiler könnte dieser nur beistimmen. Warum sollte Georg Wilhelm vom Kaiser abfallen , der , wie er selber gesteht, „, gegen ihn bis dato nichts gethan ", und sich auf Seite eines fremden Monarchen stellen , der ihm als königlicher Schwager mitten im Frieden eine Festung - Pillau -- und dann weiter gehend fast ein ganzes Herzogtum entrissen hatte ?
War denn
Gustav Adolph seinem Schwager nicht feindlich gesinnt, und stand jener diesem bei der Landung vor Pillau nicht als Feind gegenüber ? Würde ein Abfall des Kürfürsten vom wohlgesinnten Kaiser und ein Uebertritt desselben zu einem in sein Herzogtum mit feindlicher Absicht gekommenen fremden Fürsten , wenn beides mit freiem Willen und ohne Zwang geschah , nicht durchaus unnatürlich , geradezu erbärmlich und jämmerlich gewesen sein ?
Und wenn es sich noch bei der
Wegnahme des preufsischen Herzogtums um religiöse Interessen gehandelt hätte ;
wenn Gustav Adolph bei seiner Landung den Kur-
fürsten Georg Wilhelm zur Wiederherstellung der evangelischen Lehre und zur Sicherstellung derselben vergeblich um Hülfe und Unterstützung angerufen hätte !?
Aber wir betonen hier und müssen her-
vorheben, dafs von Religion und religiösen Interessen der Evangelischen in Deutschland bei Gustav Adolph absolut keine Rede war.
Die Pläne
des Schwedenkönigs waren im Jahre 1626 bei seiner ersten Landung für Jedermann so durchsichtig und klar, dass es Gustav verschmähte , die Religion
als fadenscheinigen Deckmantel für seine eigentlichen
und wahren Absichten in den Augen der grofsen Masse zu gebrauchen . Einen Schlag gegen Polen zu führen und im Besitze eines Hafens an der Ostsee den deutschen Angelegenheiten näher und näher zu kommen , dies waren die wahren Motive , welche den König zur Wegnahme von Pillau veranlafsten ! Der Kurfürst schickte Gesandte an den Schwedenkönig und forderte Pillau und sein Herzogtum zurück ; natürlich vergeblich , worauf der Kurfürst sich anschickte , ein Truppencorps zusammenzuziehen, um nach Preufsen aufzubrechen. Gustav aber war als siegreicher König Ende des Jahres 1626 wieder nach Schweden zurückgekehrt, während sein Kanzler Oxenstierna in dem eroberten Preufsen das Amt eines „ Generalgubernators " verwaltete . (Schlufs folgt.)
*) Droysen I., 281 . Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
12
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik .
176
XIV .
Die römische Kriegszucht
bis
zum Ende
der Republik.
Von F. Hoenig , Hauptmann a. D. Dulce et decorum est pro patria mori!
Einleitung.
I.
Bei keinem Volke des Altertums hat der Begriff Vaterland derartig die Handlungen des Individuums bestimmt, bei keinem die Erkenntnis der Pflichten gegen dasselbe so zu Einheit, Kraft und Ansehen geführt , bei keinem wuchs die Liebe zum Vaterlande so aus natürlichen Bedingungen heraus wie bei den Römern . Der oben vorangestellte Satz war im alten Rom gleichsam das Symbol alles Erhabenen , der Inbegriff der Mannespflicht und Mannesehre, er war die Religion des Römers ! Aber dieser Begriff schliefst auch eine gefährliche Kehrseite in sich .
Die Vaterlandsliebe
trieb zu Kraftentfaltung und Thaten an,
sie liefs das Volk Opfer tragen ,
sie
schuf und entwickelte Männer,
grofs durch Willenskraft , von Begeisterung bezaubert ,
aber sie war
es auch , die den Ehrgeiz des Einzelnen unterstützte , die in seiner Brust den Durst nach Ruhm und Ansehen nährte und ihn auf der Bahn zu Macht und Gröfse die Idee des Vaterlandes zu Gunsten persönlicher Ziele vergessen
oder
übersehen liefs ,
die Vaterland
Person identifizierte , Volk , Parteien und Heer mifsbrauchte . man dahin gelangte ,
lung findet ,
Als
zogen über den geheiligten Boden des Vater-
landes jene wilden Stürme hin , welchen die Person
und
die wir Bürgerkriege
nennen , in
das Feld zu beispielloser Macht und Entwicke-
zugleich
aber
auch das Fundament des Volkes , des
Heeres und des Staates aufwühlt
und die
drei Mächte
dem Spiel
einer verweichlichten , regierungsunfähigen Gesellschaft überliefert, unter deren wechselnden Händen sie sich nach und nach zu Moder auflösen, den des Windes Brausen wegfegt.
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
II.
Allgemeines
177
über Charakter und Kriegszucht der Römer.
Unsere Arbeit kann nicht in Erwiesenheit Anspruch
allen Punkten auf geschichtliche Hat doch noch niemand die
erheben .
Materie gründlich behandelt.
Alles , was darüber nachgewiesen , ist
Stückwerk und befindet sich selbst in den hauptsächlichsten Werken über die römische Geschichte stückweise zerstreut. Wie ungenügend ist dies für einen Staat, der darauf beruhte, dafs Bürger und Soldat eins waren , in welchem das Heerwesen in der Entwickelung des inneren und äufseren Staatslebens eine einflussreichere Rolle gespielt hat , als in irgend einem anderen Lande. Vergebens suchen wir auch in der Kriegsgeschichte des gröfsten Eroberungsvolkes nach den Bestimmungen und Verordnungen über die Kriegszucht seines Heeres ,
nach den Gesetzen seiner Mannes-
zucht, nach Strafbestimmungen und Geboten , welche das unendliche Gebiet des
inneren Lebens im Heere
regeln .
Vergebens forschen
wir, wie weit die Machtvollkommenheit der einzelnen Grade ging . Bei einzelnen Feldherren stehen wir sogar noch gegen das Ende der Republik vor einem Dunkel, das nur ungenügend auf die Machtvollkommenheit seines Grades, Heer und Staat gegenüber, schliefsen läfst. Und doch war die Kriegszucht der römischen Heere eine derartige , dafs ihnen auf die Dauer kein Gegner zu widerstehen vermochte, und so aus
einer kleinen städtischen Gemeinde ein Welt-
reich werden konnte . Solchem Phänomen gegenüber müssen dauernd wirkende Ursachen vorhanden gewesen sein und sicherlich genaue Bestimmungen bestanden haben ,
welche
einen so
einheitlichen
Kriegsgeist erzeugten. Kriegsbrauch , Kriegsregeln und Kriegsrecht haben sich bei den Römern wie bei allen späteren Völkern ungeschrieben vererbt. Darüber gab es weder von Staats Seiten Gesetze, noch im Heere Bestimmungen ; politische Lage, persönliche Anschauung und Notwendigkeit allein diktierten die Handlungsweise des Feldherrn . Aber Kriegszucht und Geist der verschiedenen römischen Heere in den vielen Jahrhunderten ihres Bestehens können
nur das Ergebnis eines fest
aufgezeichneten Systems gewesen sein, dessen Träger die Feldherren waren. Es würde jedoch grundfalsch sein und von einer grofsen Unkenntnis oder von einem Mifsverstehen der römischen Geschichte und des
römischen Heerwesens zeugen ,
wenn man
als Regel an-
nehmen wollte, dafs die Kriegszucht der römischen Heere allein von der Persönlichkeit des Feldherrn abgehangen habe , wenngleich eine 12 *
178
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
der persönliche Ein-
etwa 100 Jahre lang
kurze Spanne Zeit
flufs des Feldherrn auf Wesen und Form geradezu bestimmend einwirkte ; es war dies aber die Zeit des bereits angefangenen Verfalls die
der römischen Republik ,
Zeit der Anarchie
und der Empor-
kömmlinge. Der Grund, warum der römische Staat aus einer kleinen Stadtgemeinde so schnell zu einem Grofsstaat, und aus diesem zu einem Weltreich emporstieg, welches von längerem Bestand war als irgend ein anderes, mufs in tiefen inneren Qualitäten des Volkes gesucht werden.
Eine der hauptsächlichsten
Auffassung der Ehe.
dieser Eigenschaften war die
Die römische Frau nahm von jeher neben
dem Manne die Stellung einer Herrin ein, und durchaus unrichtig ist die landläufige Ansicht ,
dafs ihr erst das Christentum die Sklaven-
fesseln genommen habe . Die strenge Innehaltung der Monogamie erzeugte feste, abgeschlossene Familien, und in dieser Beziehung stand die derbe , harte und hausbackene Kultur der römischen Gemeinden weit über der der Hellenen . galt bei den ersteren
als
Familienbegründung und Kinderzeugung
eine
sittliche Notwendigkeit und Bürger-
pflicht . Dieses Bewusstsein safs tief im römischen Volke und hat sich zum Teil noch bis in die Zeiten seines Verfalls erhalten. Die Stammväter des späteren römischen Volkes wurden in ihrer Sphäre als vollendete Staatsmänner geboren, und weil sie das Leben in seiner vollen Realität nachgingen ,
erkannten und ihm
weil sie alles
ihrem Recht festhielten ,
mit praktischem
Blicke
nüchtern auffafsten und mit Energie an
darum vermochten
die Familien
und Ge-
meinden zu nie dagewesenem Ansehen und zu einer Selbständigkeit zu gelangen ,
welche später , gröfsere Verbände umschliefsend , Rom
den Charakter eines Föderativstaates gab und die sofort zu Reibereien und erbitterten Kämpfen führte , verstiefs . Das von der Natur
sobald
man gegen ihr Recht
vorgezeichnete Rechtsverhältnis
zwischen
Mann und Frau, Kindern und Eltern hat kein Volk so schlicht erfafst und so unerbittlich durchgeführt als die Römer. Der „pater familias " hatte im alten Rom Rechte, Gewalt und Autorität, wie sie nie wieder ein Familienhaupt, weder der Familie , noch dem Staate , noch dem Gesetze gegenüber inne gehabt. Innerhalb des Hauses hielt er nicht allein auf strengste Zucht , sondern er übte auch volle Gerichtsbarkeit ; nur in Bezug auf Aussetzungen von Kindern, oder Verkauf des Weibes und des verheirateten Sohnes ahndete
das Gericht.
Er konnte ein mündiges Glied zur Sklaverei
179
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. verdammen ,
oder an ihm das höchste Richteramt ,
die Todesstrafe ,
vollziehen lassen, ohne dafs weder Gesetz noch König ihn zur Rechenschaft ziehen durften , höchstens nahm der "9 Familienrat" dabei eine beratende Stelle ein .
Unter solchen Bedingungen entwickelten sich
alle die weltbekannten römischen Geschlechter ; aus ihnen erwuchsen die Patrizier und, ob unter dem Königtum, oder der späteren Republik, oder dem noch späteren Kaisertum , überall spielen sie eine bestimmte, zwar häufig unterbrochene, aber immer einflussreiche Rolle in der römischen Geschichte.
Die Familien- und Klassenunterschiede,
die mit ihren Wurzeln bis auf die Gründung Roms zurückgehen , sind niemals aus dem römischen Volke verschwunden, und auf den verschiedenen Familien und Klassen , ihrem Anteil am öffentlichen Leben , ihren Pflichten gegen den Staat beruhte die Gesundheit und Kraft des Volkes.
Sein praktischer Instinct wurde der Träger des Rechts-
bewusstseins und der Schöpfer der Rechtslehre , deren Hauptziel "" Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz " war ! Die römische Verfassung stellte die Pflichten und Rechte genau fest, die Volk und Regierung sich gegenüber und welche beide dem Vaterlande gegenüber hatten, und unter die Hauptpflichten des römischen Bürgers gehörte von je her der Kriegsdienst. Der Nichtbürger
stand dem Bürger schroff und in Bezug auf
die Teilnahme am öffentlichen Leben recht- und machtlos gegenüber. So hart und tyrannisch dies erscheint, so hat doch niemals ein Volk gegeben, wo andrerseits die Gleichheit der Bürgerschaft vor dem Gesetz so strenge durchgeführt worden ist. Wie die Stellung des Vaters der Familie, so war die des Königs dem Staate gegenüber, und aus diesem natürlichen und systematischen Aufbau,
dessen Form die Republik
seinem Wesen derselbe blieb,
zwar veränderte,
der
aber in
ergab sich die Machtsphäre der ober-
sten Gewalt und die Pflichtsphäre der römischen Bürger.
Römischer
Bürger zu sein , war eine Ehre, und da nur er Heeresdienst leistete, so ruhte das Dienen von vorne herein auf zwei mächtigen Stützen : 1. Der Homogenität und 2. dem Ehrprinzip. war ein Recht und eine Pflicht
Das Waffentragen
des römischen Bürgers allein und
diese Thatsache ist die Grundlage des römischen Heerwesens überhaupt .
Aus der
Gleichheit vor dem Gesetz,
der Treue und dem
Gehorsam, ja der Machtlosigkeit des Sohnes (Kinder) dem Vater gegenüber, aus derselben Treue und demselben Gehorsam, welchen der römische
Bürger dem
Schutzherrn seines Gemeinwesens , der
obersten Gewalt, gegenüber schuldig
war, zog die römische Kriegs-
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
180
zucht ihre Festigkeit und sittliche Kraft, und ohne genaue Kenntnis des inneren Aufbaus der Familiengemeinde sie nicht verstanden werden.
und des Staates kann
Mit dem Ehrprinzip stehen zwar nach unserer Auffassung die harten abschreckenden Strafen im Widerspruch, welche sowohl der Vater über die Kinder , wie der Obere über die Unteren im Heere verhängen durfte .
Ungehorsam wurde niemals, auch in den späte-
sten Zeiten der Republik,
anders
als
mit Stockschlägen bestraft.
Die Väter handhabten den Stock allgemein gegen die
straffälligen
Söhne, und im Heere waren Stockschläge das häufigste und gebräuchlichste Strafmittel.
Ungehorsam
hing jedesmal
von den Verhältnissen ab, unter welchen er vorkam .
Das Strafmafs
bei
Im Felde zog
er die Todesstrafe nach sich, ebenso Untreue oder Fahnenflucht, und die Machtvollkommenheit jedes Grades ging zu allen Zeiten so weit, dafs jeder
selbständige Führer diese Strafen
nach eigenem Er-
messen verhängen konnte , ohne vorher einen Richterspruch gehört zu haben oder hören zu müssen , ja, ohne eine andere Rechtfertigung den Höherstehenden, oder, wenn der Strafvollstrecker der Feldherr selbst war, der Regierung gegenüber , eine Meldung des Thatbestandes .
nötig zu haben , als
Diese Zustände erscheinen uns weder mit dem Ehrprinzip noch mit der Rechtsauffassung des
römischen Volkes
vereinbar.
Aber
auch hierfür liegt die Lösung in seinem Charakter. Römische Rückist ein tief bei uns sprichwörtlich geworden sichtslosigkeit innerer, allgemeiner Charakterzug , der zwar überall auftritt, aber nirgends so real wie in der Kriegszucht. Rücksichtslos ging der römische Bürger, der römische Feldherr, der römische Staat vor, sobald sie ein Ziel ins Auge gefasst hatten . Rücksichtslos war die väterliche Strenge , rücksichtslos die Strafe für jeden, der am geheiligten Vaterlande gesündigt ; rücksichtslos baute der Feldherr seine Heerstrafsen über Berge und Ströme , vor denen wir heute noch staunend stehen.
Noch bewundern wir die gewalti-
gen Römerwälle, welche die Schutzgrenzen des Reiches bildeten, und deren Spuren in neuerer Zeit , wenigstens von der Donau zum Main und von hier bis zur Sieg in Deutschland wieder aufgefunden worden sind. *)
Man bedenke nur, welche Vorbereitungen und Anstren-
gungen das Aufwerfen einer einfachen Feldbefestigung uns verursacht und halte dagegen die Thatsache, dafs ein römisches Heer von Marius ab niemals lagerte, ohne vorher das Lager durch aufgeworfene Wälle
*) Prof. E. Hübner: Römisches in Deutschland. Deutsche Rundschau 1879, Juli.
181
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. abgeschlossen zu haben.
Diese Rücksichtslosigkeit entsprang aus
der Willenskraft ! Homogenität und Ehre, Treue und Gehorsam bleiben unwirksam, treibt .
Die
wenn Nervation sie nicht zu fafsbaren Ergebnissen
Weckung
und Belebung der Willenskraft ,
Übung in ihrer Äufserung römischen Erziehung.
bildete
sowie
die
darum ein Hauptmerkmal
der
Die meisten römischen Feldherren sind weniger grofs und eigentümlich durch kühnes Denken als durch Willenskraft, d . h . kühnes Handeln . Ihre Operationen tragen nicht den Stempel gelehrter Kombinationen, sondern das Endziel des Krieges , die Niederwerfung des Gegners, halten sie stets im Auge, und mit rücksichtsloser Energie gehen sie dem Ziele auf den Leib. Die Willenskraft ist zwar die Essenz der Feldherrnkunst,
und ohne sie giebt es keinen Feld-
herrn ; aber nirgendwo hat man ihre Stählung so verfolgt wie im alten Rom. Der Soldat wurde im Frieden an die kolossalsten Anstrengungen gewöhnt, seine Dienstzeit war in dieser Beziehung eine permanente Kriegswirklichkeit, und mit Rücksichtslosigkeit forderte der Feldherr von den Untergebenen die Einsetzung ihrer Kraft bis zu völliger Erschöpfung. Die römische Volkserziehung und folgerichtig die des Soldaten richtete ihr Augenmerk dabei auf eine Seite, welche heute leider weniger gepflegt wird,
nämlich auf mannes wür-
dige Selbstbeherrschung in dem Ertragen physischer Schmerzen, und die Kunst hat dieser Erziehungsrichtung in dem „ sterbenden Gladiator " greifbaren und innigen Ausdruck gegeben . Der römische Jüngling, der die Heldengestalten seiner Geschichte im Geiste bei sich trug, wollte nur Römer sein und als Römer leben, heldenhaft kämpfen sterben ! Dieser Stolz und diese Zuverals Römer und ebenso sicht lebten im Volke , als Italien kaum unterworfen,
als Karthago
noch mächtig und jungfräulich über das Meer herüberleuchtete , und der gröfste Grieche in unvergleichlichen Siegeszügen die Welt durchDas Handinhand gehen von Familien-, Volks- und milistürmte. tärischer Erziehung hatten sie im Laufe zweier Jahrhunderte erzeugt . Aber auch die "9 Tugend " der römischen Rücksichtslosigkeit hatte eine barbarische Rückseite.
Je mehr Gebiet unterworfen wurde , desto
mehr Nichtbürger lebten mit, neben und unter den Bürgern als Insassen des Staates . Rücksichtslos setzte man sie gegen die Bürger zurück ; man räumte ihnen zwar politische und öffentliche Rechte ein ; man liefs sie am Heeresdienst teilnehmen ; dazu trieb die Not. Aber sie waren neben den Vollblutrömern nur geduldet . So ging es sogar noch mit den Transpadanisten um die Mitte des 1. Jahrhunderts, und diese Zurücksetzung
sollte später von einem Menschen-
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
182
kenner, J. Cäsar, mit Wucht und Wärme politisch ausgebeutet, eine Bedingung seines Erfolges gegen den Nebenbuhler werden . Rücksichtslos schlossen sich die Familien ab, rücksichtslos hielten sie an der Überlieferung und ihren
Vorrechten " fest ; rücksichtslos wurden
die gefangenen Gegner getötet, schlimmer war, rücksichtlos
später Sklaven,
was vielleicht noch
verfolgte man neben dem Heere,
dem
Staate, die Person des feindlichen Heerführes , forderte
seine Aus-
lieferung und führte
durch
Gassen Roms, weide ;
rücksichtslos
Feldherrn ,
ihn als
Sklave im Triumphzuge
die
damit das ruhmdurstige Volk sich an eigener Gröfse drang man
oder liefs ihn
Karthago, plünderte Korinth, Sitze der Pharaonen .
auf Verbannung des feindlichen
enthaupten,
rücksichtslos
zerstörte man
verbrannte Athen und verwüstete die
Aber rücksichtslos fiel auch jedes Haupt eines
Verschwörers gegen Rom, und rücksichtslos wurde der unglückliche Feldherr des Vaterlandes verlustig erklärt und in
die Verbannung
geschickt oder erschlagen. Der Nichtrömer galt dem Römer nichts ; das Leben eines Sklaven hatte für ihn nur insofern Wert , als es ihm Geld einbrachte, und auch in Rücksicht auf diese Auffassung leuchtet die „ Realität “ ein, mit der er das Dasein betrachtete . Der Sklave durfte vorab nicht heiraten . War der Kindersegen in römischen Bürgerfamilien das gröfste Glück , so wurde er bei Sklaven und Proletariat als eine Bedrohung der Macht der Bürger angesehen . ihm
durch das Verbot der Verheiratung
Darum suchte
vorzubeugen .
Wie
man wenig
dies gelang , lehrt die spätere Geschichte Roms , die an Stelle einer solchen der römischen Bürger eine Geschichte des „, Weltproletariats “ wurde , angesammelt in und um Rom .
Von dem Augenblick ab, da
Alexander der Grofse die Augen geschlossen , stand das dieserart erzogene Volk ohne gleichmächtigen Nebenbuhler da und ebenso sein Heer. Die Kriege mit Pyrrhus , Karthago , Philipp von Macedonien, Jugurtha, Cimbern, Teutonen und Mithridates führte Rom zwar nicht ohne schwere Kämpfe und eigene Gefahr zu Ende .
Aber in keinem
dieser hatte es ein Volk achten gelernt, sondern nur Feldherrngröfse fürchten. So kam es, dafs die Römer sich allein das Wort
29 Volk
beilegten und die anderen Nationen als nicht gleichberechtigt
betrachteten ,
ebensowenig ihre Heere.
Aus der
hieraus
folgenden
Menschenverachtung ist jene rohe, harte und gräuelhafte Kriegszucht dem Gegner gegenüber entstanden, die alle römischen Heere, sowohl zu
ihrer Blütezeit wie
im Verfall , kennzeichnet.
Humanität war
ein unbekannter Begriff, und obwohl die Römer ein Rechtsvolk waren, auf dessen Rechtsauffassung wir heute noch zurückgreifen ,
kannten
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
183
sie kein bindendes Rechtsverhältnis anderen Völkern gegenüber.
War
der Gegner überwunden, so fiel sein Hab und Gut selbstverständlich auch Was Wert hatte, war Kriegsbeute
dem Sieger in den Schofs .
der gefangene feindliche Soldat wurde insofern als Wertobjekt betrachtet, als er für den römischen Staat arbeiten musste. Politische Verhandlungen und Verträge , nach der Niederwerfung des
Gegners,
kannte man von der Unterwerfung Italiens ab ebensowenig, sondern nur ein Gesetz , den Willen Roms, das den Frieden diktierte . Eine Ausnahme
war es ,
wenn in späterer Zeit das gestohlene Gut der
ausgeliefert oder nach billigen Regeln an die eigenen Soldaten verteilt wurde ; im allgemeinen sorgten dann die Feldherren zuerst für Füllung der eigenen Taschen. Dennoch wanderten ungeRegierung
heure Wertstücke nach Rom und thatsächlich war die Welt , soweit Blühende sie beim Ende der Republik bekannt , ausgeplündert. Länder verarmten unter römischer Verwaltung vollends.
Geld und
Wertobjekte , aus allen Ländern nach Rom geschleppt, blieben nicht ohne die schlimmsten Folgen für den römischen Staat ; und als die orientalischen Provinzen ausgesogen und das mittlerweile in und um Rom angehäufte Proletariat von dort nicht mehr befriedigt werden konnte , da begann die Zeit , dafs dieses an die Taschen der reichen Bürger Roms dachte.
Die römischen Legionen ,
welche
bis
an die
Ufer des Euphrat gedrungen, die gesamten Länder, welche das Mittelmeer umsäumt , durchstreift hatten , sie fanden auf ihren Wegen die Spuren einer älteren und innigeren Kultur , als die ihres eigenen Vaterlandes, und in diesem Bewusstsein kehrten sie heim. Aber zum Verständnis dieses Geistes kam man in Rom nie , und was die römischen Heere, die die attischen Gefilde durchschritten, an Kunstschätzen heimwärts führten , erwarb sich im Schofse der römischen Was die Römer Gesellschaft nur die Gunst eines Luxusplatzes. uns dann überliefert haben , ist verhältnismäfsig wenig , und was sie nach jenen Vorbilden selbst geschafft, noch weniger. Auf die Kriegszucht der Heere haben stets die religiösen Begriffe der Kultur einen grofsen Einfluss ausgeübt. Wo das Herz des griechischen Kriegers gebebt hätte , da schlug die römische Soldateska , ohne Gefühl und Verständnis der Religion der Schönheit, der wunderbarsten Männerfigur Haupt und Arme ab ; die Kriegszucht der Heere Muhameds und seiner Nachfolger war allein aus den Satzungen seiner Glaubenslehre hervorgegangen , und auch bei den christlichen Völkern wurde der Glaube das Triebrad zur Völkerwanderung nach dem Osten , und bei ihnen entwickelten sich unter dem Hauche des Gesetzes der christlichen Liebe neue Begriffe
184
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
Humanität und Völkerrecht --- und erzeugten eine Kriegszucht freilich erst nach mehr als 1/2 Jahrtausenden , - die die Römer für Weichlichkeit angesehen haben würden .
Die römische Religion war
die hausbackenste von allen , welche bestanden haben ; sie war eine reine Hausreligion und der Tempel der Vesta das römische Universalhaus .
Die römische Mythologie ist gegen die griechische gedanken-
und allegoriearm , und der Sieg der Letzteren über die Erstere, sowie die Verschmelzung - will sagen Umtaufe der griechischen Götter und Göttinnen in römische blieb auf das Volk ohne allen Einfluss. Die Vesta war die Schutzpatronin des römischen Hauses und Mars der Kriegsgott .
Was unter seinem Beistand errungen ,
Ersteren anvertraut.
wurde der
Schon in der ältesten römischen Zeit spricht
sich die aufserordentliche Verehrung des Kriegsgottes aus.
Die ersten
Lieder , welche die römische Dichtung erzeugte , waren Mars gewidmete Kriegslieder, und jener Gott hiefs von jeher der " niederwerfende göttliche Verfechter des Bürgertums " . Diese Hausreligion erscheint. kalt und nüchtern, aber sie entsprach der praktischen Lebensrichtung der Römer und hat der Kriegszucht ihrer Heere dieselbe Kraft verliehen , welche der muhamedanische Fanatismus und Fatalismus den Arabern einimpfte .
Die römische Geschichte ist eine Kriegsgeschichte ,
und in jedem Kriege focht der Römer für sein Haus, seine Familie , seine Gemeinde, seinen Staat , für sich selbst ; diese realen Faktoren deckten sich mit den idealen (religiösen) , beide bilden das Saatfeld der Vaterlandsliebe . So sind Homogenität und Ehrprinzip , Treue und Gehorsam , Willenskraft und Vaterlandsliebe die Träger der römischen Kriegszucht während der besseren Zeit der Republik gewesen ,
alle aus
demselben Boden erwachsen (dem Hause), alle demselben Ziele nachstrebend, der Gröfse und dem Ruhme des Vaterlandes ! Eine auf so realer Grundlage errichtete Zucht mufste Gefolge überall
haben , nach
alle Nachteile
in
ihrem
welche der Kampf um materielle und reale Güter
sich
zieht,
Härte , Grausamkeit, Verachtung der Mit-
völker, Rücksichtslosigkeit, Raub und Zerstörung, Bereicherung, Verfall in Luxus und endlich Verderb!
III. Vom servianischen Militärgesetz bis zum rullianischen (bezüglich bis zur Unterwerfung Italiens ) . Bis zum sechsten König von Rom trugen die Bürger allein die Last des Heeresdienstes, und es ist zu vermuten, dafs bis dahin nur eine Waffe, die Reiterei, bestanden hat.
Jeder Bürger war vom 18.
bis 60. Jahre dienstpflichtig, und der König hatte die alleinige Ent-
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
185
scheidung über Krieg und Frieden ; ihm fiel auch die Führung des Heeres zu. Die vielen Kriege und die Erweiterung des römischen Gebiets, die mit der Letzteren steigende Zahl der Insassen im Gegensatz zu den römischen Bürgern trieb zur ersten vollständigen Verwaltungsreform unter Servius Tullius . Die Verteidigung des heimischen Herdes war eine Ehrensache, aber diese Ehrenpflicht im Laufe der Zeit zu einer so empfindlichen Last geworden, dafs die Bürger allein sie nicht mehr zu tragen vermochten.
Obwohl die Geschichte darüber schweigt, von wem die Urheber-
schaft der ersten Heeresumgestaltung ausgegangen ist, kann doch angenommen werden , dafs sie nicht von den Insassen (Plebejern), sondern von den Bürgern selbst herrührt.
Die Ersteren sahen wohl ein , dafs
der Kriegsdienst ihnen keine Rechte ,
sondern nur Pflichten gab,
welche sie dem eigenen Berufsleben entzogen und die nebenbei noch . recht kostspielig waren . Wie hätten sie sich da zu einem solchen Mandat drängen können ?! Hatten sie doch unter dem Schirme der Wehrhaftigkeit der römischen Bürger wenn zwar rechtlos -- doch immer ruhig und sicher gelebt und noch nicht ein Mal einen Teil der finanziellen Last, die der Kriegsdienst mit sich brachte, getragen. Denn bis zu diesem Zeitabschnitt mufste der römische Bürger , der Soldat wurde , sich nicht allein auf eigene Kosten kleiden und ausrüsten, sondern er war gesetzlich verpflichtet, dem Staate im Notfalle Geld vorzuschiefsen .
Also Gebietserweiterung war das Gebot für die
erste Heeresumgestaltung, und
wie hier unter dem sechsten König
von Rom, so zieht sich dasselbe Gebot der Notwendigkeit durch die Geschichte der römischen Republik. Je menschenraubender der Kriegsdienst wurde , je
mehr mufste man der Notwendigkeit nach-
geben und schliefslich ohne Rücksicht auf Abkunft , Vermögen und Nationalität die Lücken der Heere mit dem füllen , was man fand. Unter diesen Triebfedern nahm die Auffassung von der Ehre zu dienen in demselben Mafse ab, wie die Gebietserweiterung zunahm , und im letzten Jahrhundert der römischen Republik war sie wohl allein nur unter der Reiterei
vorhanden ,
jener Waffe ,
welche bis zuletzt die
Domäne der römischen Bürger (Patrizier) blieb. Bekanntlich bildeten die römischen Gemeinden von jeher 3 Teile. Unter Servius Tullius trat nun an Stelle der Dreiteilung eine Vierteilung in gleich grofse
Gebiete,
und jeder
Gebietsteil hatte die
gleiche Anzahl zur Reiterei und zum Fufsvolk zu stellen . Die Zeit der Dienstpflicht blieb bestehen , wie sie bisher festgesetzt war, nur wurde sie insofern genauer geregelt , als man nach Altersklassen ein Angriffs-
und Verteidigungsheer bildete
(aktives Heer und Reserve).
186
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
Das erstere trug in Krieg und Frieden Waffen , das letztere nur dann , wenn es aufgerufen worden war. Zu dem ersteren gehörte von nun ab jeder römische Bürger und Insasse des Reiches vom 18. bis zum vollendeten 46. Jahre , bis 60. Jahre.
zum letzteren jeder
vom 47.
Die servianische Heeresverfassung hob den Kriegsdienst aus der engen Sphäre einer Last der römischen Bürger heraus und machte ihn für die Allgemeinheit bindend . Nunmehr mufsten alle Begüterten - gleichgültig ob Bürger oder Insassen dem Staate im Notfalle Geld vorschiefsen , nunmehr mufsten sie alle dienen . War ehemals das römische Bürgerrecht für den Heeresdienst notwendig, so wurde von nun ab der Besitz , und zwar der Grad des Besitzes , die alleinige Basis seiner Regelung , Landbesitz .
nicht der Kapitalbesitz ,
sondern der
Die kriegspflichtige Mannschaft wurde auf Grund eines Grundbesitzregisters nach der Gröfse des Landbesitzes in 5 Klassen eingeteilt. Das Register war zugleich Aushebungsrolle und vertrat in dieser Beziehung unsere alphabetischen Listen. Von den fünf Klassen musste sich die rüsten , Staate .
erste auf eigene Kosten kleiden und ausdie vier anderen erhielten Kleidung und Ausrüstung vom Aber über die Hälfte des Ländereibesitzes fiel unter die
1. Klasse ,
und so wurde festgesetzt ,
dafs auf 80 dieser je 20 der
drei folgenden und je 28 der letzten Klasse auszuheben seien . Die Ländereien der 1. Klasse befanden sich ausschliefslich in den Händen der Patrizier.
Dies blieb im allgemeinen so bis zum Ausbruch
des ersten Bürgerkrieges . Daher kann man rechnen, dafs beim Fufsvolk auf 48 römische Bürger 80 Insassen kamen ; noch ungünstiger für die letzteren war das numerische Verhältnis bei der Reiterei. Von diesen Truppen kann nur die Reiterei als stehendes Heer in unserem Sinne betrachtet werden. Das Fufsvolk wurde allein im Kriegsfalle vollzählig gemacht ; nach dem Kriege kehrte die weitaus gröfste Anzahl heim, nur schwache Cadres blieben zurück, soweit es einerseits die Formationen, anderseits die Pflege und Aufbewahrung von Waffen , Ausrüstungs- und Bekleidungsgegenständen erforderten. Die Reitere
dagegen wurde immer komplet gehalten ;
sie war im
römischen Heerwesen der Träger der Ritterlichkeit ; aus ihr ging auch eine Anzahl von Generalen hervor.
Einen eigentlichen Waffen-
stolz entdecken wir unter dem Fufsvolk erst bei Julius Cäsar , da freilich in hohem Grade , während er in der Reiterei von jeher bestand und niemals aus ihren Reihen verschwand. Sie hielt im Frieden jahraus jahrein regelmässige Übungen ab und trat als Vertreterin
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
187
der römischen Ritterschaft mit ihren glänzenden Schilden, blinkenden Speeren und mutigen Rossen bei allen Festlichkeiten auf, so dass sie die Lieblingswaffe der Römer wurde. Die Namen der ersten Schwadronen wagte niemand zu beseitigen , sie trotzten den Stürmen der Republik, und alle Vermehrungen, welche im Laufe der Jahrhunderte an Reiterei nötig wurden , lehnten sich an diesen von den ersten drei römischen Schwadronen getragenen Kriegsgeist an und vererbten sich von ihnen von Geschlecht zu Geschlecht.
Die römische
Reiterei war eine Patrizierwaffe wie nie eine ähnliche in einem anderen Staate bestehende, und sie ist es bis zum Zusammenbruch des Reiches geblieben .
Die Nachkommen der römischen Vollblutbürger
liefsen nie das Ziel aufser Augen , ihre Offizierstellen mit ihren Anhängern und Verwandten zu besetzen , und bis zur Marius'schen „militärischen Revolution in der Aushebung des Heeres " behaupteten die Patrizier noch ihre Stelle bei drei Vierteilen der römischen Reiterei. An ihrer Konsequenz und Politik war selbst die bittere Parteileidenschaft gescheitert , Besetzung
denn wir wissen ja ,
dafs die
der höheren und niederen Offizierstellen auf politischem
Wege durchging. Die Formation des Fufsvolkes war die Legion .
Servius Tullius
verdoppelte ihre numerische Stärke , indem er sie von 4200 auf 8400 Mann brachte . Die Legion war aber keine neue Formation ; war der Name ,
im übrigen
das Neue an ihr
war sie eine nach altdorischer Art ge-
rüstete und gegliederte Phalanx, die sechs Glieder zu je 1000 Mann Schwergerüsteter bildete.
Der Rest bestand aus 2400 Ungerüsteten .
In den 4 ersten Gliedern der Legion standen die Dienstpflichtigen der ersten Ländereiklasse , im fünften und sechsten die mindergerüsteten der 2. und 3 .; die 4. und 5. bildeten die 2400 Ungerüsteten oder Leichtbewaffneten (Reserveleute) . Beim Tode des Servius Tullius mögen die römischen Heere beider Kategorieen 20 000 Mann gezählt haben . Vorerst wurden mit der Zunahme der Bevölkerung die Cadres nicht vermehrt, sondern der Überschufs
an Dienstpflichtigen
den bestehenden
zugeteilt .
Nicht
allein hier, sondern in der römischen Kriegsgeschichte überhaupt ruht das Berechnen der Effektivstärke auf unsicherem Untergrund. Niemals hat man
sich an die Sollstärke irgend eines Truppenteils
gehalten. Man kann demnach nicht allein aus dem starken Kontingent, welches die römischen Bürger noch nach dieser Verschmelzung von Bürgern und
Insassen
zum Kriegsdienst stellten, sondern auch aus
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik .
188
ihrer taktischen Gliederung ersehen , die schwersten Opfer brachte, Ehre ansah,
in
wie der Bürger vor wie nach
und wie er es nicht minder als eine
den ersten Reihen
der Legion
zu
kämpfen .
Die
Unterwerfung Italiens ist denn auch eine That des bewaffneten römischen Bürgertums . Bis zu Servius Tullius war der römische Bürger zugleich Soldat, und wir haben im vorigen Kapitel darauf hingewiesen, wie dieses Verhältnis in der Kriegszucht zur Homogenität führte . Nun trugen auch die Insassen die Kriegslast , und wenn von vorne herein jene Homogenität dadurch etwas verloren ging, so war die neue Heeresverfassung doch in sofern von grofser Bedeutung, als sie Bürger und Insassen zu einem Volk verschmolz , wodurch dem ganzen Volke Geschmack und Sinn für Kriegswesen zugetragen wurde . Von nun ab hielt das Steigen der numerischen Streitkräfte mit der Erweiterung des Gebietes
gleichen Schritt.
Schutze des eigenen Reiches an den Grenzen ,
da
Da das Angriffsheer nur zum
war,
so lag es verfassungsgemäfs
und hier an den stets wechselnden
und weiter
hinaus greifenden Wachtplätzen , hier wo die männliche Bevölkerung zwischen 18 und 46 Jahren gewaffnet auf des Reiches Wacht stand, hier entwickelte der Gehorsam,
sich das Ehrprinzip, die Freundschaft, die Treue,
die Willensstärke und die Rücksichtslosigkeit,
kurz
die „ virtus “ , und ging allmählich in Fleisch und Blut des ganzen Volks über.
Die politischen inneren Kämpfe ,
welche
mit den Tagen der
Republik anfingen , übten bis zur Unterwerfung Italiens nur geringen Einfluss auf das Heer, das vorerst mit keiner politischen Partei Fühlung haben wollte, und, über den Parteien und aufserhalb der mannichfachen Verfassungskämpfe stehend , bewährte sich seine Treue, Hingabe und sein Gehorsam glänzend, bis die durch die Verfassung an seine Spitze gestellten Generale den Verfall seiner Kriegszucht herbeiführten. Nicht von unten , sondern von oben wurde. der Bau untergraben , Partei- und Eigenliebe waren die Motive. Der Parteileidenschaft und den Parteiinteressen, sowie dem durch die Vaterlandsliebe selbst geweckten Ehrgeiz fiel der Hort des Vaterlandes, der Stolz des Bürgertums zum Opfer, „die Treue und Zuverlässigkeit des Heeres " .
Die
späteren tief in die Kriegszucht
eingreifenden Verfassungsänderungen sie setzten an die Stelle des
zerstörten ihre sittliche Kraft ;
allgemeinen Interesses persönliche, an
die Stelle des Vaterlandes Ehrgeiz und Ehrsucht ; sie machten aus dem Staats- und Volksheere des Servius Tullius ein Partei- und Parlamentsheer, wenngleich die politischen Körperschaften in Rom mehr das Merkmal städtischer Gemeinden als einer parlamentarischen Volks-
189
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. vertretung in unserem Sinne tragen .
Sie schufen einen besonderen.
Soldatenstand, der sich immer mehr vom Volke entfernte , bis er sich gänzlich von diesem und seiner Verfassung löste und, in der Gewalt entschlossener Heerführer, beide über den Haufen warf. Bei ihm war von Vaterlandsliebe keine Rede mehr. digungssucht eigener Begierden, Vaterlandsliebe .
Treue,
Eigene Interessen und die Befrieeigener Leidenschaften waren seine
Gehorsam und Zuverlässigkeit kannte
er
gegen den Staat überhaupt nicht mehr und dem Feldherrn gegenüber nur so lange, wie er ihn persönlich fesselte und seine Wünsche befriedigte . Vom Kriegsdienste waren nach dem Gesetze des Servius Tullius. die nicht ansässigen Leute (Kinderzeuger, proletarii) als Kombattanten grundsätzlich ausgeschlossen ; dieser Umstand war von entscheidender Wirkung für das Ehrprinzip . Aus ihnen nahm man die Handwerker, Schuster und Schneider u. s. w., auch die Spielleute , und für den Notfall wurde jeder Legion eine Anzahl Ersatzmänner aus ihren Reihen zugeteilt ; unbewaffnet folgten sie ins Feld . EbenSO waren die Industriellen , zwar nicht nach dem Gesetz, aber doch thatsächlich wegen ihrer Nichtansässigkeit vom Waffenrecht ausgeschlossen, woraus die Geringschätzung der Gewerbe in der römischen Geschichte hervorging. Die Reiterei war die theuerste sowie die am schwersten zu beschaffende Waffe,
und
wenn
sie sich auch zum gröfsten Teile aus.
der ersten Klasse der Besitzer ergänzte, so vermochte dieselbe doch nicht immer alle Freistellen zu besetzen . Da sie ferner im Frieden auf Kriegsfufs gehalten wurde , so verursachte sie empfindliche Kosten, und um diese gerecht zu verteilen, führte schon Servius Tullius eine Wehrsteuer ein.
Unverheiratete Frauen ,
unmündige
Knaben und
kinderlose Greise , die Grundbesitz hatten, mufsten den unvermögenden Reitern die Pferde stellen und füttern .
Wir erwähnen das hier,
weil die Wehrsteuer eine Zeitfrage ist , und bemerken dabei ,
dafs
gegen das letzte Jahrhundert der Republik noch eine schärfere Wehrsteuer eingeführt wurde . *) Unter dieser Verfassung
erreichte die Kriegszucht ihre
Blüte-
periode, unter ihrem Hebel wurden Bürger und Insassen thatsächlich eins , unter ihren strengen Gesetzen das italienische Gebiet unterworfen, und das konsequent im Auge gehaltene Ziel
der
militärischen
Erziehung , „ Empfänglichkeit für Sieg und Ruhm", sowie das Bewusstsein des Volkes , alles, was es erreicht hatte, nur durch sich
* Übrigens hatte die Wehrsteuer auch schon bei den Korinthern bestanden.
190
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
selbst und aus sich selbst hervor erkämpft zu haben, ergab jene Homogenität, jene heroische Opferwilligkeit, jene glühende Vaterlandsliebe, unter deren mächtigem Zauber die Legionen zur Erkämpfung der Weltherrschaft Roms ansetzten. Der fundamentale Satz
unseres Heerwesens :
kein entehrendes Verbrechen begangen ,
„Jeder ,
welcher
ist dienstpflichtig ," wurde
nicht von unseren grofsen Patrioten ins Leben gerufen , sondern er war die Kardinalbedingung des römischen Heerwesens ; er ist vielmehr, nachdem er lange geschlummert, wieder zu neuem Dasein erweckt worden und er mufste im modernen Leben zu demselben Erfolge führen , wie es im römischen der Fall war. Denn die Kriegszucht jedes Heeres gründet sich auf dieselben Bedingungen und wird sich immer auf dieselben gründen, so lange es ein Heerwesen giebt. So präzisiert wie
in unserer Heeresverfassung tritt die Form
des
Ehrprinzips freilich auch in der Blüteperiode der römischen nicht auf, und kein Geschichtswerk erzählt von ihrer Existenz ; aber die hohe Achtung, die die Römer vor der gesitteten Stellung des Mannes hatten, die Ehrbarkeit und Schlichtheit ihres Lebens, das römische Bürgerrecht, das später auch auf begüterte Insassen überging, sie brachten denselben Begriff zum Ausdruck und machten ihn ebenso zur Vorbedingung der Würdigkeit des Waffentragens , wie unser formvollendeter und abgerundeter Gesetzesparagraph. Die Gesetze der römischen Kriegszucht lassen sich in folgende zusammenfassen: 1. Der König ist der oberste Verwalter, Richter und Feldherr. Er steht über dem Gesetz . 2. Von dem Augenblick ab, wo er die oberste Gewalt feierlich übernommen, ist ihm, wie der Bürger und Insasse, jeder Soldat Treue und Gehorsam schuldig. 3. Die Besetzung der Ämter und Verteilung der Offizierstellen steht ihm allein zu. 4. Den Oberbefehl im Kriege führt der König . 5. Die Person des Königs ist heilig und unangreifbar. 6. Der König kann selbständig weder den Krieg erklären, noch Frieden schliefsen . Für beides mufs er das Urteil der Bürger einholen . 7. Jeder Bürger und begüterte Insasse ist wehrpflichtig. 8. Die Dienstzeit im Feldheere rechnet vom 18. bis zum 46. Jahre. 9. Die im Reserveheer vom 47. bis zum 60. Jahre . 10. Die Bekleidung ,
Ausrüstung und Besoldung
der
Soldaten
liegt, mit Ausnahme der Ausgehobenen der 1. Klasse, den Gemeinden ob.
191
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
11. Jedem Soldaten steht der Weg zu den Offizierstellen offen. 12. Die Strafgewalt wegen aller Vergehen - nicht militärischer wie militärischer - untersteht dem Feldherrn und seinen Sachwaltern (Offizieren) . 13. Jeder
selbständige Kommandeur kann nach eigenem Ermessen bis zur Verhängung der Todesstrafe gehen. 14. Ungehorsam und Unpünktlichkeit werden im Frieden mit
körperlichen Züchtigungen geahndet (Stockschläge) .*) 15. Im Kriege ziehen Ungehorsam, Untreue, Feigheit und Überlaufen Todesstrafe nach sich. 16. Das Feldheer ist zur Verteidigung der Landesgrenzen da. Es steht demnach bewaffnet an den Grenzen . Seine sowie die Aufrufung des Reserveheeres steht dem Könige zu. 17. Das letztere trägt im Frieden keine Waffen und übt ebensowenig. 18. Die Entlassung des ersteren, nach Beendigung des Krieges, untersteht dem Könige . 19. Das Ehrenwort ist verbindlich. 20. Der Feldherr (König , Konsul) darf nicht an der Spitze eines Heeres innerhalb der Stadtmauern auftreten. 21. Hat er den Oberbefehl übernommen , so ist sein Platz im Lager ; die eigentliche Stadt darf er nicht regelmässig betreten . 22. Der Feldherr Pferde. **)
steigt als Führer des
Fufsvolkes
nicht zu
23. Alles eroberte unbewegliche wie bewegliche Gut ist Eigentum des Staates. 24. Der Feldherr darf sich weder mit letzterem bereichern , noch ersteres eigenmächtig verwalten. 25. Der Feldherr hat das Recht ,
besondere Leistungen
Soldaten mit beweglichem eroberten Gut zu belohnen , bestimmten Fällen .
eines
aber nur in
26. Feindliche Gefangene sind Sklaven. 27. Ihr Loos hängt von ihrem Verhalten und dem Gutachten des Feldherrn ab. 28. Er kann sie töten , verkaufen , zu schweren Arbeiten und Anlage von Kolonien verwenden lassen ; Austausch ist erlaubt .
*) Ob und wie Trunkenheit im und aufser Dienst , im Kriege und Frieden , geahndet wurden, ist nicht bekannt. **) Wurde bereits im Kriege gegen Pyrrhus aufgehoben. Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
13
192
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. 29. Feindliche
Städte ,
welche
sich verteidigen ,
verfallen wie
feindliche Gefangene der Bestimmung des Feldherrn .*) 30. Der Feldherr hat nicht allein das Recht
der Verhängung
der Todesstrafe über die Gemeinen , sondern auch über die Offiziere. 31. Jeder römische Bürger Kriegszeiten Quartier ,
und Insasse hat dem Soldaten in
Stroh und Holz
dieser Kosten trägt die Gemeinde .
zu liefern.
Ebenso
unverzüglich Transportmittel und Vorspann
Die Deckung
haben die zu stellen ,
Gemeinden welche von
der Militärbehörde nachgesucht werden. 32. Die Verpflegung des Heeres
im Kriege erfolgt auf Grund
der Ausschreibungen des Feldherrn . Die Kosten tragen die Gemeinden . In der Provinz oder auf feindlichem Gebiet erhalten die Heere sich durch Requisition . Ob eine Scheidung in höhere und niedere Gerichtsbarkeit bestanden, ist nicht erwiesen ; es kann auch nicht angenommen werden. Die Kommandeure der Centurien und Schwadronen hatten Strafgewalt (Disziplinargewalt). Näheres darüber ist nicht überliefert. Aber ein Umstand mufs hervorgehoben werden , der sich durch die gesamte römische Kriegszucht verfolgen läfst , nämlich , dafs im Frieden verhältnismäfsig wenig und leicht, im Kriege unnachsichtlich strenge gestraft wurde .
Nichtmilitärische Vergehen ,
wie
z . B. Diebstahl ,
zogen nach
römischem Recht die gleichharte Strafe wie Landesverrat nach sich, und unnachsichtlich verfiel der Soldat , der ihn beging , dem Gesetz . Ebenso wurde Ungehorsam, Treubruch , Überlaufen, Feigheit geahndet und die Lagerordnung im Kriege und an den Grenzen mit unnachsichtiger Strenge aufrecht erhalten. Dagegen wurden Abweichungen von der Bekleidung, sowie Unpünktlichkeit im Frieden kaum oder sehr gering bestraft , eine Erscheinung, die auch bei Julius Cäsar zutrifft.
Der Grund , dafs Uniformvernachlässigungen in der Regel gar nicht beachtet wurden, mufs darin gesucht werden , dafs sich bis zu Servius Tullius alle Soldaten selbst auszurüsten und zu kleiden hatten und von ihm bis zum Ende der Republik ein Teil. Ob ein Soldat dabei im Frieden nach eigener Phantasie militärische Windbeutelei trieb , war Offizieren und Heerführern gleichgültig . Auch über die Ehrenbezeugungen der Unteren dem Oberen gegenüber herrscht im allgemeinen Dunkel. haft ,
Dafs solche bestanden haben, ist unzweifel-
aber über ihre Form und die Bestrafungen gegen Zuwider-
*) Über das Loos feindlicher offener Städte ist nichts bekannt.
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
193
handlungen ist uns nur weniges, in jedem Falle ungenügendes überliefert. Der Übergang des Königtums in die Republik änderte an den servianischen Bestimmungen nichts. Die Konsuln kann man nicht anders. als zwei auf Jahreszeit gewählte Könige bezeichnen , die
während
ihrer Amtsdauer unverletzlich waren,
wie jene, und aufserhalb des Gesetzes standen . Sie hatten die oberste Verwaltung , das Richterund Feldherrnamt inne. Indessen verkannte man auch in der Republik den Vorteil der vereinten Gewalt in einer Person im Kriege nicht, und darum wurde denn neben den Konsuln ein Diktator mit absoluter Machtvollkommenheit ernannt, der sich als Stütze einen magister equitum (Untergeneral) wählte . Hierin liegen freilich --- im Vergleich zum Person war -
servianischen Gesetz , wo der König alles in seiner die Anfänge der Teilung der bürgerlichen und
militärischen Gewalt , und von nun ab beginnen sich auch die Begriffe Bürger und Soldat schon von einander zu lösen . Denn der Feldherr war und blieb unumschränkt wie der König und handelte danach den Soldaten gegenüber , während der Bürger und Insasse, der nicht Soldat war , unter dem Gesetze stand. Noch ein anderer Umstand mufs erwähnt werden , welcher in späteren Jahrhunderten die politischen Parteikämpfe direkt ins Heer trug und seine Kriegszucht zerstörte . Nach servianischem Gesetz konnte , wie wir angedeutet, jeder Bürger oder Insasse (Plebejer) Offizier werden, und sein Emporsteigen zu den höchsten Stellen hing vom Feldherrn , später von der Centurienwahl ab. Dagegen waren die Plebejer von allen Gemeindeämtern und Gemeindepriestertümern ausgeschlossen und eine Ehe zwischen Bürger und Plebejer gesetzlich ungültig. Diese heillose Bestimmung war eine der Hauptursachen des späteren Zwistes der Parteien und ihrer erbitterten Kämpfe. Sie untergrub die ehemals erhabene Stellung der Frau, sie leistete den Halbehen Vorschub und
erzeugte
ein Verhältnis
unter beiden Geschlechtern ,
welches
unserer modernen Halbwelt gleichkommt. So lange die römischen Frauen ehrbare Mütter waren und als solche geachtet wurden, stand es mit Ehrbarkeit und Sittenreinheit , Mut und Pflicht , mit Volksund Heerwesen gut,
und auch die Kriegszucht der Truppen blieb unangetastet von dem Krebsschaden des römischen Gassenwesens , welchen die Halbehen nach sich zogen , die dem Manne Kraft, Leidenschaft und Stolz raubten
und
ihn den
weichlichen und konspiren-
den Einflüssen von Kebsweibern und - modern zu sprechen - Blusenmännern auslieferten, beide stets Verbündete, wo es sich um Umsturz und Befriedigung handelt, im heutigen Paris genau wie im alten Rom. 13 *
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
194
Was konnte, was mufste daraus werden, wenn der eine Plebejer im Heere eine hohe Stellung einnahm , wenn er womöglich selbst Feldherr mit königlicher Gewalt wurde und seine nächsten Verwandten rechtlos im Staate
standen ?
Damit mufste
die Sucht
in die Kriegszucht getrieben werden , dafs jeder zu Ansehen und Macht gelangte Plebejer sie seine Macht fühlen liefs ; damit mufsten Rivalität und Mifsgunst der Stände ins Heer übergehen und in Parteien zerbröckeln .
dieses
In kein Heerwesen hat denn auch das poli-
tische Parteiwesen so verderbend eingegriffen, wie in das römische, und
die strenge Kriegszucht , welche bis zur Unterwerfung Italiens
herrschte, fiel schmählich dem Neid , der Herschsucht und Mifsgunst zum Opfer ; nirgendwo hat auch der Nepotismus so viel gesündigt.
Noch
bevor die Unterwerfung Italiens erreicht, zeigten sich die Folgen der vorhin angedeuteten Parteiverhältnisse, und die erste Revolution, welche Rom gesehen , war eine Militärrevolution ", aus dem sozialen Leben heimlich entkeimt.
Der Adel hatte den Bauern gegenüber das Schuld-
recht rücksichtslos gehandhabt, und als man vor einem Kriege stand (495) , verweigerte die Bauernschaft ihre Gestellung zur Aushebung. In dieser Not wurden die Schuldgesetze suspendirt, und nun stellten sie sich. Der Sieg war erfochten , und als das Heer heimkehrte, legte der Diktator Manius Valerius dem Senat Reformvorschläge vor, die die Stellung der Bauern verbessern sollten .
Der Senat lehnte
sie nach überstandener Gefahr ab .
Noch lagerte das Heer geschlossen vor den Thoren der Stadt, als es die Entscheidung vernahm, und gebrochen war zum ersten Male seine Treue dem Feldherrn gegenüber.
Unter Führung der Bezirkskommandeure, die meist plebejische
Kriegstribunen und von den Centurien gewählt waren ,
zog
es in
militärischer Ordnung nach einem Hügel zwischen Tiber und Anio, der seitdem der heilige Berg genannt wurde, und besetzte ihn.
Diese
Thatsache ist wert , genauer untersucht zu werden . Man kann mit Sicherheit annehmen, dafs damals höchstens 1/3 der Legionäre aus Bauern bestand, den Rest bildeten Adel und Bürger.
Aber so hatte
sich in dem eben beendeten Kriege der Korpsgeist entwickelt , die Mehrzahl ,
daſs
welche gar keinen Grund zur Unzufriedenheit hatte,
von der Minderzahl fortgerissen wurde.
Der Senat gab nach.
Die
Revolution war zwar unblutig verlaufen , aber verhängnisvoll für die römische Kriegszucht.
Der Gegensatz zwischen Heer und Senat war
in offenen Bruch übergegangen , und die Autorität der obersten Gewalt unter den Willen des Heeres gebeugt worden.
Das Heer selbst hatte
die heilige Person des Konsuls verlassen und den Weg der offenen Auflehnung betreten ,
und was das schlimmste war ,
das Andenken
195
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. an diesen Treubruch wurde eine festliche Erinnerung.
Die erbitterten
Kämpfe um die Ausgleichung der Stände warfen von nun ab überall ihre Schatten auf die Kriegszucht , denn es lag in der Eigenart der römischen Verfassung , dafs in ihr Volk , Parteien , Stände und Heer vereint, aber auch getrennt wurden .
Unter den Dezemviren stieg die
Not der Bauern wiederum, eine doppelte Anzahl von Rekruten muſste ausgehoben werden, um im Innern und bei den gleichzeitigen Kriegen gegen Volsker und Samniter genug Soldaten zur Hand zu haben. Da fand man eines Morgens den tapfersten Volkstribun L. Dentatus vor dem Lager ermordet ; man schrieb die That den Umtrieben der Dezemviren zu ; die Erbitterung stieg, und zum zweiten Mal verliefs das
Heer
seine
marschierte wählte.
Führer ,
durchzog
die
wieder auf den heiligen
Die
Folgen hiervon
Strafsen
Berg ,
der
wo es
Stadt
und
seine Tribune
waren die „Kriegstribunen mit kon-
sularischer Gewalt" , die der Adel den Plebejern zuerkannte . Centurien wählten sie auf die Amtsdauer des Konsulats. -
Die Der
Weg zu den Offizierstellen stand seit Servius Tullius jedem Plebejer offen, jetzt erforderten aber die mannigfachen Kriege mehr Feldherren mit konsularischer Gewalt als die Verfassung zuliefs , und da diese Kriegstribunen aus der Wahl der Centurien hervorgingen , so waren die Feldherrnstellen zum gröfsten Teile bald mit Plebejern besetzt. Schnell nach einander folgten weitere entscheidende Zugeständnisse
an die Plebejer.
445 wurde die Gültigkeit gemischter Ehen
aus beiden Ständen
gesetzlich
Zahlmeister ,
den
auch
anerkannt,
Plebejern
421 ,
dieses
Amt
bei Errichtung der zugesichert,
366 wurde L. Sextius der erste plebejische Konsul.
und
Aber alle diese
Zugeständnisse und Ausgleichungen vermochten die nun ein mal bestehende Rivalität der Klassen nicht zu beseitigen, und der Klassenhafs , welcher die Geschichte der römischen Republik durchzieht, spiegelt sich allmählich im Heerwesen selbst wieder. In Bezug auf die Machtvollkommenheit der Feldherren ( Konsuln , Diktatoren) trat
eine
empfindliche Einschränkung ein .
Eine der
Hauptparagraphen der römischen Kriegszucht, der sagte, dafs „alles bewegliche und unbewegliche Gut, welches der Soldat im Kriege eroberte, dem Staate anheimfallen mufste ", scheint nicht immer beachtet worden zu sein, und eine Kontrole der am Feinde stehenden Feldherren war nicht möglich .
Um diese zu erreichen , wurden ihm
zwei Zahlmeister zur Seite gestellt (Quästoren) . Kriege verschlangen viel Geld . teren Klassen ;
nun
Die fortwährenden
Die Not stieg dadurch bei den un-
kam noch hinzu,
dafs
das Fufsvolk seit dem
Vejenter- bis zur Beendigung der Samniterkriege auch während des
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
196
Winters im Dienst gehalten wurde, und da der Sold für das Heer von den Gemeinden aufgebracht und bezahlt werden mufste , so griff die Verarmung bis zu völliger Erschöpfung der unteren Klassen um sich. In dieser Lage übernahm der Senat die Soldzahlung auf Rechnung der indirekten Abgaben aus Domänen, eine Mafsregel von weitgehendem Einfluss.
War der Soldat, wie angeführt,
gesetzlich (moralisch) vom Bürger gelöst worden, nun auch materiell, tretende
persönliche
Feldherren
so löste man ihn
welcher Umstand für das in den Vordergrund Verhältnis
zwischen
Soldaten
wichtig ist ; hinter dem Feldherrn
und
traten Staat und
Vaterland mehr und mehr zurück, und der Soldat, der nach und nach in seinem Feldherrn die Staatsgewalt zu erblicken glaubte, betrachtete auch seine Besoldung als von diesem herkommend. Zu diesen Neuerungen trat eine andere wicht.
von gleichgrofsem Ge-
Die servianische Klasseneinteilung der Bürger und Insassen
lieferte bei
den menschenverschlingenden Kriegen
nötigen Ersatz .
Das
wurde besonders
nicht mehr den
im Etruskerkriege fühlbar,
und daher dehnte Quintus Fabius Rullianus die Wehrpflicht auf alle nicht Ansässigen aus ( 304) , mit der Bedingung, dafs jeder ein Minimalvermögen von 900 Mark nachweisen konnte.
Der Etruskerkrieg
führte die Unterwerfung Mittelitaliens, der gegen Pyrrhus die von Unteritalien unter die römische Herrschaft herbei und mit der Besitznahme von Tarent standen Rom die Meere offen. Gesamtitaliens
(266)
70 Jahre später,
folgte dem
rullianischen
Die Unterwerfung Gesetze zwar erst
aber man kann doch annehmen,
zucht der Römer bis
dafs die Kriegs-
zu diesem Zeitabschnitt auf dem Ehrprinzip
ruhte, und dafs der Kriegsdienst vom Staate und den ansässigen wie nichtansässigen Bürgern als eine Ehrenpflicht betrachtet wurde. Noch hatte ja kein Proletarier in der Legion gestanden , darin gefochten und für Roms Gröfse gesiegt .
In dieser ganzen Periode hatten die
römischen Legionen nur zwei schimpfliche Niederlagen erlitten. eine gegen die Samniter, die andere gegen die Celten.
Die
Die ersteren
schonten den Römerstolz nicht, sondern beugten ihn unter das kaudinische Joch ;
als
dann der römische Senat die Kapitulation seiner
Feldherren zerrifs, die übrigens in dieser Lage den Rat der Bürger nicht hatten einholen
können und gegen die Bestimmungen
des Gesetzes verstofsen mufsten , da zeigte sich die Kriegszucht der Samniter den zurückgehaltenen römischen Geiseln (Stabsoffiziere
und Reiterei)
gegenüber in wahrhaft grofsmütiger Weise.
Die Römer brachen den mit Samnium geschlossenen Vertrag und begannen den Krieg von neuem.
Dennoch gaben
die
Samniter den
197
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. Geiseln die Freiheit, deren Haupt sie fordern konnten .
Niemals
haben Römer dem Feinde gegenüber gleich edel gehandelt, und die Lehre,
welche ihnen das hartnäckige Bergvolk am Eingang ihrer
Bahn erteilte , blieb unbeachtet.
Weder der römische Feldherr noch
der römische Soldat kannten Grofsmut.
T Ca
22
Dieses Beispiel lehrt schla-
gend, dafs Grofs- und Edelmut (Humanität) schon von Feldherren geübt wurden, als der Begriff noch keinen Namen hatte, und als es noch kein Volksrecht gab,
und
dafs
die persönliche Ehre, das Ge-
wissen und die Notwendigkeit ihre Hauptleiter gewesen sind und sein werden . Hätten aber an Stelle der Samniter Römer gestanden, sicherlich wäre dann das Leben der Geiseln dahin gewesen . Die zweite schimpfliche Niederlage erlitten sie gegen Bren-
નૈ en
nus an der Allia ( 390) . Stets vom Siege begleitet, hatte die römische Kriegszucht bereits damals jenen Hochmut angenommen , welcher wiederholt zum Verderben der römischen Waffen beitragen (Punier,
Cimbern und Teutonen, Germanen) .
sollte
Die an Mittelitalien
angrenzenden Celten waren ein unruhiges, wildes , kriegerisches Volk, gewohnt bis tief in die angrenzenden Länder zu streifen .
Aber die
Römer waren von ihrer Unbesiegbarkeit überzeugt . Geringschätzend betrachteten sie die Wilden, gänzlich unbekannt mit ihrer Kampfart ; die Folge war vollständige Niederlage , Flucht und Zersprengung ihres Heeres .
Brennus zog in Rom ein, welches er in Flammen aufgehen
liefs, und niemals vergafs Rom die erste Berührung mit seinen nördlichen Nachbarn, die ihm schon in der nächsten Periode so vortreffliche Dienste leisten sollten, und welche eher die Erkämpfer der Weltherrschaft Roms genannt zu werden verdienen als die Italiker. Ein merkwürdiges Geschick vollzog sich an dem ersten Eroberungsvolk der Welt.
Schon 5 Jahrhunderte hatte es vom Kriege und
Kampfe gelebt und Ruhm und Sieg nachgestrebt, da platzten römische Legionen und griechische Phalanx aufeinander und die beiden Feldschlachten Herakleia und Ausculum wurden Niederlagen der Römer. Unleugbar war Pyrrhus allen römischen Feldherren jener Zeit riesenhaft überlegen,
seine Mafsnahmen und Operationen
verrieten nicht
weniger die alexandrinische Schule als sein persönliches Verhalten . Pyrrhus war ein Feldherr, seine Gegner unbedeutende Taktiker, die sich im kleinen Kriege (Samniter , Etrusker) gebildet hatten , mit welchen in moderner Zeit die französischen Generale verglichen werden können,
die
sich
ihre
Lorbeeren in
Algier erkämpft haben.
Pyrrhus unterlag nicht der höheren Führung der Gegner, sondern den unsicheren Bedingungen, auf denen
seine Feldzüge beruhten.
eigene Einsicht von der Unmöglichkeit,
Die
sie zu dauerndem Erfolg
198
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps .
ausnutzen zu
können,
nicht minder die römische Zähigkeit, Rück-
sichtslosigkeit und Consequenz, jene gewaltigen Hebel ihrer Kriegszucht, welche ihre fabelhafte Spannkraft erst in der Stunde der Gefahr entwickelten, sie sind seine Widersacher und Überwinder gewesen. Niemals schafft sich die Stimme der Notwendigkeit so Gehör wie im Kriege ,
und niemals griff ein Volk so zu allen
Mitteln, ob gesetzlich oder nicht , als diese Römer, wenn damit die Gefahr vom Vaterlande fern gehalten werden konnte. Zur Schlacht von Herakleia waren nach rullianischem Gesetz bereits nichtansässige Bürger ausgerückt,
und als den Senat die Hiobspost von
ihrem Verlust erreichte, da verfügte er die sofortige Einreihung des brauchbaren Proletariats , und unter dem Heere von 80 000 Mann, welches bei Ausculum wieder geschlagen wurde, standen nur 20 000 römische Bürger und 8000 Reiter. Diese Mafsregel hatte nur die höchste Not gebieten können .
Das wird verständlich, wenn man be-
denkt, dafs die Einstellung des Proletariats gesetzwidrig erfolgte, und wie verächtlich der römische Bürger auf dasselbe herabsah. Die Kriege gegen Pyrrhus sind für die römische Feldherrnkunst nicht ruhmvoll, aber hier noch zeigte sich ihre Kriegszucht rein und nicht angefressen von den gemeinen Trieben späterer Zeit. Pyrrhus entliefs nach der Schlacht bei Herakleia die römischen Gefangenen auf Ehrenwort zu der Feier der Saturnalien. hergehenden Friedensverhandlungen zerschlugen sich ;
Die neben-
aber als der
Krieg von neuem begann, da stellten sie sich wieder, keiner brach sein Wort. (Fortsetzung folgt.)
XV .
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. Von
L. Sander , Oberst z. D. (Schlufs.) III.
Erfordernisse bei
einer nochmaligen Reorgani-
sation des Ingenieurcorps . Bei der Besprechung einer Organisation des Ingenieurcorps nehmen wir Abstand von einer genaueren
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps. Etatisierung desselben und überlassen
199
die diesbezüglichen Feststel-
lungen dem Bedürfnis, wie es sich mit mehr oder minder scharf ausgesprochener Notwendigkeit wohl bald genug herausstellen würde. Wir verbleiben ferner bei einem einigen Ingenieur- Offiziercorps ,
welches auch die Offiziere der Pioniertruppe giebt . Die Offiziere aufserhalb der letzteren werden wir vorzugsweise einfach Ingenieure nennen. 1. Pioniere. Die Pioniere haben wir in Anbetracht unseres schon mehrfach angedeuteten Zweckes gewissermafsen nur ergänzungsweise zu betrachten .
Sie bleiben insofern in demselben Verhältnis zum Ingenieurcorps , wie bisher ,
als
die Ingenieuroffiziere
bei ihnen ihre Laufbahn be-
ginnen und mit den durch die einschlagenden Verhältnisse gebotenen Pausen als Truppenoffiziere dienen. Wir sind der Meinung , dafs die Organisation der Pioniere eine Änderung nicht erfordert, und dafs namentlich es recht wohl möglich ist ,
dafs einerseits die Offiziere
schiedenen Zweigen
die gehörige Kenntnis in den ver-
des Pionierdienstes
erlangen ,
andererseits
die
Mannschaften zu einer befriedigenden Fertigkeit darin gebracht werden. Im übrigen soll damit nicht ausgeschlossen sein , dafs nicht noch mancherlei geschehen könnte , um den Übergang der Pioniere in die Kriegsformation und demnächst die Verwendbarkeit derselben in allen neu formierten Teilen zu begünstigen.
2. Ingenieure. Wir hatten uns bereits dahin ausgesprochen, dafs den Ingenieuren die Bauausführung abzunehmen sei . Worin demnächst ihr Dienst zu bestehen habe, soll nun, bevor wir zur Organisation selbst kommen, in den folgenden drei Abschnitten besonders dargelegt werden . a) Theoretischer Dienst. Unter dem theoretischen Dienst begreifen wir den Teil der auf die dereinstige Kriegsverwendung gerichteten Beschäftigung, welche sich nicht anders , als durch Wort oder Schrift darstellt . um
Derselbe ist gerade bei den Ingenieuren von
so gröfserer Wichtigkeit ,
weil die
praktische Vorübung
ihrer
Dienstzweige für den Krieg hauptsächlich des Kostenpunktes wegen nicht in dem Mafse betrieben werden kann, wie bei den übrigen Truppen , und von den beiden hierbei zu verfolgenden Hauptrichtungen , als Fortbildung der Wissenschaft und Übung an Aufgaben über bestimmt bezeichnete Fälle, kann daher die letztere als Ausgleichungs-
200
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
mittel jenes Umstandes bei den Ingenieuren kaum entbehrt werden. Erstere aber etwa einem Comité ganz
allein zu überlassen ,
scheint
uns hier weder geboten, noch überhaupt nützlich . Als Gegenstände dieses Dienstes stellen sich die folgenden dar : Die anderen Truppen. Auf der Wirkung ihrer Waffen und der hierauf begründeten Taktik beruhen die von den Werken des Ingenieurs zu fordernden Eigenschaften .
Sich von den Fortschritten
und überhaupt den Änderungen , welche hierin gemacht werden, in Kenntnis zu halten und mit allem wohl vertraut zu bleiben, ist daher für den Ingenieur das
erste.
Dazu dient das Studium der Regle-
ments und Vorschriften , sowie das Beobachten der Übungen .
der sonstigen Litteratur , demnächst
Der Pionierdienst (Sektions- und allgemeiner). Der Pionierdienst ist ,
wie oben erwähnt ,
ein besonderer Zweig des Ingenieur-
dienstes, und die Ingenieure treten nach Mafsgabe der Verhältnisse dazu über. Auf die diesfällige theoretische Übung derselben, so lange sie aufser direktem Verbande mit den Pionieren stehen , also weniger ankommen ,
als
indem einmal ermittelt wird ,
auf die Fortbildung was
könnte es
dieses Dienstes,
die eigene Taktik erfordert , und
aufserdem beobachtet, was in dieser Beziehung bei anderen Armeeen geschieht.
Die Pioniere selbst können sich damit nicht abgeben und
thun besser ,
wenn
sie sich lediglich darauf legen , ihre jedesmalige
Jahresübung nach fester Norm zu betreiben. Befestigung.
Die Feldbefestigung ist ein Teil des Pionier-
dienstes und es gilt deshalb hierüher dasselbe wie dort. Die permanente Befestigung ist zwar weniger mobil als
jene ,
indes machen sich doch schon bei jeder Neuanlage , sobald man sie ganz fertig sieht, und wenn namentlich die Benutzung derselben von den verschiedenen Branchen weiter durchgearbeitet wird,
allerlei Wünsche geltend, die geprüft sein wollen. Daneben tauchen neue Probleme in Verwendung der Waffen in verschiedenen Richtungen auf,
welche berücksichtigt werden müssen. Damit ist denn die Fortbildung dieser Kunst schon hinlänglich angeregt . Für die
theoretische Übung darin wird , wie wir weiter sehen , gesorgt sein.
hinlänglich
Die provisorische Befestigung unterscheidet sich nur dadurch von der permanenten, dafs dabei nach Mafsgabe der Zeit und Mittel nur eine Art behelfsweisen Baues in Anwendung kommt. Es ist natürlich , machen
dafs die Untersuchung über die Fortschritte, die man
musste ,
für den
Behelfsbau doch wohl
wichtig ist, als für den permanenten .
fast nicht minder
Festungsbauten in provisori-
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps .
201
schem Charakter werden aber im Frieden fast gar nicht ausgeführt, und es würde deshalb die theoretische Übung dafür das Beste thun müssen. Fortifikatorische Festungsarmierung .
Obgleich jetzt die
Anlage neuer Festungen und die Verbesserung der alten künftige . fortifikatorische Armierungen mehr und mehr erleichtert , so werden dergleichen doch nie aufhören , eine wichtige Rolle zu spielen, ganz abgesehen von dem möglichen Falle, dafs bei drohendem Kriege eine provisorische Befestigung angelegt wird, vorbehaltlich ihrer fortifikaDie Fortbildung dieses torischen Armierung zu geeigneter Zeit. Gegenstandes scheint uns mit derjenigen der provisorischen Befestigung zusammenzuhängen. Übung desselben kommt im Frieden nur in sehr beschränktem Mafse vor und es müfste auch hier die theoretische Übung die Lücke ausfüllen . Die einmal abgeschlossenen Armierungsentwürfe der Festungen brauchten dabei nicht immer wieder hervorgezogen zu werden . Festungskrieg.
In
dem Bilde ,
welches
man
sich hiervon
macht, pflegt man zunächst Festungswerke zu erblicken , wo Geschütze von einer Stelle heraus- und hineinschiefsen . Beiderlei Werke und selbst die
sich im Feuer gegenüberstehenden Geschütze sind aber
gewissermassen tot , und es mufs erst durch anderweitige Truppenthätigkeit Bewegung hervorgebracht werden . Dies kann wiederum gröfstenteils nur mit Hülfe der Ingenieurarbeiten geschehen , geht daraus hervor ,
dafs
in Anordnung
auf eine Fortbildung Bedacht alledem finden bekanntlich
zu nehmen
statt.
Bei
und es
der letzteren nicht minder ist.
Friedensübungen in
allem guten Willen sind sie
aber in verschiedener Hinsicht überhaupt nur beschränkt und die Fortführung der Arbeiten im Innern der Werke kann fast gar nicht zur Darstellung gebracht werden . eigentlich weder Artillerie- ,
wie diejenigen der neuesten Zeit
und dafs der Hergang ungefähr in der
zweiten Hälfte der Belagerung ist .
dafs sich bis jetzt
noch Ingenieur- und sonstige Truppen-
thätigkeit an einer Fortsfestung , sind , hat erproben können ,
Dazu kommt ,
einer solchen Festung noch Problem
Hier mufs also wieder die theoretische Übung
aushelfen ,
die
sich dann, um den Gegenstand doch nicht unerwähnt zu lassen, auch mit Besetzung der Festungen und Bearbeitung diesfälliger Pläne zu befassen hat. Das jahrelange Verbleiben von b) Praktischer Dienst.
nahezu der Hälfte der Offiziere des Ingenieurcorps in solch theoretischem Dienst würde offenbar keine günstige Wirkung hervorbringen , und wenn man jetzt Baumeister ausbildet, so müfste man sich damit
202
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
Theoretiker schaffen.
Die Ingenieure
müssen
daher auch in prak-
tischen Dienst hineingezogen werden, selbstverständlich in der dafür günstigeren Jahreszeit ,
und wiederum auch nicht mehr , als es eine
gedeihliche Ausbildung der Theorie und Übung in derselben zulässt. Während wir dann zu der letzteren auch noch das Beiwohnen und Beobachten von Übungen rechnen, so setzen wir bei dem praktischen Dienst voraus ,
dafs
der Ingenieur wirklich als Dienstthuer eintritt,
übrigens unter Ausschlufs der gelegentlichen Abhülfe von anderweitigem Offiziermangel auf diesem Wege . Als die in der uns vorliegenden Beziehung zu
bevorzugenden
Zweige des praktischen Dienstes sehen wir die folgenden an : Pionierdienst. Hierbei kommen die grofsen Pontonier- und Belagerungsübungen besonders in Betracht. Die kleinen Übungen dieser Art müfsten dann aushelfen ,
wenn man
mit ersteren nicht
auszureichen gedächte . Teilnahme an Schanzenbau und einzelnen Zweigen des allgemeinen Pionierdienstes rechnen wir schon zu den Ausnahmen, und die Detailübung des Sektionsdienstes schliefsen wir ganz aus. Dienst der anderen Waffen.
Das Teilnehmen am Dienst
anderer Waffen halten wir für den Ingenieur , direktem Verband mit den Pionieren steht ,
so
lange
für wichtiger ,
er aufser als das-
jenige an dem Pionierdienst selbst ; einfach deshalb, weil er in letzterem manche der ihm so nötigen Erfahrungen gar nicht machen kann . Die Auswahl der Waffen betreffend, so steht ohne Frage die Infanterie oben an, weil gerade diese es ist, mit welcher der Ingenieur im Kampfe zusammenzugehen hat , sei es im freien Felde oder vor Festungen.
Die
Zeit der Ausbildung der Compagnieen und
der
Bataillone würde dem Ingenieur in dieser Beziehung zwar auch nützliches bieten, müfste ihn jedoch daneben in viele Details hineinführen, deren Miterlernung wohl überflüssig für ihn ist.
Wir meinen daher,
dafs man den Dienst der Ingenieure der in Rede stehenden Kategorie bei der Infanterie in die Zeit vom Regimentsexerzieren bis zu den Manövern fallen lassen müfste. Vom Dienste bei der Kavallerie würde sich für den Ingenieur
zwar auch mancher Nutzen heraus-
rechnen lassen , aber doch weniger direkt , weshalb dieselbe für gewöhnlich auszuschliefsen wäre . In demselben Falle befindet sich unserer Meinung nach die Feldartillerie ,
und von der Fufsartillerie
wäre wohl deshalb abzusehen, weil die dem Ingenieur nötige Kenntnis der Leistungen dieser Waffe gelegentlich der grofsen
Belagerungs-
übungen praktisch in hinlänglichem Mafse erlangt werden kann. Dagegen halten wir endlich die Teilnahme an den Generalstabsreisen,
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps .
203
die doch wohl auch dem Truppendienst beigezählt werden können , für ein vortreffliches Bildungsmittel zu dem Berufe des Feldingenieurs, und eine fast notwendige Ergänzung der Dienstleistung bei der Infanterie zur Zeit ihrer gröfseren Übungen. Festungsdienst.
Wir haben den Ingenieur zuerst mannigfach
im theoretischen Dienst und dann auch noch im praktischen durch die Belagerungsübungen mit
den Festungen in Berührung
gesehen .
Es bleibt nun noch eine Seite des Festungsdienstes übrig , den der Ingenieur nicht nur zur eigenen Ausbildung, sondern gewissermaſsen als Lehrer und Ratgeber zu pflegen hat.
Zunächst rechnen wir hierzu
Besprechungen mit den Kommandanten über das Ganze der Verteidigung ihrer Festung , also Armierung und Besetzung derselben, sowie Dienst der Besatzung für alle Angriffsarten und die verschiedenen Stadien derselben.
Derartige Konferenzen dürften, für den Ingenieur
wenigstens , schon an sich über den theoretischen Dienst hinausgehen. Zu verbinden wären dieselben zudem noch mit den von den Kommandanten mit den Truppen die nun
abzuhaltenden Festungsdienstübungen,
einmal ohne Beteiligung
sprechend durchgeführt werden
der Ingenieure kaum zweckent-
können .
gleich die beste Gelegenheit geboten , mierungsarbeiten zu erproben .
Letzteren würde dann zu-
die Ausführung einzelner Ar-
Bei den grofsen Belagerungsübungen
tritt dies alles mehr in den Hintergrund, ganz abgesehen davon, dafs doch nur ein kleiner Teil der Ingenieure daran Teil nehmen kann. Es bleibt uns c) Der bisherige Fortifikationsdienst.
noch übrig , etwas über die Gestaltung des Fortifikationsdienstes zu sagen , aus dessen Hauptzweig , der thätigen Bauausführung, der Ingenieur nach obigem zwar austreten soll, mit welchem er aber immer noch eng genug verbunden erscheint .
In der That ist er nicht ganz
davon zu trennen ; uns aber scheint folgende Einrichtung möglich . Den Dienst des Platzingenieurs übernimmt mit den nachfolgenden Einschränkungen
ein älterer Baumeister ,
etwa mit dem dem
sonstigen Usus nachgebildeten Titel eines Festungsbauinspektors . Als Postenoffiziere fungieren unter jenen jüngere oder Bauführer.
Baumeister
Fortifikationssekretäre und Wallmeister werden , da sie ja nach wie vor in einem rein militärischen Verhältnis zu dem Kommandanten bleiben, ohne Veränderung beibehalten . Die höheren Instanzen für das Festungsbauwesen werden beim Kriegsministerium eingerichtet ,
unbeschadet
der Einschaltung einer
Zwischeninstanz , womit jedoch das Ingenieurcorps nichts zu thun hat. Die Leistung des vorbenannten Baupersonals erstreckt sich mit
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
204
Ausschlufs alles Taktischen auf das Gesamte aller Bauausführung und -Verwaltung nebst allem, was zur Vorbereitung und demnächst zur Abwickelung dieses Geschäftes gehört , also die Anfertigung der speziellen Entwürfe und der Kostenanschläge , die Beschaffung der personellen und materiellen Mittel , endlich das Kassen- und Rechnungswesen . Auch das Rayongeschäft fällt in der ganzen Ausdehnung, wie bisher den Fortifikationen, denselben zu . In Anbetracht dessen scheint uns auch ein Bauoffiziercorps , welches etwa nach Art bei der Artillerie , aus den Pionierunteroffizieren
der Zeugoffiziere hervorginge ,
nicht ausreichend , vielmehr den Festungsbaumeistern eine Ausbildung nötig, wie sie nur auf den technischen Hochschulen erreicht werden kann. Das baukünstlerische Moment wäre vielleicht
etwas weniger zu betonen ,
aber durchaus nicht zu vernachlässigen ; denn warum sollten wohl allein Festungswerke dem Beschauer mifsfällig vor die Augen treten ? Der Meinung, dafs man nun wohl das Festungs- mit dem Garnisonbauwesen vermischen könnte , wir bestimmt entgegen , denn
treten
ein Festungsbaumeister würde genug
zu thun haben, um sich für die spezielle Branche durch- und weiterzubilden, ganz abgesehen davon, dafs im Falle der Vermischung die Möglichkeit, gerade in dringenden Fällen auf einer Seite in Verlegenheit zu kommen, um so näher gerückt wäre. Was hiernach für die Ingenieure übrig bliebe , ergiebt sich nun von selbst , und noch sicherer würde es sich in der Praxis herausstellen. geben ,
Im Allgemeinen würde es darauf hinauslaufen , worauf der Schutz des Verteidigers
Angreifers
und andererseits
eigenen beruht.
Das würde
die
das
anzu-
gegen die Waffen des
vorteilhafteste Verwendung seiner
dann mindestens die Anfertigung von
generellen Entwürfen für solche Anlagen bedingen ,
wo dergleichen ins Spiel kommt, also jedenfalls für alle Neuanlagen und Umbauten von Defensionswerken. Ihrer Prüfung müfsten dann noch nicht allein die hierauf von den Festungsbaumeistern gefertigten speziellen Entwürfe, sondern überhaupt alle Entwürfe der letzteren unterliegen, um zu verhüten , dafs nicht Anlagen zutage treten, die den Kriegsverhältnissen nicht hiernach ,
dafs
entsprechen würden. Selbstverständlich ist es die Schulausbildung der Ingenieure dieselbe bleiben
müfste wie bisher.
Die dann noch erforderliche Weiterbildung würde sich im Wege des hier angedeuteten Dienstes finden . Umgekehrt
würden sich die Festungsbaumeister bald in die ihnen noch nicht geläufigen Eigenheiten dieses Zweiges der Baukunst einarbeiten und, auſserdem durch die vielfach gegebenen Normalien unterstützt , in ihren speziellen Entwürfen allen Ansprüchen genügen können . Bei
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
205
den Bauausführungen selbst würde , was sowohl deren Kontrolirung als schliesslich die Ab- und Übernahme betrifft, den Ingenieuren eine besondere Einwirkung
zu übertragen
sein.
Die Mitbeteiligung der
übrigen Interessenten, als der Kommandanten und der Artillerie- und sonstigen Behörden, verbliebe dann wie bisher. Zur Erhaltung des Bestehenden
wäre ferner die gutachtliche
Mitwirkung der Ingenieure , namentlich in Bezug auf die Dringlichkeit, erforderlich. Insonderheit mufsten in dieser Beziehung von demselben die Armierungsbestände aller Art jährlich revidiert werden . gen
Endlich würde sich nach Mafsgabe der geschäftlichen Beziehuneine Teilung
des Festungsarchivs, der Pläne
sowohl als
der
Schriften, notwendig erweisen in der Art, dafs den Festungsbaumeistern alles verbliebe , was lediglich auf den Bau Bezug hätte und so lange es die Dauer desselben erforderte . Alles dies bedingt nun schon, dafs einer jeden Festung zur Wahrnehmung des daselbst noch verbleibenden Ingenieurgeschäftes
eine Anzahl Offiziere,
etwa in der-
selben Zusammensetzung, wie jetzt, zugeteilt würde, die jedoch nicht in ihrer Festung,
sondern in dem Ingenieur-Stabsquartier des be-
treffenden Armeecorps zu stehen hätten. Kriege.
Anders bei ausbrechendem
Dann müssten die Festungen nach ihrer Lage vom Kriegs-
schauplatz mit Ingenieuren besetzt werden,
welche
alle durch das
Kriegsverhältnis bedingten Geschäfte zu übernehmen hätten, während die Festungsbaumeister ihre bisherigen Geschäfte behielten und natürlich auch jetzt als eine sehr schätzbare Unterstützung der erstern angesehen werden müfsten.
3. Organisatorisches. Bei jedem Armeecorps wird im Sitz des Generalkommandos ein Ingenieurstab gebildet, welcher sich aus dem Pionierbataillon und den Ingenieuren zusammensetzt. Dies sind zunächst diejenigen, welche nach Mafsgabe des zuvor Angeführten zu den im Bereiche des Corps. liegenden Festungen gehören ; aufserdem kann der Ausgleichung wegen eine Zuteilung der Ingenieure anderer benachbarter Festungen eintreten. An der Spitze des Stabes steht ein Ingenieuroffizier mit dem Range eines Regimentskommandeurs. Dem Pionierbataillon gegenüber befindet er sich in
einem ähnlichen Verhältnis,
wie ein Pionierinspekteur, den Ingenieuren gegenüber aber in einem viel engeren, als etwa ein Festungsinspekteur, da er die ganze Arbeit des anderen Teiles des Ingenieurstabes anzuordnen, zu verteilen , zu leiten und schliesslich wiederum zu prüfen hat. Unter ihm fungieren die übrigen Stabsoffiziere, auf die zu dem betreffenden Ingenieurstabe
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps .
206
gehörenden Festungen verteilt, leute und Subalternoffiziere. Das Verhältnis kommando
ist
des
als direkte Vorgesetzte der Haupt-
Ingenierstabes
zu
dem General-
wie dasjenige eines Infanterieregimentes, also ge-
wissermassen noch enger,
als des Generalstabes,
dessen Offiziere ja
noch unter ihrem eigenen Chef stehen. Die Avancementsvorschläge für den gesamten Ingenieurstab gehen deshalb durch das Generalkommando, und es mufs nun, abgesehen von sonstiger Nützlichkeit, durch die Diensteinrichtung bei
dem Ingenieurstabe
dem komman-
dierenden General erleichtert werden, von der Qualifikation der Offiziere
desselben bis
zu den Hauptleuten herab genaue Kenntnis zu
erlangen. Dazu dient einmal der jährliche praktische Dienst bei der Infanterie. Aufserdem sind neben dem Chef mindestens noch für die Stabsoffiziere Vorträge beim kommandierenden General einzuführen ,
der Berichte
nicht zu gedenken.
und
sonstigen Eingaben
an denselben gar
An Stoff, welcher den kommandierenden General
interessieren kann, fehlt es nicht.
Da ist vor allem die Feldbefesti-
gung und die Schulung der Truppen in derselben nach verschiedenen Mafsstäben ; ferner der Belagerungs- und Verteidigungsdienst und die Art und Weise,
wie auch dieser bei den Truppen in Übung zu er-
halten ; endlich die Verteidigungsfähigkeit der Festungen im Bereiche des Generalkommandos . Die bisherigen höheren Ressorts des Ingenieurcorps betreffend ,
so müssen hiernach natürlich einige Änderungen eintreten ,
die wir uns wie folgt denken : Die Festungs- und die Pionierinspekteure
fallen weg.
Die Ingenieurinspekteure werden in ihrem bisherigen Wirkungskreis ebenfalls
nicht beibehalten ,
weil für dieselben zwischen den
kommandierenden Generalen und den Stabschefs der Ingenieure kein Platz verbleibt.
Da es
aber
auch Generale der Ingenieure geben
mufs , um geeignetenfalls , wie beispielsweise bei einem grofsen Belagerungscorps, in der erforderlichen Autorität auch durch den Rang unterstützt zu werden, und da doch den Ingenieuren auch die Möglichkeit gewährt werden mufs ,
in der eigenen Waffe einen höheren
Rang, als den eines Regimentskommandeurs zu erreichen, und zwar, ohne dabei in derselben Stellung zu bleiben, so werden eine Anzahl Generale mit dem Rang von Brigadekommandeuren ernannt ,
welche
zu besonderen Aufträgen im Bereiche des Ingenieurwesens und was damit verwandt ist, zur Disposition stehen. Auch die Einwirkung eines Chefs in der bisherigen Weise kann nicht fortbestehen .
Dafür
halten wir jedoch einen
zu jeder Zeit
Eindrücke aus der Geschichte des preufsischen Ingenieurcorps.
207
thätigen gemeinschaftlichen Regulator für die gesamten Verhältnisse des Ingenieurcorps nötig , welcher Kommandeur desselben heifsen und mit dem Range eines Divisionskommandeurs ausgestattet werden könnte .
Demselben soll zunächst die Überwachung der Anciennitäts-
verhältnisse im ganzen Corps obliegen , mit der Verpflichtung , den kommandierenden Generalen das Erforderliche darüber mitzuteilen. Demnächst soll er die gehörige Besatzung der Festungen und Pionierbataillone mit Offizieren im Auge behalten
und auch hierüber mit
dem kommandierenden General in Verbindung bleiben . ihm das noch
zu
erwähnende Ingenieurcomité
Endlich wird
in bisheriger Weise
unterstellt und wäre somit sein Wirkungskreis für den fortlaufenden Friedensdienst dargelegt.
Den Krieg betreffend , so bleibt ihm eben-
falls in bisheriger Weise das Ganze der Mobilisierung der Pioniere, sowohl für das Feld ,
als für Besatzung und Belagerung, ferner bei
ausbrechendem Kriege die Kommandierung der Ingenieur-Offiziere für die verschiedenen Stäbe . Er selbst tritt alsdann zum grofsen Hauptquartier. Schliefslich haben wir noch des Ingenieurcomités Erwähnung zu thun.
Eigentlich bildet schon jeder nach obigem einzurichtende Das hat aber, wie wir gesehen
Ingenieurstab ein solches im Kleinen.
haben , einen ganz anderen Zweck, nämlich Übung und Schulung der Offiziere desselben , und erst das besondere Comité macht in allen technischen Angelegenheiten
sowohl aus den Hauptbranchen ,
dem
Pionier- und Festungsdienst , als auch den sonstigen Nebenbranchen die nötigen Feststellungen. Die diesfälligen Korrespondenzen gehen durch das Kommando des Ingenieurcorps. Feststellungen von rein taktischer Beziehung dagegen bleiben dem Chef des Generalstabes der Armee vorbehalten und geht in diesem Falle die Korrespondenz durch das Generalkommando. Zur Vermittelung bleibt auf Antrag des einen oder des anderen immer noch das Kriegsministerium übrig.
Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine Band XXXVIII.
14
208
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz
XVI .
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz für das Feuer der Artillerie. Von
Alo Dengler, Lieutenant im Königl. bayer. 2. Fufsartillerie-Regiment.
Die Telemetrie begegnet in artilleristischen Kreisen noch immer teils ungläubigem,
teils
geradezu ablehnendem Kopfschütteln ,
jedes neu auftauchende Projekt
oder jeder Versuch ,
wieder auf die Tagesordnung zu setzen ,
und
dieses Thema
hat vielfach mit Vorurteil,
passiver Gleichgiltigkeit oder gar selbstgefälliger Ironie zu kämpfen. Trotz dieser ziemlich allgemeinen antitelemetrischen Strömung bekennt sich der Verfasser zu jener Sekte von Schwärmern ,
die den
Glauben auf den handgreiflichen Nutzen der Distanzmessung für das artilleristische Schiefsen und die Hoffnung auf die Erreichung eines dem Ideal wenigstens gegeben haben.
nahe kommenden Mefsinstrumentes
Der hohe Wert , ja die Notwendigkeit
nie
auf-
einer genauen Distanz-
messung für das Feuer der Artillerie im Feld- wie im Festungskriege braucht, obwohl vielfach bestritten , eigentlich keine Begründung mehr, wenn man sich die Vorteile klar macht, die für die Geschützwirkung sich daraus ergeben, und die glänzenden Resultate, die bei derartigen Versuchen auf verschiedenen Schiefsplätzen erreicht wurden. Dafs wir noch keinen offiziell eingeführten Entfernungsmesser besitzen, dürfte vielleicht weniger der Verkennung dieser Thatsachen, als dem Umstande zugeschrieben werden ,
dafs man sich entweder über das anzuwendende System nicht einigen konnte, oder weil bisher das telemetrische Problem überhaupt noch keine praktische, kriegsbrauchbare Lösung gefunden hatte , indem noch alle, oft mit Aufgebot von viel Scharfsinn ausgeführten Versuche und Systeme gegen eine oder mehrere jener Anforderungen verstiefsen, die an einen feldmäfsigen Telemeter zu stellen sind. Ein solches Instrument mufs folgenden Bedingungen entsprechen : 1. Es mufs hinreichend genau messen.
Der
Grad der Ge-
für das Feuer der Artillerie.
209
nauigkeit mufs mindestens der Gröfse der Längenstreuung der Geschosse entsprechen . In Berücksichtigung der Art der Verteilung der Schüsse im Streuungsraum dürfte gefordert werden müssen, dafs die gemessene Entfernung höchstens um die Hälfte der ganzen Längenstreuung von der wirklichen abweicht , für kleine Ziele aber höchdie Treffstens 1/4 , damit ― abgesehen von den Tageseinflüssen resultate nicht schon durch die Messung beeinträchtigt werden. 2. Die Messung mufs in kürzester Zeit ausgeführt werden können . 3. Es mufs jederzeit die Messung sofort beginnen können, ohne dafs erst Prüfungen und Korrekturen des Instrumentes stattfinden . 4. Dasselbe mufs bei jedem Wetter, namentlich bei trüber Luft , Wind
u. s . w . und
in jedem
Terrain (abschüssig ,
harter
Boden,
starke Bewachsung u. dgl.) zu verwenden sein. 5. Der Gebrauch des Instrumentes mufs einfach und leicht zu erlernen sein , um Irrtümer zu vermeiden ,
alle Berechnungen
oder
Benutzung von Hülfstabellen ausschliefsen und nur 1-2 Mann Bedienung erfordern. 6. Das Instrument selbst mufs kompendiös , solid , aber leicht und nicht zu voluminös konstruiert sein, um hinreichende Haltbarkeit und Unempfindlichkeit zu besitzen, ohne die Batterie oder den Mann zu sehr zu belasten . 7. Schliefslich dürfen die Kosten nicht unverhältnismäfsig grofs sein. "*) Bevor die Konstruktionsgrundsätze und Vorzüge des Paschwitzschen Telemeters erörtert werden sollen, dem eine Superiorität über sämtliche bisher bekannt gewordenen derlei Erfindungen (und deren Zahl ist nicht gering) zuzugestehen ist , erscheint es vielleicht nicht unangemessen ,
den Zweifeln
über
die Nützlichkeit der Einführung
eines Distanzmefsapparates in die Ausrüstung der Batterieen zu begegnen.
Die Wichtigkeit
häufig unterschätzt ,
teils
der Kenntnis wegen
der
der
Zielentfernungen
unvermeidlichen
wird
natürlichen
Streuung der Geschütze , teils wegen der sog. Tageseinflüsse , welche immerhin noch ein systematisches Einschiefsen erforderlich machen. Der Einwand : „ Das Einschiefs verfahren mittelst Gabelns , wie es die Schiefsregeln vorschreiben , ist noch immer der einfachste und beste Distanzmesser ", weil es direkt und sicher zum Ziele führt ,
hat zwar eine gewisse Berechtigung , so lange die
Frage noch in der Schwebe ist, ob dieser Weg auch der kürzeste
*) Nach Major Kritter's Aufsatz „ Messen der Entfernungen von Zielen im Kriege" im Archiv f. Art.- und Ing.-Offiz. 80. Bd. 14 *
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz
210
und zweckmäfsigste ist ?
Wenn
auch beim Schiefsen
auf be-
kannte (gemessene) Entfernungen immer noch ein feineres Einschiefsen zur Ermittelung der Tagesportee erforderlich ist , so handelt es sich immer doch darum : wer wird früher damit fertig sein, also Zeit und Munition gespart und inzwischen die beste Wirkung erzielt haben ? Die Antwort kann nicht zweifelhaft sein . Ohne aber unsere Ansicht darüber
a priori in den Vordergrund stellen zu wollen , bleibt zunächst ein anderes gewichtiges Moment zu bedenken , sehr geeignet, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken : Die Bewaffnung ist nämlich in fast allen
europäischen Heeren ,
lungen und der
Dank
der grofsen Weltausstel-
enorm gesteigerten Erleichterungen des Verkehrs ,
nahezu gleich vollkommen geworden ,
so
dafs
kein Staat vor dem
anderen mehr ein wesentliches Übergewicht voraus hat.
Die Firma
Krupp beherrscht mit ihren Stahlgeschützen den gesamten Kanonenmarkt des Kontinents ,
und wo man sich davon emanzipierte , wie
in Frankreich und England ,
hat
man es an sorgfältigen und kost-
spieligen Versuchen nicht fehlen lassen , um zu einem Geschützsystem von derselben Leistungsfähigkeit wie
das Krupp'sche
Ein Unterschied in den Konstruktionsgrundzügen ,
zu gelangen.
welche eine Prä-
ponderanz der Wirkung etwa in der Weise ergeben würde , wie zwischen Vorder- und Hinterlader in den Kriegen 1866 und 1870/71 besteht zwischen keiner der Artillerieen der europäischen Grofsmächte mehr ;
denn auch England wendet sich der Hinterladung wieder zu
und in Bezug auf vorteilhafte Geschofs- und Zünderkonstruktionen und wirksameres Pulver sind alle Militärstaaten gleichmässig fortgeschritten.
Auf eine Überlegenheit in der Bewaffnung (auch der In-
fanterie) kann also
in
einem
mehr gerechnet werden .
kommenden Feldzuge
Dieselbe
zunächst nicht
mufs vielmehr in ihrer Anwen-
dung gesucht werden, und hiefür ist neben der Art der Verwendung (Taktik) für die Artillerie das Schiefsen , d. h. das Treffen und die Wirkung das
mafsgebende Element.
Nachdem
nun
fast alle
europäischen Artillerieen auch unsere Schiefsregeln mit einigen Modifikationen adoptiert haben ,
mithin das Einschiefsverfahren allent-
halben das gleiche ist , so ist schliesslich nur noch der im Vorteil, der mit dem Einschiefsen am ersten fertig ist, d. h. wer den ersten treffenden
Schufs
abgiebt.
Ob ein auf Distanzschätzung , Be-
obachtung der Schüsse und strikte Befolgung der Schiefsregeln siertes Schiefsen
immer gleich
liegenden Flugbahn führen wird ,
glücken und
ba-
zur theoretisch richtig
bleibe vor der Hand dahingestellt
(- die Erfahrung und die Beispiele im X. Abschnitt des Handbuches für Artillerie-Offiziere beweisen, dafs dies nicht der Fall ist - ) ; zu
für das Feuer der Artillerie.
211
berücksichtigen ist, dafs im Felde die Beobachtung der Schüsse , hauptsächlich
feindlicher Artillerie gegenüber ,
durch
aufsteigenden
Rauch eines eben abgefeuerten Geschützes, Terraingestaltung , Kulturverhältnisse oder durch das gleichzeitige Feuer mehrerer Batterieen , z . B. einer Abteilung
auf dasselbe Ziel, sehr erschwert ,
sogar für längere Zeit unmöglich gemacht wird. viele
Schüsse der Einschiefsskala fraglich ,
falsch beobachtet werden und
bei
manchmal
Hierdurch werden minder Ängstlichen
so die Schufswirkung entweder sehr
stören oder ganz illusorisch machen .
Ferner steht aufser allem
Zweifel, dafs die Stärke unserer Schiefsregeln in der individuellen Sicherheit der feuerleitenden Offiziere bezüglich der Anwendung derselben auf die verschiedenartigsten praktischen , teneren Fälle , vollkommen
in Fleisch und Blut
übergegangen
nicht engherzig und pedantisch aufgefafst , erfafst und angewendet sein wollen .
Dazu ist aber
und
welche
eine gründliche durchzumachen
erringen unsere Artillerie -Offiziere allerdings
Gelegenheit haben . lande steht ,
dafs jene
sein müssen ,
sondern in ihrem Geiste
Schule und langjährige Praxis erforderlich , und sich zu
namentlich die sel-
und in ihrer Übung im Beobachten liegt ,
reichliche
Wie weit es in dieser Richtung mit dem Aus-
entzieht
sich der allgemeinen Einsicht und aus leicht
begreiflichen Gründen
auch der Kritik.
Doch dürfte es
sich em-
pfehlen, mehr Pessimist als Optimist zu sein , um sich vor grausamen Enttäuschungen
zu
schützen .
Leider
ist dem Verfasser keine sta-
tistische Zusammenstellung bekannt, welche die durchschnittliche Anzahl der bei den Schiefsübungen zum Einschiefsen gebrauchten Granaten und die mittlere Feuergeschwindigkeit während dieser Operation erkennen liefse , um sich ein Bild der Schiefsfertigkeit vergleichenden
Artilleriecorps
zu konstruieren .
Nach
der zu
allem
aber,
was man auf unseren Schiefsplätzen so hier und da mitansehen kann , im Zusammenhalte mit dem , was ab und zu vom Auslande in die Öffentlichkeit dringt , läfst sich ohne Schwarzseherei annehmen, dafs die Unterschiede keine sehr grofsen mehr sind .
Thatsache ist,
dafs
nichts einen schlechteren Eindruck macht, als ein plan- und resultatloses Schiefsen der Artillerie, und nichts ist wiederum erhebender für die eigenen im Gefecht stehenden Truppen, als wenn sie gleich die ersten Granaten in die feindlichen Reihen hineinwettern sehen , wenn der Feind sich nirgends hinwenden , nirgends auftauchen kann , ohne von unseren Geschossen sofort verfolgt und sogleich erreicht zu werden. Dies Kunststück ist aber nur beim Schiefsen auf bekannte
Distanzen
ausführbar.
wahren Entfernungen mit den
Wohl treffen
die
gemessenen
schliefslich erschossenen nicht immer
212
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz
überein, denn unsere gezogenen Geschütze besitzen zwar eine groſse , aber
keine
absolute Trefffähigkeit ,
und
selbst
diese
ist
wieder
durch atmosphärische Einflüsse , Mangel an Richt- und Feuerdisziplin u. s. w.
erheblich beeinträchtigt ,
bestehen ,
und
es bleibt stets die Aufgabe
diese störenden Einflüsse durch sachgemäfse Korrekturen
zu beherrschen und zu paralysieren . Jedes Distanzmefsverfahren kann daher nur sichere Anhaltspunkte für die erste zu nehmende Erhöhung liefern ; seine Leistung mufs jedoch eine Zuverlässigkeit besitzen, dafs der etwa begangene Mefsfehler noch im
richtigen Verhältnis zur
Längenstreuung der Geschosse steht ( 14 bis 12 der Längenstreuung) , so dafs es nur noch einer geringen Korrektur am Aufsatz bedarf, um die Mehrzahl der Geschosse als Treffer am Ziel zu haben .
Die
Vorbedingungen hierzu liegen einmal in der Kenntnis der Streuungsverhältnisse, dann der Genauigkeit des Richtens und der Zuverlässigkeit des Mefsverfahrens.
Man
Richten noch keineswegs
mufs leider gestehen ,
das leisten ,
dafs
wir im
was durch eine rationelle
Erlernung dieser Fertigkeit erreicht werden kann , wenn unser vortreffliches Geschützmaterial ausgenutzt werden soll. Es kommt gewifs viel häufiger vor , durch Richtfehler
dafs das
seitens
schnelle
der Kanoniere ,
und sichere Einschiefsen als
durch Fehler
Beobachtung seitens des Batteriekommandeurs verzögert wird.
in der Sehr
beachtenswert sind die einschlägigen Bemerkungen in dem Aufsatze „Ausbildung und Verwendung der Feldartillerie" im Militär-Wochen་ blatt 1880 , Nr. 32 und 34. Ein genau arbeitender Distanzapparat kontrolliert zugleich die Richtung und läfst als solche erkennen und leicht abstellen.
grobe Richtfehler sofort
In den kommenden Kriegen wird es ferner weniger darauf ankommen, überhaupt den ersten Schufs abzugeben, als vielmehr darauf, zuerst in die wirksamste Sphäre unserer Geschosse zu
den Feind
bringen, also zuerst zu treffen.
Die
verheerende Wirkung ,
welche
nur eine einzige gut eingeschossene und sorgfältig bediente Batterie schon mit wenig Schüssen anzurichten vermag, ist aber ebenso bekannt, wie wir wissen, dafs wir hinter einem solchen Resultat selbst auf dem Schiefsplatze, wo keine feindlichen Geschosse uns entgegenimmer noch zurückbleiben . Diese mifsliche
geschleudert werden, Erscheinung
müssen
wir
aber
wieder gröfstenteils dem Mangel an
einem guten Distanzmesser, und erst in zweiter Linie dem unseren Schiefsregeln zu Grunde liegenden Prinzipe zuschreiben . Eine einigermafsen gewissenhafte Distanzschätzung gehört zu den Seltenheiten, da - abgesehen von der Schwierigkeit der Ausführung auf gröfseren Entfernungen
der erfahrene Batteriekommandeur nichts
für das Feuer der Artillerie .
213
mehr fürchtet, als beim Einschiefsen oder gar schon beim ersten Schufs einen direkten Treffer zu haben . Letztere lassen sich in der That schwer als solche
erkennen,
und selbst wenn man die Über-
zeugung hat, einen Treffer beobachtet zu haben , aber doch nicht ganz sicher ist, so nimmt man lieber den Schufs als + oder ?, selbst auf die Gefahr hin, das Einschiefsen zu verzögern, als sich einer Illusion hinzugeben,
von denen die Praxis lehrte,
dafs sie das ganze Ein-
schiefsen verderben und meist sehr spät erst entdeckt werden .
Ebenso
ungünstig ist es , bei der Gabelbildung einen Schufs zu erhalten, der sehr nahe an der Grenze der ganzen Längenstreuung liegt, wodurch gleichfalls öfters eine Wiederholung des ganzen Einschiefsens von vorne an bedingt wird, wenn man sich nicht mit gruppenweisem Hinauf- oder Herunterklettern um 25 m (1/16) endlos abquälen will . Ist aber die Entfernung fehlerfrei gemessen, so fällt das Ziel in die Mitte der Längenstreuung der Geschosse und die mittlere Flugbahn höchstens um die Differenz der sog. Tagesportee nach vor- oder rückwärts .
Würde der mittlere Messungsfehler gleich der mittleren Län-
genstreuung sein, so fällt der mittlere Treffpunkt um ebensoviel vor oder hinter den beabsichtigten , Falle jene Schüsse als Treffer grenze liegen.
man würde jedoch schon in diesem erhalten,
welche an der Streuungs-
Man darf also nur eine Gruppe von vielleicht sechs
Schüssen abgeben, um
zu erkennen , ob die Mehrzahl der Geschosse
vor oder hinter dem Ziele aufgeschlagen hat und ob eine Korrektur angezeigt ist sagen.
oder nicht,
worüber die Schiefsregeln das Nötige be-
Gröbere Korrekturen als 25 m werden selten notwendig wer-
den, wohl aber könnte sich das Bedürfnis nach einer feineren (12,5 m oder 1/2 Sechzehntel Grad) herausstellen. Giebt man nun der Truppe ein Instrument zum Messen von Entfernungen in die Hand, von dem man weifs, dafs seine mittleren Mefsfehler sogar kleiner sind als die mittlere Streuung der Geschosse der Länge nach, so
wird die ur-
sprüngliche Scheu vor einem direkten Treffer bei dem nun feineren und viel einfacheren Einschiefsen sofort verschwinden. Soll ausnahmsweise eine ausgedehnte feindliche Position auf die gröfsten Schufsdistanzen (über 3000 m) beschossen werden , bei denen die Fallwinkel schon sehr steil zu werden beginnen, mithin die Rasanz und gleichzeitig auch die Trefffähigkeit geringer, das Schätzen der Entfernung, Richten und die Beobachtung schwieriger wird, so ist ein Distanzmesser geradezu unentbehrlich .
Die Vorausbestimmung der Entfernung
eigenen Feuer mindestens den mittleren Wirkungswert .
sichert dem Bei länge-
ren Kanonaden , wie sie ja in der Einleitung des Gefechtes gerne vorkommen, wird dann die Entfernung auch während des Feuers
214
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz
vorteilhaft bestimmt und kontroliert , weil der Feind das Bestreben haben wird, sich durch succesives Vor- oder Zurückziehen unserer Geschofswirkung zu entziehen, was selbst mit Hülfe von Fernrohren nicht immer wahrnehmbar ist .
Hat eine Distanzmefsabteilung diese
ihre erste Aufgabe erfüllt, so mifst sie , wenn sie einigermafsen findig und rührig, d. h. dazu erzogen ist, die Entfernungen nach den markantesten Punkten des Gefechtsfeldes und giebt so dem Batteriekommandeur die wertvollsten Daten für Ziel- und Entfernungswechsel oder auch das Feuer auf sich bewegende Ziele .
Es
ist leider ein Mifsstand aller auf Dreiecksmessung beruhender Instrumente ,
dafs die Entfernungen sich bewegender Objekte nicht direkt
zu messen sind.
Hier mufs man sich eben durch passende Hülfs-
zielpunkte zu helfen suchen, da es immer einfacher ist, aus in der Nähe liegenden Objekten von bekannter Entfernung auf eine unbekannte zu schliefsen. Ein weiterer Vorteil eines guten Distanzmessers besteht darin , dafs mit ihm der Unterricht im Schätzen der Entfernungen ein viel erfolgreicherer sein wird,
und dafs den gröfsten Nutzen davon der
den Unterricht leitende Offizier ziehen wird, indem er durch den Vergleich sein Augenmafs schärft, worin allein die Sicherheit im Schätzen beruht. Karten sind zu diesem Zwecke lange nicht so geeignet. Die Distanzschätzung bleibt aber immer wichtig für solche Gefechtsmomente, in denen Artillerie, namentlich reitende , nach raschem Vorgehen oder während der Verfolgung sogleich in Aktion treten muſs. In diesen aufgeregten Augenblicken mag freilich der Distanzmesser vergessen bezw. sein Resultat nicht abgewartet werden ; aber hier kommt die durch den Unterricht mit dem Telemeter erlangte Fertigkeit im Distanzschätzen zu statten , und nach eingetretener Ruhe besitzt man an seinem Instrument wieder ein vortreffliches Hülfsmittel, die scheinbar richtig erschossene Entfernung zu kontrolieren . Durch einen mit Fernrohr versehenen Telemeter, wie es der Paschwitz'sche ist, geht man auch leichter der Unsicherheit und grofsen Verantwortung aus dem Wege,
auf die eigenen Truppen zu schiefsen .
Der
Feldzug 1870/71 weist mehrere derartige traurige Beispiele auf, ohne dafs die betreffenden Artillerieoffiziere , deren Aufmerksamkeit eine geteilte und auf's nächste, die Feuerleitung , gerichtete ist, ein Vorwurf treffen könnte. Feldstecher sind gewöhnlich zu schwach, um den Irrtum zu erkennen . Wir glauben im Vorausgehenden unsere oben offen hingestellte Frage genügend
zu Gunsten der Einführung eines Distanzmessers
beantwortet und bewiesen zu haben , dafs beim regelmässigen Schiefsen
für das Feuer der Artillerie.
215
auf bekannte Entfernungen an Zeit und Munition gespart und ein taktisches Übergewicht gewonnen wird einem Feinde gegenüber, der die Entfernungen nur schätzt. Die kostbaren Granaten der Protzausrüstung
werden hinfür
nicht mehr ins blaue hinein verknallt,
sondern erfüllen ihren materiellen Zweck, und eine im Gefecht stehende Feldbatterie kommt weniger oft in die fatale Situation, sich zu verschiefsen, bevor nur einigermafsen Wirkung erzielt ist. Für das Feuer der Fufsartillerie ist das Schiefsen auf bekannte Entfernung ohnedies Norm und handelt es sich jetzt nur mehr darum, den brauchbarsten Distanzmesser aus den bis jetzt bekannten Distanzmessern für artilleristische Zwecke durch Abwägen aller Vor- und Nachteile herauszufinden. Bevor jedoch auf diese mehr technische Seite dieses Themas eingegangen wird,
sei
es ge-
stattet, einen Auszug aus dem Londoner Engineering vom 25. Oktober 1873 , betitelt : „ Zweck der Telemetrie " mitzuteilen, um die Harmonie der oben entwickelten Anschauungen mit den anderwärts gewonnenen darzutun . Der betreffende Passus lautet : „ Die jüngsten grofsen Verbesserungen der Geschütze in Bezug auf Tragweite und Treffsicherheit,
wie nicht minder die
auf die
Spitze getriebene technische Vollendung der Infanteriewaffe haben die eigentliche Wirkungssphäre der Feldartillerie um
mindestens 500 m
hinausgeschoben und machen es bei dem dermaligen unverkennbaren Bestreben, der Aktion der Menschen auf dem Schlachtfelde mehr und mehr die Maschine
zu substituieren ,
für
diese Waffengattung
in
hohem Grade ratsam, auf möglichste Ausnutzung der Geschützwirkung bedacht zu
nehmen und ' dem Ausgangspunkt ihrer Einschiefsskala,
besonders in der Weitschufspraxis, wo die Einfallwinkel der Geschosse immer steiler werden, eine solidere Basis zu geben, als solche das an und für sich schon trügliche, im Kampfe aber durch Momente verschiedener Art vom Irrtum noch mehr beeinflusste Augenmafs zu bieten im stande ist. Denn indem sich nach vorheriger Ermittelung der Distanz die Probeschüsse von vorne herein schon innerhalb einer räsonablen Grenze bewegen , hat man nicht erst nötig, die Aufmerksamkeit des Feindes durch ein zeitraubendes, die kostbare Munition . verschleuderndes Feuer auf sich zu lenken , ihm Zeit und Gelegenheit zu Gegenbewegungen zu geben, sondern kann durch ein sicheres Feuer raschen Erfolg erzielen , während ein unsicheres und schwankendes Feuer nur denjenigen zu gute kommt, die demselben ausgesetzt sind. Aber nicht allein in Bezug auf Treffsicherheit und Zeit können mittelst der Telemetrie Erfolge
erzielt
der Schufsbereich der Artillerie wird erheblich
werden ,
erweitert ,
auch ein
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz
216
Umstand, der bei grofsen Entscheidungsschlachten schwer ins Gewicht fallen dürfte .
Es ist bekannt, dafs die Artillerie nicht allzu oft den
Platz wechseln, und wenn sie einmal günstige Position eingenommen hat, dieselbe bis auf's äusserste ausnutzen soll, mithin gar häufig in die Lage kommt, auf Entfernungen über 2000 m zu schiefsen, eine Portee,
bei
Glück "
abgegebener
welcher man der Distanzbestimmung mittelst „auf gut Probeschüsse
nur geringen Erfolg beimessen
kann , wenn man all die hinderlichen, das Erkennen des Einschlagpunktes abgeschossener Granaten erschwerenden Umstände des Felddienstes gegen die des Schiefsplatzes abwägt.
Es
liegt somit der
Gedanke ziemlich nahe, dafs in solchen Fällen bei aller Achtung vor persönlicher Bravour doch auch, nachdem durch die immensen Fortschritte in der Waffentechnik
die Kriegskunst mehr und mehr zur
Wissenschaft wird, die Einführung des berechnenden Elementes ihre Berechtigung haben dürfte “ . — Die Würdigung der aufgeführten Vorteile hat bekanntlich unter den Fachmännern grofse Anstrengungen bezüglich der Herstellung eines für den Felddienst brauchbaren Telemeters hervorgerufen . Das königlich preufsische Kriegsministerium liefs ausgedehnte Versuche mit dem Berdan'schen Telemeter anstellen ; in Österreich probierte man den Distanzmesser von Oberst Roskiewiez ; das schweizerische Militärdepartement hat auf Anregung des dortigen Artilleriecorps
vor mehreren Jahren einen
förmlichen Konkurs für
derartige Instrumente ausgeschrieben ; in England scheint in neuester Zeit der Nolan'sche Distanzmesser zur Einführung gelangt zu sein, während Frankreich den Télémètre de combat von Boulengé besitzt. Wie schon obiger einem englischen Fachblatte entnommene Artikel zeigt , dafs man in England den Wert der Telemetrie besonders zu schätzen weifs , so beweisen nachstehende Versuche, *) dafs diese Nation , welche in jeder Technik obenan steht, kein Mittel scheut, diesen Rang zu behaupten und in artilleristischer Beziehung, auf Grund ausgedehnter Versuche und Erfahrungen , System in der Waffe zu gelangen . wurden nämlich bei Gelegenheit
zu
einem
vollkommenen
Im Lager von Okehampton ( 1875) der Schiefsübungen der Artillerie
Parallelversuche vorgenommen , deren Resultate vom gröfsten Erfolg gekrönt wurden. Dies das Urteil höchst fähiger und kompetenter Fachmänner. Die Versuche sollten nämlich u. a . die relative Feuerwirkung einer Feldbatterie feststellen, 1. wenn die Entfernungen nach dem Augenmafse geschätzt und
*) Aus „ Einiges über die jetzige englische Artillerie " im „ Sammler ", Beilage zur „ A. Abd .- Ztg. " vom 20. Juni 1876 von K.
für das Feuer der Artillerie.
217
2. wenn sie durch einen Dinstanzmesser ermittelt werden . Das hierzu benutzte Instrument war der Nolans'sche Telemeter. Ein Beispiel möge genügen :
"9 Eine Batterie bekam die Aufgabe, auf ein Objekt zu schiefsen, welches aus acht 9 Fufs hohen Scheiben bestehend ein Kavallerieregiment vorstellte , das in halboffener Kolonne auf 4000 Yards Aufstellung genommen hatte .
Geschütze und Zielobjekt standen auf Hügeln nahezu auf gleicher Höhe ; aber die Terrainwellen waren derart, dafs das Ziel den Blicken der Batterie vollkommen entzogen war,
sowie diese ihre Geschütze nur ein wenig zurücknahm. Der Distanzmesser bestimmte die Entfernung auf 3930 Yards bis zur Tête der Kolonne . Die Batterie feuerte eine Salve mit der entsprechenden Elevation und 4 von den 6 Granaten fielen und explodierten mitten in der Regimentskolonne . Dieses Resultat wäre ohne den Distanzmesser oder den glücklichsten Zufall eine Unmöglichkeit gewesen ! Das Terrain war so gestaltet , dafs man viele Probeschüsse hätte machen müssen, ehe man die richtige Entfernung gefunden, und die Kavallerie hätte längst die Zeit benutzen können, sich zu retten. " Im Lager zu Okehampton wurde auch probiert , mit dem Telemeter nur 1-2 Geschütze zur Ermittelung der Tagesportee aufzustellen , während dessen das Gros der Geschütze (Batterieabteilung) bis zum entscheidenden Augenblicke in der Nähe gedeckt und , möglich in Gefechtsfront entwickelt , hält , wägung verdient. Zeit ,
sich zu
näher heran ,
Der das Einschiefsen leitende Offizier hat vollauf
orientieren , die
wo
ein Gedanke , der Er-
die Wagenstaffeln kommen unterdessen
nicht feuernden Geschütze
sind nicht unnötigen
Verlusten ausgesetzt und ihr gemeinsames Eingreifen wird dann um so imponierender wirken. Andere und sehr strenge Proben mit dem Nolan'schen Distanzmesser wurden Aldershott,
Dartmoor u.
s.
W.
vorgenommen
zu Shoeburynefs ,
von denen folgende hervorgehoben
werden sollen : *) 1. Bei
einem
im Jahre 1869
stattgefundenen Parallelversuch
zwischen zwei nach dem gewöhnlichen Schätzungssystem und zwei mit Hülfe von Nolans Distanzmesser ausgerüsteten , auf verschiedene Zielentfernungen verwendeten Geschützen war das Resultat für letztere derart günstig, dafs fast alle ihre Schüsse als zur mit „ tötlicher Wirkung" bezeichneten Kolumne gehörig betrachtet wurden , während 2/3 der auf die geschätzten Entfernungen verfeuerten Geschosse ihr Ziel gänzlich verfehlt hatten.
*) Aus Dingler's Polyt. Journal 196. Bd. 7. H. S. 505 „ Kapitän Nolan's Distanzmesser für Zwecke der Feldartillerie".
218
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz etc. 2. Bei den zu Dartmoore angestellten Schufsversuchen wurden
über 2000 Geschosse und davon die gröfsere Hälfte mit Anwendung des Distanzmessers verfeuert , wobei sich , sobald Nichtgebrauch des Instruments eintrat, jedesmal ein auffallender Mangel an Genauigkeit und Schufswirkung zeigte. So verfeuerte z. B. eine reitende Batterie am 22. Juni 1869 mit Hülfe des Distanzmessers 45 Schüsse auf etwa 1300 Yards Entfernung gegen Scheibenreihen von 54 Fufs Breite und 9 Fufs Höhe, und wiesen die beiden ersten Scheibenreihen hernach 433 Treffer, also fast 10 Treffer pro Schufs, während am 30. Juni 97 nach blofser Distanzschätzung auf annähernd gleicher Entfernung und das gleiche Ziel abgegebene Schüsse nur 118 Treffer oder etwa 11/4 Treffer pro Schufs lieferten . Bei einem dritten Versuche wurden auch die Abstände sich bewegender Ziele von in der Nähe liegenden Hülfszielobjekten mit Erfolg gemessen. Die Resultate dieser Versuche haben den Wert der Distanzmessung im Felde wieder deutlich vor Augen geführt und alle Einwendungen gründlich beseitigt . Dürfte es nicht auch bei uns angezeigt sein, analoge Versuche mit dem Paschwitz'schen Telemeter anzustellen, der Erfindung eines Landsmannes, welche von Autoritäten wie General Neumann , *) Professor Lorber**) u . a. die gröfste Anerkennung gefunden ? vollkommen geeignet ,
den
genügen und
Bewaffnung resp . Ausrüstung zu vervollstän-
unsere
Der Distanzmesser von Paschwitz erscheint eingangs aufgestellten Anforderungen zu
digen.
(Schlufs folgt. )
*) Im Archiv f. Art.- und Ing. - Offiz. nungsmesser".
86. Bd . pag. 252 „ Ein neuer Entfer-
**) Im Repertorium für Experimentalphysik , physikalische Technik, mathematische und astronomische Instrumentenkunde, herausgegeben von Dr. Carl, Professor an der K. b. Kriegsakademie in München, 1879 S. 687 und in Dingler's polytechnischem Journal Bd. 235 H. 3 S. 199.
Topographische Erörterungen.
219
XVII.
Topographische Erörterungen. Von
Reichert , Hauptmann. (Fortsetzung.) III .
Ueber präzise Ablesung an der Latte.
Es ist üblich
und vielfach
empfohlen, bei der Ablesung der
Entfernung an der Latte den einen der beiden Distanzfäden auf die roten Marken einzustellen, welche von Meter zu Meter an der Distanz. latte angebracht sind, oder doch auf eine solche Stelle, wo die Farben Schwarz und Weifs zusammenstofsen. Diese Anweisung ist auch
gewifs sehr zweckentsprechend für
alle die zahlreichen Kotenmessungen, bei denen es darauf ankommt, schnell die Entfernung zu ermitteln und
sich bei der Ablesung vor
groben Irrtümern zu schützen . Man läuft so weniger Gefahr, sich um 10 oder gar 100 m zu verzählen. Es kommen aber Fälle vor, wo auf Distanzen von 10 bis 100 m die Ablesung unbedingt auf den Meter genau sein mufs, namentlich bei der im Sommer häufig notwendigen Prüfung und Berichtigung des Distanzmessers. In diesen Fällen erscheint das erwähnte Verfahren keineswegs empfehlenswert . Hier habe ich es stets sicherer gefunden, den einen Distanzfaden auf die Mitte eines weifsen Lattenteils zu richten, derart, dafs dieser durch den schwarzen Faden in zwei gleiche Hälften geteilt wird. Was die praktische Erfahrung ergiebt, wird sich auch überzeugend begründen lassen :
Fig. 1.
Fig. II.
220
Topographische Erörterungen .
Man vergleiche die beiden Zeichnungen, und man bemerkt sofort, dafs eine kleine Verschiebung des Fadens in Fig . II. bei weitem weniger ins Auge fallen würde als bei Fig. I. In der Fig. II. kann man den Faden den untersten Teil des weifsen Feldes decken lassen, man kann ihn auch auf den obersten Teil des schwarzen Feldes einstellen . wie es hier beispielsweise geschehen ist ; der Unterschied fällt nicht ins Auge.
Für die gleiche Teilung des weifsen Feldes aber ist das
Auge ganz ungemein empfindlich .
Da giebt es keine Schwankung in
der Grenze ; das kleinste Übergewicht auf der einen Seite fällt sofort und deutlich auf. Dazu kommt,
dafs das Auge beim Anschauen der Latte einer
Täuschung unterworfen ist : die weifse Farbe macht sich namentlich bei hellem Licht auf Kosten der schwarzen breit, die weifsen Felder erscheinen stärker als die schwarzen, und die natürliche Folge davon ist, dafs man im Fall II. den Faden,
welchen
man auf die Grenze
einrichten will , zu weit in das schwarze Feld hineinstellt.
IV .
Die Höhenbestimmung durch Nivellement mit der Kippregel.
Jede
Kippregel kann als
Nivellirinstrument benutzt
wenn mit dem Fernrohr eine Röhrenlibelle verbunden ist.
werden ,
Im allge-
meinen wird auf diese Fähigkeit sehr wenig Wert gelegt, was schon daraus hervorgeht, dafs manchen Kippregeln - z . B. die sogenannten dänischen die Libelle am Rohr fehlt. Da auf diese Weise die Höhenbestimmung durch Winkelmessung so zu sagen allein privilegirt ist,
haben auch die Lehrschriften wenig oder gar keine Notiz von
dem Nivellement genommen.
Es ist dies aber zu bedauern, denn in
den allerdings beschränkten Fällen, in denen das Nivellement anwendbar ist,
verdient
metrischen Verfahren . Vorteile,
es bei weitem den Vorzug vor dem trigonoDie nivellitische Höhenbestimmung bietet alle
die überhaupt in betracht kommen ,
denn sie ist schneller
und bequemer auszuführen und ergiebt genauere Resultate. Die Fehlerquellen , unter denen die trigonometrische Höhenmessung leidet, sind sehr mannigfach. Ohne Einzelheiten zu wiederholen, wollen wir nur betonen , dafs sie sowohl den Fehlern des Instruments ,
als
denen der Winkelablesung,
als
denen der Distanz-
messung, als endlich denen der Rechnung unterliegt. dagegen ist eine so
einfache Operation , dafs
dafs
nicht
Das Nivelliren
diese Einfachheit an sich schon die gröfsere Sicherheit gewährleistet. Die grössere Bequemlichkeit und Schnelligkeit des nivellitischen Verfahrens liegt darin, die Tischplatte
ängstlich horizontal gestellt zu werden
Beitrag zur Frage der Bekleidung der Mannschaften etc. braucht,
dafs
die
221
unbequeme Winkelablesung am Nonius
und dafs der Höhenunterschied abgezählt wird .
wegfällt,
ohne jede Rechnung an der Latte
Ist man nun gezwungen, in einem flachen Gelände lange ohne z. B. im Walde - so kann es leicht kommen, Anschlufs zu arbeiten dafs sich bei der Höhenbestimmung durch Winkelmessung ganz unzulässige Fehler einstellen , wesentlicher ist
es,
denn je flacher das Gelände ist,
genau die Höhen zu bestimmen.
desto
Ein Meter
Fehler im Gebirge thut wenig Schaden, aber ein Meter Fehler dort, wo die Höhenunterschiede überhaupt nur ein paar Meter betragen, beeinträchtigt den Wert der Arbeit ganz bedeutend.
Hier zum Bei-
spiel erscheint das Nivellement vorzugsweise am Platz . Was nun die Anwendbarkeit betrifft, so ist sie,
wie schon er-
wähnt, eine beschränkte . Die Grenzen sind gegeben durch die Länge der Latte einerseits und die Höhe des Instruments über dem Boden andererseits. wie
man
Steht der Lattenträger tiefer und nimmt er die Latte ,
sagt,
hoch, so ist die
ganze Länge der Latte für das
Nivellement verfügbar, man kann also Höhenunterschiede bis zu 3 m bestimmen,
nämlich von der Brust des Instrumententrägers bis zur
Spitze der Latte . Steht der Lattenträger höher als der Stations-> punkt ist, lo läfst sich das Nivellement noch bis auf 1,3 m anwenden nämlich von der Brusthöhe des Trägers bis zu seinen Fülsen .
XVIII .
Beitrag zur Frage der Bekleidung der schaften und
Ausrüstung der
Mann-
Pferde.
Von
Fr. Hentsch , Hauptmann a. D.
In neuerer Zeit gehen die Bestrebungen dahin , das Schuhzeug der Armee zu verbessern und die Übelstände , selben gezeigt haben ,
zu beseitigen .
welche sich bei dem-
Unter vielfachen Vorschlägen,
welche in dieser Richtung gemacht worden, stehende hervorzuheben :
sind besonders nach-
Der von H. Ringleb in Rixdorf gefertigte
" unverlierbare
222
Beitrag zur Frage der Bekleidung der Mannschaften
Marschstiefel
besitzt den Vorteil ,
dafs er bei hohem Spanne leicht
anzuziehen, sowie durch das alleinige Zuziehen der unteren Schnalle fest am Spanne und an der Ferse gehalten und in Folge dessen sein Verlieren unmöglich wird.
Der Schaft des Stiefels ist an der vor-
deren Seite bis auf die Spanne senkrecht aufgeschnitten und an ihm an der einen Schafthälfte eine Lasche befestigt, welche bis zur Mitte des Fufsblattes
geht und
derartig
eingesteppt ist, dafs Schaft und
Lasche an der ganzen Naht schräg eingeschärft sind .
Auf der an-
deren Hälfte des Schaftes ist eine Klappe mit einer Anzahl Riemen angebracht und ebenfalls bis zur Mitte des Fufsblattes aufgesteppt. Die Riemen werden durch auf der anderen Schaftfläche gegenüber angebrachte Schnallen gesteckt und der Form des Fufses entsprechend zusammengezogen. Hierbei greift die inwendig befindliche Lasche auf der gegenüberliegenden Seite des Schaftes ein und befindet sich sonach vollständig zwischen Schaft und Klappe. Dadurch soll ein ganz fester, den Fufs vor dem Verlieren des Stiefels und vor Nässe bewahrender und sonach warm haltender Verschlufs erreicht werden. Die Beinkleider können nach Belieben unter oder über den Stiefeln getragen, auch soll bei Lösen der Schnallen dem Fufse Luft zugeführt werden,
so
dafs
ein Ausziehen
der
Stiefel
beim Schlafen behufs
Schonung des Fufses unnötig wird. Bei dem von Labber in Nièvre (Frankreich) vorgeschlagenen
Schnürstiefel mit Schaft wird der Zweck verfolgt ,
die Vorzüge und
Bequemlichkeiten eines Stiefels mit denen eines Schnürstiefels zu vereinigen und die Nachteile des einen wie des anderen zu beseitigen . Wie der Stiefel hat
dieses Schuhwerk einen Oberteil oder Schaft,
um das Bein zu schützen, und wie der Schnürstiefel ist er auf dem Spann geschlitzt, wird daselbst jedoch so zusammengehalten, dafs sich der Schuh dem Spann des Fuſses anpafst und erweitert oder verengt werden kann. Zu dem Zwecke trägt der Stiefel hier an jeder Seite eine Lasche, welche durch Schnüre mit einander verbunden werden. Unter denselben liegt das Zungenblatt des Stiefels. Ist die Verschnürung der Laschen lose, so kann sich das Schuhwerk auf dem Spanne unter einem Drucke von innen ausdehnen , es ist dies aber nicht möglich, wenn die Verschnürung festgezogen wird .
Die Wechselwir-
kung der Verschnürung der Laschen und des Zungenblattes gestattet, den Einschlupf und
das Stichmafs
des Fufsspannes in beträchtlich
weitem Spielraume zu halten, je nach Bequemlichkeit u. s. w. des Fulses. Die Absätze der Stiefel werden bis jetzt aus Leder hergestellt, G. Schildknecht in St. Gallen fertigt solche schon aus Eisen
223
und Ausrüstung der Pferde. bei den für berittene Mannschaften bestimmten Stiefeln . selben wird an einer nasenartigen Verlängerung ,
welche
An denoben und
unten scharf abgekantet, oder auch unten scharf abgesetzt und oben abgerundet
ist ,
der Sporn
charnierartig durch eine Schraube und
zwar bei ersterer Form der Nase feststehend, bei letzterer Form, für welchen Fall ein gerader Sporn zur Anwendung kommen soll, beweglich angebracht.
Der bewegliche Sporn soll den Vorteil bieten , dafs
er beim Abwärtssteigen sich im Falle eines Anstofsens aufwärts bewegt, nach Überwindung des Hindernisses aber sofort wieder in seine gewöhnliche Lage zurückkehrt , wobei ein weiteres Hinabsinken verhindert .
die
scharfe Kante der Nase
Um die bisher den Kastensporen anhaftenden Mängel zu beseitigen ,
welche besonders in Erlahmung und Zerbrechung der Halte-
feder und Abbrechen des Spornstiftes , weil derselbe an der Andrückstelle der Feder zu schwach ist ,
bestehen ,
zu beseitigen ,
hat W.
Hülter in Iserlohn den Sporen und Kasten nachstehende Einrichtung gegeben : Der Spornstift ist bedeutend kräftiger gehalten, gleichmäfsig stark Kästchen.
und pafst genau in das in den Absatz eingelassene
Letzteres enthält eine Schraube, die unter dem Fufs her
mittelst eines Schraubenziehers im Absatz gedreht wird . ist bis zum Absatze hohl ,
Die Schraube
mit Gewinden versehen , und nimmt bei
ihrem Drehen den Spornstift und dessen am Ende befindliches Schraubengewinde auf.
Wird kein Sporn getragen, so wird an seine Stelle
ein Kastenschliefser eingeschraubt , um das Eindringen von Schmutz u. s. w. zu verhindern .
Der Sporn selbst hat an Stelle des sonst ge-
bräuchlichen Rades eine Hohlkugel erhalten , welche in sich einen spitzen, in den Spornhals geschraubten Dorn aufnimmt. Auf den Dorn ist im Innern der Kugel eine Spiralfeder und eine Scheibe geschoben . In gewöhnlichem Zustande drückt die Spiralfeder die Scheibe und damit die Hohlkugel so weit vor , innerhalb letzterer liegt.
dafs die Dornspitze
Tritt der Sporn in Thätigkeit ,
so
wird
durch Gegendrücken gegen das Fleisch des Pferdes die Spiralfeder durch Vermittelung der sich gegen die inneren Kugelwände stützenden Scheibe zusammen- und die Dornspitze hervorgedrückt.
Durch
diese Sporen sollen folgende Vorteile erreicht werden : 1. Unbedingtes Festsitzen des Sporns am Stiefel, wenn auch der Spornschenkel nicht genau
am
Absatze
anschliefst ;
2. leichtes Abnehmen des Sporns ,
ohne in Gefahr zu sein, sich die Finger durch die Räder zu verletzen ; 3. Vermeidung des Zerreifsens der Beinkleider ; nötiger Belästigung des Pferdes.
4. Vermeidung un-
Ebenso wie sich bei der Bekleidung u . s . w. des Mannes manche 15 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
224
Beitrag zur Frage der Bekleidung der Mannschaften
Übelstände gezeigt haben ,
ebenso
genügt auch die Ausrüstung des
Pferdes nicht nach jeder Richtung hin, und ist es hier besonders der Hufbeschlag, über dessen Zweckmäfsigkeit die Ansichten sehr geteilt sind. Um letzteren zu verbessern ist von dem Schmiedemeister J. Chr. Stolberg ein Hufeisen
aus
zwei Teilen konstruiert, welche
durch übereinander greifende Lappen mittelst eines Schlitzes in dem einen und eines Nietstiftes in dem andereren derart mit einander verbunden sind, dafs beide Teile gegen einander bewegt und durch Anziehen des Stiftes festgestellt werden können.
Bei der Anfertigung
dieses Hufeisens haben sich indessen zwei Mängel , wendbarkeit
desselben sehr beschränken ,
welche die An-
herausgestellt ,
nämlich :
1. die geringe Haltbarkeit der eben bezeichneten Art der Verbindung der beiden Teile des Hufeisens, da beim Gebrauche sowohl die Lappen an der Drehungsstelle leicht brechen, als auch die kurzen Nietstifte in dem Schlitze sich leicht lockern ; 2. die Unmöglichkeit, das Hufeisen in der angegebenen Ausführung vorn mit einer Kappe oder einem Aufzuge
zu versehen ,
welche
letztere
bei den meisten Ge-
brauchspferden als ein wesentlicher Stützpunkt für die Vorderzehen des Hufes verlangt wird. Diese Mängel hat nun Dr. C. Schneitler in Berlin zu beseitigen gesucht.
Derselbe hat zu dem Zwecke die Stahllamellen der
beiden Teile an ihrem oberen Ende gerollt und in die dadurch entstandenen runden Öffnungen zwei
starke Nietstifte
Platte dient zur Verbindung der beiden Teile .
gesteckt.
Eine
Diese hat zwei Schlitze ,
durch welche die obigen Nietstifte gehen, welche letztere so vernietet werden ,
dafs
eine Bewegung und Feststellung (letztere durch An-
ziehen der Stifte) der beiden Teile zu einander ermöglicht ist.
Die
Nietstifte erhalten oben über dem länglichen Schlitze kleine Unterlagsscheiben .
Die
obige Platte kann an ihrer vorderen Seite mit
einer Kappe oder Aufzug nach Erfordern versehen sein, sie wird aus einem weichen und zähen Bandeisen hergestellt.
Mehrere Einschnitte
dienen, wie bei dem Stolberg'schen Eisen, zur Befestigung desselben am Huf mittels Nägeln mit hakenförmigem Kopf. Auch die Einfügung von Lederstreifen zwischen die Stahllamellen und die Verbreiterung derselben auf der oberen Seite des Hufeisens und einer Trittfläche ist bei dem Stolberg'schen Hufeisen
vorhanden.
zur Bedeckung der Platte ein besonderes Stück Leder
Jedoch ist mittels eines
kleinen Stiftes auf der Platte befestigt, welches bezweckt, eine ebene Trittfläche von überall gleicher Höhe für den Pferdefufs herzustellen . Eine weitere Verbesserung des Hufbeschlages hat F. Kather in Hannover durch sein Hufeisen angestrebt . Diese Konstruktion
und Ausrüstung der Pferde. beruht auf den Wahrnehmungen,
225
dafs jeder Pferdefufs
seinen be-
sonderen Auftritts- oder Angriffspunkt hat, welcher am Hufbeschlage sich
durch eine gröfsere Abnutzung des Eisens
bemerkbar macht,
dafs ein Ausgleiten des Hufes vermieden wird durch Verteilung der Auftritts- oder Angriffspunkte auf die Trittfläche desselben und Verlegung auf diejenigen Stellen,
welche
dem Angriffe
am wenigsten
unterliegen, dafs ferner vorzugsweise der innere Arm des Hufeisens, welcher regelmäfsig
dem Angriffe
am wenigstens
unterliegt,
den
geeigneten Punkt für eine Schärfungseinrichtung darbietet, und dafs endlich scharfkantige
erhöhte
Flächenabschnitte des Hufeisens ,
geeigneten Stellen des Hufeisens angebracht,
sich
empfehlen,
an
nicht
minder auch, daſs eine gröfsere Anzahl solcher erhöhten , scharfkantigen Abgrenzungen gegen den Auftrittspunkt ratsam und zuverlässig sind , ohne dafs für das Pferd eine Erschwerung ,
oder die Gefahr einer
Selbstverletzung desselben oder einer Verletzung anderer Pferde dabei eintreten kann .
Der Konstrukteur bringt daher an den erfahrungs-
mäfsig oder wahrnehmbar vorhandenen Auftrittspunkten an der Zehe des Hufes an dem Eisen Vertiefungen von 2 bis 3 mm Tiefe an . Die Vertiefung
wird durch eine scharfkantige Erhöhung von Stahl
am Zehenende des inneren Hufeisenarmes gebildet, zeigt nur an dieser Stelle obige Tiefe und erstreckt sich nach dem äufseren Hufeisenarme, an dessen Zehenende sie verläuft. Jeder innere Hufeisenarm ist am Trachtenende und von dessen äussersten Grenze etwa 21/2 cm entfernt, aufserdem mit je einer stollenartigen scharfkantigen Erhöhung von Stahl in der Weise versehen , dafs beide einen nach aufsen offenen Winkel bilden und auch hier ähnliche Reibungsverhältnisse in entgegengesetzter Richtung entstehen, wie die, welche bei der Vertiefung am
Zehenende
des
Hufeisens
auftreten .
Jeder
äufsere
Arm
des
Hufeisens erhält an seinem äussersten Trachtenende zur Vermeidung eines
ungleichmässigen Auftrittes des Hufes
ebenfalls
eine
stollen-
artige, jedoch abgerundete Erhöhung ohne scharfe Kante und ist an seinem Zehenende so verstärkt, dafs derselbe mit der Erhöhung am Zehenende
des inneren
Armes
gleiche Stärke oder Dicke erlangt,
und dafs er sich bis vor den Stollen am Trachtenende hin verjüngt. Bei
einer
solchen Einrichtung der
Hufeisen trifft der Huf stets
gleichmässig den Boden und wird dadurch eine Zerrung des Fufses selber und des Eisens verhindert.
von
Vor längerer Zeit wurden in Berlin vor einer gröfseren Anzahl Offizieren und Fachmännern Versuche mit einer Vorrichtung
angestellt, welche zum Zwecke hatte, das Durchgehen der Pferde zu verhindern und das Bändigen derselben zu erreichen.
Die Resultate 15*
Beitrag zur Frage der Bekleidung der Mannschaften
226 waren
zufriedenstellend .
Bei der Wichtigkeit
dieser Angelegenheit
wurden hierauf von verschiedenen Seiten weitere Versuche mit gleiche Zwecke verfolgenden Apparaten angestellt und unter anderen auch eine solche Vorrichtung von Ch . Eifsbrückner in Geestemünde konstruiert.
Dieselbe besteht aus eigentümlich eingerichteten Scheu-
klappen, welche sich beim Gebrauche mit leichtem Drucke über die Augen legen.
Auf einem
über den Kopf des
Metallbügel sind die Scheuklappen
Pferdes
geführten
mittels einer Welle angeordnet.
Diese Welle liegt in einem winkelförmigen Bügel, und bewirken zwei Spiralfedern, welche über einen horizontalen Hebel der Scheuklappen greifen, dafs diese letzteren immer das Bestreben haben, sich fest auf das Auge des Pferdes zu legen. aus
einer Lederscheibe .
welche
mit Zeug
Die Scheuklappe selbst besteht
Ihr Rand ist mit
überzogen
sind,
so
dafs
Spiralfedern
versehen ,
sich der so
gebildete
elastische Rand derselben eng anschliefsend um das Auge herumlegt, ohne jedoch dasselbe im geringsten zu drücken.
Der oben erwähnte
Hebel dient zum Halten der Klappe in geöffneter Stellung .
Derselbe
legt sich in einen aus zwei Winkeln gebildeten U - förmigen Schlitz , in welchem er durch einen kleinen Riegel fest und die Klappe somit offen gehalten wird .
Der Riegel wird durch eine Spiralfeder immer
nach unten gedrückt,
in sein oberes hakenförmiges Ende greift ein
anderer drehbarer Hebel,
dessen entgegengesetztes Ende durch eine
im Charnier bewegliche
Stange
steht.
mit
einer Zugleine in Verbindung
Für gewöhnlich werden die Scheuklappen so weit nach unten
bewegt, dafs der Riegel in den Schlitz des Hebels fafst, wodurch die Klappen in einer Stellung gehalten werden, Pferdes nicht belästigt.
welche die Augen des
Ist Gefahr des Durchgehens
vorhanden , so
zieht man die Leine an, wodurch die Riegel ausgelöst und die Augen des Pferdes durch die Klappen verschlossen werden. Eine andere, zum Teil der vorbesprochenen ähnliche Vorrichtung ist von V. Kem hadjen in Paris aufgestellt. Dieser Apparat zerfällt in zwei Teile,
deren
einer die Aufgabe hat ,
den Pferden im
Bedarfsfalle momentan die Augen zu schliefsen , während der andere Teil des Apparates in einer Vorrichtung besteht, mittels deren man den Pferden Wasser in die Nüstern spritzen kann . Die Schenklappen sind aus Leder oder Metall gefertigt und bleiben immer offen, wenn man den Apparat nicht in Bewegung setzt.
Dieselben sind durch Lederplatten mittels Charniere am Ge-
schirre befestigt.
An den Charnieren wirken Federn, und an den
Scheuklappen befinden sich zwei Ringnägel, an denen Schnüre angebracht sind, die durch letztere am Obergeschirr weitergehen und sich
und Ausrüstung der Pferde. dann
vereinigt bis zum Fahrer fortsetzen.
227 Den anderen Teil be-
treffend, so befindet sich am Trittbrett des Fahrers unten eine kleine. mit Wasser gefüllte Spritze , schläuche
von deren Mündung dünne Kautschuk-
durch am Halsgeschirr angebrachte Halter bis zum Kopf-
geschirr des Pferdes gehen,
wo
sie
durch Lederschrauben mit den
am Geschirre befestigten Lederrohren Nüstern der Pferde gerichtet sind .
vereinigt werden, Sobald die Pferde
die
in die
durchgehen ,
zieht der Fahrer an der oben genannten Schnur und tritt auf die gefüllte Spritze, wodurch den Pferden sofort die Augen geschlossen werden, während Wasser in die Nüstern dringt. Auch in Bezug auf die Konstruktion der Kummete hat
man
Verbesserungen angestrebt und vornehmlich sein Augenmerk darauf gerichtet ,
Konstruktionen zu erfinden , welche es ermöglichen , dem-
selben Kummet
verschiedene Gröfse zu geben , so dafs es für jeden
Pferdehals pafst .
Hier ist zu erwähnen das von F. Gottwald in
Lauban gefertigte verstellbare Kummet.
Dieses
unterscheidet sich
von den bisher gebräuchlichen hauptsächlich dadurch, dafs derjenige Teil desselben , wo das Pferd seinen Körper zum Zuge anstemmt, wesentlich verstärkt, im unteren Teile aber Raum für freie Bewegung der Vorderhand gelassen ist.
An dem mit Leder überzogenen Rah-
men ist zu dem Zwecke mittels Bindfadenverschnürung eine massive Rippe an der Rückseite angebracht. Rippe ist die Veranlassung ,
dafs
Die eigentliche Wölbung dieser
dieselbe das Pferd ,
trotzdem sie
massiv ist, doch nicht drückt, was überdies noch durch hinreichende Polsterung vermieden wird .
Es verhindern aber diese massiven Rip-
pen das Zusammendrücken des verstärkten Teiles des Kummets , wodurch bei den bisher gebräuchlichen Konstruktionen ein völliges Verlieren der Form eine Stahlfeder
hervorgerufen wurde. geschraubt ,
welche
durch die Zugösen verhindert .
feste
Rippe ist
das Verdrücken des
Auf diese
Kummets
Zieht nämlich das Pferd an , so drückt
die Zugöse auf die Feder , dieselbe wird zusammengeprefst und der Rahmen selbst somit entlastet. Nach dem Aufhören des Druckes dehnt sich
die Feder wieder
halse anpassen zu können ,
aus .
Um das Kummet jedem Pferde-
befinden sich an dem unteren Teile des
Rahmens Metallbügel , die wie bei jedem anderen Kummet die Zugösen, Leinenringe u. s . w. tragen. geteilten Rahmens
ein
Es ist an jedem Ende des unten.
solcher Bügel angebracht ,
und befindet sich
an dem am linken Rahmenarme befestigten ein viereckiger gekrümmter Zapfen, der mit mehreren Löchern versehen ist und in einer an dem rechtsseitigen Bügel befindlichen Büchse gehalten wird.
Dadurch,
dafs
durch
eine Schraube
man die Schraube durch das
eine
228
Beitrag zur Frage der Bekleidung der Mannschaften etc.
oder andere Loch steckt, läfst sich das Kummet weiter machen. Eine andere Konstruktion des Kummets u.
J. Watsow in Bruce (Canada)
besteht aus zwei Stahlteilen ,
ist von
aufgestellt.
oder enger
E. Fischer
Dieses
Kummet
d. h . jede Längshälfte des Kummets
wird von einer dünnen Stahlplatte gebildet, welche entweder in einem Gesenke die erforderliche Form erhalten hat oder auch aus Stahl gegossen wird.
Jeder Teil hat umgebogene
Ränder ,
Querschnitt der Teile annähernd halbrunde Form zeigt.
so
dafs
ein
Die Ränder
sind mit Löchern versehen zum Anbringen eines Überzuges , der entweder aus Leder oder aus dünnem Metall besteht. In ersterem Falle ist der Überzug angenäht, in letzterem angenietet. Dieser Überzug soll hauptsächlich im Winter dazu dienen , die in dem Hohlraum des Kummets enthaltene Luft einzuschliefsen und dieselbe zum Warmhalten des Pferdehalses
zu benutzen .
Im Sommer bleibt entweder
der Überzug ganz weg oder er wird ebenso wie die Kummethälften mit Öffnungen versehen , damit die Luft zirkulieren kann. Seite der Teile sind Arme angebracht , Geschirres befestigt werden .
An jeder
an welche die Zugösen des
Die Enden beider Teile sind mit auf-
gebogenen und mit Löchern versehenen Rändern versehen . An dem oberen Ende sind beide Teile des Kummets durch einen Bolzen drehbar verbunden . Dieser Bolzen geht durch die senkrechten Ränder, zwischen welche eine oder mehrere Scheiben aus Holz oder Leder eingelegt werden, wenn das Kummet weitergemacht werden soll. Die unteren Enden beider Kummethälften sind in ähnlicher Weise mit einander verbunden .
Wenn das Kummet weiter gemacht werden soll,
so setzt man hier ein entsprechend geformtes Stück ein .
Letzteres
besitzt einen Rand, welcher den Rändern der Kummetteile entspricht. Der durch
dieses Stück hindurchgehende Bolzen
wird durch
eine
Klemme an seiner Stelle erhalten , welche letztere durch ein Charnier mit ihm befestigt ist und über die Ränder hinübergelegt wird. Um die nachteiligen Folgen zu verhüten, welche fast immer entstehen ,
wenn
die Pferde
im Stalle mit
d. h. über die zu ihrer Befestigung Halfterriemen deburg eine
dem Fufse sich „ fangen" ,
dienende Halfterkette oder den
treten , ist von A. Fordemann besondere
in Burg bei MagVorrichtung konstruiert worden. Dieselbe
besteht im wesentlichen aus einer aus Federstahl
gebogenen Klammer, welche durch einen Stift in zwei Abteilungen geteilt wird. Die kleine Abteilung, im Rücken der Klammer , dient zur Aufnahme der Halfterkette oder des Halfterriemens , welcher darin Spielraum hat ;
in der gröfseren Abteilung ,
zwischen dem obigen Stifte
und der
Umschau in der Militär-Litteratur.
229
Kammeröffnung bewegt sich ein durch die letztere eingeführter Ring, der mittels eines in denselben gebogenen Klobens an der Krippe, Stallwand oder einem Pfosten befestigt wird.
Tritt nun z. B. das Pferd
über die Kette , so wird meistens schon durch den ersten Ruck , jedenfalls aber durch die nächste Kraftanstrengung, um sich frei zu machen, der Ring aus der Klammer herausgerissen und das Pferd schnell aus der gefährlichen Situation befreit .
Ist der Ring aus der Feder aus-
geschnappt, so wird die Klammer, um ihn wieder einzufügen, mittels eines Schlüssels , der mit Schraubengewinden versehen ist und in eine Kerbe des Klammerschenkels pafst , aufgesperrt .
Es kann nicht für
jedes Pferd genau ein und derselbe Apparat benutzt werden ,
viel-
mehr mufs je nach der Individualität des Tieres das Ausschnappen des Ringes erleichtert oder erschwert werden . Es mufs also die Stärke für jedes Pferd verschieden gewählt werden.
Man kann aber
auch auf bequemere Weise bei ein und derselben Klammer die zum Ausschnappen des Ringes erforderliche Kraft durch einen verschieden dicken Ring regulieren . verschiedener Stärke ,
Zu jedem Apparate gehören daher 3 Ringe
welche sich bei Anwendung einer Kraft ,
einem Gewichte von beziehungsweise 25 , aus der Klammer losreifsen .
die
30 und 35 kg entspricht,
XIX .
Umschau in der Militär- Litteratur.
Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neithardt von Gneisenau.
Vierter
Delbrück.
und fünfter (Schlufs-) Band.
Fortsetzung
des
Von Hans
gleichnamigen Werkes
von
G. H. Pertz .
In den jüngst verflossenen Tagen hat der Ablauf eines Jahrzehnts die Erinnerung an den historisch so hochbedeutenden Moment der Kaiserproklamation zu Versailles besonders wachgerufen .
Wenn
hierbei der sinnende Geist sich den allmählichen Aufbau des jetzt äufserlich fertig dastehenden Gebäudes vergegenwärtigte , so traten gewifs vor allem der grofse Kurfürst von Brandenburg, - der grofse der erste Hohenzollernkaiser des Deutschen König von Preufsen, Reiches als rüstige Werkführer jenes Riesenbaues vor das geistige Sicherlich weilten die Gedanken dann auch einige Augen-
Auge .
Umschau in der Militär-Litteratur.
230
blicke bei jener Zeit, da vor 7 Jahrzehnten Männer wie Stein , Hardenberg, Gneisenau u. a. an diesem Bau zimmerten und hämmerten . Sie hatten , saure Wochen " in jener Zeit der schweren Not, aber ihre Arbeit ermöglichte es erst dem gesamten Volke, fortan mitzuschaffen und zu fördern und schliefslich das Werk krönen zu helfen! Im Hinblick hierauf darf man es eine Gunst des Zufalls nennen , dafs gerade jetzt den Manen
letzten
des
vollständig
endlich eine Ehrenschuld
der drei Letztgenannten
abgezahlt worden ist ,
deren
Tilgung länger als ein Jahrzehnt scheinbar ins Stocken geraten war. Bekanntlich hatte kein Geringerer als der hochgeschätzte Biograph des Freiherrn vom Stein es auch auf sich genommen, das Leben des Feldmarschalls Gneisenau
zu schildern ,
Kriege den dritten Band
dieses Werkes
sah dann die Träume seiner Helden
und kurz vor dem grofsen veröffentlicht.
Dr.
Pertz
zur herrlichsten That werden ;
aber es war ihm nicht vergönnt, das angefangene biographische Werk zu ende zu bringen ; der Tod entrückte ihn im Jahre 1875 dem Ein junger Gelehrter übernahm die dankbare, aber in mancher Beziehung auch sehr schwierige Aufgabe, ein bereits bekanntes , von einem grofsen Meister begonnenes Werk weiter zu irdischen Schaffen .
führen ;
er
übergab im
Jahre
Biographie Gneisenau's in lichkeit.
1880 Fortsetzung und
zwei
Schlufs der
umfangreichen Bänden der Öffent-
Mit grofsem Eifer , äufserster Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit hat des Dr. Pertz Nachfolger die übernommene Aufgabe zu lösen gesucht ; und es ist gewifs kein kleines Verdienst, das wertvolle litterarische Monument jenes Helden der Befreiungskriege in so verhältnismässig kurzer Zeit fertig gestellt zu haben . Dr. Delbrück ist hierbei absichtlich auf anderen Bahnen gewandelt als sein Vorgänger, so dafs das einem Leben geltende Werk aus zwei sehr verschiedenartigen Teilen zusammengesetzt ist. Die Pertz'sche Arbeit ist augenscheinlich bestrebt, ihren Helden mitten in den Ereignissen leben zu lassen ; diese selbst setzt sie mit Fug und Recht im grofsen Ganzen als bekannt voraus . Wenn sie sich daher der Schilderung der Thatsachen zuwendet , so geschieht es nur, um das, was Gneisenau in den einzelnen Zeitabschnitten oder an einzelnen wichtigen Tagen that, sprach , schrieb u . s . w. , was ihn bei seinen Handlungen und Äufserungen berührte und bewegte, dem Leser ins rechte Licht zu setzen.
Ohne Frage hat eine solche Dar-
stellungsweise ihre grofsen Schattenseiten , sie macht vor allen Dingen eine angenehm zu lesende , abgeschlossene Schilderung unmöglich ; aber sie zeigt dafür den Handel und Wandel der in Betracht kom-
Umschau in der Militär-Litteratur.
231
menden Personen in lebenswarmer Erscheinung , und das, so däucht mir, ist unbedingt bei einem solchen Werke die Hauptsache ! Es Ganz anders hat Dr. Delbrück seine Aufgabe aufgefafst . handelte sich für ihn darum, Gneisenau's Leben vom Januar 1814 ab zu schildern , also namentlich die Thätigkeit des Generals in den Feldzügen von 1814 und 1815 , während welcher er bekanntlich dem Feldmarschall Blücher als Generalstabschef zur Seite stand. Der Herr Verfasser hat dies am besten dadurch zu dafs er die Ereignisse
geglaubt,
erreichen
zusammenhängender Weise und auf das
in
Eingehendste darstellt und dabei nach Möglichkeit den Einfluss Gneisenau's auf dieselben hervorhebt. Diesen einzelnen historischen Abschnitten folgen alsdann in chronologischer Ordnung die auf jene Zeit bezug habenden Briefe, Dokumente u. s . w. ohne Hinweis, zu welcher Stelle des Textes sie gehören . So stehen also ganz unabhängig nebeneinander eine Geschichte der Feldzüge von 1814 und 1815 , soweit sie die Blücher'sche Armee betreffen, und eine Sammlung von Briefen u . s . w. aus jener Zeit, soweit sie Gneisenau betreffen . Nur mit Mühe kann sich der aufmerksame Leser aus beiden Teilen dann wohl ein Lebensbild Gneisenau's zurechtlegen . -Was mag den Herrn Verfasser
zu solchem Verfahren bewogen
haben, das grundsätzlich von der Darstellungsweise seines vielerfahrenen Vorgängers abweicht?
War
derung der bezüglichen Ereignisse des Lebens Gneisenau's sei ,
und
er der Ansicht , auch dafs
zugleich
dafs
die Schil-
eine Schilderung
für ein getreues Lebensbild
es an den betreffenden Stellen der Einflechtung der bezug habenden Briefe und anderen Auslassungen nicht bedürfe , ein angenehmer Beirat anzusehen seien ?
diese vielmehr
Dann wäre
aber
als
nur die
Herausgabe jener Briefe , Dokumente und Aktenstücke erforderlich gewesen ; denn über die beiden hier in Betracht kommenden Feldzüge sind, abgesehen von den bereits früher veröffentlichten Schriften , in den letzten 15 Jahren so vortreffliche Werke erschienen, dafs ich es im Hinblick auf die Lebensstellung des Herrn Verfassers sogar als ein sehr gewagtes Unternehmen bezeichnen möchte ,
neben den
Werken von Bogdanowitsch oder der geistvollen Arbeit Th . v . Bernhardi's oder dem auf sorgfältigen Aktenstudien fufsenden Werke des Generals v . Ollech
oder nach den berühmten Waterloo -Vorlesungen
Chesney's u. s . w . noch mit einer Geschichte jener Feldzüge an die Öffentlichkeit
zu
treten.
Allerdings
hatte
der Herr Verfasser das
Glück, die Studienhefte eines Offiziers des grofsen Generalstabes benutzen zu dürfen, und auf Grund derselben einige bisher noch nicht aufgedeckte Irrtümer beseitigen zu können ,
die zum Teil aber auch
Umschau in der Militär-Litteratur.
232
schon in den Jahrbüchern durch dieselbe Quelle zur Aufklärung gebracht waren . Der Einsicht des Herrn Verfassers sind sicherlich die Bedenken nicht entgangen , welche seiner Darstellungsweise entgegenstanden ; aber in seinem Eifer und in seiner Liebe zur Sache hat er sie wohl nicht für sehr erheblich erachtet.
Indem er forschte, grübelte , nach-
dachte und überlegte , verschob sich vielleicht unwillkürlich der Gegenstand derartig ,
dafs
schliesslich nicht
sondern eine Darstellung
eine Biographie Gneisenau's,
der Begebenheiten bei
der Blücher'schen
Armee in den Feldzügen 1814 und 1815 entstanden ist, und zwar eine Darstellung, die von den persönlichen Anschauungen , Betrachtungen , Urteilen des Herrn Verfassers vollständig durchtränkt ist. Meine Wenigkeit , die eingestandenermafsen die mit einer objektiven Kritik schwer vereinbare Untugend besitzt , Verfassers immer nebeneinander stellungsweise
und bei
zu halten ,
der vorhandenen
Person und Werk des fühlte bei solcher Dar-
Sachlage den
Geist des
Widerspruches lebhaft in sich erwachen, und es war mir vielfach kaum möglich , einige Sätze zu lesen , ohne Protest gegen die ausgesprochenen Ansichten zu erheben. Beim Durchstudieren des Abschnittes über die unglücklichen Gefechte der schlesischen Armee an der Marne drängte sich mir sogar der Entschlufs auf, in einem besonderen Aufsatze den Ansichten des Herrn Verfassers entgegenzutreten, damit dieselben nicht an Orten, wo Zeit und Verhältnisse ein gründliches Studium der Quellen verhindern ,
Wurzel fassen.
Indem ich
mir die Veröffentlichung des betreffenden Aufsatzes vorbehalte , beschränke
ich
mich jetzt darauf,
hier
durch Wiedergabe
einiger
Stellen des vorliegenden Werkes die Anschaungsweise des Herrn Verfassers klar zu legen . Im ersten Kapitel des 4. Bandes , in welchem
der Herr Verfasser sich in längeren Auseinandersetzungen
über die bereits von Pertz geschilderten Verhandlungen in Frankfurt a. M. und die beginnt
dort gefafsten Beschlüsse nochmals
ausspricht ,
er folgendermaßsen : „ Nachdem die verfolgende Armee
erste grofse Hindernis , den Rhein , Kriegführung
dafs in betreff der Operationen
eintreten muſste) und
was nun geschehen solle. " wifs am besten ,
mufste
einen Augenblick still stehen (es
damit gesagt sein , ein Stillstand
erreicht hatte ,
wie
sehr
in Beratung
soll
das die wohl
auf kurze Zeit getreten werden,
Der Herr Biograph Gneisenau's weifs gesein Held jeder Zögerung
abhold war.
Derselbe legt am 20. November dem Könige eine Denkschrift vor, worin es u. a. heifst : „ Sollen wir am Rhein stehen bleiben, den Truppen einige Zeit Erholung gönnen und unsere Bedürfnisse und Ver-
Umschau in der Militär-Litteratur.
233
stärkungen erwarten ? Oder sollen wir noch eine Anstrengung mehr machen und dem Feinde nicht Ruhe noch Rast lassen , um die Früchte der errungenen Siege uns zu sichern und einen dauerhaften Frieden vorzuschreiben ?" Bedarf es der näheren Angabe, in welchem Kurz vorher , am 16. NoSinne Gneisenau's Antwort ausfiel ?! vember ,
hatte er an Clausewitz geschrieben :
,, .
. . Der grofse
Mann, der die Leute, die er nicht mag, rückwärts über die Schulter ansieht, findet es sehr thöricht, dafs man über den Rhein gehen will . . . . Der Rhein sei ja ein Abschnitt ; da müsse man stehen bleiben und sich erst wieder herstellen , um dem Feind den Übergang zu verwehren . . . . ." Seite 18 des 4. Bandes lesen wir nachstehende Betrachtungen :
„ Man sollte meinen ,
dafs die gröfsere Wahrschein-
lichkeit des Sieges es leichter macht ,
einen kühnen Entschlufs
zu
fassen . Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Gerade die höchste Wahrscheinlichkeit eines unmittelbar bevorstehenden glücklichen Abschlusses macht gewöhnliche Naturen um so ängstlicher, alles wieder zu verlieren . . . . “ „Überhaupt (ein Lieblingsausdruck des Herrn Verfassers) sichert eine sehr grofse materielle Überlegenheit zwar im allgemeinen den endlichen Sieg, aber keineswegs einen schnellen Sieg. Das gilt ebenso vom ganzen Kriege, wie vom einzelnen Gefecht. Im Gegenteil bringen grofse Massen schon an sich eine gewisse Langsamkeit der Bewegung mit sich. Vor allem aber hat der Wunsch, mit möglichster Sicherheit zu operieren und möglichst allen und jeden widrigen Zufall zu vermeiden, auf den kühnen Feldherrn verständigerweise ebenso sehr Einflufs , wie auf den ängstlichen . . . . Noch bezeichnender für die Stellung des Herrn Verfasser ist vielleicht die auf S. 48 befindliche Stelle :
„ Wenn man die Unfähigkeit
an sich als ein selbständiges Moment in den Kampf des alten Europas gegen Napoleon und die Revolution behandelt, so ist das nichts anderes als das, was man gewöhnlich mit geringer Achtung die militärische Theorie nennt . Dafs die militärische Theorie ein stark hemmendes Moment in der kriegerischen Aktion
der Epoche
war ,
ist
gewifs . . . . Simple Einfalt und Zaghaftigkeit sind als Mitarbeiter nicht gefährlicher, denn als Gegner, da sie von echter Kraft endlich doch mit fortgerissen werden .
Stark werden sie erst, wenn sie die schwer
zu durchdringende Rüstung einer Theorie, d. h. einer falschen Theorie, denn eine wahre könnte nie schädlich sein, anlegen.
Die Fertigkeit
des Systematisierens ist daher eine Eigenschaft, die auch unbedeutenden Personen grofsen Einflußs verschaffen kann. " Diese Worte stehen , wie ich zur Vermeidung von Irrtümern hervorheben möchte , nicht etwa in Clausewitz Werk „ Vom Kriege ",
sondern in Gneisenau's
Umschau in der Militär-Litteratur.
234
Biographie . noch einmal, Marne) kam ,
Auf S. 68
sagt der Herr Verfasser :
„ Übersehen
wir
wie dieses grofse Unglück (die Niederlagen an der so stand der unvergleichlichen Thatkraft und Urteils-
kraft Napoleons doch eine gewisse, aus gar zu grofser Siegeszuversicht entspringende Unvorsichtigkeit der Blücher'schen Heeresleitung (es) wurde gegenüber ..." Einige Zeilen weiter heifst es dann 39. Napoleon recht eigentlich von seinen Gegnern der Erfolg entgegengetragen ; er selbst hat ihn nicht erzwungen, noch wäre er dazu im stande gewesen . Man darf aber darum von seiner Feldherrnkunst nicht geringer denken : denn wenn vielleicht öfter ebenso vortrefflich angelegten Manövern andere Zufälle keinen Erfolg gegönnt haben, so ist ihm dafür auch kein Ruhm zu teil geworden . Man giebt ihm also höchstens hier zu viel, was ihm dort zu wenig geworden ist . . ." Wenige Seiten vorher ( auf S. 65) findet ein Portepeefähnrich oder junger Reserveoffizier auch ein Recept, wie man einen Rückzug unmittelbar vor dem Feinde ausführt. Dort heifst es wörtlich : " Man ordnet ihn (den Rückzug) auf folgende Weise. Eine Abteilung wird Die Kavallerie vorausgeschickt und besetzt das nächste Dorf. mit der reitenden Artillerie kommt als Arrieregarde an die Queue und verschafft durch einen Vorstofs dem Gros die Zeit , sich durch Dann folgt die Arrieregarde dieses Defilé hindurch zu ziehen. schnell und die Besatzung des Defilés verteidigt dasselbe so lange, Unter dem Schutz bis das Gros das nächste Defilé erreicht hat. der Arrieregarde folgt hierauf auch die Besatzung des ersten Defilés . So geht es fort, bis die Dunkelheit einbricht und man sich durch einen Nachtmarsch dem Feind völlig entziehen kann . " Man verzeihe mir, wenn ich hiermit die wörtlichen Anführungen aus dem vorliegenden Werke schon abschliefse ; es könnte sonst des guten zu viel werden. Es sei nur noch auf die „ Reflection " hingewiesen, die der Herr Verfasser behufs Aufklärung über das Verhalten der schlesischen Armee nach der Schlacht bei Laon auf den Seiten 112-116 des 4. Bandes Blüchers
Umgebung
wurde,
anstellt.
Je
vorsichtiger man in
um so kühner scheint der Biograph
Gneisenau's in seinen Folgerungen zu werden . Vielleicht dürfte es auch interessant und lehrreich sein , hier noch einige Proben der besonderen Ausdrucksweise des Herrn Verfassers zu geben, der z . B. das Wort , vollkommen " das m. E. nur in idealer Beziehung angewendet werden dürfte , in Verbindung mit Begriffen wie Niederlage, Flucht, Hoffnungslosigkeit u . s . w. gebraucht. S. 3. finden wir ,,die den Moment ergreifende Thatkraft und Elasticität der Heerführung. " wird S. 17 die Frage aufgeworfen, ob Napoleon fähig sei als „ nicht bevor-
Umschau in der Militär-Litteratur.
235
rechtigtes Mitglied der europäischen Staatenfamilie" weiter zu existieren, S. 20 von der „verzweifelten Kühnheit des Untergangs " , S. 24 von der Heranziehung "9 der schon sesshafteren Masse populärer Formationen " gesprochen .
S. 35 wird der thatsächliche Versuch Schwarzen-
bergs , Preufsen davon zu überzeugen , dafs es unrätlich sei , auf Paris zu marschieren, ein „ versuchen wollen " genannt , S. 47 gesagt : „ der Sieg von La Rothière hatte
auf die Stellung der Parteien keinen
Einfluss gehabt ; vielmehr eher den bestehenden Gegensatz verschärft “ , während S. 48 steht :
keine Partei nahm es sich übel ", S. 49 „ den 66 Charakter einer wohlwollenden Loyalität, den er sonst bewährt hatte , S. 52 „ Man kann nicht einmal sagen ,
dafs Mufflings Vorschlag die
Lage der Verbündeten vollkommen gesichert hätte. " Unbedenklich hätte ich diesen nur den ersten Seiten des 4. Bandes entnommenen Stellen auch die auf S. 12 befindliche „ Das englische Kabinet wurde bedenklich" hinzugefügt, wenn mir nicht noch zur rechten Zeit Goethe's Leonore von Este zugeflüstert hätte : „ Du scheinst bedenklich “ . Es mag fraglich bleiben, ob solche Ausdrucksweise nur auf dem Gebiete poetischer
Licenz
statthaft
ist ,
unzweifelhaft
dichterische
Aus-
schmückung ist es aber , wenn auf S. 421 des 4. Bandes bei Schilderung der Verfolgung nach der Schlacht bei Belle- Alliance behauptet wird , dafs einige Tambours und Hornisten , die man zu Pferde setzte , den Feind durch Trommeln und Blasen weiterschreckten . Wie ich dies schon an anderer Stelle hervorzuheben mir erlaubte, ist in der vor einigen Jahren erschienenen Regimentsgeschichte des Dragonerregiments
No.
2
gabe nachgewiesen.
das
Unrichtige dieser allgemein verbreiteten An-
(In dem Werke des Generals v. Ollech, welches
übrigens vor jener Regimentsgeschichte einem Tambour die Rede.)
erschien, ist auch nur von
So viel Anlafs zu Bemerkungen der 4. Werkes dem Kritiker gab , die
er
Band des vorliegenden
mit Rücksicht auf seine Leser
und den zur Verfügung stehenden Raum noch möglichst einzuengen suchte , so wenig liefert der fünfte,
der Schlufsband.
Er behandelt.
die Friedensjahre von 1815 bis zum Tode Gneisenau's (23. August 1831 ) , aus denen erhebliches nicht zu berichten war. Der Herr Verfasser tritt der Sache entsprechend mit seiner Darstellung und seinen Bemerkungen allmählich immer mehr in den Hintergrund und läfst die Briefe u . s . w. Gneisenau's somit voll auf den Leser wirken . Wäre der erste Teil dieses Abschnittes ,
in welchem der Herr Ver-
fasser manchmal etwas weit von der geraden Strafse abweicht , um seine Ansichten und Anschauungen nach Dichterart „der Menge zu zeigen", etwas kürzer gefafst worden, der Genufs beim Lesen wäre
Umschau in der Militär-Litteratur.
236
ein noch ungestörterer gewesen. auf S. 8 über Gneisenau Gesagte S. 412
gebrachte
Brief
an
Nicht ganz zutreffend will mir das erscheinen ;
auch dürfte der auf
Clausewitz allem Anschein nach nicht
am 10. Januar 1820, sondern am 18. geschrieben sein . Wie leicht ersichtlich, war es bei dieser Besprechung des so hoch interessanten und wichtigen Werkes nicht die Absicht ,
hier an der
Hand desselben Angaben über Gneisenau's Leben zu bringen .
Das-
selbe durfte im allgemeinen als bekannt vorausgesetzt werden, und wäre neues in dieser Beziehung kaum zu bringen gewesen. Der Hauptwert des Buches besteht unzweifelhaft in den veröffentlichten Briefen u . dergl. Aus ihnen lernt man Gneisenau recht kennen ; er steht zwar nicht in dem ganz unbefleckten Glanze da, mit dem die Geschichtsschreibung die historische Person umgeben durfte, aber er kommt mit seinen kleinen menschlichen Schwächen unserem Herzen näher und wird erst jetzt in seiner ganzen Bedeutung voll verstanden. Hier auf einzelnes aus den zahlreichen Briefen näher einzugehen, würde zur richtigen und gründlichen Kenntnis Gneisenau's gewifs nicht beitragen. Wer ihn kennen lernen will, mufs sich in die gesamte Korrespondenz vertiefen . Gerne hätten wir dieselbe daher als Mittelund Zielpunkt des Delbrück'schen Werkes gesehen ; aber auch ohne dies bleiben die beiden letzten Bände der Gneisenau'schen Biographie ein höchst wertvoller Schatz, den keiner unbeachtet lassen darf, der für Gneisenau und jene grofse Zeit, in welcher er hervorragend wirkte, Interesse hat, und ein solches darf man wohl bei jedem Patrioten vorausv. M. setzen.
Armee- und Volksernährung. Ein Versuch, Professor C. v. Voit's Ernährungstheorie für die Praxis zu verwerten. Von Dr. C. A. Meinert. Tafeln.
2 Theile mit 8 lithographierten farbigen
Obgleich das vorliegende Werk an mafsgebender
Stelle und in
militärischen Kreisen schon in hohem Maſse Beachtung und Würdigung gefunden hat, so erscheint bei der hohen Bedeutung des behandelten Gegenstandes
eine eingehendere
diesen Blättern dennoch geboten. in den letzten 20 Jahren
Besprechung desselben
in
Der Versuch des Verfassers , der
durch die Wissenschaft aufgestellten Er-
nährungstheorie in der Praxis mehr Geltung zu verschaffen, verdient gewifs volle Anerkennung und ganz besonders den Dank der Kreise, an welche Dr. Meinert sich zuerst wendet. Selbst der Umstand, dafs der Autor in gewisser Weise pro domo spricht und stets
auf die von ihm besonders
empfohlenen Fleisch-
Umschau in der Militär-Litteratur.
237
präparate zurückkommt, kann ihm das Verdienst an dieser fleifsigen Arbeit nicht schmälern, da er nach unserer Ansicht einen objektiven Standpunkt festgehalten hat . Mag es immerhin in unserer Armee noch viele geben , die von Ernährungstheorien wenig halten und dem Grundsatz huldigen : „ Wenn es mir schmeckt und ich mich satt essen kann, frage ich viel nach der chemischen Wir sind in neuester Zusammensetzung meiner Nahrungsmittel. " Zeit darauf hingewiesen und werden uns für die Zukunft derartigen Erwägungen doch nicht ganz entziehen können.
Unzweifelhaft haben
jene ja insofern recht , als der Mensch ebenso instinktiv wie das Tier auf die Nahrungsmittel hingewiesen wird , die seinem Körper zuträglich sind , und erfordert es keine chemischen Kenntnisse, sich bei einer Wahl zwischen Rinderbraten und Kohlstrünken für ersteren zu entscheiden .
Für das gelobte Land,
wo Milch und Honig fliefst " ,
ist das vorliegende Buch auch nicht geschrieben, sondern für Kreise , in denen die Notwendigkeit gebietet, einen Menschen täglich mit 30 bis 40 Pfennigen zu ernähren , und zwar zu ernähren , dafs ihm die seinem Körper notwendigen Substanzen zugeführt werden. Verfasser beginnt sein Werk mit der Theorie über die Ernährung des Menschen .
"" Nicht für Ärzte und Hygieniker ist der nach-
folgende erste Abschnitt bestimmt, " sagt Dr. Meinert, er wendet sich vielmehr an das Laienpublikum und erörtert in eingehendster ,
all-
gemein verständlicher Weise die Aufgabe der Ernährung des Menschen. Er bespricht dann die Nährstoffe im
allgemeinen und
erklärt die
Verdauung und den Stoffwechsel im menschlichen Körper. Wir lernen bei dieser Gelegenheit eine grofse Zahl berühmter Ärzte und Gelehrten kennen, die sich mit diesem für die Menschheit so überaus wichtigen Gegenstande beschäftigt haben, und ersehen eingehend sich der Verfasser mit dieser Frage lesen wir auf S. 54 und 55, dafs
daraus ,
wie
beschäftigt hat.
So
nach C. v. Voit ein Mensch von
mittlerem Körpergewicht bei mittlerer Arbeit täglich 118 g Eiweiſs , 56 g Fett und 500 g Kohlenhydrate bedarf, während bei angestrengter schwerer Arbeit 145 g Eiweifs , 100 g Fett und 447 g Kohlenhydrate zu seiner Erhaltung nötig sind. -- Es folgen dann die Nährstoffe im speziellen und die Genufsmittel , sowie eine kurze Angabe der Umstände, welche die Verdauung hemmen. Mit S. 110 beginnt der 2. Abschnitt , rung des Menschen in der Praxis handelt.
welcher von der ErnähVerfasser führt uns zu-
erst durch vier Gruppen tabellarischer Zusammenstellungen über die Ernährung : A. von Arbeitern und Beamten , B. von Soldaten, C. in Wohlthätigkeitsanstalten und D. in Gefangenanstalten mitten in die
Umschau in der Militär-Litteratur.
238
Praxis . Diese Angaben der verschiedensten Gelehrten geben viel Stoff zum Nachdenken . Dr. Meinert resumiert daraus u . A. auf S. 122 :
Die praktischen Erfahrungen am eigenen Körper , die ein
jedes Individuum zeit seines Lebens durch die
tägliche Nahrungs-
aufnahme erwirbt, bilden das Urteil über den Wert der Speisen und sind ein Schatz von Kenntnissen, die in dem Satz : „ die Speise schmeckt und bekömmt oder belästigt " einen ebenso entschiedenen wie wichtigen Ausdruck
finden .
Diese Erkenntnis
bleibt der Wegweiser,
welcher dem Menschen die Selbsterhaltung lehrt.
Dafs
aber auch
auf diesem Gebiet sich allmählich grofse Irrtümer eingeschlichen und zur successiven Degeneration ganzer Volksstämme geführt haben, lehrt die Erfahrung . " In den nun folgenden lehrreichen Auslassungen über die Ausnutzbarkeit der verschiedenen
Nahrungsmittel ,
gemischte
Nahrung
oder Vegetarianismus, der Fleischkonsum in Europa, sowie der Konsum an Brotfrüchten u . s. w. , finden wir auch eine Zusammenstellung der täglichen Brotrationen
für die Soldaten aller gröfseren
Armeeen, aus der zu ersehen, dafs der russische Soldat am meisten, 1228 g , der englische am wenigsten , 680 g, Brot erhält.
Die an-
geschlossenen Tabellen über die Zusammensetzung einer Normalkost bietet für Truppenmenagen einen guten Anhalt, wenn sie auch nur für Volksküchen berechnet sind . Leider gestattet uns der Raum nicht , auf die vielen folgenden Tabellen einzeln einzugehen , sie bieten so mannichfache Zusammenstellungen der verschiedenen Lebensmittel nach Nährwert, Preisen, Verteilung u . s. w., geben statistische Angaben in so vielen Richtungen , dafs man wohl für jede nur mögliche Erwägung einen Anhalt finden wird . Dr. Meinert geht
dann
auf Konserven und das Patentfleisch-
pulver über und führt bei dieser Gelegenheit an , dafs bis zum Jahre 1876 nach Dr. Jüdell über 400 verschiedene Methoden zur Herstellung derartiger Präparate bekannt wurden. Sehr richtig unterscheidet der Verfasser Luxus- und Necessitätskonserven, von denen er nur die letzteren ins Auge fafst, da die anderen für die Verpflegung der Soldaten und ärmeren Volksklassen keine Bedeutung haben . Mag man immerhin für die Beköstigung des Soldaten im Frieden auch unbedingt frischem Fleisch und Gemüsen den Vorzug vor den besten Konserven geben,
so
behalten dieselben für die Armee
doch immerhin eine so grofse Bedeutung , kann, jeder Offizier
müsse
mit
dafs man wohl verlangen
ihrem Wert und der richtigen Art
und Weise ihrer Verwendung vollkommen vertraut sein.
Dr. M. ist
selbst weit entfernt, die Konserven und Fleischpräparate für die Gar-
Umschau in der Militär-Litteratur.
239
nisonverpflegung zu empfehlen, da er auf S. 237 sagt : „ Die frischen Lebensmittel werden Konversen nie ersetzen und selbstverständlich wird der Soldat jene stets vorziehen .
Allein
Kriegen müssen Zeiten eintreten , mittel nicht zu schaffen sind. "
die frischen Nahrungs-
Verfasser giebt
in denen
in allen grofsen
dann von S. 276-287 in tabellarischer Über-
sicht die Kostsätze der verschiedenen gröfseren Armeeen nach ihrem Gehalt und Preisen an . Für unsere Armee sind die Preise im Mittel nach 21 Garnisonen berechnet, welche wir von S. 315-350 speziell erwähnt finden . Hieran schliefst sich eine Erwägung, welches System des Menagebetriebes am vorteilhaftesten sei , wobei der Verfasser zu dem Schlufs gelangt, dafs die relativ beste Kost bei dem gemischten System,
d. h.
teils
kontraktlichen Lieferungen ,
Einkauf erzielt worden sei. reine Kontraktlieferung , können nicht umhin ,
teils
freihändigem
Es folgt dann die Portionslieferung, die
und endlich der freihändige Einkauf.
Wir
gegen solches Ergebnis unsere Bedenken aus-
zusprechen , wobei uns langjährige praktische Erfahrungen zur Seite stehen , Bedenken, denen übrigens Dr. Meinert an jener Stelle selbst Ausdruck gegeben hat und uns das weitere Eingehen darauf erspart. Ganz besonderer Beachtung verdienen die auf S. 400--413 enthaltenen Speisetabellen für 30 Tage ,
bei welchen Morgen- , Mittag-
und Abendkost auf Kopf und Tag von 26,5-28 Pfennige berechnet ist, wenn wir auch die zum Schlufs ausgerechnete Ersparnis für irrelevant halten möchten .
Der erste Band schliefst mit einigen Koch-
rezepten für das Patent-Fleischpulver und die Fleischtafeln , 10 Rezepten aus der Menage
nadier-Regiments Königin Olga Nr. 119 . Der zweite Band behandelt die Kost munalen Anstalten , Klassen.
sowie
des königlich württembergischen Gre-
in
staatlichen und kom-
die Volksküchen- und die Kost der arbeitenden
Wenn dieser Band nun für uns auch kein direktes Interesse
hat , so bietet er doch einen Anhalt zur Beurteilung der früheren Beköstigung eines grofsen Teiles unseres Ersatzes . Wir erhalten in diesem Band ferner eine sehr ausführliche Darstellung über die verschiedenen Konservierungsverfahren ,
Auseinandersetzungen ,
die zur
Beurteilung immerhin von Bedeutung sind , wenn sie auch vielleicht nur wenige Leser dieser Blätter interessieren werden . Besondere Beachtung verdient dann aber der Nachtrag zur Ernährung des Soldaten, in welchem die wesentlichsten Bemerkungen des Generalarztes Dr. Roth und des Oberstabsarztes Dr. Fröhlich über das vorliegende Werk Berücksichtigung gefunden haben. Dafs der Verfasser aber auch die mit der Chiffre G. W. veröffentlichten Artikel in der DarmJahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
16
Umschau in der Militär-Litteratur.
240
städter Allgemeinen Militär-Zeitung, welche selbst im Auslande scharfe Zurückweisung gefunden haben, hier noch besonders widerlegt, scheint uns ganz überflüssig zu sein. Auf uns hat dieser Aufsatz nur den Eindruck gemacht ,
als
ob
er aus einem total verdorbenen Magen
stammt und in daraus hervorgegangener Mifsstimmung geschrieben ist. Das Schlufskapitel des vorliegenden Werkes behandelt den Ein-
flufs der Ernährung auf die Lebensdauer des Menschen ,
sowie auf
seine physische und moralische Gesundheit, unter Zugabe statistischer Tabellen über die Sterblichkeit bei verschiedenartiger Ernährung. Es sei schliesslich noch ganz
besonders
auf die beigegebenen
farbigen Tabellen mit graphischer Darstellung der früher besprochenen Verhältnisse aufmerksam gemacht, da man durch dieselben ein überaus klares Bild erhält, wie und wo die Kost unserer Leute zu verbessern oder zweckentsprechender zusammenzusetzen ist . Der Preis
dieses
für jeden Offizier ,
befinden seiner Leute am Herzen liegt, Mark) wird seine Beschaffung
wohl
dem das leibliche Wohl-
so wichtigen Buches ( 16,40
im allgemeinen
auf die
Re-
gimentsbibliotheken beschränken , wo dasselbe aber auch nicht fehlen dürfte.
Sicherlich werden nur sehr wenige der Belehrungsuchen-
den dasselbe mit dem Gefühl
aus der Hand legen :
hört' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube ! "
„ Die Botschaft Btz.
Die elektrische Telegraphie im engeren Sinne. Bearbeitet von 0. Henneberg , Telegraphen-Ingenieur. Von Professor Dr. Zetzschke's Handbuch der elektrischen Telegraphie ist bereits erschienen : Die Geschichte der elektrischen Telegraphie, die Lehre
von der Elektricität und dem Magnetismus, mit
besonderer Berücksichtigung ihrer Beziehungen zur Telegraphie . Von dem 3. Band des Handbuchs, der elektrischen Telegraphie im engeren Sinne, liegt uns die erste Lieferung vor. Dieselbe behandelt den Bau oberirdischer Linien und zwar die Materialien hierfür und die Herstellung derselben nebst ihrer Prüfung .
Es werden die im heu-
tigen Telegraphenbetriebe vorhandenen Einrichtungen eingehend behandelt und wird nur da auf historische Entwickelungen zurückgegriffen, wo es zur Beurteilung der Resultate wünschenswert erschien. Die Arbeit wird voraussichtlich keinen Tadler haben ; sie hat sich bereits überall Freunde erworben und nung finden.
wird immer mehr Anerken-
In den Kreisen unserer Offiziere interessiert man sich jetzt allgemein für die Kriegstelegraphie .
Dieselbe
beruht auf den allge-
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.
241
meinen Friedenseinrichtungen und ist es daher für diejenigen Offiziere, welche sich speziell mit der Kriegstelegraphie zu beschäftigen haben, in hohem Grad erwünscht, wenn sie an der Hand eines so vortrefflichen Buches , wie des vorliegenden ,
ihr Wissen vermehren können .
Wir sehen den weiteren Lieferungen mit Interesse entgegen.
Das Staatsarchiv.
Sammlung
schichte der Gegenwart.
offizieller Aktenstücke
zur Ge-
Leipzig, Duncker u . Humblot .
Wir glauben die Aufmerksamkeit unserer Leser auf das 4. und 5. Heft des 37. Bandes obigen Sammelwerkes lenken zu dürfen, wenn dasselbe auch sonst nur dem Studium des Staatsrechtes und für eine spätere Zeit dem der Geschichte zu dienen bestimmt ist.
Die
oben genannten Hefte bringen nämlich unter den Nummern 7168 und 69 die
dem Grofsfürsten Nicolaus Nicolajewitsch dem Älteren
zugeschriebene Krieg , in
Denkschrift
welchem derselbe
über
den russisch - türkischen
bekanntlich den Oberbefehl über die
russischen Truppen führte, sowie die hierauf unter persönlicher Kontrole des Kaisers Alexander von dem russischen Kriegsminister Miljutin verfasste Antwort. Beide Denkschriften, von den mafsgebendsten Persönlichkeiten nach den besten, offiziellen und privaten unzugänglichen Dokumenten zusammengestellt ,
sind ursprünglich in der
Nouvelle Revue, welche in Deutschland wenig verbreitet ist, veröffentlicht worden . Sie werfen auf viele dunkele Partieen jenes grofsen Krieges das erste Licht.
XX.
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze aus anderen militärischen Zeitschriften. (15. Dezember 1880 bis 15. Januar 1881.)
Militär-Wochenblatt ( Nr. 104—106 für 1880, Nr. 1–5 für 1881 ) : Die Altertums- und Trophäensammlung des Hauptzeughauses zu München . Das Offiziercorps der dänischen Armee und seine Etats. --Das Bajonettfechten. - Aus den russischen Übungslagern. Die bulgarische Reichswehr. Ein Schreiben des General Drago-
16 *
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze
242
mirow an den Verfasser der „Neurussischen Taktik " . - Die verschiedenen Feuerarten der Infanterie und ihre Anwendung. - Die griechische Armee. Die französische Kavallerie . ― Zur militärischen Lage Englands . Sprungkasten oder Voltigierpferd für die Infanterie. - Das Bajonettfechten. Neue militärische Blätter (Januar- Heft) :
Die Grenzverhältnisse
zwischen Ruſsland einer- , Österreich und Deutschland andererseits . - Der Marschall Mac Mahon und das französische Heer seit dem Kriegsausbruch 1870. Einige Bemerkungen und Wünsche inbetreff unserer Schiefsinstruktion. - Grundzüge der geschichtlichen Entwickelung der Kasakenheere . — Wie der französische General Custine am 21. Oktober 1792 zur Eroberung von Mainz kam. ― Soldatenstand und Christentum . Allgemeine Militär-Zeitung ( Nr. 99-101 für 1880, Nr. 1-4 für 1881) : Über die Vermehrung der Feldartillerie . - Über das epideDie Pferdezucht mische Auftreten von Erfrierungen in Feldheeren . — in Frankreich. - Beiträge zur Geschichte des Krieges zwischen Chili und Peru mit Bolivia. Die Fufsartillerie im Feld- und Festungskriege . Deutsche Heeres-Zeitung ( Nr. 102 für 1880, Nr. 1–4 für 1881 ) : Die für die Schweiz bis jetzt vorgeschlagenen Befestigungssysteme . Eine "" Wehrsteuer " für das Deutsche Reich. --- Das spanische Geniecorps. Sprungkasten und Bajonettfechten . Militär-Zeitung für die
Reserve-
und Landwehr- Offiziere des
deutschen Heeres ( Nr. 52 für 1880 , Nr. I u. 2 für 1881) : Die Bekleidung und Ausrüstung der preufsischen Landwehr. - Die Expeditionen der Engländer nach Afghanistan in den Jahren 1878-1880. - Die griechische Armee. - Die Reiterei. --- Geschütz-Exerzierreglement der Fufsartillerie . Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie ( Heft XII . ) : Die theoretische Begründung des Buys-Ballot'schen Gesetzes. - Aus den Reiseberichten S. M. S. „ Prinz Adalbert". Österreichische Militärische Zeitschrift (X. u . XI . Heft) : ArmeeStudie leitung und Truppenführung in ihren Wechselbeziehungen. Kleine Beiträge für die über die Elementartaktik der Infanterie. Die königlich ungaAusbildung und das Dienstleben im Heere . rische Honvéd-Kavallerie im Jahre 1880. Folgerungen für die Zukunft der Feldartillerie
und deren taktische Verwendung
durch
Auftreten von Artilleriemassen. Organ der militär-wissenschaftlichen Vereine (XXI. Band 5. Heft) : Über den notwendigen Kriegsstand eines Heeres. - Das erste und
aus anderen militärischen Zeitschriften .
243
Glied . -
Die Landmacht Rufslands. - Das Sanitätswesen des deutschen Heeres. Der russisch-türkische Krieg . Über den taktischen Wert des Schiefsens auf grofse Distanzen . -
das
zweite
Sammlung türkischer Dokumente über den letzten Krieg 1877-78 . Österreichisch-ungarische Wehr-Zeitung „ Der Kamerad “ ( Nr. 100 -103 für 1880 , Nr. 1-4 für 1881 ) : Die Mannschaftsbetten in den Die Politik im Offizierscorps . Kasernenzimmern . Die EisenÜbungsbahn Pest-Semlin. Über Nationalitäts -Idee im Heere. märsche der Infanterie .
Österreichische Militär-Zeitung ( Nr. 100-102 für 1880, Nr. 1-3 für 1881 : Die Unterkunft der Soldaten . — Zur Frage der Repetiergewehre. - Zum Thema : Armeegeist . -- Landwehrkavallerie . Die königlich ungarische Honvéd-Kavallerie im Jahre 1880. und Volkswohlstand.
Armee
Österreichisch-ungarische Militär-Zeitung „ Vedette" Nr. 100-104 für 1880) : Über den Armeegeist und seine Wirkungen. - Das neue Ein Wort zum Aufsatz : „Aufklärung über die
Exerzierreglement .
Haltung unserer Kavallerie bei galizischen Manövern . Der „Veteran" (Nr. 42—46 für 1880 , Berittenmachung der
Hauptleute
in
Nr. 1-3 für 1881 ) : Die
der französischen
Armee.
Eine Besteigung der Terglou zu militär-wissenschaftlichen Zwecken . Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens (Nr. XI . u. XII . ) : Die neueren Schiffsstahlfabrik.
und
Küstengeschütze
der Krupp'schen Guſs-
Le spectateur militaire (15. Dezember 1880) :
Über die Administration und administrative Organisation der Armee. ―― Geschichte des früheren Generalstabscorps . Die Thäler im Waatlande . Journal des Sciences militaires (Dezember - Heft 1880) : Über Unterricht in der Taktik. — Die Rolle der Befestigungen im letzten Orientkriege. - Über den Parteigängerkrieg . Bulletin de la Réunion des officiers ( Nr. 51 u . 52 für 1880, Nr. 1—3 für 1881) : Der neue Krieg in Afghanistan . - Anwendung der Feldverschanzungen auf dem Schlachtfelde und ihr Einfluss auf die Taktik. Das Demontiergeschütz
und seine Bedeutung
im Belagerungs- und
Gebirgskriege . Die Militärtelegraphie während der letzten Feldzüge . -— Die Militärtransporte bei den Alten. - Studie über das Zahlungswesen. Staaten Europas .
Das ――
Generalstabscorps in den verschiedenen Studie über ein prismatisches grobkörniges
Pulver für ein 14 zölliges Küstengeschütz Modell 1877. - Selbstthätige Topographie. Studie über das Patrouillensystem zur Aufklärung vor einer selbständigen Kavalleriedivision.
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze
244
L'avenir militaire ( Nr. 687-692) : Der Dienst zu 40 Monaten und die Effektivbestände. - Die Unteroffiziersschulen . - Die Armee und die Eisenbahnen . Die Engländer in Afghanistan . - Über die Pferde der leichten Kavallerie . - Der Eisenbahndienst im Kriege. -- Die Engländer am Kap. L'armée française ( Nr. 452-465 ) :
Das Avancement.
Die
Die Armee Der Wiederankauf der Eisenbahnen. ― katholischen Cercles . Die griechische Armee. Das
Remonten. und die
Jahr 1880 vom militärischen Gesichtspunkte betrachtet . Die Adjutanten der Kavallerie. - Die Ansicht des Generals Totleben über die Anwendung der Feldartillerie im Gefecht. dition. Über Taktik.
Die Merv-Expe-
La France militaire (Nr. 16 für 1880, Nr. 1-2 für 1881 ) : Kanonen und Kanoniere. - Die Spione . Zwei neue Gewehre . Die Engländer am Kap . - Die Lage der italienischen Flotte. Die Feldartilleriemanöver. Das belgische karthoDie Rekrutierung der egyptischen Armee. graphische Institut . Der Aufstand der Boers. - Der LuftballonErfahrungen mit einem Dampftrain.
dienst vom militärischen Gesichtspunkt. Le progrès militaire (Nr. 13-22) : Die Fufsmanöver der ArtilDie BeNotwendigkeit der Erhöhung des Offiziersoldes. lerie. Die Hauptleute 2. Klasse . Das Admikleidungsanstalten. nistrationsgesetz. — Vergleich des Soldes in Holland und in Frankreich . Die Geniearbeiten . - Die Transformierung der Kürassiere. Die Reorganisation der Das Schiefsen in den Kasernenstuben . Infanterie . Revue d'Artillerie ( Dezember 1880) : Bericht über die Versuche eines Detachements des 33. Artillerieregiments , welches den Zweck hatte , mit den Geschützen das Eis der Loire zu brechen. - Über die Pulverwirkung bei Geschützen . --- Schiefsversuche gegen schwer durchdringliche
Hindernisse .
-
Die
englische
Artillerie .
Die
Schiefsausbildung im Auslande. Russischer Invalide ( Nr. 265 für 1880 -Nr. 2 für 1881 ) : Über die Abfassung von Regimentsgeschichten. - Über die Versorgung der Truppen mit Patronen . -- Über die Vorrichtung des Major Lange Übersicht zur Bearbeitung des Pferdes mit Trense und Kanthare. der im Jahre 1880 in Europa vorgefallenen politischen Ereignisse. Wajenny Sbornik ( Dezember- Heft) : Materialien zur Beschreibung Jahreseinteilung der Operationen des Rustschuk-Detachements . des Dienstbetriebes der Truppen. -- Über die Herstellung von Ein-
aus anderen militärischen Zeitschriften .
245
grabungen und Befestigungen in der Nähe des Feindes und unter Über seinem Feuer . Die taktische Ausbildung der Kavallerie. den Dienst der donischen Kasaken sorischen befestigten
Lager.
zur
Kriegszeit .
Über die
Die
provi-
Fourageverpflegung
der
Truppen im Hinblick auf den Truppentrain . - Die Okkupation von Bosnien . Materialien zur Geschichte des Terek-Kasakenheeres von 1559-1880 . Ein Jahr im Sattel. Erinnerungen eines GeneralStabsoffiziers an den Krieg in Armenien 1877-78.
Russisches Artillerie-Journal (Dezember 1880) : Über die Thätigkeit der Artillerie
auf dem Schipka - Pafs vom 22. Juli bis zum 12. August 1877. Regeln über die dreizölligen Leuchtraketen. beim Schiefsen aus Geschützen . Russisches
Ingenieurjournal ( November und Dezember 1880)
Die Thätigkeit der Offiziere und einiger Mannschaften des 6., 4. und 3. Sappeur-Bataillons bei der Verteidigung von Sewastopol. - Die Aufladung des Pontontrains auf Zugplattformen. Morskoi Sbornik ( Dezember 1880) : Wladiwostok oder Olga ? Auf welchem Boden steht der Leuchtturm von Jenikale ? - Das Springen (Platzen) des Armstrong'schen 100 t - Geschützes Duilio. - Die Härtung des Stahls.
auf dem
Rivista militare (November 1880) : Studie über die Feldartillerie. Montenegro vor dem und nach dem Berliner Traktat. - Die Küstenverteidigung.
Bericht und Gesetzesvorschlag inbetreff der Modi-
fikation des Rekrutierungsgesetzes . (Dezember 1880 ) : die Feldartillerie . --- Die Küstenverteidigung.
Studie
über
L'Esercito italiano ( Nr. 144—150 für 1880, No. 1–6 für 1881 ) : Die Zukunft der Unteroffiziere. --- Die Waffenfabrik in Terni . - Über Über Scheibenschiefsen . - Die Reservelebensmittel des Heeres . Militärjustiz . - Die Neuordnung der Infanteriebrigaden.
Die neue
Schiefsinstruktion für die englische Infanterie. Giornale di Artiglieria e genio ( November- Heft) : Notizen über das 45 cm-Geschütz . Die russische Artillerie.
Studien
über
die
Rivista marittima (Dezember 1880) :
Belagerungsartillerie. Die Schiffsfrage.
Die
neuen Schiffskonstruktionen für die italienische Marine. Die Kriegshäfen. ―― Die Schiffsventilation . - Der Krieg in Süd-Amerika . -Das Schiefsen von der Küste gegen erhöhte Punkte. Army and Navy Gazette ( Nr. 1091-1094) : Das deutsche HeeresDie system. Unsere Feldartillerie . Das britische Militär. Der Basutokrieg . militärische Situation in Irland. Die Reor-
Verzeichnis der bedeutenderen Aufsätze etc.
246
ganisation unserer Feldartillerie .
Die Wirren im Transvaallande. Der Boernaufstand . - Carl im Jahre 1880 . Eduard Stuart. - Maschinengeschütze für Schiffe. Die
Marine
Army and Navy Journal ( Nr. 901-906) : Amerikanische Soldaten in Egypten. - Die Fortificationsbill. -Weiteste Tragfähigkeit der Das 19. Armeecorps Handfeuerwaffen. - Unser Pensionssystem . ― im Shenandoahthal. The United Service (Januar 1881) : Die Organisation der Militärakademie. Die Kavallerie der britischen Armee . Zwei Schlachtbilder. - Die Organisation der deutschen Artillerie. Allgemeine Schweizerische Militär - Zeitung (Nr. 51 und 52 für 1880 No. 1-3 für 1881 ) : Landesbefestigung, Miliz und stehendes Heer. Die fortschreitende Entwickelung der französischen Armee. - Zur Geschichte der Geschützgiefserkunst in der Schweiz. - Englischer Garnisondienst. Die Flugschriften über Landesbestigung. Die Delegirtenversammlung des eidgenössischen Offiziervereins in Olten. - Das Pferdewesen der schweizer Kavallerie. Zeitschrift für die Schweizerische Artillerie ( Nr. 12) : Meine Eindrücke bei den grofsen Manövern des königlich preufsischen Gardeund des III. Armeecorps . - Pulverversuche in der Schweiz . Revue militaire suisse Die Rekrutierung.
1881) :
(Nr. 23 u. 24 für 1880 , No. 1-2 für Das Loewesche Repetiergewehr. - Ver-
sammlung der III. Division im Jahre 1880. Die Bataillonsquartiermeister. - Eindrücke eines russischen Offiziers in der Schweiz, im September 1880. - Gefechtsmethode eines Infanteriebataillons . De militare Spectator (No. 1) : Übersicht der verschiedenen in Holland mit grobkörnigem Pulver ausgeführten Versuche . - Der Unterricht über die Militärarzneikunde in England .
Bemerkungen
über den Gebrauch von Signalscheiben bei den Schiefsübungen der Infanterie. Der russische Schnelllader, System Krnka . Norsk Militaert Tidsskrift (43. Bd. 12. Heft) : Instruktionsschulen zur Ausbildung der Infanterieoffiziere ohne festen Gehalt von 1867 bis 1880 nebst solchen für Reserveoffiziere von 1864. -- Über Anwendung und Leitung von Infanteriemassenfeuer. Militaert Tidsskrift (7. Heft) :
Reiterei-Dreitreffentaktik .
Die
Anwendung des Infanteriespatens für flüchtige Feldbefestigung in Österreich. Über die Verteidigung von Kopenhagen durch Heer und Flotte. Memorial de Ingenieros ( Nr. 24 für 1880, No. I für 1881) : Die Elektricität und ihre militärische Ausnutzung. Die Schluſsübungen Photophon Das der praktischen Schule zu Guadalajara. . - Über
Verzeichnis der bei der Redaction eingegangenen Bücher etc.
den Festungsrayon.
247
Erfahrungen der Artillerie in Italien .
Über
Sappenarbeiten . Revista cientifico militar ( Nr. 10 --- 13) : Der Krieg und die Kunst. Studie über die Truppenführung . ·-Studien über die Geschichte, Organisation und Taktik der Kavallerie . - Die russische Expedition Studien über die Kunst und die Kriegsgeschichte .
gegen die Tekes.
- Die Belagerung von Zaragoza . militar (Nr. 3) : Über die Erziehung. Die praktische Ingenieurschule.
Die
Revista militar (Nr. 23 u. 24) : Über die Infanterie. direkte Schufs der Artillerie. Die Übungen im Walde.
Der inDie
La illustracion Helden von Tarifa.
Notwendigkeit der nationalen Heere, der allgemeinen Dienstpflicht . der Milizen und Reserven . Das Heer und die Kolonieen .
XXI.
Verzeichnis
der
bei
der
Redaction
genen neu erschienenen Bücher
eingegan-
u. s.
w.
(15. Dezember 1880 bis 15. Januar 1881.)
Kinzenbach, F. , evangelischer Pfarrer : Mein Kriegsjahr 1870–71 . Erinnerungen eines ehemaligen Kriegsfreiwilligen im rheinischen Jägerbataillon No. 8. Mülheim a . d . Ruhr 1880. 8º. 271 S. des Verfassers . -
Selbstverlag
Kossmann, Major und Bataillonskommandeur : Die Terrainlehre , Terraindarstellung und das militärische Aufnehmen . Mit Berücksichtigung der neuesten Bestimmungen der königlich preufsichen Landesaufnahme. schnitt . Stein.
Mit über 500 Figuren in Holz-
Fünfte sehr verbesserte Auflage. 8. – 288 S. Preis : 4 Mark .
Potsdam 1880 , A.
Stegen , Le comte van der , Capitaine au corps d'état-major : Conférences sur la guerre d'Orient en 1877-78 . 80. - 56 S. 1880 , C. Muquardt. ―
Bruxelles
Verteidigungs- , das , und Befestigungssystem der Schweiz. Mit einer Übersichtsskizze . Von einem Freunde der Schweiz . 96 S. —— Preis : 70 ct. Bern 1881 , B. F. Haller. - 8" .
Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin W.
XXII .
Gustav Adolph in seinem Verhältnis
zu seinem
Schwager, dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
Von Ohlendorf, Major a. D. (Schlufs .) Neue Landung Gustav Adolph's und Feldzug von 1627. Im Januar des Jahres 1627 war der Kurfürst Georg Wilhelm an der Spitze von 4000 Blauröcken und 600 Pferden nach Preufsen marschiert, hauptsächlich, um den Neutralitätsvertrag, den die preuſsischen Stände im vergangenen Jahre mit Gustav Adolph geschlossen , zu lösen.
Dafs der Kurfürst dabei den Gedanken hegte , mit Hülfe
der Polen, die gegen die zurückgelassenen schwedischen Truppen mit Glück
gekämpft hatten , die Festung Pillau zurückzuerobern ,
nicht ausgeschlossen sein , war.
zumal ja der Schwedenkönig
mag
abwesend
Georg Wilhelm begab sich mit seinem Corps nach Königsberg,
wurde aber von Oxenstierna durch Abgesandte gefragt , Neutralitätsvertrag beitreten wolle
oder nicht.
Statt
ob
er dem
ein entschie-
denes Ja oder Nein zu sagen , gab er eine ausweichende Antwort, die beide Parteien - Polen und Schweden zufriedenstellen sollte.
Königsberg werde neutral bleiben ,
anschliefsen.
er selbst sich den Polen
Der Kurfürst , höchst wahrscheinlich von dem bei ihm
eingetroffenen kaiserlichen Gesandten, Burggraf Hannibal von Dohna, beeinflusst, versuchte , Pillau den Schweden wieder zu entreifsen und marschierte zu diesem Zwecke nach Lochstädt , unweit Pillau.
Da
landete anfangs Mai Gustav Adolph bei genannter Festung . Er war 17 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
250 nämlich
schon im Januar durch seinen Oberst Teuffel von Lübeck
aus benachrichtigt, dafs , obgleich „ les desseins du dit Electeur sont encore inconnus , l'on tient, qu'il attaquera le fort de Pillau. "
Durch
die Ankunft Gustav Adolph's, die den Kurfürsten völlig überraschte , waren für diesen die Aussichten , Pillau
zu
nehmen ,
hebliches geringer geworden, ja man kann sagen , haften Organisation des verschwunden.
um ein er-
bei der mangel-
brandenburgischen Truppencorps
fast ganz
Georg Wilhelm bezog bei Lochstädt , „ da , wo
ein
enger Pafs ist ", ein verschanztes Lager ; ihm gegenüber Gustav Adolph, „ campo a campo" , so nahe , dafs die Posten mit einander reden konnten. Der Kurfürst zog dem Ungewissen einer Waffenentscheidung einen Waffenstillstand vor , der bis Michaelis dauern sollte.
Er versprach darin ,
gegen Pillau
nichts Feindseliges zu
unternehmen, dagegen verpflichtete sich Schweden, nicht mehr Truppen in Preuſsen zu halten , als zur Besetzung von Pillau notwendig war. Den Rücken frei, konnte sich Gustav Adolph gegen Dirschau wenden ,
um von hier aus ,
in Vereinigung mit seinem Hauptheere ,
entweder gegen Danzig oder gegen die an der Weichsel, unweit Meve stehenden Polen einen Schlag zu führen .
Wir übergehen hier die
einzelnen Operationen des Schwedenkönigs , glücklich verliefen .
welche
im allgemeinen
Während derselben überraschte ihn der branden-
burgische Gesandte v. Knesebeck und eröffnete ihm im Namen seines Herrn, dafs er in Rücksicht auf sein Lehnsverhältnis zu Polen nicht dulden dürfe, dafs im Herzogtum Preufsen für das schwedische Heer Werbungen stattfänden und Lebensmittel requiriert würden ; er müsse hiermit beides verbieten und fordere auch den Zoll von Pillau zurück.
Dieser Schritt des Kurfürsten genügte, um seinen königlichen
Schwager schnurstracks gegen ihn in die Waffen zu rufen .
Mit der
dem König eigenen Schnelligkeit wandte er sich gegen die brandenburgischen Truppen in Preufsen.
Um ein kleineres Corps , das sich
der polnischen Armee anschliefsen sollte , verhindern ,
an dieser Vereinigung zu
sandte Gustav den Grafen Thurn mit 11 Schwadronen
voraus, der die Brandenburger unweit Mohrungen einholte . anfangs traf diese
das Mifsgeschick,
dafs ihr Führer ,
Gleich
der General
Kalkstein, im Gefechte blieb ; als am anderen Tage der König selbst mit dem Reste seiner Truppen herangekommen war, beeilte sich das brandenburgische Corps ,
ohne von den Gewehren auch nur im ge-
ringsten Gebrauch gemacht zu haben, in der Stärke von 1800 Mann und 6 Geschützen
eine Kapitulation
2 Compagnieen Fufsvolk ,
die Fahnen
Kurfürsten zurückgeschickt ,
abzuschliefsen .
Die Offiziere,
und Geschütze wurden dem
dagegen mussten 1200 Musketiere und
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
251
200 Reiter schwedische Dienste nehmen ; während die letzteren unter die schwedischen Schwadronen verteilt wurden, bildete man aus dem Fufsvolk ein
besonderes Regiment ,
welches nach der Farbe seiner
Fahnen später das gelbe genannt wurde. *)
Der Kurfürst mufste sich
einen sehr harten Vertrag gefallen lassen, wonach im
Herzogtum Preufsen werben ,
noch
er keine Soldaten
solche aus
anderen Orten,
namentlich aus dem polnischen Lager an sich ziehen durfte ; Königsberg solle wegen der Neutralität nicht beeinträchtigt werden " u . s. w. Dem König war
es nämlich sehr erwünscht ,
dafs
das
grofse und
reiche Königsberg sich neutral erklärt hatte. Ende 1627 begab zurück.
sich Gustav Adolph wieder
Das Kommando über die
nach Schweden
zurückgebliebenen schwedischen
Truppen wurde wiederum dem bewährten Kanzler Oxenstierna übertragen , an welchen sich Georg Wilhelm durch seinen Gesandten Knesebeck wiederholt mit der Forderung wandte , die besetzten Plätze wieder herauszugeben.
Der schwedische Kanzler, der die mit Polen
eingeleiteten Friedensunterhandlungen
auf seines Herrn Geheifs ab-
sichtlich in die Länge ziehen musste , um einen Vorwand zu haben, Pillau festzuhalten , erwiderte dem Kurfürsten ausweichend , indem er auf die täglich wachsende Macht des Kaisers hinwies , die ihm sehr gefährlich werden könne, — eine Behauptung , die Georg Wilhelm schwer verständlich war. Anfangs
1628
kehrte Gustav Adolph
Schweden zurück ,
selbstverständlich ,
dafs
lebendiger wurde .
In dieses Jahr fällt ein sehr wichtiges Ereignis ,
welches
die
aus
kriegerische Aktion gegen Polen sofort
in Rücksicht auf Gustav Adolph's
deutschen Angelegenheiten gegenüber die
Unterstützung
der Stadt Stralsund
hier
späteres Verhalten den erwähnt werden muſs :
durch schwedische Truppen
während der Belagerung durch ein kaiserliches Heer unter Wallenstein . Stralsund stand unter Landeshoheit des pommerschen Herzogs Bogislav, war aber zugleich Mitglied der Hansa und als solches mit grofsen Privilegien ausgerüstet. Bekanntlich mufsten die Kaiserlichen die Belagerung aufheben und unverrichteter Sache wieder
abziehen .
Als der Herzog Bogislav von Pommern nach Aufhebung der Belagerung Gesandte an Gustav Adolph schickte und ihn bitten liefs , seine Truppen aus Stralsund zurückzuziehen, durch Pommern nichts gegen das Reich zu unternehmen , damit das Land endlich von der Last der Einquartierung befreit würde, antwortete der Schwede : „ Ich habe niemals etwas wider das Reich im Sinne gehabt (sic !) ; aber Stral-
*) Gfrörer S. 249.
17 *
252
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
sund wird den Reichssatzungen entgegen bedrängt. mich um Hülfe gebeten ,
Die Stadt hat
die ich nicht verweigern konnte ; ich darf
auch mein Volk nicht abberufen , sie sei denn gesichert. " *) In der That blieben in Stralsund schwedischerseits 4000 Mann zu Fufs und 1000 Pferde, trotz Einsprache des Herzogs von Pommern . Während Gustav Adolph sich von Ende 1628 bis zum Frühjahr des folgenden Jahres in Schweden aufhielt , trug
der
schwedische
General Wrangel in verschiedenen Gefechten nicht unerhebliche Vorteile über die Polen davon, so namentlich bei Gorzno. In diese Zeit - März - fällt die Unterstützung der Polen durch ein kaiserliches Truppencorps von etwa 20 000 Mann unter dem General v. Arnim. Wir erwähnen dieses Ereignis hier ,
weil später Gustav Adolph bei
seiner Kriegserklärung gegen den Kaiser auf dasselbe grofses Gewicht legte und daraus einen Grund zum Kriege herleitete . konzentrierte
Gustav Adolph seine Truppen
Dirschau und Marienburg.
Zu
Im Mai 1629
an der Weichsel bei
bedeutenden Ereignissen
sollte es
übrigens auf dem Kriegsschauplatze nicht mehr kommen ; das Friedensbedürfnis machte sich für beide Teile in gleicher Weise geltend . Dazu kam ,
dafs Frankreich alles aufbot ,
zwischen Gustav Adolph
und dem Könige Sigismund von Polen einen Frieden oder doch mindestens einen mehrjährigen Waffenstillstand herzustellen ;
denn der
französische Kardinal hielt den Zeitpunkt für gekommen , dafs Gustav Adolph seine Waffen gegen den Kaiser richten sollte ,
welcher ,
die
Belagerung von Stralsund ausgenommen, überall siegreich aufgetreten war.
Auch der Kurfürst von Brandenburg liefs
es sich angelegen
sein, durch seine Gesandten auf eine Beilegung der Feindseligkeiten zwischen Schweden und Polen hinzuwirken ; hatte es doch sehr grofses Interesse für ihn , sein Land Preufsen so rasch wie möglich von der drückenden Last fremder, namentlich schwedischer Einquartierung zu befreien . Die Unterhandlungen fanden unter eifriger Mitwirkung des französischen Gesandten Charnacé statt ; seitens Brandenburg nahmen der
Landeshauptmann
Andreas
v.
Krentzen ,
Landrat
Bernhard
v. Koenigseck und Hofgerichtsrat Rauschke daran teil. Diese Herren erklärten dem Schwedenkönig rundweg , dafs die Abtretung von Marienburg und Höft, welche Städte sich in den Händen der Schweden befanden, die conditio sine qua non sei.
Nach langem Hin- und
Herverhandeln kam dann endlich folgender Vertrag zu stande : Gustav Adolph behält in Preufsen die Städte Braunsberg , Tolkemit , Elbing , das Fischauer Werder, einen bedeutenden Teil des grofsen Werders ,
*) Hurter, Geschichte Wallenstein's 276 ff.
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg. ein Stück der
Danziger Nehrung und Pillau.
253
Der Kurfürst von
Brandenburg erhält „in Sequester" die Städte Marienburg und Stumm, den Rest des
grofsen Werders
und das Danziger Höft ,
doch der-
gestalt, daſs , wenn ein eigentlicher Frieden nicht erfolgt, Georg Wilhelm genannte Orte wieder an Schweden abgeben soll ; als Garantie dafür tritt Brandenburg an Schweden noch Fischhausen , Lochstädt und Memel ab. So war für Schweden ein sehr vorteilhafter Frieden geschlossen ; in den Städten Pillau und Memel hatte der König seiner Gewalt,
zwei Plätze in
die ihm die Herrschaft mehr oder weniger über die
ganze Küste sicherten . Der Kurfürst von Brandenburg aber hatte erhebliche Einbufse an Land erlitten, abgesehen davon, dafs er auch auf andere Weise, durch Verlust an Kriegsmaterial u . s . w. empfindlich geschädigt war . Gustav aber übertrug dem Reichskanzler Oxenstierna die Verwaltung der neu
erworbenen Besitzungen , liefs in Pillau stärkere
Befestigungen anlegen und kehrte schwedischen
Reichstage
konnte
nach der
Schweden zurück .
König
Friedensvertrag vorlegen und war stolz ,
Dem
den
abgeschlossenen
besonders
auf die neu er-
worbenen Seeplätze Memel und Pillau hinweisen zu können . Nachträglich sei hier noch erwähnt , dafs auch das Kurfürstentum Brandenburg in der eben geschilderten Periode aufserordentlich schwer unter hatte.
dem Drucke der kriegerischen Ereignisse zu leiden
Bald waren es dänische Truppen, bald die Banden des Grafen
von Mansfeld ,
bald
diejenigen
des Herzogs Christian von Braun-
schweig , die das Kurfürstentum plündernd und raubend durchzogen und unbarmherzig immer konnten .
Requisitionen
eintrieben ,
wie und wo sie nur
Georg Wilhelm hatte sich dem König Christian von
Dänemark gegenüber neutral erklärt, aber er besafs nicht die Mittel und die Macht, den einbrechenden Banden gegenüber die Neutralität mit den Waffen in der Hand aufrecht zu erhalten. Die Zahl der Truppen , die Georg Wilhelm damals hielt , war so gering , dafs sie nicht einmal ausreichte , um den Grafen Mansfeld von den Grenzen seines Kurfürstentums fern zu halten .
Auf des Kurfürsten Vorstel-
lungen hin bewilligten endlich die Landstände die Mittel , um ein Corps von 3500 Mann zu werben ; aber was sollte diese schwache Truppe gegenüber den Mansfeldschen und dänischen Schaaren ?
Von
der Instandsetzung und Armierung der Festungen im Lande wollten die Landstände gar nichts wissen ; " unsere Voreltern, " hiefs es, „haben zum Bau der Festungen das Nötige hergegeben, seitdem sind 99 Jahre her, Zölle und Umgelder sind in Masse erhoben worden ; davon konnte
254
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
das Nōtige zur Erhaltung der Festungen zurückgelegt werden ; auſserdem helfen sie
auch doch nichts. "
Der Kurfürst klagt im Februar
1626 : " Mansfeld sei, trotz seiner feierlichen Erklärung, nie die Marken betreten zu wollen, in sein Kurfürstentum hereingebrochen, habe die
festen Plätze
eingenommen u. s. w. ,
Dänemark gefolgt.
Der Kurfürst
giebt
dann
sei
der König von
eine lebendige Schilderung
von dem wüsten Treiben dieser Banden , welche selbst , altes Eisen und Ackergerätschaften "
fortschleppten ,
persönlich in seinem Schlosse von tiert sei .
und
fügt hinzu ,
dafs
er
dem dänischen Gesandten insul-
Nicht genug an den Raubscharen des
Grafen Mansfeld
und den Völkern des Dänenkönigs erschienen auch kaiserliche Truppen unter dem bekannten Oberst v. Arnim in den Marken, besetzten Frankfurt a. O. , Krossen, Landsberg und betrugen sich derart, daſs der Minister Schwarzenberg Interessant ist zu erfahren, mund ,
bei Wallenstein bittere dafs Wallenstein
Klage führte .
den Markgrafen Sigis-
Oheim des Kurfürsten , der in Abwesenheit Georg Wilhelms
Statthalter war ,
bitten liefs ,
seinem Oberst Arnim für kurze Zeit
etwas Munition und einige Stücke zu leihen , und zugleich versicherte, beides wieder zurückerstatten zu wollen ; ob das geschehen, mag bei der allgemeinen Unsicherheit des Eigentums im 30jährigen Kriege mindestens fraglich sein.
Gustav Adolph's Kriegserklärung an den Kaiser und Expedition nach Deutschland. Um die Stellung und Handlungsweise des Kurfürsten von Brandenburg gegen seinen Schwager Gustav Adolph während des
nun
folgenden Krieges in Deutschland im richtigen Lichte würdigen und verstehen zu können, wie Georg Wilhelm, der evangelische Kurfürst und Schwager des evangelischen Schwedenkönigs, der vorgeblich der protestantischen Sache wegen nach Deutschland kam, sich erst durch geladene und vor seiner Residenz Berlin
aufgestellte Kanonen zum
Abschlusse eines Bündnisses zwingen liefs : müssen wir uns die Motive näher betrachten , welche den König Gustav Adolph zum Kriege mit Deutschland veranlafsten, und ohne Umschweif die Frage beantworten : kam Gustav Adolph der evangelischen Sache , der Religion wegen nach Deutschland, oder waren es politische Motive und Interessen , die dem König das Schwert gegen Kaiser und Reich in die Hand drückten und ihm die Marschbefehle an seine Truppen dikGewöhnlich denkt man sich die Sache so , als wenn tierten ? Gustav Adolph aus Mitleid für
seine unterdrückten Glaubensbrüder
in Deutschland, von den evangelischen Fürsten, Städten und Ständen
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
255
gerufen, einzig und allein aus religiösem Pflichtgefühl die gefährliche, beschwerliche getreten habe .
und kostspielige
Expedition
nach Deutschland an-
Das war und ist auch heute
noch im grofsen und
ganzen die gewöhnliche Auffassung und Anschauung , die aber auch zugleich eine oberflächliche ist.
Man konnte und kann die Uneigen-
nützigkeit , Selbstlosigkeit und Opferfreudigkeit des schwedischen Königs in vielen Kreisen auch heute noch nicht genug preisen und denselben als Märtyrer für die evangelische Sache hinstellen .
Gern
soll zugegeben werden , dafs Gustav Adolph trotz seines durchaus kriegerischen Charakters ein religiös gesinnter, man kann sagen frommer Monarch war ; gern soll ferner anerkannt werden , evangelischen Sache treu
und vom Herzen
dafs er der
ergeben war :
hingegen
müssen wir entschieden gegen die Auffassung auftreten, dafs die Religion die eigentliche und wahre Veranlassung zum Kriege gewesen wäre ,
und müssen diejenigen deutschen Fürsten ,
und unter diesen
den Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg, in Schutz nehmen, gegen welche man so gern und so ohne weiteren Grund den Verdacht, von der evangelischen Sache abgefallen zu möchte , weil
sie
erst in der elften Stunde ,
sein ,
schleudern
zum Teil sogar durch
Waffengewalt gezwungen, auf Seite des Königs traten ! Kurfürst Georg Wilhelm besafs gewifs ebenso viel Frömmigkeit , ebenso grofse Hingebung und Interese für die evangelische Sache, als der Schwedenkönig .
Nicht vom Standpunkte einer bestimmten Religion , sondern
von dem eines Deutschen mufs das Urteil in dieser Frage abgegeben werden . Gewöhnlich sieht man das 1629 vom Kaiser erlassene Restitutionsedikt ,
wonach die Evangelischen
benen Kirchengüter herausgeben mufsten , rischen Expedition nach Deutschland an.
alle
seit 1525 erwor-
als Ursache der kriegeDieser Erlafs war unseres
Erachtens ungerecht und politisch fehlerhaft ; aber der Schwedenkönig unterhandelte schon 1624 , also zu einer Zeit , wo noch niemand im Deutschen Reiche an ein Restitutionsedikt dachte , zu Avignon mit Frankreich und anderen Mächten wegen und gegen Deutschland ,
und
eines Feldzuges
nach
konnte sich nur wegen seiner hohen
Forderungen als unumschränkter Kriegsoberster mit dem katholischen Kardinal Richelieu
nicht einigen.
Ein Glück
sich die Unterhandlungen zerschlugen ,
für den König , dafs
denn es wäre ihm nicht ge-
lungen, sich in den Augen der Mit- und Nachwelt mit dem religiösen Nimbus zu umgeben, wie ihm das später gelingen sollte. Der Plan zu dem Feldzuge
nach Deutschland war bereits vor
Erlafs des Edikts festgestellt ; „ er (Gustav Adolph) würde den Krieg unternommen haben , " sagt Droysen II. 96 , „ auch wenn kein Resti-
256
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
tutionsedikt wäre
erlassen worden ,
auch wenn
es keine um ihres
Glaubens willen duldende evangelische Christen in Deutschland gegeben hätte. "
Aber die Mifsstimmung der Evangelischen in Deutsch-
land, die durch das Restitutionsedikt in hohem Grade hervorgerufen war ,
kam
statten ,
dem Könige bei Verfolgung
seines Planes sehr gut zu
an diese schlofs er sich an und verstand es , mit sicherem
Blick mehr Vorteil
daraus zu ziehen ,
als ihm ein neues Heer von
so und so viel tausend Mann hätte gewähren können. Gustav Adolph war es nicht unbekannt, dafs er bei den deutschen Fürsten
wenig Unterstützung finden würde.
Er hatte vor
seiner
Landung den Hofmarschall Diedrich v. Falkenberg nach Deutschland geschickt, um die evangelischen Höfe für sich zu gewinnen.
Dieser
hatte nur bei solchen Fürsten Eingang und Gehör gefunden , die entweder schon früher in offener Opposition gegen den Kaiser standen oder mit Sehnsucht darauf rechneten, bei der ersten besten Gelegenheit den Schritt zu thun.
Dahin gehörten die Herzöge von Braun-
schweig-Lüneburg, der alte Markgraf von Baden, Moritz von HessenKassel,
der Administrator von Magdeburg
und
fürsten von Brandenburg und Sachsen indessen und wiesen die
schwedischen Anerbietungen ab.
von Dänemark hegte
andere.
Die Kur-
zogen sich zurück Auch der König
gegen Gustav Adolph aus nicht näher zu er-
örternden Gründen grofses Mifstrauen und konnte daher letzterer auf materielle Hülfe des ersteren nicht rechnen. gegründete Hoffnung hegen , namentlich
französische
dafs ihm
Dagegen konnte er die
englische ,
Geldunterstützungen
holländische und
nicht fehlen
würden.
Der zuverlässigste Verbündete für Gustav war Bethlen Gabor , der Fürst von Siebenbürgen ,
dieser unruhige, eroberungssüchtige Mann,
der schon lange auf eine Gelegenheit, gegen Österreich loszubrechen, gewartet hatte und dieserhalb mit Gustav Adolph schon lange Zeit im Briefwechsel stand. Was
nun
zunächst
die
militärischen Streitkräfte anbelangt ,
welche für die Unternehmung gegen Deutschland verwendet wurden, so hatte Gustav Adolph es sich seit Übernahme der Regierung ganz besonders
angelegen
sein lassen ,
seines Landes zu verbessern ,
die militärischen Einrichtungen
und war nach jedem Feldzuge eifrig
beschäftigt, die darin gewonnenen Erfahrungen zu verwerten und die zutage getretenen Mängel abzustellen . Auf diese Weise hatte denn auch der König seine Armee auf einen hohen Stand der Ausbildung gebracht ; sie übertraf darin ohne Zweifel alle diejenigen anderer Reiche ; selbst die kriegsgewohnten und siegreichen Truppen des deutschen Kaisers und der katholischen Liga unter Wallenstein und
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg. Tilly standen ,
rücksichtlich der Ausbildung , der Kunst
vrieren u. s. w. denjenigen des Schwedenkönigs
257 zu
manö-
um ein erhebliches
nach . Gustav Adolph's vornehmste Einrichtung war , dafs er ein stehendes Heer schuf und diese Institution auf den Grundbesitz basierte .
Es wurde
eine Art allgemeine Wehrpflicht eingeführt
und
damit dem Soldatenstande ein ehrender Stempel aufgedrückt. Dieser -- anGrundsatz war es aber auch , der die schwedischen Truppen fangs wenigstens so vorteilhaft von denjenigen der fremden Armeeen abhob , wo nur Söldlinge dienten , deren Grundsatz war : „ , ubi bene , ibi patria ". Schon die Vorfahren des Königs hatten Versuche gemacht, Regimenter und Fähnlein Compagnieen ― in bestimmter Stärke zu bilden.
Gustav änderte an der taktischen Einteilung seiner Armee
zu verschiedenen Malen, so dafs die Stärke der Regimenter bei Ausbruch des Krieges mit Deutschland eine verschiedene war ; er hatte die Absicht ,
die Zahl
der Fähnlein jedes Regiments auf 12 zu er-
höhen und diese auf 150 Mann zu bringen . stärkung der Armee wurde indessen nicht so
dafs
thatsächlich Regimenter zu 8 und
Die beabsichtigte Verzum Abschlufs gebracht , 12 Fähnlein bestanden
und letztere teils 150 teils 120 Mann stark waren .
(Letzteres war
gewöhnlich bei den im Auslande geworbenen Truppen der Fall.) Die Infanterie bestand aus Musketieren und Pickenieren ; jene machten den Hauptbestandteil des Fufsvolkes aus . Bei einer Stärke von 120 Mann bestand das Fähnlein
aufser
den Offizieren , Unteroffizieren und Spielleuten aus 48 Pickenieren und 54 Musketieren ; bei 150 Mann aus 75 Musketieren und 59 Pickenieren . Der König liefs es sich ganz besonders angelegen sein , die Bewaffnung und Ausrüstung seiner Truppen zu verbessern , d . h. sie leichter zu machen ; so haben wir früher schon erwähnt, dafs er das Gewehr handlicher machte , und der Mann dasselbe selbst halten, mithin die Gabel wegfallen konnte. Als besonders selbständiges Rüstzeug ist die sog. Schweinsfeder anzusehen , ein Spiefsschaft mit einer langen eisernen Spitze , der gegen Kavallerie schräg in die Erde gesteckt wurde und für die Infanterie einen Wall bildete, mithin dem späteren Bajonett entsprach. Da diese Waffe indessen der Beweglichkeit der Truppe sehr hinderlich war , so wurde dieselbe später nie anders als auf Wagen nachgeführt, um bei aufgeworfenen Verschanzungen verwandt zu werden . Pulver und Blei wurden in Kapseln getragen , da es Patrontaschen nach unserem heutigen Begriffe noch nicht gab ; die Musketiere
258
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
trugen an der linken Seite
an einem Riemen einen Säbel .
Bei der
allmählichen Verbesserung der Gewehre traten die Pickeniere
mehr
und mehr in den Hintergrund ; sie hatten zu Gustav Adolph's Zeit statt der Picken Partisane von 11 Fufs Länge, die an beiden Ender mit geschärften Eisenspitzen versehen waren . Die Kavallerie bestand hauptsächlich aus Kürassieren (Bewaffnung : Schwert und Pistolen) , zu welchen später die Dragoner, d. h. berittene Musketiere und Pickeniere traten .
(Bewaffnung : Infanterie-
gewehr, Degen, ohne Reiterstiefel und Sporen) . Sehr grofses Gewicht legte Gustav auf die Artillerie und kann der König als eigentlicher Reformator dieser Waffe angesehen werden . Neben den schweren Stücken - 1/2 Carthaunen und Feldschlangen, die von 24 bezw. 16 Pferden gezogen wurden - führte er leichte Feldkanonen ein „Eisenstücke im Gegensatz zu den Metallstücken wovon jedes Regiment 2-3 erhielt ; lederne Kanonen waren auch eine Zeit lang in Gebrauch, doch kamen dieselben nach der Breitenfelder Schlacht wieder in Vergessenheit . Gustav Adolph errang seine Siege namentlich durch seine Infanterie und Artillerie ; beide Waffen übertrafen die kaiserlichen an Beweglichkeit und Manövrierfähigkeit um ein bedeutendes, wohingegen seine Kavallerie der Zahl und Güte nach derjenigen der Deutschen unterlegen war. Im schwedischen Heere herrschte gute Zucht und wurde das Artikelsbrief - zur Aufrechthaltung der Dis-
Militärstrafgesetz
ziplin mit Strenge angewandt.
Auch sorgte der König in religiöser
Beziehung für seine Soldaten ;
damit ein regelmässiger Gottesdienst
bei dem mobilen Heere abgehalten werden konnte, nahm er Armeeprediger mit ins Feld ; und Abendgebet bei
bekannt ist es, dafs von ihm das Morgen-
den
im Felde
stehenden Truppen eingeführt
wurde. Bei Beurteilung der Zucht und Disziplin im schwedischen Heere darf man aber vor allem nicht vergessen, dafs im Jahre 1630, als der König an der Ostseeküste landete, das alte und eigentliche schwedische Nationalheer nicht mehr bestand und er eine Menge von Söldlingen und Geworbenen aus aller Herren Länder, eben so gut Deutsche, Engländer,
Schotten,
Niederländer, Dänen und Polen,
Schweden unter seinen Truppen hatte. traf die der Eingeborenen sogar.
wie
eigentliche
Die Zahl der Ausländer über-
Auch hatte
das Heer
alle diese
verschiedenartigen Nationalitäten nicht erst bei der Landung in sich aufgenommen,
sondern
es
enthielt
sie
Kriege gegen Polen und Rufsland her.
schon mehrere Jahre,
vom
Allerdings hatte es die Per-
sönlichkeit von Gustav Adolph verstanden,
alle
diese heterogenen
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
259
Elemente so fest wie möglich zuammenzuschweifsen, so dafs ein leidliches Ganze daraus entstanden war und sein Heer von den Wallensteinschen und Tillyschen Landsknechten vorteilhaft abstach ; - nicht zu gedenken der wilden und räuberischen Banden eines Mansfeld und Christians von Braunschweig. Trotz alledem kamen aber auch in dem schwedischen Heere die wildesten Ausschreitungen gegen die Landeseinwohner vor. Es sei nur an die grausame Plünderung von Frankfurt an der Oder erinnert, in welcher Stadt die Bürger dem Schwedenkönig zugethan und zum grössten Teile evangelisch waren ! Die hierbei verübten Excesse des schwedischen Soldaten fanden vor und unter den Augen des Königs statt ! Das war eben die Allgewalt einer traurigen Zeit, der sich auch ein eiserner Mann, wie der König Gustav, beugen mufste! Bekleidet waren die schwedischen Truppen anfangs auf die verschiedenartigste Weise , doch war der König bestrebt, nach und nach in gewisser Weise eine Uniformierung derselben ein- und durchzuführen. Noch im Jahre 1626 nach der Einnahme von Pillau mufste er den preufsichen Gesandten gegenüber betreffs des Aussehens seiner Truppen die Bemerkung machen : „ Die ich bei mir habe, sind zwar arme schwedische Bauernburschen, unansehnlich und schlecht gekleidet ; aber sie schlagen sich gut und ich hoffe, sie in kurzem besser zu kleiden. "
Die Stärke des Heeres wird verschiedenartig angegeben ,
man
nimmt für gewöhnlich an, dafs sich unter Gustav Adolph's persönlicher Führung bei der Landung etwa 40 000 Mann befanden, nicht mitgerechnet jene Truppen, die in Preufsen, Finnland , Stralsund und an anderen Orten standen . Schon kurze Zeit nach der Landung, nachdem der König die ersten Operationen siegreich durchgeführt, schwoll sein Heer mächtig an, da viele der Söldlinge aus den kaiserlichen Heeren in Hoffnung auf bessere und fettere Beute unter seine Fahnen eilten. Nachdem alle Vorbereitungen zum Einschiffen der Truppen getroffen, ging die Flotte am 17. Juni 1630 unter Segel und erschien am 26. desselben Monats vor der Insel Usedom, woselbst Gustav Adolph auch sofort mit dem Ausschiffen der Truppen begann. tümlich
wird oft angegeben,
der Schwedenkönig
Irr-
sei auf der Insel
Rügen gelandet ; dieser Annahme widersprechen die besten und glaubwürdigsten Schriftsteller der damaligen Zeit ; als sicher ist anzunehmen, dafs das Ausschiffen der Truppen an der nördlichen Seite der Insel Usedom, da wo die Peene ins Meer mündet, unweit des Dorfes Peenemünde,
stattgefunden hat.
„ Jacta nunc est alea ; transivit S.
260
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
Majestas non Rubiconem ,
sed vastum mare ", so verkündete Came-
rarius den Generalstaaten die Landung.
Das Ausschiffen der Trup-
pen ging wider Erwarten glücklich, ohne Bedrohung durch den Feind von statten ; in wenigen Tagen war die Insel Usedom besetzt, zu deren Verteidigung gegen unerwartete Angriffe Schanzen aufgeworfen wurden . Auch dem drückenden Mangel an Proviant — Gustav Adolph hatte nur 4000 Tonnen Brod für sein Heer -
sollte bald durch
Lieferungen der Stadt Stralsund und seitens seines Kanzlers Oxenstierna aus Preufsen her abgeholfen werden . Es muss auffällig erscheinen, dafs der König vor dem Auslaufen seiner Kriegsflotte aus Schweden und der Landung an der deutschen Küste eine eigentliche Kriegserklärung an den deutschen Kaiser nicht erlassen hatte . Erst als die Landung vollzogen und ein Teil der Insel Usedom in seinem Besitze war, erliefs er zur Rechtfertigung dieses Einfalls ein Manifest, das folgende Motive hervorhob : 1. Wer in der Nähe eines ehrgeizigen Monarchen
lebe ,
könne
nicht länger die Früchte des Friedens geniessen, als ein solcher Monarch zu erlauben für gut halte. 2. Seine Briefe an Bethlen Gabor, Fürst von Siebenbürgen , seien 1625 aufgefangen und erbrochen. 3. Im Kriege gegen Sigismund von Polen , der Ansprüche auf den schwedischen Thron mache , habe der Kaiser durch Wallenstein mit 10 000 Mann seinen Feind unterstützt. 4. Der Kaiser habe boten.
ihm Truppen im Reiche zu werben ver-
5. Der Kaiser wolle sich zum Herrn der Ostsee machen . 6. Die Herzöge von Mecklenburg, seiner Schwester Söhne , seien trotz seiner Vermittelung bei
dem Lübecker Frieden nicht wieder
eingesetzt. 7. Seinen Abgesandten sei der Zutritt zu den Verhandlungen in Lübeck untersagt. Es mag hier erläuternd eingeschaltet werden , dafs der Frieden zu Lübeck zwischen dem Kaiser und König Christian von Dänemark geschlossen wurde ; die daselbst gepflogenen Verhandlungen konnten Schweden in keiner Weise berühren. Der Kaiser erwiderte : 1. Schweden habe durch Unterstützung des widerspenstigen Stralsund die Feindseligkeiten begonnen . 2. Die Abweisung
der schwedischen Gesandten in Lübeck sei
bis zur Räumung Stralsunds die notwendige Konsequenz gewesen . 3. Mit Unrecht mafse sich Schweden das ausschliefsliche Recht
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
261
der Beherrschung der Ostsee an, sperre den Handel mit kaiserlichen Städten und stehe mit allen Feinden des Reiches in Verbindung. Vergeblich sieht man sich in
dem Manifest des Königs nach
religiösen Motiven um ; davon spricht er nur, wenn er an die evangelischen Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen schreibt, um sie zum Abschlusse eines Bündnisses zu vermögen .
Es ist dieses höchst
charakteristisch und mufs beachtet werden .
Friedrich der Grofse,
der die Gründe Gustav Adolph's zum Kriege gegen Deutschland „frivol “ nennt, urteilt über das Manifest in seinen n Mémoires de Brandebourg " also : „ es sei ein Meisterstück königlicher Sophisterei ; dasselbe enthalte keine triftigeren Gründe zum Kriege, als Carl II. von England gegen Holland gehabt ; aber die Forderung Oxenstierna's auf dem Konvent zu Frankfurt, „Pommern an Schweden abzutreten " , sei der wahrhafteste Kommentar zu diesem Manifeste ". Und an einer anderen Stelle sagt Preufsens grofser König : „ Ist es Recht, für solche Dinge, wie Gustav Adolph sie vorbrachte, das menschliche Geschlecht dem Blutvergiefsen
zu
weihen ,
um den Ehrgeiz und die Laune
eines einzigen Menschen zu befriedigen ? "
Damit charakterisiert
Friedrich den
der im schwedischen
schwedischen
König treffend ,
Reichsrat einst sagte : „ für mich gibt es kein Ruhe mehr, es sei denn die ewige! " Nach seiner Landung war Gustav freilich eifrig bemüht, Sympathien für sich rege zu machen ; aber den religiösen Gesichtspunkt hob er erst dann hervor, in seinen Reden und Proklamationen nannte er sich erst dann Befreier der Deutschen von der Übermacht des Kaisers, Beschützer der protestantischen Religion u. s . w. , als er die ungeheure Wirkung gewahrte , welche eine solche mit Glück durchgeführte Rolle hervorbringen konnte. " Nicht weil er Deutschland, das Evangelium in Deutschland, sondern weil er Schweden in Gefahr sieht, greift er zu den Waffen :
nicht um Deutschland zu erretten,
sondern um Schweden zu beschützen .
Jene andere , bisher so ver-
breitete und immer noch so beliebte Ansicht von dem für die Rettung des Evangeliums unternommenen deutschen Kriegszuge Gustav Adolph's zeugt von Mangel an Verständnis
für politische Dinge,
oder von
mangelhafter Kenntnis der Quellen für die Geschichte Gustav Adolph's. *) Der Hauptgrund und das bewegende Motiv für Gustav Adolph zu dem Kriege mit Deutschland war
die Sucht und das Verlangen
nach der Herrschaft über das baltische Meer.
Gustav Adolph glaubte
unter keinen Umständen es zugeben zu dürfen,
*) Droysen II. 18. Anmerkung.
dafs der Kaiser an
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
262
der Ostsee festen Fufs fasse ,
und als die kaiserlichen Fahnen nach
Niederwerfung der dänischen und mannsfeldschen Truppen in Jütland wehten , auszuführen .
entschlofs
siegreich
er sich, den Zug nach Deutschland
Was der König eigentlich wollte, liefs er unzweifelhaft
durchblicken, als er 1628 mit Stralsund einen Vertrag abschlofs und darin stipulierte : „ Die Stadt verbleibe inskünftig beständig bei König und Krone von Schweden ". Die wichtige und viel umworbene Stadt Stralsund hatte der König zu seiner Operationsbasis ausersehen ; von hier aus sollte der eigentliche Angriff erfolgen . Denn Gustav Adolph sah als weitblickender Stratege einen Hauptvorteil in einer kräftigen und raschen Offensive und war nicht, wie sein Kanzler Oxenstierna , der Ansicht, Schweden und das neu erworbene Stralsund definitiv zu schützen.
" Wir dürfen uns nicht in Schweden
verkriechen ",
schreibt er an
letzteren,
sondern müssen mit einer Armee nach Deutschland gehen “ . Auch seinen Reichsständen gegenüber legte er 1629 im Senate zu Upsala die Gründe für die Offensive dar. „ Allerdings bemühen sich Dänemark und Brandenburg ", hiefs es , „ für einen Vergleich mit dem Kaiser ; indessen, will man mit Ehren aus einem Vergleiche herausgehen, so ist es besser, man begegnet dem Kaiser mit einer Armee an seinen Grenzen und traktiert mit ihm " unter dem Helm" , als hier in Schweden zu warten. *) Der König entwickelte seinen zaudernden Landständen gegenüber die Gründe für die Offensive mit grofser Gewandtheit und mit einer Offenheit, richtigen Lichte
sprach
welche den eigentlichen Zweck des Krieges im
zeigte.
Bezeichnend
ist die Antwort von Gustav
auf den Einwand der Landstände ; die Deutschen würden sich ihm, selbst wenn er Sieger bliebe , nicht anschliefsen. "" Wenn ich Sieger bin,
so sind sie
Oxenstierna,
meine
Beute ! "
Und daher konnte der Kanzler
der wie kein anderer Minister Teilnehmer der geheim-
sten Gedanken des Königs war, mehrere Jahre nach dem Tode desselben in demselben Reichsrate zu Stockholm sagen : „ Pommern und die Seeküste sind gleich einer Bastion für die Krone Schweden und besteht darin unsere Sicherheit gegen den Kaiser und war die vornehmste Ursache , welche Seine Selige Majestät in die Waffen brachte ". ler :
Und bei einer anderen Gelegenheit äufserte derselbe Kanz-
„ Der Hauptzweck
des deutschen Krieges
war keineswegs die
Verteidigung des Glaubens, sondern damit die Krone Schweden und unsere deutschen Reichsverwandten (Reichsfürsten) in Sicherheit säſsen und unabhängig wären, darum zogen wir aus ".
*) Droysen II. 34.
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
263
Die Aufnahme, welche Gustav Adolph beim Betreten der deutschen Küste fand, war wider sein Erwarten kühl ; nur die Stadt Stralsund sandte eine Deputation und seitens der vertriebenen Herzöge von Mecklenburg, seiner Schwester Söhne, kamen Gesandte. Von Enthusiasmus und freudigem Empfang war keine Spur ! Die kaiserlichen Truppen lagen zu dieser Zeit sehr zerstreut im Lande ; in Pommern standen 16 000 Mann unter Torquato Conti, in Schlesien die Obersten Göz Westfalen,
und Tiefenbach mit 10 000 Mann ,
in
Oberpfalz und Franken 30 000 Mann unter Tilly und
Pappenheim. Die für ihn so günstige Situation rasch erkennend und benutzend traf der König Anstalten,
sich schleunigst in den Besitz der Stadt
Stettin zu setzen. Pommersche Gesandte, die vom Herzoge Bogislav mit dem Gesuche um Neutralität zu dem Schwedenkönige geschickt. waren, kehrten unverrichteter Sache nach Stettin zurück. Am 9. Juli schon erschien die schwedische Heeresmacht vor der Stadt,
in der
sich der Pommernherzog mit einem kleinen Truppencorps von 1500 Mann aufhielt. „Wer nicht mit mir ist, ist wider mich " , erwiderte Gustav Adolph dem Herzog, der persönlich noch ein mal, aber vergebens, um Neutralität bat. schlofs sich Bogislaw,
Nicht freiwillig, sondern gezwungen ent-
angesichts des vor den Thoren der Stadt bi-
vakierenden schwedischen Heeres,
dem Bündnis beizutreten , dessen
einzelne (14) Punkte Gustav in sehr berechnender Weise entworfen . hatte .
Interressant für uns ist der 14. Artikel des Traktrates , der
über die spätere Erbfolge im Herzogtum handelt . Bogislav schon bejahrt und Nachfolge
Da der Herzog
nicht mehr zu erwarten war,
ging Gustav Adolph's Plan dahin, sich die Erbfolge im pommerschen Herzogtum zu sichern . Zwischen Kurbrandenburg und Pommern bestand jedoch seit dem 15. Jahrhunderte eine Erbverbrüderung ;
es
mufste somit ein Umweg eingeschlagen werden, um zum Ziele zu gelangen. Der bez. Artikel im Traktat besagte daher : Sollte der Herzog von Pommern ohne
männliche Nachkommen sterben,
ehe
der
Kurfürst von Brandenburg als „eventualiter behuldigter Successor " diese Einigung bestätigt und
das Herzogtum
eingelöst
hätte ,
oder
sollte dem Kurfürst das Herzogtum von anderen bestritten werden, so nimmt Gustav Adolph für sich und seine Nachkommen das Recht in Anspruch,
die
pommerschen Lande
solange in Sequestration zu
halten, bis die Successionsfrage geordnet und von dem zukünftigen Nachfolger
alle
Kriegskosten
an
Schweden
zurückgezahlt
sind " .
Dabei wird ausdrücklich stipuliert, dafs von dem Herzogtum Pommern selbst kein Pfennig zu dieser Bezahlung zu entrichten ist. Diese
264
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
letzte Klausel war natürlich in der Absicht beigefügt, um Kurbrandenburg die Ablösung zu erschweren, d. h. möglichst weit hinauszuschieben.
„ Das ist " , sagt Gfrörer S. 703 ,
„ der erste handgreifliche
Beweis, dafs Gustav Adolph nicht blos um der Religion willen nach Deutschland herüberkam, woran man freilich unter uns vernünftiger Weise nie hätte
zweifeln sollen " .
Diese Art und Weise, ein deut-
sches Herzogtum für sich in Anspruch zu Weise einem
nehmen,
das
rechtlicher
andern deutschen Fürstenhause durch Vertrag gehört,
übertrifft an Willkür noch die Wegnahme der Festung Pillau ; und doch macht man dem Kurfürsten von Brandenburg, der so hart geschädigt werden sollte,
einen Vorwurf daraus,
dafs er sich seinem
königlichen Schwager nicht sofort in die Arme warf! Die Stadt Stettin wurde von den schwedischen Truppen besetzt und ein höherer schwedischer Offizier daselbst zum Kommandanten ernannt. Der pommersche Oberst Damitz wurde mit seinem Regimente 1200 Mann - in schwedische Dienste genommen ; dasselbe wurde wegen der Farbe seiner Fahnen das weifse genannt. Für alle die glücklichen und unerwartet eingetretenen Ereignisse ordnete Gustav zum Danke gegen Gott für den 23. Juli einen Bettag an.
Interessant ist
es,
was im Archiv I. No. 107 d . d . Feld-
lager bei Stettin 22. Juli 1630 darüber uns mitgeteilt ist . . . „ Seine Majestät befiehlt
ernstlich
und gnädigst,
dafs jeder sich dazu (zu
dem Bettage) wohl vorbereite , sich nüchtern und frei von allem Kummer halte; besonders, dafs morgen jeder von I. M. Armee und dem dazu gehörigen Volk Fasttag
halte und
Köchen, Auf- oder Verkäufern
verkehre,
weder mit Marketendern , bis
die
beiden Predigten
gehört und beendet sind. Bei höchstbemeldeter I. K. M. Ungnade und unausweichlicher Strafe ". Wir übergehen hier die einzelnen Operationen des Königs , die zur gänzlichen Okkupation von Pommern ausgeführt wurden . Nach Osten hin trat Gustav mit seinem Kanzler Oxenstierna in Verbindung, der bekanntlich mit einem Corps in Preufsen stand ; nach Westen zu wurde die Kommunikation mit Stralsund eröffnet . Alle diese Bewegungen des schwedischen Heeres waren von so viel Glück begleitet , dafs in wenigen Monaten der gröfste Teil von Pommern in Gustav Adolph's Gewalt kam und die Hauptstädte des Herzogtums, wie Anklam, Pasewalk, Stargard u . s . w. von schwedischen Truppen besetzt waren. Es
sei
nur noch
Magdeburg Verbindung
erwähnt, dafs der König um diese Zeit mit anknüpfte und
zwar durch den Markgrafen
Christian Wilhelm von Brandenburg, der vor dem Jahre 1625 luthe-
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg .
265
rischer Bischof von Magdeburg gewesen , seit Beendigung des dänischen Krieges aber abgesetzt war. Der schwedische Oberst Falkenberg wurde aufserdem nach Magdeburg geschickt , um dort zerfahrenen Verhältnisse im schwedischen Interesse zu ordnen .
Von Pommern
wandte
sich der König nach Mecklenburg ;
die
die
ursprüngliche Absicht, das Herzogtum von der Seeseite zu erobern, mufste der ungünstigen und stürmischen Witterung wegen aufgegeben werden . Bei dem Vormarsche gegen Rostock traten übrigens dem König so viele ungünstige Verhältnisse entgegen, sein Heer litt an Krankheit und Entbehrungen aller Art in so hohem Grade, dafs Gustav gezwungen wurde, das Unternehmen aufzugeben und nach Pommern . zurückzukehren , um so mehr, als die Kaiserlichen in Mecklenburg sich in ansehnlicher Zahl verstärkten.
Oxenstierna wurde beauftragt,
einen Teil des Hauptheeres von Preufsen nach Pommern zu schicken . Hierdurch verstärkt richtete Gustav seinen Marsch gegen die Kaiserlichen,
welche
sich unter dem Oberst Pehaumburg bei Garz ver-
schanzt hatten.
Ohne es auf die Waffenentscheidung ankommen zu lassen, führte dieser sein Corps über Küstrin, das ihm auf Befehl des Kurfürsten von Brandenburg die Thore öffnete, nach Frankfurt an der Oder zurück ; auf der Verfolgung der Kaiserlichen war es , wo die Schweden zum ersten Male die Mark Brandenburg berührten. Das Jahr 1630 schlofs für Gustav Adolph mit der Eroberung Pommerns ; nur Greifswald und das wichtige Colberg befanden sich zu Ende des Jahres noch in kaiserlicher Gewalt. "„ Man würde übrigens " , sagt Droysen II. 186 , „ in grofsem Irrtum sein, glaubte man, dafs wenigstens jetzt, nach den ersten glänzenden Erfolgen der Schweden,
die Stimmung in Deutschland sich
hob und man sie als Befreier festlich begrüfste .
Gustav Adolph und
sein Heer waren und blieben in diesen Gegenden Fremdlinge. " Während der König das Herzogtum Pommern mit Waffengewalt sich unterwarf,
versuchte er es,
mit anderen evangelischen Fürsten
durch Gesandte Verbindungen anzuknüpfen . Ganz besonders war ihm daran gelegen, mit den beiden bedeutendsten unter den evangelischen Fürsten, den Kurfürsten Georg von Sachsen und Georg Wilhelm von Brandenburg, Verträge abzuschliefsen, um nicht allein materiell, sondern auch moralisch dadurch unterstützt zu werden . Resultat der Unterhandlungen
Das
mit ersterem war für Gustav Adolph
nur ein negatives ; der Kurfürst verharrte auf Seite des Kaisers. Nicht glücklicher war der König hatte bereits vor seiner Landung,
mit dem Brandenburger.
Er
im Jahre 1629 , zu verschiedenen
Malen sich schriftlich an seinen Schwager gewandt, um denselben an 18 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine Band XXXVIII.
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
266
sein Interesse zu ketten.
Aber Georg Wilhelm, der die Wegnahme
von Pillau nicht verschmerzen konnte, war mifstrauisch gegen seinen Schwager. Als der König gelandet, schickte der Kurfürst Legationen an ihn ab, um ihn zu bitten, etwaige Differenzen mit dem Kaiser auf gütlichem Wege auszugleichen und forderte für sich Neutralität, die Gustav entschieden verweigerte . Eine zweite Gesandtschaft unter Führung des Herrn v. Wilmersdorf erschien bei Gustav Adolph während der Expedition nach Mecklenburg, um den König zu vermögen , dem Kurfürsten die nachgesuchte Neutralität zu gewähren.
Er
sei
aus Schweden gekommen,
sagte Gustav bei dieser Gelegenheit, und suche kein lucrum als „securitatem regni sui “ ; er könne ebensowenig zurück , wie irgend einem Fürsten Neutralität zuzusichern , auch wenn es sein Schwager sei ; "" denn das sage ich Euch klar voraus ", setzte
der König
hinzu ,
„ ich
will von keiner Neutralität
nichts S. Liebden mufs Freund oder Feind sein ; wenn ich an die Grenze komme , so mufs Sie sich warm oder kalt erklären ; hier streitet Gott oder der Teufel . Will S. Liebden es mit Gott wissen, noch hören.
halten,
wohl,
so trete Sie zu mir ; will Sie es aber lieber mit dem
Teufel halten , so mufs Sie fürwahr mit mir fechten ; tertium non dabitur ; dessen seid gewifs. Was ist überhaupt Neutralität ? Ich verstehe es nicht, solch ein Ding ist doch nichts als lauter Quisquiliae, die der Wind aufhebt und wegweht. " *) Und als ihm Wilmersdorf bedeutete, dafs er der Stadt Danzig Neutralität zugesichert habe, antwortete der König : ja wohl, denn da war es zu meinem Vorteile ". Aber Brandenburg wollte er die Gunst der Neutralität nicht zugestehen ; Brandenburg müsse sich mit ihm vereinigen, sonst verstände er sich zu nichts . Damit wurde Wilmersdorf entlassen . In
seiner Not wandte sich Georg Wilhelm an den Kurfürsten
von Sachsen,
der sich in gleicher Lage
befand und berief, da er
auch von diesem keine genügende Antwort erhielt, die Angesehensten seiner Stände nach Berlin . schen Generals Banner,
Bis auf den Schwager des schwedi-
Curt v. Pfuel, der zu einer Verbindung mit
Schweden riet, war man einstimmig der Ansicht :
„weder mit dem
Kaiser noch mit dem Schweden solle man sich in Konjunkturen einlassen, sich des Krieges weder offensiv noch defensiv teilhaftig machen, vielmehr in des Kaisers Devotion verbleiben und sich mit Sachsen in Verbindung halten "
mit anderen Worten neutral bleiben .
Aber
Gustav hatte bereits wiederholt erklärt, Brandenburg die Neutralität nicht konzedieren zu können, ―― weil sie ihm nichts nutzen konnte.
*) Droysen II . 225.
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
267
Georg Wilhelm befand sich in einer sehr schwierigen Lage. Ein durchaus ehrlicher und aufrichtiger Charakter, hatte er die Pläne seines Schwagers genügend durchschaut und die Ueberzeugung gewonnen, dafs es sich bei denselben einzig und allein um politische Interessen handele. Warum sollte er vom Kaiser abfallen, um einem fremden König bei der Durchführung politischer Ideen behülflich zu sein? und wenn er es that, welchen Dank hatte er vom Schweden zu erwarten? Wir können mithin den Kurfürsten nicht anklagen, dafs er unter den Verhältnissen, wie sie wirklich lagen, nicht sofort und gutwillig auf Seite Schwedens trat ; ja wir gehen sogar weiter und behaupten, der Schritt wäre , wenn er erfolgte, ein unnatürlicher gewesen. Dafs man von gewisser Seite her den Kurfürsten Georg Wilhelm einer grofsen Schwäche beschuldigt, ihm sogar Mangel an Interesse für die Sache der Evangelischen vorgeworfen hat, zeugt von Unkenntnis der wirklichen Sachlage , und ist ein Beweis,
dafs
man die Dinge von einem engherzigen, weil ausschliefslich konfessionellen Standpunkte aus beurtheilt. Zur Charakterisierung der Verhältnisse mag hier noch angeführt werden, dafs auch andere deutsche Fürsten bei Gustav Adolph um Neutralität nachsuchten ; so erschienen im November 1630 Bevollmächtigte der Grafen von Oldenburg mit demselben Gesuche, wurden aber ebenfalls abgewiesen : denn Gustav Adolph handelte nach dem biblischen Spruche : „ Wer nicht mit mir ist, ist wider mich. "
Nur
der Landgraf Wilhelm von Hessen-Cassel ging offen zu Gustav Adolph über, wohl besonders aus Rache, weil der Kaiser einen Erbstreit zwischen ihm und Darmstadt zu Gunsten des letzteren entschieden hatte. Um die deutschen Fürsten leichter und rascher zum Abschlusse eines Bündnisses mit dem Könige zu bewegen, verpflichtete sich derselbe jenen gegenüber, ihnen alle Eroberungen zu garantieren , welche sie mit den eigenen Truppen in den Landen der Liga machen würden. „Wie 200 Jahre später Napoleon " , bemerkt hier Gfrörer, „ bewaffnete Gustav Deutsche gegen Deutsche durch das Reizmittel der Habsucht. " Es ist bereits erwähnt, dafs Gustav Adolph nach Vertreibung der Kaiserlichen aus Garz und dem Abzuge derselben nach Frankfurt a. Oder zum ersten Male kurbrandenburgisches Gebiet berührte. Georg Wilhelm geriet darüber in „nicht geringe Perplexität " , um so mehr, als der König jetzt die bestimmte Forderung an den Kurfürsten stellte , ihm den Pafs bei Küstrin zu übergeben .
Es fanden 18*
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
268
darüber längere Verhandlungen zwischen dem brandenburgischen Gesandten Kanzler Götze und Gustav Adolph, sowie zwischen dem schwedischen Oberst Mützlaf und dem Kurfürsten statt. Trotz aller Anstrengungen des schwedischen Königs und seiner Gesandten gelang es nicht, die Standhaftigkeit des Kurfürsten zu erschüttern und ihn in seinem Entschlusse, sich vorläufig völlig neutral zu halten, wankend zu machen. Den schwedischen Oberst entliefs der Kurfürst mit der Antwort,
dafs es ihm rein unmöglich sei, mit dem Kaiser
zu brechen und sich offen mit dessen Feinde zu verbinden ; Wissen und Willen seines Kriegsobersten
ohne
Georg von Sachsen-
und der evangelischen Mitstände könne er eine solche Verbindung erst recht nicht eingehen .
Gustav Adolph möge aber von offenen
Feindseligkeiten gegen ihn abstehen, da er zu bedenken habe, welch schlimmen Eindruck ein solches Verfahren auf alle Evangelischen machen würde". Nicht günstiger verliefen die Unterhandlungen des Königs mit Georg von Sachsen ; auch dieser war trotz wiederholter Unterhandlungen nicht zu bewegen, ein Bündnis mit Gustav abzuschliessen .
Als Ersatz für seine diplomatische Niederlage bei den evangelischen Fürsten des Deutschen Reiches
kann das schwedisch-fran-
zösische Bündnis gelten, welches zwischen dem König und dem französischen katholischen Kardinal Richelieu zu Bärwalde in dieser Zeit abgeschlossen wurde. Danach zahlte Frankreich eine reichliche Geldunterstützung in der Höhe von 400 000 Thaler an Schweden , dieses dagegen verpflichtete sich " zur Bekämpfung des Kaisers, zur Sicherung der Ostsee und des offenen Meeres , zur Freiheit des Handels und Aufrechthaltung anderer materieller Interessen " eine Armee von 30 000 Mann zu Fufs und 6 000 zu Pferde zu halten. Um die noch in der Gewalt der Kaiserlichen befindlichen festen Plätze zu erobern und so der Armee beim weiteren Vormarsch den Rücken zu decken , marschierte Gustav Adolph nun, von dem südlich Stettin gelegenen Garz aufbrechend, über Neubrandenburg und Treptow gegen das wichtige Demmin, das nach nur 3 tägiger Belagerung die Thore öffnete . *) Von Demmin aus wurde die Belagerung von Greifswald
eingeleitet ,
die
indessen
nicht so
rasch von
statten
ging, da sich der kaiserliche Kommandant Perusi wider Erwarten zu halten und den ihm anvertrauten Posten mit Geschick und Energie zu verteidigen verstand.
Doch fiel das wichtige Kolberg nach
*) Interessant dürfte die Bemerkung sein, dafs ein Rittmeister Moltke, aus Mecklenburg stammend, mit einigen 100 Reitern einen Handstreich auf Malchin ausführte und die kleine Festung auf diese Weise in schwedische Gewalt brachte.
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
269
fünfmonatlicher tapferer Verteidigung seitens des Oberstlieutenants Franz v. Mors in die Hände der Schweden . Man fand daselbst 40 Geschütze , 200 Tonnen Kraut, viel Salpeter und Munition, während die Besatzung mit „ Sack und Pack, brennenden Lunten , fliegenden Fahnen, 2 Cornet Reitern , 9 Compagnieen zu Fufs und 2 Stück “ abzog. Die Lage änderte sich für Gustav Adolph mit einem Schlage, als Tilly, der bis dahin unthätig in Sachsen und den thüringischen Staaten gestanden , mit einem starken Corps nordwärts ins Brandenburgische rückte und, trotz der Scheinbewegungen des Königs , auf Frankfurt a. d . Oder losmarschierte, woselbst er anfangs Januar 1631 eintraf.
Zum ersten Male stand der alte liguistische General einem
schwedischen Truppen-Corps unter Horn bei Soldin gegenüber, während Gustav zur selben Zeit bei Pasewalk und Prenzlau operierte . Aus Besorgnis, Horn könne von dem namentlich an Kavallerie stärkeren Tilly in seinen Cantonnements überfallen werden , erteilte der König seinem General den Befehl, seine Truppen weiter rückwärts Doch an einen Ueberfall nach Stargard und Pyritz zu verlegen. dachte Tilly nicht. Nachdem Frankfurt und Landsberg in Verteidigungszustand gesetzt waren, beschlofs der liguistische General, sich gegen Gustav Adolph zu wenden,
aber nicht auf direktem Wege,
sondern im weiten Bogen ausholend , ohne allen Zweifel in der Absicht, um den schwedischen König über den eigentlichen Zweck und den ferneren Verlauf der Operationen im Ungewissen zu halten . Danach marschierte Tilly von Frankfurt über Fürstenwalde nach Brandenburg an der Havel, verstärkte sich dort, schwenkte mit etwa 25 000 Mann rechts nach Norden ab, drang über Neu-Ruppin in's Mecklenburgische ein und erschien unerwartet vor Neu-Brandenburg, das der schwedische General Knipphausen besetzt hielt. Die Stadt fiel, ehe es Gustav gelungen war, von dem benachbarten Pasewalk zum Entsatze heranzukommen. Trotz dieses unzweifelhaft erheblichen Erfolges
trat
Tilly den Rückzug gegen Magdeburg an ,
während
Gustav Adolph sich anschickte, Frankfurt a. d . Oder zu erobern . Um dies bewerkstelligen zu können, trat er mit dem brandenburgischen Oberst Kracht, dem Kommandanten von Küstrin, in Verbindung, mit der Forderung, ihm den Pafs von Küstrin zu überliefern. Nach anfänglicher Weigerung kam Oberst Kracht der Forderung nach, als der König eine deutlichere Sprache zu reden begann . Schon nach 3 tägiger Belagerung fiel diese wichtige Oderfestung in die Hände der Schweden ; dem allgemeinen Gebrauche folgend , mufste Gustav eine mehrstündige Plünderung der eroberten Stadt den Soldaten zuge-
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager
270 stehen ,
und doch waren
vielmehr Sache !
dem
gröfsten
die Bürger Teile
nach
ihm nicht feindlich gesinnt, Anhänger
der
evangelischen
Bald sollte auch das wichtige Landsberg in schwedische Ge-
walt fallen.
Im Besitze der Festung Frankfurt schrieb Gustav Adolph
an den Kurfürsten von Brandenburg :
er
könne
sich
doch nun der
Hoffnung hingeben, dafs er sich mit ihm verbinden und ihm die geforderten Pässe übergeben werde.
Der Kurfürst
war jedoch nicht
geneigt, weder das eine noch das andere zu thun . Die evangelischen Fürsten nämlich hatten sich in Leipzig zu einem Konvente zusammengefunden, um über ihre fernere Stellung dem Kaiser und Gustav Adolph gegenüber unter einander in Beratung zu treten . die meisten evangelischen Fürsten,
So wenig nämlich
darunter Sachsen und Branden-
burg, geneigt waren, auf Seite des Schweden zu treten, ebensowenig waren sie gewillt,
zu den von dem Kaiser getroffenen Institutionen ,
wozu das Restitutionsedikt gehörte,
so ohne weiteres zu schweigen.
Sie beschlossen, dem Kaiser in „ devotester Weise" Vorstellung darüber zu machen ; doch wurde ein von den versammelten Fürsten zu Leipzig unterzeichnetes Manifest vom Kaiser abgewiesen und die Unterzeichner an ihre Pflichten erinnert. Um gegen alle Eventualitäten gesichert zu sein, beschlofs man, Werbungen in gröfserem Maſse als bisher vorzunehmen ;
so versprach Sachsen 11 000 Mann ; Bran-
denburg 4000 Mann zu Fufs und 1000 zu Pferde. Bund,
den man
Der so geschlossene
wohl den „ neuen schmalkaldischen Bund" nannte,
sollte zum Schutze der augsburgischen Konfession dienen, reine Defensionsverfassung haben.
also eine
Gustav Adolph hatte zu Leipzig Versuche gemacht, die evangelischen Fürsten zu sich hinüberzuziehen ; mufste ihm doch sehr daran liegen, bevor er zum Angriff der kaiserlichen Heere schritt, der Hilfe und der Unterstützung von Sachsen und Brandenburg versichert zu sein . Aber bei allem Eifer und Gewandtheit gelang es den schwedischen Gesandten Grafen Solms und Chemnitz nicht, die Evangelischen von der ihnen seitens des Kaisers drohenden Gefahr zu überzeugen und sie auf Gustavs Seite zu ziehen.
Im Namen des Kon-
vents schrieb Johann Georg dem König , daſs er ihm für die gegebenen Freundschaftsversicherungen danke, indessen der Ansicht sei, dafs die evangelischen Fürsten auf gütlichem Wege durch Unterhandlungen mit dem Kaiser sich verständigen würden ; er habe bereits im Namen der übrigen in Schritte gethan.
Leipzig
versammelten
Fürsten
dazu
die
nötigen
Doch Gustav Adolph liefs sich durch diese abweisende Antwort in seinem Vorhaben nicht irre machen . Er mufste unter allen Um-
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
271
ständen jetzt, wo seine Marschroute durch Brandenburg führte, zunächst mit dem Kurfürsten Georg Wilhelm auf friedlichem Wege ins Reine
kommen,
um dann später mit Georg von Sachsen sein Ver-
hältnis ordnen zu können .
Bei dem so traurigen und verwahrlosten
Zustande des brandenburgischen Heerwesens
und
im Besitze
der
wichtigsten festen Plätze wie Colberg, Frankfurt und Landsberg, wodurch der Rücken des schwedischen Heeres völlig gedeckt war, wäre. es dem Könige ein leichtes gewesen, gewalt
zu einem Bündnisse
zu
seinen Schwager mit Waffen-
zwingen.
Aber Gustav vermied es
immer noch, diesen Weg zu beschreiten und knüpfte immer von neuem wieder Unterhandlungen an. Damit verging die Zeit, ohne dafs der Zweck erreicht wurde .
Und gerade jetzt, wo die Lage der
Festung Magdeburg immer kritischer und ernsthafter wurde, muſste dem König daran liegen, so rasch als möglich seinen Schwager auf seine Seite zu ziehen ; jeder Tag, Bündnisses mit dem Kurfürsten
den er bei dem Abschlusse eines
gewann,
bringen, der sich gar nicht berechnen liefs.
konnte ihm einen Gewinn Magdeburg war die Parole
der damaligen Zeit ; der Verlust dieses Bollwerks konnte für Gustav und sein Heer der Untergang,
das Ende sein !
Trotz aller Erfolge , die der König bis dahin über eine Feinde davongetragen, befand sich derselbe in einer höchst mifslichen Lage. Abgesehen davon,
dafs er selbst in dieser Zeit über den schwachen
Stand seines Heeres, namentlich der Kavallerie, über das Ausbleiben der Unterstützungen an Geld und Proviant aus Schweden und Pommern Klage führt, wurde er immer dringender aufgefordert, der bedrängten Stadt und kommen.
Festung Magdeburg nun endlich zu Hülfe zu
Da Gustav die Überzeugung gewann, dafs auf dem Wege
der Güte mit seinem Schwager ein Abkommen nicht zu treffen war , beschritt er den Weg, den den Weg der Gewalt.
er bis dahin ängstlich vermieden hatte,
Ohne
von dem kurfürstlichen Schwager die
Erlaubnis des Durchzuges durch Brandenburg zu haben, trat er am 17. April 1631 von Landsberg aus den Vormarsch gegen die Residenz des Kurfürsten , gegen Berlin ,
an.
Als
er am 21. April in
Küstrin ankam, erschien vor ihm der brandenburgische Gesandte, Kanzler Götze, um ihm die Mitteilung zu machen, dafs der Kurfürst einer Verbindung mit ihm nicht prinzipaliter abgeneigt sei , ihm aber die „ absolute Administration des ganzen Kriegswesens " nicht überlassen könne und er ebenso , wie die übrigen evangelischen Fürsten des Leipziger Konvents , „ ein imperium a part " verlangen müsse. Gustav Adolph,
der die Wirkung seines Vormarsches schon merle,
ging darauf nicht ein und marschierte weiter ;
er verlangte den un-
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager ,
272
summum imperium".
geteilten Oberbefehl, das
In seiner Not wies
der Kurfürst den Obersten Kracht in Küstrin an, den Schweden Paſs Indessen genügte dem König diese Erlaubnis nicht mehr ; er forderte jetzt die Festung Küstrin selbst und das
und Repafs zu gestatten.
wichtige Spandau dazu , "" da er bei seinem weiteren Vordringen den Platz nicht im Rücken lassen könne, ohne eigene Besatzung darin zu haben " .*) In Frankfurt meldeten sich neue Gesandte bei ihm, bereit , die Unterhandlungen wieder aufzunehmen ; er entliefs sie jedoch mit dem Bescheide , dem Kurfürsten zu melden, dafs er in kürzester Zeit vor seiner Residenz einzutreffen gedenke. Am 1. Mai zog Gustav sein Heer um Köpenick zusammen und schickte von hier aus den Grafen Ortenburg an den Kurfürsten , um ihn zur Übergabe der Festung Küstrin zu bewegen ; folg.
Mit dem Auftrage,
doch
ohne Er-
der Forderung etwas mehr Nachdruck zu
geben, wurden General Horn und Hofrath Steinberg nach Berlin gesandt. Die Mission dieser Herren hatte eine Zusammenkunft derselben mit dem brandenburgischen Kanzler v. Götze , den Räten Levin v. Knesebeck und Kurt Bertram v. Pfuel zur Folge, aber auch jetzt ohne Erfolg ; denn die Brandenburger hielten daran fest und bestanden darauf, Spandau und Küstrin mit eigenen Truppen zu besetzen, verstanden sich aber schliesslich dazu, Spandau in dem Falle der schwedischen Armee zu öffnen, wenn dieselbe geschlagen den Rückzug anzutreten gezwungen werde. mehr .
Das Erfolglose
Diese Antwort genügte dem Könige nicht
der Unterhandlungen der beiderseitigen Ge-
sandten einsehend, verlangte Gustav eine persönliche Zusammenkunft mit Georg Wilhelm selbst, die auch seitens des Kurfürsten bewilligt wurde. Am 3. Mai brach der König mit 1000 Musketieren, 3 Schwadronen und 5 Regimentsstäben von Köpenick gegen Berlin auf; 1/4 Stunde davon entfernt trafen der König und der Kurfürst in Begleitung seiner Gemahlin und seines ganzen Hofes in einem Wäldlein " zusammen. Als auch hier noch kein Abkommen erfolgte, wollte Gustav Adolph kurz entschlossen nach Köpenick zurück und gab zu verstehen,
dafs er an der Spitze seiner Armee zurückkehren werde.
Auf Bitten der kurfürstlichen Damen stand er nicht allein davon ab, sondern er war liebenswürdig genug, einer Einladung nach Berlin zu folgen. Am 3. Mai abends erschien er mit 1000 Mann in der kurfürstlichen Residenz und übernachtete auf dem Schlosse ; zugleich aber wurde dem in Köpenick lagernden Heere der Befehl erteilt, den Vormarsch gegen Berlin unverweilt anzutreten, was
*) Droysen II. 299.
auch geschah ;
am 4. Mai
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
273
erschien das schwedische Heer vor der Residenz Berlin .
So wurden,
während draufsen vor den Thoren schwedische Truppen biwakierten , die Unterhandlungen fortgesetzt und, wie sich von selbst versteht , zu einem
für
Schweden günstigen Abschlusse
geführt.
Der Kurfürst
willigte in die Übergabe der Festung Spandau und wies
den bran-
denburgischen Kommandanten daselbst an, dem schwedischen Feldmarschall Horn die Thore zu öffnen und sich diesem im Falle einer Defensive
des
Platzes
unterzuordnen .
Gustav Adolph, Spandau
Dagegen
verpflichtete
sich
an den Kurfürsten wieder herauszugeben ,
sobald Magdeburg entsetzt,
das
schwedische Heer in Sicherheit ge-
bracht und dessen etwaiger Rückzug nicht gefährdet sei .
Es wurde.
dann eine „ Formula des Eides " entworfen, die von den brandenburgischen Truppen in Spandau beschworen wurde .
Dieses interessante
Aktenstück hat nach Droysen II. 302 folgenden Wortlaut : „ Nachdem die Königliche Majestät in Schweden und Churfürstliche Durchlaucht zu Brandenburg,
unsere gnädigste Herrn, sich mit ein-
ander freundlichst (!) dahin verglichen,
dafs die königliche Majestät
in Schweden uns in diese Festung zur Defension derselbigen eingelegt, als schwören wir hiemit zu Gott einen leiblichen Eid, dafs wir solche Festung bis auf den
äufsersten Tropfen unseres Blutes zu
Ihrer Königlichen Majestät Dienst und Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht
als
des
rechten Erbherrn ,
auch alles das übrige,
so
derselbigen
Bestem defendiren ,
in der zwischen Ihre Königliche Majestät
und Churfürstliche Durchlaucht aufgerichtete Kapitulation enthalten und verglichen, stet, fest und unverbrüchlich halten : dawider weder von uns selbst nicht handeln,
noch
andern,
so uns untergeben,
zu
handeln verstatten wollen ; da auch, welches Gott gnädiglich verhüten, mit Ihrer Königlichen Majestät
ein unverhoffter Fall
sich
begeben
sollte, so wollen wir alsdann auf Sr. Churfürstlichen Durchlaucht und dero Nachkommen , alleine sehen , dero commando folgen und derselbigen allein verbunden bleiben, so wahr uns Gott helfe, durch Christum seinen Sohn . " Am 6. Mai rückten die Schweden in Spandau ein ; Oberst Axel Lilie wurde zum Kommandanten daselbst ernannt und ihm vom Könige
die
Weisung
Festung" zu bleiben.
gegeben , unter allen Umständen „ Herr der Gustav aber traf am 7. in Potsdam ein , um
von hier aus, wie er vorgab, dem hartbedrängten Magdeburg zu Hülfe zu kommen, was er bei der räumlichen Entfernung der beiden Orte von einander in 2 Tagen ausführen konnte . Er that es nicht. - Es ist hier nicht der Ort , die Gründe zu untersuchen , veranlassten,
die
den König
den Weitermarsch einzustellen ; genug, dafs nach dem
274
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
Falle von Magdeburg die öffentliche Meinung sich so sehr gegen den König wandte ,
dafs er es für nötig fand , in einer „ Apologie " sich
zu rechtfertigen.*)
Er wälzte die Schuld des Falles von Magdeburg
von sich ab auf die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg , „ die sich beide also erwiesen , dafs er nicht habe wissen können , ob sie Freund oder Feind seien ". Was nun Georg Wilhelm betrifft, so sei hier in Kürze daran erinnert , dafs Gustav Adolph so frühzeitig Herr der Festungen , also auch des Landes und einer etwaigen Rückzugslinie war, dafs er genügend Zeit hatte , den Vormarsch gegen Magdeburg rechtzeitig anzutreten , um , wenn auch erst in der elften Stunde , der hart bedrängten Stadt , die den König mehr als ein mal zur Eile gemahnt hatte , den so willkommenen Entsatz zu leisten . Auch der Grund des Königs , „ er sei deshalb nicht direkt auf Magdeburg marschiert, weil die erschöpften Marken seine Truppen nicht zu ernähren im stande waren, " ist deshalb, wie Gfrörer richtig bemerkt, nicht stichhaltig, weil Gustav Adolph nach dem Falle von Magdeburg in eben denselben Marken mehrere Wochen mit seinem Heere stehen blieb und ohne Zufuhr von anderswoher aus denselben seine Truppen verpflegen musste .
Die Gründe
des Nichterscheinens
des Königs vor
der belagerten Stadt dürften ganz wo anders , als in der räumlichen und zeitlichen Unmöglichkeit zu suchen sein ! Nach dem Falle von Magdeburg konnte die Situation des Königs insofern eine sehr ungünstige werden , wenn der siegreiche Tilly in rascher Ausbeutung des aufserordentlichen Erfolges , wie es die Eroberung von Magdeburg zu jener Zeit immerhin war, sich rasch und energisch gegen ihn gewandt hätte.
Das geschah
nun nicht und
Gustav Adolph fand Zeit genug , seine Apologie zu schreiben und die Verhandlungen mit seinem widerspenstigen Schwager wegen der endgültigen Uebergabe aller Festungen und eines definitiven Schutzund Trutzbündnisses aufs neue zu beginnen . Georg Wilhelm forderte nach dem Falle Magdeburgs mit Fug und Recht seine Festung Spandau zurück ; der König erklärte sich scheinbar bereit , die Festung herauszugeben, ging sogar noch einen bedeutenden Schritt weiter und erklärte ,
ganz Kurbrandenburg
aufgeben
und sich hinter die Oder
zurückziehen zu wollen , damit der siegreiche Tilly das verlassene Kurfürstentum ohne Widerstand zu finden , einnehmen könne. Diese Sprache erschreckte den Berliner Hof, der wegen seiner mit Gustav
*) Vergl. die Broschüre : Kurzer aber gegründeter Bericht | Warumb die Königl. | Majestät zu Schweden | der Stadt Magdeburg nicht | secundiren können “. 1631 .
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
275
abgeschlossenen Konvention den General Tilly fürchtete ; daher Georg Wilhelm durch seine Gesandten Curt v. Pfuel und Levin v. Knesebeck den König bitten liefs
zu
bleiben ,
um
nötigenfalls
die kur-
fürstlichen Lande zu schützen. Der König glaubte aus dieser ihm günstigen Stimmung Kapital schlagen zu können und schickte den Grafen Ortenburg nach Berlin, um direckt und offen ein enges Bündnis und
eine „ kategorische Resolution " zu fordern .
Darauf wollte man
in Berlin nicht eingehen. Man gab zur Antwort , dafs der Kurfürst an und für sich einem Bündnisse mit ihm nicht abgeneigt sei , indessen könne man sich nicht gut von den evangelischen Fürsten trennen und müsse vor allen Dingen erst die Ansicht und den Rat des Kurfürsten von Sachsen einholen.
Gustav Adolph ,
der merkte,
dafs die Drohung mit dem Abmarsche der schwedischen Truppen nicht mehr auf den Kurfürsten wirkte , war zufriedengestellt , als er von seinem Schwager bis
zum Eintreffen der Antwort Kursachsens
die Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes zugesichert erhielt. diese Antwort eintraf, über die
liefs Georg Wilhelm
hart bedrängte Lage
zu
dem Könige wiederholt
seines Kurfürstentums Vorstellungen
machen, wie das Land unmöglich schwedischen Truppen
Ehe
im stande sei ,
ernähren .
noch länger die
Der Kurfürst
übertrieb nicht,
sondern sprach der Wirklichkeit gemäfs ; seit mehreren Wochen schon lagen die Schweden in den Marken , nachdem vorher die Mannsfeldschen Schaaren und die kaiserlichen Heere das Land durchzogen und ausgesogen hatten. Als endlich die absagende Antwort von Sachsen bei Georg Wilhelm eingetroffen war ,
bat er den König ,
das auszuführen , was er
ihm selber vorgeschlagen habe , d . h. seine Truppen hinter die Oder zurückzuführen .
Jetzt aber verweigerte der König dies.
Noch ein-
mal versuchte er es, die streitige Angelegenheit auf friedlichem Wege zu ordnen , indem
er die Kurfürsten bat , die Vermittelung in der
Sache zu übernehmen, eine Bitte, die seitens dieser abgelehnt wurde . Da auf diesem Wege
nichts
auszurichten
war ,
so nahm
Gustav
Adolph, der den Willen hatte, die einmal gewonnene Position nicht wieder herauszugeben , eine drohende Sprache an und erklärte dem Kurfürsten, er möge sich bis zum 7. Juni resolvieren , ob er Freund oder Feind sein wolle ; wäre die "" Resolution " dann nicht da , so werde er ihn feindlich behandeln . Der Kurfürst aber, sich auf den geschlossenen Vertrag stützend , blieb bei seiner ursprünglichen Forderung und verlangte Spandau.
Da schrieb Gustav Adolph noch am
Abend des 8. Juni dem Kurfürsten einen Aufsagebrief und erklärte ihm , morgen zwischen 7 und 8 Uhr werde er Spandau räumen ;
er
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager,
276
habe nichts dagegen einzuwenden , wenn er die Festung wieder besetzte ; indessen sei hiermit die Freundschaft zwischen Schweden und Brandenburg gekündigt ; der Kurfürst werde von jetzt an als Feind behandelt. Wirklich verliefs am 9. Juni morgens die schwedische Besatzung Spandau, an deren Stelle sofort brandenburgische Truppen einrückten . Gustav Adolph, entschlossen , der Ungewissheit in seiner Lage und dem Zögern des Schwagers ein Ende zu machen , marschierte mit seiner Heeresmacht direkt auf Berlin zu, woselbst sich der Kurfürst mit seinem Hofe aufhielt ; Munition und Geschütz wurden auf einigen Der König 20 Schiffen auf der Havel und Spree nachgeführt. stellte seine Truppen vor Berlin auf, ordnete die Regimentsstücke und liefs sie laden. Die Schiffe legten am Unterbaum an. Nachdem diese Vorbereitungen getroffen, wurde ein Trompeter in die Stadt geschickt, um dem Kurfürsten die Aufforderung zu überbringen , augenblicklich die Thore der Stadt zu öffnen , wenn nicht, würde man den Eingang Georg Wilhelm sandte Curt Bertram v. Pfuel
mit Gewalt erzwingen .
heraus , der aber von Gustav „ schlecht abgewiesen " wurde. Darauf öffnete man die Thore , „ die kurfürstliche Frau Mutter , alle fürstlichen Frauen und Fräulein " zogen hinaus ins schwedische Lager, das sich von der Hasenhaide bis zur Stadtmauer ausdehnte , den König bittend,
nichts feindliches gegen die Residenz
zu beginnen ;
" wobei die alte pfälzische Frau Wittib das Beste gethan" . Gustav Adolph versprach es ; am Nachmittage erschien der Kurfürst selbst und gab zu den von Schweden aufgestellten Forderungen seine Einwilligung. Am Abend wurde zur Feier der „glücklichen Versöhnung “ ein Fest im Lusthause des Kurfürsten gegeben ; mehrere Male trank Gustav in heiterer Laune auf das Wohl Ihrer Kurfürstlichen Durchlaucht. Am anderen Morgen fuhr der König in einem Kahne über die Spree
und liefs
Regimentsstücke lösen.
und Feier des Tages die Nach Gfrörer hatte man vergessen, die Stücke
zur Verherrlichung
zu entladen , und so schossen etwa 40 derselben scharf gegen die Stadt ; 6 Dreifsigpfünder schlugen teils im Schlosse, teils in den benachbarten Häusern ein, ohne indessen Menschen zu verletzen. Der König entschuldigte diesen unangenehmen Vorfall bei dem Kurfürsten und schob die Schuld davon auf angetrunkene Kanoniere . *) Am 11. Juni 1631 wurde der eigentliche Vertrag abgeschlossen, wonach Gustav Adolph während des ganzen Krieges das Besatzungsrecht von Spandau
behielt ,
in Bezug auf Küstrin ihm der Durch-
*) Gfrörer 823 und Droysen II. 352 ff.
277
dem Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg.
marsch mit gröfseren und kleineren Truppenmassen gestattet,
auch
ihm das Recht zugestanden wurde , daselbst schwedische Truppen zu halten. Der brandenburgische Kommandant von Spandau, sowie die ganze brandenburgische Besatzung schwört dem Könige den Eid der Treue , der sie verpflichtet, ihn im Falle der Not aufzunehmen und sich unter seinen Oberbefehl zu stellen. Der Kurfürst kann auf eigene Rechnung Volk anwerben , jedoch verpflichtet er sich , dem Könige in dem Kurfürstentume hinsichtlich der Werbung freie Hand zu lassen und denjenigen Brandenburgern, die den Dienst des Kurfürsten mit dem des Königs vertauschen wollen ,
nicht hinderlich
zu sein. Es sei hierbei erwähnt, dafs Archenholz aus einem schwediscchen Archive mitteilt, Gustav Adolph habe eine Verbindung seiner Tochter Christina mit dem Sohne Georg Wilhelms, dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm, dem nachherigen grofsen Kurfürsten, geplant und habe Versuche gemacht, seinen Schwager für das Projekt günstig und geneigt Vom Standpunkte der Politik aus wäre eine Verbindung Kurbrandenburgs mit dem damals so mächtigen Schweden durchaus vorteilhaft gewesen, und wir sehen hieraus wiederum, welch hohen
zu stimmen.
Wert Gustav Adolph
auf eine Verbindung seines Königshauses mit
einem deutschen Fürstenhause, speziell Kurbrandenburg, legte. Daſs dieselbe nicht zu stande kam , legt Zeugnis dafür ab , wie tief bei Georg Wilhelm die Abneigung gegen seinen
königlichen Schwager
Wurzel geschlagen hatte, um so mehr, wenn man bedenkt , daſs derselbe Georg Wilhelm der Verheiratung seiner Schwester Maria Eleonora mit Gustav Adolph einstens ebenfalls nicht zugethan war. Am 12. Juni rückten wieder schwedische Truppen in Spandau ein und blieben auch während des ganzen Krieges dort.
Der Kurfürst
sollte noch 9 Jahre lang Zeuge der schrecklichen Leiden und Drangsale aller Art sein, die sein brandenburgisches Land von den befreundeten Schweden zu erdulden hatte.
Schon zu des Königs Lebzeiten
begann die Disziplin im schwedischen Heere lockerer zu werden ; aber sein kräftiger Arm fuhr noch ab und zu recht fühlbar zwischen die rohe Soldateska und raubgierigen Landsknechte und brachte sie zur Raison ;
als
aber der König auf dem Schlachtfelde bei Lützen
seinen Geist ausgehaucht hatte , wurde sein anfangs so sehr wegen Zucht und Disziplin gerühmtes Heer unter Generalen wie Banner, dem Herzog Bernhard von Weimar und Torstenson , der Schrecken der Einwohner unserer deutschen Gauen ; der " Schwedentrank" ist als grauenhaftes abscheuliches Inquisitionsmittel in manchen Gegenden noch im Gedächtnisse der Bevölkerung, und der Ruf „der Schwede
278
Gustav Adolph in seinem Verhältnis zu seinem Schwager etc.
kommt" galt noch 100 Jahre und länger , ja ,
gilt heute
noch in
einigen deutschen Landen als wirksames Schreckmittel. Es ist nicht
unsere Aufgabe ,
hier
den weiteren Verlauf des
Krieges, wie er sich nach dem Abschlusse des Bündnisses zwischen Georg Wilhelm und Gustav Adolph gestaltete , zu Kurfürst starb am 1. Dezember 1640. Sein Sohn , Friedrich Wilhelm ,
übernahm ,
und unter den denkbar
erzählen . Der der Kronprinz
20 Jahre alt , in schwierigster Lage
ungünstigsten Verhältnissen die Regierung.
Seine erste Sorge war, mit den Schweden ein Abkommen dahin zu schliefsen ,
dafs seine Marken so weit wie möglich bei den Durch-
zügen u. s . w. geschont blieben ;
ferner war er bestrebt ,
sich
ein
stehendes Truppencorps zu schaffen , was ihm denn auch nach und nach unter Mühen und grofsen Anstrengungen gelang. Im
westfälischen
Frieden ,
in
welchem
Schweden ganz Vor-
pommern nebst Rügen, von Hinterpommern die Städte Stettin, Garz, Damm u. s. w. erwarb, erhielt der Kurfürst Friedrich Wilhelm den Rest von Pommern ,
und als Entschädigung von Vorpommern ,
welches sein Haus ,
wie
oben bereits erwähnt ,
auf
ein Erbrecht hatte,
die Bistümer Halberstadt, Minden, Kammin und Magdeburg als Herzogtum . Wunderbare Fügung in der Geschichte !
Der Vater Georg Wil-
helm wird in seiner Residenz Berlin durch schwedische Truppen und schwedische Regimentsstücke gezwungen , mit dem Könige des nordischen Reiches ein Bündnis zu schliefsen und einem fremden Herrscher seine Festungen
zur Aufnahme
ausländischer
Söldlinge zu
öffnen . Der 11jährige Sohn aber, Kronprinz Friedrich Wilhelm, der Zeuge gewesen, wie fremdes Kriegsvolk vor den Thoren der Residenz gelagert, und der angesehen hat, dafs ausländische Söldnerschaaren die eigenen vaterländischen Fluren raubend
und plündernd durchzogen,
erringt sich den Beinamen „ grofser Kurfürst “ , indem er die Schaaren desselben nordischen Reiches ,
welche auf Veranlassung Frankreichs
in die Marken einfielen, in der Schlacht bei Fehrbellin siegreich aufs Haupt schlägt und die in Preufsen eingedrungenen Schweden in einem späteren Winterfeldzuge nach Liefland zurücktreibt !
279
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
XXIII .
Die römische Kriegszucht
bis
zum Ende
der Republik.
Von F. Hoenig , Hauptmann a. D. (Fortsetzung.) IV .
Bis zur Militärreform des Marius .
Beim Tode des Servius Tullius zählte, wie erwähnt, das römische Heer beider Kategorieen ungefähr 20 000 Mann . der Unterwerfung Italiens
Als Rom kurz vor
(im letzten Samniterkriege
und in
dem
gegen Pyrrhus) diesen Gegnern gegenüber vor der Frage stand „ Sein oder Nichtsein " , brachte es die verhältnismäfsig ungeheure Ziffer von 60 000 Mann auf ; ihnen folgten weitere 40 000 Mann als Unter diesen 100 000 Mann sind die Besatzungstruppen Reserve. vom 47. bis 60. Jahre nicht mitgerechnet ; dabei muss man ferner bedenken , dafs Etrurien und Unteritalien noch Gegner Roms waren. Wie hoch die Bevölkerung des Reiches
um jene Zeit war ,
kann
nicht angegeben werden ; jedenfalls war aber das Verhältnis der ansässigen und nichtansässigen, sowie des Proletariats zu den römischen Bürgern im Heere schon zu Ungunsten der letzteren ausgefallen . Nach und nach wurden die servianischen und rullianischen Militärgesetze
auf die
unterworfenen
Stämme
ausgedehnt.
Alle
höheren Offizierstellen wurden dabei durchweg mit Altrömern " besetzt, die unteren bis zum Centurienkommandeur mit Neurömern . Im
übrigen liefs
man die Gemeinde- und Stammverbände bei den
neu geschaffenen Legionen möglichst bestehen.
Nicht allein militä-
risch, auch politisch verfuhr man den italienischen Stämmen gegenüber weise, Periode
klug
und mäfsig .
Die Geschichte
erzählt aus
dieser
von keinem der für den Feind so erniedrigenden Schau-
gepränge, wie sie in den späteren Jahren der Republik und während des Kaiserreichs in Rom an der Tagesordnung waren. Auch in dieser Beziehung steht werfung Italiens
die
römische
über der der
Kriegszucht
späteren
Zeit.
bis
zur Unter-
Die Römer
waren
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
280 nicht allein
ein
militärisches und
Rechtsvolk ,
sondern
auch
ein
politisches Volk und mit richtigem Instinkt stellten sie den besiegten italienischen Stämmen schonende Friedensbedingungen. ein Volk einigen und einen grofsen Staat schaffen.
Man
wollte
Und man schaffte
es vorwiegend durch weise Handhabung der Wehrpflicht im Laufe von etwa 5 Jahrhunderten. Die militärischen Tugenden der Römer entwickelten sich in dieser Zeit nicht allein aus sich selbst heraus. Vielmehr waren es vor allem die hartnäckigen Kämpfe gegen ein
stolzes , ehrbewusstes Gebirgsvolk , in welchen sie , ringend um die endgültige Herrschaft , sich stärkten , kräftigten und bildeten . Strategen weist diese lange Periode auf römischer Seite keine , auf feindlicher nur Pyrrhus
auf;
wohl
aber unter
Männer von grofser Willensstärke dem
treu
Staat und Vaterlande
zahlreiche
den Römern
und Opferwilligkeit , ergebene
brave
und
die
noch
Heerführer ,
nichts anderes kannten , als für des Vaterlandes Gröfse zu kämpfen denen das Gesetz heilig war ---- und die dabei und zu sterben von den besten Teilen des Volkes getragen wurden . Unvergleichlich gröfser, wuchtiger , thatkräftiger, leidenschaftlicher sind die Feldherren der nun folgenden verhältnismässig kurzen Periode von stark 2 Jahrhunderten . Aber je mehr ihre Gröfse in den Vordergrund tritt, desto mehr verschwindet der gemeinsame Zielpunkt, Gesetz , Verfassung , Staat , kurz das Vaterland , desto mehr weicht die Kriegszucht der Römer von den servianischen und rullianischen Gesetzen ab. Bald kann man nicht mehr von einer einheitlichen Kriegszucht sprechen, sondern von einer vielseitigen , so verschieden in Heeren, wie deren Feldherren verschieden waren . Italien
war
und Pyrrhus '
unterworfen
hatte
das
Volk
Geschmack bekommen. feldzüge " ,
so
und
seit
der
den
Besiegung
einzelnen
Etruriens
an auswärtigen Eroberungen
Waren die bisherigen Kriege „ Binnen-
lag jetzt die römische Macht über ganz Italien,
und
über die seine Grenzen bespülenden Meere mussten die nächsten kriegerischen Verwickelungen auf dem Wege zur Weltherrschaft führen . seinem
Alexander der Grofse hatte Tode
fiel sie
die
alte Welt vereinigt ;
wieder auseinander.
Griechen , Egypter , Perser , Assyrier , Meder ,
mit
Phönizier, Macedonier, alle jene Kulturvölker
der alten Welt, erliegen nach und nach römischem Heifshunger, der mit jedem neuen Erfolge unstillbarer wird und schliefslich in tierische Unersättlichkeit
übergeht.
Der überreizte
Zustand führt
dann zwar zu äufserem Glanze, aber er wurde auch das Fahrwasser zu immer höher steigender persönlicher Macht der Feldherren, und der Boden zur Entwickelung zahlreicher Emporkömmlinge, befähigter
281
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
und glücklicher, berechtigter und unberechtigter.
Die äufsere Macht
des römischen Staates steigt mit jedem Jahre und beim Ende der Republik stehen die römischen Lager an den Ufern des Rheins, an der Nordküste von Spanien und Frankreich. Ohne Meeresherrschaft hat es nie einen Grofsstaat gegeben und ohne sie noch weniger eine Weltmacht bestanden . Das erkannte auch der praktische Römersinn, und so treten wir in die Periode der Entwickelung der römischen Seemacht, welche analog erzogen wurde wie das Landheer. Nur verdient hervorgehoben zu werden, dafs sich ihre Rekrutierung auf die Küstenländer beschränkte , und da diese nicht von Latinern, sondern von Griechen bewohnt waren, so bestand die römische Kriegsflotte unter der Republik zum gröfsten Teile aus Griechen .
Zunächst
schuf man 2 Flottenheere, jedem wurden zwei Zahlmeister zur Seite gestellt. Ihre Befugnisse entsprachen denen, die wir bei der LandKarthago , welches bisher das Meer macht entwickelt haben . sah die römische Macht mit Neid emporsteigen . Bald berührten sich beider Sphären und Rom wurde in den ersten grösseren auswärtigen Krieg verwickelt.
beherrscht hatte ,
Die Einigung Italiens hatte in das Kriegswesen mehr Einheit gebracht.
Aus Einzelkämpfen gegen Bergvölker und den Massen-
kämpfen gegen Pyrrhus ging zunächst eine taktische Änderung hervor, die höhere Beweglichkeit zum Ziele hatte und in der dem Einzelkampf eine gröfsere Rolle zugewiesen wurde . Gleich wichtig wie diese taktischen und technischen Änderungen für die Kriegskunst waren
innere für die Kriegszucht.
mit ihrer furchtbaren Strenge bestehen.
Die Strafen blieben
Vor wie
nach konnte der
Feldherr oder selbständige Kommandeur jedem unter ihm stehenden Soldaten den Kopf vor die Füſse legen, und nicht allein den gemeinen Mann, sondern auch den Offizier und Stabsoffizier mit Ruten züchtigen lassen , militärische.
für nicht militärische Verbrechen sowohl wie für
Dagegen wurden die Stellen der Stabsoffiziere verdoppelt, und die Scheidung zwischen ihnen und den Subalternoffizieren trat mehr hervor.
Zwar stand nach servianischem Gesetz jedem Soldaten der
Weg zu den höchsten Offizierstellen offen, und bekanntlich gelangten plebejische Kriegstribunen durch Centurienwahl an die Spitze der Legionen . Aber in der Regel stieg der vom Soldaten zum Offizier Beförderte nicht höher als bis zum Centurienkommandeur. Dahin führte regelmässiges Avancement ; die Beförderungen aufser der Reihe fallen
erst
in
die
Zeit der Parteiwillkür und Bürgerkriege .
Die
Beförderung der an der Spitze jeder Legion stehenden sechs Kriegs19 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
282
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
tribunen (Stabsoffiziere)
erfolgte
nicht der Reihe nach.
wählte man gewöhnlich Männer der besseren Klassen . weniger eingreifende Mafsregeln ,
so
Zu ihnen Sind dies
wurde eine andere dieser Zeit
für die Kriegszucht verhängnisvoll : es ist die Beschränkung der Machtvollkommenheit der Feldherren in der Besetzung aller , besonders
der Stabs offizierstellen.
ihr unbestrittenes Recht.
Bisher war dies
Seit dem Jahre 263 hing die Besetzung
aller Offizierstellen von der Bürgerschaftswahl ab ,
und sie hat ihr
Recht in Bezug auf die Kriegstribunen fest durchgeführt zum Schaden des Heeres, seiner Kriegszucht und zu ihrem eigenen Unheil. Um von vorne herein die schlimmste Willkür auszuschliefsen , setzte man fest, dafs der Wahl zum Stabsoffizier wenigstens eine Dienstzeit von 10 Jahren vorausgegangen sein musste.
Aber die Bestimmung
wurde bald ein toter Buchstabe
von Anfang an mehr
verletzt als beachtet worden.
und sie ist
Mit dieser Neuerung rifs man rück-
sichtslos den Bau von 5 Jahrhunderten nieder, mit ihm öffnete man der Protektion und Konnektion Thür und Thor und der Parteihafs drang ins Heer .
Er zernagte seinen Geist und machte es aus einem
Werkzeuge des Vaterlandes zu einem solchen der Intrigue, aus einem nationalen zu einem Parteiheer. Von diesem unheilvollen Paragraphen ab rechnete der rapide Verfall der römischen Kriegszucht. Eine fernere Neuerung war , dafs die bisherige Gliederung des Soldaten in der Legion nach dem Vermögensnachweis aufgehoben wurde und an Stelle dessen seine militärische Brauchbarkeit trat , eine Mafsregel , die den Verhältnissen entsprach . Denn der Vermögensnachweis zur Berechtigung des Dienens überhaupt blieb bestehen , nur trat als Soldat an seinen Platz die militärische Befähigung.
Man mag die Anordnung von einer Seite
betrachten , welche man will , jedenfalls schlofs sie das Ehrprinzip nicht nur nicht aus , sondern war im stande, es zu kräftigen , wenn diese Weisheit nur nicht durch die Unsittlichkeit des vorhergehenden Paragraphen illusorisch gemacht worden wäre. Die veränderte Taktik erforderte dabei eine längere Dienstzeit des Fufsvolks im Frieden
als bisher, und dieser Umstand musste in
einem verständig geleiteten Heerwesen zur Belebung des Ehrgeizes verwertet werden , was nicht besser geschehen konnte , als dadurch , den besten Soldaten auch an den besten Platz zu stellen . Nun noch einige Worte über den Ersatz .
Das weitaus gröfste
Kontingent der römischen Rekruten bildeten jetzt die Bauern wie einst die wohlhabenden Bürger. Italien hatte kaum eine Industrie und Der Bauernstand war auch sein Handel war höchst unbedeutend.
283
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. durch Domänenverteilung und Herabsetzung
des
Zinsfufses wieder
emporgeblüht (seit 410), und in ihm hatten sich Sittenreinheit und Fleifs, Treue und Ehrlichkeit erhalten.
Der Landmann war im all-
gemeinen von kräftigerem Körperbau und eignete sich vortrefflich zum Soldaten . Er besafs Liebe und Anhänglichkeit an sein Eigentum,
an seine Familie
und Gemeinde
und die Erinnerung an die
heldenmütigen Kämpfe der Vorfahren hatten in ihm lebhafte Vaterlandsliebe erweckt. So war der Hauptteil des Menschenmaterials , mit dem man in die punischen Kriege
zog ;
der
andere kleinere ,
Klassen freilich schon angekränkelt ,
bildete
in den höchsten
auch noch immer den
würdigen Träger echter Römertugend und des militärischen Geistes . Indessen man hatte eine Hauptziffer im Exempel gelassen ,
nämlich den Feldherrn .
aufser Rechnung
Rom war Grofsmacht geworden ,
aber für diese pafste eine städtische Verfassung nicht mehr , nach der der Bürgermeister auch Feldherr war. Der Kampf , in den es trat, war ein Ringen zweier Völker um ihre Existenz ; beide konnten nicht auf einer Scholle leben , eines mufste fallen . Hier , wo auf beiden Seiten die letzten Kräfte eingesetzt wurden , war von Seiten Roms nicht begriffen, dafs nicht jeder Konsul ein Feldherr und somit jedes Kalenderjahr neue Feldherren schaffen konnte. Der Heerführer wird geboren, aber er bedarf der Zeit und Gelegenheit zur Entwickelung, und diese hatten die römischen Feldherren bisher nicht gehabt ;
es waren stocksteife ,
militärische Pedanten .
sie einem Heere gegenüber mit Feldherrn wie Pyrrhus , Hannibal ,
Mithridates ,
dann
mussten
sie unterliegen .
Traten
Hamilcar Diese Zu-
stände waren der Ausdruck der römischen Verfassung und das Wesen seines
straffen
republikanischen Militarismus ;
über seinen Ranggenossen erheben. Feldherren aufser Marcellus ,
niemand sollte
sich
Daher sind die römischen
Scipio Africanus
und
allenfalls noch
Nero nichts als Mittelmäfsigkeiten , und niemals ist das so erschreckend für Rom zu Tage getreten , als vom Anfang der punischen Kriege bis zur Schlacht bei Cannae .
Kein einziger Feldherr erscheint
als eine Individualität ; alle tragen den Stempel der Gleichheit . Unter diesen schwung- und leidenschaftslosen Männern kroch auch die Kriegszucht der Truppen träge dahin.
Wir lesen weder von Herois-
mus noch von Ausdauer, weder von grofsen Märschen, überstandenen Anstrengungen noch kühnen Zielen , und nichts erscheint kläglicher, als
die Festnahme des
karthagischen Flottenkommandeurs Hanno
durch Regulus, sowie des letzteren glückliche Landung in Afrika und seine ersten Thaten als Erfolge
zu verherrlichen ,
wie
es geschah . 19 *
284
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
Die ersten römischen Truppen ,
welche
den Fufs
auf überseeische
Länder gesetzt hatten, liefsen ein trauriges Andenken zurück .
20 000
Sklaven schickten sie nach Rom , brandschatzend und plündernd durchzogen sie karthagisches Gebiet. Ungeheure Menschenmassen forderte der dann entbrannte Kampf zu Wasser und zu Lande , ein Unglück nach dem anderen traf die römischen Waffen , man kannte nur noch fliehende Römer !
Und jene Niederlagen erlitt Rom von dem verspotteten Karthago , von dem Heere , das es wegen seiner „punischen Treue " und seines Krämergeistes belächelt hatte .
Frei-
lich, weit standen die Truppen des Hamilcar und Hannibal gegen die römischen Legionen zurück , aber ihre taktische und sittliche Unterlegenheit hob das Genie des Feldherrn glänzend auf. Dieses wurde ihr Vaterland ,
ihre Zuversicht und es flöfste ihnen jenen hamilcar-hannibalischen Hafs ein , den nur grofse Naturen in sich
tragen können, und führte sie unter dieser Leidenschaft von Sieg zu Sieg. Auf römischer Seite war die stolze Zuversicht auf ihre Unüberwindlichkeit elendem Kleinmut gewichen , der Soldat hatte seine Vaterlandsliebe verloren , das Vertrauen zum Feldherrn eingebüfst, und bereits begann der in Rom sich zeigende Pöbel seine Konspirationen mit den Legionen. „ Unser Adel steht im Bündnisse mit dem
" Gegner", das war das erste froudierende Losungswort, welches unter das Heer geschleudert wurde . Die Stadt war Grofsstadt geworden. Bereits im Jahre 419 mahnte die Sklavenversammlung ihre Väter an die Gefährlichkeit der Sklavenmassen, die stets ein natürliches Bündnis mit den Freigelassenen unterhielten !
Im Jahre 304 beschränkte
man zwar die politischen Rechte der letzteren ,
aber damit war die
Gefahr nicht beseitigt. Jetzt, nach der Schlacht bei Cannae , gab es keine Familie mehr, welche nicht um einen Gefallenen trauerte , der politische Verband Italiens
schien
auseinander
zu fallen
und war
schon zum Teil gesprengt, da sammelten sich die Reste der geschlagenen Legionen vor den Thoren der Hauptstadt ; das Land war an männlichen Kräften nahezu erschöpft *) , der beste Teil der Bevölkerung deckte die Blachfelder , man verfügte über kein Heer mehr und im Angesichte der Stadt stand der gefürchtete feindliche Feldherr. Es war die Krisis in der Geschichte Roms. Nicht entfesselte Genialität überdauerte sie und führte sie zum glücklichen Ausgang, sondern die bewunderungswerte Zähigkeit, Rücksichtslosigkeit, KonDie gefalsequenz und Opferwilligkeit des römischen Charakters .
*) 300 000 Bürger und Insassen sollen während dieser Kriege bis zur Schlacht bei Cannae gefallen sein.
285
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. lenen Menschen waren
nicht zu ersetzen
Schlacht bei Cannae römischen Kriegszucht.
ist
und die Lage
nach der
der hohe Wendepunkt
in
der
Zählten wir im vorigen Kapitel die Gesetze auf, auf welcher sie fufste , so müssen wir von nun ab die geschichtlichen Ereignisse logisch verfolgen.
Sie lehren, wie Feldherren, Soldaten und Parteien
gegen die Stimme des Gesetzes allmählich abstumpfen, und an ihnen ist der Verfall der römischen Kriegszucht bis zu völliger Auflösung deutlich abzulesen. Zunächst sah der Senat ein, dafs er Heerführer nötig hatte, und dafs die politische Furcht ,
welche
in
allen Republiken der Macht
eines Feldherrn gegenüber bestanden hat und bestehen wird, hier aufgegeben werden mufste , sollte das Vaterland überhaupt gerettet werden. Das Amt des Feldherrn wurde daher verlängert und , die Lehre der Schlacht an der Trebia benutzend, seine Amtsführung von der „ Situation " abhängig gemacht.
Der erste Feldherr ,
welcher
unter diesen neuen Verhältnissen auftrat, war M. C. Marcellus . mit dem neuen Feldherrn kam auch ein neues Heer ,
Aber
und was das
römische Heerwesen von nun ab an Tüchtigkeit des Feldherrn gewann, das büfste es an Kriegszucht ein. Schon vor der Schlacht bei Ausculum hatte man ausnahmsweise das Proletariat eingestellt ;
die
Ausnahme wurde wiederholt ; man blieb nicht mehr bei diesem stehen, sondern griff zu den Sklaven , und der Kampf um die Weltherrschaft wurde der Grund des Verlustes eines " nationalen Heeres. " Mit Zusammenraffung aller männlichen Elemente Senat die Befreiung des Vaterlandes , anderes ,
„ die Homogenität
welchem es bestand .
erreichte der
aber das Opfer verlangte ein
des Heeres
und das Ehrprinzip " ,
auf
Nunmehr war Insasse, Bürger und Soldat nicht
mehr dasselbe , es bildete sich nach und nach ein besonderer Soldatenstand, dessen üble Folgen während der punischen Kriege zwar noch nicht
empfindlich
werden ,
die
aber von nun ab unter der
römischen Kriegszucht fortleben und gelegentlich in erschreckender Weise zum Ausdruck gelangen . Aus dem Heere ,
in dem das Dienen auf Vermögensnachweis
und Ehre beruhte , wurde allmählich ein Landsknechtentum ; der nie mehr
aufhörende
Kriegszustand
machte
aus
der
Ausnahme
eine
Regel und brachte alles in die Reihen des Heeres , gleichgültig welche Menschen er findet und wo er sie findet. Die Kriege mit Karthago
zeigen
ihrer ganzen Rücksichtslosigkeit.
die römische Kriegszucht in
Nicht allein Feindesgebiet wurde
verheert, schlimmer noch erging es den von Rom abgefallenen Städten
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
286
Capua und Tarent. Ihre Wiedereinnahme wurde der Höhepunkt des Sklavenhandels , dessen Erlös in die leere Staatskasse flofs. Auf der anderen Seite
verzichteten
die Soldaten
Gunsten des Staates auf ihren Sold .
der besseren Klassen zu
Aber wie es in langen Kriegen
aller Völker geht, so war es auch hier .
Die Äcker lagen brach, der
Familiensinn ging verloren , Rohheit griff um sich und das Proletariat vermehrte sich , während die besseren Klassen schnell zurückgingen ; alles
Umstände
von heilloser
Wirkung
auf die
Kriegszucht der
Legionen, die auf solchen Ersatz angewiesen waren . Als Hasdrubal aus Spanien und Hannibal aus Apulien anfingen, sich
über Rom
hinweg die Hand
zu reichen ,
Legionen im Felde, ungefähr 200 000 Mann .
standen
23
neue
Marcellus , der tüch-
tigste Feldherr, war gefallen, ebenso die beiden (spanischen) Scipionen . Die Lage Roms schien verzweifelt. wartet , kam der Erfolg.
Doch schneller , als man es er-
Zunächst wurde Hasdrubal von Nero ge-
schlagen (Sena) ; dann wandte sich dieser gegen Hannibal, und diese Episode ist bezeichnend für die römische Kriegszucht.
Der Krieg
hatte auf beiden Seiten grofse Männer im offenen Kampfe gefordert, aber stets erwies das karthagische Heldengeschlecht den braven Toten die militärische Ehre. So bei Paullus , Gracchus und Marcellus.
Hier aber liefs der römische Heerführer Hannibal das Haupt
seines Bruders Hasdrubal , der bei Sena gefallen vor die Fülse schleudern ! So weit ging der Völkerhafs, dafs Kriegsbrauch, Kriegsregeln und Kriegszucht erstorben schienen . Es folgte die Expedition des P. Scipio nach Karthago mit der Schlacht bei Zama, und überall ergreifen die Römer jedes Mittel, dem Feinde zu schaden, wenn es nur hilft. So die tückische Art , wie sie nächtlich , nachdem zur Täuschung Friedensverhandlungen angeknüpft waren , unter Scipio die Lager der Karthager anzünden und die letzteren niedermachten . So die schändlichen Brandschatzungen Scipio's, so das massenhafte Aufgreifen aller Bewohner und Verhandeln als Sklaven. Man hat Scipio Africanus Heeres vielfach angegriffen und wollen.
wegen der Grausamkeiten seines ihn selbst als grausam hinstellen
Nichts ist unrichtiger als das .
Solange die Entscheidung
in diesem schlimmsten aller Vernichtungskriege nicht gefallen , duldete und befahl er freilich selbst alles, was hier angeführt. Es war eben ein Vernichtungskampf, und jedes Mittel , welches die Vernichtung des Feindes befördern konnte , wurde ergriffen . Aber als Karthago unterworfen, sein Heer vernichtet, seine Flotte an Rom ausgeliefert und die Väter der Stadt abhängige römische Beamte geworden , da
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
287
ist es gerade Scipio Africanus , der vergafs , dafs zwei seiner Blutsverwandten gegen den Nationalfeind im
Ebro
den Tod
gefunden ,
und der zeigte, dafs mit dem Friedensschlufs auch die Leidenschaft im Feldherrn verstummen mufs. Die Verhandlungen , welche nun zwischen dem römischen Senat und den Bürgern Karthagos folgten, kann kein Soldat ohne Erröten lesen .
Hannibals Heer war vernichtet, aber sein Name allein genügte , um den römischen Senat zittern zu machen. Nicht mit Karthagern. hatten Hamilcar , Hasdrubal und Hannibal ihre Erfolge errungen, nicht an ihrer Spitze waren
die beiden ersten den Heldentod gestorben und keiner von allen dreien focht mit Begeisterung für ihr krämerhaftes Staatsleben . Von einem Vaterland der Kathager kann man überhaupt nicht sprechen . Was jene drei Kriegsvirtuosen erreichten, erlangten sie durch sich allein und trotz der engherzigen Karthager. Ihre Truppen waren Sizilianer, Iberer, Kelten , den römischen Nationalheeren gegenüber Landsknechte , Söldner , und taktisch wie moralisch unterlegen . Dieses Beispiel zeigt schlagend und glänzend die Falschheit der Doktrinen der modernen Kriegstheoretiker, die da vermeinen, dafs ein gesittetes Volksheer den Sieg in seinen Taschen trüge. Man hatte keinen Feldherrn, der diesen drei gewachsen war, und unter diesem beklemmenden Gefühl forderte der Senat die Auslieferung
Hannibal's. Günstigsten Falls würde der Held als römischer Sklave unter Peitschenhieben in irgend einem Steinbruch
sein Ende gefunden haben . Aber der Feldherr hatte gesiegt und den Staat gerettet und zwar ein jugendlicher Mann , der der Liebling des Volkes war ; der Feldherr hatte ein moralisches Recht mitzusprechen und in der Treue seiner Legionen die Macht, seinem Wort Nachdruck zu verleihen .
Dieser zwischen Scipio Africanus und dem Senat zum ersten Male zum Ausdruck gelangte Gegensatz zwischen Feldherrn- und Bürgerverwaltung schlug zu Gunsten des Ersteren aus und das wurde von eminenter moralischer Bedeutung für den in der Bildung begriffenen Soldatenstand. Mit Bürgermeistergeneralen, womöglich ihre eigene Unfähigkeit kennend, war leicht fertig werden .
Die Sache wandte sich, als Feld-
herren da waren und von diesem Wendepunkt ab beginnt das verderbliche , eifersüchtige Ringen zwischen Parteien , zwischen Bürger (Gesetzes- Verfassungsmacht) und Militär (Feldherrngröſse und Feldherrneinfluſs), oder in seiner letzten Konsequenz zwischen Vaterland und Person ! Die karthagischen Bürger hatten die Auslieferung Hannibal's schon zugesagt und alle Verhandlungen waren im Reinen , da legte
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
288
Scipio Africanus sein Veto ein. Das verächtliche , feige Verhalten erregte seine Leidenschaft im höchsten Grade ; er sah in der Forderung einen Verstofs gegen Kriegsbrauch , Kriegsregel und Kriegszucht und verhinderte sie. An die Rettung Roms konnte ein ehrenwerter Mann unmöglich die Schändung seiner Ehre, die des Heeres und der Römer selbst heften , und so wurde Scipio hier mit dem Retter der materiellen römischen Macht auch der Retter und Wahrer der römischen Ehre - zum letzten Male in der Geschichte der römischen Kriegszucht ! Drüben stand es anders .
Die Einwilligung der Karthager auf
die römische Forderung war moralischer Selbstmord ,
und wenn je
ein Volk seinen Untergang mit Schimpf und Schande angetreten, Die Schacherer waren des dann war es jene phönizische Kolonie. Heldengeschlechts nicht wert , sie verübten Hochverrat Heiligen und traten die Ehre ihres Landes in den Kot.
an
allem
Das Bei-
spiel lehrt, wie niedrig , gemein, entehrt ein durch Handel und Luxus verderbtes Kaufmannsvolk endet ! Der römische Senat hatte noch eine zweite Forderung an Scipio gestellt, gleich schimpflich, und auch diese blieb durch Scipio unerfüllt. Man strebte eine Seemacht an , und doch war man für die Nicht genug , ersten Bedingungen einer solchen ohne Verständnis. dafs
Karthago geknebelt am Boden lag und seinen Zins
römische Staatskasse sandte ;
in die
nein , die Stadt , welche heute noch,
nachdem unzählige Stürme und Erschütterungen über sie dahin gezogen , alle Bedingungen eines Handelsplatzes in sich vereint und über 100 000 Menschen Lebensunterhalt gewährt (Tunis) , sie sollte zerstört und nicht wieder aufgebaut werden. Gegen eine solche Verletzung des Kriegsbrauchs und der Kriegszucht stemmte sich Scipio mit allen Kräften , aber so weit ging die rücksichtslose Grausamkeit und Konsequenz , - aber auch die Ehrlosigkeit des römischen Senats dafs es die Forderung vertrag aufnahm ,
als
einen Paragraphen in den Friedens-
dafs die Idee von der Notwendigkeit der Zerstö-
rung sich von 201 bis 146 forterbte
und
endlich in diesem Jahre
das „ceterum censeo " des alten Cato vollstreckt wurde , vollstreckt wurde von einem Träger des stolzen Namens , dem Rom seine Rettung verdankte , Scipio Africanus Minor.
Keiner der beiden grofsen
Gegner sollte das Ende dieser Dinge erleben , beide waren in einem Jahre (183) gestorben .
Der grofse Römer eines natürlichen Todes,
der gröfsere Karthager als Verbannter freiwillig durch Gift. Die punischen Kriege waren noch nicht beendet, als Rom seine Hand
an die Reste des alexandrinischen Reiches legte
und seine
289
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. Legionen hintereinander eroberten.
Macedonien , Klein-Asien und Griechenland
Gleichzeitig wurde
die
Unterwerfung
Spaniens
weiter
durchgeführt und Numidien niedergeworfen, während im Innern des Landes die gröfsten römischen Staatsmänner ,
die , Gracchen , ihre
bürgerlichen Reformen durchsetzten. Immer mehr Menschen verschlangen die unaufhörlichen Kriege , besonders die in Spanien , und dieser Kriegszustand in Permanenz, der den viel früheren Zusammenbruch des römischen Volkes herbeigeführt haben würde , wenn die römischen Legionen sich wie früher noch aus den besseren Volksklassen ergänzt hätten,
war ein
will-
kommenes Feld des „ Soldatenstandes ". Nach dem Gesetz waren Proletariat und Sklaven von der Ehre zu dienen und das Vaterland zu verteidigen
zwar noch immer ausgeschlossen ,
war längst ein toter Buchstabe geworden . kraten
oder
Demokraten
das
aber das Gesetz
Je nachdem die Aristo-
Übergewicht
hatten ,
Feldherrenstellen mit ihren Günstlingen besetzt,
und
wurden so
die
bricht die
ehr- und schamlose Zeit an , wo gleichzeitig Männer an der Spitze der römischen Heere
standen ,
die unter
sich
politisch verfeindet,
auch militärische Feindschaft erzeugten, die für das Vaterland gegen den Feind zogen ,
und dabei schon auf den Augenblick rechneten ,
wo sie ihre Nebenbuhler aus dem Felde schlagen würden .
In allen
Legionen und in allen Offiziersgraden hatten die politischen Parteien Vertreter ;
sie
standen nebeneinander in Reih und Glied ,
doch an
Stelle der Homogenität des Offiziergeistes nahm die Protektion , das heimliche Frondieren und Konspirieren unter ihnen immer mehr zu , bis die Kriegszucht durch zahlreiche Meuchelmorde öffentlich geschändet wurde. Die grofsen Eroberungen hatten immer mehr Proletariat erzeugt, tausende und abertausende von Sklaven wanderten nach der Stadt, die im wahren Sinne des Wortes Volksstadt geworden war. Alle Nationalitäten mengten sich in ihren Gassen bunt durcheinander und der Stand der Nichtsthuer und Gaffer , der Propagandisten und Frondisten nahm erschreckend zu . Roms Geschick wurde auf den Gassen bestimmt , und in den Schenken , die längst blühten , safsen die halbtrunkenen Proletariatsgenerale und malten mit Kreidestrichen Feldzugspläne auf die Tische . Seit Cannae hatten die Legionen den nationalen Charakter eingebüfst ; wer brauchbar war, war eingestellt worden ; jetzt war
er vollends
verloren gegangen
und
unter der
Forderung der Notwendigkeit diese war wieder eine Konsequenz der unersättlichen Verschlingungskrankheit - nahm man die Menschen, wo und wie man sie fand .
So bestand eine ewige Verbindung zwischen
290
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
Soldaten, Proletariat und Sklaven , zwischen militärischen und politischen Unzufriedenen . Jene gefährlichen Unzufriedenen waren während des ganzen vorletzten und letzten Jahrhunderts der Republik in den römischen Legionen zahlreich vorhanden und zwar hauptsächlich und am gefährlichsten unter den Offizieren . mit
denen
Spanien,
Es waren keine römischen Legionen , Macedonien ,
Griechenland ,
Klein-Asien
und
Gallien niedergeworfen wurden ; er waren Menschen , die in diesen Ländern zusammengerafft und von römischen Offizieren befehligt Daher jene grausame, ehr- und gesetzlose Kriegszucht, daher jenes Zerstören , Brandschatzen , Stehlen und Plündern , daher
wurden.
jene Mord- und Greuelthaten den Feinden gegenüber und im eigenen So durchzog man den Pelopones und Macedonien . Wundert Lager. wenn die römische Kriegsfurie die Hellenentempel wenn Korinth und Athen in Feuer aufgingen , wenn der römische Feldherr den König Jugurtha bestach , damit er unter Zusicherung der Straflosigkeit seine Vettern und Miterben ermorde, man sich da ,
zerstörte ,
um mit Macedonien fertig zu werden ? Offene und sogar verbündete Städte wurden mit schweren Kontributionen belegt und, wenn sie sich an den römischen Senat wandten , ihre Bürger hingerichtet oder als Sklaven verkauft, wie in Abdera und Chalkis . Wie die Offiziere im grofsen, so stahlen die Soldaten im kleinen, und der dritte macedonische Krieg war ein vollständiger Räuberkrieg. schmähliches Beunruhigungsmittel.
Dazu trat noch ein anderes
Abschied und Urlaub waren
So flofs Geld in die Staatskasse und in die gegen Taschen der Offiziere , das Dienen wurde eine Strafe die Truppenteile waren nie vollzählig, und das die frühere Ehre -käuflich geworden.
Übel rächte sich auf dem Fufs in Gestalt der taktischen Niederlagen in Thessalien und vollständig verwahrloster Kriegszucht . Dabei hatten sich die besten dienstpflichtigen Römer schon seit dem dritten punischen Kriege vorwiegend in die Reiterei gedrängt, und damit war die militärische Gleichheit vollends zerrissen worden ; der besitzende Mittelstand fiel immer mehr aus und neben der adeligen Reiterei standen im Fufsvolk Proletariat und angeworbene Celten, Iberer u. s. w. So bildete sich eine Waffenscheidung , die auch in der Kriegszucht zum Ausdruck kam.
Als z . B. die Reiterei (252)
zum Schanzen befohlen wurde , verweigerte sie dem Konsul A. Cotta den Gehorsam ; das Handwerk war ihr zu gemein ; ähnliches wiederholte
sich in
Spanien .
nicht ankamen ,
suchten
Jene Vornehmen , den
Kriegsdienst
welche
in der Reiterei
zu umgehen ,
und so
mufste ( 180) , um sie zur Dienstpflicht zu zwingen, ein Gesetz ein-
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
291
gebracht werden, nach welchem nur der Anspruch auf ein Gemeindeamt haben konnte , beibrachte .
der den Nachweis einer 10jährigen Dienstzeit
Das heillose Gesetz der Ernennung der Stabsoffiziere
durch Bürgerbeschlufs hatte trotz aller Kriege die Scheidung zwischen Subaltern- und höheren Offizieren immer schärfer gezogen , und auch hier war im 2. Jahrhundert
der Begriff der Einheit verschwunden. ein Räuberhandwerk umgeschlagen ,
und die militärische Zucht in
was zum ersten Male schon bei Scipio Africanus auffällt.
Bekamen
die Veteranen des alten Nationalheeres bei ihrer Entlassung eine Entschädigung oder eine kleine Siegesgabe , so war das eine grofse Ausnahme ; Scipio dagegen schleuderte das Beutegeld - das gesetzlich dem Staate zukam mit vollen Händen unter seine Soldaten . Die Veteranen des zweiten macedonischen und kleinasiatischen Krieges kehrten schon durchgängig als wohlhabende Leute heim ; der Kriegsdienst war zu einem Gewerbe und Handwerk herabgesunken , und der Feldherr ,
welcher das eroberte bewegliche Gut nur zum Teil an den
Staat ablieferte , wurde schon besonders gepriesen, und als der redliche Lucius Paullus wieder strenge nach dem Gesetze verfuhr ,
da
fehlte nicht viel, dafs ihm seine eigenen Soldaten, unter denen viele auf Erwerb lauernde Freiwillige waren, die Ehre des Triumphes aberkannt hätten . Der Verfall der Kriegszucht entgangen .
war dem römischen Senat nicht
Er machte auch verschiedene Anstrengungen, sie wieder
zu heben, und da ist es Cato, der besondere Beachtung verdient. Nach der Schlacht bei Cannae war bekanntlich bei den Aushebungen zum
Militärdienst bis
aufs
Knabenalter zurückgegriffen
worden ; aufserdem steckte man Schuldknechte und Verbrecher , ja sogar 8000 vom Staate gekaufte Sklaven in die Legionen ; ebenso waren von Cannae bis Zama und bis zur Zerstörung Karthago's mehrere
phönizische
Abteilungen
Mafsregeln hatten den Römern
eingereiht worden .
eine Lehre gegeben.
Auch diese Als Tiberius
Gracchus , welcher hauptsächlich jene Sklavensoldaten befehligte, Hannibal den Weg nach Benevent verlegen wollte , fand er durch die List eines Treulosen den Tod ,
und die Folge
Sklavenheer auseinanderlief. Welche Mafsregeln anordnete, ist leider nicht überliefert.
war ,
dafs
das
der Senat hierauf
An eine Verminderung der römischen Streitkräfte war nicht zu denken , andererseits
schien es dringend geboten , dem Ausnahmezustand im Ersatzwesen und den genannten Abweichungen vom servianisch-rullianischen Gesetz ein Ende zu machen . Man hob die Klasseneinteilung nach Länderbesitz
vollständig
auf und liefs
die
292
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
Freigeborenheit fallen .
Dienstpflichtig
für
die Legionen
war
von
nun ab jeder Freigeborene und Freigelassene, wenn er ein Minimalvermögen von 345 Mark nachweisen konnte , für die Flotte bei 129 Mark.
Im Notfalle
konnte
man für beide
bis
auf 33 Mark
heruntergreifen . Sonderbar , man wollte die Kriegszucht heben und man machte.
ein Gesetz ,
welches
das Heer noch mehr dem Spiel der Parteien
überlieferte . Denn die Centurien hatten zugleich Stimme und das Recht der Wahl der Stabsoffiziere .
eine politische Was war nun
die Folge dieses Gesetzes ? Der wechselnde Kampf der Parteien spielte sich genau so im Heere ab und dieses entfiel vollkommen dem Vaterlande und dem Staate.
Es dauerte denn auch nicht lange
und die römischen Legionen traten in den Kampf unter sich in der Hand zweier Parteihäupter, beide für die Beurteilung der römischen Kriegszucht von Bedeutung, Marius und Sulla. V.
Die Militärreform des Marius .
Die Kriegszucht der römischen Heere beruhte bis zur Unterwerfung Italiens auf der Ehre des Dienens aller besitzenden Klassen , und gewaltig,
urwüchsig
und heroisch ist der Kampf um die Eini-
gung der Italiker. Von der Grofsmachtstellung bis zur Erlangung der Weltherrschaft gebot die Notwendigkeit, von den fundamentalen Bedingungen abzuweichen , welche die Ehrbarkeit der römischen Kriegszucht ausgemacht hatten . Das rullianische und catosche Militärgesetz waren Zugeständnisse der Not, aber das, was man durch sie erreichen wollte, wurde nicht erreicht.
Die Periode vom Anfang der punischen Kriege bis zum Auftreten des Marius ist vielmehr durch ihre Ausnahmezustände in Permanenz charakteristisch. Man hatte im Heerwesen fortwährend experimentiert ; man konnte sich nicht entschliefsen , das Überlieferte aufzugeben, und scheute vor dem Betreten des neuen Weges zurück, den die ungeheure Ausbreides Reiches, das Zurückgehen des besitzenden Mittelstandes,
tung
die Verweichlichung der ersten Stände sowie das Anwachsen des Proletariats vorzeichneten . Alle Mafsregeln jener Zeit tragen den Stempel der Halbheit, und die Frage, was wird aus Rom, wenn der Mann geboren ist, der es versteht, aus dem Proletariat ein Heer zu schaffen, hatte an 2 Jahrhunderte die patriotischen Gemüter beschäfMan sah längst ein , dafs es kein einheitliches Heer mehr gab ,
tigt.
und dafs die Kriegszucht der Heere die Schande Roms besiegelt hatte. Mit jedem fähigen Führer, den die Gunst der politischen Parteien an die Spitze eines Heeres brachte, erlitt sein moralischer
293
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
Wert Einbufse ; es gab nur noch persönliche Heere . Die die Parteien und Klassen tief aufrüttelnde Gracchenzeit war da gewesen und die Getreideverteilungen an die arbeitsscheuen Menschenmassen, welche in und um Rom lagerten, hatten von Tag zu Tag das Proletariat vermehrt . Panis et circenses ! Die Heere, die an den Grenzen des weiten Gebietes fochten, thaten was sie wollten , und Schwächen , Fehler und Verbrechen des Feldherrn der einen Partei wurden allein dazu benutzt ,
den Feldherrn der
anderen
an seine Stelle
zu
schieben .
Lange schon hatte der Pöbel dabei die entscheidende Rolle gespielt, denn diese drohende Masse war von Demokraten wie Aristokraten gleich sehr umworben .
Er hatte ja auch schon mitgefochten und war
mit gefüllten Taschen heimgekehrt.
Die neu erworbenen Länder
waren nach und nach zum Kriegsdienst heranzogen worden, aber Einheit in der Organisation bestand nicht und noch weniger Einheit in der Kriegszucht . Nun war der Mann da, welcher mit einem Schlage änderte ; aber gebessert hat er nicht.
Er besafs wohl die Energie, vorübergehend
Zucht und Disziplin einzuführen, aber ob er überhaupt die Fähigkeit hatte, die Gröfse
der Aufgabe
zu übersehen,
mufs sehr bezweifelt
werden. Das konnte nur einem Genie möglich sein, welches über den Parteien stand, aber nicht einem kurzsichtigen Parteihaupt gelingen .
Selbst ein Proletarier, trug er die guten und schlechten Sol-
dateneigenschaften dieser Klasse in sich, und an der Spitze des Proletariats war er nicht dem Gesetze, aber dem Wesen nach, der erste Imperator von Rom. geebnet.
Die Gracchen hatten ihm politisch den Weg
Die Kriegszucht der Periode , in die wir nun treten, erfordert zum Verständnis eigentlich eine eingehende Charakteristik der Feldherren . Denn was bis zur Unterwerfung Italiens das Gesetz war, vertrat nun die Person . Indessen aus Raumrücksichten müssen wir uns dabei auf das allernotwendigste beschränken .
Auch können wir nur
die Feldherren betrachten, die einen tieferen Einfluss auf die römische Kriegszucht ausgeübt haben. Die beiden bedeutendsten dieser Klasse sind Marius und Sulla ; der erstere in Bezug auf die Heeresumgestaltung , der letztere in Bezug auf seine Kriegszüge mit grofsen taktischen Entscheidungen . Beide Persönlichkeiten waren Repräsentanten der extremen politischen Parteien,
der
Demokraten
und Aristokraten ,
und hieraus
konnte nichts anderes als Rivalität, Zwist und Bürgerkrieg und damit Teilung des Heeres in offene feindliche Lager jener politischen Parteien hervorgehen . Indessen hat Marius in sofern eine gewisse sitt-
294
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
lichere Bedeutung, als er die Basis des Heerwesens auf gesetzlichem Wege änderte ,
und mit diesem von Grund aus veränderten System
Erfolge erzielte (Aquä Sextiä
und Vercellä), die , im Grunde genom-
men, die dankbaren Römer, trotz seiner späteren Fehlgriffe und Verbrechen, nie vergassen . Marius war der Exerziermeister, Virtuose in Kleinigkeiten,
Sulla der Feldherr,
ersterer
letzterer strebte politisch wie militärisch
nach grofsen Zielen. Aber ein Mann wie Marius mufste ihm vorangegangen sein ; ohne ihn hätte er seinen Beruf nicht erfüllen können. Das Heerwesen war krank, die taktische Ausbildung stand nicht auf der Höhe der Zeit, Bezahlung und Bekleidung der Soldaten waren verbesserungsbedürftig und die Kriegszucht war vollständig erschlafft. Änderung war geboten und Marius brachte sie mit der Rücksichtslosigkeit der römischen Bauernnatur. Ein Hüne von Gestalt, war er von Jugend auf an alle jene Strapazen gewöhnt, die er später von seinen Soldaten forderte . Zunächst hob er den Vermögensnachweis zum Dienen auf und führte an Stelle des gesetzlich bis hierher bestandenen Bürgerheeres ein Söldnerheer ein, in welchem freiwilligen Anmeldungen ein Hauptplatz eingeräumt wurde.
Mit dieser Ersatzänderung ging die in den
Legionen überlieferte Ordnung nach Vermögen , Dienstalter und Dienstqualifikation ein , und damit war das gesamte römische Heerwesen von den gesetzlichen Überlieferungen getrennt, dem Staate entrissen und der Person des Feldherrn unterstellt. Waren die besitzenden Bürger von der Wehrpflicht nicht ausgeschlossen , so lag es doch in der Natur der Dinge , dafs sich das angewachsene Proletariat schaarenweise zum Kriegsdienste stellte , der seit dem zweiten punischen und dritten macedonischen Kriege eine verlockende Erwerbsquelle geworden war, in welchem jeder Proletarier das römische Bürgerrecht erlangen konnte, wobei er noch bei seiner Heimkehr vom Feldherrn mit Land und Gut beschenkt wurde.
Ferner stellten sich eben so willig
alle
die unterworfenen Völker, welche Geschmack am Kriegsdienst hatten, so Iberen, Celten, Ligurier, Balearen , Thracier, Numidier, Bithynier. Das aristokratische Prinzip, das bisher der Grundzug des römischen Heerwesens gewesen, war dahin, Bürger uud Soldat nicht mehr dasMan hatte gesetzlich einen eigenen Soldatenstand geschaffen, der, wie wir gesehen, zwar schon über ein Jahrhundert in der Bildung begriffen war, und damit war es mit der römischen Verfassung aus ; selbe .
es gab kein nationales Heer mehr, sondern eine Söldnerschaar, die alles was sie erhoffte und erstrebte auf die Person des Feldherrn stellte.
295
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. Dabei kam die absolute
militärische Gleichstellung innerhalb
der Legion hauptsächlich den niederen Klassen zu Gute .
Wer über-
haupt brauchbar befunden wurde, dem wies der Offizier seine Stelle an. Ferner fiel die verschiedene Bewaffnung innerhalb der Legion fort und ein neues Exerzierreglement regelte die Ausbildung der Soldaten in einheitlicherem Geiste als bisher. Schon früher hatte man dem Einzelkampf mehr Aufmerksamkeit geschenkt,
aber der
erste und gründliche Reformator ist auch hier
Marius, und in dieser Beziehung ist er sowohl für Sulla's wie für Cäsar's Erfolge von Bedeutung. Ferner verschwanden, was von nicht minder hohem moralischen Einfluss war, die 4 bisherigen Feldzeichen der Legion, der Wolf, der mannköpfige Stier, das Rofs und der Eber, und alle Legionen erhielten neben den Fähnlein der Kohorten als allgemeines Kampfzeichen den silbernen Adler. Die
einzige bevorzugte Heeresabteilung, welche bestehen blieb ,
oder deren frühere schwache Anfänge von nun ab im römischen Heerwesen feste Gestalt und höhere Bedeutung gewinnen , ist die Leibwache des Feldherrn . Diese Truppe ist für die römische Kriegszucht eher eine Schmach als eine Ehre. Ging sie doch nicht aus der Absicht hervor,
zur Erhöhung
des Feldherrnansehens beizutragen,
sondern
sie war eine Folge der Notwendigkeit und eine Notwehr des Feldherrn gegen die eigene untergebene Soldateska. Scipio Ämilianus war es, der
zum
Schutze seiner Person
eine Leibwache von 500
Köpfen aus Freiwilligen seines Heeres bildete , als seine Legionen im numantinischen Kriege in Unbotmässigkeit und Verwilderung verfallen waren.
Jene Leibwache erhält seit Marius höhere Löhnung, ist von
Schanzarbeiten befreit und wird aus den tüchtigsten und zuverlässigsten Soldaten ergänzt.
Hier verdient auch noch die sofortige Ver-
schanzung des Lagers aufgezählt zu werden, die zwar schon seit der Unterwerfung Italiens Kriegsgesetz war , aber niemals so rücksichtslos und konsequent durchgeführt wurde wie von Marius, Sulla und Cäsar.
Zufolge der von uns aufgeführten „ Kriegsartikel " hatte der Feldherr das Recht, besondere Auszeichnungen mit beweglicher Beute zu belohnen. Dieses Recht war bis zu Scipio Africanus dem Älteren mit grofser Zurückhaltung und Vorsicht geübt worden ; es war ja auch nicht nötig, davon Gebrauch zu machen , denn jene römischen Aber von nun ab war das " Recht " Soldaten hatten selbst Besitz . zur Willkür geworden, und wie die Gracchen Länder und Getreideverteilungen
einführten ,
so
wurde
es
Feldherrn brauch ,
nach
296
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
jedem Kriege Beuteverteilungen unter den Soldaten
vorzunehmen .
Der Kriegsdienst lief dadurch mit der Zeit in eine Spekulation auf Besitzerwerb hinaus , und die Kriegszucht kennzeichnete sich im dritten macedonischen Kriege bereits als ein systematisch betriebenes Raubwesen. Nun trat ein anderer Umstand hinzu . Der Soldat war vom Vaterlande gelöst, seine Heimat das Lager, seine Hoffnung der Feldherr. Den entlassenen Proletarier nahm weder Invaliden- noch Armenhaus auf.
Ganz natürlich, dafs er des Soldes und der Beute
halber solange diente als irgend möglich und erst ausschied , wenn er sich durch die Dienstzeit die Mittel zu einer bürgerlichen Existenz erworben hatte ! Die Macht des Feldherrn war durch die persönlichen Heere des Marius absolut geworden, und dieselben Legionen, die gegen äuſsere Feinde in den Kampf geführt wurden , folgten ihm auch gegen Staat und Vaterland ,
wenn der Feldherr der Mann war ,
lichen Hoffnungen zu befriedigen .
Der Kriegsdienst
Staatspflicht mehr, sondern ein Handwerk. herr mit den dieser Periode
entlassenen Soldaten das
Veteranensystem
zum
Nun wollte es kein Feld-
verderben ,
so fälschlich als
ihre persönwar ja keine
und
daher tritt in
etwas Gutes
ersten Male mit
gepriesene
ganzer Macht auf und
wird in der Folge einer der Hauptgründe, der die römische Kriegszucht vollends zu Grabe trägt . Solange Roms Heere aus römischen Bürgern bestanden , sprach man nicht von Veteranen, mit denen nun gefährliche Propaganda getrieben wurde.
Der Bürgerstolz hätte sich
dagegen empört. Pensions- und Invalidengesetze bestanden nicht , wer durch Krankheit oder Verstümmelung dienstunbrauchbar geworden, schied aus und fiel weder der Gemeinde noch dem Staate zur Last . Jetzt aber überschwemmten sie Italien, und die hartnäckigen Kriege gegen Mithridates sind es, welche die Veteranen zu einer neuen Macht anwachsen lassen. Rom war der Sitz des Reiches , und wer den römischen Pöbel beherrschte , der beherrschte das Reich. Kein Feldherr ist seit Marius ohne Parteifarbe und so schickte jeder seine Veteranen in das Weichbild der ewigen Stadt , zur Hand zu haben .
um sie in der Not
Wer aus den asiatischen und spanischen Kriegen
heimkehrte , trug eine Anweisung auf Ackerland in der Tasche und brachte aufserdem genügend bewegliche Beute mit. So kamen die Staatsdomänen
nach
und nach in den Besitz
der Pro-
letariats-Veteranen, und dafs die Äcker nicht zu weit von Rom selbst ab lagen, dafür sorgten Marius, Sulla, Lucullus und Sertorius, neben den Feldherrn zugleich die mächtigsten politischen Parteihäupter. Die Veteranen -Ansiedlungen sind erst durch Marius
zu einem
297
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. förmlichen Gebrauch mit Gesetzeskraft geworden.
Diese Thatsache
darf bei der Beurteilung der römischen Kriegszucht nicht
aufser
Augen gelassen werden , derenthalben dieser rohe Demokratensoldat in den Himmel erhoben worden ist. Es ist wahr , dafs er die Kriegszucht mit altrömischer Strenge übte und seine Verdienste sollen in dieser Beziehung nicht geschmälert
werden ;
auch
beugte
er die
widerstrebenden
wohlhabenden
Klassen unter seine eiserne Faust und schmolz alles , gleichgültig ob reich oder arm, vornehm oder gering, zusammen .
Aber daneben trug
er die Eigenschaften des bäuerischen Emporkömmlings sein Leben lang mit sich und in roher Anmafsung kam es ihm nicht darauf an , einer ganzen Legion auf dem Schlachtfelde das Bürgerrecht zu verleihen und den römischen Senat ob seiner Einsprüche zu verhöhnen . So selbstbewufst fühlten sich die Feldherren auf Grund der Marius'schen Reformen, und wenn es das Geschick wünschte ,
dafs Heer , Gesetz
und Verfassung zusammenstiefsen , dann erhielten Senat und Vaterland von dem General Befehle , der der mächtigste war. Indessen eins respektierte Marius doch , und dadurch sticht die Bauernnatur gegen Lucullus und Pompejus vorteilhaft ab. Er bereicherte sich nicht
auf Kosten
der Gegner
wie jene
lich hatte er auch nicht in dem Mafse
und starb
arm.
Frei-
dazu Gelegenheit wie sie.
Kaum waren diese durchgreifenden Veränderungen
eingetreten ,
da
stand Rom vor einer langdauernden schweren Insurrektion , die man den Kampf der Italiker und der Unzufriedenen gegen die besitzende Aristokratie nennen kann , und in welcher jenes Bergvolk , das sich der Unterwerfung unter Roms Machtgebot vor 200 Jahren so lange widersetzt hatte ,
die Seele
des Widerstandes
bildete .
Hier traten
die römischen Heere zum ersten Male im offenen Felde ihren eigenen Sklaven gegenüber , denn
unter dem Befehle Silo's standen neben
30 000 Marsern, Samniten , Sabellern 20 000 Sklaven, und diese Insurrektion war es, wo auf beiden Seiten der seit Jahrhunderten angehäufte Klassenhafs zum blutigen Durchbruch kam, und wo die Disziplin und Kriegszucht hüben und drüben den Weg der Frevelthaten wanderte .
Hier in diesem grofsen
aufständischen Gebiet , wo eine
einheitliche Kriegführung wegen seiner Zerrissenheit nicht
möglich
und alles erlaubt war, was nicht gesehen wurde, standen die Insurgenten den Legionen um nichts an taktischer Gewandtheit und Ausdauer nach, und auch hier siegte nicht überlegene Führung und bessere
Schulung ,
sondern die Konsequenz ,
Energie des Senats.
Rücksichtslosigkeit
und
Aber der Sieg war teuer , sehr teuer erkauft.
Man kann sagen , dafs die römischen Bürger zum letzten Male für 20 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
298
ihr Hab und Gut eintraten , und dafs ihre Kriegszucht in diesem letzten Ringen nicht besser war als die der Gegner. Völlige Verwilderung rifs um sich und die Gräuelthaten dieser Periode liefsen schon erkennen ,
was
in noch schwereren Zeiten
eintreten würde .
Rom hatte alles aufgeboten, um die Insurrektion niederzuschmettern und damit waren die bedenklichsten Elemente in die Legionen gelangt.
Die politische Propaganda, welche sie in den Oberbefehl wie
in die Gemeinen trugen ,
zernagten die Kriegszucht vollends ;
noch
eine kurze Spanne und der erste thätliche Angriff der eigenen Soldaten erfolgte Feldherrn .
auf die geheiligte Person des Konsuls und
eigenen
Unter den Mauern von Pompeji erschlugen die Legionäre
A. P. Albinus mit Knitteln und Steinen , nur ein Zufall rettete den. Konsul Cato vor gleichem Geschick. Und was that der Oberkommandierende (Sulla) ? Er ermahnte die Soldaten, durch tapferes Verhalten vor dem Feinde diesen Vorfall auszuwischen ! Kaum war die Insurrektion gedämpft , dem hafserfüllten Mithridates aus,
da brach der Krieg mit
nach Hannibal Roms hartnäckig-
ster Gegner , und in schweren Kriegsjahren (89-63 ) fanden Sulla, Lucullus und Pompejus Gelegenheit, sich zweifelhaften Feldherrnruhm zu erwerben, aber durch desto schändlichere Grausamkeiten, Erpressungen und Plünderungen die römische Kriegszucht zu beschmutzen . Dafs von Seiten des Gegners zuerst Grausamkeiten begangen wurden , ist keine Entschuldigung für die Römer.
Indessen Sulla sollte, bevor
er nach Kleinasien abging, den gröfsten Verstofs gegen die römische Kriegszucht vollführen, den sich bisher ein Feldherr hatte zu Schulden kommen lassen. Ihm war die Führung des Krieges gegen Mithridates übertragen; kaum hatte er Rom verlassen, da übertrugen ihn die Demokraten an seinen
politischen Gegner Marius.
Sulla
empfing im Lager von Nola die beiden Volkstribunen , welche ihm den Beschlufs des Volkes zu überbringen hatten. Aber das Volk war in seinen Augen ein Pöbelhaufen und an der Spitze von sechs Legionen mit 35 000 Mann überbrachte er dem Volke seine Antwort. Sie war blutig .
Schleunigst brach er gegen Rom auf und hier be-
geht der Führer der Aristokraten dasselbe Verbrechen , Spanne später J. Cäsar ins Werk setzte.
das
eine 1
Seine Legionen waren im Marius'schen Geiste geschult ; sie standen den politischen Dingen vollständig gleichgültig gegenüber. Sulla redete sie an, wie später Cäsar ; in den Motiven !
war Egoismus in rohester Gestalt , „ Folgt ihr mir ,
doch welch ein Unterschied
Kein Ehrprinzip trieb ihn bei diesen Worten ; den
es
er den Soldaten predigte .
so bleibt Euch die Führung des Krieges in Asien,
299
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. folgt ihr Das zog.
Marius ,
so
bringt
er
dafür
andere
Truppen
mit. "
Von den höheren Offizieren blieb ihm nur einer getreu, die anderen traten zurück .
Die Legionäre
doch auf reiche Beute in der Stadt ,
folgten
ihm
und das
alle ;
hofften sie
war ja ihr einziges
Ziel. Ohne Zögern überschritt der Feldherr die Grenze der Hauptstadt , trieb die Marianer zu Paaren und liefs alles niedermachen, Die Wachtfeuer was der Gegenpartei angehörte. Marius entkam . der Legionen brannten auf dem Marktplatz der Hauptstadt ; das Gesetz , gegen welches die römische Kriegszucht bisher noch nicht gefehlt hatte , "" dafs kein Kampf innerhalb der Stadtmauern der Hauptstadt geführt werden durfte " , war wie die übrigen mit Füssen getreten worden ! Von Rom wandte sich Sulla nach Asien , und als er der Stadt den Rücken gekehrt, erschien sein Nebenbuhler an der Spitze eines von Cinna zusammengerafften Heeres. Unter den Mauern Roms machte er Halt.
Sendlinge gingen
Auftrage des Feldherrn gewährt.
in die Stadt ,
und
erbaten im
die Erlaubnis zum Einrücken.
Sie wurde
Doch dieses Spiel war beim Bauerngeneral keine Achtung
und Ehrfurcht vor dem Gesetze ; nicht die Kriegszucht hatte es ihm diktiert , nein , es war eine kleinliche Parodie auf das „ gesetzlose " Einrücken Sullas und vom Standpunkt der Kriegszucht aus ohne allen Wert.
In der Stadt folgte Marius dem Beispiele Sullas.
Die
Anhänger des Gegners wurden mit Acht und Mord verfolgt und als Sulla nach drei glücklichen Kriegsjahren gegen Mithridates heimkehrte , vernichtete er unter den Thoren Roms die Legionen des Marius . In der Stadt selbst hub darauf das entsetzlichste Gemetzel an, welches die Weltgeschichte kennt.
Das Heer Sullas übertraf an Schändlich-
keiten das seines Gegners, die Kriegszucht der Truppen war in rohes Morden, Plündern und Bereichern übergegangen . Sulla hatte eine cäsarische Ader in sich, aber er verstand es , seinen Ehrgeiz zu zügeln und betrachtete sich allein als das Haupt und den Exekutor der berechtigten Wünsche der Aristokratie. zog er sich ins Privatleben
Als er diese befriedigt,
zurück ; der Bürgerkrieg
spielte
sich
jedoch im fernen Spanien fort und auch hier zerrifs er die letzten Bande der Kriegszucht.
Sulla hatte absolut keine Achtung vor dem
Menschenleben ; er war blasiert , geistreich , witzig , und in betreff seiner Sitten ein echtes Kind der verweichlichten und verkommenen römischen Aristokratie jener Tage.
Er zerstörte Athen und aus den
brennenden Trümmern rettete er die Werke des Sophokles , die er mit Vorliebe las . Er dichtete und feierte die Künste und hätte ein 20 *
300
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
römischer Alcibiades werden können , wäre das Vaterland nicht von beiden Seiten in einen giftspeienden Krater verwandelt gewesen . Sulla war einer der begabtesten Männer Roms.
Die Entschlossen-
heit und Kühnheit seiner Kriegszüge und die Schnelligkeit und Rücksichtslosigkeit, mit der er sie ausführte, machen ihn zu einem grofsen Feldherrn .
Aber niemals sank die Kriegszucht der römischen Le-
gionen zu so niedrigem Banditenwesen herab wie unter ihm , und niemals ist jener Geist wieder allgemein aus dem Heere gewichen auch unter J. Cäsar nicht - und trotz ihm nicht ! Der Feldherr kannte überhaupt kein Gesetz , und das was er vertrat.
keine Kriegszucht als seine Person
Schlug der Soldat den Feind, gehorchte er
ihm , dann forderte er nichts weiter,
und die Zügellosigkeit , Maſs-
losigkeit und Grausamkeit seiner Natur ging auf seine Legionäre über. Wenn er selbst vor dieser Soldateska sicher blieb , so verdankte er es der fortwährenden Beuteverteilung und der Leibwache, die nie von ihm wich. Niemals hat sich in und um Rom so viel Kriegsproletariat angesammelt , wie zu seiner Zeit, und nur durch Beute und Geld hielt er die Legionen im Zaume. Hier verdient ferner hervorgehoben zu werden, dafs seit ihm eine permanente Besatzung in Rom blieb , und über den Haufen geworfen .
damit war ein
Das Heer hatte sich in diesem
weiteres Kriegsgesetz
schrecklichen Bürgerkriege in
die Rolle gemeiner Rächer gefunden, und beide Antagonisten, Marius und Sulla , benutzten es zur Vollstreckung ihrer Rachepläne . Man kann sich denn auch nicht wundern, dafs ein ganzes Heer wider den Willen seines Feldherrn (Scipio) zu Sulla übergeht, sobald es sieht, dafs seine Sache verloren ist. Man kann nicht staunen , dafs die eigenen Truppen
im Laufe weniger Jahre sechs kommandierende Generale erschlugen (Albinus , Cato, Rufus , Flaccus, Cinna und Carbo). War Sulla doch selbst mit diesem Beispiel vorangegangen und hatte er, ohne jede gerichtliche Untersuchung, die von ihm gefangenen gegnerischen Generale Damasippus, Carrinas , selbst den schwerverwundeten Pontius, von seinen Legionären in Fetzen zerreifsen lassen . Hätte ihn dabei nicht die Idee geleitet, durch rücksichtslose Hinschlachtung aller mächtigen gegnerischen Elemente Heer und Offiziere unter die bürgerliche (gesetzliche) Gewalt zurück zu bringen , so würde er als eins der grausamsten Scheusale dastehen, die die Geschichte kennt. So kann man ihm wenigstens nicht die Absicht absprechen , den römischen Staat wieder auf den überlieferten Grundlagen aufrichten zu wollen, in ihm das Heerwesen an die richtige Stelle zu bringen und die Kriegszucht der Legionen wieder unter die Staatsgesetze zu
301
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. beugen.
Doch gerade für die letzte Aufgabe war er am wenigsten
geeignet. Sulla's Legionen haben ungleich mehr Schändlichkeiten verübt als die des Marius, und er war es , der zuerst am schwersten gegen die „ Kriegsartikel "
verstiefs ;
aber
zieht
man
zwischen ihm
und
Marius einen Vergleich , dann war er insofern der bessere , aufser sich eine höhere Gewalt anerkannte und ihr zu
als er dienen
glaubte ,
Mittel ,
nämlich
der
aristokratischen
Verfassung.
Die
welche er dazu wählte, Ausrottung der Gegner um jeden Preis , sind entsetzlich; aber in dieser schwierigen und verwickelten Lage schlossen sie die Möglichkeit einer Besserung nicht aus . Betracht ziehen , dafs Aufgabe verzweifelte .
Dazu muss man in
der Feldherr schliefslich an seiner eigenen Fand er doch unter seinen untergebenen
Generalen, und gerade unter seinen Günstlingen, lebhafte Opposition . So weigerte
sich Pompejus nach der Beendigung des sizilianischen
und afrikanischen Krieges ,
seine Truppen zu entlassen ,
Sulla hier nicht
dann
eingriff,
und wenn
mufs die Rücksicht lediglich den
verwandtschaftlichen
Banden
Pompejus fesselten .
Anders verfuhr er mit Ofella .
zugeschrieben
werden ,
die
ihn
an
Dieser forderte
das Konsulat, ohne gesetzlich dazu berechtigt zu sein, und als er in seiner Opposition verharrte , liefs Sulla ihn auf öffentlichem Marktplatz niederstofsen . Es war eine Zeit , wo kein General einen höheren über sich haben wollte, darin standen die Aristokraten den Demokraten um nichts nach . Die Herrschsucht der Parteien hatte sich auf die Feldherren übertragen .
Mafslose Ehrsucht und unbe-
rechtigter Ehrgeiz hatten die ehemals stolze und reine Bürgertugend verwischt,
da jeder die Ehre
und
das Gesetz der Ordnung darin
erblickte, nicht über die Amtsgenossen hervorragen zu wollen. Diese Generale kannten keine Person und kein Gesetz über sich. An der Spitze ihrer Legionen schoben sie sich selbst an seine Stelle . Zu verwundern ist es nicht ; hatte man doch einen 50jährigen permanenten Bürgerkrieg durchgemacht, wodurch in Staat, Verfassung, Gemeinde und Heerwesen Anarchie eingetreten war . Das zeigt sich am besten, wenn man einen Blick in die Provinzen wirft. die römischen Waffen zwar immer siegreich . und die Ufer der Donau wurden erreicht.
Nach aufsen waren
Die Nordküste Spaniens Spanien ist es dann, wo
der begabte und ehrgeizige Sertorius dem Dolche seiner Untergebenen erliegt.
Dieser ,
obwohl Marianer ,
hatte
dem von Marius in Rom
angesetzten Gemetzel dadurch ein Ende gemacht, dafs er die letzten 4000 Marianer unter dem Vorwande der Soldzahlung zusammenberief, sie umzingeln und niedermachen liefs .
Später erhielt er die Führung
302
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik.
des Krieges in Spanien . und errichtete
eine
Doch auch er handelte auf eigene Faust
eigene demokratische
Partei und Verwaltung . Sertorius hatte wie Hannibal nur ein Auge , und wie dieser das Talent , fremde Völker an sich zu ziehen und aus ihnen ein kleines aber vortreffliches Heer zu organisieren , mit welchem er , von den ungünstigsten strategischen Verhältnissen ausgehend , den Aufstand organisierte, in den bald der gröfste Teil Spaniens verwickelt wurde. Metellus, Calvinus, Manlius und Pompejus hatten Mühe, ihn niederzuwerfen. Sertorius konnte der Nemesis nicht entgehen . Durch den Krieg den Krieg und mit ihm die Opposition gegen die römischen Machthaber organisierend , mufste er gewärtig sein , daſs, wer sich selbst auflehnt , auch Empörung gegen sich grofs zieht. Und so kam es . Sein Heer bestand zum Teil aus übergelaufenen römischen Legionären (ungefähr 3000 Mann) und die höheren Offizierstellen waren durchweg mit Altrömern besetzt. Sein ritterliches Wesen hatte ihm die Herzen der Iberer gewonnen , und er gehört zu den wenigen Feldherren der römischen Geschichte ,
unter dem keine Grausam-
keiten begangen worden sind . Er war zugleich Staatsmann, der während des Krieges schon an seine Folgen im Frieden dachte . Statt in Bürgerquartiere legte
er seine Truppen in Baracken und schlug selbst sein Zelt dort auf ; er bestrafte jeden Frevel am Gegner mit rücksichtsloser Strenge, und die Kriegszucht seiner Truppen
soweit sie nach äufseren Anhaltspunkten beurteilt werden darf die der besseren Zeit der römischen Republik
kann dicht neben gestellt werden.
Sertorius hatte eine Macht von ungefähr 130 000 Mann gegen sich ,
und trotzdem
ihm
nur ein Drittel dieser Stärke zu Gebote
stand , behauptete er sich in langen erfolgreichen Treffen. Nachdem seine Gegner der Reihe nach geschlagen , wagte kein Konsul des Jahres den Oberbefehl gegen ihn zu übernehmen und in dieser Lage that der Senat einen höchst gefährlichen Schritt. Er sandte den geheimen aber erkannten Gegner seiner (der sullanischen) Verfassung, Pompejus, nach Spanien, und es unterlag keinem Zweifel, dafs dieser, sobald Sertorius verdrängt war, sein offener Gegner wurde . Aber auch das Talent des Sertorius mufste wie einst das Hannibal's gegen die römische Konsequenz auf die Dauer unterliegen. Mit der Abnahme seiner Hülfsquellen , mit dem Ausbleiben des Ersatzes - nach Verlust seines Heeres griff Mifsstimmung unter seinen Truppen um sich , deren Hauptträger die altrömischen Offiziere waren . Sie rechneten , sobald sie ihre eigene Sache zu Gunsten des Gegners
dahingehen
sahen ,
auf Belohnung
303
Die römische Kriegszucht bis zum Ende der Republik. ihrer Verbrechen beim Gegner.
Bei einem Mahle wurde der Feld-
herr von seinen Offizieren meuchlings ermordet .
Nach seinem Tode
zeigte sich, wie trotz des Unglücks des letzten Jahres, die Truppen noch am Feldherrn festhielten . Perpenna, sein Hauptgünstling, war der Anstifter des Komplotts gewesen, ihn
geliebt ,
dafs
gesetzt hatte .
und so
sehr hatte Sertorius
er ihn in seinem Testament als Haupterben ein-
Die Truppen, welche von dem Gange der Ereignisse
Kenntnis erhalten , murrten , und als Perpenna den Oberbefehl übernahm ,
hatte
er nur noch elende
Truppen waren
davongelaufen .
Insurgentenhaufen .
Mit jenen trat
Die besten
er Pompejus ent-
gegen, wie Staub fegte dieser aber die Schwärme weg. Pompejus Gesinnung.
war ein schwacher Feldherr ,
aber von ehrenwerter
Perpenna überreichte ihm die hinterlassene Korrespon-
denz seines Oberfeldherrn, in der Hoffnung auf reichen Lohn .
Diese
war für viele Zeitgenossen in Rom gefährlich, doch Pompejus warf sie ungelesen ins Feuer und überlieferte Perpenna dem Henker. Kein besseres Bild boten die Römer in Klein-Asien .
Beide
römischen Feldherren Lucullus und Pompejus thaten an der Spitze ihrer Heere was sie wollten. dafs
sie nicht einmal die
nehmen brauchten.
Der Krieg selbst gab so reiche Beute , römische Staatskasse in Anspruch zu
Beide kehrten reich heim, und ersterer verteilte
372 Millionen , letzterer 87 Millionen Mark an seine Soldaten ; dabei erhielten die heimkehrenden Feldherren Triumphzüge gleich dem des Scipio Africanus (dem Älteren) und die Veteranen Domänenländer ! In einem Punkte unterschieden sich Lucullus und Pompejus. Lucullus
vergalt jede feindliche Grausamkeit mit gleicher Münze ;
Pompejus trat den Gefangenen durchweg menschlich gegenüber, und das verdient in der Periode der Grausamkeit besondere Hervorhebung.
Wie sich in und um Rom ein Proletariat auf dem Lande
entwickelte, so hatte sich unter den vielen Verstöfsen, deren sich die römische Rechtspflege und Kriegszucht in den Ländern des Mittelmeeres schuldig gemacht, ein Proletariat auf dem Meere herangebildet, welches so mächtig wurde , dafs dagegen ein Seekrieg geführt werden musste. Ein anderer Feldherr würde mit den Piraten kurzen Prozefs gemacht haben.
Doch Pompejus , wohl einsehend , dafs die
Piraterie eine Antwort auf den eigenen Volksverfall war, behandelte sie human, indem er sie als Sklaven in die Kolonien schickte . Wie hier
zur
See ,
so
hatte
er auch im
Landkriege
Gefangenen nicht mehr als Sklaven verhandelt ,
die gemachten
sondern
sie
zur
Kolonisierung des eroberten Gebietes verwertet. Alle Gesetzlosigkeiten , Eigenmächtigkeiten und Willkürlichkeiten
Zur Infanterietaktik .
304
der Feldherren waren die Folge der Marius'schen Reformen. Marius hatte aus dem „ Bürgerheere " eine Söldnerschaar gemacht , und als diese radikale Veränderung in Heer- und Volkswesen vor sich gegangen war , da standen alle den Verhältnissen Thür und Thor offen, die eingetreten sind, sobald die Feldherren da waren, die sich Es war eine Zeit tiefer Schmach und
Herren der Kohorte fühlten .
Verfalls , eine Zeit der Schande für die römische Kriegszucht . (Schlufs folgt.)
XXIV .
Zur Infanterietaktik.
Die wichtigen ,
die Taktik der Infanterie betreffenden Fragen,
welche seit den letzten Kriegen in Flufs kamen , Versuche zu ihrer Lösung hervorgerufen .
haben zahlreiche
Übereinstimmend wird darin anerkannt die Notwendigkeit möglichster Verwertung unserer weittragenden Hinterlade- Präzisionsgewehre, nicht minder aber auch das Gebot , der Wirkung der gegnerischen , gewifs
ebenbürtigen Waffe gebührend Rechnung
zu tragen .
und wie dies im grofsen Ganzen zu bethätigen ist ,
Wann
darüber besteht
kein Zweifel, das Detail der Durchführung aber steht noch nicht fest. Hierfür einen Beitrag zu liefern
durch Vorführung mancher ,
nicht allenthalben genügend beachteter Thatsachen , nachstehender Zeilen .
noch
ist der Zweck
1. Beilage H. der Schiefsinstruktion setzt die Grenzen fest, bis zu welchen gegen mannsbreite Ziele von jedem einzelnen Schusse noch ein Treffer erwartet werden kann . Wenn daher jenseits dieser Grenzen Ziele beschossen werden sollen, welche aus in Zwischenräumen nebeneinander befindlichen Figuren bestehen, z. B. lockere Schützenlinien, so mufs zur sicheren Erreichung
einer Treffwirkung
eine gröfsere
Zahl von Gewehren auf diese Ziele gerichtet werden. Von den Geschossen , welche die Figuren bezw . Schützen nicht
Zur Infanterietaktik .
treffen ,
305
geht ein Teil zu kurz oder zu hoch ,
denselben durch .
ein anderer zwischen
Erstere sind Folge falscher Visierstellung , unrich-
tigen Abkommens, und jedenfalls tragen mehr oder minder die Schuld daran die Schiefsenden ; bei letzteren
dagegen trifft ,
da
sie
mit
richtiger Elevation abgegangen sind , die Schiefsenden keine Schuld. Die Zahl der durch die Lücken gehenden Geschosse ist in keiner Weise zu bemessen und deshalb sind auch die Resultate oft sehr überraschend .
Bei zwei an verschiedenen Orten gegen lockere
Schützenlinien unter ganz gleichen Verhältnissen (Ziel : 60 Figurenscheiben mit 40 cm Zwischenraum ; Schützenzahl : 40 Mann knieend ; 400 Schufs ;
Entfernung 600 m ; Visiere 550/650 ; Salven) abgehal-
tenen Belehrungsschiefsen wurden folgende Resultate erzielt : I. Abteilung hatte 72 Rundtreffer, 12 Querschläge , 32 Figuren , II. Abteilung hatte 46 Rundtreffer, 11 Querschläge, 38 Figuren . Bei einem Prüfungsschiefsen gegen lockere Schützenlinien hatten von zwei gleich starken Abteilungen in der nämlichen Zeit ( 1 Minute) erschossen : III. Abteilung : mit 457 Schufs 79 Rundtreffer, d. h. 17 Prozent Rundtreffer 1727 Schufs
und
24
Prozent
186 Rundtreffer ,
Figurentreffer ; d.
h.
11
IV.
Prozent
Abteilung :
mit
Rundtreffer und
68 Prozent Figurentreffer. Gewöhnlich werden als günstigste Resultate diejenigen betrachtet, welche die meisten Figurentreffer aufweisen. Trotz der geringeren Anzahl von Rundtreffern ist diesem
nach
das Resultat von II. besser als von I. , und trotz der geringeren Prozentzahl von Rundtreffern von III.
auch
das Resultat von IV. besser als jenes
Bei III. ist noch zu bemerken , dafs diese Abteilung wahrscheinlich 3 Minuten Zeit gebraucht hätte ,
um die gleiche Anzahl Feinde
aufser Gefecht zu setzen wie Abteilung IV. Das günstige Resultat von Abteilung IV. fällt entschieden mit auf Rechnung der gröfseren Schufszahl , welches Mittel , Bereich des
einzelnen Schusses
verlassen ist ,
sobald der
wesentlich mit den
Erfolg sichern hilft. Es dürfte von Interesse sein , sich ein Bild zu machen von der Art und Weise, in welcher die Schützen im Gefechte von Geschossen umschwirrt werden. Um dies darzustellen empfiehlt es sich , entweder die Figuren auf Sektionsscheiben zu kleben oder erst nach dem Beschufs der Sektionsscheiben die ausgeschnittenen Figurenscheiben auf selbe legen zu lassen.
Zur Infanterietaktik.
306
Man wird vielleicht einwenden ,
das Zielen und Abkommen sei
leichter gegen Sektionsscheiben als gegen Figuren ;
wenn man aber
erwägt, daſs der Gegner meist in Pulverdampf gehüllt ist, was durch Gewehrschläge darzustellen versucht wird, so erscheint die Sektionsscheibe als ein ebenso zweckmässiges wie wohlfeiles Mittel für Darstellung des Pulverdampfes . Um ein Beispiel zu erhalten, wurden 2 Sektionsscheiben hinter der 50 cm hohen Brustwehr eines Schützengrabens aufgestellt und auf den Entfernungen 700 und 400 m von 8 Mann jedesmal 25 Patronen gegen dieselben, stehend aufgelegt, verfeuert, somit auf jeder Entfernung 200 Schufs abgegeben . Die Figurentreffer wurden nach dem Beschusse durch Auflegen von ausgeschnittenen Figurenscheiben ermittelt. Tafel I. und II. ( siehe die Anlage) zeigen die erschossenen Treffer gegen gedeckte bezw. teilweise
gedeckte Schützenlinien von Kopf-,
Brust- und Rumpfscheiben auf 700 und 400 m, sowie die durch die Lücken u . s. w. gegangenen Geschosse . Bei Tafel III. und IV. wurden die
ausgeschnittenen Figuren-
scheiben 50 cm über den Fufs der Sektionsscheiben gehalten und dadurch das Resultat gegen ungedeckte Schützenlinien von KopfBrust- und Rumpfscheiben ermittelt.
2. Beilage H. der Schiefsinstruktion giebt den ungefähren Prozentsatz an Treffern , welcher den verschiedenen Zielen gegenüber zu erwarten ist .
Für die Theorie, zur Berechnung des Munitionsbedarfes
haben diese Angaben entschiedenen Wert, obwohl die von der Truppe am Schiefsplatze gewonnenen Resultate sehr davon abweichen , meist ungünstiger sind . Es stehen uns zahlreiche Beispiele zur Verfügung ; wir erlauben uns nachstehend nur die Resultate eines Belehrungsschiefsens vorzuführen ,
welches
vor kurzem von 2 Abteilungen in verschiedenen
Garnisonen ausgeführt wurde .
Wir sehen hier, dafs in N. dieselbe Abteilung, welche gegen die aufrechte Linie mit der Salve 21 Prozent Rundtreffer erzielte, 5 Minuten später am selben Platze, also unter ganz gleichen Verhältnissen, mit dem Schützenfeuer - nach jeder Patrone war eine kurze Pause - nur 11 Prozent Rundtreffer erreichte.
In M. werden gegen auf-
rechte Compagniekolonnen mit der Salve nur 7 Prozent , gegen 24 Prozent Rundtreffer erschossen .
in N. da-
Minimalund Maximalleistung nach der Mafsgabe Schiefsinstrukt .
demnach Prohaupt zente
307
Querschläge
Garnison
Rundtreffer
Mannsbreiten Von den vorhandenen ohne mit Mannsbr eiten wurden ProBerücksichtigung der zente aufser Gefecht gesetzt Querschläge
über-
Mann 40 stehend
800
200
800
Schützenfeuer Salven
N.
42
M.
29
N.
22
M.
N.
15
34
43
38 (48)
21
11
34
40
38 (44)
14
10
23
32
25 (35)
11
9
17
24
19 (27)
13
7
16
11
17
12 (19)
48
24
8
18
24
20 (27)
19
8
29
34
32 (38)
24
26
27 (29)
15-30
750 850
15-30
22
200
21
20-40
M.
750 850
388
800
Mann 40 stehend
200
42
750 850
Schützenfeuer Salven
Mann 40 stehend
800
M.
75
200
750 850
74
Mann 40 stehend
m
29
Aufrechniete Compag Kolonn Mannsbr eeiten .90
Feuerart
nung in
Visiere
Entfer-
TH
Aufrechte Compagnie Mannsbreiten 90 Linie .in
Ziele
Schufszahl
Anzahl Schützen der
Zur Infanterietaktik.
20-40
N.
43
21
Wenn sich auch für diese verschiedenartigen Resultate Erklärungen finden lassen und hierdurch Anhaltspunkte , welche in der Folge zu berücksichtigen sein werden , so bleibt es doch immerhin Thatsache , dafs die Faktoren , welche auf die Resultate einwirken, sehr mannigfacher Art sind und auch in der Erregung des Gefechtes unmöglich allgemein gewürdigt werden können . Es ist deshalb gewifs gerechtfertigt, wenn man zu dem Schlusse kommt, dafs in der Wirklichkeit nicht nur gegen Schützenlinien , sondern auch gegen alle anderen Ziele möglichst gute lichst viele Schüsse
abgegeben werden müssen ,
und auch mög-
um die Nachteile,
welche alle die einwirkenden Zufälligkeiten u. s . w. im Gefolge haben, einigermafsen auszugleichen. *)
3. Will man ein wirksames, überlegenes Feuer in kurzer Zeit abgeben , so
mufs
man in den meisten Fällen sehr dichte Schützen-
*) Von sachkundiger Hand wurde uns aufser dem Kurz- und Weitschufs zur Erklärung der grofsen Differenz zwischen der Salve und dem Schützenfeuer gegen die aufrechte Linie in N. noch bemerkt , dafs , wie es S. 104 in der " Verwendung
Zur Infanterietaktik.
308 linien verwenden ;
dichte Ketten
aber sind grofsen Verlusten aus-
gesetzt, wird man sagen. Prüfen wir dieses näher und denken uns zwei Abteilungen gegenüber : die Abteilung A. bestehe aus 100 liegenden Schützen, die Abteilung B. bestehe aus 50 liegenden Schützen , und beide Abteilungen seien in gleicher Breite ausgeschwärmt. Rechnet man gegen die liegende Schützenlinie etwa 1/3 der Treffer , welche gegen die liegende geschlossene Linie zu erwarten
sind ,
so
erhält
man nach der Schiefsinstruktion auf 500 m Entfernung als Minimum 2 Prozent ; die Verluste einer doppelt so dichten Schützenlinie werden dann ungefähr 4 Prozent betragen . Unter der Voraussetzung, dafs das Feuertempo auf beiden Seiten ein gleiches ist , ergiebt sich bei z. B. 5 Schufs in der Minute , daſs die Abteilung A. 500 Schufs abfeuert. Dieser Schufszahl entsprechen
in der Abteilung B. 10 Treffer ;
rechnet man per Treffer 1 Mann Abgang, so ist in 1 Minute von der Abteilung B. 15 aufser Gefecht gesetzt. Die Abteilung B. giebt dagegen in dieser Minute nur 250 Schufs
ab ; dieser Schufszahl entsprechen in der Abteilung A. 10 Mann Abgang, d. i . 1/10. Würde die Abteilung A.
aus 150 Mann bestehen ,
also
3 mal
so dicht sein als die Abteilung B. , so erlitte sie dreifachen Verlust, d . i . 6 Prozent. Es würden dann in einer Minute von A. mit 750 Schufs bei B.
15 Mann
Abteilung B. mit 250 Schufs aufser Gefecht setzen würde.
aufser Gefecht gesetzt ,
während die
ebenfalls 15 Mann der Abteilung A.
Setzen wir das erste Beispiel fort, so ergiebt sich für die 2. Minute : A. feuert 90 mal 5 Schüsse, dies giebt 1,5 pCt. Verlust bei B. , d. h . 7 M. , B. 3,5 "9 40 "" 5 " » " " "" A. , d. h . 7 M. , "" für die 3. Minute : A. feuert 83 mal 5 Schüsse , dies giebt 1 pCt. Verlust bei B. , d . h. 4 M., B. 33 " 5 "9 n "9 " 3 " " "" A. , d . h. 4 M. In 3 Minuten erleidet somit A. 21 Mann Verlust, bleiben 79 Mann, B. 21 Mann Verlust, bleiben 29 Mann .
des Infanteriegewehres M./71 " erwähnt ist, beim Schützenfeuer der Kern immer anders liegt , als bei der Salve. Ersterenfalls nimmt der Schütze nämlich das Korn fein, schiefst also kürzer, was zur Folge haben kann, dafs nur das Ende der Trefferreihe oder gar nur ein Ausläufer ans Ziel kommt, während mit demselben Visier bei der Salve (das Korn wird meist voller genommen) der Kern oder noch ein ihm ziemlich nahe liegender Teil der Trefferreihe ins Ziel trifft.
Zur Infanterietaktik.
309
Das ursprüngliche Stärkeverhältnis von 2 : 1
ist daher bedeu-
tend verändert zu Ungunsten der Abteilung B. Ähnlich lässt sich das zweite Beispiel ( A. 3 mal so stark als B. ) fortsetzen ; es ergiebt sich für die 2. Minute : A. feuert 135 mal 5 Schüsse , dies giebt 1,5 pCt . Verlust bei B., d. h. 10 M. , B. 35 " 5 5,5 " 99 99 "" " A. , d . h. 10 M. , 99 " für die 3. Minute : A. feuert 125 mal 5 Schufs, dies giebt 1 pCt. Verlust bei B. , d. h . 6 M. , 5 "" B. 25 " 5 " " A., d. h. 6 M. " " " "
In 3 Minuten verliert jede Abteilung 31 Mann , 119 Mann, bei B. nur noch 19 Mann .
bei A. bleiben
Das ursprüngliche Stärkeverhältnis 3 : 1 ist noch mehr zu Ungunsten von B. verändert, als im ersten Beispiele. Wir sind weit davon entfernt, vorstehenden Berechnungen einen ausschlaggebenden Wert beizulegen , ein System darauf ausbauen zu wollen, wir würden uns im Hinblicke auf das unter 2 Erwähnte einer grofsen Inkonsequenz schuldig machen.
Es wird aber nicht zu ver-
messen sein , wenn wir aus vorstehendem folgern , erhöhte Zahl der
in Thätigkeit tretenden
dafs
durch die
Gewehre die
Nachteile
einer dichten Schützenlinie in Bezug auf Verluste einer weniger dichten Schützenlinie gegenüber mehr oder minder ausgeglichen werden. Es bedarf keines besonderen Nachweises , dafs , wenn die stärkere Abteilung A. eine breitere Front einzunehmen vermag , als die gegenüberstehende schwächere Abteilung B. , die Feuerwirkung noch vielmehr zu Ungunsten von B. sich gestaltete , daher die breite umfassende Front stets anzuwenden ist, wo es die Verhältnisse zulassen . 4. Eine mächtige Feuerwirkung bedingt starke Schützenlinien und werden deshalb die Ketten entweder gleich bei Annahme der Gefechtsformation genügend stark gemacht,
oder dieselben werden erst bei
Eröffnung des Feuers entsprechend verstärkt . Beilage H. Ziffer 2a . der Schiefsinstruktion bestimmt ,
dafs die
Züge in sich zusammengehalten, zwischen den einzelnen Zügen aber scharf hervortretende Zwischenräume offengelassen werden müssen . Gruppenabstände nur ausnahmsweise
sind somit zulässig ,
wie
ausgeschlossen z.
B.
wenn
und werden wohl mehrere
schmale
Deckungen von Abteilungen desselben Zuges in Benutzung kommen. Nachdem nun kriegsstarke Züge in der Schützenlinie selbst ohne Gruppenabstände eine bedeutende Breitenausdehnung haben und deshalb schwer zu leiten sind ,
so dürfte es sich wohl empfehlen ,
die
Zur Infanterietaktik.
310
Halbzüge direkt unter den Compagniechef zu stellen und das Feuer mittelst der Halbzugsführer zu leiten. Halbzugsschwarmsalven sind auch leichter auszuführen als Zugsschwarmsalven.
Übrigens ist durch
das
allmählich aus der Praxis
sich entwickelnde Verfahren, beim geleiteten Schützenfeuer stets nur eine Patrone verfeuern zu lassen , gebracht.
Dasselbe
letzteres der Salve ziemlich nahe
bekommt dadurch mehr den Charakter
einer
nicht abgerundeten Salve, der Zielwechsel kann sofort vorgenommen werden ,
ohne erst stopfen zu müssen ;
einzelnen Patronen
die Pausen zwischen den
können wie bei der Salve nach Bedarf verkürzt
oder verlängert werden , bis der Pulverdampf sich verzogen hat, das Feuer ist ganz in der Hand des Führers. Tritt später das Gefecht in ein Stadium ,
welches
die Feuer-
leitung schliesslich mehr oder minder aufhebt, dann fallen überhaupt die Feuerpausen von selbst fort und es ist deshalb gleichgültig , ob eine oder mehrere Patronen angesagt werden , ununterbrochen fortrollen .
das Feuer wird eben
5. Wann soll die Schützenlinie des Angreifers das Feuer eröffnen? Der Verteidiger, welchem meist die Entfernungen im Vorterrain bekannt sind, ist in der Lage, der Infanterie des Angreifers von dem Augenblicke an, in welchem sie in den Bereich des Infanteriegewehres tritt, durch seine Infanterie grofse Verluste beizubringen. luste werden besonders grofs sein ,
Diese Ver-
so lange der Angreifer sich be-
wegt und der Verteidiger sein Feuer ungestört abgeben kann. Wenn daher die Angriffsartillerie das Infanteriefeuer des Verteidigers während des Vorgehens der Angriffsinfanterie nicht genügend zu dämpfen vermag, so mufs letztere von dem Augenblicke
an ,
in
welchem ihre Verluste zu empfindlich werden , das Feuer eröffnen . Auf welcher Entfernung dies stattzufinden hat , läfst sich nicht allgemein angeben ; aufser der Wirkung des feindlichen Feuers ist hier das Terrain besonders mafsgebend ; man geht eben unter allen Umständen so nahe als „ möglich " heran , was „möglich “ ist, das weifs man aber nicht im voraus. Die Schiefsinstruktion setzt als des Infanteriefeuers fest ;
gegen
äusserste Grenze für Eröffnung
alle Ziele die Entfernungen von 700 m
auf diesen Entfernungen
deckt liegenden Verteidigers
sind allerdings die Verluste des ge-
noch mässig ,
das Schwirren der Ge-
schosse um die Köpfe und ihr Einschlagen in die Deckungen werden die Ruhe aber sehr beeinträchtigen und gar mancher Verteidiger wird
Zur Infanterietaktik.
311
seinen Schufs ins Blaue abgeben , um sich nicht beim Zielen des Schutzes der Deckung begeben zu müssen . Die Tafeln I - IV. geben einige Beispiele, welche der Beachtung wert erscheinen. In der freien Ebene wird man ohne Unterstützung des Feuers selten viel näher (als 700 m) an den Verteidiger herankommen, die Verluste würden eben zu grofs, der verbleibende Rest der Schützenlinie zu schwach zu einem überwältigenden Feuer sein. es gelänge bis
auf 400 m
Selbst wenn
heranzukommen , wie vielfach empfohlen
wird, so dürfte nicht zu übersehen sein, dafs der ungedeckte Schütze dort einen sehr harten Stand hat.
(Siehe Tafel IV.)
Ist es dem Angreifer gelungen , aus seiner ersten Position das Feuer des Verteidigers
zu dämpfen , ihn am ungestörten Schiefsen zu hindern (dazu gehört aber ein überwältigendes Feuer , also viel Munition , starke Schützenschwärme) , dann erst wird weiter vorgegangen werden können . Es ist dringend , dafs die Tradition des ungestümen „ Drauflos “ den Prinzipien der modernen Feuertaktik Konzessionen mache :
wir
müssen uns bequemen , im Angriffe rechtzeitig Halt zu machen und von dort aus dann systematisch vorzugehen ; es dürfte dies mehr Erfolg versprechen als
ein verfrühtes Vorprellen ,
welchem sicherer
Rückschlag droht, und erneutes Ansetzen ist stets schwierig.
6. Sehr erfreulich ist es, zu ersehen, dafs der Gedanke, den Sturm durch liegen bleibende feuernde Abteilungen so lange als möglich unterstützen zu lassen, neuerdings in der Militär-Litteratur angeregt worden ist. Derselbe fand bereits Aufnahme in „ Verwendung des Infanteriegewehres M./71 " und kam auch vor 3-4 Jahren allgemein zum Ausdrucke bei
den Frühjahrsmanövern des
Gardecorps .
Auf der
freien Ebene des Exerzierplatzes war dabei das Feuer frontal und der Sturm gegen die Flanke gerichtet oder umgekehrt ; im abwechselnden Gelände bei gröfseren Truppenkörpern wird dieses Verfahren häufig auch innerhalb der Front für einzelne Truppenkörper möglicht werden .
er-
Wer ferner die Vorträge in der Militär- Schiefsschule zu Spandau kennt ,
wird sich erinnern ,
dafs
dort das gleiche Angriffsverfahren
empfohlen wurde ; russische Militärschriftsteller vertreten diesen Standpunkt ebenfalls .
Zur Infanterietaktik.
312
Es wäre sehr zu wünschen ,
dafs
sich dieses Verfahren in die
Praxis einbürgere und überall da zur Anwendung käme, wo es, durch das Terrain begünstigt, Erfolg verspricht. Fassen wir vorstehende Punkte nochmals in Kürze zusammen, so sehen wir , dafs es sich immer empfehlen wird , ausgiebigstes Feuer anzuwenden, um die Nachteile, welche geringe Schufsleistung, nicht genau zutreffende Visiere u. s. w. im Gefolge haben , auszuein wirksames Feuer erfordert starke Schützenschwärme,
gleichen ;
die Nachteile dichter Schützenketten in Bezug auf Verluste werden durch die erhöhte Zahl der in Thätigkeit tretenden Gewehre mehr oder minder aufgewogen ; das Feuer des Angreifers mufs von Eröffnung an ein ergiebiges sein , man mufs dem Gegner das Gesetz diktieren ; das Feuer des Angreifers wird beginnen, sobald jenes des Verteidigers zu empfindlich wird ; erst wenn letzteres genügend gedämpft ist , kann aus der ersten Feuerposition weiter vorgegangen werden . Das Feuer liegenbleibender Abteilungen mufs , wenn irgend möglich, jedes Terrain gewinnen, wie insbesondere den Sturm unterstützen. Vorstehende
Themas
nicht zu
erschöpfen ,
wohl
aber
deren
Inbetrachtnahme anzuregen, war der Zweck dieser Zeilen . Schliefslich erlauben wir uns noch den Wunsch auszusprechen, es möchte bei den Friedensmanövern
dem Feuergefechte ,
d . i . der
Wirkung des Feuers, mehr Beachtung geschenkt werden. Es kommt noch immer vor, dafs ein überlegenes, im Ernstfalle vielleicht allein
schon den Gegner zum Abzuge
gar keine Berücksichtigung seitens Folge davon ist ,
zwingendes Feuer
der Schiedsrichter findet.
dafs der Angreifer fast niemals
Die
frontal angreift,
sondern sein Heil in mitunter sehr unwahrscheinlichen Umgehungen sucht und auch findet. Die Prinzipien eines offensiven Feuers werden durch eine solche Manöverpraxis nicht anerzogen ; wenn aber die Schiedsrichter der Feuerwirkung die nötige Beachtung schenken , so kann es auch bei Friedensmanövern gezeigt werden , wie man durch Anwendung eines überlegenen Feuers in die feindliche Stellung eine Lücke reifst ,
in
der man sich mit frischen Truppen festsetzt und hierdurch die erste Stufe zum Siege erklimmt.
November 1880.
P.
313
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz etc.
XXV .
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz für
das Feuer der Artillerie. Von
Alo Dengler, Lieutenant im Königl. bayer. 2. Fufsartillerie -Regiment. (Schlufs. ) Eine langjährige Erfahrung auf dem Gebiete der Telemetrie hat die
Gebrüder v.
Paschwitz
nach Herstellung verschiedener Kon-
struktionen und nach unzähligen kostspieligen Versuchen belehrt, dafs weder auf akustischem Wege (Zeitmesser) , noch auf rein optischem (Bildweitenmesser) , sondern nur mit Hülfe der Geometrie sich fragliches Problem in praktisch brauchbarer Weise lösen läfst. Der Paschwitz'sche Telemeter Triangulation .
Die
als
beruht Hülfsseite
demnach
auf
abgesteckte
dem Basis
Prinzip
der
ist konstant
25 m, ebenso sind die anliegenden Winkel gegeben, der parallaktische Winkel ist veränderlich. Zur Bestimmung der Entfernung irgend eines Objektes ist demnach die Aufstellung in 2 Punkten , welche stets den gleichen Abstand von einander haben (25 m) und die Absteckung eines konstanten Winkels a, der nahezu = R ist, in jedem der beiden Punkte nötig . Wenn auch das Prinzip der Distanzbestimmung mittelst Absteckens von konstanten Winkeln keineswegs neu ist, so ist doch die Verwendung desselben bei dem nachstehend beschriebenen Instrumente und dessen Einrichtung , welche die unmittelbare Ablesung der Entfernung ohne irgend welche Rechnung oder Hülfstabellen u. a. gestattet, ganz eigenartig , höchst einfach und mehr als hinlänglich genau , wie weiter unten dargethan wird. Wegen der grofsen Disproportion zwischen Basis und Distanz geht hervor , dafs die Vorteile einer festen Unterlage und optischen Vergröfserung nicht entbehrt werden können , Stative und Fernrohr zur Anwendung gelangten.
weshalb
Die einzelnen Teile des Apparates sind : *) 1. das optische *) Nach der Brochüüre des Erfinders : „ Beschreibung des Telemeters von Paschwitz (Patent) von E. v. Paschwitz." 2. Aufl. -- Kissingen 1880 bei Schachenmeyer . Preis 1 Mark. 21 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz
314
Instrument, -
2. die beiden Stative, - 3. der Mefsstab, -- 4. die
Ausgleichvorrichtung mit Visierstab, Messingschiene und Zielschildchen , 5. das Mefsband aus Stahl. Zu 1. Das optische Instrument. Dasselbe besteht aus einem ca. 30 cm langen Fernrohr mit Fadenkreuz und einem vor demselben angebrachten Winkelspiegel , welcher nur die Hälfte des Objektivglases verdeckt und die Lichtstrahlen um einen etwas kleineren Winkel als 90 ° ( etwa a = 8934°) ablenkt , damit der Mefsstab in Balance erhalten wird. An der Aufsenseite des Instruments befinden sich 2 Ringe ,
mittelst deren es in die Lager der beiden
Stative eingelegt und wie ein Nivellierinstrument um seine Axe gedreht werden kann. -- Im Spiegelgehäuse ist ferner ein Diopter angebracht, dessen Visierlinie mit der des Winkelspiegels zusammenfällt , also annähernd senkrecht zur Visur nach dem Objekte steht . Der Winkelspiegel besteht aus einer plankonvexen Glaslinse, auf deren Konvexfläche eine Planfläche von etwa 1 mm Durchmesser konzentrisch aufgeschliffen ist und aus einem in der Brennweite der Linse angebrachten Zielstifte . Ferner befindet sich beim Objektivglas ein halbrundes Kompensationsglas , wodurch das optische Bild des entfernten Objektes ein wenig hinausgeschoben und mit dem des nahen Zielschildchens in der Ebene des Fadenkreuzes vereinigt wird. Zu 2.
Die
beiden hölzernen
dreibeinigen
Stative I. und II .
tragen die Lager von Messing zum Einlegen des Fernrohres und sind mit Vorrichtungen zum Horizontal- und Vertikalbewegen versehen.
Zu 3. Der Mefsstab ist aus Holz und 74 cm lang ; derselbe wird bei Vornahme einer Messung mittelst der unter 4 beschriebenen Messingschiene in die Schlitze des Lagers I. gelegt und durch Häkchen festgehalten und ist mit zwei Einteilungen versehen , nämlich mit der auf der oberen Seite befindlichen Distanzskala, welche die Entfernungen von 800 m bis 10 000 m enthält und der seitlichen groben Einteilung zum Einstellen des Zielschildchens . Zu 4. Die Ausgleich vorrichtung. Zum leichteren Verständnifs dieser Anordnung sei erwähnt, dafs es bei Vornahme einer Messung sehr schwierig und zeitraubend wäre , das Stativ II. oder vielmehr eine an dem Lager desselben angebrachte Marke genau auf das Fadenkreuz des optischen Instruments auszustellen.
Die Kom-
pensationsvorrichtung nun ermöglicht , dafs die Vertikalaxe des Stativs II. um die halbe Länge der Ausgleichstäbe rechts und links. vom Fadenkreuze des Spiegelbildes
entfernt
sein darf,
ohne dafs
für das Feuer der Artillerie.
315
hierdurch ein Fehler entsteht ; sie besteht aus einem Visierstabe und der Messingschiene, welche beide mit gleichen Einteilungen versehen sind .
Der Visierstab ist am Lager des Stativs II. befestigt und
mit einer Visiervorrichtung versehen , wie das Fernrohr zeigt .
welche
Er besitzt wie der Mefsstab
obere Einteilung und eine gröbere seitliche .
Seiten gleichviel über dieselbe hervorragt.
eine feinere
Die Messingschiene
ist auf dem Mefsstab in der Art befestigt ,
des Lagers I.
auf denselben Punkt
dafs
dieser auf beiden
Sie ist in zwei Schlitzen
verschiebbar und kann nach Mafsgabe der Ablesung
am Visierstabe auf einen bestimmten Indexstrich eingestellt werden . Das Zielschildchen ist auf dem Mefs- und dem Visierstabe verschiebbar und ist mit einem senkrechten Strich und einer Oeffnung zum Einstellen auf das Fadenkreuz bezw. zum Ablesen der groben Einteilung und rückwärts mit einem Zeiger versehen. Zu 5.
Das Stahlband dient zum Abstecken der Basis , deren
Länge (25 m) durch zwei an den Endringen angebrachte Nieten bezeichnet ist und wie die Mefsbänder der Geometer in einem Ledergehäuse aufgerollt werden kann. Konstruktionsbedingungen :
Das Messen der beiden Basis-
winkel könnte ebensogut mit Hülfe eines Theodoliten oder Spiegelsextanten geschehen und die Aufgabe
als
gelöst
erscheinen.
Da
iedoch diese Instrumente nicht die nötige Einfachheit besitzen , so hat man in Erwägung des Umstandes, dafs nicht die ganzen Winkel von 0-90 ° oder allenfalls bis 100 °, sondern nur deren Differenz von 90 ° oder einem andern naheliegenden konstanten Winkel gemessen zu werden braucht , vereinfachte Instrumente dieser Art konstruirt und sie Differentialinstrumente genannt. Solche giebt es nun für einen und zwei Aufstellungspunkte , mit und ohne Stativbenutzung. Dafs Instrumente, welche die Basis in sich selbst tragen und demnach nur eine einzige Aufstellung zur Beobachtung verlangen und in deren Konstruktion schon ganz erhebliche Fortschritte gemacht wurden (z . B. der Berdan'sche und Rośkiewicz'sche Distanzmeſsapparat) das Ideal eines Telemeters sind und alle übrigen zu verdrängen im stande wären , ist ebenso sicher, als dafs solche wegen ihrer Subtilität und grofsen Empfindlichkeit gegen äufsere Einflüsse, z . B. einseitiges Erwärmen durch die Sonne, unvermeidliche Erschütterungen und Verbiegungen durch Verpackung und Transport , Luftundulationen , Verschrauben u. s. w. für den eigentlichen Feldgebrauch niemals verwendbar sein werden . Die Mefsinstrumente ohne Stativ benutzung z. B. das Projekt des Premierlieutenant Mücke)
haben trotz aller
Protektion und bei aller Energie und Ausdauer der Erfinder bis jetzt 21 *
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz
316
zu keinem brauchbaren Resultat geführt und werden auch nie etwas Erspriefsliches leisten können.
Der Grund hiervon liegt einmal, wie leicht einzusehen, im Genauigkeitsgrade der angewandten Winkelmefsmethode, weniger in dem Umstande, ob die Basis seitlich vom Visierobjekte oder in dessen Richtung gelegt wird, ferner ob man ein rechtoder schiefwinkeliges oder gleichseitiges Dreieck zu grunde liegt, hauptsächlich aber darin , dafs es absolut unmöglich ist, das Instrument aus freier Hand mit der nötigen Ruhe und Sicherheit zu halten. Dazu gehören bei den hochgespannten Anforderungen , d. h. bei dem grofsen Mifsverhältnis zwischen Basis und Distanz, Nerven und Muskeln von Eisen ,
um
nur einigermafsen
zuverlässige Resultate
zu
liefern .
Nun ist aber das mit seinem Schwerpunkte stets auf gespanntem Fufs befindliche und von physischen wie moralischen Eindrücken so vielfach bewegte ,
zweibeinige menschliche Gestell das denkbar ungünstigste Stativ für die Anwendung eines derartigen Instrumentes. Paschwitz hat auch die verführerische Klippe mit weiser Vorsicht umgangen, das abgeprotzte Geschütz selbst als Stativ benutzen zu wollen , wie dies beim Nolan'schen Distanzmesser angeordnet ist. Von dem auf gleichen Prinzip (Aufstellung in 2 Punkten, Benutzung von Fernrohr und Stativ) wie der Paschwitz'sche Telemeter beruhenden Instrumenten enthalten jedoch alle anderen stets bewegliche Teile zum Messen der Winkel, welche stets bei sorgfältigster Ausführung infolge ihrer Konstruktion als Differentialinstrumente unter einem besonderen Derangement zu leiden haben, indem der optische Teil des Apparates, mit dem visiert, und der mechanische, mit dem die Winkel gemessen werden , beständig in gegenseitiger Kollision sind, so dafs die gemessenen Entfernungen mit den wirklichen stets mehr oder minder differieren und dasselbe Instrument zu verschiedenen Zeiten ungleiche Mefsresultate liefert. Genannte Fehlerquellen schliefst jedoch der Paschwitz'sche Telemeter aus , weil sämmtliche Teile des optischen Instrumentes fest mit einander verschraubt sind , dasselbe also einen einzigen starren Körper bildet , der solchen Störungen nicht ausgesetzt ist.
Theorie des Instrumentes . *) Es sei AZ
D die zu bestimmende Entfernung und denkt man
sich von A (Stativ I.) aus den konstanten Winkel a mittelst des im Spielgehäuse angebrachten Diopters abgesteckt und in der Richtung AB
*) Nach Prof. Lorber's hochwissenschaftlicher Abhandlung in Dr. Carl's Repertorium für physikalische Technik und Dingler's polytechnischem Journal.
317
für das Feuer der Artillerie.
die horizontale Distanz AB = 25 m = C aufgetragen ,
dann
aus dem
Endpunkte B nach Einstellung auf Z wieder den Winkel a abgesteckt und den Schnittpunkt C auf einem in der Verlängerung der Visierlinie AZ oder derselben parallel liegenden eingeteilten Stab markiert, so giebt der Abstand AC = a einen Anhalts-
punkt zur Ermittelung von D. Denn aus den beiden Dreiecken ABZ und CBZ folgt
AC = AB ·
ZBC) sin (ZAB oder sin ZBC
sin a - B) sin B
a = b
sin ZBC oder
AZ — AB . sin (ZAB + ZBC) sin B
= b •
D = b • sin (a + B)
sin ẞ sin y
Wäre a bekannt , so liefse sich aus beiden Gleichungen ẞ ausscheiden und die zu bestimmende schiefe B'
Entfernung D durch a , b und a ausdrücken . Da aber α, obwohl konstant ,
MA
a.p
doch nicht bekannt ist ,
und da ferner ,
selbst wenn a be-
E
kannt wäre ,
eine
Rechnung aus-
geführt werden müfste, so hat man gesucht , sich von diesem Winkel unabhängig zu machen . Sind für eine andere Entfernung Di die entsprechenden Gröfsen
und B1, so ist sin Bi sin (a - B1) und D₁ = b • = b a1 = b sin (a + 81) sin Bi man erkennt nun leicht, dafs b2 a a1 = (D1 - D) DD₁'
a
sin sin
d . h. , dafs die Unterschiede der Stababschnitte von dem konstanten Winkel a unabhängig sind , und dafs somit eine etwaige Änderung von a keinen
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz
318
Einfluss auf die Unterschiede a - a₁ haben kann.
Da der Stab ver-
schiebbar sein mufs, der Nullpunkt der Teilung aber, um verschieden bezeichnete a zu umgehen, nicht im Scheitel des Winkels ist ,
son-
dern etwa in N, so sind die Ablesungen am Stabe m und m₁, deren Unterschied nur dann gleich a ai ist, wenn a = m c und a1 = m1 ist, d . h. wenn der Stab stets so eingelegt wird , dafs ein bestimmter Punkt desselben (Markenpunkt) mit einem am Stativ I. angebrachten, festbleibenden und von der Stabverschiebung koinzidiert.
unabhängigen Index
Der konstante Winkel a wird nun aber im 2. Standpunkte nicht genau vom Punkte B aus abgesteckt , weil dies eine subtile Aufstellung des Stativs II. verursachen würde ;
über B verlangen und daher
Zeitaufwand
dieser Winkel wird vielmehr von einem in der
Nähe befindlichen Punkt B ' abgesteckt und trifft die Visur jetzt den Stab in C' ,
es wird mithin
nicht BC sondern B'C' abgesteckt und
folglich mufs der Stab, um nicht zu wenig abzulesen , um das Stück C'C y verschoben werden , damit man den richtigen Abschnitt m erhält. Um
diese Verschiebung bewerkstelligen
stimmen zu können , schildchens
und ihre Gröfse
be-
liest man den Abstand des Zeigers des Ziel-
vom Anfangspunkte
der Teilung am seitlich liegenden
Visierstabe, d. h. den Schnittpunkt E der Visur AB, also nE ab.Da nun aber y = nE ist (weil der Winkel
für die kleinste zu messende
Entfernung von 800 m erst den Wert 1 ° 48' erreicht, und weil EE' bd hinreichend genau ist, so ergiebt sich D
bd
y = nE + EE ' - nE + D
bd Nachdem sich
aber ,
als
von D abhängig ,
nicht ermitteln
D läfst ,
so kann die Verschiebung blofs um das abgelesene Stück nE
vorgenommen werden , so dafs also die Ablesung auf dem Mefsstabe bd beträgt. nicht m , sondern m D Nun darf aber nicht übersehen werden, dafs der Stab AN nicht in der Vertikalebene AZ ,
sondern
seitlich
davon angebracht ist ;
folglich trifft die Visur den Stab auch nicht in C' , sondern in C ",
mithin wird die Stabablesung noch um gC' = d.cos ẞ =
bd₁ verkürzt . D
319
für das Feuer der Artillerie.
Es
daher schliesslich
ergiebt
der
mit Rücksicht auf die Be-
schaffenheit des Instruments abgelesene Stababschnitt bd₁ bd bd - a + c M = m D D Ꭰ
bd1 D ' Ꭰ
Für eine andere Entfernung D, ändern sich die Werte M1 , mi
und a
wie folgt bd
bdi
bd
bd1
M₁ = m1
= a₁ + c
D1
D₁
D₁
D₁
Um eine einfachere Beziehung zwischen Distanz und Mefsstabablesung aufstellen zu können, benützt man die Differenzen der Stababschnitte und man erhält schliesslich 1 1 M - M1 = b2 Ꭰ Ꭰ D ) - bd ( − D₁) ( - ) · ( − 1 1 ) - bd, (1
= (b2 - bd -
bd₁) . (1
D₁ und wenn man d = di setzt , weil der geringe Unterschied nicht mafsgebend sein kann ,
M ―
M₁ = (b2 ―――
1 G 2bd) • (·
1
und hieraus
M - M₁ + (b²
• 2bd) · G -)
Nimmt man als gröfste zu messende Entfernung D₁ = 10000 m und setzt den dieser Entfernung entsprechenden Stababschnitt M₁ = 0, so wird b2 b2 ---- 2bd 2bd M = D 10 000 oder nach Einsetzung der Werte b = 25 m und d = 33 mm auch
623,35 M =
- 0,062335 , D
wobei M und D in Metern ausgedrückt sind . Für die gesuchte Entfernung ergiebt sich hieraus 623,35 D = M + 0,062335' wobei
aber zu
berücksichtigen
bleibt ,
dafs der Stab so eingelegt
werden mufs, dafs für die Entfernung D = 10 000 m der Abschnitt M wirklich = 0 wird , d. h. dafs das Iustrument justiert ist . Es ist daher nötig , jenen Teilstrich am Stabe (Markenpunkt) zu ermitteln, der beim Einlegen desselben mit dem Index zusammenfallen mufs. Dieser Punkt läfst sich nun sehr leicht mit Hülfe bekannter Entfernungen finden.
Ist nun der Mefsstab mit einer Teilung versehen,
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz
320
bei deren Teilstrichen die entsprechenden Entfernungen
stehen ,
SO
können diese sofort abgelesen werden. Der Paschwitz'sche Mefsstab ist demnach für die Entfernungen von 800-10 000 m beziffert, nach folgender Skala : 800 m ist M - 716,85 mm, für D www 99 =
99
""
19
99
""
""
""
561,02
29
""
""
249,34
""
""
4 000 "" 5 000 99
""
29 - 145,44 "" = 93,50
62,34 41,56
""
"" وو
26,72
""
""
15,58
""
99
6,93
""
=
15
1" ""
་
"" 29
"" "" ""
9 000 "" 29 10 000 "" ""
99
-
33
"" 6 000 22 22 7 000 99 "" 8 000 "" ""
" -
39
13 33
33 33
1 000 "" 2.000 "" 3 000 ""
0.
Vorausgesetzt , dafs der Mefsstab richtig geteilt und mit der Messingschiene richtig verbunden , dafs ferner das Fadenkreuz berichtigt ist (die Prüfung geschieht wie bei einem umlegbaren Nivellierfernrohre) , haben auf die Ermittelung der Entfernung zwei Fehler Einfluss : 1. der reine Distanzmessungsfehler , hervorgerufen durch Fehler im Visieren , Einstellen und Ablesen , und 2. der Fehler in Folge der fehlerhaft abgesteckten Basis . Zu 1. Der reine Distanzmessungsfehler wächst im quadratischen Verhältnis zur Entfernung. Professor Lorber hat nun zur Ermittelung der Gröfsen dieser Fehler unter seiner Leitung
von seinen
Schülern
500 Messungen
nach trigonometrisch genau bestimmten Punkten von 830 bis 7829 m unter allen Witterungsverhältnissen , namentlich auch bei stark windigem Wetter ,
anstellen
lassen und aus diesen die Leistungs-
fähigkeit des Paschwitz'schen Telemeters festgesetzt. Der mittlere Distanzmessungsfehler wurde
zu 0,000001874 D2
oder in Prozenten 0,0001874 D berechnet , wobei ein mittlerer Fehler im Winkelmesser von 7 Secd . oder eine Differenz am Mefsstabe von 1,17 mm bei Ausschlufs eines Basisfehlers sich ergab. Tabelle der reinen Distanzmessungsfehler (F1 ) : 1000 ist F1 für D 1,9 m oder 0,19 Prozent,
29 99
33
23
7,5 ,, = 16,9 "" "" 30,0 ""
""
0,37
""
""
0,56
""
""
0,75
""
46,8 ""
""
0,94
""
""
23
2000 "" = 3000 "" وو - 4000 "" 5000 ""
""
u. s. w.
F
für das Feuer der Artillerie. Zu 2.
Der
321
Fehler wegen der Basis
steht im einfachen
Verhältnisse zur Distanz und nimmt natürlich mit der Ungenauigkeit der Basis zu. Paschwitz gab seinem Instrumente früher zum Auftragen der Basis eine Mefsschnur bei , bei deren Benutzung der Fehler F₂ = 0,00877 D oder 0,877 Prozent der Entfernung aus 400 Messungen abgeleitet
wurde ,
was einem mittleren Fehler von
22 cm in der Absteckung der Basis gleichkommt ,
woraus sich fol-
gende Tabelle ergiebt : für D - 1000 m ist F2 = 9 m oder 0,9 Prozent, = 19 2000 "" 99 1,0 99 29 "" 32 = 3000 22 "" 1,1 "" "" "" 99 "" 47 1,2 4000 "" 29 "" 99 "" 1,3 65 "" "" "" - 5000 "" Da bei allen Entfernungen unter 4500 m, welche in der Artilleriepraxis gerade am häufigsten vorkommen , der Fehler wegen der mit der Schnur gemessenen Basis gröfser als der reine Distanzmessungsfehler wird , und
nur
so
mehr
soll nunmehr die Schnur ganz vermieden werden Stahlmefsband zur Verwendung kommen.
das
Lorber ermittelte
den durchschnittlichen Fehler (F2 ) bei Benutzung eines solchen zu 0,00326 D oder 0,326 Prozent der Entfernung, was einem mittleren Basisfehler von 8 cm entspricht. Der mittlere Gesamtfehler ist schliesslich = VF12 + F22 = oder in Prozenten Vpi2p22 , woraus sich folgende Tabelle bei Verwendung des Stahlbandes zum Abstecken der Basis ergiebt : für D 1000 m ist F = 4 m oder 0,4 Prozent, 22
99
-
"" "" 99
""
2000 "" 3000 "" 4000 "" 5000 ""
""
"" - 10 "" "" = 20 99 33 وو
""
50 ""
99
""
22
0,5
""
0,7 0,8
""
Durch die Wahl einer gröfseren Basis, Teilung des Stabes
abgeändert werden
geringere Fehler erzielen .
99
""
1,0
u. s. w.
wodurch dann auch die
müfste ,
könnte
man noch
Allein den Bedürfnissen der Praxis ent-
spricht eine längere Basis nicht und dürfte man einerseits mit 25 m Basis, andererseits mit der erreichten Genauigkeit an der zulässigen bezw. erreichbaren Grenze angekommen sein. Verfahrungsweise :
Behufs
Vornahme
einer Messung
stellt der Beobachter das Stativ I. in A auf, legt das optische Instrument in das Lager ,
visiert das Objekt Z an und läfst sodann vom
Gehülfen, indem er durch das im Spiegelgehäuse angebrachte Diopter sicht, rechtsseitlich das Stativ II. in der Visierlinie des Diopters und in 25 m Abstand vom Stativ I. in B aufstellen . Zu dem Zwecke
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz
322
wird das eine Ende des Mefsbandes in einen Haken des Stativs II. gehängt ,
während der Beobachter bei A das andere Ende hält und
mäfsig anspannt.
Nun richtet der Gehülfe den Visierstab nach dem
Objekt und hängt das Zielschildchen auf den vom Beobachter in A im Spiegelbilde des optischen Instruments abgelesenen und ihm zugerufenen Schnittpunkt des Fadenkreuzes mit dem Visierstabe, z. B. auf die Zahl 42
oder verschiebt dasselbe
auf Zuruf so lange vor-
bezw . rückwärts, bis der vertikale Faden mit dem Vertikalstrich am Zielschildchen einspielt.
Demnächst liest er an der oberen Seite des
Visierstabes den Stand des Schildchens mittelst des Zeigers ab, z . B. auf 421/ 4Hierauf wechseln
Beobachter
und
Gehülfe
ihre Plätze .
Der
Beobachter legt das optische Instrument in das Lager des Stativs II . und visiert das Objekt Z genau wieder in derselben Weise wie das erste Mal an, während der Gehülfe die Messingschiene am Index des Lagers I. auf die vorhin abgelesene Ziffer am Visierstabe (z . B. 42¹ ) einlegt.
Hierauf hängt resp . verschiebt der Gehülfe das Zielschildchen
auf den ihm vom Beobachter zugerufenen Schnittpunkt des Fadenkreuzes mit dem Mefsstabe, worauf, wenn wieder Koinzidenz zwischen Vertikalfaden und Vertikalstrich des Schildchens hervorgestellt
ist,
an der oberen Mefsstabskala die Entfernung mittellst des Zeigers am Zielschildchen abgelesen wird
( z. B. 2520 m) .
Die ganze Messung
dauert 2-32 Minuten ; das Gesamtgewicht beträgt (inkl. Stative) 10 kg. Aus Vorstehendem lassen sich nun die Vorteile des Paschwitz'schen Distanzmessers gegenüber anderen Konstruktionen leicht nachweisen . Zunächst möge ein kommissionelles Gutachten hier Beachtung finden , welches vom badischen Feldartillerieregiment No. 14 abgegeben wurde : „ 1. Die Handhabung des solide und kompendiös konstruirten Instruments bietet keinerlei Schwierigkeit und kann dieselbe von nur einigermafsen gewandten Leuten leicht erlernt. werden. 2.
Das Instrument zeichnet sich vor anderen Distanzmessern
vorteilhaft dadurch aus ,
dafs seine Anwendung vom Terrain und
der Kultur vollständig unabhängig ist ,
weil sich sein Prinzip nicht auf Vertikalmessung des Objekts gründet . - Es ist vollstän-
dig gleich brauchbar , ob man nach der Höhe oder Tiefe mifst , ob die Stative auf horizontaler oder geneigter Ebene stehen , wenn nur die beiden Standpunkte und das Ziel unter sich sichtbar sind. 3. Das Instrument mifst mit einer erstaunlichen , bis jetzt
für das Feuer der Artillerie.
323
noch unerreichten Genauigkeit ; die vorkommenden Fehler sind für den beabsichtigten Zweck kaum nennenswert . 4.
Dieses so genau messende Instrument kann in vielen Fällen,
namentlich aber dann, wo es sich um das Beschiefsen unbeweglicher Objekte handelt, einer damit versehenen Batterie von entschiedenem Nutzen sein. - Es könnten mit seiner Hülfe die annähernd erschossenen Entfernungen kontroliert werden, und hätte der Batteriekommandeur ,
besonders
beim Schiefsen auf grofse Entfernungen ,
einen zuverlässigeren Ausgangspunkt für seine Einschiefsskala als die blofse freie Schätzung. 5.
Wenn auch zwei Stative notwendig sind ,
so
ist
doch das
Gesamtvolumen und Gewicht des ganzen Apparates kein erheblich gröfseres , als dasjenige der seither mitgeführten Distanzmesser, und könnte derselbe an einem Fahrzeuge der ersten Wagenstaffel (warum nicht am ersten Geschütz ?) ohne Anstand mitgeführt werden . 6. Der Paschwitz'sche Telemeter mufs aus vorstehenden Rücksichten als sehr beachtenswert bezeichnet werden. " Im
speziellen besteht die
Überlegenheit des
Paschwitz'schen
Telemeters in folgenden Punkten : a)
Genauigkeit.
Wie oben angegebene, von Professor Lorber
aufgestellte Tabellen ersichtlich machen , ist der mittlere Mefsfehler beim Paschwitz'schen Instrument auf kleinen und mittleren Entfernungen
durchgängig
geringer
als
die
mittlere
Längenstreuung
(also 14 der ganzen) der Geschosse und auf Entfernungen über 3000 m immer noch kleiner als die halbe Längenstreuung. Vergleicht man die Leistungsfähigkeit des P.'schen Telemeters
mit
dem Berdan'schen Distanzmesser, von dem zwei Konstruktionen mit 2 m und 4 m Basis ausgeführt sind, über dessen Genauigkeit jedoch nichts bekannt ist,
und einigen anderen Systemen
und nimmt man
deshalb von vorneherein an, dafs die optische und mechanische Einrichtung ebensogut sein soll ,
als bei vorliegendem ,
so
ergiebt
die
Berechnung schon einen reinen Messungsfehler : bei
1,5 m Basis von 0,000772 D in Prozenten (Roskiewicz) , 2 "" 0,000515 D "" } (Berdan) , 4 "" 0,000258 D "" "" 25 D 0,000187 (Paschwitz) . "" "" 99 ""
Mit dem Plösse'schen Objektivmikrometer (für Marinezwecke) berechnet sich für eine 4000 m betragende Entfernung des Ziels ein Fehler von 7-14 Scd.
oder dieser Winkelmessung
entsprechend
etwa 40-80 m Mefsfehler oder 1-2 Prozent der Entfernung.
Die
Winkelmessung wird aber hier aufser der vollkommenen Beschaffen-
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz
324
heit des Instrumentes durch den Grad der Sehschärfe und die Helligkeit der Luft, Witterung u. s. w. bedingt und
ist
selbst für gut
justierte derartige Instrumente der Genauigkeitsgrad eher höher als 2 Prozent, denn geringer. - Boulengé giebt als Fehlergrenzen für seinen télémètre de combat 25-50 m selbst zu ,
was
für 2500 m
schon
dafs
der Nutzen
1-2 Prozent der Entfernung beträgt ,
so
einer solchen Distanzmessung kein sehr grofser mehr sein wird. Aus diesen Beispielen geht hervor, dafs der Paschwitz'sche Telemeter den hervorragendsten Feld-Distanzmefsinstrumenten an Genauigkeit nicht nur nicht übertrifft .*)
nachsteht ,
sondern
sie alle an Leistungsfähigkeit
b) Schnelligkeit der Messung. alle jene Konstruktionen ,
In dieser Beziehung stehen
welche eine Aufstellung in zwei Punkten
mit Stativbenutzung verlangen , im allgemeinen den für eine Aufstellung eingerichteten nach. Am meisten voraus haben hier die auf akustischem Prinzip beruhenden Distanzmesser , doch ist ihre Anwendung nur eine beschränkte und sind Täuschungen am leichtesten möglich ; die Mefsresultate haben dann nur mehr sehr fraglichen Wert . allen anderen Entfernungsmessern , mögen
sie
feststehend
oder
die
beweglich
auf Triangulation sein ,
die
Bei
beruhen ,
Hülfsseite
am
Beobachtungsorte oder am Ziele liegen , und letztere konstant oder variabel sein , ist der Zeitunterschied für eine genaue Messung kein sehr grofser. sprucht
Das Verfahren
22-32
Minuten ,
mit dem P.'schen Instrument beanein
Zeitaufwand ,
der
immer
noch
geringer ist , als die auf das Einschiefsen auf unbekannte (geschätzte) Entfernungen verwendete Zeit , während welcher meist nichts
getroffen ,
aber viel Pulver
Aufregung in der Batterie herrscht .
verknallt wird
und die gröſste
Kann man es ermöglichen , die
Distanzmeſsabteilung beritten zu machen und der Batterie mit dem rekognoszierenden Offizier einige 100 m vorauszuschicken
(wie
es
früher in Bayern mit dem Franz'schen Distanzmesser Usus und Vorschrift war) , so ist diese Zeit keine verlorene . Und selbst nach dem Einrücken in die Position ist es für eine Batterie besser , mit Laden, Richten, Anbringen von Masken, Organisation des Munitionsersatzes u. dgl . sich einige Minuten zu gönnen, als durch unsichere , übereilte Schüsse zu früh die eigene Stellung zu verraten . c) Unempfindlichkeit und Einfachheit des Instruments. Das eigentliche optische Instrument des Telemeters Paschwitz, ein kleines terrestrisches Fernrohr mit davor geschraubtem *) Von den für den Feldkrieg unbrauchbaren , auf elektrischem Prinzip beruhenden Distanzmessern wurde hier selbstverständlich abstrahiert.
für das Feuer der Artillerie. Spiegel , struktion .
ist von der denkbar einfachsten Form und solidesten KonDasselbe besteht gewissermafsen aus einem einzigen
starren Körper , sind ,
325
und
dessen einzelne Teile fest mit einander verschraubt
besitzt
demnach
einen grofsen Vorzug vor ähnlichen
Instrumenten mit gekreuzten Fernrohren oder drehbaren Spiegeln u . dgl . Was nun die Winkelmefs vorrichtung anbelangt , so ersetzt der Mefsstab nicht nur den Limbus,
sondern auch, da die Entfernungen unmittelbar daran abgelesen werden können, umständliche Dreiecksauflösungen oder Rechenmaschinen , während eine Alhidade mit Nonius ganz wegfällt und in einfachster Weise durch das Fadenkreuz ersetzt wird.
Man hat nämlich
einen eingeteilten Kreissektor von 25 m Radius, der natürlich ungleich mehr zu leisten im stande ist , als ein gewöhnlicher Limbus von allenfalls 10 cm Radius. Gegenwärtiges Instrument besitzt durchaus keine diffizilen , dem Derangement ausgesetzten Teile und ist seine kompendiöse Konstruktion zugleich die Ursache seiner Genauigkeit. Jede Messung kann sofort , ohne irgend welche Prüfungen und Korrekturen am Instrumente ,
begonnen werden, ein Resultat , das bei den meisten anderen mit grofser Energie und jahrelanger Ausdauer in Deutschland, der Schweiz, England, Rufsland u . s . w. mit den verschiedensten Distanzprismen , Winkelspiegeln , Winkelsextanten angestellten Versuchen und mit den verschiedenartigsten Mefsmethoden nicht erreicht wurde . - Kompensations- und Mefsstab sind praktisch geteilt und
erleichtert die zweifarbige Skala auch ohne Zuhülfenahme der Bezifferung das Einstellen des Zielschildchens sehr. Parallelen zwischen Anforderungen und Konstruktionsbedingungen einer- , sowie den neuesten Distanzmessern andererseits begründen die Behauptung, dafs der Telemeter Paschwitz alle anderen an Einfachheit und praktischer Einrichtung Vorzüge jener ,
übertrifft ,
wie Weglassung der Stative ,
Person , rascheres vereinigt finden ,
Mefsverfahren
u . dgl . ,
die
und dafs
einzelne
Messung durch eine sich aber nirgends
stets auf Kosten anderer wichtiger Bedingungen
namentlich der Genauigkeit gewonnen wurden .
So bedient sich der
Nolan'sche Distanzmesser als Stativ zwei Geschütze, die mit Schrauben zum Geben der feinen Seitenrichtung und besonderer Vorrichtungen zum
Auflegen der gekreuzten
jedoch nicht und
besitzt
Fernrohre
versehen
sind ,
erreicht
die Verlässigkeit wie das Paschwitz'sche Instrument zur Rechenausführung
eine
komplizierte Rechenwalze .
Der Berdan'sche Felddistanzmesser soll gar ein sechsspänniges Fahrzeug zu seinem Transport verlangen und kostet nebenbei 20 000 M. per Exemplar.
326
Die praktische Verwendung des Telemeters von Paschwitz Der vom k. k. Oberst Roskiewicz
ausgeführte Apparat wiegt
30 kg und ist in zwei Kisten verpackt ; seine Mikrometereinrichtung ist äusserst subtil, das ganze Instrument verlangt eine zarte Behandlung , dessen Zuverlässigkeit ist leicht alterierbar. Alle anderen , besonders die
älteren Konstruktionen von Distanzmessern leiden an
so auffallenden Mängeln, dafs sie mit dem Paschwitz'schen überhaupt nicht konkurrieren können , so die Entfernungsmesser von Franz (Bauernfeind'sche dreiseitige Prismen), von Meyer ( Spiegelwerkzeug) , Olivier ( desgl. ) , Glöckner (Spiegelsextant mit Mikrometereinrichtung) , Goulier (fünfseitige Glasprismen) , der russische Artillerie-Distanzmesser von Gorjunow (Fernrohr mit Okularschrauben-Mikrometer) , der englische Marineheliometer und Brewster's Mikrometer (Doppelbildmikrometer mit Objektivgläsern oder Krystallprismen mit doppelter Strahlenbrechung) , die règle à lunette von Adam (eine drehbare oder feste Regel nebst Schlitten und Fernröhren mit senkrechten Fäden) , der télémètre de combat von Boulengé (mit Alkohol gefüllte , mit Schwimmer und Skala versehene Glasröhre) u . v . a . m. d) Einfachheit und Universalität des Gebrauches .
Je
einfacher das Instrument, desto einfacher gewöhnlich auch seine Anwendung. Dies trifft wenigstens für den Telemeter Paschwitz vollkommen zu. Die anzuwendenden Manipulationen stimmen fast ganz mit den zum Richten dienenden überein ; es ist daher zu seiner Bedienung weder ein Offizier, noch ein Unteroffizier nötig , sondern jeder Kanonier mit gutem Sehvermögen kann nach einiger Anleitung mit dem Paschwitz'chen Telemeter Messungen vornehmen . stellung
des Zielschildchens
Da die Ein-
am Kompensations- wie Mefsstabe
er-
folgen kann ohne Ablesung der bezifferten Skalen, so fällt auch der Einwand weg, es könnten hierdurch Irrtümer bezüglich der zu messenden Entfernungen entstehen ,
und bleibt derselbe auch bei nicht
sehr heller Witterung verwendbar.
Indem
man Stativ I.
und das
dazu gehörige Lager schwärzte , dagegen Stativ II. mit Messinglager blank liefs, hat man Verwechselungen auch in dieser Richtung vorgebeugt .
Am optischen Instrument kann nichts verschraubt oder in
Unordnung gebracht werden , da die Schraubenköpfe alle ins Metall eingelassen und abgeschliffen sind . Dieser Telemeter erfordert nicht einmal eine besonders sorgfältige Verpackung und können ihm die Erschütterungen beim Transport, Nässe , Staub, abnorme Temperaturen u. dgl. nichts anhaben.
Das Mefsverfahren ist vom Terrain und der
Witterung unabhängig, indem einmal das Stahl band als Hilfsmittel zur Bestimmung der Basis , selbst bei sehr starkem Wind , freischwebend benützt werden kann und also nur erfordert, dafs die
für das Feuer der Artillerie.
sich sichtbar sind ;
3 Dreieckspunkte unter
327
die durch das Gewicht
. des Stahlbandes unvermeidliche Einsen kung kann von vornherein berücksichtigt werden und entspricht, wenn man das Mefsband als gedrückten Parabelbogen sich denkt , eine mittlere Einsenkung von 30 cm erst einer Verkürzung der Basis von kaum 1 cm. Man braucht also in dieser Richtung gar nicht besonders ängstlich zu sein. Das Stahlband besitzt auch gegenüber der Mefsschnur oder einer gegliederten Kette oder einem leinenen Mefsband den Vorzug , dafs es sich ohne Verwickelung ebensoleicht auf- wie abwickeln läfst , keiner Veränderung
seiner Länge durch Dehnen , und weniger dem
auch niemals besonders justiert zu Ebenso hat man sich durch die Stativ benutzung
Zerreifsen ausgesetzt ist , werden braucht .
somit
von jedem störenden Einfluss der Bodenbeschaffenheit unabhängig gemacht und man kann die Messung ebensowohl auf harten Strafsen als in sumpfigen Wiesen , bewachsenen Feldern , welligem Gelände, ja selbst bei sehr bedeutendem Niveauunterschiede der beiden Standpunkte
ohne Einbufse
an Genauigkeit
vornehmen .
Die
hölzernen
Stative sind sehr leicht, bequem und jedenfalls den früher in Bayern gebräuchlichen zerlegbaren Holzstäben mit Spitze und Eisenfuls vorzuziehen. Schliefslich ist noch hervorzuheben, dafs der so handliche Apparat fast gar kein Ziel bietet und dafs auch der Platzwechsel der Messenden vermieden werden könnte, wenn man gleich von vorneherein dem Apparat 2 Fernrohre und 2 Zielschildchen mitgiebt, was schon im Interesse einer notwendig werdenden Reserve ist . Bei geschulten Leuten und mit dieser Ausstattung könnte durch das gleichzeitige Ausführen mehrerer Operationen die Messung in vielleicht einer Minute vollzogen werden. Wünscht man
diese komparativen Betrachtungen
noch weiter
fortgesetzt, so mufs auf einen Aufsatz in den "" Mitteilungen über Artillerie- und Geniewesen " Wien 1875 , 2. Heft hingewiesen werden, in welchem „ Der gegenwärtige Stand der Telemetrie und der Telemeter System Paschwitz " besprochen sind .
Ferner hat der belgische
Artilleriemajor P. Henrard im Annuaire d'art etc. militaires, 1873 , S. 516 einen sehr interessanten Aufsatz veröffentlicht, betitelt : „ Les instruments à mésurer les distances en campagne ", welcher die nachstehenden Instrumente einer vergleichenden Kritik unterzieht : Sextant lunette de campagne des belgischen Artilleriemajors Hanoteau ( 1867) . Taschentelemeter des französischen Artilleriekapitäns Gautier ( 1867) . Den in der russischen und englischen Artillerie eingeführten Telemeter Nolan . - Die Distanzmesser des russischen Oberst Stubendorf und des französischen Geniemajors Gautier.
Den Tele-
Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens.
328
meter Gastaldi. Den Autostadiometer Plebani. - Den Stadiometer Bylandt. Den Telemeter Paschwitz (älteres Modell) . Jedenfalls scheint der Paschwitz'sche Telemeter an mafsgebender Stelle einer eingehenden Prüfung wert und ist Verfasser überzeugt, dafs sich das Interesse der artilleristischen Kreise demselben ebenso rasch zuwenden wird, wie er noch von jedem sympathisch begrüfst wurde, der sich mit dem Instrumente und seinen Vorzügen näher vertraut machte . Was die Änderung unserer Schiefsregeln bei definitiver Einführung eines Distanzmessers anlangt, so ist dieselbe eine unwesentliche und darf wohl der Initiative der Artillerieschiefsschule in Berlin überlassen werden .
Keinesfalls
wird
sich das Schiefsen auf bekannte
Entfernungen komplizieren und besonders bei unseren neuen Feldgeschützen, die alle ziemlich gleichmässig schiefsen , sehr einfach gestalten und aufserordentlich rentieren .
XXVI.
Die Entwickelung der Militärmacht Ost -Rumeliens. (Originalbericht.)
Im September-Heft 1879 der Jahrbücher wurde ein kurzer Überblick des von der
europäischen Kommission für Ost-Rumelien aus-
gearbeiteten Organisationsplanes und der Dienstverhältnisse der ostrumelischen Miliztruppe veröffentlicht. Diesem Abrifs waren einige Bemerkungen über das im Juni 1879
vorhandene Material
beigefügt
nebst einigen Voraussetzungen über die Art und Weise , in welcher die Organisationsbestimmungen mutmafslich ausgenutzt werden würden, um die Miliz möglichst bald in den Rahmen der Kommissionsbeschlüsse einzufügen . Die Mutmafsungen sind weit hinter dem Thatsächlichen zurückgeblieben. Während die hohe Diplomatie Zeter schrie über das Unwesen in Ost-Rumelien, über Masseneinfuhr von Waffen, Munitionsanhäufung , gymnastische Gesellschaften und Unionsbestrebungen, gedachten die ganze Spalten der interessierten Zeitungen anfüllenden Berichte nur höchst selten der Miliz und deren Fortschreiten. Nichtsdestoweniger ist gerade in dieser Beziehung ,
wenn auch ganz im
329
Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens. stillen , tüchtiges geleistet worden ,
und ist die Miliztruppe betreffs
ihrer Organisation nicht nur vorgeschritten, sondern nahezu am Ziele. Diese stetige und rüstige Entwickelung einer so jungen und unter so wenig günstigen Auspizien entstandenen Armee zu verfolgen, verdient umsomehr die Aufmerksamkeit gerade des deutschen Militärs, als ein Deutscher und aus der preufsischen Armee hervorgegangener Militär, der türkische Generalmajor Strecker Pascha, der Organisator der so schnell sich selbständig machenden jungen rumelischen Miliz gewesen ist.
Sein Wirken verdient von militärischer
Seite um so mehr Anerkennung , Pascha in einem
selbständig
als
seine Stellung
als türkischer
und bulgarisch sein wollenden Lande
voll politischer Umtriebe eine ungemein schwierige sein mufste und sich gerade der Durchführung der neutralen Bestimmungen hinsichtlich der Zusammensetzung der Miliz- und Gendarmerietruppe Hemmnisse entgegenstellten , die sein Vorgänger im Amte nicht hatte bewältigen können .
Derselbe war mit der herrschenden Strömung bald
derartig in Konflikt gekommen , und er abberufen wurde.
dafs seine Stellung eine unhaltbare
Am Schlusse des vorerwähnten Aufsatzes war bereits erwähnt, dafs das Kommando der Miliz aus russischen Händen in die des Gouvernements der autonomen Provinz übergegangen war und letzteres begonnen hatte, die russische Militärschöpfung den entsprechenden Bestimmungen des Statutes anzupassen. Nachdem man sich bereits entschlossen hatte, aus 9 Bataillonen zu je 4 Compagnieen deren 12 zu je 3 Compagnieen zu formieren, wurde noch in letzter Stunde eine Änderung der diesbezüglichen Dispositionen dahin getroffen ,
dafs
aus den vorhandenen
36 Com-
pagnieen 9 Bataillone mit je 1 Präsenzcompagnie formiert wurden ; 2 Compagnieen wurden zu
den 2 Infanteriecompagnieen des Lehr-
bataillons bestimmt, die restierenden 25 Compagnieen aber in 3 Bataillonen vereinigt , der Stamm der Sappeur-Compagnie des Lehrbataillons und der Artilleriewerkstätte durch Abgabe von Mannschaften aus einigen Bataillonen zusammengestellt.
Die Stärke der 9 Batail-
lone zu je 1 Compagnie wechselte zwischen 170 und 250 Mann, die der 3 sogenannten mobilen Bataillone 1500 und 2200 Mann. Diese Ungleichheit in den trug nicht wenig dazu bei ,
betrug
dagegen
zwischen je
Stärkeverhältnissen der Bataillone
vorhandene Schwierigkeiten zu erhöhen ,
wie neue zu schaffen ; namentlich in Anbetracht der anfangs geringen Stabilität der Offiziere, besonders der Compagniechefs , die auch nicht in genügender Anzahl vorhanden waren , um sämtliche Compagnieen 22 Jahrbücher f. d. Deutsche Armee u. Marine. Band XXXVIII.
Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens .
330
mit älteren erfahrenen Kommandanten besetzen zu können .
Ein fort-
währender Wechsel in der Besetzung der Offizierstellen , wie solcher vorgenommen wurde, konnte das Übel nur verschlimmern . Die Unsicherheit des Landes ,
das nach Abzug der Russen einer vollstän-
ständigen Anarchie anheimzufallen drohte , die Furcht vor einer türkischen Invasion ,
die einige bulgarische Hitzköpfe gerne zum Los-
schlagen auf eigene Faust ausgebeutet hätten ; der gänzliche Mangel an Gendarmerie und Polizei, die Umtriebe räuberischer Banden in den Grenzgebirgen stellten hohe Anforderungen an die Miliztruppe , von der
ein grofser
Teil in Compagnieen und kleinere Detachements
nach den gefährdeten Punkten hier-, bald dorthin zu ziehen.
entsendet werden musste ,
Eine gewisse Zuchtlosigkeit war die
um bald
natürliche Folge bei der
solchen Anforderungen noch nicht gewachsenen jungen Miliztruppe ; die gelockerte militärische Zucht fand sich aber schnell wieder, als nach und nach die Bataillone in ihre Garnisonsorte zurückkehrten und die Friedensarbeit von neuem aufnehmen konnten . Einzelne Detachements
sind
freilich
bislang
noch
in einigen
Grenzdistrikten im
Rhodope- Gebirge gegen das Vilajet Adrianopel und im Balkan aufgestellt ; es wurde aber Sorge getragen, selbe von Zeit zu Zeit abzulösen . Unter den obwaltenden Umständen war an eine Rekrutierung für das Jahr 1879 nicht mehr zu denken ; und namentlich
die verschiedenen Civil-
administrativen Behörden waren noch in den An-
fängen ihrer Organisation begriffen und ohne deren kräftiges Mitwirken war möglich.
eine
nur
einigermafsen
regelmässige Aushebung
nicht
Die Bevölkerung selbst war auch noch nicht stabil genug.
Die vor den russischen Heeren geflüchteten muselmännischen Familien kehrten heim, teils nur um ihre Liegenschaften zu veräussern und dann wieder auszuwandern ,
andererseits
Okkupationsarmee zurückgegangenen
suchten die mit der
und in den angrenzenden tür-
kischen Vilajets ansässigen Bulgaren ihre verlassenen Wohnsitze wieder auf.
Ein Ab- und Zuzug ,
eine durchgehende
Bewegung fand
so in der Bevölkerung statt und machte es vorderhand unmöglich, Ortsregister und eine annähernd richtige Statistik , einer Aushebung, aufzustellen .
die Grundlagen
Der Jahrgang 1879 ging so der Miliz verloren, aber diesen Verlust machte eine in die gesamte Organisationsarbeit tief einschneidende Verordnung des Generalgouverneurs wett ,
wonach sämtliche
militärdiensttauglichen Männer im Alter von 21-32 Jahren
in die
Cadres der Miliz eingereiht wurden. Das organische Statut ist in seinen einzelnen Paragraphen sehr
331
Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens.
vielfältig ausgelegt worden, der Geist desselben mufste wohl ab und zu unter den politischen Inspirationen mutungen erfahren .
eines Diplomaten starke Zu-
So suchte man auch obige Verordnung des Gou-
verneurs als im Widerspruche mit den organisatorischen Bestimmungen darzustellen und selbe nur als einen Deckmantel für die offiziell aufgehobenen gymnastischen Vereine anzusehen . eine noch das andere ist irgendwie Statut ,
die allgemeine Wehrpflicht
zutreffend .
Weder das
Einmal besagt das
dekretierend und die Dienstzeit
auf 12 Jahre und das vom 20. bis 32. Lebensjahre festsetzend, dafs unmittelbar nach Promulgation lichen Bevölkerung von den
des Statutes Neugeborenen
die Listen der männbis
einschliefslich der
32jährigen in den Gemeinden zu etablieren seien, andererseits konnte die thatsächliche Auflösung der gymnastischen Vereine sich nur vollziehen , indem man ihnen den eigentümlichen , d. h. privaten Charakter nahm , und die diesen Gesellschaften Angehörigen den Jahrgängen der Miliz
einreihte und sie unter militärisches Gesetz und
Kommando stellte.
Wenn auch der Wortlaut der betreffenden gou-
vernementalen Ordonnanz besagte, die Mitglieder der gymnastischen Gesellschaften in die Listen der Miliz einzuschreiben , so wurden von seiten der Militärbehörde nur die im militärpflichtigen Alter stehenden acceptiert ; alles was unter 20 und über 30 Jahre alt, war aber aufser Acht gelassen , und diese waren froh, von dem Exerzierzwange befreit zu sein. Wenn nun auch noch im vergangenen Jahre die Ansicht vertreten werden konnte, die Organisation der ost-rumelischen Militärmacht werde sich allmählich und in der Weise vollziehen , dafs nur aktiv gediente Leute, also nur von dem Jahrgang 1859 an aufwärts jahrgangsweise, das nötige Material zur Errichtung der Kriegsbataillone liefern und somit 11 Jahre erforderlich sein würden, um die Organisation durchzuführen , so ist man in Rumelien schneller damit gewesen und hat dieses Werk in 11 Monaten vollendet.
Das für
die Formation von 12 Bataillonen des ersten Bans und einer gleichen Zahl des zweiten Bans erforderliche Menschenmaterial ist nicht nur vorhanden ,
sondern
auch jahrgangsweise in den Kontrollregistern
eingetragen und gesichtet, serve der Miliz.
desgleichen für die 4 Jahrgänge der Re-
Dies zu erreichen, ist überall möglich, sobald man eben die vorhandene männliche Bevölkerung einreiht ; der Wert einer solchen unausgebildeten und weder an militärische Ordnung noch Disziplin noch an Handhabung der Waffe gewöhnten Masse möchte aber noch weit hinter dem Gambetta'schen „ lever en masse" und unserer Bürgergarde 22 *
Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens .
332
seligen Angedenkens zurückbleiben.
Wenn nun in Ost-Rumelien die
getroffene
Mafsnahme nicht nur von einem praktischen Zwecke aus hinsichtlich des gewonnenen Vermögens, Bataillone aufstellen zu können, folgenreich sein konnte, sondern auch bezüglich des militärischen Wertes
der so
schnell formierten
Kriegsbataillone,
so ist
dies der zur Zeit der Okkupation von den Russen eifrigst betriebenen Ausbildung der waffenfähigen bulgarischen Bevölkerung zu verdanken . Die viel besungenen gymnastischen Vereine gaben ja nur den Namen her für Bürger- oder Milizcompagnieen,
denen nur die Uni-
form fehlte und die in jeder Gemeinde formiert waren, um mehrmals wöchentlich Exerzier-
und
Schiefsübungen
vorzunehmen,
die von
russischen Offizieren und Unteroffizieren geleitet wurden. nicht nur in jeder bulgarischen
Gemeinde
ausnahmslos
russische
Unteroffiziere als Exerziermeister stationiert , sondern auch Offiziere beauftragt, die Exerzitien häufig zu inspizieren. Rechnet man die dem Bulgaren unter der türkischen Herrschaft anerzogene und fast angeborene persönliche Unterwürfigkeit, die Gewohnheit des unweigerlichen Gehorchens zu der eisernen Strenge der russischen Knute hinzu, so kann auch der den Verhältnissen Fernstehende zu der Ansicht gelangen , dafs in Rumelien etwas geschafft sein kann, was zwar nicht den Parade- mit dem Feldsoldaten verbindet, zu letzterem aber gut vorgearbeitet hat.
Der Russe
besitzt
ein aufserordentliches Talent,
derartige Institutionen ins Leben zu rufen ;
so wenig
er auch zu
einem europäischen Kriege berufen sein mag , so gut weifs er die gegebenen Verhältnisse in Asien, im Kaukasus und dem südöstlichen Europa auszubeuten und seinen Zwecken dienstbar zu machen . Während nun von Seiten der stehenden Truppe der Miliz der Winter eifrig benutzt wurde , um die Politur der militärischen Ausbildung herzustellen , wurden von Seiten der Verwaltung die nötigen Vorbereitungen getroffen, um mit Beginn des Frühjahres die Organisation des der Miliz zugewiesenen Menschenmaterials vornehmen und erfolgreich durchführen zu können. Vor allem mufste dem Mifsverhältnisse im Etat der einzelnen Bataillone abgeholfen werden . bei auch noch ganz
Das Budget der Provinz wurde neben-
und gar unnötig beschwert,
indem mehr als
9000 Mann unter Waffen gehalten wurden, von denen die Hälfte in 3 Bataillonen vereinigt wenig Nutzen von ihrer aktiven Dienstzeit ziehen konnte. Unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse wurde die Demobilisierung der Miliz befohlen ; die Bataillone hatten sich auf den durch
333
Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens.
die Organisationsbestimmungen festgesetzten Etat mit je einer Präsenzcompagnie zu setzen ; bei 3 Bataillonen verblieben aber aufserdem je 2 mobile Compagnieen in einer der Präsenzcompagnie gleichen Stärke . Der Gesammtetat der Miliz wurde hiermit auf etwa 4200 Unteroffiziere und Soldaten herabgesetzt. Die durch diese Herabminderung des Effektivstandes erforderliche Entlassung von Unteroffizieren und Mannschaften wurde derart vorgenommen, dafs ohne Berücksichtigung der Stärkeverhältnisse der einzelnen Bataillone sämtliche älteren Jahrgänge zur Entlassung kamen ; so wurden die 23jährigen und älteren Leute durchgängig, die 22jährigen aber bis zur Hälfte aus dem aktiven Dienste entlassen, die aus diesem Entlassungsverfahren
resultierenden
Ungleichheiten in
dem
aktiven Dienststande der Bataillone wurden durch Abgaben des Überschusses von Seiten der stärkeren Bataillone an die schwächeren ausgeglichen.
Hierbei wurde darauf Rücksicht genommen, dafs die aus
einem Bataillone in das andere übertretenden Mannschaften möglichst aus dem Kreise geboren
waren,
in
dessen Bataillone
sie versetzt
wurden . Das Statut giebt als Regel, dafs der Eingeborene die aktive Dienstzeit in dem Bataillone seines Kreises abdienen soll . Die obenberegte Umformation der Miliz war in sofern für deren Fortentwickelung von grofsem Werte, als nun die Präsenzcompagnieen durchweg zur Dienstausbildung und zum Garnison-
der Bataillone
dienst blieben , während 6 mobile Compagnieen zu Expeditionen und zur Verwendung im Interesse der Ruhe und Sicherheit des Landes verfügbar waren . Das organische Statut sieht vor, dafs jedes der 6 Departements der Provinz 2 Militärbezirke bilden soll und bestimmt die Hauptorte dieser Militärdistrikte, welch' erstere identisch mit dem Garnisonorte der betreffenden Druschina (Bataillon) sind . Es blieb aber dem Gouvernement vorbehalten , die einzelnen Verwaltungskantone , 4-6 bei jedem Departement , auf die betreffenden Militärbezirke zu verteilen . Die Festsetzung der Grenzen der einzelnen Militärbezirkskommandos konnte jedoch erst vorgenommen werden, nachdem durch die Provinzialversammlung die der einzelnen Kreise gesetzlich geregelt waren .
Gelegentlich der hiernach erfolgenden Einteilung der einzel-
nen Kantone mufste militärischerseits berücksichtigt werden, dafs einzelne Militärdistrikte nicht fast durchweg aus rein bulgarischen oder rein türkischen und griechischen Kantonen bestehen würden. Es war im militärischen Interesse durchaus wünschenswert, eineVerschmelzung der einzelnen Nationalitäten in den Bataillonen herbeizuführen .
So
hätte der geographischen Lage nach der rein türkische Kanton Cied-
Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens.
334
jali dem Militärdistrikt von Hermanly zugeteilt werden müssen, woraus eine Zusammensetzung von 4/5 Türken und 1/5 Bulgaren der Bataillone des beregten Bezirkes entstanden wäre ;
dasselbe wäre im De-
partement von Philippopel der Fall gewesen, wo naturgemäfs ein türkischer und ein griechischer Kanton in einem Militärbezirk zusammengefafst hätten werden müssen . Dies wurde vermieden, und sind die Bataillone durchweg der Bevölkerungszahl und den Nationalitäten der Provinz entsprechend zusammengesetzt. Nachdem nun
die Grenzen der einzelnen Militärbezirke genau
festgelegt worden waren,
konnten die betreffenden Bezirkskomman-
deure angewiesen werden ,
von den Verwaltungsbehörden die Listen
der im dienstpflichtigen Alter stehenden Leute zu fordern . Der Einschreibung in diese Listen hatten
sich
mannichfache
Schwierigkeiten entgegengestellt und dieselbe ganz erheblich verzögert. Es bestanden weder in den bulgarischen, noch türkischen noch griechischen Gemeinden irgend welche Civil- oder Kirchenregister, aus denen die im militärpflichtigen Alter stehenden Leute, d . h . von 21 bis 32 Jahren, hätten entnommen werden können ; nur die katholischbulgarische Gemeinde von Philippopel
und die
zerstreut im Lande
vorhandenen armenischen Gemeinden haben solche, doch kam diese verschwindende Minderheit gar nicht in Betracht . So waren die Verwaltungsbehörden angewiesen,
die
bungen durch die Ortsbehörden vornehmen zu lassen .
Einschrei-
Das Ergebnis
dieser notgedrungenen Maſsnahme konnte nur ein höchst unzuverlässiges sein und zwar ,
weil
einerseits weder Verwaltungs- ,
noch
Justiz-, noch Finanz-, noch jedwede Civilbehörde durchaus noch weit entfernt sind , ihrer Bestimmung nur irgendwie zu entsprechen, und andererseits die Zuverlässigkeit der Munizipalbeamten und der Gemeindevorsteher keineswegs über allen Zweifel erhaben ist ; davon haben die Einschreibungen in die Kontrollregister und in die Rekrutierungslisten
sprechende
Beweise
geführt.
Erst
den
Militär-
behörden blieb es vorbehalten , gelegentlich der allgemeinen Kontrollversammlungen und der Rekrutierungen , die wissentlich und unwissentlich begangenen Unregelmässigkeiten ans Licht zu ziehen und einigermafsen , so gut
es eben ging, wett zu machen .
Nicht zu leugnen
ist es, dafs eine Aufstellung von Altersklassenlisten hier zu Lande sehr schwierig ist ,
so lange keine Kirchen- oder Civilregister existieren ;
von der Landbevölkerung weifs durchschnittlich niemand, wie alt er ist, die eigene Mutter zeigt sich oft sehr vergesslich, was Monat und Jahr der Geburt ihrer Kinder anbetrifft. So war es mehr oder minder dem Gutdünken der betreffenden Ortsvorstände anheim gegeben,
F
335
Die Entwickelung der Militärmacht Ost-Rumeliens . den männlichen Einwohnern ihrer Gemeinde
eine Alterszahl zuzu-
sprechen. Die noch sehr geringe Stabilität, namentlich der aus- und einwandernden türkischen Bevölkerung, war auch dazu angethan, eine genaue Aufstellung von Listen zu verhindern. So konnten erst im Monate
April
die
Einschreibungen der
Militärpflichtigen , d. h. der 11 Jahrgänge , von den 21 jährigen bis zu denen von 32 Jahren einschliefslich, als abgeschlossen angesehen werden; diese Einschreibung ergab die erkleckliche Summe von rund 56 000 dem Dienste in der Miliz Anheimfallenden. Diese Listen
enthielten
nun
aber
selbstredend
sämtliche
im
militärdienstpflichtigen Alter stehende männliche Personen , ob militärbrauchbar oder nicht, ob durch Stellung und Beschäftigung im Staatsdienste ganz oder teilweise vom Militärdienste befreit oder nicht. Um das vorhandene Material alsdann zu sichten und zu ordnen, wurde eine ووGeneralkontrolle " aller Militärpflichtigen angeordnet und solche im Monate August ausgeführt. Die Ausübung dieser Kontrolle wurde den Rekrutierungs -Kommissionen übertragen , die Eingeschriebenen durch Plakate und spezielle Gestellungsordres nach dem Hauptorte ihres Kantons befohlen , woselbst
die
Kontrollkommission
geschriebenen in
tagte.
Da die Namen der Ein-
die betreffenden Altersklassen vorher in den Ge-
meinden veröffentlicht worden waren, so konnte ein jeder Eingeschriebene gegen eine etwaige unrechtmässige Einteilung in die Jahrgänge reklamieren .
Die
Kontrollkommissionen ,
welche
selbstverständlich
unter
Assistenz des betreffenden Bezirkskommandeurs und Bezirksfeldwebels arbeiteten, hatten die Weisung , die Dienstpflichtigen in 3 Kategorien einzuteilen, deren 1. die zum Militärdienst brauchar befundenen und jederzeit Disponibelen enthalten soll ; die 2. Kategorie besteht aus den für die Friedenszeit vom Militärdienst dispensierten, während die 3. die zeitweise Zurückgestellten , d . h. körperlich schwachen , Mindermafshabenden u. s. w. umfafst (Ersatzreserve) . Für die Einteilung in die 3 Kategorien wurden die für das Rekrutement einschlägigen Bestimmungen zu Grunde gelegt.
Die Dienstuntauglichen waren aus
den Listen gänzlich zu streichen. Gelegentlich der Kontrolle
wurden nun die Listen der
Ein-
geschriebenen bedeutend vervollständigt und mancher Verborgene ans Licht gezogen . Die Generalkontrolle ergab folgendes Resultat betreffend der Einteilung der 56 000 Eingeschriebenen : Kontrollierte
und eingeschriebene Militärdiensttaugliche 50 862
336
Die italienische Kriegsakademie.
Mann ; darunter Bulgaren 38 589 , Griechen 2892 , Armenier 70, Türken 8696, Juden 190, Zigeuner 107 , Pomaken *) 318 . Verfügbar für Formation der Bataillone des 1. Ban 11 323 Mann, 18 248 "" 2 . "" "" "" "" "" " Im ganzen 29 571 Mann. Zur Formation dieser 24 Bataillone sind erforderlich 24 336 Mann . Davon sind vorhanden in der Reserve der Miliz . 17 315 وو . 021 7 "" Es müssen also eingestellt werden . während zu Reserveformationen verbleiben
· 22 550
29
Es sind dispensiert von den Friedensübungen im 1. Ban "" 2 . "" "" "" "" "9
2 795
39
3 179
"
•
8 528
"
Mithin verfügbar für die Friedenszeit im 1. Ban "" 2. "" "" "" " "" Es befinden sich in der Ersatzreserve
• 15 069 3 477
29
(Schlufs folgt.)
XXVII .
Die italienische Kriegsakademie.** )
Wenn es wahr ist, dafs der Geist einer Armee die Hauptsache ist, nicht die Form , und wenn es ferner wahr ist, dafs dieser Geist zum Teil seinen Ausdruck findet in den Leistungen der ersten militärwissenschaftlichen Bildungsanstalten , so erscheint eine kurze Betrachtung der italienischen Kriegsakademie wohl berechtigt und lohnenswert. Für uns ist sie noch von besonderem Interesse , weil unsere preuſsische Kriegsakademie der italienischen im grofsen Ganzen zum Vorbild gedient hat. Die preufsischen Erfolge des Jahres 1866 hatten auch jenseits der Alpen der Ansicht Bahn
gebrochen ,
dafs
heutzutage
für
ein
Offiziercorps handwerksmäſsige Routine nicht mehr genügt, daſs vielmehr wissenschaftliche Durchbildung ein dringendes Erfordernis ist. Es fehlte in Italien aber bisher ganz an einer höheren Bildungsanstalt für die Offiziere des Heeres.
*) Pomaken sind Gebirgsstämme, muselmännischen Glaubens, aber meist nur der bulgarischen Sprache mächtig. **) Scuola superiore di guerra.
質
Die italienische Kriegsakademie .
337
Am 11. März 1867 wurde ein königliches Dekret, betreffend die des Generalstabes veröffentlicht . In dem kriegs-
Reorganisation
ministeriellen Bericht, welcher vor der Unterzeichnung an den König gesandt war, heifst es : *) „ Der Entwurf der Reorganisation des Generalstabes , verbunden entspricht mit der Errichtung einer höheren Kriegsschule genau einem dreifachen Zwecke und zwar : 1. die Generalstabsoffiziere zeitweilig in den praktischen Dienst zu den Truppenteilen zurückzusenden ;
2. in den Truppenteilen selbst dadurch ,
dafs
sich
zeit-
weilig in ihnen mit besonderen Kenntnissen begabte Offiziere befinden , wissenschaftliche Bildung zu verbreiten ;
3.
allen intelligenten
und strebsamen Offizieren einen Weg zur Verbesserung ihrer Karriere zu eröffnen und zwar durch das einzige Mittel, das in Friedenszeiten Anrecht auf solche Bevorzugung geben kann , durch das Studium. “ Dann lautet der Artikel 27 des Dekrets selber : „Es wird eine höhere Kriegsschule eingerichtet, zu der die unteren Offiziere und Linientruppen zugelassen werden können und an der die Sekondelieutenants des Generalstabes teilnehmen . " Wir wollen hier gleich vorweg bemerken, dafs zu den „ unteren " Offizieren auch die Hauptleute rechnen .
Seit dem Jahre 1872 wur-
den jedoch nur noch Lieutenants zugelassen .
Die „ Sekondelieute-
nants des Generalstabes ", welche sich direkt aus dem Kadettenhause (regia militare academia) rekrutierten , wurden durch königliches Dekret vom 24. Dezember 1870 unterdrückt. Infanterie- und Kavallerieoffiziere können sich , nachdem sie zwei Jahre in der Charge sind , zum Aufnahmeexamen melden . Artillerie- und GenieOffiziere berufen .
werden in
einem gewissen Prozentsatz ohne Examen ein-
Die gröfste Schwierigkeit bei Gründung der neuen Anstalt verursachte bei
der grofsen Bildungsverschiedenheit
des
italienischen
Offiziercorps die Festsetzung der Aufnahmebedingungen . So machte man eine sehr grofse Zahl Disziplinen zum Prüfungsgegenstand, wohl in der Hoffnung , dafs der eine oder der andere doch in einem
Zweigę
etwas Befriedigendes
leisten
werde.
Es
würde zu weit führen , all den allmählich eingetretenen Veränderungen auf diesem Gebiete hier zu folgen, und seien nur die Bestimmungen für das Jahr 1868 erwähnt. In diesem wurden die Examinanden
*) Wir folgen im grofsen Ganzen den Angaben eines im Maiheft 1880 der Rivista militare italiana enthaltenen Aufsatzes : „ Alcuni cenni sulla scuola di guerra. ―― G. Bertelli"
Die italienische Kriegsakademie .
338 geprüft in :
Geschichte , Fortifikation , Taktik , Physik und Statistik,
französischem Aufsatz, Planzeichnen , Arithmetik, Geometrie, Algebra, Trigonometrie, Chemie, Geographie. Für diese Disziplinen sind dann Multiplikatoren des Resultats festgesetzt, je nach der Bedeutung, die man ihnen beimifst . Mathematik war z . B. mit 20, der italienische Aufsatz mit 30, Geographie und Geschichte mit 12 , Fortifikation und Taktik mit 10 und Französisch mit nur 6 multipliziert. Wenn man gegen die obige Aufzählung diejenigen Fächer hält, die bei der Aufnahmeprüfung für die preufsische Kriegsakademie verlangt werden, so fällt das Vorherrschen nicht militärischer Disziplinen in Italien auf.
Auch werden
die
eigentlichen militärischen
Disziplinen nur mit 10 multipliziert, der italienische Aufsatz hingegen mit 30 !
Übrigens zeigen sich in diesen Zahlen bedeutende Schwan-
kungen ;
so wird das Französische statt wie 1868 mit 6 , im Jahre
1871 mit 40 multipliziert ! Ferner wechselt die Art des Examens beständig . Bald wird mündlich, bald schriftlich, bald mündlich und schriftlich in einzelnen Fächern geprüft. Jetzt findet nur noch in der Mathematik mündliche Prüfung statt und ist das Examen im übrigen ein schriftliches . Es erstreckt sich lediglich auf nichtmilitärische Gegenstände, da seit dem Jahre 1875 Fortifikation und Taktik in Fortfall gekommen sind, und regt die Frage an, ob man es denn wirklich noch mit einer Militärschule zu thun hat! Anfangs
war von den Aspiranten noch zu erweisen ,
dafs
sie
gute Augen hatten und körperliche Fähigkeit zum Reiten besafsen . Auch · hiervon hat man seit dem Jahre 1871 vollständig abgesehen . Es sei hierbei
erwähnt ,
dafs bereits im Frühjahr 1867 eine
offizielle Vorbereitungsanstalt für das Examen zur Kriegsschule ins Leben gerufen
wurde ,
welche in 3 bis 5 Monaten alles das kurz
wiederholen sollte, was in den niederen Militärschulen gelehrt wird. Der Italiener nennt, entgegen den bei uns herrschenden Anschauungen, eine solche Vorbereitungsschule eine „ weise “ Einrichtung . In den ersten Jahren nach Errichtung der Kriegsschule zu Turin war der Andrang zum Examen
ein ganz
bedeutender.
Bald aber
kam der Rückschlag . Abgesehen davon , daſs die Hauptleute , wie seit dem Jahre 1872 nicht mehr mit konkurrieren konnten , wirkten verschiedene Ursachen darauf ein , dafs die Zahl schon gesagt,
der sich Meldenden immer geringer wurde . Zunächst war es die Einrichtung, dafs einzelne der Examinanden „ promoviert“ wurden ,
d. h . sie hatten
in allen Fächern bestanden .
Die italienische Kriegsakademie. Im ersten Jahre wurde nur einer promoviert.
339 Die anderen galten
als nicht genügend , wurden aber zum Teil, um die Hörsäle zu füllen , Natürlich war es immer peinlich , zu den Nichtbestanund die Furcht hiervor hielt auf die Dauer manchen gehören, zu denen von der Ablegung des Examens ab. Bei uns ist es bekanntlich nicht Mode , den Einzelnen offiziell mitzuteilen , ob sie in allen Fächern. einberufen.
bestanden haben , sie erhalten nur Mitteilung , ob sie überhaupt bestanden haben oder nicht. Es fehlt allerdings dabei für spätere Kommandierungen der Einzelnen das Vergleichsmoment : aber das schadet bei dem Vertrauen , das allgemein und ohne Reserve
der obersten Leitung dieser An-
gelegenheiten entgegengebracht wird, nicht das geringste . Während bei uns nach Ablauf des Besuches der Kriegsakademie die Betreffenden nur ein allgemeines Zeugnis mit erhalten, bestimmt in Italien der Artikel 33 nachstehendes : „ Diejenigen Offiziere , geeignet erweisen ,
welche
sich bei
der Schlufsprüfung als
erhalten ein Diplom und werden nach ihrer An-
ciennetät in den Avancementslisten eingetragen, um zur nächst höheren Charge aufzurücken ,
wenn sie
sich im ersten Drittel der Offiziere
ibrer Charge und ihrer Waffe befinden oder in dasselbe eintreten. " Diese Mafsregel , die dazu dienen sollte , Lust und Liebe zum Studium zu wecken , hat ganz eigentümliche Folgen gehabt. Dafs sie zunächst eine wenig
systematische Streberei grofsziehen muſs ,
liegt auf der Hand . Natürlich bemächtigten sich die „ Rechenmeister" in der italienischen Armee sehr bald dieser Bestimmung, und es war, wenn man einfach die Rangliste Offiziere
zur Hand nahm und die Zahl der
in einer Charge feststellte ,
nicht schwer herauszufinden ,
welches Drittel zu überspringen am günstigsten sei . Jeder, der 2 Jahre Offizier war, durfte sich melden : sollte der Subalternoffizier nun versuchen, das oberste Drittel der Unterlieutenants, der Premierlieutenants oder der Hauptleute zu überspringen ? Das letztere erschien das Vorteilhafteste und es war zu erreichen, wenn der betreffende Offizier erst zur Kriegsschule ging , sobald er beinahe bis zur Hauptmann- oder Rittmeistercharge herangerückt war. Wurde er dann während des dreijährigen Cursus nach der Tour befördert, so durfte er trotz seiner Charge die Schule bis zum Schlufs besuchen ; verliefs er aber als diplomierter Kriegsschüler und als Hauptmann die Kriegsschule, so avancierte er zum Major, sobald er in das erste Drittel seiner Charge gekommen war. Man umging hierdurch noch das besondere Examen, welches in Italien zur Ernennung zum Stabsoffizier erforderlich ist. So kam es bald dahin,
dafs nur ältere Premierlieutenants sich zum
Die italienische Kriegsakademie.
340
Besuche der Schule meldeten .
Sehr richtig
sagt der Verfasser der
Skizze in der Rivista militare italiana, dafs ein diplomierter Offizier von etwa 35 Jahren, der auf der Kriegsschule „ gelernt hat, wie man studieren mufs , " und der nun erst durch eifriges Privatstudium die Früchte der gelernten Methode einheimsen soll, eine etwas befremdende Erscheinung ist .
Jugendliche Kraft und jugendliche Geisteselasticität
und die Aussicht auf eine ganze Reihe in voller Kraft zu verbringender Jahre gehören dazu , um mit Erfolg auf den Grundlagen der Kriegsakademie weiterzubauen ! Nicht allein in Bezug auf die Qualität der Schüler, sondern auch in Bezug auf ihre Zahl ergaben die italienischen Verhältnisse nachteilige Konsequenzen . In jedem Jahre sollten 60 Schüler aufgenommen werden ; es konnten aber thatsächlich in den 13 Jahren von 1867 bis 1879 nur einbeordert werden :
55 , 60, 56, 50, 58 , 60, 60 , 62 ,
62 , 41 , 28 , 31 , 37 , so dafs 1879 statt 180 Schüler nur 96 im ganzen vorhanden waren ! Also ungefähr die Hälfte, und trotzdem der ganze Apparat von Einrichtungen und Lehrkräften ! Der Besuch der italienischen Kriegsschule soll 3 Jahre dauern : Lehrgegenstände sind : Kriegskunst, Kriegsgeschichte, Militärgeographie, Fortifikation , Topographie, Artilleriewesen, Militärverwaltung, Militärgesetzgebung, Generalstabsdienst, Reiten , Weltgeschichte, Geographie, Mathematik , italienische Litteratur, französische, englische und deutsche Sprache, Physik, Chemie und Geologie . Hiervon gehören seit dem Jahre 1869 zu den fakultativen Disziplinen : Gruppe A. im 1. Jahre : descriptive Geometrie, im 2. Jahre : descriptive und sphärische Trigonometrie und im 3. Jahre : Geodäsie ; Gruppe B. im 1. Jahre : Physik , im 2. Jahre : im 3. Jahre : Geologie und Mineralogie ;
Chemie und
Gruppe C .: die deutsche Sprache für alle drei Jahre ; Gruppe D.: die englische Sprache in gleicher Weise . Jeder Schüler mufs sich für eine dieser Grupppen entscheiden ;
alle übrigen aufgeführten Lehrgegenstände
sind
obligatorisch.
russische Sprache fehlt ganz auf dem italienischen Lehrplan , aber ist die deutsche und englische vertreten .
Die dafür
Die obligatorischen Fächer und praktischen Übungen verteilen sich auf die einzelnen Studienjahre , wie folgt :
1. Jahrgang : Mathematik, physische und politische Geographie, Fortifikation, Bau- und Planzeichnen, Artilleriewesen, italienische und französische Litteratur. Zum Schlusse des Sommersemesters : Praktische Terrainaufnahme und Kroquieren .
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Die italienische Kriegsakademie. 2.
Jahrgang :
geschichte ,
Taktik
und
Strategie ,
Fortifikation ,
Militärgeographie , Generalstabsdienst ,
graphie , italienische und französische Litteratur.
Kriegs-
allgemeine GeoIm Sommer meh-
rere Wochen lang taktische und fortifikatorische Übungen im Terrain. 3. Jahrgang : Taktik und Strategie, allgemeine Weltgeschichte , Kriegsgeschichte, Militärverwaltung, Militärgesetzgebung, Generalstabsdienst, französische Litteratur.
Zum Schlusse findet in der bei uns
üblichen Weise eine Generalstabsreise (campagna logistica) statt. Aufserdem
erhalten
die Schüler noch Unterricht im Reiten , *)
Fechten , praktischen Artilleriedienst , Telegraphie und Hippologie. Das Programm ist aufserordentlich reichhaltig , vielleicht zu reichhaltig.
Zu den bei uns auf dem Lehrplan stehenden Unterrichts-
gegenständen kommen nämlich in Italien noch als obligatorisch hinzu : Weltgeschichte , ratur ,
Geographie ,
französische Sprache und Litte-
italienische Litteratur und Militärgesetzgebung, während von
den bei uns eingeführten nur Militärrecht und Militärhygiene fehlen . Obendrein werden Strategie und Kriegsgeschichte getrennt aufgeführt, so dafs man fast annehmen könnte , in abstrakter Weise