Ismael: Israels Selbstwahrnehmung im Kreis der Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams [1 ed.]
 9783788732622, 9783788732608

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Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament

151

Thomas Naumann Ismael Israels Selbstwahrnehmung im Kreis der Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams

Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament Begründet von Günther Bornkamm und Gerhard von Rad Herausgegeben von Cilliers Breytenbach, Martin Leuenberger, Johannes Schnocks und Michael Tilly

151. Band Thomas Naumann Ismael

Vandenhoeck & Ruprecht

Thomas Naumann Ismael Israels Selbstwahrnehmung im Kreis der Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams

2018

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978–3–7887–3262–2 © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D – 37073 Göttingen www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlaggestaltung: Grafikbüro Sonnhüter, www.sonnhueter.com Satz: Melanie Laupert

Für Marina

Vorwort

Die hier vorgelegte Untersuchung ist die Frucht einer langjährigen exegetischen Beschäftigung mit der biblischen Gestalt Ismaels. Ich wurde zu diesem Thema angeregt durch ein Seminar »Unerhörte Geschichten unerhörter Frauen«, das ich 1993 gemeinsam mit Magdalene L. Frettlöh an der Universität Bern abhielt. Wir beschäftigten uns mit der biblischen Hagar, ihrer Wiederentdeckung und neuen Würdigung in der feministischen Exegese seit Mitte der 1980er Jahre, wofür die heute klassischen Hagar-Studien von Phyllis Trible und Elsa Tamez stehen. Dabei fiel mir auf, dass in ihnen die Gestalt Ismaels merkwürdig unbeachtet blieb, obwohl Abrahams Erstgeborener doch zweifellos einen wesentlichen Zielhorizont der Hagar-Episoden bildet. Erst jetzt entdeckte ich, dass Ismael und Hagar in der Bibel Verheißungen bekommen, wie sonst nur die Erzväter Israels. Hatte Elsa Tamez davon gesprochen, dass Hagar die Heilsgeschichte kompliziert macht, so ist die Frage im Blick auf Ismael noch dringlicher. Denn Ismael ist kein Stammvater Israels, sondern arabischer Völker. Für eine Ursprungserzählung Israels, in der man die eigene Identität begründet, wäre es doch völlig ausreichend, die israelitischen Ahnen Abraham, Isaak und Jakob theologisch aufzuwerten, aber nicht eine genealogische Nebenlinie? Das Erstaunen darüber hat meine Untersuchung motiviert. In ihr verfolge ich zwei schlichte Fragen: Auf welche Weise werden Hagar und Ismael in die Verheißungstheologie der Erzelternerzählungen einbezogen? Und was ergibt sich daraus für die Selbstwahrnehmung Israels im Kreis der Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams? Erste Sondierungen ergaben, dass diese Frage einen blinden Fleck in der exegetischen Landschaft markiert. Bald wurde mir auch klar, dass dieser blinde Fleck sehr viel tiefer reicht und die Rezeption der Ismaelgestalt in 2000 Jahre Christentumsgeschichte berührt, die mit Paulus (Gal 4) beginnt. In ihr figuriert Ismael als »bad guy«, als Inbegriff des feindlichen Anderen. Nachdem die Ismael-Legende im Islam positiv aufgenommen wurde, sind diese negativen Zuschreibungen im christlichen Mittelalter noch einmal verstärkt worden und sie finden sich bis heute. Hier zeigt sich, dass für die christliche Rezeption der IsmaelGeschichte immer mehr auf dem Spiel steht als der Blick auf eine Nebenfigur der Abrahamerzählung.

VIII

Vorwort

Nach einer ersten Vorstudie 1994 habe ich die Thematik in meiner Habilitationsschrift ausführlicher bearbeitet, die 1996 von der Theologischen Fakultät der Universität Bern angenommen wurde. Der schnelle Wechsel auf die Professur in Siegen und ihre besonderen Anforderungen, aber auch der Eindruck, dass manches Skizzenhafte noch intensiver bedacht werden müsste, haben die Publikation leider über Jahre verzögert. Jedoch habe ich Teilaspekte des Themas in verschiedenen Aufsätzen seit 2000 zur Diskussion gestellt. Und wenn nicht alles täuscht, hat sich die internationale Forschungslage mittlerweile durch eine größere Sensibilität für dieses Thema verändert. Nun hat mir ein Forschungssemester im WiSe 2016/17 die Möglichkeit eröffnet, meine Ismael-Studie in einer gründlich überarbeiteten und aktualisierten Fassung der Öffentlichkeit vorzulegen. Es ist ein ziemlich umfangreiches Buch geworden. Aber ich wollte die Tiefe der Argumentation nicht zugunsten schneller Lesbarkeit opfern. Wer den Aufwand der Lektüre scheut, kann sich leicht in den Resümees und Zusammenfassungen orientieren. Ich danke allen, die mich in den Jahren unterstützt, gedrängt und ermutigt haben, den »Ismael« doch noch zu veröffentlichen, zuerst meiner Frau Marina, dann zahlreichen Kolleginnen und Kollegen. Den Herausgebern Bernd Janowski, Johannes Schnocks und Martin Leuenberger danke ich für die Aufnahme in die Reihe der WMANT. Dr. Volker Hampel und Hans Hegner vom Neukirchener Verlag danke ich für freundschaftliche und bewährte Hilfe bei der Manuskriptgestaltung sowie vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Frau E. Hernitscheck und Herrn C. Spill für die unkomplizierte Zusammenarbeit. Vor allem bin ich meiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Melanie Laupert für die Mühen der Erstellung der Druckvorlage zu großem Dank verpflichtet. Die studentischen Hilfskräfte Judith Kreuz, Michael von Keutz, und jüngst Maximilian Burkard und Rika Klappert haben unermüdlich Literatur herangeschafft und bei der Registererstellung geholfen. Annette Schäfer, die kluge Managerin in meinem Sekretariat, hat das Korrekturlesen übernommen, zuletzt unterstützt von Patrick van Boven. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Ich widme dieses Buch meiner Ehefrau Marina, der wunderbaren Gefährtin meines Lebens, die mit ihrem unterstützenden Lachen akzeptiert hat, dass der »Ismael« Teil meines Lebens wurde; und dem Gedenken an meinen Vater Pfarrer Rolf Naumann (1927-2000), der mir einmal anvertraut hat, dass ihm diese abgründigen Erzählungen von Hagar und Ismael immer unheimlich geblieben sind. Siegen, im Juni 2018

Thomas Naumann

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ......................................................................................... VII Inhalt............................................................................................. IX Einführung ....................................................................................

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I. Die Bevorzugung des Jüngeren und die Nachordnung des Älteren in der Genesis ..............................................................

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II. Ismael als Kind der Verheißung ............................................... 1. Der familiäre Grundkonflikt der Abrahamgeschichte und die Sohnverheißung in Gen 15,4 2. Die Erzählstruktur von Gen 16,1-16 .................................... 3. Die Exposition (V.1) ............................................................ Exkurs: Der Name Hagars .................................................... 4. Saras Initiative ...................................................................... a) Kinderlosigkeit als soziale Notlage .................................. b) Rechtliche Fragen .......................................................... c) Hagar als zweite Ehefrau Abrahams ................................ 5. Komplikationen im Beziehungsdreieck (V.4c-6c) .................

29 35 39 41 42 45 47 51 54

6. Hagars Errettung in der Wüste – Geburtsankündigung Ismaels (V.7-14) ................................................................... 62 6.1 »Kehre zurück und lass dich unterdrücken!« (V.9) Von den Zumutungen des rettenden Gottes ................... 63 6.2 Die Mehrungsverheißung für Hagar (V.10).................... 71 6.3 Die Geburtsankündigung Ismaels (V.11)........................ 73 Exkurs: Der Name Ismaels ............................................. 80 6.4 Der Wildeselspruch (V.12) ............................................. 83 6.4.1 Wildesel und ihre Metaphorik in der Bibel .................. 86 a) Begriffe und biologische Grundlagen .............................. 90 b) Wildesel-Metaphorik – Biblische und altorientalische Befunde......................................................................... 92 6.4.2 Zur Deutung des Wildeselspruchs in Gen 16,12 ......... 105 6.4.3 ›Unaufhörliche Feindschaft‹ – Zur Rezeptionsgeschichte von Gen 16,12 .................... 110 6.5 Hagars Gottesbenennung (V.13f) ................................... 120

X

Inhaltsverzeichnis

7. Die Geburt Ismaels (V.15f) .................................................. 126 8. Gen 16 als Variation der Exodusgeschichte .......................... 128 9. Resümee: Inhaltliche und theologische Leitlinien in Gen 16 132 III. Ismael im Abrahambund (Gen 17) ......................................... 1. Israel in der Vielfalt der Völker – Zur Konzeption der Priesterschrift 2. Forschungsgeschichtliche Perspektiven ................................. 3. Struktur und narrative Einbettung von Gen 17 .................... 4. Gen 17,1-8 und der Inhalt der Abrahamberît ....................... 4.1 Bundesankündigung (V.1d-2b) ...................................... 4.2 Der innere Zusammenhang der Bundesgaben in V.4-8 .. 4.3 Abraham als Vater der Völker in Gen 17,4-6 ................. a) Bisherige Lösungsversuche ............................................. b) Zur Herkunft der universalen Abrahamkonzeption........ c) Vom Segen für die Völker zum Vater der Völker............ 4.4 Resümee ........................................................................ 4.5 Die Bundesgaben von V.7f ............................................

138 147 150 152 153 155 161 164 168 174 182 183

5. Die Beschneidungstora (V.9-14) .......................................... 189 Exkurs: Zur Beschneidung nichtisraelitischer Haussklaven ... 192 6. Isaak und Ismael im Abrahambund (Gen 17,15-21) ............ 6.1 Die Geburt Isaaks als erzähldramatischer Höhepunkt der Abrahamerzählung 6.2 Sara als Mutter Isaaks, Israels und der Völker (V.15f) .... 6.3 Abraham lacht vor Gott (V.17) ...................................... 6.4 Abraham bittet für Ismael (V.18) ................................... 6.5 Die Zuordnung von Isaak und Ismael in V.19-21 .......... a) Syntaktische und stilistische Aspekte von V.19-21 ......... b) Inhaltliche Aspekte von V.19-21.................................... c) Segen und Mehrungszusagen für Ismael in V.20 ............ 6.6 Ertrag von V.17-21 ........................................................ 6.7 Ismaels Beschneidung .................................................... 6.8 Ismael und der Abrahambund in priesterschriftlicher Perspektive ..................................................................... 6.8.1 Der Völkerkreis der Nachkommen Abrahams ............. 6.8.2 Zum Gottesbegriff in Gen 17...................................... 6.8.3 Die Bedeutung der priesterschriftlichen Erzählebene im Hinblick auf die Hagar-Ismael-Episode..................

195 196 200 206 208 209 211 214 220 225 232 233 238 241

7. Ismael im Abrahambund – Rezeptionsgeschichte ................. 241

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XI

IV. Vertreibung, Errettung und Bewahrung Ismaels und Hagars (Gen 21).................................................................................. 252 1. Geburt Isaaks als Lösung des Ausgangskonflikts (V.1-7) ....... 254 1.1 Die Geburtsnotizen Isaaks und Ismaels........................... 257 1.2 Saras Lachen (V.6f) ........................................................ 260 2. Die Vertreibung und Bewahrung Ismaels und Hagars in Gen 21,8-21 2.1 Zur Literaturgeschichte von Gen 21,8-21 ....................... 263 2.2 Die narrative Struktur von V.8-21.................................. 265 2.3 Saras Vertreibungsforderung (V.9-11) ............................ 268 2.3.1 Was sieht Sara? (V.9) ................................................... 270 Exkurs: qxcm und Feindschaft Ismaels gegen Isaak.............. 272 2.3.2 Erstgeburtsrecht für Isaak oder was fordert Sara? (V.10) 287 2.4 Abrahams Widerspruch (V.11) ....................................... 293 2.5 Der vertreibende und verheißende Gott (V.12-13) 2.5.1 Theologie der Zumutung, Anfechtung, Erprobung ..... 2.5.2 Gott fordert beide Söhne Abrahams – Gen 21 und 22 als Paralleltexte ................................... 2.5.3 Die Unterscheidung der Nachkommenslinien und die theologische Zuordnung Isaaks und Ismaels........... a) Das rezeptionsgeschichtliche Problem (Röm 9,6-12) b) Isaak – »…in Isaak soll dir Same genannt werden« (V.12d) .......................................................................... c) Ismael – »…denn dein Same ist er« (V.13b) ................... d) Zur erzählerischen Funktion der Ismaelverheißung (V.13) ............................................................................ 2.5.4 Erwählung Isaaks / Verwerfung Ismaels – oder die Zuordnung der Verschiedenen? ................................... 2.5.5 Die Frage des Landes – Welches Erbe verliert Ismael? 2.6 Die Verstoßung Hagars und Ismaels (V.14) ................... 2.7 Folge der Vertreibung – Tod in der Wüste (V.15-16)..... Exkurs: Hagar als verzagende und versagende Mutter? .... 2.8 Der als yišmāʿʾēl rettende Gott (V.17-18) ....................... Exkurs: Göttliche Rettung für den »Frevler« Ismael? ....... 2.9 Rettung und bleibende Bewahrung (V.19-21) ................ 3. Der theologische und völkergeschichtliche Horizont der Rettung Ismaels und Hagars in der Wüste ............................ 4. Analogien und Lesarten 4.1 Jes 41,8-13 als Analogie zu Gen 21................................. 4.2 Gen 21 im Jubiläenbuch ................................................ 5. Resümee ...............................................................................

294 296 299 303 305 308 310 313 316 320 328 331 334 340 341 348 350 352 355

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V. Weitere Ismaeltexte der Genesis 1. Isaak in Gen 22 – ›einziger‹ oder ›einzigartiger‹ Sohn Abrahams ............................................................................. 361 2. Abraham als Lehrer seiner Söhne und Nachkommen im ›Haus Abrahams‹ (Gen 18,19) .............................................. 368 3. ›Haus Abrahams‹ im Jubiläenbuch (Jub 20) ......................... 375 VI. Abraham als Vater Israels und nordarabischer Völker – der Abschluss der Ismaelgeschichte (Gen 25,1-18)................... 1. Die Söhne der Ketura (V.1-6) .............................................. 2. Abrahams Tod und Begräbnis (V.7-11)................................ 3. Toledot und Tod Ismaels (V.12-18)..................................... VII. Historische Zugänge 1. Die historischen ›Ismaeliter‹ und die Filiation mit Abraham 2. Südpalästina als geographischer Raum der Abrahamerzählung ............................................................................. 3. Theologiegeschichtliche Perspektiven ................................... 4. Die Frage nach dem historischen Ort ................................... 4.1 Zur Abrahamrezeption seit der Exilszeit ......................... a) Deuterojesajanische Texte .............................................. b) Ezechielbuch.................................................................. c) Tritojesajanische Texte ................................................... d) Das Bußgebet in Neh 9,6-10,1 ...................................... e) Die Chronik .................................................................. f) Jesus Sirach..................................................................... 4.2 Die Abrahamrezeption und der historische Ort der Ismael-Hagar-Geschichte ............................................... VIII. Frühjüdische Rezeptionen der Gestalt Ismaels 1. Das Jubiläenbuch ................................................................. 1.1 Ismaels Geburt ............................................................... 1.2 Ismael im Abrahambund ................................................ 1.3 Isaaks Geburt und die Vertreibung Hagars und Ismaels ........................................................................... 1.4 Abrahams Vermächtnis und Tod ................................... 1.4.1 Die Entsendung der Ismael- und Keturanachkommen in Jub 20 ..................................................................... 1.4.2 Das letzte Opferfest Abrahams .................................... 1.4.3 Abrahams Tod und Begräbnis ..................................... 1.5 Ismaels und Esaus Ausschluss aus dem Abrahambund (Jub 15,30) .................................................................... 1.6 Resümee ........................................................................

381 384 387 391 406 411 415 420 422 422 424 427 429 433 437 440 443 447 448 449 453 453 455 457 457 459

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XIII

2. Flavius Josephus .............................................................. 2.1 Ismaels Geburt .......................................................... 2.2 Bundesoffenbarung und Beschneidung...................... 2.3 Die Vertreibungsszene ............................................... 2.4 Ismael und Isaak ........................................................ 2.5 Die ethnographische Ebene – Ismael als Stammvater der Araber .................................................................

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3. Das Romanfragment des Artapanos .................................

470

4. Philo von Alexandria ....................................................... 4.1 Die Abrahamfamilie als Bildungsideal ....................... 4.2 Hagar und Ismael ......................................................

472 473 474

5. Judeo-arabische Traditionen von Hagar und Ismael ........ 5.1 Paulus und das nabatäische Hegra ............................. 5.2 Frühjüdische Traditionen von Hagar/Hegra .............. 5.3 Die Arabienreise des Paulus ....................................... 5.4 Die islamische Überlieferung .....................................

480 481 483 486 489

IX. Zusammenfassung ..............................................................

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Literaturverzeichnis .................................................................. Register ....................................................................................

507 545

Einführung

Ziel dieser Arbeit ist es, das erzählerische und theologisch anspruchsvolle Profil der alttestamentlichen Gestalt Ismaels sichtbar zu machen und zu einem grundlegenden Neuverständnis von Abrahams erstgeborenem Sohn in der Genesis zu gelangen. Obwohl bekanntermaßen Saras Sohn Isaak erzählerisch und theologisch das entscheidende Gewicht des künftigen Israel-Erben trägt, wird dessen älterer Halbbruder Ismael nicht als Kontrastbild oder Gegenfigur, sondern in gewisser Weise als Vorläufer seines Bruders Isaak aufgefasst. Dabei ist eine starke Parallelität beider Lebensgeschichten schwerlich zu übersehen: So wird Ismaels Geburt im Horizont der Verheißung eines leiblichen Sohnes an Abraham erzählt, auch er bekommt seinen Namen von Gott selbst gestiftet, wird als Miterbe der Verheißung gezeigt, im Abrahambund gesegnet und mit dem Bundeszeichen der Beschneidung versehen. Auch er muss wie Isaak die Erfahrung machen, vom eigenen Vater preisgegeben und dem Tod ausgeliefert zu sein, um dann von Gott gerettet zu werden. In alldem fällt er nicht aus Gottes Zuwendung und bleibender Fürsorge und wird zum Ahnvater eines Zwölfstämmevolkes protoarabischer Völker. Die Genesis kennt keinen Konflikt zwischen Ismael und Isaak. Einträchtig begraben beide Söhne den verstorbenen Vater Abraham in der Grabhöhle in Machpela. Doch es gibt auch ambivalente Züge: So wird Ismael nicht von Sara, sondern von ihrer ägyptischen Sklavin Hagar geboren und als »Wildeselmensch« in der Wüste aufgefasst, dessen Nachkommen in einem Konflikt-Verhältnis zu ihren Brüdern leben (Gen 16,12). Neben den Mehrungs- und Segensverheißungen für Hagar und Ismael fehlt die Landverheißung, die nur mit den Ahnen Israels ausdrücklich verbunden wird. Endlich ist die Vertreibung Hagars und Ismaels in die Wüste, wo beide alsbald vom Tod durch Verdursten bedroht sind, eine moralisch und theologisch äußerst fragwürdige Episode. Kann man Saras Wunsch, Ismael als Miterben ihres Isaaks loszuwerden, noch als Ausdruck einer aus mütterlicher Liebe entsprungenen Eifersucht verstehen, den Abraham als pater familias klar abweisen muss, so erscheint doch völlig unverständlich, warum sich Gott hinter Saras Vertreibungsforderung stellt und seinem Vertrauten Abraham diese Vertreibung seines Erstgeborenen und dessen Mutter abverlangt. Und warum schickt Gott die beiden in die Todesgefahr der Wüste, wenn er selbst sie

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Einführung

doch dort errettet? Und was hat diese brachiale Entfernung aus dem Land zu bedeuten? Mit der Abrahamerzählung konstruiert das exilisch-nachexilische Judentum seinen Gründungsmythos, in dem Abraham als Vater Israels und Vater vieler Völker erscheint. Die Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams spielen eine nicht unwichtige Rolle. Aus diesen Völkern ragt das nachmalige Israel über die Abstammungslinie Jakob-IsaakAbraham heraus. Aber die nichtisraelitischen Völker werden in der Figur Ismaels (und Hagars) in die Verheißungstheologie der Abrahamgeschichte einbezogen, wenn auch nicht in gleichgewichtiger Weise. Wie dies geschieht, wird zu zeigen sein. Ismael ist in theologischer Hinsicht die Repräsentationsfigur, an der man in Israel das Gottesverhältnis zu den nichtisraelitischen Völkern aus der Nachkommenschaft Abrahams sichtbar gemacht hat. Wer sich der biblischen Gestalt Ismael nähert, steht einigermaßen bestürzt vor einer christlichen Rezeptionsgeschichte, die von ihren Anfängen bis in das 20. Jh. in Abrahams Erstgeborenem vor allem einen Feind oder zumindest Gegner Isaaks und Gottes gesehen hat. Dem dienen einige Annäherungen, weil ich der Überzeugung bin, dass tief verankerte traditionelle Einstellungen und Sehgewohnheiten die Wahrnehmung Ismaels auch in der wissenschaftlichen Exegese der Gegenwart steuern. Über den brillanten Publizisten KARL KRAUS, der mit seinem satirischen Magazin »Die Fackel« die Wiener Gesellschaft am Vorabend des Ersten Weltkrieges aufschreckt und entlarvt, schreibt ein zeitgenössischer Beobachter: »... ein jüdischer Schriftsteller von bemerkenswertem Talent. Die Tagespresse hat sich verschworen, seine Existenz zu ignorieren, doch hat er trotzdem eine treue Lesergemeinde, die seine sarkastische Satire genießt und bei seinem brillanten Stil sich vom Schwulst und dem Pathos der österreichischen Journalisten erholt ... Er ist ein Ismael, der sich seine Zeitgenossen zu Feinden macht und in den seltensten Fällen ihre Mängel ungestraft läßt.«1

Der Hinweis auf Ismael nimmt einen damals verbreiteten und nicht erklärungsbedürftigen Sprachgebrauch auf. Ismael gilt als ein aggressiver Feind seiner Zeitgenossen, die ihm mit einer Mischung aus Abscheu und Angst gegenüberstehen? Was hier zum kulturellen Stereotyp verfestigt erscheint2, ist ein über Jahrhunderte eingeübtes und völlig selbstH.W. STEED, The Hapsburg Monarchy, London 1914, 192; zit. nach H. ZOHN, Karl Kraus, Frankfurt 1990, 28f. 2 Bereits in der frühen Neuzeit wird das theologische Feindbild durch das moralische eines aggressiven und feindseligen Außenseiters ergänzt bzw. ersetzt. Die Verbindung von Ismael mit missliebigen Journalisten findet sich schon bei PIERRE BAYLE, dictionaire historique et critique (1697), s.v. ›Agar‹. Vgl. ausführlicher u. Kap. II 6.4.3 (S. 117f.) 1

Einführung

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verständliches Verständnis der biblischen Erzählung von Abrahams erstgeborenem Sohn, jenem Bastard, den er mit der Sklavin Hagar zeugte, und der seinen Mutwillen trieb mit seinem jüngeren Bruder Isaak, dem Sohn der Verheißung, und der daher von Gott verworfen, enterbt und hinausgetrieben wurde in die Wüste, um ein Feind seiner Brüder zu sein. Ein »wilder Mensch«, wie die Bibeln der frühen Neuzeit und manchmal bis in die Gegenwart das Bild vom »Menschen wie ein Wildesel« aus Gen 16,12 übersetzen. Eine solche Typisierung wirkt auch in der schmerzhaften Selbstzuschreibung eines verzweifelten Lebens. Der schwedische Schriftsteller AUGUST STRINDBERG (1849-1912) gibt seinem ersten autobiographischen Roman den Titel »Sohn einer Magd« (1886/87), der zweite wird »Tagebuch eines Wahnsinnigen« (1987/88) heißen. Und er bemerkt an anderer Stelle: »Ich war der Sohn einer Magd, von dem geschrieben steht: ›Treibe diese Magd aus mit ihrem Sohn, denn dieser Magd Sohn soll nicht erben mit dem Sohn der Freien ...‹« 3

STRINDBERG zitiert Saras Forderung der Vertreibung Ismaels nicht nach Gen 21,10, sondern in der Fassung, die sie bei Paulus im Galaterbrief bekommen hat. Dies ist kein Zufall, denn innerhalb der christlichen Tradition hat Paulus mit seiner Allegorie der beiden Frauen Abrahams in Gal 4,21-31 die entscheidenden Maßstäbe für die christliche Rezeption der Ismaelgeschichte gesetzt. Paulus sieht in der christlichen Gemeinde in Galatien sein Evangelium der Freiheit bedroht und polemisiert gegen die dortigen Versuche, auch die Heidenchristen zur Übernahme der jüdischen Beschneidungsverpflichtung zu veranlassen. Paulus kämpft für ein Heidenchristentum ohne Beschneidung. Wer sich aus den Völkern zu Christus bekennt, muss nicht zuerst beschnitten werden, muss sich nicht unter die »Knechtschaft des Gesetzes« beugen, wie er es nennt. Den Gegensatz zwischen Freiheit und Gesetz zeigt Paulus vor allem am Status der beiden Frauen Abrahams, dann aber auch an ihren Söhnen auf. Die Sklavin Hagar verkörpert die Knechtschaft, die freie Sara die Freiheit. Und weil es dem beschnittenen Judenchristen Paulus um Freiheit von der jüdischen Mosetora vom Sinai geht, muss nun – entgegen jeder jüdischen Überzeugung – die Sklavin Hagar diesen Mosebund vom Sinai symbolisieren, während die jüdische Ahnmutter Sara für die christliche Freiheit von dieser jüdischen Tora steht. Auch im Hinblick auf die Abrahamsöhne baut Paulus auf mehreren Ebenen einen unüberbrückbaren Gegensatz auf. Ismael, obwohl namentlich nicht genannt, ist SklavinnenZit. A. STRINDBERG, Nach Damaskus, 208. Vgl. F. PAUL, Ismael, Alttestamentarische Typologie bei August Strindberg, 465-486, 468.

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Einführung

sohn, auf fleischliche Weise gezeugt, kein Kind der Verheißung, dazu Feind und Verfolger Isaaks. Isaak dagegen ist ein Sohn der Freien, aus dem Geist gezeugt, das Kind der Verheißung. Am Ende seiner Argumentation spricht Paulus seinen Adressaten in Galatien Mut zu, sich nicht dem Druck ihrer Gegner zu beugen. Und er tröstet sie mit dem Hinweis, dass die christlichen »Kinder der Verheißung« eben mit Verfolgungen leben müssen, weil schon das Verheißungskind Isaak verfolgt wurde. Aber auch damals habe Gott Ismael vertrieben und vom Verheißungserbe ausgeschlossen. Denn »Was sagt die Schrift? Treibe diese Magd aus mit ihrem Sohn, denn der Sohn dieser Magd soll nicht erben mit dem Sohn der Freien ...« (Gal 4,30). Nur an dieser einen Stelle seiner Allegorie zitiert Paulus einen Text der Genesiserzählung selbst, den er mit der Schriftbeweisformel einführt, auch wenn er kein wörtliches sondern ein abgewandeltes Zitat von Gen 21,10 bietet. Der Vertreibungsbefehl Saras und ihre Forderung nach der Enterbung Ismaels ist das Fenster, durch das Paulus die Erzählung wahrnimmt und seinem aktuellen und polemischen Anliegen dienstbar macht. Was durch dieses Fenster nicht zu sehen ist, kommt nicht in den Blick. In der rezeptionsgeschichtlichen Rückschau zeigt sich: Durch diese Allegorie ist die Ismaelgeschichte für das Christentum verloren gegangen. Paulus sieht die beiden Frauen Abrahams und ihre Söhne in einem mehrfachen und diametralen Gegensatz (Kontrastschema). Dies hat seine Wirksamkeit nicht verfehlt. Da Paulus das christliche Evangelium mit Abrahams Verheißung für Sara und Isaak verknüpft, werden Hagar und Ismael zu Symbolen der Nichtzugehörigkeit. Sie verkörpern eine Gruppe, die bekämpft und theologisch enterbt wird. Dies hat Schule gemacht. Die jeweiligen Feindbilder sind dabei austauschbar. Waren es bei Paulus Judenchristen in Galatien, die an der Beschneidung festhalten wollten, so sind es in der Exegese der Kirchenväter vielfach die Juden oder christliche Ketzergruppen, die mit Ismael verworfen werden. Bei Ambrosius und besonders einflussreich bei AUGUSTINUS wird Ismael dann zum generellen Abbild der sündigen menschlichen Natur systematisiert, das auch die Juden und alle christlichen Häretiker mit einschließt.4 So trägt Ismael das Stigma des feindlichen »Anderen«, des von Gott verworfenen Gottesfeindes, das fast nach Belieben dem politischen oder ideologischen Gegner an die Stirn geheftet werden konnte, schon lange bevor der Islam auf der Bildfläche erscheint. Das zieht sich durch die Jahrhunderte. Noch 1850 stellte eine große theologische Enzyklopädie ganz im Sinne Augustins fest:

Z.B. civ. XVI, 34 (CCL 48, 538). Vgl. zusammenfassend C. MAYER, Abraham, 1417; K. HOHEISEL, Hagar, 312. Zur patristischen Exegese von Gal 4,21-31 vgl. J.L. THOMPSON, Writing the wrongs; M. MEISER, Galater, 214-230. 4

Einführung

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Gegenüber Isaak, in dem die göttliche Gnade wirksam wird, bleibt Ismael »ein Mann der Natur, des fleischlichen Streits, ein Sclave der niederen Lebenspotenzen, dem der Eintritt in das Himmelsreich versagt ist.«5

Allerdings wird in diesem Eintrag dann auch betont, dass Isaak und Ismael in »brüderlicher Eintracht« ihren Vater begraben und dass auch Ismael »das Zeichen der göttlichen Verheißungen, die Beschneidung an sich trägt.« Aber der Adel leiblicher Abrahamkindschaft und der Beschneidung, den Ismael als erstgeborener Sohn Abrahams trägt und mit Israel verbindet, wird in der christlichen Tradition sehr selten gewürdigt, viel häufiger scharf abgewertet. Schließlich hatte man doch bei Paulus gelernt, dass wahre Abrahamkindschaft ohne Rücksicht auf Genealogie und Beschneidung gedacht werden muss und dass die Verheißungen für Abraham unter Umgehung der leiblichen Abrahamnachkommen direkt auf das Christuszeugnis und die Kirche bezogen werden können. So stellt schon JUSTIN (gest. 165 n.Chr.) in seiner Streitschrift mit dem Juden Tryphon (dial. 119,3) unmissverständlich fest: »Denn wir sind jenes Volk, das Gott dereinst dem Abraham versprochen hatte. Da er ihm verkündete, er werde ihn zum Vater vieler Völker machen, meinte er nicht die Araber oder Ägypter oder Idumäer, obwohl ja auch Ismael Vater eines großen Volkes war, ebenso Esau.«6

Bei Justin fallen alle leiblichen Nachkommen Abrahams aus der Abrahamskindschaft heraus. Dies traf in erster Linie die Juden, denen gotteslästerlicher Beschneidungshochmut vorgeworden wurde, erst in zweiter Linie die nichtisraelitischen Abrahamnachkommen, in späteren Jahrhunderten dann auch die Muslime. Noch hinter der rhetorischen Kraftanstrengung, mit der etwa MARTIN LUTHER die leibliche Abrahamskindschaft und die Beschneidung als Zeichen des Bundes abwertet, kann man unschwer die tiefe heidenchristliche Verunsicherung erkennen, in diese alttestamentlich doch so klar entwickelte Abstammungsund Bundesgemeinschaft Abrahams, die Isaak und Ismael biblisch verbindet, doch gar nicht zu gehören.7 Mit dem Aufkommen des Islams und seiner positiven Rezeption des biblischen Ismael als Ahn nordarabischer Völker tritt neben den Gottesfeind nun der machtvollen Gegner aus der Wüste. Nach Gen 25,12ff gilt Ismael als Vater einer Reihe von Stämmen der nordarabischen Wüste. Wer sich im biblischen Weltbild orientiert, sieht die Araber als Ismaeliten an. Zu Beginn des 7. Jh. n. Chr. bildet 5

S. MAYER, Art. Ismael, Kirchenlexikon oder Encyklopädie der katholischen Kirche und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5, Freiburg 1850, 861. 6 Zit. nach BKV (P. Haeuser), online unter www.bkv.de (12.6.2017). Vgl. die Neuausgabe (2005), 232. Zur Sache vgl. A. RUDOLPH, »Denn wir sind jenes Volk …«. 7 So z.B. M. LUTHER, Genesis, 1067ff; DERS., Von den Juden und ihren Lügen, 21ff.

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sich der Islam heraus. Sein arabischer Prophet Muhammad übernimmt Ismael (arab. Ismā‘īl) als positive Identifikationsfigur und Vermittler des Erbes Abrahams (Ibrāhīm), wahrscheinlich aus den Traditionen von seit langem in Arabien (Medina) ansässigen Juden. Und er begründet seine Sendung als Wiederherstellung der Religion Abrahams. Nach dem Koran reinigen und erneuern Ibrāhīm und Ismā‘īl als erste Muslime die Kaaba in Mekka.8 Die islamische Erzähltradition verlegt das göttliche Rettungsgeschehen in der Wüste von Beerscheba (Gen 21) in die Nähe von Mekka, lässt Ismael den heiligen Brunnen ZamZam finden und Hagar mit ihrem Sohn im Tal von Mekka siedeln. Ein Teil der Wallfahrtsbräuche werden neben Abraham auch mit Hagar und Ismael verbunden, deren Gräber direkt neben dem Kaaba-Heiligtum verehrt werden. Wer heute nach Mekka pilgert, ist im Erinnerungsraum der Erzählung von Abraham, Hagar und Ismael unterwegs.9 Darüber hinaus beachtet die islamische Auslegung der Bibel sehr genau die göttlichen Verheißungen, die Hagar in Gen 16,9-12 und 21,18-21 und Abraham in Gen 17, 20 und Gen 21,13 in Bezug auf Ismael erhalten und deutet sie als Ankündigungen der Sendung Muhammads, der als Nachkomme Ismaels und wahrer Sohn Abrahams verstanden wird.10 Für die christlichen Lesarten der Ismaelgeschichte hatte dies Folgen. Denn das biblische Bild vom wildeselgleichen Ismael aus der Wüste schien wie geschaffen, um den machtpolitischen Siegeszug des Islams im 7. und 8. Jh. zu verstehen. Aus dem theologischen Ketzertypus ›Ismael‹ wird nun auch eine politische Feindmetapher, in der sich die Abscheu vor dem Gottlosen mit der Angst vor dem politisch (über-)mächtigen Gegner verbindet. Aller Goldglanz und Weihrauchduft, den die Antike mit einem glücklichen Arabien verband, war dahin. Ismael, der »Wildesel« und »wilde Mensch« aus der Wüste, hatte sich aufgemacht, die christliche Welt zu erobern. Das bis heute unterschwellig wirksame Bild, das sich eine erschreckte Christenheit bereits im 7. und 8. Jh. vom Islam und von den Arabern bildet, arbeitet sich an der Gestalt Ismaels ab und bezieht Trost aus dessen biblisch-paulinischer Verwerfung.11 Die 8

Sure 2,124ff. Zur Abraham- und Ismaelrezeption im Koran vgl. grundlegend H. SPEYER, Die biblischen Erzählungen im Qoran, 120-186; ferner K.-J. KUSCHEL, Streit um Abraham, 168-208; F. EISSLER, Abraham im Islam; M. BAUSCHKE, Spiegel des Propheten. Zur nachkoranischen islamischen Tradition vgl. R. FIRESTONE, Journeys in Holy Lands; H. BUSSE, Islamische Erzählungen von Propheten und Gottesmännern, 107128. Zur islamischen Rezeption Ismaels vgl. jüngst C. TIESZEN, Ishmael. 9 R. HASSAN, Islamic Hagar and Her Family, 149-170. 10 Die wichtigste traditionelle Quelle bietet Ali al-Ṭabarī. Vgl. W. BRINNER, The History of al-Ṭabarī, Bd. 2; eine deutsche Übersetzung und Interpretation bei H. STIEGLECKER, Glaubenslehren des Islam, 541-544. 11 Für diesen frühen Zeitraum detailliert aufgearbeitet von E. ROTTER, Abendland und Sarazenen. Zum allgemeinen Problem vgl. ferner C. COLPE, Historische und theologische Gründe für die abendländische Angst vor dem Islam, 11-38; T. NAUMANN, Feind-

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Kreuzzüge werden gegen die Ismaeliten, die Söhne Ismaels geführt, gegen Sarazenen: von Sara vertriebene Leute, gegen Hagarenen: Abkömmlinge der Hagar.12 Man wird sich nicht wundern, dass Papst Urban II. seinen Aufruf zum 1. Kreuzzug am 26. November 1095 auf der Synode von Clermont u.a. mit Gal 4,30 begründet. Das paulinische »Vertreibe diese Magd und ihren Sohn. Der Sohn der Magd soll nicht erben mit dem Sohn der Freien.« soll nun zur Unterstützung der Orientalischen Kirchen und zur Rückeroberung der Heiligen Stätten motivieren.13 Die jüdische Tradition bietet eine größere Bandbreite an Verständnismöglichkeiten der Hagar-Ismael-Erzählung. Die frühjüdischen Quellen (Philo, Josephus, Jubiläenbuch) kennen eine so scharfe Kontrastierung zwischen Isaak und Ismael nicht, sondern eher eine Abstufung (Stufenmodell). Doch sieht schon die frührabbinische Tradition Ismael überwiegend als Feind und Rivalen Isaaks (tṢota 6,6), allerdings in derselben Familie, so dass sich im Midrasch gelegentlich auch Positives findet.14 Doch insgesamt bekommt Ismael auch in der rabbinischen und später in der mittelalterlichen jüdischen Tradition das Image eines ausgemachten Frevlers. Angesichts einer so ungewöhnlich vielfältigen und belasteten Rezeption der Gestalt Ismaels, die Selbstverständnis und die Konzeption von Abrahamkindschaft dreier Religionen mindestens mittelbar berührt, ließe erwarten, dass sich die kritische Bibelwissenschaft besonders sorgfältig mit den Hagar-Ismael-Texten der Genesis auseinandersetzt. Denn die offensichtliche Bevorzugung des jüngeren Bruders Isaak als Ahnvater Israels sowie die Vertreibung Hagars und Ismaels und Ismaels Charakterisierung als »Mensch wie ein Wildesel« bilden nur einen Aspekt dieser ambivalenten biblischen Erzählungen. Ein anderer liegt etwa darin, dass mit Hagar und Ismael Geschichten von göttlichem Erhören und Gottes Rettung erzählt werden. Diese Protagonisten gehören fest in die Verheißungsgeschichte der Erzelternerzählungen hinein, wenn auch nicht in gleicher Weise wie die Vorfahren Israels. Die aus Abrahams Haus in die Wüste flüchtende Hagar bekommt von Gott gesagt, dass aus ihrem Samen ein großes Volk werden soll, so zahlreich, dass es nicht zu zählen ist (Gen 16,10). Die angekündigte Geburt Ismaels ist Jhwhs rettende Antwort auf Hagars Sklavinnennot. In dem Namen Ismael, den Gott selbst bestimmt, ist diese Rettung eingeschrieben: Ismael bedeutet »Gott erhört«. Dreimal wird in Szenen göttlicher Erhörung das Bedeutungspobild Islam, 19-36. 12 Zu Herkunft und Verbreitung dieser Begriffe vgl. E. ROTTER, Abendland und Sarazenen; P. CRONE / M. COOK, Hagarism; A. HILLHORST, Ishmaelites, Hagarenes. 13 Vgl. U. BERNER, Ketzer und Heiden, 11-24. 14 C. BAKHOS, Ismael at the Border; DIES., The Family of Abraham; sowie ihre Einträge in EBR.

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tential des Ismael-Namens variiert (Gen 16,11f; 17,18.20; 21,17-19). Im Bundesschluss mit Abraham wird auch Ismael ausdrücklich mit dem grandiosen Segen wunderbarer Mehrung seiner Nachkommen bedacht (Gen 17,20). Und er wird von Abraham mit dem Bundeszeichen der Beschneidung versehen. Noch die aus dem Haus Abrahams in die Wüste Vertriebenen erfahren wiederum göttliche Rettung vor dem nahen Tod, die Erneuerung der Verheißung, ein großes Volk zu werden sowie die dauerhafte Fürsorge Gottes für Ismael und seine Nachfahren (Gen 21, 13.18.20). Außer der Landverheißung werden alle Themen der Väterverheißungen explizit auch mit Hagar und Ismael verbunden. Einen Bruderkonflikt zwischen Ismael und Isaak kennt die Genesis nicht. Dies alles wird erzählt, obwohl Ismael im genealogischen Aufriss der Genesis als Ahnvater arabischer Stämme genannt wird, also historisch und politisch wahrnehmbare Gruppen verkörpert, die nicht zu Israel gehören. Hagar und Ismael sind die einzigen Empfänger von ›Väterverheißungen‹ außerhalb der Israel-Linie. Warum wird solches in Israel erzählt? Schon dieser scharfe Kontrast zwischen Verheißung auf der einen und Vertreibung bzw. Enterbung auf der anderen Seite drängt eigentlich zur Beantwortung der Frage, wie Hagar und Ismael in der Abrahamerzählung näher charakterisiert werden und wie das Verhältnis von Ismael und Isaak und ihrer jeweiligen Nachkommenslinien narrativ organisiert und theologisch bedacht wird. Interessanterweise hat sich die alttestamentliche Wissenschaft mit diesen Fragen kaum näher beschäftigt. Auch sie kennt, wie schon Paulus, nur ein Kind der Verheißung: Isaak. Allzu klar scheint, dass Ismael als Gegenpol zu Isaak figuriert, als dunkler Schatten, der die Erwählung Isaaks erst sichtbar macht. So habe ich es selbst immer wieder gehört und gelesen. Ismael sei nicht aufgrund einer Verheißung geboren, sondern das unwillkommene Ergebnis eines kleingläubigen Misstrauens gegenüber Gottes Verheißung, letztlich Verrat an Gott. Zwar sei Ismael auch Abrahams Sohn, aber doch ein Bastard, der einem illegitimen Verhältnis mit einer Sklavin entsprang. Deshalb sei er von Gott aus dem Abrahambund ausgeschlossen worden (Gen 17,15-21). Und da Ismael nach der Wundergeburt Isaaks auch in der göttlichen Heilsökonomie keine Rolle mehr spielt, sei er nur folgerichtig mit seiner Mutter aus dem Land vertrieben worden. Er ist genealogisch und theologisch »ein Seitentrieb, der aus der Verheißungslinie ausscheidet«, wie es im vielgelesenen Genesis-Kommentar VON RADs15 heißt. Bei wechselnden Fragestellungen und Argumenten bestimmt das (paulinische) KontrastModell der (schroffen) Entgegensetzung der Söhne Abrahams auch die G. VON RAD, Genesis, 152. G. VON RAD ist auch darin exemplarisch, weil er sich nicht nur um eine historisch kulturgeschichtliche, sondern auch um eine theologische Deutung der Erzählung bemüht.

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wissenschaftliche wie praktische Exegese der Ismaeltexte bis in unsere Tage. Ein neueres Beispiel mag dies illustrieren. Im ersten Band der 1996 erschienenen ›Biblischen Enzyklopädie‹ gibt der für seine innovativen Thesen bekannte Kopenhagener Alttestamentler LEMCHE die folgende Zusammenfassung der Ismaelgeschichte, die dann allerdings recht traditionell ausfällt: Nachdem Abraham und Sara im verheißenen Land leben, »fehlt aber noch die Erfüllung des zweiten Teils der Gottesverheißung: der Sohn Abrahams. ... Doch ein Sohn von Abram und Sarai bleibt noch aus. So versuchen die beiden der Zusage Gottes nachzuhelfen, und sie erhalten mit Hilfe einer ägyptischen Nebenfrau, der Sklavin Hagar, den erwünschten Sohn, Ismael (Gen 16). Gott zu hintergehen, ist jedoch schwierig. Zunächst kommt es zu einer Erneuerung des Bundes ... Der Versuch Abrahams, die Verheißung eines Sohnes durch seine Liaison mit Hagar selbst zu erfüllen, scheitert erbärmlich und wird von Gott schroff mit dem Hinweis abgetan, dass diese Verheißung fest an Abraham und Sara geknüpft sei (Gen 17,15-22). ... Außerdem wird sie (Sara) bald schwanger, was zur Folge hat, dass Ismael, der Sohn Abrahams und Hagars, nun zu einem Problem wird: Was soll mit ihm geschehen? Soll er als ältester Sohn Abrahams die Verheißung Gottes weitertragen? Nein, er wird mit seiner Mutter von seinem Vaterhaus vertrieben und muss sich in einem fremden Land niederlassen, wo er seinerseits Stammvater eines Volkes – der Ismaeliter – wird (Gen 21,1-21).«16

Wie stark diese vertraute ›Nacherzählung‹ bereits interpretiert, zeigt sich an den Bewertungen wie an der Auswahl der wiedergegebenen Details. Während die Geburt Isaaks als Folge der Gottesverheißung gilt, ist diejenige Ismaels die Folge eines eigenmächtigen Versuchs Saras und Abrahams, die Verheißung selbst erfüllen zu wollen und damit Gott zu betrügen. Abrahams Zweitehe mit Hagar wird zur Liaison mit einer Konkubine abgewertet. Doch dies lasse sich Gott nicht gefallen und daher schließe er Ismael schroff aus dem Abrahambund aus. Die Vertreibung aus dem Vaterhaus, aus dem Land Kanaan wird als Vertreibung aus dem Gotteserbe der Verheißung, das allein Isaak gilt, aufgefasst. Unabhängig davon, ob die hier erwähnten Texte diese Interpretationen tragen können, verlautet kein Wort von Verheißungen und Rettungserfahrungen, die Hagar und Ismael in den biblischen Texten gelten und dass Gottes Fürsorge in Gen 21 auch den Vertriebenen gilt. Auch in den sonstigen exegetischen Analysen der Genesistexte oder der Väterverheißungen, die nicht zu summarischer Knappheit verpflichtet sind, werden Hagar und Ismael als eigenständige Verheißungsträger kaum wahrgenommen. Die ihnen geltenden vier göttlichen Zusagen (Gen 16,10f; 17,20; 21,13.18) werden sofern sie überhaupt genannt werden, nicht bewertet, oft auch übergangen oder einfach unter die auf

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N.P. LEMCHE, Die Vorgeschichte Israels, 12f.

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die Volkwerdung Israels hinzielenden Gotteszusagen an die Erzväter Israels subsumiert. Ein eigenständiges theologisches Gewicht für diejenigen, denen sie gelten, können diese Verheißungen nicht beanspruchen. So kommentiert WESTERMANN die in Gen 16,10 s.E. nachgetragene Mehrungsverheißung an Hagar: »Wenn in späterer Zeit die Mehrungsverheißung auch Hagar und damit den Nachkommen Ismaels zuerkannt wird, so kommt darin die Bedeutung des Vaters Abraham zum Ausdruck.«17 In keinem Lehrbuch der alttestamentlichen Theologie des 20. Jh., in keinem (christlichen) Kommentar zur Genesis wird den Verheißungen an Hagar und Ismael irgendein theologischer Eigenwert für die Personen bzw. die Gruppe, der sie doch erkennbar gelten, zuerkannt.18 Ungünstig für eine nähere Wahrnehmung des theologischen Gehalts der Ismaelepisode hat sich auch die im 20. Jh. verbreitete überlieferungsgeschichtliche Hypothese ausgewirkt, nach der in der Ismaelgeschichte Reste von Stammessagen eines alten Volkes der Ismaeliter verarbeitet und überliefert wurden. So konnten positive Züge der biblischen Darstellung leicht als Rudimente uralter ismaelitischer Selbstcharakterisierung angesehen werden, die in Israel zwar noch tradiert, theologisch aber weder beachtet noch verstanden wurden.19 Diese Theorie hat die Wahrnehmung der Hagar-Ismael-Episoden als Selbstaussage Israels und als Teil des israelitischen Erzelternmythos verhindert. Dies war die Situation, als ich in den 1990er Jahren anfing, die Thematik zu bearbeiten. Inzwischen hat sich das Bild etwas gewandelt. Hierzu gehört zum einen die Wiederentdeckung der Hagar-Figur in der von Frauen betriebenen Exegese seit Mitte der 1980er Jahre.20 Aber auch im Blick auf Ismael sind mittlerweile eine Reihe von exegetischen 17

Zit. Genesis, 293; G. VON RAD und H. GUNKEL übergehen in ihren Kommentierungen Gen 16,10 ganz. 18 Konsultierte »Theologien« bzw. vergleichbare Lehrbücher sind die von W. EICHRODT, G. V RAD, T. VRIEZEN, G. FOHRER, W. ZIMMERLI, C. WESTERMANN, W.H. SCHMIDT, H.D. PREUß; A. GUNNEWEG; W. BRUEGGEMANN; O. KAISER. Eine Ausnahme bildet in gewisser Hinsicht jedoch H. SEEBASS, Gott, 69ff, ders., Vätergeschichte I, z.St., der sich im Horizont der paulinischen Reflexion (Röm 9,6ff) mit Gen 21 befasst und auch den Verheißungen für Ismael ein relatives Recht lässt, wenngleich auch bei ihm Ismael deutlich aus dem Geschehen von Bund und Erwählung ausgegrenzt wird. 19 Das Modell ist grundgelegt in H. GUNKELS Genesiskommentar (1910) und hält sich bis in die neueren Kommentare von C. WESTERMANN (1981), J. SCHREINER (1985) und L. RUPPERT (1992). Seit den Arbeiten von E.A. KNAUF, Ismael (1985), kann dieses Modell als widerlegt gelten und spielt in der gegenwärtigen Debatte auch keine Rolle mehr. 20 Hier wäre nach den frühen Arbeiten von P. TRIBLE (1984) und E. TAMEZ (1986) eine Vielzahl von Arbeiten zu nennen. Für den deutschsprachigen Raum möchte ich nur auf die Monographien von I. FISCHER (1992), N. HEINSOHN (2010) und M. EGGER (2012) hinweisen.

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Arbeiten erschienen, die nach neuen und angemesseneren Wegen im Verständnis der biblischen Gestalt Ismaels suchen.21 Inzwischen hat sich die Perspektive auf Entstehung und historischen Hintergrund der Hagar-Ismael-Geschichte in der Pentateuchdiskussion gewandelt. Für die theologische Programmatik der kanonischen IsmaelEpisoden spielt die priesterliche Erzählebene eine tragende Rolle, die in spätexilische oder frühnachexilische Zeit datiert wird. Aber auch die vorpriesterlichen Literatur- bzw. Kompositionsstufen der Abrahamerzählung werden heute eher in spätkönigzeitlicher oder exilischer Zeit gesucht. Damit ist jedenfalls der Weg frei, neu danach zu fragen, warum man in Israel (genauer: im antiken Juda seit der spätvorexilischen Zeit) in der kanonisch gewordenen Weise von Hagar und Ismael erzählt hat und warum diese Episoden Teil der israelitischen Ursprungserzählung in der Tora geworden sind. Auch die historische Beurteilung der ethnischen Größe, die in der Bibel ›Ismaeliter‹ genannt wird, und als deren Ahnvater Ismael zum Sohn Abrahams geworden ist, hat sich verändert. So haben WEIPPERT und vor allem KNAUF wahrscheinlich gemacht, dass der biblische Name ›Ismaeliter‹ auf eine Konföderation protoarabischer Stämme bezogen werden kann, die in neuassyrischen Quellen unter dem Namen šumuʾil bezeugt ist. Dieser Stämmebund hat vom 8.-6. Jh. v. Chr. bestanden.22 Aus diesem Befund ergibt sich, dass vor dem 8. Jh. der Begriff ›Ismaeliter‹ zur Bezeichnung ›protoarabischer‹ Wüstenstämme in Israel nicht zur Verfügung stand. Eine israelitische Erzählung, die Ismael als Eponym eines solchen Stämmeverbands und zugleich als Sohn Abrahams ansieht, setzt nicht nur einen wie auch immer gearteten Kontakt Israels zu den šumuʾil, sondern auch seine genealogische Ausprägung in der Filiation Abraham-Ismael und ihre theologische Reflexion im Zusammenhang der eigenen Ursprungserzählung voraus. Der durchschlagende Erfolg der historischen Arbeiten KNAUFs hat es allerdings mit sich gebracht, dass sich die exegetische Rückfrage nach dem biblischen Ismael vor allem auf die historische Erforschung der (Proto-)Araber in den biblischen Texten fokussiert und damit auch begrenzt. Dabei bleiben die mit Hagar und Ismael verbundenen narrativen und theologischen Implikationen im Blick auf die Selbstwahrnehmung Israels als hervorge-

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Neben meinen eigenen Arbeiten vgl. T.B. DOZEMAN, The Wilderness and Salvation (1998); C. LEVIANT, Parallel lives (1999); S. NIKAIDO, Hagar and Ishmael (2001), A. DE PURY, »Ecumenical« Ancestor (2000), K. SCHMID, »abrahamitische Ökumene« (2009); J. WÖHRLE, Isaak und Ismael (2011); D. ZUCKER, Ishmael and Isaac (2012); C. HEARD, On the Road to Paran (2014). 22 E.A. KNAUF, Ismael. Ein Großteil der Stammesnamen der Ismaeliter aus Gen 25,1316 findet sich auch in den assyrischen Quellen als Mitglieder der Konföderation. Vgl. ferner M. WEIPPERT, Kämpfe 39-85; DERS., Art. Isamme, RLA V, 172f.

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hobener Teil der Abstammungsgemeinschaft Abrahams unterbelichtet.23 Insofern versteht sich meine Studie als notwendige Ergänzung der historischen Arbeiten KNAUFs. Zur exegetischen Neuorientierung im Hinblick auf die Genesis gehört auch die Neubewertung ihrer universalen Komponente. Durch ein raffiniertes System genealogischer Bezüge sowohl in der Urgeschichte als auch in der Erzelternerzählung sowie durch die Parallelisierung der Bundesschlüsse mit Noah und allem Leben (Gen 9) sowie mit Abraham und seinen Nachkommen (Gen 17) hat sich Israel in den Horizont der von Gott geschaffenen Völkerwelt eingeschrieben und in diesem Zusammenhang seinen besonderen Platz und die Segenskraft seines Gottes in Bezug auf die Völkerwelt bestimmt.24 Partikulare und universale Linien kreuzen sich in der Gestalt Abrahams, der nicht nur Ahnvater Israels ist, sondern auch Vater Ismaels und Großvater Esaus. Sein von Gott neu verliehener Name ›Abraham‹ wird mit der Funktion verbunden, Vater eines unermesslichen Gewimmels von Völkern zu werden (Gen 17,4f). Auch der Universalismus der Erzelternerzählungen gehört nicht ins (nomadische) Milieu der Frühgeschichte, um dann später von einem partikularistischen Konzept der Religion Israels abgelöst zu werden.25 Religionsgeschichtlich verdankt er sich der Weiterentwicklung universaler Konzeptionen der Gerichtsprophetie und der Jerusalemer Königsideologie unter den besonderen Bedingungen des persischen Weltreichs, in dem sich Israel in nachexilischer Zeit vorfand. Ohne diese universale Ausweitung des Horizonts kann sinnvoll auch nicht von ›Partikularismus‹ gesprochen werden.26 Im Schnittpunkt partikularer und universaler Linien in der Abrahamerzählung sind die mit Ismael verbundenen Verheißungen und theologischen Bewertungen besonders interessant, weil sie auf nichtisraelitische Gruppen bezogen werden können. Denn weder Esau noch andere ›nichtisraelitische‹ Glieder der abrahamitischen Abstammungsgemeinschaft werden in der Genesis mit den Verheißungen bedacht, die sonst den Ahnen Israels gelten, ausgenommen Hagar und Ismael.

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Dies lässt sich eindrucksvoll an den Einträgen zu »Ismael« in den neueren Lexika und biblischen Enzyklopädien studieren, die nahezu alle aus der Feder E.A. KNAUFs oder in seinem Gefolge U. HÜBNERs stammen. Vgl. E.A. KNAUF in ABD, DDD, EBR und U. HÜBNER in NBL und WiBiLex. E.A. KNAUF (Universität Bern) danke ich für eine Reihe hilfreicher Kommentare und Gespräche zu meinen Überlegungen. 24 Vgl. F. CRÜSEMANN, Menschheit und Volk. 25 So noch H. GRAF REVENTLOW, ›Internationalismus‹ in den Patriarchenüberlieferungen, 354-370. 26 Vgl. R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 441, im Blick auf Deuterojesaja: »Die universalisierende Öffnung der Jahwereligion hebt ... die besondere partikulare Gottesbeziehung Israels nicht auf, sondern hat diese zu ihrer bleibenden Voraussetzung.«

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Aus der skizzierten Situation ergibt sich die Aufgabe der vorliegenden Studie, die Abrahamerzählung der Genesis daraufhin zu untersuchen, wie in ihr Hagar und Ismael näher charakterisiert werden und wie das Verhältnis der durch Isaak und Ismael symbolisierten Nachkommenslinien narrativ organisiert und theologisch bedacht wird. Was könnte es für das Selbstverständnis Israels bedeuten, dass die Geschichte so und nicht anders erzählt wird? Da von keinem biblischen Text die Geschichte seiner Rezeption ablösbar und weil diese im Fall Ismaels besonders lehrreich ist, ist die Auslegung durch eine besondere Wachsamkeit für die Rezeptionsgeschichte geprägt, die ich zu herausgehobenen Textstellen exkursartig erarbeitet habe. Die vorliegende Untersuchung ist methodisch durch einen synchronen Zugang zu den Texten bestimmt. Ein synchroner Zugang behauptet nicht die literarische Einheitlichkeit der Texte im literaturgeschichtlichen Sinn, sondern die Sinnhaftigkeit ihrer Endgestalt. Dies erlaubt eine neue Perspektive auf Verknüpfungen, kompositionelle Verbindungslinien und Dramatisierungen, die bei der traditionellen Zerlegung in hypothetische Schichten und Quellen gar nicht mehr in den Blick kommen. So ist es z.B. für an deutschsprachigen Universitäten gut ausgebildete AlttestamentlerInnen heute immer noch kaum möglich, Gen 15-21 als eine fortlaufende Erzählung zu lesen, also anzunehmen, dass Gen 16 als Fortsetzung von Gen 15 und Gen 17 die Geschichte von Gen 16 weiter erzählt. Mir scheint, dass dieser schlichte Sachverhalt neu gelernt zu werden verdient. Synchron zu lesen, heißt auch der Versuchung zu widerstehen, Texte, die sich der eigenen Interpretation nicht fügen, auf dem Weg literaturgeschichtlicher Hypothesenbildung für irrelevant zu erklären. Dies bedeutet nicht, ›Spannungen‹ und ›Widersprüche‹, die seit jeher Anlass zu literarkritischen Lösungen bieten, zu harmonisieren, sondern sie auf der gleichen Textebene in einer fruchtbaren Spannung verstehend auszuhalten. Ein großer Vorteil synchroner Lektüre besteht darin, dass die Textgrundlage gegeben und daher für alle Lesenden einsichtig und überprüfbar ist und nicht erst hypothetisch hergestellt werden muss. Der Verzicht auf textgenetische Stratifizierungen ist zudem dann kein Nachteil, wenn die synchrone Lektüre zu Erkenntnissen verhilft, die auch diachrone Untersuchungen neu beleben können. Die Thesen, die ich im Hinblick auf die Ismaelkonzeption vorlege, sind m.E. nicht abhängig von der Akzeptanz eines bestimmten Textentstehungsmodells. Auch wenn ein literaturgeschichtlicher Beitrag zur Pentateuchfrage nicht beabsichtigt ist, sollen diachrone Fragestellungen nicht gänzlich ausgeblendet werden. Hinweise auf diachrone Auswertungen von Textbeobachtungen begleiten die Interpretation, ebenso die Unterscheidung, nicht Scheidung, von priesterschriftlichen und nichtpriesterschriftlichen Texten. Nur diese ist m.E. innerhalb der Hagar-Ismael-Episoden sinn-

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voll. Auch die hier verfolgte synchrone Interpretationsweise versteht sich als historisch-kritische Exegese. Es geht um die Beschreibung und Interpretation der Abrahamerzählung im Kontext des antiken Israels, das diese Erzählung in exilisch-nachexilischer Zeit hervorgebracht und literarisch ausgestaltet hat. In einem eigenen Kapitel wird daher versucht, Möglichkeiten der historischen Verortung der erarbeiteten Ismaelkonzeption im Kontext des exilisch-nachexilischen Israel auszuloten. Die forschende und deutende Leidenschaft der Interpretierenden finden ihre Grenze und ihr Maß am Text der Erzählung. Den Sinn, den ein historischer Autor (Erzähler, Redaktor usw.) mit seinem Text verbunden sehen wollte, der sensus auctoris, ist uns anerkanntermaßen verschlossen. Gegenstand unseres Fragens ist der Erzähltext und sind die Aussagedimensionen, die er durch das System seiner Zeichen ermöglicht. Auch Erzähltexte führen keine eindeutigen Bedeutungen mit sich, die von jedem Leser, sofern er nur sorgfältig genug wahrnimmt, gewissermaßen objektiv am Text gewonnen werden können. Sie sind offene Gewebe, die unterschiedliche Lesarten zulassen. Insofern erhebt die vorliegende Arbeit nicht den Anspruch, gleichsam objektiv die Intentionalität der Texte ausloten zu können. Ihr Anspruch ist bescheidener, nämlich in forschender Verantwortung gegenüber der vorfindlichen Textgestalt und gegenüber den gegenwärtigen Erkenntnismöglichkeiten zu einer Interpretation zu gelangen, die vom Zeichenbestand des Textes gedeckt wird und die historisch plausibilisiert werden kann. Der gleiche Text ist auf verschiedene Weise lesbar, ohne dass er einfach die Projektionsfläche subjektiver Ideen und Wünsche werden muss. Es ist aber meine Überzeugung, dass der gegebene Zeichenbestand eines Textes auch bestimmte Lesarten verunmöglicht. Auch dies gilt es heraus zu arbeiten und dies ist die Ebene, auf der sich der notwendige Diskurs der Interpretationen bewegt. Ich erinnere an ein Diktum des jüdischen Philosophen MARTIN BUBER, das m.E. auch trotz der rezeptionsästhetischen Wende in den Literaturwissenschaften seine Gültigkeit nicht eingebüßt hat. Buber beginnt seinen Essay »Abraham der Seher« mit den Worten: »Ich will hier nicht davon reden, was hinter der biblischen Erzählung steht, sondern davon, was in ihr steht … Was hinter der biblischen Erzählung steht, wird, da uns andere Quellen nicht gegeben sind, die Wissenschaft stets nur vermuten können; was in ihr steht, aus ihr zu erschließen, ist uns gewährt.«27

Die zentrale These dieser Arbeit sei hier bereits kurz skizziert. M.E. bietet die Abrahamerzählung eine inklusive Sicht der Söhne Abrahams in einer Erzählung, in der ein spannungsvolles und ambivalentes Geflecht 27 M. BUBER, Abraham der Seher (1939), 873f.

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aus Nähe und Fremdheit beider Abrahamsöhne und ihrer Mütter sichtbar wird. Die Erzählung lässt keinen Zweifel daran, dass der narrative und theologische Zielhorizont auf Isaak liegt. Denn in den Erzelternerzählungen ist der jeweils jüngere der Brüder der Erbe und Träger der Erwählung Israels. Dies zeigt sich im familiendramatischen Aufriss der Abrahamerzählung, im Wunder der späten Geburt im 100. Lebensjahr Abrahams ebenso wie in der Schwere der Todesbedrohung, die Isaak durch den Vater zu bestehen hat (Gen 22). Die Ismaelepisoden jedoch ordnen sich dem jeweils vorbereitend zu. Das betrifft die Geburt Ismaels im Horizont der Sohnverheißung an Abraham (Gen 15,3f), die Namensverleihung durch Gott ebenso wie die paradoxe Erfahrung, von Gott (durch den Vater) in den Tod geschickt und in letzter Not von ihm gerettet zu werden. Die theologischen Bewertungen Ismaels betonen Nähe und Vergleichbarkeit zu Isaak, und zwar im vollen Bewusstsein der genealogisch-völkergeschichtlichen Dimensionen dieses Ahnvaters. Sie zielen nicht auf Gleichrangigkeit, wohl aber auf eine abgestufte Zuordnung der verschiedenen Abrahamsöhne in einer gemeinsamen Segens- und Bundeskonzeption. Die Verschiedenheit wird nicht zum Verschwinden gebracht, dient aber auch nicht zur Ausgrenzung und Diffamierung des anderen. In der Erzählung artikuliert sich eine Theologie, welche im Modell versöhnter Verschiedenheit die Wirksamkeit der Gotteszuwendungen an Abraham auf den Kreis der leiblichen Nachkommen Abrahams bedenkt, deren nichtisraelitischen Teil die Gestalt Ismaels als Vater verschiedener arabischer Völker repräsentiert. Es ist rezeptionsgeschichtlich bemerkenswert, dass sich eine inklusive Interpretation Ismaels in den ältesten jüdischen Wahrnehmungen der Erzählung in jeweils verschiedener Weise erhalten hat. Dies trifft für die ganze Bandbreite des geistigen Spektrums des hellenistischen Judentums zu: Von PHILO VON ALEXANDRIEN und FLAVIUS JOSEPHUS als den Exponenten eines hellenistisch orientierten Judentums bis zum Jubiläenbuch, einer eher antihellenistisch und protopharisäischen Paraphrase der Genesis aus dem 2. Jh. v. Chr., die u.a. in der Gemeinschaft von Qumran in hoher Geltung stand. Aber auch hier gehören Ismael und seine Nachkommen zur Abrahamgemeinschaft, die genealogisch und theologisch bedacht wird. Die selbstverständliche Höhergewichtung des israelitischen Ahnvaters Isaak wird in einem Stufenmodell sichtbar, dem Hagar und Ismael zugeordnet werden und nicht – wie im gängigen Kontrastmodell – ausgeschlossen. Für ein exklusives Kontrastmodell bietet der Galaterbrief des Paulus das älteste sicher datierbare frühjüdische Zeugnis. Diese frühe vor- und nebenpaulinische Rezeptionsgeschichte der Ismaelgeschichte der Genesis nachzuzeichnen, ist Aufgabe des letzten Kapitels. In diesen Zeugnissen liegt m.E. ein wesentliches historisches Argument für historische Wahrscheinlichkeit der hier vorgetragenen inklusiven Interpretation der Ismaelgeschichte. Auch die

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islamische Beheimatung in der Geschichte Abrahams, die das Motiv eines Bruderkonflikts zwischen Isaak und Ismael nicht kennt, hat in historisch religionsgeschichtlicher Perspektive ein inklusives Verständnis der Hagar-Ismael-Geschichte zu ihrer Voraussetzung, zu der auch eine genealogische und theologische Reflexion der im Ahnvater Abraham begründeten »jüdisch-arabischen Völkergemeinschaft« gehört. Dem Verfasser dieser Studie ist bewusst, dass die Bedeutung seines Themas weit über die exegetische Arbeit hinausragt und bedeutsam ist für unterschiedliche Felder gegenwärtiger theologischer Diskurse: Bedeutsam für das Problem der Erwählung im Rahmen einer biblisch verantworteten Systematischen Theologie. Bedeutsam für die Frage der christlichen Wahrnehmung des Islams, die auch die kritische Aufarbeitung der Geschichte dieser Wahrnehmung mit einschließt, nicht zuletzt für die Begegnung der drei abrahamitischen Religionen. Noch immer begegnen im fundamentalistischen Spektrum des Christentums Haltungen, wonach der Islam mit seiner Beheimatung in Ismael und Abraham nichts als theologische Erbschleicherei begangen habe und Ismael der wilde Feind aus der Wüste bleibt. Manche Beobachter und Beteiligte des Nah-Ost-Konflikts resonieren von der ewigen oder archetypischen Feindschaft zwischen Isaak und Ismael. Andere beschwören das Bild der versöhnten Brüder an Abrahams Grab. Auf unterschiedlichen Ebenen wird die Bedeutsamkeit der biblischen Konfigurationen von Ismael und Isaak, Hagar und Sara für den Dialog der drei »abrahamitischen« Religionen breit diskutiert und findet Gegner wie Befürworter.28 Auch hier entsteht die Frage, ob die gemeinsame Rückbindung dieser drei Religionen an Abraham die heute dringliche Verständigung und friedliche Konvivenz eher erleichtern kann oder eher doch erschwert. Diese in sich 28

Ich möchte hier exemplarisch nur auf wenige Werke hinweisen, die sich der Bedeutung der biblischen Ismaelgeschichte in der Gegenwart explizit stellen: K.-J. KUSCHEL, Streit um Abraham. Was Christen und Muslime trennt und was sie eint, 1994; NICCACCI (ed.), Divine Promises to the Fathers in the Three Monotheistic Religions, 1995; B. KLAPPERT, Abraham eint und unterscheidet. Begründungen und Perspektiven eines nötigen »Trialogs« zwischen Juden, Christen und Muslimen, 1996; DERS. / M. STÖHR, Das Bekenntnis zu dem einen Gott in der Vielfalt der Gottesbilder bei Juden, Christen und Muslimen, 2000. M. GÖRG, Abraham als Ausgangspunkt für eine »abrahamitische Ökumene«, 2002; T. MAALOUF, Arabs in the Shadow of Israel. The Unfolding of God’s Prophetic Plan for Ishmael’s Line, 2003; U. BECHMANN, Abraham. Beschwörungsformel oder Präzisierungsquelle? Bibeltheologische und religionswissenschaftliche Untersuchungen zum Abrahamparadigma im interreligiösen Dialog, mschr. Habil. Bayreut 2004 (eine leider unveröffentlichte, mit dem Augsburger Friedenspreis ausgezeichnete Arbeit); P. TRIBLE, L.M. RUSSEL (ed.), Hagar, Sarah and Their Children; 2006; B. SCHRÖDER, Abrahamische Ökumene?, 2008; U. WORSCHECH, »Ich will Ismael segnen!«, 2011 [meine Rez. in Theologische Revue, 110 (2014) H. 3]; B. KLAPPERT, Der NAME Gottes und die Zukunft Abrahams, 2018.

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wiederum vielfältigen Perspektiven werden in der vorliegenden Arbeit aus naheliegenden Gründen nicht thematisiert. Ich habe mich hierzu an anderer Stelle schon geäußert29 und werde dies auch weiter tun. Das Anliegen dieser Studie ist ein exegetisches, indem sie die IsmaelHagar-Geschichten innerhalb der alttestamentlichen Abrahamüberlieferung im Kontext des antiken Israel zu verstehen sucht und damit ein Stück exegetische Grundlagenarbeit leisten will. Auch das Wort »theologisch« ist deshalb im historisch deskriptiven Sinn, nicht im normativen Sinn gebraucht. Dies schließt ausdrücklich ein, dass auf diese Weise Einsichten und Modelle ans Licht treten, die für eine gegenwärtig verantwortete christliche Theologie, die sich auf das biblische Zeugnis verwiesen sieht, interessant und weiterführend sind. M.E. bietet die Abrahamgeschichte der Genesis mit ihrer Vorstellung der versöhnten Verschiedenheit der Söhne und Völker im Haus Abrahams und unter dem Segen und der Verheißung des Gottes Abrahams eine ganze Reihe von theologischen Möglichkeiten, die der Erinnerung wert sind, ohne dass dabei die historische Eigenart dieser antiken Texte und Denkmodelle hermeneutisch naiv eingeebnet werden dürfte oder müsste. Modelle versöhnter Verschiedenheit, in der Gemeinsamkeiten wie Unterschiede in einer fruchtbaren Spannung ausgehalten werden können und die ohne die Alternative Ich oder Du, also ohne diametrale und exklusive Kontrastmodelle, auskommen, werden m.E. gerade auf der Ebene von Theologie und Religion im 21. Jahrhundert dringend benötigt. Der Prozess der Verständigung mit dem Ziel friedlicher Konvivenz braucht nicht nur theoretische Fundierungen und kreative Ideen zur praktischen Begegnung, sondern auch symbolische Repräsentationen und spirituelle Quellen der Kraft. Zu diesen Quellen gehört meiner Überzeugung auch die frühjüdische Erzählung von Abraham, von seinen Frauen, seinen Söhnen und den Völkern aus seiner Nachkommenschaft, wie sie im ersten Buch der Bibel kanonisch geworden ist.

29

Vgl. VERF., Die Biblische Verheißung für Ismael als Grundlage für eine christliche Anerkennung des Islam? (2002); DERS., Streit um Erbe und Verheißung? Der Fall Ismaels in der Genesis und in der christlichen Rezeptionsgeschichte (2004).

I. Die Bevorzugung des Jüngeren und die Nachordnung des Älteren in der Genesis

Die Episoden von Hagar und Ismael sind in der Genesis in ein strukturbildendes Erzählmuster vom Vorrang des Jüngeren und der Nachordnung des Älteren eingebunden. Die auf Israel hinführende Verheißungs- und Segenslinie führt jeweils nicht über den älteren, sondern über den jüngeren Bruder. Ismael als erstgeborener Sohn Abrahams ist so wenig wie Esau, der Erstgeborene Isaaks, der Träger des Israelerbes. Im Horizont der Väterfamilienerzählungen liegt das erzählerische und theologische Schwergewicht auf dem Jüngeren: So wird die Geburtsankündigung Isaaks in den Bundesschluss Gottes mit Abraham auf dem Höhepunkt der Abrahamgeschichte gelegt und in der Wundergeburt Isaaks durch die 90-jährige Sara im 100. Lebensjahr Abrahams verwirklicht (21,1-7). An seinem Lebensende in Gen 25 wird Abrahams Nachkommenschaft mit insgesamt drei Frauen aufgelistet, aber er gibt »all seine Habe« dem Isaak (Gen 25,6, vgl. 24,36). Und nur von Isaak wird gesagt: »Und nach dem Tod Abrahams segnete Gott Isaak, seinen Sohn« (Gen 25,11). Ihren prägnantesten Ausdruck erfährt die Zurücksetzung des älteren Bruders sicherlich in der Jakobgeschichte, in der Esau sein Erstgeburtsrecht an den Jüngeren verkauft (Gen 25) und von diesem auch noch um den väterlichen Segen betrogen wird (Gen 27). Aber solche Figurationen finden sich noch mehrfach und durchziehen die Genesis. Zu denken ist an Kain, der als Erstgeborener zum Mörder seines Bruders wird, während die Genealogie der Menschheit dann bei Set, dem dritten Sohn Adams, noch einmal neu einsetzt. Bei den beiden Frauen Jakobs wird die jüngere Rahel als Mutter Josefs und Benjamins gegenüber der älteren Lea klar bevorzugt und auch die Josefsgeschichte ist auf die jüngeren Söhne Josef, Juda und Benjamin fokussiert, während der Erstgeborene Ruben sich selbst durch den Beischlaf mit Bilha, der Nebenfrau Jakobs, diskreditiert (Gen 35,22). Jakobs Segen der beiden Söhne Josefs bevorzugt wiederum den jüngeren Efraim, und dies trotz des Einspruchs Josefs (Gen 48). Außerhalb der Genesis begegnet das Motiv bei Mose und Aaron, bei den Aaronsöhnen Nadav, Abihu, Eleasar und Itamar (Lev 10,1-5.6-20), bei Gideon und seinen Brüdern (Ri 6,11-24), bei Samuel sowie mehrfach pointiert in den Davidüberlieferungen. Die Bevorzugung des Jüngeren ist der Leserschaft der Bibel so vertraut, dass sie sich selten die Schärfe des Gegensatzes zu den altorienta-

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lischen und auch biblisch bezeugten Lebensverhältnissen klar macht. Denn danach hat der erstgeborene Sohn eine unvergleichliche Bedeutung und Stellung in der Familie. Er gilt als idealer Repräsentant der patriarchalen Stammlinie. An seinen Status sind neben einer besonderen Verantwortung für die Familie und ihren Fortbestand auch besondere Rechte und Privilegien geknüpft.1 Der sterbende Vater legt die Familiengeschicke in die Hand des älteren Sohnes und segnet ihn, so wie es der alte Isaak mit Esau tat (Gen 27). Der erstgeborene Sohn erhält einen Sonderanteil am Erbe (Dtn 21,15-17), womöglich oblag ihm die Pflicht der Altersversorgung der Eltern und der Pflege des Ahnengedenkens bzw. des Totenkults. Der natürliche Erstgeborene ist damit Garant für das Fortbestehen und Wohlergehen der Familie in der Generationenfolge. Jakob begrüßt beim Abschiedssegen seinen ältesten Sohn mit den Worten: »Ruben, mein Erstgeborener bist du, meine Stärke, der Erstling meiner Manneskraft, ein Übermaß an Hoheit und ein Übermaß an Stärke.« (Gen 49,3) Die genealogischen Listen auch in der Genesis laufen über den männlichen Erstgeborenen. Und im sakralrechtlichen Kontext kommt der tierischen und menschlichen Erstgeburt eine besondere Bedeutung zu, die zu opfern oder auszulösen ist, weil das Erste das Beste ist. Und selbst vom Volk Israel kann gesagt werden, dass es »Gottes erstgeborener Sohn« sei (Ex 4,22, vgl. Jer 31,9). Zu all dem steht die betonte Bevorzugung des Jüngeren in einem denkbar scharfen Kontrast. Denn der Jüngere bekommt den Vorrang und damit die Rolle, die in der sozialen Welt des antiken Israel dem Älteren gebührt. Zur Erklärung dieses Motivs sind eine Vielzahl von Theorien formuliert worden:2 Die Bevorzugung des jüngeren Bruders könnte ein populäres Erzählmotiv sein, das sich vielfach in den späteren sogenannten Brüdermärchen findet, wo der jüngere Bruder zum Helden und Retter wird. Frühe Vorformen könnten im ägyptischen Brüdermärchen oder in der mythischen Konstellation von Horus und Seth, dem hethitischen »Märchen von Appu und seinen zwei Brüdern« oder auch im ugaritischen Kirta-Epos aufgefunden werden. Doch erklären diese vereinzelten Hinweise noch nicht die Häufigkeit dieser Konstellation in der biblischen Überlieferung. Die ältere Forschung sah in der Bevorzugung des Jüngeren Hinweise auf einen frühisraelitischen Rechtsbrauch, den Letztgeborenen beim Erbe zu bevorzugen. Diese rechtsgeschichtlich frühe Ultimogenitur sei erst später durch die Primogenitur abgelöst worden.3 1

Nach Dtn 21,15-17 etwa beträgt das Erstgeborenenrecht den doppelten Anteil am väterlichen Erbe. Einen Sonderanteil für den erstgeborenen Sohn belegen auch babylonische Privatrechtsurkunden der altbabylonischen Zeit. Vgl. M. TSEVAT, ThWAT I, 645f; C. GERBER / D. VIEWEGER. SWB, 114f. 2 Zur Forschungsgeschichte s. E. FOX, Stalking the Younger Brother, 45-68; B. HENSEL, Die Vertauschung des Erstgeburtssegens, 5-18. 3 So E. JACOBS, Junior-Right in Genesis: Archaeological Review 1 (1888), 331-342

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Diese Linie suchte HENNINGER mit dem Nachweis zu stärken, dass die vorislamischen Araber eine erbrechtliche Bevorzugung des erstgeborenen Sohnes nicht gekannt hätten.4 VAN SETERS meinte, die Primogenitur sei im Alten Orient nicht so festgelegt, so dass der Vater je und je entscheiden konnte, wen er zum Erben macht. Dies würde die Genesis noch festhalten5. DE VAUX bestreitet dies und sieht die Fälle von der Ultimogenitur eher als »Zeichen des Konflikts zwischen dem rechtlichen Brauch und dem Gefühl der Zuneigung, das der Vater gegenüber dem Kind seiner alten Tage empfand.«6 Mittlerweile zeigt die rechtsgeschichtliche Forschung, dass es für eine allgemein postulierte frühe Ultimogenitur keine Quellenbasis gibt, sondern dass die Sonderstellung des älteren Bruders bei aller Varianz im Einzelnen weithin akzeptierte Rechtspraxis war, so wie sie in der Genesis (vgl. Gen 27) und in Dtn 21,15ff ja fraglos auch vorausgesetzt wird: »It is clear … that the right of the firstborn was a principle which was widely recognized in the ancient Near East from the beginning of the second millenium BCE onwards.«7 In jüngerer Zeit hat GREENSPAHN noch einmal ausführlich dargestellt, dass sich das Motiv nicht aus der Rechtspraxis ableiten lässt, sondern die im Alten Orient weithin übliche Primogenitur deutlich konterkariert.8 Näher liegt hingegen eine erwählungstheologische Interpretation, wonach sich in der Bevorzugung des jüngeren Bruders Israels Selbstwahrnehmung und seine Erwählungstheologie ausspricht, wie sie klassisch in Dtn 7,6bf formuliert wird: »Dich hat Jhwh, dein Gott, aus allen Völkern auf der Erde für sich erwählt als sein eigenes Volk. Nicht weil ihr zahlreicher wäret als alle anderen Völker, hat sich Jhwh euch zugewandt und euch erwählt – denn ihr seid das kleinste von allen Völkern –, sondern weil der Herr euch liebte und weil er den Eid hielt, den er euren Vätern geschworen hat.«

Das hier formulierte dtn. Erwählungsverständnis begründet die Identität Israels in der erwählenden Liebe seines Gottes, der nicht auf den natürlichen Rang oder auf die Stärke und Leistung Israels achtet, sondern der sein Volk als das kleinste unter den Völkern erwählt hat. Fraglos kompensiert dieses Erwählungsverständnis die geschichtlichen Erfahrungen politischer Macht- und Hilflosigkeit, die das antike Israel unter = ND: E. JACOBS, Studies in Biblical Archaeology, London 1894, 46-63. 4 J. HENNINGER, Zum Erstgeburtsrecht bei den Semiten, 162-183. 5 J. VAN SETERS, Abraham, 88-95. 6 R. DE VAUX, Lebensordnungen, Bd. I, 79. 7 E. DAVIES, The Inheritance of the Firstborn, 177. 8 F.E. GREENSPAHN, When Brothers Dwell together, 9-83. Eine weitere historische These nimmt ihren Ausgangspunkt bei der Königwerdung Davids und Salomos, die als jeweils jüngere Brüder den Thron besteigen. Der Ursprung des Motivs liege im Bestreben, diese ungewöhnlichen Thronfolgen zu legitimieren.

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wechselnden Oberherrschaften seit dem 8. Jh. v. Chr. machen musste. Drei der in Dtn 7 genannten Aspekte begegnen in den narrativen Variationen der Genesis wieder: Zum einen wird der Jüngere in den Brüderkonstellationen nicht einfach nur bevorzugt, sondern diese Bevorzugung wird göttlich legitimiert. Es ist Gott selbst, der die Umkehrung des Erstgeburtsrechts bestimmt bzw. zulässt und durch Verheißung und Segen etabliert. Die Favorisierung des Jüngeren wird aber nicht mit den besonderen Qualitäten des Jüngeren oder einem Makel des Älteren begründet. Sie ist grundlos und liegt in der freien Entscheidungsmacht Gottes und nicht in einem besonderen Verhalten des Jüngeren. Zwar scheinen manchmal die jüngeren Brüder ihr Geschick in die eigene Hand nehmen zu wollen (wie Jakob in Gen 27), aber die göttliche Bevorzugung des Jüngeren ist hiervon nicht abhängig. Drittens geht es um die Besonderheit des Gottesverhältnisses im Kreis anderer Völker und damit um die Identität Israels in der Begegnung mit seinen Nachbarn. Die Erwählung Israels setzt einen universalen Horizont voraus, insofern die Erwählung Israels nicht nur aus den Völkern, sondern auch für die Völker gedacht wird (Dtn 7,6f; 10,14f; 14,2; Jes 41,8). Israel muss sich seiner Erwählung im Kreis anderer Völker und Gruppen als würdig erweisen.9 Diese Völkerperspektive ist besonders in der Konstellation Ismael/Isaak und Esau/Jakob signifikant ausgearbeitet, weil hier die älteren Söhne als Stammväter nichtisraelitischer Völker vorgestellt werden (Gen 25; 36). Sie scheint aber auch die Josefsgeschichte zu prägen, insofern die Figuren wie Josef, Juda, Manasse und Efraim auch auf politische Größen innerhalb Israels zu verweisen scheinen. Wahrscheinlich geht es in der Josefsgeschichte auch um innerisraelitische Legitimation und um das Austarieren unterschiedlicher Gruppeninteressen. Auch hier wird das Motiv von der Vorordnung des Jüngeren eingesetzt: »Der Konflikt um das Erstgeburtsrecht findet innerhalb Israels statt.«10 Es hat viel für sich, die Variationen des Motivs in der Genesis (und auch in der Davidüberlieferung) als narrative Ausprägung eines spezifischen Erwählungsverständnisses Israels zu interpretieren, wie dies etwa KAMINSKY in einer Studie zum gesamtbiblischen Erwählungsverständnis getan hat.11 Das Erzählmotiv sei eng verbunden mit »Israel’s sense of her late-born status«12 unter den anderen Völkern. Es porträtiere Israels Machtlosigkeit in der Geschichte, die Unmöglichkeit, sich seiner eigenen Verdienste zu rühmen und seine gänzliche Verwiesenheit auf Gottes Souveränität. Gott schaut in freier Souveränität eben auf den 9

Vgl. S. VRIEZEN, Theologie des Alten Testaments, 72, sowie besonders H.D. PREUSS, Theologie des Alten Testaments, Bd. II, 305. 10 B. HENSEL, Die Vertauschung des Erstgeburtssegens, 17. Anm. 45. 11 J.S. KAMINSKY, Biblical Concept of Election, Nashville 2007. 12 J.S. KAMINSKY, ebd., 77.

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jüngeren Bruder, ohne dass dieser sich diesen Status verdienen müsste. Man könnte hierfür auch noch auf das Motiv der Kinderlosigkeit der Patriarchenfrauen verweisen, das die Unmöglichkeit der natürlichen Geburtenfolge pointiert in Szene setzt. Die Betonung der freien Souveränität Gottes hat nun aber auch zur Folge, dass der ältere Bruder in den Erzählungen zwar untergeordnet, aber weder moralisch noch theologisch diskreditiert wird, weil er diese Nachordnung nicht verschuldet hat und auch nicht zu verantworten hat. Dies wird besonders in der Ismaelgeschichte sichtbar, die zwar einen Konflikt zwischen den Frauen Abrahams, aber keinen zwischen den Söhnen Ismael und Isaak kennt. Zwar ist im Auge zu behalten, dass der dtn. Begriff der Erwählung (bhr) in der Genesis nie als solcher Verwendung findet, aber die erzählten Konfigurationen scheinen eine Erwählungskonzeption im Hintergrund zu haben oder zumindest eine »Erwählungsdebatte«, die u.a. in Dtn 7,6f sichtbar wird. Das bisher Erarbeitete wird durch neuere Arbeiten, von denen hier vier vorgestellt werden sollen, im Wesentlichen bestätigt. 1994 legte GREENSPAHN13 eine umfassende und die bisher genaueste Untersuchung der unterschiedlichen Konstellationen des Motivs vor. Er führt zum einen den überzeugenden Nachweis, dass sich das Motiv nicht aus rechtlichen Bestimmungen oder aus einer frühgeschichtlichen Situation herleiten lässt, warnt aber zugleich davor, die narrativen Figurationen zu einlinig zu interpretieren. Die Nachordnung des Älteren vor den Jüngeren ist ein komplexes literarisches Motiv, das die Beziehung Gottes zu seinem erwählten Volk ins Bild setzt, aber auch vielfältig variiert, so dass in unterschiedlichen Konstellationen auch Unterschiedliches ausgesagt werden kann, weil es eine Vielzahl von Sinnpotentialen umfasst. Gemeinsam ist diesen Varianten die Reflexion der Erfahrung von Benachteiligungen bei gleichzeitiger Hoffnung auf unerwartete Zuwendung Gottes. Dies kann auf der individuellen wie auf der völkergeschichtlichen Ebene in ganz unterschiedlichen Sachzusammenhängen durchgespielt werden. Die Bestreitung einer einheitlichen Textpragmatik bei der Verwendung des Motivs ist ein wichtiges Ergebnis der Studie GREENSPAHNs, weil dies dazu zwingt, die Konfigurationen am jeweils konkret erzählten Beispiel zu beobachten und nicht von vermeintlichen Parallelen aus anderen Zusammenhängen zu beurteilen. Für die Ismael/Isaak-Konstellation besagt dies etwa, dass nicht schon deshalb mit einem Konflikt der beiden Brüder gerechnet werden muss (von dem der Bibeltext nichts weiß), weil von Esau und Jakob, Kain und Abel oder 14 Josef und seinen Brüdern Bruderkonflikte erzählt werden. Die Vertrei13

F.E. GREENSPAHN, When Brothers Dwell Together. Die Rubrizierung der Ismael/Isaak-Konstellation unter Bruderkonfliktgeschichten der Genesis ist immer noch weithin üblich. 14

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bung Hagars und Ismaels (Gen 21) bildet auch keine Parallele zu Kains unsteter Existenz und damit auch keinen Anlass für eine vergleichbare moralische Bewertung der beiden Charaktere. Während GREENSPAHN Aspekte politischer Legitimation in den Genesiserzählungen eher abweist, stehen sie in den Arbeiten von SYRÈN und HEARD ganz im Vordergrund. HEARD erkennt in dem Motiv die »dynamics of selection and diselection«15. Er untersucht die Konstellationen Lot/Abraham, Ismael/Isaak, Jakob/Esau sowie Jakob/Laban und zeigt, dass die Genesis nicht scharf zwischen Erwählung und Verwerfung unterscheidet. Der »diselected brother« wird nicht im theologischen Sinn als »verworfener« aufgefasst, sondern ohne erkennbaren Grund, aber auch ohne Stigmatisierung nachgeordnet. Die Erwählung geschieht inmitten keinesfalls eindeutiger, sondern ambiguitär und uneindeutig erzählter Verhältnisse, sodass sich der Vorrang des Jüngeren erst nach und nach einstellt. Der Prozess der Erwählung durch Jhwh vollzieht sich aber ganz unabhängig vom Handeln der Brüder und gründet in einer nicht ableitbaren göttlichen Entscheidung. Alle vier »diselected brothers« sind Repräsentanten von Nachbarvölkern (Lot = Moab und Ammon; Ismael und Hagar = Araber und Ägypter; Esau = Edomiter; Laban = Mesopotamien). Die in der achämenidischen Zeit redigierte Vätergeschichte versuche die Identität Israels und die Sonderstellung Jehuds in der nahen Völkerwelt zu begründen. Der sichtbar werdende souveräne Erwählungswille Gottes sei theologisches Leitmotiv und politisches Motto theokratischer Kreise im nachexilischen Juda und entspreche gewissermaßen dem achämenidischen Machtanspruch, der über vielen Völkerschaften steht. Mit der Bevorzugung des Jüngeren konstruiere Israel ein Unterscheidungskriterium gegenüber den anderen Völkern. Nur Jhwh bestimmt, wer erwählt oder verworfen wird. Aber auch die nichterwählten Völker sind Teil des Reiches. Der scharfen Trennung zwischen »selected« und »diselectic brother« liegt nach HEARD ein Identitätskonzept der nachexilischen Tempelgemeinde zugrunde. Kritisch wird man einwenden können, dass HEARD »diselection« als zu scharfen Kontrastbegriff auffasst, so dass gegen seine Intention die alte Dichotomie von Erwählung/Verwerfung wieder zum Vorschein kommt. Eine mindestens mittelbare Bedeutung der Genesis für die Identitätskonstruktion Israels in der nachexilischen Gemeinde steht in der gegenwärtigen Forschung außer Frage, ebenso die völkergeschichtliche Bedeutung der Erzelterngeschichten, wie sie sich nicht zuletzt in den Genealogien abbildet. Aber die Bevorzugung des jüngeren Bruders wird in der Genesis und auch sonst theologisch nicht durch die »Verwerfung« des älteren begleitet. Nach biblischen Verständnis meint Erwählung die freie göttliche Wahl und Heraushebung in ein besonde15

R.C. HEARD, Dynamics of Diselection.

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res Gottesverhältnis, in einen besonderen Status. Der Status der »Nichterwählten« bleibt davon unberührt. Nichterwählte gelten nicht als von Gott verworfen, sondern kommen nur nicht in den Genuss oder unter die Last (vgl. Am 3,1) einer besonderer Erwählung. Nur ein zuvor Erwählter wie König Saul kann auch von Gott verworfen werden.16 Zwar liegen auf dem Jüngeren das Schwergewicht an Verheißung und Segenszusagen, aber auch der Ältere bleibt im Raum göttlicher Zuwendung, wenn auch in abgestufter Form. Eindrucksvoll zeigt sich dies in den theologischen Aussagen über Ismael wie in denjenigen über Manasse in Gen 48,17. Beide werden ihren jüngeren Brüdern Isaak bzw. Efraim deutlich nachgeordnet. Beide werden gleichwohl mit der Verheißung, Vater eines großen Volkes zu werden, und mit bleibender Fürsorge Gottes bedacht. Der Unterschied in der Abstufung zwischen Erwähltem und Nichterwähltem ist nicht derjenige von Erwählung und Verwerfung, sondern derjenige von »größer« und »groß«. Jakob begründet gegen Josefs Ansinnen, den Erstgeborenen mit seiner rechten Hand zu segnen, die Wahl des jüngeren Efraim folgendermaßen: »Ich weiß, mein Sohn, ich weiß. Auch dieser (Manasse) wird zu einem Volk werden, und auch er wird groß sein. Aber sein jüngerer Bruder wird größer sein als er, und seine Nachkommen werden zu einer Menge von Völkern werden.« (Gen 48,19) Eine vergleichbare Abstufung findet sich auch in Gen 17 im Hinblick auf Ismael und Isaak. Das Modell, das hier Pate steht, gründet vielleicht doch im Erbrecht, wobei alle männlichen Erben Anspruch auf ihren Anteil haben, der Erstgeborene aber zusätzlich einen Sonderanteil erhält. Nur dass der Jüngere hier in den Rang des Erstgeborenen rückt. Die Art und Weise, wie die marginalisierten Erstgeborenen in den literarischen Konstellationen behandelt werden, steht im Zentrum des Interesses von SYRÉNs Studie über den »Forsaken First-Born«. Darin untersucht er besonders die benachteiligten Erstgeborenen Ismael, Esau, Ruben und Manasse und zeigt, dass es in den Geschichten keinesfalls um das Thema Verwerfung oder Stigmatisierung des Nichterwählten geht. In diesen Konstellationen und besonders in der Ismael-Konfiguration, auf die sich das Interesse richtet, nicht um den Gegensatz von Erwählung/Verwerfung, sondern um die bleibende Zuordnung des »forsaken first-born« als »also-son« und Teil einer größeren Gemeinschaft. Zwar läuft die Hauptlinie der Verheißungen über die jüngeren Brüder Isaak und Jakob, insofern diese in jeder Generation wiederholt und bekräftigt werden. Vgl. die Aufnahmen der Zusagen aus Gen 12 in Gen 16

Vgl. W. DIETRICH / C. LINK, Die dunklen Seiten Gottes I, 53-64. M.E. bildet die einzige Ausnahme in der Bibel die Salbungsgeschichte Davids (1Sam 16), wo der von Samuel bevorzugte älteste Davidbruder Eliab als von Gott verworfen (V.7) bezeichnet wird, ohne zuvor erwählt worden zu sein.

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22; 26,24 (Isaak) und Gen 32,9-12 (Jakob). Aber die jeweils älteren Brüder werden auch mit göttlichen Mehrungszusagen oder einem autoritativen Segen bedacht.17 Diese Segen stehen jedoch im Dienst der Unterscheidung gegenüber dem Jüngeren, auf dem mehr und größerer Segen liegt.18 Die in der Bevorzugung des Jüngeren liegende Abgrenzungstendenz wird in den Erzählungen aber nicht dazu genutzt, die Älteren als »Verworfene« zu stigmatisieren. Sie bleiben Teil der Familie und unter Gottes Obhut (Gen 21,13: »Auch Ismael ist dein (Abrahams) Same.«), haben aber keinen Anteil an der mit der Bevorzugung des Jüngeren verbundenen und auf Israel hinführenden besonderen Segenslinie. Die Genealogien in Gen 25 und 36 zeigen, dass sich die göttliche Mehrungszusage für Ismael und Esau gewissermaßen schon in ihrer Generation erfüllt, während die Erfüllung der Israelverheißung noch aussteht. Im Fall von Ismael und Esau werden später noch ihre Ehen mit den »Frauen des Landes« als Unterscheidungskriterium eingeführt (Gen 26,34; 28,6-9), während die Idealehen der Erzväter der Israellinie, Isaak und Jakob, mit Frauen aus Mesopotamien geschlossen werden. So werden Ismael und Esau Väter größerer Völkergruppen in der Nachbarschaft Israels. Und selbst Ruben kommt später während der Landnahme eine führende Rolle zu (Jos 1,14; 4,12). Die Brüderkonfliktkonstellation zwischen Esau und Jakob enden nicht im Streit, sondern in versöhnter Verschiedenheit an unterschiedlichen Siedlungsplätzen. Das Konzept der göttlichen Erwählung im Erzählmotiv wird nach SYRÉN in der Genesis durch die Vorstellung einer darüber hinaus gehenden Gemeinschaft von Völkern begleitet.19 In dieser Völkergemeinschaft steht die auf Israel hinführende Genealogie im Zentrum, aber die nichterwählten Erstgeborenen stehen für Nachbarvölker, die genealogisch zugeordnet und nicht ausgegrenzt werden. Daher sieht SYRÉN in diesem Motiv nicht Ausgrenzung, sondern Zuordnung. Er betont wie auch HEARD die völkergeschichtliche Dimension und schreibt den Erzählungen eine orientierende Funktion bei der Neugründung jüdischer Identität in nachexilischer Zeit zu. Auch deshalb, weil sich besonders in den priesterschriftlichen Texten ein Universalismus ausspricht, der in ähnlicher Form auch bei Deutero- und Tritojesaja zu finden ist. So sei in der nachexilischen Zeit der historische Kontext für solche narrativen Konfigurationen zu finden. Die Idee des auserwählten Volkes wird in der Genesis nicht gegen andere Völker narrativ inszeniert, anders als etwa in Dtn 7, sondern inmitten und mit den anderen Völkern. Während 17

Vgl. Ismael in Gen 16,10; 17,20; 21,13.17, Esau in Gen 25,23 jeweils mit Gott als Sprecher, sowie Manasse in Gen 48,15-19 und Ruben in Gen 49,3-5 jeweils mit Jakob als Sprecher. 18 So bei Ismael in Gen 17,20; 21,12f; bei Esau in Gen 25,23; bei Manasse in Gen 48,19 und bei Ruben in Gen 49, 3-5. 19 SYRÉN, Forsaken First-Born, 144f.

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HEARD die identitätsstiftende, politische Funktion des Motivs vom bevorzugten Jüngeren vor allem in der Stärkung des israelischen Selbstbewusstseins gegen andere Völker sieht, als Schwächling unter den Völkern, von Gott erwählt zu sein, betont SYRÉN zu Recht, dass die Erwählung Israels in der Genesis bleibend auf den anderen, den »forsaken firstborn« angewiesen bleibt. Dies zeichnet er knapp in die Debatte um die Identität Israels in nachexilischer Zeit ein. Die Untersuchung von HENSEL20 bestätigt diese Tendenzen, versucht aber insbesondere die Textbasis für das Vorkommen des Motivs in der Genesis zu erweitern21 und deutlich zwischen universaler und innerisraelitischer Differenzierung in der »Josef-Juda-Geschichte« zu unterscheiden. Die Bevorzugung des Jüngeren bearbeite das Konzept der Erwählung und des Erstlingstums Israels, indem es das auch in Israel bedeutsame Erstgeburtsrecht aushebelt und neu definiert. Der Erstling wird nicht durch natürliche Geburt, sondern durch Gottes freie Wahl bestimmt, die ohne Rücksicht auf die Qualität des Menschen geschieht. Aber von Gott erwählte Erstlinge müssen sich ihrer privilegierten Position unter den Brüdern würdig erweisen, müssen also einen Prozess der Qualifizierung durchlaufen. So sei Israels »Erstlingstum« an sein Verhalten gekoppelt, aber nicht so, dass Fehlverhalten die Erwählung hinfällig machen würde. Mit dem Motiv mache Israel anschaulich, dass es seine Sonderrolle nicht einer natürlichen Überlegenheit verdankt, sondern allein einer radikalen Verwiesenheit auf seinen Gott und dessen Handeln. Dabei machen die genealogischen Linien deutlich, dass es nur in der Hauptlinie »Israel« mit dem Segen Jhwhs im verheißenen Land weitergeht, während die potentiellen Erben Kain, Lot, Ismael, Keturasöhne und Esau außerhalb des Landes verortet werden. Anders als SYRÉN erkennt Hensel wieder eine theologisch sehr scharfe Unterscheidung zwischen Erwählten und Nichterwählten, die er besonders durch die Landfrage bestimmt sieht. Nur in der israelitischen Linie verwirkliche sich die Verheißung Gottes, denn nur diese darf im von Jhwh verheißenen Land wohnen.22 Zwar warnt HENSEL wie auch GREENSPAHN und HIEKE davor, die erzählte Welt der Genesis zu schnell auf politische und realgeschichtliche Verhältnisse zu beziehen. Offenkundig sei aber, dass in der Genesis Israels 20

B. HENSEL, Die Vertauschung des Erstgeburtssegens. HENSEL versucht das Motiv auch viermal in Gen 9,18-11,26 (u.a. Sem, Ham und Jafet sowie Abraham, Haran und Nahor) aufzuweisen. Doch halte ich die These, dass Sem und Abraham, obwohl in der Genealogie jeweils an erster Stelle genannt, die jeweils jüngsten Söhne sein sollen, nicht für überzeugend. 22 HENSEL sieht richtig, dass unter den Verheißungsgütern allein die Landverheißung exklusiv den Vätern der Israel-Linie zugesprochen wird. Aber merkwürdigerweise berührt HENSEL die theologisch wichtigen Mehrungsverheißungen für Ismael in Gen 16,10; 17,20; 21,13.17 kaum. Damit bleibt er hinter den von SYRÉN erarbeiteten Sachverhalten zurück.

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Sonderstellung in der Welt und sein Verhältnis zu den Nachbarvölkern bestimmt werde (Gen 1-36). In der Josefserzählung gehe es um israelitische Binnendifferenzierungen. Denn in der Josefsgeschichte werde zwar Josef als Erstling hervorgehoben, gleichzeitig aber auch Juda. Den realgeschichtlichen Hintergrund für diese Doppelperspektive sieht Hensel im Neben- und Gegeneinander von Jehud und Samaria in nachexilischer Zeit.23 In der binnenisraelitischen Differenzierung betont Hensel die Verwiesenheit von »Erstling« und übrigen Brüdern aufeinander. Und man fragt sich, warum er diese Verwiesenheit nicht auch bei Ismael/Isaak und Esau/Jakob deutlicher akzentuiert. In den völkergeschichtlichen Auswertungen der Befunde bleibt bei allen Autoren ein Aspekt ganz unbehandelt, dass nämlich die Genesis nicht nur die genealogische Israellinie von den übrigen Völkern der Welt trennt, sondern dazwischen noch einen weiteren Völkerkreis etabliert, zu dem die Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams zählen. Denn Abraham wird im Bundesschluss (Gen 17) als Vater eines Gewimmels von Völkern präsentiert, zu denen nach dem genealogischen System der Genesis neben Israel noch die Nachkommen Ismaels, die Söhne der Ketura, die Söhne weiterer Nebenfrauen sowie die Nachkommen Esaus gehören (Gen 25; 36). Diese werden in der Genesis in ein Nahverhältnis zu Israel gesetzt. Dies drückt sich in den Väterverheißungen für Ismael und Hagar ebenso aus wie im Motiv der Zwillingsgeburt von Jakob und Esau. Die Differenz zur Israellinie wird im Motiv der Bevorzugung des Jüngeren ebenso gewährleistet wie in den idealen Heiratsbeziehungen. Aber auch die bleibende Zuordnung dieser Größen bleibt von Gewicht. Davon wird später noch ausführlich die Rede sein. Der Durchgang durch die neuere Literatur zeigt einige wesentliche Konvergenzpunkte: Übereinstimmend ist erkannt, dass die Bevorzugung des Jüngeren ein literarisches Motiv ist, das sehr wahrscheinlich mit dem Erwählungsverständnis Israels zusammenhängt und in deutlichem Kontrast zur im Alten Orient und auch im antiken Israel rechtlich üblichen Bevorzugung des älteren Bruders steht. Das Erwählungsmotiv bringt die Bevorzugung des Jüngeren mit einem Akt göttlicher Freiheit zusammen und ist unabhängig von einem besonderen Wohlverhalten des Erwählten oder einem besonderen Missverhalten des Nichterwählten. Die Erwählung des Jüngsten, häufig noch durch die aussichtslose Lage der zuvor unfruchtbaren Mutter verstärkt, porträtiert Israels Machtlosigkeit in der Geschichte ebenso wie die Unmöglichkeit, 23

Nach HENSEL, ebd., 337, zeigt die Josefsgeschichte »einen erzwungen Konsens zwischen beiden Religionsparteien im Modus der ›Brudererzählungen‹. Die Texte sind in dem Bewusstsein geschrieben, dass es ohne Samaria (Joseph) auch kein ›Juda‹ geben kann. Das Königtum kommt Juda zu, doch wird das ›Haus Israel‹ (und damit auch Juda) gerettet, weil das Erstlingstum in Joseph Gestalt gewinnt (vgl. Gen 50).«

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sich seiner Verdienste zu rühmen, sondern seine gänzliche Verwiesenheit auf Gott. Dieses Verständnis von Erwählung in den Erzelternerzählungen setzt einen universalen Horizont voraus, der Israels Rolle in der Völkerwelt bedenkt und strukturiert. Der erwählte Jüngere ist nicht der moralisch Bessere. Und die Bevorzugung des Jüngeren wird nicht durch die Verwerfung des Älteren kontrastiert. Die Dichotomie von Erwählung und Verwerfung hat in den Genesiserzählungen keinen Platz. Auch die Nichterwählten bleiben im Horizont göttlichen Gnadenhandelns, bekommen Anteil an den göttlichen Verheißungen und werden nicht moralisch stigmatisiert. Dies wird besonders an den Hagar-Ismael-Episoden sichtbar, weil Mehrungs- und Volkwerdungsverheißungen, Segenszusagen, einschließlich des Bundeszeichens der Beschneidung, das Vorrecht göttlicher Namengebung u.a. auch mit Ismael verbunden werden (Gen 16,10-12; 17,16-21; 21,12f.17f). Zwar wird Isaak als Israel-Erbe Abrahams in vielerlei Hinsicht besonders herausgehoben, aber die Nichterwählten werden in der Genesis nicht negativ stigmatisiert. KAMINSKY resümiert: »In the hebrew Bible the non-chosen characters are presented in a more nuanced fashion that allows them a greater and frequently positive place in the divine economy.«24

Das heißt, dass im Hinblick auf die Genesis die durch Paulus25 für die christliche Tradition stark gemachte Dichotomie von Erwählung und Verwerfung für die Genesiserzählung kein sachgerechtes Verständnismuster darstellt, obwohl gerade ein solches Kontrastschema die christliche und auch die rabbinische Rezeption der Ismaelepisoden bestimmt hat. Und ferner wird sich zeigen, dass gerade die Erzählfiguren Hagar und Ismael, welche die Erwählungslinie Israels nicht repräsentieren, einen besonders hervorgehobenen Platz in der göttlichen Heilsökonomie zugewiesen bekommen.

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J.S. KAMINSKY, Concept of Election, 189. Kaminsky sieht hier einen wesentlichen Unterschied zwischen jüdischem und christlichem Erwählungsverständnis. Das jüdischrabbinische Erwählungsverständnis orientiert sich stärker an der Toleranz auch gegenüber den Nichterwählten, wie es beispielhaft in der Vorstellung vom Noahbund, der allen Völkern gilt, ausgedrückt wird. Daher gründet auch die besondere Erwählung Israels in der bleibenden Gotteszuwendung an alle Völker. Kein Nichterwählter fällt grundsätzlich aus Gottes Fürsorge. Dagegen werden in den rabbinischen Schriften die Bezüge zu den sich auch im AT zu findenden apokalyptischen Kontrastschemata von Heil/Verdammnis; Erwählung/Verwerfung zurück gedrängt. Vgl. ebd., 176-190. 25 Gal 4,22-5,1; Röm 9.

II. Ismael als Kind der Verheißung

1. Der familiäre Grundkonflikt der Abrahamgeschichte und die Sohnverheißung in Gen 15,4 Erzählungen dichten ein Geschehen, das seine wesentliche Spannung aus einem Ausgangskonflikt gewinnt, der – manchmal über verschiedene Steigerungen, Wege und Irrwege – am Ende eine Lösung erfährt. Die Abrahamgeschichte folgt mit ihrer familiären Dramatik diesem Erzählprinzip, indem sie das zu lösende Problem durch eine absurde Anfangssituation scharf herausstellt. Abraham1 macht sich mit den Seinen aus seinem Land und seinem Vaterhaus auf, mit nichts als der Zusage im Gepäck, dass Gott ihn in ein Land führen und zu einem großen Volk machen will, das so bekannt sein wird und auch auf andere so faszinierend wirken soll, dass sich alle Sippen der Erde in seinem Namen Segen wünschen werden (Gen 12,1ff). Von seiner Frau Sara aber wird, indem die strenge Form der Genealogie aufgebrochen wird, außer ihrem Namen nur eine einzige zum Verständnis des Folgenden unverzichtbare Charakterisierung mitgeteilt: »Und Sarai war unfruchtbar (hrq[), sie hatte keine Kinder« (Gen 11,30). Nicht einmal ein einziges Kind ist zu erwarten, geschweige denn ein großes Volk. So hart prallt die Verheißung an das Vorfindliche. Während das Paar nun das Land durchzieht und Gott seine Verheißungen wiederholt und die Aussichten sogar bis zur Unzählbarkeit der Nachkommenschaft Abrahams steigert (13,16), ändert sich an Saras Unfruchtbarkeit nichts. Der familiendramatische Ausgangskonflikt liegt im Widerspruch zwischen Saras Unfruchtbarkeit und Gottes (Mehrungs-)Zusagen an Abraham. Wie kann er gelöst werden? Für das Weiterleben der Familie wie für den Fortgang der Erzählung sind im Prinzip drei Lösungsmöglichkeiten denkbar: Entweder adoptiert Abraham Jemanden, der als nichtleiblicher Sohn das Familienerbe fortführt, oder Abraham zeugt mit einer anderen Frau einen Erben, oder es geschieht ein Gotteswunder, wodurch der unfruchtbaren Sara doch noch ein Kind geschenkt wird. Die Erzählung spielt alle diese 1

Die doppelten Namensformen Abram/Abraham sowie Sarai/Sara werden im Folgenden nur unterschieden, wenn es sich um Zitate oder die Diskussion der Umbenennungen in Gen 17 selbst handelt.

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II. Ismael als Kind der Verheißung

Möglichkeiten in dramatischer Steigerung durch. Die erste Möglichkeit wird in Gen 15 abgewiesen, die zweite Möglichkeit wird mit Ismael und die dritte Möglichkeit schließlich mit Isaak realisiert. Innerhalb der Gesamtgeschichte bildet der erste Bundesschluss Gottes mit Abraham in Gen 15 in familiengeschichtlicher und theologischer Hinsicht einen ersten Höhepunkt. Nach manchen Verheißungen, dass der kinderlose Abraham zu einem großen, unzählbar zahlreichen Volk werden soll (Gen 12,2; 13,16), ergeht nun erstmals die Ankündigung (wenigstens) eines leiblichen Sohnes. Dies geschieht in einer Offenbarung, die Gottes Erwählung Abrahams und seiner Nachkommen mit einem Bundesschluss besonders vertieft.2 In Gen 15,2ff klagt ein betrübter Abraham seinem Gott, dass er kinderlos sterben werde. Mit dieser Haltung teilt der Erzvater die Kinderlosigkeit seiner Frau Sara, er akzeptiert ihre Situation als eigene, ohne an Kinder mit einer anderen Frau zu denken. Unter diesen Bedingungen bleibe ihm nur, den Hausknecht Elieser als Erben einzusetzen, denn Gott habe ihm ja keinen Samen ([rz) gegeben (V.3). Gott aber weist in seiner Antwort (V.4) diese Aussicht deutlich ab. b c d

Nicht (al) dieser wird dich beerben, sondern der aus dir hervorgehen wird ($y[mm acy) wird dich beerben.

Erstmals wird hier die Frage nach dem Erbe thematisiert, die in Gen 21 und 25 im Hinblick auf die Abrahamsöhne wieder begegnet. Gottes Antwort auf Abrahams bange Frage schließt Elieser als eine mögliche Lösung eindeutig aus.3 Die positive Erwartung ist dagegen recht vage 2

Von der vielgestaltigen Problematik dieses Kapitels interessieren hier nur die Verknüpfung mit den Geburtsgeschichten der Abrahamsöhne Ismael und Isaak sowie der innere Zusammenhang von Gen 15 und 16, der in diachronen Arbeiten oft völlig ausgeblendet wird. Zu allen anderen Fragen sei auf die neueren Kommentare von V. HAMILTON und besonders H. SEEBASS sowie auf die monographischen Behandlungen von M. KÖCKERT, Väterverheißungen; H. HALLVARD, Numbering the Stars; J. HA, Genesis 15, K. SCHMID, Erzväter, und B. ZIEMER, Abram, verwiesen. In der redaktionsgeschichtlichen Pentateuchforschung überwiegt derzeit die Tendenz, Gen 15 als sehr junge programmatische Komposition im Zusammenhang der letzten Stufen der Pentateuchkomposition in der fortgeschrittenen Perserzeit zu verorten. Vgl. etwa M. KÖCKERT, Gen 15. 3 Die Deutlichkeit dieser Verneinung ist im Hinblick auf die Ismael betreffenden Wendungen in Gen 17,20; 21,13 im Auge zu behalten, die zwar ebenfalls – wenn auch kaum zu Recht – als Ausschluss Ismaels aus der Erb- bzw. Verheißungslinie interpretiert werden, aber doch ganz anders formuliert sind. Die Verbindungslinien von Gen 15,4 zu Gen 21,12 sind des Öfteren notiert worden, weil in beiden Stellen Gott selbst auf die Erbfrage reagiert. In Gen 15,4 wird der nichtleibliche Erbe ausgeschlossen, in Gen 21,12f tritt jedoch an die Stelle des Ausschlusses ein Modell der abgestuften Zuordnung Isaaks und Ismaels als ›Same Abrahams‹, ohne die besondere Israel-Dimension Isaaks

II. Ismael als Kind der Verheißung

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formuliert. Sie zielt auf einen leiblichen männlichen Nachkommen.4 In ihrer Unbestimmtheit erweist sich die Wendung jedoch als präzise, weil die Frage nach der Mutter vorerst offen gelassen wird. Mithin ergeben sich noch die beiden genannten Möglichkeiten, in denen sich diese Verheißung erfüllen könnte. Ismael wird das Kind der ersten Möglichkeit (Gen 16), Isaak das der zweiten sein (Gen 21). Beide Geburtsgeschichten der Abrahamsöhne bewegen sich im Rahmen des Verheißungshorizonts, der in Gen 15,4 eröffnet wird. Gen 16 bietet in dieser Linie eine klare und notwendige Fortsetzung des in Gen 15 eröffneten Erzählbogens. Nach dieser Zusage und auf dem Höhepunkt des Kapitels wird Abraham in die Nacht geführt, wo er an den Sternen die unvorstellbare Zahl seines künftigen »Samens« (V.5) erkennen soll. Er vertraut dieser Zusage und bekommt darauf von Gott einen Bund zugeschworen, in dem Gott feierlich versichert, dem unzählbar zahlreichen »Samen Abrahams« ein Land zu geben, das »vom Bach Ägyptens bis zum großen Strom, dem Eufrat« (V.18) reicht. Daran schließt sich in V.19-21 noch eine Liste der Völker der Vorbewohner dieses verheißenen Landes an. Die Verheißung eines leiblichen Erben wird mit dem Thema Land durch das im ganzen Kapitel entscheidend wichtige Stichwort vom ›Samen Abrahams‹ (hebr. [rz V.3.5.13.18) verknüpft. [rz bezeichnet die leibliche Nachkommenschaft Abrahams, die unzählbar zahlreich zum Adressaten der ganz auf die Landgabe konzentrierten Bundeszusage wird. Was bedeutet dies unter der Maßgabe, dass Erzählern wie Rezipienten in Israel nicht zweifelhaft war, dass die Nachkommenschaft Abrahams nicht auf Israel beschränkt ist, sondern neben den Nachkommen Isaaks auch diejenigen Ismaels und der Söhne der Ketura (Gen 25,1-5) mit einschließt? Die Frage verstärkt sich in der Rückschau noch einmal durch die Beobachtung, dass auch Ismael in Gen 21,12f ausdrücklich als »Same Abrahams« angesprochen wird und die geographische Angabe der Wohngebiete seiner Nachkommen in Gen 25,18 eine ähnliche Formulierung wie in Gen 15,18 aufweist. Damit rückt eine eigentümliche Doppelperspektive der Abrahamerzählung in den Blick. Einerseits bietet die Abrahamgeschichte eine große Begründungsgeschichte des nachmaligen Volkes Israel, geradezu seigering zu gewichten (s. dort). 4 Die Wendung $y[mm acy ist gg. C. WESTERMANN, Genesis, 262 keine »ad hoc-Formulierung«, sondern lässt sich traditionsgeschichtlich auf die Königstheologie zurückführen (O. KAISER, Genesis, 15), wo sie den königlichen Erben bezeichnet (vgl. 2Sam 7,12; 16,11; 2Chr 32,21). Die Verheißung in Jes 48,17-19 überträgt diese Wendung vom königlichen Erben auf das Volk Israel und schließt – wie in Gen 15,5f – eine Mehrungsverheißung an, unzählbar zahlreich wie der Sand zu werden. Vgl. J. VAN SETERS, Prologue, 249; H. HALLVARD, Numbering the Stars, 53f; H.-J. HERMISSON, Deuterojesaja (BK IX/2), 290f.

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II. Ismael als Kind der Verheißung

nen Ursprungsmythos. Vieles an geschichtlichen und religiösen Erfahrungen, die Israel betrafen, hat in der Abraham-Sara-Erzählung eine eindrückliche Gestalt gewonnen. Andererseits wird diese nicht am genealogisch eindeutigen Stammvater Jakob, sondern an Abraham entfaltet, der in der genealogischen Konstruktion auch als Vater weiterer Völker des transjordanischen Orients gilt. Diese Doppelperspektive, die einerseits auf Israel, andererseits auf die abrahamische Nachkommenschaft insgesamt zielt, ist auch im Bundesschluss Gen 15 erkennbar, und zwar in der Kategorie des Samens ([rz) wie in der Landzusage.5 So blicken V.13f auf 400 Jahre Knechtschaft der Nachkommen Abrahams in Ägypten voraus und haben damit eindeutig nur das spätere Volk Israel im Blick. Andererseits gehen die geographischen Grenzangaben des dem »Samen Abrahams« zugeschworenen Landes in V.18 über das hinaus, was Israeliten jemals bewohnt oder beherrscht haben. Die Wendung »vom Bach Ägyptens bis zum großen Strom, dem Eufrat« ist formelhaft6 und beschreibt das Ideal einer territorialen Ganzheit des palästinisch-syrischen Orients, jener Landbrücke, die durch Ägypten im Süden und dem oberen Mesopotamien im Nordwesten begrenzt ist, die aber wohl auch die südlichen und transjordanischen Regionen der nichtisraelitischen Nachkommen Abrahams mit einschließt. Mit KALLAI können in der Idealgeographie der Genesis die »patriarchal boundaries« vom Konzept des Landes Kanaan als dem geographischen Erfüllungsort der Landverheißung an Israel unterschieden werden.7 Denn diese »patriarchal boundaries« in Gen 15,18 beschreiben ein Territorium, das einerseits dem Land Kanaan entspricht, wie es in der biblischen Historiographie definiert ist, und scheinen darüber hinaus auch die Wohnorte von Ismaelitern und Keturasöhnen, die in Gen 25 genannt werden, mit einzuschließen. Gen 25,18 gibt den Lebensraum der Nachkommen Ismaels mit der Wendung »Sie 5

Zu diesem Aspekt und den folgenden Überlegungen vgl. Z. KALLAI, Patriarchal Boundaries, 69-82: »The dual connotation of the covenant creates a dichotomy within the patriarchal boundaries: the land of Canaan, destined for the people of Israel, and the additional areas for the other descendants of Abram« (79). 6 Vgl. Ex 23,31; Dtn 1,7; 11,24; Jos 1,4; ähnlich in 1Kön 5,1 (= 2Chr 9,26); 2Kön 24,7; Jes 27,12a. Über die Herkunft dieses Idealbilds, das besonders in der dtn.-dtr. Literatur zur Beschreibung des verheißenen Landes gebraucht wird, gehen die Meinungen auseinander. Die ältere Annahme, hier seien die historischen Grenzen des davidischen Reichs reflektiert (so H. SEEBASS, Vätergeschichte, 78), hat mit 2Sam 8,3-10; 10,15-18 ein sehr unsicheres Fundament. Es liegt näher, an die Grenzen babylonischer (2Kön 24,7) oder persischer Verwaltungseinheiten zu denken. Vgl. die Diskussion bei O. KEEL/M.KÜCHLER, OLB I, 229ff; N. LOHFINK, Das dem Samen Abraham geschenkte Land, 198-207; Z. KALLAI, Patriarchal Boundaries, 69f m. Anm.1; K. SCHMID, Erzväter, 182ff; S. LEIBOLD, Konvivenz, 353ff. 7 Zur Unterscheidung der Konzepte vgl. Z. KALLAI, Historical Geography, 102-111, und zu Gen 15,18 vor allem DERS., Patriarchal Boundaries.

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wohnten von Havila bis Schur, östlich von Ägypten bis gegen Assur hin«8 an, was die gleiche Ausdehnung im Blick hat wie Gen 25,18, obgleich geographisch vor allem die Steppengebiete östlich des Jordangrabens gemeint sind. Das aber würde bedeuteten, dass sich die hier angezeigte Landausdehnung nicht auf die späteren Wohnorte der Israeliten allein beziehen lässt, sondern dass neben Israel auch Ismaeliter, Nachkommen der Keturasöhne sowie die Edomiter zu den Adressaten der Landverheißung an Abraham in Gen 15 zu zählen sind.9 Auch ein Blick in die Liste der Völker, die dieses Land bewohnen, macht wahrscheinlich, dass in der Angabe von Gen 15,18 vermutlich transjordanische Wohngebiete nichtisraelitischer Abrahamnachkommen eingeschlossen sind. Neben den sieben mit dem westjordanischen Kanaan zu verbindenden Völkerschaften10 finden sich – ihnen vorgeordnet – drei weitere Namen, von denen zwei in südliche bzw. östliche Gebiete außerhalb Kanaans verweisen.11 Die Erwähnung der Kadmoniter ist dabei besonders interessant, weil dieser ethnische Begriff als generalisierende Bezeichnung für die Bewohner des Ostens, d.h. der transjordanischen Gebiete aufgefasst werden kann, mindestens aber Gruppen in diesem Bereich bezeichnet.12 Im Horizont der Gesamtgeschichte würde von den Kadmonitern in Gen 15,19 eine Linie zu Gen 25,6 gezogen, wo die »Gebiete des Ostens« als Wohnorte der Nachkommen Abrahams mit Ketura erwähnt werden, sowie zum ismaelitischen Stamm Kedma am Ende der Ismaelitergenealogie (Gen 25,15). Sie alle tragen den Osten (hebr. ~d-Konjunktionen in V.20 und V.21 aufschlussreich. Mit w> wird bekanntlich das Zuordnungsverhältnis zweier Sätze in der Regel nicht klar festgelegt. Gen 17,21 ist manchen Grammatiken und Syntaxlehrbüchern geradewegs ein Lehrbuchbeispiel dafür, dass zwei Sätze, obwohl sie nur durch einfache waw Kopula verbunden sind, als W. BRUEGGEMANN, Genesis 17:1-22, 58, zu »no way«; W. GROSS, Bundeszeichen, 110: »Nein, vielmehr«. C. WESTERMANN, Genesis, z.St., und die Zürcher Bibel (1931) übersetzen mit »Vielmehr« und betonen damit nicht den Gegensatz, sondern den Aspekt des ungleichen Vergleichs zwischen Ismael und Isaak. 236 M. YASTROW, Dictionary, 6, übersetzt mit 1) »indeed, yes« und 2) »but, however«. 237 In GesD, 8, wird nur für Gen 17,19; 1Kön 1,43 die Übersetzung mit »nein, vielmehr« vorgeschlagen, so auch in HALAT 7 (vgl. KAHAL, 6), wobei für 1Kön 1,43 auch »Ja, wahrlich«) erwogen wird. So wird von den elf biblischen Belegen nur für Gen 17,19 eine Übersetzung »nein, mitnichten« gefordert. Auch die nordwestsemitischen Verneinungspartikel bal hat, wie N. KILWING, lba, 23-28, nochmals herausgestellt hat, mit hebr. lb;a] nichts zu tun. 238 Mit »Ja, gewiß« u.ä. haben die Bibelübersetzungen und Kommentare bis ins 19. Jh. häufig übersetzt (EWALD, DE WETTE, KEIL, DILLMANN, DELITZSCH). Vgl. auch O. EISSFELDT, Hexateuchsynopse, 26: »ganz gewiß«; E. KÖNIG, Genesis, 512: »Gewißlich«; P. HEINISCH, Genesis, 240: »Gewiß«. Die neue Septuaginta Deutsch LXXD, 18, (2009) übersetzt zutreffend mit »Ja, siehe«, markiert dies aber (m.E. fälschlich) als Abweichung gegenüber dem hebräischen Text. 239 Vgl. V.P. HAMILTON, Genesis, 476: »Yes, but«, L. RUPPERT, Genesis, z.St., und H. SEEBASS, Vätergeschichte I, 97 »wahrhaftig«, ähnlich auch J. WÖHRLE, Isaak und Ismael, 119 m. Anm. 13. Von den aktuellen hebräischen Lexika empfiehlt immerhin das DCH I (1993), 109, für Gen 17,19 die Übersetzung mit »emphatic, indeed«.

III. Ismael im Abrahambund (Gen 17)

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Gegensätze aufgefasst werden müssen.240 Dann wäre die Aussageeinheit so zu verstehen, dass Ismael zwar das eine (den Segen), aber Isaak etwas ganz anderes (den ewigen Bund) zugesagt bekommt. Freilich können die beiden Konjunktionen die Last dieses Urteils allein nicht tragen. In Gen 15,3f, wo Gott die Möglichkeit eines nichtleiblichen Erbens Abrahams abweist und ausdrücklich verneint, finden sich ganz unmissverständliche Formulierungen. Ob in Gen 17,19-21 eine adversative Satzfügung vorliegt, wäre vor allem inhaltlich aufzuweisen.241 Wobei auch adversative Satzverbindungen keinesfalls immer einander ausschließende Gegensätze darstellen müssen. So können auch abgestufte Zuordnungen verschiedener Aussagen markiert werden.242 Wenn es Unterscheidungen gibt, müssen diese inhaltlich am Text aufgewiesen werden. Dem dient ein zweiter Durchgang:

b) Inhaltliche Aspekte von V.19-21

Die herausgehobene Bedeutung Isaaks ist in der Gesamterzählung selbstverständlich und durch die narrative Struktur darin gegeben, dass der Ausgangskonflikt zwischen Verheißung und Saras Unfruchtbarkeit erst hier seine Lösung findet. Nun endlich soll ihr im hohen Alter gegen alle Erwartung das Wunder später Geburt zuteilwerden. Die Sara betreffenden Verheißungen als Mutter von Völkern und Königen und die für P auch sonst wichtige Umbenennung durch Gott feiern Sara als Mutter Isaaks und der Völker. Auch unter den familiendramatischen Gesichtspunkten der Erzählung ist jetzt ihr Höhepunkt erreicht. Insofern wird hier eine andere Qualität sichtbar als im vorausgehenden Kapitel Gen 16, weil nun der Ausgangskonflikt der Geschichte eine Lösung findet, zugleich aber durch die beiden Abrahamsöhne ein neues Problem entstehen kann. Für den Text ist bemerkenswert, dass die narrativen Merkmale der Spannungssteigerung und des Höhepunkts sowie die besondere theologische Bedeutung des Sarasohnes Isaak nicht durch eine theologische Abwertung oder Marginalisierung Ismaels kontrastiert werden, wie nun anhand der Verheißungsgaben und der Kategorie des Bundes gezeigt werden soll. 240

Vgl. GESENIUS/KAUTZSCH, Grammatik, § 154a; C. BROCKELMANN, Syntax, 135b. Doch woher nimmt die Grammatik ihre Gewissheit, wenn nicht aus der herrschenden Interpretation? 241 Das ist anders in Gen 6,18: hier wird die mit w> verbundene Bundesschlusszusage eindeutig adversativ gegen den vorhergehenden Vernichtungsbeschluss Gottes über die vorsintflutliche Menschheit abgesetzt. 242 M. BUBER/F. ROSENZWEIG übersetzen den Beginn von V.19 mit »Dennoch« und den Beginn von V.20 mit »Doch auch …«. Damit ist keine Zurückweisung der Abrahambitte impliziert und beide Abrahamsöhne werden nebeneinander und nicht gegeneinander gestellt, obwohl die Perspektivierung auf Isaak im »Dennoch« hervorgehoben wird. Ähnlich auch die Zürcher Bibel 1931: »Vielmehr …«.

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III. Ismael im Abrahambund (Gen 17)

In V.19 bekommt Sara eine Sohnverheißung, die allerdings nicht ihr selber, sondern Abraham zugesprochen wird. Mit dieser Verheißung tritt nun Sara als Abrahams hXa neben Hagar, die in Gen 16,11-12 ebenfalls mit einer solchen bedacht wurde. In Gen 17 ist das Sohnverheißungsschema243 zwar deutlicher abgewandelt, und der Adressat der Rede ist nicht Sara als Mutter des Verheißungsträgers. Doch wird es insofern funktionstypisch genutzt, als die Sohnesankündigung (ohne hnh) in die Notsituation der Kinderlosigkeit hinein ergeht. Auch hier wird der Name Isaak von Gott selbst bestimmt, auch dieser hat über seine Semantik hinaus eine narrative Funktion, weil er die Szene miterzählt, in der Abraham nach V.17 niederfällt und lacht. An der letzten Position des Schemas, an der sonst von der künftigen Funktion und weitreichenden Bedeutung des Verheißungsträgers die Rede ist, tritt bei Isaak die Verheißung der berît o͑ lam, die Gott mit Isaak und seinen Nachkommen aufrichten will. Dies wird dann in V.21 noch einmal wiederholt. In dieser Wiederholung wird nicht nur ein gegenüber V.19d verändertes Tempus gebraucht, sondern auch eine andere Wortfolge im Satz, wobei – im Hebräischen eher untypisch – das Nomen (ytyrb-ta) dem Verb (~yqa) vorangestellt wird. Diese ungewöhnliche Wortfolge am Satzeingang kann als nochmalige Verstärkung und Betonung der Bundeszusage für Isaak verstanden werden. Nach den Segensgaben für Ismael kommt Gott in V.21 wieder auf Isaak zurück und stellt das Leitthema, um das es nun nochmals geht, voran. Insofern würde sich die unterschiedliche Akzentuierung von V.20 und V.21 eher über die Satzstellung als über die Kopula begründen lassen. Eine adversative Zuordnung legt sich durch nichts nahe. In der Wiederholung wird die Bundeszusage nicht noch einmal auf die Nachkommen Isaaks ausgedehnt, was aber nur zeigt, dass diese Dimension nicht immer formuliert werden muss, um mitgemeint zu sein. Die Gottesrede hat ein erkennbares Interesse, den erst angekündigten Sarasohn mit in das Bundesgeschehen zu integrieren. In ihrer Sprachwahl geht die doppelte Zusage für Isaak auf Formulierungen aus V.7f zurück, schafft mithin einen direkten Anschluss an die Zusage der berît o͑ lam, während die Mehrungszusagen für Ismael sich sprachlich eher an V.2-6 orientieren. Allerdings wird auch bei Isaak die Gabe des Landes Kanaan und das besondere Gottesverhältnis aus V.7f nicht noch einmal erwähnt, sondern nur die Aufrechterhaltung der berît o͑ lam auch für Isaak und seine Nachkommen betont. Eine besondere Israelorientierung, über das in V.7f Gesagte hinaus, lässt sich auch in den Isaakverheißungen nicht finden. Vielmehr wird in V.19.21 für den verheißenen, aber noch ungeborenen Isaak besonders bekräftigt, was nach V.7f bereits Abraham und seinem Samen nach ihm gilt. 243

S o. zu Gen 16,11f.

III. Ismael im Abrahambund (Gen 17)

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Auch die Wendung tyrb ~wqh (Hif.) könnte den Eindruck erwecken, als wolle Gott hier für Isaak und dessen Nachkommen einen eigenen Bund aufrichten, der den mit Abraham und seinen Nachkommen aufgerichteten »ewigen Bund« wenn nicht außer Kraft setzt, so doch auf die Linie Isaaks (und damit vor allem Israels) konkretisiert bzw. neu in Geltung setzt. Nur in dieser Interpretationslinie, die mit einem eigenen Isaakbund rechnet, der sich qualitativ vom Bund mit Abraham dadurch unterscheidet, dass er die Nutznießer dieses Bundes weiter eingrenzt, fiele Ismael aus der Abrahamberît heraus, weil diese als berît o͑ lam dann allein über Isaak weiterginge, während die Segnungen für Ismael in V.20 dann nicht als Bundesgaben aufzufassen seien. Eine Übersetzung von ~wqh mit »aufrichten« leistet einer solchen Interpretation Vorschub. Demgegenüber wäre u.a. mit GUNKEL darauf hinzuweisen, dass ~wqh hif. im theologischen wie profanen Gebrauch nicht nur (neu) »aufstellen«, sondern auch »bestehen lassen« oder »aufrechterhalten« bedeutet.244 Mit einer Wendung wie ~wqh Hif. + rbd etwa wird regelmäßig die unerschütterliche Treue Jhwhs gegenüber seinem Wort bezeugt. Ebenso nutzt die priesterliche Tradition häufig für ihre Bundeszusagen die Terminologie ~wqh (Hif.) + tyrb (vgl. neben 17,7.19.21 noch Gen 6,18; 9,9.11.17; Ex 6,4; Lev 26,9) und bringt damit vor allem die bleibende und sich jeweils neu erweisende Treue Gottes zu seiner Heilsordnung zum Ausdruck.245 Daher ist ~wqh Hif. hier eher mit ›aufrechterhalten‹ zu übersetzen. Ein eigenständiger Isaakbund, der den Abrahambund in Bezug auf seine Gottesgaben oder die Kreise seiner Geltung korrigiert, erhält in der hebräischen Bibel jedenfalls nirgends ein eigenständiges theologisches Gewicht.246 Überdies würde ein solcher Isaakbund gerade keine genealogisch klare Israelorientierung beinhalten, weil er potentiell auch die edomitischen Isaaknachkommen mit einschließen müsste. So ist es insgesamt naheliegender, in V.19.21 im Hinblick auf Isaak eine doppelte Bekräftigung dessen zu sehen, was in V.7f Abraham und seinen Nachkommen zugesagt wurde. Der rhetorische Aufwand von V.19-21 erklärt sich leicht daraus, dass der noch nicht geborene Sarasohn Isaak ausdrücklich in die Abraham und seinen Nachkommen geltende berît o͑ lam aufgenommen werden soll. Auch für SCHMID erscheint »es wesentlich näherliegender, die Funktion von V. 19-21 nicht primär in der 244

Vgl. H. GUNKEL, Genesis, 271. Vgl. S. AMSLER, THAT II, 640. 246 Die jüdische Auslegungstradition kennt bei aller Hochschätzung für Isaak weder eine besondere Erwählung Isaaks noch einen gegenüber dem Abrahambund besonderen Isaakbund. Das ist im Neuen Testament anders, weil Paulus in Gal 3,16 den Ausdruck »Same Abrahams« aus Gen 17,8 nicht kollektiv versteht, sondern singularisch auf Jesus Christus bezieht und auch sonst im Neuen Testament die Isaakverheißungen typologisch auf Jesus Christus bezogen werden. 245

214

III. Ismael im Abrahambund (Gen 17)

Exklusion Ismaels, sondern in der Inklusion Isaaks in den Abrahambund zu sehen.«247 Dabei muss keinesfalls ausgeschlossen werden, dass der Verfasser, wenn er die berît o͑ lam in V.19.21 hier kraftvoll mit Isaak verbindet, besonders Israel als Adressaten der Bundeszusage im Blick hat. Allerdings bleibt festzuhalten, dass die (erwartbaren) israelitischen Spezifika aus V.7f (Landgabe + Gottesverhältnis) in V.19.21 bei Isaak nicht noch einmal hervorgehoben werden. Die doppelte und starke Betonung der berît o͑ lam für Isaak ergibt sich zwanglos aus der dramatischen Situation der Offenbarungsszene, in der Isaak eben noch nicht geboren, sondern einem zum Zeugen und Gebären zu alten Ehepaar erst angekündigt wird. Die Verheißungen für Isaak und für Ismael in V.19-21 sind beide aus dem Sprachmaterial des Bundesschlusses in V.4-8 geformt. Aber sie setzen inhaltlich unterschiedliche Akzente. Mit Isaak und seinen Nachkommen wird die berît o͑ lam bekräftigt, die für Ismael nicht explizit erwähnt wird. Andererseits bekommt Ismael in reichem Maße Anteil an den Mehrungsverheißungen des Abrahambundes, die im Hinblick auf Isaak nicht mehr akzentuiert werden. Diese unterschiedlichen Akzentuierungen führen in der »klassischen Sichtweise« dazu, in den Zusagen an Isaak das Eigentliche des Abrahambundes zu sehen, während die Mehrungszusagen für Ismael nicht als Bundesgaben verstanden werden, was sie aber sprachlich und sachlich eindeutig sind.

c) Segen und Mehrungszusagen für Ismael in V.20

Die sprachspielerische Einleitung dieses Verses mit la[mvylw $yt[mv (und im Blick auf Gott erhört erhöre ich dich) zeigt hinreichend klar, dass Gott Abrahams Bitte für Ismael (V.18) erhört. Nachdem Ismaels Mutter Hagar bereits den erhörenden Gott in der Wüste erfahren hat und nochmals erfahren wird, ist hier das Erhörungsmotiv im Ismaelnamen auch mit Abraham verbunden. Jetzt »sind beide Eltern erhört«.248 Allerdings nimmt die Gottesrede Abrahams Bitte, dass Ismael vor Gott leben möge, nicht explizit auf, sondern bietet stattdessen eine stattliche Anzahl von Mehrungszusagen: Zunächst wird Ismael im ersten der drei sorgfältig parallel gebildeten Sätze in die Zusage des Segens mit hineingenommen. Das Segensthema begegnete in Gen 17 erstmals in V.16a für Sara. Die Zusage, dass Gott Ismael segnen wird (Atao yTik.r;Be hNEhi), ist genaues, um hNEhi ergänztes Zitat aus V.16 (Ht'ao yTik.r;beW). Sie

247 248

K. SCHMID, »abrahamitische Ökumene«, 81. B. JACOB, Genesis, 429. Zum Erhörungsmotiv s. o. zu Gen 16,11.

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III. Ismael im Abrahambund (Gen 17)

wiederholt die Segenszusage an Sara und ist daher zu verstehen wie diese.249 Das Segensgut aber, Mehrung im Übermaß sowohl in der Ankündigung wie in der Zusage erscheint in V.2-6 als zentrale Kategorie des Abrahambundes. Vergleicht man die Formulierungen und Themen des Mehrungssegens von V.20 mit denen, die sich sonst im Rahmen der Bundesoffenbarung durch das Kapitel ziehen, hat Ismael nahezu an allen einen hervorgehobenen Anteil, wie die folgende Aufstellung250 zeigt:

^yTi[.m;v. la[em'v.yIl.W

Und im Hinblick auf Ismael erhöre ich dich

Vgl. Gen 16,11; 21,17

Siehe, Ich segne ihn ($rb Perf. cons.).

V.16 (Sara)

Atao ytiyrEp.hiw>

Und ich mache ihn fruchtbar (hrp Perf. cons.).

V.6 (Abraham)

Atao ytiyBer>hiw>

Und ich mehre ihn

V.2 (Abraham)

im Übermaß.

V.2.6 (Abraham)

Zwölf Fürsten wird er

Gen 25,16

Atao yTik.r;Be hNEhi

daom. daom.Bi dyliAy ~aiyfin> rf'['-~ynEv.

zeugen.

`lAdG" yAgl wyTit;n>W

Und ich gebe ihn zu einem großen Volk (lwdg ywgl !tn Perf. cons.).

Um das Übermaß einer solchen Mehrung auszusagen, wird die Wendung dam damb251 aus V.2.6 aufgenommen. In V.2 war in der Bundesankündigung Abraham eine solche Mehrung (hbr) im Übermaß verheißen. V.6 fügt dann im Bundesschluss die Gabe der Fruchtbarkeit (hrp) im Übermaß hinzu. Beide Aussagen werden innerhalb von Gen 17 im Segen an Ismael zitiert und zusammengeführt. Die Steigerung des Fruchtbarkeitssegens ins Übermaß dam damb ist auch in den Segensformulierungen insgesamt selten. Sie ist in der Priesterschrift vor Gen 17 noch nicht und nach Gen 17 nur in den Beschreibungen des fruchtbar und zahlreich gewordenen Israel in Ägypten (Gen 47,27 [nur dam]; Ex 1,7) zu finden. 249

Die Perfektform hat in der jüdischen Auslegungstradition dazu geführt, den Ismaelsegen als bereits (in Ismaels Geburt) erfüllt und den Segen für Sara und Isaak als noch ausstehend anzusehen. So selbst die sprachgenaue Verdeutschung der Schrift von M. BUBER/F. ROSENZWEIG: V.16: »Segnen will sich sie (Sara) …«; V. 20: »ich habe ihn (Ismael) gesegnet«. 250 Eine ähnliche Aufstellung bei C. WESTERMANN, Genesis, 313. 251 Neben Abraham weder mit Noah noch Jakob verbunden. Bei P nur noch Ex 1,7, wo festgestellt wird, dass sich Israel in Ägypten zu einem überaus zahlreichen Volk vermehrt hat (sonst begegnet dam damb nur noch Ez 9,9;16,13).

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III. Ismael im Abrahambund (Gen 17)

Damit konkretisieren sich die Gaben des Abrahambundes in einer spezifischen Weise auch an Ismael – als Wiederholungen der Mehrungsund Segenszusagen. Dieser Befund wird noch deutlicher und überraschender, wenn gesehen wird, dass eine Reihe dieser Formulierungen auf den Schöpfungssegen in Gen 1,28 zurückgehen, mit denen die Autoren der Priesterschrift sehr gezielt an zentralen Schaltstellen der Geschichte die je neue Bekräftigung des Mehrungssegens aus der Schöpfung zur Geltung bringen: in Gen 9 im Hinblick auf Noah und die ganze Menschheit, in Gen 17 mit Abraham und allen seinen Nachkommen, in Gen 35,9ff; 48,3f mit Jakob, dem Vater Israels. Die Priesterschrift verbindet diesen prominenten Mehrungssegen auch explizit mit Ismael, wie die folgende Tabelle252 zeigt:

Gen 1,28 Schöpfung Gen 9,1-15 Noah Gen 17,2-6 Abraham Gen 17,7f Abraham+Same Gen 17,16 Sara Isaak+Same Gen 17,19.21 Gen 17,20 Ismael Gen 28,3 Jakob Gen 35,9-12 Jakob Gen 48,4 Jakob Ex 1,7 Israel Ex 6,2-8 Mose

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Eine ähnliche Tabelle hat m.W. erstmals N. LOHFINK, Priesterschrift, 246, erstellt, allerdings ohne die Verheißungen für Ismael einzubeziehen.

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217

Der Sprachgebrauch ist hier so sorgfältig gewählt, dass die Übernahme älteren Traditionsgutes ebenso auszuschließen ist wie eine eher beiläufige Segensformulierung, die Ismael einfach nicht ganz leer ausgehen lassen möchte. Die Priesterschrift verbindet ihre zentralen Segensgaben ausdrücklich auch mit Ismael. In der Abfolge der Adressaten dieser Segensgaben ergibt sich eine imposante Ahnenreihe des Mehrungssegens: Noah, Abraham, Ismael und Jakob. Es ist auffällig, dass Isaak in dieser Abfolge fehlt. Und bekommt hier nicht Ismael, was eigentlich Isaak zukommt? Dass Ismael in V.20 segenstheologisch in die Ahnenreihe Noah, Abraham und Jakob gestellt wird, ist in der christlichen Exegese kaum beachtet worden. Von jüdischer Seite stellte bereits JACOB fest: »In vollem Strome ergießt sich Gottes Segen über Ismael: Fruchtbarkeit, Vermehrung wie bei der Schöpfung, dem Noahbund und später Jakob.«253 Was aber hat dies zu bedeuten? Und warum fehlt Isaak in dieser Reihe der Mehrungszusagen zwischen Noah, Abraham und Jakob? M.E. gibt es zwei Erklärungsmöglichkeiten für diese eigenartige Ahnenreihe des priesterschriftlichen Mehrungssegens: Noah, Abraham, Ismael und Jakob. 1. Man könnte die Bekräftigung der Bundeszusage an Isaak und den Mehrungssegen an Ismael in V.19-21 als Komplementäraussagen verstehen, bei denen jeweils an einem Adressaten deutlich gemacht wird, was beiden Abrahamsöhnen und ihren Nachkommen gemeinsam gilt, weil sie Abrahams Same sind. 2. Eine andere Möglichkeit läge darin, diese Ahnenreihe Noah, Abraham, Ismael, Jakob aus der priesterschriftlichen Offenbarungs- und Bundestheorie her zu erklären. Beachtet man, dass die Priesterschrift Gottesnähe in konzentrischen Völkerkreisen bedenkt, wird der Mehrungssegen der Schöpfung immer dann wiederholt, wenn er für klar definierte Adressatenkreise bekräftigt werden soll: − im Fall Noahs und des Noahbundes für die Menschheit und alles Leben auf Erden, − im Fall Abrahams und des Abrahambundes für die Nachkommenschaft Abrahams, − im Fall Ismaels im Abrahambund für die nichtisraelitischen Nachkommenschaft Abrahams, − im Fall Jakobs schließlich für die Israelnachkommen Abrahams. Isaak wäre dann aus dem Grund hier ausgespart geblieben, weil erst mit der Nachkommenschaft Jakobs genealogisch eindeutig das Volk Israel selbst als Adressatenkreis der Segenszusagen in den Blick käme.254 Eine solche Interpretation würde sich in die am Anfang dieses Kapitels be253 254

B. JACOB, Genesis, 429. Vgl. T. NAUMANN, Abrahams verlorener Sohn, 83-85.

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schriebene Offenbarungstheorie der Priesterschrift recht gut einfügen, auf die noch ausführlich einzugehen ist. Dagegen muss die These zurückgewiesen werden, dass dieser kraftvolle Segen für Ismael nichts mit dem Bundesgeschehen von Gen 17 zu tun habe und inhaltlich nur das wiederholt, was vom Schöpfungssegen in Gen 1 her ohnehin allen Menschen gilt.255 Mit dem Hinweis auf die 12 Fürsten, die von Ismael abstammen werden, wird auf die Ismaelitergenealogie in Gen 25,12-18 vorausgewiesen. Dort werden die Nachkommen Ismaels als Zwölfstämmevolk vorgestellt. Damit kommt neben all den »überhistorischen« Zusagen ein geschichtliches, ja politisches Moment in diese Segensfülle hinein. Der Mehrungssegen für Ismael führt zur Entstehung und Erhaltung eines von Israel verschiedenen Zwölfstämmevolkes. Daran sollen sich die Lesenden angesichts der Toledot Ismaels und besonders Gen 25,16 erinnern: »Das sind die Stämme Ismaels ... zwölf Fürsten nach ihren Stämmen«. Dieser Hinweis wird gern als Erfüllungsnotiz angesprochen, wodurch der Ismael zugesagte Segen in seiner Reichweite auf die Volkwerdung zielt, dann aber seine Geltung verliert. Vergleichbar wäre Ex 1,7 (P), wo unter Aufnahme der bekannten Mehrungsverheißung konstatiert wird, dass Israel sich in Ägypten zu einem mächtigen Volk vermehrt habe. Aber auch dort ist es m.E. eine Bekräftigung des Segens, keine Beendigungsnotiz seiner Wirksamkeit. Die eher abstrakten Mehrungszusagen ließen sich notfalls auch auf der persönlichen Ebene der Abrahamfamilie verstehen, in der Ismael als Abrahamsohn neben seinem künftigen Bruder Isaak Anteil an den Bundesgaben seines Vaters bekommt. Wird in der allgemeinen Formulierung unklar gelassen, wohin die Verheißung führt, so zielt der Hinweis auf die 12 Fürsten auf die Existenz nichtisraelitischer Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams. In der theopolitischen Konstruktion von Gen 17 ist die Existenz dieser Völker Ausdruck des Abrahambundes und der in ihm mitgeteilten Gottesfürsorge. Die 12 Fürsten zeigen, dass die Nachfahren Ismaels in gesellschaftlichen Strukturen leben, die dem späteren Zwölfstämmevolkes Israel analog sind.256 Wiederum ist dies

So aber J. WÖHRLE, Isaak und Ismael, 119, dem M. KÖCKERT, Gottes »Bund« mit Abraham, 12, folgt. Gegen diese traditionelle Marginalisierungsstrategie des Ismaelsegens ist festzuhalten, dass Mehrung und Segen in Gen 17 Bestandteil der Bundeszusagen sind. Überdies würde niemand bei Abraham, Sara oder Jakob zu dem Urteil kommen, der ihnen geltende Fruchtbarkeitssegen würde nur deshalb ausgesprochen werden, weil er ohnehin allen Menschen gilt. 256 Bei den historischen Proto-Arabern lässt sich ein Zwölf-Stämme-System nicht erweisen. Vgl. E.A. KNAUF, Ismael, und u. Kap. VI. 3 zu Gen 25,12-18. Dies ist ein theoretisches Konstrukt und belegt den Willen der Verfasser, das als verwandt bestimmte Volk in ähnlichen gesellschaftlichen Strukturen zu sehen wie Israel. 255

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aber die Folge der Mehrungsverheißung, die Abraham im Bundesschluss von Gott versprochen bekommt. Wer nun versucht, die Ismael geltenden Verheißungsinhalte mit dem zu vergleichen, was sonst noch in Gen 17 zugesagt wird, stellt fest, dass Ismael an den Segenszusagen und allen Mehrungsverheißungen, die sich als zentrale Gaben des Abrahambundes in unterschiedlichsten Formulierungen durch das ganze Kapitel ziehen, gleichwertigen Anteil hat. Ja, die über Gen 17,2-8.15f verstreuten Verheißungsthemen der Mehrung sammeln sich in V.20 wie in einem Brennpunkt. Insofern hat eine spätere Interpretation, die Ismael mit allem irdischen Erfolg und Reichtum verbindet, durchaus Anhalt am Text von Gen 17. Nur wird in der Perspektive der Priesterschrift dieser Segen m.E. nicht der berît o͑ lam entgegen gestellt, sondern ist zentraler Bestandteil der Bundesoffenbarung neben Landgabe, Gottesverhältnis und Beschneidung, Ausdruck der Bundestreue des Gottes Abrahams. Da Gen 17 aber die berît o͑ lam nicht explizit mit Ismael verbindet, wird in der Exegese üblicherweise versucht, die Mehrungszusagen für Ismael vom Inhalt der berît o͑ lam in V.7f zu trennen und von zwei Bünden in V.4-8 auszugehen. Dann würde Ismael nur Anteil an den Mehrungszusagen bekommen, die auch Abraham in V.4-6 und Sara in V.16 erhalten, aber nicht an der generationenübergreifenden berît o͑ lam. WESTERMANN hat sich m.W. zu Recht gegen die seinerzeit gängige These gewandt, dass in Gen 17 die tyrb allein Isaak zukommt, wenn er darauf hinweist, dass der Ausdruck tyrb inhaltlich nach 17,1-8 jedenfalls vor allem »Mehrung« bedeutet. Nach V.7 richtet Gott mit Abraham und allen seinen Nachkommen eine ~lw[ tyrb auf, die in unterschiedlichsten Mehrungszusagen konkretisiert wird, die nahezu vollständig in der Zusage an Ismael wiederbegegnen: »Die Mehrungsverheißung, die Ismael erhält, wird auch berît genannt.«257 Zu dieser ~lw[ tyrb gehört nun aber ebenfalls die Zusage eines besonderen Gottesverhältnisses: »Ich will dein und deiner Nachkommen Gott sein« (V.7bß). Auch diese gilt danach für Ismael wie für alle Nachkommen Abrahams. Da aber auch WESTERMANN von der bewussten Ausgrenzung Ismaels aus der tyrb nach V.19-21 immer schon überzeugt ist, kommt er in ein Dilemma, das er dadurch zu lösen versucht, dass er die ~lw[ tyrb, die Isaak gelten soll, inhaltlich anders verstehen muss als die übrigen tyrb-Belege in Gen 17: »Wenn nun in V.3b-8 die Mehrungsverheißung als berît bezeichnet wurde, hier in 1921 aber die berît nicht mit Ismael aufgerichtet wird, obwohl er die Mehrungsverheißung erhält, sondern allein mit Isaak, dann zeigt das unverkennbar, dass P im 17. Kapitel einen Begriff berît aufbaut, der nicht mehr auf die Bedeutung ›Zusage‹, ›bindende Versi257

C. WESTERMANN, Genesis, 217 m. 78 Anm. 2; bestritten von W. GROSS, M. KÖCKERT, J. WÖHRLE u.a. Vgl. o. Kap. III. 4.2.

220

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cherung‹ beschränkt sein kann. Denn eine Zusage, eine bindende Versicherung erhält auch Ismael. Die berît, die mit Isaak allein, nicht aber mit Ismael aufgerichtet wird, ist mehr und anderes als eine Zusage, es ist der Bund Gottes mit Abraham, der allein in der Linie Isaaks weitergeht.« 258

Die innere Logik gerade des letzten Satzes macht die Schwierigkeit offenbar. Aus den Kategorien, die Gen 17 bereitstellt, lässt sich ein sachlicher Unterschied zwischen dem, was einerseits für Isaak und andererseits für Ismael gelten soll, nicht begründen, auch kein gegenüber V.4-8 nun neues Gottesverhältnis. Dieser nur mit Isaak aufgerichtete Bund ist für WESTERMANN in die Worte gefasst: »Ich will ihr Gott sein« und beschränkt »auf die eine Linie derer, die vor Gott wandeln«, für die das Zeichen dieses Bundes die Beschneidung ist.259 Daher gehen nach Westermann die Verheißungen in Isaak und auch in Ismael »in verschiedener Weise weiter».260 Der Bund Gottes jedoch ist auf Israel beschränkt, »das diesem Gott dient«.261 Die theologische Bedeutung Ismaels sieht Westermann darin, dass der Ismaelsegen den über Israel hinausgehenden Wirkungsbereich des Gottes Israels zur Geltung bringt. Das Letztere ist sicher richtig und damit ist Westermann eine seltene Stimme im exegetischen Chor, aber dies kann, wie wir gesehen haben, noch viel klarer als Mehrungssegen für Ismael innerhalb der Bundeszusage gefasst werden. Gott reagiert auf Abrahams Bitte, dass doch Ismael vor ihm leben möchte (V.18), mit diesem großartigen Segen. Da Abrahams Bitte nicht abgelehnt, sondern ausdrücklich erhört wird, ist der Segen für Ismael (V.20) aus göttlicher Sicht eine Gestalt des Lebens vor Gott, um das Abraham gebeten hatte, und Ausdruck eines besonderen Gottesverhältnisses, das den Nachkommen Abrahams (V.7f) zugesagt ist.

258 259 260 261

C. WESTERMANN, Genesis 17, 76. Ebd. C. WESTERMANN, Genesis, 321. C. WESTERMANN, Genesis 17, 76.

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6.6 Ertrag von V.17-21 In V.4-8 haben wir gesehen, dass die Bundesoffenbarung Abraham gezielt als Völkervater auffasst, also einen theologischen Horizont eröffnet, der über das nachmalige Israel hinausgeht. In V.7f wird der Geltungsbereich der berît o͑ lam auf die leiblichen Nachkommen Abrahams begrenzt. Dafür steht der Begriff des »Samen Abrahams«, der eine genealogisch bestimmte Abstammungsgemeinschaft Abrahams anvisiert. Zu diesen leiblichen Samen Abrahams gehört Abrahams Erstgeborener Ismael auch nach priesterschriftlicher Auffassung selbstverständlich hinzu. Dass Ismael als Same Abrahams verstanden wird, ist überhaupt die Grundlage dafür, dass er in V.20 mit Mehrungsverheißungen beschenkt und anschließend beschnitten wird. In V.15-21 rückt nun die Geburtsverheißung für Isaak in den Mittelpunkt des Geschehens. Auch für die priesterliche Erzählebene markiert die Wundergeburt Isaaks selbstverständlich den Höhepunkt der Abrahamerzählung, weshalb ihre Ankündigung an theologisch prominenter Stelle im Bundesgeschehen platziert wird. Die von Abraham angesichts der wunderbaren Verheißung Isaaks formulierte Bitte, dass Ismael vor dem Angesicht Gottes leben möge, wird von Gott nicht abgewiesen, sondern ausdrücklich erhört (V.20). So wird das im Namen Ismaels bewahrte Erhörungsmotiv erneut narrativ in Szene gesetzt. Abrahams Lachen und seine Bitte für Ismael können nicht als Akt des Unglaubens Abrahams verstanden werden, weil Gott beides in seiner Erwiderung positiv aufnimmt. Abrahams Lachen führt dazu, dass Gott den Namen Isaaks bestimmt. Wie Ismael in Gen 16,11 bekommt auch Isaak in V.19 den Namen unmittelbar von Gott. Die Namensgebung durch Gott ist eine im Alten Testament seltene und hohe Auszeichnung. Die göttliche Antwort auf Abrahams Bitte in V.1921 stellt Ismael und Isaak nebeneinander, nicht gegeneinander. Im Satzgefüge von V.19-21 gibt es keinen syntaktischen oder inhaltlichen Anhaltspunkt dafür, dass zwischen Isaak und Ismael ein Gegensatz aufgebaut werden soll. Die doppelte Betonung, dass auch mit Isaak und seinen Nachkommen die berît o͑ lam aufrechterhalten wird, ist eher von dem Bedürfnis geprägt, den noch nicht Geborenen deutlich hervorzuheben und in den Abrahambund einzubeziehen, als Ismael aus ihm auszuschließen. Allerdings werden mit Isaak und Ismael jeweils unterschiedliche Akzente der Abrahamberît aktualisiert. Die doppelte Zusage der berît o͑ lam an Isaak ist sprachlich an V.7f orientiert, ohne doch inhaltlich näher qualifiziert zu sein. D.h., dass die Isaak geltende Verheißung nur im Horizont der in V.7f allen Abrahamnachkommen geltenden Zusagen verstanden werden kann. Zu diesen Abrahamnachkommen gehört zweifellos auch Ismael.

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Dafür werden aber die Mehrungszusagen des Abrahambundes (V.26) unter Aufnahme des hier geprägten Sprachmaterials mit Ismael verbunden. Diese Segenszusagen für Ismael sind Gaben des Abrahambundes und stehen priesterschriftlich im Zusammenhang der wiederholten Bekräftigungen des Fruchtbarkeitssegens aus der Schöpfungserzählung, die Ismael in die Reihe Noah, Abraham, Ismael, Jakob einordnet. Zwar wird mit Ismael die Aufrechterhaltung der berît o͑ lam nicht explizit formuliert. Da er aber als schon geborener Abrahamsohn neben dem Vater unter der Bundeszusage von V.4-8 zu denken ist, bedarf er dieser Bekräftigung nicht, die in V.19.21 dem noch nicht geborenen Isaak gilt. Es kann selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden, dass in den inhaltlich unterschiedlichen Zusagen an Isaak und Ismael auch unterschiedliche Akzente gesetzt werden sollen, denn immerhin wird nur Isaak der Abrahamsohn sein, in dem das Erbe im Blick auf das Gottesvolk Israel weitergeht. Aber von einem spezifischen Israelakzent ist hier (anders als in Gen 21,12f) nichts zu erkennen. Beide Gaben, die berît ͑olam wie der Mehrungssegen, sind Gottesgaben des Abrahambundes. Diese Konstruktion ist nun auch deshalb interessant, weil die Verheißung an Ismael nicht einfach auf der persönlichen Ebene der Abrahamfamilie verrechnet werden kann, sondern mit dem Hinweis auf die Ismaeliter-Genealogie einen völkergeschichtlichen Aspekt einbringt. Dieses in Analogie zu Israel gesehene Zwölf-Stämme-Volk der Ismaeliter ist Folge und Ausdruck des Ismael im Abrahambund zugesprochenen Segens. Wir finden in Gen 17 als einem theologischen Reflexionstext ersten Ranges, mit hoher Bedeutung für das nachexilische Israel, eine theologische Konzeption, welche Gottes Bundessegen im Hinblick auf den Völkerkreis der Nachkommen Abrahams bedenkt. Ismael steht hier offenbar exemplarisch für die nichtisraelitischen Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams. Dass diese Völker aus der Nachkommenschaft Ismaels aus der Perspektive Israels auch zuweilen als feindlich erfahren werden, worauf in Gen 16,12 der Wildeselspruch hinweisen könnte, ist für die Priesterschrift überhaupt kein Grund, die nichtisraelitischen Abrahamnachkommen nicht mit in das Bundesgeschehen einzubeziehen.262 Wir haben gesehen, dass das Verheißungsgeschehen des Abrahambundes aus V.4-8 für die Söhne Abrahams unterschiedlich akzentuiert wird, Segen und Mehrung für Ismael, die generationenübergreifende berît o͑ lam mit Isaak. Was heißt dies im Hinblick auf die Frage, ob auch IsIn kanonischer Lektüre kommt der Leser ohnehin von Gen 16 her. In diachroner Hinsicht gilt: Falls die Priesterschrift in Gen 16* nichtpriesterliches Erzählmaterial vorgefunden und bearbeitet hat (Gen 16,1.3.16 werden üblicherweise als priesterlich angesehen), dann kennt sie bereits die Konfliktmetapher im Wildeselspruch. 262

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mael zum Abrahambund gehört? Aus dem Umstand, dass die berît ͑olam im Hinblick auf Ismael nicht erwähnt wird, wird in der Regel die Nichtzugehörigkeit zum Abrahambund erschlossen. Eine ältere Vermittlungsposition hatte WESTERMANN vertreten, der die Mehrungszusagen für Ismael zwar als Bundeszusagen erkannt und gewürdigt hat, aber doch Ismael aus der berît o͑ lam ausgeschlossen sah. Die Gesamtanlage von Gen 17 erlaubt nach dem Erarbeiteten m.E. nur das Urteil, dass Ismael als Sohn und »Same« Abrahams zu dem in Gen 17 gestifteten Bund gehört. Das geschilderte Geschehen erlaubt dabei durchaus unterschiedliche Akzentuierungen der Isaak-Linie und der Ismael-Linie. Dass Ismael in Gen 17 zum Abrahambund gehört, heißt nicht, dass er zu ihm in gleicher Weise wie Isaak gehört. Die unterschiedlichen inhaltlichen Akzente lassen Raum für die Vorstellung von der Zuordnung der Verschiedenen in einer gemeinsamen Konzeption des Abrahambundes. In meiner Habilitationsschrift vor zwanzig Jahren habe ich erste Versuche unternommen, die Verheißung für Ismael als Teil des Bundesgeschehens in Gen 17, und Ismael als Teilhaber im Abrahambund aufzufassen. Ich kam zu dem vorsichtig formulierten Ergebnis: »Da Ismael die tyrb nicht wie etwa Isaak ausdrücklich zugesprochen bekommt, kann nicht mit letzter Sicherheit behauptet werden, daß die Verfasser von Gen 17 Ismael als einen mit Isaak ebenbürtigen Teilnehmer am Abrahambund ansahen. Die Texte in Gen 17 sind mehrdeutig und fügen sich insgesamt nicht in ein stringentes theologisches Konzept. Doch weisen alle vorgelegten Beobachtungen darauf hin, daß Ismael nicht aus dem Abrahambund ausgeschlossen wird, und daß der ihn betreffende Mehrungssegen und seine Beschneidung ein wesentlicher Bestandteil dieses Bundes ist.«263

In weiteren Arbeiten habe ich Ismaels Teilhabe am Abrahambund deutlicher herausgestellt. Diese und weitere Anregungen hat dann DE PURY aufgenommen und in verschiedenen Aufsätzen auf eigene Weise264 die Teilhabe Ismaels am Abrahambund bestätigt, eine eindrucksvolle Neuformulierung der Bedeutung Abrahams als »Ecumenical Ancestor« in der Priesterschrift vorgetragen. Endlich hat SCHMID die in der Diskussion befindlichen Argumente noch einmal geprüft. Auch er sieht in V.4-8 nicht verschiedene Bundesschlüsse, sondern eine fortschreitende Präzisierung des einen Bundes, der mit Abrahams Samen (V.7f) selbstverständlich auch Ismael mit einschließt. In V.7f gehe es um den »Einschluss der gesamten, priesterschriftlich bezeugten Abraham-Nachkommenschaft in den Bund«265. In T. NAUMANN, Ismael (1996), 152; vgl. auch NAUMANN, Abrahams verlorener Sohn, 84ff; DERS., Common basis of covenant. 264 So etwa im Hinblick auf Abrahams Bitte für Ismael, s. dort. 265 K. SCHMID, »abrahamitische Ökumene«, 75.

263

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V.19-21 gehe es nicht um die Exklusion Ismaels, sondern vielmehr um die Inklusion des noch nicht geborenen Isaak in den Bund, was den besonderen rhetorischen Aufwand erklärt. Auch bei SCHMID ist selbstverständlich, dass das Bundesgeschehen im Blick auf Isaak und Ismael unterschiedlich akzentuiert wird: »Gleichwohl bleibt festzuhalten: Ismael ist nicht in gleicher Weise Partner im Bunde Gottes wie Isaak. Bezüglich Mehrung und Landgabe … sind sie gleichberechtigt, nicht aber bezüglich der Möglichkeit der kultischen Nähe (›Leben vor Gott‹, Gen 17,18b), die – wie der narrative Ablauf der Priesterschrift zeigt (Ex 2540) – Israel durch die Stiftung des Heiligtums allein vorbehalten ist.«266 Wie wir gesehen haben, ist die Konzeption des Bundesgeschehens in Gen 17 so offen, dass unterschiedliche Akzentsetzungen möglich sind, wodurch das gemeinsame Fundament des Abrahambundes nicht beeinträchtigt wird. Die genannten Arbeiten haben, wie wir gesehen haben, von WÖHRLE und KÖCKERT in unterschiedlicher Weise Kritik erfahren. Aber immerhin ist es gelungen, nach Jahrhunderten der theologischen Marginalisierung bzw. der negativen Stigmatisierung von Abrahams erstgeborenem Sohn, den Blick neu auf die inklusiven Dimensionen der Bundeskonzeption von Gen 17 zu richten.267 Im Hinblick auf die Frage, ob Ismael als Sohn und Same Abrahams zur berît ͑olam in Gen 17 gehört, kann man trotz der hier vorgelegten Argumentationen verschiedener Meinung sein und bleiben. Dass aber im Bundesgeschehen von Gen 17 neben Isaak auch Abrahams Sohn Ismael theologisch außerordentlich hoch gewichtet wird, und dass die Mehrungszusagen für Ismael inhaltlich und sachlich Teil priesterlicher Segenszusagen seit der Schöpfung sind, die in Gen 17,2-6 terminologisch als berît qualifiziert werden, und dass Ismaels Beschneidung als Zeichen des Bundes aufzufassen ist, dies sollte angesichts des Textbefundes nicht mehr bestritten werden. Mir scheint es wichtig, darauf hinzuweisen, dass niemand der genannten Vertreter der These, dass Ismael in Gen 17 in den Abrahambund einbeschlossen ist, behauptet, dass Isaak und Ismael hier gleich gewichtet werden. Die unterschiedlichen Akzentsetzungen bei Isaak und K. SCHMID, ebd., 81. Dieses Urteil ergibt sich daraus, dass K. SCHMID die These DE PURYs übernimmt, wonach die Abrahambitte für Ismael auf einen Priesterdienst für Ismael abziele, weshalb die Abrahambitte von Gott abgelehnt wird. Beides trifft m.E. nicht zu. 267 Die These von der Geltung des Abrahambundes für alle seine Nachkommen findet sich mittlerweile gelegentlich schon in Lehrbüchern: Vgl. T. ROEMER in: W. DIETRICH u.a., Entstehung des Alten Testaments (2014), 91: »Der wichtigste P-Text in der folgenden Patriarchengeschichte ist der Bundesschluss mit Abraham (Gen 17*), der für alle Nachkommen Abrahams (Isaak und Ismael) gilt und dessen Zeichen die Beschneidung ist.« K. SCHMID, Literaturgeschichte des Alten Testaments (2008), 147 sieht in Gen 17 eine »grundlegende Setzung Gottes für die Welt und die abrahamitischen Völker – das ist Israel (Isaak/Jakob), aber auch die Araber (Ismael) und Edomiter (Esau)«.

266

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Ismael sind evident. Die Abrahamsöhne werden hier wie später auch in Gen 21,12f in ein abgestuftes Verhältnis zueinander gesetzt. Dass die Israel-Dimension in einem legitimatorischen Reflexionstext wie Gen 17 vor allem im Blickpunkt steht, ist selbstverständlich. Hier geben sich Judäer der frühnachexilischen Zeit, die sich als Nachkommen Abrahams verstehen, theologische Rechenschaft über ihre Ursprünge und die Dimensionen ihres Gottesglaubens. Das Interessante liegt gerade darin, dass dies theologisch und genealogisch in einem weiteren Horizont geschieht. Sehr leicht hätte die Figur des erstgeborenen Abrahamsohnes zur polemischen Abgrenzung genutzt werden können, wie es die Auslegung jahrhundertelang auch gesehen hat. In Gen 17 wurden die Zuordnung und die abgestufte Gewichtung der Verschiedenen in einer sie gemeinsam tragenden Bundeskonzeption zur Geltung gebracht, weil sie beide Abrahams Same sind. Die Zuordnung gelingt, ohne die Unterschiede zu nivellieren. Ähnlich wird Gen 21,12f argumentieren: Nach dem einen (Isaak) wird sich Israel nennen, aber auch der andere (Ismael) steht unter Gottes Fürsorge, weil er »Same Abrahams« ist. 6.7 Ismaels Beschneidung Die Beschneidung der männlichen Nachkommen am 8. Tag ist das in Gen 17,10 geforderte, unverzichtbares Zeichen der berît ͑olam und gilt Abraham und seinem Samen nach ihm. Damit wird die jüdische Beschneidungspraxis bundestheologisch verankert und begründet. Abraham reagiert auf die göttliche Offenbarungsrede, indem er die geforderte Beschneidung gemäß der Beschneidungstora unverzüglich vollzieht bzw. vollziehen lässt. 22 Als er sein Wort beendet hatte, fuhr Gott auf von Abraham. 23 a Und Abraham nahm den Ismael, seinen Sohn, und alle in seinem Haus Geborenen und alle für sein Geld Gekauften, alle männlichen Personen vom Haus Abrahams, b und beschnitt das Glied ihrer Vorhaut, an demselben Tag, an dem Gott zu ihm geredet hatte. 24 a b 25 a b

Und Abraham war neunundneunzig Jahre alt, als er sich beschneiden ließ sein Glied der Vorhaut. Und Ismael, sein Sohn, war 13 Jahre alt, als er sich beschneiden ließ sein Glied der Vorhaut.

26 a An demselben Tag wurden Abraham beschnitten, und Ismael, sein Sohn. 27 a Und alle Leute seines Hauses, im Haus Geborene und für Geld von Fremden Gekaufte, b ließen sich von ihm beschneiden.

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»Das Stück ist von dem Verf. mit pünktlicher Weitläufigkeit genau nach den Gottesworten 10‒14 ausgeführt, damit man wisse, daß alles getreulich vollzogen worden ist; und daß damals also – für den Verf. ein welthistorisches Ereignis, darum auch die doppelte Datierung – wahr und wahrhaftig die Beschneidung eingeführt worden ist.«268 Dieser Passus ist dreigeteilt. V.23 bietet einen Bericht über die sofortige Ausführung der geforderten Beschneidung mit Abraham als Subjekt. Die Beschneidung beginnt bei »Ismael, seinem Sohn« und umfasst alle männlichen Personen des Hauses. V.24-25 heben Abraham und Ismael besonders hervor, indem ihr Lebensalter bei der Beschneidung vermerkt wird, und V.26f bieten abschließend nochmals eine summarische Bestätigung des in V.23 Erzählten. Dabei werden in der Darstellung durchgängig die Worte der Beschneidungstora aus Gen 17,11-14 aufgenommen. Durch diese Dreiteilung des Berichts ergibt sich, dass dreifach nur von Ismaels Beschneidung berichtet wird, während selbst diejenige Abrahams nur zweimal erwähnt wird. Und jeweils wird betont, dass Ismael als Sohn Abrahams beschnitten wird. Ismael als bisher einziger Sohn Abrahams steht zweifellos im Mittelpunkt des Beschneidungsberichts. Eine Interpretation, die davon überzeugt ist, dass Ismael nicht zum Bund gehört, hat mit der Beschneidung Ismaels Probleme, weil in seinem speziellen Fall die Beschneidung nicht das in V.10ff geforderte Bundeszeichen sein kann. So wunderte sich HOLZINGER: »Wenn die Beschneidung ein Zeichen der Berith ist, von der Ismael ausdrücklich ausgeschlossen ist ..., so ist es eigentlich inkonsequent, wenn er auch beschnitten wird.«269 Für GUNKEL liegt die Lösung kurzerhand darin, dass P sich eben getäuscht hat. So würdigt er zwar die Hervorhebung der Beschneidung Ismaels, der »als erstes Exempel des Haussohnes die Hauptperson« bei der Beschneidung des Hauses Abrahams ist. Doch hat P darin einen »Fehler gemacht, dass auch Ismael die Beschneidung bekommt ... während er andererseits von dem Bunde, dessen Zeichen die Beschneidung ist, ausdrücklich ausgenommen sein soll.«270 Gegenwärtig wird mit BLUM eher behauptet, dass es zur inneren Logik des Kapitels gehöre, dass Ismael nicht als Sohn und Same Abrahams beschnitten wird, sondern als männliches Mitglied von Abrahams Haushalt, weshalb ja auch die Sklaven beschnitten werden.271 Da V.1921 klar stellen würde, dass Ismael aus der berît ͑olam ausgeschlossen H. GUNKEL, Genesis, 272. P. HOLZINGER, Genesis, 129. 270 H. GUNKEL, Genesis, 272. Von einem »Fehler«, der sich s. E. im Lauf der Redaktionsgeschichte eingeschlichen hat, spricht auch K. GRÜNWALD, Exil und Identität, 35 m. Anm. 54. 271 E. BLUM, Vätergeschichte, 422. Auch für R. SYRÉN, Forsaken First-Born, 39, wird Ismael als »a member of Abrahams family« beschnitten. »His equals as the marginal group of household slaves«. 268 269

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wird, meint etwa KÖCKERT, kann die Beschneidung Ismaels nicht als Bundeszeichen aufgefasst werden. Denn nicht jeder, der beschnitten wird, gehört deswegen zum Bund. Schließlich würden auch die Sklaven beschnitten, ohne dass sie Anteil an der berît o͑ lam (Gottesverhältnis und Landgabe) bekämen.272 Eine etwas andere Position nimmt WÖHRLE ein, der in der Beschneidung Ismaels tatsächlich ein Bundeszeichen sieht. Aber Ismael, der nach V.19-21 nicht zum Bund gehört, werde nun nicht als Sohn Abrahams, sondern als exemplarisch Fremder in den Abrahambund aufgenommen.273 Damit wolle die Priesterschrift die Integration von Außenstehenden in die Bundesgemeinschaft zeigen. Zu dieser eigenartigen Annahme kann WÖHRLE nur gelangen, weil er die familiengeschichtlichen Konstellationen in Gen 17 völlig ausblendet und Ismael allein als Vertreter nichtisraelitischer Gruppen sieht. Aber natürlich kann Ismael in Gen 17 keinesfalls als Fremder gesehen werden, sondern wird sowohl von Abraham wie auch von Gott als (bisher einziger) Sohn Abrahams aufgefasst. GUNKEL begründete eine weitere Theorie mit seinem Hinweis darauf, dass die Beschneidung Ismaels im Alter von 13 Jahren vielleicht »bei den ismaelitischen Völkern üblich gewesen sei.«274 Dann wäre die Beschneidung Ismaels nicht mehr als Zeichen des Abrahambundes, sondern als Ätiologie eines ismaelitischen oder arabischen oder wenigstens nichtjüdischen Beschneidungsbrauches zu sehen. Diese ätiologische Interpretation verändert unter der Hand die Funktion der Beschneidung Ismaels in ihr Gegenteil. Aus einem Zugehörigkeitszeichen zum Abrahambund ist ein Unterscheidungszeichen von diesem Bund geworden. An der Beschneidung Ismaels wolle Israel deutlich machen – so lautet die These – dass man sich mit der Beschneidung am 8. Tag von den Beschneidungsbräuchen seiner Umwelt abgrenzt. Dass Ismael wie auch Abraham aus Gründen des Erzählablaufs nicht am 8. Tag beschnitten werden können, ist dann keiner weiteren Überlegung wert. Der Autor von Gen 17 wolle die arabische Form der Beschneidung als

Vgl. M. KÖCKERT, Gottes Bund mit Abraham, 18. Vgl. J. WÖHRLE, Isaak und Ismael, 125. 274 Vgl. ebd. Auch C. WESTERMANN, Genesis, 320, erklärt den Beschneidungstermin Ismaels mit dem pubertären Übergangsritus, der sich von dem in Israel üblichen Ritus unterscheidet. Für F. MILDENBERGER, Biblische Dogmatik II, 108 Anm. 62, kann Ismael nicht zum Gottesbund gehören, weil P nur den Pubertätsritus zeigen wolle, der außerhalb des Judentums geübt wurde, und von dem sich der Abrahambund gerade abgrenzt. H. GUNKEL war sich über die Konsequenzen dieser These allerdings noch im Klaren, die nach ihm kaum noch bedacht werden. Die Beschneidung Ismaels im Alter von 13 und das Alter Abrahams bei Isaaks Geburt von 100 Jahren (21,5) wären dann die unverrückbaren Daten, nach denen P alle anderen Alters- bzw. Zeitangaben errechnet hätte, was ein beträchtliches Interesse der Priesterschrift an ismaelitischen bzw. arabischen Beschneidungsbräuchen voraussetzen müsste. 272

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Ritus der Pubertätszeit in ihrem Stammvater Ismael begründen.275 Doch wird diese Interpretation weder dem Text von Gen 17 gerecht noch dem, was sich historisch über die Beschneidungspraktiken der vorislamischen Araber erkennen lässt.276 Das Argument hat eine interessante Vorgeschichte. Erstmals weist FLAVIUS JOSEPHUS277 anhand der Beschneidung Ismaels auf die arabischen Beschneidungsriten hin. Allerdings will er damit gerade die rituelle Gemeinschaft zwischen Juden und den von ihm bewunderten arabischen Nabatäern herausstellen. In ihrem Stammvater Ismael haben sie Anteil am Erbe Abrahams und praktizieren dieses Erbe auch rituell noch gegenwärtig. In der Josephusrezeption der Kirchenväter gerät der Hinweis auf die arabische Beschneidung dann zum Abgrenzungszeichen.278 Die Bemerkung bei Josephus ist die bisher einzige antike Quelle über die Beschneidungsriten der Araber, alle anderen (altchristlichen) Bezugnahmen verdanken sich dieser Notiz. Da Josephus vor allem die biblische Geschichtsperspektive mit der Welt seiner Gegenwart verbinden will, ist es wahrscheinlich, dass er entweder keine genauen Informationen über tatsächliche, arabische Beschneidungspraktiken seiner Zeit hat, oder das, was er weiß, in der biblisch vorgegebenen Perspektive der Beschneidung Ismaels im 13. Lebensjahr bedenkt. Als gegenüber Gen 17 unabhängige Quelle kann Josephus nicht in Anspruch genommen werden.279 In welchem Alter haben die Araber die Beschneidung vollzogen? In der muslimischarabischen Tradition wird ein bestimmter Beschneidungstermin nicht verbindlich festgesetzt und differiert regional zwischen 7-14 Tagen nach der Geburt und dem Beginn der Geschlechtsreife (12-14 Jahren). Am häufigsten wird die Beschneidung im Kindesalter zwischen 2 und 6 Jahren vollzogen.280 WELLHAUSEN rechnete jedoch damit, dass bei den vorislamischen Arabern die Beschneidung in der Pubertätszeit üblich gewesen sei, und verband Gen 17 mit einem frühislamischen, bei BUCHARI (4,81) überlieferten Hinweis auf die Beschneidung eines Arabers mit 13 Jahren: »Ibn Abbas wurde gefragt, wie alt er beim Tode des Propheten gewesen sei. Er antwortete: ich war eben beschnitten. Er war damals dreizehn Jahre alt.«281 Damit ist indes nur belegt, dass man in Zentralarabien im 7. Jh. n. Chr. als junger Erwachsener beschnitten werden konnte, kaum mehr. Nach anderen Traditionen war jener Ibn Abbas übrigens 15 Jahre alt.282 Im Hintergrund steht bei WELLHAUSEN die alte religionsgeschichtliche These, nach der die Beschneidung ein ursemitischer Initiations- und Mannbarkeitsritus im Zusammenhang der

Vgl. H. GUNKEL, Genesis, 272; C. STEUERNAGEL, Genesis 17, 176. Vgl. auch T. NAUMANN, Common basis of covenant, 97f. 277 Jos.Ant. 1.191-193.214. »… and from that time on the Jews have a custom to perform circumcisions after so many days (sc. eight days). And Arabs do so after the thirteenth year. For Ismaelos, the founder of their race, born of a concubine to Habramos, was circumcised at that time.« (214), zit. L. FELDMAN, Judean Antiquities 14, 81. 278 Orig. ad. Gen 1,4; Euseb. praep. ev. VI 293b. 279 Anders A. BLASCHKE, Beschneidung, 227: »Dabei wird Josephus das Beschneidungsalter der zeitgenössischen Araber auch aus eigener Erfahrung gekannt und kaum nur aus Gen 17:25 erschlossen haben.« 280 Vgl. die Artikel »Khitān« in den islamwissenschaftlichen Lexika HdI, EI, EI2 sowie M. STEINSCHNEIDER, Beschneidung der Araber. 281 Vgl. J. WELLHAUSEN, Reste arabischen Heidentums, 175 Anm. 3. 282 Vgl. A.J. WENSINCK, HdI, 314b. 275

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Hochzeit ist, der bei den Arabern lange ursprünglich erhalten blieb und erst durch den Islam allmählich geändert wurde.283 WELLHAUSENs These ist in der Islamwissenschaft nicht aufgenommen worden. Die gründlichste Bearbeitung der einzelnen Hinweise auf die Beschneidungspraxis der durch den Islam wenig bestimmten arabischen Beduinenkulturen, die am ehesten Rückschlüsse auf vorislamische Gegebenheiten gestatten, stammt von HENNINGER284, mit einem regional differenzierten Ergebnis: Danach »scheint die Beschneidung im Pubertätsalter nur für Südwestarabien belegt zu sein«. »In Nord- und Zentralarabien findet die Beschneidung meistens im frühen Kindesalter statt, aber selten vor dem 3. Lebensjahr, sehr oft im Alter von 3-7 Jahren.«285 Ismael lässt sich aber bestenfalls mit nordarabischen Gruppen verbinden, bei denen die Beschneidung in der Pubertät nicht belegt werden kann. Überdies darf im arabischen Raum kaum von regional einheitlichen Beschneidungsdaten nach Analogie der jüdischen Praxis ausgegangen werden. Damit lässt sich m.E. die aus der Josephusnotiz ererbte und von WELLHAUSEN historisierte Interpretation der Beschneidung Ismaels in Gen 17 als Ätiologie der arabischen Beschneidungspraxis nicht aufrechterhalten.286

Die Darstellung in Gen 17 lässt bei unvoreingenommener Betrachtung gar keine andere Möglichkeit zu. Das im Abrahambund geforderte Bundeszeichen der Beschneidung wird an Ismael vollzogen, weil er Sohn und Same Abrahams ist und als solcher in die berît ͑olam gehört. In der jüdischen Auslegung war indes nie strittig, dass Ismaels Beschneidung als Bundeszeichen aufzufassen sei. Als bislang einziger Sohn Abrahams wird er zuerst – noch vor Abraham – beschnitten, um ein Vorbild zu sein, dem andere nacheifern können. Das Beschneidungsalter Ismaels (13) und Abrahams (99) wird so gedeutet, dass beide ungeachtet ihrer Jugend oder ihres Alters den Willen Gottes erfüllen können. Das Alter von 13 Jahren befähigt Ismael zu einer vom ihm religiös selbstverantworteten Entscheidung zur Beschneidung.287 Diese religiöse Mündigkeit verschafft sich im Judentum in der Bar-Mizwa-Feier ihren Ausdruck, die im 13. Lebensjahr begangen wird. Einige Kommentatoren der Halacha sehen daher im Beschneidungsalter Ismaels eine Beweisstütze für das rechte Bar Mizwa-Alter.288 Der MIDRASCH (GenR) berichtet von einer Auseinandersetzung der Brüder über den Wert des Datums ihrer Beschneidung. Angesichts der Beschneidung eines willen283

Vgl. dazu J. MORGENSTERN, Rites of Birth. Vgl. J. HENNINGER, Eine eigenartige Beschneidungsform in Südwestarabien, sowie DERS., Nochmals: Eine eigenartige Beschneidungsform in Südwestarabien. 285 Zit. J. HENNINGER, Nochmals, 424. 286 Vgl. neben J. HENNINGER, ebd., 427ff u. Anm. 49 auch I. EPH‘AL, »Ishmael« 235 m. Anm. 35. Dass sich Gen 17 nicht mit historischen Erkenntnissen über arabischislamische Beschneidungsdaten verbinden lässt, haben Exegeten des 19. Jahrhunderts (A. DILLMANN, Genesis, 264) noch gewusst. 287 Belege bei ZLOTOWITZ/SCHERMAN, Bereishis, 584-587. 288 D.J. BORNSTEIN, EJ (D), III (1929), Sp. 1037 schreibt: »... einige Kommentatoren bringen übrigens das B.(ar Mizwa)-Datum in Zusammenhang mit der Beschneidung Ismaels im Alter von 13 Jahren«, ohne genaue Quellen mitzuteilen.

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losen Säuglings am 8. Tag trumpft Ismael auf: »Ich bin beliebter als du. Warum? Denn ich hatte die Möglichkeit, mich zu weigern, und ich habe mich nicht geweigert.« Dem hält Isaak nicht seine Beschneidung, sondern seine Opferbereitschaft angesichts der Akeda entgegen.289 Die rabbinische Tradition kann an Ismaels Beschneidung als Bundeszeichen festhalten, weil sie die persönlichen, familiären Aspekte betont und die völkergeschichtlichen Dimensionen abblendet. Für CALVIN gehört in Gen 17 Ismael in abgestufter Weise zur Gottesgemeinschaft des Bundes: »Man sieht, Ismael wird nicht ausgeschlossen, sondern bleibt, wenn auch seinem Bruder Isaak untergeordnet, ein Glied des Hauses, bis er sich von der Gemeinschaft der Seinen trennt.«290 Erst die Vertreibung, die nach Calvins Verständnis von Gen 21 als eine gerechte Strafe für Ismaels hämischen Spott gegenüber Isaak, vollzogen wird, trennt dann auch für Calvin Ismael von den Wohltaten des Bundes. HEINISCH291 hält fest, dass Ismael als Sohn und Familienmitglied mit dem Bundeszeichen versehen wird. Aber P kenne eben Ismael nicht als Stammvater arabischer Völker, was freilich mit der Brücke kollidiert, welche die Mehrungsverheißung (17,20) mit der Ismaelitergenealogie in Gen 25 verbindet. Während FLAVIUS JOSEPHUS, aber auch das frühjüdische JUBILÄENBUCH (Jub 20) den Beschneidungsbrauch arabischer Völker als abrahamische Verpflichtung würdigen konnten, wird in der talmudischen Tradition die Beschneidung der Araber m.W. nie mit der Beschneidung Ismaels oder der Beschneidung der Juden in Verbindung gebracht. Den Rabbinen ist sie ein heidnischer Brauch, der geradezu zum Begriff dafür wird (aravi machul – Beschneidung der Araber),292 dass auch heidnische Völker die Beschneidung pflegen und für Übertrittsverfahren zum Judentum daher auch eine symbolische Beschneidung (Beschneidung schon Beschnittener) nötig wurde. Nach der Islamisierung der Araber hat MAIMONIDES293, der wohl größte Gelehrte des mittelalterlichen Judentums, die muslimische Beschneidung nicht mehr (allein) als heidnischen Brauch beurteilen wollen. In seinem großen religionsgesetzlichen Werk ›Mischne Thora‹ führt er sie auf das den Abrahamnachkommen verpflichtend auferlegte Beschneidungsgebot am 8.Tag (!) zurück: Unsere Weisen haben gesagt, dass die Keturasöhne, die vom Samen Abrahams abstammen und nach Ismael und Isaak kamen, zur Beschneidung verpflichtet waren. Und weil 289

GenR 55 zu 22,1; vgl. bSanh 89b; zit. M. KRUPP, Den Sohn opfern, 26. J. CALVIN, Genesis, 184. 291 P. HEINISCH, Genesis, 240. 292 Vgl. bSchab 135a; bNed 3,11; aber auch die altchristliche Perspektive in Barn 9,6. 293 Rabbi Mose ben Maimon (Rambam), geb. 1135 in Cordoba, gest. 1204 in Fustat (Altkairo). 290

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sich heutzutage die Söhne Ismaels mit den Keturasöhnen vermischt haben, sind alle von ihnen zur Beschneidung am 8. Tag verpflichtet.294

Maimonides lebte im 12. Jh. im islamisch beherrschten Ägypten, wo vermutlich die Säuglingsbeschneidung unter Muslimen üblich war, die sich somit von der jüdischen wenig unterschied. Der Islam aber ist eine monotheistische, sich auf Abraham berufende Religion, mindestens darin dem Judentum vergleichbar. Die islamische Beschneidung verlangt eine jüdische Beurteilung. Woher kommt sie? Im Koran wird sie nicht speziell geregelt. So verbindet Maimonides die islamische Beschneidung mit dem abrahamischen, d.h. monotheistischen Erbe. Die Muslime beschneiden sich, weil die Beschneidung den Nachkommen Abrahams verpflichtend auferlegt wurde. Für Maimonides ist sie daher eine »acceptable practical application of Islamic monotheism«295. Damit führt er den islamischen Monotheismus auf Abraham zurück und lässt ihn durch das Bundeszeichen der Beschneidung rituell beglaubigt sein. Das weist auf Gen 17 zurück. Indem Maimonides die Keturasöhne zu den Trägern dieses Erbes macht, umgeht er die allzu negativ bewertete Gestalt Ismaels, gegen den die rabbinische Tradition immerhin den Vorwurf des Götzendienstes erhoben hat.296 Die traditionell unbelasteten Keturasöhne haben den abrahamischen Monotheismus und mit ihm die Beschneidung auch zu den Muslimen gebracht. Dies ist aber nicht die eigene Idee des Maimonides, der sich ausdrücklich auf die überlieferte Meinung der ›Weisen‹, der rabbinischen Gelehrten, beruft. In der rabbinischen Tradition findet sich der Gedanke m.W. nicht. Dafür hat das Jubiläenbuch (2. Jh. v. Chr.) in Jub 20 eine alte jüdische Tradition bewahrt, nach der Abraham neben Isaak und Jakob auch Keturasöhne und Ismaelnachkommen mit einem besonderen Segen versieht und dieser Ökumene aller Abrahamnachkommen die Verpflichtung zur Beschneidung, zur monotheistischen Gottesverehrung und zum Tun der Gerechtigkeit auferlegt, bevor Abraham Ismaeliter und Keturasöhne in ihre angestammten Wohngebiete entlässt.297 Am Ende von Jub 20 in V.13 findet sich auch die von Maimonides angesprochene Vermischungsthese, nach der sich Keturasöhne und Ismaeliter vermischt haben und die Völker bildeten, die heute Ara294 »Our sages said that the sons of Keturah, who are of the seed of Abraham, who came after Ishmael and Isaac, are obligated to be circumcised. And because today the sons of Ishmael have assimilated (ve-nit’arvu) with the sons of Keturah, all of they are obligated to be circumcised on the eight day.« Mishneh Thora, Hilkhot Melakhim 10,8 zit. nach D. NOVAK, The Treatment of Islam, 240. Die folgenden Ausführungen referieren die Ergebnisse der interessanten Studie NOVAKs. 295 D. NOVAK, ebd., 243. 296 S. u. zu Gen 21,9. 297 Vgl. Näheres zu Jub 20 in Kap. IV. 3., zur Rezeption der Ismaelgeschichte im Jubiläenbuch in Kap. VIII. 1.

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ber oder Ismaeliten genannt werden. Solche Traditionen mag Maimonides gekannt haben, und er weist diesen mit seiner Einführungsphrase »Unsere Weisen haben gesagt ...« den hohen Status althergebrachter rabbinischer Überlieferung zu. Diese These des Maimonides hat zu einiger Aufregung unter den nachfolgenden Halacha-Gelehrten geführt, weil Maimonides die Araber anders als die anderen Völker nicht im Horizont der sieben noachidischen Gebote behandelt, die Beschneidung ja nicht vorsehen, sondern enger an das Judentum (genealogische Abkunft; Monotheismus und Beschneidung) herangerückt.298 Insgesamt kommt Maimonides mit diesem Modell, das die nichtisraelitischen Abrahamnachkommen theologisch anders behandelt als die vom Noahbund umschlossenen Weltvölker der Sichtweise der Genesis wieder näher. Denn der Abrahambund in Gen 17 bewertet die Abrahamnachkommen als eine von den Weltvölkern unterschiedene kollektive Identitätsebene, nicht nur genealogisch, sondern auch theologisch. Dafür steht die Ismaeltheologie, die sich uns zunehmend herauskristallisiert. 6.8 Ismael und der Abrahambund in priesterschriftlicher Perspektive Wir versuchen das zu Gen 17 Erarbeitete mit den darüber hinaus gehenden priesterschriftlichen Perspektiven in Verbindung zu bringen und fragen, wie die konkrete Ausgestaltung des im Horizont der für die Genesis strukturbildenden Priesterschrift verstanden werden kann. Dabei nehmen wir die Argumentation vom Anfang dieses Kapitels (III.1) wieder auf. Die Priesterschrift entwirft mit systematischer Kraft und weitem Horizont eine Theologie von Gottes Einwohnung bei seinem Volk Israel, das sich als Kult vor Jhwh im »Zelt der Begegnung« in der Wüste realisiert. Dieses Programm, das nicht direkt auf den Kult in Jerusalem zuläuft, reflektiert die Existenz der nachexilischen Kultgemeinde in der Provinz Jehud ebenso wie in der Diaspora als gottgemäßes Leben inmitten anderer Völker und Gruppen. Daher entwikkelt die Priesterschrift die Vorstellung, dass sich der Gott Israels erstmals Mose am Berg Sinai als Jhwh (Ex 6) offenbart und als solcher erst am Sinai in der Mitte seines Volkes wohnt. Ihr theologisches Programm entfaltet die Priesterschrift in universaler Perspektive von der Schöpfung her. Sie reflektiert dabei die Fürsorge und den Segen des Schöpfergottes im Hinblick auf den Kreis der ganzen Menschheit (Gen 1 u. 9), im Blick auf die Generationen der Erzeltern (Gen 17; 28,3; 35,9-12; 48,4), und so lange, bis er sich in der Mehrung des Volkes Israel in Ägypten erfüllt (Ex 1,7). Überdies ist die theologische Programmatik der Pries298

Vgl. D. NOVAK, The Treatment of Islam, 243f.

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terschrift in den beiden Bundesschlüssen wie in ihrer Offenbarungstheorie (Ex 6,2-3) gut zu erfassen. Letztere besagt, dass sich Gott dem Kreis der ganzen Welt als Elohim offenbart, dem Kreis der Erzväter als El Schaddaj während erst das Israel der Mosegeneration den Gottesnamen Jhwh enthüllt bekommt (Ex 6). Mit diesem Konzept vertritt die Priesterschrift eine Art inklusiven Monotheismus299, denn Elohim/El Schaddaj sind auch von anderen Völkern erfahrbar. Während für das Sinaigeschehen der Begriff des Bundes keine Verwendung findet, begegnet die Bundesvorstellung signifikant als berît o͑ lam in den beiden parallel strukturierten Bundesschlüsse in Gen 9 und 17. Damit sind jeweils Heilssetzungen für Völkerkreise verbunden, die Israel mit einschließen, aber auch über Israel hinausweisen. In Gen 9 ist es der Weltkreis aller Menschen und sogar allen Lebens, in Gen 17 ist es der Kreis der Nachkommen Abrahams als »Vater eines Gewimmels« von Völkern. Diese Heilssetzungen werden als einseitige Beistands- und Fürsorgeversprechen Elohims/El Schaddajs Gottes aufgefasst, die dauerhaft gelten und daher von menschlicher Seite nicht aufgekündigt werden können. Dies besagt das Adjektiv o͑ lam, das im Alten Testament keinen eschatologischen oder jenseitigen Klang gewinnt, sondern die Unverbrüchlichkeit des Bundes betont. An diesen göttlichen Heilssetzungen in den Bundesschlüssen hat Israel selbstverständlich Anteil, aber nicht allein, sondern im Kreis weiterer Völker. Diese beiden grundlegenden »vorisraelitischen« Bundesschlüsse tragen oder umschließen das spezielle und Israel allein geltende Heilsgeschehen am Sinai. Mit der Kategorie des Bundes scheint die Priesterschrift weltweite Vorgänge seiner Ursprungsgeschichte erfassen zu wollen. Der Verzicht auf die Bundeskategorie im Sinaigeschehen darf nun nicht dazu führen, dem Abrahambund in Gen 17 alle Last der entscheidenden Heilssetzung für das spätere Israel aufzubürden. Denn für die Priesterschrift ist unzweifelhaft, dass erst das Volk Israel die vollkommene Gotteserkenntnis und Gottesnähe gewährt bekommt und dass nur Israel mit dem Kult über ein Medium verfügt, das Jhwhs Einwohnung bei seinem Volk ermöglicht. Weil aber diese Israelorientierung klar und selbstverständlich ist, kann vorher und für die Ursprungsepochen gezeigt werden, dass und wie der Gott Israels als Weltgott in größeren Horizonten wirkt: so bei Noah, dem Vater der ganzen Menschheit und bei Abraham, dem Vater Israels und vieler Völker.

Vgl. zum Begriff DE PURY, »Gottesname«, sowie zur Offenbarungstheorie der Priesterschrift R. ACHENBACH, »Ich bin der ich bin!«.

299

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6.8.1 Der Völkerkreis der Nachkommen Abrahams Dieser theologische Horizont wird durch den genealogischen Horizont der Priesterschrift gestützt und realisiert. An den Noahbund schließen sich die Genealogien der Weltvölker als noachidische Abstammungsgemeinschaft an und der Abrahambund eröffnet die Verbindung zu den Genealogien auch der nichtisraelitischen Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams, wie sie die Völkertableaus in Gen 25 und Gen 35 zeigen. Für die Vorstellung einer Abstammungsgemeinschaft ist die Kategorie des ›Samen Abrahams‹ zentral. Als Abrahams Kind oder Abrahams Same darf sich der verstehen, der sich selbst oder sein Volk genealogisch auf Abraham zurückführen kann. Abrahamskindschaft meint in Gen 17 und in der Genesis die genealogisch vermittelte Teilhabe an der Abstammungsgemeinschaft in Abraham.300 Gerade wenn man dies bedenkt, dann erstaunt umso mehr, dass die theologisch reflektierte Bundeskonzeption aus Gen 17 nicht mit dem genealogisch eindeutig auf Israel zielenden Jakob, sondern mit der Figur Abrahams als ›Völkervater‹ ausgestaltet wird. Diese genealogisch weite Dimension des Völkervaters wird in Gen 17 breit theologisch reflektiert und ist wesentlicher Bestandteil des Abrahambundes. Obgleich sich in Gen 17,2-6 auch einiges Traditionsgut einer universalistischen Ausdeutung der Abrahamfigur findet, wird Abraham in Gen 17 nicht als Vater aller Völker gesehen, sondern einiger Völker neben Israel, die als Keturasöhne, Ismaelsöhne und später als Esausöhne genealogisch aufgelistet werden. Dass diese Völker unter die Kategorie des ›Samen Abrahams‹ gefasst werden können, zeigt exemplarisch die Erzählfigur Ismaels als Erstgeborenem Abrahams und Vater nichtisraelitischer Völker. Entsprechend ihrer dreigestuften Offenbarungstheologie scheint die Priesterschrift also neben dem Weltkreis und dem Volk Israel einen »abrahamitischen Völkerkreis« als eigenständige Größe zu betonen.301 Aber sie zeigt dies nicht nur genealogisch, sondern reflektiert diesen Kreis auch theologisch. Die Verheißungen des Abrahambundes, der Mehrung und Segen, Landnutzung und ein besonderes Gottesverhältnis umfasst, gelten Abraham und seinem ›Samen‹ nach ihm. Obwohl die berît o͑ lam nicht explizit mit Ismael verbunden wird, lässt Gen 17 keiDas ist auch deshalb zu betonen, weil im Christentum (im Neuen Testament in Zusammenhang mit der Öffnung für die sogenannten ›Heidenchristen‹), aber auch im Islam diese genealogische Linie der Legitimation in Abraham z.T. marginalisiert, z.T. bestritten und aufgegeben wird. 301 Es war G. VON RAD, der in seiner Arbeit zur Priesterschrift (1934) einen dreiteiligen Aufbau gesehen hatte. In der Rezeption seines Werks wurde aber nur die Unterscheidung von »Weltkreis« und »Israelkreis« übernommen. Zur Forschungsgeschichte vgl. K. SCHMID, »abrahamitische« Ökumene, 83. 300

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nen Zweifel daran, dass auch Ismael Abrahams Same ist und in V.7f neben Abraham unter der Zusage der berît ͑olam steht. Weil er ›Same Abrahams‹ ist, bekommt er in V.20 die göttlichen Zusagen des Segens, der Fruchtbarkeit und der Mehrung in den markantesten Formulierungen, welche die Priesterschrift kennt. Weil Ismael als Sohn und Same Abrahams aufgefasst wird, wird er auch beschnitten, um das Bundeszeichen zu tragen. Dabei zeigen die Formulierungen der Bundeszusagen im Blick auf Ismael und Isaak, dass unterschiedliche Akzentsetzungen möglich sind. So wird in V.17-21 die Bekräftigung der berît o͑ lam an den noch nicht geborenen Isaak und Israel-Erben Abrahams stärker hervorgehoben als die Mehrungszusage an Ismael. Auch in V.7f sind unterschiedliche Akzentsetzungen denkbar. Wir hatten gesehen, dass es vom Gesamtzusammenhang in Gen 17 zunächst notwendig ist, sowohl die Verheißung des Landes Kanaan als auch das besondere Gottesverhältnis auf alle »Nachkommen« Abrahams zu beziehen. Allerdings müsste dabei mit einem sehr weiten Begriff »Kanaans«, der die östlichen Wüsten mit einschließt, gerechnet werden, denn die nichtisraelitischen Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams siedeln nach der biblischen Überlieferung nicht im westjordanischen Palästina und haben Ansprüche an diesen Lebensraum auch nicht gestellt. Es ist aber auch möglich, dass in diesen dem Samen Abrahams zugesagten Bundesgaben ein besonderer Israel-Akzent gesetzt wird. Unterschiedliche Akzentsetzungen innerhalb dieses abrahamischen Kreises werden in Gen 21,12f stärker deutlich als in Gen 17,19-21, ein Text, der zweifellos von Gen 17 her beeinflusst ist. In der Gottesrede, die Abraham dazu auffordert, Saras Forderung nach Vertreibung Hagars und Ismaels nachzukommen, werden beide Söhne Abrahams erneut nebeneinander und nicht gegeneinander gestellt. Das Gemeinsame der Brüder wird darin gesehen, dass sie ›Same Abrahams‹ sind, der Unterschied darin, dass sich das nachmalige Israel nur über Isaak als ›Same Abrahams‹ nennen wird. Die gemeinsame Basis ist auch hier die Zugehörigkeit zur Abstammungsgemeinschaft Abrahams und diese hat theologische Implikationen. Denn sie führt dazu, dass Gott als verheißender und rettender Gott auch dann bei Hagar und Ismael in der Wüste bleibt, nachdem Abraham sie in die Wüste und ihr Elend geschickt hatte. Einen wiederum vergleichbaren Sachverhalt finden wir in den dargestellten Heiratsbeziehungen302 der Abrahamnachkommen in der priesterschriftlichen Erzelternerzählung: Nach Gen 26,34 heiratet Esau zwei hethitische Frauen, was für seine Eltern Isaak und Rebekka ein schwerer Kummer war (vgl. auch 27,46). Ein vorgängiges Fremdehenverbot wird Vgl. A. DE PURY, »Ecumenical« Ancestor, dem K. SCHMID, »abrahamitische Ökumene« folgt.

302

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nicht berichtet. Esau soll hier nicht als Übertreter gezeigt werden. Isaak zieht daraus die Konsequenzen und schickt Jakob – wie schon Abraham seinen Hausverwalter (Gen 24) – zur Brautwerbung nach Mesopotamien, damit er sich keine Frau von den Töchtern Kanaans nehme. Daran wiederum merkt Esau, dass seine Ehen von seinen Eltern abgelehnt werden, und er begegnet dem elterlichen Ärgernis, indem er sich zusätzlich mit einer Tochter Ismaels verheiratet (28,9), also innerhalb der abrahamischen Verwandtschaft. Die idealen Heiratsbeziehungen verlaufen innerhalb der abrahamitischen Verwandtschaft, die durch das Heiratsverbot mit den Töchtern des Landes (Kanaaniter, Hethiter) geschützt werden. Dieser Kreis schließt die Ismaeliter mit ein, ohne zu problematisieren, dass Ismael – wie später Josef – mit einer Ägypterin verheiratet ist. Das Fremdehenverbot verbietet offenbar nicht generell Heiratsbeziehungen nach außen, sondern grenzt besonders gegen die Gruppen ab, von denen in einer konkreten Lebenssituation der stärkste Assimilationsdruck und damit die Gefahr für das weitere Bestehen der Gruppe in einer fremden Umwelt ausgeht. Eine religiöse oder moralische Diffamierung der Gruppen, mit denen man sich nicht verheiraten soll, ist mit dem Fremdehenverbot in der Genesis gerade nicht verbunden, wie die überaus freundliche Darstellung der Hethiter bei Abrahams Kauf der Grabhöhle zeigt (Gen 23). Die Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams sind hier als Einheit und als kollektive Identitätsebene gefasst. Genealogisch und in ihren Heiratsbeziehungen gibt es aber auch wieder eine klare Differenz. Während Esau eine Ismaeliterin heiraten kann und damit dem Fremdehenverbot genügt, laufen die idealen Heiratsbeziehungen der ›israelitischen‹ Abrahamnachkommen ausschließlich über die mesopotamische Verwandtschaft der Nahorgruppe.303 Sehr wahrscheinlich sind in der Betonung der mesopotamischen Heiratsbeziehungen, die verwandtschaftlich innerhalb der Terachgruppe am weitesten auseinanderliegen, die besonderen Kontakte zwischen der jüdischen Diaspora in Babylon und den Rückkehrern nach Palästina in nachexilischer Zeit dargestellt.304

303

Vgl. T.J. PREWITT, Kinship Structures; F. CRÜSEMANN, Menschheit und Volk, 12. Doch ist die Behauptung, die Terachgruppe sei idealerweise endogam, noch ungenau. Denn dies würde die ammonitischen und moabitischen Nachkommen Lots einschließen, die offenbar anders behandelt werden als Ismaeliter und Edomiter. 304 Dies wurde schon früh von B. DIEBNER/H. SCHULT, Ehen der Erzväter, betont, die freilich den Genesisbefund als erzählerische Entfaltung der Bestimmungen von Esra 9f auswerten, so dass die Unterschiede in der Fremdehenkonzeption nicht deutlich werden. Wahrscheinlich ist mit den »Kanaanitern« der Genesis in erster Linie die landjudäische Bevölkerung adressiert, die während der Exilszeit im Land geblieben war, und später von der Heimkehrergemeinde als Bedrohung empfunden wurde.

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Das bisher Erarbeitete über die dreifach gestufte Offenbarungstheorie der Priesterschrift einschließlich ihrer drei Adressatenkreise der Gottesmitteilungen lässt sich in folgender Tabelle zusammenfassen: 1) Kreis der ganzen Welt und allen Lebens (Gen 9) Elohim berît ʽolam gilt allem Regenbogen als ZeiLeben chen 2) Kreis der Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams (Gen 17; 25; 36) El Schaddaj/ Elohim berît ʽolam gilt dem Samen Beschneidung am Abrahams 8. Tag als Zeichen Ismael als Teilhaber im Abrahambund vertritt exemplarisch die nichtisraelitischen Nachkommen Abrahams und empfängt den völkerstiftenden Mehrungssegen dieses Bundes (Gen 17,20; Gen 25,12ff) Unterschiedliche Endogamiebestimmungen im Hinblick auf nichtisraelitische und israelitische Abrahamnachkommen (Gen 26,34-35; 27,46; 28,9) 3) Israel als Volk Gottes Jhwh Erst Mose gibt sich der Gott Israels als Jhwh zu erkennen, um mit seinem heiligen Namen inmitten seines Volkes zu wohnen (Ex 29,43-45; 40,17.34), während die Mehrungszusagen des Abrahambundes sich in der vorhergehenden Epoche (einschließlich Ex 1,7) verwirklicht haben, realisiert sich das besondere Gottesverhältnis und die Nutzung des Landes erst nach der Väterepoche in und nach der Mosezeit.

Diese Beobachtungen machen es wahrscheinlich, dass die Priesterschrift Abraham als eine ökumenische Ahnvaterfigur auffasst und mit ihm eine Theologie verfolgt, die salopp gesprochen Israeliten, Araber und Edomiter zu einer Gemeinschaft zusammenschließt. Diesem ganzen Kreis gelten die Zusagen und Verheißungen des Bundes sowie die Beschneidung als verpflichtendes Zeichen. Damit wird die besondere Erwählung Israels keineswegs nivelliert, auch wenn diese im Bundesgeschehen von Gen 17 nicht deutlich hervortritt, sondern sich erst später am Sinai als ein nur Israel gewährtes besonderes Gottesverhältnis zeigen wird. Für diese abrahamitische Völkerökumene ist nun zentral, dass sie nicht nur genealogisch etabliert, sondern theologisch tiefgreifend reflektiert und ausgestaltet wird. Der Gott Israels, der seinen Bund mit Abraham schließt, tritt in ein theologisch qualifiziertes Verhältnis der gnädigen Zuwendung auch zu den nichtisraelitischen Abrahamnachkommen. Dabei ist diese Vorstellung nicht von der Akzeptanz der in dieser Studie vertretenen These, dass Ismael zum Abrahambund gehört, abhängig. Auch wer die Mehrungszusagen an Ismael in V.20 nicht als Zusagen des Bundes versteht, wird nicht bestreiten können, dass der Gott des Abrahambundes in Segen und Mehrung ein theologisch qualifizier-

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tes Verhältnis zu Ismael und den Völkern aus seiner Nachkommenschaft erzeugt. Diese priesterliche Sicht belegt etwa auch das frühjüdische Jubiläenbuch, welches die älteste Nacherzählung der Genesiserzählung außerhalb der Bibel beinhaltet. Nach Jub 15,30 gehören Ismael und Esau nicht zum Abrahambund. Gleichzeitig wird mit Blick auf Gen 18,19, wonach den Söhnen Abrahams aufgegeben ist, sich an Gottes Wege zu halten und Recht und Gerechtigkeit zu üben, eine missio abrahamica für die Welt entwickelt (Jub 20). An seinem Lebensende nimmt Abraham von allen seinen Kindern Abschied. Er ruft »Ismael und seine zwölf Kinder und Isaak und seine beiden Kinder und die sechs Söhne der Ketura und ihre Söhne« zu sich und trägt ihnen drei Dinge auf: das monotheistische Gottesbekenntnis, die Beschneidung (aus Gen 17) sowie das Tun von Recht und Gerechtigkeit (aus Gen 18,19). Das sollen diese Nachkommen Abrahams, von denen Keturasöhne und Ismaeliter in V.13 direkt als »Araber« angesprochen werden, in die Welt tragen, um so gemeinsam zum Segen für die Völker zu werden.305 Hier findet sich die Vorstellung von einem theologisch herausgehobenen Völkerkreis der Nachkommenschaft Abrahams bereits in einer sehr frühen jüdischen relecture von Gen 17. 6.8.2 Zum Gottesbegriff in Gen 17 Angesichts dieser Aufstellung ist noch einmal die theologische Ebene mitzubedenken. Die Erfahrung eines besonderen Gottesverhältnisses und der dauerhaften Landnutzung macht das nachmalige Israel gemäß der priesterlichen Sicht erst in einer anderen Epoche, nämlich derjenigen des Mose und der Wüstenzeit, während sich die Verheißungen des Segens und der Mehrung, die Ismael als Abrahamsohn und Völkervater betreffen, in der Ahnväterepoche erkennbar erfüllen. Um das theologische Profil des Abrahambundes angemessen zu beschreiben, ist ein Blick auf das Gottesverständnis sinnvoll, denn in Gen 17 agiert der Gott Israels nicht als Jhwh, sondern als El Schaddaj und als Elohim. Gemäß der oben angesprochenen Offenbarungstheorie erschien Gott dem Abraham noch nicht unter seinem heiligen Namen, denn die Offenbarung des Jhwh-Namens in Ex 6,2ff (vgl. auch Ex 3,1315) wird so erzählt, dass Mose noch über kein Wissen über die Identität dieses ihm als Jhwh erscheinenden Gottes verfügt. Im Abrahambund erscheint der Gott Israels in der Weise, wie er sich den Weltvölkern und den Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams gegenüber offenbart, unter der eher allgemeinen Gottesbezeichnung Elohim. Man hat dieses Konzept als eine Art ›inklusiven Monotheismus‹ angesprochen, weil hier 305

Vgl. ausführlicher unter Kap. V. 3.

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mit nur einem Hochgott gerechnet wird, der im Prinzip allen zugänglich ist.306 Eine derartige theologische Vorstellung enthält einen starken homogenisierenden und nivellierenden Zug, weil die fremdkulturelle und fremdreligiöse Prägung nichtisraelitischer Völker gar nicht in den Blick gerät. Elohim wird als eine Art Hochgott aufgefasst, der über der ganzen Welt thront und selbstverständlich in unterschiedlichen Völkern wirkt und auch verehrt werden kann. Deswegen gibt es in der Abrahamerzählung weder mit den Hethitern noch beim König Abimelech in Gerar ein religiöses Problem, weil das göttliche Handeln und die Ehrfurcht gegenüber dem Elohim genannten Gott auch bei diesen ›Nichtisraeliten‹ selbstverständlich vorausgesetzt werden.307 Die homogenisierende Tendenz einer solchen Betrachtungsweise liegt darin, dass der ethnisch oder kulturell Andere nicht als religiös Anderer wahrgenommen wird, sondern der eigenen theologischen Konstruktion einverleibt wird. Denn das religiöse oder kulturelle Selbstverständnis dieser nichtisraelitischen Gruppierungen spielt überhaupt keine Rolle. Und die Idee der Abstammungsgemeinschaft verstärkt diese Betrachtungsweise. Dieses inklusive Gotteskonzept hat es mit sich gebracht, dass die beiden zentralen jüdischen Identity-Marker der frühnachexilischen Zeit, die Sabbatobservanz und die Beschneidung, bereits im universalen Wirken Gottes verankert wurden, indem der Sabbat schon die Erschaffung der Welt zeitlich strukturiert und indem die Beschneidung am 8. Tag dem ganzen Völkerkreis der Abrahamnachkommen aufgetragen ist. In historischer Hinsicht hat man diese inklusive Theologie der Priesterschrift in frühnachexilischer Zeit als Reflex auf die zeitgenössische persische Reichsreligion der Achämeniden angesprochen. Der persische Staatsgott war der Hochgott Ahuramazda, der als Weltengott des Himmels und der Erde verehrt und reichsweit propagiert wurde. Diese henotheistische Gottesidee der Perser, obgleich dualistisch gebrochen, ließ sich leicht mit monolatrischen jüdischen Konzepten vermitteln. Zum anderen waren die Perser überzeugt, dass ihr Himmelsgott in anderen Kulturen/Religionen unter anderem Namen wirkt und verehrt werden konnte. Der nachexilische Judaismus entsteht in dieser religiösen Atmosphäre eines monotheistischen Klimas. Jüdische Autoren wie wir sie in der Priesterschrift oder in Jes 40-55 finden, scheinen diese religiöse KliVgl. zum Begriff A. DE PURY, Gottesname. In Gen 23,5 nennen die Hethiter den als Beisasse unter ihnen lebenden Abraham einen »Fürsten Elohims in unserer Mitte«, was ihm so viel Ehre einbringt, dass er das Grundstück Machpela als Geschenk angeboten bekommt. In Gen 20 ist Abraham als Ortsfremder zu Gast beim König Abimelech von Gerar. Selbstverständlich wirkt auch hier der Gott Israels als Weltgott Elohim an Abimelech und wird von diesem auch erkannt (V.6). Und Abraham muss lernen, dass seine anfängliche Sorge bei seinem Gastgeber ganz unbegründet ist: »Ich hatte mir gedacht: sicher gibt es keine Ehrfurcht für Elohim an diesem Ort …« (V.11). 306

307

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maveränderung begrüßt zu haben. Sie führen den deuteronomistischen Gedanken vom Gott Israels als Nationalgott, der gegen die anderen Götter und Völker profiliert werden muss, nicht weiter, sondern fassen den Gott Israels als universalen Weltengott auf, der sein Volk Israel aus den Völkern erwählt, aber mit einem besonderen Auftrag der Gottesbezeugung inmitten der Völker und nicht gegen die Völker versehen hat. Die vorexilischen Wurzeln dieser universal denkenden Theologie liegen vermutlich in der Jerusalemer Zionstheologie. Den zeitgeschichtlichen Kontext indes scheint die propagierte Theologie des persischen Weltreichs abzugeben. Vor diesem Hintergrund profiliert die Priesterschrift ihre Darstellung.308 Von dieser inklusiven Gottesidee fällt nun auch ein erhellendes Licht auf die Darstellung der Figur Ismaels im Abrahambund, der zwar als Sohn Abrahams und Vater nichtisraelitischer Völker aufgefasst wird, aber nicht erkennbar als religiös Anderer. Und wenn Abraham in V.18 seinen Gott, das heißt, die ihm als El Schaddaj erschienene Gottheit bittet, »dass doch Ismael lebe vor Deinem Angesicht!«, dann ist hier vermutlich nicht an den kultischen Jhwh-Dienst am Sinai gedacht, sondern eher an ein religiös bestimmtes Leben vor dieser Gottheit, das nach priesterlicher Auffassung auch Nichtisraeliten jederzeit möglich ist. Denn unter dieser Gestalt als Elohim/El Schaddaj begegnet der Gott Israels auch den Völkern der Welt und hier auch dem Völkervater Abraham. Und deshalb taucht der Problemhorizont, ob und wie fremdreligiöse Ismaeliter am Gottesverhältnis Israels Anteil haben können, in der priesterlichen Sichtweise gar nicht auf. Aus dieser Perspektive erschließt sich vermutlich auch, dass in der späteren Episode von der Vertreibung Hagars und Ismaels und ihrer Errettung und bleibenden Bewahrung in der Wüste (Gen 21) stets von Elohim und nicht von Jhwh die Rede ist. Das wird besonders auffällig im Vergleich der beiden erzählerisch parallelen Szenen göttlicher Errettung für Ismael und Hagar in Gen 21,17-19 und für Isaak in Gen 22,11-12. Den vom Messer des eigenen Vaters tödlich bedrohten Isaak rettet der Gott Israels in Gestalt eines malʾak jhwhs »vom Himmel her«, den auf Betreiben des Vaters in der Wüste verdurstenden Ismael rettet der Gott Israels in Gestalt eines malʾak ʾelohims »vom Himmel her«. Es könnte sein, dass diese mit Elohim/El Schaddaj verbundene (inklusive) Gottesidee es den priesterlichen Autoren von Gen 17 erleichtert hat, die Gottesgaben des Abrahambundes im Hinblick auf alle Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams zu reflektieren. Aus den noachitischen Völkern der Welt sind die Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams genealogisch und durch den Abrahambund auch theologisch

308

Vgl. A. DE PURY, »Ecumenical Ancestor«, 175f; DERS., Absolute Beginning.

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herausgehoben und durch das Bundeszeichen der Beschneidung gegenüber den anderen Völkern abgegrenzt und herausgehoben. 6.8.3 Die Bedeutung der priesterschriftlichen Erzählebene im Hinblick auf die Hagar-Ismael-Episode Es gehört schon zu den älteren Erkenntnissen, dass gerade die priesterschriftliche Ebene einen eher friedlichen Blick auf die beiden (Halb-) Brüder Ismael und Isaak sowie auf die beiden Zwillinge Jakob und Esau richtet. Dies zeigt sich besonders in den Begräbnisszenen, wo jeweils beide Brüder gemeinsam der Ehrenpflicht genügen, um den Vater zu begraben. In der letzten Szene, in der die Leser der Genesis Ismael begegnen, erscheint er in großer Gemeinsamkeit mit seinem Bruder. Das Bedürfnis nach Parallelisierung der Lebensgeschichten beider zeigt sich überdies darin, dass die Priesterschrift Ismael selbstverständlich als Erstgeborenen und Erbsohn Abrahams auffasst und darüber hinaus betont, dass Hagar nicht Abrahams Konkubine oder Nebenfrau, sondern seine zweite Ehefrau geworden ist (Gen 16,3). Auch die Geburtsnotizen beider Söhne sind weitgehend parallel gestaltet. Das ist besonders auffällig, weil dies trotz der Konfliktmetapher im Wildeselspruch in Gen 16,12 geschieht, der vermutlich zur vorpriesterlichen Überlieferung gehört und daher dem Autor der Priesterschrift vorgelegen hat. Wir können nur vermuten, wie die vorpriesterliche Hagar-Ismael-Geschichte ausgesehen hat. Die priesterschriftliche Erzählebene hat dafür gesorgt, dass die Figur Ismaels, obgleich kein Israel-Erbe wie Isaak und daher ein Vorläufer im familiären Drama und eine Nebenfigur, ein so markantes theologisches Profil erhält. Und es ist müßig darüber zu spekulieren, was den priesterlichen Erzähler stärker motiviert hat, das Bedürfnis, die Völkerwelt seiner Zeit ursprungsmythisch zu ordnen und einen Teil mit dem Völkervater Abraham zu verbinden, oder das Bedürfnis, in der Darstellung der vorliegenden familiären Konstellationen der Abrahamfamilie konsequent zu sein, dass auch der erstgeborene Sohn Ismael unter dem Segen der Gottesgaben des Abrahambundes steht, weil er ›Same Abrahams‹ ist. 7. Ismael im Abrahambund – Zur Rezeptionsgeschichte Die prägnante theologische Aufwertung Ismaels als ›nichtisraelitischen‹ Abrahamsohn in Gen 17 berührt einen sensiblen Bereich jüdischen Selbstverständnisses, aber eher noch der christlichen Theologie, in der Ismael seit Paulus vor allem als Modell des Verworfenen, des Nichterwählten gilt. Biblische Interpretation, auch wenn sie historisch beschreibend und nicht theologisch wertend vorgeht, kann den Wirkungszusammenhang ihres Gegenstandes jedoch nicht ausblenden, ist sie

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doch selbst ein Teil davon. Besonders christliche Interpreten haben sich mit einer langen und unheilvollen Tradition auseinanderzusetzen, in der die Person Abrahams bzw. Isaaks und die Erzväterverheißungen bis in unser Jahrhundert hinein in exklusiver Weise für die Christenheit und die Kirche in Anspruch genommen und damit die theologische Enterbung des Judentums begründet wurde. Daher sind einige Bemerkungen zur Rezeptionsgeschichte von Gen 17 und speziell der Ismaelverheißung in Gen 17 nötig. Der Beschneidungsbund ist für das nachexilische Israel und das Judentum bis heute das Zeichen, dass Gott sein Volk Israel aus den anderen Völkern herausgehoben und erwählt hat, einer der theologischen Grundtexte, in denen das eigene jüdische Selbstverständnis eingeschrieben ist. Selbst hier, wo Gott sich ganz an Israel bindet, macht Israel aber deutlich, dass Gottes Segensfülle auch über Israel hinausgeht. Die universalen Konnotationen Abrahams und Saras sind in der jüdischen Auslegung daher immer stark betont worden, auch wenn diese universalen Konnotationen vor allem den Konvertiten aus den Völkern galten. Mit den Verheißungen an Ismael steht im biblischen Horizont zunächst die eindrückliche, theologische Bewertung eines nichtisraelitischen Abrahamsohnes als Ahnvater der Ismaeliter, in der späteren Rezeption aber vor allem der Islam zur Debatte, der sich im Erbe Abrahams und Ismaels versteht. Zwar nimmt der Koran weder auf den Abrahambund noch auf die Ismaelverheißung Bezug. Sofern sich die muslimische Theologie und Exegese aber auch mit biblischen Texten auseinandersetzt, bekommt Gen 17,20 eine zentrale Bedeutung. Denn hier kann sich die muslimische Tradition in das Kraftfeld der unverbrüchlichen Zuwendung Gottes an Abraham und an Ismael stellen. Für ʿALĪ AT-ṬABARĪ, einen bekannten islamischen Kontroverstheologen aus dem 9. Jh., ist die Verheißung an Ismael die größte, die Gott je gemacht hat. Und zielsicher liest er mit den exegetischen Methoden seiner Zeit aus dem hebräischen Wort dam damb für »über alle Maßen« die Ankündigung des Propheten Muhammad (hebr. dmxm) heraus.309 Unter Musli309

ʿALĪ B. RABBAN AT-ṬABARĪ, ein zum Islam übergetretener Christ, schrieb ca. 855 n.Chr. mit seinem Werk ›The Book of Religion and Empire‹ (ed., A. Mingana 1922/23; vgl. 77-80) das neben IBN KUTAYBA erste bedeutende Werk der islamischen Kontroversliteratur, die im 11.-12. Jh. ihren Höhepunkt erreichte (IBN ḤAZM; SAMAU’AL ALMAGRIBÎ) und mehrheitlich von zum Islam konvertierten Christen bzw. Juden verfasst wurde. Vgl. den vorzüglichen Überblick bei M. PERLMANN, Polemics (Lit.). Die Identifikation von dam damb mit Muhammad wird später von SAMAU’AL AL-MAGRIBÎ (11251175 n.Chr.; konvertierter Jude) mit dem identischen Zahlenwert beider Wendungen (je 92) zusätzlich begründet. Vgl. M. SCHREINER, Samau’al, 177.412; M. PERLMANN, Polemics, 118. Gegen solche Spekulationen zu Gen 17,20 wandte sich u.a. MAIMONIDES in seinem bekannten Sendschreiben an die jemenitischen Juden ›Igeret Tejman‹ (1171 n.Chr.). Eine solche Zahlenspekulation sei lächerlich und dazu noch rechnerisch falsch, der Literalsinn des hebräischen Wortes bedeute eben ›sehr viel‹, und überdies sei

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minnen und Muslimen, sofern sie sich für biblische Texte interessieren, ist diese alte Interpretation bis heute verbreitet.310 Paulus und die christliche Tradition haben das Konzept der Christen als geistige Abrahamkinder zwar nicht im Beschneidungsbund, sondern mit Abraham als dem Urbild des Glaubenden nach Gen 15,6 begründet. Das hat jedoch nicht verhindert, dass in der christlichen Tradition auch der Beschneidungsbund spiritualisiert und umgedeutet wurde. So wurde das Zeichen der Beschneidung als falscher Gesetzesgehorsam denunziert, die leibliche Abrahamkindschaft entwertet, die Segenszusagen entweltlicht sowie ins Eschaton verlegt und die Verheißungen für Isaak als letztlich auf Christus und die Kirche hinzielend verstanden wurden. Damit ließ sich der jüdische Abrahambund dann gegen die Juden selbst richten. Während sich die islamische Rezeption – wenn auch gelegentlich polemisch – neben das Judentum in das Erbe von Gen 17 hineinstellt, war der christliche Umgang mit Gen 17 häufig mit einer dezidierten theologischen Enterbung von Juden und Muslimen verbunden. Hinzu kommt, dass die Bezugnahmen auf Gen 17 für Juden, Christen und Muslime von sehr unterschiedlichem Gewicht sind. Während Juden im Abrahambund eine zentrale Urkunde der Erwählung Israels sehen, ist die Segensverheißung an Ismael in muslimischer Perspektive wie die Verheißung für Isaak in christlicher Perspektive eher eine willkommene Bestätigung dessen, was aus anderen Offenbarungsquellen schon und besser bekannt ist. Historische Exegese und theologische Auslegung wird sich der bleibenden Asymmetrie der jeweiligen Erkenntnisinteressen bewusst bleiben müssen. Ich kenne in der Rezeptionsgeschichte nur ein einziges Beispiel dafür, dass Ismael und seine Nachkommen ausdrücklich in die Bundesgemeinschaft Abrahams eingeschlossen wurden. Dies geschieht im Jubiläenbuch in Jub 20,3, wird aber in Jub 15,30 wieder verneint.311 Doch haben auch andere frühjüdischen Werke die Völkerdimensionen des Abrahambundes entfaltet: So gibt JOSEPHUS in seiner weiträumigen, integrativen Geschichtsschau die Verheißung für Sara und Isaak (Völker der Segen Abrahams allein für Isaak reserviert, nicht für Ismael oder einen seiner Nachkommen. Hier übernimmt Maimonides die Meinung des Midrasch. Vgl. den Text bei Maimonides, Brief in den Jemen; A.S. HALKIN, Epistle to Yemen, 8-9; M. PERLMANN, Polemics, 127; zum Problem auch J. POSEN, Die Einstellung des Maimonides zum Islam und zum Christentum, 66-73 (zu Gen 17,20 S.69); G.F. HOURANI, Maimonides and Islam. 310 Weitere Bibelstellen, die traditionell (und bis heute) als Hinweis auf Muhammad verstanden werden, sind die Ankündigung eines Propheten wie Mose in Dtn 18,15 (nach Dtn 33,2 in Paran, dem Wohngebiet Ismaels, ergangen) und die des Parakleten in Joh 14,26. Zur muslimischen Bibelinterpretation vgl. die Überblicke von A. RIPPIN, Muslim Exegesis, 473-476; G.D. NEWBY, Quranic and Islamic Interpretation of Biblical Materials, 356-360; H. STIEGLECKER, Glaubenslehren des Islam, 541-544. 311 Vgl. hierzu Kap. VIII. 1.

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und Könige) und die für Ismael (langes Leben, Vater großer Völker) inhaltlich praktisch gleich wieder und nivelliert sogar die kleine biblische Differenz, wonach nur Sara/Isaak mit vielen ›Völkern‹, Ismael hingegen mit einem »großen Volk« gesegnet wurde. Allerdings kommt bei ihm der Abrahambund als Kategorie der Israel (allein) geltenden Erwählung nicht vor.312 Anders versucht der MIDRASCH und mit ihm die rabbinische Tradition, die Ismaelverheißung nahezu gänzlich zu marginalisieren. Die Fruchtbarkeits- und Mehrungszusagen von V.20 werden auf Isaak bezogen und die versprochene Erhörung Ismaels mit der Rettung Hagars in der Wüste (Gen 16,10ff) als abgeschlossen betrachtet: »... was aber Ismael anlangt, so habe ich dich bereits durch den Engel erhört«. Während sich der Bund auf Isaak und die zwölf Stämme Israels bezieht, sind die zwölf Fürsten, die aus Ismael hervorgehen, nur vergängliche Wolken: »Es heißt Gen. 49, 28, wie R. Jizchak sagte, alle diese sind Stämme Israels, zwölf, welche Kinder der Gebieterin waren, Ismael aber stellte nur zwölf Wolken (~yayXn) s. Prov. 25, 14, und was die Stämme (twjm) anlangt, so stellte er nur Stäbe s. Hab. 3, 9.« 313

Für seine Entwertung der Ismaelverheißung nutzt Rabbi Jizchak die Homonymität von hebr. ~yayXn, was einerseits ›Fürsten‹, andererseits aber auch ›Wolken, Dunst‹ bezeichnen kann, und weist zur näheren Erklärung auf einen Text hin, in dem das Bild des morgendlich aufsteigenden Dunstes, der zwar gelegentlich zu Wolken, aber nicht zu Regen führt, als Bild der Flüchtigkeit und Unverlässlichkeit gebraucht wird (Spr 25,14). Wenn von den zwölf Stämmen der Nachkommen Ismaels gesprochen wird, von denen nicht in Gen 17,20, sondern 25,16 die Rede ist, und deren Existenz auf dieselbe Art nivelliert wird, dann ist in einem solchen Interpretationsverfahren eine doppelte Verunsicherung über den vorliegenden Text erkennbar. Die Ismaeliter werden in Gen 25,16 ebenso als 12-Stämmevolk beschrieben wie Israel selbst nach Gen 49,28. Und nach dem Literalsinn von Gen 17,20, so resümiert auch ZLOTOWITZ in seinem Kommentar: »Ishmael‘s blessing would be as great as Isaac’s«314. Mit dieser ›Antwort‹ ist das Problem der Ismaelverheißung im Abrahambund innerhalb der rabbinischen Tradition dauerhaft ›gelöst‹. Es begegnet über die Textauslegung von GenR hinaus in der riesigen Überlieferungsmasse von Talmud und Midrasch m.W. nicht mehr. Bei den mittelalterlichen jüdischen Kommentatoren ab dem 11. Jh., die sich inzwischen mit dem Anspruch mancher muslimischen Stimmen 312 313 314

S. u. Kap. VIII. 2. Vgl. GenR 47 zu 17,20.21 (zit. nach A. WÜNSCHE, 221). ZLOTOWITZ/SCHERMAN, Bereishis, 582.

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auseinandersetzen mussten, dass der Islam Erbe bzw. Erfüllung dieser Ismaelverheißung von Gen 17,20 ist, sind dann auch andere Antworten gefordert. Denn diese Art der haggadischen Entwertung ließ sich von einer der jüdischen ähnlich hochentwickelten muslimischen Exegese postwendend gegen die eigenen, Israel betreffenden Verheißungen verwenden. Ein frühes Beispiel muslimischer Exegese der biblischen Ismaeltexte bietet der schon erwähnte christliche Konvertit ʿALĪ ATṬABARĪ im 9. Jh. n. Chr. Hingegen bleibt RASCHI,315 der ›Vater‹ aller jüdischen Kommentatoren des Mittelalters, zunächst noch in den Bahnen des Midrasch und beurteilt die Nachkommen Ismaels als flüchtige Wolken, die zwar kurzzeitig mächtig sein können, aber dann auch schnell wieder verschwinden.316 Für RABBI BACHJA317 genügt dies nicht mehr. Er bezieht die Ankündigung eines großen Volkes für Ismael auf die Entstehung des Islams und errechnet, dass sich die Verheißung 2337 Jahre nach dem Abrahambund erfüllt hat, was ihn ins Jahr 624 n.Chr. führt, 2 Jahre nach der Hidjra 622/623, dem Beginn der muslimischen Zeitrechnung. In dieser Zwischenzeit habe ›Ismael‹ ängstlich und hoffend die Erfüllung dieser Verheißung erwartet. Nun beherrschen die Ismaeliter die Welt. Sofort wird ihm aber das schwierige theologische Problem der eigenen jüdischen Existenz sichtbar. Warum haben wir als Nachkommen Isaaks nicht eine ähnliche Erfüllung der Verheißung erfahren? R. Bachja sucht die Gründe dafür, ganz in den biblisch geprägten Bahnen der jüdischen historischen Theodizee denkend, in der eigenen Schuld, die die Erfüllung der Verheißung auch für Israel immer noch hinauszögert.318 In einer späteren Interpretation319 hatte auch RASCHI die Größe des Ismaelsegens anerkannt und schließt nun aus der Doppelung der ewigen Bundeszusage für Isaak in V.19.21, dass der Segen für Isaak dann eben doch viel mehr bedeutet: Wenn schon Ismael um der Bitte seines Vaters Abrahams willen eine so große Segenszusage bekommt, um wieviel größer ist dann dies, was sich im Bund für Isaak und damit für Israel ankündigt. Das Besondere sieht Raschi darin, dass der Gottesbund für Israel durch die Zeiten erhalten bleibt, denn nur mit Isaak werden Ewigkeitsprädikationen verbunden. Mit dieser Interpretation ist wenigstens die Ebene der Vergleichbarkeit von groß und größer erreicht, bei 315

Rabbi Schelomo Itzchaki lebte in Frankreich (1040-1105). RASCHIs Kommentar zu Gen 17,20 lautet: »Welche gehoben und wie Wolken vergehen werden, gleich Spr. Sal. 25,14, Wolken und Wind.« 317 R. BACHJA BEN ASCHER lebte in Spanien, starb 1340 n. Chr. in Saragossa. 318 Vgl. ZLOTOWITZ/SCHERMAN, ebd. Zu den unterschiedlichen Denkmodellen der jüdischen historischen Theodizee vgl. A. FUNKENSTEIN, Jüdische Geschichte und ihre Deutungen, 133-152. 319 ZLOTOWITZ/SCHERMAN, ebd., 584 (Quelle in Raschis Talmudkommentar nicht mitgeteilt). 316

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der freilich eher der Unterschied als die Gemeinsamkeit der Segensmitteilung betont wird. Diese Perspektive des Vergleichs der unterschiedlichen Zusagen bleibt bestimmend. Die Bestimmung dessen, worin das Besondere der Isaakverheißung besteht, variiert dabei allerdings stark. Auch für die Auseinandersetzung byzantinischer Theologen mit muslimischen Gesprächspartnern bildet die Betonung der eschatologisch verstandenen Ewigkeitsaspekte der Isaakverheißung das entscheidende Argument. Der Segen Ismaels kann weltlicher Größe, Reichtum und Stärke gelten. Aber das ewige Heil gilt Isaak allein, und in ihm der Kirche. Die spätere west-christliche Auslegung folgt diesem Muster. LUTHER wirft den Muslimen (Sarazenen) vor, dass sie die Ismaelverheißung zweifellos vergrößert haben, denn indem Gen 17,20 die Zahl ›zwölf‹ nenne, die in der Genealogie Ismaels wiederholt wird, ist sie mit den zwölf Stämmen Ismaels in Gen 25 erfüllt und abgetan. Ismael wird einerseits klar vom Isaakbund ausgeschlossen, der für Luther allein Bedeutung bekommt. Luther überliest Gen 17,20 durchaus nicht und kann darin auch bleibenden Segen für Ismael und einzelne aus seinen Nachkommen erkennen, denen Gotteserkenntnis gegeben ist. Ismael sei zwar ausgeschlossen aus dem Bund, aber »nicht ausgeschlossen von der Gnade und Verheißung der Seligkeit.« Das Besondere des Isaakbundes jedoch besteht für Luther in einem spezifischen Gottesverhältnis, das sich allein über Isaak weiter vererbt, freilich nicht den Juden zugutekommt, sondern allein der Kirche: »... dass man die Kirche nicht solle suchen in dem Hause Ismaels oder der Kinder Keturas, sondern bei der Linie ... Isaaks«. Aus dieser Linie wird letztlich Christus hervorgehen. Der Isaakbund ist daher »nichts anderes als die Verheißung in Christo«320. Von diesem auf Christus hindeutenden geistlichen Isaakbund, der sich allein der Gnade Gottes und nicht der Werke (der Beschneidung) verdankt, ist in Gen 17 der Beschneidungsbund als ein weiterer Bund unterschieden. Zu dem gehören auch Ismael und alle Angehörigen des Hauses Abrahams mit hinzu. Dieser Beschneidungsbund ist ein Bund des Gesetzes und zeitlich, »deß sich nicht Isaak allein, sondern auch Ismael mit seinen Nachkommen freut; aber der andere Bund, davon Gott den Ismael aussondert und den er mit Isaak allein aufrichtet, ist geistlich und ewig«321. Ganz klar, dass hier wiederum die Ewigkeitsmetapher von V.19.21 den Grund für diese Spiritualisierung abgab, wobei freilich geflissentlich übersehen wird, dass auch der Beschneidungsbund mit Abraham als ›ewiger Bund‹ bezeichnet wird (Gen 17,13) und dass der Bund mit Isaak nichts hiervon Verschiedenes meint.

320 321

M. LUTHER, Genesis, 1115. M. LUTHER, ebd.

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LUTHER kann zwar – anders als die jüdische Tradition – Ismael als Teilhaber des Beschneidungsbundes ansehen, aber nur um den Preis, den Beschneidungsbund und mit ihm nun Juden und die Nachkommen Ismaels gemeinsam aus dem Isaakbund auszuschließen: »Und thun die Juden übel, dass sie allein am Bunde der Beschneidung hangen und nicht viel lieber annehmen den andern Bund, und also gleich sind den Ismaeliten, oder noch wohl ärger«322, denn die letzteren haben wenigstens Christus nicht abgelehnt. Der wahre Abrahambund ist für Luther ein spiritualisierter Isaakbund, der letztlich an der Abrahamsfamilie vorbei direkt auf die Kirche führt, denn Isaak ist nunmehr eine Chiffre für Christus. Die Voraussetzungen für eine solche christliche Zwei-Bund-Theorie in Gen 17, liegen in der paulinischen Theologie und in ihrer typologischen Bewertung der Söhne Abrahams begründet. In Gal 4,31 werden die Christusgläubigen als wahre Kinder Saras und Isaaks angesprochen und von den Juden, bzw. judaisierenden Christen als den Nachkommen Hagars und Ismaels abgegrenzt und so herausgehoben. In Röm 9,6ff macht PAULUS – angesichts der überwiegenden jüdischen Weigerung, sich zu Christus zu bekennen – an der Person Isaaks deutlich, dass nicht alle, die von Abraham abstammen, zum ›wahren Israel‹ gehören: »... nicht schon deswegen, weil sie Nachkommen Abrahams sind, sind sie Kinder Gottes. Sondern, nur wer von Isaak herstammt, soll Abrahams Nachkommen heißen« (Röm 9,7). Dabei denkt Paulus aber nicht an eine leibliche Abstammung von Isaak, die ja alle Juden auch beträfe, sondern an Isaak als Prototyp einer Existenzweise, die sich ganz dem göttlichen Verheißungswort, d.h. Christus verdankt. So steht Isaak schon bei Paulus für Christus,323 für etwas Neues, das den Abrahambund und die Beschneidung weit hinter sich lässt, den Kreis der Erwählten spezifisch verändert und aus der genealogischen Verankerung in Abraham heraushebt. Die starke Absetzung eines eigenständigen Isaakbundes vom Abrahambund in Gen 17 begegnet in jüdischen Auslegungen nicht, ist seither für christliche Interpretationen von Gen 17 typisch, gelegentlich bis in die historisch-kritische Hypothesenbildung hinein. Sie hat weniger im Text von Gen 17 als in den neutestamentlichen Vorgaben ihr Fundament. CALVINS Behandlung von Gen 17,19-21 ist nicht so stark von der aktuellen Auseinandersetzung mit Juden bzw. Muslimen geprägt. Zudem beweist er einen genauen Blick für den Bibeltext selbst. Der Bund, der auch bei ihm allein Isaak gilt und auf Christus verweist, ist ein Gnadengeschenk des Glaubens und eschatologisch auf Gottes himmli322

M. LUTHER, Genesis, 1116. Eine andere Quelle dieser Isaak-Christus Konfiguration im frühen Christentum ist die Deutung der Bindung Isaaks auf den Kreuzestod Jesu. 323

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sches Reich ausgerichtet, während die Verheißungen an Ismael als Inbegriff irdischen Reichtums hiervon abgesetzt werden: »Denn was wünschenswert ist im Erdenleben, das empfängt Ismael reichlich. Und doch wird es im Vergleich zu dem Bund mit Isaak für nichts geachtet. Also nicht Reichtum, Macht oder irgend etwas anderes von irdischem Gut wird den Kindern Gottes nach dem Geist verheißen, sondern vielmehr ein ewiger Segen, den man in dieser Welt nur im Glauben besitzt. Und wenn wir einen wahren Überfluss aller Genüsse und Güter hätten, dennoch wäre unser Glück eitel und nichtig, wenn wir nicht durch Glauben hineindringen in Gottes himmlisches Reich. Dort ist uns ein größerer und höherer Segen aufbehalten.«324

Auch CALVIN macht sich und die Christen – dem paulinischen Vorbild gemäß – ganz selbstverständlich zum Adressaten und Nutznießer des »Isaakbundes«. Weil er ihn als Glaubensbund eschatologisiert und von den weltlichen Dingen abgerückt hat, kann er die innerweltlichen Segnungen Ismaels zwar viel unbefangener würdigen als seine christlichen Vorgänger und alle Nachfolger, aber nur, weil sie ihm letztlich von geringerer theologischer Bedeutung sind. Immerhin betont CALVIN, dass auch von Ismael »nicht alle Hoffnung eines ewigen Heils« genommen wird. Und der mit ihm verbundene Segen zeige, dass Gott »um Abrahams willen allen seinen Nachkommen irgendwie seine Freundlichkeit erweisen will.«325 Die Beschneidung Ismaels deutet CALVIN als eine zwar Isaak untergeordnete, aber dennoch gültige Teilhabe am Abrahambund. Ismael fällt erst aus dieser Gottesnähe durch seine böse Behandlung Isaaks (Gen 21,9) und durch die Vertreibung, die ihn »von der Gemeinschaft der Seinen trennt«326. KEIL327 sieht die Bundesgnade in V.19.21 allein Isaak zugesprochen und beobachtet, dass die Universalisierung der Mehrungszusage für Abraham V.4-6 und Sara V.16 über Israel hinausgeht, aber nicht die anderen Abrahamiten, z.B. Ismael, betreffen kann. Für ihn folgt daraus »... ganz notwendig, dass die zu einer Menge von Völkern sich entfalten sollende Nachkommenschaft Abrahams nicht in dieser leiblichen Nachkommenschaft, dem Volke Israel aufgeht, sondern die geistliche Nachkommenschaft mit in sich faßt.«328 Neu ist hierin, dass nicht mehr nur die Ewigkeitsmetapher, sondern die universalen Tendenzen des Abrahambundes betont und zielsicher auf die sich als geistige Abrahamkinder verstehenden Christen gelenkt werden. In der Spiritualisierung von Land und Beschneidung wird dem alten Gottesvolk und dem Judentum 324

J. CALVIN, Genesis, 184f. A.a.O., 185. 326 Ebd. 327 C.F. KEIL (1807-1888) war konservativer Lutheraner und Verfasser eines einflussreichen, bis heute nachgedruckten Genesiskommentars. 328 C.F. KEIL, Genesis, 191. 325

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die Geltung des ewigen Abrahambundes von Gen 17 ausdrücklich abgesprochen: »Ewige Dauer wird nur dem Bunde verheißen, den Gott mit dem zu einer Menge von Völkern erwachsenden Samen Abrahams aufrichtet, nicht aber der Bundesinstitution, welche Gott mit der leiblichen Nachkommenschaft Abrahams, den 12 Stämmen Israels, am Sinai aufrichtet ... Ebenso wird die Beschneidung nur ihrem Wesen nach Zeichen des ewigen Bundes sein können.«329

Die christliche Leidenschaft, bereits in Gen 17 vorgebildet zu sehen, was Jahrhunderte später unter dem Eindruck des Christusereignisses vor allem von Paulus theologisch ent- und verworfen wird, ist offensichtlich und impliziert mit notorischer Zwangsläufigkeit die theologische Enterbung derjenigen, die diese Bundeskonzeption geschaffen haben. Auch in die universale Konnotation des Abrahambundes marschiert das Christentum mit Pauken und Trompeten ein, nicht inklusiv am gemeinsamen Erbe teilnehmend, sondern exklusiv, neben sich nichts anderes mehr duldend. Die universalen Konnotationen erfahren in jüdischer Interpretation eine spezifisch andere Deutung. Abraham und Sara gelten auch als Stammeltern der sich aus den Völkern zum Gott Abrahams bekehrenden Proselyten. Über diese klassische Interpretation hinaus betont im 19. Jh. R.S. HIRSCH,330 dass sich die universale Weite des Abrahambundes letztlich auf die Erlösung der ganzen Menschheit richtet, die durch den Gott Abrahams und vermittelt durch Israel, die leiblichen Nachkommen Isaaks, ins Werk gesetzt wird.331 Ismael sei zwar nicht Bundeserbe, doch trägt sein Name schon die Garantie der Erfüllung seiner Verheißung in sich. Auf JACOB332 ist schon Bezug genommen worden. Außergewöhnlich deutlich und mit klarem Blick für die intertextuellen Zusammenhänge der Segensgaben von V.20 resümiert er zu V.20: »In vollem Strome ergießt sich Gottes Segen über Ismael. Fruchtbarkeit, Vermehrung wie bei der Schöpfung, dem Noahbund und später Jakob.« Die Segnungen Ismaels wahrzunehmen, das heißt: »alles will ich tun, ihn groß zu machen und noch vor Isaak.«333

Zur Bundeszusage an Isaak V.21 vermerkt Jacob dann aber: 329

Ebd., 192. Samson b. Raphael Hirsch (1808-1888), deutscher Rabbiner, einer der führenden Vertreter des orthodoxen Judentums im Deutschland des 19. Jh.s. 331 S.R. HIRSCH, Pentateuch, 583. 332 Benno Jacob (1862-1945), Dortmunder Rabbiner der liberalen Richtung, Verfasser grundlegender Bibelkommentare zur Tora (Gen-Lev.). 333 B. JACOB, Genesis, 429f. 330

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III. Ismael im Abrahambund (Gen 17)

»Klarer kann Wesen und Wert des Gottesbundes nicht ausgedrückt werden. Mag dem Sohn der Hagar, den Kindern der Welt, alle zeitliche Größe gegönnt sein, gegen die ewige Zukunft, die der eine erwählte Sohn in sich trägt, ist sie nur eine Abfindung mit der Gegenwart, und alle Fürstenkronen wiegen nicht die Gotteskrone auf.«334

Während Ismaels Geschlecht schon in der nächsten Generation seinen Gipfelpunkt erreicht, soll das »Geschlecht der Verheißung« langsam wachsen. JACOB sieht die Ismaelverheißung in der Nachricht von seinen 12 Söhnen (Gen 25) als erfüllt an und bringt zur Unterscheidung – wie CALVIN – die Kategorien von ›weltlicher Größe‹ und ›ewiger Zukunft‹ ins Spiel. Aber weder lässt sich Gen 25,16 einfach als Erfüllung von Gen 17,20 bezeichnen – die Toledot Ismaels ist ein Erweis der Wirksamkeit des hier gegebenen Segens –, noch liegen die Unterscheidungskategorien von weltlicher Größe und zukünftigem Heil im Horizont der Priesterschrift, die ~lw[ tyrb als ein unverbrüchliches Treueverhältnis begreift, dessen strömende Segenskraft sich bereits in der Welt als Mehrung und Fruchtbarkeit erweisen wird. Die historisch-kritische Exegese des 20. Jahrhunderts hat sich selten mit der Ismaelverheißung befasst. GUNKEL335 sah in Gen 17,20 wiederum Reste einer alten Ismaelitersage. Meist werden die Segnungen für Ismael genannt, aber nicht weiter bewertet und ihre Erfüllung in Gen 25 konstatiert. Dort wo theologisch und nicht nur kulturgeschichtlich argumentiert wird, wie bei VON RAD, werden Ismaelverheißung und (Isaak-)Bund scharf voneinander abgesetzt: »Auch Ismael wird ›gesegnet‹, d.h. zum großen Volk werden. Aber der Bund gilt Isaak und seinen Nachkommen. Aus dieser Gegenüberstellung wird deutlich, dass der von Jahwe gewährte Bund noch etwas ganz anderes garantiert als völkische Größe.«336

Der Mehrungssegen hat als Gabe des Bundes für von Rad keine Bedeutung, sondern allein die Gabe des Landes und das besondere Gottesverhältnis (Gen 17,7f). Auf die Beschneidung Ismaels geht von Rad gar nicht ein, und doch gehört er zu den wenigen, die außerhalb des Bundesgedankens auch über die bleibende Geltung der Ismaelverheißung nachdenken und von »der Entstehung eines Nebenbetriebes der Heils-

Ebd. H. GUNKEL, Genesis, 271. 336 G. VON RAD, Genesis, 159.Das Argument von der »völkischen Größe« begegnet nie, wenn Abraham, Isaak oder Jakob eine gleichlautende Verheißung bekommen. Gänzlich achtlos lässt H.D. PREUSS, Theologie AT II, 125, nicht einmal mehr den Mehrungs- und Schöpfungssegen für Ismael als Gabe für ein »gelingendes Menschsein« gelten, wenn er zur Ausgrenzung Ismaels aus dem Abrahambund schreibt: »Was Gott an positiven Gaben für ein gelingendes Menschsein bereitstellt, ist eben besonders für Israel gedacht und diesem Volk, das im Abrahambund steht, vorbehalten.«

334 335

III. Ismael im Abrahambund (Gen 17)

251

geschichte«337 sprechen konnten. Hier knüpft WESTERMANN an, wenn er in der Ismaelverheißung die Fortführung der universalistischen Sicht des Segens von Gen 1 und Gen 10 erkennt, die weiträumige Geschichtssicht des Abrahambundes rühmt,338 und zu Gen 17,19-21 vermerkt: »Die Verheißung geht in Isaak (V.19b.21) und in Ismael in verschiedener Weise weiter«339. SEEBASS beschäftigt sich anhand der Vertreibung Gen 21 mit der theologischen Konzeption Ismaels, die Perspektive des Paulus aufnehmend. Ismael ist der Typus des Nichterwählten, wenn auch nicht wegen irgendwelcher verwerflicher Taten, sondern weil Gott in seiner Freiheit ihm das Erbe der Verheißung verweigert und Isaak/Israel berufen hat. Berufen aber wird Isaak/Israel nicht in die Fülle des Segens, sondern in eine prophetische Existenz. Die Verwerfung Ismaels zeigt für Seebass gerade die Richtigkeit des paulinischen Gedankens, dass der leiblichen Abrahamnachkommenschaft noch keine besondere Bedeutung für die von Gott gestiftete Gnade zukommt. 340 In seinem Genesiskommentar (1997) interpretiert er auch Gen 17 in dieser Linie, indem er Bund und Mehrungssegen scharf voneinander absetzt. Man hat ernst zu nehmen, dass »mit Ismaels Nichterwählung diesem kein Schaden zugefügt wird«, denn er ist reich gesegnet wie Abraham. Aber »Fruchtbarkeit als solche ist zwar Segen, aber noch lange nicht ein Bund«. Erst von V.20 her erkennt SEEBASS, dass die unermesslichen Mehrungssegen, die Ismael und Abraham gemeinsam bekommen, die Bundesgabe im Kern nicht berühren, sondern dona superaddita sind.341 Weil Seebass von vornherein davon überzeugt ist, dass Ismael mit dem Abrahambund nichts zu tun hat, erschließt sich ihm von Gen 17,20 her, welche Gaben nicht zum Bund gehören. Deshalb können Segen und Mehrung, die nach meiner Analyse Themen des Abrahambundes sind, nach der Ansicht von Seebass diesen Bund im Kern nicht berühren, weil der Abrahambund allein durch Gen 17,7f bestimmt sei. Die starke inhaltliche Unterscheidung von Bund und Segen ermöglicht es Seebass allerdings auch, den unermesslichen Segen Ismaels nach dem Vorbild Abrahams zu würdigen. Doch zeige sie darin vor allem die Größe des Gebers, nicht die Würde des Beschenkten.

G. VON RAD, Genesis, 186 C. WESTERMANN, Genesis, 325. 339 Ebd., 321. 340 H. SEEBASS, Der Gott der ganzen Bibel, 71f. Die paulinische These, dass die leibliche Abstammung von Abraham allein nicht genügt, um des göttlichen Heils teilhaftig zu werden, die ihrerseits eine jüdische Vorgeschichte hat, resultiert vielleicht aus einer jüdischen Diskussion, in der die weite Konzeption vom ›Samen Abrahams‹ in Gen 17; 21,12f als Problem wahrgenommen und exklusiv gelöst wurde, wie dies später in der talmudischen Diskussion begegnet. Zur negativ entschiedenen Frage, ob Ismael (und Esau) im Vollsinn als ›Same Abrahams‹ gelten können, vgl. bNed 39a u.ö. (D. ROTTZOLL, Genesis, 306f). In Gen 21,13 wird die Ismaelverheißung ausdrücklich damit begründet, dass auch Ismael ›Abrahams Same‹ ist (s.dort). Eine inklusive Lösung im Sinne von Gen 21,12f bietet das jüdische Jubiläenbuch. 341 H. SEEBASS, Vätergeschichte I, 109f. 337 338

IV. Vertreibung, Errettung und Bewahrung Ismaels und Hagars (Gen 21)

Mit Kap. 21 kehrt die Erzählung, die stilistisch gut an das Ende der Abimelechepsiode anschließt, zur familiengeschichtlichen Problemlage der Abrahamerzählung zurück. Die Ankündigung der wunderbaren Geburt Isaaks ›übers Jahr‹1 drängt nach Erfüllung. Die dazwischen liegenden Episoden (18,16-20,18) haben das Interesse der Lesenden zwar auf andere Ereignisfelder des Geschehens geführt, damit aber auch die Spannung auf die Geburt Isaaks weiter gesteigert. In 21,1-7 wird sie endlich erzählt. Mit der Geburt Isaaks ist die dritte und letzte Stufe im familiendramatischen Aufbau der Erzählung erreicht. Einst war Abraham mit einer großen Mehrungsverheißung und seiner unfruchtbaren Frau Sara nach Kanaan gekommen. Dann hatte Gott Abraham die Adoption eines nichtleiblichen Erben abgewiesen, aber einen leiblichen Sohn als ›Erben‹ versprochen, jedoch die Frage der Mutter offen gelassen. So wurde Ismael als Kind Hagars, der Sklavin Saras und zweiten Frau Abrahams, im Horizont dieser Zusage geboren. Aber die unfruchtbare Sara ist noch immer kinderlos und das in der Bundesoffenbarung angekündigte Wunder einer »Geburt übers Jahr« noch nicht geschehen. Jetzt endlich kommt Saras Sohn Isaak zur Welt. Doch kaum ist er zur Welt gekommen, so dass sich die erzählerische Dramatik beruhigen könnte, nimmt diese in einer ganz unerwarteten Richtung neue dramatische Fahrt auf. Denn nun verlangt Gott unvermittelt von Abraham, dass er beide Söhne wieder preisgeben muss, Ismael (und seine Mutter) durch Vertreibung in die Wüste (Gen 21), Isaak als Opfer von eigener Hand (Gen 22). Die Parallelität der Lebensgeschichten Ismaels und Isaaks findet sich nicht nur in den positiven theologischen Hervorhebungen, Sohn der Verheißung und unter dem Segen des Bundes zu sein, sondern auch darin, auf Gottes Geheiß vom eigenen Vater preisgegeben und tödlich bedroht sowie am Ende doch von Gott gerettet zu werden. Ismael teilt die Verheißungen, aber auch die »Trials and Traumas«2, die auch Isaak erleben wird. Mit Isaaks Entwöhnungsfest (Gen 21,8) kippt die dramatische Ereigniskurve scharf ab 1

Gen 17,16.19; 18,10.14. So der Titel einer kleinen Skizze von C. LEVIANT, Parallel Lifes. The Trials and Traumas of Isaac and Ishmael.

2

IV. Vertreibung, Errettung und Bewahrung Ismaels und Hagars (Gen 21)

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und wendet sich diesen Bedrohungen zu, um dann in Gen 25 die beiden Brüder beim Begräbnis des Vaters wieder zusammen zu sehen. Durch Isaaks Geburt ergibt sich nun neu und dringlich die Frage, wie beide Söhne Abrahams sich zueinander verhalten und wie sie und ihre Nachkommen theologisch einander zugeordnet oder voneinander abgesetzt werden. Bereits die Verheißungsrede in Gen 17,19-21 suchte eine theologische Balance der abgestuften Zuordnung beider Abrahamsöhne herzustellen. Dies wird in Gen 21,12f aufgenommen und fortgeführt. Mit der tatsächlichen Geburt Isaaks steht nun nochmals das Problem des Erbes der Abrahamsöhne auf dem Spiel. Darauf versucht die Episode in Gen 21 eine Antwort zu geben, indem sie von der Geburt Isaaks und im selben Zusammenhang von der Vertreibung Ismaels und seiner Mutter, aber dann auch von deren Rettung in der Wüste, ihrer bleibenden Bewahrung durch Gott sowie von Gottes Mit-Sein mit Ismael erzählt. Ist jetzt, da der Sarasohn Isaak geboren ist und zur Familie gehört, kein Platz mehr für Ismael in Abrahams Haus? Hat der ältere Sohn nun seine Schuldigkeit als ›potentieller Erbe‹ getan und muss – da er erzählerisch nun nicht mehr gebraucht wird – ›irgendwie‹ zusammen mit seiner Mutter aus der Geschichte entfernt und in der Wüste ›entsorgt‹ werden? Eine wacker allein auf die Entstehung des Gottesvolkes orientierte Position kann sich jetzt an das ›Verheißungskind‹ Isaak als Ahn Israels halten. Ismael und seine ägyptische Sklavenmutter hatten nach einer verbreiteten Sichtweise ohnehin nur die Aufgabe, einen menschlichen Irrweg des Erzelternpaares zu illustrieren. Mit der Vertreibung in Gen 21 werde nun – so war man jedenfalls jahrhundertelang überzeugt – Ismael endgültig aus dem Erbe der Verheißung ausgeschlossen und aus dem verheißenen Land in die Wüste ausgetrieben. Denn immerhin fordert Gott selbst die Vertreibung Hagars und Ismaels und beruft nun Isaak und seine Nachkommen als »Same Abrahams« (21,12). Auch in der gegenwärtigen Auslegung der Erzählung sind die Nachwirkungen der paulinischen typologischen Lektüre allenthalben zu spüren. Von den ausgetriebenen und verworfenen Kindern des Fleisches (Hagar und Ismael) sind Sara und Isaak als begnadete Kinder der Verheißung (in Christus) scharf abgegrenzt (Gal 4). So ist theologisch ein Graben gezogen und jahrhundertelang zusätzlich vertieft worden, den keine Brücke zu überwinden scheint. Wir werden jedoch sehen, dass in Gen 21 die Dinge anders liegen als in Gal 4. Dies im Blick, konzentriert sich die folgende Interpretation wiederum auf die Frage nach der Zuordnung und Abgrenzung der beiden Abrahamsöhne, ihrer Mütter und ihrer Nachkommen. Wie verhält sich die Vertreibungsforderung Saras zu derjenigen Gottes? Wie ist Gottes Handeln zu beurteilen, der Ismael und Hagar erst in die Todesnot der Wüste schickt, um sie am Ende zu retten? Wie wird die Frage des Erbes gelöst oder offengehalten? Was bedeuten die auffallenden formalen und

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IV. Vertreibung, Errettung und Bewahrung Ismaels und Hagars (Gen 21)

inhaltlichen Ähnlichkeiten der Vertreibungsepisode mit der Episode von der Bindung Isaaks? Welche Funktion haben die Mehrungsverheißungen, die Abraham und Hagar von Gott für Ismael bekommen und die auf ein nichtisraelitisches Volk unter dem Segen des Gottes Abrahams zielen? Was gibt die Erzählung, die Ismael auch als Völkervater versteht, über die Selbstdefinition Israels im Hinblick auf die anderen Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams zu erkennen? Gen 21,1-21 lässt sich in zwei Episoden gliedern, aber nicht trennen. V.1-7 erzählen in genealogisch reduzierter Form von Geburt, Namensgebung und Beschneidung Isaaks sowie von Saras Freude über das Wunder dieser Geburt. V.8-21 schildern die später am Entwöhnungsfest Isaaks und am Tag danach stattfindenden Ereignisse. Der Satz »Und das Kind wuchs heran« (V.8a) bietet keinen erzählerischen Neueinsatz, sondern überbrückt im üblichen Narrativ 3-4 Jahre erzählter Zeit und schließt so die eine Szene ab, indem es eine neue einleitet. Die Geburt Isaaks ist nicht nur notwendiger Abschluss und ausdrückliche Erfüllung der Sohnverheißungen,3 sondern auch notwendige Voraussetzung für die folgende Vertreibungsszene. In der abrupten Konfrontation von Saras Freude über die Geburt Isaaks (V.6f) mit ihrer Forderung nach der Vertreibung Ismaels (V.9) innerhalb weniger Sätze liegt ein wesentliches Spannungsmoment der Erzählung. Die Freude über die Geburt des einen und die Forderung nach Vertreibung des anderen stoßen hart, geradezu brutal aneinander. 1. Die Geburt Isaaks als Lösung des Ausgangskonflikts (V.1-7) Die Geburt Isaaks wird ganz als Rettung der alten Sara erzählt. In Gen 17,19; 18,12 war dem Abraham ein Sarasohn versprochen worden. Nur im zweiten Fall war die künftige Mutter wenigstens als stumme Zuhörerin im Hintergrund anwesend. Jetzt erst rückt Sara ins Zentrum des fürsorgenden Handelns Jhwhs. V.1a.b hält mit doppelter Formulierung fest, dass sich Jhwh ihrer annimmt, wie er verheißen hat. Der Parallelismus der Eröffnung »ist beabsichtigt und hat hier seinen guten Sinn.«4 Nun wird Sara tatsächlich den Sohn gebären, den Gott versprochen hat. Das Problem ihrer Kinderlosigkeit, das von Beginn an der Gesamterzählung wesentliche Dramatik verliehen hat, wird von Gott endlich durch ein Wunder behoben. Über den klaren Rückbezügen zu Gen 17 (und Gen 18) wird der unmittelbare Kontext Gen 17,16.19; 18,10.14. C. WESTERMANN, Genesis, 406; V.P. HAMILTON, Genesis II, 73. Neben der im Parallelismus üblichen Wortwahl ist jedoch auch der Tempusunterschied von V.1a und 1b bemerkenswert. Die Perfektform von dqp gibt V.1a ein überschriftartiges, in die Szenerie einführendes Gepräge, während der zweite Gliedsatz mit dem Narrativ X[yw dann den ersten Handlungsimpuls setzt.

3 4

IV. Vertreibung, Errettung und Bewahrung Ismaels und Hagars (Gen 21)

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gern übersehen. Saras Rettung bahnt sich bereits durch den Abschluss der voraufgehenden Episode von Abrahams Preisgabe seiner Frau beim Philisterkönig Abimelech in Gen 20,18 an. Die Szene endet damit, dass Jhwh die Zeugungs- und Gebärfähigkeit in Abimelechs Palast durch die Heilung des Königs selbst sowie seiner Frauen und Mägde wiederherstellt, während er zuvor um Saras willen jeden Mutterschoß verschlossen hatte5. Von hwhy ist innerhalb von Gen 20-21 nur in den beiden unmittelbar aufeinander folgenden Versen 20,18 und 21,1 die Rede, und zwar im Hinblick auf Gottes Handeln ›um Saras willen‹, bzw. ›an Sara‹. So führt der Machterweis Gottes, der Kinderlosigkeit herbeiführen und auch beheben kann, am Ende der einen Episode auf raffinierte Weise an das Thema von 21,1ff heran.

Sara wird schwanger, gebiert einen Sohn, den Abraham benennt und beschneidet (V.3f), und erhält in V.6.7 Gelegenheit, ihrem Mutterglück in zwei kurzen, direkten Reden Ausdruck zu verleihen. Wie am Anfang, so ruht auch am Ende das Erzählerinteresse auf Sara, während von Abraham keine nähere Reaktion auf die wunderbare Geburt Isaaks mitgeteilt wird. So ergibt die Episode eine inkludierende Struktur. Der doppelten Eröffnung entspricht die doppelte Rede am Ende. Jhwh nimmt sich Saras an, er tut an ihr (hX[), was er verheißen hat (V.1b). Am Ende preist Sara Gott, der ihr diesen Sohn Isaak, dieses ›Lachen‹, endlich bereitet hat (hX[, V.6b). Ihre beiden Reden heben sich markant sowohl von Abrahams Schweigen als auch von der äußerst reduzierten sonstigen Erzählweise ab und gewinnen darin ihre besondere Ausdruckskraft. Die starke Fokussierung auf Sara leidet nicht darunter, dass ihre Rolle auch hier darin festgelegt ist, ›einen Sohn für Abraham in seinem Alter‹ zur Welt zu bringen.6 Das literarkritische Problem des Abschnitts liegt weniger in stilistischen Brüchen oder inhaltlichen Widersprüchen als darin begründet, dass jede der angenommenen Quellenschriften J, E, P einen Bericht über die Geburt Isaaks braucht, der in dem an sich kohärenten Abschnitt 21,1-7 dann zwangsläufig aufgefunden werden muss.7 In seiner jetzigen Gestalt dominieren m.E. sprachlich aber unverkennbar die priesterschriftliche Erzählebene und die Bezüge zu Gen 17, obwohl zugleich auch ein Abschluss der Episode vom Gottesbesuch in Mamre (Gen 18,1-16a) erreicht wird.8 rc[ 20,18 wird in Gen 12-25 nur noch von Sara selbst in 16,2 gebraucht. V.7c (Selbstwahrnehmung). V.2c (Erzählerstimme). Vgl. ganz ähnlich in Gen 16,1-3 und 17,15f (s. dort). 7 Vgl. z.B. O. EISSFELDT, Hexateuchsynopse, *33f: V.1a.2.7 (J); V.1b.6 (E); V.3-5 (P), oder C. LEVIN, Jahwist, 171f: V.2a.3* (vorjahwist. Quelle); V.1b.2*.3*.7 (jahwist. Redaktion); V.2b.4-5 (Pg, wobei Ps später noch die Beschneidungsnotiz nachgetragen haben soll). Zum Problem vgl. C. WESTERMANN, Genesis, 406; E. BLUM, Vätergeschichte, 279; J. WÖHRLE, Fremdlinge im eigenen Land, 54ff, sieht in V.1-3.6-7 eine vorpriesterliche Grundschrift, die zu der Redaktion gehört, die Gen 20-22* in die Abrahamgeschichte eingebracht hat, während für P die Datierungen in V.5 verbleiben. 8 Der in Gen 18 begonnene Erzählfaden wird in 21,1ff nicht unmittelbar fortgesetzt. 5 6

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IV. Vertreibung, Errettung und Bewahrung Ismaels und Hagars (Gen 21)

V.4 ist Ausführung der Beschneidungstora Gen 17,9ff. Die Altersangabe Abrahams V.5 (100 Jahre) ist P-Datierung und verweist auf 17,1.17 (99 Jahre). Auf die so entstandene Zeitlücke, den Zeitpunkt der Geburt übers Jahr, den Gott dem Abraham in 17,21f ankündigt (d[wm V.21; rbd pi., ~yhla V.22), bezieht sich 21,2c wta rbd-rXa d[wml ~yhla).9) rbd Pi. zur Kennzeichnung einer göttlichen Ankündigung begegnet prominent in Gen 17,3.22.23, fehlt aber in Gen 18,1ff. So weist die Erfüllungsnotiz 21,1b eher auf Gen 17,16. Den Namen ›Isaak‹, den Abraham in V.3 verleiht, hat ihm Gott in 17,19 genannt, die Beschneidung am achten Tag in 17,9ff befohlen. Wie in Gen 17,1 ist in 21,1 in der Eröffnung von hwhy die Rede, während danach durchgängig ~yhla begegnet. Auffällig ist auch, dass in 21,1-7 jeder Hinweis auf das hohe Alter Saras unterbleibt, das in Gen 18,11-13 besonders deutlich hervorgehoben wurde, und stattdessen mehrfach allein das hohe Alter Abrahams betont wird (V.2.5.7), was wiederum mit den entsprechenden Gewichtungen in Gen 17,1.17.24 zusammenfällt.

Eine vorpriesterschriftliche Textstufe ist m.E. in 21,1-7 nicht sinnvoll rekonstruierbar. WESTERMANN10 betont, dass in V.1-2.6-7 eine sichere Quellenscheidung nicht mehr möglich ist, spricht daher V.1-2 als »J und P communis« an, meint aber doch in V.2 und V.6a.7a eine überlieferungsgeschichtlich ältere Erzählstufe zu erkennen, weil die Namensdeutung Saras die Benennung des Kindes durch die Mutter voraussetzt, was der Namensgebung Abrahams in V.3 (P) widerspräche. Weil V.7 auf V.2 zurückverweist, muss auch diesem Vers eine Vorstufe unterstellt werden, die Sara als Adressatin der Sohnverheißung gekannt haben soll. Aber schon die gemeinhin als älteste angesehene Erzählstufe (Gen 18, 10.13f) kennt allein Abraham als Adressaten der Sohnverheißung. Dass Saras Freuden- und Dankbarkeitskundgebungen situativ in den Zusammenhang der Namensdeutung im Akt der Namensgebung gehören, nur weil sie mit Bedeutungselementen des Isaak-Namens spielen, ist ein häufig wiederholtes, aber kaum erweisbares Urteil, mit dem ein künstlicher Widerspruch zwischen V.6 und V.3 konstruiert wird.11 Das erzählerische Spiel mit den Namen der beiden Abrahamsöhne12 gehört J. WELLHAUSEN, Composition, 17; H. GUNKEL, Genesis, 199.227; E. BLUM, Vätergeschichte, 279. Anders J. VAN SETERS, Abraham, 204ff; C. WESTERMANN, Genesis, 406. Letzterer sieht beide Texte, die eine Sohnankündigung für Sara enthalten (Gen 17 und 18,1-16a), mit 21,1-7 gleichermaßen abgeschlossen. Das trifft in inhaltlicher Hinsicht gewiss zu, nicht aber in der genaueren sprachlichen und konzeptionellen Ausformung. Dass 21,1ff nicht einfach an Gen 18,1ff angeschlossen werden kann, zeigt sich auch darin, dass von dem in 18,14 angekündigten Gottesbesuch ›übers Jahr‹ nichts mehr verlautet. 9 d[wm ist auch in Gen 18,14 belegt, doch ist hier die Zeitangabe hyx t[k prominenter (18,10.14; hierzu O. LORETZ, ›wie jetzt ums Jahr‹). Zudem fehlt rbd Pi. zur Kennzeichnung göttlicher Verheißungsrede und die Gottesbezeichnung ~yhla ohnehin. 10 DERS., Genesis, 406f. 11 Vgl. G. V. RAD, Genesis, 183; C. WESTERMANN, ebd., 407f, und C. LEVIN, Jahwist 172: »Abraham gibt den Namen und Sara gibt die Etymologie – das stimmt nicht zusammen.« 12 Vgl. zu Gen 16,11; 17,18 und T. NAUMANN, Erhörungsmotiv.

IV. Vertreibung, Errettung und Bewahrung Ismaels und Hagars (Gen 21)

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zur Strategie der Gesamterzählung, in der das jeweils erste Auftreten des Motivs als göttliche Namensdeutung im Hinblick auf den erzählten Kontext konzipiert ist. Keine der narrativen Adaptionen des Lachmotivs im Isaaknamen lässt sich in den Akt der Namengebung des Kindes bei seiner Geburt zwingen.13 Gott selbst bestimmt wie schon bei Ismael auch hier den Namen des verheißenen Sohnes Isaak. Während in Gen 18,12-14 der Name Isaak nicht erwähnt wird, sondern nur über das Motiv des Lachens aus Gen 17 ›eingespielt‹ wird, so wird in Gen 21 Ismael nicht mehr namentlich genannt. Auf den Namen des »Sohnes der Magd« verweist das Erhörungsmotivs in 21,17-19. 1.1 Die Geburtsnotizen Isaaks und Ismaels Die erzählerische Präsentation der Geburt Isaaks ist im Verhältnis zu der Spannung, mit der sie erwartet wurde, äußerst knapp gehalten. Was sich wie eine der auch sonst bei P üblichen Ansammlungen genealogischer Notizen liest, stimmt bei näherem Hinsehen in Struktur und Sprachgestalt allein mit der Mitteilung über die Geburt Ismaels in Gen 16,15f überein. Ein Vergleich beleuchtet die Gemeinsamkeiten und macht auch die Unterschiede deutlich. Isaak 21,2b 2c 3a

21,4 21,5

Ismael

!b ~hrbal hrX dltw Wynkzl ~yhla wta rbd-rXa d[wml wnb-~X-ta ~hrba arqyw wl-dlwnh hrX wl-hdly-rXa qxcy Beschneidung Isaaks gemäß 17,9ff Altersangabe Abrahams:

hnX tam-!b ~hrbaw wnb qxcy ta wl dlwhb

16,15a

!b ~rbal rgh dltw

wnb-~X ~rba arqyw rgh hdly-rXa la[mXy 17,23ff 16,16

Beschneidung Ismaels (17,9ff)

hnX ~ynwmX-!b ~rbaw ~ynX XXw la[mXy-t[ rgh tdlb ~rbal

Alle Elemente aus Gen 16,15f finden sich in nahezu identischen Formulierungen in 21,2b-5 wieder: Die mit ihrem Namen, nicht mit ihrem Status, genannte Mutter gebiert einen Sohn für Abraham, der als pater familias Zielpunkt des Gebärens bleibt.14 Abraham gibt dem Sohn sei13 14

So schon A. HEITZER, Hagar, 84f; jetzt R. BARTELMUS, ThWAT VII, 735. Im Unterschied etwa zu den Angaben der Geburt der Leahsöhne in Gen 29,31-35.

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IV. Vertreibung, Errettung und Bewahrung Ismaels und Hagars (Gen 21)

nen Namen, den zuvor Gott selbst festgelegt hat15 und legitimiert ihn so als ›seinen Sohn‹. Bevor am Satzende der Name genannt wird, nennt ein erklärender Relativsatz nochmals die Mutter.16 Abschließend hält eine chronologische Angabe das Alter Abrahams, nicht das der Mutter, zum Zeitpunkt der Geburt fest. Es ist erkennbar, dass für die Geburt Ismaels und Isaaks die gleiche Art der erzählerischen Präsentation gewählt wird. Dabei hätte auch hier die Möglichkeit einer deutlichen Unterscheidung beider Brüder sehr leicht bestanden. Aber daran hat der priesterliche Erzähler offenbar kein Interesse.17 Dass Isaak gleichwohl besonders im Zentrum des Interesses steht, wird an einigen Signalen und Ergänzungen gegenüber der Geburtsnotiz Ismaels sichtbar: Isaaks Geburt wird im 100. Lebensjahr Abrahams terminiert und bietet damit den Höhepunkt der Gesamtgeschichte. Dieses Geburtsdatum Isaaks scheint wie die einhundertjährige Gesamtdauer des Aufenthalts Abrahams im Land Kanaan der Ausgangspunkt, von dem aus die Priesterschrift die anderen chronologischen Angaben gewinnt.

Vgl. Gen 16,11; 17,19. Vgl. die genealogische Konstruktion mit Relativsatz neben Gen 16,15 und 21,3 noch Gen 17,21; 21,9; 24,24; 25,12. 17 Anders V.P. HAMILTON, Genesis II, 73f, für den auch die Namensgebung Isaaks gegenüber Ismael herausstellt, »that Isaac is indeed the special son, the promised son« (74). Denn nur Isaaks Name sei vor der Geburt von Gott selbst ausgewählt, nicht von Abraham; und nur Isaaks Name bedarf keiner kontextuellen Etymologie wie Ismael in 16,11. Aber das erste Argument übersieht Gen 16,11, das zweite Gen 17,17.19. 15 16

IV. Vertreibung, Errettung und Bewahrung Ismaels und Hagars (Gen 21)

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Chronologie der Abrahamerzählung18 100 Jahre lebt Abraham in Kanaan 175. Lebensjahr Abrahams Tod (Gen 25,7); 100. Lebensjahr Abrahams Isaaks Wundergeburt (Gen 21,1-6) 99. Lebensjahr Abrahams Offenbarung der berith ‘olam sowie der Ankündigung Isaaks »übers Jahr« Sara 89 Jahre, Ismael 13 Jahre 75. Lebensjahr Immigration nach Kanaan (Gen 12,4) 10 Jahre später Schwangerschaft Hagars (Gen 16,3) 1 Jahr später Geburt Ismaels (Gen 16,15-16), Abraham ist 86 Jahre alt

Darüber hinaus ist das Muster bei Isaak etwas ergänzt. V.4 hält die Beschneidung Isaaks am 8. Tag ausdrücklich als Erfüllung der in Gen 17, 9ff gegebenen Beschneidungstora fest. Isaak ist damit der erste am 8. Tag Beschnittene. So spiegelt auch 21,1-7 das Zusammengehören von Bundesverheißung und Beschneidungsgebot wider, wie es im Abrahambund Gen 17 schon begegnete. Ausdrücklich verweist V.2c darauf, dass die Geburt Isaaks genau zu dem von Gott angekündigten Zeitpunkt geschah. Zusammen mit V.1 wird die Geburt Isaaks somit dreimal als die Erfüllung einer entsprechenden Verheißung herausgehoben. Dies wird bei Ismaels Geburt nicht berichtet, obwohl auch ihr eine Gottesverheißung vorausgeht (16, 10-12). Da in Gen 16 aber die Geburtsschilderung unmittelbar an die Verheißungsszene anschließt, während sich bei Isaak andere Ereignisse in die Zeit zwischen Verheißung und Geburt drängen, bedurfte es solcher ausdrücklichen Erfüllungsvermerke nicht. In 21,1f sind sie einerseits narrativ nötige Erinnerungshilfen an zurückliegendes Geschehen, andererseits schärfen sie theologisch ein, dass sich die Geburt Isaaks nicht von selbst versteht, sondern sich dem wunderbaren Eingreifen Gottes in die desolate Lebenssituation Saras verdankt, und dass Gott sein Versprechen gerade in dieser Situation wahr werden lässt. So bringen diese kurzen Rückwendungen, in denen die Situation der Verheißung in die ihrer Erfüllung eingeblendet wird, ein zentrales theologisches Anliegen der Abraham-Sara-Geschichte auf den Punkt. Gott steht zu seinem Wort. Ein Interesse daran, Isaak gegen Ismael als besonderes ›Verheißungskind‹ zu profilieren, ist nicht erkennbar. V.2b.7 nennen Isaak ›Sohn seines (Abrahams) Alters‹. Diese Würdebezeichnung verweist vor allem auf die narrative Problematisierung des zum Zeugen und Gebären zu hohen Alters Abrahams und Saras in Gen 17,17; 18,11-13, bringt aber auch die besondere Freude des Vaters, 18 Zur Chronologie und zum Nachweis, dass nicht das »arabische Beschneidungsdatum« Ismaels, sondern die Geburt Isaaks im 100. Lebensjahr Abrahams den Ausgangspunkt der P-Chronologie der Abrahamerzählung bildet, vgl. T. NAUMANN, Common Basis of the Covenant, 96ff.

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IV. Vertreibung, Errettung und Bewahrung Ismaels und Hagars (Gen 21)

wie hier vor allem der Mutter, über den spätgeborenen Sohn zum Ausdruck.19 Allerdings hält die Wendung auch in Saras Mund nur das hohe Alter des Vaters fest. 1.2 Saras Lachen (V.6f) Inspiriert vom Spiel mit dem Isaak-Namen, der schon in Gen 17,17 und 18,12 leitmotivisch in die erzählte Handlung verwoben wurde, gibt in V.6f nun Sara selbst ihrer Freude über die wunderbare Geburt ihres Sohnes Ausdruck. Die Verse verraten poetische Rhythmisierungen und sind wohl als zwei Zitate eines Dank- oder Freudenlieds aufzufassen, die daher doppelt eingeführt werden müssen. Eine Verbindung zur Situation der Namensgebung während der Geburt ergibt sich nicht. Sara besingt unter Anspielung auf die Bedeutungen des Isaaknamens (V.6) und mit dem Hinweis auf die gänzlich unmögliche Situation dieser Geburt (V.7) das Glück ihrer Mutterschaft20, ein schönes Zeugnis sehr spezifischer Frauenerfahrungen im Alten Israel. Nun wurde auch Saras ganz persönliche Notlage erhört. Die Unfruchtbare ist zur fröhlichen Mutter geworden (Ps 113,9; Jes 54). Beide Aussagen in V.6 sind auffällig parallel gestaltete kurze Sätze: V.6 a

Ein Lachen (einen Spott?) hat mir Gott bereitet,

~yhla yl hX[ qxc b

jeder, der davon hört, wird mir zulachen (über mich lachen?).

yl-qxcy [mXh lk

Die erste Wendung artikuliert Saras Freude und Dankbarkeit gegenüber Gott, den sie als Urheber ihres Mutterglücks ansieht und preist. In ihrem jubelnden Lachen, dies meint qxc in V.6a21, findet diese Freude ihren schönsten Ausdruck. Das Lachen der zweiten Wendung dagegen wird oft als spöttisches Auslachen verstanden, als müsse Sara befürchten, Vgl. noch Isaak (Gen 24,36). In der Josefsgeschichte gilt dem im Alter geborenen Sohn ~ynqz !b (Gen 37,3 Josef; Gen 44,20 Benjamin) die besondere Liebe des Vaters. 20 Poetische Strukturen sind im Parallelismus in V.6, dem Tristichon im Rhythmus 3:3 in V.7 (hier auch der poetisch eingesetzte Aramaismus llm, vgl. Hiob 8,2; 33,3, Ps 106,2) zu finden. Vgl. R. GORDIS, Biblical Poetry, 76. Zur spezifischen Frauenerfahrung, die sich in V.6f ausspricht, M. CALLAWAY, Sing, O Barren Sing; S. TREVOR, Sarah laughed 55f; zu ethnographischen Parallelen vgl. u. Anm. 30. 21 Sprachwissenschaftlich wird der Name Isaak qxcy – ›er lacht‹ meist nach Analogie von Isma-El, Isra-El usw. als Verkürzung eines ursprünglich theophoren Namens IsaakEl – ›El/Gott lacht, lächelt‹ verstanden, wie im Namen ›Jakob‹ (M. NOTH, Personennamen, 210). Möglich wäre auch ein Verständnis als Situationsname »er lacht«, der die besonderen Umstände bei der Geburt festhält. Dann würde sich das Lachen auf den Vater oder das Kind beziehen. Vgl. J.J. STAMM, Der Name Isaak; R. ALBERTZ, Art. Isaak I, TRE 16, 292; R. BARTELMUS, ThWAT VII, 735. 19

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wegen ihrer späten Geburt verspottet zu werden.22 Daher wird V.6b mehrheitlich übersetzt: »Jeder, der davon hört, wird über mich lachen«23. Über die Bedeutungsnuancen von qxc in V.6b »zanken die Grammatiker gar sehr miteinander«24, klagt schon MARTIN LUTHER. Daran hat sich wenig geändert, denn mit dem Wort qxc Kal/Pi. kann sowohl fröhliches und ermutigendes als auch spöttisches und vernichtendes Lachen, aber auch sexuelle Liebkosungen oder selbst Zudringlichkeiten bezeichnet werden.25 Die spezifische Bedeutungsnuance von qxc ist daher nur aus dem jeweiligen Kontext erschließbar. Die Verwendung der Präposition l. hilft hier nicht weiter, weil sie lediglich die personale Relation einer qxc-Handlung anzeigt, unabhängig davon, in welcher Funktion diese gebraucht wird.26 Der Kontext aber ergibt eine sprachlich und stilistisch enge Anlehnung der Wendung von V.6b an V.6a. Beide Male geht es um ein Lachen (qxc Kal), das Sara persönlich widerfährt (yl). Im ersten Satz ist Gott Subjekt, im zweiten Satz sind es die Menschen, die von Saras Freude hören. V.6b bezieht sich auf V.6a und bezeichnet die erwartbaren menschlichen Reaktionen auf die von Gott geschenkte wunderbare Geburt.27 Daher müsste das yl … qxc in V.6b analog dem in V.6a verstanden werden. Entweder steckt in beiden Sätzen ein spöttisches Lachen oder in keinem. Die verbreitete Annahme zweier gegensätzlicher Reaktionen Saras in V.6a.b ist sprachlich und stilistisch nicht begründbar.28 Hat Gott der Sara aber mit Isaak ein ju»›Die Leute werden mein lachen‹, ist so viel gesagt, sie werden mich schelten als ein geiles, altes, unzüchtiges Weib.« interpretiert M. LUTHER, Genesis, 1379, wohl in Anbetracht Wittenberger Verhältnisse seiner Zeit; und H. GUNKEL, Genesis, 227, meint: »die alte Frau schämt sich, noch Mutter geworden zu sein.« Für G. VON RAD, Genesis, 183, gedenkt Sara in V.6b »verlegen des Gelächters und Geredes, das jetzt unter den Nachbarn entstehen wird.« 23 Vgl. neben den meisten Kommentaren auch die neueren Bibelübersetzungen. Die Lexika GesD, 680; HALAT, 955, fordern für l + qxc in Gen 21,6b die Übersetzung »über jemand lachen«, ohne andere Möglichkeiten auch nur in Betracht zu ziehen. So auch R. ALBERTZ, ebd., 292, zuletzt A. BRENNER, Laughter, 52, anders etwa U. RUPP, Saras Glück. 24 M. LUTHER, Genesis, 1377. 25 Vgl. den semantischen Survey bei A. BRENNER, Laughter; und bes. R. BARTELMUS, ThWAT VII, 730-745. 26 Mit der Präposition l wird qxc nur in 21,6 verbunden. Weitere Belege ergeben sich, wenn man die semantisch ähnliche Nebenform qxf (Kal) hinzunimmt. Hier überwiegen die Bedeutung ›(verächtlich) auslachen, verspotten‹ (Ps 37,13; 59,9; Hiob 5,22; 12,4; 39,7.18.22; 41,21; Spr 31,25; Klgl 3,14; Hab 1,10). Doch kann die gleiche Konstruktion in Sir 13,6.11 auch das freundliche, vertrauenerweckende Lachen oder Zulächeln bezeichnen. Das sich hier zeigende Übergewicht der negativen Implikationen des Lachens in Bezug auf andere Personen entspricht auch der sonstigen Verteilung der qxf/qxc-Belege im Alten Testament (A. BRENNER, Laughter). Zum Verständnis der Wendung in Gen 21,6 trägt dies aber noch nichts bei. 27 So auch C. WESTERMANN, Genesis, 407. 28 Das Problem lässt sich bereits in der Reformationszeit gut illustrieren. In seiner 22

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belndes Lachen und kein Gespött bereitet, dann geht es auch in V.6b um die lachende Mitfreude all derjenigen, die von Saras Glück hören.29 Auch von kulturanthropologischen Einsichten her ist die Annahme unwahrscheinlich, dass sich in traditionellen Gesellschaften eine zu spätem Kinderglück gekommene Mutter Häme und Spott ausgesetzt sehen musste. Als ein Beispiel seien die Forschungen von GRANDQUIST erwähnt, die lange als Ärztin in Palästina lebte und Anfang des 20. Jh.s Familien- und Kinderprobleme der arabisch-muslimischen Dorfgesellschaft von Artas, südlich von Bethlehem, untersucht und dokumentiert hat. Sie beschreibt die ungeteilte Mitfreude und Verehrung der DorfbewohnerInnen, wenn eine länger kinderlos gebliebene, schon ältere Frau doch noch ein Kind bekam. An ein solches »valuable child«, vor allem, wenn es ein Sohn war, hefteten sich jeweils ganz besondere Erwartungen. Auch der Mutter wurde fortan eine herausgehobene Bedeutung für das Gemeinwesen zugewiesen.30

Genesisvorlesung hatte M. LUTHER noch V.6a (von Gott geschenkte Freude) und V.6b (Gespött der Leute) verstanden und theologisch dahin gedeutet, dass eben die von Gott Begnadeten von der Welt verlacht würden. Seine Bibelübersetzung 1534 aber verdeutscht dann beide Zeilen im Sinn des Spottes: »Gott hat mir ein gespött zugericht / denn wer es hören wird, der wird mein spotten.« Die Zürcher Bibel 1531 indes erkennt (im Gegensatz zu ihren neueren Revisionen) beide Male Freude: »Gott hat mir ein froud zugericht/ dan wer es hoeren wirt der wirt sich mit mir frouwen.« In diesem Sinn interpretiert auch J. CALVIN, Genesis, 223. Unter der Prämisse, 21,6 sei nach Analogie von 17,17; 18,10ff als Spott zu verstehen, übersetzt I. RABINOWITZ, Sarah‘s wish, 262: »God has made a joke of me; whoever hears will laugh at me.« (so auch V.P. HAMILTON, Genesis II, 72). Doch sieht die Sache schon in Gen 17,17 anders aus (s. dort). 29 Die LXX übersetzt unzweideutig συγχαρεἷαί μοι – ›die sich mit mir freuen‹; so auch die Targumim. Im Midrasch springt das Sara von Gott geschenkte Lachen in seiner Wirkung auch auf andere Menschen über: »... viele Unfruchtbare (wurden) mit ihr bedacht, viele Taube wurden hörend, viele Blinde sehend, viele Verrückte geheilt« (GenR 53 zu 21,6, übers. A. Wünsche). Dem folgt RASCHI und mit ihm die Mehrzahl der jüdischen Kommentatoren; in neuerer Zeit B. JACOB, Tora, 479; M. SARNA, Genesis, 146. Unter den christlichen Kommentatoren C.F. KEIL, Genesis, 206; P. HEINISCH, Genesis, 258; C. WESTERMANN, Genesis, 404.409; T. DENNIS, Sarah Laughed, 57; I. FISCHER, Gottesstreiterinnen, 56; U. RUPP, Saras Glück. 30 H. GRANDQVIST, Child Problem among the Arabs, passim, die auch davon berichtet, wie Frauen ihre Dankbarkeit über die Geburt in kleinen improvisierten Liedern zum Ausdruck bringen (51ff), so wie es in Gen 21,6 von Sara erzählt wird.

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2. Die Vertreibung und Bewahrung Ismaels und Hagars (21,8-21) 2.1

Zur Literaturgeschichte von Gen 21,8-21

Im Modell der Quellenscheidung wird Gen 21,(8)9-21 als Dublette zu Gen 16 den »elohistischen Fragmenten« in Gen 20-22 (ohne 21,1-7) zugerechnet und in die mittlere bzw. späte Königszeit datiert. Gestützt wird diese Zuordnung durch die These, Gen 21 sei eine von Gen 16 unabhängige Variante, weil beide Texte die Trennung Hagars und Ismaels vom Haus Abrahams erzählen.31 Allerdings muss angenommen werden, dass die zum Verständnis von Gen 21,8ff notwendige Vorgeschichte in der E-Quelle weggefallen ist. Der jetzt E verbleibende Text ist ein nicht lebensfähiger Torso ohne ersichtlichen Erzählanfang (s.u.). Wahrscheinlicher ist es daher, mit einer Ergänzungshypothese, Gen 21, 8-21 als eine auf den jetzigen Kontext (vor allem Gen 16 [und Gen 17]) hin entworfene Fortschreibung einer älteren Hagar-Ismael-Geschichte anzusehen.32 Kriterien für eine Datierung der Erzählung lassen sich nur über die literaturgeschichtliche Auswertung ihrer Kontextbezüge und über ihre auffällige Ähnlichkeit mit Gen 22 (hier legt sich eine Verfasseridentität nahe) ausmachen. Während VAN SETERS an den exilischen Jahwisten (Gen 16 vorjahwistisch), BLUM an den dtr. Kompositor der Vätergeschichte, FISCHER an einen exilischen Redaktor denken, hat KNAUF unter Hinweis auf die ›Parallelität‹ von 21,11-13 und 17,18-20 (P) die Geschichte als späte Ergänzung zum bereits priesterschriftlich vorliegenden Pentateuch bestimmt, als »eine Art Midrasch« zu Gen 16, der den Konflikt zweier unterschiedlicher Ismaelgeschichten (J: Ismael lebt in der Wüste; P: Ismael lebt im Haus Abrahams) ausgleichen will.33 LEVIN Dies ist ausführlich von H. GUNKEL, Genesis, 226-233; A. HEITZER, Hagar, 142147, dargestellt worden. In der Gegenwart treten mit Blick auf Gen 20-22 vor allem H.C. SCHMITT, Menschliche Schuld, sowie J. JEREMIAS, Das Theologische Programm von Gen 20-22, für eine modifizierte elohistische Hypothese ein. 32 So schon E. MEYER, Israeliten, 323 Anm. 3; ausführlich begründet von J. VAN SETERS, Abraham, 196-200; E. BLUM, Vätergeschichte, 311ff; I. FISCHER, Erzeltern, 357; E.A. KNAUF, Ismael, 16ff (nachpriesterschriftlich); C. LEVIN, Jahwist, 177 (mit eigentümlicher Verbindung von Urkunden- und Ergänzungshypothese). 33 E.A. KNAUF, Ismael, 17 Anm. 72. Die literarische Verbindung der Geschichte von PTexten ist deutlich. Vgl. neben Gen 21,11-13/17,18-21 auch 21,9b/21,3c (P); die Verklammerung von Isaak- und Ismaelepisode (21,8.20). Auch die besonders bei P ausgearbeitete Ismaeltheologie des Abrahambundes findet sich in Gen 21 wieder. Gegenwärtig votiert eine ganze Reihe von Gelehrten für eine nachpriesterliche Ergänzung. Vgl. dazu jüngst M. KÖCKERT, Gen 20-22, als nach-priesterliche Erweiterung der Vätergeschichte, mit ausführlicher Dokumentation zur Literaturgeschichte von Gen 21,9-21. Die verbreitete Annahme, dass für die priesterschriftliche Erzählebene Ismael im Haus Abrahams bleibt, hängt mit der Annahme selbständiger Quellenwerke zusammen und ist m.E. schon deshalb unzutreffend, weil gerade die Priesterschrift Ismael klar als Vater 31

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sieht Gen *21f als Teil eines Abrahammidraschs nach Art des in Qumran gefundenen Genesis-Apokryphons als Ergänzung zum praktisch fertig redigierten Pentateuch an.34 Gen 21,(8)9-21 sei so wenig altertümliche Sage wie die eng verwandte Geschichte von der ›Bindung Isaaks‹ in Gen 22. Überlegungen zu möglichen Vorstufen der jetzigen Erzählung werden überdies durch die offensichtliche Spannung motiviert, wonach die P-Chronologie Ismael als jungen Mann im Alter von 16 Jahren oder älter ansieht (14 J. bei der Geburt Isaaks + 2-3 J. bis zum Entwöhnungsfest, vgl. Gen 16,16; 21,5), während die Vertreibungsepisode in Gen 21 insgesamt mit einem Kleinkind rechnet, das scherzt und spielt, seine Mutter braucht, von ihr unter einen Strauch geworfen, später mit Wasser versorgt wird und bis zur Hochzeit noch heranwachsen muss. Aber weder lassen sich die Kleinkindpassagen literarkritisch von ihrem Kontext trennen, noch ergäben sie eine eigenständige ältere Erzählung. BLUM35 schlägt eine überlieferungsgeschichtliche Lösung vor und führt diese Unausgeglichenheiten darauf zurück, dass für die Wüstenepisode eine mit Gen 16 konkurrierende Parallelüberlieferung aufgenommen und transformiert wurde. Beweisbar ist dies ebenso wenig wie die m.E. wahrscheinlichere These, diese Spannungen teils mit der Annahme von Erzählkonventionen, teils aus der erzählerischen Strategie von Gen 21 selbst zu erklären. Der Erzähler, auf der Suche nach einem passenden Sujet, wählt ein ihm und seinen Rezipienten vertrautes Erzählmuster, etwa »Leiden und Rettung eines ausgestoßenen Kindes (und seiner Mutter)«, um die Wirkung, das Maß an Empathie zu erzielen, das er erreichen will. Eine solche »conventional type scene«36 verlangt eine hilflose Mutter mit Klein(st)kind. Hagar und Ismael als Vertriebene und vom Tod Bedrohte und Gott als rettende Instanz im Kontext einer solchen Szene zur Geltung zu bringen, ist dem Erzähler wichtiger als die Rücksicht auf die chronologische Logik der Gesamtgeschichte, zumal innerhalb von Gen 21 der Widerspruch im Alter Ismaels gar nicht sichtbar wird, sondern allein aufgrund früherer Angaben errechnet werden muss. der Stämme der syrisch-arabischen Wüsten unter dem Segen Gottes betrachtet, die in Kanaan nie Wohnrecht hatten oder beanspruchten, also eine Trennungsnotiz oder erzählung gekannt haben muss (vgl. Gen 17,20 mit der Ismaelitergenealogie in Gen 25). Nur setzt die Trennung keine Feindschaft oder den Abriss gegenseitiger Kontakte voraus. Für P kommt Ismael nach Hebron zurück, um mit Isaak gemeinsam den Vater zu begraben (25,9; s. ausführlicher dort). 34 C. LEVIN, ebd., 175. 35 E. BLUM, Vätergeschichte, 312. 36 Anglisierte Form des Begriffs »Typische Szene«, den W. AREND, Die Typischen Szenen bei Homer, 1933, in die Homerforschung eingeführt hat. Im Hinblick auf alttestamentliche Erzählungen vgl. J. CULLEY, Studies, 23; R. ALTER, Art of Biblical Narrative, 47-62; kritisch zusammenfassend J.L. SKA, Hebrew Narratives, 36-38.

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In Gen 21,9-21 sind verschiedene biblisch und altorientalisch belegte Erzählkonventionen verbunden. Die Rettungsszene mobilisiert eine in die Wüste als spezifischen Ort der Bedrohung verlegte Variante (vgl. noch Gen 16,7ff; 1Kön 19,4ff) der in der altorientalischen Epik verbreiteten ›Traditional Epiphany Episode‹37, in der die Gottheit in einer Notsituation rettend eingreift. In der Austreibungsszene verbinden sich die Motive vom ›ausgesetzen oder grausam bedrohten Kind‹ und dem von der ›Vertreibung des (königlichen) Erben‹38. 2.2 Die narrative Struktur von V.8-21 Unmittelbar nach der Geburt Isaaks und im wirksamen Kontrast zu ihr fährt die Erzählung mit der Episode von der Vertreibung Ismaels und seiner Rettung V.9-21 fort. Eine selbstständige Erzählung, etwa als Variante zu Gen 16, ist sie weder formal noch inhaltlich. Stilistisch wächst sie übergangslos aus V.1-7(8) heraus und findet in V.21 ein relatives Ende. Inhaltlich setzt sie nicht nur die Einführung aller agierenden Figuren, sondern auch die Geburt Isaaks und die vorhergehende Geburt Ismaels als Sohn der Sklavin Hagar und Abrahams voraus. Zudem kann sie nur verstanden werden, wenn Ismaels Name bekannt ist, der in Gen 21 nicht genannt wird, dessen Kenntnis aber im Erhörungsmotiv von V.17f vorausgesetzt wird. Nach ihrem genealogisch und summarisch erzählten ersten Teil, der wiederum nicht als Anfang, sondern als abschließende Lösung eines früheren Konflikts (Kinderlosigkeit Saras) konzipiert ist, weitet sich der Text erst mit V.9ff zu eigentlichen Handlungsschilderungen, indem er aus der Lösung des früheren einen neuen Konflikt aufbaut. Eine Zäsur mit oder nach V.8 zu setzen, ist eher künstlich. Mit seinen drei NarrativSätzen verbindet der Vers zwei Episoden. Nach Saras Doppelrede in V.6f, die szenisch noch im Umfeld von Geburt und Beschneidung Isaaks anzusiedeln ist, fährt der Erzähler fort: »Das Kind wuchs heran« (dlyh ldgyw). Die Wendung ist einerseits Ausblick auf Wachstum und Gedeihen Isaaks und somit Abschluss von V.1-7, indem sie das auf Geburt und Beschneidung folgende Gedeihen des Jungen zusammenfassend darstellt. Dieselbe Wendung wird im Hinblick auf Ismael wiederholt, von dessen Gedeihen nach der Rettung in der Wüste in V.20b die Rede ist. So bekommen die Isaak- und die Ismaelepisode einen gemeinsamen Refrain, der sich auch als Inklusio um die Ismaelepisode Vgl. neben Gen 22 noch zehn altorientalische Belege bei D. IRVIN, Mytharion, Index (Traditional Episode, Table, Sheet 2). Die Kennzeichnung der ›Type Scene‹ von J. CULLEY, ebd., ›A Visitation in the Wilderness‹ (ähnlich R. ALTER, ebd. 49) ist zu ungenau, weil es sich jeweils um Theophanieszenen (in der Wüste) zum Zweck der Rettung handelt. 38 Vgl. die Belege bei D. IRVIN, Mytharion, Index. E.A. KNAUF, Ismael, 20 Anm. 87 denkt an: »Mutter mit Kind verirrt sich in der Wüste« und meint, ohne einen weiteren Beleg zu nennen, der die Annahme der Konventionalität erhärten könnte, dass ein solches Erzählmuster dem Verfasser wie seinem Publikum geläufig war.

37

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V.8-21 lesen lässt. Es geht auch in ihr letztlich um die beiden Söhne Abrahams und ihr Verhältnis zueinander. Während Isaak nur in V.8 als dlyh bezeichnet wird, hebt die Vertreibungsszene hervor, dass Ismael als Kind (dly in V.14f) vertrieben und vom Tod bedroht wurde. Zugleich überbrückt V.8a zeitraffend mehrere Jahre erzählter Zeit und führt in die Situation von Isaaks Entwöhnungsfest, die mit V.8b.c skizziert wird. Dieses bildet den in V.9ff vorausgesetzten Schauplatz der Szene.

Die Erzählsequenz in V.9-21 bietet wenig syntaktische Gliederungsmöglichkeiten. Eine Unterteilung in zwei Akte legt sich durch die Wahrnehmung zweier Spannungsbögen in V.9-14 und V.15-19.20f nahe.39 Der erste verfolgt das Geschehen von Saras Vertreibungsforderung bis zu ihrer Ausführung durch Abraham am andern Tag. Der sich hieraus ergebende zweite Erzählbogen spannt sich zwischen der Todesnot der Vertriebenen in der Wüste und der Errettung aus dieser Bedrohung. Die nachgestellten Notizen lassen nach der Dramatik von Verstoßung, Todesbedrohung und Rettung die Erzählung beruhigend ausklingen, indem sie zeitraffend und in die Zukunft vorausgreifend über das künftige Geschick Ismaels unter Gottes Fürsorge unterrichten und mit der Heirats- und Niederlassungsnotiz an die Genealogie der Ismaelnachkommen (Gen 25,12-18) heranführen. Interessant ist auch die Redegestaltung. Es finden sich keine Dialoge, sondern nur vier Einzelreden, auf die jeweils nichtsprachlich mit Handlungsschilderungen reagiert wird. In jedem der Hauptteile folgt auf eine Rede mit menschlichem Subjekt, in der die Krise als das zu lösende Problem benannt wird, eine Gottesrede, durch die seine Lösung initiiert wird: Sara fordert von Abraham die Vertreibung des »Sohnes der Magd« (V.10b.c.). Gott reagiert darauf indirekt in seiner Rede an Abraham V.12-13, indem auch er die Vertreibung fordert. Hagar bringt in einem inneren Monolog die Todesbedrohung Ismaels auf den Punkt (V.16c. d). Die Rede des Gottesboten (V.17b-18d) spricht Hagar die Rettung Ismaels zu und leitet sie ein. Die auf die Gottesreden folgenden Handlungsschilderungen in V.14.19 setzen die göttliche Intervention in konkrete Taten um: Abraham vertreibt Hagar und Ismael, Hagar findet einen Brunnen und gibt ihrem Sohn zu trinken. So bilden die Gottesreden in zwei Gipfeln jeweils die Aussagehöhepunkte und markieren zugleich in ihrer Aufeinanderbezogenheit die theologische Spannung der Erzählung, weil Gott mit seiner ersten Intervention verlangt, wovor er mit seiner zweiten rettet. Beide Gottesreden münden in eine gleichlautende Volkwerdungsverheißung für Ismael (V.13a.18d).

Vgl. P. TRIBLE, Mein Gott, 39ff; H. IRSIGLER, Ismaelname, 124ff; I. FISCHER, Erzeltern, 306ff. Andere Gliederungen bieten H. GUNKEL, Genesis, 227f (V.8-13.14-16.1719); G.W. COATS, Genesis, 152 (V.8-13; V.14-19); S. MCEVENUE, Hagar Stories, 73ff.

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1. Hauptteil V.9-14 V.9f

V.12-13

V.14a-e

Motivation des Ausgangskonflikts. Sara sieht in Ismael das Erbe ihres Sohnes gefährdet. Sie benennt Problem und Problemlösung in direkter Rede (V.10) als Vertreibungsforderung. Abrahams Reaktion baut eine Gegenposition auf. Gottes Intervention zugunsten von Saras Forderung (Adressat ist Abraham) entscheidet den Konflikt. Gott fordert, dass Abraham seinen Sohn vertreibt. Eine Volkwerdungsverheißung für Ismael schließt die Gottesrede mit V.13 ab. Praktische Ausführung der Vertreibung durch Abraham.

2. Hauptteil V.15-19

V.14d-16 zeigen die Krise, die durch die Lösung des ersten Konflikts entsteht und bringen sie im direkt zitierten Monolog Hagars (V.16c.d) auf den Punkt. V.17b-18 Gottes Intervention zugunsten Hagars und Ismaels Todesbedrohung (Adressat ist Hagar) löst die Krise. Gott rettet Ismael vor dem Tod. Die Wiederholung der Volkwerdungsverheißung für Ismael schließt die Gottesrede mit V.18b. V.19 Praktische Ausführung der Rettung durch Hagar.

Ausklang

V.20f

Erzählerische Vorwegnahme künftiger Ereignisse. Bemerkungen über das Gedeihen Ismaels und Gottes Fürsorge, Lebensform (Bogenschütze) und Lebensort (Wüste Paran) sowie die Heirat mit einer ägyptischen Frau. Niederlassungs- und Heiratsnotiz bereiten Familiengründung und Toledot Ismaels vor (Gen 25,12ff).

Die Erzählweise beschränkt sich fast ganz auf Handlungsschilderungen und Redezitate, womit die Außenseite des Geschehens für die Beobachtenden sichtbar gemacht wird. Nur zweimal wird ein Einblick in die innere Verfasstheit eines der Akteure gewährt: in den Unmut Abrahams gegenüber Saras Forderung und in Hagars Verzweiflung angesichts ihres sterbenden Kindes. Weder die Empfindungen Saras, noch diejenigen Abrahams am Morgen der Vertreibung, noch die der in die Wüste Gestoßenen werden auch nur angedeutet. Der Erzähler vermeidet jede Erklärung oder Kommentierung des Geschehens. Auf diese Weise findet die Notwendigkeit zur empathischen Anteilnahme, zur psychologischen, moralischen und theologischen Durchdringung und Bewertung der Charaktere und ihrer Handlungen, zu der jede Erzählung ihre Rezipienten fordert, wieder einen weiten, wenig festgelegten Raum, der sich notwendig in unterschiedlichsten Lektüreweisen niederschlägt. Andererseits wird besonders in der Vertreibungsszene V.14-16 durch die Wahl kurzer Handlungssätze und unter sparsamster Andeutung der Szenerie (Umherirren, Wüste, leerer Wasserschlauch, Sterben) die verzweifelte Situation des Verdurstens herausgestellt, die das tiefe Mitgefühl des Erzählers zeigt und auf Empathie seitens der Hörenden drängt.

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Mehr als Brot und einen Schlauch Wasser bekommen sie nicht auf den Weg. Hagars Gang ($lh V.14e), die erste Handlung der Vertriebenen, wird unweigerlich zu einem ›Umherirren‹ in der Wüste (V.14f). Das Wasser im Schlauch geht zur Neige. Hagar wirft ihr Kind unter einen Wüstenstrauch. Weil sie seinen (nah erwartbaren) Tod nicht ansehen kann, setzt sie sich in einiger Entfernung auf den Boden und wartet weinend auf den Tod. In narrativer Hinsicht führt die Schilderung der Vertreibung unmittelbar in die dramatische Szenerie einer tödlichen Notsituation. Die im Vergleich mit Hagars Wüstenerlebnissen in Gen 16 andere Tonlage, die oft beschrieben und im Hinblick auf unterschiedliches Alter und Quellenzugehörigkeit beider Texte ausgewertet wurde40, hängt entscheidend am gewählten Thema. Gen 16 erzählt von der entschlossenen Flucht einer hart bedrückten und gedemütigten, aber nicht unmittelbar vom Tod bedrohten Sklavin, die an einem Wüstenbrunnen rastend von Gott Hilfe erfährt. Gen 21 formt die Trennung Hagars und Ismaels vom Haus Abrahams in deutlicher theologischer Absicht zum Vertreibungsdrama zweier unschuldiger Menschen aus, die in der Wüste zwangsläufig verdursten müssten, wenn Gott nicht helfen würde. 2.3 Saras Vertreibungsforderung (V.9-11) Die Szenerie der kommenden Ereignisse wird durch V.8b.c vorbereitet. Anlässlich der Entwöhnung Isaaks richtet Abraham ein großes Fest aus. Nach dem Abschluss der Stillperiode, die im alten Orient zwischen 3-4 Jahre umfasst hat41, wird mit einem wohl mehrtägigen Ess- und Trinkgelage42 gefeiert, dass Kind und Mutter wohlbehalten die kritischen Vgl. die sorgfältige Aufstellung der Vergleichspunkte in der Kennzeichnung Hagars in Gen 16; 21 schon bei H. GUNKEL, Genesis, 231-233; ferner A. HEITZER, Hagar, 142-145; S. MCEVENUE, Hagar Stories. H. GUNKEL meint, das »sittliche Feingefühl«, mit dem in Gen 21 Hagar als »die rein menschliche Gestalt einer armen, verstoßenen Mutter mit ihrem verschmachtenden Kind« (232) geworden ist, entstamme einer wesentlich späteren Zeit als Gen 16, wo er eine alte Sage über das Schicksal einer trotzigen und mutigen Beduinenahnfrau findet. Die gewiss deutlich wahrnehmbaren Unterschiede in der narrativen Repräsentation, die diachron auch an unterschiedliche Verfasser von Gen 16 und 21 denken lassen, sind m.E. eher durch das Thema als durch den Grad des sittlichen Feingefühls ihrer Urheber bedingt. H. GUNKELs Interpretation von Gen 16 archaisiert künstlich und stilisiert Hagar zum Phantom einer Beduinenfrau. H. IRSIGLER, Ismaelname, 125f, wertet die Unterschiede rezeptionsästhetisch dahingehend aus, dass Gen 21 »entschieden darauf aus« ist, »dem Adressaten ... innere Teilnahme zu ermöglichen ... mit seiner Phantasie und Emotion einzubeziehen«, während Gen 16 dies nicht verlange. Dies leuchtet für Gen 16 nicht ein. 41 Assyrische und ägyptische Quellen nennen das dritte Lebensjahr als Abstilltermin, ebenso 2 Makk 7,27; rabbinische Quellen schwanken zwischen 2-5 Jahren (bKet. 60a). Vgl. K. SEYBOLD, ThWAT II, 27ff. 42 lwdg htXm stellt von der Wortbedeutung her den Aspekt des Trinkgelages in den 40

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Jahre von Säuglings- und Muttersterblichkeit überstanden haben. Das Fest ist Abschluss der Geburtsepisode Isaaks und Ausdruck der Freude über sein Wohlergehen. Es gehört zur Kontrasttechnik des Kapitels, die Vertreibung Hagars und Ismaels der Geburt Isaaks und der Freude über sein Gedeihen so hart gegenüberzustellen, ja in einen kausalen Zusammenhang zu rücken, als müsse die Ankunft des einen zur Entfernung des anderen führen. Die Szenerie des Festes motiviert einerseits Saras Wunsch, das Erbe möge ihrem Sohn Isaak allein vorbehalten bleiben, und macht diesen bis zu einem gewissen Grad verständlich. An einem solchen Fest sind die Gedanken der Mutter bei der Zukunft ihres Kindes. Die freudige Stimmung bietet den Hintergrund für einen scharfen Kontrast. Aus Saras Festfreude entspringt die harte Forderung nach Vertreibung Ismaels, die seinen Tod in Kauf nimmt. Von den gedeckten Tafeln des Festmahls werden Hagar und Ismael mit einer kärglichen Ration von ›Wasser und Brot‹ (V.14) in die Wüste getrieben. Seinem Sohn Isaak bereitet Abraham ein Freudenfest, seinen Sohn Ismael wird er mit weniger als dem Notwendigen fortschicken.43 Auf dem Hintergrund dieses Festes entwickelt V.9 das Problem, das aus einem Blick Saras erwächst. Sara beobachtet Ismael beim Spielen. Das Verb har verbindet die optische Wahrnehmung mit der aus ihr resultierenden Erkenntnis. Was Sara aber dabei denkt oder fühlt, lässt der Erzähler ungenannt und schafft damit eine Leerstelle, die von den Lesenden nicht unausgefüllt gelassen werden kann, wenn sie den Grund für Saras Vertreibungsforderung erkennen wollen. Ihr Rekonstruktionsversuch kann sich auf die sonst erzählten Hinweise der Szene, die Semantik von qxcm und auf Saras Begründung ihrer Forderung stützen. V.9 Und Sara sah den Sohn Hagars, der Ägypterin, den sie für Abraham geboren hatte, spielend (qxcm)

Ismael, der jetzt erstmals in der Episode begegnet, wird nicht mit seinem Namen eingeführt, wie überhaupt nie in Gen 21, sondern in seiner Funktion innerhalb der Abrahamfamilie: als »Sohn Hagars, der Ägypterin, den sie für Abraham geboren hatte«. Eine Beziehung Saras zu Hagar, die als Relation Sklavin/Herrin die Erzählung in Gen 16 bestimmt hat, wird nicht mitgeteilt. Hagars Beziehung zu Abraham ist als Gebärerin eines Abrahamsohnes gekennzeichnet. Ein Eheverhältnis mit AbraVordergrund, wird aber im Alten Testament wohl hauptsächlich im Sinne eines üppigen Festmahls mit entsprechendem Weingenuss gebraucht. Unter den vielen Belegen in der Bibel begegnet die Steigerung lwdg htXm – ›großes Fest‹ nur in Gen 21,8, was etwas von dem hier gedachten Ausmaß anzeigt. Eine andere Steigerungsform begegnet bei Nabals Schafschurfest, das in 1 Sam 25,26 als $lmh htXm – ›königliches Festgelage‹ bezeichnet wird. 43 Vgl. auch I. FISCHER, Erzeltern, 306ff.

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ham wird hier ebenso wenig erwähnt wie Hagars oder Saras Sozialstatus als Sklavin oder Freie, oder dass Ismael der Erstgeborene Abrahams ist.44 Eine solche Einführung lehnt sich formal an die genealogischen Notizen in Gen 16,15; 21,2f; 25,12 an. Sie will Ismael als Handlungsperson oder eher als Objekt der Handlungen anderer in die Erzählung einführen. Sie will vergangenes Geschehen in Erinnerung rufen, soweit dies für die kommende Episode von Bedeutung ist, und sie will die sogleich folgende Konfliktlage bereits andeuten, bringt sie doch die hier entscheidenden Differenzen und Gemeinsamkeiten zwischen Ismael und Isaak zur Geltung. Beide sind Söhne Abrahams, die ihre Mütter für Abraham geboren haben. Der Unterschied liegt in den Müttern. 2.3.1 Was sieht Sara? (V.9) Sara sieht Ismael etwas tun, was eine deutliche Anspielung auf den Namen ihres Sohnes Isaaks enthält (qxcm). Der Erzähler unterstreicht diese Anspielung zusätzlich noch, indem er mit der Vorstellung Ismaels in V.9b auf die Vorstellung Isaaks in V.3c zurückverweist. V.3c V.9b

qxcy hrX wl-hdly-rXa – den Sara für ihn (Abraham) geboren hatte, Isaak (qxcy). qxcm ~hrbal hdly-rXa – den sie für Abraham geboren hatte, spielen (qxcm).

In der Position am Satzende, in der in V.3c der Name Isaaks erscheint, erwähnt V.9b das Spiel Ismaels, das Isaaks Namen anklingt. qxcm ist Partizip Pi. von qxc Kal – ›lachen‹, das auch dem Namen Isaak zugrunde liegt. Das Spiel mit dem Isaaknamen durchzieht, wie schon mehrfach gesehen, leitmotivisch fast alle Episoden, in denen von Isaak die Rede ist: als Lachen Abrahams oder Saras oder als verliebtes Tändeln des erwachsenen Isaak mit Rebekka.45 Demzufolge liegt es nahe, auch in qxcm eine Form des Lachens oder Scherzens zu sehen. Gegenüber den Kal-Formen drückt qxc Pi. allerdings die intensivierte Form einer qxc-Handlung aus. Es ist demnach nicht an ein Lachen zu denken, sei es in fröhlicher oder spöttischer Absicht. Vergleicht man den gesamten Befund von qxc/qxX Pi., zeigt sich, dass jeweils Lautäußerungen (lachen, scherzen) mit Bewegungen verbunden werden (spielen, tanzen, hüpfen).46 Dabei spricht die auffallend häufige partizipiale VerAll dies ergibt sich aus dem vergangenen Geschehen (Gen 16,2f.15f; 17,16.18), wird aber hier nicht aktualisiert. 45 Abraham (Gen 17,17) und Sara (18,12f.15) stellen mit ihrem Lachen das Wunderbare, das Menschen nicht Fassbare der Isaakverheißung heraus. S. dort. In 21,6a.b ist es ein Lachen der Freude, mit dem Sara über die Geburt Isaaks frohlockt. In Gen 26,8 bezeichnet qxc Pi. das Liebespiel Isaaks mit Rebekka. 46 Vgl. den Gesamtbefund von qxf/qxc Pi.: Jer 30,19; 31,4 (fröhlich sein bei Gesang und Reigen); Gen 19,14; Jer 15,17; Spr 26,19 (scherzen), Sach 8,5; Hiob 40,20.29 44

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wendung ohne präpositionale Fügungen für eine wenig auf andere hin gerichtete Handlung, eher für eine intransitive und durative Aktionsart.47 JENNI bestimmt die Grundbedeutung von qxc Pi. als »eine fröhliche Tätigkeit, die aus verschiedenen, abwechslungsreichen, aufeinanderfolgenden Einzelaktionen besteht.«48 Da die Anspielungen auf den Isaaknamen in Gen 21,2-6 durchgängig von der Freude bestimmt sind, und da die hebräische Bibel auch sonst von einer Rivalität zwischen Ismael und Isaak nichts weiß, ist bei qxcm am ehesten an ein fröhliches und kindliches Scherzen, Tanzen oder Spielen Ismaels beim Entwöhnungsfest zu denken.49 Eine in irgendeiner Form negative oder auch nur gegen Isaak gerichtete Handlung (verspotten, hämisch auslachen, verfolgen, seinen Mutwillen treiben usw.) legt weder die Semantik von qxc Pi. noch der Kontext von Gen 21,9 nahe. Isaak ist als Zielpunkt, Partner oder Opfer des ›Scherzens‹ Ismaels auch gar nicht im Blick.50 Die partizipiale Konstruktion ohne präpositionale Bestimmung stellt Ismael nicht in erster Linie als Subjekt einer zielgerichteten Handlung in den Vordergrund. qxcm ist eine Beschäftigung Ismaels, die erzäherisch als Blickfang für Sara eingesetzt wird.51 Dass sich Ismael durch sein Spielen (spielende Kinder); Ri 16,25 (Kurzweil, Possen treiben), 1Sam 18,7; 2Sam 6,5.21; Spr 8,30.31; 1Chr 13,8; 15,29 (tanzen, spielen); 2Sam 2,14 (ein Kampfspiel aufführen); Gen 26,8 (erotische Liebesspiele); Gen 39,14.17 (sexuelle Zudringlichkeit); Ex 32,6 (bunte Festfreude [bei der Verehrung des Goldenen Kalbs]). Vgl. die Aufstellungen bei E. JENNI, Das hebräische Piʿel, 155f, sowie R. BARTELMUS, ThWAT VII, 730-745. Der Umstand, dass der hebräische Gebrauch von qxc Pi. u.a. auch sexuell oder im weiteren Sinn erotisch konnotierte Handlungen mit einschließen kann, was im deutschen Gebrauch von ›lachen, scherzen, spielen‹ nicht ohne Zusatzinformationen möglich ist, erlaubt aber keineswegs die Annahme, qxc Pi. bezeichne prinzipiell sexuelle oder erotische Handlungen, wie häufiger zu lesen ist. 47 Vgl. R. BARTELMUS, ebd., 734. 48 E. JENNI, Das hebräische Piel, 156. Negative Funktionszusammenhänge müssten durch entsprechende Signale des Kontextes bestimmt werden. An den drei Stellen, an denen eine eindeutig sexuelle Konnotation des ›Spielens‹ deutlich wird, erscheinen präpositionale Verbindungen (Gen 39,14.17 b; Gen 26,8 ta). Der Gegensatz von verliebtem erotischen Spiel (Gen 26,8) und sexueller Zudringlichkeit (Gen 39,14.17) ist wiederum allein durch den Kontext festgelegt. 49 Vgl. A. DILLMANN, Genesis, 285; H. GUNKEL, Genesis, 228; G. VON RAD, Genesis, 182; O. KEEL, Die Weisheit spielt vor Gott, 24; C. WESTERMANN, Genesis, 414f; I. FISCHER, Erzeltern, 309; sowie J. SCHWARTZ, Ishmael at »Play«. 50 Anders die LXX, die Ismael zusammen mit Isaak lachen und scherzen (παίζοντα) lässt. MT gebührt aber hier nicht nur als lectio difficilior, sondern auch wegen Jub 17,4 (s.u.) der Vorrang. Das Problem eines möglichen Spielpartners Ismaels ist aber im Hinblick auf die Frage, ob qxcm eine gegen Isaak gerichtete Handlung bedeutet, nicht von Gewicht, wie die LXX beweist. 51 Als Subjekt einer Handlung wird Ismael in Gen 21 überhaupt nur hier in V.9 erwähnt, sonst ist er allein das Objekt der Handlungen anderer. Das entspricht auch der alttestamentlichen Gesamtperspektive auf Ismael, nach der er als handelnde Person nur noch beim Begräbnis Abrahams gemeinsam mit seinem Bruder Isaak in Gen 25,9 agiert.

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bewusst in die Position seines Bruders (als Verheißungskind, als Alleinerbe oder als was auch immer) habe bringen wollen, verkennt die Situation und trägt den Antagonismus von Rivalität oder Feindschaft der beiden Brüder in die Erzählung ein, den erst die Auslegung aufgebaut hat. In der Logik der Erzählung ist nicht das, was Ismael tut, der Grund für Saras Vertreibungsforderung. Sara begründet sie ja nicht damit, dass Ismael ihrem Sohn Isaak etwas zuleide getan hat oder noch tun könnte, sondern damit, dass er nach Lage der Dinge später mit ihm erben wird. In Ismaels fröhlichem Kinderspiel sieht Sara etwas Isaak-Haltiges, das sie an ihren Sohn erinnert. Das macht V.9b auch formal sehr deutlich. So wird die (nicht mitgeteilte) Assoziationskette, die sich zwischen dem Sehen Saras und Begründung ihrer Vertreibungsforderung spannt, doch weitgehend vorbereitet. Das Zusammenwirken von Ismaels Spiel und Isaaks Namen lenkt Saras Aufmerksamkeit auf die Zukunft ihres Sohnes, um dessen Gedeihen sich das Entwöhnungsfest dreht, und um dessen künftiges Erbe sich Sara Gedanken macht. Aber nicht Isaaks Erbe ist bedroht, sondern, dass Ismael mit Isaak gemeinsam erben wird, sieht Sara als Bedrohung an. So entsteht ihre Eifersucht als Leidenschaft, die nun mit Eifer sucht, was Leiden schafft. In großartiger erzählerischer Reduktion ist nur dieser eine Blick Saras festgehalten, aus ihm folgt ihre harte Forderung nach Vertreibung Ismaels und Hagars wie ein Paukenschlag.

EXKURS: qxcm und die Feindschaft Ismaels gegen Isaak Die Auslegungsgeschichte von qxcm ist der kritischen Erinnerung wert.52

Denn auf dem Wort allein ruht in der jahrhundertealten jüdischen und christlichen Auslegungstradition die These von der Feindschaft Ismaels gegen seinen Bruder Isaak. Die Frage der Übersetzung ist nur vordergründig ein Problem der Philologie, es ist eines der Theologie, ja der Theodizee. Ist qxcm tatsächlich nur ein harmloses Kinderspiel und keine Bedrohung Isaaks durch Ismael, dann fehlt der anschließenden Vertreibung, deren Unrechtscharakter offen zutage liegt, über die Eifersucht Saras hinaus jeder einsehbare Grund. Nur eine negative Handlung Ismaels könnte die Vertreibung als Reaktion gegen ein Unrecht in den Zusammenhang von Schuld und Strafe rücken und damit neben dem Erzelternpaar auch Gott selbst rechtfertigen, der diese Vertreibung ausdrücklich unterstützt. Noch hinter den phantastischsten Ausdeutungen Zu Aspekten der frühjüdischen und rabbinischen Auslegungsgeschichte vgl. D.J. ZUCKER, Conflicting Conclusions. The Hatred of Isaac and Ishmael, 37-46; H. BIETENHARD, Tosefta, 108.117-121; J. SCHWARTZ, Ishmael at Play, 203-221, der seine Überlegungen in den kulturgeschichtlichen Horizont des kindlichen Spiels in der frühjüdischen und paganen Umwelt stellt; sowie C. BAKHOS, Ishmael on the Border; DIES., Art. Ishmael III. B-C. Rabbinic and Medieval Judaism, in: EBR 13 (2016), 359363. 52

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lässt sich die Verunsicherung erkennen, angesichts solchen Unrechts die Moralität Gottes zu retten, der das Kind und seine Mutter nicht grundund schuldlos vertreibt, sondern nur, weil es eine ernste Gefährdung für Isaak und letztlich das Gottesvolk (wer auch immer sich mit Isaak identifiziert hat) darstellt. Wenn Gott gerecht handelt, dann müssen Hagar und Ismael ihr Vertreibungsschicksal irgendwie verdient haben. Nur qxcm bietet die Möglichkeit, einen triftigen Grund dafür zu finden. Die Moralität Gottes und der Erzeltern freilich wird in der Auslegungsgeschichte dadurch gerettet, dass die Opfer der Vertreibung zu Tätern werden, vor denen man sich durch Vertreibung schützen muss.53

Frühjüdische Deutungen

Alle frühen, jüdischen Bezugnahmen sehen Ismael selbstverständlich bei einem kindlichen, fröhlichen Spiel. Die LXX sieht in einhelliger Textüberlieferung Ismael ›spielen, scherzen‹ (παίζοντα), allerdings zusammen mit Isaak, was im MT fehlt. Das JUBILÄENBUCH (3./2. Jh. v. Chr.), das früheste palästinische Auslegungstraditionen bewahrt, hält in seiner Nacherzählung (17,4) fest: »Und Sara sah den Ismael, als er spielte und sprang, und (sah) auch Abraham, als er sich in großer Freude freute. Und sie wurde eifersüchtig auf Ismael.«54 Hier ist das in Gen 21,9 intendierte Motiv der Eifersucht ausgesprochen. Weder PHILO, der sich mit dem Verhältnis von Isaak und Ismael eingehend beschäftigt, noch FLAVIUS JOSEPHUS kennen eine negativ gegen Isaak gerichtete Handlung Ismaels.55 Auch der älteste TARGUM (Onkelos) übersetzt qxcm mit aram. $yaxm ›scherzen, spaßen‹ und repräsentiert damit zusammen mit der LXX und dem verbreiteten56 Jubiläenbuch eine über Jahrhunderte gültige frühe jüdische Lesart von Gen 21,9 in Synagoge und Schule (Lehrhaus).

Rabbinische Deutungen

Innerhalb der rabbinischen Literatur begegnet eine Reihe von Lesarten, die qxcm deutlich pejorativ als Ausdruck einer bösen Tat Ismaels verstehen. Sie sind allerdings nicht in die Mischna eingegangen, sondern vor Es wird sich noch zeigen, dass sich das Geheimnis der Vertreibungsgeschichte erst darin erschließt, wenn – wie in Gen 22 – jeder Zusammenhang von Schuld und Strafe aus ihr herausgehalten wird, und wenn die Paradoxie von vertreibendem und rettendem Gott in einer Gotteskonzeption ausgehalten wird. 54 Übers. K. BERGER, Jubiläenbuch, 416. 55 Vgl. ausführlich die entsprechenden Abschnitte u. Kap. VIII, sowie zur Rezeption von Gen 21,9 bei Josephus (Jos.ant. 12,3); Philo bei J. SCHWARTZ, Ishmael at Play. 56 Fragmente von 16 Exemplaren des Jubiläenbuches in hebräischer Sprache sind in mehreren Höhlen von Qumran gefunden worden. Für die Qumran-Gemeinschaft war das Jubiläenbuch schon bei ihrer Gründung um 150 v. Chr. »eines der wichtigsten Werke ihrer Traditionsliteratur«. H. STEGEMANN, Die Essener 132. 53

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allem im Midrasch Genesis Rabba und im Traktat Sota der Tosefta (6,6) überliefert. Eine Datierung dieser Interpretationen ist naturgemäß schwierig. Während GenR als Sammelwerk älterer rabbinischer Auslegungstraditionen ca. im 5.-6. Jh. n. Chr. abgeschlossen wurde, ist die Endredaktion der Tosefta deutlich früher, vielleicht »im späten 3. oder frühen 4. Jh. n. Chr.«57 anzusetzen. In beiden Werken werden die negativen Interpretationen von qxcm auf die führenden Rabbinen der tannaitischen Periode (Rabbi Akiba, Rabbi Jischmael u.a.) zurückgeführt. Da diese Auslegungen von den überliefernden Instanzen sowohl des Midraschs wie auch des Tosefta-Traktats jeweils kritisch bewertet und abgelehnt werden, kann vorsichtig gefolgert werden, dass die folgenden Lesarten von qxcm sich historisch ins zweite, vielleicht auch ins späte erste Jahrhundert n. Chr. zurückverfolgen lassen. Für die folgenden Aufstellungen lege ich den Text von Tosefta Sota 6,658 zugrunde und vergleiche ihn mit GenR 53 zu 21,9.59 Die angewendeten hermeneutischen Verfahren der Rabbinen sind dabei sehr ähnlich. qxcm wird mit jeweils einer einzigen anderen Textstelle kotextualisiert, in der qxc Pi. im gewünschten Sinn vorkommt bzw. vorkommen soll.

a) Götzendienst

tṢota 6,6: »R. Schim‘on b. Jochaj sagt: Vier Worte pflegte R. ‘Akiba auszulegen; aber so

lege ich aus, und ich gebe meinen Worten vor seinen Worten den Vorzug. R. ‘Akiba hat ausgelegt: qxcm ist nicht dasselbe wie qxc, sondern meint Götzendienst; denn es heisst: ›Und sie erhoben sich qxcl.‹ Das lehrt, dass ›Sara sah‹, dass Ismael einen Götzenaltar baute und Heuschrecken fing und räucherte.«

R. AKIBA unterscheidet semantisch Kal- und Pi.-Formen von qxc und greift unter Verwendung des Induktionsschlusses, der dritten exegetischen Regel Hillels, auf eine Torastelle Ex 32,6 zurück, wo qxc Pi. zur Bezeichnung der Festfreude angesichts der Verehrung des Goldenen Kalbs begegnet, was R. AKIBA offenbar als Hinweis auf ausschweifenden Götzendienst versteht60 und in diesem Sinn auf Gen 21,9 bezieht. Im Vorwurf des Altarbaus wird Ismael als heidnischer Götzendiener verstanden, der einen Kult fremder Götter betreibt, gegen den die prophetische und besonders die deuteronomistische Kultpolemik allerorten G. STEMBERGER, Einleitung in Talmud und Midrasch, 161. Übersetzung nach H. BIETENHARD, Der Tosefta-Traktat Sota, 108, der 117-120 eine detaillierte Kommentierung der Interpretation von qxcm in der frührabbinischen Literatur gibt. Vgl. ferner J. SCHWARTZ, Ishmael at Play, 213-217; C. BAKHOS, Ishmael on the Border, 32ff. 59 Sofern nicht anders vermerkt, folgt die Übersetzung von GenR 53 zu 21,9 A. WÜNSCHE, 254f; vgl. ferner J. NEUSNER, Genesis Rabbah II, 251ff. 60 Das Verständnis von Ex 32,6 als Götzendienst kennt bereits Paulus in 1 Kor 10,7. 57

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wettert.61 Das Motiv des Heuschrecken-Fangens, normalerweise eine Speise für arme Leute am Rande des Kulturlandes (vgl. Mt 3,4) oder auch ein Zeitvertreib für Kinder62, ist schwieriger zu verstehen. Aufgrund von Lev 11,21f, wo der Genuss von Heuschrecken erlaubt ist, werden in der rabbinischen Tradition reine und unreine Heuschrecken unterschieden. Vermutlich soll Ismael hier der Genuss und das Räucheropfer von unreinen Heuschrecken für fremde Götter untergeschoben werden.63 Indem Ismael solches treibt, »steht er ausserhalb der gottesdienstlichen Gemeinschaft der Abrahamsöhne.«64 Die GötzendienstThese der Tosefta wird in GenR 53 nicht mit R. AKIBA, sondern mit R. JISCHMAEL verbunden.

b) Unzucht

tṢota 6,6: »R. Eli‘ezer, der Sohn von R. Jose dem Galiläer, sagt: Es gibt kein [Ver-

ständnis von] qxcm, es sei denn[, es sei] Unzucht, wie es heisst: ›Es kam der hebräische Sklave, den du gekauft hast, ›um mit mir zu scherzen‹ (qxcl)‹. Das lehrt, dass Sara Ismael sah, wie er die Dächer eindrückte und Frauen notzüchtigte.«

Bei dieser Interpretation ist der Referenztext Gen 39,1, wo die Frau des Potifar ihrem Mann den angeblichen sexuellen Verführungsversuch Josefs anzeigt. In dieser Interpretation ist richtig gesehen, dass qxc Pi. tatsächlich in der biblischen Überlieferung gelegentlich sexuelle Konnotationen tragen kann, freilich in negativer (Gen 39,14.17, Verführungsversuch) wie positiver Absicht (Gen 26,8, erotisches Liebesspiel). Dies

Zur Deutung der Handlung Ismaels auf Götzendienst, Fremdgötterkult vgl. noch Sifre Deut 31 zu 6,4; ExR 1,1 zu 1,1; die palästinische Targumtradition (vgl. die Synopse bei P. NAUMANN, Targum, 114f), aber auch den Kirchenvater HIERONYMUS quaest. hebr. zu Gen 21,9 (hierzu C.T.R. HAYWARD, Saint Jerome’s Hebrew Questions on Genesis, 173f, mit vorzüglichem Kommentar). Zur Bedeutung von aram. qxgm vgl. H. BIETENHARD, Sifre Deuteronomium, 74f. Den Götzendienstvorwurf an Ismael als Ausdruck antimuslimischer Polemik anzusehen (M. OHANA, Polemique judéo-islamique, 371-373), ist aus chronologischen und sachlichen Gründen kaum möglich. Die entsprechenden Traditionen sind älter und Götzendienstpolemik gegen den streng monotheistischen Islam ist unsinnig und daher auch sonst kein Thema der jüdischen Auseinandersetzung mit ihm. Vgl. C.T.R. HAYWARD, Pseudo-Jonathan, 82-84. 62 Vgl. J. SCHWARTZ, Ishmael at Play, 215 m. Anm. 47. 63 So explizit tṢota 5,12, wo von der Angst Saras gesprochen wird, dass Ismael ihrem Sohn Isaak diesen Götzendienst lehrt und damit den Namen Gottes entweiht. Andererseits nennt gerade GenR 67 zu 27,33 Heuschrecken unter den Speisen, die Isaak mit großem Vergnügen genoss. Vgl. ferner H. BIETENHARD, Tosefta, 118 Anm. 67 sowie R. NIKOLSKY, Ishmael Sacrificed Grasshoppers. 64 Zit. H. BIETENHARD, ebd., 102 Anm. 130. Von der gottesdienstlichen Gemeinschaft Isaaks und Ismaels beim Wochenfest im Haus Abrahams erzählt 2-3 Jahrhunderte früher unbefangen das Jubiläenbuch (22,1-7). 61

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wird dann zur Angstvorstellung eines über die Dächer einsteigenden Vergewaltigers ausgebaut.65

c) Mordversuch

tṢota 6,6: »R. Jischma‘el66 sagt: Es gibt kein ›Spielen‹, es sei denn Blutvergiessen, wie es

heisst: ›Die jungen Burschen mögen aufstehen und ein Kampfspiel vor uns aufführen. Und Joab sprach. Es sei! Da traten sie auf und wurden abgezählt, zwölf aus Benjamin von Ischboschet, dem Sohn Sauls, und zwölf von den Knechten Davids. Und jeder packte den anderen beim Kopf, und sie fielen miteinander‹. Das lehrt, dass Sara Ismael sah, wie er Pfeile nahm und schoss und sich anschickte, Isaak zu töten, wie es heisst: ›Wie einer, der sich wahnsinnig stellt und Brandpfeile und tödliche Geschosse schleudert ...‹«

Mit dieser Interpretation ist auf 2Sam 2,14 angespielt, wo zwar nicht

qxc sondern das lautverwandte qxf begegnet, das im Pi’el aber ebenfalls

›scherzen‹ bedeuten kann, an der zitierten Textstelle aber ein Kampfspiel mit tödlichem Ernst meint. Diesmal ist die Kotextualisierung von dem Versuch geprägt, in dem spielenden Ismael einen Mörder zu sehen, und dabei wenigsten andeutungsweise bei der dem Wort qxcm inhärenten Spielmetapher zu bleiben. Eine in GenR überlieferte, haggadische Ausdeutung spricht dann von einem Mordversuch, der sich als Scherz im Zusammenhang der Erbfrage ausgibt, indem sie qxcm mit dem Bogenschützen Ismael von Gen 21,21 verbindet: »Ismael sprach zu Isaak: Wir wollen gehn und unsere Anteile auf dem Felde besichtigen. Und Ismael nahm Bogen und Pfeile und schoss in der Richtung auf Isaak und stellte sich, als ob er scherzte qxcm. Das ist es, was geschrieben steht: Wie ein Unsinniger, welcher Brandpfeile, Geschosse und Tod schleudert, also ist ein Mann, der seinen Nächsten betrogen hat und spricht: Fürwahr, ich treibe (nur) Scherz Spr 26,18f.«67

d) Ismael als Verfolger Isaaks bei Paulus (Gal 4,29)

Solche Traditionen, die von einer tödlichen Bedrohung Isaaks durch Ismael ausgehen, hat PAULUS vielleicht schon gekannt und für seine Ismael-Isaak-Typologie in Gal 4 verwendet, denn er bringt das Argument von Ismael als dem Verfolger Isaaks recht beiläufig. Die Erinnerung an den von Gott verworfenen Verfolger, soll die verfolgten Christusanhänger in Galatien trösten: »Aber wie damals der nach dem Fleisch Geborene (Ismael) den nach dem Geist Geborenen (Isaak) verfolgt hat Der Vorwurf wird in GenR 53 zu 21,9 mit R. AKIBA verbunden und zu der Vorstellung verstärkt, Sara habe Ismael dabei beobachtet wie er »Jungfrauen nothzüchtigen, verheirathete Frauen entführen und quälen« würde. Sifre Deut 31, die Targume und Hieronymus kennen diese Deutung nicht. 66 In GenR 53 wird diese Deutung mit R. Eli’ezer, dem Sohn von R. Jose dem Galiläer verbunden. 67 GenR 53 zu 21,9, übers. bei STRACK/BILLERBECK, Bd. III, 575f. 65

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(έδίωκεν), so ist es auch jetzt« (Gal 4,29). Paulus möchte den Gedanken illustrieren, dass die Christusanhänger wegen des Kreuzes Christi verfolgt werden68, und sieht diese Situation in der Handlung Ismaels gegen Isaak vorgebildet. Von »Verfolgen« ist in der rabbinischen Tradition explizit jedoch nirgends die Rede. Es gibt auch keine semantische Brücke zwischen dem Wortfeld von qxc und »verfolgen«69, auf welche die Rabbinen bei ihren Interpretationen in der Regel Wert gelegt haben. Das Thema Verfolgung gewinnt Paulus daher eher aus der christlichen Selbstwahrnehmung bzw. unmittelbar aus der konkreten Situation der Gemeinde in Galatien. Vermutlich hat er negative Deutungen von qxcm gekannt und diese mit der christlichen Verfolgungsmetaphorik im Hintergrund seinem Redezweck entsprechend zum Bild Ismaels als Verfolger Isaaks ad hoc amalgamiert. Man wird in Paulus, der selbst eine pharisäische Ausbildung durchlaufen hat, wohl nicht den Urheber einer negativen Deutung von qxcm in Gen 21,9 sehen dürfen, dennoch bleibt angesichts der Unwägbarkeiten der Datierungen der rabbinischen und targumischen Traditionen, festzuhalten, dass der Galaterbrief (ca. 54 n. Chr.) die älteste sicher datierbare Quelle für eine negative Deutung von Ismaels qxcm-Handlung ist. Keiner der zahlreichen vorpaulinischen frühjüdischen Texte, oder der etwa zeitgleich in Alexandria schreibende PHILO oder der über drei Jahrzehnte nach Paulus seine ›Jüdischen Altertümer‹ verfassende JOSEPHUS bezeugen ein derart negatives Verständnis des spielenden Ismael in Gen 21,9. Nimmt man die drei unterschiedlichen frührabbinischen Thesen zu qxcm (Götzendienst, Unzucht, Mord[versuch]) zusammen, so fügen sie sich zur Trias der drei Kardinalsünden, die in der rabbinischen Literatur immer wieder als die drei großen Vergehen der Menschen reflektiert werden. Götzendienst, Unzucht und Blutvergießen gelten als Handlungen, die unter allen Umständen – auch in Situationen, in denen das Martyrium droht – zu vermeiden sind.70 Diese Trias markiert die ethischen Grundpfeiler der Tora, die auch für alle anderen Menschen gelten. Die ethische Diskussion dieser Fragen geht historisch schon in die frührabbinische Zeit zurück, gehört also zeitlich in die Nähe der rabbinischen Interpretationen von Gen 21,9. Dabei entsprechen die hierbei Die Verfolgungsmetaphorik durchzieht das Neue Testament. Die jesuanische Aufforderung (Mt 5,44; Luk 6,27), für die Verfolger zu beten, hat Paulus in Röm 12,14 aufgegriffen (»Segnet die, die euch verfolgen«) und selbst verwirklicht (1Kor 4,12). Die Erfahrung, dass die Jünger Jesu wegen des Widerspruchs, den die Botschaft vom Kreuz hervorrufen muss, verfolgt werden, hat Paulus mehrfach betont (Gal 5,11; 6,12, vgl. 1Kor 1,18-29). Ein späterer Reflex in 2Tim 3,12. 69 Im Hebräischen wäre etwa an @dr; yrxa acy o.ä. zu denken. 70 In der rabbinischen Literatur wird von den drei Vergehen, die ›groß‹ genannt werden, gesprochen (Midrasch Tehillim zu Ps 12,4). Zur Diskussion der Zusammenhänge vgl. K. MÜLLER, Tora für die Völker, 51-59. 68

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zitierten Toratexte für die drei Todsünden annähernd den rabbinischen Referenztexten für qxcm in Gen 21,9. Der Midrasch Tehillim zu Ps 12,4 verweist für Unzucht auf Gen 39,9 (Potifars Frau); für Götzendienst auf Ex 32,31 (Goldenes Kalb) und für Blutvergießen auf Gen 4,13 (Kain).

e) Rabbinische Bestreitungen der pejorativen Bedeutung von qxcm Interessanterweise werden die negativen Interpretationen von qxcm in

Gen 21,9, die mit Größen wie R. AKIBA verbunden werden, von den Übermittlern der Sammlungen deutlich zurückgewiesen und durch eine eigene, nichtpejorative Lesart ergänzt oder ersetzt. Im Midrasch GenR ist dies R. OSCHAJA, in der Tosefta R. SCHIMON BEN JOCHAJ. Im Anschluss an das Referat der Interpretationen, die Ismael zum Götzendiener, Frauenschänder und Mörder werden ließen, fährt R. Schim‘on ben Jochaj in tṢota 6,6 mit der auch aus den Evangelien bekannten antithetischen Einleitungsformel, mit der er seine Auslegung den bisher zitierten autoritativ gegenüber stellt, fort: »Ich aber sage: Gott behüte! War denn so etwas im Hause eines Gerechten (sc. Abraham) überhaupt möglich? Sollte es möglich sein, dass es bei dem, von dem geschrieben steht: ›Denn ich habe ihn erkoren, damit er seinen Söhnen und seinem Haus nach ihm befehle(, dass sie den Weg J’s einhalten, Gerechtigkeit und Recht zu üben ...‹) sein Sohn ein Götzendiener und ein Unzüchtiger war?! Vielmehr, das hier gesagte qwxc meint nichts anderes als Erben. Als nämlich Isaak geboren war, sagten sie: Dem Abraham wurde ein Sohn geboren, der zwei Teile erhalten wird. Aber Ismael lachte (qxcm) und sagte: Ich bin der Erstgeborene und nehme zwei Teile. Von der Entgegnung hierauf lerne ich, denn es heisst: ›Und sie sprach zu Abraham: Jage diese Magd und ihren Sohn fort; denn der Sohn dieser Magd soll nicht Erbe werden mit meinem Sohn, mit Isaak.‹«

Eine Ansammlung solcher Laster im Hause des gerechten Abraham kann sich R. SCHIM‘ON BEN JOCHAJ nicht vorstellen, und er verweist auf Gen 18,19, wo Abraham den Auftrag von Gott bekommt, seine Söhne in den Wegen Gottes zu unterweisen, damit sie Recht und Gerechtigkeit üben.71 Die pluralische Formulierung in Gen 18,19 wird hier sehr genau wahrgenommen. »Von Gen 18,19 aus wird es von R. Schim‘on ben Jochaj sogar für ganz selbstverständlich gehalten, dass Abraham gerade auch Ismael die Wege Gottes gewiesen habe.«72 qxcm in Gen 21,9 deutet der Ausleger als Lachen im Zusammenhang einer Auseinandersetzung um das Erbe beider Söhne, und zwar im Horizont der Erbschaftsbestimmungen von Dtn 21,15-17. Danach entfällt das dopZu Gen 18,19 s. u. Kap. V. 2. Zit. H. BIETENHARD, Tosefta, 120 Anm. 83. Dass diese Unterweisung erfolgreich war, hat später der Amoräer R. Sim’on daraus geschlossen, dass sich Gott in Gen 21,17 über Ismael erbarmt, er also – anders als seine Nachkommen! – ein tugendhafter Mensch war. Vgl. GenR 53 zu 21,17 sowie u. Kap. IV. 2.5-2.6

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pelte Erbteil auf den erstgeborenen Sohn, unabhängig davon, ob dieser Sohn der Lieblingsfrau ist oder nicht, je einfache Erbteile auf die nachgeborenen Söhne. Die Leute, die hier redend eingeführt werden, stehen auf dem Standpunkt, dass Isaak den doppelten Erbteil bekommen wird, während Ismael mit dem einfachen Erbteil vorlieb nehmen soll. Gegenüber solchen Einwänden wehrt sich Ismael mit seiner qxcm-Handlung, indem er als Erstgeborener sein Recht auf das doppelte Erbteil lachend reklamiert. Ismael war »eben dessen sicher, dass ihm die mit der Erstgeburt verbundenen Rechte nicht entgehen können, und ›lachte‹ deshalb die Leute ›aus‹, die anders dachten und redeten. Darüber wurde Sara ungehalten und liess ihn mit seiner Mutter wegweisen«.73 R. SCHIMON BEN JOCHAJ entwickelt aus dem Textzusammenhang von Gen 21,9, in dem Saras Vertreibungsforderung aus der qxcmHandlung Ismaels entspringt und von ihr selbst mit dem Miterbe Ismaels begründet wird, die Vorstellung eines Erbschaftsstreits um die Frage, welcher der beiden erbberechtigten Abrahamsöhne den doppelten Erbteil bekommen wird. Er setzt dabei selbstverständlich voraus, dass die Erbschaftsregelungen des Deuteronomiums auch in der Abrahamfamilie in Kraft stehen. Damit kehrt der Schriftgelehrte wieder zu den Signalen zurück, die vom Erzähltext in Gen 21 selbst angeboten werden, um die qxcm-Handlung Ismaels zu verstehen. Ähnlich argumentiert R. OSCHAJA in GenR 53 zu 21,9. Auch er weist alle von ihm zusammengestellten negativen Deutungen zurück und denkt an Ismaels Beharrens auf den ihm zustehenden doppelten Erbteil: »Ich behaupte aber, dass qxc nur etwas Rühmliches bedeutet und nichts anders als: ›erben‹ besagen will.«74 f) Mittelalterliche und jüngere jüdische Deutungen Da aber alle Einzelmeinungen im Midrasch nebeneinander überliefert werden, auch wenn sie nicht der Meinung ihrer Überlieferer entsprechen, ergibt sich – kumulativ betrachtet – eine stattliche Summe. Im Nordfrankreich des 11. Jh. stellte RASCHI in seinem Torakommentar alle überlieferten Varianten nebeneinander: Unzucht, Götzendienst, kriegerische Spiele, Streit mit Isaak um das gemeinsame Erbe, Prahlsucht und Spott wegen seines Anspruchs auf den doppelten Erbteil, Mordversuch mit tödlichen Pfeilen auf dem Feld. Was im Midrasch divergierende und einander ausschließende Gelehrtenmeinungen waren, wird jetzt an qxcm zu einem einzigen großen Begriff der Sünde systematisiert, der mit qxcm u.a. alle drei klassischen Todsünden im Judentum auf den Frevler Ismael häuft.75 73 74 75

H. BIETENHARD, Tosefta, 120 Anm. 93. A. WÜNSCHE, Midrasch Genesis Rabbah, z.St. Die Wirksamkeit von Raschis Erklärungen für die jüdische Rezeptionsgeschichte

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Diese kumulative Auslegungslinie hat dann allerdings weniger in der jüdischen Exegese von Gen 21,9 als in der Bewertung Ismaels als Feind Isaaks und Israels traditionsbildend gewirkt. Denn die späteren mittelalterlichen jüdischen Kommentatoren setzen sich kritisch mit RASCHI auseinander.76 NACHMANIDES77 etwa (an)erkennt in Gen 21,9 nur mehr den (kindlichen) Spott Ismaels angesichts des auf ihn wartenden doppelten Erbteils. Für IBN ESRA78 drückt qxcm nicht einmal dies aus, sondern ist einfach Spielen, eine sportliche Aktivität, wie dies Knaben eben tun.79 Sara wird eifersüchtig, weil Ismael körperlich ihrem Sohn überlegen ist. Nach R. LEVI BEN GERSCHON80 wiederum beschwert sich Ismael nur, dass bei seiner Entwöhnung nicht ein vergleichbares Fest ausgerichtet wurde.81 Wegen des Bildes, dass ein Teil der rabbinischen Tradition, und damit die nach jüdischer Anschauung der schriftlichen Tora ebenbürtige mündliche Tora, von Ismael und von seinem Verhalten in Gen 21,9 zeichnet, ist noch heute die Sicht des biblischen Verhältnisses der Abrahamsöhne als Rivalität, genauer als Verfolgung des jüngeren, Erwählten durch den älteren Nicht-Erwählten bestimmt. Als ein repräsentatives Beispiel sei SCHALOM BEN CHORIN82 erwähnt, der – wie viele andere auch – die gegenwärtige Weltlage im Nahostkonflikt als Fortsetzung jenes Urkonflikts zwischen Ismael und Isaak begreift: »Der Bruderzwist im Hause Abrahams scheint nicht minder dauerhaft als Erwählung und Verheißung Israels, bildet gleichsam den Schatten jenes Lichtes, das mit der Erwählung verbunden ist. … Von hier aus, von kann nicht hoch genug veranschlagt werden, denn seine Kommentare wurden bald und sind bis heute Standard und Bestandteil aller Rabbinerbibeln. 76 Bei so negativen Zuschreibungen ergaben sich die Probleme neu, die schon im Midrasch gesehen wurden. Wie konnte im Haus Abrahams ein solcher Frevler aufwachsen, wenn er doch von Abraham in der Tora unterrichtet wurde (Gen 18,19), wie konnte Gott den Namen Ismaels selbst bestimmen, ihn mit Segen versehen, vor allem, ihn vor dem Tode in der Wüste retten? Vgl. hierzu ZLOTOWITZ/SCHERMAN, Bereishis, 753. 77 R. MOSCHE BEN NACHMAN, (1194-ca.1268 n. Chr.) Gerona/Katalonien, Akronym: Ramban. Neben IBN ESRA prägte NACHMANIDES mit seiner philologisch exakten, aber auch philosophisch orientierten Exegese die mittelalterliche Bibelexegese entscheidend. 78 R. ABRAHAM IBN ESRA (1092-1167 n. Chr) lebte im muslimisch beherrschten Spanien (Toledo). Spanisch-jüdischer Exeget, Dichter und Naturwissenschaftler; Ibn Esra entwickelte besonders die hebräische Grammatik unter dem Einfluss der arabischen Philologie und macht diese zur Grundlage seiner Textauslegung; bedeutender Kulturmittler zwischen jüdischer, islamischer und christlicher Kultur. 79 N.A. STRICKMAN/A.M. SILVER, Ibn Ezra‘s Commentary on the Pentateuch I, 218; ZLOTOWITZ/SCHERMAN, Bereishis, 753. 80 R. Levi ben Gerschon (1288-1344 n.Chr.) Provence/Frankreich, Akronym: Ralbag; Enkel des Nachmanides. 81 ZLOTOWITZ/SCHERMAN, Bereishis, 754. 82 S. BEN CHORIN, Die ungleichen Söhne Abrahams, in: ders., Die Erwählung Israels, 123-130; zur aktuellen jüdischen Rezeption vgl. die Übersicht bei D.J. ZUCKER, Art. Ishmael D. Modern Judaism, EBR 13 (2016), 364f.

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der Urgeschichte der Juden und Araber, der feindlichen Brüder, ist die Problematik der Gegenwart zu erfassen«83. Noch in dem Gedicht von Shin Shalom (S.J. SHAPIRA) über die erhoffte Versöhnung der Brüder Isaak und Ismael, das mittlerweile auch in die Liturgie des britischen Reformjudentums Einzug gehalten hat,84 bittet Isaak, dass Ismael doch endlich seinen Hass schlafen legen möge, damit die Brüder Schulter an Schulter ihre Schafe tränken können. Das Motiv vom Hass Ismaels gegenüber Isaak ist indes keine Urgegebenheit, sondern ein m.W. erstmals in TPsJ zu Gen 25,9 erwähntes Interpretament der Ismaelgeschichte. Danach hatte aber Ismael seinen ›Hass‹ schon bereut, als er zur Beerdigung Abrahams ins Vaterhaus zurückkehrte.

Als Analogie für die angenommene Brüderrivalität von Isaak und Ismael steht erkennbar diejenige Jakobs und Esaus im Hintergrund. In der Genesis ist jedoch – anders als bei Jakob und Esau – von einem Bruderzwist oder von einem Erbschaftsstreit zwischen Ismael und Isaak nichts zu erkennen. »Die Tora spricht ... von Ismael ohne Voreingenommenheit, ja mit Wohlwollen«85 beschreibt JACOB in einem der wichtigsten jüdischen Genesiskommentare des 20. Jh.s zutreffend den biblischen Befund. In Gen 21,9 meint er aber doch eine Ausnahme zu sehen: Ismael treibt mit Saras Mutterfreude seinen Spott. »Ismael pochte von seiner Mutter unterstützt darauf, dass er der früher geborene Sohn Abrahams sei und prahlte damit kindisch selbstbewusst gegenüber der allgemeinen Freude über Isaak ... mit welcher er in die Fußstapfen seiner Mutter (c. 16) trat.«86 Sara fühlt sich in ihrer Freude (V.6f) gekränkt, daher ihr Zorn. Der eigentliche Grund der für JACOB unvermeidlich scheinenden negativen Bewertung von qxcm ist weder die (undeutliche) Semantik von qxcm, noch die Treue gegenüber der rabbinischen Auslegungstradition87, sondern ein theologischer. Wie können Sara und noch vielmehr Gott etwas derart Schwerwiegendes wie eine Vertreibung wollen, wenn diese grundlos aus einem harmlosen Kinderspiel erwächst? Während heute im konservativeren Judentum Übersetzungen der Stelle im Sinn von ›spotten, verspotten‹ verbreitet sind,88 mehren sich die jüdischen Übersetzungen, die qxcm als kindliches Spiel verstehen.89

83

Ebd., 128. Abgedruckt bei K.J. KUSCHEL, Abraham, 289. 85 B. JACOB, Tora, 480. 86 Ebd. 87 Die Interpretationen aufgrund der drei klassischen Verweisstellen Ex 32,6; Gen 39,14.17; 2Sam 2,14 sind für Jacob »nur (wahrscheinlich tendenziöse) Haggada« (480). 88 So etwa ZLOTOWITZ/SCHERMAN, Bereishis z.St. 89 W.G. PLAUT, Tora, 194; N.M. SARNA, Genesis, 146, der letztere unter ausdrücklichem Hinweis auf die LXX und das Jubiläenbuch; D.J. ZUCKER, Ishmael and Isaac. 84

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g) Islamische Deutungen

Die islamische Tradition, die zweifellos auch auf vor- bzw. nichtrabbinische jüdische Traditionen in Zentralarabien zurückgreift, kennt das Motiv der Feindschaft zwischen Ismael und Isaak nicht. Ismael wird als Erstgeborener Abrahams und arabischer Ahn im Koran an zentralen Stellen Isaak zwar vorgeordnet (vgl. vor allem in der medinensischen Sure 2). Aber Isaak findet als Abrahamsohn und wegen seiner wunderbaren Geburt im Koran häufiger als Ismael Erwähnung. Nach einem Teil der nachkoranischen, islamischen Tradition und der heute vorherrschenden Sicht ist der in Sure 38 nichtgenannte Sohn, den Abraham in einem Traumgesicht als Opfer darbringen sollte, Ismael. Allerdings war diese Frage in der Frühzeit umstritten und es liegt auf der Frage nach dem Sohn kein entscheidendes Gewicht.90 Denn auch Isaak bleibt ein großer Prophet und Gottgesandter, und gelangt in der muslimischen Namensgebung, der Erzähltradition, aber auch in den genealogischen Systemen als Stammvater des persischen Teils der islamischen Welt zu Ehren.91 Nach seinem Tod setzt Ismael seinen Bruder Isaak zum Erben ein.92 Die Vertreibung Hagars und Ismaels wird in der islamischen Erzähltradition so erzählt, dass es aufgrund von Saras Eifersucht zum Streit zwischen den beiden Frauen kam. Abraham wird von Sara aufgefordert, Hagar und Ismael aus Kanaan wegzubringen, was dieser tut. Vom Erzengel Gabriel sicher geleitet, erreichen sie das Tal von Mekka, wo Abraham seinen Sohn und dessen Mutter zurück lässt. Hier vollzieht sich das Wunder vom Brunnen in der Wüste. Es ist die Quelle ZamZam an der Kaaba, die Ismael entdeckt, indem er mit dem Fuß im Sand scharrt. Abraham nimmt seinen Wohnsitz in Kanaan, besucht aber Hagar und Ismael in Arabien regelmäßig. Das biblische qxcm wird im kindlichen Spiel aufgenommen. Dieses bietet den Anlass aber nicht den Grund der Vertreibung, der in Saras Eifersucht auf Hagar gesehen wird. Die betreffende Passage in den verbreiteten Prophetengeschichten (Qiṣaṣ alanbiyāʾ) von aṯ-Ṯaʿlabī (gest. 1035, Ostiran) lautet: »Eines Tages aber balgten Ismael und Isaak sich, wie Kinder das tun. Da wurde Sara zornig gegen Hagar und sagte: ›Du sollst nicht in einer Stadt mit mir zusammenwoh-

90

Die Frage ist grundlegend aufgearbeitet von R. FIRESTONE, Journeys in Holy Lands; The Intended Sacrifice; als Quellenbeispiel vgl. H. BUSSE, Islamische Erzählungen, 122-126. 91 Vgl. R. DAGORN, La geste d‘Ismaël, und die Artikel ›Isḥāk‹ und ›Ismaʾīl‹ in den islamwissenschaftlichen Lexika. Die Ismaellegende bei al-Kisaʾi beginnt damit, dass der Erzengel Gabriel zu Abraham kommt und ihm verkündet, dass Gott ihn mit zwei Söhnen segnen will. (W.M. THACKSTON, Tales, 151f.). 92 Vgl. W.M. BRINNER, Prophets and Patriarchs (at-Tabarī), 133; H. BUSSE, Islamische Erzählungen (aṯ-Ṯaʿlabī), 135.

DERS.,

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nen!‹ und befahl Abraham, sie wegzuschicken. Da offenbarte Gott Abraham: ›Bring Hagar und ihren Sohn nach Mekka!‹ Er ging mit ihnen los, bis er nach Mekka kam.«93

h) Christliche Deutungen

Im Christentum ist die Auslegung von Gen 21,9 bis ins 19. Jh. hinein ganz von der Typologie des Paulus geprägt, in der Ismael als Feind und Verfolger Isaaks und mit ihm der christlichen Kinder der Verheißung erscheint, und daher von Gott enterbt und verworfen wurde. Auch wenn diese Ismaeltypologie häufig von Christen gegen die Juden selbst gerichtet wurde,94 geht die christliche Auslegung von Gen 21,9 in manchem mit der jüdischen parallel, insofern sie das Brüderverhältnis grundsätzlich als Konfliktverhältnis tradieren. Dabei zeigt sich, dass die Erbschaftsfrage, die in der jüdischen Exegese familienrechtlich verstanden wird, in der christlichen Auslegung spiritualisiert und zur Frage nach dem Erbe der Verheißung und dem ewigen Heil wird. Im Blick auf die sprachliche Ebene ist den altchristlichen Exegeten völlig klar, dass Ismaels kindliches Spiel (qxcm) nicht mit dem paulinischen ›verfolgen‹ verbunden werden kann. Das gelingt nur auf einer übertragenen Ebene. So findet sich in den Homilien zur Genesis des ORIGENES (3. Jh. n. Chr.) der folgende aufschlussreiche Passus: »Trotzdem: Mit Blick auf das, was geschrieben steht, begreife ich nicht, warum Sarah darauf bestand, den Sohn der Magd zu verstoßen. Er spielte mit ihrem Sohn Isaak. Was hatte er Böses getan oder Schaden angerichtet, wenn er mit ihm spielte? Als wäre es in diesem Alter nicht sogar zu begrüßen, dass der Sohn der Magd mit dem Sohn der Freien spielt. Ich wundere mich aber auch über den Apostel, der dieses Spiel zur Verfolgung erklärt hat, wenn er sagt: ›doch wie damals er, der gemäß dem Fleisch geboren ist, ihn verfolgte, der gemäß dem Geist geboren ist, so auch jetzt‹, wo doch wirklich von keiner Verfolgung berichtet wird, die Ismael gegen Isaak angezettelt hätte, ausgenommen allein dieses Kinderspiel. Doch wir wollen untersuchen, was Paulus in diesem Spiel sah und was Sarah empörte. Vorher haben wir in geistiger Auslegung Sarah bereits als Tugend gedeutet. Wenn folglich das Fleisch, dessen Rolle Ismael verkörpert, der gemäß dem Fleisch geboren wird, den Geist umschmeichelt, nämlich Isaak, und mit ihm seine trügerischen Spiele treibt, wenn er ihn mit Lustbarkeiten lockt, mit Ausschweifungen verdirbt, dann beleidigt ein solches Spiel des Fleisches mit dem Geist Sarahs, das heißt die Tugend, ganz entschieden, dann sieht Paulus in solchen Schmeicheleien die bitterste Verfolgung.«95

Bei Origenes ist die Unterscheidung von philologischem Befund und einer an Paulus orientierten Ausdeutung noch sehr deutlich markiert. 93

H. BUSSE, Islamische Erzählungen, 110. Zur islamischen Ismael-Hagar-Geschichte vgl. neben R. FIRESTONE, Abraham’s Journey to Mecca in Islamic Exegesis, auch noch R. HASSAN, Islamic Hagar; F. LEEMHUIS, Hajar and Her Family. 94 Vgl. die o. S. 4 Anm. 4 genannte Literatur sowie M. BLUM, Figur der Sara; A. FELBER, Sara, und J.L. THOMPSON, Writing the wrongs. 95 ORIGENES, Homilie 7,3, zit. nach Habermehl, P., Origenes. Die Homilien zum Buch Genesis,155.157.

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Philologisch bedeutet qxcm nichts anderes als kindliches Spielen. So sieht es auch HIERONYMUS.96 Diese Unterscheidung wurde in der christlichen Tradition dann aber nicht festgehalten, sondern stattdessen der Spott als destruktive Seite des Lachens mobilisiert und einfach in qxcm eingeschrieben. So übernimmt Ismael als (gottloser) Spötter all die Aufgaben, die ihm die Ausleger mit Blick auf Paulus in Gal 4 zuweisen. Gegenstände seines Spotts sind Isaak als Kind der Verheißung, das wahre (christliche) Gottesvolk als Erben Isaaks und Gott selbst, der Ismael dann entsprechend durch Vertreibung und Enterbung bestraft. Gegen diesen Traditionsdruck konnten dann auch die alten Bibeln der Christenheit (LXX, V) ihre positive Lesart von Gen 21,9 ›spielen und scherzen‹ nicht mehr zur Geltung bringen. Und so finden sich pejorative Übersetzungen in manchen christlichen Bibeln bis heute. a) Für LUTHER ist Ismael ein Spötter, der gemeinsam mit seiner Mutter über längere Zeit hinweg Schmähreden gehalten, der sich seinem jüngeren Bruder gegenüber als der alleinige Erbe (der Verheißung) aufgespielt und Isaak verachtet hat. Sara fordert die Vertreibung allerdings erst, nachdem sie »solche unrechte Gewalt etliche Jahre«97 schweigend erduldet hat. Die gewaltsame Vertreibung Hagars und Ismaels ist auch für Luthers moralisches Empfinden eben erst als eine Art Notwehr gegen lang anhaltende »unrechte Gewalt« verstehbar. b) CALVIN gibt zu qxcm philologisch zu bedenken: »Dieses Lachen kann harmlos, ein Kinderlachen, oder auch spöttische Verachtung des Heranwachsenden gewesen sein.« In der theologischen Ausdeutung gerät es ihm zum selbstgefälligen Spott des Gottlosen über den Gottessegen, der im Verheißungskind Isaak sichtbar geworden ist. »Ismael aber möchte mit seinem hämischen Lachen jene heilige Freude des Glaubens zerstören und beweist damit seine Gottlosigkeit.« So ist der Zorn Saras berechtigt, weil »Gottes Gnade zum Gespött dienen muß«, und trifft den, der gesündigt hat.98 Erst durch diese Sünde verliert Ismael für Calvin die Gnade des Bundes, die ihm in Gen 17 gewährt wird. c) Es sei noch auf den einflussreichen lutherischen Kommentar von KEIL (1878) verwiesen, der wie fast alle99 vor ihm »Spott treiben« liest 96

HIERONYMUS, quest. gen. 21,9 »playing«, der auch notiert, dass der hebräische Text im Unterschied zur LXX keinen Partner dieses Spielens erwähnt. Interessant ist überdies, dass Hieronymus in seiner Kommentierung zur Erklärung allein auf zwei rabbinische Lesarten hinweist, auf Götzendienst und den Wettkampf um das Erbe. Vgl. C.T.R. HAYWARD, Saint Jerome’s Hebrew Questions on Genesis, 53, der 173f weitere altkirchliche Deutungen nennt. Zu Augustinus, der den verspottenden und verfolgenden Ismael auf die donatistischen Häretiker bezieht, die wie Hagar und Ismael ausgetrieben werden sollen, vgl. A. FELBER, Sara, 195f m. Anm. 53. 97 M. LUTHER, Genesis, 1387. 98 J. CALVIN, Genesis, 224. 99 Vgl. die Belege bei A. DILLMANN, Genesis, 285; andererseits hatte F. DELITZSCH, Genesis, z.St. noch ausdrücklich auf das paulinische ›Verfolgen‹ hingewiesen.

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und folgende Auslegung HENGSTENBERGs zitiert: »Isaak der Gegenstand heiligen Lachens dient ihm (Ismael) zur Zielscheibe unheiligen Witzes, profanen Scherzes. Er lacht nicht (qxc), sondern er macht sich lustig (qxcm). Der kleine hilflose Isaak ein Völkervater! Unglaube, Neid, Stolz und fleischliche Vorzüge waren die Factoren seines Betragens. Weil er das: Ist wol dem Herrn ein Ding zu wunderbar? nicht versteht, findet er es lächerlich, an so Kleines so Großes zu knüpfen«100. d) Die Bibelübersetzungen, Predigten und Katechesen taten ein übriges, Ismael zum gottlosen Spötter zu stilisieren, der zu Recht und aus Gründen der Selbstverteidigung von Gott in die Wüste hinausgestoßen wurde. Die kritische Bibelexegese hat zwar seit DILLMANN101 qxcm in Gen 21,9 weitgehend und zutreffend als fröhliche Art des kindlichen Spiels aufgefasst, die wissenschaftlichen, hebräischen Lexika102 und die verbreiteten deutschen Bibelübersetzungen103 sind dem allerdings kaum oder erst in allerjüngster Zeit gefolgt. Der gewaltige Traditionsdruck der Rezeptionsgeschichte ist auch in der gegenwärtigen Fachexegese noch allenthalben spürbar. Wenn BRENNER Gen 21,9 zusammen mit Gen 26,8; 39,14.17 unter die Stellen einordnet, die deutlich sexuelle Konnotationen enthalten sollen104, wenn TRIBLE darüber nachdenkt, ob es sich bei Ismaels ›Spielen‹ nicht um Masturbation gehandelt haben könnte,105 dann erinnert das an die klassische, aber nicht gangbare Brücke zu Gen 37,14, die übrigens auch die Lutherbibel bis in die allerjüngste Zeit (1984) beschritten hat.

C.F. KEIL, Genesis, 207. A. DILLMANN, Genesis, 285, der unter seinen Vorgängern noch W. GESENIUS, F. TUCH und K.D. ILGEN nennen kann. 102 Die gegenwärtig gebräuchlichen wissenschaftlichen Lexika bieten für qxcm in Gen 21,9 ausschließlich negative bzw. pejorative Übersetzung an. ›Spielen, scherzen, tanzen‹ wird nirgends erwähnt. Ein Verständnis »im übeln S.(Sinn)« fordert GESENIUS-BUHL, 688; GesD, 1113, verlangt pejorativen Sinn. KBL übersetzt »sich lustig machen« (über jemanden); desgleichen HALAT, 955, obwohl die für eine solche Übersetzung sprachlich notwendige Präposition b in Gen 21,9 gerade fehlt, und obwohl die angegebene Sekundärliteratur die vorgeschlagene Übersetzung nicht stützt. Vgl. ferner KAHAL, 475; DCH VII, 112. 103 Die Lutherbibel (1534) übersetzt: »Und Sara sah ... dass der ein spötter war«, die Zürcher Bibel (1531) ebenso. Spätere Revisionen halten bis in die Gegenwart (1984) fest, dass Ismael »seinen Mutwillen trieb«, was hier sexuell konnotiert wird, denn die Wendung wird u.a. auch in Gen 39,14 (!); Ri 19,25 für Vergewaltigung(sversuche) gebraucht. Die Zürcher Bibel hat seit 1931 »spielen«; so auch die Jerusalemer Bibel sowie die Einheitsübersetzung. Die gerade erschienene Revision der Lutherbibel 2016 übersetzt jetzt endlich mit »lachen«. 104 DIES., Semantic Field, 47 n.6. 105 DIES., Other Woman, 244 n.46; ebenso V.P. HAMILTON, Genesis II, 79 und D. STEINMETZ, Kinship and Marriage, 80 n. 96. 100

101

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HACKETT106 vermutet, dass sich Ismael durch sein Spiel absichtlich in die familiäre Position Isaaks bringen wollte und SCHWANTES erneuert die alte These von Ismaels Erbschaftspolemik gegenüber Isaak. Mit seinem Lachen polemisiere Ismael gegen Saras Mutterfreude107 in V.6 und stelle sich an die Position, die Isaak gebührt: »Das will besagen: Dieser (Ismael) macht sich zu jenem, d.h. im Hinblick auf V.10: zum Erben.«108 Auch wenn SCHWANTES nicht im Lachen oder Spielen, sondern in der Erbschaftsfrage das eigentliche Problem sieht, wird aus der gedanklichen Assoziation Saras, die vom Spielen Ismaels auf Isaak und das Erbschaftsproblem schließt, wieder eine gezielte Aktion Ismaels gemacht. Mit dem Verständnis von qxcm als einer Form fröhlichen Kinderspiels Ismaels, das Sara an ihren Sohn qxcy erinnert, erhebt sich aber das moralische und theologische Problem neu, weshalb Hagar und Ismael dann unschuldig und dennoch ausdrücklich mit Gottes Willen vertrieben und der Todesgefahr der Wüste ausgesetzt werden. Die Antwort der traditionellen Exegese ist dürftig. Die offensichtliche Willkür der Vertreibung wird als rechtlich üblich, wenigstens nicht anstößig, im kulturell archaischen Milieu einer Frühzeit verortet, obgleich alle hier vergleichbaren altorientalischen und biblischen Rechtsquellen eine solche Vertreibung nicht zulassen würden. Der Sinn der oft als sekundär angesehenen Gottesreden V.11-13 wird zudem allein darin gesehen, den Makel der Vertreibung von Abraham und Sara zu nehmen. Dass er damit Gott selbst aufgeladen wird, gerät als Problem gar nicht in den Blick.109 Weil die Exegese hierzu keine Hilfestellung anbietet, werden in der Praxis der Bibelauslegung, in Predigt und Unterweisung die alten Stereotype benutzt. Man braucht hier nur Predigten, Nacherzählungen in Kinderbibeln, praxisorientierte Auslegungen usw. zu vergleichen. Ohne einen triftigen Grund zur Vertreibung, der sich als der Strafe vorausgehende Schuld, oder doch mindestens als einsehbarer Grund der Vertreibung neben Saras Eifersucht stellen lässt, ist die Geschichte in Gen 21 kaum versteh- und darum auch nicht vermittelbar. Und doch will die Geschichte wohl gerade diese Zumutung zeigen. Die Vertreibungsforderung entsteht nicht aus einer Bedrohung, die Ismael für Isaak darstellt, vielmehr aus Saras mütterlicher Eifersucht beim Entwöhnungsfest ihres Wundersohnes.110 Auch darin ist der Erzähler DIES., Hagar, 20f. So J. CALVIN; C.F. KEIL; B. JACOB, aber auch K. BUTTING, Gefährdung der Ahnfrau, 22: Was Sara in V.6 wegen der Geburt Isaaks befürchtet hatte, nämlich verlacht und verspottet zu werden, erfährt sie sogleich von Ismael. 108 DERS., »Lege deine Hand nicht an das Kind«, 170. 109 Vgl. H. GUNKEL, Genesis, 228; C. WESTERMANN, Genesis, 415. 110 Eifersucht als starke Triebkraft in menschlichen Beziehungen, nicht nur im Verhältnis von Mann und Frau, ist in der hebräischen Bibel gut bekannt. Vgl. G. SAUER, 106 107

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meisterhaft, indem er seine Geschichte ohne alle moralische Entrüstung, aber in guter Kenntnis der Ambivalenzen menschlicher Emotionalität erzählt. Angesichts des fröhlich spielenden Ismaels entwickelt Saras Freude über das Wunder der Geburt ihres Sohnes Isaak als ihre dunkle Kehrseite den Wunsch, den Miterben Isaaks loszuwerden. (Exkursende) 2.3.2 Erstgeburtsrecht für Isaak oder was fordert Sara? (V.10) a b c

Und sie (Sara) sprach zu Abraham: »Vertreibe diese Magd und ihren Sohn. Denn der Sohn dieser Magd soll nicht erben mit meinem Sohn, mit Isaak.«

Hart und in der Sprache präzise formuliert Sara das Ergebnis ihrer Wahrnehmung. Sie fordert von Abraham die Enterbung Ismaels, d.h. ihn und seine Mutter zu vertreiben. Das erste in die friedliche Szenerie gesprochene Wort bringt ihre Forderung als Imperativ sogleich auf den Punkt. Xrg meint hier weder Ehescheidung111 noch eine andere Form rechtlich geordneter Trennung oder Enterbung. Der Ausdruck bezeichnet in der Hauptmasse seines Vorkommens »ein Fortjagen oder Wegtreiben, ohne dass etwas anderes impliziert wird als das Abbrechen einer bestehenden Verbindung«112. Dabei liegt oft ein besonderer Ton auf der Aggressivität des Vollzugs einer solchen ›Trennung‹. Objekt der Leidenschaft Saras ist Ismael als potentieller Miterbe ihres Sohnes, nicht dessen Mutter. Sie sieht eine Zukunft, bei der beide Söhne Abrahams nach geltendem Recht gemeinsam erben. Das möchte sie verhindern. Sie möchte Isaak zum Alleinerben machen. Eine Rivalität der Mütter ist hier nicht thematisiert. Die Mutter soll wegen des Sohnes mitvertrieben werden. Sara nennt gezielt weder Hagar noch Ismael mit ihren Namen, sondern verächtlich ›diese Sklavin und ihren Sohn‹113. Sie hebt damit auf den für sie einzig entscheidenden Kontrast THAT II, 647ff; Zum Eifersuchtsritual in Num 5,11-31 vgl. E. OTTO, Ethik, 43f. Eifersucht in polygamen Ehen ist ein (nicht nur) in altorientalischen Erzählungen bekanntes Motiv. Vgl. D. IRVIN, Mytharion, 15f.24f. (und Index). 111 E.A. KNAUF, Ismael, 18 m. Anm. 25, versteht Xrg in V.10 als »Terminus technicus der Scheidungspraxis«, wie in Lev 21,7.14; 22,13; Num 30,10; Ez 44,20. Doch spricht nicht nur die überwiegende Verwendung von Xrg dagegen, sondern auch der Kontext von Gen 21, der keine Hinweise auf einen juristischen Vorgang enthält. Es wird weder das zur Scheidung nötige Vergehen der Ehefrau noch ein rechtliches Verfahren vor Zeugen, noch die Klärung der Erbansprüche bzw. des späteren Unterhalts der Geschiedenen erwähnt. Vgl. auch I. FISCHER, Erzeltern, 310. 112 H. RINGGREN, ThWAT II, 72. Im Unterschied zu xlX (V.14) wird Xrg niemals zur Kennzeichnung einer friedlichen Trennung gebraucht. 113 Vgl. eine ähnliche Rhetorik des Verächtlichmachens in 1Sam 20,27.30; Gen 39, 14.17. In Ri 9,18 nennt Jotam seinen Erzfeind und Halbbruder Abimelech »Sohn einer hma«, während nach 8,31 Abimelechs Mutter eine Xglyp Jerubaals/Gideons war, also eine rechtlich nicht mit der Hauptfrau gleichgestellte Nebenfrau (K. ENGELKEN, Frauen,

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zwischen Isaak und Ismael ab, den im Status der Mütter.114 Bei diesem Vergleich meint sie besser abzuschneiden, obwohl Saras Status hier und auch sonst in Gen 21 nicht deutlich herausgehoben wird. Isaak ist ihr Sohn, wie V.10c emphatisch und unter Nennung des Eigennamens formuliert, während Ismael, dessen Namen zu nennen sie vermeidet, für Sara ›Sohn dieser Magd‹ ist. Die Vaterschaft Abrahams, die ja kein Unterscheidungsmerkmal der beiden Brüder wäre, erwähnt Sara auch bei ihrem Sohn Isaak nicht. Rhetorisch zielt sie darauf ab, durch Herabsetzung Hagars und Ismaels Abrahams Hemmschwelle bei der Zustimmung zu ihrer Forderung zu verringern. Die Art, wie Sara hier als Fordernde gezeigt wird, misst ihr als Frau – auch wenn sie mit ihrer Forderung abhängig von der Entscheidung des pater familias bleibt – eine erhebliche Autorität im Haus Abrahams zu.115 Die von Sara so stark wie möglich gemachte Abwertung Ismaels als ›Sohn dieser Sklavin‹ lässt nun allerdings umso deutlicher hervortreten, dass sie an dem für sie entscheidenden Punkt die grundsätzliche Gleichberechtigung der Abrahamsöhne in den Erbschaftsfragen anerkennen muss. Die Grundlage von Saras Forderung in V.10 ist die Erbberechtigung beider Söhne. Auch in Saras Augen ist Ismael legitimer Erbsohn Abrahams, sonst brauchte sie seine Enterbung nicht zu fordern. Saras später von Gott bekräftigte und von Abraham ausgeführte Vertreibungsforderung wird so erzählt, dass sie von israelitischen Rezipienten der Erzählung als ein unerhörtes Unrecht aufgefasst werden muss. Sie erwächst aus keinem einsehbaren Grund, hat keine rechtliche Grundlage und bedeutet in ihrer konkreten Ausführung für die Vertriebenen den Tod. Weder in der biblischen noch in der altorientalischen Rechtstradition gibt es Belege dafür, dass die in Gen 21 geschilderte Vertreibung und ›Enterbung‹ eines erbberechtigten Sohnes, auch wenn er nicht der Sohn der Hauptfrau ist, ein dem pater familias zustehendes Recht war.116 Das bedeutet, wenn es solche Verstoßungen und Enterbungen gegeben hat, woran man nicht zweifeln muss, dann hat es sie 124). »Sohn einer hma« begegnet als Selbsterniedrigungsformulierung der Psalmbeter vor Gott in Ps 86,16; 66,16. Weiteres bei F.C. FENSHAM, Son of a Handmaid. 114 Ob sie mit hma – ›Sklavin‹ den Status der Hagar im Sinne der Erzählung zutreffend beschreibt, die nach Gen 16,2f Abraham zur Ehefrau gegeben wurde und ihm einen Sohn geboren hat (16,15), kann hier dahingestellt bleiben. Für die Erbberechtigung Ismaels würde die Legitimation als Erbsohn durch den pater familias unabhängig vom Status der Mutter ausreichen. Der Erzähler nennt, wo er selbst das Wort führt, Hagar niemals hma, behält aber auch in der Gottesrede V.13 das hier von Sara eingeführte Unterscheidungsmerkmal bei (s. dort). 115 J. CALVIN, Genesis, 224, den der »Eindruck ihres Benehmens« verunsichert, sieht durch Sara die bürgerlichen Geschlechterrollen gefährdet. »Es scheint sogar, als fordere sie mehr von ihrem Mann, als einer bescheidenen Ehefrau geziemt.« 116 Vgl. die Diskussion der einschlägigen altorientalischen Rechtstexte bei T. THOMPSON, Historicity, 252-269; I. FISCHER, Erzeltern, 106f.

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nur als schwerste Verstöße gegen anerkannte Rechtsnormen gegeben. Ein Teil der erzählerischen Spannung beruht m.E. darauf, dass hier von Sara und Abraham, aber auch von Gott, etwas erzählt wird, dass auch nach dem Maß altisraelitischen Rechtsempfindens nur als schwerstes Unrecht aufgefasst werden konnte. Auch wenn fiktionale Erzähltexte nicht einfach die in Israel praktizierte Rechtspflege widerspiegeln müssen, weil sie weniger einer juristischen als einer dramatischen Logik verpflichtet sind,117 so bilden sie doch ein Normgerüst aus, das von den (altisraelitischen) Rezipienten beobachtet und aufgrund der ihnen vertrauten Normen bewertet werden will. Das Normgefüge, in dem Gen 21 verstanden sein will, ist im Erzähltext selbst recht gut erkennbar. Sara hat als (Haupt-)Frau keine Verfügungsgewalt über Hagar und Ismael. Sie muss die Vertreibung vom pater familias fordern. Auch wenn Sara Hagar abschätzig ›diese Sklavin‹ nennt, macht sie selbst deutlich, dass für sie Ismael nicht einfach illegitimer Sohn des Hausherrn mit einer seiner Sklavinnen ist, über deren Sexualität er verfügen kann. Als Sohn aus einem rechtlich nicht geordnetem Verhältnis zwischen einem pater familias und seiner Sklavin oder einer Nebenfrau (Xglyp) wäre Ismael nach allgemeiner altorientalischer Rechtsauffassung nicht erbberechtigt. Ist er aber erbberechtigt, d.h. vom pater familias als Sohn anerkannt, dann ist der konkrete Status seiner Mutter erbrechtlich nicht relevant. Nach den Gesetzen des Codex Hammurapi118 sind die Kinder einer Sklavin vom Erbe ausgeschlossen, sofern sie vom pater familias nicht voll anerkannt, das heißt zu seinen Lebzeiten als seine Kinder bezeichnet worden sind. Sind die Söhne einer Sklavin aber anerkannt, sind sie mit den Kindern der Hauptfrau zu gleichen Teilen erbberechtigt. Die Regelung, dass der (nicht vom Hausherrn anerkannte) Sohn einer Sklavin auch dann nicht erbberechtigt ist, wenn seine Mutter freigelassen wird, findet sich im Codex Lipit Eschtar.119 Andererseits können selbst Söhne von Prostituierten als Erbsöhne anerkannt werden. Das ist bei Jiftach der Fall (Ri 11,1f) und wird auch im Codex Lipit Eschtar geregelt. R. DE VAUX fasst den Sachverhalt folgendermaßen zusammen: »Die verschiedenen mesopotamischen Rechte stimmen darin überein, dass sie die Söhne der Nebenfrauen von der Nachfolge ausschließen ... Die Söhne der Nebenfrauen erben nur, wenn sie rechtlich den Söhnen der Gattin gleichgestellt sind ... Ismael hat also ein Recht an Abrahams Erbe.«120

Indem Sara Ismael vom Miterben ausschließen will, setzt sie voraus, dass Ismael erbberechtigt ist. Während die Gesamterzählung auch sonst eindeutig voraussetzt, dass Ismael (Erb-)Sohn Abrahams ist (V.11.13), wird hier über Hagars Status nur ihr Sklavinnensein gegenüber Sara akZur Rechtshermeneutig in Erzähltexten H. NIEHR, Rechtsprechung, 118ff (Lit.). CH 170-171a (TUAT I/1, 63f). 119 Im Paragraphen 25 (TUAT I/1, 28). 120 R. DE VAUX, Patriarchen, 78. So auch J. VAN SETERS, Childlessness; T. THOMPSON, Historicity, 252-269; I. FISCHER, Erzeltern, 106f. 117

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zentuiert. Darüber, in welchem Verhältnis sie als Mutter eines Erbsohns zum pater familias steht, verlautet in Gen 21 nichts. Das gilt im Übrigen auch für Sara. Über die Funktion des ›Gebärens für Abraham‹ wird in Gen 21 das Eheverhältnis Abrahams weder zu Sara noch zu Hagar näher bestimmt. Die Rede vom ›Sohn der Sklavin‹ kann also so wenig wie in Gen 16 gegen ein Eheverhältnis zwischen Abraham und Hagar sprechen. Für Ismaels Erbberechtigung wäre ein Eheverhältnis allerdings nicht nötig.121 Ist aber Ismael erbberechtigt, betont FISCHER, dann »ist er nicht irgendein Sohn, sondern sein Erstgeborener.«122 Allerdings ist die rechtliche Vorstellung in Gen 21 nicht die, dass der Erstgeborene alles erhält und der Jüngere leer ausgeht. An ein Erstgeburtsprivileg, das Nachgeborene ausschließen würde, ist hier – anders als bei Jakob und Esau in Gen 27 – nicht gedacht. Sara verlangt von Abraham nicht, ihrem Sohn Isaak das Erbrecht des Erstgeborenen zuzuerkennen, was nach Dtn 21, 17 den doppelten Anteil der ansonsten gleichmäßig unter den Söhnen verteilten Erbteile ausmachen würde. Sie will Ismael gänzlich vom Miterben mit ihrem Sohn Isaak ausschließen. Mit diesem in V.10 klar ausgesprochenen und doppelt betonten Sachverhalt des Mit-Erbes müssen sich alle Spekulationen darüber erledigen, dass im Normgefüge der Erzählung nur einer der beiden Söhne hätte Erbe werden können, als ob die Enterbung Ismaels die notwendige Bedingung für das Erbe Isaaks sei.123 Sara denkt nicht daran, ihrem Sohn ein Erbe zu sichern, das er sonst verlieren würde. Sie geht sachlich vom Recht eines gemeinsamen Erbes der Söhne aus124 und will den zu erwartenden Miterben beseitiHagar wird in der Literatur oft als Abrahams Nebenfrau, gelegentlich als Konkubine bezeichnet. Das würde dem Status der Xglyp entsprechen, als die Hagar nie bezeichnet wird. Die Kinder einer solchen Nebenfrau sind erst durch ihre Legitimation durch den Vater erbberechtigt. Nach 16,3 nimmt Abraham Hagar zur hXya, was an eine zweite Ehefrau denken lässt. Unter die ~yXglyp von Gen 25,6 gehört Hagar nicht. Vgl. oben Kap. II. 4c. 122 I. FISCHER, ebd., 107. 123 J. VAN SETERS, Abraham; 200ff. DERS., Prologue, 264f, vermutet hinter der Brücke Gen 15,2ff – 21,10 das Erbschaftsmodell der Königsnachfolge, das naturgemäß nur einen ›Erben‹ kennt. Zuletzt C. LEVIN, Jahwist, 178: »Ismaels Vertreibung ... ist Voraussetzung, dass Isaak Abrahams Erbe wird«. 124 Miterben muss nicht unbedingt gleiche Anteile bedeuten. Die auch in mittelassyrischen Rechtstexten belegte Regelung vom doppelten Anteil des Erstgeborenen (vgl. die Belege bei E. OTTO, Das Eherecht, 259) würde sich hiermit nicht stoßen. Nach dem Codex Hammurapi (CH 165) u.a. wird das Erbe zu gleichen Teilen unter den Söhnen geteilt. Der Vater kann lediglich seinem Lieblingssohn ein zusätzliches Geschenk gewähren. CH 170-171 regelt den Fall, dass die vom Vater anerkannten Söhne einer Sklavin mit den Kindern der Hauptfrau zu gleichen Teilen erbberechtigt sind. Nach anderen Urkunden empfängt der Erstgeborene in einem unbestimmten Verhältnis mehr als die Nachgeborenen. Der Mehranteil des Erstgeborenen hängt sozialgeschichtlich mit besonderen Versor121

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gen, um den Anteil ihres Sohnes zu erhöhen oder diesen zum alleinigen Erben zu machen.125 Nach den mesopotamischen Rechtstraditionen ist es in sumerischen Rechtstexten einem Familienvater bei Androhung schwerer Strafen verboten, einen seiner Söhne willkürlich zu verstoßen. In einem solchen Fall wird der Vater seines Vermögens enteignet und der Sohn wieder in seine alten Rechte als Erbe eingesetzt. Die Enterbung eines Sohnes ist im altorientalischen Recht nur möglich, wenn dieser sich schwerer Vergehen und Pflichtverletzungen gegenüber seinen Eltern schuldig gemacht hat. Der Codex Hammurapi erlaubt eine Enterbung sogar nur für den Wiederholungsfall. Eine Enterbung bedurfte dann aber in jedem Fall eines gerichtlichen Verfahrens.126 Dieser besonders sorgfältige Schutz der Erbrechte erklärt sich dadurch, dass die Sicherung der familiären Kontinuität und vor allem des Erbbesitzes ein wesentliches Element der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stabilität war und in traditionellen Gesellschaften heute immer noch ist. Aus der israelitischen Rechtstradition behandelt nur Dtn 21,15-17 das Erbrecht. Hier wird dem pater familias ausdrücklich verboten, dem Sohn seiner Lieblingsfrau entgegen der natürlichen Geburtenfolge das Erbprivileg des Erstgeborenen zuzuerkennen. 15) Wenn ein Mann zwei Frauen hat, eine ist die geliebte, die andere ist die verhasste, und wenn beide ihm Söhne gebären, die geliebte wie die verhasste, und der erstgeborene Sohn von der verhassten stammt, 16) dann darf er, wenn er sein Erbe unter seine Söhne verteilt, den Sohn der geliebten Frau nicht als Erstgeborenen behandeln und damit gegen das Recht des wirklichen Erstgeborenen, des Sohnes der verhassten Frau, verstoßen. 17) Vielmehr soll er den Erstgeborenen, den Sohn der verhassten, anerkennen, indem er ihm von allem, was er besitzt, den doppelten Anteil gibt. Ihn hat er zuerst gezeugt, ihm steht das Erstgeburtsrecht zu.

Was sich auf den ersten Blick wie ein Verbot dessen liest, was in Gen 21 geschieht, zeigt auf den zweiten Blick doch eine andere Problemlage: In gungsverpflichtungen (für die verwitwete Mutter bzw. für nichtverheiratete, weibliche Familienmitglieder) zusammen. Vgl. R. DE VAUX, Patriarchen, 80; E. EBELING, Art. Erbe, Erbrecht, Enterbung, RLA II, 45-62; E. BONS, Art. Erbe/Erben, NBL I, 555ff (Lit.). Aufgrund von Gen 21,10 auf eine in Israel übliche Erbrechtspraxis zu schließen, die das »gemeinsame und gleiche Erbe aller Söhne eines Erblassers« vorsieht (so H. UTZSCHNEIDER, Patrilinearität, 67f), ist kaum möglich. 125 Nach I. FISCHER, Erzeltern, 107, ist bereits Saras Argument, dass Ismael nicht mit ihrem Sohn miterben soll, tendenziöse Verdrehung der erbrechtlichen Gegebenheiten, dass nur Isaak mit Ismael als dem älteren Bruder, nicht aber Ismael mit Isaak miterben kann. 126 CH 168-169 (TUAT I/1, 63). Vgl. das keilschriftrechtliche Material bei E. EBELING, RLA II, 460. Vgl. ferner Dtn 21,18-21, wo über einen Sohn, der sich schwerer Vergehen gegenüber seinen Eltern schuldig gemacht hat, vom Ältestengericht zu entscheiden war.

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Gen 21 geht es nicht um die Bevorzugung einer der Ehefrauen durch den Hausherrn, auch nicht um die widerrechtliche Übertragung des Erstgeborenenerbes auf Isaak, sondern darum, dass Ismael ganz enterbt und verstoßen werden soll. Dtn 21,15ff ist aber doch recht aussagekräftig, weil hier an einem minder schweren Fall etwas von der Rechtskontrolle sichtbar wird, der in der altisraelitischen Gesellschaft die Verfügungsgewalt und Willkür des pater familias zum Schutz der in einer Familie Benachteiligten unterworfen war.127 Gen 21 am nächsten liegt m.E. der Fall Jiftachs in Ri 11,1-3. Jiftach ist ein Sohn Gileads, den dieser mit einer Prostituierten gezeugt (hnwz hXa-!b V.1) und als eigenen Erbsohn anerkannt hat, der aber von seinen Halbbrüdern, den Söhnen von Gileads Frau, unrechtmäßig mit der Begründung vertrieben wird (Xrg V.2.7): »Du sollst nicht erben (lxn) im Haus unseres (!) Vaters, weil du der Sohn einer anderen Frau bist.« Jiftach muss außer Landes fliehen. Erbberechtigt kann hier sogar der Sohn von einer gewerblichen Prostituierten128 sein, sofern er vom Familienvater als Erbsohn legitimiert wird. Auch hier ist die Vertreibung (vom Landbesitz der Familie) ein klarer Rechtsbruch, der sich der Willkür der Halbbrüder Jiftachs verdankt,129 deren Begründung für die Enterbung – wie diejenige Saras – jedes Rechtshintergrundes entbehrt. Der Fall Jiftachs macht noch ein anderes Problem deutlich. Wo finden im alten Israel mit seiner klar gegliederten Familienstruktur aus solchen Familien Vertriebene und Enterbte künftigen Lebensunterhalt? In ordentlichen Rechtsverfahren geschiedene Frauen kehren mit ihren Kindern wohl in ihre Herkunftsfamilie zurück.130 Jiftach wird aus der eigenen Familie in eine Art Outlaw-Existenz getrieben, aus der er dann Vergeltung und Wiedergutmachung erzwingt, nicht auf dem Rechtsweg, sondern in anarchischer Selbsthilfe. Ähnliches gilt für die Outlaws, die sich um David in der judäischen Wüste scharen (1Sam 22,2). Wo wäre der Ort, an dem vertriebene Frauen und Kinder ohne Familienbindung – wie Hagar und Ismael – Unterhalt finden würden?131 Im Fall Vgl. hierzu E. OTTO, Das Eherecht, 259, der die soziale Schutzfunktion dieses Gesetzes gegen die Willkür des Familienvaters betont. Ein ähnlicher Fall in CH 141. 128 Dass hnwz in Ri 11,1ff ›Prostituierte‹ bedeutet, hat allerdings H. SCHULTE, Beobachtungen zum Begriff der Zôna, bestritten und an einen älteren Sprachgebrauch gedacht, der mit hnwz die innerhalb matrilinearer Familienstrukturen selbstständig lebende Frau meint. Das mag hier auf sich beruhen. 129 Nach V.7 ist die Vertreibung sogar mit Unterstützung des Ältestengerichts erfolgt. 130 Einen anderen Fall willkürlicher Vertreibung nennt der Prophet Micha (Mi 2,9), der beklagt, dass die Jerusalemer Aristokratie landjudäische Frauen (nicht Witwen) und ihre Kinder aus ihren Häusern vertrieben hat (Xrg). Da von deren Männern nicht die Rede ist, handelt es sich eventuell um die zurückgelassenen Familien judäischer Männer, die zur Zwangsarbeit nach Jerusalem verschleppt wurden (H.W. WOLFF, Micha, 53). Wahrscheinlich fanden aber auch solche durch das ›Gewaltrecht der Mächtigen‹ vertriebenen Frauen und Kinder dann innerhalb der judäischen Familienstrukturen und Sippensolidarität Zuflucht und Auskommen. 131 Im alten Mesopotamien übernahmen vermutlich z.T. Tempel solche sozialen Auf-

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der ägyptischen Sklavin Hagar könnte man damit rechnen, dass sie in ihre Heimat zurückkehrt. Aber nach der Erzählung ist dies für Hagar keine Möglichkeit. Sie versucht es nicht einmal. Gen 21 bringt die schlimmste denkbare Variante einer solchen willkürlichen Vertreibung in das Bild vom Verdursten in der Wüste. Ausgestoßen aus allen sozialen Lebenszusammenhängen bleibt den Vertriebenen nur der Tod. Sara nimmt mit ihrer Vertreibungsforderung nicht nur das Unrecht der Vertreibung, sondern auch ein solches Geschick der Vertriebenen in Kauf.

2.4 Abrahams Widerspruch (V.11) Abraham missfällt Saras Ansinnen sehr. Die Wendung !y[b [[r drückt nicht nur Ablehnung, sondern auch Zorn über etwas aus. Hier ist dies noch mit dam intensiviert.132 Abrahams Zorn und Ablehnung bestätigen, dass Saras Forderung in seiner Wahrnehmung der Situation ein schweres Unrecht ist. Abrahams Haltung wird ebenso wie Saras Forderung ausdrücklich begründet. Es ist wegen seines Sohnes (wnb tdwa l[). Damit betont Abraham genau den Aspekt, den Sara durch die Rede vom ›Sohn der Sklavin‹ rhetorisch zum Verschwinden bringen wollte. Auch Ismael ist sein Sohn, der nicht einfach enterbt und vertrieben werden kann. Hagar jedoch, der Mutter seines Sohnes, die von der Vertreibung mitbetroffen ist, gilt kein Gedanke Abrahams.133 Der Konflikt, der sich hier zwischen Sara und Abraham aufbaut, wird vom Erzähler mit sehr unterschiedlichen Mitteln präsentiert. Sara nehmen wir in der Außenperspektive wahr (sie sieht und fordert), während wir ihre Gedanken und Gefühle rekonstruieren müssen. Von Abraham wird umgekehrt nur die Innenperspektive (Haltung) und keine äußere Handlung mitgeteilt. Ein solcher Blick auf die innere Befindlichkeit ist selten und setzt einen besonderen erzählerischen Akzent. Im Hinblick auf die anvisierten israelitischen Rezipienten der Erzählung, verkörpert Abraham die Position, die die Vertreibung als Unrecht in Israel ablehnt. Als solcher ist er Identifikationsfigur der Rezipienten, dem Empathie und die Hoffnung gilt, dass er seine Machtposition einsetzt, die Vertreibung zu verbieten. Falls das oben rekonstruierte Normgerüst für die Verhältnisse Israels zutrifft, dann ist die Innenperspektive gaben. Die Quellenlage ist aber auch hier sehr schlecht. Freundlicher Hinweis von Prof. Dr. Julia Asher-Grave. 132 Mit dam nur noch Neh 13,8 (vgl. 1Sam 18,8.). Dagegen u.a. Gen 38,10; 48,17; Dtn 15,9; 1Sam 8,6; 2Sam 11,25.27. 133 H. GUNKEL, Genesis, 229, erklärt dies damit, dass nach antiker Vorstellung Sklavinnen keinerlei Wert als Person hatten: »die Magd gibt er leicht dahin, es ist ja nur eine Magd«. Doch ist Hagar nach Gen 16,2f zweite Ehefrau, mindestens aber Mutter des Erbsohnes. P. TRIBLE, Mein Gott, 41, sieht eher die emotionale Gleichgültigkeit Abrahams gegenüber Hagar ausgedrückt: »Er hat allerdings nur seinen Sohn im Auge. Um Hagar, seine Frau, macht er sich überhaupt keine Gedanken.« Das Verhältnis Abrahams zu Hagar ist aber auch sonst nirgends näher ausgeformt. Vgl. auch u. zu Gen 21,14.

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mit Bedacht gewählt, weil sie die innere Haltung Abrahams in V.11 mit der angestrebten inneren Haltung der Rezipienten zusammenbringt. Eigentlich ist jetzt eine klare Entscheidung und entsprechendes Handeln des pater familias gefordert. In V.11-13 nimmt aber nun Gott selbst – und damit eine gegenüber Abraham weit größere Autorität – das Wort und verleiht dem Gang der Dinge eine äußerst überraschende Wendung, indem Gott wider Erwarten nicht den Unwillen Abrahams, sondern den Willen Saras unterstützt. »Man könnte V.12f. das ›erregende Moment‹ im Aufbau der Erzählung nennen, denn der Leser hat nicht erwartet, dass sich Gott auf die Seite der Sara, sondern auf die Abrahams stellen würde.«134 2.5 Der vertreibende und verheißende Gott (V.12-13) V.12

V.13

a Und es sprach Gott zu Abraham: b Nicht sei es böse in deinen Augen wegen des Knaben (r[n) und wegen deiner Sklavin ($tma). c Alles, was Sara zu dir sagt, höre auf ihre Stimme, d denn (yk) in Isaak soll dir Same genannt werden ([rz $l arqy qxcyb). a Und auch (~gw) den Sohn der Sklavin, b zu einem Volk werde ich ihn machen, c denn (yk) dein Same ist er awh $[rz.

Die Gottesrede135 gliedert sich in die Aufforderung, Saras Vertreibungswunsch nachzukommen, die mit einer doppelten Begründung versehen ist. Der Begründung ist es um eine Verhältnisbestimmung von Isaak und Ismael zu tun, die an Gen 17,19-21 erinnert. Der erste Teil des Gotteswortes enthält eine Beschwichtigung, die sich sprachlich auf V.11 zurückbezieht. Gott will den Widerwillen Abrahams, seinen eigenen Sohn zu vertreiben, brechen, um ihn den Forderungen Saras geneigt zu machen. Im Konflikt zwischen Sara und Abraham, desolidarisiert sich Gott von Abraham und den Lesenden, die sich als Beobachter der Szene an der Seite Abrahams einfinden, und stürzt beide in den Konflikt, sich zwischen der Loyalität gegenüber Gott oder gegenüber der an den Lebensnormen der Gerechtigkeit orientierten eigenen Haltung zu entG. VON RAD, Genesis, 184. H. GUNKEL, Genesis, 228f, und andere nach ihm haben V.11-13 ganz oder in Teilen als späteren Nachtrag angesprochen. Nach der Grunderzählung, die als Parallele zu Gen 16, nicht zu Gen 22 verstanden wird, hätte Abraham, verträglich oder leichtfertig, Saras Forderung unverzüglich ausgeführt (zuletzt I. FISCHER, Erzeltern, 306ff). Später sei die Vertreibung als Anstoß empfunden und daher auf Gottes Willen zurückgeführt worden. Aber weder sind V.11-13 erzählerisch im Kontext entbehrlich (hierzu C. WESTERMANN, Genesis, 416f), noch ist die theologische Zielrichtung erkannt, in der es in der Parallelität mit Gen 22 gerade darauf ankommt, dass Gott dem Abraham die Vertreibung seines Sohnes selbst abverlangen muss, um Ismael aus dieser Not zu retten. 134 135

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scheiden. Die Gottesrede macht diesen Kontrast in großer Schärfe deutlich, indem sie ihn durch keine vermittelnde Einschränkung mildert. Alles (lk), was Sara sagt, soll Abraham tun. Er soll auf ihre Stimme hören, ihr gehorchen ([mX). Nichts, was in seinen Augen böses Unrecht ist, darf er unterlassen. Endlich soll er seine innere Einstellung (V.11) in ihr Gegenteil verkehren. Das Paradoxe dieser Forderung wird durch die Korrespondenz der Formeln vom »Bösen in den Augen«, die in V.11.12 Gott und Abraham in einen diametralen Gegensatz zueinander bringt, noch unterstrichen. Zu dieser Korrespondenz findet sich in der hebräischen Bibel nur in 2Sam 11,25.27a eine einzige, aber aufschlussreiche Entsprechung. Nach dem von David inszenierten und von Joab ausgeführten Mord an Urija beschwichtigt David den Boten Joabs. Das Unrecht des Mordes soll »nicht böse sein in deinen Augen« ($yny[b [ry-la V.25). Darauf zeigt die Erzählung, dass solches grob verharmlostes Unrecht aber böse in den Augen Gottes ist (hwhy yny[b … [ryw V.27a) und von Gott geahndet wird. In Gen 21,11f ist die Rollenverteilung diametral verschieden. Gegen Abraham, der Unrecht nicht will, tritt Gott als derjenige auf, der Unrecht verlangt. So bringt die vertauscht eingesetzte Korrespondenz der Formeln die Abgründigkeit der Situation auf den Punkt. Als Gott, der Unrecht fordert, steht Gott als der, der Unrecht ahndet, gegen sich selbst.136

Wir haben es auch hier wieder mit einem starken Kontrastmotiv zu tun, indem Gott dem Abraham als Gegenbild seiner selbst erscheint. Denn die Zumutung, die Gott hier Abraham abverlangt, ist auch hier härter kaum formulierbar137. Das erinnert an den Rückkehrbefehl an Hagar in Gen 16,9 und an den Opferbefehl in Gen 22,2. Gott fordert von Abraham die Preisgabe seines erstgeborenen Sohnes, was offenbares Unrecht ist und was im scharfen Widerspruch zu seinen eigenen Zusagen für Ismael zu stehen scheint. Auch Ismael ist ein Geschenk Gottes, aufgrund einer Verheißung geboren (16,11), von Gott benannt, Erbsohn und Teilhaber der im Bundesschluss gesetzten und mit der Beschneidung bekräftigten Gottesnähe, und er ist auch als nichtisraelitischer Ahnvater Träger großartiger Mehrungsverheißungen. Im Blick auf den Rückkehrbefehl an Hagar in Gen 16,9 hatte ich den psychologischen Begriff der »optimalen Frustration« eingeführt, um diese göttliche Konfrontation und die Zumutung zu bestimmen, die hier erstmals von Abraham verlangt wird. Auch im Sprachgebrauch der Gottesrede ist Hagar als Sklavin (hma) und Ismael als ›Sohn der Sklavin‹ (hmah-!b) aufgefasst. Gott übernimmt hier Saras Sprachregelungen. Man hat dies meist so verstanden, als wolle sich Gott damit von Hagar und Ismael distanzieren, zugunsten des ausdrücklich namentlich genannten Isaak. Doch darf auch dieAllerdings bewahrt Gen 21,12, anders als in 2 Sam 11,27, Stillschweigen darüber, welche innere Haltung Gott selbst dem Vorgang der Vertreibung gegenüber einnimmt. 137 V.12 a-c übernimmt neben der Forderung auch die Sprache Saras und negiert die Haltung Abrahams (V.11). Allerdings wiederholt Gott die Forderung nach Vertreibung (Xrg) und Enterbung (Xry al) nicht ausdrücklich. 136

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ses harte Gotteswort nicht hinter die Rettungserfahrung, die Hagar und Ismael zuteilwird, zurückfallen. Gott spricht hier, Saras abwertende Sprache aufnehmend, zu Abraham, um ihn in denkbar härtester Weise mit einer grausamen Forderung zu konfrontieren. Er spricht nicht zu Hagar oder Ismael. Daneben taucht in der Gottesrede erstmalig auch das Wort r[n – ›Knabe‹ zur Bezeichnung Ismaels auf, dem im Fortgang der Erzählung eine spezifische Funktion zukommt. Von r[n wird immer dann die Rede sein, wenn Gott zugunsten von Ismael rettend eingreift und wenn von seiner Bewahrung die Rede ist.138 So kündigt sich schon hier – noch sehr verdeckt – auch eine andere Dimension der Behandlung Ismaels an.

Der Vertreibungsforderung Gottes folgt sogleich eine Volkwerdungsverheißung für Ismael nach, was den Widerspruch von bedrohendem und rettendem Gott bereits innerhalb der Gottesrede zusammenführt. Etwas Ähnliches ist schon in der Verbindung von Hagars Rückkehrbefehl und den anschließenden Verheißungen (16,9ff) sichtbar geworden. Wieder ist es nötig, diesen Widerspruch aushaltend nachzudenken. Warum fordert Gott jetzt, nachdem die Geburt Isaaks gerade mit einem Fest gefeiert wird, die Vertreibung Ismaels, anstelle sich gegen Saras Enterbungsforderung zu stellen? Warum macht er schweres Unrecht zu seiner Sache, das er doch eigentlich zu ahnden hätte? Und warum bekräftigt Gott gerade mit seiner Vertreibungsforderung auch seine Verheißung für Ismael? Und warum verlangt Gott von Abraham139, seinen Sohn und seine zweite Frau in eine tödliche Bedrohung zu schicken, um ihn dann selbst aus ihr zu erretten? 2.5.1 Theologie der Zumutung, Anfechtung, Erprobung Was sich in diesen Konfliktkonstellationen ankündigt, ist ein Problemzusammenhang, der in der Episode von der ›Bindung Isaaks‹ (Gen 22) seinen stärksten Ausdruck gefunden hat: Die Erfahrung, dass Gott als sein eigener Widersacher erscheint. Gott fordert von Abraham den eigenen Sohn, um diesen dann selbst aus seiner Todesnot zu retten, in die er ihn zuvor gebracht hat. Dies wird in Gen 21 und 22 zweimal erzählt Vgl. V.17a.18b.19e.20a. Die unterschiedliche Bezeichnung Ismaels in Gen 21 ist nicht durch verschiedene Quellen, eher durch die Erzähldramatik bestimmt. Als Kind (dly) wird Ismael genannt (V.14-16), um die Not der Vertreibung Ismaels als Kleinkind gegenüber dem Gedeihen des Kleinkindes Isaak (V.8) sichtbar zu machen. Die Rede vom Sohn !b hebt das Erbschaftsproblem der beiden Abrahamsöhne hervor. Die Bezeichnung ›Same Abrahams‹ (V.12f) wiederum betont in theologischer Perspektive die Gemeinsamkeit der Nachkommen beider. Ähnlich I. FISCHER, Erzeltern, 307. Zur Bezeichnung von Ismael und Isaak als !b, dly und r[n in Gen 21 und 22 vgl. auch G. STEINS, Bindung Isaaks, 156f. 139 Hierin wird deutlich, dass es der Erzählung nicht darum geht, von Sara ein negatives Charakterbild zu entwerfen. Von Sara ist nach V.10 nicht mehr die Rede. Auch in die Vertreibung ist sie nicht involviert. Sara ist mit ihrer harten Forderung nur mehr Auslöser, Anlass für das, was sich in V.12-14 zwischen Gott und Abraham ereignet. 138

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und variiert. Die verblüffende Parallelität beider Episoden verlangt geradezu, beide Texte nebeneinander zu hören, aufeinander zu beziehen und gemeinsam zu verstehen. Gott fordert von Abraham hier das ›Opfer‹ seines ersten Sohnes, nicht weil Ismael nach der Geburt Isaaks für den Fortgang der Familiengeschichte entbehrlich ist und dies daher für Abraham keinen besonderen Verlust darstellt, wie gern interpretiert wird, sondern weil Gott hier wie in Gen 22 prüft, ob Abraham in äußerster Konsequenz (und in äußerster Anfechtung) preiszugeben bereit ist, was er von Gott zuvor empfangen hat. Das Opfer des zweiten Sohnes Isaak wird von Abraham in abgründiger Steigerung dessen, was in Gen 21 geschieht, auch noch verlangt werden (Gen 22). Und am Ende werden beide Söhne von Gott gerettet und bewahrt und mit Verheißungen versehen, und zwar von dem Gott, der ihre Preisgabe gefordert, sich aber selbst gegen diese eigene Forderung als Retter zum Zuge gebracht hat. In diesen Kontrastepisoden geht es um die Spannung zwischen aktiver anfänglicher Lebensbedrohung und Lebensrettung in dem einen Gottesgedanken. Dieser Zusammenhang ist in der Forschung schon hinlänglich gesehen und theologisch gewürdigt worden. Theologisch versuchen diese Episoden den Zusammenhang von fürsorglicher und widriger Gottesund Lebenserfahrung zu bearbeiten. So hat JEREMIAS ihre theologische Programmatik in folgender Weise herausgestellt: In beiden PreisgabeEpisoden ist es »jeweils Gott selber, der die beschriebene Lebensgefahr der beiden Kinder (sc. Ismael und Isaak) überhaupt erst herbeiführt, aus der er im Verlauf der Erzählung auf überraschende Weise auch wieder rettet.«140 Das zentrale Anliegen des Erzählers in beiden Texten ist offensichtlich, dass Gott weder nur der Gefährdende noch der Rettende ist, sondern dass er beides zugleich ist. Indem Gott von Abraham die Preisgabe beider Söhne fordert, gefährdet er nicht nur ihr Leben, »sondern er gefährdet gleichzeitig sein eigenes Wort, seine Zusage, die an diese Kinder gebunden ist. Damit gefährdet er letztlich sich selber, denn das biblische Israel hat sich stets geweigert, einen Gott anzuerkennen, der beliebige Zusagen geben und revozieren kann, also die verkörperte Unzuverlässigkeit und Willkür ist.«141 Dahinter stehe auch in Gen 21 eine Theologie der Gottesprüfung, die einlädt, widrigen Lebens- und Gotteserfahrungen stand- und an der Hoffnung auf einen letztlichen fürsorglich rettenden Gott festzuhalten.142 Die Episoden von der Ver140

J. Jeremias, Gen 20-22 als theologisches Programm, 62. Ebd. 65. 142 J. JEREMIAS sieht in den traditionell als »elohistisch« bestimmten Texten Gen 20-22 drei Rettungserzählungen dieser Art. Und er gewinnt daraus auch ein Kriterium für eine vordeuteronomistische Datierung von Gen 20-22. Während es in der dtn./dtr. Linie um Gehorsam gegenüber dem schriftlich überlieferten Gotteswillen geht, sind Gen 20-20 141

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treibung Ismaels (Gen 21) und von der Bindung Isaaks (Gen 22) sind für die Rezipienten Einladungen, »Gott auch dort wahrzunehmen und ihm zu vertrauen, wo er scheinbar sein eigener Widersacher, scheinbar sein eigener Widerspruch geworden ist.«143 Dabei besteht das ›Vorrecht‹ der Nachkommen Isaaks (Gen 22) gegenüber den Nachfahren Ismaels darin, dass Gott sie in eine »noch größere Gottesferne und Gottesfinsternis führt«144, aber auch darin, dass erst bei Isaaks Rettung der in Israel vertraute Gottesname Jhwh erscheint (Gen 22,11), während in den »Nichtisraeliten« betreffenden Rettungserzählungen der eher allgemeine Gottesbegriff Elohim verwendet wird. Auch HEINSOHN sieht das theologische Ziel beider Preisgabe-Episoden darin, dass sie mit der Spannung zwischen aktiver Lebensbedrohung und Lebensrettung in einem Gottesgedanken zu tun haben, und daher die Gotteserfahrung »zwischen Verheißung und Verborgenheit« thematisieren.145 Gegenüber Gen 16, als dessen relecture Heinsohn die Vertreibungsepisode auffasst, sei dieses Thema deutlich verstärkt. »Dass am Ende der Erzählung das rettende Handeln Gottes dominiert, ist dabei als bewusste Akzentsetzung von größter Wichtigkeit anzusehen. Auf diese Weise entfaltet die Erzählung möglicherweise ihre für die Leserinnen und Leser größte Verheißung, indem sie der Verborgenheit Gottes das Siegel der Vorläufigkeit verleiht – oder vorsichtiger formuliert, das Siegel der Endgültigkeit raubt.«146 Im Einzelnen beobachtet HEINSOHN besonders, wie sich die Protagonisten coram deo verhalten und stellt die ungeheure Zumutung der göttlichen Forderung nach Preisgabe seiner Söhne für Abraham heraus. Denn anders als die Leserschaft weiß der literarische Abraham nichts von der Errettung Ismaels in der Wüste, von dessen bleibender Bewahrung und von Gottes Mitsein mit diesem. Abraham muss ganz darauf vertrauen, dass der ihm bedrohlich begegnende Gott (V.12) zu seinem Verheißungswort (V.13) steht. Auch als die Aufforderung zur Opferung Isaaks an ihn ergeht (Gen 22,2), verfügt Abraham über keinerlei Wissen, während die Leserschaft darüber orientiert wird, dass der Opferbefehl Abraham »nach diesen Ereignissen« (also Gen 21) erreicht und als Erprobung gemeint ist.147 Auch HEINSOHNs Studie zeigt nachvordtn./dtr. Erprobungserzählungen, in denen es um Gottesehrfurcht und Zutrauen auch in Leiderfahrungen geht. Ähnlich in verschiedenen Arbeiten auch H.C. SCHMITT. 143 Ebd. 66. 144 Ebd. 67. 145 So der Titel ihrer instruktiven Studie. 146 N. Heinsohn, Zwischen Verheißung und Verborgenheit, 116. 147 Ebd. 113: »Es scheint als mute der Verfasser von Gen 22 den Leserinnen und Lesern die Zumutung, die Abraham zuteil wird, gerade nicht zu.« Man muss hier allerdings in Rechnung stellen, dass Abraham, als er den Opferbefehl in Gen 22,2 hört, sich wenigstens daran erinnern kann, dass der Vertreibungsbefehl in Gen 21,12 schon mit einer Verheißung verbunden war.

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drücklich, dass in Gen 21 wie auch in Gen 22 theologisch grundlegende Fragen thematisiert werden, die für das altisraelitische Gottesverständnis von zentraler Bedeutung sind.148 Dass der fürsorglich rettende Gott zuerst als »Gegenbild seiner selbst« erfahren werden muss, verbindet die drei Szenen in Gen 16,9; 21,12; Gen 22,2 und bildet damit eine spezifische Tonlage in der Abrahamerzählung.149 2.5.2 Gott fordert beide Söhne – Gen 21 und Gen 22 als Paralleltexte Lange Zeit sind vor allem die Entsprechungen in den Rettungsszenen (21,17-19; 22,11-13) wahrgenommen und als Kennzeichen elohistischer Verfasserschaft ausgewertet worden. Erst in neuerer Zeit ist durch die Arbeiten von BLUM, FISCHER und STEINS das Ausmaß gegenseitiger Entsprechungen der beiden Episoden insgesamt in den Blick gekommen.150 Gemeinsame Züge beider Texte finden sich sowohl in der narrativen und theologischen Grundstruktur wie auch in Einzelzügen und im Vokabular. Eine solche bemerkenswerte Parallelität bis in die Wortwahl hinein »kann kein Zufall sein, sondern ist Ausdruck bewusster Gestaltung«151 und im Hinblick auf die Leserorientierung als Aufforderung zu sehen, die beiden Geschichten, die sich gegenseitig beleuchten, auch 148

HEINSOHN spricht mit der dogmatischen Tradition von der Verborgenheit Gottes, die sich in solchen Kontrastkonstellationen ausspricht. Von Gen 16,9; 21,12; 22,2 her müsste man eher sagen, dass es der (in den Kontrasterfahrungen) offenbare Gott ist, der Furchtbares fordert, das sein eigenes Verheißungshandlung zu konterkarieren scheint. In den Zumutungen des offenbaren Gottes drückt sich die Erfahrung und Verunsicherung angesichts widriger Lebenserfahrungen aus, die dennoch nicht aus dem Machtbereich Gottes ausgeklammert werden sollen. Dies ist die Sprachgestalt, mit der die Genesis einen Erfahrungszusammenhang bedenkt, der in der christlichen Theologie als »Gottes Verborgenheit« reflektiert wird. 149 I. FISCHER, Erzeltern, verkennt m.E. trotz vieler guter Beobachtungen die theologische Problemlage der Vertreibungsepisode. Mit H. GUNKEL u.v.a. sieht sie Abrahams Einspruch V.11 und die erste Gottesrede (V.12f) als Nachtrag an, der Abraham entlasten will. So erhält sie eine Rettungserzählung, in der Gott Hagar und Ismael aus der Not rettet, in die sie durch die Hartherzigkeit Abrahams und Saras gekommen sind. Diese Grundschicht ist keine Gottesprüfung Abrahams, sondern die Geschichte seines Sündenfalls (»Der eine Sohn wurde leichten Herzens preisgegeben«, 337), die nachträglich notdürftig kaschiert worden sein soll. Damit ist die Bedeutung der ersten Gottesrede, die im Kontext nicht entbehrlich ist, kaum zutreffend verstanden und die von I. FISCHER betonte Parallele zu Gen 22 auch in dieser Hinsicht unterschätzt. 150 Vgl. jeweils nur knappe Bemerkungen bei J. MAGONET, Söhne Abrahams; J. VAN SETERS, Abraham, 237f; H.C. WHITE, Isaac; sodann E. BLUM, Vätergeschichte, 314f; M. SCHWANTES, »Lege deine Hand nicht an das Kind« sowie vor allem J.I. LAWLOR, Test, 34f; I. FISCHER, Die ›Opferung‹ der beiden Söhne Abrahams, 26-31, mit ausführlichen Auflistungen, die von G. STEINS, Bindung Isaaks, 147-163 sowie M. EGGER, Hagar, 310-333 noch weitergeführt werden. Mit gegenüber I. FISCHER anderer Akzentsetzung T. NAUMANN, Preisgabe Isaaks. 151 Zit. I. FISCHER, Erzeltern, 317 Anm. 198.

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gemeinsam zu verstehen. Die eine »Geschichte kann nicht ohne die andere gelesen und verstanden werden, beide erklären sich wechselseitig, jede von ihnen verwendet die gleichen Ausdrücke, damit man bei jeder an die andere denkt«152. Diesen Gedanken führt STEINS weiter: »Gen 22 erzählt aus der Perspektive fortlaufender Lektüre im ständigen Rückgriff auf die voraufgehende Erzählung.«153 Der Referenztext Gen 21 sei als ›Anatext‹ in Gen 22 präsent. Diese Verflechtung der beiden Episoden, in denen jeweils sachlich und inhaltlich andere Geschichten parallel erzählt werden, wodurch ein dichtes Netz gegenseitiger Bezüge entsteht, ist singulär in der hebräischen Bibel. Für die Interpretation dieses Zusammenhangs hat BLUM auf die alte jüdische Interpretation verwiesen, auch in der Vertreibung Ismaels eine der Prüfungen Abrahams zu sehen, die – was die furchtbare Härte der verlangten Zumutung angeht – dann nur von der Bindung Isaaks noch übertroffen wird: »Die Vertreibung Ismaels wird zu einem Vorspiel, man möchte fast sagen, zu einer ›Generalprobe‹ für Gen 22.«154 Eine umfassende Zusammenstellung der sprachlichen und strukturellen Übereinstimmungen braucht hier nicht noch einmal geboten werden. Ich beschränke mich darauf, einige für unsere Fragestellung signifikante Aspekte herauszustellen: 1. In beiden Erzählungen fordert Gott von Abraham die Preisgabe seines Sohnes in einer Weise, die vor dem Normsystem Israels nur als schweres Unrecht angesehen werden kann: die grundlose Vertreibung und Enterbung des Erbsohns sowie ein Menschenopfer. Auch die sprachliche Gestalt dieser Forderung ist von abgründiger Härte. In Gen 21,12 macht Gott die Vertreibungsforderung Saras, die Abraham um seines Sohnes willen (21,11) abgelehnt hatte, zu einer Gottesforderung, die von Abraham alles das verlangt, was sehr böse in seinen Augen war. In Gen 22 kommt Gottes Forderung aus dem Nichts und gibt jedem Wort ein grausames Gewicht: »Nimm doch deinen Sohn, deinen einzigartigen, den du lieb hast, ... und opfere ihn als Brandopfer« (22,2). Beide Gottesforderungen kommen einer Rücknahme der Gotteszusage gleich, der sich beide Söhne verdanken. So kulminiert im verlangten ›Opfer‹ der Söhne die familiengeschichtliche Spannung der Gesamtgeschichte. Gott fordert von Abraham zurück, was er ihm zuvor verheißen und nach langem Warten und vielen Umwegen geschenkt hat und was doch die Voraussetzung dafür wäre, dass sich seine Verheißungen erfüllen.155 Dabei entsprechen dem größeren Wunder der Geburt Isaaks So J. MAGONET, Söhne Abrahams, 209. G. STEINS, Bindung Isaaks, 158. 154 E. BLUM, Vätergeschichte, 314. 155 Während in 21,13 Gott im Vertreibungsbefehl mit einer Verheißung für Ismael bekräftigt, dass Abraham nicht mit dem erwartbaren Tod seines Sohnes zu rechnen hat, muss sich Abraham in Gen 22 ohne jedes entlastende Signal auf den Weg machen. 152 153

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auch die härtere Prüfung Abrahams und die grausamere Gefährdung des Sohnes. Aber wer will schon eine Rangliste des Grauenvollen erstellen? 2. Abraham tut, was Gott von ihm verlangt und wird zum ›Widersacher‹ seiner Söhne. Die Aufbruchsszenen in 21,14; 22,3f sind strukturell identisch erzählt und beginnen mit einem schweigenden Aufbruch am Morgen (rqbb ~hrba ~kXyw). Den Sohn begleitet jeweils ein Elternteil. Deren Handlungsfunktionen sind jedoch gegensätzlich. In 21,14f ist es Ismaels Mutter Hagar, die mit ihrem Sohn vertrieben wird und als seine ›Helferin‹ die Gefährtin seiner Todesnot und die Mittlerin seiner Rettung ist. In 22,3f ist es Abraham selbst, der zum ›Widersacher seines Sohnes‹ wird, ihn begleitet und mit eigener Hand zu töten bereit scheint. Während die Aufbruchsszene der Vertreibung Ismael 21,14f fast unmittelbar in Todesnot bringt, ist der Weg zur Schlachtstätte in Gen 22 eine dramatisch ausgearbeitete dreitägige Marter. Das Beklemmende dieser Szenen wird noch durch die Passivität der Betroffenen (Hagar und Ismael, Isaak) gesteigert. In Vertreibung und ›Bindung‹ sind beide Söhne schuld- und protestlose Objekte der Handlungen Abrahams. Die von dieser göttlichen Zumutung betroffenen Söhne haben die Gefährdung und Todesangst in voller Härte zu erleiden. Die »Prüfung« des Vaters nimmt die Gefährdung der Kinder, in Ismaels Fall auch die seiner Mutter, in Kauf. Freilich taucht das Thema Prüfung explizit in Gen 21 nicht auf, sondern nur in der Leserorientierung in Gen 22,1, so dass sich erst aus der Rückschau von Gen 22 her auch die göttliche Zumutung der Vertreibung Ismaels und Hagars als »Prüfung« des Abrahamgottes erschließt. 3. Abrahams Trennung von seinem Sohn wird jeweils mit der Handlungsabfolge von Nehmen, Aufladen und Gehen ($lh, ~yX, $lh) erzählt. Nach Gen 21,14 nahm Abraham Brot und den Wasserschlauch und lud sie auf Hagars Schulter, und sie ging und verirrte sich in der Wüste. Nach Gen 22,6 nahm Abraham das Opferholz, und lud es Isaak auf. So gingen sie miteinander zur Schlachtstätte. 4. Auf dem Höhepunkt der Krise sind Hagar mit Ismael und Abraham mit Isaak allein. Beide Abrahamsöhne sind vom Tod bedroht, der eine liegt vom Vater verstoßen, verdurstend unter einem Wüstenstrauch, der andere liegt vom eigenen Vater gebunden auf dem Altar und erwartet den Tod von dessen eigener Hand. 5. Die dramatische Spannung wird jeweils durch die wunderbare Erscheinung eines göttlichen Boten gebrochen. Beide Söhne werden im letzten Augenblick von Gott gerettet, indem ein Gottesbote vom Himmel her Hagar bzw. Abraham direkt anruft und die Rettung des r[n Dafür erlebt er bei Isaaks Rettung selbst, dass der Furchtbares fordernde Gott auch der rettende Gott sein kann, während er bei der Rettung Ismaels nicht mehr zugegen ist.

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(Knaben), wie die Abrahamsöhne jeweils von Gott genannt werden, einleitet. Die Rettung wird in der Gottesrede mit einem yk-Satz begründet (21,17; 22,11f). In der Ismaelszene ist als Grund der Rettung das Erhörungsmotiv des Ismaelnamens eingewoben, in der Isaakszene wird die Rettung damit begründet, dass Abraham die Probe bestanden hat. In der Epiphanieszene auf dem Höhepunkt der Geschichte sind die wörtlichen Entsprechungen beider Texte am dichtesten. Ein Unterschied besteht allerdings darin, dass in Gen 22 vom Boten Jhwhs, in Gen 21 vom Boten Elohims die Rede ist. In Gen 21 erscheint Gott durchgängig als Elohim, wohingegen in Gen 22 der das Sohnopfer fordernde Gott als Elohim, der rettende Gott als Jhwh erscheint. 6. Die praktische Ausführung der Rettung erfolgt dann, indem Abraham und Hagar etwas sehen (~yny[ + har), zu dem sie hingehen ($lh) und damit das Weiterleben der Abrahamsöhne ermöglichen: Gott öffnete Hagar die Augen und sie sah einen Wasserbrunnen, zu dem sie ging, und aus dem sie dem Knaben (Ismael) zu trinken gab (21,19). Abraham erhob seine Augen und sah den Widder, der sich im Gestrüpp verfangen hatte, ging hin und opferte ihn als Brandopfer. 7. Die Rettung der Söhne ist mit einer Erneuerung der Verheißung verbunden. In 22,15-18 wird sie jedoch Abraham zugesprochen, weil Isaak als Nachfolger Abrahams erst nach dem Tod des Erzvaters als Adressat von Väterverheißungen fungiert. In 21,18 wird die Ismael geltende Verheißung eines großen Volkes bekräftigt und in V.20 Gottes bleibende Fürsorge für Ismael mit der Mit-Seins-Formel ausgedrückt. 8. Die Erzählweise beider Texte ist äußerst reduziert. Charakteristisch sind knappe Handlungsschilderungen ohne Beschreibungen von Details, Gedanken, Gemütszuständen. Nur die notwendigsten Requisiten werden genannt. Nahezu alles, was den aufmerksamen Leser brennend interessiert, bleibt unausgesprochen, ist in den Strukturen des Verschweigens verborgen. So gelingt es, vom vielschichtigen und beredten Schweigen des ›gehorsamen Abrahams‹ an eine drückende, ständig sich in der Einsamkeit der Wege steigernde Spannung zu erzeugen,156 die von einer Gotteserscheinung verursacht und von einer Gotteserscheinung gelöst wird. Auch mit der Erfahrung der Preisgabe durch den eigenen Vater nimmt Ismael das spätere Geschick seines jüngeren Bruders vorweg. Noch in diesen letzten dramatischen Konstellationen werden Ismaels und Isaaks Lebensgeschichte erkennbar und absichtsvoll parallelisiert.

156 Zur Erzählweise von Gen 22 vgl. E. AUERBACH, Narbe des Odysseus, 11-13; G. V. RAD, Opfer Abrahams; ferner H.-D. NEEF, Prüfung Abrahams, D. VETTER, Bindung Jitzchaks, sowie T. NAUMANN, Bindung Isaaks, 31-44.

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2.5.3 Die Unterscheidung der Nachkommenslinien Abrahams und die theologische Zuordnung Isaaks und Ismaels (V.12f) Anders als in Gen 22,2, wo Gottes Opferungsbefehl an Abraham unvorbereitet und ohne jede Erklärung ergeht, begründet Gott in V.12d. 13 seine Forderung. Darin findet sich auch in theologischer Hinsicht ein interessantes Modell der Bewertung, Zuordnung und Abgrenzung der beiden Abrahamsöhne und ihrer Nachfahren. Die Verbindungslinien zu Gen 17,18-21 sind mit Händen zu greifen. Auf eine Intervention von Abraham zugunsten Ismaels reagiert Gott dergestalt, dass er in einem abgestuften Modell unterschiedliche Verheißungslinien zuerst mit Isaak, sodann mit Ismael verbindet. Darüber, dass die Texte vor allem am Gegensatz der beiden Brüder interessiert sind, ist sich die traditionelle Exegese einig. Beide Texte seien »dem gleichen Interesse an der Trennungslinie zwischen den Nachkommen Isaaks und Ismaels erwachsen«157. Ihnen gehe es »primär um die Betonung der legitimen Linie der Nachkommenschaft durch Isaak im Gegensatz zu Ismael«158. Im Folgenden werde ich zeigen, dass es auch hier um die Zuordnung der Verschiedenen in einer gemeinsamen Konzeption vom ›Samen Abrahams‹ geht, wie wir dies zu Gen 17 schon erarbeitet haben.

a) Das rezeptionsgeschichtliche Problem (Röm 9,6-12)

Diese bis heute ungebrochen fortbestehende exklusive Auslegungslinie von Gen 21,12f geht in der christlichen Tradition auf Paulus zurück.159 Der Apostel hat von der Hagar-Ismael-Erzählung vor allem den Austreibungspassus V.10-12 rezipiert, alle Gottesverheißungen an Hagar oder Ismael negiert und so in der Erzählung den Gedanken begründet gesehen, dass nicht alle leiblichen Nachkommen Abrahams auch in einem geistlichen Sinn ›Abrahams Samen‹ sind. So stützt die Isaak-Ismael-Konfiguration sein Argumentationsziel im Römerbrief, dass nicht alle, die zu Israel gehören, auch Gotteskinder sind, und dass auch Gotteskind sein kann, wer nicht von Israel abstammt. In Röm 9,6b-8 schreibt Paulus: »Denn nicht alle, die von Israel abstammen, gehören zu Israel; 7) und nicht schon desC. WESTERMANN, Genesis, 417. E.A. KNAUF, Ismael, 17 Anm. 72, beschreibt den parallelen Aufbau in Gen 17,18-21/21,12f in drei Schritten: 1) »Intervention von Abraham zugunsten Ismaels 21,11/17,18«; 2) »Ablehnung der Intervention durch Gott zugunsten Isaaks 21,12/17,19«; 3) »Aufnahme der Intervention zugunsten Ismaels 21,13/ 17,20«. Die innere Unlogik dieser Reihe (Wie kann als Ablehnung verstanden werden, was in derselben Gottesrede positiv aufgenommen wird?), entgeht dem Blick der Ausleger. 158 Zit. R. RENDTORFF, Pentateuch, 61. 159 Vgl. Röm 9,6-8; Hebr 11,18.

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wegen, weil sie Same Abrahams sind, sind sie Kinder Gottes. Sondern: (nur) ›in Isaak soll dir Same berufen werden‹.160 8) Das heißt: Nicht die leiblichen Kinder, die sind Kinder Gottes, sondern (nur) die Kinder der Verheißung werden zum ›Samen‹ (Abrahams) gerechnet.«

In einer solchen Perspektive, die bei Paulus ganz von der erwählenden Freiheit Gottes durchdrungen ist, muss die Isaak geltende Zusage V.12d als exklusive Erwählungs- und Berufungszusage im Hinblick auf Isaak, und seine spirituellen Nachkommen und gleichzeitig als ein strikter Gegensatz zu V.13 und Ismael aufgefasst werden. Dies ist unabhängig davon, ob Paulus in seiner Argumentation auf das Kontrastpaar Isaak/ Ismael anspielen wollte, denn Ismael wird in Röm 9,6ff nicht erwähnt. Paulus ist in seiner Argumentation auf der Suche nach Modellen der Binnendifferenzierung, die er wenig später in der Jakob-Esau-Konfiguration nach Mal 1,2f (Röm 9,11f) und in verschiedenen prophetischen Abgrenzungsmodellen (Röm 9,14ff) findet. Isaak ist für Paulus nicht in seiner Eigenschaft als leiblicher Nachkomme Abrahams interessant, denn die genealogische Abkunft soll in ihrer Bedeutsamkeit gerade entwertet werden, sondern als Typus der in Christus Erwählten. Isaak gilt ihm als Zeichen dafür, dass sich die erwählende Freiheit Gottes nicht allein danach richtet, wer zu den leiblichen Nachkommen Abrahams gehört.161 Im Gefolge des Paulus haben mehr oder weniger deutlich alle christlichen Ausleger in Gen 21,12d eine besondere Erwählung Isaaks im Kontrast zu Ismael gesehen.162 Dieser angenommene Gegensatz ist darüber hinaus zu einer Leitkategorie der Literarkritik geworden, in der V.12 und V.13 als inhaltlich unvereinbar gelten und daher oft unterschiedlichen Bearbeitungsstufen zugewiesen werden. Dabei hätte die Einsicht in die Selektivität und Interessengebundenheit der paulinischen Lektüre, aber auch die Wahrnehmung der deutlich ausgesprochenen Verheißungen für Ismael sowie der heilvolle Fortgang der Geschichte in Gen 21 eigentlich zur kritischen Vorsicht mahnen können. Gleichwohl gibt es wie schon in Gen 17,18-21 einen jahrhundertealten Konsens, dass es um einen Gegensatz und den Ausschluss Ismaels aus dem Erbe der Verheißung geht. Als sichtbarer Ausdruck dieser theologischen EntZit. Gen 21,12d in der Fassung der LXX. Zu Röm 9,6-13 vgl. etwa G. SASS, Leben aus der Verheißung, 434-461. 162 Vgl. exemplarisch die Auslegungen von M. LUTHER, J. CALVIN, C. WESTERMANN, und die Kommentare von V.P. HAMILTON, H. SEEBASS. Selbstverständlich gibt es in vielerlei Hinsicht Differenzierungen. Für J. CALVIN, Genesis, 224f, wird Ismael als Übeltäter bestraft und aus dem Gotteserbe gestoßen, Isaak dagegen als wahrer ›Same Abrahams‹ erwählt. H. SEEBASS, Gott, 70f. DERS., Vätergeschichte I, 179f.186f, betont dagegen, dass die Erwählung Isaaks weder in der Schuld Ismaels noch in den Vorzügen Isaaks begründet liegt. Sie verdankt sich dem freien (d.h. auch der Einsicht nicht zugänglichen) Erwählungshandeln Gottes. 160 161

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erbung gilt die von Gott geforderte Vertreibung Ismaels aus dem Land. Es wird sich zeigen, dass die genealogische und theologische (Unter-) Scheidung der Nachkommenslinien der Abrahamsöhne, die in V.12f gewiss auch vollzogen wird, von einer gemeinsamen Basis der Abrahamkindschaft zusammen gehalten wird.

b) Isaak – »... in Isaak soll dir Same genannt werden« (V.12d)

Diese Gottesrede (V.12f) ist im Gesamtzusammenhang besonders wichtig, weil nun die letzte und damit auch abschließende gemeinsame theologische Bewertung der Abrahamsöhne vor ihrer räumlichen Trennung vorgenommen wird, und weil hier anders als Gen 17,19ff der Umstand der Vertreibung Ismaels theologisch bereits mitreflektiert wird. V.12 V.13

c Alles, was Sara zu dir sagt, höre auf ihre Stimme. d denn in Isaak soll dir Same genannt werden ([rz $l arqy qxcyb yk). a Und auch (~gw) den Sohn der Sklavin, zu einem (großen)163 Volk will ich ihn machen. b denn dein Same ist er (awh $[rz yk).

Formal liegen für Isaak und für Ismael zwei durch ~gw zusammengefügte Gottesworte vor, die – den zeitlichen Horizont der Erzählung übersteigend – in eine fernere Zukunft vorausgreifen und damit beide als Verheißungsworte zu kennzeichnen sind. Der Zukunftsaspekt wird zudem daran deutlich, dass die Verheißungen durch die Kategorie des ›Samens ([rz) Abrahams‹ die Nachfahren Isaaks und Ismaels zusammenbindet. Die Vorstellung ›Same Abrahams‹ zu sein, ist die theologische und genealogische Brücke, welche die Erzählgemeinschaft Israels mit der Individualgeschichte der Abrahamfamilie verbindet. Das Verheißungswort an Isaak ist in den Begründungssatz der Vertreibungsforderung eingebunden, das Verheißungswort an Ismael V.13a wird, was sonst nicht üblich ist, mit einem yk-Satz ausdrücklich begründet. Formal außergewöhnlich sind die beiden parallel geordneten Begründungssätze, denen eine besondere Bedeutung zukommt, weil in ihnen mit geradezu definitorischer Genauigkeit Zuordnung und Unterscheidung Isaaks und Ismaels zur Geltung gebracht werden. Mit beiden Sätzen begründet Gott die von ihm geforderte Vertreibung. Die Wendung: [rz $l arqy qxcyb yk – ›Denn in Isaak wird dir Same (Nachkommenschaft) genannt werden‹ (V.12) führt in die Tradition faIm MT steht ywgl anstatt lwdg ywgl, wie in V.18 und allen anderen Volkwerdungsverheißungen (Gen 12,2; 17,18 u.a.) Samaritanus, LXX, V, überliefern auch in 21,13 den üblichen Sprachgebrauch. Der Unterschied ist nicht erheblich. An der Tatsache der Verheißung ändert sich nichts. Falls MT ursprünglich ist, dann ist V.18 nicht nur als wiederholende, sondern als im Hinblick auf Hagar gesteigerte Bekräftigung von V.13a zu lesen.

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miliärer Segenszusagen hinein. Der Name des Ahnvaters soll in der Kontinuität der Generationen »genannt werden« und damit fortleben.164 Als ein Gegenbild hierzu hält etwa Jes 14,20 fest, dass der Same des Übeltäters (also auch seine Nachkommen) nie wieder genannt werden wird. In Gen 48,16 segnet Jakob die Josefsöhne Efraim und Manasse: »Dass durch sie mein Name und der Name meiner Väter Abraham und Isaak genannt werden wird.«165 Gemeint ist das Fortleben Abrahams in der Kontinuität der Generationen der Isaaklinie, die auf das spätere Israel hinführt, das sich dann selbst als ›Abrahams Same‹ verstehen wird. Dann besagt die Verheißung in V.12d: In Isaak wird die Generationenlinie derer weitergehen, die sich ›Abrahams Same‹ nennen und sich auf diese Weise mit dem Ahnvater verbinden werden. Der familiäre Segenswunsch wird in V.12d in eine durch Gott zugesprochene und verbürgte Verheißung transformiert. Abrahams Name soll nicht vergessen, sondern noch Generationen nach ihm in Israel genannt werden und der Identifikation Israels als ›Same Abrahams‹ dienen. Isaak und die nach ihm folgenden Generationen sind nicht der Ausgangspunkt dieses Segens, sondern die vermittelnden Bindeglieder zu Abraham, dem Begründer dieser Familie und Abstammungsgemeinschaft. Die Annahme, dass Gott mit dieser Zusage Isaak und seine Nachkommen aus dem Kreis der Abrahamiten in ein besonderes und nur ihnen geltendes Gottesverhältnis beruft, nämlich im theologischen Sinn des Begriffs ›Same Abrahams‹ zu sein, lässt sich vom Text her nicht näher stützen. Eine Berufung wird zwar oft mit arq und göttlichem Subjekt ausgedrückt.166 In V.12d kann Gott als Sprecher jedoch nicht das Subjekt von arqy (3. Pers. Sg.) sein, zumal die formalen Parallelen in einen anderen Traditionszusammenhang weisen. Einerseits legt die Erwähnung der Kategorie ›Same Abrahams‹ theologische Grundsatzsprache in Anlehnung an Gen 17 nahe, andererseits ist diese Zuschreibung gerade nicht allein Isaak vorbehalten. Deshalb betont SEEBASS zu Recht: »V 12b kann mit V 13b nur dann in einem Argument zusammenstehen, wenn nicht die Nachkommenschaft als Vgl. C.J. LABUSCHAGNE, THAT II, 666-674.669f; E. JENNI, Präposition Beth, 167f, der arq Nif. + b als Vorgang anspricht, bei dem jemand nach einer Person oder einem Ort benannt oder umbenannt wird. 165 Vgl. Gen 48,16: wmX (sc. Efraim und Manasse) ~hb arqyw. Die Präposition b bezeichnet hier wie in Gen 21,12 die Vermittlungsinstanz des Fortlebens des Namens. Vgl. noch Rut 4,14: der Name Boas möge in Israel (larXyb) genannt werden, d.h. innerhalb des Volkes Israel und durch die Vermittlung der Israeliten berühmt und in bleibendem Andenken bleiben. 166 Vgl. nur bei DtJes 41,9; 49,1; 51,2; 54,6. Mit den Berufungsaussagen, die bei DtJes in nichtexklusiver Redeweise begegnen, ist Gen 21,12d meist parallelisiert und exklusiv verstanden worden. Vgl. aber C.J. LABUSCHAGNE, THAT II, 669f. 164

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solche Gegenstand des Arguments V 13b bzw. der Benennung V 12b ist, sondern wenn eine besondere Wahl eine Nachkommenschaft von der anderen unterscheidet und trotzdem, ganz im Duktus der Erzählung, Gott Ismaels Sohnschaft berücksichtigt.«167 SEEBASS versteht V.12b dennoch als einen Auswahlakt, eine Art göttliche Proklamation, in der die besondere Wahl Israels, nicht Isaaks, als dem wahren Erben Abrahams ausgesagt ist. Er sieht richtig, dass angesichts der beiden Sätze in V.12b und V.13b die Sohnschaft der beiden Abrahamsöhne als ›Same Abrahams‹ das Gemeinsame und nicht das Unterscheidende ist. Das Unterscheidende liegt darin, dass sich das Volk Israel über Isaak selbst ›Same Abrahams‹ nennen wird oder von anderen so genannt wird. Dieses sieht SEEBASS hier durch Gott proklamiert. Er versteht die Präposition b instrumental und temporal, so dass durch und nach Isaak der Same Abrahams namhaft werden wird – nämlich Israel. SEEBASS fährt dann fort: »Erst in Isaak wird Abrahams Nachkomme namhaft, Isaak selbst soll dieser Nachkomme nicht sein .... Da V 12b und V 13b dasselbe Wort ›Nachkomme‹ verwenden, ist nun klar, dass die bei Isaak erfolgende Namengebung den Ismael ebenbürtigen Namen Israel meint. Israel, nicht Isaak wird also der wahre Erbe sein.«168

Damit ist SEEBASS allerdings wieder bei einem exklusiven Erwählungsakt angekommen, der eine besondere Linie zum ›wahren Erben‹ ernennt. Solches ist dem Text aber nirgends zu entnehmen und schon gar nicht in dem indeterminierten [rz zu finden. So richtig es ist, dass mit [rz nicht Isaak, sondern das nachmalige Israel im Blick ist, so wenig ist es nötig, über einen seltsamen und kaum anderweitig belegbaren Gebrauch der Präposition b die Bedeutung Isaaks hier ganz zu eliminieren. Auch der hohe proklamatorische Ton, den die Übersetzung »soll dir namhaft gemacht werden« enthält, ist der Fügung arq Nif. + b schwerlich abzugewinnen. Es geht um einen Vorgang, bei dem man sich selbst nach einer Person oder einem Ort benennt oder von anderen danach genannt wird.169 Es handelt sich in V.12b angesichts der oben genannten vergleichbaren Fügungen um eine Segenszusage, die auf Erinnerung, familiäres Gedächtnis und Identifikation derjenigen abhebt, die sich Abrahams Samen nennen. Dadurch wird Israel als Volk, das sich über Isaak »AbraH. SEEBASS, Vätergeschichte I, 180 (Hervorhebungen getilgt). Vgl. H. SEEBASS, ebd., 175. 169 Schon C.F. KEIL, Genesis, 207, fand dies zu schlicht: »Dieser Ausspruch kann nicht den Sinn haben: ›ach Isaak werden deine Nachkommen sich nennen‹, denn in diesem Falle müsste mindestens $[rz stehen«. Stattdessen übersetzte er: »in der Person Isaak soll dir Nachkommenschaft werden und als solche gelten, da arqn das Sein und Anerkanntwerden des Seins in sich schließt«. 167

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hams Same« nennt, herausgehoben. Aber ebensowenig gibt der Text eine exklusive Tendenz zu erkennen, so als dürfe Abrahams Same nur in Isaak genannt werden170, oder als sei damit nur die Isaaklinie als wahrer Same Abrahams ins Sein gerufen und namhaft gemacht. Die Verheißung für Isaak betont und konzentriert sich auf das Abrahamgedächtnis Israels, während erst V.13 Angaben über die Abrahamnachkommen der Ismaellinie macht. Die Dinge verhalten sich ähnlich wie im Segensspruch Jakobs, der darauf bedacht ist, dass in Efraim und Manasse das Gedenken an ihn und die Väter weiterlebt, ohne jedoch den jeweils anderen von diesem Gedenken ausschließen zu wollen.171 Zweifellos sind mit V.12d besonders diejenigen in Israel angesprochen, die sich in der Gegenwart des Erzählers als ›Abrahams Same‹ verstehen und seinen Namen in Ehren halten. Die identifikatorische Rede vom ›Samen Abrahams‹ ist ab der spätexilischen Zeit besonders bei DtJes belegbar. Auf solche Kreise in Israel zielt vermutlich die Verheißung. Diese Israeliten sind das Subjekt von arqy, das im Verheißungstext unbestimmt bleibt. In ihnen und durch sie wird dem Abraham Same genannt werden. Abraham bekommt hier verheißen und von Gott bestätigt, was unter den Adressaten der Erzählung längst gilt. Die sich ›Same Abrahams‹ nennen, finden ihre Legitimität in jenem Verheißungswort Gottes an Abraham, das Saras Sohn Isaak betrifft.

c) Ismael – »... denn dein Same ist er« (V.13b) Die Verheißung für Ismael V.13 tritt mit ~gw angeschlossen neben das Gotteswort für Isaak. Die Konjunktion ~gw steht nicht im Verdacht, adversative Zuordnungsverhältnisse der Sätze V.12d.13 schaffen zu wollen wie wir dies in Gen 17,19-21 diskutiert haben. Sie stellt eine bewusste Verbindung zwischen beiden Worten und beiden Söhnen Abrahams her und tendiert auf Zuordnung und Vergleichbarkeit.172 Auch wenn sie Verschiedenes ankündigen, sind die beiden Verheißungen im gleichen Status der Söhne begründet, ›Same Abrahams‹ zu sein. Beide Gottes-

170 Das »nur« erscheint meistens schon in den Übersetzungen von Gen 21,12, die sich hier wiederum an Röm 9,7 anlehnen. So nicht nur. J. CALVIN, Genesis, 225, sondern auch H. GUNKEL, Genesis, 228. 171 Über diese Gedächtnisfunktion hinaus hat N. LOHFINK, Bedeutung, 16f, V.12d auf die Enterbungsfrage bezogen und als ›Quasidefinition‹ für die Rechtsnachfolge in der Abrahamfamilie angesprochen. Dass bei V.12d auch familien- oder erbrechtliche Gedanken mitspielen, kann zwar nicht ausgeschlossen werden, zumal die Isaakverheißung die Vertreibungsforderung begründet. Mit den Sachparallelen von V.12d lässt sich eine juristische Funktion der Wendung jedoch nicht belegen, so dass diese Art des Segens eher in die Gedächtniskultur als in die Rechtskultur gehören dürfte. 172 Vgl. die ähnliche Funktion von ~gw in Gen 17,16. Die dort mit ~gw eingeführte Verheißung für Sara will den Verdacht ausräumen, als müsse sich Abraham im Hinblick auf die ihm zugesprochenen Nachkommen allein auf Ismael stützen: »Und auch von ihr (Sara) will ich dir einen Sohn geben.«

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worte sind komplementär zu verstehen, indem sie gerade in der Unterscheidung der beiden abrahamitischen Nachkommenslinien die Einheit des ›Samen Abrahams‹ theologisch zur Geltung bringen. Inhaltlich ist die Verheißung für Ismael eine Bekräftigung von Gen 17,20, wo erstmals davon gesprochen wurde, dass Ismael zu einem großen Volk werden soll. Darüber hinaus führt sie das große Verheißungsthema von Gen 12,2 par. fort. wnmyXa [lwdg] ywgl173 ist sprachlich eigengeprägt, wird aber in der Verheißung an Hagar in V.18 noch einmal aufgenommen und in Gen 46,3 auch mit Jakob verbunden. Weder die gegenwärtige noch die ältere Exegese macht Versuche, V.13 als eine typische »Erzväterverheißung« zu behandeln, was sie ihrer Formensprache, ihres Inhalts und ihrer Theologie nach ist. GUNKEL und VON RAD übergehen sie als Doppelung zu V.18. Die traditionellen jüdischen Quellen schweigen bis auf das Jubiläenbuch, das aus dem Zusammenhang von V.12f einen wichtigen hermeneutischen Schlüssel gewinnt, wie wir noch sehen werden.

Auch in der geforderten Vertreibung wird Gott an seiner Verheißung für Ismael festhalten. V.13b macht nun gerade deutlich, dass auch hier die theologische Konzeption von ›Abrahams Samen‹ weiter gespannt ist und trotz der Vertreibung Ismaels nicht auf die Isaaklinie beschränkt bleibt. Darin steht Gen 21,12f in Übereinstimmung mit der Konzeption des Abrahambundes von Gen 17, wo gerade dies an der Gestalt Ismaels herausgearbeitet wurde. Gott begründet die Ismael betreffende Volkwerdungsverheißung damit, dass auch Ismael ›Abrahams Same‹ ist (awh $[rz yk – ›denn dein Same ist er‹). Auch in V.13 ist die Bestimmung ›Abrahams Same‹ zu sein, in der vollen theologischen Bedeutung des Begriffs von V.12d zu hören. Die Bedeutung dieser gezielt formulierten Begründung ist in ihrer Tragweite erst dann zu ermessen, wenn gesehen wird, dass die Verheißung nicht notwendig eine Begründung braucht, und dass eine Begründung jegliche Parallelität zu V.12d (Isaak) leicht hätte vermeiden können. Doch soll gerade dies betont werden: Isaak und Ismael sind beide ›Abrahams Samen‹. Die Unterscheidung, die zwischen V.12d und V.13b stark gemacht wird, ist nicht die zwischen legitimen und nicht legitimen Abrahamnachkommen. Sondern: die Linie derer, die sich (in Israel) darauf stützt, Abrahams ›Same‹ zu sein, darf sich mit vollem Recht auf das Gotteswort an Abraham und die durch Isaak genealogisch vermittelte Abrahamkindschaft berufen. Sie sind ›Abrahams Same‹. In ihnen lebt sein Gedächtnis weiter. Daneben gilt mit dem gleichen theologischen Gewicht, dass Ismael (und seine Nachkommen) ›Abrahams Same‹ sind und bleiben. Das ist der Grund, weshalb sich der Gott Abrahams ihnen mit seinem Segen und seiner Verheißung, aber auch mit seinen Zumutungen zuwendet. 173

Vgl. noch Gen 17,20 (!tn), Gen 13,16; 32,13 (~yX).

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Um dieser klaren Parallelität von V.12d.13b auszuweichen, hat man in den Übersetzungen und Auslegungen der beiden Verse die Kategorie des ›[rz Abrahams‹ unterschiedlich ausgewertet. Bei Isaak umschließe der Begriff in voller theologischer Kraft das nachmalige Israel als seine künftigen Nachkommen, die sich als ›Same Abrahams‹ verstehen. Bei Ismael dagegen werde der gleiche Ausdruck nur in rein physischer, oft singularischer Bedeutung als Sprössling oder Sohn Abrahams ohne alles theologische Gewicht verstanden.174 Damit wird das unkonventionelle Aussageprofil der Verse schon auf der Ebene der Übersetzung durch die Konventionalität der Interpretation ersetzt. Im theologischen wie im physischen Sinn ›Abrahams Same‹ zu sein, ist hier kein Unterscheidungsmerkmal zwischen den Generationenlinien Isaaks und Ismaels, sondern die Grundlage, die beide Linien verbindet und ermöglicht.175

Während Paulus der Stelle entnimmt, dass nicht alle leiblichen Kinder Abrahams auch wahre Gotteskinder sind (Röm 9,7f), scheint in Gen 21,12f gerade darauf Wert gelegt zu sein, dass mit Ismael auch die nichtisraelitischen Nachkommen als ›Same Abrahams‹ von Gottes Verheißung umfangen sind.

d) Zur erzählerischen Funktion der Ismaelverheißung (V.13)

Für GUNKEL ist die Verheißung in V.13 erzählerisch schlecht platziert (daher sekundär nachgetragen), weil sie das Rettungswunder vorweg und so dem unsicheren Ausgang der Vertreibung die Spannung nimmt.176 LEVIN hält fest: »Das Interesse an Abrahams nichtisraelitischer Nachkommenschaft ... steht zu Ismaels Vertreibung in genauem Gegensatz«177, und meint den entscheidenden literarkritischen Hebel Diese Unterscheidung begegnet schon im Targum To (V.12: !ynb – Söhne; V.13 rb – Sohn); vgl. reiches weiteres Material bei ZLOTWITZ/SCHERMAN, Bereishis, 758. Sie behauptet sich unangefochten auch in neueren Kommentaren (G. VON RAD: Nachkommenschaft/Nachkomme; C. WESTERMANN: Geschlecht/Nachkomme; V.P. HAMILTON: descendants/offspring) sowie den Bibelübersetzungen (Luther 2017, Bibel in gerechter Sprache, RSV). Zutreffend übersetzen Zürcher, Einheitsübersetzung, 175 Mit aller Phantastik, die redaktionsgeschichtliche Theoriebildung ermöglicht, hat H.D. PREUSS, ThWAT II, 675, die Ismaelverheißung und ihre Begründung in V.13 mit der paulinischen Vorgabe in Übereinstimmung gebracht. V.13 sei Zusatz, der die Mehrungsverheißung mit einer eigentlich Isaak geltenden Begründung (denn dein Same ist er) erst dann (und daher fahrlässig) auf Ismael überträgt, »nachdem Gen 21,12 E Gott dem Abraham gesagt hat, dass nur nach Isaak seine Nachkommenschaft genannt werden soll«. Auch die Verheißung Gottes an Hagar (16,10), ›ihren Samen‹ unzählbar zahlreich werden zu lassen, gilt nach H.D. PREUSS eigentlich Isaak. Man gewinnt den Eindruck: Die eigentliche Enterbung Hagars und Ismaels findet in der Interpretation statt. 176 H. Gunkel, Genesis, 229. 177 C. LEVIN, Jahwist, 178. Als sekundär seien 21,13.16a(ab rX[b).18.21 anzusprechen. Die Grundschicht C. LEVINs (Gott enterbt und treibt Ismael verheißungs- und rettungslos aus dem gelobten Land) entspricht der traditionellen christlichen Sichtweise, weshalb literarkritisch eliminiert werden muss, was dieser Sicht entgegensteht. Das inhaltliche Problem ist damit aber gerade nicht gelöst, sondern durch das Eingeständnis ersetzt, den erkannten Widerspruch auf einer Textebene nicht verstehen zu können. Ginge es dem Erzähler nur darum, Ismael als künftigen Ahnvater (proto-)arabischer 174

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dafür zu haben, eine ältere Grundschicht, die nur an der Abschiebung Ismaels aus dem Land Kanaan in die Wüste interessiert sein soll, von späteren Überarbeitungen zu trennen. Der Widerspruch aber besteht genaugenommen zwischen dem Ismael vertreibenden und dem Ismael rettenden Gott, ein Widerspruch, der sich so wenig wie in Gen 22 literarkritisch beseitigen lässt. Und es könnte sein, dass sich das Interesse der Erzähler an Abrahams nichtisraelitischer Nachkommenschaft gerade darin zeigt, dass von Abraham im Hinblick auf den älteren Sohn eine mit der »Bindung Isaaks« vergleichbare Zumutung verlangt wird. Der Erzähler muss daher triftige Gründe gehabt haben, wenn er es in Kauf nimmt, die Dramatik von Vertreibung und Rettung durch diese Verheißung etwas abzuschwächen. Die häufigste Erklärung ist die der Kompensation. Die geforderte Vertreibung seines Sohnes soll durch das Gotteswort für Abraham erträglicher werden, indem ihm schon hier gezeigt wird, dass Ismael nicht sterben wird, sondern auch als Vertriebener Träger der Verheißung bleibt. Gegenüber Saras Forderung ist Abraham tatsächlich in einer anderen Situation. Sara will Ismael und Hagar loswerden und nimmt den Tod der Vertriebenen in Kauf. Abraham weiß nun – was Sara nicht weiß – dass Gott auch im Schicksal der Vertreibung an der Verheißung für Hagar und Ismael festhalten wird. Ob dies einem Vater, dem solches befohlen ist, die Sache erleichtert haben wird, sei dahin gestellt und dem Maß an Empathie überlassen, das die Lesenden für diese Situation aufbringen. Abraham führt die Vertreibung aus, weil es sein Gott ist, der sie fordert und weil ihm zugesagt wird, dass sie sich in Segen verwandeln wird. Allerdings drängt die Gottesrede das theologische Paradox der Erzählung, dass der aus unerfindlichem Grund die Vertreibung fordernde zugleich der dem Vertriebenen Verheißung (und Rettung) gewährende Gott ist, geradezu auf einen Punkt zusammen. Gott fordert die Vertreibung und bleibt doch mit seiner Verheißung bei Ismael. Warum wird ein Träger der Verheißung vertrieben? Und warum bleibt ein Vertriebener Träger der Verheißung? Formal zeigt sich in V.12d-13 das Bestreben, Isaak und Ismael theologisch auf einer gemeinsamen Grundlage zu betrachten. Das in V.12-13 konzipierte theologische Zuordnungsmodell, das den getrennten Nachkommenslinien unterschiedliche Bedeutung (für Israel), aber gleichermaßen Gottes Verheißungen zuspricht, weil sie ›Abrahams Same‹ sind, hätte ohne V.13 nicht entworfen werden können. Die hier entwickelte Formel, dass Abraham ›in Isaak Same und Name‹, ›in IsmaStämme vom Haus Abrahams zu trennen, dann hätte dies leicht auf eine Art erzählt werden können, die weder Sara noch Abraham, noch dem Gott Israels dem Vorwurf schweren Unrechts aussetzt. Dass so paradox erzählt wird, darin ist die Intentionalität des Erzähltextes auszuloten.

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el aber Same‹ verheißen wird, ist in der frühesten Nacherzählung der Ismaelgeschichte, die das Jubiläenbuch bietet, geradezu der theologische Schlüssel dafür, Gottes bleibenden Segen für Israel und – hiervon abgestuft, aber einbezogen – die abrahamitischen Völker gleichermaßen zu verstehen. Abraham erlebt mit dem göttlichen Vertreibungsbefehl etwas Ähnliches wie Hagar in Gen 16,9ff, die nach ihrer Flucht in die Wüste von dem Gottesboten zuerst ins Sklavenhaus zurückgeschickt wird, um sich von der harten Hand ihrer Herrin unterdrücken zu lassen, dann aber sogleich mit grandiosen Verheißungen versehen wird und Rettung erfährt.178 Auch Abraham wird mit einem dunklen Beschluss Gottes konfrontiert, der die Rücknahme der Verheißung für Ismael implizieren müsste, würde Gott nicht in der gleichen Rede ausdrücklich auch an ihr festhalten. Indem Abraham neben der Vertreibungsforderung auch dieses zweite Gotteswort erfährt, kann er erkennen, dass Gottes erstes Wort nicht sein letztes bleiben wird. Dass Abraham (und mit ihm der Leser) mit dieser Ismaelverheißung schon vor der Vertreibung ein Entlastungssignal erhält, ist nicht von der Hand zu weisen. Daraus zu schließen, dass ihm die von Gott geforderte Vertreibung seines Erstgeborenen und dessen Mutter leicht gefallen wäre, weil er ihn auch als Verstoßenen in der Obhut Gottes weiß, verkennt das Maß an Zumutung, das jene beinhaltet. Die Situation in Gen 21 ist von der in Gen 22 verschieden. In der erzählten Welt verstößt Abraham seinen Sohn und erfährt auch danach nichts mehr über dessen Rettung und seinen weiteren Verbleib, nichts mehr darüber, dass der grausam Unrecht fordernde zugleich der sich in der Not erbarmende Gott ist. Wenn die Erzählung aber von diesem Thema im Zusammenhang einer ›Erprobung Abrahams‹ bewegt ist, dann darf sie nicht bei dem Gott, der Unmenschliches fordert, stehen bleiben, sondern muss Abraham auch die andere Seite des göttlichen Handelns zu erkennen geben. Denn ihm ist diese Zumutung abverlangt. In Gen 22 wird er auch die Rettung Isaaks selbst erleben. Wenn Abraham dieses Wort Gottes in V.13 nicht hätte, müsste er gänzlich an ihm irre werden. Auch darum geht die Vertreibungsforderung hier mit einer Verheißung für Ismael aus.179

Vgl. o. Kap. II.6.1. Andererseits kann Abraham in Gen 22 an diese Erfahrung, dass die Preisgabe des Sohnes nicht das Ende sein muss, anknüpfen. 178 179

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2.5.4 Erwählung Isaaks / Verwerfung Ismaels – oder die Zuordnung der Verschiedenen Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass die binären Kategorien der Unterscheidung der beiden Abrahamsöhne, die in der Auslegung den Brüdern zugebilligt wurden, dem Text nicht entsprechen. Solche binären Kategorien wären etwa die Unterscheidung von Verheißungskind versus Nicht-Verheißungskind; legitimer und illegitimer Sohn/Erbe; Erwählter und Verworfener u.a.m. In sachlicher Hinsicht hätte die Unterscheidung von Erstgeborenem und jüngerem Bruder, von Sklavinnensohn und Sarasohn, die Unterscheidung von natürlicher und wunderhafter Geburt sicher ihr Recht. Was bedeutet die deutliche theologische Beachtung Ismaels in Verheißung und Genealogie als »Same Abrahams« für die Frage nach der Erwählung? Wir hatten in Kap. I herausgestellt, daß die Erwählung des jüngeren Bruders zu den Leitgedanken in der Erzelternerzählung gehört. Innerhalb der Abrahamüberlieferung begegnet die Erwählung Abrahams (Gen 12,1-3; 18,19), sie wird im Hinblick auf eine besondere Erwählung Isaaks nicht explizit verwendet. Aber sowohl in der Erbfrage wie in der Verheißung trägt Isaak die Erwählung Israels im Stammvater Abrahams. Wenn wir von der Erwählung Abrahams aus denken, dann müsste auch Ismael als Sohn und Same Abrahams miterwählt gelten. Denn bis auf das Land Kanaan gelten auch ihm die sonst an die Väter Israels gerichteten Verheißungen. Dann aber müssen beide Abrahamsöhne, wenn auch in unterschiedlicher Weise, als erwählt gelten, nämlich dazu erwählt, Abrahams Same zu sein. Wenn Erwählung, wie im Alten Testament üblich, allerdings nicht als Abraham-, sondern als Israel-Erwählung aufgefasst wird, dann ist selbstverständlich daran festzuhalten, dass Isaak als jüngerer Bruder und Träger der Israel-Linie der Exponent dieser Israel-Erwählung ist, weshalb im narrativen Kontext der Abrahamgeschichte, auf ihm das dramatische Hauptgewicht liegt. Auch in den Erbschaftsfragen bekommt Isaak alles, was Abraham besitzt, übereignet (Gen 25,6). Ismael als Exponent der nichtisraelitischen Abrahamnachkommen ist in dieser Israel-orientierten Hinsicht nicht erwählt. Wir hatten zu Beginn dieser Studie erarbeitet, dass die Erwählungskonzeption in der Genesis zwar den Jüngeren bevorzugt, ohne aber den nichterwählten Älteren moralisch oder theologisch zu diskreditieren. Das führt im Blick auf Ismael eben dazu, dass hier sehr deutlich reflektiert wird, was es heißt, in einem theologisch reflektierten Sinn ›Same Abrahams‹ zu sein. Daher bekommt Ismael Anteil an fast allen Verheißungen, die sonst die Väter der Israel-Linie bekommen, wird als Bundespartner aufgefasst, beschnitten und muss nun auch die Not ertragen, vom eigenen Vater preisgegeben zu werden. Mit der Vertreibung ist eine Verwerfung in theologischem Sinn nicht gemeint. Die Vertreibung, die Ismael schuldlos aufgrund eines dunklen

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Ratschlusses Gottes widerfährt, lässt ihn und seine Mutter gerade nicht aus der Fürsorge des Gottes Israels fallen, sondern macht diese an seinem Geschick sichtbar. Eine theologische Deutung von Gen 21 hatte immer Probleme damit, dass Gott mit der Enterbungsforderung Saras menschliche Eifersucht auf eine moralisch und ethisch höchst fragwürdige Weise unterstützt.180 Eine Lösung wird in der Richtung gesucht, dass Gott, was auf menschlicher Ebene Unrecht ist, auf einer höheren Ebene für seine großen Heilspläne benutzt, weil er Isaak (Israel) erwählt und zum alleinigen Erben der Verheißung erkoren habe.181 Gewiss geht die Gottesrede schon deshalb von anderen Voraussetzungen als Sara aus, weil Gott die Vertreibung mit der Bekräftigung der Verheißung für Ismael und seiner Rettung verbindet. Interpretiert man die Vertreibung Ismaels als unerhörtes Opfer, das Gott Abraham abverlangt, wird deutlich, warum Gott sich in V.12 nahezu vollständig hinter die Unrechtsforderung Saras stellt. Nur indem er ihr Ansinnen übernimmt und sich in einen harten Gegensatz zu Abrahams Wollen (V.11) bringt, kann er das Konzept einer »optimalen Frustration« oder das Paradox der göttlichen Zumutung in voller Schärfe zur Geltung bringen. Besonders prononciert setzte sich SEEBASS182 mit der Frage der Erwählung Isaaks in Gen 21 auseinander. In der Vätergeschichte sei im Hinblick auf Ismael und Esau »mit aller wünschenswerten Deutlichkeit (ausgesprochen), dass die physische Abstammung von Abraham kein Anrecht auf die Teilhabe an den Verheißungen Abrahams gab.« Zwar treffen Hagar und Ismael keine Schuld, dass ihnen hier das »Erbe der Verheißung verweigert wird«. Aber in V.12 mache Gott deutlich, dass er allein die Nachkommenschaft Isaaks »berufen«, Ismael aber enterbt habe. Diese Entscheidung verdankt sich freilich nicht dem göttlichen Strafhandeln aufgrund der menschlichen Bosheit Ismaels, sondern gehört zur unverfügbaren Freiheit des erwählenden Gottes,183 der alles scheinbar Natürliche und Normale hinter sich lässt und damit in das »prophetische, also auch immer zutiefst riskante Wesen Israels einüben« will. In beiden Fällen, hält SEEBASS dann fest, führe das weitere Geschick Ismaels und Esaus »zu befriedigenden Abschlüssen für die Enterbten.«184

180 In der älteren Exegese, die von Ismaels schwerer Schuld ausgeht, hat Sara als erste und mit prophetischem Blick die Gefahr, die von Ismael ausgeht, erkannt. 181 So mit unterschiedlichen Argumenten G. VON RAD, Genesis, 184; H. SEEBASS, Gott, 71; V.P. HAMILTON, Genesis II, 81. 182 H. SEEBASS, Gott der ganzen Bibel, 67-72; vgl. auch DERS., Vätergeschichte I, 186f. 183 Vgl. schon Röm 9,12ff, wo Paulus die prophetische Reflexion in Mal 1,2f (Erwählung Jakobs / Verwerfung Esaus) bemüht. 184 H. SEEBASS, Gott der ganzen Bibel, 71.

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Wie Paulus liest auch SEEBASS die Ismaelgeschichte hauptsächlich von Saras Vertreibungsforderung in V.10 bis zu Gottes Vertreibungsbefehl in V.12. Die Ankündigung im Gotteswort V.12, dass sich die Nachkommen Abrahams der Isaaklinie durch Isaak ›Same Abrahams‹ nennen werden, wird exklusiv verstanden und theologisch zur ›Berufung‹ aufgespreizt. Und weil weder die mit V.13 anschließende Verheißung für Ismael noch ihre Bekräftigung (V.18) oder die Zusage von Gottes Mit-Sein (V.20) in den Blick geraten, wird das ›Erbe‹, das Ismael verliert, zum ›Erbe der Verheißung‹. Die Parallelisierung von Ismael/ Esau leistet dem Vorschub, weil mit Esau – obwohl auch diese Geschichte nicht mit dem Konflikt der Brüder, vielmehr mit einer bemerkenswerten Versöhnung endet – keine der theologischen Fragen verbunden werden, welche die Abrahamgeschichte mit der Gestalt Ismaels bearbeitet. Der Gegensatz, der hinter einem solchen Erwählungsmodell steht, lässt sich m.E. in den Ismaelerzählungen nicht verifizieren. Isaak und Ismael sind beide legitime Söhne Abrahams, Träger von Väterverheißungen, des Bundes sowie in vollem theologischen Sinn ›Same Abrahams‹. Eine unterschiedliche, aber gemeinsame Bestimmung der Brüder zeigt sich auch daran, dass sie beide in den Prüfungen Abrahams die Rolle des schuld- und wehrlosen Opfers aufgeladen bekommen und dann auch Rettung erfahren. Der theologische Unterschied zwischen beiden besteht nach V.12f darin, dass sich Israel seine Zugehörigkeit zur Nachkommenschaft Abrahams über Isaak begründen wird, während Ismael auch als Vertriebener und Vater anderer Völker als ›Abrahams Same‹ aufgefasst wird und unter dem Segen Gottes bleibt. Die unterschiedlichen Bestimmungen Isaaks und Ismaels gründen beide in der besonderen Erwählung ihres Vaters Abraham, dessen ›Same‹ sie sind. Mit diesem Zuordnungsmodell der Verschiedenen wird in Gen 21, 12f die sich durch den Verlauf der Erzählung ergebende Spannung gelöst, dass aus der Verheißung eines leiblichen Sohnes für Abraham (Gen 15,2f) zwei Erbsöhne unterschiedlicher Mütter hervorgegangen sind, von denen nur der zweite ein Ahnvater Israels werden und das Erbe Abrahams bekommen wird. Die Trennung der Nachkommenslinien, die V.12f reflektiert, ist von Unterscheidung, aber nicht von Abwertung und Exkommunikation geprägt. Sie zeigt in einem Modell der abgestuften Zuordnung der Verschiedenen in einer gemeinsamen Konzeption vom ›Samen Abrahams‹. Das berührt sich mit dem bereits in Gen 17 erarbeiteten Befund einer theologisch reflektierten Abrahamökumene als Voraussetzung der Hagar-Ismael-Episoden.

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2.5.5 Die Frage des Landes – Welches Erbe verliert Ismael? Der Vollzug der Enterbung Ismaels, die Sara in V.10 fordert, wird weder im Gotteswort von V.12f noch in der Erzählung explizit aufgenommen, ist aber der Sache nach wohl vorausgesetzt. So kann es später heißen, dass Abraham alles, was er hat, dem Isaak gab.185 Die Erzählung orientiert sich an ihrer Oberfläche in einem familienrechtlichen Normgefüge, in dem Vertreibung und Enterbung als Gewaltakte aufgefasst werden, die einem erbberechtigten Sohn den ihm zustehenden Anteil am Familienerbe nehmen. Die Enterbungsforderung Saras wird indes nicht durch Bezug auf ein konkretes Sachgut näher definiert. Dass es sich um Land- und Viehbesitz sowie um die wirtschaftliche und rechtliche Verantwortung für den Fortgang der Familie handelt, ist zu vermuten. a) LOHFINK sieht in Xry Kal mit dem Objekt der Person, aber auch in objektlosen Belegen vor allem die Leitung und Rechtsnachfolge innerhalb der Familie thematisiert. V.12d betrachtet er dafür als erbrechtliche Quasidefinition: »durch Isaak soll es kommen, dass von einer Fortdauer Abrahams durch kommende Generationen gesprochen werden kann«186. Dann geht es um das Recht der Familienleitung, das immer nur einer der erbberechtigten Söhne übernehmen konnte. Dafür könnte sprechen, dass in den drei Generationen der Erzelternerzählung jeweils nur einer der Söhne die ›Nachfolge‹ der Abrahamfamilie im Hinblick auf die künftige Volkwerdung Israels getragen hat, nämlich Isaak und Jakob. Das aber ist eher ein theologisches Programm, das sich auch in Gen 21,12d ausspricht, und keine erbrechtliche Konvention.187 Erbrechtlich geht es in Gen 21 nicht darum, unter den erbberechtigten Brüdern den Haupterben als Rechtsnachfolger der Familie zu bestimmen, sondern um die rechtlich abgesicherte Aufteilung des familiären Erbes unter die Söhne des Erblassers. Das macht Sara in V.10 mit der Formel vom ›Miterben‹ deutlich. Wenn es in Gen 25,6 heißt, dass Abraham alles, was er hatte, dem Isaak gab, dann steht dies in Spannung zu Saras Vorstellung in der Frage des Erbes, allerdings nur dann, Vgl. Gen 24,36; 25,5. In Gen 21 ist V.12 zu vergleichen, wo Gott ›alle Worte Saras‹ aus V.10 bestätigt, also auch ihren Enterbungswunsch (Xryy al). 186 Vgl. N. LOHFINK, ThWAT III, 958; DERS., Bedeutung, 16f. 187 Zwar könnte man auch aus dem Aufbau der Genealogien den Eindruck gewinnen, dass jeweils nur einer der Söhne die Rechtsnachfolge der Familie übernimmt. Einen erbrechtlichen Beleg dafür, dass dies Praxis in Israel war, kann auch N. LOHFINK nicht beibringen. 15,3f; 2Sam 14,7; Num 27,11; Spr 30,23 sind alles Extremsituationen, in denen es nicht darum geht, aus dem Kreis der erbberechtigten Brüder den Rechtsnachfolger der Familie zu bestimmen. Andererseits spricht Sara vom Miterben und Jiftach wird durch seine Brüder (Pl.) aus dem Erbe vertrieben. Darüber, wie sich der Erstgeborene und die nachgeborenen Brüder, die sich das Erbe teilen, die Frage der Rechtsnachfolge in der Familie gelöst haben, ist nichts bekannt. 185

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wenn die offener formulierte Wendung in Gen 25,6 erbrechtlich verstanden wird. Denn immerhin erhalten die Söhne der Ketura Geschenke, bevor sie an die angestammten Wohngebiete ihrer Nachkommen gesandt werden, so dass man die Szene in Gen 25 vielleicht nicht ausschließlich im erbrechtlichen Sinn verstehen sollte. Von Ismael wird nicht berichtet, dass er etwas bekommt. Sein Erbe als Sohn Abrahams liegt in den göttlichen Zuwendungen sowie der Genealogie, aber nicht in einem sachlichen Anteil am Besitz der Familie. Insofern wird die von Sara geforderte Enterbung verwirklicht, weil die Erbfolge über den jüngeren Bruder Isaak läuft. Auch am verheißenen Land, sofern an das westjordanische Kanaan gedacht wird, hat Ismael durch die Vertreibung keinen Anteil. Dies bildet sich auch in den Ismael und Hagar geltenden Verheißungen dadurch ab, dass sie nirgends Adressaten spezifischer Landverheißungen werden. Einen deutlichen Hinweis, dass die Enterbung Ismaels sachlich als Verlust des Wohnrechts in Kanaan gemeint ist, enthält die Erzählung allerdings auch nicht. In ihrer Tiefenstruktur ist die Landfrage aber ohne Zweifel präsent. Die Enterbung wird mit einem Schicksal Ismaels verbunden, das ihn aus dem Land treibt und ihm und seinen Nachkommen an einem anderen Ort künftiges Leben ermöglicht. Die traditionelle Exegese sieht in der Vertreibung Hagars und Ismaels in die Wüste eine Art ›Abschiebung‹ aus dem verheißenen Land Kanaan, weil nach der Geburt Isaaks der ältere Abrahamsohn in der göttlichen Heilsökonomie als störend erscheint. Das ist m.E. eine falsche Perspektive. Die Erzelterngeschichte will nicht darstellen, wie die nichtisraelitischen Abrahamnachkommen (Ismaeliter, Edomiter und Keturasöhnen) aus Kanaan verdrängt, fortgeschickt und vertrieben wurden, sondern sie möchte Abraham als Vater einer Vielzahl von Völkern auch der transjordanischen und entfernt liegenden nordarabischen Wüsten zwischen Ägypten und Mesopotamien (Gen 15,18; 25,18) ausweisen. Aus diesem Grund müssen diese Völker zunächst in die Familiengeschichte Abrahams, die in Kanaan spielt, eingebunden, dann aber auch auf irgendeine Weise mit ihren historischen Siedlungsgebieten verbunden werden. Die Keturasöhne werden von Abraham mit Geschenken versehen und in ihre angestammten Lebensräume nach Osten ausgesandt (Gen 25,6), Esau findet eine Generation später in der Edomitis einen eigenen Lebensraum für seine Nachkommen. Nur bei Ismael ist die Trennung von Kanaan als theologisch paradoxe Gefährdungs- und Erprobungsgeschichte in Parallele zu Gen 22 inszeniert. Das Schicksal, vom eigenen Vater preisgegeben und im letzten Moment von Gott gerettet zu werden, teilt Ismael mit seinem jüngeren Bruder Isaak. Damit rückt die Vertreibungserzählung Ismael mit ihren theologischen Zumutungen und der Härte der Todeserfahrung sehr nahe an seinen Bruder Isaak heran. Dass dieses Drama auch mit Abrahams Erstgeborenen verbunden

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wird, darin liegt in den Vorstellungen der Erzähler eine besondere Würde, an der auch Ismael Anteil bekommt. Denn damit wird er wie auch Isaak zum Träger einer spezifischen das Volk Israel bewegenden Gotteserfahrung und -hoffnung. Die Vertreibungsepisode verbindet Ismael dann – wenn auch auf zugegebenermaßen brachiale Art und Weise – mit den Siedlungsgebieten seiner Nachkommen. Ismaels Wüstenexistenz ist demnach nicht als Fluch der Vertreibung zu verstehen, weil Ismael keine Völker repräsentiert, die jemals in Kanaan lebten oder Ansprüche auf dieses Land erhoben hätten. Ismaels Nachkommen werden in der Genesis nicht als Mitbewerber um das Leben im westjordanischen Kanaan gesehen, mit denen man sich zu arrangieren hätte. Daher können sie auch nicht aus dem Land, in dem sie nie lebten, vertrieben werden. M.E. ist dieser Umstand überhaupt die Voraussetzung dafür, dass Ismael als Abrahamsohn und arabischer Stammvater in dieser sehr weiträumigen und theologisch gehaltvollen Weise in die Ursprungserzählung Israels eingebunden werden konnte. An diesem Punkt unterscheide ich mich trotz vieler Gemeinsamkeiten von der Sicht DE PURYs,188 der von der priesterschriftlichen Bundesoffenbarung in Gen 17,7f her folgert, dass auch die nichtisraelitischen Abrahamnachkommen »the right to live in the Land Canaan« (175) bekommen. Gen 21 aber würde als nachpriesterschriftliche Ergänzung dieses Bild wieder verdüstern, weil von diesen Ergänzern Ismael nicht mehr als »peaceful or stable neighbour« (179) gesehen werden kann und deshalb in die Wüste vertrieben wird. M.E. sieht auch DE PURY die Vertreibung Ismaels unter der traditionellen Perspektive als Abschiebung und Entfernung aus dem Land der Verheißung, obwohl der weite Begriff Kanaans in der Abrahamerzählung (Gen 15,18; Gen 17,7f) auch die künftigen Lebensräume der Ismaelnachkommen mit einschließen kann. Gen 21 bietet m.E. keine Verdüsterung der Perspektiven von Gen 17.

Ismaels Wüstenexistenz ist eine Folge der Rettung der Vertriebenen, denen Gott in der Wüste neue Lebensmöglichkeiten unter seiner Zusage der Volkwerdung und seines Beistands gewährt. Mit der Erfahrung der Vertreibung teilt Ismael das Geschick seines Bruders, erhält also nicht nur Anteil an den Segnungen des Gottes Abrahams, sondern auch an dessen Zumutungen und Gefährdungen. So zeigt auch Gen 21, dass Ismael als Vorläufer Isaaks fest in die dramatische und theologische Struktur der Abrahamerzählung eingebunden bleibt, auch wenn er nicht der Israel-Erbe Abrahams ist. Überdies wird die Vertreibung in die Wüste als narratives Gefährdungs- und Erprobungsdrama inszeniert, das mit zentralen ›israelitischen‹ Glaubenserfahrungen und -hoffnungen geradezu gesättigt erscheint, weil hier ein weiteres Mal der Gott Israels als yišmāʿʾēl, als erhörender und rettender Gott in Erscheinung tritt. Davon wird gleich mehr zu sagen sein. 188

A. DE PURY, »Ecumenical« Ancestor, 179f.

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Bei VAN SETERS189 und LEVIN ist die Vertreibung Hagars und Ismaels als Ausdruck und Erfüllung deuteronomistischer Landeroberungsvorstellungen missverstanden worden. VAN SETERS sah in der Vertreibungsterminologie Xry/Xrg (V.10) einen deutlichen Hinweis auf die dtr. Landnahmetheologie, in der Gott nach dem Recht des Siegers die kanaanäischen Völker aus dem Land treibt (Xrg)190 und es seinem Volk als Erbteil gibt.191 Die Vertreibung Ismaels sei eine narrative »anticipation of the conquest theme with its expulsion of the nations and its possession of the land«192. Xry ›erben‹ meine hier das ›Land in Besitz nehmen‹, wobei es in diesem Erklärungsmodell nur einen Erben geben kann. Die Frage nach dem alleinigen Erben des Landes sieht VAN SETERS in Gen 15,2-6 gestellt und in Gen 21,10 mit der Vertreibung Ismaels beantwortet. Die Erbfrage erklärt er nicht aus dem Familienerbrecht, in dem selbstverständlich mehrere Söhne erben können, sondern aus dem »royal model« der königlichen Nachfolge, das nur einen Thronerben kennt. Der werde in 15,2f gesucht und mit Isaak in 21,10.12 gefunden. In dieser Linie kann dann LEVIN die Austreibung Ismaels aus dem Land sogar als Erfüllung der Sohnverheißung an Abraham aus Gen 15 ansehen und frohgemut konstatieren: »Mit Ismaels Vertreibung erfüllt sich die Verheißung 15,4: ›Nicht dieser soll dein Erbe sein, sondern der aus deinem Leibe kommen wird, er soll dein Erbe sein.‹ Der Verfasser (von 21,10) lässt Sara sich auf dieses Wort beziehen.«193 Für Levin ist Ismael nicht einmal mehr leiblicher Sohn Abrahams, sondern einfach Exponent kanaanäischer Völker,194 die nach den Vorstellungen der dtr. Landnahmetheologie aus Kanaan zu vertreiben sind. In dieser Interpretation ist nicht erkannt, dass Gen 15,4 erzählfunktional notwendig die Frage nach der Mutter des Abrahamsohnes offen lassen muss und mit der Ablehnung Eliezers deutlich macht, dass es keinen Erben geben wird, der nicht Abrahams Sohn ist. Zudem geht Gen 21,10 vom gemeinsamen Erbe der Brüder aus. Ein Einfluss dtr. Landnahmetheologie ist bestenfalls über die Begriffe Xrg/Xry vermutbar. Diese lassen sich mühelos – und in Übereinstimmung mit der erzählten Welt in Gen 21 – auch familienrechtlich verstehen. Im Normenhorizont von Gen 21 spielt die Frage des Landerbes explizit keine Rolle. Die Vertreibung Ismaels hat mit der Vertreibung der kanaanäischen Völker nur die Forderung einer aggressiven Xrg-Handlung gemein. In der Logik der Erzählung ist Landbesitz ein zukünftiges, verheißenes Gut, das auch Abraham nicht besitzt, das er daher auch nicht an Isaak oder Ismael vererben kann. Die Problemlage von Gen 21 ist alles andere als eine narrative Umsetzung dtr. Landnahmetheologie. Ismael wird als Abrahams Erbsohn vertrieben und bleibt auch als Vater eines großen Volkes ›Abrahams Same‹ (V.13) und am anderen (d.h. an seinem eigentlichen) Lebensort unter dem Segen des Gottes Israels. Im erzählerischen Kontext von Gen 21 können die Begriffe XryÆXrg keinesfalls leisten, was ihnen in dieser Interpretation aufgebürdet wird.195 Vgl. J. VAN SETERS, Abraham, 201; DERS., Prologue, 265; übernommen von M. KÖCKERT, Väterverheißungen, 235; C. LEVIN, Jahwist, 178. 190 Vgl. Ex 23,28-31; 33,2; 34,11; Jos 24,12.18; Ri 2,3; 6,9. Hier schließt sich die theologische Sprache an die politische Eroberungsterminologie (und das Recht des Siegers) an, die Hosea (9,15) auch gegen sein eigenes Volk wendet. 191 Ps 78,55; 80,9. 192 Vgl. J. VAN SETERS, Prologue, 265. 193 C. LEVIN, Jahwist, 178. 194 Ismael als Kanaanäer zu sehen, ist ein altes Abgrenzungsstereotyp. Schon der Vorwurf des Götzendienstes, den einige rabbinische Gelehrte angesichts von qxcm in Gen 21,9 gegen Ismael erhoben haben (s. oben den Exkurs Kap. IV 2.2.), verbindet biblische Motive antikanaanäischer Polemik mit Ismael. 195 Ähnliches muss auch für die Brücken gelten, die von Ismaels Vertreibung zur Aus189

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Welches Erbe verliert Ismael? Die klare erzählerische Vorordnung Isaaks vor Ismael besteht darin, dass sich in ihm die auf Israel hinführende Linie der Abrahamfamilie und damit die Israel im Land Kanaan betreffende Verheißung fortsetzt. In Isaak wird Abrahams Gedächtnis für Israel weiterleben. Darin kündet sich der in V.12d allerdings nicht exklusiv formulierte Vorzug der Gottesbeziehung des Gottes Israels zu seinem Volk an. In dieser Zurücksetzung wird Ismael nicht moralisch diskreditiert, sondern als Opfer einer Entscheidung gezeigt, die in Gottes freiem Ermessen liegt. Die erbrechtliche Zurücksetzung geht indes nicht mit einem Verlust an Gotteserfahrung, Gottesnähe und göttlicher Fürsorge für die Ismael-Linie einher. 2.6 Die Verstoßung Hagars und Ismaels (V.14) V.14

a Und Abraham brach am Morgen auf, b und nahm Fladenbrot und einen Schlauch Wasser, c und gab (es) Hagar, d legte es auf ihre Schultern, e und (dazu) das Kind196, f und schickte sie (Sg.) fort. g Und sie ging und irrte in der Wüste Beerscheba umher.

In kurzen, hart aneinandergereihten Handlungssätzen wird die Vertreibung Hagars und Ismaels erzählt. Subjekt dieser Vertreibung ist Abraham. Nachdem Saras Forderung zum Wort Gottes an Abraham geworden ist, ist von ihr nicht mehr die Rede. Auf das Wort Gottes hin reagiert Abraham schweigend und handelnd. Er tut, was Gott verlangt. Jeder Einspruch unterbleibt. Im Hinblick auf die Gerechten in Sodom oder die von Gott geschlagenen Angehörigen von Abimelechs Königshof hatte sich Abraham als Fürbitter197 erwiesen. Hier beugt er sich seinem Gott schweigend. Der morgendliche Aufbruch ist von bleierner Stille. Eine Szene, die sich mit Isaak wiederholen wird. Der Aufbruch in der Kühle des Morgens ist klimatisch bedingt und orientalische Sitte, zudem in einer Episode notwendig, die das gesamte Drama von Vertreibung, Erschöpfung und Errettung in den Zeitrahmen eines Tages treibung Adams und Evas aus dem Paradies (Gen 3,24.27 Xrg/xlX) oder zur Vertreibung Kains in eine flüchtige (Wüsten-)Existenz (Gen 4,14 Xrg) geschlagen werden (zuletzt V.P. HAMILTON, Genesis II, 79.83). Die Parallelisierung scheitert schon daran, dass in Gen 3f Xrg als Tatfolgebestimmung Gottes für die Übertretung grundlegender Normen verstanden wird. Der Zusammenhang von Schuld und Strafe fehlt aber in Gen 21 wie in Gen 22. Die Vertriebenen sind nicht schuldig, die Vertreibenden werden nicht bestraft. 196 MT formuliert umständlich. Nach der LXX hat Hagar auch ihr Kind auf den Rücken aufgeladen bekommen. Ihr folgt die neuere exegetische Tradition. 197 Vgl. Gen 18,23ff; 20,17.

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drängt.198 Sowenig wie in Gen 22 lässt sich hieraus auf einen nächtlichen Offenbarungsempfang Abrahams schließen. Auf welche Weise Gott mit Abraham spricht, lässt der Erzähler offen. Nur dass es direkt, unvermittelt geschieht, ist ihm wichtig. Abraham handelt allein, nimmt Fladenbrot und einen Schlauch Wasser, legt das Bündel auf die Schulter Hagars und übergibt ihr Ismael,199 der jetzt erstmals dly (Klein-)Kind wie Isaak in V.8 genannt wird.200 Damit ist erzählfunktional in den Vordergrund gerückt, dass Ismael als wenig widerstandsfähiges Kleinkind vertrieben und seinem Schicksal überlassen wird, dem er dann auch alsbald zu erliegen droht. So ist die schnelle Erschöpfung Ismaels (V.16) vorprogrammiert. Das psychische Drama, dass Abraham auf einen dunklen Befehl Gottes hin seinen eigenen Sohn und mit ihm auch seine zweite Frau einem ungewissen Geschick preisgibt, verbirgt der Erzähler in äußerster Reduktion hinter den kargen Ausführungssätzen und fordert damit die Lesenden heraus, die Gefühlslage der Handelnden aus ihrer eigenen Wahrnehmung der angebotenen Hinweise zu entwerfen. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die Vertreibung in eine freundliche Verabschiedung umzufunktionieren, in der deutlichen Absicht, Abraham, Sara (und wohl auch Gott) zu entlasten. Für JACOB zeugt »jedes Wort« der Szene für die »mitleidige Fürsorglichkeit des schmerzlich bewegten Abraham«201. Mit der jüdischen Tradition nimmt er an, Die Wendung rqbb ~kXyw wird auch sonst zur Bezeichnung des Beginns einer Aktion gebraucht, ohne dass der Aspekt der gerade vergangenen Nacht im Interesse steht. Vgl. Ex 24,4; Num 14,40; 1Sam 17,20; 2Kön 3,22 und D. IRVIN, Mytharion, 25. 199 Dass Abraham auch den hier als Kind (dly) vorgestellten Ismael auf die Schulter Hagars hebt, wird mit der LXX und gegen MT (Targume) heute meist angenommen. Der umständlich formulierte hebr. Text sei »ein ungeschickter Versuch der Harmonisierung« (WESTERMANN, Genesis, 417) zwischen der Vorstellung vom vertriebenen Kleinkind und dem nach der P-Chronologie anzunehmenden Jünglingsalter Ismaels. Auszuschließen ist dies nicht. Indes ist die moderne Leidenschaft an der chronologischen Widerspruchsfreiheit von Erzählungen sonst kaum ein Grund für vergleichbare textliche Änderungen, zumal das chronologische Problem damit nicht verschwindet. Auch jetzt ist Ismael kein Jüngling von 16-17 Jahren, sondern ein kleiner Knabe, der von seiner Mutter an der Hand geführt wird. Die Episode Gen 21 legt auf das Alter Ismaels gar keinen Wert. Prägend ist allein die Vorstellung, dass er älter ist als der frühestens wohl mit drei Jahren entwöhnte und kaum unmittelbar nach Ismael geborene Isaak. Dies ergibt mindestens ein Alter von 5-6 Jahren, in dem Ismael natürlicherweise am Beginn einer langen und ungewissen Reise von seiner Mutter an die Hand genommen wird. Hagar muss zudem noch den schweren Wasserschlauch und Brotproviant tragen. Auch nach der Errettung soll Hagar ihren Sohn ausdrücklich (wieder) an die Hand nehmen (V.18). Wäre die LXX-Lesart die richtige, dann läge in dem Tragen eines so großen Kindes noch ein die Vertreibungsnot besonders dramatisierendes Element. 200 Bisher war Ismael für Sara der ›Sohn dieser Magd‹ (V.10); für Abraham ›sein Sohn‹ (V.11); Gott nennt Ismael r[n, ›Sohn der Magd‹ und ›Samen Abrahams‹. 201 Vgl. B. JACOB, Genesis, 482, der dies aus den Verben !tyw xqyw folgert. Zudem bedeute la + !tn anstatt des üblichen l + !tn nicht einfach ›jemandem geben‹, sondern

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dass Abraham Hagar nicht einfach mittellos wegschickt, sondern mit den auch sonst bei Scheidungen üblichen Versorgungsanteilen und Rechtssicherheiten ausstattet, was aber aus Gründen der Erzähldramatik unerwähnt bleibe.202 WESTERMANN liest aus dem Wegschicken (xlX) keine Verstoßung, sondern eine freundliche Entlassung mit einem Segen zum Abschied heraus.203 Durch ein solches Hinzu-Erzählen wird indes erst sichtbar, was hier fehlt. Für FISCHER wiederum ist im Gegensatz hierzu der Erzähler vor allem daran interessiert, die Härte und Leichtfertigkeit Abrahams zu zeigen, mit der er Hagar und Ismael preisgibt.204 Die Kärglichkeit des Proviants ist ihr »Ausdruck von hartherzigem Geiz«205. Beide Bewertungstendenzen sind m.E. zu einlinig und vereindeutigen die Ambivalenz der Situation. Die Vertreibungsszene wird mit drei unterschiedlichen Positionen vorbereitet. Sara will die Enterbung Ismaels und fordert daher seine und seiner Mutter Vertreibung. Der Erzähler hält darauf in selten deutlicher Einsicht in die Innenperspektive Abrahams fest, dass es diesem ›wegen seines Sohnes‹ tief zuwider ist (V.11). Abraham hätte Saras Forderung, wie man annehmen darf, als pater familias nicht entsprochen. Indem Gott nun Saras Forderung unter veränderten Bedingungen zu seiner Weisung macht, steht hinter dem offenbaren Unrecht der Vertreibung die ganze Autorität eines für Abraham abgründig dunklen Gottes, der von ihm fordert, was Abraham nicht will. So baut sich ungeheure Spannung in der Szene auf, in der Abraham, vor die brutale Alternative gestellt wird, entweder an seinem Sohn (und dessen Mutter) oder aber an Gott festzuhalten. Weil er sich Gottes Autorität beugt, tut er, »was böse ist in seinen Augen« (V.11). Dass sich Abraham in dieser Situation seinem Gott verweigert, ist für den Erzähler keine denkbare Möglichkeit, denn wie auch in Gen 22 will er an Abraham gerade dieses Zutrauen zu Gott darstellen, das sich in den Abgründen der Gotteserfahrung bzw. finsternis bewährt. Dies sind die mitgeteilten Konfliktkonstellationen, in denen sich in V.14 Abrahams Aktionen und wohl auch seine Emotionen bewegen. Im Schweigen des morgendlichen Aufbruchs, in der knappen Sachlichkeit der mitgeteilten Handlungen verbirgt sich kein leichtes, eher ein gebrochenes Herz. Eine fürsorgende Anteilnahme ist den Handlungsverben (xql, !tn) weder zu- noch abzusprechen. Über die Eindrücke, mit denen jemanden der Fürsorge, der Obhut übergeben. xlX – ›fortschicken‹ ist Milderung des harten Xrg – ›Vertreiben‹, das Sara forderte. 202 B. JACOB, Genesis, 483. 203 C. WESTERMANN, Genesis, 417. H. SEEBASS, Vätergeschichte I, 181, sieht in der »Freilassung« der Hagar den eigentlichen Gewinn. 204 Vgl. DIES., Gottesstreiterinnen, 59, wobei freilich ursprünglich V.14 sofort auf V.10 gefolgt sein soll. 205 I. FISCHER, Erzeltern, 312.

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Hagar und Ismael ihrer Vertreibung entgegensehen, ist gar nichts zu erfahren. Hier wie auch sonst in V.9-14 sind sie stimm- und handlungslose Objekte der Handlungen anderer. Auffälligerweise werden in der Szene durch Pronomina, Suffixe oder Appositionen keinerlei Beziehungen der handelnden Personen untereinander ausgedrückt. Hagar ist Empfängerin von Proviant und Kind, zudem Objekt des Fortschickens. Sie wird zwar hier erstmals mit ihrem Namen und ohne mehr oder weniger abwertende Beifügungen angesprochen – der Erzähler lenkt damit das Augenmerk auf sie und hebt Hagar als Person und Handlungssubjekt des folgenden Geschehens hervor206 – aber wer Hagar in Bezug auf Abraham ist, wird nicht gesagt. Ebenso wird Ismael ›das Kind‹ (dlyh) genannt, nicht etwa ›sein‹ oder ›ihr‹ Kind. Jede(r) ist mit sich allein. Die dargestellte Beziehungslosigkeit verstärkt zusätzlich den Eindruck der reduzierten Emotion, der distanzierten, geradezu sachlichen Geschäftigkeit, in der alles, was hier von Interesse wäre, unausgesprochen bleibt. Eventuell kann in rgh la !ty ein qualifiziertes Übergeben gesehen werden. Abraham überlässt Hagar das Kind dann nicht nur, sondern überantwortet Ismael der Obhut seiner Mutter.207 Vielleicht liegt in der für den Handlungsablauf nicht zwingend notwendigen Geste, mit der Abraham den Wasserschlauch Hagar um den Nacken legt, ein Moment, das den Schmerz des Abschieds in ein Bild fasst. Ebenso wenig wie die Aufbruchszene in Gen 22 darf derart reduziertes Erzählen nicht mit kalter Sachlichkeit oder mangelnder Anteilnahme des Erzählers verwechselt werden. In dem außer dem notwendigen Handlungsgerüst fast nichts mitgeteilt wird, gelingt es ihm, Raum zu schaffen und die Gedanken und Gefühle der Rezipienten voll auf die menschliche und theologische Krise zu lenken, die sich darin ausspricht und ankündigt. Ein lederner Schlauch,208 d.h. den üblichen an beiden Enden verpichten Balg einer Ziege, mit Wasser gefüllt, und eine unbestimmte Menge Fladenbrot ohne irgendwelche Beigaben, das ist alles, was Abraham Hagar und Ismael mit auf den Weg gibt. Der Proviant ist spärlicher nicht denkbar. Diese ›Überlebenshilfe‹, eine Tagesration, die in kürzester Zeit aufgebraucht sein wird, steht in auffälligem Kontrast zu dem großen Entwöhnungsfest (lwdg htXm V.8), das Abraham zu Isaaks 206

Vgl. bes. M. EGGER, Hagar, 235ff. Vgl. B. JACOB, ebd., 482; V.P. HAMILTON, Genesis II, 82, und la !tn in Gen 18,7; 35,4; Ex 22,6.9 u.ö. Aber auch hier sind die Nuancen im Einzelnen schwierig. 208 Das Wort ~ym tmx ›Wasserschlauch‹ (tmx ist ugarit., arab. und akk. belegt) begegnet in der Bibel nur in Gen 21.14.15.19, nicht weil es als altertümliches Wort auf eine altertümliche Erzählung verweist (so C. WESTERMANN, Genesis, 417), sondern weil außer Hiob 32,19 Ábwa; 1Sam 16,20 dan (jeweils für Wein) im AT niemals wieder ein Wasserschlauch erwähnt wird. Elija unterm Ginsterbusch (1Kön 19,6) bekommt das Wasser im Krug gebracht.

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Ehren veranstaltet hat, und das man sich als ein wohl mehrtägiges üppiges Ess- und Trinkgelage vorzustellen hat.209 Von diesem Fest werden Hagar und Ismael mit diesem kargen Proviant vertrieben. Die Auskunft, dass Hagar mehr eben nicht tragen kann, erklärt nicht alles. Gewiss, ein solcher Wasserschlauch ist schwer, auch wenn Hagar ihr Kind nicht auf ihren Schultern trägt. Die Ausstattung mit Wasser und Brot ist nicht allein eine Frage der Menge. Reiseproviant kann in anderen Erzählungen in großer Reichhaltigkeit geschildert werden.210 Was Hagar auf ihren eigenen Schultern davontragen muss, ist sehr viel weniger als das ›Notwendige‹, weil es ihre Not nicht wenden, sondern rasch mit herbeiführen wird. Weniger kann man nicht mitgeben. Dazu gehört auch, dass der im Orient für vergleichbare Reisen übliche Esel als Tragetier, den übrigens auch Abraham bei seinem Aufbruch nach Morija in Gen 22,3 bepackt, für Hagar und Ismael nicht gesattelt wird. Die Erwähnung des Wasserschlauchs als dem zentralen Requisit der Vertreibung ist ein schönes Beispiel für die in hebräischen Erzählungen verbreitete Technik, Ausstattungen nicht zu beschreiben und nur Gegenstände einzusetzen, die für die Handlung Wesentliches zur Geltung bringen. Der Wasserschlauch ist als benötigtes Trinkgefäß ein Lebenssymbol in der Kontrastlandschaft der Wüste. Gefüllt ist er ein Lebensvorrat. Das Bild vom leeren Wasserschlauch reicht aus, die Todesbedrohung Ismaels sichtbar zu machen (V.15a), während die Rettung später darin verwirklicht wird, dass Hagar den Wasserschlauch füllen und Ismael zu trinken geben kann (V.19d.e).

Der knappe Proviant ist daneben auch erzählerisch durch den geplanten Fortgang der Handlung bedingt. Wenn die Vertreibung Hagars und Ismaels glaubwürdig sehr bald in eine Überlebenskrise führen soll, derer sich dann Gott rettend erbarmt, muss der Proviant gering und rasch verbraucht sein. Dies aber lenkt – ob vom Erzähler beabsichtigt oder nicht – dunkle Schatten auch auf Abraham, denn die Art, wie er Gottes Forderung konkret nachkommt, führt die Vertriebenen unmittelbar in Auf diesen Kontrast macht I. FISCHER, Erzelternerzählungen, 307, aufmerksam. Vor ihr haben sich hiervon auch M. LUTHER, J. CALVIN und andere frühneuzeitliche Ausleger berühren lassen. Wie stark die Ausleger in der Reformationszeit gerade mit dem Umstand hadern, auf welche kaltherzige Art Abraham seinen Erbsohn und dessen Mutter in die Wüste schickt, zeigt eindrücklich J.L. THOMPSON, Hagar, Victim or Villain?; DERS., Reading the Bible, 24-28, an Zwingli, Pellican, Musculus und Luther. 210 Man vergleiche nur, mit welcher Reichhaltigkeit David von Abigajil in 1Sam 25,18 (Brot, Wein, Fleisch, geröstetes Korn, Rosinen, Feigenkuchen) und von Barsillai in 2Sam 17,28f (u.a. Bohnen, Linsen, Dattelsirup, Käse usw.) verpflegt wird. Das sind freilich große Ausnahmen. Die Normalkost, nicht nur für Sklavinnen, dürfte Brot und Wasser (manchmal mit Wein versetztes Wasser) und selten etwas Fleisch (1Sam 16,20) gewesen sein. Auch der zu Tode erschöpfte Elija benötigt in der Wüste nichts anderes als geröstetes Korn und Wasser, um vom Gottesboten wunderbar gestärkt zu werden (1Kön 19,6); und Jes 21,14 fordert die Bewohner der Oase Tema auf, die durch die arabische Wüste Flüchtenden und Dürstenden mit Wasser und Brot zu versorgen.

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den Tod. Während zuvor die Vertreibungsforderung als Unrecht an Unschuldigen kenntlich wird, die auf Sara, aber vor allem auf Gott selbst fällt, tritt auch Abraham in die Schuldgemeinschaft der Vertreibenden hinein. Mit seiner letzten Handlung schickt Abraham Hagar weg. xlv Pi. bedeutet »fortschicken« und eine bestehende Beziehung endgültig abbrechen. Gegenüber dem harten Xrg der Forderung Saras (V.10), das immer Gewalttätigkeit im Trennungshandeln signalisiert, ist xlv nicht so harsch und betont weniger den aggressiven Vorgang des Vertreibens als das angestrebte Ergebnis der Trennung. Eine rechtlich abgestützte Ehescheidung211 ist jedoch auch in V.14 nicht gemeint. Nichts weist auf einen Rechtsvorgang hin. Ein rechtlich akzeptabler Scheidungsgrund ist nicht genannt. Die Sicherung des Erbes für nur einen der Söhne ist gerade keiner. Rechtssichernde Maßnahmen wie die Scheidung vor Zeugen, Scheidungsbrief, Versorgungsanteile für die Geschiedene, auch wenn sie als Mutter des erbberechtigten Sohnes noch Sklavin ist, sind auch in der altisraelitischen Scheidungspraxis zu erwarten, selbst wenn man eine Rechtspraxis annimmt, die den Familienvätern auch recht willkürliche Entscheidungen zulässt.212 Eine Scheidung müsste in der Handlungsfolge von V.14 zudem vor den Vorbereitungen des Aufbruchs (als ihre Ursache), nicht an ihrem Ende stehen.213 Ebenso wenig spielt in V.14 der Aspekt der Sklavenfreilassung eine Rolle.214 Die Freiheit, die Hagar hier gewinnt, ist die Freiheit zum Tod. Die harte Trennung Abrahams von seinem Sohn Ismael ist ein Loswerden, das eine Rückkehr nicht zulässt, ein Fortschicken ohne Grund, ohne (Rechts-) E.A. KNAUF, Ismael, 18; dgg. zu Recht I. FISCHER, ebd., 312f. In einer spezifisch verengten Verwendung kann xlv terminus technicus für Ehescheidung sein (Dtn 24,1f; Jer 3,1.8; Mal 2,16). Dies wird aber durch den Kontext determiniert. Dagegen steht ein breiter unspezifischer Gebrauch von xlv. 212 Nach Dtn 24,1ff wären zu einer regulären Ehescheidung ein triftiger Grund (der freilich auch später nicht genau definiert war [Mt 19,3]), eine von zwei Zeugen beglaubigte Entscheidung des Ehemanns und ein der Frau mitzugebender Scheidebrief notwendig. Das Fortschicken (xlX) der Keturasöhne (Gen 25,6) wird nicht als Scheidung von Ketura, sondern als Entsendung ihrer Söhne in die angestammten Lebensgebiete ihrer Nachfahren sowie als Trennung von dem Siedlungsgebiet Isaaks erzählt (s. dort). 213 Für I. FISCHER, ebd., 313, ist »keine rechtskräftige Entlassung nötig«, weil »Hagar im Stand der Unfreien« ist. Das übersieht das Erbschaftsproblem, Hagars Eheverhältnis sowie den Status Ismaels als Erbsohn. 214 Den Freiheitsaspekt betont P. TRIBLE, Mein Gott, 43 m. Anm 57, die in der Verbindung der Verben Xrg/xlX/$lh Anlehnung an die Exodusmetaphorik vermutet. Nach Ex 6,1 wird der Pharao durch Gott gezwungen, Israel aus ihrem Elend ziehen zu lassen (xlX) und (in die Freiheit) zu vertreiben (Xrg), weil er auf der Seite Israels steht (vgl. Ex 11,1). Falls in Gen 21 hierzu eine Analogie hergestellt werden soll, wäre diese interessant gebrochen. Gott selbst zwingt Abraham dazu, Hagar und Ismael ins Elend zu vertreiben, um sie dann aus dem von ihm verursachten Elend zu retten und auf diese Weise Hagars Befreiung aus ihrem Sklavinnendasein herbeizuführen. 211

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Sicherheit, ohne Unterhalt, ohne Zukunft und Ziel. Das Kommende ist zwangsläufige Folge einer solchen Vertreibung. So hat der israelitische Erzähler mit wenigen Strichen in V.14f ein geradezu prototypisches Bild eines Vertreibungsdramas Unschuldiger geschaffen. Und er hat darin – selbstkritisch und mahnend – die Erzeltern Israels nicht auf die Seite der Opfer, sondern auf die Seite der Täter gestellt. Abraham vertreibt Hagar. hxlXy wird nur mit dem auf Hagar verweisenden Suffix (Sg. f.) konstruiert. Hagars Rolle in Gen 21 ist es, Ismaels fürsorgende Begleiterin in seinem Vertreibungsunglück, aber auch Mittlerin seiner Rettung zu sein.215 Darüber hinaus wird sie wie schon in Gen 16 als Adressatin einer rettenden Gottesbegegnung gezeigt und dadurch in besonderer Weise der Aufmerksamkeit und Empathie der Leserschaft empfohlen. Die aufgezeigte Parallelität der Episoden, darf nun nicht dazu führen, die Eigenständigkeit des Vertreibungsdramas zu nivellieren. Darin ist Hagar Hauptperson und sie erlebt nun nach ihren Flucht-, Rückkehr- und Rettungserlebnissen in Gen 16 ein zweites Mal, Abrahams Haus verlassen zu müssen. Anders als bei Abraham, erfahren wir nichts über ihre Bewertung der Situation. Sie teilt die tödliche Erschöpfung ihres Sohnes und auch von ihr werden die beschriebenen Kontrasterfahrungen von Lebensbedrohung und Rettung abverlangt, die sie aus Gen 16 bereits kennt.216 Die Verben in V.14f-16g (Sie geht ... sie irrt ... sie wirft ... sie weint) kennen nur Hagar als Handlungssubjekt. Dies liegt weder daran, dass Ismael als Kind nicht als eigenständige Person betrachtet wird, noch daran, dass die Mutter ihn tragen muss und daher nur zwei Füße durch die Wüste laufen. Solche Singularformen sind Akte der erzählerischen Konzentration, der Fokussierung auf die gerade verantwortlich handelnde Person, unabhängig von den real vorstellbaren Abläufen. So geht Hagar mit Ismael los. Ihr Gehen ($lt Sg.) trägt die ganze Schwere, die

Allerdings fällt doch auf, dass V.14e »er schickte sie (Hagar) weg« gerade zu sagen vermeidet, was von Abraham vor allem zu tun abverlangt wird: die Vertreibung des eigenen Sohnes. Vergleicht man die Vertreibungsforderung Saras (V.10), die im Wortlaut von Gott sanktioniert wird (»... alles, was sie sagt, höre auf sie«), mit der Ausführung in V.14, dann überrascht, dass Hagar nicht mehr Sklavin, Ismael nicht mehr ›Sohn der Sklavin‹ genannt, Xrg in xlX verwandelt und die Schilderung, dass Abraham den eigenen Sohn vertreibt, vermieden wird. 216 M. EGGER, Hagar, die sich in ihrem Werk ausführlich mit meiner Habilitationsschrift befasst hat, kritisiert zu Recht, dass ich bei der Analyse von Gen 21 zu wenig die bemerkenswerte Rolle Hagars gewürdigt, und das Vertreibungsdrama zwar als Vorspiel und Präfiguration der Akedah erkannt, aber dann zu wenig als Modellfall eigenständiger Gotteserfahrung in den Blick genommen habe (334f). Diese Kritik ist berechtigt, hängt aber auch mit meiner thematischen Fokussierung auf die Gestalt Ismaels zusammen. In jedem Fall sei für die detaillierte Wahrnehmung der Figur Hagar nachdrücklich auf das Werk von M. Egger, Hagar, verwiesen. 215

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das Wort auch in der Aufbruchsszene in Gen 22 hat.217 Dieses Gehen löst das Ausgangsproblem des ersten Hauptteils und bildet selbst den Ausgangskonflikt des zweiten Hauptteils von Gen 21. Aber bei Hagars Gehen verweilt der Erzähler nicht. Zwischen V.14f.g sind ein Zeitsprung und ein Bildschnitt zu denken. Der Weg der gerade Vertriebenen führt erzähldramatisch nahezu sofort in eine ausweglose Situation tödlicher Bedrohung. Um diese zu kennzeichnen, beschreibt der Erzähler keine inneren Zustände, sondern wählt Handlungen und Orte, die Hagars innere Situation als äußere sichtbar machen. Sie verirrt sich in der Wüste. Das Verb h[t drückt ein Hin- und Herlaufen, eine taumelnde Bewegung aus, die alle Orientierung verloren hat,218 ein Laufen ohne Weg und ohne Ziel. Hagar wird vertrieben, geht los ($lt) und geht in der Wüste verloren (h[t).219 Die Ortsangabe rbdmb führt den Lesenden eine wasser- und menschenlose Einöde vor Augen, in die es Hagar und Ismael verschlägt und lässt ahnen, was nun als nächstes geschehen wird. Die geographische Präzisierung ›Wüste Beerscheba‹ fixiert den Ort des Verirrens in der bekannten Erfahrungswelt der Adressaten und zeigt zugleich, dass Hagar nicht weit gekommen ist. Den Ort des Entwöhnungsfestes und der Vertreibung muss man sich in oder bei Beerscheba vorstellen.220 Die ›Wüste Beerscheba‹ bezeichnet die südlich an Beerscheba angrenzenden Negevgebiete, das Tor zu den großen Wüstengebieten, die sich diesseits des jordanischen Grabenbruchs bis zum südlichen Sinai erstrecken.221 Hagar In Gen 22,3 geht Abraham der Verbform nach allein los ($lyw Sg.), obwohl Isaak und zwei Knechte mit unterwegs sind. Alle Handlungen (Esel satteln, Opferholz spalten usw.) werden singularisch allein mit Abraham verbunden, der sie gewiss nicht allein getan hat. Erst als Abraham mit Isaak zur Opferstätte geht, rückt der Erzähler absichtsvoll beide Personen als Gehende (wklyw V.6) ins Zentrum. 218 Vgl. HALAT z.St.; V.P. HAMILTON, Genesis II, 83. Ein weniger dramatischer Sprachgebrauch liegt in Gen 20,13 vor, wo Abraham mit h[t seine Wanderschaft aus seinem Vaterhaus beschreibt. 219 D. IRVING, Mytharion, 24. 220 In Gen 20 ist Abraham nicht mehr in Mamre, sondern in Gerar, Kadesch und Schur unterwegs. Gen 21,22 hält fest, dass sich Abraham ›zur selben Zeit‹ der Ereignisse von Gen 21,8ff in oder bei Beerscheba aufhält. Hierher kehrt er nach Gen 22,19 zurück, um in Beerscheba wohnen zu bleiben. 221 Vgl. O. KEEL/M. KÜCHLER, OLB II, 138f. Die Annahme, dass die Ortsangabe ›Wüste Beerscheba‹ sekundär nachgetragen sei, weil sie mit V.21 (Wüste Paran) kollidiert (R. KILIAN, Abrahamüberlieferungen, 235), oder der Erzählung die Spannung nimmt, weil der Ortsname bereits den Wasserbrunnen nennt, den Hagar in der Wüste erst findet (I. FISCHER, Erzeltern, 304), verkennt die geographische Situation. Die ›Wüste Paran‹ als Lebensraum der künftigen Ismaeliter ist allgemeine Bezeichnung der Wüstengebiete bis zum südlichen Sinai (Y. AHARONI, Das Land der Bibel, 204f) und grenzt an die ›Wüste Beerscheba‹ an, in die es Hagar verschlägt, bzw. schließt sie mit ein. Eine Wanderungsnotiz zwischen dem Ort der Rettung und dem Raum künftigen Lebens ist so nicht notwendig. Der Marktort Beerscheba, samt seinem berühmten Brunnen, der in Gen 21,30 auf Abraham zurückgeführt wird, gibt den angrenzenden, beson-

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ist von Beerscheba in südliche Richtung gelaufen, nicht nach Westen auf die Küstenstraße nach Ägypten. Davon, dass sie in ihre ägyptische Heimat zurückkehrt oder sich als Mutter der Ismaeliter zielstrebig aufmacht, um in den künftigen Lebensraum ihres Volkes zu gelangen, kann keine Rede sein. Ihr zielloses Umherirren führt sie ›zielsicher‹ in eine tödliche Gefahr. In der Perspektive der Erzählung ist die Wüste222 ein Ort des Todes, und als solcher dann auch der Rettung. Aber nicht, weil dort jede ihren Brunnen findet, wenn sie nur die Augen aufmacht, sondern weil Gott dort rettet, wo die Gefahr am größten ist.223 Anders als in Gen 16 ist der Weg durch die Wüste für Hagar kein selbstgewählter Ort der Flucht. Er ist die Folge ihrer Vertreibung, ihres Umherirrens, ihrer verlorenen Situation. Die Wüste Beerscheba ist als konkret geographischer zugleich ein eminent theologischer Ort. 2.7 Folge der Vertreibung – Tod in der Wüste (V.15-16) 14 15 16

f Und sie ging. g Und sie irrte in der Wüste Beerscheba umher. a Und das Wasser aus dem Schlauch ging zur Neige. b Und sie warf das Kind unter einen der Wüstensträucher. a Und sie ging. b Und sie setzte sich ihm gegenüber, eine Bogenschussweite entfernt. c Denn sie hatte (sich) gesagt: d »Ich will/kann beim Sterben des Kindes nicht zusehen.« e Und sie setzte sich gegenüber. f Und sie erhob ihre Stimme. g Und sie weinte.

Hagars Umherirren in der Wüste bringt das verstoßene Kind unverzüglich in Lebensgefahr. Um dies anzuzeigen, genügt dem Erzähler der Hinweis auf den leeren Wasserschlauch als Requisit des Todes und die knappe Schilderung nur der letzten Szene, in der die langsam zunehmende Qual des Umherirrens ihren Höhepunkt erreicht. Hagar wirft ($lv) das Kind unter einen der Sträucher. Dieses Werfen bringt die Erders trockenen Gebieten den Namen, nicht das Wasser. 222 Wenn Gen 20,1 Abraham zwischen Kadesch und Schur wandern und in Gerar zu Gast sein lässt, wird das geographisch und klimatisch ähnliche Gebiet weniger dramatisch als bgn – ›Südland‹ bezeichnet. 223 Die Szene und der sonst singuläre Begriff [bX rab rbdm – ›Wüste Beerscheba‹ verraten wieder deutliche Ähnlichkeiten mit der Fluchtgeschichte Elijas in 1Kön 19,3ff. Der Prophet flieht vor Isebel, kommt nach Beerscheba, das auch hier als Eingangstor zur Wüste verstanden wird, lässt seinen Diener (r[n) zurück und geht einen Tag in die Wüste hinein, und setzt sich zum Sterben (müde) unter einen Strauch. Dort wird er durch einen Engel (hwhy $alm) wunderbar mit Wasser und geröstetem Korn gespeist, was ihm die Kraft für 40 Tage Wüstenmarsch zum Gottesberg verleiht. Zur Wüstenthematik und -symbolik vgl. S. TALMON, ThWAT IV, 660-695.

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schöpfung der Mutter zum Ausdruck, die den geschwächten Knaben zuvor geschleppt, aber nicht von Anfang an auf der Schulter getragen hat. Unter dem Strauch will sie ihn vor der prallen Sonne schützen, ihm das unvermeidlich scheinende Sterben erleichtern.224 x;yfi bezeichnet einen botanisch nicht näher bestimmbaren Wüstenstrauch.225 Das gleiche von der homonymen Wurzel hebr. xyf II abgeleitete Wort bedeutet überdies Klage, Verzweiflung und tiefe Not. Beides ist hier zu hören. So erzählt auch dieser Strauch der Bedrängnis226 von der Situation, in der sich Ismael und Hagar befinden. Hagar entfernt sich von ihrem ermatteten Kind und setzt sich in einiger Entfernung nieder, d.h. sie hat es aufgegeben. Die Distanz wird mit einer Pfeilschussweite227 angegeben. Das ist ziemlich weit228, weit genug, um beim Sterben nicht zusehen zu müssen (V.16d hara-la), vielleicht nah genug, um das Kind nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Die ›Pfeilschussweite‹ führt ethnographisches Kolorit ein, denn Ismael wird später ein Bogenschütze werden (tXq V.16.20). Hagars Trennung von ihrem sterbensschwachen Kind begründet der Erzähler ausdrücklich, indem er ihre Gedanken V.16c.d in direkter Rede zitiert: »Denn sie hatte sich gesagt: ›Ich kann beim Sterben des Kindes nicht zusehen.‹« Dadurch gewährt er Einblick in Hagars verzweifelte innere Verfassung und motiviert die Trennung von ihrem Kind,229 die er offenbar der besonderen Begründung wert fand (s.u). Als ein Gebet ist Hagars innere Rede ihrer sprachlichen Struktur nach aber nicht anzusehen.230 In 1Kön 19,4 legt sich Elija drei Tagesreisen weit in der Wüste Beerscheba unter einen Ginsterstrauch nieder, um zu sterben. 225 Das Wort begegnet nur in Gen 2,5; 21,15; Hiob 30,4.7. Gelegentlich dachte man an Beifuß (Gesenius-Buhl z.St.) oder – nach Analogie von 1Kön 19 – an den Ginsterbusch (H. GUNKEL, z.St.) oder man verbindet x;yfi mit den im Negev und in den syrisch-palästinischen Steppengebieten häufig vorkommenden Wermutpflanzen (artemisia herba alba). Vgl. Hiob 30,4 und M. ZOHARY, Pflanzen, 145. Der weiße Wermut, ein bis 40 cm hoher, stark verzweigter Zwergstrauch, wird in der Bibel allerdings hn[l genannt und auch für Ginster und Beifuß stehen andere Begriffe zur Verfügung. Die neueren botanischen Handbücher (OLB I, 66 und M. ZOHARY, Pflanzen) erwähnen den x;yfi trotz umfangreicher Register nicht. 226 Vgl. noch Hiob 30,4.7 in einem ganz ähnlichen Doppelsinn. 227 Die Wendung tXq ywxjmk qxrh – ›so weit, wie ein Bogenschütze schießt‹ ist hap.leg. Zu tXq ywxjmk Ptzp. von hxj Pil., das von xwj (Schussweite ?, arab. ṭḥw – [weit] werfen), abzuleiten ist, vgl. HALAT, 357. 228 Je nach Herstellungstechnik und Spannkraft des tXq ist an eine Entfernung zwischen 70 und 100 m zu denken. Ein »gezielter Schuß« mit dem ab der Eisenzeit II verbreiteten Kompositbogen »ist durchschnittlich über ca. 100m möglich«. Vgl. H. WEIPPERT, Art. Bogen, BRL2, 49. 229 Der Passus 16c.d ist eine Nachholung, der die Handlungen V.16a.b begründet, was auch der Tempuswechsel anzeigt. Daher ist hrma als Plusquamperfekt zu übersetzen. 230 P.D. MILLER, Prayers of Women, hat die Stelle als typisches Frauengebet angesprochen, das die Leidenserfahrung von Frauen vor einen Gott bringt, der sich ihrer erbarmt: »in every way a typical prayer of lament and petition of those who suffer and 224

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Der Erzähler fokussiert Hagar, nicht das Kind, indem er uns in fünf knappen Sätzen beobachten lässt, was sie tut. Sie wirft, sie geht, sie setzt sich, sie erhebt ihre Stimme, sie weint. Die letzten drei Narrative verlangsamen und detaillieren das Geschehen zum Höhepunkt hin.231 Sie zeigen Hagar bei unabgeschlossenen Handlungen und erzählen von der Permanenz der Trostlosigkeit. So ist mit wenigen Strichen am Handeln der Mutter die tödliche Bedrohung Ismaels kenntlich gemacht. Auch die verzweifelte Mutter kann nicht mehr Helferin ihres sterbenden Kindes sein, kann nur noch warten und weinen, bis Ismael verdurstet ist. Von Rettungsgewissheit ist in der Szene keine Spur, der letzte Funken Hoffnung verglommen. Das Kind stirbt, Hagar klagt,232 es ist alles zu spät. Die ergreifende Situation, welche die Lesenden fest an das Schicksal Ismaels und Hagars bindet und für sie hoffen lässt, nicht mit ihnen, führt bis an die unmittelbare Grenze des Todes heran. So ist die Vertreibung Ismaels aus dem Haus Abrahams zu einem Todesurteil geworden, von Sara gewollt, von Gott gefordert233, von Abraham vollzogen. Es ist die Situation auswegloser Verlassenheit und Todesnähe, die Ismael durchleidet. Er wird sie mit seinem Bruder Isaak teilen, gegen den sich das Messer des eigenen Vaters noch wenden wird (22,10). Der nächste Satz könnte nur den Tod des Knaben mitteilen. Aber gerade dieses folgt nicht. Die Erzählung, die der grausamen Erfahrung des unverschuldeten Todes nicht ausweicht, will doch zeigen, dass dort, wo die Not am größten ist, der Gott Israels die Leidenden rettet, und whose cries are heard and dealt with by a compassionate God« (242), was sich auch daraus ergäbe, dass die Gottesrede Hagar persönlich anredet und darin ihre Leidenssituation ernst nimmt und mit einem ermutigenden Zuspruch die Rettung einleitet. Der entscheidende Einwand ist, dass V.16c.d keine wie auch immer geartete Anredefunktion zu entnehmen ist, wie es P.D. MILLER mit seiner (unrichtigen) Übersetzung: »Do not let me look on the death of the child« (239) suggerieren möchte. Zudem zielt die Erhörung ausdrücklich auf Ismael, wenn auch Hagar als Vermittlerin seiner Rettung an ihr Anteil hat. Der für P.D. MILLER wichtige Gebetszusammenhang, dass Gott als Retter das Schreien der zu ihm Flehenden erhört, liegt durchaus im Hintergrund der Erzählung. Sie gewinnt aber ihr besonderes Profil darin, dass Gott Ismael und Hagar erhört und rettet, ohne dass zuvor zu ihm gefleht wurde. Auch H. IRSIGLER, Ismaelname, 130, betrachtet das laute Weinen Hagars als Gebet, als flehentliche Bitte, die dann Jhwh erhört (vgl. Ps 6,9-11). 231 Dies wird schon von H. GUNKEL, Genesis, 230, mit ausdrücklichem Hinweis auf dieselbe Technik der Spannungserzeugung in Gen 22,4-10 notiert. 232 Daraus, dass Hagar den Tod Ismaels nicht sehen will, sich dann aber doch noch in Sichtweite hinsetzt und sitzen bleibt, kann man kaum schließen, dass sie noch Hoffnung auf Rettung hatte. So B. JACOB, Genesis, 483, der darin »die ergreifende Unlogik des Mutterherzens« erkennt. Hagar »sagt zwar: das Kind wird sterben, und doch wartet sie; auf was anderes als auf irgend eine Hilfe?« Auch Hagar wartet auf den Tod. Sie hat sich in der Wüste verirrt, kann ihrem Kind nicht mehr helfen und ist ohne Wasser. 233 Wie in der Parallelgeschichte Gen 22 nimmt die Prüfung des Vaters die Gefährdung der Söhne in furchtbarer Zuspitzung in Kauf. Die vorab in V.13 dem Abraham gegebene Verheißung für Ismael ändert an dessen Todesqual gar nichts.

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zwar auch dann, wenn es sich um die aus Abrahams Haus vertriebenen Ahnen der Ismaeliter handelt.

EXKURS: Hagar als verzagende und versagende Mutter?

Es hat oft eigenartig berührt, dass Hagar ihr Kind weglegt und sich von ihm trennt, anstatt es in ihren eigenen Armen sterben zu lassen. Vom Vater vertrieben, von der Mutter verlassen, der sterbende Ismael ist gänzlich allein. Warum wirft Hagar ihr verdurstendes Kind unter einen Strauch und setzt sich von ihm entfernt nieder und wartet auf seinen Tod? Darauf antwortet V.16c.d: »Denn sie hatte sich gesagt: ›Ich (kann) beim Sterben des Kindes nicht zusehen.‹« Wie ist dies zu hören? Als die ungewöhnliche, aber doch verständliche Reaktion einer verzweifelten Mutter, die sich außer Stande fühlt, dem Sterben ihres Kindes aus nächster Nähe zuzusehen? »In Wahrheit setzt sie sich deshalb weiter weg, um das Weinen des Kindes, das ihr das Herz zerreißt, nicht zu hören und um sich ihren eigenen Tränen überlassen zu können«234. Oder wird hier eine Kritik des Erzählers an einer Mutter laut, die in der schlimmsten denkbaren Krise ihr Kind allein lässt und ihm die letzte Erleichterung verweigert, im Schoß der Mutter zu sterben? Für eine kritische Bewertung Hagars lassen sich weitere Beobachtungen zusammentragen: a) Nirgends in der Bedrohungs-, aber auch nicht in der Rettungsszene wird die Beziehung Hagars zu ihrem Kind ausgeformt. Hagar wirft das Kind (dlyh) unter den Strauch, so dass TRIBLE eine bewusste Distanzierung zwischen Mutter und Kind diagnostizierte.235 b) Hagar erhebt ihre Stimme und weint, aber Gott erhört die Stimme des Knaben. Übergeht (und kritisiert) darin Gott selbst das Verhalten der Mutter? Das laute Weinen der Mutter war es nicht, das Gott erhört, sondern das nicht mitgeteilte Weinen des Kindes. Die Distanz, mit der sich die Mutter von ihrem sterbenden Kind entfernt hat, wird als ›Bogenschussweite‹ mit einer ›kriegerischen‹ Metapher beschrieben. Aber der Ort, an dem das Kind liegt (und wo die Mutter nicht ist), wird in V.17g als der Ort der Erhörung angegeben.236 Die daran anschließende betonte Aufforderung Gottes an Hagar, ihr Kind zu nehmen und es fest mit ihrer Hand anzufassen, fordert sie zur räumlichen Rückkehr, zur Überwindung der von ihr zuvor hergestellten DisB. JACOB, Genesis, 483. DIES., Mein Gott, 44: Der Erzähler deutet in V.15 »emotionale Distanz an, die zur körperlichen Distanz wird.« Ebenso benutze dann in V.16 Hagar selbst »ein Vokabular, das Distanz ausdrückt« (45). 236 Nach B. JACOB, Genesis, 484, besagt dieser Hinweis des Engels: Ismael »ist nicht verlassen und verloren, obgleich du ihn verlassen hast. Das ist ein Tadel für die Mutter.« Am stärksten ausgeprägt ist diese Sicht bei J. CALVIN, Genesis, 227. 234 235

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tanz und zur Erneuerung der Solidarität mit ihrem Kind auf. Agiert Hagar darin, dass sie sich trennt und die letzte mögliche Hilfe verweigert, in V.16 erzählfunktional als Widersacherin ihres Kindes? Und wird die in ihrer Mutterrolle verzagende und darin versagende Hagar erst durch Gott in V.17 leicht tadelnd und dann liebevoll zu erneuter Fürsorge für Ismael gebracht und in den Segen des erhörenden Gottes einbezogen? c) Gottes Frage an Hagar in V.17d rgh $l-hm – ›Was (ist) dir Hagar?‹ wäre dann als Tadel zu hören: Warum tust du das?, »Was soll dein Gebaren?«237 Bringt erst die Erhörungszusage, die sich an die Mutter als Vermittlerin der Rettung richtet, Hagar in ihre Helferfunktion zurück? Dennoch ist Vorsicht bei solchen Bewertungen angebracht, weil sie dem Erzähltext nicht zweifelsfrei zu entnehmen, d.h. nicht deutlich(er) herausgehoben sind. Der Erzähler überlässt fast immer das Bewerten seinen Lesern, die bei der Interpretation einzelner Textmerkmale der von ihnen eingenommenen Perspektive folgen. Eindeutigkeit ist bei einem so ambiguitären Erzähltext nur auf Kosten anderer (auch vom Text ermöglichter) Lesarten herstellbar. Mindestens wäre aber das Folgende zu bedenken: Als dly werden Ismael und Isaak (V.8) in Gen 21 immer dlyh genannt, niemals mit Suffixen ›sein‹ (Abrahams V.14d) oder ›ihr Kind‹ (V.15b.16d) versehen. Dieser Sprachgebrauch gilt auch für die Verwendung von r[nh (V.17a.f.18b.19d.20a). Wenn man, um die erzählerische Präsentation von Kleinkindbeziehungen in hebräischen Erzählungen genauer kennenzulernen, drei weitere sehr dramatische Episoden vergleicht, in denen es um den Umgang mit vom Tod gefährdeten Kleinkindern geht, dann unterscheidet sich der dortige Befund nicht von Gen 21.238 Im Hinblick auf eine gezielt eingesetzte emotionale Distanzierung lässt sich die Rede von dlyh daher nicht auswerten. Auch der kulturgeschichtliche Hinweis, dass im Alten Orient Kleinkinder (schon wegen der hohen Sterblichkeitsrate) nicht als eigenständige Persönlichkeiten angesehen werden, überzeugt nicht. Denn wenn dieselben Kinder als ›Sohn‹ oder ›Tochter‹ bezeichnet werden, fehlen personale Relationen nie. Wahrscheinlich ist es übliche Redeweise, dly oder r[n zur Bezeichnung von Kindern nicht (oder kaum) mit Personalsuffixen zu verbinden.239 B. JACOB, Tora, 484. Vgl. die Geburt und Aussetzung des Mose in Ex 2,1-10 (dlyh V.3.6.7.8(2 mal). 9.10; besonders eindrücklich ›Davids Trauer angesichts seines gestorbenen Sohnes‹ 2Sam 12,15-23 (dlyh V.15.18(4 mal).19(2 mal).21(2 mal).22; r[nh V.16.; Elijas Wiederbelebung des Sohnes der Witwe 1Kön 17,17-24 (dlyh V.21.22.23). Synonym zu dlyh, das nie mit Pronominalsuffixen verbunden wird, ist hier vom ›Sohn‹ !b immer in personalen Relationen die Rede (V.17.18.19.20.23). 239 In Gen 22 ist der Befund ähnlich, auch wenn Isaak nie dlyh, sondern !b oder r[n genannt wird. Als !b (Abrahams) wird Isaak immer in personalen Relationen präsentiert

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Von Hagar ist in V.15f die Rede, weil der Erzähler nur an den

Handlungen der Mutter und nicht am Befinden des Kindes so gedrängt

die ganze Verzweiflung der Situation erzählbar machen konnte oder wollte. Hagar als einzig mögliche ›Helferin‹ Ismaels in der Wüste ist hilflos und sieht dem Tod ohnmächtig entgegen. So wird von vornherein ausgeschlossen, dass die Mutter noch zur Retterin werden kann, und die Situation vorbereitet, in der Gott nun eingreift. Die räumliche Distanzierung der verzweifelten Mutter von ihrem sterbenden Kind befremdet uns. Ob sie bei den altisraelitischen Rezipienten der Erzählung Kopfschütteln oder Verständnis ausgelöst hat, kann hier nicht entschieden werden, weil entsprechende Vergleichsmöglichkeiten fehlen.240 Selbst wenn man die Fremdheit kultureller Gepflogenheiten im antiken Israel gegenüber unserer gegenwärtigen Kultur in Betracht zieht, wird man hier nicht an eine damals übliche Verhaltensweise denken müssen. Es ist m.E. wahrscheinlicher, dass der Erzähler durch diese Trennungsszene die ganze Brutalität der Not, in der sich Ismael befindet, sichtbar machen will, ohne an Hagar ein moralisches Exempel zu statuieren; ebenso wenig, wie Sara als Motivgeberin der Vertreibung als ›die gewissenlos Eifersüchtige‹ par excellence gezeigt werden soll. Der Erzähler selbst wertet nicht und die Antwort Gottes an Hagar enthält Trost und keinen Vorwurf (s.u.). Dass dann nicht ihr Weinen, sondern das Weinen des Kindes von Gott erhört wird, ist ein narrativ ganz gezielt eingesetztes Überraschungsmoment. Aber es ist das in der Erzählung notwendige, denn Ismael ist – vom Vater vertrieben und nun auch von einer verzweifelten Mutter verlassen – dem Tode nahe. Ihm gilt in erster Linie die Rettung des erhörenden Gottes, der als yišmāʿʾēl an Ismael handelt. Die Partikel hm kann gewiss auch vorwurfsvolle Fragen einleiten,241 was allerdings kontextuell determiniert werden müsste. Die Fügungen mit l-hm gehören zu Erkundigungsfragen: Was hast du? Was ist dir? Auch hier ist ein Vorwurf möglich, wenn es die Situation verlangt.242 In Gen 21,17 ist die Situation jedoch die der Rettung und Erhörung. Die (V.2.3.6.9.10.12.13), als r[n nie (V.5.12), obgleich im Hinblick auf die Bediensteten Abrahams V.5.19 r[n auch mit Suffixen versehen wird. Mit ähnlichem Ergebnis zu 1Sam 1f auch P.D. MILLER, Prayers of Woman, 238f und Anm. 4. 240 Mindestens kann auf eine entsprechende Diskussion zu 2Sam 12,15-23 verwiesen werden, wo wegen des Sprachgebrauchs viel über ein womöglich emotional distanziertes Verhältnis Davids zu seinem ersten Kind mit Batscheba, dem Kind des Ehebruchs, gerätselt wurde. 241 Vgl. u.a. Gen 4,10; 20,10; 37,10; 44,15; Jos 22,16; 1Kön 9,13; Jes 36,4. 242 Vgl. l-hm in Erkundigungsfragen wohlwollend anteilnehmend in Ri 1,14; Est 5,3; 1Sam 11,5; als Vorwurf in Jes 3,15; 22,1; Ps 50,16. Mit Gen 21,17 nicht vergleichbar ist die Fügung $lw yl-hm (Ri 11,12; 2Sam 16,10; 19,23), mit der die scharfe Distanzierung des Sprechers vom Angesprochenen ausgedrückt wird: ›Was habe ich mit dir (zu schaffen)?‹.

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Gottesrede will Hagar ihre Verzweiflung und Angst nehmen und beginnt daher kaum mit einem Tadel.243 So fügt sich konjunktionslos an die Frage $l-hm der Ermutigungszuspruch an: »Fürchte dich nicht, Hagar« (V.17). Frage und Zuspruch sind syntaktisch eng aufeinander bezogen und verbinden Formelemente des Heilsorakels (vgl. Gen 16, 8ff). Es ist leichter, beide Sätze in ähnlicher Funktion und nicht als Gegensatz zu verstehen: als die teilnehmende Frage nach dem Befinden Hagars und als ermutigenden Zuspruch des Gottesboten vom Himmel her.244 (Exkursende) 2.8 Der als yišmāʿʾēl rettende Gott (V.17-18) V.17 a Und es hörte Gott (~yhla) die Stimme des Knaben (r[nh lwq-ta). b Und es rief ein Bote Gottes Hagar vom Himmel her zu, c und er sprach zu ihr: d »Was ist dir Hagar? e Fürchte dich nicht, f denn Gott hat die Stimme des Knaben gehört, wie er dort ist. V.18 a Stehe auf, b Hebe den Knaben auf, c und halte ihn fest an deiner Hand, d denn zu einem großen Volk (lwdg ywgl) werde ich ihn machen.«

Die Rettungsszene beginnt mit einem überschriftartigen Satz, der alles Folgende zusammenfasst und narrativ vorwegnimmt. Gott (~yhla) erhört. Damit setzt nach der Szene der Not V.15f nun die rettende Wende ein. Wenn ab V.17b der Bote Gottes (~yhla $alm) vom Himmel spricht und in V.17f auf dieses Erhören Gottes in V.17a als dem Grund seiner Rede verweist, ist doch deutlich, dass hier eine Unterscheidung, aber keine Trennung zwischen Gott und seinem Boten hergestellt werden soll.245 Der ~yhla $alm ist in V.17f Gottes Sprechrolle. Der Satz birgt ein nicht geringes Überraschungsmoment. Denn während Hagar ihre Stimme erhob und weinte ($btw hlq-ta aXtw V.16f.g), erhört Gott die Stimme des Knaben (r[nh lwq-ta), von dessen Weinen vorher nichts mitgeteilt wurde.

Vgl. aber auch Jub 17,11: »Warum weinst du, Hagar?«, was K. BERGER, Jubiläen, 417 m. Anm. 11.b unter Hinweis auf die Formelemente hellenistischer Erscheinungsberichte als »Tadel am bisherigen Verhalten« ansehen möchte. 244 Vgl. H. IRSIGLER, Ismaelname, 127 m. Anm. 38. 245 In V.12f hatte sich ~yhla ohne vermittelnde Instanz an Abraham gewandt, in der Rettungsszene agiert sein Bote vom Himmel her. Dasselbe Muster findet sich in Gen 22: der Opferungsbefehl ergeht direkt V.1f; die Rettung Isaaks durch den Boten (hwhy $alm) vom Himmel her V.11. 243

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In der diachronen Diskussion des Textes wird dies als deutlicher Bruch bewertet und entweder textkritisch, literarkritisch oder überlieferungsgeschichtlich ausgewertet.246 So wird z.B. schon der Textbestand von V.16 MT so verändert, dass nicht Hagar, sondern Ismael seine Stimme erhebt und weint, auf die dann Gott reagiert. Diese Lesart, die eine interessante Spannung im Text einebnet und sich textgeschichtlich allein auf den Harmonisierungsversuch der LXX abstützen kann, andere Textzeugen aber übergeht, ist gegenwärtig verbreitet, aber nicht gerechtfertigt.247 Sie hat auch Hagar in V.16d.e unnötig und auf Dauer ihrer Tränen beraubt.248

Der unerwartete Handlungsverlauf lenkt das Interesse der Rezipienten weniger auf das Nichterhören der weinenden Hagar als auf Ismael. Er ist der unmittelbar vom Tod Bedrohte. Ihm gilt dieses rettende Erhören Gottes: r[nh [~yh]la [mXyw. »Darauf kommt es dem Text an, die etymologische Anspielung auf ›Ismael‹ soll erkannt werden.«249 Der Erzähler setzt voraus, dass die Rezipienten Ismaels Namen (la[mXy) und die aus dem Erhörungsmotiv erwachsende Episode seiner Namensgebung durch Gott kennen (16,11), und spielt mit der Rettungsszene darauf an. Da der Name Ismaels in Gen 21 – um der Kraft dieser Assoziation willen – nie genannt wird,250 muss hier so deutlich darauf insistiert werden, dass dieses Erhören dem Knaben (r[nh) gilt, wie Gott in Gen 21 Ismael immer nennt. Gott, der von Abraham die harte Vertreibung Ismaels verlangt hat, erweist sich nun selbst an Ismael als yišmāʿʾēl, als erhörender Gott. Was unter der Stimme des Knaben genauer zu verstehen ist, So H. IRSIGLER, Ismaelname, 126f, der die Lesart der LXX zugunsten von MT mit Recht ablehnt und eine überlieferungskritische Lösung bevorzugt. Er setzt sich mit den Versuchen R. KILIANs; C. WESTERMANNs und E. BLUMs auseinander und sieht V.17a. 19.20 als Teile einer Grunderzählung an, die durch V16e.f-g.17b-18.21 ergänzt wurde. 247 Diese allein durch den inhaltlichen (Kurz-)Schluss begründete und der durchgängig feminin konstruierten Syntax von V.16 widerstreitende Textänderung ist praktisch Grundlage (fast) aller Kommentierungen von F. DELITZSCH bis C. WESTERMANN (inzwischen aber V.P. HAMILTON, Genesis II, 76 m. Anm. 13) und selbstverständliche Lesart vieler Bibelübersetzungen. Die Spannung zwischen der weinenden Mutter und dem Erhören der Stimme des Knaben im MT hat im Jubiläenbuch (17,10-12) zu der entgegengesetzten Lösung geführt, in der Hagar weint und dann auch ihre Stimme erhört wird: »Denn Gott hat deinen Ruf gehört und hat den Knaben gesehen« (V.11). Die nahezu gleichzeitigen, aber konträren Harmonisierungsversuche von LXX und Jub erweisen die MT-Lesart eindeutig als lectio difficilior. 248 Zum Problem P. TRIBLE, Mein Gott, 45; DIES., Other Woman, 235. 249 H. IRSIGLER, ebd., 128, und T. NAUMANN, Erhörungsmotiv, 34f. 250 Vgl. o. zu Gen 16,11 und 17,20. Auch Gen 18,1-16 spielt mit dem Motiv des Lachens aus dem Namen Isaaks, ohne ihn zu nennen. Dass der Kontext der Rettungsszene jemals eine Namensgebung Ismaels begründete (so in Gen 16,11), wie dies unter dem Eindruck paralleler Erzählungen von Gen 16; 21 und einem ätiologischen Verständnis angenommen wird, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil auch ein vertriebenes und gerettetes Kind schon einen Namen hat, nicht erst bekommt. Vgl. aber H. GUNKEL, Genesis, 231: »Ursprünglich wird Hagar nach 19 nicht nur Ismael, sondern auch dem Brunnen den Namen gegeben haben«. C. WESTERMANN, Genesis, 420, formuliert etwas vorsichtiger, aber in der Sache ähnlich. 246

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ob er weint, schluchzt, wimmert, schreit, will der Erzähler nicht näher bestimmt wissen. Es sind Laute seiner Todesnot. Dass sie der Mutter galten, ist wahrscheinlich. Diese (nicht mitgeteilten, aber zu denkenden) Äußerungen des gequälten Kindes sind das ›Gebet‹, das Gott erhört. Gegenüber dem sonst verbreiteten Zusammenhang, dass Gott erhört, wer zu ihm fleht,251 besteht die besondere Variation der Szene darin, ganz ähnlich wie in Gen 16,11, dass Gott diejenigen erhört, die seine Hilfe nötig haben, auch wenn sie nicht zu ihm schreien.252 Wie auch in Gen 16,11 wird Gottes rettendes Eingreifen mit dem Erhörungsmotiv im Namen Ismael verbunden, ja aus diesem Namen heraus und in ihn hinein erzählt. Auch hier gewinnt man den Eindruck, dass dem Erhörungsmotiv im Namen Ismaels eine szenenbildende Kraft zukommt. Das Erhören Ismaels ist der grundlegende Akt Gottes, der aber nicht folgenlos bleibt und alles weitere Rettungshandeln und Bewahren impliziert. Die folgenden Sätze mit göttlichem Handlungssubjekt zeigen: Aus dem tröstenden und verheißenden Reden (V.17b-18d) erwächst das rettende Tun (Zeigen des Brunnens V.19a) und das Bewahren (V.20a Gottes Mit-Sein mit Ismael).253 Wie Abraham in Gen 22,11, so wird in V.17b Hagar vom Gottesboten aus dem Himmel direkt angeredet. Gott (~yhla) handelt (V.17a. 19a.20). In seiner Sprecherrolle erscheint er in Gestalt seines Boten. Hagar musste das schwere Los ihres Sohnes teilen. Unabhängig davon, wie ihre Rolle im Einzelnen bewertet wird, soll sie nun auch erhört und Mittlerin der Rettung ihres Sohnes sein. Nachdem ihr Name seit der Vertreibungsszene (V.14c) nicht mehr genannt war, obwohl sie als Handelnde seither unablässig im Mittelpunkt des Geschehens stand, spricht der Gottesbote Hagar jetzt mit ihrem Namen an. Die Erkundigungsfrage rgx $l-hm ist wohl vor allem ein kommunikatives Signal der Ermutigung. Durch die Namensnennung in der direkten Anrede stellt der Gottesbote eine deutliche Beziehung zu Hagar her. Sie wird in ihrem Personsein von Gott wahrgenommen. Der ohne syntaktische Zäsur unmittelbar angeschlossene Zuspruch »Fürchte dich nicht!« legt den Ton auch der Anrede als freundlichen Trost und Versuch der EntVgl. etwa Ps 6,9 (»denn Gott hat mein lautes Weinen gehört«) und das Material bei P.D. MILLER, Prayers of Woman. 252 S.o. zu Gen 16,11. Die »typische Situation des Gebets und der Gewissheit göttlicher Erhörung als religiöses Paradigma«, die H. IRSIGLER, ebd., 130, hier voraussetzt, ist mehrfach markant gebrochen. Kein Gebet kommt über Hagars oder Ismaels Lippen, keine Gewissheit göttlicher Erhörung nimmt ihnen die Verzweiflung. Indem die Erzählung dennoch von Rettung erzählt, ermutigt sie zu beidem. Abwegig ist der Gedanke J. CALVINs, Genesis, 227: Weil weder Ismael noch Hagar in ihrer Not ›ordentlich‹ gebetet haben, wird Hagar vom Engel wegen ihrer Undankbarkeit gegenüber Gott, der ihr ja schon einmal geholfen hat, getadelt. Und Ismael wird (nur) gerettet, weil Gott dabei an Abraham denkt. 253 Vgl. auch H. IRSIGLER, ebd., 129. 251

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ängstigung fest. Anrede und Ermutigungszuspruch sind literarisch transponierte typische Redeformen des (priesterlichen) Heilsorakels254, die als solche von den israelitischen Rezipienten der Erzählung erkannt werden können. Sie lernen daran, dass sich Gott dem vertriebenen Abrahamsohn und seiner Mutter in derselben Weise erhörend zuwendet, wie es ihnen aus ihrer religiösen und liturgischen Tradition vertraut ist, ja, dass Ismael solches Erhören als Manifest des errettenden Gottes in Israel in seinem Namen trägt. Als Grund dieser Rettung wiederholt der Gottesbote in V.17f für Hagar noch einmal, was der Erzähler dem Leser in V.17a schon mitgeteilt hat, dass »Gott die Stimme des Knaben gehört hat«255 und weist sie auf die von Hagar einen Pfeilschuss weit entfernte Stelle hin, an der das Kind noch immer liegt. Der Ort, an dem der Knabe unter dem Wüstenstrauch ganz verlassen sterben sollte, ist der Ort der Erhörung. Mit der Aufforderung, sich zu erheben, wird Hagar ermutigt, zu ihrem Kind zurückzukehren, es aufzuheben (V.18c) und es fest an ihre Hand zu nehmen (qzx Hif.). Damit wird der Bewegungsablauf von V.16 (werfen, entfernen, hinsetzen) rückgängig gemacht und die erneute Zuwendung der Mutter zu ihrem Kind mit dem starken Bild vom ›Starkmachen der Hände‹ betont. wb $dy-ta yqyzxh meint wahrscheinlich nicht nur ein einfaches Anfassen oder bei der Hand nehmen,256 sondern zielt auf Stärkung und bleibende Fürsorge Ismaels, die Hagar nun von Gott als Aufgabe auferlegt bekommt.257 Worin diese Absicht der StärHierzu gehören vor allem die Verbindung von Ermutigungszuspruch und perfektischer Erhörungszusage V.17e-f, evtl. auch die Erkundigungsfrage als Eröffnung des Zuspruchs und das Bild vom ›Starkmachen der Hände‹ (s.u.). Vgl. hierzu die klassische Studie von J. BEGRICH, Heilsorakel, 219-224; K. ELLIGER, Deuterojesaja, 133-136 (zu Jes 41,8-13) und H. IRSIGLER, Ismaelname, 136f. Aus der erkennbaren Prägung der Szene lässt sich gg. IRSIGLER allerdings nicht schließen, dass »V.17e-f als Erhörungszuspruch den Bittruf an Gott voraussetzt.« (ebd.) 255 Die ›Doppelung‹ in von V.17a.f gilt als ›störende Wiederholung‹ und daher als Kennzeichen redaktioneller Nacharbeit. Beide Sätze sind in der Erzählung notwendig und sinnvoll. Im Kommunikationssystem der Erzählung haben sie unterschiedliche Funktionen. Als Wiederholung (nur für die Leser, nicht für Hagar erkennbar) schärfen sie das in der Szene zentrale Erhörungsmotiv Gottes als yišmāʿʾēl ein. Zudem scheint sich V.17d mit dem Tempuswechsel ([mX Perf.) auf die als abgeschlossen vorausgesetzte Erhörungshandlung Gottes in V.17a ([mXyw Impf.) zu beziehen. Der kleine Unterschied von lwq la/ta variiert die Wiederholung und spricht nicht für unterschiedliche Autoren. Zu den Techniken von Variation und Repetition in hebräischen Erzähltexten vgl. R. ALTER, Art of Biblical Narrative, 88-113. Anders z.B. C. WESTERMANN, Genesis, 418: »Diese Rede des Engels macht einen zusammengesetzten Eindruck, schon weil sie zwei Wiederholungen enthält.« 256 Vgl. Ri 16,16. Für die konkrete Rettung Ismaels ist dieses feste Anfassen keine unmittelbar notwendige Handlung, weshalb die Geste in der Ausführung V.19 nicht erwähnt wird. Das spricht für ihre über die konkrete Hilfe am Brunnen hinausgehende symbolisch-theologische Bedeutung. 257 Es ist verlockend, zumal die Redeweise in profaner Verwendung nur in Ri 16,16 254

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kung besteht, gibt der letzte Satz der Gottesrede zu erkennen. Ismael soll zu einem großen Volk werden. Die in V.13 dem Abraham gegebene Verheißung wird jetzt eigens für Hagar wiederholt, nach MT sogar mit lwdg gesteigert. Damit macht Gott zugleich deutlich: Die Erhörung Ismaels bezieht sich nicht allein auf die Bewahrung eines vertriebenen und leidenden Kindes. Am konkreten Fall der individuellen Notsituation wird mit V.18d noch etwas anderes sichtbar gemacht. Es geht um die Rettung Ismaels (und Hagars) als Ahnen eines großen Volkes. Die Rettung, die Ismael erfährt, wird in die Zukunft hinein verlängert. Das Volk, das aus Ismael hervorgehen wird, ist das Ziel des Rettungshandeln Gottes, von dem hier erzählt wird. Damit ist noch einmal festgehalten, dass Gott zu seiner Verheißung aus V.13 und zu seinen früheren Ismael und Hagar betreffenden Zusagen steht. Wir hatten schon gesehen, dass in den Epiphanieszenen in Gen 21 und 22 die wörtlichen Entsprechungen beider Texte am dichtesten sind. Ein Unterschied besteht jedoch darin, dass in Gen 22 vom Boten Jhwhs, in Gen 21 vom Boten Elohims die Rede ist. In Gen 21 erscheint Gott durchgängig als Elohim, wohingegen in Gen 22 unterschieden wird. Der das Sohnopfer fordernde Gott wird Elohim genannt, der Isaak rettende Gott erscheint als Jhwh. Darin sieht JEREMIAS einen bedeutsamen Unterschied. Mit dem Jhwh-Namen werde in Gen 22,11.14 ein »persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Abraham und seinem Gott angedeutet, wie es jenseits aller Erfahrungen von Hagar und Ismael liegt.«258 Zweifellos ist in Gen 22 die Unterscheidung von Elohim und Jhwh wichtiger Bestandteil der erzählerischen Strategie, denn erst der errettende Gott zeigt sich als Jhwh. JEREMIAS konturiert die Differenz in drei Rettungsgeschichten in Gen 20-22, in der Gott dem Abimelech (Gen 20) sowie Hagar und Ismael als Elohim und allein Abraham und Isaak (Gen 22) als Jhwh rettend begegnet. Der Unterschied ist evident und fordert eine Erklärung, gerade wenn man Gen 21 und 22 als Paralleltexte auffasst, die sich gegenseitig erschließen. Zweifellos wird mit dem Jhwh-Namen in Gen 22,11 diese Errettungsszene noch einmal hervorgehoben. Ob man aus dieser Differenz ein Defizit an Gotteserbegegnet, auch den theologischen Sprachgebrauch des Bildes vom ›Starkmachen der Hand‹ in die Interpretation einzubeziehen. Bei dieser steht die Vorstellung einer Kraftübertragung und Ermächtigung durch den Gestus der Handergreifung im Vordergrund (Ritual der königlichen Amtseinsetzung). DtJes überträgt in seiner Heilsbotschaft dieses Bild auf Jhwh, der mit seiner Rechten sein Volk an der Hand nimmt und damit stark macht (Jes 41,13; 42,6; 45,1). Vgl. auch Jer 31,32. Vgl. F. HESSE, ThWAT III, 846857.851. Auch in Hagars Gestus des Starkmachens ihrer Hand soll Ismael Kraft zugeführt werden, weil Gott ihn zu einem großen Volk machen will. Nach Hiob 8,20 kennzeichnet es den Frommen, wenn Gott ihn fest an der Hand hält, denn »er hält die Hand der Frevler nicht fest« (~y[rm-dyb qyzxy-alw). 258 J. JEREMIAS, Gen 20-22 als theologisches Programm, 67.

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fahrung Hagars und Ismaels gewinnen sollte, bleibt aber fraglich. Denn auch im Umgang mit Abraham erscheint Gott in Gen 21 als Elohim, und in Gen 16 wurde bereits erzählt, wie Hagar vom Boten Jhwhs in der Wüste gerettet wird.259 Es ist aber nicht auszuschließen, dass der Erzähler von Gen 21 und 22 Hagar und Ismael nicht allein als Angehörige von Abrahams Haus, sondern als Ahnen nichtisraelitischer Völker auffasst und deshalb für seine Darstellung ihrer Errettung in der Wüste eine eher allgemeinere Gottesbezeichnung verwendet, wie dies auch in Gen 20 bei Abimelech geschieht. Vielleicht spielt auch hier die priesterschriftliche Idee aus Gen 17 eine Rolle, wonach Gott vor der Offenbarung am Sinai als Elohim erscheint.260 An der Analyse von JEREMIAS bleibt aber wichtig, dass er die Rettungserfahrung Hagars und Ismaels keinesfalls entwerten will, sondern diese von Gen 22 her interpretiert. Beide Episoden haben es in gleicher Weise und in unterschiedlicher Variation mit den Zumutungen Gottes, mit Gefährdung und Rettung zu tun. Und bei beiden steht die göttliche Rettung am Schluss. »Das ›Vorrecht‹ der Nachfahren Isaaks gegenüber den Nachfahren Ismaels ist demnach, dass Gott sie in eine noch weit größere Gottesferne und Gottesfinsternis führt. Rettung aus Not erfährt auch Ismael, und wie er werden seine Nachkommen sie erfahren. Darin entsprechen sich grundsätzlich die Erfahrungen beider Gruppen von Menschen, die sich von einem Abrahamsohn herleiten. Aber Isaak und seinen Nachkommen wird zugemutet, Gott auch dort noch wahrzunehmen und ihm zu vertrauen, wo er scheinbar sein eigener Widersacher, scheinbar sein eigener Widerspruch geworden ist.«261

Daran, dass Gen 22 das Geschehen von Gen 21 noch einmal dramatisch steigert, soll hier gar nicht gezweifelt werden. Es entwertet die Szene in Gen 21,9-21 keineswegs, sondern zeigt, wie eng die beiden Rettungsgeschichten theologisch zusammen gehören. Es bleibt aber auch hier wiederholt festzuhalten, dass auch in Gen 21 niemand anderes als Israel erzählt. Es sind israelitische Glaubenserfahrungen, die hier mit den ›nichtisraelitischen‹ Ahnen Hagar und Ismael verbunden werden. Insofern hat JEREMIAS die Höhe der Vergleichsebene von Gen 21 und 22 gut erkannt, auch wenn er die Unterschiede zwischen Gen 21,9-21 und Gen 22,1-21 m.E. zu stark herausstellt.262 259

Dazu auch M. EGGER, Hagar, 323 m. Anm. 65. Vgl. o. Kap. III 6.8.2. 261 J. JEREMIAS, ebd., 67. 262 J. JEREMIAS, ebd., 65: »Gefährdung und Rettung sind in Gen 21 einerseits und Gen 22 andererseits in völlig anderen Kategorien dargestellt. Geht es bei Hagar und Ismael um die Erfahrung physischer Not des Verdurstens, so bei Isaak um die göttliche Zumutung an Abraham, sein Kind selbst als Opfer darzubringen.« Mit dieser Unterscheidung unterläuft Jeremias die Parallelität von Gen 21 und 22, die er selbst sorgfältig herausgearbeitet hat. Denn um nichts anderes als um die Preisgabe seines Erstgeborenen geht es in Gen 21. 260

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EXKURS: Göttliche Rettung für den »Frevler« Ismael?

Eine von einer negativen Stigmatisierung Ismaels bestimmte Interpretation wird durch die Rettungsszene vor ein weiteres theologisches Problem gestellt. Warum wird Ismael von Gott auf so wunderbare Weise gerettet, wenn er doch ein von Gott zur Strafe in die Wüste vertriebener Frevler war? Der Midrasch gibt in großartiger Inkonsequenz gegenüber seinen Deutungen von qxcm (V.9) die Antwort, dass Ismael (zum Zeitpunkt seiner Errettung) eben selbst als tugendhafter Mensch anzusehen sei, während die Bedrohung für das Volk Israel erst von seinen Nachfahren ausgehen wird: »Nach R. SIMON eilten die Dienstengel herbei, um den Ismael anzuklagen, sie sprachen nämlich: Herr der Welten! einem Menschen, der einst deine Kinder in Durst wird umkommen lassen,263 willst du eine Quelle emporsteigen lassen? Gott antwortete: Was ist er denn jetzt, ein Tugendhafter oder ein Lasterhafter? Sie sprachen: ein Tugendhafter. Darauf Gott: Ich richte den Menschen nur nach seinem gegenwärtigen sittlichen Zustande (eig. nach seiner Stunde).«264

Eine andere Idee zeigt der palästinische TARGUM TPsJ, indem er betont, dass die Rettung Ismaels allein um der Verdienste Abrahams willen und entgegen der Verdienste Ismaels, der als Räuber gesehen wird, geschah: »Und er hat ihn nicht gerichtet nach seinen bösen Werken, die er einmal begehen wird, sondern um des Verdienstes Abrahams willen, hat er sich seiner erbarmt, an dem Ort, wo er sich befindet.«265

Im Targum wird die rabbinische Lehre vom Verdienst der Väter, das die Sünden Israels tilgt, zur Anwendung gebracht, um die Rettung des Frevlers in der Wüste zu verstehen. Doch weiß dann auch der Targum TPsJ in Gen 25 von der Reue und Buße Ismaels, bevor es zum gemeinsamen Begräbnis des Vaters kommt. Die Begründung, dass die göttlichen Wohltaten für Hagar und Ismael ›um Abrahams willen‹266 erzählt würden, wird auch in der gegenwärtigen Forschung oft benutzt und hat auch da nicht selten den Klang, dass Gott im Grunde nur Abraham etwas Gutes tun wolle, nicht aber Ismael oder Hagar selbst, denen sein Engagement im biblischen Text doch eigentlich in erster Linie gilt. Auch für CALVIN sind weder Ismael noch Hagar dieser Rettung würdig. Sie ist reine Gnade, die aus der Treue Gottes gegenüber der dem Abraham gegebenen Verheißung erwächst und ein Akt der Barm263 Bezieht sich auf Jes 21,13-15: die Bewohner der zentralarabischen Oase Tema haben die in der Verbannung dürstenden Israeliten nicht mit Wasser (und Brot) versorgt. 264 GenR 53 zu 21,16 (Übers. A. WÜNSCHE, 256); von RASCHI übernommen. 265 P. NAUMANN, Targum, 119; vgl. ferner M. MAHER, Targum Pseudo-Jonathan, 76. 266 Dieses Argument stammt biblisch aus Gen 26,24 und hat auch dort natürlich keinen gegen Isaak gerichteten Klang.

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herzigkeit, welcher die göttliche Vergeltungsgerechtigkeit um der Läuterung des Frevlers hier außer Kraft setzt.267 LUTHER sieht in der Austreibung Ismaels göttliche Pädagogik am Werk, die Austreibung seiner Vermessenheit, die Tötung seiner eigenen Gerechtigkeit. Darin ist sie Sinnbild auch für die Kirche und alle Christen. Diese »Vermessenheit ist so ein giftiger Schade und schädliche Pestilenz, daß sie nicht kann getödtet werden, denn allein durch die äußerste Verzweiflung«, mit der ein Mensch fühlt, »daß er von Gott verworfen und verstoßen sei«. Erst als solcherart Geläuterter kann für LUTHER auch Ismael gerettet werden.268 (Exkursende) 2.9 Rettung und bleibende Bewahrung (V.19-21) 19

a Und Gott (~yhla) öffnete ihre Augen, b und sie sah einen Wasserbrunnen, c und sie lief, d und sie füllte den Wasserschlauch, e und sie gab dem Knaben (r[n) zu trinken.

Auf die Zuwendung Gottes folgt sein rettendes Eingreifen. Gott hat die Stimme des Knaben erhört (V.17a) und ermöglicht Hagar nun die konkrete Hilfe für Ismael. Wie schon in V.15f steht ihr Handeln im Vordergrund, wiederum ohne dass sie mit ihrem Namen nochmals erwähnt würde. Der Handlungssatz mit göttlichem Subjekt greift über die Rede des Gottesboten auf V.17a zurück. Wie Gott (~yhla) die Stimme des verdurstenden Kindes gehört hat, so öffnet er Hagar jetzt die Augen. Die das Sterben ihres Kindes nicht sehen konnte und einen Pfeilschuss weit weglief (V.16a.d), sieht nun einen Wasserbrunnen (~ym rab), der seinen Tod verhindern wird, läuft hinzu (19c), füllt den Wasserschlauch (~ym tmx) und gibt Ismael zu trinken. Leer war er ein Requisit des Todes in der Wüste (15a), nun wird er nun zum Signum der Rettung. Wasser ist das Symbol des Lebens im Kontrast zur Wüste. Das Brot, welches Hagar in ihrer Tasche hat (V.14), braucht nicht erwähnt zu werden. Zweimal ist signalartig vom ›Wasser‹ (~ym) die Rede, das der gerettete Ismael zu trinken bekommt. Die Hilfe wird dann auf fast natürliche Weise möglich, indem Hagar den rettenden Brunnen sieht. Wieder ist die ähnliche Szene in Gen 22,13 zu vergleichen. Gott weist das Opfer Isaaks zurück, und gleichzeitig sieht Abraham als Ersatzopfer einen im Gestrüpp verfangenen Widder. Anders allerdings als Abraham, der den

267

J. CALVIN, Genesis, 227. M. LUTHER, Genesis, 1428. Die ganze Passage zeigt, in welch starkem Umfang LUTHER seine eigene Existenz hier im Schicksal Hagars und Ismaels gespiegelt sieht, eine bemerkenswerte Identifikation. 268

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Widder selbst sieht, bekommt Hagar ihre Augen hier von Gott wunderbar geöffnet. Die Szene wird oft so verstanden, als habe Hagar von dem Platz aus, wo sie sich niedergelassen hat, auf einmal einen Brunnen269 gesehen, den es vorher bereits gab, den sie aber in ihrer Verzweiflung übersehen hatte. Ob der Wüstenbrunnen wunderbar von Gott geschaffen wird oder vorher schon da war, darüber hüllt sich der Erzähler in Schweigen. Das Wunderbare der Situation liegt darin, dass es Gott selbst ist, der Hagar die Augen öffnet. Das ist doch noch etwas anderes als ein nach der rettenden Gottesbegegnung nun entspannterer Blick Hagars in die Umgebung, der an einem Brunnen hängen bleibt, an dem sie gerade noch vorbeigelaufen war. Wem Gott die Augen öffnet, sieht in der Regel, was er/sie vorher nicht sehen konnte.270 Die Episode gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass Hagar damit zur Entdeckerin eines berühmten heiligen Brunnens wird, dessen Ätiologie hier erzählt werden soll. Es fehlt nicht nur die Namensgebung, sondern auch jede Anspielung auf den Namen des Brunnens und damit alles, was zu einer Ätiologie gehört.271 Das rettende Wasser gibt Hagar nun dem Knaben (r[nh), nicht dem Kind (dlyh) zu trinken. Mit r[n ist der Sprachgebrauch Gottes in die Erzählerrede übernommen. Als von Gott erhörtes und gerettetes Kind wird Ismael (wie Isaak in Gen 22,11) r[n genannt. Mit V.19 ist die nächstliegende Lösung des Problems von V.15f erreicht, die sich mit V.17a anbahnt. Die Spannung legt sich nun. Die Geschichte kann indes so noch nicht zu Ende sein, denn die Ismael geltenden Verheißungen fordern weitere Informationen über sein Schicksal. Dem dienen die abschließenden Bemerkungen, die sich mit V.20a nahtlos an Hagars Rettungshandeln anschließen und zeigen, wie sich Gott und Hagar weiter um Ismael kümmern. Sie zeigen, wohin die rab meint im Unterschied zur Quelle (!y[) einen künstlich angelegten ummauerten Brunnen. Während Quellen durch die sich von ihr nährende Vegetation gut erkennbar sind, sind Wüstenbrunnen tief in die Erde gegrabene, ausgemauerte Löcher, an deren unterer Sohle Wasser quillt, während ihre Öffnung aus Gründen des Verdunstungsschutzes sehr klein und auch verdeckt sein kann. 270 Vgl. nur die Bileamgeschichte Num 22,31; 24,3.4.14.16; aber auch Gen 3,5; 2Kön 6,20 und die Psalmbitte: »Gott möge meine Augen öffnen (hlg), dass ich schaue Wunder aus deiner Tora« (Ps 119,18). 271 Die von I. FISCHER, Erzeltern, 320, erneuerte These H. GUNKELs, dass Hagar den Brunnen Beerscheba sieht, den nach Gen 21,25f Abraham gegraben hat, und der dort als gut frequentierter Treffpunkt der Hirten der Region um Beerscheba eingeführt wird, legt sich durch nichts nahe. Weder durch die Ortsangabe ›Wüste Beerscheba‹ V.14g (s.o.), noch durch die Szenerie der Verlassenheit von V.16-19 (kein Brunnen weit und breit). Den Brunnen Beerscheba hätte auch eine verirrte und verwirrte Hagar nicht übersehen. Zudem fehlt in der Geschichte jeder sprachliche Bezug zum ›Schwurbrunnen‹ [bX rab. Vgl. H. GUNKELs, Genesis, 231, Verlegenheitslösung: ~X awh rXab V.18f »scheint mit dem Namen zu spielen«. Die fehlende Benennung unterscheidet Gen 21, 17-19 von Gen 22,14 und Gen 16,13f. 269

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eben geschilderte Rettung führt und bilden so Zielpunkt und Fluchtlinie der gesamten Episode.272 V.19 V.20

V.21

e Und sie gab dem Knaben (r[n) zu trinken. a Und Gott war mit dem Knaben (r[nh-ta ~yhla yhyw). b Und er wurde groß, c und er wohnte in der Wüste, d und er wurde ein Bogenschütze (tXq hbr). a Und er wohnte in der Wüste Paran, und seine Mutter nahm ihm eine Frau aus dem Land Ägypten.

Die Handlungssätze ab V.20a gehen über die konkrete Situation am Wüstenbrunnen hinaus und fassen die Folgezeit bis zum Erwachsensein Ismaels im Panoramablick des Erzählers zusammen. Was sich in der Rettungsszene V.17f aussprach, dass Gott mit seinem Segen bei Ismael bleibt, das betont der Erzähler summarisch zu Beginn durch die Beistandsformel in V.20a: r[nh-ta ~yhla yhyw. Mehr als einhundertmal wird in der hebräischen Bibel diese Formel benutzt.273 Mit ihr wird festgehalten, dass Gott mit seinem Segen bei einer Person bleibt, sie in Gefahren rettet und in ihrem Leben bewahrt. Die Wendung ist Ausdruck des Segens bleibender Gottesnähe und hat als solche ihren Sitz im Leben Israels in verschiedenen rituellen Formen des Heilszuspruchs, auch wenn sie in ihrer literarischen Verwendung natürlich nicht daran gebunden ist. In den Erzelternerzählungen begegnet sie häufig274, aber kaum deshalb, weil sie sich frühesten nomadischen Gotteserfahrungen vom mitgehenden Gott verdankt, wie lange Zeit angenommen wurde275, sondern weil sie ein wesentliches Element familiärer Frömmigkeit in Israel ausmacht, welche die rückblickende Darstellung der Frühzeit kennzeichnet. Mit dieser Formel konnte u.a. auch die segensvolle Fürsorge und das Mitgehen Gottes in die Fremdheit des Exils und der Diaspora zum Ausdruck gebracht werden.276 Damit wurde eine über das individuelle Geschick hinausgehende Perspektive gewonnen, die eine wesentliche Kategorie heilsgeschichtlichen Denkens darstellt. Besonders Deuterojesaja hat mit der Formel Gottes rettenden Beistand mit dem Volk Israels unter betontem Rückgriff auf die Erzväter zum Ausdruck gebracht (Jes 41,10; 43,2.5). Ismael ist der erste in der hebräischen Bibel, von dem Gottes bleibender Beistand mit dieser Formel ausgesagt wird, und er ist überhaupt So auch H. SEEBASS, Vätergeschichte I, 176.182. GN; göttliches Subjekt + hyhy + ~[/ta. Umfassende Untersuchungen stammen von H.D. PREUSS, »... ich will mit dir sein!«; D. VETTER, Jahwes Mit-Sein; vgl. den Überblick bei D. Vetter, THAT II, 325-328. 274 Vgl. Gen 21,10.22; 26,3.24.28; 28,15.20; 31,3.5; 35,3; 39,2.3.21.23; 48,21. 275 Vor allem H.D. PREUSS, ebd., 153f. 276 Vgl. hierzu C. LEVIN, Jahwist, 216f.422; O. KAISER, Theologie. Bd. 1, 172. 272

273

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die einzige Figur, die mit Nichtisraeliten in Verbindung zu bringen ist, der solches geschieht. Wiederum sind es in Israel wie in den Genesiserzählungen auch sonst vertraute Segensvorstellungen, die in Gen 21,20 selbstverständlich zur Kennzeichnung Ismaels aktualisiert werden. In einem vergleichbaren Zusammenhang begegnet die Formel nur noch in der Jugendgeschichte Samuels, wo sie anzeigt, dass sich im Gedeihen des Gott geweihten und im Tempel von Schilo aufwachsenden Knaben die Erfüllung des Heils manifestiert, das der Priester Eli der einst kinderlosen Hanna angekündigt hatte.277 Im Kontext von Gen 21 bezeichnet die Beistandsformel nach der Bedrohung Ismaels und der konkreten Erfahrung seiner Rettung nun die bleibende Bewahrung Ismaels278. Sie umspannt das in V.20b-21b summarisch zusammengefasste zukünftige Leben Ismaels unter dem Segen Gottes.279 Die Notiz über sein Aufwachsen V.20b (ldgyw) greift auf V.8 (Isaak) zurück und bringt das Gedeihen der beiden Abrahamsöhne auch an getrennten Orten in eine gemeinsame Perspektive. Die folgenden Angaben wollen am Schicksal Ismaels auf die Lebensweise seiner Nachfahren hinweisen, sind also ethnologische Notizen, die Ismael in völkergeschichtlicher Perspektive als Ahnvater von in der Wüste lebenden Stämmen verstehen. Ismael siedelt dauerhaft in der Wüste. Damit ist aber kaum erleichtert festgestellt, dass nun Ismael dauerhaft aus dem verheißenen Land entfernt wurde. Die Nachkommen Abrahams, das ist auch hier die Perspektive, siedeln in einem Gebiet, das über ein westjordanisch begrenztes Kanaan hinausgeht. Die Wüste als Ort der Bedrohung wird für Ismael unter dem Segen des rettenden Gottes zum Ort dauerhaften und gelingenden Lebens.280 Ismael wird ein Bogenschütze.281 Mit dieser Berufsangabe will der Erzähler entweder auf die Jägerexistenz Ismaels oder auf die Lebensweise seiner Nachkommen hinweisen.

Vgl. 1Sam 3,19 wma hyh hwhyw lawmX ldgyw. Im Zusammenhang mit dem Ermutigungszuspruch: ›Fürchte dich nicht‹, begründet die Beistandsformel den Heilszuspruch an den Gefährdeten in Gen 26,24 (Isaak); Dtn 20,1; 3,8; Jos 1,9; Jes 41,10 (hierzu s.u. Kap. IV. 4.1); 2Chr 20,17;32,7f. 279 Hier bietet die Folgeepisode einen guten Anschluss, indem Gottes Mitsein mit Abraham durch König Abimelech und seinen Feldhauptmann Pichol ausgesprochen und gerühmt wird (Gen 21,22). 280 Also keine unstete Existenz als Folge von Gottes Strafe wie bei Kain in Gen 4. Vgl. B. JACOB, Tora, 485: »Er verbleibt in der Wüste und wird noch oft dürsten, aber Gott, der ihn damals gerettet hat, wird ihn nie verschmachten lassen.« 281 tV'q; hb,ro – ›Schleuderer des Bogens‹. hbr ist evtl. als Nebenform von bbr – ›schleudern‹ (49,23; Jer 50,29; Hiob 16,13) anzusehen. tV'q: ist entweder mit den Übersetzungen als tv,q, zu lesen (C. WESTERMANN, Genesis, 412), als nomen agentis wie vrP – ›Reiter‹, oder als »Intensivform zur Bezeichnung beständiger Handlungsweise« zu verstehen. So B. JACOB, Genesis, 485. 277

278

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Der Bogen tXq ist Jagdgerät, das man sich in Israel in der Hand streifender Wüstenstämme vorstellte. Esau, der edomitische Abrahamenkel, trägt ihn zur Jagd (Gen 27,3). Auch Jes 7,14 ist von der Vorstellung geprägt, dass man sich in nichturbanen (hier: verwüsteten) Lebensräumen allein von der Jagd mit Pfeil und Bogen ernähren muss. Der Bogen ist zudem ein Kriegsgerät und Symbol des Kampfes und der Stärke. Ismael als Bogenschütze könnte also aus der Sicht Israels wiederum eine Bedrohungsmetapher sein.282 Dann wäre Ismael deshalb als Bogenschütze gezeigt, weil er als für Israel gefährlich dargestellt werden soll. Das ist – anders als die Konfliktmetapher in Gen 16,12 – nicht wahrscheinlich. Der Bogen ist ein ethnographisches Requisit, das Ismael zum Vater arabischer Wüstenstämme machen will. Im Alten Testament sind keine Bedrohungssituationen Israels durch ismaelitische oder ›arabische‹ Bogenschützen bewahrt.283 Andererseits sind die Araber in der alten Welt nicht allein wegen ihres Fernhandels, sondern auch wegen ihrer Bogenschützen weithin berühmt. Auf den assyrischen Reliefdarstellungen Assurbanipals ist der Bogen die einzige Waffe seiner vor ihm fliehenden, arabischen Gegner. Jes 21,17 nennt in neubabylonischer (oder persischer) Zeit die proto-arabischen Kedariter (Kedar ist Ismaels zweiter Sohn nach Gen 25,13) ›heldenhafte Bogenschützen‹ (~yrwbg tXq). »Arabische Bogenschützenkontingente gab es dann im persischen Heer284 ... und in den Heeren ihrer Nachfolger.«285 Möglicherweise reflektiert Ismaels Beruf diesen Ruhm.286

V.21a wiederholt V.20c unter Präzisierung des Aufenthaltsortes in der Wüste Paran.287 Ismael verlässt die Wüste nicht mehr. Die Ortsangabe ist wichtig im Hinblick auf die anschließende Notiz über die Verheiratung mit einer Ägypterin. Die Wüste Paran bezeichnet in der biblischen, vor allem priesterschriftlichen Geographie ein nur ungefähr definierbares Wüstengebiet, das sich von der Südgrenze Kanaans, etwa von der Höhe Beerschebas zur nordsinaitischen Wüste hin erstreckt und im Osten durch den westlichen Rand der Araba begrenzt wird.288 GegenZum Bogen als Symbol des Krieges und der Bedrohung (Israel) vgl. Gen 49,24; Ps 7,13; Hiob 29,20. Der Bogen ist in Ps 18,35 Kennzeichen der Stärke, die Jhwh gnädig verleiht. Gott selber kann als Bogenschütze gegen die Frevler zu Felde ziehen (Hiob 20,24). In der erhofften Friedenszeit werden die Kriegsbögen abgeschafft (Hos 2,20; Sach 9,10): Im Noahbund hängt Jhwh seinen (Kriegs-)Bogen als Friedens- und Bundeszeichen in die Wolken (Gen 9,13f.16). Vgl. auch O. KEEL, Der Bogen als Herrschaftssymbol. 283 Die feindlichen Ismaeliter/Midianiter der Gideonüberlieferung Ri 6ff werden nirgends als Bogenschützen geschildert. 284 Herodot VII, 69; 86,2. 285 Vgl. E.A. KNAUF, ebd., 23, mit Nachweisen und Detaildiskussion. 286 Zu den Einzelheiten E.A. KNAUF, Ismael, 22ff. Der Wüstensohn als Bogenschütze, das ist ein Klischee und die Perspektive von Kulturlandbewohnern, die die tatsächliche wirtschaftliche Lebensgrundlage der in der Wüste lebenden Stämme nicht kennen, die vor der Beduinisierung Arabiens im Oasenfeldbau, im Kleinvieh-Wanderhirtentum und zum geringeren Teil in der Begleitung von Fernhandelskarawanen bestand. Zu den protoarabischen Wirtschaftsformen E.A. KNAUF, Ismael, 39f; vgl. auch oben zu 16,12. 287 In diachroner Hinsicht gilt diese Doppelung, die in der Peschitta getilgt ist, als Hinweis auf den Nachtragscharakter von V.21 als präzisierende Glosse. 288 Nach der Wüstenwanderungsüberlieferung bei P grenzt sie einerseits unmittelbar ans Kulturland Südkanaans, und führt andererseits bis zum Berg Sinai. Die P-Überliefe282

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über der ›Wüste Beerscheba‹ ist damit keine weitere Wegstation, sondern ein größeres Siedlungs- bzw. Streifgebiet gemeint, das diese mit einschließt. Die Niederlassungsnotiz in der Wüste Paran ist mit Gen 22,19; 25,11 zu vergleichen, wonach sich Abraham in Beerscheba und Isaak in Beer-Lahai-Roi niederlassen. Ismael wird, anders als die nach Osten, d.h. nach Arabien, geschickten Söhne der Ketura, in der unmittelbaren südlichen Nachbarschaft Abrahams und Isaaks angesiedelt. Mit dem zentralarabischen Wohngebiet der Stämmekonföderation als šumu ’il des 8.-6. Jh. v. Chr., auf die sich Name und Funktion Ismaels als ›arabischer Völkervater‹ mit seinem Namen entfernt beziehen, hat die ›Wüste Paran‹ nichts zu tun. Arabische Gruppen, die sich allerdings nicht mehr selbst als šumu ’il bezeichnet haben dürften, weil der Stämmebund im 6. Jh. zerbrach, hat es in diesem hier Paran genannten Gebiet seit dem 6. Jh. wohl gegeben. Denn nach der Zerschlagung der palästinischen Kleinstaaten durch Assyrer und Babylonier strömten Araber in größerer Zahl ins Ostjordanland und ins südliche Westjordanland ein, siedelten in der persischen Provinz Idumäa und den südlich von dieser liegenden Steppengebieten.289 Allerdings haben erst die arabischen Nabatäer seit dem 4. Jh. v. Chr. dieses Gebiet beherrscht und z.T. bewohnt. Der nachexilische Autor von Gen 21 denkt vermutlich bereits an arabische Gruppen, die schon vor der Herrschaft der Nabatäer im 4. Jh. in diesem Gebiet streiften. »In V.21 liegt wohl ein weiterer Beleg für den Sprachgebrauch: ›Ismaeliter‹ = Araber vor.«290

Es ist aber auch denkbar, ja sogar wahrscheinlich, dass Paran in Gen 21 ähnlich wie Schur in Gen 16 einen heilstopographischen Schulterschluss mit der Wüstenexistenz des nachmaligen Israel anzeigen will. Denn Paran gewinnt in der priesterlichen Wüstenerzählung eine besondere Bedeutung als dauerhafter Lebensort Israels in der Wüste (Num 13). Überdies sehen ältere Theophanietraditionen in Paran die Herkunft des Jhwh-Glaubens.291 Auf diesen Zusammenhang hat insbesondere DOZEMAN hingewiesen, der die Hagar-Ismael-Episoden konsequent aus der Perspektive der Exodus- und Wüstenüberlieferung ins Auge fasst. Er erkennt in der dauerhaften Niederlassung Ismaels in der Wüste Paran ein heilsgeschichtliches Vorbild, denn die priesterlichen Erzähler der Wüstenüberlieferung stellen Paran als besonderen und dauerhaften rung »scheint sich unter der Wüste Paran ein sehr großes Gebiet, vielleicht den ganzen, im 5. Jh.a kaum bewohnten Negev zw. Elat und Kadesch ... oder gar die n(ördliche) Hälfte des Sinai ... vorgestellt zu haben.« O. KEEL / M. KÜCHLER, OLB II, 309. Die Oase Kadesch, in deren Nähe nach Gen 16,14 der Brunnen Beer-Lahai-Roi liegen soll, an dem sich auch Isaak nach Gen 24,62 aufhält, ist nach Num 12,16; 13,3.26 (beides P) Teil der Wüste Paran. Woher der topographische Name Paran kommt, ist unsicher, vermutlich vom wādī fērān im südlichen Sinai, was deutlich außerhalb des hier ›Paran‹ genannten Gebiets liegt. Hierzu E.A. KNAUF, ebd., 23, der allerdings kaum zu Recht ›Paran‹ in Gen 21,21 als Hinweis auf die Region des wādī fērān versteht. 289 Vgl. U. HÜBNER, NBL II, 1995, 245. 290 E.A. KNAUF, Ismael, 24. 291 Vgl. Dtn 33,2; Ri 5,4; Hab 3,3; Ps 68,8.

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Aufenthaltsort der Wüstengeneration im Gegenüber zu Kadesch heraus. Diese priesterlichen Erzähler, die schon in Gen 17 Ismael als Bundespartner sichtbar gemacht haben, sieht DOZEMAN auch in Gen 21 am Werk. Indem sich Ismael in Paran niederlässt, verbleibt er am Ort der Gottesnähe Israels und nimmt die Existenz des nachmaligen Israels als Volk in der Wüste unter der Fürsorge seines Gottes vorweg.292 Hagar nimmt für Ismael eine Frau aus Ägypten. Dies legt sich einmal geographisch und sonst auch deshalb nahe, weil Hagar selbst als Ägypterin geschildert wird. Darin, dass die Mutter dem Sohn die Frau sucht, hat man Erinnerungen an eine bei den frühen Arabern belegte »Matriarchie«293 bewahrt gesehen. Aber im Sinn der Erzählung ist Hagar Ägypterin, nicht Araberin, und sie musste nach Lage der Dinge zwangsläufig auch die Vaterrolle für Ismael übernehmen. Warum die Erzählung für Ismael als dem Stammvater protoarabischer Völker eine ägyptische Frau gewählt hat, ist nicht deutlich erkennbar. Vielleicht sucht Hagar aus ihrer Heimat eine Frau für Ismael, wie auch Abraham in Gen 24 für Isaak eine Frau aus seiner Heimat suchen lässt. Mit der Hochzeits- und Niederlassungsnotiz schließt die Episode und führt die Ismaelüberlieferung soweit, dass in Gen 25 die Begräbnisnotiz und der Ismaeliterstammbaum als Toledot Ismaels angeschlossen werden kann. Heirat heißt in der Logik der Erzelternerzählung Familiengründung. So kündet sich im Ausklang dieser Episode an, was Gott in V.13.18 und zuvor in Gen 16,10; 17,20 verheißen hat. In theologischer Hinsicht ist dieser ethnologische Ausblick oft als gezielt eingesetzte negative Stigmatisierung Ismaels bewertet worden. Sein Beruf – eine Bedrohung;294 sein Aufenthaltsort – ein Beweis der Ausgrenzung aus dem verheißenen Land. Dazu wolle seine (Fremd-)Ehe mit einer Ägypterin »die Ismaeliter als abtrünnige Abrahamssöhne« charakterisieren.295 Ein besonderer Stein des Anstoßes ist dabei die Fremdehe mit einer Ägypterin, weil sie im Widerspruch zu den Vorschriften Esras (Kap. 9f) steht.296 Doch habe ich schon oben297 zu zeigen versucht, 292

T.B. DOZEMAN, Wilderness and Salvation History, 41-43. Nach Dozeman betont die vorpriesterliche Hagar-Ismael-Erzählung in Gen 16* vor allem den Befreiungsaspekt und die Parallelisierung von Hagar und Mose, während die priesterliche Perspektive eher Ismael und seine Nachkommen mit Blick auf die Wüstenüberlieferung in Num 13 betrachte. 293 Hierzu den Überblick bei E.A. KNAUF, ebd., 24f m. Anm. 105. 294 Vgl. RASCHI z.St unter Verbindung von 16,12; 21,20f: »Er (Ismael) saß in der Wüste und fiel die Reisenden an.« (zit. J. DESSAUER, 163); vgl. ferner ExR 1,1; HIERONYMUS quaest. hebr. in gen. 16,12; ZLOTOWITZ/SCHERMAN, Bereishis, 767. 295 E.A. KNAUF, ebd., 24. 296 Die Fremdehe Ismaels an sich wird in der jüdischen Tradition weder in GenR 53 noch von Raschi negativ bewertet. Letzterer sieht aber in der Rückkehr Hagars nach Ägypten die Rückkehr zum Götzendienst. Für B. JACOB, Tora, 485f, tritt Hagar mit der Verheiratung ihres Sohnes in Gegensatz zu Abraham »... und scheidet sich bewußt von

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dass das Fremdehenverbot mit den Töchtern des Landes, das die Genesis kennt, auf Kanaanäerinnen beschränkt ist. Esaus zwei hethitische, also im Sinn der Erzählung kanaanäische Frauen (Gen 26,34), verletzen dieses Endogamiegebot, das Esau dann durch die Hochzeit mit Malachat, einer Tochter Ismaels, also einer Frau aus der eigenen abrahamitischen Verwandtschaft, erfolgreich kompensiert. Die ägyptische Frau Ismaels ist hier so wenig Anstoß wie die ägyptische Frau Josefs, welche die Segensträger Efraim und Manasse zur Welt brachte (48,8-20). Im Text selber legt nichts eine negative Bewertung der Angaben zu Wohnort, Beruf und Ehe Ismaels nahe. Im Gegenteil: Sie folgen unmittelbar der Mitteilung über den bleibenden Segen, mit dem Gott Ismael umgibt V.20. Will man diese Beistandsaussage nicht nur für das Aufwachsen Ismaels gelten lassen, wofür nichts spricht, dann sind der ›arabische‹ Beruf, die ägyptische Ehe sowie der Aufenthaltsort in der Wüste Paran, ein Ausdruck dafür, dass der Gott Abrahams seine schützende Hand über den nichtisraelitischen Abrahamnachkommen Ismael hält. Den Grund dafür hat Gott in V.13a genannt: weil auch Ismael ›Same Abrahams‹ ist. 3. Der theologische und völkergeschichtliche Horizont der Rettung Ismaels und Hagars in der Wüste Die klare völkergeschichtliche Zuspitzung der Errettung Ismaels in der Wüste ist in der bisherigen Exegese fast ganz unbeachtet geblieben. Die Szene gilt eher als ein Musterbeispiel einer paradigmatischen Erzählung, die in Israel zur Anschauung bringt, dass Gott sich den Leidenden und Ausgestoßenen gnädig zuwendet, ihre Leiden lindert, ihr Weinen (auch das verzweifelter Frauen) erhört. WESTERMANN bemerkt: »Sie erzählt die Geschichte einer Rettung vom Tode, von der später so viele Lobpsalmen handeln: ›denn er hat gehört die Stimme seines Flehens‹. Verstanden ist der Erzähler nur, wenn die Hörer sich mit den Geretteten freuen und dem Retter danken.«298 Dies ist sicherlich richtig und die Grundlage für die angemessene Rezeption der Episode. Nur verschwindet in einer solchen Abstraktion ins Allgemeinmenschliche ganz, welchen konkreten Personen sie in Gen 21 gilt und wer die Not der Vertreibung herbeigeführt hat. Ismael und Hagar werden zu Unrecht aus dem Haus Abrahams und Saras vertrieben. Derselbe Gott, der die Verseinem Hause.« Ähnlich G. VON RAD, Genesis, 185: »Auch daß er (Ismael) eine Ägypterin zur Frau bekam, deutet an, wie weit er sich von den Ordnungen seines Vaterhauses entfernt hatte (vgl. Kap. 24,3f; 26,34; 27,46).« 297 Vgl. oben Kap. III. 6.8. 298 Zit. C. WESTERMANN, Genesis, 418. Vgl. H. IRSIGLER, Ismaelname, 130: »... typische Situation des Gebets und der Gewißheit göttlicher Erhörung als religiöses Paradigma«.

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treibung gefordert hat, errettet Ismael vor dem Tod, indem er selbst als erhörender Gott, als yišmāʿʾēl, in Erscheinung tritt, wobei diese Rettung zur Existenz eines nichtisraelitischen, großen Volkes unter dem Segen Gottes führt.299 Das bekannte Paradigma des Glaubens, dessen man sich in Israel in vielen Psalmen tröstend, dankend und klagend vergewissert hat, das erfahren der vertriebene Abrahamsohn und seine ägyptische Mutter als nichtisraelitische Ahnen unter dem Segen des Gottes Israels. Die Rettung in der Wüste und die Verheißung eines großen Volkes sind nicht das göttliche Zuckerbrot, das die Vertreibung, Enterbung und den Ausschluss aus dem Verheißungserbe erträglicher machen soll. Sie ist auch nicht nur ein »befriedigender Abschluss« für die Nichterwählten,300 sondern eine für die göttliche Heilsökonomie der Abrahamerzählung exemplarische Szene und der heilvolle Anfang zu etwas Neuem unter dem Segen des Gottes Abrahams. Das hat VON RAD gesehen, wenn auch nicht weiter bedacht: »... denn Gott hat mit Ismael noch Großes vor.«301 Dies geschieht nicht trotz Vertreibung, sondern gerade durch die Abraham abverlangte Preisgabe seines erstgeborenen Sohnes. Rettung und Bewahrung ist ihr Ziel (nicht ihr Sinn!), so wie die Bewahrung Isaaks das Ziel (nicht der Sinn!) seiner ›Bindung‹ und Todesgefährdung ist. Die Lehre, die beiden Episoden eingeschrieben ist, lautet: Gott fordert Furchtbares, bis an die Grenze des Todes, aber nur, um sich als Retter zu zeigen. Die Volkwerdungsverheißung für den Vertriebenen wird erneuert. Sie ist auch in ihrer völkergeschichtlichen Dimension zu würdigen.302 Der Gott Abrahams und Israels rettet auch die, die in Abrahams Haus unter die Räder zu kommen drohen. Darin liegt ein prophetisch-selbstkritisches Element, das wir in Gen 16 bereits gesehen hatten, auch in der Erzählung von Gen 21. Es fällt auf, dass der völkergeschichtliche Horizont von Gen 21 regelmäßig bei der Vertreibung Ismaels (Trennung der Ismaeliter vom verheißenen Land), bei der Rettungsszene dagegen praktisch nie konkret bedacht wird. 300 So H. SEEBASS, Gott der ganzen Bibel, 71. 301 G. VON RAD, Genesis, 185. 302 Auch G. VON RAD, Genesis, 185, würdigt die Rettungsszene als »unglaubliches Paradox«, das »der Erzähler zur Ehre seines Gottes« wagt: »Gott hat mit Ismael noch Großes vor«. Im Hinblick auf die Verheißung V.13.18d fährt er dann fort: »Verglichen mit der Abrahamsverheißung wirkt diese Zusage freilich nur wie ein matter Widerschein jenes Heils, das den aus unfruchtbarem Mutterschoß kommenden Söhnen Abrahams verheißen war. Die Landverheißung und die Berufung in ein besonderes Gottesverhältnis (Kap.17,7) fehlen hier.« In diesem Urteil spricht sich aus, was auch sonst oft beobachtbar ist. Gegenüber der Landverheißung werden die (auf Fruchtbarkeit und Segen zielenden) Mehrungs- und Volkwerdungsverheißungen der Erzelternerzählungen nicht als gleichwertige Gottesgaben angesehen, obwohl sie öfter und in reichhaltiger Variation entfaltet werden. Die Landgabe, die G. V. RAD hier vermisst, ist das Thema Israels, nicht Ismaels; und Gen 17,7f gilt, wie wir gesehen haben, ›Abrahams Samen‹ in der Kontinuität ihrer Generationen. 299

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Durch das paradoxe Drama der Vertreibung entsteht ein ›Nebenbetrieb der Heilsgeschichte‹, wie VON RAD klar gesehen und als »merkwürdig« (wohl im doppelten Wortsinn) notiert hat.303 Mit der Ismaelepisode erzählt Israel an dem konkreten Beispiel des Völkervaters und Abrahamsohnes Ismael, dass sein Gott mit seinem Rettungswillen, seiner Verheißung und seinem Segen auch bei anderen, als verwandt angesehenen Gruppen bleibt und gegenwärtig ist. Das nimmt nichts von der besonderen Würde und Bürde, die dem Volk Israel in seinem Verhältnis zu seinem Gott zukommt. Die Enterbung Ismaels wird ja nicht zurückgenommen, sondern führt diesen (und seine Nachkommen) zu einem neuen Leben an einem Ort, der später auch für die Wüstengeneration Israels bedeutsam werden wird. Damit will gezeigt werden, dass der Wirkungskreis des Segens dieses Gottes Abrahams auch andere Völker aus seiner Nachkommenschaft mit einschließt. Das geradezu Aufregende ist, dass Israel die Geschichte von der Vertreibung und Rettung Ismaels in ihrer ganzen moralischen, rechtlichen und theologischen Abgründigkeit ins eigene Gedächtnis und in die eigene Gründungserzählung eingeschrieben hat. 4. Analogien und Lesarten 4.1 Jes 41,8-13 als Analogie zu Gen 21 Die Rettungsszene Hagars und Ismaels in der Wüste wird gern als narrative Inszenierung des (nicht nur) aus den Psalmen gut bekannten Zusammenhangs von Todesnot und (Gebets-)Erhörung angesehen. Noch näher an die Geschichte führt m.E. ein Text Deuterojesajas (Jes 41,813). Der Prophet nutzt für Gottes heilvolle Zusagen an Israel die Sprachformen des Heilsorakels, mit denen Gott sein Volk angesichts des gegenwärtigen Leids (der Zerstreuung) trösten will. Nach der zurückliegenden Bedrohung spricht Gott sein Heil und seine Hilfe zu, weil Israel ›Abrahams Same‹ ist. An seiner Abrahamkindschaft soll Israel erkennen, dass es von Gott erwählt und nicht – wie es in seiner desolaten Lebenssituation scheinen könnte – verworfen ist, und dass es dem Heilswillen seines Gottes vertrauen darf.

Die ganze Passage bei G. VON RAD, Genesis, 186, lautet: »Auch diese Erzählung beschäftigt sich mit jenem merkwürdigen heilsgeschichtlichen Thema, nämlich dem Heraustreten aus dem Haus Abrahams, der Entstehung eines Nebenbetriebes der Heilsgeschichte, der seinerseits zwar nicht aus einem Schutz- und Segensverhältnis zu Jahwe herausfällt, der aber die dem legitimen Abrahamsamen zugesprochenen Heilsgüter nicht erben wird ... Paulus folgt Gal. 4,28ff. einer wesentlich radikaleren Tradition. Er sieht in Ismael den Feind des Verheißungserben.«

303

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8

9

es 41304 Aber Du, Israel, mein Knecht, Jakob, den ich erwählt habe,

Gen 21

›Same‹ Abrahams, meines Lieblings (ybha ~hrba [rz) Du, den ich gepackt habe (qzx Pi.) von den Enden der Erde,

13b

und von ihren Säumen berufen habe. Zu dem ich gesagt: »Mein Knecht bist du«, den ich erwählt habe und nicht verworfen. 10

Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir.

17e.20a Sei nicht ängstlich, denn ich bin dein Gott. 17e.f Ich mache dich stark, ja, ich helfe dir, ja, ich halte dich mit meiner heilvollen Rechten (Hand)

11f

(Zuschanden werden der Feinde)

13

Denn ich bin Jhwh, dein Gott, der ergreift (qzx Hif.) deine Rechte, der dir sagt: »Fürchte dich nicht! Ich, ich helfe dir.«

17f 18c 17f

17e.20a 17e.f 18c

17f 18c 17f

Das Heilsorakel hat neben manchen Unterschieden einige bemerkenswerte Entsprechungen mit Gen 21,13.17-20. ›Abrahams Same‹ zu sein, ist Identifikationsmetapher. Das gegenwärtige Israel, genaugenommen die Adressaten Deuterojesajas im babylonischen Exil oder seine Tradenten in frühnachexilischer Zeit, werden mit diesem Würdetitel auf eine Weise angeredet, als hätten sie Abrahams Schicksal selbst erlebt (V.9). Israel ist erwählt, weil Abraham als Gottes Freund erwählt ist. Aller Trost, alle Erhörungsgewissheit ergibt sich hieraus. Im Heilsorakel macht Gott durch die direkte Anrede (V.8) mit Namensnennung seine Beziehung zu Israel als Voraussetzung seiner Hilfe deutlich, die in V.10 in den Ermutigungszuspruch mündet: »Fürchte dich nicht« (aryt-la). Dieser Zusammenhang findet sich auch in Gen 21,17c-d im Hinblick auf Hagar und Ismael. Die Beistandszusage, die sich bei Deuterojesaja an den Ermutigungszuspruch anschließt und die Zusage künftiger Hilfe für Israel als Same Abrahams beinhaltet, findet sich in Gen 21,20 nicht in der Gottes-, sondern in der Erzählerrede, die in V.20a darüber informiert: »Und Gott war mit dem Knaben«. Die Helferfunktion Gottes, die sich bei Deuterojesaja in immer neuen Wendungen variiert findet, wird in Gen 21,17ff auf der Handlungsebene entfaltet. Ismael erlebt die Hilfe Gottes. Der Grund der Hilfe liegt in der Zuwendung Gottes, wie in Gen 21,17f; Jes 41,13a mit yk-Satz begründet wird. Endlich findet sich mehrfach variiert das Bild vom FestDie Übersetzung lehnt sich an K. ELLIGER, Deuterojesaja, 132, an; zur Interpretation und zur Form der Heilsorakel s. dort 133ff.

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machen der Hand. Durch das Festhalten mit der rechten Hand (V.10) des Helfers oder durch das Festhalten (qzx Hif.) der rechten Hand durch den Helfer (V.13) wird dem hilfebedürftigen Israel neue Kraft und die Gewissheit der Hilfe übertragen.305 DtJes verkündet Gott selbst in dieser Helferrolle. In Gen 21,18 weist Gott diese Rolle Hagar zu. Indem sie ihre Hand an Ismael stark macht, vermittelt sie Ismael die Rettung und Hilfe, die ihm Gott gewährt. Die Analogie mit Jes 41 soll nicht überstrapaziert und eine literarische oder traditionsgeschichtliche Verbindung beider Texte, von denen Gen 21 wahrscheinlich jünger ist, muss nicht behauptet werden. Für DtJes ist Abraham nicht Völkervater, sondern Vater Israels, so wie Sara die Mutter Israels ist (51,2). ›Same Abrahams‹ ist Würdetitel Israels, der in der Berufung Abrahams gründet. Weil Israel ›Same Abrahams‹ ist, deshalb greift Gott helfend ein. Als Vater einer Völkerfamilie sieht DtJes den Erzvater allerdings nicht. Das theologische Modell, das DtJes hier an Israel als ›Same Abrahams‹ entwickelt, liegt aber doch mindestens vergleichbar auch der Rettungsepisode Ismaels in Gen 21 zugrunde. Ismael ist ›Same Abrahams‹ (V.13b) wie Israel auch. Als solcher wird Ismael hart geprüft, erfährt aber am Ende Rettung durch den helfenden Gott, wobei diese Rettung in den für Heilserfahrungen in Israel bekannten Sprachmustern formuliert wird. Die besondere Pointe in Gen 21 besteht dann darin, dass das Heil Gottes, das DtJes ausdrücklich Israel tröstend zuspricht, in Gen 21 auch mit dem nichtisraelitischen Abrahamsohn verbunden wird. Die theologische Grundlage dafür ist auch hier die ›Erwählung‹ Abrahams, der nicht nur als Vater Israels – wie bei DtJes –, sondern als Vater einer abrahamitischen Ökumene vorgestellt und theologisch reflektiert wird. Daher ist, obwohl auch in Gen 21,12f der besondere Status der Israellinie nicht eingeebnet wird, auch der ›nichtisraelitische‹ Abrahamsohn Ismael im Vollsinn ›Same Abrahams‹. Was das in seiner völkergeschichtlichen Konsequenz bedeutet, erzählt die Vertreibungs- und Rettungsgeschichte Ismaels. Als nichtisraelitischer Ahnvater macht er als ›Same Abrahams‹ letztlich ›israelitische‹ Erfahrungen der Bedrohung und Gefährdung, dann aber auch der heilvollen Bewahrung mit dem Gott Abrahams, der Israels Gott ist. 4.2 Gen 21 im Jubiläenbuch Die hier vorgetragene Interpretation ist recht weitgehend durch das Jubiläenbuch gedeckt, das eine im 3./2. Jh. v. Chr. in Palästina verbreiVgl. vor allem V.13 $nymy qyzxm. Das Bild vom festen Ergreifen der Hand qyzh ist bei DtJes beliebtes Bild für Jhwhs Helferkraft und Israels Berufung. Vgl. 42,6 ($dyb qzxaw); 45,1 (Kyros); 51,18 (Gegenbild).

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tete frühjüdische Lesart der Hagar-Ismael-Episoden repräsentiert.306 Zwar ist auch dem Jubiläenbuch nicht strittig, dass es Abrahams Same in Isaak ist, dem der Bund, die Beschneidung und die Auserwählung aus den Völkern der Welt gilt. In Isaak wird Abraham »Same und Name genannt werden«307. Aber Abraham ist als Vater ›Israels‹ eben auch Vater vieler Völker308, dessen ›Same‹ sich unter Gottes Segen zu Völkern mehren wird. Dieser unzählbar zahlreiche ›Same‹ wird ihm in Gen 15,2f (Jub 14,2-6) als Erbe verheißen. Abrahams Erbe ist damit doppelt gesehen. Es ist Israel als erwähltes Volk und geheiligter Same in allen Völkern der Erde. Abraham ist auch im Jubiläenbuch Vaterfigur der jüdischen Diaspora. Und es ist die reiche Völkerwelt, die als leiblicher Same aus Abraham hervorgehen wird. Diesem Programm entspricht, dass Abraham anlässlich des Gottesbesuchs in Mamre und der Geburtsverheißung Isaaks (Gen 18) auch die Geburt der sechs Söhne mit Ketura ausdrücklich verheißen wird. Denn: »in Isaak werde ihm genannt werden sein Name und Same. Und aller Same seiner Söhne werde zu Völkern werden ...« (Jub 16,16f). Das theologische Zuordnungsmuster, das in Gen 21,12f entwickelt wird, begegnet im Jubiläenbuch bereits in dieser Szene. Bei der Vertreibung Ismaels wird es dann erstmals wiederholt, ein weiteres Mal im Hinblick auf Jakob und Esau (Jub 19,16). Auf Isaak und Jakob, durch den Abrahams »Same und Name genannt wird«, ruht der besondere Segen des Heilsweges Israels. In Ismael und den anderen Abrahamnachkommen erfüllt sich aber der besondere Segen, der den nichtisraelitischen Völkern aus der Nachkommenschaft Abrahams gilt, weil sie ›Abrahams Same‹ sind. Im Horizont dieses doppelten Erbes versteht das Jubiläenbuch auch Gen 21: »In Ismael wird die universale Verheißung, die Erde zu erben, miterfüllt«, charakterisiert BERGER die Tendenz von Jub 17.309 5. Resümee Die ›Vertreibung‹ Ismaels in die Wüste ist wie die ›Bindung‹ Isaaks in Gen 22 erzählerisch großartig reduziert und mit geradezu archetypischer Wucht als menschliches Bedrohungs- und Gefährdungsdrama dargestellt. Hagar und Ismael, die Mutter mit dem Kleinkind, irren vom Vater verstoßen in die Wüste und damit zwangsläufig in den Tod, wo sie im letzten Moment von Gott gerettet werden, so dass die Wüste als 306

Zur Ismael-Rezeption im Jubiläenbuch s. ausführlich u. Kap. VIII 1. Vgl. Jub 17,6; vgl. auch 16,16-18; zur Abgrenzung Isaaks/Israels von den übrigen Abrahamnachkommen Jub 15,29-31. 308 Vgl. Jub 15,6 (Gen 17,4f). Einige Textzeugen sehen Abraham als Vater aller Völker; hierzu K. BERGER, Jubiläenbuch, 405. 309 Zit. K. BERGER, ebd., 415 Anm. XVIIa. 307

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Ort des Todes zum Ort neuen Lebens werden kann.310 Diese Rettungsgeschichte bildet nicht nur die allgemeinmenschliche Hoffnung ab, dass ein barmherziger Gott die Bedrängten nicht allein und ihnen die Erfahrung wunderbarer Rettung zuteilwerden lässt. Bei dieser Auslegung der Szene ist die besondere Zuspitzung ganz übersehen, mit der die Erzählgemeinschaft Israel das Allgemeine am konkreten Fall darstellt. Ismael wird als erbberechtigter Sohn schuld- und grundlos aus dem Haus Abrahams getrieben. Das Unrecht dieser Vertreibung hat Sara gewollt, Gott gefordert und Abraham vollzogen. Dieses führt Ismael und Hagar zwangsläufig in tödliche Gefahr. In ihr aber erweist sich Gott an Ismael als yišmāʿʾēl, als ein rettender und erhörender Gott. Seine Mutter wird zur Mittlerin dieser Rettung. Beide erleben hier, was der Ismaelname bekennt. Diese Rettung führt aber nicht nur zum physischen Überleben der Vertriebenen, sondern zur Entstehung nichtisraelitischer Völker aus der Verheißung des Gottes Israels. Die völkergeschichtliche Dimension ist gerade in den theologischen Bewertungen der Erzählung präsent. Israel erzählt von der Rettung und Bewahrung Ismaels nicht, obwohl er Vater eines nichtisraelitischen Volkes werden wird, sondern weil er eine über Israel hinausgehende Linie der abrahamitischen Völkerökumene repräsentiert, die in ihm vom Segen des Gottes Abrahams umgriffen gedacht ist. In der Gestaltung der Ismaelerzählung sind unzweifelhaft genuin israelitische Gotteserfahrungen und Segenshoffnungen bestimmend. An der Gestalt Ismaels wie auch an seiner Mutter Hagar werden grundlegende theologische Einsichten Israels anschaulich gemacht. Die fiktive Erzählung ist ganz nahe am Erfahrungshorizont ihrer israelitischen Adressaten, für die sie erzählt wird. Umso bemerkenswerter ist die erzählte Perspektive auf Ismael und die kritische Offenheit im Hinblick auf das Unrecht, das auch im Haus Abrahams möglich ist. DOZEMAN hat auch Gen 21 als Variation der israelitischen Wüstenerfahrung unter umgekehrten Machtverhältnissen gedeutet. Auch der Auszug Israels aus Ägypten wird nicht nur als Flucht in die Wüste, sondern als Vertreibung in die Wüste gezeigt.311 Wie schon in Gen 16 so werden auch in Gen 21 Spuren gelegt, die sich in der Exodus- und Wüstenüberlieferung als Erfahrungen Israels wiederfinden. Oder anders gesagt, die durch die prominente Exodustradition erinnerte Erfahrung Israels von Flucht und Vertreibung, die in die Wüste führt, wo Gott seinem Volk rettend begegnet, bildet auch den Erfahrungshintergrund der Hagar310

Vgl. W. PROPP, Water in the Wilderness, 51-69; T.B. DOZEMANN, Wilderness and Salvation History, 31f. 311 In Ex 10,11 wird Mose vertrieben, in Ex 12,39 wird Israel vertrieben (jeweils mit dem Verb vrg. Hier wird allerdings die Vertreibung als Akt der Befreiung gesehen, was in Gen 21 nicht der Fall ist.

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und Ismael-Episoden. Was Israel in der Exoduserzählung als kollektive Erfahrung erinnert, gewinnt in den Hagar-Ismael-Episoden eine eindrückliche individuelle Gestalt. An keiner Stelle der hebräischen Bibel wird die elementare Not von Flucht (Gen 16) und Vertreibung (Gen 21) an einem konkreten Einzelschicksal so eindrucksvoll zur Anschauung gebracht, wie in den Episoden von Hagar und Ismael. Die erzählten Hinweise über das Verhältnis von Ismael und Isaak zielen auf Gemeinsamkeit und Vergleichbarkeit ab. Parallel sind die Geburtsnotizen und der Bericht über das Gedeihen Isaaks und Ismaels gestaltet. Von Feindschaft kann keine Rede sein. Saras Enterbungswunsch endzündet sich nicht an einer gegen ihren Sohn Isaak gerichteten Handlung Ismaels. Da die Brüder nie Rivalen oder Feinde waren, müssen sie sich auch nicht versöhnen, sondern können sich bei Abrahams Tod wieder begegnen, um den Vater gemeinsam in Machpela zu begraben. Das ist in der Konstellation von Jakob und Esau anders, doch stehen auch hier die Versöhnung und versöhnte Verschiedenheit der Brüder am Schluss. Nicht einmal das Unrecht der Vertreibung und Enterbung Ismaels steht in Gen 25 erkennbar zwischen beiden Brüdern. Ismael und Isaak siedeln in benachbarten Gebieten.312 Der Bogen, den Ismael als Bogenschütze trägt, richtet sich nicht gegen seinen Bruder. Aber auch der Streit der Frauen aus Gen 16 wird in Gen 21 nicht fortgesetzt, allerdings wird der soziale Unterschied von Sklavin und Herrin klar markiert. Die Episoden von der ›Vertreibung Ismaels‹ und der ›Bindung Isaaks‹ sind erzählerisch und theologisch enge Parallelen, die zusammen zu hören, aufeinander zu beziehen und gemeinsam zu verstehen sind. Mit der Vertreibung Ismaels fordert Gott von Abraham in furchtbarer Zumutung (V.11) die Preisgabe seines älteren Sohnes. Die grundlose Vertreibung eines legitimen Erbsohnes kann vor dem altorientalischen und israelitischen Normenhintergrund nur als schweres Unrecht angesehen werden. Dass es Gott selbst ist, der dieses Unrecht von Abraham verlangt, ändert nichts daran, sondern spitzt den Konflikt als Widerspruch in Gott zu. Hier wie in der Forderung der ›Bindung Isaaks‹ (Gen 22,2) wird die abgründig dunkle Seite Gottes sichtbar, die innerhalb der Erzählung keine Erklärung, wohl aber eine Überwindung findet, weil es derselbe Gott ist, der aus der Not rettet, in die er zuvor geführt hat. Die Erzählungen geben keine Verstehenshilfe, etwa durch einen Zusammenhang von Schuld und Strafe, oder den Hinweis auf die göttliche Barmherzigkeit trotz menschlicher Vergehen, oder darauf, dass die Preisgabe durch den Vater für alle Beteiligten zum Heil wurde. Gott fordert von Abraham Verstoßung und Bindung in voller, unerträglicher Härte mit den sprachlichen Mitteln einer ›optimalen Frustration‹, ungeachtet der 312

Vgl. unten zu Gen 25,11.16 in Kap. VI 3.

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Gefährdung und Todesangst, der Ismael und Isaak dabei ausgesetzt sind. Und Gott errettet beide Söhne Abrahams und bleibt fürsorgend bei ihnen. Über das Warum dieser paradoxen Konstellation schweigt der Erzähler. Indem er schweigt, hält er die Spannung und die Frage nach dem Warum offen. So entzieht er die Erzählung einerseits jedem Versuch einer abschließenden Deutung, ermöglicht aber andererseits, dass das Suchen nach ihr nicht zur Ruhe kommt. Wie kann Gott zugleich der Leben fordernde und Leben rettende Gott sein, ohne dass man an seinem Herrsein oder an seiner Güte oder an beidem irre wird? Mit beiden Erzählungen sucht Israel solche paradoxen Erfahrungen in lesbaren Bildern und erzählten Situationen zu verdichten. Einerseits wird Gott nicht aus seiner Verantwortung für das Lebensbedrohliche und Widrige entlassen. Er wird zum Urheber der im familiären Horizont denkbar schlimmsten Bedrohung. Das ist der Verlust der einzigen Kinder. Diese Zumutung muss Abraham bestehen. Und er ist zugleich der Gott, der in dieser Bedrohung bewahrt, in die er zuvor geführt hat. Die Reihenfolge der Handlungen Gottes ist dabei nicht umkehrbar. Dass man in Israel die Vertreibung Ismaels als eine ähnlich gelagerte Zumutung Abrahams erzählt hat, lässt darauf schließen, dass beide Brüder in einer gemeinsamen Perspektive verstanden werden sollen. Mit der Gnade, ein Kind der Verheißung und Träger von Verheißungen zu sein, hat Ismael auch die furchtbare Gefährdung zu erleiden, mit der Gott seiner Verheißung scheinbar ins Gesicht schlägt. Wenn bei Isaak als dem Jüngeren, der die Israel-Erwählung trägt, das Wunder seiner Geburt und die Not seiner Gefährdung noch einmal dramatisch verstärkt werden, so tragen die Bürde der Preisgabe durch den Vater und lebensbedrohlichen Gefährdung doch beide Söhne, wenn auch in verschiedener Weise. Darin, dass ihnen solches von Gott zugemutet wird, liegt in der Logik der Abrahamerzählung ihre gemeinsame Würde. Die nach Gen 17,19-21 abschließende Sonderung der Nachkommenslinien Isaaks und Ismaels im Gotteswort V.12f ist nicht durch theologische Enterbung und Exkommunikation Ismaels geprägt. Ismael bleibt auch als Vertriebener ein legitimer Abrahamsohn und ein ›Erbe der Verheißung‹. Die Begründung der Vertreibungsforderung Gottes in V.12d.13 hält fest, dass Israel sich durch Isaak ›Same Abrahams‹ nennen wird. In dieser Israelorientierung liegt der auf Isaak ruhende Vorzug gegenüber Ismael. Der paulinische Gedanke, dass Gott an diesem Scheidepunkt der abrahamitischen Nachkommenslinien allein die Nachkommen Isaaks als ›Same Abrahams‹ und wahre ›Gotteskinder‹ erwählt und in ein besonderes Gottesverhältnis beruft, liegt den Versen fern. Die gemeinsame Basis der beiden verschiedenen Abrahamsöhne wird ausdrücklich darin genannt, dass sie in der theologischen Bedeutung des Wortes ›Abrahams Same‹ sind. Sie partizipieren an dem Segen, der sich

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im Bundesschluss (Gen 17) in Abraham auch seinem ›Samen‹ in der Folge ihrer Generationen mitgeteilt hat. Schon in Gen 17,19-21 war ein inklusives Modell einer unterschiedlichen theologischen Gewichtung der Abrahamsöhne bei gleichzeitiger Zuordnung der Verschiedenen in einer gemeinsamen Gottes- und Bundeskonzeption sichtbar geworden. So ist es auch in V.12f, nur wird hier der Umstand der Vertreibung und Enterbung Ismaels bereits mitreflektiert. Das Erbe, das Ismael verliert, berührt nicht seinen Status als ›Same Abrahams‹ oder die bleibende Fürsorge Gottes. Das Erbe das dem Jüngeren Isaak zugesprochen wird, besteht in der genealogischen Bedeutung für das nachmalige Israel. Im Horizont der Erzählung drückt sich dies in Siedlungsgebiet und familiärer Habe, vielleicht auch in der rechtlichen Verantwortung für das Fortbestehen der Familie aus. Abraham gibt Isaak alles, was er hat (Gen 24,36; 25,6). In diesem Sinn ist Ismael enterbt, wobei es zu den besonderen Finessen der Erzählung gehört, dass Ismael als Stammvater von Völkern der syrisch-arabischen Wüsten, die nie in Kanaan siedelten, ein Erbe verliert, das Ismaels Nachfahren nie gebraucht oder beansprucht haben. Eine Bestreitung ismaelitischer Landansprüche ist der Episode nicht zu entnehmen. Die heilsgeographische Situierung der Ismaeliter außerhalb Kanaans im engeren geographischen Sinn erklärt auch das Fehlen einer expliziten Landverheißung für Ismael. Er braucht diese Zusage nicht. M.E. ist dies geradezu die Bedingung dafür, dass man in Israel die Vertreibung Ismaels als ein theologisch und menschlich so abgründig-ambivalentes Drama erzählen konnte. Es geht der Geschichte eher darum, den Kreis der Abrahamkindschaft genealogisch, ethno- und geographisch zu erweitern und diese Erweiterung auch theologisch zu reflektieren. Dass Ismael als Eponym ›arabischer‹ Stämme überhaupt Abrahams Sohn werden konnte, hängt zunächst wahrscheinlich mit den beeindruckenden Konstruktionsversuchen der priesterlichen ›Listenwissenschaft‹ im nachexilischen Jerusalem313 zusammen, die um- und fernliegende Völkerwelt genealogisch zu ordnen und in Beziehung zu Israel zu bringen. Das theologische Programm freilich, das mit dem Abrahamsohn Ismael bzw. mit den Abrahamiten der ersten Generation entworfen wird, lässt sich aus genealogischen Ordnungsbemühungen allein nicht erklären. Denn diese würden nicht dazu nötigen, den Stammvater nichtisraelitischer Völker theologisch in die Verheißungsgaben der ›israelitischen Ahnen‹ einzubeziehen. Dies ist m.E. erst dann möglich, nachdem Abraham nicht nur genealogisch Ahnvater Israels, sondern auch theologisch ein wichtiges Identifikationssymbol geworden ist. Israel kann sich in der Erwählung Abrahams gründen und den Segen erwarten, dessen Garant Abraham 313

S.u. Kap. VII 4

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ist. Andererseits gilt Abraham zugleich als Vater eines größeren Völkerkreises, so dass sich Israel die Frage stellen muss: Was bedeutet die Gottesnähe in Verheißung und Bund, die unserem Ahnvater Abraham und damit uns zuteilwird, für die anderen Völker, deren Vater er auch ist? Eine erzählerische Antwort darauf gibt die Geschichte von Abrahams älterem Sohn. Die genealogische Vorgabe der Filiation Abraham-Ismael führt zum Begriff einer Israel und nichtisraelitische Nachkommen umfassenden Abrahamökumene, die nicht nur als kollektive Identitätsebene, sondern als Horizont und Geltungsraum der mit Abraham verbundenen Verheißungstheologie gedacht wird. Ismael ist von Gott gesegnet und ein ›Erbe der Verheißung‹, weil er in genealogischer und theologischer Hinsicht als ›Abrahams Same‹ aufgefasst wird. Der als Gott Abrahams konzipierte Gott Israels ist ein Gott der Abrahamiten der ersten Generation in einem völkergeschichtlichen Sinn. Das besondere Gewicht der Sara-Isaak-Linie ist unbestritten und innerhalb dieser gemeinsamen Perspektive deutlich hervorgehoben. Es ist in der ganzen Abrahamerzählung nie zweifelhaft, dass die Abrahamgeschichte auf Ismael weder ihr theologisches noch ihr narratives Hauptgewicht legt. Ismael ist eine Nebenfigur, wenngleich eine höchst interessante. Im Zielpunkt der Geschichte ist Isaak, mit seiner wunderbaren Geburt ebenso wie in der Bedrohung durch den eigenen Vater. Isaak ist der Israelerbe der Abrahamfamilie. In dieser Perspektive ist Ismael Nebenzweig der Heilsgeschichte, aber als solcher darin gerade kein verdorrter oder abgehauener Ast. Israel formt in den Ismaelepisoden eine Theologie der abrahamitischen Ökumene aus, in welcher die als verwandt und zuweilen als fremd empfundene Völker in die Gabe der Verheißung der Mehrung, des Abrahambundes und des Segens einbezogen werden, ohne ihre Fremdheit zum Verschwinden zu bringen. An Gleichberechtigung in einem modernen Sinn ist nicht gedacht, ebenso wenig an einen Universalismus, der davon ausgeht, dass der Gott Israels ein Gott vieler Völker und darum auch Ismaels ist. Mit der Ismaelgeschichte zeigen ihre Verfasser, dass Abrahams Same mehr umfasst als die, die sich in Israel ›Abrahams Same‹ nennen, und was im Horizont der Nachkommenschaft Abrahams konkret gilt. Will man die Kategorie der Erwählung zur Kennzeichnung einer besonderen Gottesbeziehung bemühen, dann müsste von einer Erwählung Isaaks und Ismaels zu zwei besonderen Wegen mit Gott auf dem Fundament gemeinsamer Abrahamkindschaft gesprochen werden.314 Diese findet ihren Grund in der 314

T.B. DOZEMANN, Wilderness and Salvation History, 43, spricht von einer »expansion of election beyond the boundaries of Israel«, wie wir sie auch in anderen Zusammenhängen als Einbeziehung Volksfremder in die (Kult-) Gemeinschaft Israels finden.

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besonderen Erwählung Abrahams. Nach Gen 18,19 besteht die Erwählung Abrahams gerade darin, dass er seinen Söhnen (Plural) die Wege Gottes lehre. In diesem Kreis der abrahamitischen Gemeinschaft sind verwandte Völker eingeschlossen, eine Verwandtschaft, die sich auch konflikthaltig zeigen kann. Die Ismaelerzählung bringt dies allerdings nur in der Konfliktmetapher im Wildeselspruch zum Ausdruck, nicht in der Metapher vom Bogenschützen in der Wüste. Insgesamt hat Israel der Versuchung widerstanden, die Brüdergeschichte Isaaks und Ismaels als Konfliktgeschichte zu erzählen, bei der sich Isaak (Israel) vor Ismael schützen musste und mit Hilfe seines Gottes schützen konnte. Vielmehr entstand ein dramatisches und facettenreiches Bild von Fremdheit und Nähe, in welchem Ismael und Hagar mit dem Gott Israels rettende Erfahrungen machen, auch oder gerade dann, wenn Abraham und Sara als Erzeltern Israels eine vor dem Normensystem Israels ungünstige oder schuldhafte Rolle spielen. Aus Gottes Segen fallen weder Abraham und Sara oder Isaak, noch Ismael und Hagar. WESTERMANN hat zutreffend wahrgenommen, dass in Gen 21 jedes Freund-Feind-Denken durchbrochen wird. Er konnte solches aber nur für eine alte ismaelitische Erzählung aus der Vorzeit Israels für wahrscheinlich halten, die später ›israelitisiert‹, d.h. mit den partikularistischen Perspektiven des nachmaligen Israels in Einklang gebracht wurde. Aber dass Gen 21 keineswegs eine alte Erzählung darstellt, wird schon daran deutlich, dass sie eine ähnliche Handschrift wie in Gen 17 trägt und als Paralleltext zu Gen 22 gestaltet wird, beides anerkannt junge Texte der Abrahamtradition. Versucht man für die vorgetragenen Interpretationen einen historischen Ort in Israel zu finden, dann ist am ehesten an die Zeit zu denken, in der die identifikatorische Rede vom ›Samen Abrahams‹ in Israel wichtig wurde, aber auch Anlass zu Kontroversen gab. Solches ist seit der spätexilischen Zeit belegt und bleibt als Thema bis weit über den Abschluss des Kanons hinaus virulent. Der Beitrag, den die Ismaeltexte zu dieser Diskussion leisten, ist in 21,12d-13 theologisch auf den Punkt gebracht. Aufgrund der Verheißung für Isaak (V.12d) darf sich ein nachmaliges Israel mit vollem Recht ›Same Abrahams‹ nennen. Zur nationalen oder gruppenspezifischen Abgrenzung eignet sich das Identifikationssymbol ›Abraham‹ aber nicht, weil dessen Nachkommenschaft mehr als Isaak/Israel umfasst. Wie die Verheißung für Ismael V.13 festhält, gibt es darüber hinaus andere Abrahamnachkommen, die sich womöglich nicht ›Abrahams Same‹ nennen und die doch ›Abrahams Same‹ Vgl. P. ENGER, Die Adoptivkinder Abrahams; V. HAARMANN, JHWH-Verehrer der Völker; sowie die verschiedenen Beiträge im Sammelband von R. ACHENBACH u.a. (Hg.), The Foreigner and the Law.

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IV. Vertreibung, Errettung und Bewahrung Ismaels und Hagars (Gen 21)

sind. So ist in der Erzählung das harte Prinzip der gruppenspezifischen Abgrenzung, das sich in anderen biblischen Texten oft als ethnische Absonderung ausformuliert findet, in verschiedener Hinsicht durchbrochen. Als kollektive Identitätsebene und als Wirkungskreis des Segens des Gottes Abrahams fungiert eine durch beide Abrahamsöhne repräsentierte abrahamitische Gemeinschaft, in der sich Israel neben Verwandten unter der Gnadenmitteilung Gottes an Abraham einfindet. Die Besonderheit Israels wird in dieser gemeinsamen Perspektive nicht nivelliert, sondern im Modell der inklusiven Zuordnung der Verschiedenen bewahrt, indem Nähe und Fremdheit sorgfältig ausbalanciert und bedacht werden. Diesen Zusammenhang theologisch und als dramatische Erzählung ausgearbeitet zu haben, ist das besondere Verdienst der Ismaelepisoden der Abrahamgeschichte. Man sollte nicht meinen, dass ein solches weiträumiges und sich kritisch selbst reflektierendes Denken und Erzählen im nachexilischen Israel keinen Ort gehabt haben kann. Es reicht hier darauf hinzuweisen, dass es ein ›arabischer‹ Scheich namens Hiob aus dem Land Uz ist315, an dem Israel das für seine eigene Gotteserfahrung bedrängende Problem vom unschuldigen Leiden des Gerechten in einer der erregendsten Dichtungen der Bibel erzählbar gemacht hat. Hiobs Fragen aber sind auch in den Erzählungen von der Preisgabe der Söhne Abrahams präsent.

Hiob ist (1,3) einer der berühmtesten ›Leute des Ostens‹ (~dq ynb), die im Keturastammbaum Gen 25,2ff als Abrahamnachkommen ausgewiesen sind.

315

V.

Weitere Ismaeltexte der Genesis

1. Isaak in Gen 22 – ›einziger‹ oder ›einzigartiger‹ Sohn Abrahams Das Drama der göttlichen Zumutungen für Abraham steigert sich in Gen 22 noch einmal. Nun fordert Gott von Abraham auch den anderen Sohn – Isaak. Eben noch war die wunderbare Geburt Isaaks als endgültige Lösung des Ausgangskonflikts der Abrahamgeschichte erzählt worden (21,1-7), so dass sich nun – nach der Vertreibung Ismaels und Hagars alle Erwartungen auf Isaak als dem Israelerben Abrahams konzentrieren. In dieser dunklen und paradigmatischen Auftaktszene fordert Gott von Abraham mit dem Leben Isaaks anscheinend nun auch den Verzicht auf alle mit diesem Wundersohn Saras verbundenen Verheißungen und Hoffnungen.1 In sprachlicher Hinsicht ist die göttliche Aufforderung, den geliebten Sohn zu opfern, wiederum geradezu sorgfältig darauf abgestimmt, Abraham mit jedem göttlichen Wort so tief wie möglich ins Herz zu schneiden. Erneut geht es darum, den denkbar härtesten Kontrast herauszustellen und Gott als Gegenteil seiner selbst zu inszenieren: 22,2

Und er (sc. ~yhla) sprach zu ihm (sc. Abraham): »Nimm doch deinen Sohn, deinen einzigen/einzigartigen ($dyxy-ta), den du liebst, den Isaak ... und opfere ihn …«

Diese Kontrasterfahrung hatten wir in Gen 16,9 und 21,12 bereits herausgestellt und als »optimale Frustration« bezeichnet. Vergleicht man diese Gottesrede mit jener von Gen 21,12f, dann ist die nochmalige Steigerung deutlich wahrnehmbar. Dort sollte Abraham seinen Sohn Ismael vertreiben und einem ungewissen Schicksal überlassen. Gott nannte Ismael in Aufnahme von Saras Forderung »Sohn der Magd«. Hier weist Gott den Erzvater auf den geliebten Sohn (!b) hin, den Abraham 1

Unter den unübersehbar zahlreichen Beiträgen zu Gen 22 sei hier auf die Arbeiten von G. VON RAD, Opferung Isaaks, T. VEIJOLA, Opferung Isaaks, G. STEINS, Bindung Isaaks (1999) und mit besonderer Beachtung für die Aspekte der Theodizeefrage J. EBACH, Theodizee; H.-D. NEEF, Prüfung Abrahams; T. NAUMANN, Preisgabe Isaaks, hingewiesen.

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V. Weitere Ismaeltexte der Genesis

mit eigener Hand opfern, d.h. schlachten soll. Während Gott in 21,13 die Bekräftigung seiner Verheißung für Ismael seiner Vertreibungsforderung unmittelbar nachfolgen lässt, gibt es in dieser Gottesrede kein Entlastungssignal, das Abraham hoffen lassen könnte, dass das Schlimmste nicht eintreten muss.2 So zeigt sich auch im Opferbefehl die feste Verankerung von Gen 22 in die familiäre Dramatik der Gesamterzählung, denn die göttliche Zumutung, der Abraham hier ausgesetzt ist, hatte er schon einmal erlebt.3 Wie ist diese Kennzeichnung Isaaks als ›einziger‹ und ›geliebter‹ Sohn im Hinblick auf den anderen Sohn Abrahams zu hören? Geht Gott davon aus, dass Ismael als Vertriebener nicht (mehr) Abrahams Sohn ist, und dass der Vater mit dem Sohn auch seine Liebe zu ihm (21,11) in die Wüste geschickt hat? So versteht etwa LEVIN die Kennzeichnung Isaaks in Gen 22,2: »Die Ausführlichkeit (sc. V.2) hat ihren Grund, weil es neben dem Sohn, den Abraham liebhatte, dem Isaak, den Sohn gab, den Abraham nicht lieb hatte, den Ismael. … Die Bestimmung ›deinen einzigen‹ ($dyxy-ta), die jetzt vorangeht, ist erst im Anschluss an Ismaels Vertreibung hinzugekommen.«4

Wenn LEVIN aus dem Hinweis über die Liebe Abrahams zu Isaak auf seine Nichtliebe zu Ismael schließt, dann ist dies ein klassisches argumentum e silentio. Das angeblich Gemeinte wird aus dem Nichtgesagten erschlossen. Im Blick auf die behauptete Nichtliebe Abrahams zu Ismael ist die Behauptung einigermaßen grotesk angesichts von Gen 17, 18; 21,11. Denn an diesen Stellen wird in christlichen Auslegungen dem Abraham gern vorgehalten, dass er in blinder Liebe zu seinem Sohn Ismael nicht erkennen will, dass auf Isaak nun alle Verheißungen liegen.5 Bei Levin wird auch der Ausdruck dyxy ohne nähere Prüfung numerisch verstanden. Welches Bedeutungsspektrum ist mit diesem Adjektiv dyxy aufgerufen?6 Das Wort dyxy ist ein Derivat der Wurzel dxy, die im biblischen Hebräisch im Grundstamm »vereinigen«, »sich verbinden« und im Intensivstamm »auf das eine hin konzent-

2

Nur der Leser bekommt ein Entlastungssignal durch den Hinweis auf den Prüfungscharakter des kommenden Geschehens. 3 Da Gen 22 häufig exegetisch nur als Einzeltext singuläre Überlieferung bearbeitet wird, ist die erzählerische Einbindung von Gen 22 in die Dramatik der Abrahamerzählung insgesamt deutlich herauszustellen. Vgl. T. NAUMANN, Preisgabe Isaaks, oder M. EGGER, Hagar. 4 C. LEVIN, Jahwist, 176. Vgl. u. Anm. 18. 5 Das Argument von der besonderen Liebe des Vaters zu nur einem seiner Söhne ist aus der Jakobüberlieferung (Gen 27; 37), nicht aus der Abrahamüberlieferung gewonnen. Zu Abrahams Liebe zu beiden Söhne in der jüdischen Rezeption vgl. unten Anm. 26. 6 Vgl. neben den Lexika vor allem H.-J. FABRY, ThWAT III, 595-603.

V. Weitere Ismaeltexte der Genesis

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rieren«7 bedeutet. Hierzu gehören die häufig gebrauchten Adverbien dxy bzw. wdxy – »gemeinsam, beisammen«8 und das seltene Adjektiv dyxy, das in der Bedeutung »einzig, einzigartig« und »einsam« Verwendung findet.9 Etymologie und Grundbedeutung sind nicht sicher. Die Basis j/waḥad ist in fast allen semitischen Sprachen belegt. Ihre Verwendung kreist um die beiden elliptischen Punkte »eins(am) sein, einzig, einzigartig sein« und »vereinigen, eine Einheit (Gemeinschaft) bilden«10. Im biblischen und nachbiblischen Hebräisch tritt der gemeinschaftsbildende Aspekt stärker hervor. Traditionell wird eine ursprüngliche Wurzelverwandtschaft mit dem semitischen Zahlwort ʾḥd »eins, einzig, allein« postuliert, was aber nicht unproblematisch ist, da das Wort im aramäischen Sprachgebrauch mit nur zwei Radikalen begegnet.11 Immerhin kann festgehalten werden, dass in den semitischen Sprachen deutlich zwischen dem Zahlwort für »eins« und den Bildungen mit j/waḥad unterschieden wird. Man wird daher nicht von einer numerischen Grundbedeutung des Wortes ausgehen können12, sondern die Relation der Konzentration auf das Eine geltend machen müssen. In der hebräischen Bibel begegnet das Adjektiv/Nomen dyxy insgesamt zwölfmal, wobei sich ein zweifacher Gebrauch feststellen lässt. In den Psalmen kommt es in der Einsamkeitsklage vor und beschreibt das Erlebnis des Einsam- und Verlassenseins.13 In metaphorischer Sprechweise steht ytdyxy aber auch für das menschliche Leben selbst bzw. das Zentrum des eigenen Personseins, und kann so in Ps 22,21; 35,17 in Parallele zu yXpn (meine Seele, mein Leben) gebraucht werden. Markant und näher an unserem Text ist die prononcierte Verwendung von dyxy in der Klageformel über den Verlust des Einzigen, welche in der prophetischen Literatur mehrfach begegnet.14 Im Hintergrund steht die bittere Klage einer Mutter über den Verlust ihres einzig(artig)en Sohnes, der nun auf das Gottesvolk im Bild der Tochter Zion übertragen wird.15 dyxy hebt hierbei auf die einzigartige Beziehung zwischen Mutter und dem betrauerten Sohn, vielleicht auch auf dessen einzigartige Bedeutung ab. Der numerische Aspekt, als sei dieser Sohn ein Einzelkind gewesen, steht nicht im Vordergrund, weshalb in Sach 12,10 die Klage um den dyxy mit dem Weinen um den erstgeborenen Sohn parallelisiert werden kann. 7

Vgl. Ps 86,11. Zu den Textschwierigkeiten vgl. die Kommentare und H.-J. FABRY, ebd., 599. 8 In Gen 22 begegnet das Adverb wdxy in V.6.8, um Abrahams und Isaaks gemeinsame (zweisame) Wanderung anzuzeigen. 9 Vgl. die Statistik nach H.-J. FABRY, ebd., 597f: wdxy (96 mal), dx;y: (43 mal) und dyxy (12 mal): Gen 22,2.12.16; Ri 11,34; Am 8,10; Jer 6,26; Sach 12,10; Ps 22,21; 25,16; 35,17; 67,7; Spr 4,3. 10 Vgl. etwa ugaritisch jḥd – »einsam«, »einzig«; akkadisch (w)ēdu(m) »einzig, allein, einzeln, einsam« (hierzu CAD 4,36ff). Im Südsemitischen ist die Wz. sehr verbreitet. Allein das Arabische hat verschiedenste Formationen gebildet. Vgl. etwa waḥada I. – »allein, einzig, unvergleichlich sein«, II. »vereinigen«, V. »allein sein, eine Einheit bilden« u.a. Die altaramäische Zakir-Inschrift bezeugt hwḥd (haf’el) in der Bedeutung »vereinigen, zusammenbringen« (KAI 202 m. Anm. 4). 11 Vgl. H.-J. FABRY, ThWAT III, 595f. 12 So auch H.-J. FABRY, ebd. 13 Vgl. Ps 25,16; 68,7. Das Einzigsein wird hier als Alleinsein erlebt. 14 Vgl. dyxy + lba in Jer 6,26; Am 8,10; Sach 12,10 15 Diese formelhafte jāḥîd-Klage verweist sehr wahrscheinlich auf einen rituellen Hintergrund. Auch im Akkadischen konnte der Verlust des einzig(artig)en Sohnes beklagt werden, wie der Personenname akk. habil-wēdum – »Der Einzige ist tot« zeigt. Damit ist der nachgeborene Träger dieses Namens als Ersatz des verstorbenen Bruders qualifiziert. Vgl. J.J. STAMM, akkadische Namengebung, 296f.

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V. Weitere Ismaeltexte der Genesis

In den Kontext der Klage gehört auch die Erzählung von Jiftach, der wegen eines Gelübdes seine Tochter als Opfer darbringen muss (Ri 11,34). Dass seine Tochter als hdyxy auch das einzige Kind Jiftachs ist, muss der Erzähler freilich extra hervorheben: »Sie war seine einzigartige (hdyxy). Er hatte weder Sohn noch Tochter.« Endlich ist auf Spr 4,3 zu verweisen. Hier denkt der Weisheitslehrer an seine eigene Unterweisung zurück, die ihm als Kind von seinem Vater widerfuhr: »Da ich noch als Sohn beim Vater war, als zartes, einzigartiges Kind in der Fürsorge meiner Mutter, unterwies er mich«. Auch hier zielt die Verwendung von dyxy auf die Besonderheit der Beziehung dieses Sohnes zu seinen Eltern, ohne dass man dabei an ein Dasein als Einzelkind zu denken hätte.

Zieht man die Wortfamilie und das Vorkommen von dyxy in der hebräischen Bibel insgesamt in Betracht, dann geht es um die Konzentration auf den Einen, die Darstellung der besonderen Beziehung von Vater/ Mutter und Sohn oder des Vaters zur Tochter, oder ihre besonderen Qualitäten, ohne dass der numerische Aspekt deutlich ins Blickfeld gerückt wird. Familienrechtliche Implikationen wie etwa »Erstgeborener, Erbfolger« o.ä. liegen dem Begriff fern. Die Episode von Gen 22 hat – anders als manchmal zu lesen ist – keinen erkennbaren Bezug zum Opfer der männlichen Erstgeburt, als welches Isaak als zweitgeborener Sohn Abrahams auch gar nicht in Frage käme. Angesichts des sprachlichen Befunds wird man dyxy nicht numerisch, sondern relational oder qualitativ übersetzen müssen. An den Stellen, in denen es um Söhne und Töchter geht, wird die Übersetzung mit »einzigartig«16 dem Bedeutungsspektrum eher gerecht als die herkömmliche Übertragung mit »einzig«. Mit einem solchen Gebrauch ist auch in Gen 22 zu rechnen. Die Verwendung von dyxy konzentriert sich in Gen 22 mit drei Vorkommen (V.2.12.16) in besonderer Weise auf Isaak.17 Alle drei Belege werden dabei mit dem Suffix der 2. Pers. Sg. – »dein einzigartiger« gebildet, was sonst in der hebräischen Bibel nicht mehr vorkommt. Der dyxy wird auch grammatisch fest mit dem Du des Vaters verknüpft. Auch dies verstärkt noch einmal den Beziehungsaspekt zwischen Abraham und Isaak und fügt sich zu der in der Episode angestrebten erzählerischen Dynamik. 16

So für Gen 22,2.12.16 etwa H. SEEBASS, Vätergeschichte I, 198, und G. STEINS, Bindung Isaaks, z.St. 17 Aus dem Wortfeld wäre innerhalb von Gen 22,1-18 noch auf dxy – »zusammen« in V.6.8 hinzuweisen. Auch darin findet sich die besondere Beziehung Abrahams und Isaaks schmerzvoll ins Blickfeld gerückt. Die Häufung von dyxy in Gen 22 und das geprägte Vorkommen in der jāḥîd-Klage, wozu neben den prophetischen Stellen auch Ri 11,32ff als narrative Entfaltung gerechnet werden kann, ermöglichen ein Verständnis von Gen 22 auch vom rituellen Kontext der Klage um den Verlust des Einzigen. Zumal rituelle Aspekte in Gen 22 stark im Vordergrund stehen, wie zuletzt G. STEINS, Bindung Isaaks, 160ff, gezeigt hat. Unter dieser Perspektive würde Gen 22 erzählen, dass und warum für Abraham (und mit ihm für Israel) diese jāḥîd-Klage nicht mehr notwendig ist.

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Die Bezeichnung Isaaks als $dyxy ist damit wohl keine Formulierung des Kontrasts zu Abrahams anderem Sohn, sondern eine der Konzentration auf den einen, um den es hier geht. Sie zielt auf die Einzigartigkeit der Beziehung. Natürlich gibt es in erwählungstheologischer und familiendramatischer Sicht viele Facetten, die Einzigartigkeit Isaaks herauszustellen: Er ist der Israel-Erbe Abrahams, der spät und wunderbar geborene Sohn Saras, der nach der Vertreibung Hagars und Ismaels einzig im Haus Verbliebene, die große Hoffnung des Vaters auf das Fortleben seines Namens, an den so großartige Verheißungen geknüpft sind. Und er muss auch in dieser Szene als Sohn für seinen Vater einzigartig und einzig geliebt sein, weil dies alles – in grausamer Zuspitzung der Zumutung Gottes – dem Abraham hier genommen werden soll, und weil Abraham am Ende dieser Zumutung standgehalten hat (V.12.16). Über das Verhältnis Abrahams zu seinem anderen Sohn ist damit nichts ausgesagt.18 Dies hatte der Literaturwissenschaftler AUERBACH schon 1946 in seiner klassischen Studie zur Erzähltechnik von Gen 22 genau markiert: »Dies aber ist keine Bezeichnung Isaaks, wie er überhaupt ist, auch außerhalb der Beziehung zu seinem Vater, und außerhalb dieser Erzählung; es ist keine beschreibende Ablenkung und Unterbrechung ... Nur dasjenige, was jetzt und hier, innerhalb der Handlung von ihm bekannt sein muß, wird beleuchtet – damit hervortrete, wie schrecklich die Versuchung Abrahams ist, und daß Gott sich dessen wohl bewußt war.«19

Für die christliche Rezeption der Stelle ist es aus einem anderen Grund wichtig, dass Isaak in Gen 22 der einzige Sohn Abrahams ist, zunächst wegen der Bedeutung Isaaks für die paulinische Abrahamrezeption, sodann, weil die Opferung Isaaks als typologischer Hinweis auf das Christus-Opfer verstanden wurde. In dieser Perspektive wäre der Gedanke eines weiteren Bruders schwerer unterzubringen, obgleich Jesus auch weitere Brüder hat. μονογενής (Heb 11,17) und dyxy werden Äquivalente. Aus Gründen der Christustypologie tragen in der altchristlichen Auslegungstradition fortan die dyxy-Aussagen von Gen 22,2.12.16 die ganze theologische Last der Einzigkeit des von Gott dahingegebenen Gottessohnes.20 Doch zeigen neuere Untersuchungen des griechischen Sprachgebrauchs von μονογενής, dass auch dieses Wort zunächst nur die L. KUNDERT, Opferung/Bindung, 49ff, sieht in dyxy nicht den familiären Beziehungsaspekt angesprochen, weil dieser in V.2 durch das »den du lieb hast« zusätzlich betont wird, sondern wegen V.12.16 vor allem die Ergebenheit Isaaks in das Geschehen. Das scheint mir etwas zu eng. Vgl. auch Anm. 25. 19 E. AUERBACH, Die Narbe des Odysseus, 13. 20 Vgl. die Bezüge von Mt 3,17; Lk 3,22; Jak 2,21 zu Gen 22,2 und die von Röm 8,32; Hebr 6,13; 11,17 zu Gen 22,16. Zur neutestamentlichen Rezeption dieser Vorstellung und ihrem religionsgeschichtlichen Umfeld vgl. F. COCCHINI, Il figlio unigeneto, 301323; J. SWETNAM, Jesus and Isaac; L. Kundert, Opferung/Bindung Isaaks, Bd. 1. 18

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»Einzigartigkeit« des als μονογενής bezeichneten Sohnes ausdrückt. Es bezeichnet die Einzigkeit in seinem γένος (unicus) und ist wohl erst in altkirchlicher Zeit im Sinne eines unigenitus verstanden worden.21 Die vorchristliche Septuaginta kennt diese numerische Engführung nicht und versteht das hebr. dyxy im oben erarbeiteten Sinn. Sie übersetzt dyxy in Gen 22,2.12.16, aber auch in den prophetischen jāḥîd-Klagen (Am 8,10; Jer 6,26; Sach 12,10) nicht mit μονογενής, sondern mit ἀγαπητός – »geliebter«. Dies verwundert zunächst, weil der Aspekt der Liebe im hebräischen Wortfeld nicht vorkommt. Verständlich wird die Übersetzung, wenn dyxy als Beziehungsbegriff »Einzigartiger« verstanden wird, den die LXX in Ermangelung klarerer griechischer Äquivalente mit ἀγαπητός wiedergibt.22 Das Wort μονογενής wählen die Übersetzer in diesen Zusammenhängen offenbar bewusst nicht. Einzig in Ri 11,34, wo der erzählerische Kontext festlegt, dass Jiftach nur eine einzige Tochter hatte, überträgt die LXX mit μονογενής.23 Wenn dann später FLAVIUS JOSEPHUS, AQUILA und SYMMACHUS z.T. Formen von μονογενής verwenden, betonen sie die Einzigartigkeit Isaaks. In jüngerer Zeit hat sich KUNDERT ausführlich mit der LXX-Übersetzung von Gen 22,2.12.16 sowie dem neutestamentlichen Sprachgebrauch von ἀγαπητός und μονογενής befasst. Auch Kundert sieht in Gen 22 (dyxy/ἀγαπητός) die Einzigartigkeit Isaaks hervorgehoben, die er in der besonderen Ergebenheit Isaaks ausgesprochen und gewürdigt findet: »Es geht m.E. nicht darum, dass Abraham seinen Sohn lieb hat – das wird gerade nachfolgend unterstrichen. Auch geht es nicht darum, den Leser über der Familiengröße der Familie Saras und Abrahams zu belehren (was eine Übersetzung mit »einziggeliebt« unterstellt), sondern letztlich einzig darum, eine Qualität Isaaks selbst dem Leser mitzuteilen: Isaak ist ein Bevorzugter, weil ergebener Sohn.«24 L. KUNDERT, Opferung/Bindung Isaaks, 63, resümiert, dass dem Wort erst in relativ später Zeit im Zusammenhang der altkirchlichen christologischen Auseinandersetzungen »die Bedeutung von unigenitus zugekommen« ist. 22 Obwohl dies in Gen 22,2 zu der unschönen Doppelung τὸν ἀγαπητόν ὃν ἠγάπησας τὸν Ἰσαὰκ führt. Vgl. überdies Spr 4,3 (ἀγαπώμενος). Ganz ähnlich lautet die Wendung im Jubiläenbuch: »deinen geliebten Sohn, den du liebst« (Jub 18,2; K. BERGER, Jubiläen, 419). 23 Auch für F.-J. FABRY, ThWAT III, 597, wäre μονογενής die richtige griechische Übersetzung der dyxy-Stellen. Die häufige Übersetzung mit ἀγαπητός möchte er auf die Unfähigkeit der LXX zurückzuführen. Sie vermag dxy nicht eindeutig wiederzugeben und »verliest ... jāḥîd zu jādîd«. Aber diese These ist von der Textüberlieferung der LXX nicht zu erweisen, das Urteil resultiert aus einem fraglichen numerischen Verständnis der Grundbedeutung von dxy. Die unterschiedliche Übersetzung der dyxy-Belege durch die LXX ist wohlüberlegt und zeigt, dass die alexandrinischen Übersetzer ein gutes Verständnis des Bedeutungsspektrums des hebräischen dyxy hatten, auch wenn ein griechisches Äquivalent dafür nicht zur Verfügung stand. 24 L. KUNDERT, Opferung/Bindung Isaaks, 55. 21

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Die in der rabbinischen Deutung stark gemachte Interpretation Isaaks als zum (Selbst-)Opfer bereiter Sohn hätte damit in der LXX-Fassung von Gen 22 ihren ältesten Zeugen. Doch hat auch die rabbinische Tradition Mühe mit dem zu ihrer Zeit in numerischer Einzigkeit verstandenem dyxy von Gen 22. Sie löste das Problem aber in spezifisch anderer Weise als die christliche Tradition, nämlich durch den Hinweis auf die Mütter. Sara und Hagar haben je nur einen einzigen Sohn Abrahams, so lassen sich die beiden Söhne als die numerisch einzigen und Erstgeborenen ihrer Mütter verstehen.25 Die Ausführlichkeit der Gottesforderung in V.22 sieht der Midrasch in der besonderen Zuspitzung der Prüfung begründet. Die Rabbinen verstehen V.2 als Teil eines Zwiegesprächs zwischen Gott und Abraham, von dem die Tora nur den göttlichen Part festgehalten habe. Den Gesprächsanteil Abrahams erschließen die Rabbinen und überliefern den folgenden Dialog eines betroffenen Vaters zweier Söhne mit seinem Gott26: G. A. G. A. G. A. G.

Nimm doch deinen Sohn. Ich habe zwei Söhne. Deinen einzigen. Dieser ist ein einziger seiner Mutter und jener ist ein einziger seiner Mutter. Den du lieb hast. Beide sind mir lieb. (Gibt es denn Grenzen in meinem Inneren?27) Den Isaak.

In der jüdischen Auslegung hört Ismael nie auf, Abrahams Sohn zu sein, und Abrahams Liebe gilt beiden Söhnen gleichermaßen. Im Midrasch GenR 55 ist Ismael auch noch zur Zeit der letzten Prüfung Abrahams selbstverständliches Mitglied der Familie Abrahams und in der Umgebung Isaaks zu finden. Im Vorfeld der ›Preisgabe Isaaks‹ ist von den beiden Brüdern folgende Auseinandersetzung über ihre Beschneidung überliefert, in der es darum geht, wer der beliebtere, d.h. hier der gottergebenere ist. Während die Beschneidung Ismaels im 13. Lebensjahr höher als die Säuglingsbeschneidung Isaaks angesehen wird, weil sie eine bewusste willentliche Entscheidung erfordert, gibt die ›Akedah‹ nun dem Isaak die Gelegenheit, seine größere Gotteshingabe unter Beweis zu stellen, indem er das Opfer selbst willentlich bejaht: 25

Diese Lösung verbindet Sach 12,10, wo der dyxy der Erstgeborene ist, mit den rechtlichen Bestimmungen von Ex 13,2 (Erstgeburt der Mütter). Ein Vorläufer dieser Deutung ist eventuell schon im Jubiläenbuch (2. Jh. v. Chr.) zu greifen, wenn Isaak in Jub 18,11.15 (par. Gen 22,12.16) mit dem Würdetitel eines Erstgeborenen versehen wird. 26 Zit nach bSanh 89b, übers. nach D. ROTTZOLL, Genesis, 314; ebenso GenR 55 zu 22,2 (M. KRUPP, Den Sohn opfern, 30f). 27 Diese aufschlussreiche ›Entfaltung‹ der inneren Haltung des Erzvaters ist nur im großen Genesismidrasch (GenR 55 zu Gen 22,2) überliefert.

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V. Weitere Ismaeltexte der Genesis

»Isaak und Ismael stritten. Dieser sagte zu jenem, ich bin beliebter als du, denn ich bin mit dreizehn Jahren beschnitten worden, und dieser sagte, ich bin beliebter als du, denn ich bin mit acht Tagen beschnitten worden. Sprach zu ihm Ismael: ich bin beliebter als du. Warum? Denn ich hatte die Möglichkeit, mich zu weigern, und ich habe mich nicht geweigert. In jener Stunde sagte Isaak: Ach wenn sich doch der Heilige, gepriesen sei Er, offenbaren und mir sagen würde, eins meiner Glieder abzuschneiden, ich würde mich nicht weigern. Sprach zu ihm der Heilige, gepriesen sei Er: Damit, wenn dir gesagt wird, opfere dich mir ganz, du dich nicht verweigern wirst.«28

2. Abraham als Lehrer seiner Söhne und Nachkommen im ›Haus Abrahams‹ (Gen 18,19) An die Gottesbegegnung in Mamre, die in der Ankündigung der Geburt Isaaks gipfelt, schließt sich das Gespräch Abrahams mit Gott über den Frevel von Sodom an (Gen 18,16-33).29 In seiner Eröffnung findet sich eine für unser Thema interessante Charakterisierung Abrahams als Lehrer der Wege Gottes von Recht und Gerechtigkeit für ›seine Söhne und sein Haus nach ihm‹ (Gen 18,19). Der Erzähler gibt hier Gottes eigene Gedanken wieder. 17 Und Jhwh sprach (bei sich): »Sollte ich vor Abraham verbergen, was ich tun will? 18 Und Abraham, wird zu einem großen mächtigen Volk werden. Und es werden sich in ihm segnen alle Völker der Erde. 19 Denn ich habe ihn erkannt ([dy), damit (![ml) er seinen Söhnen und seinem Haus nach ihm gebiete (hwc), dass sie den Weg Jhwhs beachten (rmX), um Gerechtigkeit und Recht zu tun, damit (![ml) Jhwh über Abraham kommen lasse, was er ihm zugesprochen hat.«

28

Übersetzung und Kommentar bei M. KRUPP, ebd., 26f. Gegen M. KRUPP weist der Beschneidungsstreit des Midrasch m.E. nicht auf ein religiöses »Konkurrenzdenken zwischen Juden und Arabern ... schon in der vorislamischen Zeit« (27) hin. Die rabbinische Tradition sieht Ismael hier vor allem in familiärer Perspektive: als Sohn Abrahams und rivalisierenden Bruder Isaaks, der noch zu Lebzeiten des Vaters Buße tut (bBB 16b), weniger als Völkervater der Araber. Vgl. C. BAKHOS, Ishmael on the Border. Die Beschneidung Ismaels ist hier selbstverständlich als jüdische Beschneidung und religiöses Verdienst wie diejenige Abrahams verstanden. Dazu auch oben Kap. III 6.7 zu Ismaels Beschneidung (Gen 17,22ff). 29 Vgl. die klassische Untersuchung von L. SCHMIDT, De Deo, 131-164 und neben den Kommentaren die neueren von H. SCHWEIZER, Gespräch; E. BLUM, Vätergeschichte, 400-405; J. KRAŠOVEC, Ruf nach Gerechtigkeit; J.A. SOGGIN, Abraham; J.A. LOADER, A Tale of Two Cities, 15-47; E. BEN ZWI, Dialogue, 27-46; R.I. LETELLIER, Day in Mamre. Bemerkenswerte Argumente gegen die übliche Aufteilung von Gen 18 in zwei separate Episoden bei H. SEEBASS, Vätergeschichte I, 118ff.

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Mit diesem inneren Monolog Gottes verlässt der Erzähler scheinbar die Ebene der Handlungsschilderung, um Grund und Ziel von Gottes exzeptionellem Verhältnis zu Abraham herauszustellen. Auf der Ebene der Erzählstrategie handelt es sich um einen Kommentar, mit dem sich der Erzähler direkt an seine Rezipienten wendet, ihnen gewissermaßen Einblick in die innersten Beweggründe Gottes gewährt. Sein Ziel ist die Lenkung der Leserperspektive. Das künftige Geschehen soll unter der hier mitgeteilten Perspektive verstanden, das bisherige Geschehen rückblickend neu bedacht werden. Sprachlich findet für diese Motivierung aber nicht eine kommentierende Erzählerrede Verwendung, sondern der direkt zitierte innere Monolog Gottes, ein Blick in Gottes Herz, den der allwissende Erzähler auf diese Weise fest ins erzählte Geschehen integriert. Inhaltlich fallen die folgenden Punkte ins Auge: 1. Die besondere Stellung Abrahams, die Gott hier seinem Vertrauten30 einräumt, besteht darin, nichts vor ihm zu verbergen, was Gott zu tun gedenkt. Dieser Zug erinnert an dtr. Prophetentheologie, nach der Gott alles, was er tut, vorher seinen Propheten offenbart.31 Es geht hier jedoch weniger um einen prophetischen Einblick in das künftige Handeln Gottes an Sodom, denn Abraham wird der Entschluss Gottes nirgends mitgeteilt. Er wird vielmehr als Freund und Vertrauter Gottes in den Prozess der Prüfung Sodoms einbezogen, also bereits in die göttliche Entscheidungsfindung. Abrahams Rolle ist die eines vertrauten Gesprächspartners, eines Fürbitters für die Gerechten von Sodom, der sogar als Mahner seines Gottes auftreten kann (V.25). Der Grund für eine so herausragende Stellung Abrahams liegt in seiner Erwählung.32 Der Zweck dieser Erwählung liegt u.a. darin, dass Abraham seine Söhne und Nachkommen in den Wegen Gottes unter30

In Jes 41,8 spricht Gott von Israel als dem Samen »meines Freundes, bzw. Geliebten (ybha) Abraham« und fasst die herausragende Gottesbeziehung Abrahams, die auch in Gen 18,16ff erzählt wird, mit dem Titel ›Freund Gottes‹ (vgl. noch 2Chr 20,7; TNf. trägt ymxr – ›mein Geliebter‹ auch in Gen 18,17 ein), der fortan in der jüdischen, christlichen und später auch islamischen Tradition singulär an Abraham haftet und nie an andere große Gottesmittler (z.B. Mose, Elija) vergeben wird. Zur jüd. Rezeption vgl. Jdt 8,21 (Erweiterung der Vulgata; hierzu K. BERGER, TRE I, 373); Dan 3,35f (LXX); Jub 19,9; 4QpGena; CD 3,2-4; ApAbr 10,6f; 4 Esra 3,14; GenR 30 zu 6,9. In bSchab 137b; bMen 53b wird Abraham dydy (Geliebter) genannt. Weiteres bei H. SPEYER, Biblische Erzählungen im Qoran, 173. Christlicherseits vgl. Jak 2,23 (φίλος); 1 Clem 10,1 und islamischerseits Sure 4,125 (ḫalīl Allāh). Einer der arabischen Namen für das Abrahamgrab in Hebron ist el-ḫalīl ar-raḥmān – ›der Geliebte (sc. Abraham) des Barmherzigen (sc. Gottes)‹. Zur jüdischen Vorgeschichte dieses Namens vgl. O. KEEL / M. KÜCHLER, OLB II, 672f. 31 Vgl. nur 2Kön 17; Am 3,7. 32 Zu ›Erkennen‹ als Erwählungsterminus vgl. Ex 33,12.17 (Mose); 2Sam 7,20 (David); Jer 1,5;12,3 (Jeremia); kollektiv in Hos 5,3; 13,5; Am 3,2; 1Kön 8,39.

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weisen soll. Dabei ist der Zusammenhang mit V.18 zu beachten. So gewiss aus Abraham ein großes, mächtiges Volk (ywg) werden soll, so gewiss wird er für alle Völker der Erde (~ywg lk) als Paradigma eines Gottgesegneten zum Segen werden. Und so gewiss wird er ein Lehrer seiner Söhne und seines Hauses sein. Damit fügt V.1933 über die schon bekannte Bestimmung Abrahams als Träger von Verheißungen die des Erwählten und Gottvertrauten sowie des Lehrers der Wege Gottes hinzu. Ziel und Inhalt dieser Lehre sind in formelhaften Wendungen ausgedrückt, die in ihrer Kombination prophetischer, deuteronomistischer und weisheitlicher Elemente34 in die Frömmigkeit spätnachexilischer Kreise führen. Als Erwählter und Gottesfreund ist Abraham – darin Mose in Dtn 4 vergleichbar – auch ein vorbildlicher ›Lehrer der Gerechtigkeit‹. Welche Gerechtigkeit Abraham lehren soll, kann sowohl aus der prophetisch-deuteronomistischen Tradition als auch unmittelbar aus der Erzählung erschlossen werden, in der es um das Problem der Gerechten von Sodom geht. Zwei Aspekte sollen hier besonders bedacht werden. 1) Was bedeutet es, dass die Gerechtigkeit, die Abraham lehren soll, in der Erzählung gegen das exemplarische Fehlverhalten der heidnischen Sodomiter profiliert wird? 2) Wer sind die Adressaten der Lehre Abrahams? 33

Wegen der deutlichen Erweiterung des bisherigen Abrahambildes in V.19 ist dieser Vers (oder wesentliche Teile) oft als späterer Nachtrag zu V.17f angesehen worden. Dies gibt die Möglichkeit, angesichts der ›späten Theologie‹, die sich in V.19 ausspricht, eine ältere Schicht der Episode zu vermuten. Zu einer solchen Trennung von V.17f und V.19 besteht m.E. kein hinreichender Grund. Denn formal sind beide Verse eng aufeinander bezogen. Dem muss auch die inhaltliche Auswertung Rechnung tragen. M. NOTH Pentateuch 259 m. Anm. 627, hat die literarkritische Trennung zwischen V.17-18 von V.19 eingeführt und vor allem mit einer inhaltlichen Spannung begründet. Abraham sei in Gen 18,16-33 »bezeichnenderweise nicht als fromm und gerecht« wie in V.19, »sondern als Träger göttlicher Verheißung den Sodomitern gegenübergestellt«, was für M. NOTH das so gereinigte Stück als genuin jahwistisch auswies. Dieser Gegensatz ist künstlich. Mit unterschiedlichen Datierungen wird V.19 seither als Nachtrag behandelt (L. SCHMIDT, ebd., 131ff; M. KÖCKERT, Väterverheißungen, 180f; C. LEVIN, Jahwist, 170; H. SEEBASS, Vätergeschichte I, 119.128 [V.17.19aα Grundgerüst; dem V.18 als Zitat, V.19a.b zur »Verschönerung« als »bleibende Moral« eingepasst wurden.]). Das einzige von L. SCHMIDT, ebd., 134, beigebrachte formale Argument, dass Jhwh in V.19b zweimal von sich selbst in der 3. Pers. spricht, beweist ja gerade nicht den Nachtragscharakter des ganzen Verses und ist überdies eher in der Aufnahme geprägter Formulierungen begründet. So C. WESTERMANN, Genesis, 353f, der wie schon J. VAN SETERS, Abraham, 213, die Verse 17-32 als literarisch einheitlich ausweist; ferner E. BLUM, ebd., 400f. Gehört V.19 zur Episode hinzu, muss diese freilich insgesamt in die Spätzeit des Alten Testaments datiert werden, was sich nicht nur durch den theologischen Horizont von V.19, sondern auch durch das mit der Hiobdichtung vergleichbare Thema der Episode nahelegt. 34 Vgl. nur E. BLUM, ebd.; M. KÖCKERT, Väterverheißungen, 180-183. Zu dem hier angesprochenen Thema innerhalb der Genesis vgl. B. EGO, Abraham als Urbild der Toratreue Israels.

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2. Gerechte selbst in Sodom: In V.19 wird mit der Forderung des Tuns von ‚Gerechtigkeit und Recht‘ ein Thema in die Episode eingeführt, das im folgenden Zwiegespräch zwischen Gott und Abraham eine zentrale Rolle spielt (V.25), indem es der Bosheit der Sodomiter kontrastiv zugeordnet ist. Für das Weltbild des Erzählers ist es nun aufschlussreich, dass er Abraham das allgemeinere theologische Problem, ob auch vor Gott gerechte Menschen in Gottes Gerichten vernichtet werden dürfen, an den exemplarisch gottlosen Sodomitern verhandeln lässt. Denn Sodom ist das biblische Symbol für menschlichen Frevel schlechthin, seine Zerstörung ein »Denkmal der ernsten Strafgerechtigkeit Gott«35, das in der prophetischen Tradition einem schuldig gewordenen Volk Israel immer wieder als Warnung und Spiegel vorgehalten wurde.36 Abraham aber rechnet hier damit, dass es Gerechte selbst unter diesen sprichwörtlich frevelhaften Sodomitern geben kann, um derentwillen die Stadt nicht vernichtet werden darf.37 Und Gott bestätigt dies: Selbst wenn es nur zehn Gerechte in Sodoms Mauern gibt, soll die Stadt verschont werden. Die Weite der Konzeption besteht darin, dass Gott dem Abraham zusagt, dass »für ihn selbst ganz wenige ›Gerechte‹ so viel Gewicht haben, dass um ihretwillen die große Menge der ›Gottlosen‹ ungestraft bliebe ...«38 Damit ist der Begriff der Gerechtigkeit vor dem Gott Israels in einen universalen Horizont gestellt. Wie der Gott Abrahams in V.25 als Richter der ganzen Welt angesprochen ist, so ist gerechter Wandel vor diesem Gott auch unter allen Menschen möglich, unter denen sich Frevler und Gerechte mischen (V.23). Sodom scheitert, weil sich in ihr kein Gerechter findet, letztlich an dem, was Abraham seine Nachkommen – und im Hinblick auf den Horizont der Erzählung wohl durch sie die ganze Welt – lehren soll, auf die Wege Gottes zu achten und Recht und Gerechtigkeit zu üben.39 Mit seinem letzten Satz schlägt V.19 eine Brücke zur Verheißung im vorhergehenden V.18. Dieses Tun der Gerechtigkeit wird jetzt als Bedingung dafür genannt, dass die Verheißung an Abraham in Erfüllung geht. Die Bindung der Erfüllung der Verheißung an das Tun von Recht und Gerechtigkeit steht in einer gewissen Spannung zur sonstigen 35

A. DILLMANN, Genesis, 269. Vgl. Hos 11,8; Jes 1,9f; 3,9; 13,19; Dtn 29,22f; 32,32; Jer 23,14 u.a.; und den Überblick bei J.A. LOADER, ebd., 56-74. 37 Darin vergleichbar, dass es die Frage von Umkehr und Gotteserkenntnis nicht auf Israel beschränkt, sondern an nichtisraelitischen Extremfällen verdeutlicht, erzählt das Jonabuch die Umkehr der assyrischen Hauptstadt Ninives, von der im 8. Jh. die erste tödliche Bedrohung für Israel ausgegangen war (vgl. auch Jes 19,16ff). 38 M. NOTH, Pentateuch, 259. 39 Die Gerechtigkeitskonzeption des ganzen Auftritts gewinnt von V.19 sein Profil. Vgl. hierzu C. WESTERMANN, Genesis, 357; J. KRAŠOVEC, Ruf nach Gerechtigkeit, 171f; A. SOGGIN, Abraham. Die Textrezeption im Midrasch beleuchtet J. BLENKINSOPP, Theodicy in the Midrash on Genesis 18,22-33. 36

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Verheißungstheologie der Vätergeschichte, in der die Verheißungen nicht an Bedingungen geknüpft sind. Auch Erwählungsaussagen sind Bedingungen fremd. In dieser finalen Zielsetzung, der ein pädagogischer Impuls abgewonnen werden kann, wird das Erbe deuteronomistischer Tradition sichtbar (vgl. Gen 26,5f).40 Man wird aber V.19 nicht so verstehen dürfen, dass Erfüllung der Verheißungen davon abhängig gemacht wird, dass die Nachkommen Abrahams auf dem Weg von Gerechtigkeit und Recht bleiben. Die Erzählung zeigt dies selbst, indem sie Gottes Gerechtigkeit als Barmherzigkeit zur Geltung bringt. Denn schon die Existenz einer Handvoll Gerechter, die auf Gottes Wegen gehen, kann Gott von seinem berechtigten Gerichtswillen abhalten. Die heilvolle Rolle, die Abraham (und sein Haus nach ihm) zugewiesen bekommt, beschränkt sich in Gen 18,16-32 nicht auf den »Samen Abrahams«, sondern bezieht am Beispiel der Sodomiter die Weite der Völkerwelt mit ein. Gen 18,16ff kann als Paradigma jüdischen Lebens unter den Wirtsvölkern der Diaspora verstanden werden. Abraham bittet für die Gerechten in Sodom und damit aus den Völkern der Welt. Insofern Gerechtigkeit kein allgemeiner Begriff, sondern über Abrahams Beispiel definiert ist, ist der Kontakt der Weltvölker mit Abraham und seinen Nachkommen vorausgesetzt. Vor diesem Hintergrund erweist sich die innerhalb der Abrahamgeschichte erstmalig wiederholte Verheißung eines großen Volkes, in dem sich alle Völker der Welt Segen wünschen werden (Gen 12,2f), als kontextuell überaus stimmig.41 Denn Abrahams Rolle geht hier deutlich über den Kreis seiner Nachkommen hinaus und betrifft die Völker, die mit ihm (und seinen Nachkommen) Kontakt haben. Den leiblichen Nachkommen Abrahams allerdings kommt die Aufgabe zu, das Vermächtnis Abrahams in der Generationenfolge weiterzugeben und damit auch den Völkern ein Beispiel zu geben. 3. Die Adressaten der Lehre Abrahams sind nach V.19b »seine Söhne und sein Haus nach ihm« (wyrxa wtyb-ta w wynb ta). Im Zusammenhang der mit V.18 vorangegangenen Verheißung, ein großes Volk und ein Segen für alle Völker der Erde zu werden, wird in der üblichen Interpretation die Wendung ›Söhne‹ und ›Haus‹ unmittelbar auf die israelitischen Nachkommen Abrahams bezogen. Aber nimmt man den Plural 40

H. SEEBASS, Vätergeschichte I, 128, möchte die Erwählungsaussagen vor pädagogischen Missverständnissen schützen und betont, dass Erwählung an keiner anderen Stelle der Bibel als pädagogische Maßnahme verstanden wird. Der Auftrag an Abraham ist eine Folge seiner Erwählung und Vertrautheit mit Gott, nicht seine Ursache. 41 Vgl. auch H. SEEBASS, ebd., 128: »Weil sich in Abraham einmal alle Völker der Erde Segen wünschen werden, darum soll er über die Aktion an einem bestimmten Volk der Erde (sc. Sodomiter) etwas erfahren. Denn was ihm enthüllt wird, wird für die Völker der Erde insgesamt signifikant sein.«

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›Söhne‹ ernst, muss ja auffallen, dass in der Erzählung nur einer der Söhne Abrahams die Linie Israels repräsentiert, während Ismael und die Söhne der Ketura (Gen 25,1ff) als Söhne Abrahams andere Linien vertreten. Zum Zeitpunkt der Szene in Gen 18 ist Ismael bereits geboren, während die Geburt Isaaks gerade doppelt angekündigt wurde (17,19; 18, 10). Da Gott in V.18f zu sich selbst redet und die gewisse Erfüllung seiner Verheißung einbezieht, ist Abraham hier mindestens als Toralehrer für seine beiden Söhne Ismael und Isaak und »sein Haus nach ihm« gesehen. Für einen solchen auf die Abrahamfamilie bezogenen konkreten Sprachgebrauch spricht zudem, dass die Wendung ›Söhne Abrahams‹ sonst nirgends als Bezeichnung für das Volk Israel begegnet, anders als etwa der Ausdruck ›Same Abrahams‹.42 Von ›Söhnen Abrahams‹ ist außer Gen 18,19 überhaupt nur noch zweimal in Gen 25 die Rede und bezeichnet dort in V.6 die Keturasöhne, in V.9 Isaak und Ismael. So ist wahrscheinlich, dass in V.19 auch an diese Abrahamsöhne gedacht ist. Dann wäre der Vers von der Vorstellung geprägt, dass Abraham alle seine Söhne darin unterweist, die Wege Gottes zu bewahren und Recht und Gerechtigkeit zu tun. Als hwc-Handlung Abrahams ist diese Unterweisung autoritatives Gebot. Es ist sein Vermächtnis. Der Vers enthüllt die Vorstellung eines ›Lehrhauses der Abrahamnachkommen‹, in welchem Isaak und Ismael gemeinsam durch ihren Vater in den wesentlichen Dingen des Gottesglaubens und der Ethik unterwiesen werden. Falls dies nur für die familiär-individuelle Ebene der Söhne Abrahams zutrifft,43 dann will der Vers Abraham in der Rolle des vorbildlichen Familienvaters hervorheben. Auch das wäre im Hinblick auf die biblische Wahrnehmung Ismaels interessant. Aber nicht nur der Zusammenhang mit der Verheißung, sondern auch die Rede vom ›Haus Abrahams nach ihm‹ deutet darauf hin, dass hier die Söhne als Ahnen abrahamitischer Völker angesprochen sind. In dieser Weise haben es jedenfalls die Verfasser des frühjüdischen Jubiläenbuches verstanden, wie wir gleich sehen werden. Die ebenfalls ungewöhnliche Wendung »Haus Abrahams nach ihm« ist der Erwähnung der Söhne nachgeordnet. Die Bestimmung wyrxa zeigt dabei an, dass es nicht allein um den Haushalt der gegenwärtigen Abrahamfamilie geht, sondern die künftigen Nachkommen Abrahams 42

Vgl. etwa Jes 29, 22; 41,8; Ps 105,6. Auf der familiären Ebene hat die jüdisch-rabbinische Tradition – anders als die christliche Auslegung – durchaus rezipiert, dass Ismael als Sohn in Abrahams Haus nicht nur beschnitten, sondern auch von Abraham in der Tora unterrichtet wird. Wobei dann allerdings das Problem entstand, wie einer, der vom Gottesfreund Abraham unterwiesen wurde, ein solcher Frevler werden konnte. Zum Letzteren vgl. tSota 6,5; GenR 53 zu 21,9 (s.o. den Exkurs zu Gen 21,9) Auf der Ebene des biblischen Textes besteht dieses Problem nicht. 43

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mit einschließt. Am wahrscheinlichsten lässt sich daher die singuläre Wendung wyrxa wtyb als Nachahmung der priesterschriftlichen und ähnlich gebrauchten Wortverbindung vom $yrha $[rz (›dein Same nach dir‹) verstehen, mit der in Gen 17 die Geltung des Bundes für die gesamte Nachkommenschaft Abrahams bezeichnet wurde.44 In der Abrahamgeschichte bezeichnet tyb die Familie, die in einem Haushalt als Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft zusammenlebt, der ein pater familias vorsteht und sie auch juristisch vertritt. Abraham hat sein Vaterhaus (ba tyb Gen 12,1) verlassen, um ein eigenes zu begründen. Neben seinen Frauen und Söhnen gehören ihm auch Sklaven und Sklavinnen sowie abhängige Gefolgsleute an.45 Als Kultgemeinschaft ist das Haus Abrahams (~hrba tyb) in der priesterschriftlichen Beschneidungstora in Gen 17,9-14 aufgefasst.46 Diese Hinweise beziehen sich jeweils vor allem auf die Glieder der gegenwärtig lebenden Familie. Doch ist diese Fixierung in Gen 17,9ff vielleicht künstlich, weil tyb oft ausdrücklich die Familie, den Stamm oder den Staat in der Kontinuität der Generationen umgreift.47

Vom Haus Abraham (~hrba tyb) als einem Synonym für ein sich seiner Nachkommenschaft aus Abraham bewusstes Israel ist sonst innerhalb der hebräischen Bibel nirgends die Rede. Israel wird als ›Volk des Gottes Abrahams‹ (Ps 47,10), als ›Same Abrahams‹ oder auch als ›Haus Jakobs‹ (Ex 19,3) bezeichnet, nie als Haus Abrahams. Der Grund dafür ist womöglich darin zu suchen, dass der Begriff ethnische Eindeutigkeit vermissen ließ oder/und als Bezeichnung der über Israel hinausgehenden Nachkommenschaft Abrahams vorbehalten blieb. Wenn diese Deutung von V.19 zutrifft, wird in Gen 18,19 eine Vorstellung sichtbar, nach der Abraham alle seine Nachkommen, darin eingeschlossen auch die Söhne der nichtisraelitischen Linien, in der Tora des Gottes Abrahams zu unterweisen hat. Abrahams Lehrauftrag ist Ausdruck und Bestimmung seiner Erwählung. Das ›Haus Abrahams‹ ist ein Lehrhaus und umfasst – der Konzeption vom ›Samen Abrahams‹ vergleichbar – die gesamte abrahamitische Ökumene, hier mindestens Isaak und Ismael, und perspektivisch auch die Keturasöhne. V.19 ist eine spezifische Konkretion der dem Vers vorausgehenden Verheißung, 44

Die Rede von yrxa [rz ist auf die priesterschriftliche (Gen 9,9; 17,7.9.10. 19; 35, 12; 48,4) und deuteronomistische Bundesschlussterminologie (Dtn 1,8; 2Sam 7,12 = 1Chr 17,11) begrenzt. Traditionsgeschichtlich mag sie im Königskult wurzeln, indem sie die »Schicksalsgemeinschaft« betont, »in der Rechte und Pflichten des Vorgängers auf den Nachfolger übergehen«, zit. F.J. HELFMEYER, ThWAT I, 221. 45 Gen 14,14 nennt im tyb geborene Gefolgsleute, die Abraham zur Befreiung Lots aufbieten kann; 15,3 nennt Abrahams Hausverwalter (?) Elieser ›Sohn meines Hauses‹; 17,12f.23.27 unterscheidet zwei Gruppen von Sklaven, die zu Abrahams Haus gehören. 46 Auch Pesach- und Sabbatbestimmungen beziehen sich auf die Familie als kultische Einheit (Ex 12,3.4; 20,10). 47 Vgl. nur die Dynastiebezeichnungen ›Haus Sauls‹ (2Sam 3,1.6.8.10; 16,5.8; 19,18; ›Haus Davids‹ 1Sam 20,16; 1Kön 12,16; 13,2; ›Haus Ahabs‹ (2Kön 8,18.27) u.a.

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dass Abraham zu einem großen Volk und den Völkern der Erde zum Segen werden soll. Eine Möglichkeit, diesen Segensauftrag für die Völker ins Werk zu setzen, ist die Unterweisung des Hauses Abrahams durch den Ahnvater. Inhalt dieser Weisung ist das, was Israel als Gotteserkenntnis und Glaubenspraxis mitzugeben hat, die Wege Jhwhs zu bewahren, und Recht und Gerechtigkeit zu tun. Gen 18,19 ist m.W. der einzige biblische Hinweis auf die hier skizzierten Vorstellungen vom Haus Abrahams. Diese Gedanken haben aber ein interessantes Nachleben entfaltet. 3. Haus Abrahams im Jubiläenbuch Die rabbinische und spätere jüdische Auslegung von Gen 18,19 hat das ›Haus Abrahams‹ allein auf die israelitischen Nachkommen Abrahams bezogen und – um dies zu erleichtern – das präzise ›Söhne‹ durch das allgemeinere ›Kinder‹ bzw. ›Nachkommen‹ übersetzt.48 Die christliche Interpretation folgt ihr hierin. Anders das frühjüdische Jubiläenbuch, das in Palästina im 2. Jh. v.Chr. verbreitet war und in frommen (hasidäischen?) Kreisen, u.a. in der Gemeinschaft von Qumran, hohes Ansehen genoss.49 In seine Nacherzählung der Abrahamgeschichte sind vermutlich auch ältere Abrahamtraditionen eingegangen, die in die achämenidische Zeit zurückreichen können. Zu ihnen mag auch die Überlieferung von Abraham als Lehrer seiner Söhne gehören, die in der Episode vom Zwiegespräch Abrahams mit Gott über Sodom eher nebenbei erwähnt ist. Das Zwiegespräch Abrahams mit Gott um die Gerechten von Sodom fehlt in Jub 16. Das Motiv von Abrahams Unterweisung seiner Söhne (Gen 18,19) begegnet dagegen im breit ausgearbeiteten Vermächtnis und Abschiedssegens des Erzvaters (Jub 20-22).50 Adressaten dieses Vermächtnisses sind in Jub 20 zunächst alle Abrahamsöhne und ihre Nachkommen, einschließlich der Keturasöhne. Weitere Abschiedsworte und -anweisungen gelten in Jub 21f dann Isaak und Jakob 48

Vgl. GenR 49 zu 18,19; die Targumim verbinden die Söhne mit dem im Haus(halt) Abrahams lebenden Männern. Die talmudischen Hinweise stellt D. ROTTZOLL, Genesis, 275f, zusammen, wobei bJeb 79a einen universalen Aspekt darin festhält, dass jeder, der Barmherzigkeit, Keuschheit und Mildtätigkeit (als Inbegriff der Lehre Abrahams) tut, es wert ist, dieser Nation (sc. Israel) angeschlossen zu werden. Zu den Übers. von wynb-ta mit ›seinen Kindern‹ vgl. ZLOTOWITZ/SCHERMAN, Bereishis, 651; B. JACOB, Genesis, 446: »seinen Kindern«, M. SARNA, Tora, 131: »his children and his posterity«. 49 Zur Rezeption Ismaels und Hagars im Jubiläenbuch ausführlicher in Kap. VIII.1. 50 Die Verbindung von Abrahams Abschiedssegen und abschließender Unterweisung ist im biblischen Jakobsegen (Gen 49,28f.33) vorgeprägt und in Jub 20-22 auf Abraham übertragen. Der in der Genesis prominent ausgearbeitete Jakobsegen wird im Jubiläenbuch dagegen nur sehr knapp erzählt (45,14.16), während das Vermächtnis Abrahams an Isaak und Jakob besonders hervorgehoben wird (Jub 21f). Vgl. J. VAN RUITEN, Abraham in the Book of Jubilees, 253-330.

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allein, so dass durchaus auch ein Unterschied zwischen der Israellinie und der Ebene aller Abrahamnachkommen klar markiert wird. Die Abschiedsepisode in Jub 20 verbindet drei Szenen der biblischen Vorlage: den großen Abschiedssegen Jakobs aus Gen 49, der in Jub 2022 auf Abraham übertragen wird, die Aussendung der Keturasöhne (Gen 25) und das Bild von Abraham als Lehrer seiner Söhne aus Gen 18,19. So gilt dieser erste Abschied der Aussendung, dem Segen und der Unterweisung. Angesprochen sind alle Abrahamnachkommen: Ismael und seine zwölf Kinder, Isaak und seine beiden Kinder und die sechs Söhne der Ketura und deren Söhne. Anschließend ziehen Ismaeliten und Keturasöhne gemeinsam von dannen und bewohnen die östlichen Wüsten. Die Nachkommenschaft Abrahams wird hier im vollen Bewusstsein als Völkerkreis präsentiert, der in genealogischer, geographischer und theologischer Hinsicht eine jüdisch-arabische Völkerökumene bildet. Dies ist Abrahams Haus, dem die Weisung und das Vermächtnis des Ahnvaters gelten. Abraham macht allen seinen Nachkommen Folgendes zur Aufgabe: die Verehrung des einen Gottes, die Bewahrung von Recht und Gerechtigkeit nach der Goldenen Regel, die Beschneidung im Abrahambund, die Warnung vor Unreinheit und Götzendienst. Im Einzelnen heißt es in Jub 20:51 20,1) »Und im 42. Jubiläum, im ersten Jahr der siebenten Jahrwoche, rief Abraham Ismael und seine zwölf Kinder und Isaak und seine beiden Kinder52 und die sechs Söhne der Ketura und ihre Söhne. 2) Und er gebot ihnen, dass sie den Weg des Herrn bewahrten, dass sie Gerechtigkeit täten und dass ein jeder seinen Nächsten liebe und dass sie allen Menschen so seien, wie sie untereinander einer zum anderen sich verhalten, (so) ihnen gegenüber, und Recht und Gerechtigkeit zu tun auf der Erde, 3) dass sie beschnitten ihre Söhne in dem Bund, den er (mit) ihnen geschlossen hat, und dass sie nicht abwichen nach rechts und nach links von allen Wegen, die uns der Herr geboten hat, und dass wir uns hüteten vor aller Unzucht und Unreinheit und dass wir nicht erlaubten mitten unter uns alle Unreinheit und Unzucht.« (V.4-8 enthalten die Warnung vor Unzucht, d.h. Fremdehen mit den Töchtern Kanaans, vor Unreinheit, vor Lästerung des Gottesnamens, vor Götzendienst und dem Anbeten handgemachter Götter.) 9) »›Verehrt den höchsten Gott und betet ihn an allezeit und erhofft sein Angesicht zu jeder Zeit und tut das Rechte und Gerechtigkeit vor ihm, damit er Gefallen habe an euch und euch seine Barmherzigkeit gebe und herabkommen lasse für euch den Regen des Morgens und des Abends! Und er segne all euer Werk und alles, was ihr tut auf der Erde. Und er segne deine Speise und dein Wasser 51

Die hier relevanten Partien werden nach der Übersetzung von K. BERGER, Jubiläen, 425f zitiert (Die Hervorhebungen stammen von mir.) 52 Selbst der auch im Jubiläenbuch deutlich negativ konnotierte Esau ist in dieser allgemeinen Formulierung versteckt einer der Adressaten des Vermächtnisses Abrahams.

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und segne den Samen deines Schoßes und den Samen deines Landes und die Herden deiner Rinder und die Herden deiner Schafe. 10) Und du wirst sein zum Segen auf der Erde, und an euch werden Gefallen finden alle Völker der Erde. Und sie werden eure Kinder segnen in meinem Namen, damit sie gesegnet seien so wie auch ich.‹ 11) Und er (Abraham) gab Ismael und seinen Söhnen und den Söhnen der Ketura Geschenke und schickte sie weg von Isaak, seinem Sohn. Und alles gab er Isaak, seinem Sohn. 12) Und Ismael und seine Söhne und die Söhne der Ketura und deren Kinder gingen gemeinsam und wohnten von Pharmon53 bis zum Zugang von Babylon in dem ganzen Land, welches in Richtung Osten, der Wüste gegenüber (liegt). 13) Und sie vermischten sich, diese mit jenen, und ihr Name wurde genannt Araber und Ismaeliten.«

Man könnte diesen Text die Charta einer die jüdisch-arabische Abrahamökumene umfassenden Religion Abrahams nennen, deren Kennzeichen Abrahams monotheistischer Gottesglauben, ein Leben in Gerechtigkeit und das Bundeszeichen der Beschneidung sind. In diesem frühjüdischen Text scheint mir am konsequentesten der biblische Zusammenhang theologisch ausgearbeitet, dass Mehrungsverheißung, Fruchtbarkeitssegen und die Beschneidung als Zeichen des Abrahambundes (Gen 17) dem ›Samen Abrahams‹ gelten. Was in der Genesis exemplarisch an Ismael als ›Same Abrahams‹ gezeigt wird, ist hier im Hinblick auf alle leiblichen Nachkommen Abrahams, einschließlich der Keturasöhne und der Kinder Isaaks durchdacht. Der völkergeschichtliche Horizont wird nicht zugunsten einer familiären Optik ausgeblendet, sondern dezidiert entfaltet, wie V.11-13 deutlich zeigt. Die Nachfahren der Ismaeliten und Keturasöhne sind Ahnen der Völker, die der Verfasser als Araber und Ismaeliten ansieht, welche gegenwärtig die arabischen Wüsten bis nach Mesopotamien besiedeln. Diese Völker werden nicht nur genealogisch auf Abraham zurückgeführt, wie dies etwa 1Chr 1 ohne nähere theologische Bewertung tut, sondern gemeinsam mit den Nachfahren Isaaks und Jakobs zum Auditorium, dem die Unterweisung im Glauben und der Segen des Gottes Abrahams gelten. Wie in Gen 18,19 ist die Unterweisung Abrahams Gebot. Ihr Inhalt ist das Bewahren der Wege Jhwhs und das Tun der Gerechtigkeit54, was in V.2 im Hinblick auf das Gebot der Nächstenliebe und die Goldene Regel konkretisiert wird, in V.3 aber im Hinblick auf die Bewahrung des Beschneidungsbundes. Der Geltungsbereich des Abrahambundes, der die Beschneidung erfordert, ist hier ganz 53 Pharmon ist äthiopische Lesart von Paran. Geographisch ist damit die Wüste Paran mit den östlichen arabischen Gebieten verbunden, so dass entweder ein Kreis abrahamitischer Völker vom Sinai über Arabien bis Babylon vor Augen steht, oder Paran bereits irgendwo im Osten gesucht wird. 54 Vgl. 20,2 mit Gen 18,19.

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V. Weitere Ismaeltexte der Genesis

selbstverständlich der Kreis der Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams. Dass auch in Jub 20,11 Ismael gemäß der biblischen Vorlage weggeschickt wird und Isaak alles bekommt, was sein Vater hat (Gen 25,9), ändert an dieser gemeinsamen theologischen Konzeption nichts. Denn das Wegschicken der nichtisraelitischen Abrahamnachkommen hat die segensreiche Ausdehnung der Abrahamökumene zur Folge. Die folgenden Warnungen und das Verbot von Fremdehen mit kanaanäischen Frauen, Unzucht und Götzendienst verbinden mit dem weiten Kreis der Abrahamiden, was als fromme Glaubenspraxis in Israel galt bzw. zu fordern war. Allen Abrahamiden gilt die Mahnung (V.9), den ›höchsten Gott‹ zu verehren, d.h. zu ihm zu beten, alles von ihm zu erhoffen und selber gerecht zu handeln. Dann wird Gott mit seinem Segen bei denen sein, die ihn so verehren. In dieser Bindung des Gottessegens an den Glauben wird das pädagogische Moment aus Gen 18,19d variiert. Der Segen dieses Gottes ist ein Segen der Fruchtbarkeit und des Gedeihens. Darin ist näher entfaltet, was man sich unter dem priesterschriftlichen Fruchtbarkeits- und Mehrungssegen vorzustellen hat. Durch dieses Gedeihen werden die Nachkommen Abrahams zum Segen der Erde (V.10), d.h. so attraktiv für andere Völker, dass die ihre Kinder im Namen Abrahams segnen, damit diese wie Abraham Segen erfahren. Hier versammelt sich die ganze Abrahamökumene nach dem Prinzip der ›corporate personality‹ in der Vaterschaft Abrahams. Der Segen, der durch ihn zu den Völkern der Erde kommen soll (Gen 12,3a; 18,18 par.), kommt durch alle seine Nachkommen in die Welt. Indem alle Abrahamnachkommen den Segen des Gottes Abrahams erfahren und weitergeben, werden sie zum Segen für die Völker der Erde. Dass Isaak und Jakob als israelitische Ahnväter selbstverständlich Teil dieser Abrahamökumene sind, hindert das Jubiläenbuch nicht daran, an anderer Stelle auch die besondere Erwählung Isaaks und Jakobs in Abgrenzung gegenüber den nichtisraelitischen Abrahamiten zu betonen. Dies äußert sich u.a. daran, dass in Jub 21f je ein gesondertes Vermächtnis für Isaak und für Jakob angefügt wird.55 Vom ›Haus Abrahams‹ ist im Zusammenhang von Jub 20 nicht die Rede. Doch wird die hier avisierte Gemeinschaft der Abrahamkinder und Kindeskinder an den unterschiedlichen Orten, an denen sie leben, in Jub 23,6f als ›Haus Abrahams‹ bezeichnet.56 Andere Stellen vom 55 Die Frage der Zugehörigkeit zum Abrahambund wird im Jubiläenbuch selbst unterschiedlich behandelt. Während Jub 15,30 betont, dass Ismael und Esau nicht zum Abrahambund gehören, setzt Jub 20,1-13 gerade dieses voraus. Der ganze Passus in Jub 15, 25-34 ist möglicherweise als halachischer Nachtrag anzusehen, der eine spätere Haltung einträgt. Vgl. zuletzt J. KUGEL, Interpolations; anders J. VAN RUITEN, Abraham, 165. 56 Als Abraham gestorben ist, beweinen seinen Tod nach Jub 23,7 »vierzig Tage lang alle Menschen seines Hauses und Isaak und Ismael und alle ihre Söhne und die Söhne der

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Haus Abrahams im Jubiläenbuch lassen eher an ein reales (oder imaginiertes) Heiligtum in Palästina denken, das von Abraham als Vermächtnis Jakob übergeben wird.57 In der rabbinischen Tradition ist m.W. die in Jub 20 deutlich ausgearbeitete Tradition von Abrahams Unterweisung und Segnung ›seines Hauses‹, das auch die nichtisraelitischen Abrahamiden mit einschließt, nicht weitergeführt worden, was auf eine gezielte Ablehnung schließen lässt.58 Eine weitere Spur ist in der palästinischen Targumtradition jedoch darin erhalten, dass sich nach TPsJ unter den Söhnen Jakobs, die am Bett ihres sterbenden Vaters Segen und Unterweisung erhalten, auch die Repräsentanten der Söhne Ismaels und Esaus einfinden.59 Im Koran sind manche Motive dieses Traditionszusammenhangs in der Vorstellung des Islam als ›Religion Abrahams‹ und der Gründungslegende des Heiligtums von Mekka (Sure 2,116-32) variiert worden. Sie kennt die verpflichtende Ermahnung Ibrahims an seine Kinder, in die hier auch Jakob ausdrücklich einbezogen ist, die ›Religion Abrahams‹ (dīn ibrahīm) zu bewahren (2,132). Die Kaaba in Mekka, die Abraham und Ismael erneuern, wird zudem ›Haus‹ (Sure 2,121-23) genannt, das als makām ibrahīm – ›Ort Abrahams‹ ein Versammlungshaus für alle Menschen (2,119)60, nach Sure 22,26 auch als Wohnung Abrahams gilt. Angehörige der Abrahamfamilie werden als aḫl al-bait – ›Leute des Hauses‹ (11,76) bezeichnet.61 Ketura an ihrem Ort«, d.h. von ihren angestammten Siedlungsplätzen aus. 57 Vgl. Jub 22,24f. K. BERGER, ebd., 438 Anm. 24c, denkt eher an ein imaginiertes Lehrhaus als Ort der Gotteserkenntnis (ohne Hinweis auf Gen 18,19). Eventuell ist auch ein reales Heiligtum (in Mamre, Hebron, Jerusalem) als ›Haus Abrahams‹ bezeichnet. Vgl. Jub 22,24, wo der häufiger erwähnte ›Turm Abrahams‹ auf ein Bauwerk weisen könnte (29, 16-19 u.ö.). Zu Letzterem vgl. O. KEEL / M. KÜCHLER, OLB II, 701. 58 Die Frage, ob Ismael und Esau auch als ›Same Abrahams‹ zu betrachten sind, wird im Talmud diskutiert und unter Hinweis auf Gen 21,12d negativ entschieden (bSanh 59a.b; 69b; pNed 31a; 38a). Vgl. schon CD II,2ff (4Q269, Frg. 2): Abraham »galt als Freund, da er Gottes Gebote gehalten und nicht vorzog (3) den Willen seines Geistes. Er überlieferte es Isaak und Jakob und sie bewahrten es, wurden eingeschrieben als Freunde (4) für Gott und als Bundespartner auf ewig.« Wenn man diese Perspektive mit Gen 17 und Jub 20 konfrontiert, gewinnt man wahrscheinlich das Meinungsspektrum des frühjüdischen Diskurses in dieser Frage. 59 Vgl. TPsJ zu Gen 50,1. Vermutlich der Rest einer alten (achämenidischen oder hellenistischen) Überlieferung. Die Notiz steht vereinzelt. Es wird nicht erzählt, wie die Abgesandten der Ismaeliter und Edomiter zum Sterbebett Jakobs nach Ägypten gekommen sind. Und wenig später ist im Gegensatz hierzu die Rede davon (50,13), wie die gottlosen Söhne Esaus in Kanaan gewaltsam versucht hätten, das Begräbnis Jakobs in Machpela zu verhindern (zu dieser Tradition bSotah 13a; GenR 97; PRE 39). 60 Vgl. noch Sure 3,97 und die Bemerkungen bei R. PARET, Kommentar z.St. 61 Allerdings bezeichnet makām ibrahīm wohl nie die Kaaba als Bauwerk (später den Stein, der einen Fußabdruck Abrahams trägt). Und auch nach der islamischen Tradition ist für die Juden in Yatrib/Medina das ›Haus Abrahams‹ stets der Tempel in Jerusalem.

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V. Weitere Ismaeltexte der Genesis

Die Verbindungslinie der Abrahamtradition und -theologie im Jubiläenbuch zur koranischen Konzeption von der ›Religion Abrahams‹ und dem ›Haus Abrahams‹, was im Koran allerdings universal und nicht genealogisch abrahamidisch konzipiert ist, sind offensichtlich und häufig notiert worden.62 Die theologische Konzeption der arabisch-jüdischen Abrahamökumene, die Jub 20 unter enger Anlehnung an die Abrahamkonzeption der Genesis weiter entfaltet, mag unter arabischen Juden und später auch Christen weiterentwickelt worden und so in die islamische Tradition gekommen sein. Dies war umso leichter möglich, als das Jubliäenbuch als eine ›normativ orthodoxe‹ Schrift im palästinischen Judentum schon im 2.-1. Jh. v. Chr. verbreitet war und (deshalb) später für die abessinische Kirche ein kanonisches Buch geworden ist. Das christliche Königreich Abessnien wiederum gilt in der muslimischen Tradition als Ziel und Zufluchtsort der in Mekka verfolgten frühislamischen Gemeinschaft bei ihrer ersten Hidjra (Auswanderung).

Vgl. detailliert U. RUBIN, Pre-Islamic background of dīn Ibrahīm, 108f. H. SPEYER, Biblische Erzählungen im Qoran, 172f, der die Verbindungslinien konstatiert, sich in der Auswertung der Bezüge aber zurückhält. P. CRONE / M. COOK, Hagarism, 159 m. Anm. 48, verstehen Jub 20,1ff als »A charta for an Arab religion of Abraham (Ishmaelite and Keturid), including monotheism, circumcision according to the covenant, and some ethico-legal prescriptions, appears in Jubilees«. (In dieser Bewertung ist die jüdisch-arabische Gemeinsamkeit der Perspektive von Jub 20 ganz unterschlagen.) Ferner F. MILLAR, Hagar, Ishmael, 36f; Y.D. NEVO / J. KOREN, Origins, 41ff; U. RUBIN, ebd., 85-112. RUBIN sucht den Ursprung der (islamischen) Idee vom ›Haus Abrahams‹ im Jubiläenbuch. Zum Problem eines vorislamischen arabischen Abrahamismus vgl. vor allem I. SAHÎD, Arabs in the Fifth Century, 332-381. Jedoch bleiben alle diese genannten Bezugnahmen auf Jub 20; 22,24f eher allgemein und summarisch. Es fehlt bisher eine Untersuchung, in der diese abrahamitische Weite des Denkens im Jubiläenbuch mit dem Programm einer deutlichen Trennung von allem Nichtjüdischen, das sich sonst im Jubiläenbuch findet, zusammen bedacht und bearbeitet werden. Mein Eindruck ist, dass die nichtisraelitischen Abrahamnachkommen in die Verheißung, das Gottesbekenntnis und die Beschneidung einbezogen werden, weil sie zur Familie Abrahams gehören (Jub 20), dass aber innerhalb der Familie gleichwohl die israelitischen Väter hervorgehoben werden können, dass aber die harten Grenzen religiöser und sozialer Abgrenzung erst jenseits der Abrahamfamilie gesetzt werden.

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VI.

Abraham als Vater Israels und nordarabischer Völker – der Abschluss der Ismaelgeschichte (Gen 25,1-18)

Mit Gen 25 findet die Abrahamgeschichte und mit ihr diejenige Ismaels ihren Abschluss. Im Anschluss an die ›Bindung Isaaks‹ wird vom Tod Saras erzählt,1 die in der Grabhöhle auf dem Feld von Machpela beigesetzt wird, das Abraham zu diesem Zweck vom Hetiter Efron gekauft hatte (Gen 23). Gen 24 ist mit der Brautwerbung für Isaak beschäftigt, die Rebekkas Ankunft in Beer-Lahaj-Roi und ihrer Heirat Isaaks (24, 67) gipfelt. Diese Heirat bietet die Voraussetzung der Isaak-Toledot, die dann mit Gen 25,19ff anhebt. Denn in ihm als dem Haupterben Abrahams setzt sich die israelitische Linie der Abrahamfamilie fort. Der Erzählfaden der Ismaelüberlieferung wurde in 21,21 dort liegengelassen, wo Abrahams vertriebener Sohn in der Wüste Paran eine neue Lebensmöglichkeit gefunden hatte und verheiratet wurde. Diese Hochzeit ist die Voraussetzung für die Toledot Ismaels, die in 25,12-18 mit der Genealogie der Ismaeliter mitgeteilt wird. Im Hinblick auf die Nachkommenschaft seiner Familie hat Abraham sein Lebenswerk vollbracht und kann nun sterben. Die Nachrichten über Tod und Begräbnis des Patriarchen (25,7-10) stehen im Zentrum der Komposition von 25,1-18. Diese werden durch das Tableau zweier weitgespannter Listen von Völkerschaften gerahmt, die als Nachkommen Abrahams aus seiner Ehen mit Ketura (V.1) und mit Hagar (V.12) zurückgeführt werden. So wird Abraham am Ende seines Lebens eindrucksvoll als Vater Isaaks/Israels und als Vater der Völker der syrisch-arabischen Wüste präsentiert, die in der genealogischen Konstruktion gemeinsam eine abrahamitische Ökumene bilden – den Kreis der Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams. Dieses Völkerpanorama am Ende der Abrahamgeschichte hat innerhalb der Genesis eine ähnliche Funktion wie die Tafel der Weltvölker in Gen 10f am Ende der Urgeschichte. Ist jenes sichtbarer Ausdruck des noachitischen Menschheitsbundes und des dort erneuerten Schöpfungssegens nach der Sintflut, so ist dieses Ausdruck des Mehrungssegens aus dem Abrahambund (17,4-6.20), der auch im Hinblick auf Ismael speziell bekräftigt wurde. Wie nach der Völkertafel in Gen 10f verengt sich im Erzählfortgang der Gesamtgeschichte auch am Ende von Gen 25 der Nach GenR 58 zu 23,2 (TPsJ 20,20; PRE 31 u.a.) als Folge des Schreckens über die Beinahe-Opferung ihres einzigen Sohnes.

1

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VI. Der Abschluss der Ismaelgeschichte (Gen 25,1-18)

Blickwinkel des Erzählers auf diejenige Familie, deren Toledot zuletzt genannt wird, und der nun das weitere Erzählinteresse gilt. Dies ist in Gen 11,27ff die Toledot Terachs als Ausgangspunkt der Abrahamgeschichte, in 25,19ff die Toledot Isaaks. Die Geschichte der anderen abrahamitischen Linien wird fortan nicht mehr verfolgt, ihre künftige Geschichte dafür eindrucksvoll und summarisch durch Stammeslisten sichtbar gemacht. Die beiden Völkerlisten in Gen 25,1-18 sind konzentrisch um die Szene vom Tod und Begräbnis des Ahnvaters gelegt. Im Aufriss der Gesamtdarstellung zeigt sich überdies eine parallele strophische Struktur der Toledot der beiden Brüder Ismael und Isaak. Nachdem Abraham gestorben und von beiden Söhnen begraben wurde, fügt der Erzähler die Toledot Ismaels an (25,12-18), die mit der Nachricht vom Tod Ismaels abgeschlossen wird (V.17). Danach beginnt die sehr viel umfangreichere Familiengeschichte Isaaks (25,19-35,29), die mit der Nachricht seines Todes in Gen 35,28f ihr Ende findet. Der gemeinsame Rahmen durch Toledotformel und Sterbenotiz zeigt vergleichbare Strukturen der so verschiedenen Familiengeschichten Ismaels und Isaaks. Die Toledot Ismaels geht voran, nicht weil dem Erstgeborenen der Vortritt gebührt, sondern weil die Anordnung dem Prinzip des Achtergewichts folgend das für Israel Bedeutsamere zum Schluss erzählt.2 Auch in diesem in V.1-18 entworfenen Völkerpanorama steht Isaak als Erbfolger Abrahams im Mittelpunkt der Darstellung. Die Erbfrage zwischen Isaak und den Keturasöhnen regelt Abraham in V.5-6 so, dass Isaak alles bekommt, was Abraham hat. Die Söhne der Ketura schickt er mit Geschenken in ihre künftigen Lebensgebiete und entfernt sie damit von seinem Sohn Isaak (wnb qxcy l[m V.6c). Auch durch die Segens- und Niederlassungsnotiz in V.11 findet Isaak besondere Beachtung. Diese Zentralstellung Isaaks, die sich aus dem bisherigen Erzählverlauf selbstverständlich ergibt, schließt nun aber eine eindrückliche Präsentation der nichtisraelitischen Abrahamiten mit ein. Insgesamt ergibt sich die folgende Struktur: Voraussetzungen: Heiratsnotiz Isaaks (24,67); Heiratsnotiz Ismaels (21,21). 25,1-6 1 2-4 4b 5-6 6d

Stammbaum der Keturasöhne Heiratsnotiz, Hinweis auf die Mutter Namenlisten (drei Generationen) Abschlussnotiz Abraham regelt die Erbfrage (Keturasöhne/Isaak) Aufenthaltsort (der Nachkommen): ›Land des Ostens‹

7-10(11)

Abrahams Tod

In Gen 10f ist die Terachtoledot die letzte, in Gen 36 gehen die Edomiterlisten der Familiengeschichte Jakobs voran.

2

VI. Der Abschluss der Ismaelgeschichte (Gen 25,1-18) 7-8 9-10 11 12-18 12a 12b 13-15 16 17 18

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Lebensalter und Sterbenotiz Abrahams Begräbnis durch Isaak und Ismael Nach dem Tod Abrahams segnet Gott Isaak (vgl. Gen 26,2-5) Aufenthaltsort Isaaks: Beer-Lahai-Roi (vgl. Gen 16,13f; 24,62) Toledot Ismael Einführung: ~hrba !b la[mXy tdlt hlaw Hinweis auf die Mutter Namenlisten Abschlussnotiz mit Hinweis auf die 12 Fürsten (Gen 17,20) Lebensalter und Sterbenotiz Ismaels (par. 23,1f [Sara]; 25,7f [Abraham]; 35,28f, [Isaak]) Aufenthaltsort (der Nachkommen):

»von Havila bis Schur, vor (östlich von) Ägypten gegen Assur hin« (Hinweis auf Gen 16,12)

Fortsetzung: Toledot Isaak (25,19-35,29) 19a Einführung: ~hrba !b qxcy tdlt hlaw

Die Symmetrie der Komposition soll die Verschiedenartigkeit der hier zusammengestellten Materialien nicht verdecken, sondern ihr Ordnungsprinzip sichtbar machen. Die kompositionelle Verantwortung mindestens für V.7-18* trägt zweifellos die Priesterschrift, was die Aufnahme und Überarbeitung vorliegender Materialien, z.B. von Teilen der Stämmeliste wie auch nachpriesterliche Fortschreibungen nicht ausschließt. Etwas schwieriger steht es um den Keturastammbaum, der sich nicht leicht an den Zusammenhang der bisherigen Erzählung anschließen lässt. Denn bisher wurden die familiären Perspektiven in starker Zuspitzung auf die beiden Söhne Abrahams entwickelt. Diese Konzentration ist auch in Gen 25, im Umfeld von Abrahams Tod und den beiden angeschlossenen Toledot Ismaels und Isaaks zu finden, und sie setzt sich in der Konfiguration von Jakob und Esau fort. Doch spricht manches dafür, auch den Stammbaum der Keturasöhne der Verantwortung der Priesterschrift zu unterstellen. Dafür sprechen die Betonung der Rechtmäßigkeit der Ehe Abrahams mit Ketura, das Interesse an der Klarheit in der Frage des Haupterbes im Hinblick auf Isaak (V.1.5f), die Bestimmung der späteren Wohngebiete der Keturiter sowie das auch in V.1218 belegte Interesse der Priesterschrift, den Völkervater Abraham genealogisch mit einer Vielzahl arabischer Völker in Verbindung zu bringen. Eventuell ist V.1-6 auch Nachtrag in enger Anlehnung an die Vorgaben der Priesterschrift.3 Eine wesentliche Intention der Keturaüberlieferung, 3 Vgl. etwa die maßgeblichen diachronen Analysen von Gen 25,1-18 bei M. NOTH, Pentateuch. Zu J gehöre 25,5.6.11b (S.30); zu P V.7-11a.12-17 (ältere Ismaeliterliste V.13-16 aufgenommen). V.18 sei »eine – vielleicht recht späte – Glosse«, die ihre Angaben für 18a aus 1 Sam 15,7; 27,7; für 18b aus Gen 16,12 bezieht (17 m. Anm. 48).

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VI. Der Abschluss der Ismaelgeschichte (Gen 25,1-18)

wem auch immer sie zu verdanken ist, liegt darin, durch eine weitere Ehe und den ihr entstammenden sechs Söhnen die Bedeutung Abrahams als Vater auch der östlichen Völker noch stärker herauszuheben. Die Chronik (1Chr 1,29-33) nennt dann Ismaeliter- und Keturiterstammbaum gemeinsam. Während noch NOTH damit rechnete, dass die durch P eingearbeitete Ismaeliterliste historische Erinnerungen an einen ismaelitischen Stämmebund aus der Frühzeit Israels enthält4, hat sich KNAUF mit guten Gründen dafür ausgesprochen, „dass die ältesten Elemente in den Völkerlisten von P ... in den Anfang oder die Mitte des 7. Jh.« zurückgehen.5 Ihr geographisches System, mit dem die Priesterschrift die Entstehungsgeschichte Israels in die universale Weite der Völkerwelt einzeichnet, ist ein Produkt der Jerusalemer genealogischen Wissenschaft seit der spätvorexilischen Zeit. Die Pristerschrift nimmt dies in frühnachexilischer Zeit auf und macht es ihrem ›universalgeschichtlichen‹ Anliegen dienstbar. Das bedeutet: in einem völkergeschichtlichen Sinn Abraham als Vater auch der arabischen Völker anzusehen, verdankt sich der gelehrten Spekulation von Priestergelehrten in Israel und ihrer Absicht, die ihnen bekannte Welt genealogisch zu ordnen. Diese Vorgaben auch theologisch an den Erzählungen von Abrahams erstem Sohn ausgearbeitet zu haben, ist die Leistung der Erzähler der Ismaelgeschichte. Wenn die Priesterschrift an Ismael den Schöpfungssegen erneuert, auch den ersten Abrahamsohn als nichtisraelitischen ›Samen Abrahams‹ in die Gaben des Abrahambundes und die Beschneidung einbezieht (Gen 17), tut sie dies von Anfang an im Hinblick auf die Völkerwelt, die Abraham in Gen 25 repräsentiert. Der innere Zusammenhang von Gen 17 mit Gen 25 ist unübersehbar. Die Segenstheologie des Abrahambundes wird in Gen 25 völkergeschichtlich geerdet. Der Horizont, den der Segen für Ismael in Gen 17,20 eröffnet, zeigt sich jetzt. Es sind aber erst die VölDer Keturastammbaum V.1-4 sei ein »Nachtrag aus unbekannter Zeit«, die mit der Priesterschrift ein gemeinsames »Interesse an arabischen Stämmeverbänden« bekundet (210 m. Anm. 532). Neuere diachrone Analysen von J. VAN SETERS, Abraham, 60-64.248.285; C. WESTERMANN, Genesis, 482ff; C. LEVIN, Jahwist, 193-196 (J: 25,5; nachjahwist.: 1-3a.4.6. 18aα; P: 7-11a.*12-17) bewegen sich in diesem Rahmen. 4 Vgl. M. NOTH, Pentateuch, 17 m. Anm. 48 zu Gen 25,13-16: »Verzeichnis eines ismaelitischen Zwölfstämmesystems nach Art der israelitischen Amphiktyonie«. 5 E.A. KNAUF, Ismael, 62, denkt an eine von P genutzte geographisch-genealogische Quelle des 7. Jh.s. Zum Ismaeliterstammbaum vgl. 63: »Wir haben jedenfalls in der Ismaeliterliste Gen 25,13-15 mit Quellenmaterial zu rechnen, das aufgrund seiner Parallelen schon dem 7.Jh. entstammen kann, aber nicht zur Gänze entstammen muss; mit Bearbeitung durch P, die auch eine Auffüllung gewesen sein kann; und schließlich mit nachpriesterschriftlichen Zusätzen.« Die meisten der Ismaeliterstämme sind in nichtbiblischen Quellen gut bezeugt, keiner der Namen jedoch vor dem 8. Jh. v. Chr. (s.u.).

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kerlisten von Gen 25, die den Zusammenhang zu den Völkern der arabischen Wüste herstellen. Die bisherige Ismaelerzählung hatte eine ausdrückliche Identifikation Ismaels mit nichtisraelitischen Völkern vermieden und sich mit Andeutungen begnügt. Erst durch die Liste der 12 Stämme wird auch Ismael zum Völkervater. In Gen 25 finden Familiengeschichte, Völkergenealogie und -theologie zusammen. 1. Die Söhne der Ketura (V.1-6) Die Überlieferung von Abrahams Ehe mit Ketura und die eingeschlossene Aufzählung ihrer Nachkommen »fügt sich für unsere Begriffe nicht gerade leicht an den bisherigen Erzählzusammenhang an«6. Die aus dem gefährdeten Fortbestand der Familie entwickelte Dramatik zwischen Abraham, Sara und Hagar erträgt die Existenz weiterer Frauen und Söhne Abrahams eigentlich nicht. Gen 25,1 führt die Ehe mit Ketura denn auch als eine – offenbar nach dem Tod Saras – weitere Ehe Abrahams ein (V.1). Dies kollidiert dann aber mit der 40 Jahre zurückliegenden Geburt Isaaks, die schon damals als ein jenseits aller natürlichen Möglichkeiten seiner vergreisten Eltern (Gen 17,17; 18,10-14) liegendes Wunder erzählt wurde. Die Keturaüberlieferung will keinen weiteren Beitrag zum Familiendrama in Abrahams Haus liefern. Ihr Ziel besteht allein darin, die arabische Nachkommenschaft Abrahams zu erweitern. Dies macht ihre Platzierung unmittelbar vor Abrahams Tod und im Zusammenhang und in Ergänzung der Ismaeltoledot nötig und sinnvoll.7 Wer Ketura ist, woher sie kommt, erfahren wir nicht8, doch trägt diese Frau Abrahams die Weihrauchwohlgerüche Arabiens in ihrem Namen. Dieser lässt sich als ›die in Weihrauchduft gehüllte‹ verstehen, was darauf hinweist, dass der Name Keturas vermutlich eine im Hinblick G. VON RAD, Genesis, 208. W. ZIMMERLI, Genesis, 136, sah einen »erzählerisch verspäteten Nachtrag«, der früher hätte gebracht werden müssen. Aber gerade erzählerisch ist er vorher nicht möglich (vgl. nur 21,10; 22,2). 8 Die jüdische Tradition hat Hagar und Ketura identifiziert. Abraham habe die Frau, die er mit Scheidebrief fortgeschickt hat, später wieder geheiratet (GenR 61 zu 25,1; TPsJ; PRE 30, aber auch Hieronymus quaest. hebr. in Gen 25,3.). Dies war (von @syw V.1 abgesehen) umso leichter möglich, als sich Keturasöhne und Ismaelsöhne weder ethnographisch noch territorial voneinander trennen lassen, so dass schon Jub 20,13 feststellt: »Und sie vermischten sich, diese mit jenen, und ihr Name wurde genannt Araber und (oder) Ismaeliten.« Die Vermischungstheorie von Ismael- und Keturasöhnen hat es später Maimonides ermöglicht, unter Umgehung der negativen Ismaeltypologie die Keturasöhne als arabische Vermittler des jüdischen Monotheismus Abrahams und der jüdischen Beschneidung in den islamischen Raum hinein theologisch zu würdigen (s.o. Kap. II.7.5 und D. NOVAK, The Treatment of Islam and Muslims in the Legal Writings of Maimonides). 6

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auf ihre Mutterfunktion für den Erzählzusammenhang geschaffene ad hoc-Bildung ist.9 Auch Ketura wird Abrahams legitime Ehefrau. Die Eheschließungsterminologie ist in V.1 so eindeutig wie bei Hagar in Gen 16,3 (hXa xql). Da aber V.6 davon spricht, dass die ›Söhne der Nebenfrauen ~yXglyp Abrahams‹ nach Osten geschickt werden, sieht man seit alters her Ketura und Hagar in den ~yXglyp von V.6 und beweist damit deren Status als untergeordnete Nebenfrauen bzw. Konkubinen Abrahams. Doch will beachtet sein: Hagar wird entweder als Sklavin (Saras) oder – wie Ketura in 25,1 – als Ehefrau Abrahams (16,3), nie jedoch ›Nebenfrau‹ Xglyp genannt. Zudem können in V.6 Hagar und Ismael(söhne) nicht mitgemeint sein. Sie sind in Gen 21 vertrieben, in dem oben gezeigten spezifischen Sinn ›enterbt‹ und darum jetzt nicht mehr Teil der Erbschaftsregelung von 25,5f. Sie leben nicht mehr im Haus Abrahams und werden auch nicht ins Ostland geschickt. Von ihnen ist dann in den Toledot Ismaels die Rede, in der Ismael – anders als die Keturasöhne, aber wie Isaak – ausdrücklich ›Sohn Abrahams‹ (V.12) genannt wird. Die Unterscheidung zweier Überlieferungen von V.1-4 (Ketura als hXa) und V.5f (Ketura als Nebenfrau) ist zwar denkbar, bleibt aber schwierig, weil V.1-4 ohne eine Trennungsnotiz, durch welche die Wüstenstämme mit ihren eigentlichen Wohngebieten in Verbindung gebracht werden, schwerlich denkbar ist. Eine Lösung ergibt sich, wenn beachtet wird, dass es in V.6 nicht um Ketura und ihr Eheverhältnis zu Abraham, sondern um die Rangordnung ihrer Söhne im Vergleich mit Isaak geht. V.4b nennt sie ›Söhne der Ketura‹, bezeichnenderweise nicht ›Söhne Abrahams‹. Im Kontext der Erbregelung von V.5f werden sie ›Söhne von Abrahams Nebenfrauen‹ genannt, um ihre gegenüber Isaak (ynb) deutlich abgestufte Rangfolge zu kennzeichnen,10 die ihre Abfindung mit Geschenken erklären soll. Diese Söhne sind mit dem Haupterben Isaak nicht vergleich- und damit abfindbar. Der Plural ~yXglyp könnte dann signalisieren, dass man sich die Keturasöhne nicht alle als von Ketura selbst geboren vorgestellt hat.11 Diese Abstufung der Rangfolge der Söhne hat dann in 1Chr 1,32 auch Ketura zur Nebenfrau (Xglyp) Abrahams werden lassen.

Ketura gebiert Abraham sechs Söhne. Die gesamte Liste in V.2-4a hat z.T. Stammbaumqualität und umfasst neben den Keturasöhnen Simran, Jokschan, Medan, Midian, Jischbak und Schuach (V.2) auch die Jok-

HAL 1021. Zu hrwjq vgl. rjq I – räuchern, (Weihrauchduft) aufsteigen lassen; tr,wOjq. – Weihrauch, Räucherwerk. Vgl. M. NOTH, Pentateuch, 164; J. VAN SETERS, Abraham, 60; C. WESTERMANN, Genesis, 484. Zur biblisch belegten Verbindung von Weihrauch (-handel) und Arabien vgl. 1Kön 10; Jes 60,6; Jer 6,20; Ez 27,22. 10 Dass die ›Söhne der Nebenfrauen‹ in V.6 gar nichts mit V.1-4 zu tun haben, wie B. JACOB, Tora, 536, und K. ENGELKEN, Frauen, 86, meinen, ist kaum möglich, weil dann unklar bliebe, woher die Söhne von V.6 kommen und wo die Söhne von V.2-4 bleiben. V.P. HAMILTON, Genesis II, 164f, sieht die Lösung darin, dass Ketura und Hagar, die er in den ~yXglyp V.6 mitgemeint sieht, eben wahlweise als ›Ehefrau‹ und als ›Nebenfrau‹ bezeichnet werden konnten (vgl. Bilha in Gen 35,22 versus Gen 30,4). 11 Wenn es in V.4b heißt »All diese (hla-lk) sind die Söhne der Ketura«, sind auch die Söhne Jokschans, Midians und Dedans der Folgegenerationen eingeschlossen. Freilich wären auch deren Mütter keine Nebenfrauen Abrahams.

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schansöhne Scheba und Dedan und die Midiansöhne Efa, Efer, Henoch Abida und Eldaga, insgesamt dreizehn Namen.12 Nicht alle dieser Namen sind als Stammes-, Gebiets- oder Ortsnamen der syrisch-arabischen Wüste biblisch oder außerbiblisch nachgewiesen. Keiner aber weist in eine andere Gegend.13 Besonders bekannt ist Midian als Volksbezeichnung für Wüstenstämme Nordwestarabiens, die vornehmlich östlich des Golfs von Akaba siedeln.14 Midian(iter) und Efa(iter) sind als arabische Karawanenbegleiter (auf der Weihrauchstraße) auch in Jes 60,6 zusammen genannt. Die Namen der Midiansöhne Abida und Eldaga werden in sabäischen Inschriften bezeugt. Efa, Efer, Henoch begegnen auch in israelitischen Genealogien, wo sie mit Südpalästina zu verbinden sind. Schuach ist als Herkunftsgebiet des Hiobfreundes ›Bildad von Schuach‹ bekannt (Hiob 2,11), das auch dort in die transjordanische Wüste östlich der Ammonitis weist. Jokschan entspricht vielleicht Joktan in Gen 10,25, wo auch Scheba zu den arabischen Söhnen Joktans gehört. Scheba (Saba) meint das bedeutende Staatsgebilde in Südwestarabien, dessen Königin bei Salomo zur Legende wurde und dessen politische und wirtschaftliche Blüte im 7.-5. Jh. v. Chr. an der Gold- und Weihrauchstraße lag.15 Vgl. Gen 10,28; Hiob 1,15; 6,19; Jes 60,6; Ez 27,22. Scheba und Dedan gehören auch Gen 10,7 zusammen. Dedan ist eine seit dem 7. Jh. v. Chr. gut bezeugte, bedeutende Karawanenstation an der Weihrauchstraße in Nordwestarabien in der Nähe von Tema (Jes 21,13; Ez 27,20; 38,13; Jer 49,8).16 Überblickt man diese Aufstellungen, dann scheint die Vermutung von KNAUF nicht unwahrscheinlich, dass diese Gemeinschaft der Keturasöhne durch die Beteiligung am Handel auf der Weihrauchstraße konstituiert wird17, was sich freilich auch von den Ismaeliter-Stämmen sagen lässt.

Die genealogische Anbindung dieser arabischen Völker als Keturasöhne an Abraham hat mit der Erbfolge der Abrahamfamilie in Kanaan nichts zu tun. Dies stellen V.5f klar. Denn Abraham gibt seinem Sohn Isaak alles, was er hat (wl-rXa-lk) und schickt die ›Söhne der Nebenfrauen

V.3 bezieht die Söhne Dedans auf die drei Völkerschaften: Aschuriter, Letuschiter und Lëumiter. Diese Namen sind sonst unbekannt, ihre Pluralformen fallen aus dem Zusammenhang heraus, in 1Chr 1,32f fehlen sie. 13 Detaillierte Untersuchungen unter Heranziehung der altarabischen und altorientalischen Quellen stammen von J.A. MONTGOMERY, Arabia and the Bible, 42-46; F.V. WINNETT, Arabian Genealogies, 188-196. Vgl. auch die Überblicke bei J. VAN SETERS, Abraham, 60-62; C. WESTERMANN, Genesis, 484f. Vgl. auch E.A. KNAUF, Midian, 168f; DERS., Südarabien, findet sich bei U. HÜBNER, Early Arabs in Pre-Hellenistic Palestine, 34-47; ein neuerer Überblick bei E.A. KNAUF, Art. Ketura (2007), wibilex.de. 14 Vgl. nur Gen 37,28.36; Num 22;25;31; Ri 6 u. ö.; vgl. E.A. KNAUF, Midian. Theologisch ist Midian dadurch interessant, dass der Schwiegervater Moses als midianitischer Priester (Ex 2,16; 3,1) vorgestellt wird, bei dem Mose viele Jahre lebt und dabei Israels Gott Jhwh begegnet (Ex 3). In Gen 25 sind die Midianiter Nachkommen Abrahams. 15 Vgl. H. VON WISSMANN, Die Geschichte von Saba; und E.A. KNAUF, Südarabien, 118ff, der eine diachrone Ordnung der entsprechenden Bibelstellen in Korrelation mit den geschichtlichen Entwicklungen der Sabäer versucht. 16 Vgl. E.A. KNAUF, Ismael, 55 m. Anm. 265; Nachtrag 145. 17 E.A. KNAUF, Südarabien, 121. 12

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Abrahams‹ noch zu seinen Lebzeiten mit Geschenken versehen nach Osten (V.5f), weg von Isaak, seinem Sohn (wnb qxcy l[m). Mit erbrechtlichen Kategorien allein ist dieser Vorgang wohl nicht zu fassen. Eine spezifische Vererbungsterminologie fehlt hier auch. Was Isaak hier angesichts der Keturasöhne ausdrücklich ganz von Abraham übergeben bekommt, ist das, was auch Ismael in Gen 21 tatsächlich verliert. Es ist im Sinn der Erzählung die Verantwortung für die Abrahamfamilie in der auf Israel im Land Kanaan hinführenden Linie (Gen 21, 12d). Dieses Erbe Abrahams bekommt nur Isaak und in ihm Israel. Freilich will sogleich bedacht sein, dass die Keturasöhne und ihre Nachkommen dieses Erbe nicht brauchen. Die Wendung wnb qxcy l[m hält die klare Trennung der künftigen Lebensgebiete der israelitischen und nichtisraelitischen Abrahamiten fest. Damit ist ein Zustand erklärt und beschrieben, der in Israel selbstverständlich war. Die hier als Abrahamnachkommen aufgezählten Völker der syrisch-arabischen Wüste wohnen weit außerhalb des Landes Kanaan und machen Israel sein besonderes Landerbe nicht streitig. Die besondere Leistung dieser Konstruktion ist vielmehr die genealogische (und theologische) Verankerung im gemeinsamen Ahnvater Abraham, die Israel hier für diesen Völkerkreis gefunden hat. V.5f sind notwendig, weil mit den neu hinzukommenden Abrahamsöhnen der Status Isaaks im Verhältnis zu ihnen neu bestimmt werden muss. Deshalb wird betont, dass Abraham dies noch bei Lebzeiten regelt, und dass die künftigen Siedlungsgebiete der Keturasöhne von denen Isaaks/Israels entfernt sind. Die Geste Abrahams ist wohl grundsätzlich missverstanden, wenn sie als ›Enterbung‹ der Keturasöhne und ihr Fortschicken als eine Gen 21,14 nachgebildete Vertreibung aus dem Land, die zum Schutz Isaaks (Israels) notwendig war, angesehen würde.18 Ein Konfliktpotential ist durch wnb qxcy l[m nicht anvisiert. Das einzige, was die als Keturasöhne genealogisch mit Abraham verbundenen Wüstenvölker der transjordanischen Siedlungsräume mit dem Land Kanaan verbindet, ist ihr Ahnvater, den sie mit dieser Genealogie geschenkt bekommen. Sie müssen daher auch nicht aus dem Land vertrieben oder sonstwie entfernt werden. Das dem Text zugrundeliegende Interesse ist entgegengesetzt: Wenn man in Israel Völker der syrisch-arabischen Wüsten in die Familie Abrahams integrieren wollte, musste erklärt werden, wie sie in ihre von Kanaan weit entfernten Wohngebiete gekommen sind, in denen sie in der Wahrnehmung Israels immer gelebt hatten und leben. Mit anderen Worten: Abraham schickt die Keturasöhne dorthin, wo ihre Nachkommen hingehören. Das Bedürfnis nach Nach C. WESTERMANN, Genesis, 485 (mit Hinweis auf Skinner), ist in V.5f einzig daran gedacht, Isaak von den Ansprüchen der Keturasöhnen »zu befreien«; ähnlich C. LEVIN, Jahwist, 193.

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genealogischer Verankerung dieser Völker in Abraham verlangt als solches, dass sie von Abraham in ihre Stammesgebiete geschickt werden.19 Das ist im Fall Ismaels nicht anders. Nur ist hier die Trennung vom Vaterhaus als ein höchst ambivalentes Drama der Vertreibung und Errettung ausgearbeitet worden. Bei den Geschenken, mit denen Abraham die Keturasöhne fortschickt, könnte man im erbrechtlichen Sinn an Abfindungszahlungen denken, was letztlich doch einer etwas gemilderten Form der Enterbung gleichkäme. Ist aber der erbrechtliche Gesichtspunkt nicht dominierend, dann sind die ›Geschenke‹ eher Kennzeichen der materiellen Ausstattung durch den Vater für ein Leben am entfernten Ort. Es ist vermutet worden, dass die eher ehrenvolle Verabschiedung der Keturasöhne das schwere Unrecht der Vertreibung Ismaels mildern will, indem gezeigt wird, dass Abraham auch zu anderen Formen der Trennung fähig war. Beide Episoden sind nicht recht vergleichbar und haben kaum mehr als eine xlX-Handlung Abrahams gemeinsam. Während die Verabschiedung der Keturasöhne gewissermaßen den Normalfall im Haus des Völkervaters Abraham schildert, der von diesem selbst organisiert und vom Erzähler theologisch nirgends kommentiert wird, ist Gen 21 eine familiengeschichtlich und theologisch tief ambivalente Geschichte, die Ismael in Vertreibung, Rettung, Verheißung und bleibender Bewahrung durch Israels Gott mit den Erfahrungen verbindet, die sein Bruder Isaak (und Israel selbst) durchleben muss. Die Geschenke zeigen, dass Abraham die Keturasöhne ehrenvoll nach Osten in ihre Lebensgebiete entsendet20 und auf diese Weise die abrahamitische Ökumene auf der Landkarte des Orients vergrößert. JOSEPHUS kennt in seiner Paraphrase der Szene eine Überlieferung, nach der Abraham die Söhne der Ketura nicht fort schickt, sondern selbst in ihre angestammten Wohnorte führt und begleitet.21 Die Lebensräume der Keturasöhne werden mit ~dq #ra-la hmdq (nach Osten in östliches Land) angegeben. Damit ist geographisch zwar recht allgemein aber eindeutig die transjordanisch gelegene syrisch-arabischen Wüste im Blick22, die auch sonst als LebensDieser Zusammenhang ist bei C. LEVIN, Jahwist, 193, als Widerspruch verkannt: »Die Absicht von V.6 ist derjenigen von V.1-4 gewissermaßen entgegengesetzt: will V.14 eine nicht unwesentliche Zahl von Völkern ebenfalls auf Abraham zurückführen, so sucht V.6 die arabischen Abrahamskinder von Israel wieder zu trennen«. 20 Was xlX Pi. ja auch bedeuten kann. Vgl. Gen 24,7.40; 45,5.7; Ps 105,17; 1Sam 25, 32; Ri 6,14; 1Sam 12,11 u.ö. Vgl. M. DELCOR / E. JENNI, THAT II, 913f und das spätere jüdische xylX-Institut. 21 Vgl. Jos. ant. 1.238f) sowie u. Kap. VIII 2.5. 22 Während h~dq häufiger als Ausdruck für die aus der Sicht Kanaans östlichen Wüstengebiete Transjordaniens vom nördlichen Teil der syrischen Wüste (Gen 29,1 ~dq ynb #ra) bis Südarabien begegnet, ist der Ausdruck ~dq #ra ›Land des Ostens‹ im Alten Testament singulär, begegnet aber mit unklarer Bedeutung in der ägyptischen Sinuhe19

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raum nordarabischer Stämme bekannt ist. Im Rahmen der Abrahamgeschichte wird man an Gen 15,18 erinnert, wo die Kadmoniter (ynmdq »Ostleute«) zu den Völkern gerechnet werden, deren Wohngebiete »vom Bach Ägyptens bis zum Eufrat« die Nachkommen Abrahams bevölkern werden. Der erste Bundesschluss mit Abraham scheint diesen geographischen Raum bereits zu überblicken.23 Nun wird das Angekündigte durch Aussendung der Nachkommen Abrahams vollzogen. In der hebräischen Bibel insgesamt trägt der Ausdruck ~dq ambivalente Konnotierungen, nicht nur wegen des glühenden Ostwindes, der verdorrend heiß aus der Wüste weht.24 Die Gideongeschichte weiß von Midianitern/Ismaelitern als räuberischen ›Söhnen des Ostens‹ (~dqh ynb). Hier ist der Begriff ›Osten‹ als Lebensraum bedrohlicher Wüstenstämme angstbesetzt.25 Prophetische Fremdvölkersprüche behandeln das politische Geschick der ›arabischen‹ Leute des Ostens meist ohne Bezug zu Israel.26 Andererseits ist Hiob als israelitisches Paradigma des an Gott ›leidenden Gerechten‹ einer der berühmtesten ›Söhne des Ostens‹ (1,3), und seine Freunde Bildad und Elifas kommen aus in Gen 25 erwähnten ›arabischen‹ Stämmen/Orten.27 Die Ostländer (Arabien) sind auch sonst wegen ihrer großen Weisheit berühmt.28 In genealogischen und geographischen Kontexten wird ~dq geographisch, d.h. wertfrei gebraucht.29

2. Abrahams Tod und Begräbnis (V.7-11) Nachdem Abraham die Keturasöhne noch bei Lebzeiten nach Osten entsandt hat, stirbt er im hohen Alter von 175 Jahren »alt und lebenssatt« einen heilvollen Tod.30 7) Dies war die Lebensdauer Abrahams, die er lebte: 175 Jahre. 8) Dann verschied Abraham und starb in gutem Greisentum, alt und lebenssatt und wurde zu seinen Verwandten versammelt. 9) Seine Söhne Isaak und Ismael begruben ihn in der Höhle Machpela auf dem Feld Efrons, des Sohnes Zohars, des Hetiters gegenüber Mamre; 10) dem Feld, das Abraham von den Hetitern gekauft hatte. Dort wurden Abraham und seine Frau Sara begraben.

Erzählung (HTAT, 53). 23 Vgl. die Erörterungen zur dualen Landkonzeption (patriarchal boundaries) von Gen 15 in Kap. II 1. 24 Gen 41,6; Ex 10,13; 14,21; Jona 4,8. 25 Ri 6,3.33; 7,12; 8,10. 26 Jer 49,28 (Völkerspruch: von Nebukadnezar erobert); Ez 25,4.10 (Völkerspruch gg. Ammon, durch die Ostleute erobert); Jes 11,14 (als Ziel der Plünderung Israels). 27 Hiob 2,11; Bildad von Schuach (vgl. Gen 25,3); Elifas von Teman (vgl. Gen 25,15). 28 Vgl. 1Kön 5,10f; Ob 7b.8f; Jer 49,7; Bar 3,22f (Weisen des Ostens = Söhne Hagars) und die Spruchsammlung Agurs (Spr 30,1) und des Königs Lemuels (Spr 31,1), die beide aus dem ismaelitischen Stamm Massa (Gen 25,14) kommen. 29 Gen 29,1; Gen 10,30; Num 23,7 u.a. 30 Hierzu G. VON RAD, Genesis, 210: »Abraham hat den Kreis dessen, was Gott in sein Leben hineingegeben hatte, durchmessen. Der Ausdruck ›alt und lebenssatt‹ zeigt, dass man im alten Israel das Leben nicht mit dem faustischen Unendlichkeitsanspruch, sondern von vornherein in Ergebung als etwas Begrenztes nahm, als etwas dem Menschen Zugewiesenes, in dem dann auch der Zustand der Sättigung zu erreichen war«.

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Die Zahl seiner Jahre ist mit 175 nicht nur in ihrer ein normales Menschenleben überragenden Höhe programmatisch. Mit 75 Jahren kam Abraham nach Kanaan (12,4b). Als er einhundert Jahre alt war, wurde ihm Isaak geboren (21,4). Einhundert Jahre nach seinem Einzug in Kanaan ist Abraham gestorben.31 Zu diesem friedlichen Tod des Patriarchen gehört, dass sein Grab einen Platz in der Höhle in Machpela findet und dass seine Söhne ihn ehrenvoll begraben. Der ausführliche Hinweis auf das Erbbegräbnis fasst Gen 23 noch einmal zusammen und zeigt die Bedeutung, die Machpela als Patriarchengrab für den Erzähler hat. In Israel wird auf dem Erbbesitz begraben,32 und das Feld von Machpela ist Abrahams erstes und einziges Stück eigenes Land im verheißenen Land. Isaak und Ismael begraben den Vater »in friedlicher Eintracht«33. Indem Isaak zuerst genannt wird, spiegelt sich die in der Gesamterzählung narrativ und theologisch ausgearbeitete Rangordnung der Brüder entgegen ihrer natürlichen Geburtenfolge. Die Friedfertigkeit dieser Szene wird oft betont, manchmal mit Verwunderung registriert, muss es aber nicht, denn die Brüder hatten auch vorher keinen Streit miteinander.34 Zwar trennte sie das Geschick der Vertreibung Ismaels räumlich voneinander, ließ sie aber in angrenzenden Siedlungsräumen wohnen. So ist Ismael bei Abrahams Tod selbstverständlich wieder im Vaterhaus. Die gemeinsame Erfahrung der ›Preisgabe durch den Vater‹ mag die Brüder zusätzlich verbunden haben, und sie hindert sie jetzt nicht, ihrer Begräbnispflicht zu genügen, wenngleich es zum Nachdenken über mögliche Gründe herausfordert, dass Ismael ins Haus seines Vaters, der ihn vertrieb, erst nach dessen Tod zurückkommt.

Abrahams Tod geht erzählerisch der Geburt Jakobs voraus, sein Sterbedatum aber lässt ihn im 14. Lebensjahr Jakobs und Esaus sterben und greift so den erzählten Ereignissen voraus. Hier liegt begründet, dass schon frühjüdische Ausdeutungen der Geschichte vom direkten Umgang Abrahams mit seinem Enkel Jakob wissen und das Verhältnis Abrahams zum israelitischen Erzvater Jakob/Israel auch als Vater-Sohn-Verhältnis breit ausarbeiten, was Isaaks schon biblisch kleinere Rolle zwischen den beiden anderen Patriarchen noch weiter minimiert. (Vgl. etwa nur Jub 21-22). Später hat auch Muhammad im Koran Jakob teils als Sohn, teils als Enkel Abrahams bezeichnet (6,84; 11, 71; 12,6.38 u.ö), was ihm den Vorwurf der ›Unkenntnis‹ biblischer Überlieferung eingebracht hat (z.B. H. SPEYER, Erzählung, 170f; R. PARET, Kommentar, 145). Es ist aber bereits die frühe, haggadische Vermittlung der biblischen Geschichte, die hier die Unterschiede der Generationen eingeebnet hat. 32 Vgl. Jos 24,30.32; Ri 2,9. 33 C. WESTERMANN, Genesis, 486. 34 Dies im Unterschied zu Jakob und Esau, doch begraben auch sie den Vater gemeinsam (Gen 35,29). Angesichts ihres deutlich konflikthaltigen Verhältnisses ist das gemeinsame Begräbnis ein wichtiges Signal am Schluss der Erzählung, dem aber die Aussöhnung Jakobs mit Esau vorausgeht. 31

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Aus der Begräbnisszene wird in diachroner Hinsicht oft geschlossen, dass P die Flucht Hagars (Gen 16 J) und die Vertreibung Ismaels (Gen 21 E) nicht gekannt habe, weil Ismael hier noch selbstverständliches Mitglied in Abrahams Familie sei.35 Die hier vorgelegte Interpretation versuchte zu zeigen, dass der Erzähler nicht nur in Gen 17, sondern auch in Gen 16; 21 »Ismael gegenüber ausgesprochen positiv eingestellt war«, was für KNAUF36 das Spezifikum der P-Erzählung gegenüber den anderen ›Quellen‹ ist. Nimmt man an, dass Ismael beim Tod von Abraham noch immer in Abrahams Familie lebt, ist nicht erklärbar, weshalb die Trennung der Ismaeliter von Abrahams Haus und von Kanaan nicht mehr erzählt, sondern in V.18 selbstverständlich vorausgesetzt wird.37

Die dürre Notiz vom Begräbnis Abrahams darf die Bedeutung eines Begräbnisses dieser Dimension nicht verdecken. Mit Sicherheit ist an mehrtägige Totenklage und Totenfeier zu denken, an verschiedene kultische Begehungen und gemeinsame Opfermahlzeiten und nicht zuletzt an die feierliche Überführung des Leichnams ins Erbbegräbnis nach Machpela.38 Wenn Isaak und Ismael ihren Vater gemeinsam begraben, spricht sich darin nicht nur ihre Pietät und Ehrenpflicht gegenüber dem gestorbenen Vater, sondern auch ihre gemeinsame Verantwortung für den Fortgang der Familie, die Sicherung ihres Bestands und die Bereitschaft aus, Namen und Vermächtnis des Vaters weiterzuführen. Indem die Erzählung das Begräbnis Abrahams mit beiden Brüdern verbindet, drückt sie diese gemeinsame Verantwortung aus, die offenbar nicht daSo alle Auslegungen, die mit P als einer selbstständigen Quelle rechnen. C. WESTERGenesis, 486 tut dies zwar nicht, meint aber: »P ignoriert die Vertreibung Hagars und Ismaels.« 36 Vgl. E.A. KNAUF, Ismael, 59. 37 Die Antwort von E.A. KNAUF, ebd., 59, dass sich die Leser nach dem Willen von P die Trennung aus den in V.13-16 erzählten Lebensumständen der Ismaeliter selbst erschließen sollten, befriedigt gerade im Hinblick auf die Verabschiedung der Keturasöhne überhaupt nicht. 38 Nur über das Begräbnis Jakobs wird etwas ausführlicher erzählt. Sein Sterben wird durch ausführliche Vermächtnisse für seine Kinder und Kindeskinder und Segenshandlungen begleitet (Gen 47,28-49,33). Dem folgen mehrtägige Trauerriten, Einbalsamierungen, was hier zum ägyptischen Kolorit der Erzählung gehört, Totenklagen und die Überführung des (mumifizierten) Leichnams nach Kanaan, dort erneute siebentägige Trauerfeiern. Erst dann wird Jakob von ›seinen Söhnen‹ in Machpela begraben (Gen 51, 12f). Was in Gen 25,9ff über das Begräbnis Abrahams zu knapp erzählt, gestaltet das Jubiläenbuch in Jub 20-23 unter manchen Anleihen aus Gen 47-50 sowie eigenen Ausdeutungen zu einem sehr ausführlich erzählten mehrfach gestaffelten Vermächtnis Abrahams aus: 1) Vermächtnis und Segen Abrahams an Isaak-, Ismael- und Keturasöhne + Entsendung (Jub 20). 2) Vermächtnis und Segen an Isaak (Jub 21). 3) Isaak und Ismael kommen nach Hause und feiern mit Abraham gemeinsam das Wochenfest in Hebron (Jub 22,1-6). 4) Vermächtnis und Segen Abrahams an Jakob (Jub 22,7-30). 5) Abraham stirbt, während nur Jakob (!) bei ihm ist (Jub 23,1-3). 6) 14-tägige Totenklage im Haus Abrahams (Isaak und Ismael) und unter allen Keturasöhnen an ihren Lebensorten (Jub 23,4-7). 7) Begräbnis durch Isaak und Ismael in Machpela.Vgl. J. VAN RUITEN, Abraham in the Book of Jubilees, 253-330. 35

MANN,

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durch beeinträchtigt ist, dass Ismael bleibend in anderen Gefilden wohnt und Isaak im Sinn von Gen 21,10f; 25,5 Alleinerbe Abrahams ist. Die ganze Abrahamfamilie, das zeigt sich hierin, wird nicht durch den Haupterben Isaak allein, sondern durch beide Abrahamsöhne repräsentiert. 11 Und nach dem Tod Abrahams segnete Gott seinen Sohn Isaak. Und Isaak wohnte bei Beer-Lahai-Roi.

Die Bemerkung über Gottes Segen für Isaak und dessen Niederlassung in Beer-Lahai-Roi wird gern als im Zusammenhang störend angesehen, ergibt aber hier einen guten Sinn. Die Segensaussage ist innerhalb von Gen 25,1-18 die einzige theologische Aussage. Sie gilt hier Isaak, ist aber wiederum nicht exklusiv zu verstehen, als gelte Gottes Segen fortan nur noch Isaak.39 Eine Aussage über Gottes (Nicht-)Segen gegenüber den anderen Abrahamnachkommen ist in ihr nicht eingeschlossen. Indem hier Isaak ausdrücklich in den Gottessegen einbezogen wird, spricht sich etwas anderes aus: Denn im bisherigen Ablauf der Erzählung ist mit Isaak selbst, ganz im Gegensatz zu Hagar und Ismael, noch niemals eine Beistands-, Segensaussage oder Väterverheißung verbunden worden. Da er bisher in der ›Obhut‹ Abrahams verblieb, war sein Vater Träger und Empfänger entsprechender Gotteszusagen.40 Erst nach Abrahams Tod rückt Isaak folgerichtig in die Position ein, die Abraham freigemacht hat. Die Segensaussage für Isaak unmittelbar nach Abrahams Tod will diese Sukzession deutlich machen. Erst in Gen 26,2-6 werden dann auch mit Isaak all die Verheißungen einschließlich der des Landes verbunden, die vorher Abraham hörte. Mir scheint, es ist auch aus Gründen der Erzählsymmetrie notwendig, dass von Gottes Segen für Isaak die Rede ist, wenn die Stämmelisten der anderen Abrahamiten so sichtbar von Gottes Segen in den Nebenlinien künden. Von Abraham ist kein Vermächtnis oder Abschiedssegen seiner Söhne überliefert, wie dies besonders von Jakob in Gen 48f erzählt wird. Diese ›Leerstelle‹ ist in der (früh-) jüdischen Tradition in gegensätzlicher Weise ›gefüllt‹ worden, was zugleich zwei sehr unterschiedliche Weisen des Umgangs mit der Ismaelüberlieferung und vielleicht die Positionen eines frühen Streits der Interpretationen deutlich macht. In der anerkanntermaßen schwer datierbaren palästinischen Targumtradition wird dieses Fehlen damit begründet, dass Abraham eigentlich nur Isaak segnen will, dies aber nicht tut, um nicht dem Hass Ismaels gegenüber seinem Bruder neue Nahrung zu geSo G. VON RAD, Genesis, 210: »Nun stand also die dem Samen Abrahams gegebene Verheißung allein auf den Augen Isaaks.« Vgl. auch V.P. HAMILTON, Genesis II, 169. 40 Vgl. Gen 17,19.21 (Isaak wird prospektiv in den Abrahambund einbezogen); 21,12 (Isaak wird Mittler des Namens Abrahams). Selbst die Rettung und Bewahrung Isaaks in Gen 22,15-18 mündet in eine Verheißung für Abraham. 39

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ben. Der Targum Pseudojonatan fügtseiner Übertrgen von Gen 25,10 die folgende Erklärung hinzu: »Because Abraham had not wished to bless Ishmael, he had not blessed Isaac either; for if he had blessed Isaac and had not blessed Ishmael, the latter would have retained hatred for him.«41 Den anderen Weg beschreitet das Jubiläenbuch, wenn es vom Segen und Vermächtnis Abrahams an Ismael, Isaak und an die Keturasöhne erzählt (Jub 20), dem gesonderte Segen und rituelle Anweisungen für Isaak (Jub 21) und für Jakob (22) nachfolgen.

Auch die Niederlassungsnotiz Isaaks gehört zur Symmetrie von 25,1-18, in der die Lebensorte aller Abrahamnachkommen angegeben werden (V.6.11.18). Zudem verlangt die Heirat Isaaks (24,67) als Voraussetzung der Familiengründung eine entsprechende Niederlassungsnotiz.42 Vor seiner Heirat hatte sich Isaak in der Nähe von Beer-Lahai-Roi aufgehalten (24,62ff). Jetzt lässt er sich zur Familiengründung hier nieder. Nach Gen 16,13f ist Beer-Lahai-Roi auch der Wüstenbrunnen, an dem die vor Abraham und Sara flüchtende Hagar Gott begegnet und Rettung erfährt. Es ist der Ort der Verkündigung der Geburt und des Namens Ismaels. Auch wenn Ismael nie in Beer-Lahai-Roi wohnt, sondern nach 21,21 allgemein im Gebiet der Wüste Paran siedelt, das die nicht näher bekannte Ortslage von Beer-Lahai-Roi mit einschließen dürfte, ist der Aufenthaltsort Isaaks in 25,11b ein literarisches Signal, das ihn mit Ismael geographisch nachbarschaftlich verbindet.43 3. Toledot und Tod Ismaels (V.12-18) An die Todesnotiz Abrahams schließen sich die Toledot Ismaels und Isaaks an (25,12-18; 25,19-35,29). In Anordnung und Umfang der ToZit. M. MAHER, Targum Pseudojonathan, 88 m. Anm. 8. Vgl. ähnlich GenR 61; NumR 11,2 u.a., wo aber das Motiv des Hasses Ismaels fehlt. Das Hassmotiv bei TPsJ wird von D.M. SPLANSKY, Targum Pseudo-Jonathan, 92f, auf antimuslimische Polemik zurückgeführt, lässt sich aber wohl auch aus den Vorgaben der innerjüdischen Ismaelrezeption erklären (C.T.R. HAYWARD, Targum Pseudo-Jonathan, 77ff). 42 Vgl. die Heirats- und Niederlassungsnotiz Ismaels in Gen 21,21. 43 Die überlieferungsgeschichtliche Forschung hatte einst vermutet, dass in Israels Vorgeschichte Isaak- und Ismaelstämme gemeinsam im Gebiet des Brunnenheiligtums von Beer-Lahai-Roi lebten, wodurch die Sagen vom Verhältnis ihrer Ahnherren entstanden. So M. NOTH, Pentateuch, 118f. Historisch ist davon nichts erweisbar. Doch nimmt die Hypothese die über die Ortslage Beer-Lahai-Roi literarisch hergestellte Gemeinsamkeit der Brüder zutreffend wahr. Das sieht V.P. HAMILTON, Genesis II, 169, ganz anders. Der Vers wolle zeigen, dass Isaak als der allein von Gott gesegnete und erwählte Abrahamsohn seinen Bruder nun auch geographisch beerbt: »That Isaac settles in the place where Ishmael was born indicates that, geographically, Isaac is indeed the one son chosen by Yahweh to be blessed, and that Ishmael is to be either displaced, or more likely, replaced.« 41

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ledot der beiden Söhne Abrahams setzt sich die Vorordnung Isaaks bei gleichzeitiger Zuordnung der beiden Brüder fort. Sie folgen bei aller Unterschiedlichkeit an Umfang und Material der gleichen Struktur. Die wörtlich gleiche Einführungsformel (V.12a.19a) leitet beider ›Familiengeschichte‹ als die eines ›Sohnes Abrahams‹ ein.44 Den Abschluss bilden die Notizen von Lebensalter, Tod (und Begräbnis des Patriarchen) in 25,17 und 35,28f, die sich formal an die entsprechenden Nachrichten von Saras und Abrahams Tod anlehnen.45 Dass auch von Ismaels wunderbar hohem Lebensalter und seinem heilvollem Tod erzählt wird, überrascht und ist der näheren Betrachtung wert. Vergleichbares wird sonst nur von den Erzeltern der israelitischen Linie (Sara, Abraham, Isaak, Jakob)46 mitgeteilt, fehlt aber etwa bei Esau. Mit einer solchen Rahmung seiner Toledot wird Ismael wie ein Patriarch der Israellinie behandelt.47 V.17 überblickt das Leben Ismaels und bringt es mit der Angabe seiner Lebenszeit und seines Todes in den für die Patriarchen gezielt eingesetzten Sprachformen zum Abschluss. V.17 Dies sind die Lebensjahre Ismaels (la[mXy yyx ynX hlaw)48: 137 Jahre. Und er verschied und starb (tmyw [wgyw)49, und er wurde zu seiner Verwandtschaft versammelt (wym[-la @sayw)50.

Bis auf Name und Lebensalter Ismaels zitiert dieser Vers mit jedem Wort die Abraham geltenden Notizen in V.7f. Ismael, das soll hier durch die Art der Darstellung und durch sein hohes Lebensalter gezeigt werden, stirbt »den heilvollen Tod der Patriarchen«51. Ismael wird »mit Die Toledotformel noch in Gen 5,1 (Adam); 6,9 (Noah); 10,1 (Söhne Noahs); 11, 10.27 (Terach); 25,12 (Ismael). 19 (Isaak); 36,1.9 (Esau); 37,2 (Jakob); Num 3,1 (Mose, Aaron). 45 Vgl. Gen 23,1.19 (Sara); 25,7-9 (Abraham). 46 Vgl. außer den schon genannten Stellen Gen 47,28 (Lebensalternotiz Jakobs); 49,33 (Todesnotiz Jakobs). 47 Esaus Stammbaum wird in Gen 36,1.9 zwar auch mit der Toledotformel eingeführt. Während 25,12 Ismael als Abrahamsohn genealogisch ausdrücklich in die Abrahamfamilie einbindet, fehlt dies in den Toledotformeln für Esau, in denen er als Vater Edoms, nicht als Sohn Isaaks, erscheint. Die in der Pentateuchforschung zu findende Unterscheidung von »Verheißungstoledot« (für die israelitischen Ahnväter, mit Todes- und Begräbnisnotizen) und »Ausscheidungstoledot« (für die Generationen, die erzählerisch nicht weiter verfolgt werden, ohne Todes- und Begräbnisnotizen), so J. SCHARBERT, Toledot-Formel in der Priesterschrift, 46; J. BLENKINSOPP, Pentateuch, 59 u.ö., verfängt hier nicht. 48 Zitat aus V.7 (Abraham), das in Gen 47,28 (Jakob) wiederbegegnet; variiert in Gen 23,1; 25,17. 49 Zitat aus V.8 (Abraham), ähnlich in Gen 35,29 (tmyw qxcy [wgyw), variiert in Gen 23,1; Gen 49,33. 50 So auch in 25,8; 35,28; 49,33 (nicht in 23,19). 51 E.A. KNAUF, Ismael, 59. Vgl. schon RASCHI z.St.: »[wgyw heißt: er verschied; dieses Wort kommt bei Frommen vor.« 44

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einer Todesnotiz gewürdigt, die denen Abrahams und Isaaks entspricht, die aber dem näher verwandten Esau vorenthalten wird.«52 Wie bei Abrahams Tod ist auch hier nicht sicher, zu welcher Verwandtschaft sich Ismael versammelt. Ein schon bestehendes Familiengrab kann hier kaum gemeint sein. DILLMANNs Auskunft, dass damit die Gemeinschaft der Verstorbenen allgemein angesprochen ist, greift wohl zu kurz, denn die Wendung »sich zu seiner Verwandtschaft versammeln« beschreibt ein geregeltes Ableben im Kreis der eigenen Sippe in ihrer Generationenfolge. Formal wird dies auch durch die genealogische Struktur herausgehoben. Das weist auf einen bestimmten Status des Verstorbenen hin, seine Bedeutung für die Lebenden. Die sich zu ihrer Verwandtschaft versammeln, »gehören zu den vorangegangenen Vätern, deren Gedächtnis bewahrt wird«53. Dass eine Begräbnisnotiz Ismaels fehlt, hängt damit zusammen, dass er aus naheliegenden Gründen nicht in Machpela begraben werden konnte.54 Der Midrasch hat die Würdigung Ismaels, die mit einer solchen Toledot und Darstellung seines Todes verbunden ist, sehr genau wahrgenommen (GenR 62 zu 25,12). Da sie mit dem Frevlerimage Ismaels kollidiert, fragt man sich, warum die Schrift die Toledot und das Lebensalter eines solchen Frevlers berichtet. Eine Antwort lautet: »Weil er so weit aus der Wüste hergekommen war, um seinem Vater den letzten Liebesdienst zu erweisen.«55 Eine zweite Lösung: Da Ismael aus der Wüste ins Vaterhaus zurückkehrt, ohne die Verfolgung seines Bruders (zu Gen 21,9) fortzusetzen, nimmt GenR 59 zu 24,1 an, dass Ismael zuvor seinen Lebenswandel bereut, Buße getan und zu den Werten des Hauses Abrahams zurückgefunden hätte. Von der Buße Ismaels weiß auch bBB 16b. Der palästinische Targum (TPsJ) hat die Reue Ismaels als Voraussetzung seiner Teilnahme beim Begräbnis Abrahams und seines heilvollen Todes in 25,7.17 jeweils gleich in den Bibeltext eingeschrieben.

Bei E.A. KNAUF, Ismael, 58, findet sich eine nach Lebensalter- und Todesnotiz gestaffelte Aufstellung aller Belege, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede kenntlich macht. Vgl. S.59: »Hinsichtlich der Lebensalternotiz stehen Abraham und Ismael den anderen gegenüber; mit der Todesnotiz steht Isaak Abraham besonders nahe.« Nur Abrahams und Isaaks Tod wird als ›alt und lebenssatt‹ herausgehoben, allerdings mit nichtidentischen Formulierungen (Gen 25,8; 35,28). 52 H. SEEBASS, Vätergeschichte II, 261. 53 C. WESTERMANN, Genesis, 486 zu Gen 25,8 (Abraham). H. SEEBASS, ebd., 263f spricht von der Zugehörigkeit zu einem guten Namen, wie sie das Toledot-Bedürfnis der Überlieferung in anderer Weise verdeutlicht. 54 Ob es in biblischer Zeit eine Tradition vom Grab Ismaels gab, ist unbekannt. Die spätere Auslegung hat Ismaels Grab dann in dem durch V.18 geographisch bezeichneten Gebiet gesucht, bis die islamische Tradition die Gräber Hagars und Ismaels im ›heiligen Bezirk‹ von Mekka fand, wo sie noch heute verehrt werden. Eine Vorstufe wird evtl. in der judäo-arabischen Tradition vom Grab Ismaels und Hagars im nordarabischen Hegra sichtbar (s.u. Kap. VIII 5.4). 55 Übers. nach A. WÜNSCHE, 295; vgl. ferner J. NEUSNER, Genesis Rabbah II, 346f.

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V.12b als Ergänzung zur Toledoteinführungsformel bestimmt Ismael als Sohn Abrahams durch Hinweis auf seine Mutter näher.56 Hagar wird Ägypterin und Sklavin Saras genannt (hrX txpX tyrcmh), was über die hma-Rhetorik von Gen 21 auf Gen 16 und den Anfang der Hagar-Ismael-Geschichte zurückverweist. V.13 a Einführungsnotiz: Und dies sind die Namen der Söhne Ismaels, nach ihren Namen im Hinblick auf ihre Toledot ( ... la[mXy ynb twmX hla) b Nebajot, der Erstgeborene Ismaels, und Kedar, und Adbeel, und Mibsam, 14 und Mischma, und Duma, und Massa. 15 Hadad, und Tema, und Jetur, und Nafisch, und Kedma. 16 a Abschlussnotiz: Dies sind sie, die Söhne Ismaels und dies ihre Namen (~twmX hlaw la[mXy ynb ~h hlaw), b in ihren Gehöften und Zeltlagern, zwölf Fürsten (~ayXn) nach ihren Völkern (tMoau)57.

Inhaltlich besteht die Toledot Ismaels in der Aufzählung von zwölf Namen, die als Söhne Ismaels protoarabische Stämme unter zwölf Fürsten (~yayXn) bezeichnen. So gewinnt die Konstruktion das Format eines ismaelitischen Zwölf-Stämmevolkes, nach Analogie des israelitischen. Der Hinweis auf die zwölf Fürsten in V.16 zitiert Gen 17,20.58 Im Abrahambund war der Fruchtbarkeitssegen der Schöpfung (P) im Hinblick auf Ismael bekräftigt und darin konkretisiert worden, dass Gott ihn zu einem großen Volk (lwdg ywg) machen und Ismael zwölf Fürsten zeugen wird. Die ismaelitische Stämmeliste präsentiert nun das Ergebnis. Sie erweist nicht nur die Wirksamkeit der konkreten Segenszusagen aus dem Abrahambund (Gen 17,4-8.20), sondern auch die Geltung der sonstigen Mehrungsverheißungen, in denen Gott versprach, den ›Samen Hagars‹ unermesslich zahlreich und Ismael zu einem großen Volk zu machen.59 So konkretisiert sich in der genealogischen Sachlichkeit der Völkerliste gewissermaßen politisch und ethnographisch das theologische Programm der Ismaelepisoden in der Abrahamgeschichte. Dabei Bei Isaak in V.19b ist dann nicht die Mutter, sondern nochmals der Vater genannt. Das Wort hma für Volk begegnet nur noch Num 25,15 als Gruppenbezeichnung der Midianiter, könnte also in der Bibel als »Fremdwort zur Bezeichnung arabischer sozialer Größen verwendet werden« (E.A. KNAUF, ebd., 59 Anm. 280). 58 Dass der Hinweis auf die Zeltlager und zwölf Fürsten außerhalb der speziell ein- und ausgeleiteten Namenliste steht, kann diachron so ausgewertet werden, dass P eine vorgegebene Namenliste aufnimmt und diese mit eigenen Ergänzungen versieht. Die Priesterschrift hätte dann die politische Dimension (Gehöfte, Zeltlager, Fürsten) und durch die gezielte Anbindung an Gen 17,20 auch die theologische Dimension gleichzeitig verstärkt. Weiteres bei E.A. KNAUF, Ismael, 60f. Zu den Siedlungsbegriffen auch STAUBLI, Nomaden, 218-221. 59 Gen 16,10; 21,13.18. 56 57

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betrifft die Analogie auch die Vorstellung der politischen Verfasstheit, denn die Ismaeliter werden wie Israel als Zwölfstämmevolk gesehen. Fast alle der Stämmenamen sind auch aus nichtbiblischen Quellen für Stämme bzw. Regionen der nordarabischen Wüste belegt.60 NEBAJOT lässt sich mit dem aus assyrischen Quellen des 8. Jh.s nachgewiesenen Stamm nabayati im Inneren Nordarabiens verbinden.61 Der Name ist auch in thamudischen Inschriften aus der Nähe der zentralarabischen Oase TEIMA zu finden, die KNAUF ca. um 400 v. Chr. datiert. Der Name dieses Stammes (nbyt) ist von dem der Nabatäer (nbæ) sprachlich zu unterscheiden, denn »von *Nabayāt führt zu *Nabaæ kein lautgesetzlicher Weg«.62 Und historisch haben beide Größen miteinander nichts zu tun. Doch ist es wahrscheinlich, dass der gleiche Anlaut beider Stammesnamen dazu geführt hat, hinter den Nebajot alsbald die Nabatäer zu sehen, die seit dem 6. Jh. die prominentesten arabischen Nachbarn Palästinas waren. Das gilt wohl schon für die jetzige Gestalt der Liste von Gen 25, die Nebajot als den Erstgeborenen Ismaels, noch vor dem mächtigen arabischen Stamm Kedar nennt.63 KEDAR ist in der Bibel und in nichtbiblischen Quellen der bekannteste arabische Stamm Nordarabiens. In assyrischen Quellen erstmals 738 v. Chr. belegt, steht Kedar im 7. Jh. an der Spitze des Stämmebundes šumu’il, der große Teile Nordarabiens kontrolliert hat. Danach bleiben die Kedariter das politisch bedeutendste arabische Volk, das die Wüstengebiete zwischen Eufrat und dem Golf von Akaba bis ins 5. Jh. kontrolliert. In neubabylonischer Zeit führt Nebukadnezar mit ihnen Krieg (599/598 v. Chr.), was auch in Jer 49,23-33 reflektiert wird. Ein Teil der Kedariter geht später wahrscheinlich in den Nabatäern auf.64 In biblischen Texten ist Kedar in exilisch und frühnachexilischen Texten Bezeichnung für die Bewohner der östlich Palästinas gelegenen Wüstengebiete.65 ADBEEL (wahrscheinlich mit Nodab 1Chr 5,19 identisch) taucht als arabischer Stammesname erstmals 734/733 v. Chr im Zusammenhang des Syrienfeldzugs Tiglatpilesers III. auf.66 Angehörige von Adbeel begegnen im südlichen Palästina und werden vom assyrischen König als »Wächter gegen Ägypten« eingesetzt.67 Belege aus persischer Zeit weisen Adbeel-Nodab ins nördliche Ostjordanland. Bei Adbeel zeigt sich, was auch sonst für die Lebensräume der biblischen IsmaeliUmfassende Untersuchungen stammen von I. EPH‘AL, Ancient Arabs; und E.A. KNAUF, Ismael. Alle Belege und Details der hier gebotenen Zusammenfassung sind dort zu vergleichen. Vgl. auch den Überblick in E.A. KNAUF, Art. Ishmaelites, ABD III, 514f und T. STAUBLI, Nomaden, 159-170, der nur einen Teil der Stammesnamen diskutiert. Ein neuerer Überblick (1998) findet sich bei U. HÜBNER, Early Arabs in Pre-Hellenistic Palestine, 34-47, sowie bei E.A. KNAUF, Art. Kedar (2007), in: wibilex.de. 61 I. EPH‘AL, ebd., 221f; E.A. KNAUF, Ismael, 93-95. 62 E.A. KNAUF, ebd., 92. 63 Auch in Gen 28,9 und 36,3 (N. als Bruder der Tochter Ismaels) und Jes 60,7 (N. als zusammen mit Kedar wichtige arabische Region an der Weihrauchstraße) sind mit den Nebajot wahrscheinlich niemand anderes als die Nabatäer gemeint. 64 E.A. KNAUF, Ismael, 66, ausführlich 92-108. 65 Vgl. Jes 21,16f; 42,11; 60,7; Jer 2,10; 49,28; Ez 27,21; Ps 120,5; Hld 1,5. Der Völkerspruch Jes 21,1-17 enthält neben Kedar auch Tema und Duma (?), die ebenfalls in Gen 25,13-15 begegnen, dazu Dedan. Zu den spätesten Belegen für die Kedariter sind Jes 21,16f; Hld 1,5 und Plinius, hist. nat. V.11.(12).65 zu rechnen. Die Targume (TPsJ) haben sie als ›Araber‹ angesehen. 66 I. EPH‘AL, ebd., 215f; E.A. KNAUF, Ismael, 66f. 67 Vgl. E.A. KNAUF, ebd., 66 m. Anm. 320. 60

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ter/Midianiter gilt: dass die sinaitischen, südpalästinischen und die transjordanischen syrisch-arabischen Wüstengebiete zwar keinen einheitlichen, aber einen geographisch und ökologisch gemeinsamen Kultur- und Bewegungsraum für protobeduinische Wüstenstämme bieten. Dieser Raum wird geographisch auch in Gen 25,6.18 als Lebensgebiet der nichtisraelitischen Abrahamiten abgedeckt. MIBSAM und MISCHMA treten in 1Chr 4,25 gemeinsam in der Genealogie Simeons auf, die nach Südpalästina weist. Evtl. beziehen sich die Namen auf ›ismaelitische‹ Stämme im Negev der nachexilischen Zeit. Wahrscheinlich ist hiermit der in assyrischen Inschriften in der südsyrischen Wüstenregion genannte Stamm isamme’ zu verbinden, der auch zur Konföderation šumu’il gehört haben dürfte.68 DUMA – biblisch evtl. in Jes 21,1169 bezeugt – ist geographisch das natürliche Zentrum Nordarabiens. Am unteren Ende des Wādī s-Sirhān gelegen, war die Oase Duma anfangs des 7. Jh.s kultischer und politischer Mittelpunkt der Konföderation šumu’il und der Kedariter, verlor aber im folgenden Jahrhundert an Bedeutung (Nabonid erwähnt sie im Zusammenhang seines Arabienfeldzuges nicht). Später ist Duma als Garnison der Nabatäer, danach der Römer bekannt.70 MASSA ist zentralarabischer Anlieger der Weihrauchstraße und als solcher (neben Adbeel und Tema) in assyrischen Quellen des 8. und 7. Jh. v. Chr. sowie in thamudischen Inschriften (um 400 v. Chr.) bezeugt.71 Biblisch werden eine Reihe von Weisheitssprüchen mit Lemuel, dem König von Massa verbunden, die dieser von seiner Mutter (!) gelernt haben soll (Spr 31,1ff). Auch die Sprüche Agurs (Spr 30,1) werden auf einen arabischen Weisheitslehrer aus Massa zurückgeführt, was zeigt, »welches kulturelle Niveau man den Nordarabern jener Zeit zuschrieb.«72 HADAD ist als arabischer Orts- oder Stammesname sonst unbekannt.73 TEMA ist das seit alters besiedelte Gebiet um die berühmte Oase Taimā’ und wichtigster Anlieger der Weihrauchstraße und damit Handelsknotenpunkt im nordwestlichen Arabien, seit dem 8. Jh. inschriftlich gut bezeugt, im 7. Jh. neben der Konföderation šumu’il erwähnt, zu der Taima daher wohl nicht gehörte. Mitte des 6. Jh.s wird T. vom neubabylonischen König Nabonid erobert und für 10 Jahre zu seiner Residenz und damit zur Hauptstadt Arabiens (553-543 v. Chr.).74 Im Verlauf dieser Aktivitäten Nabonids wird es von Babylon aus zur Gründung erster jüdischer Diasporagemeinden in Nordarabien gekommen sein.75 Jeremia kennt T. als bedeutenden Machtfaktor in Nordarabien (Jer 25,23f); spätere Texte ebenso (Jer 49,28-33; Jes 21,13-15). Aus persischer und späterer Zeit sind zahlreiche thamudische, aber auch einige aramäische Inschriften entdeckt worden.76 JETUR und NAFISCH treten in 1Chr 5,19 gemeinsam als Stämme des nördlichen Vgl. M. WEIPPERT, Art. isamme’, RLA V, 172-173: »Die Gleichsetzung mit dem in der Bibel genannten Ismaeliterstamm Mišmāʿ (Gen 25,14 = 1Chr 1,30) ist trotz der unterschiedlichen Namensformen naheliegend.« 69 E.A. KNAUF, ebd., 70, Anm. 350: »Was Jes 21,11f mit Duma zu tun hat, ist ungewiß.« 70 E.A. KNAUF, ebd., 69.81-88. 71 I. EPH‘AL, ebd., 218; E.A. KNAUF, Supplementa Ismaelitica BN 20, 34-36. 72 E.A. KNAUF, ebd.,. 72; vgl. den Nachtrag: 148. 73 E.A. KNAUF, Ismael, 73, erwägt eine Verbindung mit einem der in thamudischen Inschriften genannten Sippennamen. 74 Zu Nabonids Arabienfeldzug E.A. KNAUF, ebd., 75f, Nachtrag 148f. 75 Zusammenfassend R. MEYER, Gebet des Nabonid, 92-105. 76 In Taimā’ konzentrieren sich die neueren archäologischen Forschungen in Nordarabien. Zur Literatur vgl. E.A. KNAUF, Ismael, Nachtrag 149f; sowie DERS., Art. Ishmaelites, ABD III, 519f. 68

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Ostjordanlandes auf. Im Kontext der Araber-Kämpfe Assurbanipals (vor 648 v. Chr.) erscheint nafis ohne Jetur, aber zusammen mit Massa’.77 Seit dem 1. Jh. v. Chr. sind die Ituräer78 im Antilibanon zu finden. KEDMA ist sonst unbekannt.79

Mit dem Hinweis auf die soziale Gliederung der Stämme, die in ›Gehöften‹ und ›Zeltlagern‹ wohnen und an deren Spitze je ein Fürst steht, sollen die Ismaeliter als Bewohner der Wüste und als politisch organisierte Körperschaft kenntlich gemacht werden. Indem ›Gehöfte‹ und ›Zeltlager‹ unterschieden werden, verrät die Priesterschrift Kenntnis unterschiedlicher Lebensformen der Wüste, als Kleinvieh- bzw. Kamelnomaden in Zeltlagern und als ›Oasenbauern‹ in festen ›Gehöften‹, wobei sich beides mischen kann. Die ~yrcx-Gehöfte bezeichnen im Alten Testament durchweg dauerhafte Siedlungen außerhalb ummauerter Städte mit landwirtschaftlichem Gepräge, die auch in Jes 42,11 mit den ismaelitischen Kedaritern verbunden werden.80 Hiervon sind die beweglichen Zeltlager und Camps zu unterscheiden. Das hebr. Wort twryj bezeichnet das Zeltlager (Ps 69,26; 1Chr 6, 29) wie den Steinpferch (Ez 46,23; Hld 8,9). Dahinter steckt die Vorstellung eines ringförmig angeordneten Kreises durch Zelte (oder durch Steine), so dass sich im umgrenzten Innenraum eine Hürde für das Kleinvieh ergibt.81 Schon die Beobachtung, dass Ismael hier als Vater eines arabischen Zwölfstämmevolkes angesehen wird, das praktisch die Bewohner der syrisch-nordarabischen (und südpalästinischen) Wüste umfasst, nötigt zu einigen historischen Überlegungen. Als Zwölfstämmevolk sind die Ismaeliter sicherlich judäische Konstruktion in Analogie zum Zwölfstämmevolk Israels. In biblischen Texten außerhalb der Ismaelgeschichte sind die ›Ismaeliter‹ eine Sammelbezeichnung für in Südpalästina und in den transjordanischen Wüstengebieten agierende Wüstenbewohner. Während die Mehrzahl der Namen der Ismaeliterliste außerbiblisch gut bezeugte, wichtige protoarabische Stämme nennt, ist ›Ismael‹ als Stammesname außerbiblisch nicht nachweisbar, sondern nur als Name eines arabischen Stämmebundes, der in assyrischen Quellen des 8. und 7. Jh.s šumu’il genannt wird. Stärkster Machtfaktor dieser Konföderation war der Stamm Kedar, dessen König, häufiger noch, E.A. KNAUF, Ismael, 152ff; DERS., Supplementa Ismaelitica, BN 20, 1983, 34ff. W. SCHOTTROFF, Ituräer; DERS., Art. Ituräa, NBL II, 251f. 79 Kedma ist zwar als altnordarabischer Personenname belegt. Da der Name aber ~dq, den Orient, den Osten als Herkunftsgebiet der Araber allgemein im Namen trägt (25,6), könnte er auch Fremdbezeichnung und Konstrukt sein, um die Zwölfzahl der Ismaelsöhne zu gewährleisten. 80 Vgl. V. HAMP, ThWAT III, 140-148.143. E.A. KNAUF, ebd., 59 Anm. 282 weist auf assyrische Beutelisten hin, die auch ›Rinder‹ als den Arabern geraubtes Gut ausweisen. Zum archäologischen Nachweis fester, bäuerlicher Siedlungen in Nordostarabien vgl. DERS., ebd., 40 Anm. 176; ferner T. STAUBLI, Nomaden, 218-221. 81 Vgl. E.A. KNAUF, ebd., 59f.; T. STAUBLI, Nomaden, 220f.

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dessen Königin, auch politisch an der Spitze dieser Konföderation stand82, die einen wesentlichen Teil Nordarabiens umfasst haben wird. Weitere bezeugte Teilnehmer sind Nebajot, Adbeel, Massa, Duma und evtl. Mischma. Diese Stämmeföderation entstand im 8. Jh. und erreichte in fluktuierender Zusammensetzung ihre größte Blüte im 7. Jh. Zur Zeit des Arabienfeldzugs Nabonids um die Mitte des 6. Jh.s hat sie wahrscheinlich nicht mehr bestanden.

Die biblische Idee, protoarabische Stämme ›Ismaeliter‹ zu nennen, liegt sehr wahrscheinlich im Namen dieser Konföderation. Was die Assyrer šumu’il nannten, wurde in Israel mit dem schönen hebräischen Erhörungsnamen la[mXy verbunden. Damit ist zunächst nur die hebräische Bezeichnung ›Ismaeliter‹ für protoarabische Wüstenstämme erklärt, aber noch nicht das besondere erzählerische und theologische Profil der Ismaelerzählungen. Dies ist eine vom Selbstverständnis arabischer Stämme ganz unabhängige Leistung der Erzählgemeinschaft Israels. Sie macht Ismael nicht nur zum Sohn ihres Ahnvaters Abraham, sondern auch zum Verheißungsträger und zum Patriarchen protoarabischer Völker. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Erzählungen von Hagars Flucht und Ismaels Vertreibung und die jeweils anschließende Rettung durch den Gott Israels ›israelitische‹ Geschichts- und Gotteserfahrungen mit Hagar und Ismael verbinden. Ismaels Name wird nicht als Fremdwort, sondern als hebräischer Name und Inbegriff göttlicher Erhörung verstanden und in das erzählte Geschehen verwoben. Auch der Aufenthaltsort Hagars und Ismaels in Südpalästina, in der Nachbarschaft Abrahams und Isaaks, ist erzählerische Eigenleistung und lässt sich nicht mit den politischen Gegebenheiten der protoarabischen Stämmeföderation verrechnen; und natürlich auch nicht die familiäre Dramatik und die Theologie, die in Gen 15-25 anhand der Gestalt Ismaels (und Hagars) entwickelt wird. Die Ismaeliterliste in Gen 25 macht aber schon durch ihre Idee, Ismael als Ahnvater einzelner Stämme und nicht als arabisches Einzelvolk zu behandeln, deutlich, dass sie sich an dieser arabischen Konföderation und damit an den historischen Gegebenheiten des 8./7. Jh. orientiert, zumal die wichtigen Glieder dieser Konföderation auch hier erwähnt werden. Über das Alter der Liste ist damit nur so viel gesagt, dass ihr Grundbestand ins 7. Jh. reichen kann, während ihre jetzige Gestalt frühestens in neubabylonischer Zeit denkbar ist, aber natürlich auch später.83 Als Zwischen 738 v. Chr. bis in die 2. Hälfte des 7. Jh.s lässt sich eine Liste der Königinnen und Könige von šumu’il aufstellen. Vgl. E.A. KNAUF, ebd., 5. 83 Nach E.A. KNAUFs (ebd., 88f) hypothetischer Wachstumsgeschichte umfasst die älteste Form der Liste im 7. Jh. die ersten sieben Namen, die den Mitgliedern des Stämmebundes šumu’il, entsprechen (Kedar, Nebajot [noch vertauschte Reihenfolge], Adbeel, Mibsam, Mischma, Duma und Massa). Mitte des 6. Jh. kommt (neben Hadad vor allem) Tema wegen seiner gewachsenen Bedeutung als Residenz Nabonids und Haupt82

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Stammbaum Ismaels steht die Liste für eine Gesamtheit nordarabischer Völker in unterschiedlichen Regionen. Dies zeigt nun auch die Niederlassungsnotiz der Ismaelsöhne ›von Havila bis Schur‹: V.18 Sie wohnten »von Havila bis Schur, vor (östlich von) Ägypten gegen Assur hin.«

Von der Symmetrie des ganzen Abschnitts ist mindestens die Angabe des ismaelitischen Siedlungsgebietes nötig und von V.6.11b gefordert. Nach dem Tod Ismaels (V.17) überblickt V.18 den Lebensraum seiner Nachkommen. Es ist das zusammenhängende sinaitisch-nordarabische Wüstengebiet, das von Ägypten bis nach Mesopotamien und zum persischen Golf reicht. Das Gebiet ist nach zwei Grenzregionen angegeben: Beginnend mit Havila, was etwa ›Sand(land)‹ heißen mag und an anderen biblischen Stellen Landschaften in Nordost- bzw. Südarabien bezeichnet. Damit ist sowohl der gesamte Lebensraum als ›Sandland‹ beschrieben als auch seine östliche Begrenzung am Persischen Golf angegeben.84 Sie wird durch die Angabe hrwXa hkab als vor den Toren Assurs85 (Mesopotamiens) liegend in nördlicher Richtung präzisiert. rwX ist dort zu suchen, wo der Vers es durch den Hinweis auf Ägypten lokalisiert, aus der Perspektive Kanaans gesehen in südlicher Richtung gegen Ägypten. Es ist die Richtung, die Hagar auf ihrer Flucht nach Gen 16,7 einschlug.86 Mit rwXa und ~yrcm sind zugleich zwei Weltreiche angegeben, zwischen denen sich das Siedlungsgebiet der Ismaeliter erstreckt. Die sinaitischen, südpalästinischen und die transjordanischen syrischstadt Arabiens hinzu. Damit steht die Liste bereits für die geo- und ethnographische Gesamtheit Nordarabiens. Die restlichen drei Namen verdanken sich wohl dem Bedürfnis, die Zwölfzahl der Stämme nach Analogie Israels zu erreichen. 84 In Gen 2,11; 10,29; Sam 15,7 (nur hier noch die Formel: ›von Havila bis Schur‹); als geographisch unspezifische Bezeichnung von Wüste in Gen 10,7 (Gebiet Kuschs). 85 rwXa ist neben Havila als Land Assyrien in Gen 2,14 erwähnt, ferner Gen 10,11.22 (personifiziert als Sohn Sems); häufig in der prophetischen Literatur (Hos 7,11; 9,3; 10, 6 u.ö.). Der Name haftet auch nach dem Untergang der Assyrer an (Mittel-)Mesopotamien. Dgg. B. JACOB, Genesis, 539, hrwXa »kann unmöglich Assyrien bedeuten, in dem Sinn, dass sie sich bis zum fernen Euphrat hin ausdehnen«. »Es muß ein ägyptischer Grenzort sein«, ähnlich rwX. Doch scheint dies ist eher ein Versuch, die Geographie von 25,18 mit dem südpalästinisch-sinaitischen Aufenthaltsraum Ismaels in den Erzähltexten zu harmonisieren. Die Stämmeliste zeigt mit Kedar, Teman, Massa, die in Israel niemand auf dem Sinai gesucht hätte, nur zu deutlich, dass hier an eine riesige Ausdehnung dieses Gebiets gedacht ist. 86 Lassen Gen 16,7; 20,1; 27,8 an einen Ort Schur im südpalästinisch-nordsinaitischen Grenzgebiet denken (zu N. NA‘AMANs hypothetischer Identifikation mit Tell el fara bei O. KEEL / M. KÜCHLER, OLP II, 129), könnte die formelhafte Verbindung Schur und Ägypten (Gen 25,18; 1Sam 15,7; 27,8) und ihre Gegenüberstellung mit Havila (Gen 25,18; 1Sam 15,7) dafür sprechen, dass hiermit die auch sonst bezeugte befestigte Grenzlinie Ägyptens an der Ostlinie des Nildeltas gemeint ist. Das zweite könnte generalisierende Redeweise sein.

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arabischen Wüstengebiete sind hier zutreffend als in sich verbundener Kultur- und Lebensraum gesehen.87 Die Angabe über die geographische Ausdehnung konvergiert sachlich mit den Grenzen des dem ›Samen Abrahams‹ in Gen 15,18 verheißenen Landes, das ›vom Bach Ägyptens bis zum Eufrat‹ reichen soll. Damit werden die Siedlungsräume der Ismaeliten von der Landzusage im Abrahambund wahrscheinlich mit umgriffen, wie wir zu Gen 15,18 gesehen haben.88 Während V.18a an Gen 15,18 erinnert, bezieht sich V.18b auf Gen 16,12 zurück. Die nachklappende Notiz in V.18b fällt sachlich und grammatisch (Sg.) aus dem Zusammenhang der Stämmeliste heraus. Sie fasst Ismael als kollektive Einzelgestalt und zitiert variierend die Verheißung aus dem Wildeselspruch 16,12, dass Ismael ›vor dem Angesicht‹, d.h. räumlich gegenüber allen seinen Brüdern wohnen wird. Dieses Gotteswort ist für den Autor des Verses mit der Ausbreitung der Nachkommen Ismaels in ihre angestammten Wohngebiete Wirklichkeit geworden. Doch ist die Formulierung seltsam: 16,12 25,18b

!kXy wyxa-lk ynp l[ - vor dem Angesicht aller seiner Brüder wird er wohnen. lpn wyxa-lk ynp l[ - vor dem Angesicht aller seiner Brüder fiel er (ließ er sich nieder)

Aus dem Wildeselspruch wird in Gen 25,18 nicht die Konfliktmetapher (seine Hand gegen alle ... V.12b), sondern für den Zusammenhang der Völkerliste die geographische Angabe und Niederlassungsnotiz aktualisiert. Deutlicher noch als in Gen 16,12 zeigt sich wiederum die geographische Zielrichtung der Wendung wyxa-lk ynp l[ (vor dem Angesicht, d.h. gegenüber von allen seinen Brüdern). ynp l[ betont die räumliche Trennung bei gleichzeitiger Nähe. In diesem rein geographischen Sinn wird die Wendung in V.18 auch mit Ägypten verbunden, so dass beide Fügungen parallel zu verstehen sind.89 Später haben die Targume den Siedlungsbereich der Ismaeliter (Araber) im Hinblick auf gegenwärtige Verhältnisse erweitert, bzw. präzisiert: TO: ›Von Havila bis Hegra‹ (in Nordarabien, das auch in Gen 16,7 Schur ersetzt hat); TNf; TPsJ: ›von Indien bis Elusa‹ (spätantike nabatäische Metropole im Negev). 88 Vgl. Z. KALLAI, Patriarchal Boundaries, bes. 79f (s. auch oben zu Gen 15,18). 89 Vgl. u.a. F. DELITZSCH, Genesis, 439f; H. GUNKEL, Genesis, 190; B. JACOB, Genesis, 538 und die Jerusalemer Bibel: »Im Angesicht seiner Brüder ließ er sich nieder«; jüngst V.P. HAMILTON, Genesis II, 169: »settled close to his kindred«; ähnlich Z. KALLAI, Patriarchal Boundaries, 79f mit n.13. H. SEEBASS, Vätergeschichte II, 260, übersetzt: »Vor das Angesicht all seiner Brüder fiel er«, will aber die Wendung nicht feindlich verstanden wissen. »V 18b besagt also: Ismael war überall vor seinen Brüdern zu finden. Auf Ubiquität bei den Brüdern will also die gegenwärtige Form hinaus« (261). Vgl. andererseits die Übersetzungen der Lutherbibel »... allen seinen Brüdern zum Trotz«; BUBER/ROSENZWEIG: »all seinen Brüdern fiel er ins Gesicht«; RSV: »he settled over against all his people«; während die KJV eine Todesnotiz erkennt. 87

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VI. Der Abschluss der Ismaelgeschichte (Gen 25,1-18)

Die Benutzung des Wortes lpn (fallen) für Wohnen bzw. Niederlassen bleibt ungewöhnlich, wenngleich vom sprachlichen und sachlichen Kontext und von der Anspielung auf Gen 16,12 kaum zu zweifeln ist, dass es sich um eine geographische Siedlungsnotiz handelt. So jedenfalls haben den Satz die Septuaginta und die Targume verstanden.90 In der traditionellen jüdischen und christlichen Auslegung ist genau beobachtet worden, dass der Vers einerseits auf Gen 16,12 zurückverweist. Denn !kX – ›wohnen‹ (16,12) wird hier durch das eigenartige lpn – ›u.a. fallen‹ wiedergegeben. Die Wz. lpn wird nun andererseits nur noch ein weiteres Mal in diesem Sinn von ›siedeln, niederlassen‹ verwendet, nämlich in Ri 7,12 im Zusammenhang des Einfalls von transjordanischen Stämmen (Midianiter, Amalekiter und die Söhne des Ostens), die sich in der Jesreelebene in kriegerischer Absicht »zahllos wie der Sand am Ufer des Meeres« lagerten (b + ~ylpn). An anderer Stelle der gleichen Erzählung werden diese Stämme ›Ismaeliter‹ genannt (Ri 8,24). So lag es für eine Ismael-kritische Perspektive relativ nahe, Gen 16, 12 in einem intertextuellen Zusammenschluss mit der Konfliktmetapher von Gen 16,12 und den Ismaeliterkämpfen Gideons (Ri 7f) als Vorschau feindseliger Handlungen der Ismaeliter gegen Israel zu deuten. Ein Teil der rabbinischen Tradition hat diesen ›Zusammenhang‹ so verstanden, dass Ismaels ›Wohnen‹ !kX (16,12) erst nach Abrahams Tod mit lpn in das im Wildeselspruch angekündigte aggressive Verhalten seiner Nachfahren, also ins An- und Überfallen seiner Brüder übergeht.91 Für die syrisch-christliche Auslegungstradition des frühen Mittelalters zeigt dies REININK anhand der Apokalypse des Pseudo-Methodius und der von ihr benutzten Texte und Kommentare.92 In neuerer Zeit verstand u.a. SPEISER in seinem einflussreichen Genesiskommentar (1964, 188) hebr. lpn wegen Ri 7,12 als eine Art kriegerischer Attacke der Ismaeliter. In der Schärfe ihrer Aussage unübertroffen ist allerdings die Einheitsübersetzung (1980), die kurzerhand verdeutscht: »Über alle seine Brüder fiel er her.« Die Verwendungsmöglichkeiten des Allerweltswortes lpn (fallen, niederfallen, sinken usw.) sind ungewöhnlich breit gestreut und umfassen positive wie negativ bewertete Handlungen.93 Vom Einfallen der Feinde ist in Jos 11,7 und in der Kriegsrolle von Qumran (1QM 1,9) die Rede, wo lpn Kal. mit der Präposition b gebildet wird. Letztere kann allerdings auch fehlen (Hiob 1,5). Insgesamt reicht es aber nicht aus, aus der seltsamen Verwendung von lpn in V.18 eine Konfliktmetapher herauszulesen, zumal das Wort ohne präpositionale Näherbestimmung intransitiv gebraucht wird. Sowohl die Parallele zu Gen 16,12 (!kX) als auch der Kontext von V.18a (wnkXy) sprechen dafür, in lpn ein seltenes und seltsames Synonym zu !kX zu sehen, und im Sinn von ›sich niederlassen, wohnen‹ zu verstehen. Auch Ri 7,12 spricht vom Niederlassen, wenngleich eines Heeres in kriegerischer Absicht. Die 90

Die LXX übersetzt lpn mit einer Form von κατ-οικέω ansiedeln (Im Angesicht aller seiner Brüder ließ er sich nieder.) So auch die von mir geprüfte Targume TO, TNf, TPsJ, vgl. dazu M. ABERBACH / B. GROßFELD, Onkelos, 149 m. Anm. 6. 91 Zu den jüdischen Belegen GenR 45 zu 16,12 und ZLOTOWITZ/SCHERMAN, Bereishis, 984f, wobei ZLOTOWITZ selber dieser Meinung zuneigt. Allerdings hat dieser Tradition schon RASCHI widersprochen und lpn unter Verweis auf Ri 7,12 als literarischen Ausdruck und Synonym für !kX ›wohnen, siedeln‹ aufgefasst: »Hier heißt es, er fiel, wird er (sicher) wohnen, nach dem Tode Abraham‘s ...«. 92 Vgl. DERS., Ismael, der Wildesel in der Wüste, 336-344. 93 Die Übersicht von H. SEEBASS, ThWAT V, 521-531, organisiert das Material nach positiven, neutralen und negativen Bedeutungen der Wz., geht aber nicht auf Gen 25, 18b ein.

VI. Der Abschluss der Ismaelgeschichte (Gen 25,1-18)

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Variation im Zitat ist möglicherweise dadurch bedingt, dass !kX aus Gen 16,12 bereits in 25,18a verwendet wurde und daher in V.18b nicht nochmals wiederholt werden sollte. Die Struktur der Sätze legt aber ein synonymes Verständnis von lpn und !kX nahe, wie es auch weithin gesehen wird.

Mit den Brüdern können hier nicht die Keturasöhne gemeint sein, denn ihre Siedlungsgebiete sind von denen der Ismaeliter gerade nicht unterscheidbar. Wie in Gen 16,12 sind auch hier wohl niemand anderes als die später in Kanaan siedelnden Israeliten gemeint. Ähnlich wie in V.6 will die Niederlassungsnotiz deutlich machen, dass die Lebensbereiche der nichtisraelitischen Abrahamiten die ihrer israelitischen Brüder nicht tangieren. Die Verfasser dieser Texte binden die ›arabischen‹ Völker in der gemeinsamen Vaterschaft Abrahams verwandtschaftlich als Brüder an das Gottesvolk Israel und stellt sich ein friedliches Nebeneinanderleben dieses Völkerkreises aus der Nachkommenschaft Abrahams in der über Kanaan hinausgehenden Weite des Orients in den angegebenen Grenzen (Gen 18,15; 25,18) vor.

VII. Historische Zugänge

Das Fragen nach dem historischen Hintergrund, nach der Entstehungsund Tradierungssituation einer Erzählung sowie nach den Möglichkeiten ihrer faktischen Rezeption in Israel gehen über die traditionellen Aufgaben synchroner Textanalyse hinaus. Dennoch soll dem Problem der historischen Situierung von Erzähltexten, mit dem sich die historisch-kritischen Forschung vorzugsweise beschäftigt, nicht ausgewichen werden. Es gilt für die hier vorgelegte Interpretation im Kontext des antiken Israels denkbare historische Orte aufzusuchen, seien es Entstehungs- oder Tradierungskontexte. Dass die vorgelegte Interpretation eine dem Erzähltext gemäße ist, habe ich zu zeigen versucht; dass sie eine auch im Kontext der antiken jüdischen Gesellschaft wahrscheinliche Rezeption darstellt, bestätigen auf unterschiedliche Weise und annäherungsweise die Lesarten des Jubiläenbuchs und des Flavius Josephus (s. u. Kap. VIII). Freilich wehren sich die biblischen Erzählungen fast alle erfolgreich gegen die historiographische Neugier, mit der man ihre konkreten Erzählsituationen, den Prozess ihres Entstehens, aber auch die Bedingungen ihrer Rezeption im alten Israel genauer zu ergründen sucht. Man kann aber fragen, welche Erfahrungen Israels in einer Erzählung Platz finden, zu welcher Zeit solche möglich wurden, und in welchen Situationen Erzählungen auch auf drängende Gegenwartsfragen Einsichten und Antworten bereithielten. Dem dienen die folgenden historischen Annäherungen. 1. Die historischen ›Ismaeliter‹ und die Filiation mit Abraham Woher kommt der Name ›Ismaeliter‹? Die Träger dieses Namens sind in der biblischen Perspektive Wüstenstämme, die in den östlichen und südlichen Steppengebieten leben. Die Erwähnungen der Ismaeliter sind aber im Vergleich mit der Erwähnung anderer Nachbarvölker selten und eher in jüngeren Textschichten anzutreffen: In der Josefsgeschichte führen Ismaeliter Karawanen mit Spezereien nach Ägypten, sie gelten der Chronik als Spezialisten für Kamelzucht an Königshöfen und sie bilden nach dem dtr. Geschichtswerk Streifscharen, die von den östlich der Ammonitis gelegenen Wüsten auf ihren Kamelen zu schnellen Beutezügen nach Kanaan kommen (Ri 8). Das alles sind vereinzelte An-

VII. Historische Zugänge

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gaben. Engere historische Kontakte zwischen Ismaelitern und Israel sind biblisch nicht bezeugt. Interessanterweise fehlen die Ismaeliter unter den polemischen und oft stereotypen Aufzählungen feindlicher Nachbarvölker Israels, die in der prophetischen und dtr. Literatur nicht selten sind (zur Ausnahme Ps 83,7 s.u.). Dies liegt vermutlich an den historisch relativ geringen Reibungsflächen zwischen Israel und den ›ismaelitischen‹ Stämmen. Die Ismaeliter bilden keine Nachbarvölker, die mit Israel während seiner königzeitlichen Periode gemeinsame Grenzen hatten. Als Ismaeliter werden vor allem Einzelpersonen, gelegentlich Gruppen erwähnt. Als politisch wahrnehmbares Volk – wie Ammon, Moab, Edom, Philister, Aramäer usw. – treten sie nicht in Erscheinung. Geographisch ist ihr Lebensraum in den Belegen außerhalb der Ismaelgeschichte nicht näher bestimmt. Ihre häufige Verbindung mit der Kamelnutzung macht die Ismaeliter aber wohl zum biblischen Inbegriff des kamelhaltenden Wüstenbewohners. a) Die Josefsgeschichte kennt Ismaeliter als Händler mit Kamelkarawanen, die mit Gewürzen bzw. Aromata von Gilead im Ostjordanland nach Ägypten (Gen 37,24ff; 39,1) ziehen. Falls sie direkt aus Arabien kommen, wäre ihr Weg über Gilead nach Ägypten ein Umweg. Immerhin haben sie hier eine durchaus heilvolle Funktion in der Erzählung, indem sie Josef vor seinen Brüdern und dem drohenden Tod retten und nach Ägypten bringen.1 b) In der Gideongeschichte (Ri 8,24) werden die Ismaeliter aber als räuberische Gruppen vorgestellt, die mit ihren Kamelen vom Ostjordanland auf der Höhe von Gilead zu schnellen Überfällen ins Westjordanland kommen. In beiden Erzählungen werden die ›Ismaeliter‹ auch ›Midianiter‹ genannt. Das kann in diachroner Hinsicht so erklärt werden, dass die ›Ismaeliter‹ jeweils in späteren Textschichten in die Funktionen der ›Midianiter‹ der älteren Textschicht eintreten (Die Midianiter von gestern sind die Ismaeliter von heute!), oder aber, dass beide Begriffe zu einer bestimmten Zeit kamelhaltende Stämme der östlich und südlich an Kanaan angrenzenden Wüstengebiete bezeichneten.2 Das Letztere trifft mindestens für den Endtext sicher zu und entspricht auch dem Befund im Juditbuch3. 1

Der jüdisch-hellenistische Schriftsteller Artapanos hat dies als Verwandtenhilfe gewürdigt. S. u. Kap. VIII 3. 2 Zum Verhältnis der beiden Bezeichnungen vgl. auch E.A. KNAUF, Midianites and Ishmaelites. 3 Vgl. Jdt 2,23.26. Die Darstellung des Eroberungsfeldzuges des Holofernes (Nebukadnezars) in Jdt 2,21-28 spottet allerdings jeder Geographie. Die Angaben sind aus verschiedenen biblischen Texten entlehnt (u.a. Gen 10) und weder geographisch noch historisch sicher auswertbar. Interessant ist, dass auch in diesem Werk aus dem 1.-2. Jh.

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VII. Historische Zugänge

c) Als feindliche oder bedrohliche Macht tauchen Ismaeliter allein in der Gideongeschichte auf. Darüber hinaus sind keine Konflikte zwischen Israel und den in Gen 25,23ff als Ismaeliter aufgeführten protoarabischen Stämmen erwähnt. Eine Ausnahme scheint der späte Ps 83,7 zu bieten, der unter einer bunten Aufzählung von Feindvölkern auch die Ismaeliter nennt. Doch verdankt sich die Übernahme der Ismaeliter in diese Feindreihe erkennbar bereits der Gideonerzählung, was V.12 hinreichend deutlich macht. d) Die Chronik nennt Amasa, den später von Joab gemeuchelten judäischen General Abschaloms, Sohn des Ismaeliters Jitra (1Chr 2,17), rechnet also anachronistisch mit Ismaelitern in der Davidzeit. Jener Jitra ist nach 2Sam 17,25 allerdings Israelit, was entgegen den meisten Übersetzungen ursprünglich sein dürfte. Für die Chronik war es offenbar unverständlich, dass in ihrer Vorlage ein Israelit wie Jitra extra als ›Israelit‹ ausgewiesen werden musste. Die Daviderzählung in 2Sam indes unterscheidet genau zwischen Judäern und (Nord-)Israeliten. Amasa wird als Judäer erwähnt, so wird die nordisraelitische Herkunft seines Vaters extra vermerkt. Die Chronik verbessert: Von larXy zu la[mXy ist es ja kaum weiter als von r zu m.4 e) Nach 1Chr 27,30 hatte ein Ismaeliter namens Obil lybwa an Davids Hof die Oberaufsicht über die königlichen Kamele. Die Nachricht findet sich in 1-2Sam nicht. Kamelbesitz am judäischen Königshof ist erst für Hiskija bezeugt.5 Zudem ist Obil weniger Name als Funktionsbezeichnung für ›Kamelhirt‹ und von arab. ibil – ›Kamel‹ abgeleitet. Für den Chronisten gehören Kamele an einen Königshof. Also stattet er auch den Hof Davids mit ihnen und einem entsprechenden Experten aus. Das kann eben nur ein ›Ismaeliter‹ sein, was hier wohl schon allgemein einen ›Araber‹ meint.6 Über die Herkunft der biblischen Bezeichnung ›Ismaeliter‹ gibt es zwei Theorien: Die ältere stützt sich auf die Ismaelerzählungen der Genesis und findet in ihnen Reste ismaelitischer Stammessagen, die ins 2. Jt. v. Chr. zurückreichen und ein in Südpalästina lebendes Volk der Ismaeliter bezeugen sollen, mit denen sich protoisraelitische Stämme verwandt fühlten, weil sie gemeinsame geschichtliche Erfahrungen in v. Chr. Ismaeliter und Midianiter generalisierende Bezeichnungen für Wüstenstämme Arabiens sind. Vgl. I. EPHʿAL, Ishmael, 231f. 4 E.A. KNAUF, Ismael, 12f. Durch die Veränderung macht die Chronik Amasa zum Spross einer judäisch-ismaelitischen Fremdehe, in der sie nichts Anstößiges erblickt. 5 Vgl. die Beuteliste Sanheribs 701 v. Chr. (3TGI 68). Kamelhaltung an Davids Königshof ist historisch wenig wahrscheinlich, da sie an altorientalischen Höfen erst nach dem 9. Jh. v. Chr., und dann spärlich, zu belegen ist. Im Einzelnen E.A. KNAUF, Ismael, 14. 6 Der Sprachgebrauch Ismaeliter = Araber beginnt bereits in den späten biblischen Partien; ähnlich auch Gen 21,20f; 25,12ff. Vgl. I. EPHʿAL, Ishmael, 231-233; E.A. KNAUF, Ismael, 12 Anm. 51.

VII. Historische Zugänge

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dieser Region verbanden. Die Ismaelerzählung und das israelitischismaelitische Verwandtschaftswissen gehören historisch in diese Vorzeit und sind seither in Israel überliefert worden. Der Name ›Ismaeliter‹, der im 1. Jt. v. Chr. eher für Stämme der arabischen Wüste benutzt wurde (Gen 25,13ff), so lautet die These, habe seine Wurzeln bei diesen Ismaelitern Südpalästinas im 2. Jahrtausend. Diese Sicht ist heute aus vielerlei Gründen aufzugeben: Ein südpalästinisches Volk ›Ismael‹ im 2. Jt. ist außerhalb dieser fragwürdigen Auswertung der Abrahamerzählung weder in der Bibel noch in außerbiblischen Quellen bezeugt. GUNKEL hatte einst das hohe Alter der Überlieferung von Gen 16; 21 u.a. damit begründet, dass sie von einem alten Volk ›Ismael‹ weiß, »von dem kein historischer Bericht meldet.«7 Das Schweigen der nichtbiblischen Quellen, nach denen vor dem 8. Jh. v. Chr. kein Volk ›Ismael‹ bezeugt ist, ist wohl dahingehend zu interpretieren, dass es in der Zeit davor ein solches Volk auch im südlichen Palästina nicht gegeben hat. Diesem historischen Befund entsprechen auch neuere literatur- und theologiegeschichtliche Einsichten, nach denen die Abrahamerzählung mit ihrer prägnanten Verheißungstheologie (Gen 12,2f usw.) frühestens in die exilische Zeit gehört. Die Ismaelepisoden sind – wie wir sahen – gerade von diesen theologischen Gestaltungen geprägt. Sie ist auch in den Texten präsent, die von jeher als literarisch jünger eingeschätzt wurden8, so dass es historisch unwahrscheinlich ist, bei den Ismaelverheißungen an Reste alter, vorisraelitischer (ismaelitische) Überlieferungen zu denken, die Israel nur noch tradiert, aber nicht mehr beachtet hat. Auch dies macht es wenig wahrscheinlich, dass sich die Ismaelepisoden – auch nur in Einzelzügen – so weit zurückverfolgen lassen, wie es der überlieferungsgeschichtliche Ansatz mit seiner Vorstellung uralter, mündlich überlieferter Sagen verlangt. Die historisch wahrscheinlichere Lösung hat nach dem Vorgang älterer Arbeiten KNAUF ausführlich begründet.9 Danach nimmt die hebräische Bezeichnung ›Ismaeliter‹ den Namen eines bedeutenden Verbandes protoarabischer Stämme in Nordarabien, der in assyrischen 7

Zit. GUNKEL, Genesis, 192, dessen Ansatz noch die Grundlage von WESTERMANNs Sicht der Dinge bildet und wesentlich auch die Arbeiten EPHʿALs, Ishmael, bestimmt. Zur Forschungsgeschichte vgl. E.A. KNAUF, ABD III, 515-517. 8 Vgl. Gen 17. Hierzu zählen auch die weithin als späte(re) Nachträge angesehenen Verheißungen in Gen 16,10; 21,13.18. Rechnet man in einem diachronen Modell mit einem stufenweisen Wachstums der Erzählungen in Gen 16 und 21, dann müsste die zunehmende Akkumulation von Verheißungsworten auf Ismael und Hagar als längerfristiger Prozess der Ausfaltung einer Ismaeltheologie in Israel interpretiert werden. 9 Vgl. E.A. KNAUF, Ismael, von dem auch die Artikel »Ishmael«, »Ishmaelites« und »Bedouin and Bedouin States« in ABD und EBR stammen; ferner M. WEIPPERT, Kämpfe, 39-85; DERS., LA 5, 172f; U. HÜBNER, NBL II, 242-244.

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VII. Historische Zugänge

Quellen des 8.-7. Jh.s unter dem Namen šumu’il gut bezeugt ist und zwischen dem 8. und dem 7. Jh. v. Chr. einige Bedeutung erlangt hat. šumu’il bezeichnet kein einzelnes Volk ›Ismael‹, sondern eine Konföderation verschiede-

ner Völker und Stämme Nordarabiens, die sich im 8. Jh. bildete und als erstes bedeutendes, überregionales Machtgebilde Nordarabiens in Erscheinung trat. Den Namen ›Araber‹ in der Form aribi, arabu, u.ä. kennen assyrische Texte für die Völker der Wüsten Nordarabiens schon seit dem 9. Jh.10 Zu ihnen gehört dann auch die Konföderation šumu’il. Die Namen der Stämme, die sie vereint, begegnen zum überwiegenden Teil in der Ismaeliterliste in Gen 25,13f wieder. Stärkster Teilnehmer dieser Konföderation war der Stamm Kedar, dessen König, häufiger noch dessen Königin, auch politisch an der Spitze von šumu’il stand. Die politische Blütezeit reicht vom Ende des 8. bis weit ins 7. Jh. v. Chr. Zwischen 738 v. Chr. bis in die 2. Hälfte des 7. Jh. hinein lässt sich eine Liste der Herrscherinnen und Herrscher von šumu’il aufstellen.11 Sehr lange hat šumu’il als Machtgebilde aber nicht bestanden. Im 6. Jh. v. Chr. löst sich die Konföderation auf, vermutlich im Zusammenhang mit der Zerschlagung der palästinischen Kleinstaaten durch die Neubabylonier und der dadurch verursachten arabischen Wanderbewegungen. Die Quellen über den Arabienfeldzug Nabonids Mitte des 6. Jh.s erwähnen šumu’il nicht mehr. Der Name verschwindet, während einzelne seiner Mitglieder als wesentliche Machtfaktoren Nordarabiens in der Perserzeit und über diese hinaus weiter bestehen bleiben (z.B. Kedar, Duma).12

Dass der biblische Sprachgebrauch ›Ismaeliter‹ dem Namen dieser Koalition weitgehend entspricht, dafür legt die Ismaeliterliste (Gen 25,13ff) als Abschluss der Ismaelgeschichte eindrücklich Zeugnis ab. Auch sie fasst ›Ismael‹ als einen Stämmeverband, nicht als einzelnes Volk. Und ein Großteil der Stämme, die in den altorientalischen Quellen zu šumu’il gehören, begegnet in dieser biblischen Liste als Söhne Ismaels wieder.13 Auch der sonstige biblische Sprachgebrauch entspricht diesem Befund zumindest darin, dass mit ›Ismaelitern‹ wohl vor allem in einem recht unspezifischen Sinn (kamelhaltende) Stämme der arabischen Wüstengebiete gemeint sind. Die Konturen eines ethnisch und regional abgrenzbaren (Nachbar-)Volkes hat ›Ismael‹ in der Bibel nicht. Folgt man dieser Gleichung ›Ismaeliter‹ = šumu’il, muss man freilich die Frühdatierung aufgeben,14 denn von ›Ismaelitern‹ konnte man auch 10

Vgl. nur die Monolith-Inschrift Salmanassar III., in der von einem Araber namens

Gindibu die Rede ist, dem Führer der von Assyrien besiegten arabischen Streitmacht,

der 1000 Kamele Tribut zu zahlen hatte (3TGI 49f). In der Bibel ist die Bezeichnung ›Araber‹ erst ab der exilischen Zeit bezeugt. Vgl. Jer 3,2; Jes 13,20; Ez 27,21; Neh 2,19; 4,1 und häufig im chronistischen Werk. Vgl. W. MÜLLER, NBL I, 143-145. 11 E.A. KNAUF, Ismael, 5. 12 Zu den Einzelnachweisen vgl. E.A. KNAUF, Ismael, 1-55 u. o. zu Gen 25,13ff. 13 Vgl. Nebajot, Kedar, Adbeel, Massa und Duma. 14 Gegen dieses Modell hat sich zugunsten der älteren Theorie I. EPH’AL Ishmael, mit folgenden Gründen gewandt: Die biblischen Ismaeliter bezeichnen »the main tribal confederation south of Palestine« (225) in der Zeit vor dem 10. Jh. v. Chr., und haben über die Zeit Davids hinaus nicht bestanden. Sie haben weder mit šumu’il noch mit den späteren ›Arabern‹ historisch irgendetwas zu tun. Das Verwandtschaftswissen Israel-Ismael

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in Israel frühestens seit dem 8. Jh. v. Chr. sprechen, während der Begriff natürlich auch über das politische Ende der historischen šumu’il zur Bezeichnung arabischer Stämme beibehalten werden konnte und in der Bibel (und ihrer Nachgeschichte) auch wurde. 2. Südpalästina als geographischer Raum der Abrahamerzählung Eine gewisse Spannung besteht zwischen dem Lebensraum der historischen šumu’il in Nordarabien und Ismael in Gen 21,21 mit der Wüste ›Paran‹ zugewiesenen Lebensraum in Südpalästina bzw. dem Nordsinai. Diese Spannung reicht aber nicht aus, um an zwei verschiedene Völker gleichen Namens zu denken. In der Ismaelerzählung symbolisiert die südpalästinische Heimat Ismaels die unmittelbare Nachbarschaft der beiden Abrahamsöhne, wobei die Nähe zu Ägypten wegen der traditionell vorgegebenen Verbindung von Hagar und Ägypten eine Rolle gespielt haben mag. Erst die 12 Stämme der Ismaeliter in Gen 25,18 besiedeln dann die nordarabischen Wüstenregionen, worin der Herrschaftsraum der historischen Ismaeliter geographisch eingeschlossen ist. Anders als durch die Entsendung der Keturasöhne nach Osten (Gen 25,5), nimmt die Entstehung der Ismaeliter in der Sicht der biblischen Erzählung von Südpalästina aus ihren Ausgangspunkt. Der südpalästinische Raum war geographisch die Region, in der Judäer mit protobeduinischen bzw. edomitischen Gruppen in Kontakt kommen konnten. Während der vorexilischen Zeit war Juda geographisch und vor allem wirtschaftlich viel stärker mit den südlichen Steppengebieten des Negev verbunden als etwa nach Norden orientiert. Durch die assyrische Expansionspolitik der Gebietsabtrennung vom Rumpfstaat Juda am Ende des 8. Jh.s v. Chr. wird diese traditionelle Südorientierung geschwächt, was sich und ein knappes Jahrhundert später noch dadurch verstärkt, dass König Joschija die Reorganisation des judäischen Staats durch Gebietserweiterung nach Norden voranzutreiben suchte.15 ist ein Erbe des 2. Jahrtausends. Die Ismaeliterliste Gen 25,13ff dagegen sei ein ethnologischer Midrasch ohne historischen Wahrheitsgehalt. Ein später ›compiler‹ verband die biblischen Ismaeliter mit den Arabern, weil er sie beide als Wüstenbewohner kannte (229). Keiner der biblischen Ismaeliterbelege sei jünger als das 10. Jh. (die Zeit Davids; auch 1Chr 2,17; 27,30; Ps 83,7). Zudem sei sprachlich der Lautübergang von akk. šumu’il zu hebr. la[mXy unerklärbar. Die Argumentation von I. EPH’ALs macht in eindrucksvoller Weise die Konsequenzen deutlich, zu denen man auch im Hinblick auf die Datierung biblischer Texte gezwungen ist, wenn man an der traditionellen Sicht festhalten möchte. Zur Auseinandersetzung vgl. E.A. KNAUF, Ismael; und zur Frage des Lautübergangs DERS., ebd., 6f m. Anm. 31: »Ist die Gleichheit der beiden Namensformen auch nicht so einfach herzustellen, wie es versucht worden ist, so ist ihre Gleichsetzung philologisch doch kein Problem«. 15 Vgl. hierzu T. WILLI, Juda-Jehud, 3ff.

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Die Edomiter hatten ihr Siedlungszentrum in vorexilischer Zeit östlich des wadi ‘araba. Doch drängten sie im 7. Jh. unter dem Druck transjordanischer Bevölkerungsverschiebungen in die Steppen des südpalästinischen Negev, wo sie nun wenig Widerstand vorfanden. Archäologisch und epigraphisch ist das Vordringen der edomitischen Bevölkerung in den judäischen Negev inzwischen eindrucksvoll nachweisbar. Vor allem im östlichen Negev bildete sich südlich der Linie Arad-Beerscheba im unmittelbaren Kontakt mit der judäischen Bevölkerung eine eigenständige edomitische Kultur aus (Qiṭmit, Ḥorvat ‘Uza; Hirbet el-Garre u.a.).16 Die Gründe für diese Bevölkerungsverschiebung liegen zum nicht geringen Teil im Weihrauchhandel, der seit der assyrischen Expansion im 8. Jh. deutlich gesteigert wurde. Der südliche Ausläufer der Weihrauchstraße führte mit einzelnen Handelsniederlassungen über das Tal von Beerscheba nach Gaza. Entlang dieser Handelslinie entwickelte sich eine spezifisch multiethnische Kultur.17 Die judäisch-edomitische Bevölkerungsgrenze verschiebt sich im Zusammenhang der Ereignisse der neubabylonischen Expansion im 6. Jh. v. Chr. nochmals entschieden weiter nach Norden. Das Klagewort Jeremias angesichts des ersten babylonischen Feldzugs (598 v. Chr.): »Die Städte des Negev sind verschlossen – und niemand öffnet.«, besagt vielleicht, dass schon vor dem endgültigen Fall Jerusalems die wichtigen Orte des judäischen Südens nicht mehr zum judäischen Territorium gehört haben.18 Spätestens seit 587 v. Chr. aber gehört der ganze Süden einschließlich des alten judäischen Königsortes Hebron nicht mehr zu Judäa: »Wohl schon für die Babylonier, sicher für die Perser endete die Provinz Jehud südlich von Bet Zur.«19 Dies wird bis in die Makkabäerzeit für Jahrhunderte so bleiben. Während die transjordanischen Edomstämme nach dem Verlust der Eigenstaatlichkeit im Zusammenhang der Arabienfeldzüge Nabonids (553/52 v. Chr.) allmählich in den Nabatäern aufgehen, werden Bevölkerung und Gebiet des cisjordanischen Südens in der persischen Eparchie/Hyparchie Idumäa organisiert. Ab der Exilszeit lagen Hebron, Mamre und die Erzelterngräber20 sowie nahezu alle geographischen Haftpunkte der Abrahamgeschichte außerhalb Judäas im Siedlungsbereich einer sich zunehmend vergrößernVgl. etwa I. BEIT-ARIEH, New Light on the Edomites; DERS., Edomite Advances into Judah; für die religionsgeschichtlichen Fragen bes. E.A. KNAUF, DDD, 674-677. 17 Vgl. L. SINGER-AVITZ, Beersheba - A Gateway Community. 18 Vgl. T. WILLI, Juda – Jehud, 10, der auf grundlegende Aufsätze A. ALTs hinweist. 19 T. WILLI, Ebd. 20 Zur wachsenden Bedeutung Mamres und des Patriarchengrabes in nachexilischer Zeit vgl. OLB II, 696-713; W. ZWICKEL, NBL II, 701f; U. BECHMANN, Abraham, 293309; D. JERICKE, Abraham in Mamre; DERS., Hebron. Für die priesterschriftliche Erzählebene ist Mamre ein Heiligtum bei Hebron, unmittelbar gegenüber der Patriarchengräber von Machpela (Gen 23,17.19; 25,9; 49,30; 50,13).

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den edomitisch-arabischen Mischbevölkerung, in der es epigraphisch nachweisbar auch judäische Anteile gab21. Die Unterscheidung zwischen arabischer und edomitischer Kultur in Südpalästina dürfte ab dem 6. Jh. kaum noch möglich sein.22 Und wie eng die Verbindung zwischen Judäa und der später eingerichteten persischen Eparchie Idumäa (Edomiterland) blieb, zeigt dann die weitere Geschichte. Doch scheint schon die Mission Nehemias Mitte des 5. Jh.s auf eine Situation getroffen zu sein, in der meist einheimische einflussreiche Familien oder Notabeln die amtlichen Verwaltungsfunktionen in den einzelnen Subprovinzen im persischen Auftrag versahen. Sie hatten einen Gouverneurssitz, verfügten über kleinere militärische Einheiten und über das Recht eigener Münzprägung.23 Als Widersacher der Jerusalemer Baubemühungen Nehemias sind vier Parteien genannt: die Familie Sanballat als Gouverneur der Jehud nördlichen Provinz Samaria, die Tobiaden für die transjordanischen Gebiete im Osten Jehuds, die Aschdoditer, die hier für die westlich angrenzende Provinz Philistäa stehen, sowie »Geschem, der Araber« (Neh 2,19 u. ö.). Schon diese Zusammenstellung spricht dafür, dass jener mehrfach erwähnte Araber Geschem (Neh 2,19; 6.1f; vgl. auch 4,1) oder Gaschmu (Neh 6,6) als Gouverneur oder Herrscher der südlich Jehud liegenden Gebiete angesehen werden muss.24 Der biblisch eher beiläufig erwähnte Geschem ist sehr wahrscheinlich identisch mit jenem mächtigen Kedariterscheich Guśam b. Ṥahr, der nach dem Zeugnis lihyanischer Inschriften des 5. Jh. auch große Teile des nordarabischen Hedschas unter persischer Oberherrschaft kontrollierte und den auch Herodot (hist. III 4,3) als den König der Araber auf dem Sinai erwähnt.25 Mindestens aber ist er ein Glied dieser in mehreren Generationen nachweisbaren Herrscherfamilie Geschem/Gaschmu mit bedeutendem Einfluss in den östlichen und südlichen Regionen. Darüber hinaus zeigen die archäologischen Daten, dass auch die arabisch-edomitische Südregion bereits im 5. Jh. eine Verwaltungseinheit unter persischer Oberhoheit darstellt, so dass es gute Gründe für die Annahme gibt, auch in Geschem, dem Araber, nicht nur einen arabischen Stammesführer, sondern einen persischen Offiziellen und Gouverneur zu sehen.26 Wir halten fest: Hebron, Mamre und die Belegt sind im 4. Jh., aus den Anfangsjahren der Provinz Idumäa, jüdische, edomitische und arabische Personennamen in den aramäischen Ostraka von Arad und dem Tell es-Seba‘. Vgl. E.A. KNAUF, NBL II, 213f, und A. KASHER, Idumaeans, Nabateaens and the Jews. 22 Vgl. E.A. KNAUF, Edom und Arabien, 62-81. 23 Vgl. T. WILLI, Juda-Jehud, 28 m. Anm. 43. 24 Vgl. E.A. KNAUF, Ismael, 104f m. Anm. 569 und S. 156f; J.M. MYERS, Edom and Judah in the Sixth-Fifth Centuries B.C. 25 Die Quellenlage bei E.A. KNAUF, ebd. 26 Die Grabungen auf Tell Gemme, Tell Sera, Tell es-Seba, Arad u.a. haben überall 21

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Erzelterngräber sowie nahezu alle geographischen Haftpunkte der Abrahamgeschichte liegen ab der Exilszeit außerhalb Jehuds im Siedlungsbereich einer sich zunehmend vergrößernden edomitisch-arabisch-judäischen Mischbevölkerung.27 Seit der Zeit Nehemias ist die Südregion als persische Verwaltungseinheit nachweisbar, die vermutlich im Auftrag der Reichsregierung von einem mächtigen arabisch-kedaritischen Herrscherclan Geschem/Gaschmu verwaltet wurde. Wenn man aus Jes 51,1f schließen darf, dass die Verehrung Abrahams und Saras als Mutter und Vater Israels im Ahnenkult am Erzelterngrab ihren rituellen Hintergrund hat, dann belegt das Wort Deuterojesajas die große und eher steigende Bedeutung dieses Abrahamgedenkens für die Formierung bzw. Wiedergewinnung einer judäisch-israelitischen Identität. Andererseits verschiebt sich der soziokulturelle Hintergrund des Ahnenkults am Erzelterngrab mehr und mehr im Hinblick auf die Zusammensetzung der im Umkreis Hebrons lebenden Bevölkerungsgruppen. Wenn also arabische und edomitische Stämme in den Genealogien der Genesis auf den Patriarchen Abraham zurückgeführt werden, nicht aber die transjordanischen Völker Moab und Amnon, dann ist es nicht schwer, sich vorzustellen, dass diese Verbindung ihren historischen Sitz im Leben im gemeinsamen Ahnenkult Abrahams und Saras in Hebron hatte. Dabei kann die in vorexilischer Zeit ursprünglich nur von südjudäischen Gruppen gepflegte Ahnenverehrung in Mamre spätestens ab der Exilszeit gesamtisraelitische Bedeutung erlangt haben, während die Vielvölkerdimension Abrahams dann sekundär hinzukommt und vielleicht in dem Umstand gründet, dass sich im Zusammenhang der Bevölkerungsverschiebungen ab dem 6. Jh. zunehmend edomitische wie arabische Stämme an diesem Ahnenkult in Mamre beteiligten.28 Da sich Spuren militärischer Präsenz in persischer Zeit zutage gefördert. Ostraka weisen auf die Stationierung von persischen Militärverbänden hin. E.A. KNAUF, Persian Administration, 201-217; zusammenfassend T. WILLI, Juda-Jehud, 28 m. Anm. 43, der Geschem als persischen Statthalter aus der kedaritischen (arabischen) Königsfamilie namens Geschem/Gaschmu anspricht. 27 Dieser Sachverhalt ist ein starkes Argument dafür, dass die Entstehung der Abrahamüberlieferung älter sein und in die Königszeit zurück reichen muss, auch wenn die Propheten des 8. Jh. Abraham als Ahn Israels noch nicht erwähnen. 28 Dass sich zugezogene Gruppen an lokalen Kulten beteiligen ist religionsgeschichtlich im Orient häufiger zu beobachtban. Ein gemeinsamer Ahnenkult von Judäern und um Mamre/Hebron siedelnden Gruppen ist nicht undenkbar, freilich bisher nicht beweisbar. W. ZWICKEL, Das Heiligtum von Mamre, 27f, vermutet, dass die Erzählung von Abrahams Kauf der Grabhöhle von den Landesbewohnern (Gen 23, traditionell P) erzählt wurde, um die judäischen Ansprüche auf das exterritoriale Erzelterngrab neu deutlich zu machen. Dann würden für den Erzähler von Gen 23 die »Hethiter« aus Vorzeit des Erzvaters Abraham als die Repräsentanten der »Arabo-Edomiter« im Umkreis von Hebron aus der Gegenwart des Erzählers zu stehen kommen. Auffallend bleibt der generöse und auf freundlichen Ausgleich mit den Landesbewohnern bedachte Ton.

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das Verwandtschaftswissen zwischen Edom und Israel schon in älteren geprägten Erzählüberlieferungen Ausdruck verschafft hatte, konnten die arabischen Bevölkerungsgruppen in Südpalästina, deren Herkunft aus und Verbindung mit den transjordanischen nordarabischen Gebieten nicht verborgen bleiben konnte, erzählerisch am besten unmittelbar mit Abraham, dem traditionsgeschichtlich jüngsten der Erzväter, verbunden werden. So wird beides, die südpalästinische Perspektive wie der geographische Ausgriff nach Arabien, in der Ismaelgeschichte verständlich. Ein solches Szenario ist natürlich spekulativ und nicht beweisbar, passt aber mindestens in die historisch-archäologisch gesicherte Datenlage hinein.29 Für unseren Zusammenhang entscheidend ist freilich nicht der historische Ursprung einer Erzähltradition, sondern das, was durch die Erzähler in Israel mit ihr entwickelt wurde. Auch diese historischen Überlegungen legen insgesamt eine Spät(er)Datierung der Erzählung vom Abrahamsohn Ismael als heros eponymos der Ismaeliter nahe. Denn sie setzt nicht nur die historische Existenz der protoarabischen Ismaeliter und den Kontakt Israels mit ihnen voraus, sondern auch die genealogische und theologische Reflexion dieses Kontakts. Das 7. Jh. bildet hierfür nur den frühesten Zeitpunkt. Dieses historische Argument fügt sich zu einer Reihe theologischer und literaturgeschichtlicher Einsichten, nach denen eine theologisch durchgearbeitete Komposition der Abrahamgeschichte ebenfalls nicht früher angesetzt werden kann. 3. Theologiegeschichtliche Perspektiven Die Rezeption Abrahams als Ahnvater Israels und als Verheißungsträger begegnet außerhalb der Genesis erstmals in Texten seit der Exilszeit (s.u.) und nimmt von da an auch in der nach- und nebenkanonischen Literatur größere Ausmaße an. Ein schwer auszumachender älterer Teil der Abrahamüberlieferung in der Genesis mag Grundlage dieser im Exil einsetzenden Rezeption sein, in ihrer jetzigen Gestalt ist die Abrahamgeschichte sicher eines ihrer Ergebnisse.30 Die Ausformung der Ismaelerzählung und -theologie lässt sich nur als Teil der Rezeption Abrahams in Israel verstehen, genauer: als Teil der Rezeption Abrahams in seiner

Dies ist ein Vorzug gegenüber der alten These NOTHs, Pentateuch, 118ff, wonach die Ismael- und Isaakepisoden in den Überlieferungen zweier unterschiedlicher Stämme des 2. Jahrtausends gründen, die gemeinsam den Brunnen Beer-Lahaj-Roi nutzten. 30 C. HARDMEIER, Erzählgemeinschaft, kommt aufgrund der Untersuchung der Abrahamrezeption bei Deuterojesaja zu dem Ergebnis, dass »die uns vorliegende Komposition der Abrahamerzählung in der Genesis durchaus gleichzeitig und gleichursprünglich mit Deuterojesajas Bezugnahmen auf die Abrahamgestalt ihre heutige Ausformung gewonnen hat, wenn nicht sogar unter seinem Einfluß« (30f m. Anm. 7).

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Funktion als Symbolgestalt und Verheißungsträger für Israel und als Völkervater. 1. Wie kommt man in Israel dazu, für die historischen Ismaeliter = šumu’il einen heros eponymus namens Ismael zu finden und diesen als Sohn Abrahams in die eigene Verwandtschaft einzubinden? Die übliche Antwort, dass sich darin ein uraltes aus dem 2. Jahrtausend herkommendes Verwandtschaftswissen beider Völker erhalten hat31, ist nun obsolet geworden. Wenn die historischen Ismaeliter die Weltbühne erst im 8.Jh. v. Chr. betreten haben, kann ein entsprechendes Verwandtschaftswissen in Israel keinesfalls älter sein. Ein solches Wissen ist auch in den spärlichen Ismaeliterbelege außerhalb der Genesis nicht zu erkennen. Als heros eponymus der ›Ismaeliter‹ kann Ismael nur dann ein Sohn Abrahams werden, wenn Abraham nicht allein als Vater Israels, sondern auch als Vater weiterer Völker angesehen wird. Die über Israel hinausgreifende genealogische Bedeutung Abrahams32 aber ist vermutlich auf die Konstruktionsversuche der genealogischen Wissenschaft in Jerusalem zurückzuführen,33 mit denen sie die um- und auch fernliegende Völkerwelt verwandtschaftlich zu ordnen und in Beziehung zu Israel zu bringen sucht. Ihre Bemühung liegt im genealogischen System der Genesis vor, das sich am stärksten auf der priesterschriftlichen Erzählebene ausgeprägt hat. So werden einige Völker in eine enge genealogische Beziehung zu Israels Ahnen gebracht: Aramäer, Moabiter und Ammoniter gehören zur Terachgruppe, Ismaeliter und Edomiter zu den leiblichen Nachkommen Abrahams; andere wie die Kanaanäer werden dagegen genealogisch sehr weit entfernt eingeordnet.34 Welche Gründe zur Filiation Abraham-Ismael geführt haben, lässt sich nicht näher klären. Frühe historische Kontakterfahrungen oder ein in Israel verwurzeltes altes VerDiese These bestimmt – nebenbei bemerkt – auch die heilsgeschichtlich orientierten Perspektiven der traditionell jüdischen, der traditionell christlichen und in Teilen auch der islamischen Geschichtssicht. Darin wird die Abrahamüberlieferung als Völkergeschichte historisiert. Filiation und Verwandtschaft Abrahams mit Ismael und Isaak, also die abrahamitische Ökumene als völkergeschichtliche Gegebenheiten angesehen, die der Geschichte Israels historisch vorausliegen und die in der Bibel nur reflektiert, aber nicht hervorgebracht werden. Freilich müssen auch Muslime einräumen, dass es trotz des Reichtums nachkoranischer Überlieferungen in dieser Frage einen Hinweis auf einen genuin arabischen Abrahamismus, der sich nicht der biblischen Tradition verdankt, aus vorislamischer Zeit bisher nicht gibt. Vgl. hierzu ausführlich I. SHAHID, Byzantium and the Arabs in the Fifth Century, und R. DAGORN, La Geste d‘Ismaël. 32 Die Idee von ›Abraham als Völkervater‹ (für Ismaeliter, Keturasöhne und auch Edomiter) und die universalen Konzeptionen der Abrahamgestalt (s.o. zu Gen 17,4-6) bedingen sich gegenseitig. Ersteres erscheint als genealogische Konkretion des letzteren. 33 E.A. KNAUF, Ismael, spricht von der Jerusalemer Listenwissenschaft. Die stärksten Zeugnisse ihrer Konstruktionsfähigkeit sind zweifellos die Völkertafel in Gen 10 sowie die Abrahamitenstammbäume in Gen 25; 36. 34 Zum Verfahren solcher genealogischer Zuordnungen vgl. F. CRÜSEMANN, Menschheit und Volk.

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wandtschaftswissen wie im Fall Edoms35 müssen nicht dahinter gestanden haben. Einige Spekulationen: Vielleicht sind die Ismaeliter als diejenigen unter den als verwandt angesehenen, semitischen Völkern, zu denen die historischen Kontakte Israels nicht so belastet waren, dass man von ihrem Ahnvater als Verheißungsträger und Repräsentant der abrahamitischen Ökumene erzählen konnte, was von Ammon, Moab, Edom so nicht möglich gewesen sein mochte. Vielleicht stand auch das Erhörungsmotiv im Namen Ismaels an der Wiege einer Theologie, die über die Zuwendung des Gottes Israels zum heros eponymus nichtisraelitischer Völker nachdachte. Vielleicht ist die Filiation Abraham-Ismael eher zufällig, und die Ismaelerzählung formt aus, was es dramatisch und theologisch heißen kann, dass Ismael Abrahams Sohn geworden ist, ohne doch Ahnvater Israels zu werden. Vielleicht kommt all dies und noch anderes zusammen. Die in ihr ausgeprägte Ismaeltheologie erscheint in jedem Fall als Seitentrieb der Abrahamtheologie und hat diese zur Grundlage.

Nun lässt sich aus der genealogischen Verbindung von Abraham und Ismael zwar das Bedürfnis in Israel erklären, auch von diesem Sohn des Ahnvaters zu erzählen, besonders, nachdem Abraham zum Ahnvater und zur Symbolgestalt Israels schlechthin geworden war. Die Theologie freilich, die sich in der Ismaelerzählung ausspricht, lässt sich mit dem Hinweis auf diese genealogischen Vorgaben allein nicht erklären. Genealogische Ordnungsbemühungen nötigen keineswegs dazu, den Stammvater als verwandt angesehener Völker (und damit diese selbst) in die Verheißungs- und Bundestheologie der eigenen Ursprungserzählung einzubeziehen. 2. Die theologisch konzeptionelle Prägung der Ismaelerzählung führt in eine verhältnismäßig späte Zeit, die durch die priesterschriftliche Erzählebene repräsentiert wird. Hagar und Ismael werden als nichtisraelitische Ahnen einerseits in die Verheißungskonzeption eingebunden, die mit Gen 12,2f beginnt und die Abrahamgeschichte theologisch programmiert und zusammenhält. Abraham ist als Identifikationssymbol Israels zugleich Vater eines großen Volkes und ein Segen für die ganze Welt. Andererseits hat die priesterschriftliche Abrahamtheologie Wesentliches zur Ausformung der Ismaelkonzeption beigetragen. Gott bestimmt im Bundesschluss Gen 17 Abraham zum ›Vater der Völker‹. Das darin mitgeteilte Heil gilt dem ›Samen Abrahams‹ auch in seiner über 35

Das Verwandtschaftswissen zwischen Edom-Israel ist dagegen auch außerhalb der Jakob-Esau-Erzählung biblisch und wohl auch historisch besser bezeugt und könnte das Muster für die Konstruktion der Verwandtschaft Israel-Ismael abgegeben haben. In Israel war zumindest das Bewusstsein der Verwandtschaft mit anderen semitischen Völkern wohl schon früh vorhanden. Zur Verwandtschaft Israels und Edoms vgl. Dtn 23,8; Ri 5,4f; Dtn 33,2f; Hab 3,3 und das auffällige Fehlen jeder religiösen Polemik gegen die Edomiter. Vgl. M. WEIPPERT, Edom und Israel, 297: »Unter ihren Nachbarvölkern haben sich die Israeliten keinem im Guten wie im Bösen so verbunden gefühlt wie den Edomitern«. Vgl. ferner B. DICOU, Edom, und E.A. KNAUF, Qôs.

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Israel hinausgehenden Gestalt. Dafür steht die Erneuerung des Schöpfungssegens an Ismael (17,20). Beide Söhne Abrahams sind ›Same Abrahams‹ und formen in ihren Nachkommenslinien die Umrisse eines abrahamitischen Völkerkreises als Wirkungsraum des im Abrahambund vermittelten Gottessegens. Für P ist der Gott Abrahams und Israels der Schöpfergott, der sich mit dem Segen, der die ganze Schöpfung erhält, in unterschiedlicher Weise der noachidischen Menschheit, der Nachkommenschaft Abrahams und seinem Volk Israel zuwendet. Eine solche weiträumige, von Existenzkämpfen beruhigte und die Welt umspannende Theologie ist historisch m.E. erst auf dem politischen Hintergrund des achämenidischen Weltreichs denkbar, in dem sich am Ende des 6. Jh.s ein seiner Staatlichkeit beraubtes, zerschlagenes und in der Diaspora zerstreutes Israel einfand, das nun seine Existenz in einer wenn nicht friedlichen, so doch religiös und politisch befriedeten Vielvölkerwelt theologisch neu zu bedenken hatte. Die priesterschriftliche Perspektive bietet dafür ein einprägsames Beispiel, indem sie das partikulare Heilshandeln Gottes mit seinem Volk vor dem Hintergrund und als einen besonderen Fall der göttlichen Zuwendung zur ganzen Welt bedenkt. Dieser theologische Universalismus ist natürlich nicht einfach ein Reflex auf die politischen Gegebenheiten des persischen Imperiums, sondern älter und reicht in die vorexilische Prophetie und vor allem die Jerusalemer Königs- und Zionstheologie zurück. Aber die Notwendigkeit zu universalem Denken verstärkt sich unter den besonderen Bedingungen der achämenidischen Zeit. 3. Die Abrahamtheologie der Genesis fügt sich in diese Bemühungen ein, insofern sie einerseits in der Gestalt des Ahnvaters die Rolle Israels zum Segen der Völker bedenkt, andererseits auch die genealogische Bedeutung Abrahams über Israel hinaus für die Völker herausstellt. An Ismael und den Ismaelitern wird diese über Israel hinausgehende Bedeutung Abrahams paradigmatisch zur Anschauung gebracht. Falls sich die wesentliche Ausarbeitung der Ismaelerzählung diesem historischen Kontext verdankt, ist nicht uninteressant, dass es in achämenidischer Zeit den nordarabischen Stämmeverband der ›Ismaeliter‹ nur noch in der Erinnerung gab. Das wehrt dem Kurzschluss, als wolle die Ismaelerzählung hauptsächlich das politische Verhältnis der Völker ›Israel‹ und ›Ismael‹ in der Perserzeit zur Darstellung bringen, regulieren oder normieren. Als Teil der Abrahamgeschichte hat sie auch im antiken Israel immer ursprungsmythische Qualität, ist sie als eine Erzählung verfasst, die in der Tiefe der Vergangenheit spielt und ihre Aktualität darin behält, dass sie symbolisiert, verdichtet und verfremdet. Die Erzählung enthält gewiss bemerkenswerte Handlungs- und Deutungsmuster über den herrschafts- und angstfreien Umgang mit nichtisraelitischen Völkern. Sie lässt sich auf der individuell-familiären Ebene als eine paradigmatische Erzählung vom Umgang mit Menschen lesen, die nicht zur eige-

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nen Gruppe gehören; als Drama von Schuld und Verwirrung, Bedrohung und Segen im Haus Abrahams und Saras, als ein Stück großer hebräischer Erzählkunst in Israel. Die völkergeschichtliche Dimension, die sie unablösbar auch enthält, ist überlieferungsgeschichtlich oft überstrapaziert und verengt im Hinblick auf eine Ätiologie der Ismaeliter verstanden worden. Nur will die Abrahamgeschichte gewiss nicht über die Vorgeschichte Israels im 2. Jt. informieren. Sie will wesentliche Erfahrungen Israels aus einer späteren Zeit rückblickend in der Erzählungen der eigenen Vorfahren festhalten und verdichten. Hierzu gehören auch die Hagar-Ismael-Episoden. Obwohl auch vom Entstehen des Volks der Ismaeliter im Hause Abrahams erzählt, ist sie nicht in erster Linie eine Antwort auf die Kinderfrage: Wie kommt es, dass die Ismaeliter in der Wüste wohnen und ein Volk geworden sind? Die HagarIsmael-Episoden bringen in einem dramatischen Geschehen, das in die Vorzeit verlegt wird, israelitische Erfahrungen und Hoffnungen zur Darstellung. Sie sind Teil der Abrahamgeschichte als einer Ätiologie Israels. Nur darin liegt der Grund, in Israel von Ismael zu erzählen. 4. Als Ahnen eines nichtisraelitischen Volkes bekommen Ismael und Hagar Anteil am Segen und der Fürsorge des Gottes Israels. Man könnte hierin eine Form der ›Missionstheologie‹ erblicken, die sich in der (nach-)exilischen Literatur ausgeprägt hat und die von der Frage bewegt ist, wie das Heil des Gottes Israels als Licht zu den Völkern kommt, wenn Israels Gott wirklich ein weltumspannender Gott ist. Die Verheißung Abrahams, ein Segen für alle Völker der Erde zu werden, lässt sich solchen Stimmen zurechnen. Der Segen, der auf Abraham ruht, wird sich so heilvoll an Israel auswirken, dass sich alle Völker der Welt in seinem Namen Segen wünschen werden und dadurch an ihm teilhaben.36 Die Ismaelerzählung enthält insofern eine spezifische Variation des Themas, als es ihr nicht darum geht, wie das Heil des Gottes Abrahams zu den Heiden und darum auch zu den Ismaelitern kommt. Dass Ismael oder seine Nachkommen jemals andere Götter als den Gott Abrahams (Israels) verehren könnten, kommt so wenig in den Blick wie die Hiobgeschichte daran Zweifel lässt, dass es Hiob und seinen Freunden allein um den als Weltengott gedachten Gott Israels zu tun ist. Ismael steht als Sohn Abrahams schon mit und neben dem Vater unter den Verheißungen des Abrahambundes, auch wenn er nicht Träger der Landverheißung ist. Er gehört als ›Same Abrahams‹ zu denjenigen, denen sich der Gott Israels mit seinem Heil zugewendet hat. So bleibt Gott bei Ismael auch am anderen Wohn- und Lebensort in der Wüste, wie die MitSeins-Aussage bleibender Fürsorge und Bewahrung in Gen 21,20 in einmaliger Zuspitzung für einen ›nichtisraelitischen‹ Adressaten zur Geltung bringt. Ismael muss nicht zum Zion oder zu Israel zurückkehren, 36

Vgl. zu Gen 12,3 o. Kap. III 4.3.

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um Anteil am Segen des Gottes Israels zu bekommen. Er bleibt in Abrahams Haus. Gott ist schon bei ihm.37 4.

Die Frage nach dem historischen Ort

Die Suche nach dem historischen Ort einer Erzählung ist vor allem der Versuch, die Interpretation im Kontext der bekannten historischen und literaturgeschichtlichen Koordinaten als eine für das antike Israel historisch mögliche auszuweisen. Darin besteht ihr heuristischer Wert. Sie bleibt aber abhängig von den Einsichten der Textinterpretation. Das gilt auch für diesen Versuch. Eine Situierung der Ismaelgeschichte in nachexilischer Zeit, unabhängig ihrer möglichen Vorstufen, hat SYRÉN38 erwogen. Er betont ihre starken theologischen Prägungen und spricht dezidiert von einer »Ishmael theology«, deren ›Sitz im Leben‹ er in der innerjüdischen Auseinandersetzung um das ›Erbe Abrahams‹ ausmacht, wie sie aus einigen Texten der exilisch-nachexilischen Zeit erkennbar ist. Mit der Identifikation in Abraham steht das Problem der Identität eines in unterschiedliche Gruppen an unterschiedlichen Orten zerstreuten, wenn nicht zerrissenen Judentums zur Diskussion, das sich nun neu auf sich selbst und sein Erbe besinnt. Diese Auseinandersetzungen sind erst durch die im Hinblick auf die Judäer entspannte persische Großmachtpolitik möglich geworden, die eine politische Beruhigung, langfristige, friedliche Perspektiven und religiöse Selbstbestimmung erwarten ließ. Als ein theologisches Echo auf diese politische Entspannung können die Zusagen eines zeitlich grenzenlosen Bundes und die Verheißungen zahlloser Nachkommen für Abraham gelesen werden. In dieser politisch beruhigten Situation, treten nun aber die Konflikte erst zutage, welche die jüdische Gemeinschaft selbst betreffen, und die sich auf einer internen und externen Ebene vorstellen lassen. Die eine ist die Bestimmung der Identität Israels und seiner Stellung inmitten der umliegenden Völker und als Teil des Völkeruniversums. Für diese Bemühungen kann die Prophetie Deuterojesajas und anderer Propheten stehen, in der die Rolle Israels als Segen für die Völker bedacht wird. Ähnliches tut die Abrahamgeschichte mit ihrer wiederholten Verheißung, dass sich in Abraham die Völker der Erde Segen wünschen werden. Die andere Ebene ist die der innerjüdischen Auseinandersetzung zwischen den sehr verschiedenen Gruppierungen, die mittlerweile diese jüdische Gemeinschaft re37

Dass Nichtisraeliten und Heiden auch ganz unmittelbar dem als universalen Schöpfergott gefassten Gott Israels begegnen können, davon wissen nicht nur das Jonabuch (die Schiffleute in Kap. 1 und die Niniviten in Kap. 3), sondern auch die Ruterzählung und vor allem die Hiobdichtung (Hiob und seine Freunde sind Ostleute – ›Araber‹) zu berichten. 38 R. SYRÈN, The Forsaken First-Born, 56-65.

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präsentierten. So stellt sich die Frage, wer oder was eigentlich Israel sei, vor allem in der Verschiedenheit der jüdischen Gruppen und Traditionen. Zu nennen sind etwa die während der Exilszeit im Land Gebliebenen, die Heimkehrer aus Mesopotamien oder Ägypten, aber auch diejenigen, die in Ägypten, Mesopotamien oder anderen Orten der Diaspora geblieben waren und bleiben wollten. Zudem war die Bevölkerung im nachexilischen Judäa religiös und ethnisch heterogen, gab es Ortsfremde, Ausländerinnen und Ausländer (Heiden), die sich dennoch zur jüdischen Gemeinschaft hielten und halten wollten. Wie waren solche Konvertiten theologisch zu bewerten39 und wie wäre eine Trennlinie, die nicht mehr ethnisch bestimmbar ist, zu definieren? In dieser notwendigen Neubestimmung der eigenen Identität wird die Rezeption Abrahams als Ahnvater Israels wichtig. Unterschiedliche Gruppen sahen in ihm die zentrale Integrationsfigur ihrer jüdischen Identität, so dass die Frage virulent gewesen sein wird: Wer gehört zu Abrahams Samen und wer nicht, und wem gehört das Land, dessen Garant Abraham ist? Wer darf sich nach seinem Namen nennen? Zumindest eine entsprechende Kontroverse zwischen Landjudäern und babylonischer Gola lässt sich hinreichend belegen (s.u.).40 In dieser Diskussionslage der Neuordnung, in der Deuterojesaja und die hinter den harten Abgrenzungsbestimmungen von Esra/Nehemia stehenden Gruppen jeweils gegensätzliche Positionen vertreten, siedelt SYRÉN die Wirkabsicht der Hagar-Ismael-Episoden an. Da er aber aus ihnen allein eine Tendenz zur Abschottung Israels gegenüber anderen Völkern und Fremden herausliest, siedelt er sie in der Nähe der Optionen Esras und Nehemias (Esra 9f) an.41 Nach unserer Interpretation geht es der Ismaelerzählung eher darum, ein Konzept der abgestuften Zuordnung verschiedener Abrahamnachkommen in einer gemeinsamen Gotteskonzeption zu entwerfen, wobei auch die Trennung vom Land Kanaan nicht die Trennung von der Gnade und Verheißung Gottes bedeutet, sondern eine Möglichkeit darstellt, die Verbreitung der Nachkommen Abrahams über Kanaan und über die ethnischen Grenzen Israels hinaus unter dem Segen Gottes zu denken. Als historischer Hintergrund der Ismaelerzählung bietet sich die von SYRÉN namhaft gemachte Auseinandersetzung um das Erbe Ab-

39

Jes 56,3-8 gibt allen Nichtjuden, sofern sie Sabbat und Beschneidung vollziehen, ausdrücklich Anteil am Volk Jhwhs und an seiner tyrb, was sich wie ein Seitenstück zu Gen 17,23-27 liest. 40 Auf die Verbindung von Abrahamrezeption und gesellschaftlicher Diversifizierung in frühnachexilischer Zeit hatte schon S. JAPHET, People and Land, aufmerksam gemacht. 41 Die Tendenz der Erzählung bestimmt auch R. SYRÉN nach traditionellem Muster exklusiv: »not even all of Abraham‘s children are children of the covenant« ... »The covenant with Abraham ... will apply to Isaac alone« (65).

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rahams an. Um ihren Ort näher zu bestimmen, ist ein exemplarischer Überblick über die genannte Abrahamrezeption notwendig. 4.1 Zur Abrahamrezeption seit der Exilszeit Während die Ismael-Hagar-Überlieferung im Alten Testament außerhalb der Genealogie in 1Chr 1 (s.u.) nicht mehr aufgenommen wird, lässt sich der Diskurs um das Erbe Abrahams an wenigen vereinzelten Stellen sichtbar machen. Ihre Auswertung im Hinblick auf gesellschaftliche Trägergruppen und deren Differenzen in der Abrahamrezeption ist wegen der wenigen Erwähnungen schon methodisch schwierig, weil nicht jede wahrnehmbare Differenz in der Rezeption gesellschaftliche Konflikte anzeigen muss und weil die knappen Hinweise auch nicht die gesamte Abrahamkonzeption ihrer Autoren enthüllen müssen. Dennoch ist es sinnvoll, die Abrahambilder in ihrer Verschiedenheit wahrzunehmen und als Ausdruck divergierender Rezeptionsinteressen zu verstehen.

a) Deuterojesajanische Texte

Die im theologischen Gerüst der Ismaelkonzeption wichtige Kategorie des ›Samens Abrahams‹ ist innerhalb der Abrahamrezeption Deuterojesajas42 belegt, und zwar innerhalb des Textes, in dem sich eine mit Gen 21 vergleichbare Tendenz ausprägt, von der Rettung und Bewahrung Gottes als Ausdruck seiner Fürsorge gegenüber dem ›Samen Abrahams‹ zu erzählen. 41,8 Aber Du, Israel, mein Knecht, Jakob, den ich erwählt habe, ›Same‹ Abrahams, meines Lieblings. 9 Du, den ich geholt von den Enden der Erde, und von ihren Säumen berufen habe, zu dem ich sprach: »Mein Knecht bist du«, den ich erwählt habe und nicht verworfen. 10 Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir...

In der Erwählung Abrahams tritt diejenige des Volkes Israel unmittelbar hervor. Sein Segen garantiert auch die erneute und schmerzlich erhoffte Hilfe Gottes. Dies will Deuterojesaja mit dem Begriff ›Same Abrahams‹ zeigen. Der Ausdruck bezeichnet die genealogische Kontinuität, die gewissermaßen als Nabelschnur fungiert und Israel mit seinem Ahnvater und der ihm geltenden Gottesgemeinschaft verbindet. Sie ist noch immer fähig, neue Lebenskraft und Hoffnung zuzuführen. In Abraham ist 42

Vgl. Jes 41,8-13; 51,1-8. Zur Abrahamrezeption Deuterojesajas vgl. C. HARDMEIER, Erzählgemeinschaft; J. GOLDINGAY, Abraham‘s Offspring; T. RÖMER, Monothéisme; K. BALTZER, Schriftauslegung bei Deuterojesaja?; A. MÜHLING, Abraham.

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Israel erwählt. So wird die Erinnerung zur Tröstung, weil sie an der Vergangenheit ausweist, was sich auch gegenwärtig und künftig ereignen kann. Dem Hinweis auf die Gottesverbundenheit Abrahams wohnt eine tröstende Kraft inne, die der Prophet mobilisieren möchte. An Abraham kann man sehen, dass Gott treu ist, rettend eingreift und man sich nicht zu fürchten braucht. ›Same Abrahams‹ ist für Deuterojesaja die Exilsgemeinde in Babylon, die er ermutigen und zur Heimkehr ins Land und zum Zion bewegen will. ›Same Abrahams‹ ist dieses Israel. Seine Eltern sind Abraham und Sara.43 51,1 Schaut auf den Felsen, aus dem ihr gehauen, auf die Brunnenhöhlung, aus der ihr herausgegraben seid! 2 Schaut auf Abraham, euren Vater, und auf Sara, die euch hervorgebracht. Denn als einzelnen habe ich ihn berufen, und will ihn segnen und mehren.

In der zweiten Erwähnung Abrahams (51,2f) wird die Vater- und Erzeugermetapher aktualisiert. Wie Sara die Gebärerin Israels ist, so ist Abraham sein Vater. Damit ist allein die genealogische Linie, die auf Israel hinführt, im Blick. Von Isaak jedoch, als Repräsentanten Israels oder als dem unter den beiden Abrahamsöhnen Erwählten (Röm 9,6ff) ist bei Deuterojesaja nicht die Rede. Abraham und Sara sind Erzeltern Israels. Sara als Matriarchin Israels wird außerhalb der Genesis nur hier erwähnt; nur hier ist auf eines der Erzelternpaare in ihrer Elternfunktion für Israel Bezug genommen. Deuterojesaja sieht den auf diese Weise erinnerten Segen in überreicher Vermehrung. Das sind die Dimensionen eines wiederhergestellten, gelingenden Lebens, die auch der Fruchtbarkeitssymbolik der Elternmetapher und dem Bild von Brunnen und Fels44 entsprechen. Vaterschaft, Mehrungssegen und ›Abrahams Same‹ gehören im Motivbündel des leiblichen Segens zusammen. Die Erwählung und Berufung Abrahams ist hier die Grundlage eines Segens, der den leiblichen Nachkommen Abrahams Anteil an den Segnungen der Erzeltern gewährt.45 Die Elternschaft Saras und Abrahams betont die Segens- und Fruchtbarkeitsthematik. Dagegen spielt Abraham als Garant des Landes bei Deuterojesaja keine Rolle. Die ersehnte Heimkehr zum Zion und die Wiederherstellung der Gottesstadt wird nicht mit dem Hinweis auf die 43

Daneben kennt DtJes auch die Rede vom ›Samen Jakobs (45,19) und vom ›Samen Israels‹ (45,25), womit der Ahnvater Jakob gemeint ist. Aber unter den beiden (nicht drei) Erzvätern ist Abraham der besonders beachtete. 44 Vgl. N.A. VAN UCHELEN, Abraham als Felsen. 45 Während Paulus in Röm 9,6ff argumentiert, dass nicht jeder leibliche Nachkomme Abrahams auch schon als berufen und erwählt gilt, sieht Deuterojesaja gerade die leibliche Nachkommenschaft als Ausdruck und Folge der Erwählung Abrahams.

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Landverheißung oder dem Landgabebund für Abraham (Gen 15) begründet – was möglich gewesen wäre –, sondern von der Vaterschaftsmetaphorik und dem Mehrungssegen motiviert. In dieser Verbindung von Segen und Mehrung steht Deuterojesaja der Segenstheologie der Priesterschrift und den zentralen Themen von Gen 17 nahe.46 Hinter der Betonung, dass Abraham als einzelner herausgerufen worden ist, steht die rhetorische Argumentationsfigur vom Kleinen zum Großen, die am Einzelnen aufzeigt, was in noch reicherem Maße für viele gilt: ... um wieviel mehr als euer Ahnvater seid ihr, die Angesprochenen, die ihr viele seid, herausgerufen und als Söhne und Töchter Abrahams und Saras die Erben seiner Verheißung. Das hier angeredete und ermutigte Israel ist die jüdische Exilsgemeinde in Babylon. Ihr wird der Ehrentitel ›Same Abrahams‹ bzw. ›Same Jakobs‹ zugesprochen. Eine polemische Abzweckung, die andere jüdische Gruppierungen aus diesem Erbe Abrahams (und Saras) ausschließt, ist nicht zu erkennen. Deuterojesaja aktualisiert Abraham als Vater Israels, genauer der babylonischen Gola, aber nicht als Völkervater oder in universalen Dimensionen als Segensmittler für die Völker. Eine genealogisch über Israel hinausgehende Funktion erhält Abraham hier nicht. Das muss nicht unbedingt heißen, dass dem Propheten diese Funktionen des Ahnvaters unbekannt waren, erfordert doch die Rezeptionssituation, eine teils entmutigte Exulantenschaft in Babylon zu trösten und auf die neuen politischen Möglichkeiten hinzuweisen, die sich mit dem Niedergang der babylonischen Macht abzeichneten. Interessant ist, dass die Rolle der Segensmittlerschaft für die Völker der Welt, die in Gen 12,3 (par.) Abraham zugewiesen wird, in Jes 55,5 dem Volk Israel selbst gilt. Hieran zeigt sich auch, wie stark die Abrahamfigur in der Genesis prototypisch entwickelt wird.

b) Ezechielbuch

In Ez 33,21-29 ist eine polemische Auseinandersetzung überliefert, die zwischen den nach der Katastrophe von 597/87 im Land gebliebenen Judäern und dem die babylonische Gola vertretenden Propheten Ezechiel stattfindet. Judäer kommen zu Ezechiel und begründen ihr Bleiben im zerstörten Land mit dem Hinweis auf Abraham als Garant des Landes, indem sie die Bedeutung Abrahams für sie mit der gleichen rhetorischen Identifikationsfigur aufrufen, die in Jes 51,2 benutzt wurde, wenngleich in anderer inhaltlicher Zuspitzung:

46

Vgl. R. RENDTORFF, Pentateuch, 137-139; C. HARDMEIER, Erzählgemeinschaft, 33 m. Anm. 11.

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Ez 33,24 Menschensohn, die Bewohner jener Trümmer im Lande Israels sagen: Abraham war nur ein einzelner Mann, und hat doch das Land zum Eigentum bekommen; wir aber sind viele, uns ist das Land zum Eigentum gegeben.

Die hier zitierten Sprecher gehören zu den Judäern, die weder nach Ägypten geflohen, noch ins babylonischen Exil deportiert wurden, die vielmehr in dem weithin zerstörten Judäa ein Überleben versuchten. Eventuell sind sie Nutznießer der Neuaufteilung des Landes durch die babylonischen Eroberer geworden, also des Bodens, den die ins Exil Verschleppten verloren haben.47 Falls das Wort nachexilisch zu datieren ist, geht es womöglich bereits um die strittigen Landeigentumsfragen zwischen Landjudäern und Rückkehrern. Man wird in der Kontroverse um Abraham vor allem handfeste politische und soziale Divergenzen sehen müssen, die auch auf der theologischen Ebene ausgetragen werden. Diese Landjudäer verstehen sich jedenfalls auch als Erben Abrahams und legitimieren ihr Bleiben im Land, konkret den Besitz ihrer Landparzellen im kriegsverwüsteten Juda, damit, dass Gott einst Abraham das Land zum Eigentum gegeben hat, das weiter zu bewohnen Recht und Verpflichtung derer ist, die sich auf ihn berufen. Indem sie im Land bleiben, bleiben sie Abraham treu. Der Ausdruck ›Same Abrahams‹ fällt allerdings nicht. Auch die Vaterfunktion Abrahams wird nicht aktualisiert. Abraham ist für diese Abrahamnachkommen in einem allgemeinem Sinn Garant des Landes und damit Symbol einer unerschütterlichen Verpflichtung, auf Abrahams Land in Judäa zu bleiben.48 Die überlieferte Antwort des Propheten weist durch ein Gotteswort dieses Ansinnen entschieden und in polemischer Härte ab. Ezechiel hat für solche Versuche der Konsolidierung des Lebens im Land wenig Sympathie: Die judäischen Fragesteller werden als Götzendiener denunziert, die sich am Opferfleisch vergehen, als Mörder, als Ehebrecher, deren Land Gott zur schaurigen Wüste machen wird. Von wilden Tieren gefressen zu werden, durch das Schwert zu sterben, an der Pest einzugehen, das ist das Los, das der Prophet seinen judäischen Landsleuten vor Augen hält, die sich hier auf Abraham als Garanten ihres Lebens im zerstörten Land berufen (Ez 33,25-29). Den Landjudäern wird nicht nur die Berufung auf Abraham und damit die Zugehörigkeit zu Israel verwehrt, sondern überhaupt jedes weitere Lebensrecht bestritten. Für die Stimme, die hier spricht, liegt 47

Zu den Bodenbesitzverhältnissen bzw. zur Umverteilung an den sozial niedrigsten Teil des #rah ~[ durch die babylonischen Behörden im Juda der Exilszeit vgl. 2Kön 24,14; ferner 2Kön 25,12; Jer 39,10; 40,7; 52,15f und E. JANSSEN, Juda in der Exilszeit 49ff sowie W. DIETRICH, Wem das Land gehört, bes. 373f. Es könnte auch sein, dass sich in Ez 33 nicht mehr die Situation der Exilszeit, sondern bereits Landkonflikte zwischen babylonischen Rückkehrern und im Land gebliebenen Judäern spiegeln. 48 Allerdings wird die Landgabe nicht als Bund (Gen 15; Neh 9,7f u.a.) erwähnt.

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die Identität und Kontinuität Israels allein bei der Golagemeinde in Babylon und eventuell bei deren Besitzansprüchen auf das Land.49 Dabei ist wahrscheinlich, dass hinter dieser Polemik eine entgegengesetzte Auffassung steckt, mit der die im Land gebliebenen Judäer den nach Babylon Deportierten ihr Recht am Gotteserbe bestritten hatten, weil sie mit dem Land auch den Segenskreis Jhwhs verlassen mussten. Der Hinweis auf Abraham als Garant des Landes in V.24 wäre dann eventuell exklusiv zu verstehen, dass nur, wer im Land geblieben ist, Abraham (und Gott) treu bleibt.50 Ezechiel dreht hier den Spieß einfach um. Eine solche golaorientierte Haltung findet sich im Ezechielbuch häufiger und ist auch manchen Partien des Jeremiabuches nicht fremd.51 Ihre Tendenz ist klar. Es sollen die im Land verbliebenen Israeliten abgewertet, ihre jüdische Identität bestritten, ihre Ansprüche abgewiesen und polemisch herausgestellt werden, dass die innerhalb des exilischen, frühnachexilischen Judentums die Führungsmacht beanspruchende babylonische Gola allein Sachwalterin der Identität Israels ist. Allerdings wird vonseiten der golaorientierten Theologie Abraham nicht mehr erwähnt. Als ein gegenüber landjudäischen Interessen gerichteter Abgrenzungsbegriff eignete sich der Erzvater Abraham wohl nicht. Diese exklusive Golaorientierung scheint ein bestimmtes Stadium der Theologie der Exilsgemeinde zu repräsentieren, dem später eine auch weiträumigere Sicht nachgefolgt ist. So gibt es auch im Ezechielbuch andere Stimmen, in denen über ein Israel in der Diaspora reflektiert wird, über seine Zerstreuung unter die Völker und in die Länder der persischen Welt sowie über deren Hintergründe und künftige Entwicklungen.52 Auch in diesen Partien findet sich keine Bezugnahme auf Abraham. Wenn aber das Erbe Israels hier allein durch die babylonische Gola beansprucht wird, dann – so wird man schließen dürfen, obwohl von Abraham sonst nicht mehr die Rede ist – sind für Ezechiel die ›wahren Abrahamnachkommen‹ in Babylon, deren Abrahambild dann naturgeVgl. R.P. CAROLL, Myth of the Empty Land; W. DIETRICH, ebd., 374. Ez 11,15f gibt eine ähnliche landjudäische Haltung zu erkennen, wonach die fern vom Land und vom (zerstörten) Tempel Lebenden auch fern von Gott seien. 51 Vgl. noch Ez 11,14-20ff; 14,21-32, aber auch Jer 21,1-10; 24,8-10. Eine nicht immer so polemisch vorgetragene, aber klare Golaorientierung findet sich u.a. auch in Ez 8-11; 15,6-8; 17,19-25. Diese Geschichtstheologie, die dem Land und den in ihm verbliebenen Judäern Unheil, den Exilierten aber Heil zusagt, liegt auch der Komposition des Ezechielbuches zugrunde. Vgl. die Abfolge von Ez 4-7; 8-11 und T. KRÜGER, Geschichtskonzeptionen, 321ff. K.-F. POHLMANN hat diese Haltung und Tendenz einer golaorientierten Redaktion zugewiesen, welche die Ezechiel- und die Jeremiaüberlieferung bearbeitet hat. Doch kann Ezechiel selbst schon einer ihrer Anhänger gewesen sein. 52 Vgl. etwa Ez 20; 36,16ff; 37,15ff; 38-39. K.F. POHLMANN, ebd., 93, rechnet dies einem späteren Stadium der Traditionsbildung zu, in dem die golaorientierte Engführung zugunsten einer Diasporatheologie aufgegeben wurde.

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mäß nicht durch die Landgabe bestimmt sein kann. Dies entspricht den Aspekten der Abrahamrezeption, die Deuterojesaja allerdings in nichtexklusivem Sinn zeigt, nämlich die Betonung der Vaterschaft, der Vermehrung, des Segens und des Gedeihen.

c) Tritojesajanische Texte

Im Volksklagelied Jes 63,7-64,11, das in der tritojesajanischen Sammlung überliefert ist,53 kommt eine Gruppe von Jhwh-Gläubigen zu Wort, denen die Würde ›Same Abrahams‹ oder ›Same Jakobs/Israels‹ zu sein, offenbar bestritten worden ist. Sie flehen darum, dass Gott seine früheren Gnadenerweise erneuert und die zerbrochene Beziehung zu seinem Volk wiederherstellt. Dabei schöpfen sie aus der Erinnerung an die frühe Geschichte die Hoffnung auf Besserung ihres jetzigen Elends, das darin besteht, dass ihnen der Tempeldienst gegenwärtig unmöglich ist. Der Psalm, oder Teile der in ihm enthaltenen Traditionen, waren entweder Teil der Liturgie, die in den öffentlichen Klagegottesdiensten in Juda während der Exilszeit abgehalten wurden, oder stehen doch – da der Psalm eher nachexilisch54 zu datieren ist – in seiner Tradition. Die hier beten, sind Landjudäer. Ihr Geschichtsrückblick übergeht auffällig55 die Erinnerung an Abraham, Isaak und Jakob und konzentriert sich auf Mose, den Exodus und das Wunder am Schilfmeer (V.11-14), um dann im Gebet fortzufahren: 15 Blicke herab vom Himmel, Schaue hernieder von deiner heiligen, herrlichen Wohnung. ... Halte dich doch nicht zurück, 16 denn du bist unser Vater! (wnyba hta-yk) Abraham weiß ja nicht von uns, und Israel (Jakob) kennt uns nicht; Du, Jhwh, bist unser Vater (wnyba hwhy hta).

Man hat in diesem Vers öfter einen kultkritischen Hinweis auf die Ahnenverehrung am Erzelterngrab in Mamre bzw. den Totenkult insgesamt gesehen. Das braucht nicht ausgeschlossen zu werden. Vermutlich schwingen hier aber die schon erkannten Differenzen im Hinblick auf die Erzväterrezeption mit. Die Beterinnen und Beter sprechen Abraham die Vaterschaft für Israel ab, weil sie selbst nichts von ihr haben. Ihr Vater ist Abraham nicht oder darf es nicht sein. So mobilisieren sie die Va53

Vgl. neben den Kommentaren, vor allem P.D. HANSON, The Dawn of Apocalyptic, 79-99; I. FISCHER, Wo ist Jahwe?; H.G.M. WILLIAMSON, Exilic Lament; A. MÜHLING, Abraham. 54 Zur Datierung vgl. die Diskussion bei O.H. STECK, Der Abschluss der Prophetie, 29f.91-99, der für die literarische Fassung an die Ptolemäerzeit denkt. 55 Vgl. nur die ähnlichen Texte in Ps 105; Neh 9.

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terschaft Gottes polemisch gegen die Vaterschaft Abrahams. Die Nötigung zu einer so harten Aussage scheint nur dann gegeben, wenn der Gruppe, die hier spricht, die Abrahamkindschaft polemisch bestritten wurde. Das Wort »Israel kennt uns nicht« muss nicht nur als Reflex auf Jakob verstanden werden. Mit der Vaterschaft der Erzväter ist die Zugehörigkeit zu Israel überhaupt in Frage gestellt, und zwar offenbar von denen, die ihre Ansprüche bzw. Vorrechte mit Hinweis auf die Vaterschaft Abrahams legitimieren. Die Beterinnen und Beter reagieren gegen die exklusive Verwendung des Abrahamsymbols durch Verzicht auf die Erzvätertradition. Sie greifen auf den anderen großen Gründungsmythos Israels zurück und aktualisieren das Trostpotential der Exodus- und Mosetradition.56 Gegen die Vaterschaft des nationalen Heros Abraham reklamieren sie die Vaterschaft Jhwhs für sich. Ihre Enttäuschung macht sich in V.18f in Zorn und unversöhnlicher Polemik Luft. Sie klagen Gott, ihrem Vater, dass sich jetzt Gottlose im Jerusalemer Tempel breitgemacht haben, die ihre Feinde und Widersacher sind, die den Tempel entweihen und dafür gesorgt haben, dass die Betenden nun wie solche geworden sind, »über denen dein Name nicht genannt war« (V.19).57 Sind es die jetzigen Nutzer des Tempels, die Abraham ihren Vater nennen und die hier Betenden aus dem Heiligtum und der Kultgemeinde ausgeschlossen und vertrieben haben? Dann geht es um eine Auseinandersetzung darüber, wer zur Tempelgemeinde gehören darf, ein Konflikt, der auch über die Abrahamrezeption ausgetragen wird. Die Landfrage ist in Jes 63 nicht thematisiert. Sie ist hier auch nicht der Streitpunkt, denn beide Gruppierungen leben offenbar wieder im Land. Ein Versuch diese Spannungen historisch auszuwerten findet sich bei HANSON. Er datiert das Klagelied, anders als die übliche Datierung, nicht in exilische, sondern in die frühnachexilische Zeit und versteht es als einen in der Tradition der exilischen Klagegebete stehenden Protest gegen die Neuordnung der Tempelgemeinde, die von den frühen RückIn der Interpretation von K. SCHMID, Erzväter und Exodus 270, kennzeichnen das Gedicht zwei grundsätzlich unterschiedliche Bezugssysteme, mit der man sich in Israel entweder auf Mose und den Exodus oder aber auf die Erzväter gründen konnte. Der von K. Schmidt in die ptolemäische Zeit hinabdatierte Text würde dann die Bemühungen der Pentateuchredaktion, die beide Bezugssysteme verbindet, neuerlich unterlaufen. Er fügt sich jedenfalls schwerlich zu K. Schmids These einer »fortschreitenden Bewegung des immer engeren Zusammenschlusses von Erzvätern und Exodus« (270). 57 ~hyla $mX arqn-al erinnert auffällig an die Identifikationsmetaphorik »sich Same Abrahams nennen« (Gen 21,12). Falls das Abrahamthema tatsächlich, was nicht sicher ist, über V.16 hinaus fortgeführt wird, dann ließen sich neben der Vaterschaft Abrahams versus Vaterschaft Gottes noch die weiteren Oppositionspaare vermuten: Name Gottes / Name Abrahams, V.16b; Stämme als Knechte des Gotteserbes / Abraham als Knecht und Gotteserbe, V.17b; in Jhwhs Namen genannt sein / in Abrahams Namen genannt sein.

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kehrern aus Babylon unter Führung der zadokidischen Priesterschaft organisiert wird. Für diese Gruppe sei ›Abraham‹ in seiner Vaterfunktion ein Identifikationssymbol Israels, wie er es auch für Deuterojesaja ist. Die während der Exilszeit im Land verbliebenen Judäer, unter denen Hanson landlevitische Priester, Propheten und Visionäre ausmacht, wurden von dieser Gemeindereorganisation ausgeschlossen. Dabei hatten sie doch die Klagegottesdienste im zerstörten Jerusalem jahrzehntelang getragen. Sie melden sich in Jes 63 zu Wort. So wird hinter der Auseinandersetzung um das Erbe Abrahams letztlich die existentielle Frage der Zugehörigkeit zum Gottesvolk und wohl auch die nach einem Konzept des Gemeinwesens deutlich, das Rückkehrer und Landjudäer in die nachexilische Tempelgemeinde integriert.58

d) Das Bußgebet in Neh 9,6-10,1

Eine weitere Abrahamvariation enthält das große hymnische Gebet, mit dem die Leviten die nachexilische Gemeinde in Neh 9,6-10,1 auf die Gemeindeordnung verpflichten wollen, in deren Kern die Abgrenzung des ›Samens Israels‹ von allem Fremden steht.59 Das Gebet setzt mit seinem großen geschichtlichen Rückblick den priesterschriftlichen Aufriss des Pentateuchs mit seiner Vorordnung des Abrahambundes bereits wesentlich voraus. Es wendet sich an Gott als den universalen Schöpfergott, der die Welt am Leben erhält (V.6) und gibt der Abrahamüberlieferung ein entscheidendes Gewicht (V.7f). Obwohl die Sinaitradition ausführlich Beachtung findet, wird doch allein Gottes Gnadenerweis gegenüber Abraham als Bund (tyrb) und als die entscheidende Heilssetzung angesehen, in der sich die Treue Gottes gegenüber seinem Volk manifestiert. Grundlage dieser Erinnerung an Abraham sind seine Er58

P.D. HANSON, ebd., 91-93; DERS., Das berufene Volk, 256f. H.G.M. WILLIAMSON, ebd., sieht keinen »innercommunity conflict« und findet die Annahme, in V.16 gehe es um einen Streit um Abraham »an improbable interpretation« (54). Er versteht den Psalm als exilisches Bußlied, das noch keine Auseinandersetzung mit der babylonischen Gola kennt und in V.19 die Entweihung des Tempels durch die heidnischen Babylonier beklagt. Die Abwertung der Väter Israels in V.16 sei nur ein rhetorisches Mittel, um die Vaterschaft Gottes besonders zu betonen (53). Das erklärt V.16 m.E. nicht ausreichend, zumal andere vergleichbare Abrahamverweise nicht zu Rate gezogen werden. 59 Vgl. zu Neh 9 neben den Kommentaren H.G.M. WILLIAMSON, Nehemia 9; H.-P. MATHYS, Dichter und Beter, 4-20; sowie D. MATHIAS, Nachexilische Geschichtsrezeption. Zur Abrahamrezeption bes. F.C. HOLMGREN, Faithful Abraham. Über die Datierung und Situierung von Neh 9 gehen die Meinungen auseinander. Gewiss scheint nur die relativ späte nachexilische Zeit, denn der Pentateuch in seiner wesentlichen Gestalt liegt hier zugrunde. Das Gebet ist inhaltlich und theologisch eigengeprägt und nicht chronistisch, denn die für die Chronik wichtige Tempel- und Königstheologie spielt in Neh 9 keine Rolle, und die in Neh 9 breit aufgenommene Sinai- und Wüstenüberlieferung interessiert wiederum den Chronisten nicht. So wird häufig eine nachchronistische Entstehung erwogen. F. CRÜSEMANN, Tora, 44; H.-P. MATHYS, Dichter und Beter, 20; D. MATHIAS, Nachexilische Geschichtsrezeption, 4-12.25.

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wählung60 und seine Glaubenstreue gegenüber Gott. Dies macht ihn zum Bundespartner Gottes. Inhalt dieses Bundes ist das Land, das Gott dem ›Samen Abrahams‹ verheißen und gegeben hat. ›Same Abrahams‹ ist Israel im Land Kanaan, sein Garant ist Abraham. Der Abrahambund wird ganz als Landgabebund rezipiert, wie er in Gen 15 ausgeformt ist.61 Wenn sich die Landgabe dem Glauben (!man) Abrahams verdankt, dann lässt sich eine Erneuerung des Lebens im Land nur durch Erneuerung eines Glaubens wie Abraham erhoffen. Dies ist die Denkbewegung des Gebets, das durch Erinnerung an den Abrahambund seine Teilnehmer auf einen Glauben wie Abraham einschwören will. Es mündet in die feierliche Verpflichtung der Gemeinde, die hnma (Neh 10,1) genannt wird und das Stichwort der Glaubenstreue Abrahams (V.8) aufnimmt. Der Hinweis auf den Abrahambund gibt der gegenwärtigen Verpflichtung, die sich um die Neuordnung der jüdischen Gemeinde unter den Bedingungen eines bedrohten Lebens im Land bemüht, ihren Grund und ihr Maß.62 Die Beter leben in einer Situation der durch die Schuld ihrer Vorfahren gebrochenen Erfüllung der Landzusage an Abraham. Zwar hatte Gott dem ›Samen Abrahams‹ das versprochene Land gegeben und seine Verheißung erfüllt, aber die Untreue Israels hat dazu geführt, dass man sich gegenwärtig als Sklaven im eigenen Land vorkommt (V.36). Die konkreten Verhältnisse sind nicht genau mitgeteilt. V.36 spricht von einer für seine Bewohner gewalttätigen Besetzung des Landes, was vielleicht die ökonomischen Belastungen der persischen Steuerpolitik63 reflektiert, die es unmöglich machen, die Früchte des Landes zu genießen. Die Erinnerung an den Abrahambund als Landgabe hält an der Hoffnung eines besseren Lebens im Land fest, dass der Gott Abrahams zu seinem Bund steht, wenn sich seine Nachkommen neu an der Treue Abrahams, was hier die in Neh 10,1ff konkretisierte Tora meint, orientieren.

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Abrahams Erwählung wird hier singulär mit rxb ausgedrückt (V.7). Vgl. aber Ps 105,6 (Jakob). 61 Die Bestimmung der Landgabe als Bund (tyrb) für den ›Samen Abrahams‹ als Folge der Glaubenstreue Abrahams und die Erwähnung der kanaanäischen Urvölker in V.7f entsprechen Gen 15. Von den zehn Völkern von Gen 15,19ff sind hier nur sechs in anderer Reihenfolge erwähnt). Der Betonung der Landgabe als Bundesgabe dienen zudem der Hinweis auf die Herausführung Abrahams aus Ur in Chaldäa ins verheißene Land sowie die Erwählung und Umbenennung Abrahams, die wohl auf seine »Heraushebung aus der Völkerwelt« (D. MATHIAS, ebd., 17) zu beziehen ist. 62 Auf die Stichwortverbindung von hnwma in 9,8 und 10,1 hat besonders F.C. HOLMGREN, Faithful Abraham, hingewiesen. Die Gemeindeverpflichtung wird in 10,1 als »’aemānā-Covenant« geschlossen (trk). 63 Vgl. R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 474.

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In diesem Rückblick ist Abraham Garant eines unter Gottes Segen im Land64 lebenden Israels. Er ist weder Segensmittler für die Völker der Erde noch Vater anderer Völker neben Israel. Dabei kennt Neh 9 die universalen Dimensionen auch der priesterlichen Abrahamgeschichte. Die Erwählung Abrahams wird als Gabe des universalen Schöpfergottes angesehen.65 Auch dass Abraham von Gott seinen Namen bekommt, ist hier bekannt. Nur wird diese Umbenennung nicht wie in Gen 17,4 als Kennzeichen der Bestimmung Abrahams zum ›Völkervater‹ verstanden, sondern als Signum seines Heraustretens aus der Völkerwelt.66 Das entspricht den Rezeptionsinteressen, die der Text ausbildet. Es geht ihm auch sonst darum, dass Israel aus den Völkern herausgerufen wird und sich von allem Fremden (gerade innerhalb des gegebenen Landes) fernhalten soll. Die Überlieferung von Abraham als Völkervater, als Träger eines universal ausgerichteten Segens, wird hier nicht rezipiert. Weder die Vaterfunktion Abrahams noch der ihm geltende Mehrungssegen oder seine Rolle als Ahn von Nachbarvölkern neben Israel spielen eine Rolle. Abraham ist das Identitätssymbol einer jüdischen Gemeinschaft, deren nachexilische Lebenssituation im Land der Väter wieder hart und ungewiss geworden ist, und die glaubte, der erneuten Zuwendung Gottes durch Rückkehr zur Tora und Abgrenzung von allem Fremden67 gewisser werden zu können. Die starken Abgrenzungsbestrebungen in Neh 10 und Esra 9f und ihrem Fremdehenverbot mit den nicht zur Tempelgemeinde gehörenden Bewohnerinnen des Landes sind weniger als Ausdruck eines sich generell abschottenden, selbstgenügsamen Judentums zu bewerten, sondern haben konkrete, teils politische und teils religiöse Gründe. Politisch ging es vornehmlich um den Nachweis der soziokulturellen Eigenständigkeit einer von der Provinz Samaria unabhängigen Provinz Jehud, um deren Bildung und politische Einrichtung sich die babylonische Rückkehrergemeinde unter Esra bzw. Nehemia bemühte. Religiös geht es kaum um die Normierung des weltweiten Diasporajudentums, sondern darum, dass die um den Tempel gescharte Gemeinde die Sphäre seiner Heilig64

#ra – ›Land‹ ist das entscheidende Leitwort: V.8.10.15.22 (3-mal). 23.24 (3-mal), 30.35.36; in V.6 in der Bedeutung Erde. In der Bedeutung Land Kanaan: V.8.15.24 (3mal).35.36). Von seiner Gabe durch Gott ist fünfmal die Rede: V.8 (2-mal).15.35. 36. Vgl. D. MATHIAS, Nachexilische Geschichtsrezeption, 16 m. Anm. 64. 65 Vgl. die Verbindung von V.6 und 7f. 66 In Neh 9,7 ist nicht von Umbenennung die Rede (wie in Gen 17,4), sondern von Namenssetzung (vgl. Ri 8,31; 2Kön 17,34; Dan 1,7). Vgl. D. MATHIAS, ebd., 16 m. Anm. 60, der die Unterschiede zu Gen 17,4 aber nicht beachtet. Außer der gegenüber Gen 17,4f funktionsuntypisch verwendeten Namensgebung wird kein Detail des priesterschriftlichen Abrahambundes rezipiert. das nicht auch in Gen 15 vorkommt, also ausschließlich Gen 15. 67 Vgl. Neh 9,2 und die Verpflichtung in Neh 10,1-10, in der Fremdehenverbot, Tempelsteuer, das Verbot, am Sabbat auf den Märkten Handel zu treiben, aber auch Schuldenerlass und Ackerbrache erwähnt werden. Vgl. hierzu F. CRÜSEMANN, Tora, 394398, der in den Bestimmungen die Interessen des Kultpersonals und des freien Bauerntums gewahrt und verbunden sieht.

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keit schützt. Hinter dem Fremdehenverbot scheinen darüber hinaus konkrete Assimilationsängste innerhalb der Provinz Jehud maßgeblich gewesen zu sein. Die Grenzen, die hier aufgerichtet werden, trennen wohl auch Jhwh-gläubige Judäer von der Tempelgemeinde. Die nachexilische Tempeltheologie ist aber in ihrem Grundzug universal, von ihrem Mittelpunkt des in der Welt einwohnenden Gottes Israel her zentrifugal konzipiert.68

Differenzen zwischen der Abrahamrezeption der babylonischen Gola sowie den Landjudäern (wie in Ez 33,24) sind hier nicht mehr erkennbar. Das kann damit zusammenhängen, dass die Rückkehrer aus Babylon als führende Kraft des nachexilischen Gemeinwesens Formen der landjudäischen Abrahamrezeption an sich gezogen haben. Doch ist es m.E. wahrscheinlicher, dass sich hier eine Gemeindekonzeption ausspricht, beide Gruppierungen integriert. Das Bußgebet, das im Zusammenhang der Reformen Esras als öffentliche Liturgie der Tempelgemeinde situiert wird, steht nicht in der Tradition einer golaorientierten Theologie, die diese Reformen getragen hat, sondern in der Tradition der auf Leviten zurückgehenden landjudäischen Klageliturgien der Exilszeit.69 Leviten sind es auch, die es in Neh 9,4f vortragen. Für WILLLIAMS70 ist es das Zeugnis einer sich in nachexilischer Zeit selbständig weiter entwickelnden landjudäischen Theologie. Während der Exilszeit waren die Landjudäer gegen die Ansprüche der Gola davon ausgegangen, dass Gott bei den im Land Verbliebenen war, wobei sie sich auf Abraham beriefen (Ez 33,24). Als sie nach 515 v. Chr. von den babylonischen Rückkehrern vom Tempelkult ausgeschlossen wurden, entwickelten die landjudäischen Leviten eine nicht an den Tempelkult und die Priesterdynastie gebundene Liturgie mit einer spezifischen Abrahamtheologie. Diese zeigt sich in Neh 9 aus. M.E. spricht gerade die kontextuelle Einbindung des Textes in den Rahmen einer öffentlichen Bußfeier im Zusammenhang der Esrareform und die erkennbare Pentateuchrezeption für den integrativen Charakter von Neh 9. Die landjudäische Abrahamtheologie gewinnt hier zentrale Bedeutung für das ganze im Land lebende judäische Gemeinwesen. Die Nachkommen Abrahams werden in V.8 als ›Same Abrahams‹ bezeichnet, auf die sich der Gottesbund mit Abraham bezieht. Damit ist niemand anderes als Israel bezeichnet. In der Eröffnung der Bußfeier aber ist in V.2 davon die Rede, dass sich der ›Same Israels‹ versammelt, sich von allem Fremden abkehrt und seine Schuld bekennt. ›Same Isra68

Vgl. T. WILLI, Juda-Jehud, 112ff. Der Geschichtsrückblick erwähnt nur die assyrische Bedrohung Israels, nicht die babylonische. Das babylonische Exil und die Rückkehr aus ihm, bleiben ausgespart. Das Gebet setzt eine kontinuierliche Anwesenheit Israels im Land Kanaan voraus. Das weist in die landjudäische theologische Tradition, ohne dass für Neh 9 exilischer Ursprung angenommen zu werden braucht. 70 Vgl. H.G.M. WILLIAMS, Nehemia 9, 129ff. 69

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els‹ (V.2) und ›Same Abrahams‹ (V.8) sind hier identische Begriffe. Die Abgrenzung von allem Fremden macht im Hinblick auf das Sprechen des Bußgebets Sinn, denn es ist allein Israel, das hier Verantwortung für seine Geschichte zu übernehmen hat und dann auch aus dem in Abraham gegründeten Heil Hoffnung schöpfen will. Dennoch ist darüber hinaus mit V.2 auch die Abgrenzung der gesetzestreuen Gemeinde von anderen Bewohnern des Landes impliziert, wie das Fremdehenverbot in Neh 10 deutlich macht. Ob damit auch andere sich im jüdischen Erbe verstehende Gruppen ausgeschlossen werden, kann vermutet, aber nicht bewiesen werden. Die Bevorzugung des Begriffs ›Same Israels‹ in V.2 gegenüber dem Begriff ›Same Abrahams‹ könnte ein Indiz dafür sein, dass der Begriff ›Same Abrahams‹ die Eindeutigkeit vermissen ließ, die eine auf die Nachkommenschaft Abrahams im Land Kanaan orientierte Theologie benötigte. Ein Blick auf die Abrahamrezeption der Chronik zeigt dies deutlicher.

e) Die Chronik

Die Chronik vertritt eine spezifisch andere Abrahamkonzeption. In ihr ist Abraham – außerhalb der Genesis erstmals – als Vater vieler Völker gesehen, was sich in der großen universalgeschichtlichen Einleitung in 1Chr 1,1-2,2 markant ausprägt.71 Dieser genealogisch-weltgeschichtliche Überblick lehnt sich an den genealogischen Aufriss der Genesis an, beginnt bei der Menschenschöpfung und lässt auf den Überblick über die noachitische Menschheit (V.5-26) die abrahamitischen Völker folgen (V.28-53). Der Chronist bringt mit diesem weltgeschichtlichen Vorbau zum Ausdruck, dass er den Platz und die Identität des Volkes Israels, um die es ihm geht, im Horizont der gesamten Menschheit zu bestimmen sucht. Mit dem chronistischen Werk verschafft sich ein nachexilisches, um den Tempel in Jerusalem geschartes und durch ihn bestimmtes Judentum »als eine Gruppierung des achämenidischen Vielvölkerstaates ohne eigene staatliche Selbständigkeit, ein Bild über seinen Platz in der Menschheit«.72 Im Zentrum der Perspektive auf diese Völkerwelt findet sich Israel ein, aber nicht so, als gäbe die Völkerwelt den dunklen Hintergrund ab, vor dem sich das Gottesvolk als erwähltes erhebt. Die Besonderheit Israels, dies stellt die Chronik an ihrem Anfang dar, erweist sich im Kreis eines Universums der Völker. In dieser ›Genealogie der ganzen Welt‹ spielt Abraham eine wichtige Rolle. In ihm er-

71

Zum Aufbau von 1Chr 1,1-2,2 vgl. neben den Kommentaren auch M. OEMING, Das wahre Israel, 73-97. 72 T. WILLI, Chronik, 26.

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kennt der Chronist »sogleich den Patriarchen des südlichen nahen Ostens, den Vater der vielen Völker«.73 Abraham wird in V.27f als Vater der Söhne Isaak und Ismael vorgestellt. Hieran schließen sich die Stämmelisten der Ismaeliter, der Keturasöhne und besonders ausführlich die der Edomiter an. So wird das Völkertableau einer abrahamitischen Ökumene als Teil der ganzen Menschheit gebildet, in dem sich auch Israel einfinden wird. In der Behandlung Isaaks und Ismaels lehnt sich die Chronik an die Genesis (Gen 25) an. Sie erwähnt beide als Söhne Abrahams, stellt Isaak voran und fügt anschließend die Ismaeliterliste an, zu der sachlich zutreffend auch die Liste der ›Keturasöhne‹ gestellt wird. In der Sachlichkeit der Genealogie und in der Treue gegenüber den Genealogien aus Gen 25 erscheinen die verschiedenen Eponymen der abrahamitischen Völker Ismael, Isaak und die Keturasöhne nahezu gleichrangig: »auch Isaak ist, gerade nach Chr, nicht einfach der Sohn Abrahams, sondern einer von ihnen, denn ›Söhne Abrahams‹ sind, wie der Chronist in der Überschrift des Stammbaums betont, ›Isaak und Ismael.‹«74 Die besondere Beachtung Isaaks und somit die auf Israel hinführende Linie wird dennoch leise dadurch herausgehoben, dass die Isaakgenealogie der Auflistung der Ismaeliter und Keturiter nachfolgt und mit einer eigenen Zeugungsnotiz eingeführt wird (V.34f). So wird – wie in Gen 25 – in der Entfaltung der abrahamitischen Völkerwelt auch der Fokus auf Israel deutlich.75 Die Präsentation der Genealogie vermeidet jede theologische Bewertung. Die universalgeschichtliche Grundierung verrät die schöpfungstheologische Perspektive, in der die Chronik ihr Bild von Israel entwirft. Aber anders als in der Verbindung von Noahbund und Abrahambund in Gen 9; 17 wird hier nicht deutlich, auf welche Weise der Gott Israels auch ein Gott der Menschheit und der abrahamitischen Ökumene ist. Die traditionelle christliche Auslegung hat in der auffällig breiten Auflistung der von Abraham abstammenden Völker vor allem eine Kontrastfolie für die Erwählung Israels gesehen, einen in Gestalt von Genealogien versteckten Nachweis, dass die physische Abstammung von Abraham allein doch nicht genügt, um Anteil an der Erwählung zu haben.76 Nach WILLI wird eine solche Auffassung »durch den Text selbst kaum nahegelegt«.77 Die Chronik bestimmt die Rolle Israels im universalen Rahmen der einen Menschheit in der Fülle ihrer Völker. Die Weite und Offenheit ihrer Konzeption geht 73

T. WILLI, Chronik, 43. T. WILLI, ebd., 18. Ihre Mütter werden allerdings nicht erwähnt. 75 So besonders M. OEMING, ebd., 80. Diese und andere Beobachtungen zur Betonung der auf Israel hinführenden Linie zeigen für M. OEMING, dass es der Chronik auch in ihrer universalgeschichtlichen Eröffnung nur darum gehe, Israel im Zentrum der Welt von den Völkern zu trennen. Das überzeichnet den Befund. 76 Vgl. die Beispiele bei T. WILLI, ebd., 52. 77 T. WILLI, ebd., 58. 74

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nicht auf Kosten jüdischer Standpunkte, sondern setzt sie voraus. Das Erbe Israels wird so als Erbe der Menschheit verstanden und wiederum zum Zeugnis für die Welt. Für WILLI umreißt die Chronik mit ihrer wahrhaft ökumenischen Einleitung die Frage: »Wie wird Israel das Menschheitserbe bewahren und verwirklichen? Und umgekehrt: Wieweit wird sich dieses Erbe nicht nur potentiell, sondern auch in der Geschichte als tragfähige Basis im Verhältnis der Völker zu Israel erweisen.«78

Indem die Chronik Abraham als Völkervater herausstellt, stellt sie ihn aber nun als Vater Israels, als Verheißungsträger und Garant des Landes zurück.79 Der Erzvater Israels par excellence ist für den Chronisten Jakob, nicht Abraham. Schon in der Genealogie in 1Chr 1,27 wird Jakob von Anfang an mit seinem von Gott gegebenen Namen ›Israel‹ genannt, den er im ganzen Werk dann beibehält.80 In diesem Namen finden das Volk Israel und sein Stammvater in einem Symbol des 12-Stämmevolkes zusammen. Zwar werden in 1,27 beide Namen Abra(ha)ms mitgeteilt. Aber davon, dass er seinen Namen von Gott im Bundesschluss (Gen 17) verliehen bekommen hat, verlautet kein Wort.81 Die Bevorzugung Jakobs (Israels) hängt vermutlich auch mit der genealogischen Eindeutigkeit zusammen, die Jakob als Vater Israels verkörpert. Diese tritt interessant in 1Chr 16,13 zutage. Der Chronist adaptiert den Erzväterpsalm 105 und ersetzt dort, wo Ps 105,6 vom ›Samen Abrahams‹ redet, seine Vorlage durch die Wendung ›Same Israel‹, was hier Jakob meint.82 Da Abrahams Name dadurch in dem ganzen Passus getilgt ist, erhält Jakob auch den Titel Abrahams, ›Knecht Gottes‹ zu sein. Zwar wird Abraham später innerhalb der Ahnväterreihe auch unter den Empfängern des ewigen Landgabebundes erwähnt. Aber es ist Jakob bzw. Israel, dem er in 1Chr 16,17f hauptsächlich gilt. Diese Bevorzugung Jakobs für die theologische Selbstwahrnehmung Israels hängt wohl mit der besonderen Rolle zusammen, die Abraham zugewiesen wird. Als Völkervater konnte er für den Chronisten offenbar 78

Vgl. T. WILLI, ebd., 51, der diesen Universalismus im Erbe der Prophetie und im Zusammenhang der theologischen Verarbeitung der Diasporasituation versteht. Die Priesterschrift entwickelt in der Genesis ähnliche Perspektiven, welche die Chronik hier aufnimmt und beerbt. 79 Außerhalb von 1Chr 1 (V.27.28.32.34) begegnet Abraham noch in 1Chr 16,16 (innerhalb der Väterreihe: Landgabebund der Väter); 29,18 und 2Chr 30,6 (innerhalb der Väterreihe: Gott der Väter). Eine Ausnahme ist 2Chr 20,7, wo die Landgabe als ewiger Bund Gottes mit Abraham und seinem ›Samen‹ rezipiert wird, ähnlich wie in Neh 9,7 u. Ps 105,6. 80 Vgl. 1Chr 1,34; 2,1; 5,1.3; 6,23; 7,29; 29,10.18; 2Chr 30,6. Anstelle von ›Israel‹ ist von Jakob nur in 1Chr 16,13.17 als Folge der Übernahme von Ps 105 die Rede. Zur Vorrangstellung Jakobs vgl. H.P. MATHYS, Dichter und Beter, 211f. 81 Anders als H.P. MATHYS, ebd., 210, meint, ist in dieser Notiz kaum das ganze Bundesschlusskapitel Gen 17 assoziiert. 82 So ist vermutlich auch Neh 9,2 gemeint. Wahrscheinlich hat der Chronist den Ausdruck ›Same Abrahams‹ als nicht präzise genug empfunden und ersetzt.

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nicht gleichzeitig Vater und theologische Symbolfigur für Israel allein sein. Daher ist auch der Begriff ›Same Abrahams‹ mit Missverständlichkeiten behaftet, denen der Chronist dadurch vorbeugen will, dass er den genealogisch eindeutigeren Erzvater Jakob in der Position des von Gott erwählten Ahnvaters Israels betont. Mit dieser Abrahamrezeption ist erstmals der auch in der Genesis wichtige völkergeschichtliche Aspekt Abrahams zur Geltung gebracht, allerdings um den Preis einer Abschwächung der theologischen Bedeutung, die Abraham als Erzvater für Israel hat. Was die Abrahamgeschichte der Genesis verbinden und in dieser Verbindung durchdenken konnte, dass Abraham Völkervater einer abrahamitischen Ökumene und zugleich Urisraelit und von Gott begnadeter und geprüfter Ahnvater Israels war, ist der Chronik nicht in gleicher Weise möglich. Welches Israel nennt die Chronik ›Israel‹? Polemische innerjüdische Frontstellungen sind der Chronik nicht ausdrücklich zu entnehmen. Die Abrahamkontroverse zwischen Landjüdäern und Babylonrückkehrern ist hier nicht mehr aktuell. Das Werk ist kaum eine Propagandaschrift, in der die Tempelgemeinde der Provinz Jehud in polemischer Abgrenzung gegenüber Samaritanern und anderen jüdischen Gruppen zum ›wahren Israel‹83 erklärt wird, wie dies besonders OEMING herausgestellt hat. Von der sicheren Mitte des Tempels aus, den sie nicht als lokales judäisches Machtzentrum, sondern als Zeichen Gottes für die ganze Welt ansieht, entwirft die Chronik eine Synthese, die Vorstellung eines einheitlichen Israels, in der die in Juda wie in der Diaspora lebenden Juden, und selbst die verschollenen Stämme des Nordreichs, integriert bzw. in den Tempelkult Jhwhs in Jerusalem eingeladen sind,84 was in politischer Hinsicht freilich dem Führungsanspruch der Jerusalemer 83

Unabhängig davon, ob sich polemische innerjüdische Tendenzen in der Chronik nachweisen lassen, ist die Rede vom ›wahren Israel‹ (verus Israel) nicht nur historisch irreführend, sondern auch gefährlich. Sie ist durch die christliche Tradition und ihren Enterbungsanspruch des Judentums geprägt und von der (un-)christlichen Vorstellung beseelt, dass es ein falsches Israel gäbe, und dass außerhalb des wahren Israels (der Kirche) kein Heil ist: extra ecclesia nulla salus. Dies ist keine Denkfigur, welche die Chronik bewegt. Selbst die früheren Kontroversen zwischen Landjudäern und der babylonischen Gola sind nicht zu dieser Grundsätzlichkeit aufzuspreizen. Davor bewahrt der zentrifugale Ansatz der Tempeltheologie, die von ihrem Zentrum her universal denkt. Vgl. hierzu T. WILLI, Juda-Jehud, 143 u.ö. 84 M. OEMING versucht aus Anlage und Theologie der genealogischen Vorhallen in 1Chr 2-9 die folgende polemische Tendenz des Chronisten zu eruieren: »Im Streit vor allem mit den Samaritanern, aber auch mit frühapokalyptischen Gruppen beansprucht diese ›Partei‹ den Titel ›Israel‹ exklusiv für sich: Wir ..., die wir von diesen Stammvätern herkommen, die wir uns fest zu Jerusalem, zu David, zum Tempel und seinen Institutionen halten, die wir dieses Land bewohnen ...wir allein beanspruchen den Titel ›Israel‹ mit Recht, denn wir sind ›das wahre Israel‹« (ebd., 218). Die Chronik streitet aber nicht, sondern lädt ein, wenn auch auf Grundlagen, die nicht für alle akzeptabel sind. Zur sachlichen Auseinandersetzung jetzt vor allem T. WILLI, Juda-Jehud, 102 Anm. 38 u. ö.

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Tempelgemeinde entspricht. So ist zu erwarten, dass es jüdische Gruppierungen gab, die ihre Interessen in dieser weiträumigen Synthese nicht aufgenommen sahen und sehen konnten.85 Andererseits ist die Abrahamrezeption der Chronik kaum die einzig repräsentative ihrer Zeit. So wird man auch neben ihr, in Judäa wie vor allem auch in der Diaspora, mit Interpretationen und Rezeptionen Abrahams rechnen dürfen, die theologisch seine Rolle für die Völkerwelt und für diejenigen, die Abrahams Samen sind, weiter bedacht haben.

f) Jesus Sirach

Mit Abraham als Völkervater beschäftigt sich in theologischer Hinsicht auch die Abrahamreflexion im Lob der Väter bei Jesus Sirach. Bei deutlich anderen Interessen steht das Werk doch zeitlich und räumlich dem Jubiläenbuch nahe, das einen eigenen theologischen Beitrag zum Thema Abraham als Völkervater entwickelt hat.86 Der Blick auf die Erzväter bei Jesus Sirach lässt sich vom priesterschriftlichen Aufriss der Abrahamerzählung, dem Thema des Abrahambundes (Gen 17) und der Strukturanalogie von Noahbund und Abrahambund leiten. An die Zusammenfassung des Noahbundes (Bundesschluss und Bundeszeichen) und in deutlicher Parallele zu ihr schließt sich Sir 44,19-23 an:87 19 Abraham ist der Vater einer Menge von Völkern, an seiner Ehre gibt es keinen Makel. 20 Er hielt die Gebote des Höchsten, und trat in einen Bund mit ihm ein, an seinem Fleisch schnitt er sich das festgesetzte Zeichen, und in der Versuchung wurde er als treu erfunden. 21 Darum bestätigte er ihm durch einen Schwur, durch seine Nachkommen die Völker zu segnen; ihn zahlreich zu machen wie den Staub der Erde, 85

R. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 602-623, arbeitet zutreffend einerseits den Kompromisscharakter der Chronik heraus, die die alten Gräben zugunsten eines innerjudäischen Konsenses zu überwinden sucht; zeigt aber andererseits auch, dass Samaritaner und judäische (Unterschichts-)Kreise, in denen eschatologische Umsturzerwartungen gepflegt wurden, sich kaum mit den theologischen Grundlagen der Chronik identifizieren konnten. 86 Das deuterokanonische Buch Jesus Sirach bietet eine Sammlung verschiedener Gattungen (Lehrgedichte, Hymnen, Gebet, Reflexionen zu verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens u.a.). Es ist ein Traditionswerk, abgefasst im ersten Viertel des 2. Jh. v. Chr., das auch ältere Überlieferungen sammelt und bearbeitet. Als Ganzes ist das Buch Ausdruck einer im schriftgelehrten Jerusalemer Bürgertum des 2. Jh. v. Chr. verankerten jüdischen Weisheitslehre, Weltsicht und Theologie, die in Jerusalems Lehrhäusern und Schulen gelehrt wurden, also doch eine gewisse Öffentlichkeit und Verbindlichkeit beanspruchen konnten (51,23.29). Die späteren, harten Auseinandersetzungen der Hasmonäerzeit, welche die kommenden Jahrzehnte Jerusalems bestimmen, sind bei Jesus Sirach noch nicht spürbar. 87 Die Übersetzung folgt G. SAUER, Jesus Sirach, JSHRZ III/5, 616.

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und wie Sterne seine Nachkommen zu erhöhen, ihnen Erbbesitz zu geben von Meer bis zum Meer, und vom Strom bis an die Enden der Erde. 22 Und auch dem Isaak ließ er einen Nachkommen88 erstehen um Abrahams, seines Vaters, willen. Den Bund eines jeden Vorfahren gab er ihm (weiter). 23 Und Segen ruhte auf dem Haupte Israels und bestätigte ihn als Erstgeborenen und gab ihm seinen Erbbesitz, und er ließ ihn fortbestehen in Stämmen, entsprechend dem Anteil der Zwölf.

Jesus Sirach konzentriert sich auf die universalen Dimensionen der Abrahamgeschichte. Von Gen 15 und dem auf die Landgabe begrenzten Bundesschluss ist keine Rede. Die Umbenennung Abrams in Abraham hatte Gott in Gen 17,4f mit Abrahams Bestimmung begründet, ein Vater der Völker zu werden. Dieser Mehrungssegen ist die erste Bundesgabe in Gen 17,4f. Mit ihr beginnt Sirach seinen Rückblick auf Abraham, um nach dem Hinweis auf den Gesetzesgehorsam und die Untadeligkeit des Erzvaters89 besonders die Beschneidung als Zeichen des Abrahambundes und die bestandene Gottesprüfung zu erwähnen.90 Der Segen, der ihm von Gott gewährt wird, ist nicht die Mehrung zu einem großen Volk (Gen 12,2 par.), sondern der Segen, der durch seinen zahlreichen, zu Völkern gemehrten ›Samen‹ zu den Völkern kommt. Darin ist das Motiv vom ›Völkervater‹ mit dem vom ›Segen für die Völker‹ verbunden und Gen 12,3a und 17,4f darin versöhnt, dass Abraham als der Vater der Gruppierungen der jüdischen Diaspora angesehen wird. In dieser Abrahamrezeption spricht sich eine frühjüdische Theologie aus, die eine über die Welt verstreute Diasporajudenheit als ›Same Abrahams‹ versteht, und über deren Rolle als Segensmittler für die Völker, d.h. die Wirtsländer der Diaspora, reflektiert. Die biblische Anbindung ist interessant. V.21 verknüpft Gen 12,3a mit Gen 13,15f, wo Abraham das Land schauen und durchziehen soll, das seine zahlreich wie Staub der Erde werdenden Nachkommen besitzen sollen. Dieses Land aber ist die ganze Welt.91 Die Nachkommen Abrahams verschlägt es in die Weite der Völkerwelt, wo sie den Segen Gottes zu den Völkern bringen. Die Diasporasituation ist ihnen nicht Bedrohung oder Heimatlosigkeit, sondern ein auf Erbbesitz gestütztes Leben, das als Ausdruck eines Segens 88

Text unsicher, vgl. G. SAUER, ebd., 616 m. Anm. 22a. Vgl. Gen 18,19. 90 Der Singular macht deutlich, dass nur Gen 22 gemeint ist, Sirach also nicht die Tradition von den (10) Prüfungen Abrahams kennt. 91 Genaugenommen liegt eine Kontraktion der Verheißungen von Gen 13,15f mit Gen 22,16f vor (Abfolge von Prüfung und Verheißung, Schwurmotiv, Nachkommen zahlreich wie die Sterne). Vgl. die ähnliche Auslegung von Gen 13,15f in Gen. apoc. 21,8-20 sowie u. Kap. VIII. 5. 89

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begriffen wird, der Abraham einst von Gott versprochen ward. Dieser (die Diaspora verpflichtende) Beschneidungsbund wird sodann an Isaak und Jakob weitergegeben. Von der Geburt Isaaks oder Ismaels ist nicht die Rede. Die Erwähnung der Prüfung Abrahams ist auf die ›Bindung Isaaks‹ zu beziehen. Das Land Kanaan aber begreift Jesus Sirach als Gottesgabe erst für Jakob (V.23), der auch hier ›Israel‹ genannt wird und als Zwölfstämmevolk fortbestehen wird. Jakob, das ist Israel im Land Kanaan. Wieder bilden sich in Abraham deutlich universale, in Jakob partikulare Dimensionen aus. Abraham ist als Partner des Beschneidungsbundes Ahn Israels und Völkervater. Jakob ist der Ahnvater Israels im Land Kanaan. Abraham ist hier zum einen sicher als Vater der jüdischen Diaspora gesehen, andererseits schließt die Rede vom Völkervater nicht aus, dass auch die in den Segen Gottes eingeschlossene abrahamitische Völkerökumene mitgedacht ist. Während in V.21 von der Unzählbarkeit der Nachkommen Abrahams die Rede ist, heißt es, dass Gott »auch dem Isaak einen Nachkommen« erstehen lässt. Wie dem Abraham, so dem Isaak. Damit scheint die letztlich auf die Tradition vom Davidbund zurückgehende königstheologische Vorstellung angesprochen zu sein, in der immer nur einer unter den Nachkommen der Träger des Erbes sein kann, der den Bund weitergibt.92 Hat Jesus Sirach den »Samen Abrahams« aus Gen 17,7f singulär verstanden und den Bund ausschließlich auf Isaak und Jakob bezogen, der von einem Vorfahr zum anderen weiter gegeben wurde? Andere Söhne werden neben Isaak und Jakob nicht erwähnt. Jedoch muss das Erstgeburtsrecht für Jakob (Israel), was die Zurücksetzung Esaus impliziert, von Gott besonders bestätigt werden (V.23). Es versteht sich also nicht von selbst. Diese besondere Setzung lässt die Vorstellung quasi dynastisch gesicherter Erbfolge mindestens fraglich werden. Von Ismael jedenfalls ist keine Rede und die Vorstellung von nichtisraelitischen Nachkommen Abrahams, welche die Beschneidung praktizieren, die Gebote des Höchsten halten und den Völkern zu Segen werden (Jub 22), findet sich bei Jesus Sirach nicht. Wer steht hinter einer solchen Abrahamrezeption? In welchem Grad ist sie jüdisches Allgemeingut im 3./2. Jh. v. Chr.? Es wäre zu vermuten, dass sich in ihr das Selbstverständnis diasporajüdischer Gruppierungen außerhalb Judäas ausspricht. Vielleicht ist sie auch entstehungsgeschichtlich darauf zurückzuführen. Interessant aber ist, dass Jesus Sirach als konservativer, eher hellenismuskritischer Jerusalemer Schriftgelehrter derartiges schreibt, oder wenigstens in ein Werk aufnimmt, das vermutlich in den jüdischen Lehrhäusern und Schulen Jerusalems Ver-

Dafür könnte die formale Parallelität von V.22 zu 1Chr 17,13 (Natanweissagung) sprechen.

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wendung fand. Es ist eine universale Abrahamperspektive, die vom judäischen Kernland aus entworfen ist.93 4.2 Die Abrahamrezeption und der historische Ort der IsmaelHagar-Geschichte Vergleicht man die unterschiedlichen Abrahamrezeptionen untereinander, zeigt sich, wie stark ihre inhaltlichen Ausprägungen jeweils durch die Erfordernisse der Rezeptionssituation bestimmt sind. In verschiedenen Situationen werden jeweils andere Aspekte und Funktionen des Ahnvaters aktualisiert. In der der Diskussion um Israels Leben im Land spielt der Rückgriff auf Abraham als Garant des Landes (Gen 15) eine bedeutsame Rolle für diejenigen, die nach Legitimation ihres Lebens im Land suchten. Andererseits macht Deuterojesaja die Landfrage nicht zum Dreh- und Angelpunkt seiner Abrahaminterpretation, sondern zielt auf die »fruchtbarkeits-« oder »segenstheologischen« Prägungen der Abrahamgeschichte (Vaterschaft, ›Same Abrahams‹, Mehrungssegen) und gewinnt daraus ein Trostpotential, um seine Adressaten im babylonischen Exil zur Hoffnung auf Gottes erneute Hilfe zu ermutigen. Ein so gelingendes Leben ist Zeichen der Erwählung Abrahams, die seinem ›Samen‹ und damit Israel gilt. Als Garant des Mehrungssegens, der seinem ›Samen‹ auch künftig gilt, steht Deuterojesaja in der Nähe der Abrahamkonzeption der Priesterschrift und hat diese theologisch wohl deutlicher inspiriert als bisher erkannt wurde.94 Der Abraham Deuterojesajas ist allein Vater Israels, nicht zugleich auch Völkervater. Die Rolle des Segensparadigmas für die Völker, die in Gen 12,3 par. Abraham (in seinen Nachkommen) zugewiesen wird, erhält bei Deuterojesaja Israel. Neh 9 wiederum gibt zu erkennen, dass die P-Ebene der Abrahamgeschichte bekannt ist, betont aber allein die bei P nicht prominente Landgabe in der Fassung des Abrahambundes in Gen 15. Die Landgabe ist hier Zeichen bleibender Erwählung Abrahams und damit Israels. Beschneidung, Mehrung oder auch die universalen Aspekte Abrahams spielen in Neh 9 keine Rolle, während die Chronik Abraham genealogisch als ›Vater‹ einer großen Völkerfamilie auffasst, gleichzeitig aber seine theologische Bedeutung für Israel zugunsten des Erzvaters Israel (Jakob) zurücknimmt. Erst Jesus Sirach wird – neben dem etwas älteren Jubiläenbuch – die völkergeschichtliche Perspektive Abrahams mit seiner Rolle als Vater und Vorbild Israels und Bundespartner Gottes wirklich wieder verbinden. Dies erreicht Jesus Sirach dadurch, dass er die priesterschriftlichen Vorgaben der Abrahamkonzeption ins Zentrum sei93

Darin fügt sich Jesus Sirach zu der ebenfalls im judäischen Kontext des 3.-2. Jh.s v. Chr. anzusiedelnden Abrahamrezeption im Genesis-Apokryphon und im Jubiläenbuch. 94 Vgl. die Bemerkungen bei K. SCHMID, Erzväter und Exodus, 271.

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ner Rezeption stellt95 und von den nichtpriesterschriftlichen Verheißungen nur diejenigen aufnimmt, die sich zur weltweiten Bedeutung Abrahams fügen.96 Jesus Sirach sieht die Abrahamnachkommen dauerhaft die ganze Welt bevölkern und fasst dies als Ausdruck des Segens Gottes. Die Landgabe und -garantie dagegen werden gar nicht mehr mit Abraham verbunden. Zweifellos ist hier Abraham als Vater und Gründer eines Judentums gesehen, dass über die ganze damalige Welt verbreitet war und in der Abrahamgeschichte ihr künftiges Leben vorgebildet sah. Dass diese weiträumige Perspektive, bei der sich nicht alles an der Landfrage entscheidet, mit einem Jerusalemer und judäischen Standpunkt vereinbar ist, dafür spricht Jesus Sirach ebenso wie vor ihm die Priesterschrift. Diese wenigen Beispiele aus rund 400 Jahren Abrahamrezeption seit der Exilszeit reichen natürlich nicht aus, um entwicklungsgeschichtliche Linien zu ziehen. Die jeweiligen Rezeptionsinteressen bestimmen die Auswahl und die Gewichtung der Themen, die mit Abraham verbunden und gegründet werden. So kann man schon bei Deuterojesaja nicht ausschließen, dass er Abraham bereits genealogisch auch als Vater nichtisraelitischer Völker kennt, obgleich er diesen Zug nicht rezipiert und wir nicht wissen, welcher Teil der Abrahamüberlieferung der Genesis ihm schon bekannt war. Man kann es freilich auch nicht zwingend voraussetzen. Der Befund zeigt aber vielleicht, dass in der frühen nachexilischen Zeit im Zuge der Auseinandersetzung zwischen Gola und Landjudäern und der Konsolidierung Israels im judäischen Kernland die partikularen bzw. auf die Garantie des Wohnens im Land bezogenen Abrahaminterpretationen vorwiegen, und dass in der fortgeschrittenen nachexilischen Zeit die universalen Dimensionen Abrahams stärker in den Vordergrund treten können. Erst nach den Stürmen der Konsolidierung und Reorganisation kann in der achämenidischen Zeit die Situation der über das ganze persische Reich verstreuten Diaspora, aber auch die Stellung Israels inmitten der Völkerwelt, stärker bedacht werden. Dabei spielt der universale Ansatz der priesterschriftlichen Tempeltheologie und ihre Abrahamkonzeption eine nicht unwesentliche Rolle, weil sie partikulare und universale Linien in der Gestalt Abrahams verschränkt, ihn als Völkervater wie als Vater Israels unter dem Segen Gottes denken kann. Diese Abrahamtheologie prägt entscheidend auch die Ismaelgeschichte. Geht man davon aus, dass die theologische Ismaelkonzeption aus historischen Gründen (s.o.) nicht vorexilisch sein kann, ist ein exilisches oder frühnachexilisches Datum weniger wahrscheinlich als eine spätere Zeit, in der die 95

Vgl. die Parallele von Abrahambund und Noahbund; Vater einer Menge von Völkern, Beschneidungsbund, Zurückdrängen der Landfrage. 96 Vgl. die Elemente ›Segen für die Völker‹; ›Nachkommen so zahlreich wie die Sterne‹.

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universalen Aspekte Abrahams als Identifikationssymbol Israels stärkere Beachtung fanden und wohl auch kontrovers diskutiert wurden. In keinem der Rückgriffe auf Abraham ist von Ismael oder Hagar die Rede, wenn man von der genealogischen Liste in 1Chr 1 absieht. Dies könnte zwar damit erklärt werden, dass Ismael im Hinblick auf Israel wenig identifikatorische Bedeutung besitzt.97 Aber auch andere familiengeschichtliche Elemente, etwa die wunderbare Geburt oder die ›Bindung‹ Isaaks werden in den Bezugnahmen auf die Abrahamgeschichte innerhalb des hebräischen Kanons nicht eigens herausgestellt. Selbst Sara ist nur noch in Jes 51,2 erwähnt. Vergleicht man die überlieferten, sporadischen Bezugnahmen auf Abraham außerhalb der Genesis mit der ›Ismaeltheologie‹ der Genesis, bieten sich nur wenige unmittelbare Seitenstücke an. Angesichts der Spärlichkeit der Belege muss das nicht verwundern. Weder der Abrahambund in Gen 17, noch all die vielen erzählerischen Details finden außerhalb der Genesis Erwähnung. Die entscheidende Rezeption Abrahams in Israel in dieser Zeit manifestiert sich wohl in der Abrahamgeschichte der Genesis selbst. Am ehesten lassen sich in der Abrahamkonzeption Deuterojesajas Analogien finden. ›Same Abrahams‹ zu sein, bedeutet für ihn, an Abrahams Erwählung und den ihm geltenden Mehrungsverheißungen teilzuhaben, bedeutet, sich dem rettenden Gott Abrahams anvertrauen zu können, der auch künftig zu seinen Verheißungen steht. Was Deuterojesaja im Hinblick auf Israel entwickelt, erzählt die Vertreibungsgeschichte Ismaels (Gen 21) unter der Bedingung, dass dies auch für den über Israel hinaus gehenden ›Samen Abrahams‹ gilt.98 Ein Nachdenken über die theologische Bedeutung Abrahams für die Völkerwelt außerhalb der Genesis ist erst in der jüdischen Abrahamrezeption im 3./2. Jh. v. Chr. bezeugt (Jesus Sirach, Jubiläenbuch), ohne das angenommen zu werden braucht, das Datum einer überlieferten Textrezeption entscheide (allein) über das Datum der Textproduktion. Freilich müssen beide Termine nicht soweit auseinanderliegen, wie oft angenommen wird. Es reicht aus, die Hagar-Ismael-Erzählung in ihrer wesentlichen theologischen Konzeption als israelitische Erzählung aus der achämenidischen Zeit zu bestimmen. Sie nutzt die genealogische Vorgabe Abrahams als Vater der ›arabischen‹ Stämme um an ihr aufzuweisen, was es in theologischer und dramatischer Hinsicht heißen kann, dass Abraham als Vater Israels auch Vater weiterer Völker ist. Dies wird im familiären Schicksal Ismaels und Hagars als Mitglieder der Familie 97 Im Hinblick auf die weite Verbreitung des Namens Ismael in Juda seit der Exilszeit (s. den Exkurs Kap. II. 6.3) wird man auch damit rechnen dürfen, dass jüdische Eltern ihren Kindern den Namen Ismael deshalb gegeben haben, weil das Erhörungsmotiv, das er enthält, in der Geschichte von Abrahams erstem Sohn so dramatisch eindrucksvoll erzählt wird. 98 S.o. Kap. IV. 4.

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Abrahams verdichtet. So wird ein Beziehungsdrama entworfen, das auf einer individuellen und kollektiven Ebene Paradigmen des Umgangs mit fremden Menschen und Völkern in einer auch selbstkritischen Weise darstellen kann, und dass sich um eine versöhnte Zuordnung der Verschiedenen bemüht, ohne doch die besondere Rolle Israels einzuebnen, und ohne mögliche Konflikte und Fremdheitserfahrungen mit verwandten Völkern auszublenden. In der Art, wie von Hagar und Ismael erzählt wird, verbindet Israel wesentliche Erfahrungen seiner eigenen Geschichte, Migration, Flucht und Vertreibung, Bedrohungs- und Rettungserfahrungen mit einem Gott, der als erhörender und rettener Gott erhofft wird. Die von Ismael und dem Segen Gottes abstammenden Völker zeigen dann die völkergeschichtlichen Konsequenzen des Segens dieses Gottes, der dem ›Samen Abrahams‹ gilt. Israel konzipiert diese Geschichte nicht als zufällige Frucht theologisch abseitiger Spekulationen. Vielmehr verankern die Redaktoren des Pentateuch sie in der Abrahamerzählung als der für Israels Identität wesentlichen Vorgeschichte, im Ursprungsmythos Israels am Eingang der Tora.

VIII. Frühjüdische Rezeption der Gestalt Ismaels

Ziel der hier ergänzend vorgetragenen Einsichten zur frühjüdischen Rezeptionsgeschichte ist der Nachweis der historisch eruierbaren Vielfalt von frühjüdischen Lektüremöglichkeiten, die von einem inklusiven Verständnis der Ismaelgeschichte ausgehen. Die protorabbinische Auslegungstradition, der sich Paulus in Gal 4,21-31 mit seinem KonfliktSchema des Verhältnisses von Isaak und Ismael verpflichtet weiß, indem er einen aggressiven Ismael postuliert, findet sich in den hier vorgestellten frühjüdischen Texten noch nicht. Ich hatte schon darauf hingewiesen, dass der Galaterbrief den ältesten sicher datierbaren Beleg für das Kontrastschema und Feindschaftsmotiv bietet.1 Stattdessen gibt es in der frühjüdischen Literatur eine Bandbreite unterschiedlicher inklusiver Zuordnungen und positiver Sichtweisen auf Ismael und Hagar, wovon nun zu reden ist. Mit diesen Hinweisen soll aufgewiesen werden, dass die von mir vorgetragene inklusive Interpretation der Ismael-Erzählung nicht nur eine – wie ich hoffe – dem biblischen Genesis-Text gemäße, sondern in wesentlichen Zügen auch eine im Kontext des frühen Judentums historisch belegbare Rezeption darstellt. 1. Jubiläenbuch Im Verlauf dieser Arbeit sind wir immer wieder auf das Jubiläenbuch gestoßen. Aus verschiedenen Gründen ist das Jubiläenbuch für unsere Thematik besonders interessant. Seine Verfasser gehören nicht zur jüdischen Diaspora, in deren Reihen man sich am ehesten universale Ausdeutungen der Abrahamgeschichte vorstellen könnte. Sie gehören auch nicht zu einem dem hellenistischen Anpassungsdruck der Zeit erlegenen Judentum, sondern zu dessen Gegnern in Palästina selbst. Das Jubiläenbuch zeigt, dass sehr gesetzestreue Juden in Judäa eine Perspektive auf die biblische Ismaelgeschichte kennen, die nicht nur von keinerlei Rivalität oder Feindschaft zwischen Ismael und Isaak weiß, sondern auch das theologische Konzept der durch Ismael und alle Abrahamnachkommen repräsentierten Abrahamökumene übernimmt, weiter ausgestaltet, und dennoch keine Schwierigkeiten hat, an der Besonderheit der Erwählung Israels festzuhalten. 1

S. o. den Exkurs: qxcm und die Feindschaft Ismaels gegen Isaak.

VIII. Frühjüdische Rezeptionen Ismaels

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Das Jubiläenbuch enthält u.a. eine Nacherzählung der Genesis und von Teilen des Exodusbuches in der literarischen Weise der »rewritten Bible«, in der die Auslegung in Gestalt einer produktiven Neuerzählung vorliegender Texte begegnet.2 Obgleich es auch als ein Traditionswerk anzusprechen ist, gehört der Abschluss der Überlieferungsbildung in das 2. Jh. v. Chr. Sein historischer Kontext sind die Auseinandersetzungen zwischen hellenistischen und streng religiösen Religionsparteien, die zu den gewaltsamen Auseinandersetzungen der Makkabäerkämpfe führten. In diesem Streit steht das Jubiläenbuch auf der Seite der Gesetzestreuen, die gegen jüdisch-hellenisierende Assimilierungsbestrebungen um die Reinheit und Abgrenzung des ›heiligen Samens‹ Israels als priesterliches Gottesvolk von den Heiden und Völkern der Welt bemüht sind. Es ist von dem Bemühen gekennzeichnet, »auf der Basis der Autorität der Väter und des Mose noch einmal allen verschiedenen Gruppen des Volkes ein gemeinsames, historisch begründetes Selbstverständnis zu vermitteln. [Das] Jub[iläenbuch] ist der Versuch, die durch den Hellenismus bedrohte Identität des Volkes durch Rückgriff auf Vätertraditionen herzustellen.«3 Aus diesem Grund wird z.B. anhand des Abrahambundes vehement die Beschneidung eingefordert und die Laxheit der Beschneidungspraxis unter den hellenistischen Juden beklagt (Jub 15,33). Andererseits werden wichtige kultische Regeln (Fremdehenverbot, Opferregeln, Zehnter) und jüdische Feste als Gründungen Abrahams ausgewiesen. Die geistige Trägerschaft des Jubiläenbuches »ist demnach eine antihellenistische priesterliche restaurative Reformgruppe, die sowohl zu den Asidäern als auch mit der kurz danach entstandenen Qumrangruppe in enger historischer Verbindung steht.«4 In der Gemeinschaft von Qumran stand diese Schrift dann auch in hohem Ansehen. Die dortigen Schriftfunde zeigen »eindeutig, dass die Qumran-Siedler das Jubiläenbuch bis zuletzt als eines der wichtigsten Werke ihrer Traditionsliteratur betrachtet haben.«5 Diese quasikanonische Gültigkeit in bestimmten Gruppen des frühen Judentums hat auch auf das Christentum ausgestrahlt, so dass es später in der äthiopischen Kirche unter Kaiser Zara Yaqob (1434-1468) besondere BeachSein »Gegenstück«, das in Qumran gefundenene Genesis-Apokryphon, reicht nur bis zum Anfang von Gen 15. Zum Jubiläenbuch vgl. K. BERGER, Jubiläen, JSHRZ II/3. Die angeführten Zitate sind dieser Ausgabe entnommen. Vgl. ferner O.S. WINTERMUTE, Jubilees, bei J.H. CHARLESWORTH, OTP II, 35-142, und die Einführung ins Jubiläenbuch bei J.C. VANDERKAM, Jubilees. 3 K. BERGER, Jubiläenbuch, 298. 4 K. BERGER, ebd. 5 Unter den pseudepigraphischen Handschriften der Bibliothek von Qumran sind Fragmente von 14 Exemplaren des Jubiläenbuches gefunden worden. Vgl. J.C. VANDERKAM, Book of Jubilees. Daneben gibt es außer dem Genesis-Apocryphon Fragmente von weiteren Abrahammidraschim, die dem Jubiläenbuch nahestehen, ohne mit ihm identisch zu sein, was in Qumran eine florierende Abrahamrezeption belegt. 2

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tung fand und bis heute ihrem biblischen Kanon angehört. Als Entstehungszeit des Jubiläenbuches wird meist das zweite Drittel des 2. Jh. v. Chr. angesehen.6 Doch kann man fragen, ob sein Grundbestand nicht älter sein müsse, wenn es für die Qumrangemeinde Mitte des 2. Jh. schon eine anerkannte, d.h. alteingeführte Autorität war.7 Wie bei anderen Werken der Traditionsliteratur gibt es eine Reihe inhaltlicher Spannungen und Widersprüche, vor allem zwischen den »rewritten Stories« und den halachischen Konkretionen, die verschiedentlich zu redaktionsgeschichtlichen Modellen geführt haben.8 Der Ort seines Entstehens ist Palästina, vielleicht sogar Jerusalem, so dass sich im Hinblick auf die Abrahamrezeption des Jesus Sirach9 eine interessante zeitliche und örtliche Nachbarschaft ergibt. Das Jubiläenbuch ist zudem ein Traditionswerk, das eine ganze Reihe außerbiblische, haggadische Erzähltraditionen aufgenommen hat. Von diesen hat das Jubiläenbuch jeweils ein älteres Überlieferungsstadium bewahrt als andere frühjüdische Werke über Abraham.10 Auch im Hinblick auf seine Ismaelrezeption erweist sich das Jubiläenbuch als ein Dokument des Übergangs. Einerseits hat es sehr viel von der Weiträumigkeit der frühjüdischen Abrahamrezeption in achämenidischer und (früh-)hellenistischer Zeit bewahrt, zuweilen aber auch die Grenze zwischen Israel und Ismael als Repräsentant der nichtisraelitischen Abrahamiten schärfer als in der Genesis gezogen (15,30; 16,17). Letzteres wird sich in der späteren Abrahamliteratur fort-, und in der rabbinischen Tradition durchsetzen und auch vom Christentum beerbt werden. Zur Rezeption der Hagar- und Ismaelgeschichte im Jubiläenbuch liegen mittlerweile eine Reihe von Spezialuntersuchungen vor,11 unter denen besonders die von SÖLLNER zu nennen ist, der sich auf die Darstellung Ismaels konzentriert und auch eine synoptische Gegenüberstellung mit den Genesis-Texten bietet. In der Rezeption der HagarK. BERGER, ebd., 298-300. Die aktuelle Debatte zur Datierung bewegt sich zwischen 141-170 v. Chr., dazu J.C. VANDERKAM, The Origins, 4-16. 7 H. STEGEMANN, Qumran, 132, meinte: »Aufgrund der Qumran-Funde wird man für das Datum der Abfassung dieses Werkes mindestens bis in das 3. Jh. v.Chr. hinaufgehen müssen.« 8 M. SEGAL, Book of Jubilees, 21-34; J. KUGEL, Interpolations. 9 S. o. Kap. VII. 4.1. 10 K. BERGER, ebd., 297. 11 Vgl. D. MENDELS, Land of Israel,147ff (1987); R. SYRÉN, Ishmael and Esau in the Book of Jubilees (1994); meine Habilitationsschrift, 337-343 (1996); B. HALPERNAMARU, Empowerment of Women (1999); P. SÖLLNER, Ismael und Isaak (2000); U. BECHMANN, Abraham, 128-180 (2004); die auch die Verbindungslinien zu den islamischen Traditionen beleuchtet; D. ROTHSTEIN, Depiction of Hagar in Jubilees (2008); J. VAN RUITEN, Hagar in the Book of Jubilees (2010), sowie die monographische Behandlung Abrahams im Jubiläenbuch von J. VAN RUITEN, Abraham (2012), der auch die entsprechenden Einträge zu ›Hagar‹ und ›Ishmael‹ in EBR verfasst hat. 6

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Ismael-Episoden schließt sich das Jubiläenbuch eng und oft wörtlich an die Genesistexte an, so dass Abweichungen besonders ins Gewicht fallen. So fällt besonders auf, dass Gen 16,4b-14 ausgelassen wird. Während sich die uns interessierenden Texte aus Gen 17,15-21; 21,9-21; 25 alle wiederfinden, ist der Streit der Frauen, Hagars Flucht und Errettung in der Wüste, Hagars Gottesbenennung, die göttliche Bestimmung des Namens Ismael, aber auch der Wildeselspruch mit seiner Konfliktmetapher ausgelassen. Das Jubiläenbuch legt großen Wert auf Harmonie in der Abrahamfamilie - zwischen Abraham und Sara, sogar zwischen Sara und Hagar, zwischen Abraham und seinen Söhnen und zwischen Isaak und Ismael. Die moralischen Ambiguitäten der Darstellung in Gen 16 werden eingeebnet: Streit im Haus Abrahams, göttlicher Rückkehrbefehl an Hagar, Wildeselspruch. Die Vermeidung des Wildeselspruchs ist umso auffälliger, weil Jub 20 die Nachkommen Ismaels in Bezug auf die zeitgeschichtlichen Nachbarvölker (Nabatäer, Araber) konkretisiert, was wir auch bei Josephus sehen werden. Auch dieser vermeidet in seiner Nacherzählung von Gen 16 den Wildeselspruch. Das gegenwärtige Völkertableau soll offenbar nicht mit einer Konfliktmetapher belastet werden. 1.1 Ismaels Geburt In Jub 14 wird die Verheißung eines leiblichen Nachkommen Abrahams erzählt, und auch in Jub 14,3 (Gen 15,6) wird die Frage der Mutter offengelassen. Angesichts dieser Verheißung freut sich Abraham, glaubte fest daran, dass sie Wirklichkeit werden würde und teilt dies alles Sara mit. 21) Und Abram freute sich und ließ alle diese Dinge Sora, seine Frau, wissen. Und er glaubte, dass ihm Same zuteil würde. Aber sie gebar nicht. 22) Und Sora riet Abram ihrem Mann, und sagte zu ihm: »Gehe zu Hagar, meiner ägyptischen Magd, dass ich vielleicht aus ihr dir Samen erstelle!« Und Abram hörte auf die Stimme Soras, seiner Frau, und sagte zu ihr: »Tu (es)!«. Und Sora nahm Hagar, ihre ägyptische Magd, und gab sie dem Abram, ihrem Mann, ihm zur Frau zu sein. 24) Und er ging zu ihr. Und sie empfing und gebar einen Sohn. Und er nannte seinen Namen Ismael, im fünften Jahr dieser Jahrwoche. Und dieses Jahr war das 86. Jahr im Leben Abrahams.

Saras Initiative zur Zweitehe steht ganz im Einklang mit der göttlichen Verheißung. Sara hat sie erzählt bekommen. Ihre eigene Kinderlosigkeit wird nochmal erwähnt und sie macht Abraham einen Vorschlag, den dieser annimmt. Auch hier steht das Handeln von Abraham und Sara in völliger Übereinstimmung mit der göttlichen Verheißung. Saras »vielleicht« stellt auch hier alles Gelingen Gott anheim. Das Jubiläenbuch

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erkennt keine selbstsüchtigen Motive Saras.12 Vielmehr hat Gott dem Abraham »Samen« versprochen und Sara tut im Anbetracht ihrer Lage das Ihrige dazu, dass es gelingt. Während Abraham in Gen 16 auf Saras Vorschlag nur passiv reagiert, wird in Jub 14,23 die aktive Zustimmung des Ahnvaters sogar in direkter Rede festgehalten. »Die besondere Zeugung Ismaels durch Abraham von Hagar wird damit nicht mehr allein auf den Wunsch Saras zurückgeführt, sondern Abraham ist in stärkerer Weise als ›Mitverantwortlicher‹ an diesem Geschehen ausgewiesen.«13 Dass die Verbindung mit Saras Magd Hagar eine echte Eheschließung ist, wird genauso pedantisch festgehalten wie in Gen 16,3, ebenso Ismaels Geburt und die Namensgebung durch Abraham. Die Textpassagen, die in Gen 16 als priesterschriftlich gelten (V.3.15f), werden sehr genau übernommen. Die Geburt Ismaels steht im Jubiläenbuch damit in deutlicher Übereinstimmung mit dem Verheißungsgeschehen an Abraham. Daran kann es gar keinen Zweifel geben. Auch Ismael ist ein Sohn der Verheißung eines leiblichen Nachkommens. Andererseits gewinnt Hagar vor allem als Mutter Ismaels Bedeutung, aber nicht als Verheißungsträgerin.14 1.2 Ismael im Abrahambund Auch die Wiedergabe von Gen 17 in Jub 15 betont die Völkerdimension Abrahams als »Vater vieler Völker« und bindet die Bundeszusage an den »Samen« Abrahams und an die Beschneidung. Dabei wird die Zuordnung von Isaak und Ismael im Beschneidungsbund von Gen 17,1823 recht genau in Jub 15,18-21 wiedergegeben, auch wenn Ismaels Beschneidung nur einmal und nicht dreimal wie in der Genesis erwähnt wird. Auf die Ankündigung eines Sohnes für die alte Sara fällt Abraham nieder und freut sich mit großer Freude. Das Motiv des Lachens ist in Jub stets als Freude verstanden. Dann bittet Abraham für seinen Sohn Ismael und Gott erhört auch diese Bitte. Die Passagen Gen 17,18-23 und Jub 15,18-21 verhalten sich durchgängig parallel. Jub 15,18-21: Und Abraham sagte zum Herrn: »Es ist wünschenswert, dass Ismael vor dir leben möge!« 19 Und der Herr sagte: »Ja. Und auch Sara wird dir einen Sohn gebären. Und du sollst seinen Namen Isaak nennen. Und ich werde meinen Bund aufstellen mit ihm, einen Bund für die Ewigkeit, und auch für seinen Samen nach ihm. 20 Und Selbstsüchtige Motive werden Sara gern in Gen 16,2 (»damit ich auferbaut werde«) unterstellt. Jub 14,22 (»das ich vielleicht aus ihr dir Samen erstelle«) macht sprachlich überaus deutlich, dass es um den Samen für Abraham geht. Nichts anderes ist auch in Gen 16,2 im Blick. 13 P. SOELLNER, Ismael und Isaak, 360. 14 Die ganze Fluchtszene aus Gen 16 mit ihren Verheißungen an Hagar fehlt und Gen 21,18 (Verheißung an Hagar) wird zugunsten von Gen 21,13 (Verheißung an Abraham) ausgelassen. 12

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auch wegen Ismael habe ich dich erhört. Und siehe, ich werde ihn segnen, und ich werde ihn groß machen, und ich werde ihn überaus zahlreich machen. Denn zwölf Fürsten wird er zeugen. Und ich werde ihn zu einem großen Volk machen. 21 Und meinen Bund werde ich aufstellen mit Isaak, den dir Sara gebären wird in diesen Tagen des anderen Jahres.«

Gott erhört die Ismaelbitte ausdrücklich und weist sie nicht ab. Die hebräische Partikel lba wird wie in der LXX als bejahende Satzeinleitung verstanden, nicht als Verneinung oder Gegensatz, ein Verständnis, das ich auch für den masoretischen Text annehme. An diese wörtliche Aufnahme von Gen 17 schließt sich eine halachische Konkretisierung in Jub 15,25-34 an, die den Zusammenhang des Bundesschlusses verlässt und sich direkt an die Adressaten wendet. In ihr wird die Beschneidungsverpflichtung für Israel eingeschärft und die laxe Beschneidungspraxis gegeißelt, die Gott lästern würde, seinen Zorn heraufbeschworen hat und eine unvergebbare Schuld darstellt. In dieser Passage wird Ismael gemeinsam mit Esau Erwählung und Bund entzogen. Es gilt nur Israel als erwählt, obwohl von Ismaels Beschneidung gerade geredet wurde. Hier liegt eines der Beispiele für die erwähnte Spannung, die sich zwischen den »rewritten texts« und den halachischen Konkretionen ergibt. Ich komme darauf unter 1.6 zurück. 1.3 Isaaks Geburt und die Vertreibung Hagars und Ismaels Die Adaption des Gottesbesuchs in Mamre in Jub 16 ist aufschlussreich, weil sie Sara deutlich aufwertet. Nun bekommt Sara den Namen Isaaks von Gott verheißen, der auf den himmlischen Tafeln längst aufgeschrieben ist: »Und wir erzählten ihr den Namen ihres Sohnes, wie er festgesetzt und geschrieben ist auf den Tafeln des Himmels: Isaak.« (V.3) Sara ist es auch, welche die Wiederkehr der Gottesboten übers Jahr versprochen bekommt. Damit ist gegenüber Abraham als Vater auch der Keturasöhne und der Ismaeliter nun die Mutter dessen in den Vordergrund gerückt, der Mittler Israels als ›heiliges Gottesvolk‹ sein wird.15 Der Name Isaaks wird als Gottes Setzung aufgewertet, denn er steht bereits auf den himmlischen Tafeln Gottes. Da Ismael seinen Namen von Abraham und nicht wie in Gen 16,11 von Gott bekommt, ist die Symmetrie der göttlichen Namensgebung an Isaak und Ismael aus der Vorlage dahin. Mit der Geburt Isaaks wird zudem die Entstehung des Laubhüttenfestes verbunden, weil dies als Fest der Freude gilt, die Isaak in seinem Namen trägt. Das Namensmotiv des Lachens wird im Jubiläenbuch stets mit großer Freude verbunden. Vgl. K. BERGER, Jubiläenbuch, 410 m. Anm.1. Die Betonung der Rolle Saras als Mutter Isaaks dient im Jubiläenbuch der stärkeren Hervorhebung der Bedeutung Isaaks, aber noch nicht dazu, Ismael abzuwerten.

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Ausführlich wird die Vertreibung Hagars und Ismaels wiedergegeben. Die göttliche Vertreibungsforderung wird wie die ›Bindung Isaaks‹ als Prüfung Abrahams verstanden. Aus der Vertreibung Ismaels, in der Abraham »in aller Trübsal« (17,15) an Gott festgehalten hat, entspringt dann der Gedanke des satanischen Fürsten Mastema, Gott zu einer weiteren schweren Prüfung Abrahams zu bewegen, nämlich nun auch Isaak zu opfern.16 Saras Vertreibungsmotiv wird mit Eifersucht psychologisch gedeutet, liegt aber nicht in einem Bedürfnis, ihren Isaak vor den Nachstellungen Ismaels zu schützen. Auch die Vertreibungsepisode in Jub 17 rechnet mit Ismael als kleinerem Kind, obwohl er nach dem chronologischen System des Jubiläenbuches bereits 24 Jahre alt sein müsste. Die Handlungsfolge entspricht Gen 21, bietet aber einige interessante Abweichungen. Vor allem werden Ismael und Hagar immer wieder mit Namen genannt. Den Anlass der Szene bietet das Entwöhnungsfest Isaaks, das als Familienfeier beschrieben wird, bei dem Hagar und Ismael als Teilnehmer ausdrücklich genannt werden. Denn Abraham freut sich und dankt Gott dafür, dass dieser ihm beide Söhne geschenkt hat und er nun nicht kinderlos sterben wird. So denkt er angesichts beider Söhne an die erste Verheißung unzählbarer Nachkommenschaft aus der Zeit zurück, da er sich von Lot trennte. Und er freut sich, »weil ihm Gott ›Samen‹ gegeben hatte auf der Erde, damit er die Erde erbe« und dankt seinem Gott, der alles geschaffen hat (V.3).17 Selbstverständlich werden beide Söhne zu diesem ›Samen‹ gerechnet. Diese Freude Abrahams über seine beiden Söhne fordert Saras Eifersucht heraus. Dabei ist Ismaels Spielen und Springen vor Abraham der Grund für Saras Eifersucht, aus der ihre Vertreibungs- und Enterbungsforderung entsteht. Das Jubiläenbuch kennt die Tradition von den zehn Versuchungen Abrahams (Jub 19,8), führt aber nur sieben auf: Land, Hungersnot, Reichtum der Könige, Raub der Sara, Beschneidung, Vertreibung Ismaels, Bindung Isaaks (Jub 17,17f). Für das Jubiläenbuch und einen Teil der jüdischen Tradition (TNf; TPsJ zu Gen 22,1; PRE 30f) ist die ›Bindung Isaaks‹ die zehnte, nach Aboth 5,3 u.a. die neunte (die zehnte: Geduld beim Kauf der Grabhöhle), für alle aber die schwerste der Prüfungen Abrahams. Weiteres bei R.H. CHARLES, Jubilees, 121; K. BERGER, Jubiläenbuch, 418. 17 Angesichts des universalen Erbes, das seine beiden Söhne verkörpern, denkt Abraham an Gen 13,14ff. Dort war in der Genesis erstmals die Unzählbarkeit des Samens Abrahams verheißen. Abraham soll nach allen Himmelsrichtungen schauen, um das Land zu sehen, das sein ›Same‹ bewohnen wird und bekommt dann von Gott den Auftrag, dieses Land in der Länge und Breite zu durchziehen. In Gen 13,14 (Jub 13,20f) ist zweifellos geographisch an das westjordanische Kanaan gedacht, anders jedoch in 1QapGen 21,820. Doch geht der Horizont, betrachtet man die Abrahamvölker, deutlich darüber hinaus, und kann Syrien und Arabien mitumfassen. Diese weiten Landkonzeptionen werden in der frühjüdischen Literatur verschiedentlich aufgenommen (Gen apoc 21,15-19; Apg 2,9-11; Tob 14,7 u.a.), dazu M. HENGEL / A.M. SCHWEMER, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien, 188f. 16

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Und Sara sah den Ismael als er spielte und sprang, und (sah) auch Abraham, als er sich in großer Freude freute. Und sie wurde eifersüchtig auf Ismael. Und sie sagte zu Abraham: »Vertreibe diese Sklavin und ihren Sohn, denn der Sohn dieser Sklavin soll nicht erben mit meinem Sohn Isaak!« (Jub 17,4)

Der Anlass ist das kindliche Spiel Ismaels. qxcm aus Gen 21,9 wird mit »Spielen und Springen« wiedergegeben. Es wird als eine positive Handlung, die Abraham erfreut, verstanden und nicht als negative oder gar gegen Isaak gerichtete Handlung aufgefasst.18 Saras Eifersucht war in Gen 21 nicht genannt. Das Ziel der Vertreibung ist wieder identisch, Sara will das Miterbe Ismaels mit ihrem Sohn Isaak verhindern. Abrahams Missfallen über Saras Forderung wird als Betrübnis aufgefasst und bezieht auch die Mutter Hagar mit ein. Die theologisch gewichtige Passage aus Gen 21,12-13 findet sich in Jub 17,6 nahezu identisch: Und der Herr sagte zu Abraham: »Betrübnis soll nicht sein vor deinen Augen wegen des Knaben und wegen der Sklavin. Alles, was Sara gesagt hat, höre ihre Rede und tu es! Denn in Isaak wird dir Name und Same genannt werden. 7) [Und] wegen des Sohnes dieser Sklavin aber: zu einem großen Volk will ich ihn machen, denn aus deinem Samen ist er.« (Jub 17,6)

Wie in Gen 21,13 wird Ismael hier in einem theologisch gehaltvollen Sinn als ›Same‹ Abrahams aufgefasst. Auf dieser Gottesverheißung an Abraham vor der Vertreibung liegt ein besonderes Gewicht, denn die zweite Verheißung in der Wüste (Gen 21,17) wird dann nicht mehr mitgeteilt. Die Abschiedsszene wird so erzählt, dass Abraham Hagar und ihrem Sohn Brot und Wasser zu tragen gibt. In der Vorlage trug Hagar auch noch das Kind. Das Leid des verdurstenden Ismael ist in V.19 deutlicher hervorgehoben als in Gen 21. Er hatte Durst, konnte nicht mehr gehen und fiel hin. Als der Knabe vor Durst nicht mehr weiter kann, wirft ihn Hagar unter einen Olivenbaum19, setzt sich abseits und weint. Gottes Errettung gilt vor allem der Mutter, so dass der Eindruck, als hätte Hagar in der Not ihr Kind preisgegeben, gar nicht aufkommen kann. »Und ein Engel Gottes, einer von den heiligen, sagte zu ihr: Warum weinst du, Hagar? Steh auf, nimm den Knaben und fasse ihn mit deiner Hand! Denn der Herr hat deinen Ruf gehört und den Knaben gesehen.« (Jub 17,11) In der Vorlage erhörte Elohim die Stimme des Knaben, nicht die der Mutter. Auch die feine Unterscheidung zwischen Vgl. oben zu Gen 21,9 und meinen Exkurs: qxcm und die Feindschaft Ismaels gegen Isaak, S. 272-286. 19 Wie aus dem Wüstenstrauch der Vorlage ein fruchtbarer Olivenbaum werden kann, der in der Wüste botanisch nichts zu suchen hat, ist unklar. P. SÖLLNER, Ismael und Isaak, 266 m. Anm. 17 vermutet eine Fruchtbarkeitssymbolik.

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Elohim und Jhwh in Gen 21 wird im Jubiläenbuch nicht rezipiert. Es ist selbstverständlich Jhwh, der hier rettet. Der Engel spricht auch nicht mehr »vom Himmel her, sondern man gewinnt den Eindruck, er stehe unmittelbar vor Hagar.«20 Das Ende der Episode bietet eine eigenständige Variation: Und der Knabe wuchs und wurde ein Bogenschütze. Und der Herr war mit ihm. Und seine Mutter nahm ihm eine Frau von den Töchtern Ägyptens. Und sie gebar ihm einen Sohn, und er nannte seinen Namen Nabeot. Denn sie sagte: »Nahe war mir der Herr als ich ihn rief.« (Jub 17,13-14)

Die Beistandszusage Gottes für Ismael bringt das Jubiläenbuch erst, nachdem der Knabe herangewachsen und ein Bogenschütze geworden war, versteht Gottes Fürsorge also nicht auf das Aufwachsen Ismaels begrenzt. Über die biblische Vorlage hinausgehend, wird mitgeteilt, dass die Ehe Ismaels mit einer Ägypterin sogleich erfolgreich zu einem Sohn namens Nabeot führt, dem Stammvater der Nabatäer, der auch nach Gen 25,11 Ismaels Erstgeborener ist. Sein Vater Ismael verleiht ihm diesen Namen mit Hinblick auf die Bewahrung, die seine ägyptische Frau während der Geburt durch Gott erlebt hat: »Denn sie sagte: ›Nahe war mir der Herr, als ich ihn rief.‹« So setzen sich in der Geburt des Ismaelsohnes – fernab von aller Fremdehenpolemik – das Erhörungsmotiv des Ismaelnamens und in der Dankbarkeit der Mutter Nabeots die Erfahrungen Saras (Gen 21,6f) und vor allem Hagars in der Wüste fort. Auch die Begegnung mit dem Gott Israels ist für Ismaels ägyptische Frau gar kein Problem. Man gewinnt den Eindruck, dass Ismael auch als Völkervater als fester Bestandteil der Abrahamfamilie gesehen wird. Da in der Entstehungszeit des Jubiläenbuches im 2. Jh. v. Chr. in der palästinischen Optik die Nabatäer die ›Araber par excellence‹ waren, gewinnt die Heraushebung der Nabatäer eine besondere Dimension. Hier verrät sich der Wille, gegenwärtige politische Gegebenheiten in der Vorgeschichte Israels theologisch zu verankern, d.h. die gegenwärtigen Nabatäer, nicht nur ihre Vorfahren, in den Völkerkreis aus der Nachkommenschaft Abrahams einzubeziehen, was dann in Jub 20 noch stärker ausgeformt wird. Zum Abschluss der Episode wird dann noch einmal klargestellt, dass die Vertreibung Ismaels und Hagars als Prüfung/Versuchung Abrahams aufzufassen ist (Jub 17,7). Damit wird ein hermeneutischer Horizont eröffnet, der die Bindung Isaaks mit der Vertreibung Hagars und Ismaels zusammen zu verstehen sucht.

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P. SÖLLNER, Ismael und Isaak, 366.

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1.4 Abrahams Vermächtnis und Tod Während Ismael eine eigene Familie gründet, bleibt er seinem Vaterhaus und besonders auch seinem Bruder Isaak verbunden. Tod und Begräbnis Abrahams werden im Jubiläenbuch in großer Ausführlichkeit geschildert. Dem Tod Abrahams sowie seinem Begräbnis gehen insgesamt drei unterschiedlich terminierte Vermächtnisse und Abschiedsreden voraus (Jub 20-22).21 Der in der Genesis prominent ausgearbeitete Jakobsegen wird im Jubiläenbuch (Jub 45,14.16) dagegen nur sehr knapp erzählt. Der erste Auftritt befasst sich mit allen Abrahamnachkommen und mündet in die Entsendung der Ismael- und Keturanachkommen an ihre zukünftigen Wohnorte, der zweite bietet eine Ermahnung an Isaak in Bezug auf die rechte Opferpraxis (Jub 21), der dritte Akt erzählt vom gemeinsamen Opferfest Isaaks zu Ehren des verstorbenen Patriarchen (Jub 22), an dem Ismael teilnimmt, und das in einer besonderen Instruktion Abrahams für Jakob mündet, bevor der Ahnvater dann stirbt. Alle diese Szenen sind von einer großen Harmonie in der Abrahamfamilie bestimmt. 1.4.1 Die Entsendung der Ismael- und Keturanachkommen in Jub 20 Jub 20 knüpft an die Szene aus Gen 18,19 an, in der Abraham den Auftrag erhält, seinen Söhnen und seinem Haus nach ihm die Wege Gottes zu lehren und Recht und Gerechtigkeit zu üben.22 Dies wird in Jub 20 so entfaltet, dass nicht nur die israelitischen Ahnväter Isaak und Jakob belehrt und gesegnet werden, sondern alle Nachkommen Abrahams. Schon die Eingangsszene zeigt die Weite der Abrahamfamilie, denn der greise Ahnvater ruft zu sich: »Ismael und seine zwölf Kinder und Isaak und seine beiden Kinder und die sechs Kinder der Ketura und ihre Söhne.« Wir sehen hier, dass in der Formulierung »Isaak und seine beiden Kinder« sogar Esau eingeschlossen ist, wenn er auch nicht namentlich genannt wird. Alle Nachkommen sind Abrahams Samen, dem sein erstes Vermächtnis gilt. Zu den Instruktionen eines gottgemäßen Lebens gehören: die Wege Gottes zu bewahren, Gerechtigkeit und Nächstenliebe zu üben und »dass sie beschnitten ihre Söhne in dem Bund, den er (mit) ihnen geschlossen hat« (Jub 20,3); ferner die Warnung vor Unzucht, vor Ehen Die Verbindung von Abrahams Abschiedssegen und abschließender Unterweisung ist im biblischen Jakobsegen (Gen 49,28f.33) vorgeprägt und in Jub 20-22 auf Abraham übertragen. Vgl. zum Vermächtnis Abrahams im Jubiläenbuch J. VAN RUITEN, Abraham, 253-330. 22 Dazu ausführlich o. Kap. V. 3. Dass Gen 18,19 den zentralen Schlüsselvers für die Entfaltung des Abrahamtestaments im Jubiläenbuch darstellt, ist schon lange gesehen worden. Vgl. zuletzt J. VAN RUITEN, Abraham, 262, der ältere Literatur nennt.

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mit kanaanäischen Frauen, die Verehrung des höchsten Gottes, die Warnung vor Götzenbildern und vor der Lästerung des göttlichen Namens. Diese Instruktionen Abrahams gelten allen Abrahamnachkommen. Und ganz selbstverständlich wird der Beschneidungsbund auch auf die nichtisraelitischen Nachkommen Abrahams verpflichtend bezogen, denn er gilt Abrahams Samen, nicht nur den Ahnen Israels. Nach einer ausführlichen Instruktion (V.9-10) »zum Segen auf der Erde zu werden, damit an euch Gefallen finden alle Völker der Erde«, werden Ismael und seine Söhne sowie die Söhne der Ketura mit Geschenken verabschiedet und an die Siedlungsplätze ihrer Nachkommen geschickt. Und wie in Gen 25,6 wird Isaak als Alleinerbe eingesetzt: »Und er schickte sie weg von Isaak, seinem Sohn. Und alles gab er Isaak, seinem Sohn.« (V.11) Die nichtisraelitischen Nachkommen Abrahams besiedeln dann die Weiten des Ostens (von Pharmon bis nach Babylon): »Und sie vermischten sich, diese mit jenen, und ihr Name wurde genannt Araber und Ismaeliten.« (V.13) Diese Schlusspassage zeigt, dass das Jubiläenbuch durchaus zeitgeschichtliche Interessen verfolgt und die arabischen Völker seiner Zeit als Nachkommen Abrahams und Geschwister des jüdischen Volkes ausweisen möchte.23 Im Jubiläenbuch werden die arabischen Völker als die engsten Verwandten des jüdischen Volkes gesehen. Das ist bemerkenswert, weil es im Jubiläenbuch doch häufig darum geht, dass sich Juden von anderen Völkern scharf abgrenzen sollen. Aber dies gilt ganz offenbar nicht für Ismael- und Keturanachkommen, die hier zum Haus Abrahams und zur Bundesgemeinschaft gerechnet werden. Hier liegt wohl auch der Grund, weshalb der Wildesel-Spruch mit seiner Konfliktmetapher aus Gen 16,12 nicht aufgenommen wurde. Nichts soll das Bild einer großen friedlichen Familie, das Bild enger Verwandtschaft und gemeinsamer Bundesverpflichtung zwischen Juden und Arabern trüben. Jub 20 lässt sich in gewisser Weise als Charta einer die jüdisch-arabische Völkerökumene umspannenden Abrahamfamilie verstehen, zu deren Kennzeichen der Zugehörigkeit neben dem monotheistischen Gottesglauben und dem Tun der Gerechtigkeit eben die Verpflichtung zur Beschneidung gehört. Hier werden die Linien, welche Gen 17; 18,17-19 im Blick auf die Abrahamnachkommen ausbreiten, konkret auch auf die nichtisraelitischen Nachkommen Abrahams bedacht. Wie kommt der Segen Gottes in die ganze Welt? Durch das Wirken der leiblichen Abrahamnachkommen gemäß der Instruktionen des Ahnvaters. Auch die Nachkommen Ismaels und der Ketura wirken daran mit. Das jedenfalls spricht gegen die These, dass das Jubiläenbuch die universalen DiVgl. D. MENDELS, Land of Israel, 147ff, der vor allem zeitgeschichtliche Bezüge für die enge Verbindung von Juden und Arabern in der 1. Hälfte des 2. Jh. v. Chr. namhaft machen möchte.

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mensionen der Abrahamerzählung aus der Genesis im Interesse seiner Abgrenzungsideologie nicht mehr beachtet.24 Sie werden hier konstruktiv weitergeführt. Das alleinige Erbe Isaaks trübt diese friedliche Situation nicht, weil alle anderen materiell abgefunden und durch Abraham dem Segen Gottes unterstellt werden. 1.4.2 Das letzte Opferfest Abrahams Der zweite Auftritt gilt dann Isaak, den der Patriarch zu sich rufen lässt, um ihn in die rechte Opferpraxis einzuweisen (Jub 21). Vom Opferdienst war in Jub 20 nicht die Rede. Dies ist Aufgabe Isaaks. Dann stirbt Abraham. Im Kreis seiner weitgespannten Familie, zu der neben Ismael und Isaak auch die nächste Generation mit Jakob, nicht aber Esau, hinzugenommen wird, beendet der Patriarch mit einem gemeinsam gefeierten Wochenfest ein segensreiches Leben (Jub 22,1-7): 1) Und es geschah in der ersten Jahrwoche in diesem 44. Jubiläum, im zweiten Jahr, in dem Abraham starb – da kamen Isaak und Ismael vom Brunnen des Schwures, dass sie das Fest der Wochen hielten – das ist das Fest der Erstlinge der Ernte – bei Abraham, ihrem Vater. Und Abraham freute sich, weil seine beiden Kinder kamen. 2) Denn Isaak hatte vielen Besitz in Beerscheba. Und Isaak pflegte zu gehen und sein Besitztum zu besichtigen und zu seinem Vater zurückzukehren. 3) Und in diesen Tagen kam Ismael, dass er seinen Vater sehe. Und sie kamen alle gemeinsam. Und Isaak schlachtete ein Opfer zum Brandopfer und brachte es dar auf dem Altar seines Vaters, den er in Hebron gebaut hatte. 4) Und er opferte ein Heilsopfer und machte ein Freudengelage vor Ismael, seinem Bruder. Und Rebekka machte frisches Brot aus frischem Getreide und gab es ihrem Sohn Jakob, dass er Abraham, seinem Vater, von der ersten Frucht der Erde brächte, dass er esse und den segne, der alles geschaffen, bevor er stürbe. 5) Und auch Isaak schickte durch die Hand Jakobs das, was schön war, als Opfer für Rettung dem Abraham. Er sollte essen und trinken. 6) Und er (Abraham) aß und trank und segnete den höchsten Gott, der geschaffen Himmel und Erde, der gemacht hat die ganze Welt der Erde und den Kindern der Menschen zu essen und zu trinken gegeben hat und zu preisen ihren Schöpfer. 7) »Und jetzt will ich kniefällig dir danken, mein Gott, weil du mich hast sehen lassen diesen Tag. Siehe, ich bin 175 Jahre alt, ein Greis und vollendet an Tagen. Und alle meine Tage waren mir Frieden. 8) Das Schwert des Feindes hat mich nicht besiegt [und] in allem, das du mir und meinen Kindern gegeben hast alle Tage meines Lebens bis zu diesem Tag. 9) Mein Gott, es sei deine Güte und dein Friede über deinem Sklaven und über dem Samen seiner Söhne, damit er dir ein auserwähltes Volk sei und ein Erbe aus allen Völkern der Erde von jetzt an und bis zu allen Tagen der Geschlechter der Erde in alle Ewigkeiten.«

Isaak und Ismael leben bereits an unterschiedlichen Wohnorten, kommen aber zusammen, um das Wochenfest gemeinsam zu feiern, zu dem 24

J. VAN RUITEN, Abraham and the Nations in the Book of Jubilees, 115.

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dann Abraham eingeladen wird. Dieses gemeinsame Opferfest bietet eine unerwartete Überraschung25, denn nach der Genesis trifft Ismael nach seiner Vertreibung seinen Vater nicht mehr zu Lebzeiten, sondern kommt erst zum gemeinsamen Begräbnis. Im Jubiläenbuch ist er auch nach seiner Vertreibung selbstverständlicher Teil der Abrahamfamilie. Das gute Verhältnis zum Vater bleibt trotz der Vertreibungserfahrung erhalten. Gleiches gilt für Isaaks Beziehung zu Abraham nach der ›Akedah‹. Wieder freut sich Abraham mit großer Freude, seine beiden Söhne wieder zu sehen. Beim Opferfest ist Isaak Initiator und derjenige, der das Opfer darbringt, denn nur er ist von Abraham in der rechten Opferpraxis unterwiesen worden (Jub 21). Isaak und Jakob werden auch dadurch herausgehoben, dass sie Gaben zu ihrem Vater Abraham bringen. Aber Ismael ist extra angereist und nimmt an diesem Opfer- und Freudenmahl selbstverständlich teil. Und erneut dankt Abraham für den Segen, der in seiner großen Familie liegt, und bittet um die Gnade Gottes »über dem Samen seiner Söhne, damit er dir ein auserwähltes Volk sei und ein Erbe aus allen Völkern der Erde von jetzt an und bis zu allen Tagen der Geschlechter der Erde in alle Ewigkeiten.« Der Plural ist aufschlussreich: Das »auserwählte Volk« bilden hier die Nachkommen der leiblichen Söhne Abrahams als ein Erbe aus allen Völkern. Damit ist einerseits der Horizont der abrahamitischen Ökumene als erwähltes Volk angesprochen wie in Jub 20, andererseits wird im Begriff ›Erbe aus allen Völkern‹ die spätere rabbinische Auffassung von Abraham als Vater der Proselyten vorbereitet (vgl. auch Sir 44,19-21). Das Gebet (22,9) zeigt schon, dass die Abrahamfamilie auch hier nicht allein auf der personalen Ebene, sondern in völkergeschichtlichen Dimensionen gedacht ist. Abraham ist Völkervater und Ismael Vater der Araber und als solcher Teil der Abrahamfamilie (Jub 20,19). Wieder wird die kollektive Perspektive des ›Samens Abrahams‹ bedacht und theologisch ausgearbeitet. Dass aus dem Kreis des Samens Abrahams die Israellinie besonders herausgenommen ist, ist für das Jubiläenbuch ebenso selbstverständlich. 1.4.3 Abrahams Tod und Begräbnis Sodann ruft Abraham Jakob zu sich, gibt ihm ein besonderes Vermächtnis (Jub 22,10-24) und dann legt sich Jakob ins Bett seines sterbenden Großvaters und »schlief in Abrahams Schoß« und bleibt dort, bis Abraham gestorben ist. Die Sterbeszene hebt die besondere Nähe Jakobs hervor, denn Abraham legt kurz vor seinem Tod »zwei Finger Jakobs auf seine Augen« (23,1). Jakob ist dann auch der erste, der Abrahams 25

D. MENDELS, Israels Land, 149.

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Tod erkennt. Er läuft zu Rebekka, diese zu Isaak. Sie kommen und finden Abrahams Leichnam. Und Isaak fiel auf das Angesicht seines Vaters und segnete ihn und küßte ihn. 6) Und das Wort wurde gehört im Hause Abrahams, und es erhob sich Ismael, sein Sohn, und ging zu Abraham, seinem Vater. Und er beweinte Abraham, seinen Vater, er und alle Männer des Hauses Abrahams. Und sie weinten sehr. 7) Und seine Söhne Isaak und Ismael begruben ihn in der Höhle Machpela, nahe bei Sara, seiner Frau. Und es beweinten ihn vierzig Tage lang alle Menschen seines Hauses und Isaak und Ismael und alle ihre Söhne und die Söhne der Ketura an ihrem Ort. Und es wurde beendet die Trauer des Beweinens Abrahams. (Jub 23,5-7)

Die knappe Notiz aus Gen 25, dass Isaak und Ismael den Vater gemeinsam begraben, wird hier narrativ deutlich ausgestaltet. Und wieder ist das ganze Haus Abrahams versammelt und ausdrücklich werden auch die Nachkommen Ismaels und der Ketura an ihrem Ort mit in die Beweinung Abrahams einbezogen, weil sie alle »Abrahams Haus« bilden. 1.5 Ismaels und Esaus Ausschluss aus dem Abrahambund (Jub 15,30) Diese friedliche und harmonische Sichtweise auf eine weit gespannte Abrahamfamilie, zu der Ismael ganz selbstverständlich gehört, bestimmt die Neuerzählung der Abrahamgeschichte im Jubiläenbuch. In einer halachischen Instruktion im Anschluss an die Bundesoffenbarung in Jub 15,25-34 wird aber doch eine kritische Perspektive auf Ismael eingetragen. Hier wird festgehalten, dass Ismael und Esau nicht zum Abrahambund gehören: Denn geboten ist die Ordnung des Bundes, dass sie sie bewahren in Ewigkeit bei allen Kindern Israels. 30) Denn den Ismael und seine Kinder und Brüder und Esau hat der Herr nicht nahegebracht zu sich und nicht auserwählt aus ihnen, weil sie aus den Kindern Abrahams sind, weil er sie kannte. Aber Israel hat er erwählt, dass sie ihm zum Volk seien. (Jub 15,29)

Hier werden die israelitischen Nachkommen scharf von den nichtisraelitischen Nachkommen abgesetzt und die Ordnungen des Bundes gelten nur den Israeliten. Das steht in einer deutlichen Spannung zu der in Jub 15 gerade geschilderten Bundeszusage, die Abrahams Samen gilt, und der ausdrücklich erwähnten Beschneidung Ismaels, auch in Kontrast zu der Bundes- und Beschneidungsverpflichtung, die in Jub 20,3 allen Mitgliedern von Abrahams Haus einschließlich der Nachkommen Ismaels und Keturas auferlegt wurde. Beachtenswert ist auch, dass in V.30 von Israel die Rede ist und nicht von Isaak (wie in V.19). Es geht in V.30 also nicht um die Frage, ob Ismael durch die Bekräftigung des Bundes an Isaak aus dem Abrahambund ausgeschlossen wird und ob die Bekräftigung des Bundes für Isaak einen eigenen Isaak-Bund etabliert.

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In Jub 15,30 meldet sich eine Haltung, die in der späteren jüdischen und christlichen Auslegung bis heute ganz selbstverständlich ist, dass Ismael nicht zum Abrahambund gehört. Da diese These aber mit der erzählten Geschichte im Jubiläenbuch in Konflikt steht, ist in der Forschung erwogen worden, ob diese halachische Konkretion, die vor allem die jüdische Laxheit in Beschneidungsfragen kritisiert und zum Ziel hat, nicht eine redaktionelle Interpolation zum Jubiläenbuch darstellt, durch die das ältere inklusive Verständnis von der Bundesgemeinschaft Abrahams konterkariert wird.26 Im Interesse meines synchronen Textzugangs soll diese Möglichkeit nicht weiter erörtert werden. Doch gibt diese inhaltliche Spannung einen Hinweis auf eine innerjüdische Kontroverse zu der Frage, ob der Abrahambund allein auf Israel oder auf alle seine Nachkommen zu beziehen ist.27 Der Anlass dazu liegt m.E. aber nicht in der Person Ismaels, sondern in der Person Esaus. Denn entsprechend der weiträumigen Bundeskonzeption der Genesis müssten auch Jakobs Zwillingsbruder Esau und dessen Nachkommen mit zum Abrahambund gehören. Aber schon in der Genesis wird Esau nicht als Träger von Väterverheißungen erwähnt, seine Beschneidung wird nicht berichtet, und in spätprophetischen Texten wird er zum Feindbild. Im Aufriss der Genesis ist erst mit Jakob als Vater Israels genealogische Eindeutigkeit erreicht. Das Jubiläenbuch überliefert ein sehr positives Bild Ismaels, aber ein sehr negatives Bild Esaus.28 Die Gemeinsamkeit, in der in Jub 15,30 Ismael und Esau gesehen werden und Bund und Erwählung entzogen bekommen, entspricht nicht der übrigen Charakterisierung Ismaels im Jubiläenbuch. In Jub 15,30 zeigt sich m.E. ein traditionsgeschichtlicher Prozess der zunehmenden Angleichung der Ismaelgestalt an Esau, eine Esauisierung Ismaels, auf dem früher oder später auch Ismael erst zum Ausgegrenzten aus dem Bund, dann zum Ausgegrenzten aus dem Segen, dann zum Verworfenen und zum kriegerischen Feind werden wird, weil eine nochmalige Unterscheidung zwischen den nichtisraelitischen Abrahamnachkommen im Bundesgeschehen (Ismael und die Söhne der Ketura) und dem negativen Esau-Image theologisch So bei J. KUGEL, Interpolations, 248-250. V.25-34 bieten eine nachträgliche Interpolation mit Blick auf Ismael, der nach Jub 15,1-24 (Jub 20,3) zum Bund gehört, nun aber aus ihm ausgeschlossen wird. 27 So auch M. SEGAL, Book of Jubilees, 242 m. Anm. 30. 28 Das Jubiläenbuch hat ganz im Gegensatz zu Ismael eine negative Sichtweise Esaus als Inbegriff des ungebildeten Kriegers (19,13f) und Feindes Israels (25,9; 26,33f; 35,9; 38,14). Dies kann zum Teil aus biblischen Vorgaben außerhalb der Genesis erklärt werden, hat aber wohl auch einen konkreten zeitgeschichtlichen Hintergrund in der Idumäa-Politik der Zeit; K. BERGER, ebd., 300 Anm. 4. In Jub 22,1ff fehlt nur Esau in der Abrahamfamilie. Beim Begräbnis und der Trauer um den toten Abraham sind wiederum Ismael, Rebekka, Isaak und Jakob und alle Söhne der Ketura erwähnt, nicht aber Esau. Im Abrahamsegen, der allen Abrahamnachkommen gilt, wird Esau in der Formulierung »Isaak und seine beiden Kinder« versteckt (Jub 20,1). 26

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nicht möglich schien. Die Differenz zwischen Jub 15,30 und der übrigen narrativen und theologischen Sicht auf Ismael und seine Nachkommen im Jubiläenbuch sollte aber auch nicht nivelliert werden, wie das in der neutestamentlichen Fachexegese weithin geschieht, in der mit Hinweis auf Jub 15,30 konstatiert wird, das Jubiläenbuch verträte die These von der Nichtzugehörigkeit Ismaels zum Abrahambund. Das Jubiläenbuch bewahrt hier zwei gegensätzliche Meinungen. Und wenn man Jub 15,30 für das Jubiläenbuch gelten lässt, dann kann man mindestens daraus lernen, dass die Bereitschaft zu einer positiven Wahrnehmung Ismaels nicht davon abhängig ist, ob Abrahams Erstgeborener auch als Bundespartner gesehen wird. 1.6 Resümee Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Jubiläenbuch ein ganz harmonisches und friedliches Bild der Abrahamfamilie und damit auch von Ismael zeigt. Kein Streit der Frauen, kein Konflikt der Brüder trübt dieses Bild. Ismael ist selbstverständlicher Teil der Abrahamfamilie, ebenso wie seine Mutter Hagar oder Ketura und ihre Nachkommen. Selbstverständlich wird Isaak vorgeordnet. Wie in der Genesis ist er der Israel-Erbe Abrahams, was sich an vielen Hervorhebungen zeigt. So ist sein Name bereits von Gott auf den himmlischen Tafeln vermerkt, während die göttliche Namenssetzung für Ismael aus Gen 16,11 nicht aufgenommen wird. Diese Hervorhebung Isaaks wird aber nicht von einer Abwertung Ismaels begleitet. Das im Jubiläenbuch dargestellte Verhältnis der Brüder ist überaus freundlich und partnerschaftlich. Ismael als Freude seines Vaters und als Teil der Abrahamfamilie wird derart positiv gezeichnet, dass man sich fragt, wie er später zum Feindbild werden konnte. M.E. hat das Jubiläenbuch die Linien der Genesis nur aufgenommen und hier und da entfaltet, weil auch die Genesis ein positives Ismaelbild bietet.29 Dabei wird die Abrahamfamilie nicht nur individuell, sondern genealogisch mit Blick auf die Völkerwelt betrachtet und auch theologisch gewürdigt. Als Nachkommen Abrahams sind Ismael und seine Nachkommen von der Bundeszusage und der Beschneidungsforderung mitbetroffen. Auch ihnen gilt Abrahams Vermächtnis, den Bedingungen des Bundes treu zu bleiben (Jub 20). Das Jubiläenbuch bedenkt die Dimensionen der Bundeszusage an Abraham ganz konkret auch im Blick auf die nichtisraelitischen Nachkommen Abrahams und verbindet sie Wenn P. SÖLLNER, Ismael und Isaak, 374, meint, »dass Hagar und Ismael im Jubiläenbuch deutlich positiver dargestellt werden als es in der Genesis-Erzählung der Fall war«, dann hat er die Urteile der traditionellen Exegese vor Augen, die ich mit meiner Untersuchung entkräftigen möchte.

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mit den zeitgenössischen arabischen Völkern (Jub 20). Einzig die halachische Instruktion in Jub 15,30 schließt Ismael gemeinsam mit Esau aus dem Abrahambund aus und vertritt damit eine Position, die näher an die protorabbinischen Ausdeutungen der Ismaelgestalt heranführt. 2. Flavius Josephus Während das Jubiläenbuch Ismael und die nichtisraelitischen Abrahamnachkommen nicht nur genealogisch würdigt, sondern auch theologisch bedenkt, hat der jüdisch-hellenistische Historiker FLAVIUS JOSEPHUS (37/38-ca. 100 n. Chr.) ganz andere Interessen. Bundes- und Verheißungstheologie interessieren ihn nicht. Aber auch er bietet ein weiteres Beispiel einer positiven und integrativen Sichtweise Ismaels. Ausgangspunkt ist wiederum Abraham als Urtypus des Judentums und Vater der Völker der orientalischen Landkarte. Ismael hat als Ahn der Araber an seinem Ruhm teil, was aber in diesem Fall auch umgekehrt gilt. Josephus sieht Ismael und die Söhne der Ketura vor allem in diesem ethnographischen Horizont, dokumentiert aber gleichzeitig neben der genealogischen auch die kulturelle Verwandtschaft der Juden mit den von ihm gerühmten (nabatäischen) Arabern im gemeinsamen Brauch der Beschneidung. Mit seinem Werk ›Jüdische Altertümer‹30 versucht Flavius Josephus einem gegenüber Juden und Judentum voreingenommenen, gebildeten römischen Oberschichtspublikum, seine jüdische Tradition als wesentliche Kulturleistung zu empfehlen. Darin profiliert er den jüdischen Ahnvater als unerreichbares Vorbild eines nach dem römisch-hellenistischen Normgefüge weisen Mannes und Philosophen. Als Gründer des Judentums wird Abraham zugleich Träger und Begründer einer wahrhaften Menschheitskultur.31 Dies äußert sich bei ihm auch ethnographisch, denn Josephus zieht die völkergeschichtlichen Linien nach dem Vorbild der Genesis und 1Chr 1 so aus, dass er einen großen Teil der Völker und Regionen seiner gegenwärtigen Welt als Gründungen der Nachkommen Abrahams ausweisen kann.

Das Werk erschien 93/94 n. Chr. Ich benutze den griechischen Text nach B. NIESE, die wissenschaftlich maßgebende kommentierte englische Übersetzung von L.H. FELDMAN, Judean Antiquities, sowie die alte Übersetzung von H. CLEMENTZ (1899). Die Zitate sind aus Mangel an aktuellen Übersetzungen dieser alten Ausgabe übernommen, obwohl diese den Anforderungen der aktuellen Josephus-Forschung nicht mehr genügt. Da ich keinen Beitrag zur Josephus-Forschung beabsichtige, und da die Übersetzung von Clementz immer noch sehr verbreitet ist, mag das hingenommen werden. Die Zählung orientiert sich an den derzeitigen Standards wie bei FELDMAN. Ihr ist nach dem Schrägstrich die alte Zählung von CLEMENTZ beigefügt. 31 Vgl. L.H. FELDMAN, Portrait of Abraham, 141. 30

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Die Neuerzählungen der biblischen Hagar-Ismael-Episoden32 in den »Jüdischen Altertümern« sind um einiges freier als die Werke in der Tradition der ›rewritten bible‹. Die Erzählhaltung des Josephus ist dadurch bestimmt, dass er erkennbar ein gebildetes römisches Publikum beeindrucken möchte und daher alles vermeidet, was Abraham und Sara im Horizont römischer Rechtsauffassung diskreditieren würde. Das betrifft seine Wertung Hagars als Sklavin, die Frage nach dem rechtmäßigen Sohn, die Erbschaftsfrage sowie das Dilemma der Vertreibung, aber auch die kulturgeschichtlich ethnographische Perspektive. Ich hebe einige markante Züge hervor. 2.1 Ismaels Geburt Und da er darüber betrübt war, dass seine Gattin ihm noch keine Nachkommen geboren, flehte er demütig zu Gott, ihm einen Sohn zu schenken. Gott aber ermahnte ihn, zu hoffen: wie er ihn aus Mesopotamien glücklich herausgeführt habe, so werde er ihm auch Kinder gewähren. Sarra führt ihm auf Geheiss Gottes eine ihrer Mägde, Agar, eine Aegyptierin, zu, damit er von ihr Kinder erhielte. Als aber die Magd schwanger geworden war, trachtete sie nach der Herrschaft und verachtete Sara, als ob auf ihr Kind die Herrschaft übergehen würde. Da nun Abram sie der Sarra zur Bestrafung übergab, sann Agar auf Fluchtgelegenheit und bat Gott, dass er sich ihrer erbarme. Und als sie in der Wüste umherirrte, begegnete ihr ein Engel Gottes und befahl ihr, zu ihrem Herrn zurückzukehren. (Jos. ant. 1.186-189 / 1.10.4)

Nachdem Abraham von Gott die Verheißung eines leiblichen Sohnes bekommen hat, ist es bei Josephus sogar Gott selbst, der Sara anweist, die Verbindung Abrahams mit ihrer Sklavin zu stiften, damit angesichts von Saras Kinderlosigkeit ein leiblicher Sohn Abrahams gezeugt werden kann. Deshalb ist dieser »auf Gottes Geheiß« gezeugte Sohn Hagars selbstverständlich ein von Gott gewolltes Kind Abrahams und nicht die Folge von Saras Ungehorsam gegenüber seiner Verheißung.33 Die Sklavin Hagar wird aber nicht Abrahams zweite Ehefrau (wie in Gen 16,3, sondern wird auch sonst stets als Nebenfrau, Konkubine bezeichnet.34 Für den Streit der Frauen trägt bei Josephus die schwangere Sklavin Hagar die alleinige Verantwortung. Mit starker Übertreibung des biblischen Befundes wird Hagar unterstellt, dass sie ihre Herrin verZu Hagar und Ismael bei Josephus vgl. neben dem Kommentar von FELDMAN die Studien von F. MILLAR, Hagar, Ishmael; B. VAN DER LANS, Hagar, Ishmael. Regelmäßig wird bei der Diskussion um Gal 4,21-31 auf Josephus zurückgegriffen. Vgl. z.B. P. BORGEN, Hagar and Ishmael; G. BOUMAN, Hagar- und Sara-Perikope; A. STANDHARTINGER, Freiheit, 289ff. 33 Dass Sara auf Gottes Geheiß handelt, kann Josephus aus der haggadischen Tradition gekannt haben. Auch nach GenR 45 zu 16,2 sprach aus Sara der Geist Gottes. 34 παλλαχή ist hebr. Lehnwort Xglyp. Auch sonst (wird Hagar nie Ehefrau Abrahams genannt (1.215 als Sklavin, 1.215 als Konkubine), während jedoch Ketura (1.238) als Ehefrau Abrahams erscheint. 32

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achtet und sogar nach der Herrschaft für ihr Kind gestrebt habe. Das sind beides starke Vorwürfe. Die Wortwahl lässt dabei erkennen, dass Josephus die Verhaltensweisen Hagars als Hybris auffasst, als starken Verstoß gegen die menschliche und göttliche Ordnung.35 Solches erfordert strengste Maßnahmen. Hagar wird daraufhin von Sara aber nicht willkürlich drangsaliert, sondern ihr von Abraham zur ordnungsgemäßen Abstrafung übergeben. Es wird allerdings nicht gesagt, dass Sara selbst diese Bestrafung ausführt: Da nun Abram sie der Sarra zur Bestrafung übergab, sann Agar auf Fluchtgelegenheit und bat Gott, dass er sich ihrer erbarme. Und als sie in der Wüste umherirrte, begegnete ihr ein Engel Gottes und befahl ihr, zu ihrem Herrn zurückzukehren. (Jos. ant. 1.188.189 / 1.10.4)

Hagar bittet Gott um Erbarmen und flieht in die Wüste, wo ein Gottesengel sie umherirrend findet und die entlaufene Sklavin sogleich mit Zurechtweisungen ins Herrenhaus zurückschickt. Der Engel tut aber noch mehr und gibt eine Begründung dafür, dass es auch in ihrem eigenen Interesse wäre, ins Haus Abrahams zurück zu kehren und im Interesse ihres Sohnes. Er bedient damit nicht (nur) die ›Law and Order‹Rhetorik, sondern will moralisch und rational überzeugen. Der Engel spricht: Sie würde besser dran sein, wenn sie sich bescheiden aufführe; in der jetzigen schlimmen Lage sei sie nur deshalb, weil sie undankbar und anmaßend gegen ihre Herrin gehandelt habe. Wenn sie gegen Gottes Willen weiter wandert, werde sie untergehen; wenn sie aber zurückkehre, werde sie einen Sohn gebären, der später über jenes Land herrschen solle. Diesen Ermahnungen folgte sie, kehrte zu ihrer Herrschaft zurück und erhielt deren Verzeihung. Nicht lange danach gebar sie den Ismael, das heißt »von Gott erhört«, weil Gott ihre Gebete erhört hatte. Ismael wurde dem Abram in seinem sechsundachtzigsten Lebensjahre geboren. (Jos. ant. 1.190f / 1.10.4f)

Was in Gen 16 als Gottes Rettung und Verheißung Hagars in der Wüste erzählt wird, besteht hier im göttlichen Aufgreifen, Disziplinieren, Zurückschicken der Entlaufenen. Sklavenflucht kann nicht nach Gottes Willen sein. Selbst die göttliche Sohnverheißung für Hagar wird an die Bedingung der Rückkehr und Unterwerfung geknüpft. Eine darüber hinausgehende Gotteserfahrung (Gen 16,10-13) wird Hagar nicht zugestanden. Immerhin betet sie zu Gott, was Gen 16 nicht erzählt, und sie beugt sich dem göttlichen Rückkehrbefehl und geht, so von Gott belehrt, in ihr Sklavenhaus zurück, wo sie von ihrer großherzigen Herrschaft Verzeihung erhält. Sie bringt Ismael zur Welt, »weil Gott ihr Gebet erhört« hatte. Das Erhörungsmotiv des Ismael-Namens wird ausSo L.H. FELDMAN, Antiquities 1-4, 71 m. Anm. 588 mit Hinweis auf D.B. LEVINE, Hybris, 64f.

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drücklich genannt und auch erzählerisch eingesetzt. Ismael heißt der Sohn, weil Gott Hagars Gebete erhört hatte. Interessant ist auch die Variation der Gottesverheißung für Ismael aus Gen 16,12. Josephus lässt das Wildeselbild samt Konfliktmetapher weg und sieht den Hagarsohn als künftigen Herrscher des Landes, in dem sich Hagar bei ihrem Umherirren befindet. Hier kündet sich an, dass Josephus die Araber und besonders die Nabatäer mit einem gewissen Stolz in die Abrahamgenealogie einbinden wird und Arabien als das Land sieht, in das Hagar flieht. Gegenüber Gen 16,15f fällt auf, dass Abraham bei Geburt und Namensgebung Ismaels nicht deutlich als pater familias in Erscheinung tritt. Das wird uns noch beschäftigen. 2.2 Bundesoffenbarung und Beschneidung Ismael wurde dem Abram in seinem sechsundachtzigsten Lebensjahre geboren, und als er neunzig Jahre alt geworden, erschien ihm Gott, verhiess ihm einen Sohn von der Sarra und befahl ihm, diesen Isak zu nennen. Von ihm würden große Völker und Könige abstammen, die ganz Chananaea von Sidon bis nach Aegypten erobern würden. Er gebot ihm aber, sein Geschlecht nicht mit anderen zu vermischen; deshalb soll am achten Tage nach der Geburt die Beschneidung vollzogen werden. Den Grund für unsere Beschneidung werde ich übrigens anderwärts anführen.36 Auch über seines Sohnes Ismaels Zukunft befragte Abraham Gott; dieser antwortete, er werde lange leben und der Vater großer Völker sein. Und Abram dankte Gott und liess sich sogleich mit den Seinen, darunter auch Ismael, beschneiden. Letzterer war damals dreizehn, Abram selbst neunundneunzig Jahre alt. (Jos. ant. 1.191-193 / 1.10.5)

Die Bundesoffenbarung aus Gen 17 wird bei Josephus auf die Verheißungen für Isaak und Ismael als Völkerväter sowie auf die Gabe der Beschneidung reduziert. Josephus vermeidet erkennbar theologische Bundesrhetorik. Bei Isaak wird betont, dass Gott selbst den Namen festsetzt, während die göttliche Namenssetzung bei Ismael ausgelassen wird. Für Josephus ist Isaak der jüdische Ahnvater, dessen Geschlecht sich nicht mit anderen vermischen soll. Daneben – und nicht dagegen – steht Ismael, der auch als Vater großer Völker eine leuchtende Zukunft haben wird. Von einem langen Leben für Ismael war in Gen 17,20 nicht die Rede. Die Beschneidung verbindet die Brüder, das unterschiedliche Beschneidungsalter weist sie als Kulturheroen verschiedener Völker aus. Darauf kommt Josephus angesichts der Geburt Isaaks zu sprechen: Am achten Tage wurde der Knabe sogleich beschnitten. Diesen Tag beobachten auch jetzt noch die Juden bei der Beschneidung ihrer Kinder, die Araber aber thun es im dreizehnten Jahre, weil ihr Stammvater Ismael, der von dem Kebsweibe Abrams geboren wurde, in diesem Alter beschnitten worden ist. (1.214 /1.12.2) 36

Im Bericht über die Geburt Isaaks (Jos. ant. 1.214) kommt Josephus darauf zurück.

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Ismael wird hier als Vater großer Völker erkennbar wertschätzend neben den jüdischen Ahnvater Isaak gestellt. 2.3 Die Vertreibungsszene In seiner Wiedergabe der Vertreibungsszene versucht Josephus jeden Makel von Sara zu nehmen, denn er möchte das Patriarchenpaar als tugendsam darstellen und alles vermeiden, was sie nach hellenistischrömischem Rechtsempfinden diskreditieren würde.37 Daher fordert Sara weder Vertreibung noch Enterbung Ismaels: Sarra liebte anfangs den Ismael, den Sohn der Agar, mit derselben Zuneigung, als ob er ihr eigener Sohn gewesen sei. Als sie aber den Isak geboren, hielt sie es nicht für gut, den Ismael mit ihm zusammen zu erziehen, da dieser als der ältere nach dem Tod des Vaters ihm leicht Unrecht zufügen könne. Sie überredete also den Abram, ihn mit seiner Mutter wegzubringen. (Jos. ant. 1.215f / 1.12.3)

Es ist nicht Eifersucht, sondern die mütterliche Sorge, dass der Zweitgeborene nach dem Tod des Vaters durch den älteren Bruder Unrecht erleiden könnte, die Saras Wunsch nach Entfernung Ismaels motiviert. Sie fordert von Abraham nur eine räumlich getrennte Erziehung der beiden. Weder ist von feindlichen Aktionen die Rede, die Ismael gegen Isaak richtet, noch hat Sara Enterbungspläne.38 Es wird sogar gesagt, dass Sara auch den Ismael liebt wie ihren eigenen Sohn und dass sie nur einige Befürchtungen im Blick auf die Zukunft hegt. Aber auch das will Abraham keinesfalls hinnehmen und gibt erst dann klein bei, als Gott ihn zur Vertreibung auffordert. Abram ging hierauf zunächst nicht gern ein, weil er es für grausam und roh hielt, den noch nicht erwachsenen Knaben und das aller Mittel bare Weib von sich zu stossen. Später jedoch, da auch Gott den Plan der Sarra billigte, übergab er das Kind, das den Weg noch nicht allein machen konnte, seiner Mutter und hiess sie mit einem Wasserkrug und Brot gehen, wohin die Not sie treiben würde. (Jos. ant. 1.216f / 1.12.3)

Hier begegnet eine interessante Unstimmigkeit. Denn Saras Plan, der auch von Gott gebilligt wird, sieht bei Josephus eigentlich nur eine räumliche Trennung Ismaels von Isaak unter Abrahams Führung vor, aber weder Vertreibung noch Enterbung. Dies wird jetzt aber nicht wieter verfolgt, sondern die Vertreibung gemäß der biblischen Vorlage erzählt. Zunächst wird Abraham als empfindsamer und moralisch integeZum Bild der Ahnmütter Sara, Rebekka, Rahel und Lea vgl. J.L BAILEY, Josephus‘ Portrayal of the Matriarchs, 154-179 (zu Hagar wenige Bemerkungen auf S. 159). 38 Folgerichtig fehlt auch der Satz aus Gen 25,5, dass Abraham sein ganzes Gut dem Isaak vermacht hat. Die Ismaeliten wie die Keturasöhne bleiben Erben Abrahams. Ihr Erbe besteht in je einem anderen Volk in einem anderen Land.

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rer pater familias gezeigt. In der Bewertung »grausam und roh«, die sich bereits auf die Verstoßung Ismaels bezieht, nimmt Josephus die zu erwartende moralische Kritik an dem Geschehen auf. Erst Gott wird den Ahnvater umstimmen. Doch bleibt Abraham um seinen Sohn Ismael weiter besorgt, nicht jedoch um Hagar. Diese soll Ismael nur begleiten, weil das Kind »den Weg noch nicht allein machen konnte«. Die Dramatik der Wüstenerlebnisse und die Gefahr des Verdurstens, wie sie Gen 21 auszeichnet und im Jubiläenbuch weiter verstärkt wird, ist hier merklich reduziert. Hagar irrt nicht in der Wüste umher.39 Sie unternimmt eine Reise, bei der ihr mehr oder weniger unvorhersehbar der Proviant ausgeht. Die Todesgefahr wird nicht verschwiegen, aber marginalisiert. Weder Hagars Klage noch Ismaels erschöpftes Weinen finden Erwähnung. Ein Engel zeigt alsbald die Wasserquelle und trägt Hagar auf, »den Knaben sorgsam zu pflegen, denn mit Ismaels Wohlergehen hänge ihr eigenes Glück zusammen«. Solcherart getröstet trifft Hagar dann Hirten, durch deren Solidarität und Güte Hagar und Ismael dann endgültig gerettet werden.40 Als ihr nun auf der Reise der Mundvorrat auszugehen begann, wurde sie besorgt und ängstlich. Und da nun auch fast kein Wasser mehr vorhanden war, setzte sie den Knaben unter einen Baum und entfernte sich, damit er nicht in ihrer Gegenwart den Geist aufgebe. Da kam ihr ein Engel Gottes entgegen und zeigte ihr eine nahe Quelle, indem er ihr befahl, den Knaben sorgsam zu pflegen, denn mit Ismaels Wohlergehen hänge ihr eigenes Glück zusammen. Darauf fasste sie wieder Mut, zumal sie bald Hirten traf, durch deren Sorgfalt und Güte sie aus ihrem Elend gerettet wurde. (Jos. ant. 1.218f / 1.12.3)

Unmittelbar im Anschluss daran folgt der Ausblick über das Heranwachsen des Knaben, die Verheiratung mit einer Ägypterin sowie die Auflistung der 12 Ismaelsöhne aus Gen 25,13ff. Als nun der Knabe erwachsen war, erhielt er ein Weib aus Aegypten (woher auch seine Mutter stammte), die ihm zwölf Söhne gebar: Nabaioth, Kedar, Abdeel, Massam, Idumas, Masma, Masses, Chodad, Theman, Jetur, Naphaesus, Kedmas. Diese bewohnten das ganze Land vom Euphrat bis zum Roten Meere, welches man Nabatena nennt. Sie haben dem Volk und den Stämmen der Araber ihre Namen gegeben, mit Rücksicht auf ihre eigene Tüchtigkeit sowohl als auf die Würde Abrams. (Jos. ant. 1.220f / 1.12.4)

Das Ende der Ismaelgeschichte zeigt ihn als Ahnvater arabischer Völker, auf die Josephus mit sichtbarem Stolz verweist. Da die Ismaeliterliste aus Gen 25 bereits hier vorgetragen wurde, nutzt Josephus die Erwähnung der Keturasöhne dazu, sie als von Abraham beauftragte Kolonisten Bei Josephus hatte sich Hagar nur als aufmüpfig-flüchtige Sklavin verirrt. Das sonst nicht bekannte und von Josephus ergänzte Hirtenmotiv rationalisiert das Rettungswunder unter Benutzung von Gegebenheiten der biblischen Folgeepisode in Gen 21,22ff. 39 40

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in die Welt Arabiens und Nordafrikas zu schicken. Dazu gleich. Bevor wir uns mit dem ethnographischen Kolorit Ismaels bei Josephus befassen, halten wir zunächst fest, dass auch Josephus ein eher negatives Bild von Hagar entwickelt, aber ein durchgehend positives Bild von Ismael als Sohn Abrahams und Stammvater der Araber zeichnet. Er kennt auch keinen Konflikt zwischen den Brüdern und behauptet sogar, dass Sara Ismael wie ihr eigenes Kind geliebt habe. Der Ismaelverheißung wird ihre Ambivalenz genommen (Wildesel, Konfliktmetapher). Ismael sei von Gott zum Herrscher über die arabischen Völker und Arabien ausersehen. Die Rolle Hagars wird klar abgewertet. Sie wird nicht zweite Ehefrau Abrahams, sondern bleibt Nebenfrau. Im Streit trägt sie allein die Verantwortung, strebt sogar nach der Herrschaft und wird von Gott ins Sklavenhaus zurück geschickt, weil es auch für sie das Beste wäre. Bei Josephus stabilisiert Gott selbst die soziale Ordnung, nach der sich Sklaven in ihr Geschick zu fügen haben. Doch werden Abraham und Sara dann als tugendsames und versöhnungsbereites Paar beschrieben, die Hagar wieder in ihrem Haus aufnehmen. Die deutliche Unterscheidung von Sklavin und Herrin beim Status der Frauen Abrahams, die dann auch Paulus in Gal 4,21-31 zum Ausgangspunkt seiner Allegorie wählt, findet sich auch bei Flavius Josephus und Philo. 2.4 Ismael und Isaak Wenn Hagar nur Nebenfrau ist, wie ist dann der Status Ismaels als Sohn Abrahams zu beurteilen. Wir haben gesehen, dass Josephus es vermeidet, Ismael deutlich als legitimen und erbberechtigten Sohn zu bezeichnen. Zwar wird Ismael Abrahams Sohn genannt, aber die Betonung des Sklavenstatus der Mutter und ihre Kennzeichnung als Konkubine lassen hier Zweifel aufkommen. Und über die Geburt und Namensgebung Ismaels berichtet Josephus recht undeutlich. Auffällig ist überdies, dass in der Vertreibungsszene die gesamte Erbschaftsthematik fehlt. Die Vertreibung des Miterben würde ja die Position Ismaels als legitimen Erbsohn bestätigen und das Fortschicken Ismaels schwer diskreditieren. Josephus vermeidet es aber auch zu erzählen, dass Isaak der eigentliche und alleinige Erbe Abrahams ist (Gen 25,6). Die sich daraus ergebenden Nachfragen im Blick auf das Erbrecht mag sich Josephus ersparen wollen. Auf der anderen Seite ist Isaak ganz klar der legitime Sohn Abrahams und Saras: Sein Name wird von Gott bestimmt. Die Beschneidung am 8. Tag und die Akeda machen ihn zum Vater des Jüdischen Volkes. Es wird die besondere Liebe Abrahams zu diesem Spätgeborenen betont, während sein Verhältnis zu Ismael nicht näher bestimmt wird. Dagegen werden die Tugend Isaaks und seine Gottergebenheit zu Beginn der Akedah-Erzählung wortreich hervorgehoben. Hier nennt Jo-

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sephus Isaak den einzig(artig)en Sohn Abrahams und gebraucht dabei das Wort μονογενής und nicht ἀγαπητός wie die LXX. Doch muss man m.E. auch hier die Vorstellung fernhalten, als habe Abraham in den Augen des Josephus nur noch einen einzigen Sohn. Schon bei der Behandlung von Gen 22,1 hat sich gezeigt, dass auch μονογενής nicht unigenitus meinen muss, sondern zunächst nur die »Einzigartigkeit« des Sohnes ausdrückt. Der Sprachgebrauch bei Josephus scheint dies zu bestätigen.41 Aber der Unterschied zur LXX-Fassung, der Josephus sonst folgt, bleibt auffällig.42 Isaak wurde von seinem Vater über die Massen geliebt, sowohl weil er sein einziger Sohn war, als auch, weil er ihm von Gott an der Schwelle seines Alters geschenkt worden war. Diese Zuneigung vermehrte der Knabe selbst noch durch Übung jeglicher Tugend, gehorsam gegen die Eltern und innige Gottesverehrung. (Jos. ant. 1.222 / 1.13.1)

VAN DER LENS43 hat diese und weitere Beobachtungen zusammen ge-

tragen, die belegen können, dass Ismael für Josephus nicht in gleicher Weise als legitimer Sohn Abrahams angesehen wird, und sie bringt dies mit dem Status der Mutter als Sklavin und den antiken Rechtstraditionen in Verbindung, nachdem Konkubinenkinder nicht oder nur dann als legitime Kinder des Hausherrn angesehen wurden, wenn sie vom pater familias ausdrücklich legitimiert wurden. Es könnte daher sein, dass Josephus vor allem Isaak als legitimen Sohn Abrahams ansieht und einen Statusunterschied zwischen dem Sohn Saras und dem Sohn der Sklavin Hagar konstruiert. Aber deutlich ausgesprochen wird es nicht und man muss vorsichtig sein, weil die Gefahr besteht, dass ein aus der christlichen Tradition und Gal 4 genährtes Verständnis der Ismaelgeschichte auf die Josephustexte projiziert wird.44 Wenn Josephus tatsächlich Ismael als illegitimen Sohn Abrahams ansieht, dann ist dies seiner positiven Sichtweise auf Ismael als künftigen Herrscher Arabiens und Stammvater arabischer Völker in keiner Weise abträglich.

Vgl. o. Kap. V. 1 zu Gen 22,2 und L. KUNDERT, Opferung/Bindung Isaaks, 63. L.H. Feldman, 84 Anm. 676, diskutiert den Sprachgebrauch bei Josephus mit dem Ergebnis, dass Josephus μονογενής auch für »favorite« oder »best loved« einsetzt. Für ein Verständnis als einziger legitimer Sohn sprechen sich B. HALPERN-AMARU, Isaac as First-Born, 127-133 und B. VAN DER LENS, Hagar, Ishmael, 191, aus. 43 B. VAN DER LENS, Hagar, Ishmael. 44 O. CLEMENTZ übersetzt μονογενής mit »einziger (rechtmäßiger)« Sohn und gibt dem ganzen Kap. 13 die Überschrift: »Von Isaak, Abrahams rechtmäßigem Sohn.« Damit trägt er die christlich traditionelle Sichtweise, nach der es auch in der Genesis nur einen legitimen Sohn Abrahams gibt, hier ein. Sehr viel vorsichtiger ist hier FELDMAN. 41

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2.5 Die ethnographische Ebene – Ismael als Stammvater der Araber Auf der ethnographischen45 Ebene vermeidet Josephus jede negative Bewertung Ismaels. Mit dem Wildeselbild wird die Konfliktmetapher aus Gen 16,12 ebenso ausgelassen wie der Hinweis, dass aus Ismael ein Bogenschütze in der Wüste wurde (Gen 21,20). Die Ismaeliten des Josephus sind keine räuberischen Beduinen, sondern arabisch-nabatäische Händler von hoher (Stadt-)Kultur, deren abrahamische Verwandtschaft kein Makel ist, sondern ihnen wie auch den Juden zur Ehre gereicht. Die Sohnverheißung des Engels an Hagar nennt Ismael den künftigen Herrn des Landes, in welches Hagar geflohen ist. Das Siedlungsgebiet der Söhne Ismaels wird andernorts ›Nabatene‹ genannt, und umfasst das ganze transjordanische Gebiet von Euphrat bis hin zum roten Meer, aber nicht das cisjordanische Idumäa, das den Nachkommen Esaus zugewiesen wird. Ismael wird als Gründer des gegenwärtigen Volkes der Araber bezeichnet,46 das sich in zwölf nach den Söhnen Ismaels benannte Stämme teilt (1.214 / 1.12.2). Während die biblische Aufzählung der Ismaelsöhne außer ihrem Lebensraum »von Havila bis Schur ...« (Gen 25,18) keinerlei weitere Angaben macht, definiert Josephus den Lebensraum der Stämme mit einem politisch-geographischen Begriff seiner Gegenwart als ›Nabatene‹.47 Am Schluss seiner Liste stellt er die bedeutende Leistung der Araber heraus: »Sie (sc. die Söhne Ismaels) haben dem Volk und den Stämmen der Araber ihre Namen gegeben, mit Rücksicht auf ihre eigene Tüchtigkeit48 sowohl als auf die Würde Abrams«.49 Dieser Tendenz fügt sich auch die Aufnahme der Keturaüberlieferung aus Gen 25,1-5: Hierauf heiratete Abram die Chetura, von welcher ihm sechs mit großer Körperkraft und scharfem Verstand begabte Söhne geboren wurden: Zambran, Jazar, Madan, Madian, Josubak und Su. Diese hatten wieder Kinder. Von Su stammten Sabathan und Dadan …. Alle diese Söhne und Enkel führte Abram in Kolonien, und sie nahmen das Land Troglodytis und das glückliche Arabien (arabia felix) bis zum Roten Meer ein. Ophren soll einen Zug nach Libyen unternommen und dieses erobert haben; seine Nachkommen hätten dort Wohnsitze gegründet, und das Land nach ihm Afrika genannt …. (Jos. ant. 1.238f / 1.15)

Vgl. hierzu besonders die Studie von F. MILLAR, Hagar, Ishmael, Josephus. Jos. ant. 1.214 / 1.12.2. 47 Jos. ant. 1.222 / 1.12.4; in 2.213 als »Arabien«. 48 Josephus nutzt gr. ἀρετή, ein Wort, das Tugenden wie Meisterschaft, Berühmtheit, bedeutende Verdienste und Leistungen, edle Haltungen wie Großmut, Tapferkeit und Güte vereint. 49 Jos. ant. 1.222 / 1.12,4. In vielen Auslegungen ist das Argument ›um Abrahams willen‹ mit dem Unterton ›trotz Hagar bzw. Ismael‹ versehen. (Um gegenwärtige Beispiele zu vermeiden, sei besonders auf TPsJ zu Gen 25 verwiesen.) Bei Josephus dient es dazu, auch die Tüchtigkeit der arabischen Ismaeliten zu adeln. 45

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Abrahams Verbindung mit Ketura wird als weitere Ehe nach dem Tod Saras aufgefasst. Und die Entsendung der Keturahsöhne in die Gebiete, in denen die Völker aus ihrer Nachkommenschaft siedeln, wird als eine Art Kolonisierungsprojekt verstanden. Abraham sendet diese Söhne nicht aus, sondern führt sie selbst an ihre Lebensorte. Der geographische Raum wird von Südarabien bis Nordafrika aufgespannt. Ganz singulär charakterisiert Josephus diese Abrahamnachkommen als mit großer körperlicher Ausdauer und starker Intelligenz begabte Söhne. Von den arabischen Kulturleistungen offensichtlich beeindruckt, bemüht sich der Geschichtsschreiber, über Ismael und Abraham auch den Juden an diesem Glanz Anteil zu geben. Der uneingeschränkt positive Hinweis auf die Leistungskraft der arabischen Nachkommen Abrahams ist m.W. einzigartig in der christlichen und jüdischen Rezeption. Fragt man, welche Araber Josephus konkret vor Augen hat, liegt es nahe, an die Nabatäer zu denken, die es zwischen dem 3. Jh. v. Chr. und dem 1. Jh. n. Chr. zu einem bedeutenden Staatswesen mit seiner Hauptstadt Petra gebracht hatten, das seine Bekanntheit und wirtschaftliche Stärke vor allem durch den Gewürz- und Weihrauchhandel für die griechisch-römische Welt erlangt hatte, die in dieser Hinsicht von den Nabatäern abhängig war. Die Gleichung von Ismael(iten) und Nabatäern spricht Josephus zwar nirgends eindeutig aus, definiert aber das Gebiet der ismaelitischen Stämme, um deren innere Differenzierung er sich nicht kümmert, als »Nabatene«, nennt Petra50 die bedeutendste Stadt aller Araber,51 und bezeichnet auch sonst die Nabatäer gern als Araber52, während er umgekehrt die gleichfalls in seiner Nachkommensliste Ismaels auftauchenden ›Ituräer‹ und ›Idumäer‹ nicht zu den Arabern rechnet.53 Der Begriff ›Araber‹ umfasst bei Josephus zwar mehr als die Nabatäer,54 aber diese verkörpern für ihn in besonderem Maß Ismaeliten und »die Araber«. Wenn er von den mit den Juden verwandten

Josephus nennt neben Petra auch den semitischen Namen der Nabatäerhauptstadt (gr. Ρέξεμος), was der gräzisierten Form von sem. rqm (Reqem) entspricht. 51 Jos. ant. 4.161. 52 F. MILLAR, Hagar, Ishmael, 36 n. 41 macht auf Jos. ant. 13.1.2 aufmerksam. Josephus schreibt hier »nabatäische Araber«, während in seiner Vorlage 1Makk 9,35 »Nabatäer« steht. 53 Zu den Idumäern s.o. zu Gen 25,13f. Von den Ituräern berichtet Jos. ant. 13.9.3, dass sie unbeschnitten sind, während er die Araber nach dem Vorbild Ismaels als Beschnittene ansieht. Von den durch die Ismaeliterliste angebotenen Völkerschaften verwendet Josephus einzig Ismaels Erstgeborenen Nebajot (Nabatäer). Vgl. detailliert F. MILLAR, ebd., 33ff. Vgl. schon die Gleichsetzung in Jub 20,13: Ismaelnachkommen + Keturanachkommen (vermischt) = Araber/Ismaeliten als ethnische Begriffe. 54 Im Vorwort zu Jos. bell. rechnet Josephus mit Arabern im parthischen Gebiet östlich des Euphrat, kann auch (Jos. ant. 20.4.1) die Bekehrung des in späthellenistischer Zeit dort beheimateten arabischen Herrscherhauses von Adiabene zum Judentum erzählen. 50

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arabischen Nachkommen Ismaels spricht, scheint er die Nabatäer mit ihrem Königreich und ihrer Hauptstadt vor Augen zu haben.55 Die Beschneidung Ismaels im 13. Lebensjahr ist Kennzeichen der Verwandtschaft und des gemeinsamen abrahamischen Erbes, aber auch ein Abgrenzungszeichen, dass die unterschiedlichen Beschneidungsriten von Juden und Arabern begründet. Wir haben schon herausgearbeitet,56 dass es wenig wahrscheinlich ist, dass Josephus die Beschneidungsbräuche der Araber/Nabatäer seiner Zeit kennt und zutreffend darstellt. Das Beschneidungsalter ist ihm durch die biblische Vorlage vorgegeben. Die Araber hatten, nach allem, was wir wissen, kein bindendes Beschneidungsdatum sondern regional unterschiedliche Terminierungen. In der christlichen Rezeption der Jüdischen Altertümer‹ ist der Hinweis auf die arabische Beschneidungspraxis mit 13 Jahren aufgenommen, aber nicht mehr als Zeichen der abrahamitischen Verwandtschaft mit arabischen Völkern gewürdigt worden.57 Insgesamt bezeugt Josephus trotz einer negativen Perspektive auf die Sklavin Hagar ein positives Bild Ismaels als Abrahamsohn und Kulturheros. Auch wenn die Bevorzugung Isaaks als jüdischer Ahnvater klar herausgearbeitet wird, werden auch die anderen Söhne Abrahams als Ahnen bedeutsamer Völker einer gemeinsamen Abstammungsgemeinschaft gewürdigt. 3. Das Romanfragment des Artapanos Unter den Auszügen aus dem Werk des Alexander Polyhistor, die Eusebius in seinen ›praeperatio evangelica‹ mitteilt58, finden sich drei Fragmente eines Moseromans. Sein Autor Artapanos gehört ins jüdisch-hellenistische Milieu Ägyptens, vermutlich nach Alexandria (2. Jh. v. Chr.) und damit wieder in die zeitliche, wenn auch nicht räumliche Nachbarschaft Jesus Sirachs und des Jubiläenbuches. Dass bereits Josephus das Werk des Artapanos gekannt hat, auch wenn er sich nie direkt darauf

Allerdings beschränkt sich die Identifikation von Nabatäern und Ismael bei Josephus auf die biblische Überlieferung. Bei den häufigen Erwähnungen der Nabatäer in seiner Darstellung der nachbiblischen Geschichte, auch bei der Verschwägerung der judäischen und nabatäischen Königshäuser, wird an keiner Stelle mehr ein verwandtschaftlicher Bezug zu Ismael hergestellt (ebensowenig freilich wie der Juden zu Isaak oder Abraham). Vgl. I. EPH‘AL, ›Ishmael‹ and ›Arab(s)‹, 233. 56 S.o. Kap. III. 6.7 (Ismaels Beschneidung). 57 Vgl. Origenes c. Cels. V.48,3; Eusebius, Praep. Ev. VI.11.69 und F. MILLAR, Hagar, Ishmael, 40. 58 Vgl. Praep. Ev. IX 18,1; 23,1-4, 27,1-37. Eine deutsche kommentierte Übersetzung bei N. WALTER, Fragmente jüdisch-hellenistischer Historiker, JSHRZ I/2, 127-136; eine englische bei J.H. CHARLESWORTH, OTP II, 889-904 (J.J. COLLINS). 55

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bezieht, kann aus verschiedenen Übereinstimmungen in der außerbiblischen Mosevita beider geschlossen werden.59 Fragment Nr. 2 enthält als Vorspann der Mosegeschichte eine Kurzfassung der Josefserzählung. Weil Josef seine Brüder an Einsicht und Weisheit weit überragt, schmieden sie einen Komplott gegen ihn:60 Da er aber den Anschlag voraussah, habe er die benachbarten Araber gebeten, ihn nach Ägypten zu bringen, und sie hätten seinem Anliegen entsprochen; es seien nämlich die Könige der Araber Nachkommen Ismaels61, Söhne Abrahams und Brüder Isaaks.

Die Araber leisten dem in Bedrängnis geratenen Josef verwandtschaftliche Nachbarschaftshilfe gegen seine eigenen Brüder, weil sie Ismaeliten und Abrahamnachkommen sind und damit zur gleichen Familie gehören. Artapanos bringt damit den in der Bibelauslegung selten beachteten Zug der biblischen Josefsgeschichte zur Geltung, dass die ›zufällig‹ des Weges kommenden ismaelitischen Händler zu Lebensrettern Josefs werden und so eine wesentliche Rolle in Gottes Plan mit Josef spielen. Bei Artapanos übernimmt freilich in hellenistischer Manier Josef gleich selbst die Rolle der göttlichen Vorsehung. In der biblischen Vorlage Gen 37, wie auch in allen anderen biblischen Ismaeliterbelegen außerhalb der Ismael-Geschichte der Genesis, findet sich kein Hinweis auf ein gemeinsames Verwandtschaftswissen. Die targumische und rabbinische Tradition zur Händlerkarawane der Josefsgeschichte nutzt wechselnde Bezeichnungen: Ismaeliten, Araber62, Sarakenen.63 Aber auch Josephus stellt an dieser Stelle keinen Bezug zur Genealogie Abrahams her. Bei Artapanos im 2. Jh. v. Chr. hingegen sind die Israel benachbarten Araber (also doch wohl die Nabatäer) Verwandte, auf deren Hilfe Verlass ist. Ihre Könige nennt er – ihre Hilfeleistung ausdrücklich erklärend und würdigend – »Söhne Abrahams« und »Brüder Isaaks«.64 Der erzählerische Einfall des Artapanos setzt vorVgl. S. RAPPAPORT, Agada und Exegese, 25-32.113-120; N. WALTER, ebd., 121. Übers. nach N. WALTER, ebd., 127. 61 Polyhistor hat »Israel« anstatt »Ismael«, was offensichtlich ein Missverständnis bzw. Textfehler ist, wird derjenige doch als Isaaks Bruder und Abrahams Sohn klar als Ismael ausgewiesen. Vgl. N. WALTER, ebd., 127 Anm. b. 62 Vgl. GenR 84 zu 38,25 (TO, TPsJ). 63 Vgl. TNf1; TFrg (P,V,N,L), s. M. MCNAMARA, Targum Neofiti 1, AB 1A, 172. 64 Nach einem in der rabbinischen Literatur verbreiteten Motiv gerät Josef allein dadurch, dass er mit den Arabern nach Ägypten reisen muss, in neue Todesgefahr. Sie gelten nicht als Händler von wohlriechenden Harzen und Räucherwerk, sondern von stinkenden Tierhäuten und Pech. Aber auch hier rettet die Vorsehung Gottes. Der Gestank würde Josef gewiss getötet haben, wenn es Gott nicht so gefügt hätte, dass die Araber diesmal mit Weihrauch kamen (Mek. zu Ex 14,22). GenR 84 zit. zu Gen 37,25 Rabbi Abba bar Kahana: »Aber die Ismaeliten pflegen doch nur Felle und Pechharz zu führen! Doch siehe, wie Gott dem frommen Josef in jener Stunde beigesprungen ist; er beschied ihm solche Händler, die Säcke voller Wohlgerüche mit sich führten, der Wind nun, der 59

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aus, dass die Verwandtschaft mit arabischen Völkern, wie sie die Ismaelgeschichte ursprungsmythisch festhält, ganz selbstverständlich das Verhältnis im Umgang mit Arabern positiv reguliert. 4. Philo von Alexandria Eine ganz andere Stimme erhebt PHILO. Der jüdisch-hellenistische Philosoph, Prediger und Schriftausleger wirkte etwa in der ersten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. im ägyptischen Alexandria. Philo fasst die jüdischen Erzeltern als wahre Urbilder des Weisen und Philosophen und Abraham insbesondere als denjenigen, der in seinem Leben unterschiedliche Stufen des Bildungserwerbs durchlaufen hat, bis er zur höchsten, durch Gott bestimmten Weisheit gelangt ist. In diesem Stil der Zeit deutet Philo die Abrahamgeschichte65 allegorisch und gewinnt ihr einen Tiefensinn ab, der es ihm erlaubt, praktisch-philosophische Erkenntnisse, religiöse Belehrungen, aber auch das Bildungswissen seiner Zeit als Lehre der jüdischen Tora auszuweisen. Philo hat in seinem weitgespannten Werk ganze Auslegungsreihen zum Pentateuch hinterlassen. Mit Abraham befassen sich seine eher exegetisch orientierten Abhandlungen De Abrahamo (Abr) und Quaestiones in Genesim (Quaest in Gn). Darüber hinaus ist sein in vielen Abhandlungen gegliederter großer allegorischer Kommentar zur Genesis zu nennen, der sich vielfach mit den familiären Konstellationen der Abrahamerzählung auseinandersetzt: So bezieht er sich in seiner Schrift De congressu eruditionis gratia (Congr) auf Gen 16,1-6, in De fuga et interventione (Fug) deutet Philo die Flucht Hagars (Gen 16,-14), in De mutatione nominum (Mut) reflektiert er Gen 17.1-6.16-22, und kommt auch sonst immer wieder auf das Verhältnis von Hagar und Sara und ihrer Söhne zurück.

hineinfuhr, verbreitete den Wohlgeruch und paralysierte den Gestank der Araber«, womit nicht der Geruch der Menschen, sondern ihrer Waren gemeint ist (zit. S. KRAUSS, Talmudische Nachrichten über Arabien, 335f); ähnlich Raschi z.St.; Weiteres bei ZLOTOWITZ/SCHERMAN, Bereishis, 1646. Die Vorstellung von Gestank verbreitenden arabischen Karawanen ist in nichtjüdischen Quellen nicht belegt und könnte ein Gegenbild zu den arabischen Wohlgerüchen sein, mit denen sonst überall die Karawanen aus Arabien verbunden wurden (S. KRAUSS, ebd.). 65 Zur Abrahamrezeption Philos vgl. E. STEIN, Philo und der Midrasch; S. SANDMEHL, Philo‘s Place in Judaism (1971); N.L. CALVERT, Philo‘s Use of Jewish Traditions; G. SELLIN, Hagar und Sara (1999); M. BÖHM, Vätererzählungen bei Philo (2012). Zu Hagar und Ismael vgl. überdies P. BORGEN, Hagar and Ishmael; A. REINHARTZ / M. WALFISH, Conflict and Coexistence; P. BOS, Hagar (2010); M. BÖHM, Philo. Die deutschen Zitate sind der Übersetzung von L. COHN entnommen.

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4.1 Die Abrahamfamilie als Bildungsideal Man könnte sagen, dass Philo seine Theorie wahrer Bildung an der Familiengeschichte Abrahams entwickelt. Auf der allegorischen Bedeutungsebene verkörpert Abraham eine der drei durch göttliche Gnade in besonderer Weise der Seele verliehene Fähigkeiten zur Vervollkommnung des Lebens.66 Isaak steht für Begabung und Jakob für Übung, »wobei Isaak den mühelosesten und glücklichsten Weg darstellt und damit an der Spitze der Trias steht.«67 Für Philo sind diese drei Fähigkeiten in jedem Menschen von Gott angelegt und werden aufeinander bezogen. Abraham muss sich diese Bildung aber erst im Laufe seines Lebens erwerben, während sie Isaak oder Jakob bereits geschenkt wurde. Alle Personen um Abraham herum werden in dieser Weise allegorisiert und tragen entweder zur Förderung des menschlichen Strebens nach dem idealen Menschsein bei oder stellen Kontrastfiguren dar. Zu diesen negativen Kontrastfiguren gehören etwa Lot und der König von Ägypten. Zu den unterprivilegierten Figuren gehören Hagar und Ismael, die von ihrem Status nicht an die jüdischen Erzeltern heran reichen und erkenntnismäßig auf einer mittleren Stufe verbleiben. Innerhalb der Abrahamfamilie wird auch im zivilrechtlichen Sinn zwischen Haupt- und Nebenfiguren unterschieden. Abraham, Sara und Isaak werden deutlich hervorgehoben. Abraham ist der Weise schlechthin, Sara verkörpert die Tugend und Isaak die reine Seelenfreude und Glückseligkeit. Das Motiv des Lachens im Isaak-Namen wird in diesem Sinn ausgedeutet. Abraham und Sara bieten sowohl als Paar wie auch als Einzelpersonen Modelle idealen Menschseins an. Dies hat zur Folge, dass die ethisch ambivalenten Züge der Abrahamerzählung in Philos Paraphrasen nicht rezipiert werden, oder doch inhaltlich so reduziert erscheinen, dass die Vorbildfunktion Abrahams und Saras nicht beeinträchtigt wird.68

M. BÖHM, Philo, 96. M. BÖHM, ebd., 97 m. Anm. 107. Philos Traktate über Isaak und Jakob sind allerdings nicht erhalten geblieben. 68 Hierzu gehören die nach römischem Recht problematische Halbgeschwister-Ehe, die harte Reaktion Saras gegenüber Hagar, aber auch die von Sara geforderte Vertreibung Hagars und Ismaels sowie die Erbschaftsfragen. 66

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4.2 Hagar und Ismael Die Abraham umgebenden Familienmitglieder werden diesen Prinzipien unterworfen.69 Die Zweitehe mit Hagar erscheint bei Philo als Konkubinat mit einer Sklavin, so dass nur Isaak als Abrahams rechtmäßiger Sohn (γνήσιος Abr 254) und nur die Ehe mit Sara als legitime Vollehe aufgefasst werden. Auch Ketura gilt Philo als Konkubine und die Kinder aus dieser Verbindung nicht als legitime Söhne Abrahams (Sacr 43-44). Wie auch Josephus, so übergeht Philo Abrahams deutliche Legitimation Ismaels als Erbsohn in Gen 16,15. Ismaels Zeugung und Geburt werden nur lapidar festgestellt und alle weiteren Erzählungen über ihn beiseitegelassen. BÖHM kommt im Hinblick auf De abrahamo zu dem Urteil, dass Hagar und Ismael deutlich marginalisiert und oft auch nicht mit Namen genannt werden: »Sie begegnen überhaupt nur auf der literalen Interpretationsebene: auf dem Weg der Seele zur Erkenntnis des Schöpfers und zur allein angemessenen Gottesverehrung, auf dem Weg zu wahrer menschlicher Identität haben Hagar und Ismael nichts verloren und in der Expositio Legis grundsätzlich keine Funktion.«70 Dies ist etwas anders in den Schriften, die stärker einer allegorischen Ausdeutung verpflichtet sind: Hier repräsentieren Hagar und Ismael zumindest eine notwendige Zwischenstufe Abrahams auf dem Weg zur wahren Weisheit, nämlich die allgemeine enzyklische Bildung. Allerdings werden sowohl Hagars Flucht wie auch die Vertreibung Ismaels als notwendig im Zusammenhang des Reifeprozesses Abrahams gedeutet. Abrahams Verbindungen mit Hagar und später mit Ketura71 sind Sinnbild der allgemeinen Wissenschaft, der enzyklischen Bildung und der ›mittleren Pflichten‹ des Erkenntnisstrebens. Für die wahre Gotteserkenntnis der Philosophie genügt es jedoch nicht, auf der Ebene Hagars stehen zu bleiben. So kann sich Abraham nur vorübergehend an sie binden, um mit Sara endlich ans Ziel der Bildung zu gelangen.72 Diese Unterscheidung überträgt Philo auch – wenn auch weniger extensiv – auf ihre Söhne. Ismael vertritt dabei den Sophismus, eine an sich notwendige Bildungsstufe, über die er aber nicht hinausgelangen kann, die aber auch geeignet ist, von der höheren Weisheit abzuhalten. Die tugendhafte Sara übergibt Abraham ihre Sklavin nach 10 Jahren, weil Abraham von seiner inneren Entwicklung her erst jetzt bereit war, Zu Ismael einschlägig sind Cher 8; Post 130-32; Sob 8-9; Congr 127-129; Fug 1. 204 und 208-212; Mut 201-263; Abr 253-254. 70 M. BÖHM, Philo, 103. Die Autorin vermutet, dass Philo die Identität der jüdischen Ahnen vor dem Verdacht ägyptischer Beeinflussung schützen möchte. 71 Sacr 43-44; All III, 245; Cher 3. 72 Sara symbolisiert die Philosophie (Congr 79. 145), Erkenntnisfähigkeit und Weisheit (Congr 156), während Hagar für die propädeutischen Disziplinen steht.

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die nächste Stufe der Bildung zu erklimmen (Congr 81-88). Zunächst muss Abraham ins Haus der allgemeinen Bildung eintreten. Der Streit der Frauen wird nicht thematisiert und Philo betont, dass Abraham trotz seiner Verbindung mit Hagar an Sara, seiner legitimen Frau, festhielt und ihr zuliebe handelt. Sara gibt angesichts ihrer Kinderlosigkeit Hagar ihrem Mann, damit sie »dir ersetzen soll, woran es mir gebricht« (Abr 250). Hagar wird dabei als Beisassin, Halbbürgerin aufgefasst, weil Philo in ihrem Namen das hebräische Wort ger ›Fremde‹ findet und Hagar daher mit Ansiedlung und Assimilation verbindet, aber wohl nicht als ein Modell der Proselytin wie die kanaanäische Tamar.73 Auch hier zeigt sich, dass der Sklavinnenstatus Hagars für Philo ein entscheidender Umstand ihrer Beurteilung ist, wie bei Josephus und für Paulus in Gal 4,21-31.74 Im Hintergrund steht dabei wohl das römische Rechtssystem, das Kinder mit Sklavinnen nicht oder nur dann als rechtmäßig ansieht, wenn sie vom pater familias ausdrücklich legitimiert werden. Daher kann Hagar in rechtlicher Hinsicht keine legitime Ehefrau Abrahams sein.75 Allerdings wird Hagar bei Philo nicht moralisch diskreditiert wie bei Josephus. Philo übergeht den Frauenstreit im Haus Abrahams und stellt Hagar als ausgesprochen edel gesinnt und einsichtig dar, so dass die Beziehung Abrahams zu einer Sklavin an Brisanz verliert. Sie sei »zwar in leiblicher Hinsicht eine Sklavin, aber von freier und edler Gesinnung« ... »ihrer Abstammung nach eine Aegypterin, nach ihren Anschauungen aber eine Hebräerin«.76 Die einschränkende Satzkonstruktion zeigt allerdings auch den Erklärungsbedarf, der für Philo offenbar »wegen der Verbindung des edlen Urahns mit einer ägyptischen Sklavin«77 bestand. Die Vollbürgerin ist Sara. Hagars Sohn Ismael ist letztlich ein außereheliches Kind, ein Bastard.78 Einzig Isaak ist legitimer Sohn79 und einziger Erbe Abrahams. Hagars Flucht in die Wüste wird als Flucht vor der wahren Tugend und Weisheit angesehen, weil sie sich den geistigen Anstrengungen der Tugendsamen nicht unterwerfen wollte (Cher 6). In diesem Horizont werden sowohl Hagars Flucht wie auch ihre Vertreibung gemeinsam mit Ismael verstanden. Diese Rolle weist Philo der Kanaanäerin Tamar aus Gen 38 zu, die er als frei geborene Tochter aus edlem syrischen Haus denkt, »die sich unter Gefahren vom Polytheismus abwendet hin zum einen Gott und Lenker des Kosmos«. M. BÖHM, Philo, 101f. 74 Zu den Bezügen von Gal 4,21-31 zu Denkfiguren Philos vgl. G. SELLIN, Hagar und Sara, sowie P. BORGEN, Hagar and Ishmael. 75 Congr 23. 154-56. 76 Abr 251. Die spätere haggadische Überlieferung, wonach Hagar eine ägyptische Pharaonentochter war, kennt Philo noch nicht. 77 M. BÖHM, Philo, 101. 78 Vgl. νόϑος – uneheliches Kind, Bastard, in Sobr 8; Fug 208. 79 Mut 261; Cher 106. 73

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Sehen wir doch auch, wie Hagar, die mit den allgemeinen Wissensgegenständen sich beschäftigende mittlere Bildung, zweimal von Sarah, der herrschenden Tugend, fortgeht, das erstemal auf demselben Wege umkehrt - denn da sie entlaufen, nicht vertrieben war, wird sie von dem ihr begegnenden Engel, d.h. der göttlichen Vernunft, in das Haus der Herrin zurück geführt (1 Mos. 16,6ff.) -, das zweite Mal aber vollständig, ohne die Möglichkeit einer Rückkehr vertrieben wird. (Cher 3)

Auch Philo blendet Hagars Gotteserfahrungen in der Wüste aus und betont allein die von Gott verlangte Rückkehr ins Haus Abrahams, weil der Tugend zu folgen sittliche Pflicht ist. Hagars erste Rückkehr in Abrahams Haus ist für Philo genauso notwendig wie die spätere Vertreibung, die sich auf den göttlichen Willen gründet. Der Tugendschüler Abraham muss erst mit der Sklavin der Tugend (der mittleren Bildung) verkehrt haben, bevor er mit der Tugend selbst Kinder zeugen kann. Die Ansprache des Engels in der Wüste hat den Charakter eines Tadels. Seine Forderung, dass Hagar ins Haus Abraham zurückkehren und sich unter Saras Herrschaft demütigen solle, dient »der Austilgung eines unvernünftigen Hochmuts« (Fug 207), der auch für Hagar das Beste ist, weil eine Schwangere in der Wüste nicht überleben kann. Die Rückkehr ins Haus Abrahams findet dann Gottes Wohlgefallen (Fug 207). Die spätere Entfernung Hagars und Ismaels aus Abrahams Haus wird dann aber genauso notwendig wie zuvor Hagars Rückkehr und deshalb von Gott gefordert. Denn wer einmal die höchste Bildung erreicht, der muss sich von den niederen Stufen fernhalten. Bei Philo sind sowohl Hagars Flucht als auch die Vertreibung Hagars und Ismaels negativ konnotiert. Positive Aspekte, die noch Josephus mit seiner These von der Kolonisierung des Orients durch die Nachkommen Abrahams namhaft macht, kommen bei Philo nicht vor. Denn die Entfernung aus Abrahams Haus ist eine Entfernung von der Schule und Quelle wahrer Weisheit. Das Verständnismodell dafür ist die Austreibung Adams aus dem Paradies. Beides wird in Cher 2-11 ausdrücklich parallelisiert. In dieser Konstellation sieht Philo auch Abrahams Sohn Ismael, obgleich Hagar für Philo die wichtigere Gestalt ist. Als Sohn einer Sklavin ist Ismael ein illegitimer Sohn Abrahams und vor allem Sohn Hagars. In Fug 204-211 kommt Philo ausführlicher auf die Geburt Ismaels zu sprechen, indem er Gen 16,9-16 in folgender Weise paraphrasiert: (207) Der prüfende Engel nimmt nun ihren (Hagars) Gehorsam beifällig auf und sagt: »Kehre zurück zu deiner Herrin«; denn für die Lernende ist die Anleitung der Lehrerin, für die noch Unvollkommene der Dienst bei der Einsicht von Nutzen. Wenn du aber zurückgekehrt bist, so »demütige dich unter ihre Hand« mit einer ehrenvollen Demütigung, die in der Austilgung eines unvernünftigen Hochmuts besteht. (208) Denn so wirst du unter sanften Geburtswehen, durch Anhören göttlicher Unterweisungen zur Besonnenheit gelangt, einen männlichen Sproß mit Namen Ismael gebären; denn Ismael bedeutet »Anhören Gottes«. Das Hören nimmt aber gegenüber dem Sehen die zweite Stelle ein; dieses ist dem echtbürtigen und erstgeborenen Sohn Israel zugefallen, denn

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Israel ist zu übersetzen: ›der Gott Schauende‹ Denn der Gehörssinn kann auch Falsches als wahr annehmen, da er der Täuschung unterliegt, untrüglich aber ist der Gesichtssinn, durch den das Seiende wirklich im Denken erkannt wird. (209) Den erzeugten Charaktertypus kennzeichnet (der Engel), indem er äußert, er werde ein Bauer sein, d.h. gleichsam ein bäuerischer Weiser, welcher der gesitteten, wahrhaft städtischen Art – das ist die Tugend, durch die der Charakter verfeinert wird – noch nicht für wert befunden worden ist, und indem er sagt: »Seine Hände werden wider jedermann sein und aller Hände wider ihn: (210) das weist auf die Gesinnung der Sophisten hin, der eine allzu große Skepsis zur Schau trägt und an Streitreden seine Freude hat. Dieser bekämpft alle, die sich mit den Wissenschaften befassen, indem er einen jeden einzelnen und allen insgesamt entgegentritt, und wird von allen bekämpft, da sie, wie natürlich, die Lehren, die ihre Seele erzeugt hat, verteidigen, als wären es ihre eigenen Kinder. (211) Noch ein drittes Kennzeichen fügt (der Engel) hinzu mit den Worten: »Er wird unter den Augen aller seiner Brüder wohnen«. Fast unversteckt deutet er damit auf den Auge in Auge geführten Kampf und ewigen Zwist hin.

Bei Philo hat die zurechtgewiesene und unter die Herrschaft Saras zurückgekehrte Hagar eine sanfte Geburt. Dies hängt mit dem Namen Ismaels zusammen, denn bei Philo bedeutet der Name Ismael, das man Gott anhört, d.h. den göttlichen Unterweisungen zuhört und diese annimmt. Indem Hagar durch das Anhören göttlicher Unterweisungen zur Besonnenheit gelangt, bringt sie Ismael unter »sanften Geburtswehen« zur Welt. Das Erhörungsmotiv im Ismael-Namen möchte Philo aber nicht zu hoch gewichten, weshalb er sofort das Hören gegenüber dem Schauen abwertet. Denn eine Gotteserkenntnis aus dem Schauen gebührt nur dem erstgeborenen Israel. Nicht Isaak, sondern Israel bildet hier wegen der Namensdeutung Israels das Gegenbild zu Ismael. Der Status des Erstgeborenen, den Philo hoch gewichtet, ist allein den Ahnen Israels vorbehalten. Dazu gleich. Aus dem Wildeselspruch aus Gen 16,12 gewinnt Philo mit der Übersetzung der Septuaginta die Vorstellung eines Bauern, eines groben, ländlichen Menschen, der den gebildeten Städtern gegenüber gestellt wird.80 Gemäß seiner Bildungstheorie bildet Ismael für Philo den Typos des Sophisten, eine Bildungsstufe, die der wahre Weise schnell hinter sich lassen und vor der er sich schützen muss. In der Auseinandersetzung mit dem Sophismus findet dann auch die Konfliktmetapher aus dem Wildeselspruch in Gen 16,12 eine übertragene Anwendung. Der Konflikt zwischen Israel und Ismael wird auf den Konflikt zwischen den Sophisten und den Anhängern wahrer Philosophie und Gotteserkenntnis übertragen. Und er wird als ein »ewiger Konflikt« aufgefasst und verstetigt. Damit ist Philo der erste, der Gen 16,12 als einen ewigen Konflikt deutet, auch wenn er mit den geistigen Waffen der inDie LXX lässt in Gen 16,12 das Wildeselbild weg und übersetzt ἄγροικος ἄνθρωπος – Mann des ländlichen Raumes, das Philo sachgerecht als Bauer deutet. Vgl. o. Kap. II. 6.4.3.

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tellektuellen Auseinandersetzung ausgetragen wird.81 Auch das Bild vom Bogenschützen Ismael macht Philo seinem Anliegen dienstbar. Es steht für streitbare Wortgefechte, mit denen Ismael seine Gegenüber trifft, mit denen er selbst aber auch getroffen wird (Congr 129-130). Über die Vorstellung von der Auseinandersetzung des wahren Philosophen mit der Sophisterei deutet Philo auch einen Konflikt der Brüder an. Es ist eine geistige Bedrohung, die von Ismael ausgeht. In den Traktaten Sobr und Cher kommt Philo ausführlicher auf die Vertreibung Hagars und Ismaels zurück, die deshalb nötig ist, weil es auf Dauer die Seele schädigt, Umgang mit niederen Formen der Bildung zu haben. In Sobr 8 tadelt Philo das kindliche Spielen Ismaels (Gen 21,9), das er als anmaßend bewertet. Ismael werde deshalb verjagt, »weil er als unehelicher Sohn sich im Scherz … die Ebenbürtigkeit mit jenem (Isaak) anmaßte«. In Cher 8 ist es das »Scheinwissen«, mit dem sich Ismael brüstet. An diesen Stellen findet sich erstmals in der frühjüdischen Literatur eine Interpretation von hebr. mezachek in malem partem im Blick auf Ismael, die dann bei Paulus und im rabbinischen Schrifttum verschärft wird, aber noch kein Feindschaftsmotiv.82 Aus dem Umstand, dass Ismael in Gen 21 als Kind bzw. Knabe erscheint, obwohl er im chronologischen System der Genesis doch schon ein Erwachsener ist, gewinnt Philo die Deutung, dass Ismael als Typ des Sophisten auf der Stufe kindlichen Erkenntniserwerbs stehen geblieben ist. Wahre Weisheit ist eine Angelegenheit von erwachsenen Männern, nicht für Kinder, an der aber Isaak aufgrund göttlicher Gnade von Anfang an Anteil hat.83 Für Philo gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen den Aktivitäten der Sophisten und der Gefangenschaft des Menschen auf dieser untergeordneten Stufe der Erkenntnis, für die er Ismael in Anspruch nimmt. Deshalb müssen Hagar und Ismael dauerhaft vertrieben werden: Sie werden aber die ewige Verbannung erleiden, da Gott ihre Vertreibung bestätigt, indem er dem Weisen (Abraham) befiehlt, auf die Worte der Sarah zu hören, und ausdrücklich gebietet, »die Magd und ihren Sohn zu vertreiben«. Der Tugend (Sarah) aber zu folgen ist sittliche Pflicht, besonders wenn sie die Lehre begründet, dass die ganz vollkommenen Naturen von den Beschaffenheiten mittlerer Art gar sehr verschieden sind, und dass die Weisheit mit der Scheinweisheit nichts zu schaffen hat; denn diese klügelt scheinbar glaubliche Dinge aus, um falsche Meinung hervorzubrigen, die die Seele schädigt … Wird doch auch ganz und gar der Scheinweise und seine Mutter, die Schule der wissenschaftlichen Vorkenntnisse, vertrieben und wegverbannt von der Weisheit und dem Weisen, die die Schrift mit Namen Abraham und Sarah nennt. (Cher 9-10)

Ismael als streitbarer Sophist erinnert an das frühneuzeitliche Stereotyp von Ismael als streitbarem Literaten bei P. BAYLE. S. o. Kap. II. 6.4.3. 82 G. SELLIN, Hagar und Sara, 126f. 83 A. BOS, Hagar, 164. 81

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Wir hatten schon gesehen, dass Philo das Erwählungsmodell der Genesis, wonach das Erbe beim Jüngsten liegt, unbeachtet lässt. Der Erstgeborenenstatus bleibt den Ahnvätern Israels vorbehalten. Wenn Isaak nach Ismael geboren wird, so ist dies kein Problem. Denn dieser Rang entscheidet sich nicht in der Geburtsfolge, sondern dem geistigen Rang und der Würdigkeit nach. Deshalb ist die biblische Notiz aus Gen 25,6. dass Abraham »alles, was er hatte, dem Isaak gab« für Philo ganz selbstverständlich. Eine Paraphrase von Gen 25,1-6 lautet: Das aber hat er (Jakob) gelernt von seinem Grossvater (und dem Lehrer) seiner eigenen Bildung Abraham, der dem allweisen Isaak sein ganzes Vermögen schenkt, ohne etwas von seinem Grundbesitz den Bastarden und den verkehrten Berechnungen der Kebsweiber zu hinterlassen, sondern Geringes schenkte er auch jenen Geringen. Denn der Grundbesitz, die vollkommenen Tugenden, sind allein des Vollkommenen und Edelgeborenen Eigentum, die mittleren Pflichten aber macht er auch für die Unvollkommenen passend, die nur bis zu den allgemeinen Vorkenntnissen gelangt sind, mit denen Hagar und Ketura anfangen, Hagar die »Ansiedlung« und Keturah die »Duftende«84. Denn wer sich nur an die vorbereitenden Wissenschaften hält, ist Anwohner der Weisheit, wohnt nicht in ihr und sendet eine Art angenehmen Duftes von der die schauende Erkenntnis umgebenden Hülle der Seele zu. (Sacr 43-44)

Eine längere Reflexion widmet Philo in Mut 201-263 dem biblischen Abschnitt in Gen 17,16-21, der Verheißung für Isaak und der Bitte Abrahams »Dass doch Ismael lebe vor deinem Angesicht« (Gen 17,18). In Abrahams Lachen im Angesicht der Isaakverheißung sieht Philo zum einen menschliche Schwäche im Angesicht göttlicher Gnade, dann aber wirkliche Freude des Tugendhaften. Auch hier wird das Erhörungsmotiv im Namen Ismaels aufgenommen und transformiert: Ismael bedeutet bei Philo »auf Gott hören«. Wenn Abraham für Ismael bittet, dann darum, dass Ismael für Gottes Instruktionen entflammt werden soll, damit er glücklich vor Gott leben kann. Gott erfüllt die Bitte Abrahams doppelt, indem er ihm zwei Geschenke macht. Seine größte Gabe ist Isaak, das Geschenk der natürlichen Erkenntnis, das zweite ist Ismael, das ist die Erkenntnis, die aus dem Hören kommt.85 So wird auch Ismael unter den Augen Gottes ein gedeihliches Leben führen. Mit Blick auf Gen 17,18-21 zeigt hier auch Philo ein Modell der abgestuften Zuordnung der beiden Abrahamsöhne. Zusammenfassend kann man sagen, dass in Philos Ausdeutungen Hagar und Ismael gegenüber Abraham, Sara und Isaak zunächst sozial deutlich abgewertet werden. Dies ist im Sklavinnenstatus Hagars begründet, die daher nicht als zweite Ehefrau, sondern lediglich als Konkubine Abrahams aufgefasst wird. Daher und vor dem Hintergrund römischen Rechts kann ihr Sohn Ismael nicht als legitimer Erbsohn Ab84 85

Philo erkennt natürlich den Wohlgeruch im Namen Keturas. QG zu Gen 17,20.

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rahams gelten. Stattdessen werden Abraham, Sara und besonders Isaak deutlich als Vorbilder wahren Menschseins und wahrer Bildung und Tugend aufgewertet. Nur die jüdischen Ahnen erreichen bei Philo die Stufe höchster Weisheit, Hagar und Ismael symbolisieren aber eine notwendige Vorstufe solcher Bildung. Hagar und Ismael werden daher moralisch nicht diskreditiert, aber sie erreichen wegen ihres geringen Status nur die mittlere Stufe auf dem Weg zur menschlichen Vervollkommnung. Indem aber Ismael als Prototyp des Sophisten erscheint, kommt nicht nur eine Abstufung, sondern auch die Dimension der Diffamierung in das Bild Ismaels. Die Konfliktmetapher aus Gen 16,12 wird nicht auf das Verhältnis von Ismael und Isaak bezogen – auch Philo kennt keinen Konflikt zwischen Isaak und Ismael – sondern auf die von allen Menschen zu führende Auseinandersetzung mit der sophistischen Scheinweisheit. Auch die Ausdeutung von Ismaels kindlichem Spielen (Gen 21,9) wird bei Philo erstmals negativ als anmaßendes Verhalten Ismaels im Blick auf den Bildungserwerb akzentuiert. Im Blick auf die Zuordnung von Hagar und Ismael zum Haus Abrahams verfolgt Philo ein Stufenmodell, aber noch kein diametrales Kontrastmodell, wie dies später bei Paulus in Gal 4,21-31 und in der rabbinischen Tradition Gestalt gewinnt. Auch wenn man bei der Auseinandersetzung mit dem Sophismus, für den Ismael stehen soll, den Eindruck einer bleibend negativen Typisierung Ismaels gewinnt. 5. Judeo-arabische Traditionen von Hagar und Ismael. Bekanntlich finden Ismael und Hagar als arabischer Zweig der biblischen Abrahamfamilie in der islamischen Abrahamtradition eine besondere Beachtung. Die traditionsgeschichtlichen Wege, die dazu führen, sind weitgehend unklar. Als sicher kann gelten, dass Muhammad durch die Überlieferungen der Juden von Medina zu seiner kreativen Neudeutung der Abraham-Ismael-Überlieferung angeregt wurde. Dieser Spur soll im Rahmen dieser Arbeit nicht mehr nachgegangen werden. Wir wollen stattdessen frühjüdische Spuren sichten, die Hagar und Ismael mit Arabien verbinden. Wer danach fragt, wie nach Arabien ausgewanderte und dort seit Generationen lebende Diasporajuden den Teil der biblischen Tradition aufgenommen haben, der die Abrahamgeschichte mit ihrer jetzigen Lebenswelt verbindet, darf mit einer besonderen jüdischen Hochschätzung Hagars und Ismaels rechnen. Die jüdische Präsenz ist durch Inschriftenfunde in Nord- und Südarabien insgesamt gut bezeugt und reicht bis in die neubabylonische Zeit hinab.86 Bis zum Vgl. S.D. GOITEIN, Jews and Arabs, die Materialübersichten bei I. BEN-ZVI, origines; R. ALTHEIM / R. STIEHL, Die Araber in der Alten Welt, Bd. II, 64-75; IV, 306-317; V/1, 305-309. Zur Frage des Beginns der jüdischen Diaspora im 6. Jh. v. Chr. vgl.

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Aufkommen des Islam gab es während nahezu 1000 Jahren jüdisch-arabischen Kulturkontakt in Arabien. Ein Urteil über sein Ausmaß, über Organisation und Selbstverständnis der Juden im arabischen Raum ist aufgrund der spärlichen Quellen jedoch nicht möglich. Einige verstreute Hinweise lassen sich zu den Umrissen einer HagarIsmael-Tradition der jüdischen BewohnerInnen im nordarabischen Hegra, dem heutigen Madāʾin Ṣaliḫ zusammenfügen. Die älteste, gewiss etwas unklare Spur findet sich ausgerechnet im Galaterbrief des Paulus: 5.1. Paulus und das nabatäische Hegra Paulus bezieht in seine antithetische Gegenüberstellung der beiden Abrahamsöhne in Gal 4 auch deren Mütter ein, indem er den Sohn der Sklavin Hagar dem Verheißungskind der freien Sara gegenüberstellt. Beide Frauen verkörpern zwei Bundesschlüsse. Während Sara das obere (himmlische) Jerusalem und damit die Christen als die wahren Kinder der Verheißung symbolisiert, steht Hagar als Sklavin für den Bund der Knechtschaft, den vom Sinai, und damit für die jüdischen bzw. christlich-judaisierenden Gegner des Paulus, jedenfalls für das gegenwärtige Jerusalem (V.22-31). Paulus erklärt diese mehr als gewagte Verbindung Hagars mit dem Sinai(bund) mit einer gleichfalls seltsamen geographischen Bemerkung: V.25a Aber Hagar (ist) der Berg Sinai in Arabien/der Arabia. τὸ δὲ Ἁγὰρ Σινᾶ ὄρος ἐστὶν ἐν τῇ Ἀραβίᾳ

Paulus sieht im Sinaibund einen Bund der Knechtschaft und will ihn deshalb mit dem Sklavinnenstatus Hagars verbinden. Wie aber kommt der Apostel zum Ortsnamen ›Hagar‹ und von hier aus zur geographischen Lokalisierung des Sinais in Arabien? Die Vorstellung, dass der Berg Sinai in den Regionen Arabiens zu suchen ist, kann die Verbindung mit der Ahnmutter Hagar noch nicht begründen. Denn Hagar wird in der Genesis als Ägypterin beschrieben und fordert einen Bezug zu Arabien nicht notwendig.87 Die Unvermitteltheit und Kürze der Anspielung lässt dabei erwarten, dass Paulus hier auf eine bei seinen Adressaten bekannte Tradition verweist. GESE88 vermutete in der geograschon R. MEYER, Gebet des Nabonid, 92-105; M. HENGEL / A. SCHWEMER, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien, 188f. Zum bislang ungeklärten Ursprung der jüdischen Gemeinde in Yatrib (Medina) vgl. M. GIL, The Origin of the Jews of Yathrib. 87 Die Bibel bietet allerdings mit den Hinweisen auf die in Transjordanien zu lokalisierenden Hagariter (Ps 83,7; 1Chr 5,19f), Hagars Mutterschaft der arabischen Ismaeliter (Gen 25) einige Möglichkeiten der Verbindung von Hagar und Arabien (z.B. Jub 20; Artapanos s.o. Kap. VIII. 3.) 88 Vgl. DERS., Gal 4,25, 49-62. 59ff.

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phischen Angabe Hagar einen Hinweis auf die nordarabische Oasenstadt Hegra,89 die bei den griech.-röm. Geschichtsschreibern ›Hegra in Arabien‹ (Εγρα ἐν τῇ Ἀραβίᾳ) genannt wird,90 und weist darauf hin, dass spätere arabische Legenden diesen Ort mit Hagar und Ismael in Verbindung bringen. Seine These: Paulus kannte eine jüdische Lokaltradition von Hagar und Hegra, und da er den Sinai in Nordarabien in der Nähe von Hegra suchte, konnte er Sinai und Hagar miteinander verbinden. Die Stadt Hegra war zwischen 62/58 v. Chr. und 78/80 n. Chr. neben der Hauptstadt Petra das bedeutendste Machtzentrum des Nabatäerreichs. An dessen Südgrenze und am Knotenpunkt der zentralen arabischen Karawanenstraßen gelegen, war die Stadt Warenumschlagplatz und Militärlager zum Schutz der Handelswege und Brunnen. In Hegra übernahmen die Nabatäer die Weihrauchladungen, die von Kamelkarawanen aus Südarabien herangebracht wurden, um sie über Petra entweder zu den Häfen bei Gaza oder nach Syrien zu bringen. Der Ort erlebte zur Zeit des Nabatäerkönigs Aretas IV. (9 v.-40 n. Chr.), d.h. in zeitlicher Nähe zu Paulus und seiner Arabienreise, eine späte Blüte. Mit dem Zusammenbruch, oder mindestens mit dem starken Rückgang des Weihrauchhandels auf dem Landweg, durch den die Nabatäer reich und mächtig geworden waren, büßte der Ort seine Bedeutung zunehmend ein.91 Er blieb weiter bewohnt, vom 4-6. Jh. n. Chr. wohl unter Kontrolle thamudischer Stämme. Wie Inschriftenfunde belegen, hat es in der Stadt neben der (proto)arabischen auch eine jüdische Bevölkerung gegeben.92

Andere Schreibweisen Hegra, Hagra, arab. al ḥigr bzw. ḥidjr. Ptol. VI 7,29; Steph. Byz. I, 260; lat. H(a)egra (Plin. nat. VI, 157); nabatäisch-aramäisch und targumaramäisch argx. Den Konsonantenwechsel von (h) zu (x) erklärt H. GESE als ein auch sonst im Midrasch mögliches Verfahren (zustimmend G.I. DAVIES, Location, 154). 91 Nach dem Tod Aretas IV. ging die Errichtung von prunkvollen Grabfassaden stark zurück und wird ab ca. 75 n. Chr. völlig eingestellt. A. NEGEV, Tempel, 72f; Zu den handelspolitischen Zusammenhängen, die auch Petra in der Spätzeit ins Abseits rücken ließ und den wirtschaftlichen Schwerpunkt in die nabatäischen Nordregionen (Negev: Fernhandel, Ackerbau, Pferdezucht; Südsyrien: Fernhandel) verlagerte, vgl. A. NEGEV, ebd., 92ff. Einen Überblick über Archäologie und inschriftliche Befunde von Hegra bei R. WENNING, Nabatäer, 113f.119-122; J. HEALEY, Nabatean Tomb Inscriptions. 92 Vgl. M. LIDZBARSKI, Ephemeris III, 88, 269, 271. F. ALTHEIM / R. STIEL, Araber in der alten Welt, Bd. 5/1, 305f; S. NOJA, Testimoni; E.A. KNAUF, Supplementa Ismaelitica, 13; M. HENGEL / A. SCHWEMER, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien, 183 m. Anm. 744. 89

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5.2 Frühjüdische Traditionen von Hagar/Hegra Die biblische Hagargestalt (arab. hadjar) begegnet in den arabischen Legenden (des Ortes), wie sie im universalgeschichtlichen Sammelwerk von al-Ṭabarī (gest. 923 n. Chr.) überliefert werden. Danach ist al-ḥdjr der Ort, zu dem Hagar und Ismael von Abraham begleitet worden waren, und an dem sie begraben sind. Der Ursprung dieser Traditionen bei den jüdischen Bewohnern von Hegra ist ohne weiteres wahrscheinlich und geradezu zwangsläufig. Aus dem arabischen Stadtnamen, welcher »der geschützte, unzugängliche Ort«93 bedeutet, wird wegen des lautlichen Anklangs der Name der biblischen Ahnmutter Hagar herausgehört, zumal die Nachkommen Ismaels von der frühjüdischen Tradition ohnehin mit (nabatäischen) Arabern verbunden werden. So ist es mindestens denkbar, dass Hagar für jüdische BewohnerInnen von Hegra als Matriarchin und Gründerin der Stadt angesehen wurde. Gewiss ist die islamische Quelle aus dem 10. Jh. im Verhältnis zu Paulus geradezu unerträglich spät, auch wenn man sich al-Ṭabarī als virtuosen Sammler älteren Materials vorstellen muß, der zudem auf früheren Geschichtswerken aufbaut. Man kann traditionsgeschichtlich jedoch sehr viel weiter zurückfragen, denn muslimisch kann die Legende nicht sein. Ismaels und Hagars Gräber werden im Heiligen Bezirk von Mekka verehrt: dieser Ort an der Kaaba aber wird noch al-ḥidjr – »der sichere Ort« genannt, was am besten als eine Transformation der Hegra-Überlieferung nach Mekka erklärt werden kann. Zudem ist das vernichtende Urteil des Korans über Hegra zu beachten, dessen Trümmerhaufen vom göttlichen Strafgericht über die frevlerischen Stämme der Thamūd zeugen soll. Diese hatten den von Mohammed zu ihrer Bekehrung gesandten Propheten Ṣaliḫ verachtet, eine als Zeichen seiner göttlichen Sendung wunderbar aus einer Felsklippe entstandene Kamelstute getötet, und wurden daraufhin durch ein Erdbeben vernichtet. Der Ort bekam daraufhin den Namen Madāʾin Ṣaliḫ (Ort des Propheten Ṣaliḫ) und unterliegt seitdem einem reliösen Tabu.94 Eine Bestätigung des jüdischen Ursprungs der Verbindung von Hegra und Hagar bietet zudem ein Teil der Targumüberlieferung. Diese lokalisiert Hagars Flucht in der Wüste und den Ort ihrer Gottesbegegnung in Gen 16 im nordarabischen Hegra. Die Ortsangabe »an der Quelle auf dem Weg nach Schur« (16,7) wird bei TO, TNf1 und TPsJ mit Vgl. M. LIDZBARSKI, ebd., 86. Zur Legende vom Frevel der Thamūd von Hegra gegenüber Ṣaliḫ, dem Abgesandten Muhammads, vgl. Koran 7,73-79; 11,61-68; 17,59; 26,141-159; 27,45-53; 41,13.17f; 51,43-45; 54,23-31; 69,4f; 89,9; 91,11-15; ferner 15,80-85 sowie die Einträge zu Thamūd, Ṣaliḫ sowie al-ḥidjr in den islamwissenschaftlichen Lexika.

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»an der Quelle auf dem Weg nach Hagra (aram. argx)«95 wiedergegeben, die von Beer Lahaj Roi »zwischen Kadesch und Bered« (V.14) in TO mit »zwischen Petra und Hagra«.96 Anstelle von Hagra wählen manche Targume Elusa, die bedeutend(st)e nabatäische Metropole im spätantiken Negev. Obwohl vermutlich nur ein Teil der Targumtraditionen in die vorneutestamentliche Zeit zurückreicht, ist in ihnen die Verbindung der Hagarüberlieferung mit dem nabatäischen Hegra doch so breit gestreut, dass sie zur Zeit des Paulus bereits bestanden haben kann. Vielleicht dürfen innerhalb dieser Tradition die Verweise auf Hegra gegenüber denen auf Elusa chronologische Priorität beanspruchen, denn seine volle wirtschaftliche und politische Blüte erlebte Elusa97 erst, als der Glanz des nabatäischen Hegra schon verblüht war.98 Nach alldem kann nicht ausgeschlossen werden, dass Paulus eine Ortstradition von (nabatäischen) Juden aus Hegra kannte, die den Namen ihrer Stadt auf Hagar und deren Gottesbegegnung in der Wüste bei Hegra zurückführten, und die er hier aufgreift, weil er eine LokalTO übersetzt Schur regelmäßig mit Hagra (Gen 16,7; 20,1; 25,18; Ex 15,22); TNf1 ändert hier überall in Elusa (acwlx), ebenso die Fragmententargume (hierzu M. MAHER, Pseudo-Jonathan, 63 n. 10.); unentschieden ist TPsJ (Hagra in Gen 16,7, 20,1; Elusa in Gen 25,18; Ex 15,22). Auch GenR 45,7 hat Elusa wie TNf1. 96 Die Targume übersetzen Kadesch mit ~qr (reqem), was mit Jos.ant. IV,161 mit der nabatäischen Hauptstadt Petra identifiziert werden kann (hierzu G.I. DAVIES, Location 161f). Die Übersetzung von TO von ›Bared‹ mit ›Hagra‹ ist gegen dessen Gewohnheit (vgl. vorherige Anm.). Für H. GESE, Gal 4,25, 61 m. Anm. 60 zeigt TO damit sein besonderes Interesse für die Verbindung Hagars mit Hagra (Hegra). TNf1 folgt dieser Tendenz, indem er »Petra und Elusa« überträgt, so auch TPsJ. 97 Zu Elusa (20 km SW von Beerscheba), dem »Kreuzungspunkt des gesamten nabatäischen Straßensystems« in der Negevregion, dessen Bedeutung vor allem in der spätnabatäischen Epoche wuchs, als der Negev zum wichtigsten Wirtschaftsraum der Nabatäer wurde und auch in römisch-byzantinischer Zeit eines der wichtigsten städtischen Zentren blieb, vgl. A. NEGEV, Tempel, 41ff.71ff.228ff (zit. 231). Die griech. Nessana-Papyri (6. Jh. n. Chr.) erwähnen Elusa mehrfach als »district capital« des inzwischen christlichen, nabatäischen Negev. Vgl. A. NEGEV. Art. Elusa, NEAHL I, 379. 98 Die Identifikation von aram. Hagra und der nordarabischen Stadt Hegra ist angefochten worden, weil die rabbinische Tradition (bGit 1,1b; Jeb 116a) Hagra offenbar näher an der palästinischen Südgrenze und nicht in Nordarabien sucht. G.I. DAVIES, Location, 157f, denkt daher an einen sonst unbekannten Ort in Südpalästina (158), M. MCNAMARA, Paul and Petra, sucht ihn in der Nähe von Petra. Vgl. zum Problem der targumischen Benennungen vgl. M. ABERBACH / B. GROSSFELD, Targum Onkelos, 97. M.E. zeigt aber gerade der Wechsel mit Elusa in der targumischen Tradition, dass in Hagra eine Ortschaft von vergleichbarem (nabatäischen) Format wie Elusa gesehen werden muss. Die Variation des Satzes im Wildeselspruch Gen 16,12 bei TO »Er wird jedermann nötig und jedermann wird ihn nötig haben« anstelle von MT »seine Hand gegen alle, und die Hand aller gegen ihn« zeigt, dass Onkelos Ismael und seine Nachkommen im Bild kommerzieller Abhängigkeit von anderen Gruppen beschreibt, eben als Ahnvater der arabischen, d.h. nabatäischen Händler. »Araber« nennt TO auch die ismaelitische (MT) Händlerkarawane, die Josef nach Ägypten bringt (Gen 37,24.27). 95

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tradition kennt, die den Berg Sinai geographisch in der Nähe dieser Hagar-Stadt vermutete. Eine andere Erklärung schlägt McNAMARA vor.99 Er sucht das Hagra der Targume nicht in Hegra, sondern stärker in der geographischen Nähe der nabatäischen Hauptstadt Petra und verweist auf ein in der frühjüdischen Tradition breiteres Bestreben, verschiedene biblische Ortschaften in der Region Petras zu lokalisieren und so die bekannte nabatäische Hauptstadt in die eigene Tradition zu integrieren.100 Außer den nach Transjordanien verlegten Flucht- und Aufenthaltsorten Hagars und Ismaels wird Petra mit Kadesch identifiziert. So werden die für Israel wichtigen Erlebnisse in der Wüstenoase Kadesch (Num 20) ins Zentrum des Siedlungsgebiets der nabatäischen Nachkommen Hagars und Ismaels versetzt.101 In Kadesch (Petra) sterben Mirjam und Aaron, hier schlägt Mose wunderbar Wasser, das Haderwasser aus dem Felsen102 und verwirkt damit die Chance zum Eintritt ins gelobte Land.103 Wenn aber die wichtige Kadeschüberlieferung nach Petra verlegt wird, ist nicht auszuschließen, dass jüdische Traditionen auch den Berg Sinai in dieser Gegend suchten.104 Daher kann Paulus bei dem Gedanken an Hagar durchaus auf den vom Bundesschluss am Sinai gekommen sein, weil er Traditionen kannte, die den Berg der Toramitteilung im Siedlungsgebiet der nabatäischen Nachkommen Hagars suchten.105

99 Vgl. DERS., Paul and Petra. 100 Vgl. auch M. HENGEL / A.

SCHWEMER, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien, 184 m. Anm. 748. 101 Zu Kadesch-Petra vgl. schon Gen 14,7 (4./3. Jh.?); die Targume zu Num 20 und Josephus, der zwar nicht ausdrücklich Kadesch mit Reqem identifiziert, aber weiß, dass Aaron in Petra begraben ist (Jos. Ant. 4. 82-83). Auch die Wüste Zin (Num 20,1; 27, 14; 33,36 wird in allen Targumen und der Peschitta mit Reqem identifiziert, die Wüste Paran in TO zu Num 13,26 ebenfalls. 102 Wahrscheinlich steht das Bild des aus dem Felsen herausgeschlagenen Wassers (Num 20, 10-13) am Ursprung der Identifikation von Kadesch mit der eindrucksvollen Felslandschaft von Petra. 103 Vgl. Num 20.12f; Dtn 1,37; 4,21; 32,48ff. 104 M. MCNAMARA, ebd., 31-34, listet versch. Hinweise aus der jüdischen Tradition auf. Eine eindeutige Angabe gibt es aber nicht. 105 Vgl. M. MCNAMARA, ebd., 34.

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5.3 Die Arabienreise des Paulus Geheimnisvoll bleibt der in Gal 1,17 knapp erwähnte längere Aufenthalt des Paulus im nabatäischen Arabien unmittelbar im Anschluss an sein Damaskuserlebnis.106 Wohin und zu welchem Zweck er reiste, bleibt unklar. Dass er dort in Kontakt mit ansässigen Juden bzw. zum jüdischen Glauben übergetreten nabatäischen Proselyten und den von ihnen bevorzugten Traditionen gekommen sein dürfte, ist anzunehmen.107 Mit der Arabienreise des Paulus haben sich in neuerer Zeit HENGEL und SCHWEMER in einer reich dokumentierten monographischen Darstellung befasst, in der sie die These GESEs aufnehmen.108 Paulus geht nach dem Damaskuserlebnis, das den Verfolger von einst zu einem glühenden Christusverkünder macht, und nachdem er in die christliche Gemeinde von Damaskus aufgenommen wurde, zunächst für mehrere Jahre »nach Arabien« und kehrte von dort nach Damaskus zurück (Gal 1,17). Die ältere These, dass Paulus sich in die Einsamkeit der arabischen Wüste zurück gezogen habe, um zu innerer Klarheit zu gelangen, halten Hengel und Schwemer für eine romantische Projektion. Sie vermuten, dass Paulus schon »in Arabien« als Missionar aufgetreten sei und sich in dieser Zeit Klarheit über sein weiteres Wirken verschafft habe. Für die Wahl dieser Region vermuten sie heilsgeschichtlich-eschatologische Gründe, die sich an den biblisch ausgelegten Genealogien der Abrahamkindschaft orientierten. Die Mission unter Samaritanern und Hellenisten (Tyrus, Cesarea, Antiochia) wurde bereits von den Säulen der Jerusalemer Urgemeinde vorangetrieben. Das genealogisch noch näher verwandte Volk der Iduämäer war durch Johannes Hyrkan zum Judentum gebracht worden. »Die arabischen Nabatäer erschienen so als die nächsten noch heidnischen Verwandten der Juden und als Söhne des Erzvaters.«109 Die von Lot abstammenden Ammon und Moab waren nach Dtn 23,4 vom Anschluss an Israel ausgeDiesen unbekannten Jahren des Apostels Paulus haben M. HENGEL / A. SCHWEPaulus zwischen Damaskus und Antiochien (1998), eine ausführliche Monographie gewidmet, die auch für die Arabienthematik bei Paulus einen Meilenstein der Forschung darstellt. 107 Ob Paulus tatsächlich nach Petra reiste, wie M. MCNAMARA annimmt, ist mir aus politischen Gründen fraglich. In 2Kor 11,32 begründet Paulus seine Flucht aus Damaskus mit der Verfolgung durch die nabatäischen Behörden, deren Hauptstadt er daher wohl gemieden haben dürfte. Die übliche Deutung des paulinischen Reiseziels (Gal 1,17 ἀραβία) auf die südlich Damaskus gelegene Nordregion des Nabatäerreichs ist jedoch ebensowenig erweisbar. Zur Existenz von Juden in Petra vgl. M. HENGEL / A. SCHWEMER, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien, 184f. Die Existenz von Proselyten in Petra belegt die Mischna (bGit 1,1). 108 M. HENGEL / A. SCHWEMER, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien, bes. 180208; ferner A. SCHWEMER, Die ersten Christen in Syrien, 172. 109 M. HENGEL / A. SCHWEMER, ebd., 180.

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MER,

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schlossen. Hinzu können eschatologische Gründe kommen: Jer 12,1417; Jes 60,6 erwähnen Midian, Kedar und Nabajoth für die Völkerwallfahrt zum Zion, rechnen also mit einer Rolle arabischer Völker in der Endzeit, in der sich auch Paulus glaubte. Mit jüdischen arabisch-nabatäischen Jerusalempilgern und Teilnehmern am Pfingstwunder rechnet auch Apg 2,11.110 Zudem war das Verhältnis zwischen Juden und Nabatäern in den ersten vier Jahrzehnten unter Aretas friedlich und für den Zeltmacher Paulus dürfte es auch in Arabien genügend Möglichkeiten gegeben haben, seinen Unterhalt zu verdienen.111 Aus nachvollziehbaren Gründen betrieb Paulus seine Mission zunächst allein, unter den Nabatäern, die als Söhne Ismaels und nahe Verwandte Abrahams galten, und wollte das Evangelium dort verkünden, wo noch niemand vor ihm einen Grundstein gelegt hatte (Röm 15,19). HENGEL und SCHWEMER rechnen wegen Gal 4,25 damit, dass Paulus nicht nur nach Petra, sondern auch bis nach Hegra gekommen ist und dortige Lokaltraditionen kennen gelernt habe. Die überregionale Abrahamüberlieferung besaß vermutlich sowohl in Damaskus bei Juden und Heiden wie in Arabien eine nicht unerhebliche Prägekraft. JOSEPHUS weiß sogar, dass Abraham die Söhne der Ketura an ihre jeweiligen Lebensorte aussendet und begleitet, wo sie Kolonien gründen. Im Genesisapokryphon ist eine Tradition überliefert, nach welcher Abraham das Land der Verheißung, das er bei Bethel zugesagt bekam (Gen 13), selbst bereist, inspiziert und symbolisch in Besitz nimmt (1QGenAp 21,15-19). Die Beschreibungen des Landes schließen Syrien und Arabien mit ein und entsprechen der Beschreibung Arpachschads in Jub 8-9, wovon GenApoc literarisch abhängig ist. Wenn Paulus also für mehrere Jahre nach Arabien geht, dann mag eines seiner Motive sein, die heilsgeschichtlich verwandten Araber und arabischen Juden in Petra und Hegra für die endzeitliche Christusbotschaft zu gewinnen. Dieser Aufenthalt in Arabien mag dann reichlich Anlass geboten haben, über Abraham, die Beschneidung und die wahre Abrahamkindschaft nachzudenken, ein Thema, dass ihn in seinen Schriften permanent begleitet (Gal 2-4; Röm 4).112 Das genaue Verständnis von Gal 4,25a wird wohl strittig bleiben.113 Unstrittig ist aber, unabhängig davon, ob Gal 4,25 als Beleg dafür gelM. HENGEL / A. SCHWEMER, ebd., 181-183. Auf die eschatologische Bedeutung der Ismaelverheißung und der Nachfahren Ismaels in neutestamentlicher Perspektive verweist auch U. WORSCHECH, »Ich will Ismael segnen«, 22. 111 M. HENGEL / A. SCHWEMER, ebd. 184. 112 M. HENGEL / A. SCHWEMER, ebd., 192. 113 Die Lesart Ἁγὰρ fehlt bei einigen Textzeugen; die Einführung τὸ δὲ Ἁγὰρ ist als Begründungssatz sprachlich schwierig; die geographischen Identifikationen bleiben umstritten. Vgl. G. BOUWMAN, Die Hagar- und Sara-Perikope, 3135-3154, der γὰρ anstelle von Ἁγὰρ liest, die paulinische Gleichung Sinai-Arabien von Dtn 1,1 her verstehen will, und »Araba« anstatt »Arabien« lesen möchte. 110

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ten kann, dass es eine frühjüdische Hagar-Ismael-Tradition im nordarabischen Hegra gegeben hat.114 Die rabbinische Überlieferung hat von ihr m.W. keine Spuren aufbewahrt. Die islamisch-arabische Tradition lässt sich jedoch unter der Prämisse befragen, dass mindestens die Züge der Überlieferung als vorislamisch zu gelten haben, die später innerhalb des Hauptstroms der islamischen Legendenbildung mit Mekka und der Kaaba verbunden werden, also in islamischer Zeit nicht mehr entstanden sein konnten. 5.4 Die islamische Überlieferung In der arabischen Legende, die sich in vielen Einzelzügen an der biblischen Geschichte von der Verstoßung Hagars (Gen 21,9-21) anlehnt, begleitet Abraham Hagar und Ismael nach Arabien, wo ihm im Gebiet von Mekka vom Engel Gabriel oder Gottes Schechina (arab. sakīna)115 der Ort zum Bau des Heiligtums angewiesen wird, das Abraham und Ismael dann errichten. Darauf kehrt Abraham wieder zurück, während Hagar und Ismael im Umkreis der Kaaba wohnen bleiben und später dort auch begraben werden. Dies ist der islamische Erzählzusammenhang116, in dem al-Ṭabarī zwei im Zusammenhang sperrige Überlieferungen erwähnt.117 Nach der einen ist al-ḥidjr der Ort, den der Engel Gabriel dem Abraham als heiligen Ort bezeichnet, worauf Abraham Hagar beauftragt, hier einen »Ort der Zuflucht« zu bauen. Sodann tritt Abraham wieder die Heimreise an. In dieser Variante kommt Abraham nur bis Hegra und erfüllt hier bereits die Funktion, die ihm nach der sonstigen Überlieferung erst in Mekka zufällt. Abrahams Begleitung sichert Hagar und Ismael das Wohlwollen, Schutz und Geleit seines Gottes. So werden Ort und Heiligtum ihres Wohnens in der Abrahamtradition verankert. Der Auftrag an Hagar, einen »Ort der Zuflucht« zu bauen, macht sie zur Stadtund vielleicht Heiligtumsgründerin und nimmt wohl Motive der arabischen Stadtetymologie von Hegra (»der geschützte, unzugängliche Ort«) auf. Der Hinweis auf das Grab Hagars und Ismaels in al-ḥidjr kann G.I. DAVIES, Location, 158, denkt sich die Entstehung der arabischen Hagar-Ismael-Legende als nachträgliche Identifikation der in Hegra lebenden Juden mit dem Hagra der Targume. 115 Zur Bezeichnung materiell nicht vermittelter Gottesgegenwart ist der koranische Begriff sakīna (Lehnwort aus dem Hebräischen) aus der jüdischen Schechina-Theologie gewonnen und wesentlich in Parallele zu dieser in der islamischen Tradition weiterentwickelt worden. 116 Die Variationen dieser Legende bei R. FIRESTONE, Journeys in Holy Lands, 63-71. 117 Die in Frage kommenden Passagen aus dem Geschichtswerk von al-Ṭabarī sind jetzt in englischer Übersetzung bei W. BRINNER, Prophets and Patriarchs, vol. 1, 73.133, zugänglich gemacht. 114

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wohl als Hinweis auf einen einstmals aktiven Grabkult dieser biblischen Ahnen in Hegra verstanden werden. Vermutlich ist diese Überlieferung und Verehrung der Ahnengräber unter den jüdischen Einwohnern von Hegra entstanden, die ihre Stadt als Gründung Hagars verstanden und ihre Identität als arabische Juden oder jüdische Araber über diese in der rabbinischen Tradition stigmatisierte Nachkommenslinie Abraham-Hagar-Ismael gewannen. Je nach Einfluß solcher Stadtgründungslegenden und Grabkulte ist damit zu rechnen, dass auch nichtjüdische protoarabische Bewohner und Bewohnerinnen von Hegra oder der Region solche Traditionen teilten.118 Die spätere muslimische Legende konnte an diese Überlieferungen anknüpfen.119 Die starke Funktion Hagars als Matriarchin der arabischen Stämme von Mekka, die sie in der nachkoranischen Erzählüberlieferung, allerdings noch nicht im Koran, einnimmt120, hat neben der biblischen Tradition wohl in der Stadtsage und der Hagarverehrung in Hegra einen Grund. Angesichts der spärlichen Hinweise ist über Vermutungen nicht hinauszukommen. Bekanntlich gibt es in arabischen Quellen aus vormuslimischer Zeit keinen sicheren Hinweis auf eine genuin arabische Rezeption der biblischen Ahnen Ismael, Hagar oder Abraham, noch begegnet der Name Abraham oder Ismael im arabischen Onomastikon der vorislamischen Epoche.121 Die Bruchstücke einer jüdisch-arabischen Dem inschriftlichen Befund von Hegra (darunter 387 Personennamen, vgl. A. NEPersonal Names, 97ff) ist in dieser Hinsicht nichts zu entnehmen. 119 Der im Koran verworfene Ort al-ḥidjr (Hegra) hat im Heiligen Bezirk von Mekka eine interessante Transformation erfahren. Hier bezeichnet der Ausdruck al-ḥidjr ein durch eine halbkreisförmige Mauer eingefasstes Terrain unmittelbar gegenüber der NW-Mauer des Kaabagebäudes. Das ist der Ort, an dem auch in Mekka das Grab Ismaels (und Hagars) verehrt wird. P. CRONE / M. COOK, Hagarism, 23f, vermuten, dass der erste Kultort der protomuslimischen (hagarenischen) Gemeinschaft in Hegra, nicht in Mekka war, und weisen auf inschriftliche (christliche) und archäologische Zeugnisse hin, nach denen die Gebetsrichtung (qibla) in frühislamischer Zeit (bis zum Ende des 7. Jh.s) auf ein Heiligtum in Nordarabien und nicht nach Mekka weist. Erst als der Islam sich stärker von seinen (jüd. christl. samaritan.) Wurzeln emanzipiert habe, wären die Kulttraditionen Hegras auf das Heiligtum in Mekka übertragen und jede Erinnerung an den Ursprungsort getilgt worden. Hiergegen wendet sich U. RUBIN, Hannifiyya, 103 mit n. 88; DERS., Kaʽba, 98-113. Er sieht den mekkanischen al-ḥidjr bereits als zum vorislamischen Kaabakult gehörigen Pferch für die zum Opfer geweihten Tiere (auch dies ein »Ort der Unantastbarkeit«!) und erklärt die Verbindung zur Ismaelgrabtradition damit, dass der Pferch ursprünglich nahe der Quelle ZamZam, dem Haftpunkt der HagarIsmael-Tradition, gelegen habe. 120 Vgl. R. FIRESTONE, Journeys in Holy Lands (Index). 121 Vgl. die gründliche Untersuchung VON R. DAGORN, La geste d´Ismaël, 1-33. Der Name Hagar, zu dem sich eine Reihe geläufiger arabischer Wortbildungen und Namen stellen lassen (E.A. KNAUF, Ismael, 52-55 m. Anm. 253), und der auch als nabatäischer Personenname belegt ist (A. NEGEV, Personal Names, 28 u.ö.), steht auf einem anderen Blatt. Vgl. R. DAGORN, ebd., 321ff; I. SAHÎD, Byzantium and the Arabs, 345, will dem Vorkommen des Ausdrucks banu hadjar (Söhne Hagars) als nordarabische Stammes118

GEV,

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Hagar-Hegra Tradition gehören zu den wenigen Anhaltspunkten, aus denen sich modellhaft skizzieren lässt, dass und wie die AbrahamHagar-Ismael Tradition als Identifikationssymbol in das vorislamische und wohl auch vorchristliche Arabien gekommen ist. Modellhaft deshalb, weil wir Einzelnes nicht kennen und zeitlich nur schwer einordnen können. Doch ist ohne weiteres plausibel, dass in Arabien lebende Juden diesen Teil ihrer Tradition, der sie selbst mit Arabien verbindet, betont und spezifisch weiterentwickelt haben, zumal schon in der biblischen Erzählung auch Ismael als Ahnvater der ›arabischen‹ Völker Abrahams Same und Erbe der Verheißungen des Gottes Israels ist. Mit diesen Hinweisen zur frühjüdischen Rezeption Hagars und Ismaels habe ich das Umfeld skizziert, in dem die vieldiskutierte paulinische Allegorie in Gal 4,21-31 bearbeitet werden kann. Dieses überlasse ich gern der neutestamentlichen Fachexegese.

bezeichnung in einem arabischen Poem des 6. Jh. n. Chr. entnehmen, dass sich diese Stämme auf die biblische Hagar als ihrer mater eponyma zurückführen und es somit einen genuin arabischen »Ishmaelism« gegeben habe. Das Vorkommen von arab. hadjar allein erlaubt allerdings noch keine Verbindungslinie zur biblischen Hagar; vgl. u.a. E.A. KNAUF, Ismael, 39 Anm. 171, Nachtrag 141f. In der Islamwissenschaft gibt es eine Reihe von Gelehrten, die sich für eine bereits vorislamische genuin arabische Beanspruchung der Abraham-Ismael-Tradition schon in Mekka aussprechen. So auch T. NAGEL, Abraham in Mekka, 146.

IX. Zusammenfassung

Die Leitfragen dieses Studie waren: Warum werden Ismael und seine Mutter Hagar in der Genesis als Träger von Väterverheißungen gezeigt, obwohl sie Ahnen nichtisraelitischer Völker sind und Väterverheißungen sonst nur den israelitischen Ahnen Abraham, Isaak und Jakob zugesprochen werden? Und was ergibt sich daraus für die Selbstwahrnehmung Israels, das in seiner Gründungsgeschichte Ismael und Hagar diesen Raum einräumt? Mit der Bearbeitung dieser Fragen sollte das erzählerisch und theologisch anspruchsvolle Profil der alttestamentlichen Ismael-Figur herausgearbeitet werden, um angesichts einer belasteten christlichen und jüdischen Rezeptionsgeschichte zu einem grundlegenden Neuverständnis von Abrahams erstgeborenem Sohn in der Genesis zu gelangen. Für dieses Vorhaben wurde in methodischer Hinsicht ein synchroner Zugang gewählt, der durch historische Reflexionen und bei zentralen Texten durch rezeptionsgeschichtliche Längsschnitte begleitet wird. Zu den Texten, die Ismael und Hagar theologisch betreffen, zählen in der Genesis zählen vor allem die Sohnverheißung an Abraham (Gen 15,4); die Gottesbegegnung der in die Wüste geflüchteten Hagar in Gen 16 mit den Verheißungen einer unzählbar zahlreichen Nachkommenschaft, der Geburt Ismaels sowie der späteren Bedeutung dieses Sohnes (V.10-12); der Gottessegen für Ismael und seine Nachkommen im Rahmen des Abrahambundes (Gen 17,20) sowie die doppelte Verheißung eines (großen) Volkes in der Vertreibungsepisode (Gen 21,13. 18). Die Vertreibungsszene endet mit dem Hinweis, dass Gott auch in der Wüste »mit dem Knaben war« (V.20), und ruft damit die MitSeins-Formel auf, mit der in Israel Schutz und Beistand Gottes ausgesprochen und gewünscht wird. In einem ersten Kapitel wird das den Erzelterngeschichten zugrunde liegende Erzählmotiv von der Bevorzugung des Jüngeren und der Nachordnung des älteren Bruders diskutiert. Denn nur die jeweils jüngeren Brüder Isaak und Jakob bekommen als Ahnväter Israels das väterliche Erbe. Dieses Erzählmotiv, das in deutlichem Gegensatz zur Hochschätzung und Bevorzugung des erstgeborenen Sohnes in der sozialen Welt Israels steht, ist am ehesten als narrative Variation israelitischer Erwählungstheologie aufzufassen und eng mit einem Selbstverständnis verbunden, das Israels Machtlosigkeit als kleines Volk in der Geschichte

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aufnimmt, wie sich dies u.a. in den Erwählungsvorstellungen von Dtn 7,6ff zeigt. Die Erwählung Israels als kleinstes unter den Völkern porträtiert die Unmöglichkeit, sich eigener Verdienste zu rühmen und Israels gänzliche Verwiesenheit auf Gottes Souveränität. Deshalb erwählt Gott in der Genesis eben den jeweils jüngeren Bruder, ohne dass dieser sich diesen Status verdienen könnte oder müsste. Dieser Sachverhalt wird auch durch das Motiv der Kinderlosigkeit der Patriarchenfrauen unterstützt, das pointiert die Unmöglichkeit der natürlichen Geburtenfolge in Szene setzt. Die Betonung einer solchen allein in Gottes Wahl begründeten Erwählung des nachrangigen jüngeren Bruders hat nun aber auch zur Folge, dass der ältere Bruder in den Erzählungen zwar untergeordnet, aber weder moralisch noch theologisch diskreditiert wird, weil er diese Nachordnung weder verschuldet noch zu verantworten hat. Deshalb werden die nichterwählten älteren Brüder nicht als negative Kontrastfiguren gestaltet. Dies wird besonders in der Ismaelgeschichte sichtbar, die zwar einen Konflikt zwischen den Frauen Abrahams kennt, aber keinen zwischen den beiden Söhnen. Die Bevorzugung des Jüngeren schließt zwar eine Benachteiligung des Älteren zwangsläufig ein, dies heißt aber nicht, dass der Ältere leer ausgeht oder aus dem göttlichen Segen fällt. Für die theologische Zuordnung der Brüder Ismael und Isaak bietet nicht das Konfliktschema der Jakob-Esau Geschichte eine sachgerechte Parallele, sondern Jakobs Segnung der beiden Söhne Josefs in Gen 48,17-20. Gegen Josefs Willen beharrt Jakob auf dem Vorrecht des Jüngeren (Efraim), ohne aber den Älteren (Manasse) aus dem Segen und der Verheißung eines großen Volkes auszuschließen. Ein solches Modell der Zusammengehörigkeit zweier Brüder in einer abgestuften Rangordnung zeigt sich auch im Hinblick auf Ismael und Isaak. Der nichterwählte ältere Bruder Ismael trägt zwar nicht das Israel-Erbe wie sein jüngerer Bruder Isaak. Er teilt mit seinem Bruder aber die göttliche Fürsorge in Verheißung, Volkwerdung, Segen und Bund, aber auch die Last und Zumutung göttlich verursachter Gefährdung in einer weitgehend parallel gestalteten und bewegten Lebensgeschichte. Und auch als Ahnvater nichtisraelitischer Völker spielt Ismael eine hervorgehobene Rolle in der göttlichen Heilsökonomie der Abrahamerzählung, weil auch er »Abrahams Same« ist. Der dramatische Spannungsbogen der Abrahamerzählung lässt sich wie folgt skizzieren: Ihr familiärer Ausgangskonflikt liegt bekanntlich in der Spannung zwischen den großartigen Ankündigungen einer zahlreichen Nachkommenschaft und Saras Unfruchtbarkeit, von der nicht ein einziges Kind zu erwarten ist (Gen 11,30-12,3). So hart widerspricht die Hoffnung der vorfindlichen Realität. Angesichts dieser Lage sind drei Lösungen denkbar: Die Adoption eines nichtleiblichen Erben, ein Kind Abrahams mit einer anderen Frau, oder ein Gotteswunder, das die unfruchtbare Sara zur Mutter macht. Die Erzählung spielt diese Mög-

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lichkeiten in dramatischer Steigerung nacheinander alle durch. Eine Adoption wird in Gen 15 abgewiesen, Ismael ist Kind der zweiten Option und Isaak das der dritten. Doch beruhigt sich auch nach Isaaks Geburt diese familiäre Dramatik nicht. Denn kaum ist Saras Sohn geboren, verlangt Gott von Abraham, seine Söhne preiszugeben. Zuerst soll er Ismael und seine Mutter vertreiben, wenig später soll er Isaak, den »einzigartigen« Wundersohn Saras von eigener Hand opfern. Indem Abraham auf Gott hört und tut, was Gott verlangt, werden beide Söhne von Gott gerettet: der eine verdurstend in der Wüste, der andere auf dem Altar gebunden, das erhobene Messer des eigenen Vaters vor Augen. Am Grab Abrahams stehen dann beide Söhne Isaak und Ismael und begraben den Vater gemeinsam. Diese individuelle und familiäre Perspektive wird von Anfang an durch eine völkergeschichtliche Dimension begleitet, in der Abraham als Vater vieler Völker erscheint und Sara, Hagar und schließlich auch Ketura als Mütter unterschiedlicher Völker gesehen werden. Ismael wird zum Ahnvater von zwölf protoarabischen Völkern der östlich und südlich angrenzenden Wüstengebiete. Diese völkergeschichtliche Dimension spannt einen Völkerkreis leiblicher Abrahamnachkommen auf, der in der Genesis nicht nur genealogisch entfaltet, sondern als »Same Abrahams« auch theologisch reflektiert und akzentuiert wird. Dieser Völkerkreis der Abrahamnachkommen bildet den Bezugspunkt, von dem her Israel über seine Abrahamkindschaft nachdenkt und diese im Ahnvater Abraham verankert. Hierbei spielt die Erzählfigur Ismael eine besondere Rolle. Denn an ihm wird gezeigt, dass und wie der Gott Israels sich auch den nichtisraelitischen Völkern aus der Nachkommenschaft Abrahams zuwendet, weil die im Völkervater Abraham begründeten Gottesmitteilungen zwar in erster Linie den Ahnen Israels gelten, in einer abgestuften Weise aber auch den nichtisraelitischen Abrahamnachkommen zugutekommen. Denn auch sie sind »Abrahams Same« und gehören zur Abstammungsgemeinschaft der Nachkommen Abrahams. Hier liegt der Grund, weshalb auch Hagar und Ismael Anteil an einem Großteil der Väterverheißungen bekommen, wie sonst nur die Väter Israels. Hier liegt auch der Grund, weshalb von ihnen mit Empathie und Wohlwollen auf eine Weise erzählt wird, die sie zu Trägern israelitischer Glaubenserfahrungen und Gotteshoffnungen macht. Doch erzählen wir die biblische Ismaelgeschichte von vorn: Nach Jahren des Lebens im verheißenen Land werden die Mehrungsverheißungen von Gott erneuert (Gen 13,14-17), aber Abraham und Sara sind noch immer kinderlos. Muss Abraham also seinen Knecht Eliezer adoptieren und als Erben einsetzen? Da verheißt Gott dem Abraham in einer Offenbarung vor dem nächtlichen Sternenhimmel einen leiblichen Sohn (Gen 15,4). Zudem sollen seine zahlreichen Nachkommen das Land Kanaan erben und die Regionen bewohnen, die von Ägypten im

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Südwesten und Mesopotamien im Nordosten eingeschlossen werden. Gott lässt in seiner Sohnverheißung die Frage der Mutter offen. So entschließt sich Sara, der gemeinsamen Kinderlosigkeit durch eine Zweitehe Abrahams mit ihrer ägyptischen Sklavin Hagar abzuhelfen, damit Abraham von ihr den Sohn bekommt, den ihm Gott verheißen, ihr aber offenbar versagt hat. Saras Sklavin Hagar wird Abrahams zweite Ehefrau. Der Erzähler missbilligt diese Initiative Saras keineswegs, die Verheißung Gottes auf diese Weise zu realisieren. Eine Zweitehe mit einer Sklavin der Hauptfrau ist in Gesellschaften, in denen sich alles um den Fortbestand der Familie dreht, notwendig, legitim und keineswegs ungewöhnlich (vgl. Gen 30). Hagar wird schwanger, aber Sara erfährt sich durch ihre Sklavin herabgesetzt. So kommt es zum Streit, und als er eskaliert, weil Abraham eine Konfliktlösung verweigert, flieht die von ihrer Herrin gequälte schwangere Sklavin Hagar in die Wüste und wird am Brunnen Beer Lahaj Roi von einem Boten Jhwhs gefunden. Hier erfährt sie eine rettende Gottesbegegnung, bekommt die stolze Verheißung ungezählter Nachkommen. Zu Beginn der Gottesrede wird sie freilich zuerst mit der harten Zumutung konfrontiert, ins Haus Abrahams und vor allem unter die harte Hand Saras zurückzukehren. Ein solches Kontrastmotiv, bei dem Gott anfänglich in scharfem Widerspruch zu seinem rettenden Handeln auftritt, wird sprachlich sehr genau herausgearbeitet. Hagar soll zurückkehren zum Grund ihrer Flucht und erfährt doch in der gleichen Gottesrede die Rettung ihrer Not. Ich habe dieses Kontrastmotiv in sozialpsychologischer Hinsicht als »optimale Frustration« angesprochen und in theologischer Hinsicht als »göttliche Zumutung« reflektiert. Es begegnet in der Abrahamerzählung in dreifacher Weise. Denn Gott wird später auch von Abraham mit großer und nicht nachvollziehbarer Härte verlangen, den eigenen von Gott geschenkten Sohn preiszugeben: Ismael durch die Vertreibung in die Wüste, Isaak durch die Schlachtung von eigener Hand. Und indem Abraham sich dem göttlichen Willen fügt, tritt am Ende Gott als eigentlicher Retter beider Söhne hervor. Dieses Kontrastmotiv klingt im Rückkehrbefehl an Hagar in Gen 16 erstmals an. Denn an die harte Rückkehrforderung schließt sich eine dreifache göttliche Verheißung und Rettungszusage an, die Hagar zur Matriachin unzählbar zahlreicher Nachkommen und zur Mutter Ismaels macht. Diese Rettungserfahrung nimmt Hagar in ihrer dankbaren Reflexion auf und verleiht Brunnen und Gottheit einen Namen. Denn sie hat einen Gott erfahren, der ihre Not erhört und sie rettend angesehen hat. Gott kündet der Schwangeren die Geburt eines Sohnes an, den sie Ismael nennen soll. Später wird Gott auch den Namen Isaaks bestimmen. Im Kontext des Geburtsankündigungsschemas ist die göttliche Namengebung für Ismael und Isaak ein seltener und besonders hervorzuhebender Zug der göttlichen Wertschätzung dieser Söhne. Der

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Name Ismael enthält das Motiv göttlichen Erhörens (Ismael – Gott erhört) und findet hier als ein nachgewiesenermaßen beliebter und häufiger judäischer Name Verwendung für den Erstgeborenen Sohn Abrahams. Das Namenmotiv wird in der Szene sogleich narrativ eingesetzt, denn Gott erweist sich an der flüchtenden Sklavin als erhörender Gott. Dieses narrative Spiel mit den von Gott bestimmten Namen verbindet die Erzählungen von Ismael und Isaak. Während im Kontext von Isaaks Verheißung und Geburt das Motiv des Lachens dreifach variiert wird (Gen 17,15-21; 18,1-15; 21,1-9), so werden in der Geschichte Ismaels drei Szenen erzählt, in denen vom erhörenden Gott die Rede ist (Gen 16,11; 17,18-20; 21,15-17), wobei erst Hagar, dann Abraham und zuletzt der in die Wüste vertriebene Knabe Ismael von Gott erhört werden. Das narrative Spiel mit dem Namenmotiv ist dabei so prägnant, dass eine explizite Namensnennung Isaaks (Gen 18,1-15) oder Ismaels (Gen 21,9-21) auch ganz unterbleiben kann, weil die erzählte Situation auf den nicht erwähnten Namen des Abrahamsohnes ausreichend hinweist. Der Wildeselspruch (Gen 16,12), der Ismaels künftiges Geschick als Bewohner der Wüste festhält, ist formal und inhaltlich eine Gottesverheißung und kein Gottesfluch, obgleich dieser Spruch in der späteren Rezeption vielfach als Weissagung eines aggressiven Feindes verstanden wurde. Die Untersuchung der Wildesel-Metaphorik in der Bibel ergab, dass der scheue wild lebende asiatische Halbesel wie die Gazelle als Bewohner der unzugänglichen Wüste gesehen wird, der einen bestimmten Lebensraum und eine bestimmte Lebensweise repräsentiert, aber weder zu den dämonischen Tieren der Steppe und ganz gewiss nicht zu den aggressiven Raubtieren zu rechnen ist. Der zweite Teil des Wildeselspruchs enthält allerdings eine Konfliktmetapher, die sich auf die Nachkommen Ismaels bezieht, die in einer Auseinandersetzung mit ihren Brüdern gesehen werden. Diese Konfliktmetapher lässt unterschiedliche Lektüreweisen zu, kann aber nicht auf einen Bruderkonflikt zwischen Isaak und Ismael in der Abrahamfamilie bezogen werden, den die biblische Erzählung nicht kennt. Die Episode von der göttlichen Rettung Hagars in der Wüste enthält offensichtliche Verbindungslinien zur Exodus-Mose-Erzählung. Im Vergleich mit dieser bietet sie eine »Exodusgeschichte unter umgekehrten Machtverhältnissen«: Die Ägypterin Hagar findet ihr »Ägypten« im Haus Abrahams und Saras, flieht aus gewalttätiger Unterdrückung und wird – wie später Israel in der Wüste – von Gott gefunden und gerettet. Hagar nimmt also kollektive Erfahrungen Israels in einer interessanten Variation auf. Die Erzählgemeinschaft Israels führt sich damit durchaus selbstkritisch vor Augen, dass die Unterdrückung von Sklaven kein Vorrecht der Ägypter ist und dass der Gott Israels auch denen rettend bei-

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steht, die im Haus der eigenen Vorfahren unter die Räder zu kommen drohen. Ins Haus Abrahams zurückgekehrt, bringt Hagar den Abraham von Gott verheißenen leiblichen Sohn »für Abraham« zur Welt. Abraham verleiht ihm den von Gott bestimmten Namen und legitimiert Ismael so ausdrücklich als Erbsohn. Die Erzählung geht selbstverständlich davon aus, dass Ismael legitimer Erbsohn Abrahams ist und kein Bastard. Erst die Interpretationen aus römischer Zeit (Josephus, Philo) machen Ismael zu einem Bastard und die Sklavin Hagar zu einer bloßen Konkubine Abrahams. Mit Ismaels Geburt endet die Episode von Gen 16. Eine erste Erfüllung der Sohnverheißung ist erreicht. Eine endgültige ist dies indes noch nicht, denn das Zukunftswort über Ismael macht ihn nicht zum künftigen Ahnen Israels. Und auch Sara ist noch immer unfruchtbar und jeder Lesende weiß, dass keine Frau, deren Unfruchtbarkeit in der Bibel erwähnt wird, am Ende unfruchtbar bleibt. Zunächst wird Saras Leid aber noch gesteigert, weil in den Folgeepisoden zu ihrer Unfruchtbarkeit auch noch die Welkheit des Greisenalters hinzutritt. Im theologisch gewichtigen Bundesschlusskapitel Gen 17 werden die Völkerdimensionen Abrahams stark betont. Als Ahnvater Israels erscheint Abraham zugleich als Vater eines Gewimmels von Völkern und Begründer einer weit ausgreifenden Abstammungsgemeinschaft. Diese Völkerdimension wird auch in den göttlichen Umbenennungen Abrams und Sarais akzentuiert. Es besteht überhaupt kein Grund, die Inhalte dieser Bundesoffenbarung allein auf das spätere Volk Israel zu beziehen, wie dies immer wieder geschieht. Die Segensinhalte für Abraham und seine Nachkommen bestehen vor allem in Fruchtbarkeit und einer überreichen Mehrung gemäß dem Schöpfungssegen aus Gen 1, überdies in der Landgabe und einem besonderen Gottesverhältnis (V.7f). In dieser Bundesoffenbarung steht Ismael neben Abraham unter dem Segen und der Verheißung des Abrahambundes, weil dieser dem »Samen Abrahams« gilt und als verpflichtendes Bundeszeichen die Beschneidung verlangt. Deshalb wird Ismael innerhalb dieses Bundesgeschehens in V.20 mit einer nur ihm geltenden besonderen Verheißung bedacht und mit dem Bundeszeichen der Beschneidung versehen. Innerhalb der Bundesoffenbarung, die den Höhepunkt der Abrahamerzählung bildet, erbarmt sich Gott auch Saras Kinderlosigkeit und verheißt Abraham einen Sohn »übers Jahr« von seiner inzwischen 89-jährigen Ehefrau, den er Isaak nennen soll. Auch hier bestimmt Gott den Namen des Sohnes. Sodann wird mit diesem noch nicht geborenen Isaak der unverbrüchliche Abrahambund mit einer doppelten Formulierung bekräftigt. Die Verse in Gen 17,19-21 bieten eine Zuordnung der beiden Söhne Abrahams, die in der christlichen Auslegungstradition und in der modernen Fachexegese als Ausschluss Ismaels aus dem Abrahambund interpretiert wird. Demgegenüber habe ich ein Textverständ-

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nis vorgelegt, das nicht Ismael aus dem Bund ausschließt, sondern den noch nicht geborenen, sondern erst verheißenen Isaak in den Bund einschließt. Denn die Genesis kennt keinen eigenständigen Isaak-Bund, der die genealogische Reichweite des Abrahambundes begrenzen würde. Die Verse Gen 17,17-21 zeigen die Zuordnung der verschiedenen Abrahamsöhne in einer gemeinsamen theologischen Konzeption des Bundes, der Verheißung und des Segens, ohne die besondere Bedeutung der Isaaklinie einzuebnen. Denn zweimal wird der Abrahambund explizit mit Isaak bekräftigt, während die Zugehörigkeit Ismaels zum Abrahambund nur implizit durch Verheißung und Beschneidung markiert wird. Gleichwohl wird in Gen 17,20 das Füllhorn göttlichen Segens des Abrahambundes auch über Ismael ausgegossen. Denn Gott hatte auch Abrahams Bitte, »dass doch Ismael leben möchte vor deinem Angesicht« (Gen 17,18) ausdrücklich erhört. Bei diesem Segen für Ismael bleibt die völkergeschichtliche Dimension deutlich im Blick, denn die Verheißung überreichen Segens schlägt einen Bogen zur Aufzählung der zwölf ismaelitischen Völker in Gen 25. Da Ismael neben Abraham als Bundespartner aufzufassen ist, wird in V.23ff gleich dreimal erzählt, dass Ismael als Sohn und »Same« Abrahams umgehend das Bundeszeichen der Beschneidung empfängt. Auch die theologische Spannweite des Abrahambundes betrifft in Gen 17 nicht allein das Volk Israel als »Same Abrahams«, sondern die Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams, deren nichtisraelitischen Teil Ismael hier repräsentiert. Anerkanntermaßen gehört Gen 17 zur priesterschriftlichen Erzählebene und bietet einen theologischen Reflexionstext von ungewöhnlicher Dichte. Und deshalb ist die Rolle, die Ismael darin spielt, theologisch besonders bemerkenswert. Die priesterliche Erzählebene reflektiert die Erwählung Israels, die am Sinai in der Einwohnung Gottes bei seinem Volk verwirklicht wird, im Horizont zweier großer Völkerkreise, die im Blick auf Adressaten, Gottesmitteilungen und Offenbarungsweisen Gottes unterschieden werden. Während der unverbrüchliche Noahbund in Gen 9 allen Menschen und allem Leben gilt, wird der unverbrüchliche Abrahambund auf Abraham und seine Nachkommen, d.h. auf die Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams bezogen, unter denen die Israellinie zwar herausgehoben, aber nicht als alleiniger Adressat der göttlichen Fürsorge verstanden wird. Erst von hier aus erschließt sich, warum auch Ismael in der Genesis als vielfacher Empfänger von Gottesverheißungen aufgefasst wird, obwohl er kein Ahnvater Israels, sondern Vater arabischer Völker ist. Der entscheidende Grund liegt darin, dass er nicht nur genealogisch sondern in einem theologisch qualifizierten Sinn als »Same Abrahams« verstanden wird. Selbstverständlich wird die Israellinie besonders betont. Denn nur von Israel wird später die Einwohnung Gottes bei seinem Volk erzählt. Und auch in der Priesterschrift wird Saras Wundersohn deutlich herausge-

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hoben und dennoch hat der Abrahambund auch Raum für die nichtisraelitischen Nachkommen des Völkervaters. Für Ismael führt der Segen zu einem nichtisraelitischen Zwölfstämmevolk (Gen 17,20; 25,1218). Für diese abrahamitische Völkerökumene ist nun zentral, dass sie nicht nur genealogisch etabliert, sondern theologisch reflektiert und ausgestaltet wird. Der Gott Israels, der seinen Bund mit Abraham schließt, tritt in ein theologisch qualifiziertes Verhältnis der gnädigen Zuwendung auch zu den nichtisraelitischen Abrahamnachkommen. Die Bezugsgröße, von der her Israel über seine Identität und Abrahamkindschaft nachdenkt, ist der Kreis der Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams. Diesem Völkerkreis gelten die Zusagen des Bundes. Und deshalb wird Ismael hier nicht ausgeschlossen, sondern in einer abgestuften Weise eingeschlossen, weil hier Israel seine Identität nicht gegen, sondern innerhalb einer weit gefassten Abrahamkindschaft reflektiert. Genealogisch und leiblich wird diese als »Same Abrahams« verstanden und in den genealogischen Listen der Völker der Söhne Abrahams mit Ketura sowie der Ismaelsöhne (Gen 25) und später auch in den Edomiterlisten (Gen 35f) anschaulich. Diese Völker bewohnen die östlichen Gebiete zwischen Mesopotamien und Ägypten (Gen 15,18; 25,18) und gefährden Israels Existenz in dem von Gott zugesagten Land Kanaan keineswegs, sondern vergrößern den Wirkungskreis des Gottes Abrahams. Innerhalb dieser Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams wird allerdings noch einmal unterschieden, und zwar hinsichtlich der idealen Eheschließungen. Während die israelitischen Ahnväter ihre Frauen (Rebekka, Rahel, Lea) aus der mesopotamischen Verwandtschaft gewinnen, gilt für die nichtisraelitischen Abrahamnachkommen nur das Verbot der Eheschließung mit kanaanäischen Frauen, weshalb die Eheschließung Ismaels mit einer Ägypterin für die Erzähler gar kein Problem darstellt, die Eheschließung Esaus mit Hethiterinnen dagegen kritisiert und korrigiert wird. Das folgende Schema versucht dieses Modell dreier Völkerkreise im Zusammenhang der priesterlichen Offenbarungstheologie anschaulich zu machen:

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1) Kreis der ganzen Welt und allen Lebens (Gen 9) berît ʽolam gilt allem Regenbogen als ZeiLeben chen 2) Kreis der Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams (Gen 17; 25; 36) El Schaddaj/ Elohim berît ʽolam gilt dem Samen Beschneidung am Abrahams 8. Tag als Zeichen Ismael als Teilhaber im Abrahambund vertritt exemplarisch die nichtisraelitischen Nachkommen Abrahams und empfängt den völkerstiftenden Mehrungssegen dieses Bundes (Gen 17,20; Gen 25,12ff) Unterschiedliche Endogamiebestimmungen im Hinblick auf nichtisraelitische und israelitische Abrahamnachkommen (Gen 26,34-35; 27,46; 28,9) 3) Israel als Volk Gottes Jhwh Erst Mose gibt sich der Gott Israels als Jhwh zu erkennen, um mit seinem heiligen Namen inmitten seines Volkes zu wohnen (Ex 29,43-45; 40,17.34), während die Mehrungszusagen des Abrahambundes sich in der vorhergehenden Epoche (einschließlich Ex 1,7) verwirklicht haben, realisiert sich das besondere Gottesverhältnis und die Nutzung des Landes erst nach der Väterepoche in und nach der Mosezeit.

Elohim

Hinter der Idee einer großen Abstammungsgemeinschaft Abrahams stehen zweifellos familiäre Denkmuster. Das Bewusstsein, zu einer Familie oder Sippe zu gehören, entfaltet eine hohe Prägekraft und Bindungsintensität nach innen und eine klare Erkennbarkeit nach außen. Das genealogische Denken sowie die Rede vom »Samen Abrahams« entspringen solchen familiären Denkformen. Anders als in manchen Texten des Neuen Testamens wird Abrahamkindschaft hier ganz leiblich als Abstammungsverhältnis gedacht. Als solche schafft sie einen Binnenraum der Zugehörigkeit zu einer großen Familie. Dabei bleibt in diesem Binnenraum genügend Raum für Unterschiede und Differenzierungen vieler Art. Aber das einigende Band liegt in der genealogischen Zugehörigkeit, der leiblischen Abrahamkindschaft. Die Akzeptanz eines theologisch reflektieren Völkerkreises der Abrahamnachkommen in den priesterlichen Texten ist indes nicht davon abhängig, ob Ismael nach Gen 17 in den Abrahambund eingeschlossen wird oder nicht. Auch wer die Mehrungszusagen in V.20 nicht als Verheißungen des Bundes versteht und die Beschneidung Ismaels nicht als Bundeszeichen aufzufassen bereit ist, wird nicht bestreiten können, dass der Gott des Abrahambundes in Segen und Mehrung ein theologisch qualifiziertes Verhältnis zu Ismael und den Völkern aus seiner Nach-

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kommenschaft erzeugt. Diese Sicht belegt etwa auch die älteste Nacherzählung der Genesis im frühjüdischen Jubiläenbuch. Ausgehend von Gen 18,19, wo Gott Abraham auffordert, seinen Söhnen die Wege Gottes zu lehren und Recht und Gerechtigkeit zu üben, entwickelt das Jubiläenbuch (Jub 20) die Vorstellung einer missio abrahamica aller Abrahamnachkommen für die Welt. An seinem Lebensende fordert Abraham alle seine Nachkommen gemeinsam auf, gemäß des Bundes zu leben, an der Beschneidung festzuhalten, das monotheistische Gottesbekenntnis zu bewahren, und durch das Tun von Recht und Gerechtigkeit den Gott Israels in der Welt bekannt zu machen. Beauftragt werden neben den Ahnvätern Israels auch Ismael und seine Nachkommen sowie die Söhne der Ketura. So entsteht ein israelitisch-arabisches Völkertableau unter dem Segen und unter dem Auftrag des Bundesgottes Abrahams. Es scheint mir, dass im Blick auf die kanonische Letztgestalt der Hagar-Ismael-Erzählung der priesterlichen Bearbeitung die entscheidenden Weichenstellungen zu verdanken sind. Denn auch Gen 21,9-21 und der Abschluss der Ismaelgeschichte in Gen 25 fügen sich dieser Perspektive bruchlos ein. In Gen 21 wird zunächst die Wundergeburt Isaaks erzählt. Damit erfährt der familiäre Ausgangskonflikt seine Lösung, denn die unfruchtbare Sara hat nun doch geboren. Auch mit ihr hat Gott seine Verheißung wahr gemacht. Abraham hat aber nun zwei Söhne. Beide sind ihm im Horizont der Sohnverheißung geboren. Aber nur einer wird der Israel-Erbe sein, nur in dem einen wird das Volk Israel seine Abrahamkindschaft begründen (V.12). So wird nun in einem denkbar harten dramaturgischen Schnitt anlässlich von Isaaks Entwöhnungsfest von der Vertreibung Hagars und Ismaels erzählt. Abraham muss seinen ersten Sohn Ismael preisgeben. Wenig später wird Gott von Abraham auch den Isaak verlangen. Beide Episoden (Gen 21,9-21; 22,1-19), die Vertreibung Hagars und Ismaels und die ›Bindung Isaaks‹, sind abgründige und paradoxe Erzählungen, die in den wichtigen Szenen bis in den Wortlaut hinein parallel formuliert sind. Sie arbeiten jeweils mit dem schon erwähnten Kontrastmotiv, bei dem Gott anfänglich als Widersacher seiner selbst begegnet und von Abraham zweimal Ungeheuerliches fordert, und sich später, als Abraham dieser dunklen Forderung nachkommt, als Retter seiner Söhne zeigt. Diese Episoden wollen jeweils am denkbar schlimmsten Fall zeigen, wie Gott auf brutale Weise zurückzufordern scheint, was er zuvor verheißen und geschenkt hat. Damit zeigen sie, dass selbst Lebenssituationen, in denen Gott dunkel und ganz unbegreiflich scheint, (wenigstens) am Ende heilvoll für die Beteiligten ausgehen. Hinter solchem Erzählen steht die Theodizeefrage. Wie kann die Hoffnung auf Gottes Lebensfürsorge festgehalten werden, wenn die widrigen Erfahrungen des Lebens all dem zu wider-

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sprechen scheinen, wenn in ihnen Gott als sein eigener Widersacher erscheint? Angesichts solcher Fragen halten die Episoden von der Preisgabe der Söhne Abrahams die Hoffnung fest, dass sich am »Ende des Tunnels« der rettende Gott zeigen wird. Nimmt man die Parallelität dieser beiden Episoden und das ihnen zugrunde liegende Kontrastmotiv wahr, dann erübrigt sich ein breit etabliertes Verständnis der Vertreibungsszene, das davon ausgeht, dass Ismael nach der Geburt Isaaks in der göttlichen Heilsökonomie keine Rolle mehr spielt, nicht mehr gebraucht wird und deshalb zusammen mit seiner Mutter aus dem verheißenen Lande vertrieben und in der Wüste gewissermaßen »entsorgt« werden muss. Es scheint hier doch um etwas ganz anderes zu gehen, nämlich in doppelter Weise um das Drama der Preisgabe des verheißenen Sohnes. In diesem Drama ist die Vertreibung Hagars und Ismaels, die Gott von Abraham verlangt, als ein Vorspiel der Bindung Isaaks gestaltet. Diese Erfahrung, auf Gottes Forderung vom eigenen Vater preisgegeben zu werden, trennt Ismael nicht von Isaak, sondern verbindet die beiden Brüder. Ihren Ausgangspunkt nimmt die Szene in Gen 21,9-21 bei einem Blick Saras. Aus ihm kommt ihre Vertreibungsforderung wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Dabei ist es Ismaels kindliches Lachen, Scherzen oder Spielen (hebr. mezachek), das Sara beim Entwöhnungsfest sieht und das sie an ihren Sohn erinnert, trägt doch Isaak (hebr. jizchak) dieses Lachen in seinem Namen. Hier liegt die Ursache von Saras mütterlicher Eifersucht, mit der sie verhindern will, dass die beiden erbberechtigten Söhne das Familienerbe einst gemeinsam antreten. In der Rezeptionsgeschichte durch die Jahrhunderte, die sich bis in zeitgenössische Bibelübersetzungen durchhält, hat man in dieser mezachek-Handlung ein feindselig gegen den kleinen Isaak gerichtetes Verhalten des älteren Bruders gesehen. So bietet V.9 neben dem Wildeselspruch die zweite Projektionsfläche, um das Frevler-Image Ismaels in der Genesis zu verankern. Bereits Paulus spricht in Gal 4,29 von Ismael als Verfolger seines Bruders. Die Notwendigkeit, hier eine negative Handlung zu sehen, wird noch dadurch genährt, dass jeder moralisch und ethisch einsehbare Grund für das harte Los der Vertreibung wegfallen würde, wenn Ismael in V.9 nur spielen würde. Also hat die Rezeption das Opfer der Vertreibung zu einem gefährlichen Täter gemacht, vor dem man sich durch diese harte Maßnahme schützen muss, denn schließlich befürwortet auch Gott die Vertreibung. Dabei musste die negative Handlung Ismaels entsprechend gefährlich gedacht werden, um die Verhältnismäßigkeit der Vertreibung als Strafe und Gottes Gerechtigkeit abzusichern. Damit befasst sich ein ausführlicher rezeptionsgeschichtlicher Exkurs. Aber in Gen 21,9 ist nur vom kindlichen Spiel Ismaels die Rede. Während Abraham gegen Saras Ansinnen entschieden protestiert, denn die Vertreibungsforderung steht in hartem Widerspruch zu Recht

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und Sitte, stellt sich Gott selbst in unbegreiflicher Weise hinter Saras Begehren und treibt Abraham in das furchtbare Dilemma, sich nun zwischen seinem Gott oder seinem Sohn Ismael entscheiden zu müssen. Allerdings verbindet Gott die furchtbare Zumutung mit einer erneuten Volkverheißung für Ismael, weil auch dieser Sohn »Same Abrahams« ist. Die Vertreibung führt nicht aus der göttlichen Fürsorge heraus. Das macht Gott hier klar. Die Gottesrede in V.12-13 bietet wie in Gen 17,19-21 wiederum eine Zuordnung der beiden Abrahamsöhne: Isaak wird nun erstmals als Israel-Erbe Abrahams aufgerufen. Nach Isaak wird man sich (in Israel) als Nachkomme Abrahams nennen. Aber auch die Verheißung eines großen Volkes für Ismael wird wiederholt, weil auch er »Same Abrahams« ist. Das gemeinsame Fundament beider Brüder liegt trotz ihrer unterschiedlichen Funktion für die Gründungsgeschichte Israels darin, in einem genealogisch und theologisch qualifizierten Sinn »Same Abrahams« zu sein. Dann werden Hagar und Ismael in die Wüste vertrieben, wo sie umherirren und alsbald erschöpft in Todesgefahr geraten. In der Wüste wiederholt sich Gottes rettendes Eingreifen. Zum dritten Mal zeigt sich Gott als erhörender Gott, der die Stimme des Knaben erhört, und damit das Motiv im Namen Ismaels zum Zug bringt. Die Errettungsszene ist sprachlich an Schilderungen judäischer Heilshoffnung orientiert. So paradox es erscheinen mag: In der göttlich geforderten Preisgabe des Sohnes und in der göttlichen Errettung aus Todesgefahr liegt nach dem Willen der Erzählung eine besondere Würde. Denn in diesen abgründigen Episoden gestaltet die Erzählgemeinschaft Israels ureigene Gotteserfahrungen und -hoffnungen. Dass Gott sich den Menschen wenigstens am Ende heilsam zuwendet, auch wenn dieser Gott am Anfang ganz dunkel, brutal und böse erscheint und scheinbar einen Pakt mit dem Lebenswidrigen eingegangen ist. Diese Gotteserfahrung und -hoffnung in Israel wird im Bild einer mittellos von Abraham auf Gottes Geheiß in die Wüste vertriebenen Mutter mit ihrem Sohn exemplarisch und in ungemein einprägsamer Weise sichtbar gemacht. Gegenüber der »Bindung Isaaks« in Gen 22 wird in Gen 21,9-21 nicht der Gottesname »Jhwh«, sondern die allgemeinere Gottesbezeichnung »Elohim« verwendet. Dies kann damit zusammen hängen, dass Hagar und Ismael als Ahnen nichtisraelitischer Völker aufgefasst werden und dass der Gott Israels sich daher (wie auch bei Abimelech in Gen 20) nur unter einem allgemeineren Gottesbegriff zeigt. Dies kann aber auch mit der priesterlichen Auffassung zusammenhängen, nach der sich Gott erst am Sinai seinem Volk als Jhwh bekannt gemacht und sich vorher Abraham und dem Kreis der Abrahamvölker als Elohim offenbart hat. Mit den abschließenden Notizen in V. 20f betont der Erzähler ausdrücklich, dass Gott mit seiner Fürsorge auch bei Ismael in der Wüste bleibt. Auch der Aufenthaltsort Ismaels in der Wüste Paran

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schafft wie schon die Ortsangabe Schur in Gen 16 eine Verbindung zu einem prominenten Aufenthaltsort Israels während seiner Wüstenwanderung. Die Interpretation der Vertreibung als eine Art Prüfung Abrahams (in Analogie zu Gen 22) findet sich bereits im Jubiläenbuch und macht überdies deutlich, dass es nicht darum geht, den preisgegebenen Sohn irgendwie zu diskreditieren. Niemand würde bei Isaak auf eine solche Idee kommen. Es geht auch nicht um die Entfernung aus dem Land der Verheißung. In der Landfrage herrscht m.E. generell eine falsche Perspektive. Sowohl Ismael und seine Nachkommen wie auch die Söhne der Ketura (Gen 25,1-5) verkörpern in der Genesis Völkerschaften der transjordanischen und arabischen Wüste, die nie in Kanaan gelebt oder Ansprüche an dieses Land gestellt haben. Indem die Ahnen dieser Völker in die Familiengeschichte Abrahams einbezogen werden, müssen sie zwangsläufig in Kanaan zur Welt kommen, dann aber auch mit den Siedlungsorten ihrer Nachkommen verbunden werden. Die Keturasöhne werden von Abraham mit Geschenken an ihre Lebensorte ausgesendet. Und bei Ismael wird dieses paradoxe Vertreibungsdrama erzählt, das auf eine brachiale Weise Ismael und seine Mutter an die Lebensorte seiner Nachkommen bringt. Bekanntlich bekommt Ismael niemals explizit eine Landverheißung, was ihn von den Ahnvätern der Israel-Linie unterscheidet. Dies hängt wohl damit zusammen, dass seine Nachkommen diese Landverheißung für das Land Kanaan auch nicht brauchen, weil sie in der Sichtweise der Erzählung Völkerschaften verkörpern, die nie in Kanaan lebten, sondern die östlichen Wüsten vom Eufrat bis zum Nil (Gen 15,18; 25,18) bewohnen. Allerdings sind manche Landverheißungen in ihren Grenzen durchaus offen formuliert, so dass die östlichen Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams etwa in Gen 15,18 durchaus eingeschlossen sein können (ähnlich vielleicht in Gen 17,7f), weshalb von den »patriarchal boundaries« gesprochen werden kann, die weit über das nachmalige Siedlungsgebiet Israels hinaus reichen. Am Ende der Abrahamerzählung zeigt Gen 25 ein eindrückliches Tableau der vielen Völker aus der Nachkommenschaft Abrahams. Zunächst werden die Söhne Abrahams mit Ketura in die transjordanischen Lebensräume ihrer Nachkommen ausgesendet, und Isaak als Stammvater der Israellinie gesegnet. An ihn gibt Abraham Erbe und Familienverantwortung für Israel weiter. Abraham stirbt und wird von Ismael und Isaak gemeinsam begraben. Danach wird die Ismaelgeschichte durch die Notiz vom Tod des Patriarchen und einen Überblick über die zwölf ismaelitischen Völker abgeschlossen. Ihre Lebensräume sind (ähnlich denen der Keturasöhne) die Wüstengebiete zwischen Ägypten und Mesopotamien. Gen 25,18 markiert nicht ohne Stolz die geographischen Grenzen des Siedlungsgebietes der Völker aus der

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Nachkommenschaft Abrahams in deutlicher Anlehnung an die Landverheißung in Gen 15,18. Paulus hat bekanntlich in Gal 4,21-31 die Frauen Abrahams und ihre Söhne in einem Kontrastmodell einander gegenüber gestellt und Ismael als Feind und Verfolger Isaaks aufgefasst. In der Genesis ist dies anders. Hier wird Ismael unvoreingenommen und positiv dargestellt. Er ist nicht Gegner oder Feind seines Bruders, sondern in einem Stufenmodell Isaaks Vorläufer und Träger gemeinsamer Erfahrungen. Auf die auffällige Parallelität der erzählten Leben von Ismael und Isaak soll nun nochmals eingegangen werden: So wird auch Ismaels Geburt im Horizont der Verheißung eines leiblichen Sohnes an Abraham erzählt, auch er bekommt seinen Namen von Gott selbst gestiftet. Wie das Motiv des Lachens im Isaaknamen hat auch das Motiv des göttlichen Erhörens im Namen Ismael szenenbildende Kraft, denn dreimal wird davon erzählt, wie Gott erhört. Die Ismael (und Hagar) geltenden Verheißungen sind sprachlich nicht von den Verheißungen unterschieden, die auch die israelitischen Ahnen bekommen. Die Geburtsnotizen Ismaels und Isaaks sind so ähnlich wie möglich formuliert. Sie setzen auf Vergleichbarkeit und zeigen, dass auch Ismael als Erbsohn Abrahams legitimiert wird. Der Brunnen Beer-Lahaj-Roi, an dem Hagar ihre rettende Gottesbegegnung und die Ismaelverheißung erfährt, wird später zum Lebensort Isaaks (Gen 24,62). Im Abrahambund werden Ismael und der noch nicht geborene Isaak in die Segnungen des »ewigen Bundes« eingeschlossen, wenn auch in unterschiedlicher Weise. Beiden gilt das Bundeszeichen der Beschneidung. Für beide Söhne Abrahams und ihre Nachkommen gilt Gottes Forderung an Abraham in Gen 18,19, »seinen Söhnen und seinem Haus nach ihm« zu gebieten, den »Weg Jhwhs« einzuhalten und »Recht und Gerechtigkeit« zu üben, damit »alle Völker der Erde Segen erlangen«. Aber wie Isaak muss auch Ismael die traumatische Erfahrung machen, auf Gottes Geheiß vom eigenen Vater preisgegeben und dem Tod ausgeliefert zu sein, um erst dann von Gott gerettet zu werden. In alldem fällt er nicht aus Gottes Zuwendung und bleibender Fürsorge und wird zum Ahnvater eines Zwölfstämmevolkes protoarabischer Völker. Obwohl Abraham dem Isaak alles gab, was er hatte, das Familienerbe allein an Isaak weitergab, begraben die beiden Söhne den verstorbenen Vater gemeinsam in der Grabhöhle Machpela. Nicht einmal diese klare Bevorzugung des Jüngeren beim Erbe führt in der Erzählung zum Streit zwischen den Brüdern. So zeigt sich in der Erzählung insgesamt der Wille, parallele Lebensgeschichten zu gestalten, wobei im Blick auf Isaak das Drama der Verheißung und der wunderbaren Geburt wie auch die Bedrohung durch den Vater gegenüber den Ismaelepisoden noch einmal gesteigert wird. Obwohl Ismael kein Ahnvater Israels ist, wird er geschildert und theologisch reflektiert, als sei er einer, weil er zur Familie gehört. Denn die

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beiden Episoden von Hagars Flucht in die Wüste und der Vertreibung Ismaels und seiner Mutter werden auch dazu genutzt, um die für das Selbstverständnis Israels zentralen Flucht- und Deportationserfahrungen an einem Einzelschicksal prägnant und empathisch in Szene zu setzen und um sich zu vergewissern, dass Gott den Bedrängten beisteht weil er sich ihnen als erhörender Gott (als yišmāʿ-ʾēl) zuwendet. In Kap. V werden zwei weitere relevante Texte ins Auge gefasst. Dabei wird herausgearbeitet, dass Gott in Gen 22,2 in seinem Opferbefehl Isaaks nicht davon ausgeht, dass Abraham nur noch einen einzigen Sohn hat, sondern dass hier die Einzigartigkeit der Beziehung zu Isaak hervorgehoben wird. Auch die Gottesforderung an Abraham in Gen 18,19, seine Söhne und sein ganzes Haus nach ihm zu lehren, damit Recht und Gerechtigkeit geübt werde, und so der Segen zu den Völkern bis an die Enden der Erde kommt, schließt Ismael und seine Nachkommen mit ein, wie es besonders eindrucksvoll in der Nacherzählung des Jubiläenbuches ausgearbeitet wird. In Kap. VII. werden historische Zugänge zur Hagar-Ismael-Erzählung sowie zur Abrahamrezeption seit der exilischen Zeit diskutiert. Möglicherweise gründet die Vorstellung von Abraham als Vater Israels und anderer Völker im Ahnenkult von Mamre, in dessen Umkreis seit der Exilszeit judäische, edomitische und arabische Bevölkerungsgruppen nachweisbar sind, die durch den Weihrauchhandel seit der neuassyrischen Zeit ins Tal von Beerscheba gekommen waren. Vermutlich steht hinter der Vorstellung von Abrahams erstgeborenem Sohn Ismael als Stammvater der Araber die in assyrischen Quellen šumu’il genannte arabische Konföderation unterschiedlicher arabischer Völker. Diese Bezeichnung klingt lautlich an den beliebten judäischen Namen Ismael an, der daher biblisch zum Ahnvater arabischer Völker werden konnte. Das Selbstverständnis dieser arabischen Völker spielt für diese israelitische Konzeption der Figur Ismaels keine Rolle. In der nachexilischen Epoche wird in Jerusalem die Vorstellung entwickelt, dass Abraham als Ahnvater Israels zugleich auch als Vater zahlreicher Völker aufzufassen ist. Dieser Schritt ist bemerkenswert, weil die Abrahamfigur damit ihre genealogische Eindeutigkeit verliert, die etwa Jakob als Vater der zwölf Stämme Israels besitzt. Dennoch wird in nachexilischer Zeit dieser völkerorientierte Abraham als Ahnvater Israels in den Vordergrund gerückt. Diese hier erarbeitete positive Sicht Ismaels als Vater arabischer Völker in der Genesis verwandelt sich im Laufe der Rezeptionsgeschichte in das bekannte Frevler-Image, wofür Paulus in Gal 4,21-31das früheste sicher datierbare Beispiel bietet. Dabei ist der Apostel vermutlich bereits von protorabbinischen Traditionen abhängig, denn in frührabbinischer Zeit ist das Frevler-Image Ismaels bereits voll ausgeprägt (tṢota 6,6). Am Ende dieser Studie wird deshalb in Kap. VIII die Rezeption der Ismael-

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erzählung in frühjüdischen Quellen verfolgt, die dieses Negativimage Ismaels noch nicht kennen. Hier ist in erster Linie das Jubiläenbuch aus dem 2. Jh. v. Chr. einschlägig, welches Ismael positiv und nahezu gleichrangig in die Abrahamfamilie integriert. Weitere Interpretationen haben Josephus und Philo entwickelt. Diese frühjüdischen Zeugnisse bieten einen empirischen Beweis dafür, dass die hier vorgetragene inklusive Interpretation der Hagar-Ismael-Erzählung auch historisch eher wahrscheinlich ist als das traditionelle Konfliktmodell. Der letzte Abschnitt befasst sich mit judeo-arabischen Traditionen von Hagar und Ismael, denn es ist naheliegend, dass die seit Nabonids Zeiten in Arabien ansässigen Jüdinnen und Juden den biblischen Traditionen besondere Beachtung schenkten, die sie mit Arabien verbanden. Solche judeoarabischen Traditionen mag schon Paulus gekannt haben, der nach seinem Damaskuserlebnis für mehrere Jahre in Arabien missionierte und in Gal 4,25 Hagar/Hegra mit dem Berg Sinai verband. Möglicherweise spielte die biblische Heilstheologie für Ismael und seine Nachkommen in eschatologischer Zuspitzung für Paulus eine Rolle, als er sich für seine Mission in Arabien entschied. Das Thema Abrahamkindschaft, die Rolle der Beschneidung und die Frage, wer Abrahams Same ist, prägen jedenfalls seine späteren Briefe. Aber auch die islamische Überlieferung schöpft Jahrhunderte später aus diesem Fundus judeo-arabischer Traditionen.

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Register

Die Register bieten eine enge Auswahl. Aufgenommen wurden nur Bibelstellen, die nicht nur in Belegreihen erwähnt werden und sich nicht über das ausführliche Inhaltsverzeichnis erschließen lassen. Bei den Namen werden nur Namen aus den Quellen sowie Personen der Rezeptionsgeschichte gelistet.

1. Stellenregister a) Altes Testament

Genesis Gen 12,2 Gen 12,1-3 Gen 13,14-19 Gen 15,18 Gen 16,7 Gen 16,11 Gen 16,12

163, 168-170 171, 372, 378 451 31, 403 403, 484 450 348, 403, 469, 477, 480 Gen 17,16-21 308, 479 Gen 17,20 309 Gen 18,17-19 238, 279, 378, 454 Gen 21,12f 30, 31, 253, 310 Gen 22,14 124, 135 Gen 22,15-18 171 Gen 22,19 346 Gen 23 414 Gen 23,5 239 Gen 25 163 Gen 25,6 479 Gen 25,11 346 Gen 25,18 470

Gen 26,8 Gen 26,34 Gen 27,46 Gen 30,1-6 Gen 36 Gen 36,1.9 Gen 37,24ff Gen 39,1 Gen 46,3 Gen 48,16 Gen 48,17-19 Gen 48,20 Gen 49,17

276 235 235 48 163 395 407 276, 407 310 306 24, 167 170 83f

Exodus Ex 10,11 Ex 12,39 Ex 19,3

354 354 374

Deuteronomium Dtn 2,13-15 Dtn 7,6f Dtn 21,15-17

125 22 19, 279, 291

546

Anhang

Richter Ri 5 Ri 7,12 Ri 8,24 Ri 11,1-3 Ri 13,3-5

84 407 109, 407 292 77

Rut Rut 4,14

306

1Samuel 1Sam 22,2

292

2Samuel 2Sam 2,14 2Sam 7 2Sam 17,25

276 175 408

1Könige 1Kön 19 1Kön 19,3ff

130 328

1Chronik 1Chr 1 1Chr 1,32 1Chr 1,1-2,2 1Chr 2,17 1Chr 27,30

377, 433437, 461 386 433 408 408

2Chronik 2Chr 20,7

Hiob Hiob 11,12 Hiob 24,2-12 Hiob 39,1-9

172f, 374 169

77 99-100 369, 422 172, 352, 423 196 421 487 175

Jeremia Jer 2,24 Jer 6,26 Jer 12,14-17 Jer 32,14 Jer 49,23-33

100 366 487 99f 398

Ezechiel Ez 33,24-29

425

Hosea Hos 8,9

93

Amos 366

Sacharja 366

Maleachi Mal 1,2f

97-99 94 95-96

Psalmen Ps 47,10 Ps 72,17

Jes 7,14-17 Jes 32,14 Jes 41,8 Jes 51,1-2 Jes 54,1 Jes 56,3-8 Jes 60,6 Jes 61,8

Sach 12,10 160, 429-432

175 109, 410 175 95-97 435

Jesaja

Am 8,10 369

Nehemia Neh 9,6-10,1

Ps 79,6 Ps 83,7 Ps 89 Ps 104 Ps 105,6

315

b) Deuterokanonische Schriften

Jesus Sirach Sir 44,19-23

437-440, 457

547

Register

c) Neues Testament

Lukas Lk 1,13 Lk 1,31f

77 77

Jub 20,3 Jub 20,13 Jub 22,1-7 Jub 23,5-7

Apostelgeschichte

Henoch

Apg 2,9-11 Apg 2,11

Hen 89,11.16

451 487

2Korinther 2Kor 11,32

Römer Röm 9,6 Röm 9,6b-8

247, 423 247, 303f, 310

Galater Gal 1,17 Gal 3,16 Gal 4,21-31 Gal 4,25 Gal 4,29

486f 34, 184 3, 247, 252, 350, 445, 467, 481f 484-486 277

Hebräer Hebr 11,17f

Jubiläenbuch Jub 13,20f Jub 15,18-21 Jub 15,25-34 Jub 15,30 Jub 15,34 Jub 16,16-17 Jub 17,13-14 Jub 18,11-15 Jub19,16 Jub 20

451 449 458 237, 467-459 450 353 453 367 353 230-231, 238, 376,

77

Philo Cher 3 Cher 9-10 Fug 204-211 Sobr 8 Sacr 43-44 QG zu Gen 17,20

476 478 476f 478 479 479

Josephus Antiquitates Judaicae 1.186-189 1.188-189 1.190-191 1.191-193 1.214-217

303, 365

d) Frühjüdische Literatur

107

Pseudo-Philo Ps.-Philo 42

486

380, 454, 457 377, 454 385 456f 458

1.218-219 1.220-222 1.238-239 4.82-83

461 462 462 228, 463 228, 464f, 468 465 466f 469 485

Qumran Genesis-Apocryphon 21,8-20 21,15-19

438 450, 487

548

Anhang

e) Rabbinische Literatur

SifDev 33,2

111

Midraschim u.ä.

Aboth 5,3

450

GenR 45 zu 16,1 zu 16,11 zu 16,12 GenR 53 zu 21,6 GenR 47 zu 17,20 GenR 49 zu 18,19 zu 21,9 zu 21,16 zu 21,17 GenR 55 zu 22,1 zu 22,2 GenR 59 zu 24,1 GenR 61 zu 25,1 zu 25,5 GenR 62 zu 25 GenR 84 zu 38,25 zu 37,25 GenR 97 NumR 11,2

39 79 407 275 262 207, 244 375 274, 279 340 279 230 367

Talmud bBB 16b bBM 87a bGit 1,1 bJeb 79a bKet 60a bNed 3,11 bSanh 59a.b bSanh 69b bSanh 89b bSchab 105a bSchab 135a bSot 13a pNed 31a pNed 38a

396

Targume T. Neofiti

385 394

zu Gen 18,17

396 471 471f 471

T. Onkelos T. PseudoJonathan

zu Gen 21,16 zu Gen 25 zu Gen 25,9 zu Gen 25,10 zu Gen 50,1

368, 387 198 485 375 269 230 379 379 230, 367 178 230 379 379 379

369 112, 273, 310 113, 385 340 341 281 394 379

396 f) Sonstige

Mekhilta R. Jischmael zu Ex 14,22 471

Barnabasbrief Barn 9,6

PesR 43,5 PesK 22 PRE 30 PRE 39 PRE 52

198 198 385,450 379 198

tṢota 6,6 tṢota 5,12

7, 82, 274 275

230

Codex Hammurapi CH 141 CH 165 CH 168-169 CH 170-171a

291 289 291 289f

549

Register

Eusebius Praeparatio evangelica VI. 11.69 VI. 293b IX. 18,1 IX. 23,1-4 IX. 27,1-37

470 228 470 470 470

Gilgameschepos Tafel VIII

102f

Kilamuwa-Inschrift KAI 24

181

Origenes Orig. ad Gen 1,4 Origenes, hom. in Gen 7,3 c. Cels. V. 48,3

228

283 470

Maimonides Mischne Tora Hilkhot Melakim

230,231 231

Koran Sure 2,16-32 Sure 11,76 Sure 22,26

379 379 379

550

Anhang

2. Sach- und Namensregister Abraham – als Vater der Proselyten 165 – Freund u. Vertrauter Gottes 369, 379 – Lehrer seiner Söhne 368-381, 453 Abrahams Haus 373-375, 379f, 454 Abrahams Lachen 200-206, 448 Abrahams Versuchungen 68, 296-299, 352f, 362f, 459f, 450 Abrahams zehn Prüfungen 68, 438, 450 Achikarsprüche 96 Ägyptische Frau Ismaels 452 Ahnenkult in Mamre 186, 411-413, 426 ʿAli Ṭabari 242, 245 Apokalypse 403 Aquila 110 Araber 412, 452, 463, 468471 Asiatischer Halbesel (s. Wildesel) assyrische Fluchtraditionen 103 aṯ-Ṯaʿlabī 283 Auerbach, Erich 368 Augustinus 4 Babylonische Theodizee 104 Bayle, Pierre 117 Beduinen / Beduinenromantik 118-120 Beduinische Lebensweise 84 Beer-Lahai-Roi 348, 396 Begräbnis Jakobs 395 Ben Chorin, Schalom 281 Beschneidung der Araber 228-230 Beschneidung Ismaels

225-232, 368 Beschneidung 191-194, 225231 Beschneidung, islamische 231 Bildreden des Hiobbuches 94 Bogen, als Herrschaftssymbol 344 Buber, Martin 14, 128 Buchari 228 Byzanz 114 Calvin, Johannes 44, 59, 60, 65, 116, 128, 230, 247, 262, 284, 288, 304, 308, 323, 331, 336, 341 Chaosflut 179 Chronologie der Abrahamerzählung 196, 259 Codex Lipit Eschtar 289 Dämonische Tiere 101 Delitzsch, Franz 44, 84, 118, 201, 210, 335 Dialog der drei »abrahamitischen« Religionen 16-17 Diaspora 141, 165, 175, 236, 344, 425, 437 Dillmann, August 201, 205, 210, 229,284, 371 Dynastie, davidische 174 Edle der Völker 173 Edom 416 Edomiter 411 Ehescheidung 324 Ehevertrag 51 Eifersucht 282 Elephantine 51 Elija 130 Elusa 483f Enkidu 102 Enterbung eines Sohnes 291 Enterbung Ismaels 316-320 Enuma Elisch 178

Register

Equiden-Terminologie, hebräische 92 Erbe 279 Erbrecht 19, 30, 288, 291 Erhörungsmotiv 74-76, 79, 81f, 127f, 214f, 333-338, 463 Erstgeborener Sohn 19, 367 Erwählung 20-28, 315, 358, 369, 372 Erzelterngrab (s. Ahnenkult, Mamre) 411, 413, 426 Esau 379, 391, 459 Flavius Josephus 15, 111, 228, 230, 243, 273, 277, 460-470 Fremdehenverbot 236, 350 Gazelle 92, 102, 103 Genealogie 142-144 Geschem, der Araber 413 Gilgamesch-Epos 102 Golaorientierung 425f Gott als Gegenbild seiner selbst 296-299 Grab Aarons 485 Grab Hagars 396, 488 Grabinschrift von Silwan 51 Gunkel, Herrmann 10, 61, 84, 125, 151, 181, 201, 213, 226f, 250, 294, 308f, 311, 409 Hagar, Name 41-42 Hagarenen 114, 488 Hagars Grab 483 Hagar-Verehrung 488 Hagriter 41 Haus Abrahams (s. Abraham) Hegra, in Arabien 481-489 Heiliger Brunnen ZamZam in Mekka 6 Heiratsbeziehungen 235-236 Heiratsregeln 25 Hengstenberg, Ernst Wilhelm 284

551 Hieronymus 111, 114, 276, 282, 347 Hirsch, Samson b. Raphael 249 Hoffnung auf Heimkehr 161 Idumäa 412 Idumäer 469 Isaak, Name 260 Isaak, im Islam 281 Isaakbund, eigenständiger 213, 247 Ismaelverehrung, genuin arabische 489 Ismael als Stammesname (s. Stämmekonföderation) 400f Ismaeliten 114, 400f Ismael – als aggressiver Araber/Muslim 114-116, 118f – als Bastard 461f, 467, 475 – als Bauer 110, 477 – als Bogenschütze 345 – als der Edle Wilde 118 – als gottloser Ketzer 114 – als Götzendiener 274-275 – als kritischer Literat 2f, 117 – als Mörder 276-278 – als philosophischer Sophist 476-480 – als Räuber 111f – als räuberischer Händler 111-112 – als Spötter 280, 282-84 – als stigmatisierter Außenseiter 118 – als Verfolger 277 – als Vergewaltiger 276 – als Wilder Mann/Mensch 111, 113, 116 Ismael im Christentum 2-7, 110-119, 241-251, 283-287 Ismael im Islam 6, 74, 114, 281-282, 452, 489f

552 Ismael, im Erbschaftsstreit mit Isaak 279 Ismael, im Beschneidungsstreit mit Isaak 368f Ismaels Buße 339f, 396 Ismaels Ehe 348, 472 Ismaels Grab 396, 483, 488 Ismaels Hass 280 Ismael, Name 80-83 Ismaels Spielen 270-287, 450f, 478-480 Ituräer 469 Jacob, Benno 43, 51, 53, 63, 70f, 85, 106f, 114, 125, 155, 203, 217, 249f, 262, 280f, 320, 347 Jagd (s. Wildesel) 91, 102, 104 Jāḥîd-Klage 363f, 366 Jakob 391, 435 Jerusalemer genealogische Wissenschaft 384, 415 Jiftach 292 Josephus Flavius 228, 230, 460-470 Jubiläenbuch 15, 111, 230, 273, 375-381, 444-460 Jubiläenbuch, in Äthiopien 380, 446 jüdisch-arabische Abrahamökumene 233-237, 376-378, 454 Justin (Kirchenvater) 5 Kaaba 389f, 483, 487 Kadmoniter 33 Kain 23 Kanaan 186, 187 Keil, Carl Friedrich 44, 118, 201, 210, 248, 262, 284, 308 Ketura 387f, 461, 468, 471 Kilamuwa-Inschrift 181 Kinderlosigkeit 42 Königstheologie, davidische 170, 173-175

Anhang

Königstradition, Jerusalemer 179 Kontrastmotiv 295-298 Koran 379, 391 Kraus, Karl 2 Lachen (s. Abrahams/Saras Lachen) Land 26,31-33, 161,185187, 235, 316-319, 388, 425, 430, 438, 450, 487 Landjudäische Abrahamtheologie 431 Landnahmetheologie, dtr. 318 Lehrhaus der Abrahamnachkommen 373 Leibsklavin 52 Leute des Hauses Ibrahims (islamisch) 380 Lokalisierung des Sinais in Arabien 481 Luther, Martin 5, 44, 54, 65, 116, 128, 246, 261-262, 284, 304, 323, 341 Maimonides 230-232, 242, 385 Mamre, Erzelterngrab 186, 412, 413, 426 Marduk 178 Marquardt, Friedrich-Wilhelm 60 Maulesel (s. EquidenTerminologie) 86, 92 Maultier (s. EquidenTerminologie) 86, 92 Mekka 379. 489f Melville, Herman 118 Midianiter 387 Mit-Sein-Formel 342f Monotheismus, inklusiver 238-241 Morija 124 Mose 130f Lachen (s. Abrahams Lachen) Musculus, Andreas 325

Register

Nabatäer 111, 346, 452, 463, 468-471 Nabonids Arabienfeldzug 399, 412 Nachmanides 113, 114, 207, 280 Namenänderung, göttliche 164, 176f, 197 Namengebung, göttliche 78-79 Narratives Spiel mit den Namenmotiven 79, 81f, 127f, 214f, 336-341, 467 Natanverheißung 175 Nebenfrau, Konkubine 47-50 Notarikon 178, 182 Offenbarungstheorie, priesterschriftliche 138ff, 233236, 238 Optimale Frustration 67, 293-296, 361 Origenes 283 Patriarchengrab (s. Erzelterngrab, Ahnenkult) Paulus 3, 184, 247, 251, 315, 481-483, 486-489 Pedro Pascual, spanischer Bischof 115 Pellican, Konrad 322 Petra 469, 482-484, 489f Philo von Alexandrien 15, 110, 273, 277,472-480 Preisgabe-Episoden 296-303 Preuss, Horst-Dietrich 311 Pseudo-Methodios 115, 116, 403 Quelle ZamZam 488 Rabbi Akiba 275-276 Rabbi Bachja 245 Rabbi Ibn Esra 280 Rabbi Jischmael 275 Rabbi Oschaja 278-279 Rabbi Schimon Ben Jochaj 278-279

553 Raschi 113, 245, 262, 280, 347, 395, 472 Recht und Gerechtigkeit 371f, 373f Reue und Buße Ismaels 340 Sabbat 138 Sara, Völkermutter 197-198, 451, 461, 464, 466 Saras Brüste 198 Saras Lachen 261-262 Saras Tod 381 Sarazenen 111 Schulgi, König von Ur 102 Segen Jakobs für Efraim und Manasse 24, 167 Septuaginta 110, 273 Shin Shalom, israelischer Dichter 281 Sinai, Berg 484 Sklavinnenflucht 66 Söhne der Ketura 384-387, 468-470, 486 Söhne Esaus 379 Stämmekonföderation šumu’il 345, 398f, 409-411 Strindberg, August 3 Symmachus 110 Synchrone Textinterpretation 13, 14 Thronnamen 177 Tiglatpileser III. 104 Turm Abrahams 371 Typische Szene 264-265 Unfruchtbarkeit 42 Unterscheidung von Elohim und Jhwh 341 Van der Werff, Adriaen 40 Verdienst der Väter 340 Vermischungsthese 231 Versuchung Abrahams 68, 296-299, 352f, 362f, 459f, 450 Völkerkampfmetaphorik 179 von Rad, Gerhard 8, 10, 35,

554 43-44, 60, 65, 84, 201, 203, 234, 250f, 294, 309f, 347, 349. Wellhausen, Julius 63, 64, 140, 228f Westermann, Claus 40, 72, 76, 84, 125, 202, 262, 294, 310, 321, 335, 3449, 409 Wildesel 92, 96, 101, 102, 103 – Afrikanischer Wildesel 87-88 – Asiatischer Halbesel 86-92 – Asiatischer Halbesel, Zähmung und Züchtung 97 Wildeseljagd 89-91,101-102 Wildeselspruch 83-120, 476 Wüste Beerscheba 327 Wüste Paran 327, 346f Wüstenerfahrungen, israelitische 354 Zwei-Bund-Theorie, christliche 247 Zimmerli, Walter 44, 154, 162f, 176, 202 Zwingli, Ulrich 323

Anhang