Islamische Ökumene ALS Mittel Der Politik: Aktuelle Tendenzen in Der Annäherungsdebatte Zwischen Sunna Und Schia Auf Der Doha-Konferenz 2007 [1., 1.Aufl. ed.] 3879973679, 9783879973675

Die Reihe Islamkundliche Untersuchungen wurde 1969 im Klaus Schwarz Verlag begründet und hat sich zu einem der wichtigst

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Islamische Ökumene ALS Mittel Der Politik: Aktuelle Tendenzen in Der Annäherungsdebatte Zwischen Sunna Und Schia Auf Der Doha-Konferenz 2007 [1., 1.Aufl. ed.]
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Behnam Said Islamische Ökumene als Mittel der Politik

ISLAMKUNDLICHE UNTERSUCHUNGEN • BAND 293 begründet von Klaus Schwarz herausgegeben von Gerd Winkelhane

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ISLAMKUNDLICHE UNTERSUCHUNGEN • BAND 293

Behnam Said

Islamische Ökumene als Mittel der Politik Aktuelle Tendenzen in der Annäherungsdebatte zwischen Sunna und Schia auf der Doha-Konferenz 2007

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. British Library Cataloguing in Publication data A catalogue record for this book is available from the British Library. http://www.bl.uk Library of Congress control number available http://www.loc.gov

www.klaus-schwarz-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.

© 2009 by Klaus Schwarz Verlag GmbH Erstausgabe 1. Auflage Herstellung: J2P Berlin Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-87997-367-5

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Inhaltsverzeichnis Vorbemerkungen zur Umschrift...............................................................6 Danksagung .............................................................................................6 1 Einleitung ..........................................................................................8 1.1 Relevanz des Themas.......................................................................15 1.2 Literatur- und Quellenlage...............................................................22 2 Konflikte und Annäherung..............................................................26 2.1 Konflikt............................................................................................26 a) Frühzeitlich-politische Konflikte.................................................30 b) Rechtsbestimmungen des muþāmalāt-Bereiches: taqīya und mutþa .........................................................................39 c) Ritual als Veralltäglichung des abstrakten Konflikts – Die Ebene der þibādāt..................................................................44 d) Neuzeitliche politische Konflikte................................................46 2.2 Annäherung seit dem 20. Jahrhundert.............................................56 3 3.1 3.2 3.3

Die Doha-Konferenz........................................................................63 Aktivitäten vor Doha.......................................................................63 Allgemeiner Rahmen und Teilnehmer.............................................72 Inhalte der Konferenz und Debatten................................................85 a) Die Krise des Iraks und die Krise der umma...............................87 b) Zwischen Unterschiedlichkeit und Übereinstimmung...............95 c) Bedeutung von taqrÍb ...............................................................101 d) Al-Qaraḍāwī, der Iran und das Thema der Missionierung........105

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Schlussbetrachtungen....................................................................116

Literatur................................................................................................123 Reden und Dokumente..................................................................123 Sekundärliteratur............................................................................123 Zeitschriftenaufsätze und Zeitungsartikel......................................129 Verzeichnis der benutzten Abkürzungen.......................................131 Dokumente............................................................................................132 Teilnehmerliste..............................................................................132 Abschlusskommuniqué der Konferenz..........................................137

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Vorbemerkungen zur Umschrift In dieser Arbeit wird für die arabische und persische Sprache die Umschrift nach den Vorgaben der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft verwendet. Abweichungen kommen bei allgemein bekannten Namen vor. Als Beispiel sei hier der Name des jordanischen Königs Abdullah II. bin alHusain genannt, der nicht mit þAbd AllÁh II. bin al-¼usain transkribiert, sondern in der allgemein üblichen Form belassen wird. Ein weiteres Beispiel ist Ayatollah Khomeini, bei dem sowohl Name als auch Titel zu einem feststehenden Begriff geworden sind. Namen von Personen aus dem persischsprachigen Sprachraum werden nach den Regeln zur Umschrift des Persischen wiedergegeben, auch wenn es sich dabei um ursprünglich arabische Namen handelt, also BÁqer (persisch) statt BÁqir (arabisch). Die Transkribierung enthält zumeist keine Nunation. In Fällen, in denen eine Nunation sinnvoll für das Verständnis des Textes erscheint, wird diese durch Hochstellen kenntlich gemacht (Bsp.: mukarraratan).

Danksagung Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle zunächst bei Frau Professor Dennerlein und Herrn PD Dr. Henner Fürtig, die sich bereit erklärt haben, diese Magisterarbeit zu betreuen und abzunehmen, und die reichlich Zeit und Mühe in viele Diskussionen und Korrekturen der Untersuchung investiert haben. Gleich danach möchte ich Herrn Professor Franke meinen Dank aussprechen, der mich durch sein Seminar zur Schia im Irak auf dieses Thema brachte und ohne den es diese Arbeit so nicht gegeben hätte. Weiterhin gebührt großer Dank Herrn PD Dr. Rainer Brunner, der mir viele hilfreiche Hinweise zur Thematik gegeben hat, sowie Herrn Abdulghafur Sabuni, der mir in seiner unendlich geduldigen und freundschaftlichen Art überhaupt erst den Zugang zur arabischen Sprache ermöglichte. 6

Vorbemerkungen zur Umschrift In dieser Arbeit wird für die arabische und persische Sprache die Umschrift nach den Vorgaben der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft verwendet. Abweichungen kommen bei allgemein bekannten Namen vor. Als Beispiel sei hier der Name des jordanischen Königs Abdullah II. bin alHusain genannt, der nicht mit þAbd AllÁh II. bin al-¼usain transkribiert, sondern in der allgemein üblichen Form belassen wird. Ein weiteres Beispiel ist Ayatollah Khomeini, bei dem sowohl Name als auch Titel zu einem feststehenden Begriff geworden sind. Namen von Personen aus dem persischsprachigen Sprachraum werden nach den Regeln zur Umschrift des Persischen wiedergegeben, auch wenn es sich dabei um ursprünglich arabische Namen handelt, also BÁqer (persisch) statt BÁqir (arabisch). Die Transkribierung enthält zumeist keine Nunation. In Fällen, in denen eine Nunation sinnvoll für das Verständnis des Textes erscheint, wird diese durch Hochstellen kenntlich gemacht (Bsp.: mukarraratan).

Danksagung Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle zunächst bei Frau Professor Dennerlein und Herrn PD Dr. Henner Fürtig, die sich bereit erklärt haben, diese Magisterarbeit zu betreuen und abzunehmen, und die reichlich Zeit und Mühe in viele Diskussionen und Korrekturen der Untersuchung investiert haben. Gleich danach möchte ich Herrn Professor Franke meinen Dank aussprechen, der mich durch sein Seminar zur Schia im Irak auf dieses Thema brachte und ohne den es diese Arbeit so nicht gegeben hätte. Weiterhin gebührt großer Dank Herrn PD Dr. Rainer Brunner, der mir viele hilfreiche Hinweise zur Thematik gegeben hat, sowie Herrn Abdulghafur Sabuni, der mir in seiner unendlich geduldigen und freundschaftlichen Art überhaupt erst den Zugang zur arabischen Sprache ermöglichte. 6

Ebenso sei Herr Ramin Shaghaghi erwähnt, der sich immer Zeit für anregende Unterhaltungen genommen und mir dabei wertvolle Hinweise zu diesem Thema geliefert hat. Insgesamt möchte ich das Hamburger Asien-Afrika-Institut mit seiner Verwaltung, seiner Bibliothek samt Mitarbeitern und natürlich mit seinen zahlreichen Lehrenden herausstellen, die mir eine hervorragende Ausbildung in einer familiären Atmosphäre ermöglicht haben. An dieser Stelle möchte ich mich nun auch ganz besonders bei meiner Frau Nilab Said und meinen Eltern bedanken, die mich auf meinem ganzen Studienweg auf verschiedene Art und Weise unterstützt haben. Behnam Said Hamburg im August 2009

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1 Einleitung Das Thema des sunnitisch-schiitischen Gegensatzes bewegt die Welt spätestens seit der Irakkrise, die 2003 durch den Einmarsch der USA im Zweistromland ausgelöst wurde, wieder verstärkt. Hinzu kommt die Konkurrenz Irans mit den umliegenden arabisch-sunnitischen Staaten um die Vorherrschaft in der Region des Nahen und Mittleren Ostens. Diese Rivalität wird immer wieder auch in Gestalt religiöser Polemiken ausgetragen. Die vorliegende Arbeit nimmt die hier grob skizzierte Lage als Ausgangspunkt, um zu hinterfragen, welchen Zweck die interreligiösen Gespräche zwischen dem sunnitischen und schiitischen Lager haben, die eine lange Tradition haben, aber in letzter Zeit wieder mit einer höheren Intensität geführt wurden. Es ist zu bemerken, dass sich die Dialog-Aktivitäten vor allem zwischen dem Iran auf der einen und der konservativsunnitischen Triga Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien als dominierende Akteure der arabischen Liga auf der anderen Seite abspielen. Daher ist zu vermuten, dass der Dialog derzeit politisch gewollt und gefördert wird, um die politische Auseinandersetzung zu begleiten. Diese These wird am Fallbeispiel der Doha-Konferenz zum Dialog zwischen Sunniten und Schiiten beleuchtet. Auf dieser Konferenz diskutierten vom 20. bis zum 22. Januar 2007 in Qatars Hauptstadt Doha 173 geladene Gäste über den innerislamischen Dialog. Zwar war die Konferenz nicht die erste ihrer Art, 1 aber sie wurde, im Gegensatz zu vorherigen Treffen zu diesem Thema, in der is1

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In Teheran finden alljährlich Konferenzen zur Annäherung oder auch zur Einheit statt (vgl. Buchta, „Die iranische Schia“, 1997, S. 105 ff.). In arabischen Ländern fand u.a. vom 20. bis 22.09.2003 in Bahrains Hauptstadt Manama eine Konferenz zur Annäherung statt. Diese erfuhr aber, bis auf kürzere Meldungen zur Eröffnung, kaum mediale Aufmerksamkeit, was evtl. u.a. auch daran lag, dass es keinen eigenen Internetauftritt gibt. Ebenso konnte keine Publikation Ergebnisse der Konferenz festgestellt werden. Die einzige Quelle, die die angebliche Abschlusserklärung der Konferenz verzeichnet, ist die in der aktuellen taqrīb-Debatte eher bedeutungslose Seite alwihdah.com. Da detaillierte Informationen zu dieser Konferenz so gut wie nicht zu erhalten sind und sich auch nachfolgende Strategiepapiere, Stellungnahmen und Konferenzen zum Thema islamische Ökumene nicht auf diese Veranstaltung beziehen, kann davon ausgegangen werden, dass ihr Wirkungsgrad als gering einzuschätzen ist. Vgl. exemplarisch zur Berichterstattung über die Konferenz von Manama www.aljazeera.net/News/archive/archive?ArchiveId=60593, abgerufen am 17.01.2009.

lamischen Welt mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Fernsehsender und Printmedien berichteten über die während und nach der Konferenz geführten Debatten.2 Darüber hinaus war und ist die Konferenz von Doha noch immer durch ihren Internetauftritt präsent, der unter anderem Meldungen über die Veranstaltung sowie Reden der Teilnehmer veröffentlichte und somit ein starkes publizistisches Instrument für die Veranstalter darstellte. Doha verblasste also nicht mit der Schlusssitzung, sondern wirkte auch nach Abschluss im öffentlichen Diskurs fort. Zudem wurde die Doha-Konferenz auf dem Höhepunkt der konfessionellen Krise im Irak zu einem Zeitpunkt veranstaltet, der ihr politische Unterstützung zukommen ließ. Die Erklärung für das starke Interesse an einer Konferenz islamischer Gelehrter aus aller Welt, vornehmlich allerdings aus arabischen Ländern sowie aus dem Iran, lässt sich anhand des Konferenztitels nachvollziehen, der „Die Rolle der Annäherung für die reale Einheit der Umma“ (daur at-taqrÍb fÍ-l-wa½da al-þamalÍya li-l-umma) lautete. Bereits dieser kurze Leitgedanke der Konferenz sagt viel über den politischen Gemütszustand der religiösen und politischen Verantwortlichen im Nahen und Mittleren Osten aus: Zum einen wurde der Titel gewählt, weil die Einheit der Muslime als konkret und nicht nur abstrakt gefährdet eingeschätzt wurde. So wiesen etwa die Dekanin der Sharia-Fakultät Qatar Dr. þĀÿīša bint Yūsuf al-Manāþī und der qatarische zweite stellvertretende Ministerpräsident und Minister für Energie und Industrie þAbdullāh bin Ḥamd al-þAÔīya in ihren Begrüßungs- bzw. Eröffnungsreden auf den außerordentlich ernsten Hintergrund hin, vor welchem sich die Konferenz abspiele. Ḥamd al-þAÔīya sagte in Anwesenheit des qatarischen Staatsoberhauptes Amīr bin ¾alīfa Āl Õānī, dass die islamische umma heute unter komplizierten Verhältnissen auf allen Ebenen leide, die sich in erheblichem Ausmaße und in einer gefährlichen Art und Weise verschärften.3 2 3

Eine Auswahl an Artikeln findet sich auf der Internetseite der Doha-Konferenz unter http://www.qatar-conferences.org/mazaheb/index.php und http://www.qatarconferences.org/mazaheb/press_news.php, abgerufen am 07.02.2008 Bin Ḥamd al-þAÔīya, „Begrüßungsrede“, 2007, S. 1: „fa-l-umma al-islāmīya al-yaum tuþānī min au±āþ muþaqqada þalā ºamīþ al-aÈþida wa yufāqimuhā ilā ½add kabīr wa bi-Èūra ¿aÔīra.“ 9

Al-Manāþī bezeichnete den heutigen Zeitabschnitt aufgrund der konfessionellen Spaltung entlang ŠÍþa (im Folgenden Schia) und Sunna sogar als die gefährlichste Phase der zeitgenössischen islamischen Geschichte (hāªhi al-marḥala (…) yuþadd min a¿Ôar marāḥil at-tārī¿ al-islāmī al-muþāṣir).4 Diese Äußerungen wurden vor allem unter dem Eindruck der konfessionellen Krise im Irak vorgebracht, die von den Teilnehmern als Bedrohung für die umma angesehen wird. Besonders deutlich bringt dies der Generaldirektor der Islamischen Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (al-munaããama al-islāmīya li-t-tarbīya wa-l-þulūm waÝ-Ýaqāfa bzw. Islamic Educational, Scientific and Cultural Organization, im Folgenden kurz ISESCO genannt) þUÝmān at-Tawaiğrī auf den Punkt: „Die Lage im Irak hat sich zu etwas entwickelt, was wir konfessionelle Säuberung nennen können, wenn Menschen aufgrund ihrer konfessionellen Identität getötet werden.“5 Zum anderen zeigt der Konferenztitel aber auch, dass die Hoffnung auf eine Einigung der umma, mit der hier sowohl die Gemeinschaft der Gläubigen als auch die der islamisch geprägten Staaten gemeint ist, noch nicht endgültig erloschen ist, denn andernfalls würde es sich nicht mehr lohnen, weiterhin über die Einheit nachzudenken. Es steht zu vermuten, dass die angestrebte religiöse Einheit politische Gegensätze zwischen den oben skizzierten Machtblöcken überdecken bzw. verringern soll. Der Weg zur Einigung der umma führt im panislamischen Sinn zunächst über die Annäherung der Rechtsschulen (taqrÍb baina l-maªÁhib), was nichts anderes als islamische Ökumene bedeutet, wie hier noch dargelegt wird. Im Folgenden sollen nun die Begriffe taqrÍb und maªÁhib auf ihre spezifische Konnotation hinsichtlich der islamischen Ökumene erläutert werden. Auch die Ökumene selbst wird Gegenstand einer kurz gehaltenen Betrachtung sein. Der Begriff taqrÍb hat sich ungefähr seit den 30er Jahren des 20. Jahr4 5

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Bint Yūsuf Manāþī, „Eröffnungsrede“, 2007, S. 3. at-Tawaiğrī, „Istrātīğīya“, 2007, S. 2: „laqad waÈalat al-umūr fī-l-þirāq ilā mā yumkin an nusammīhi at-taÔhīr al-maªhabī, iª yuqtal an-nās þalā huwwīyatihim almaªhabīya.“

hunderts zu einem Fachausdruck im panislamischen Diskurs entwickelt und steht für die Annäherung zwischen Sunna und Schia bzw. für die Annäherung zwischen den Rechtsschulen von Sunna und Schia (taqrÍb baina l-maªāhib al-islāmÍya). TaqrÍb lässt sich wörtlich mit Annäherung übersetzen, wird aber im speziellen Kontext auch als Ökumene verstanden. Die Begrifflichkeit der Ökumene ist zwar in ihrer hauptsächlichen Bedeutung christlich geprägt und entweder mit dem innerchristlichen Dialog zwischen Protestanten und Katholiken oder auch teilweise mit dem Austausch zwischen Christen und Angehörigen anderer Religionen konnotiert.6 Nach Ulrich Becker und Udo Tworuschka hat der Terminus Ökumene aber insgesamt fünf Bedeutungen, von denen zwei die heutige christliche Ökumene beschreiben, die aber gleichzeitig auch auf die islamische Dimension anzuwenden sind. So schreiben Becker und Tworuschka über die Ökumene, dass diese „die Beziehungen zweier oder mehrerer Kirchen (oder Christen verschiedener Konfessionen) und ihre Einheit“ oder auch „die geistige Haltung, in der das Wissen um die christliche Einheit und das Verlangen nach ihr“ betreffen kann.7 Wir können dann von einer islamischen Ökumene sprechen, wenn wir diese vorhergehende Charakterisierung auf den islamischen Kontext übertragen und von der Ökumene als der Beziehung zweier islamischer Konfessionen – nämlich Sunna und Schia – und als Bestrebung oder Verlangen nach Einheit innerhalb des Islams sprechen. Insofern lässt sich taqrÍb sowohl mit Annäherung als auch mit Ökumene übersetzen. Genauso können wir taqrÍb als kontextualisierten terminus technicus auch unübersetzt lassen. Im Folgenden wird daher von allen drei Möglichkeiten Gebrauch gemacht. TaqrÍb steht semantisch und historisch im Kontrast zu dem Wortgebrauch früherer Panislamisten, für die Bestrebungen zur innerislamischen Einheit bzw. Einigkeit oder Eintracht (waḥda/ittiḥād) kennzeichnend waren.8 Auf die genaue Bedeutung des taqrīb, nämlich „Annähe6 7 8

Becker/Tworuschka, „Ökumene und Religionswissenschaft“, 2006, S. 19. Becker/Tworuschka, „Ökumene und Religionswissenschaft“, 2006, S. 17. Der semantische Gegensatz beider Wörter ist offensichtlich: Nicholson und Anawati beschreiben itti½Ád als die Vereinigung zweier Dinge, wobei eines dieser Dinge zwangsläufig seine Form verändern bzw. sich selbst aufgeben muss. Ganz anders hingegen ist die Annäherung gemeint, die dem Fortbestehen der Beteiligten in ihrer 11

rung“, wurde erst kürzlich wieder von Prof. Zaqzūq hingewiesen. In seiner Rede auf der Doha-Konferenz sagte der Minister für religiöse Angelegenheiten in Ägypten, dass taqrīb nicht Zusammenführung der Rechtsschulen in einen maªhab und auch nicht die Auflösung der Unterschiede bedeute, was auch nicht möglich und gewünscht sei, sondern die Anstrengung zur Ermöglichung der friedlichen Koexistenz (taþāyuš) bedeute,9 was ein althergebrachtes Standardargument der taqrīb-Befürworter ist. Hier finden wir auch eine Überschneidung mit der christlichen Ökumene, die ebenfalls nicht das Ziel der Auflösung der Konfessionen verfolgt, sondern eher an der Ausarbeitung von Gemeinsamkeiten interessiert ist.10 Maªhab (pl. maªÁhib) referiert im Kontext des modernen Annährungsgedankens auf die vier sunnitischen Rechtsschulen auf der einen sowie auf die Zwölferschia auf der anderen Seite.11 Wenn im Folgenden daher allgemein von „Sunna“ oder „Schia“ die Rede ist, so geschieht dies im vollen Bewusstsein der inneren Heterogenität beider Gruppen. Beispielsweise sind die Unterschiede zwischen Schiiten und sufistisch-sunnitischen Strömungen geringer als zwischen Schiiten und der Salafīya oder Wahhābīya,12 dem Gegenpol der Sufis alten Form große Bedeutung einräumt. Vgl. Art. Itti½Ád, EI IV/282-283 (Nicholson/ Anawati), s.a. Art. Pan-Islamism, EI VIII/248-250 (Landau). 9 Zaqzūq, „Daur at-taqrīb“, 2007, S. 5. 10 Vgl. Becker/Tworuschka, „Ökumene und Religionswissenschaft“, 2006. 11 Teilweise sind in die Ökumene auch Fünferschiiten (Zaiditen) und auch die Schulen der þIbāḍiyya und Ẓāhiriyya eingebunden. Doch spielt dies für den Diskurs eine untergeordnete Rolle. 12 Die ursprünglich modernistische Bewegung der Salafīya entstand in einer ablehnenden Haltung gegenüber dem osmanischen Reich, vor allem in den arabischen Teilen des Imperiums. Die Salafisten machten fremde, vornehmlich westliche Neuerungen (bidþa) für die Rückständigkeit der islamischen Zivilisation verantwortlich, und gerieten daher auch in Konflikt mit der herrschenden þulamÁÿ sowie mit einigen Derwisch-Orden. Die Salafisten berufen sich auf die frommen Vorfahren (as-salaf aÈÈāli½), womit die ersten Generationen nach Muhammad, die sogenannten Nachfolger (tābiþÚn) und deren Nachfolger (tābiþÚ at-tābiþīn), gemeint sind. Vgl. hierzu Art. Salafiyya EI VIII/906-908 (Ende); Buzpinar 2000, S. 498-499, Ende, „Religion, Politik und Literatur in Saudi-Arabien”, 1981 sowie Wiktorowicz, „Anatomy of the Salafi Movement“, 2006. Die Wahhabiten können ebenfalls als eine puristische Reformbewegung beschrieben werden, die jedoch bereits im 18. Jahrhundert ihren Ursprung im zentralarabischen Nağd hatte und anders als die Salafīya geografisch auf die arabische Halbinsel beschränkt blieb. Zur Wahhābīya s. die grundlegenden Werke von David Commins, „The Wahhabi Mission“, 2006 und Natana DeLong-Bas, „Wahha12

und Schiiten auf sunnitischer Seite.13 Auch auf schiitischer Seite gibt es natürlich unzählige Strömungen, politisch wie auch religiös. Für den Kontext der innerislamischen Annährung soll hier aber der Begriff Schia gleichbedeutend mit der vorherrschenden Lehre der Zwölferschiiten verwendet werden, solange nicht anders vermerkt. Was den Begriff der Sunna angeht, so referiert er, so nicht anders verwiesen, auf die Anhänger der vier großen Rechtsschulen ¼anafīya, MÁlikīya, ¼anbalīya und ŠÁfiþīya. Dass die Aktivisten der islamischen Ökumene den Terminus der maªhab auf die Schiiten anwenden, ist keineswegs selbstverständlich, da das traditionelle sunnitische Verständnis den Begriff auf die vier sunnitischen Rechtsschulen beschränkt sieht. So lehnten Gegner des taqrīb in der Geschichte immer wieder die Anerkennung der Schia als maªhab ab, wie dies etwa der irakische Dichter und Publizist Maḥmūd al-Mallāḥ (gest. 1969) in seiner Auseinandersetzung mit dem ebenfalls aus dem Irak stammenden schiitisch-modernistischen Annäherungsaktivisten Muḥammad ibn Muḥammad Mahdī al-¾āliÈī tat.14 Wie umkämpft bereits der Begriff maªhab und seine Anwendung auf Konfessionen außerhalb der Sunna ist, zeigt, auf welch sensiblem Feld sich die Aktivisten der innerislamischen Annäherung bewegen. Die Übersetzung von maªhab kann in einigen Fällen mit Rechtsschule erfolgen, in anderen aber besser mit Konfession. Das Wörterbuch von Hans Wehr listet eine ganze Reihe von Bedeutungen des Begriffes auf, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind: Ansicht, Glaube, Lehre, Doktrin, Weltanschauung, Richtung, Schule, religiöses Bekenntnis, Konfession.15 Daher scheint es angebracht zu sein, auch maªhab in den meisten Fällen als Fachterminus unübersetzt zu lassen, denn, wie auch Birgit Krawietz treffend bemerkte, lässt sich der Ausdruck „nur bi Islam“, 2004. In diesen beiden Werken wird auch der konservative und puristische Einfluss des Wahhabismus auf den Salafismus bzw. die politisierende Wirkung des Salafismus auf den Wahhabismus ab den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts gut nachgezeichnet. Diese gegenseitige Beeinflussung führt dazu, dass der heutige Salafismus und Wahhabismus nur noch schwer voneinenader zu trennen sind. 13 Vgl. u.a. Hoffman-Ladd, „Devotion to the Prophet and His Family in Egyptian Sufism“, 1992 und Roemer, „Persien auf dem Weg in die Neuzeit“, S. 225-233. 14 Ende, „Erfolg und Scheitern“, 1991, S. 121. 15 Wehr, „Arabisches Wörterbuch“, 1998, S. 433. 13

schwer in eine europäische Sprache übersetzen“.16 Maªhab wird im ökumenischen Diskurs zumeist als Gegenkonzept zum verwandten Begriff ÔÁÿifa (pl. ÔawÁÿif) genutzt. Letzterer hat eine deutlich negativere Konnotion und lässt sich auf Deutsch am besten mit Sekte, im Sinne einer sektiererischen Gruppe einer Konfession wiedergeben. ÓÁÿifa findet sich häufig in Kombination mit Begriffen wie Krieg (als sektiererischer oder konfessioneller Krieg) oder Fanatismus, während maªhab mit Dialog, Verständigung und ähnlichen Positivismen Verwendung findet. Wie bereits erwähnt, ist die Aufgabe dieser Arbeit die Aufarbeitung aktueller Tendenzen zur Annäherung zwischen Sunna und Schia anhand des Beispiels der Doha-Konferenz. Die Aufmerksamkeit westlicher Wissenschaftler galt bisher eher dem Konflikt, sowohl auf politischer wie auch auf religiöser Ebene, als der innerislamischen Annäherung. Dieser Umstand führte zu einer großen Anzahl von Publikationen zum Thema des innerislamischen Schismas. Auch über die Lage im Irak, im Iran und Saudi-Arabien findet sich ausreichend Sekundärliteratur, die ich in meine Arbeit habe einfließen lassen. Die Annäherungs- und Dialogebene hingegen wurde weitaus weniger dokumentiert. Als einzige Monografie in einer europäischen Sprache findet sich, meinen Recherchen zufolge,17 derzeit nur Annäherung und Distanz – Schia, Azhar und die islamische Ökumene im 20. Jahrhundert von Rainer Brunner. Hieraus wird ersichtlich, dass die Annäherung zwischen Sunna und Schia in der westlichen Wissenschaft bisher nicht die Aufmerksamkeit erfahren hat, die das Thema eigentlich verdient hätte. Diese Untersuchung über die Doha-Konferenz möchte daher einen Beitrag dazu leisten, diese Lücke aufzufüllen. Im Anschluss an die Einleitung, in der das Thema skizziert, seine Relevanz bestimmt und auf die Literaturlage eingegangen wird, gehe ich auf den Forschungsstand zum Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten ein. Dabei soll versucht werden, einer Kategorisierung des Konflikts nä16 Krawietz, „Hierarchie der Rechtsquellen“, 2002, S. 401. 17 Die British Library etwa verfügt über 13 Millionen Bücher. Aber eine Suchanfrage vom 1.11.2007 mit den Stichwörtern islam und ecumenism und mit dem einfachen Suchbegriff taqrib ergab nur wenige Treffer, wobei es sich dabei ausschließlich um arabische Bücher handelte. Als einzige Monografie in einer europäischen Sprache zu dem Sachgebiet wurde die englische Übersetzung von Brunners Buch angezeigt. 14

herzukommen, um in Bezug auf die Doha-Konferenz abgleichen zu können, welche Ebenen heutzutage im Vordergrund der Debatte stehen. Danach wird die Arbeit einen Überblick über Annäherungsbemühungen seit dem 20. Jahrhundert liefern, um sich dann dem allgemeinen Rahmen der Doha-Konferenz, beispielsweise der Anzahl und Zusammensetzung der Teilnehmer zuzuwenden, und anschließend auf die Inhalte der Debatten zu kommen. Dabei sollen besonders wichtige Aspekte der heutigen Debatte näher beleuchtet und in einen historischen Zusammenhang mit der gesamten Annäherungsdebatte gestellt werden. Ein Leitgedanke dieser Arbeit ist, dass es in den letzten Jahren ein Erstarken der taqrÍb-Idee unter Politikern und Gelehrten der islamischen, vorwiegend der arabisch- und iranischsprachigen Welt, gegeben hat. Die Sehnsucht nach Einheit innerhalb der islamischen Welt ist wieder verstärkt erwacht, was seine Ursache nicht zuletzt in der zu beobachtenden Krise zwischen Sunniten und Schiiten im Irak im Nachgang des Einmarsches der USA im März 2003 einerseits und in den angespannten Beziehungen zwischen Iran und den konservativen arabischen Staaten andererseits hat. Ausgehend von dieser These soll herausgearbeitet werden, wie die derzeitige Debatte zu charakterisieren und hinsichtlich ihrer Möglichkeiten und Grenzen zu bewerten ist.

1.1

Relevanz des Themas

Die Gründe, weshalb eine Beschäftigung mit dem Thema des innerislamischen Dialogs lohnend ist, liegen nahe. Im Irak bestimmte die interkonfessionelle Gewalt bis vor Kurzem zu einem großen Maß das politische und gesellschaftliche Leben. Schiiten gewannen im Irak die Wahlen vom 30. Januar 2005, was nach Meinung einiger Beobachter die Übernahme eines arabischen Landes durch Schiiten bedeutet,18 wenn aller18 Diese Auffassung vertritt beispielsweise der Direktor des Middle East Project der International Crisis Group, eines der renommiertesten Think Tanks weltweit, Joost Hiltermann (Hiltermann, „Iraq and the New Sectarianism in the Middle East“, Rede am Massachusetts Institut für Technologie, gehalten am 12.11.2006). Yitzhak Nakash äußerte sich ähnlich und sprach im Hinblick auf die Wahlen von einem „historic moment that symbolized a shift of political hegemony in Iraq – a key Arab coun15

dings auch an dieser Stelle auf die große Diversität innerhalb der verschiedenen schiitischen Kräfte im Irak hingewiesen sei. Die Bedeutung des Meinungsaustauschs in dieser, also der nationalen Hinsicht beschreibt Thomas Scheffler, indem er den Dialog zwischen den Bürgern eines Staates, besonders zwischen den konfessionellen Gruppen, als eine ausschlaggebende (decisive) Bedingung für die Stabilisierung eines Landes charakterisiert.19 Die Irakkrise spielte sich aber nicht nur im Inneren des Landes ab, sondern hatte großen Einfluss auf die internationalen Beziehungen in der gesamten Region.20 So sind derzeit verstärkt politische und religiöse Konfrontationen in Form von Polemiken zwischen dem schiitisch dominierten Iran und Ländern wie Saudi-Arabien oder Ägypten als Vorhut der konservativen sunnitisch-arabischen Regime zu beobachten. Den althergebrachten regionalen Akteuren Saudi-Arabien und Ägypten geht es dabei vor allem darum, zu verhindern, dass der iranische Nachbar zu großen Einfluss im strategisch wichtigen Irak bekommt. Hinzu kommt die überregionale Dimension, in welcher Iran und die schiitische Hizbullah-Miliz im Libanon von vielen Muslimen auf der ganzen Welt, Schiiten und Sunniten, derzeit als letzte Bastion gegen die USA und Israel wahrgenommen werden.21 Die Relevanz Irans und der Hizbullah für den öffentlichen Diskurs der arabischen Länder lassen sich unter anderem an den Berichten über eine wachsende Zahl von sunnitischen Arabern aufzeigen, die sich der schiitischen Glaubensrichtung anschließen. So listet etwa Israel EladAltmann eine Vielzahl von Berichten über eine zunehmende Anzahl von Konvertiten in Ägypten, Nord-Afrika, Jordanien, dem Sudan und Syrien auf.22 Nachrichtenplattformen wie die iranische Website ShiaNews versuchen diesen Trend ebenfalls anzufachen und feiern öffentlichkeits-

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try – from the Sunni minority to the Shi´i majority and tot he Kurds.“ (Nakash „Reaching for Power“, 2006, S. 154 f.) Scheffler, „Religion between Violence and Reconciliation“, 2000, S. 18. Vgl. Nakash „Reaching for Power“, 2006 Elad-Altmann, „The Sunni-Shi‛a Controversion“, 2007, S. 1, Terhalle, „Are the Shia Rising?“, 2007, S. 69 und Zambeli, „Hezbollah in Egypt“, 12. Juni 2009. Ebd. S. 2-4. Eine Untersuchung der syrisch-iranischen Beziehungen auf der religiöspolitischen Ebene und die Bedeutung der religiösen Symbolik liefert der Artikel „The Making of Transnational Shiism between Iran and Syria“ von Paulo G. Pinto.

wirksam Übertritte von Sunniten zur Schia. Der unter anderem bei ShiaNews veröffentlichte und dem persischsprachigen Nachrichtenportal asriran.com entnommene Artikel „Das Schiitentum in Palästina“ (Tašayyuþ dar filasÔÍn) weist auf eine neue Welle (mauº) von Übertritten zur Schia in Palästina hin.23 Diese Konvertierungswelle, die auch in anderen Teilen der arabischen Welt stattfinden soll, wird die der mustabÈirūn (wörtlich: Einsichtige bzw. Leute, die die Fähigkeit zur Einsicht haben) genannt.24 Die mustabÈirūn setzen sich nach Angaben des Artikels unter anderem aus ehemals sunnitischen Gelehrten zusammen, die nach dem Studium der schiitischen Lehre zu dieser übertraten. Aber auch Laien, die den Weg zur Schia gefunden haben, werden in dem Artikel genannt. So wird die Geschichte vom Palästinenser Mu½ammad Šu½Áda FilasÔīnÍ erzählt, welcher angeblich durch den Kontakt mit libanesisch-schiitischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen den Weg zur Schia fand.25 Für FilasÔīnÍ waren für seine Konvertierung, nach eigener Aussage, nicht politische Faktoren ausschlaggebend, sondern rein religiöse. Mit diesem Hinweis soll möglicherweise unterstrichen werden, dass die Wahrheit des Schiitentums ewige Gültigkeit besitzt – unabhängig von politischen Rahmenbedingungen. Inwieweit die Berichte über eine Konvertierungswelle in arabischen Ländern der Wahrheit entsprechen, ist letztlich nicht überprüfbar. Einerseits werden diese Gerüchte sowohl durch sunnitische wie auch durch schiitische Quellen überliefert. Andererseits gibt es keine verlässliche Statistik zu diesem Thema und auch sonst keine seriösen Nachweise über etwaige Massenkonvertierungen. Darüber hinaus gibt es durchaus Kritik an den Berichten über das beschriebene Phänomen. Der Führer 23 „Tašayyuþ dar filasÔÍn“, 10.Dai. 1386 šamsÍ (31.12.2007), abgerufen am 10.02.2007, http://shia-news.com/ShowNews.asp?Code=86101004. Vgl. auch http://www. valiasr-aj.org/fa/page.php?bank=khabar&id=106 (abgerufen am 13.06.2007). 24 Dieser Terminus wird aber generell und schon seit langer Zeit für sunnitische Konvertiten benutzt. Einer der bekanntesten zeitgenössischen Konvertiten zur Schia ist der Tunesier Mu½ammad at-TͺÁnÍ as-SamÁwÍ, der mit seinem Buch „Õumm ihtadait“, das in englischer Übersetzung unter dem Titel „Then I was guided“ erschienen ist, für großes Aufsehen unter Sunniten und Schiiten gesorgt hat. Das Buch wird, neben seiner gedruckten Version, vor allem per Internet durch schiitische Seiten wie al-islam.org verbreitet (http://www.al-islam.org/guided/). 25 „Tašayyuþ dar filasÔÍn“, 10. Dai. 1386 šamsÍ (31.12.2007). 17

der Hizbullah Hasan Nasrallah sagte in einer Rede am 31.01.2007, dass es angehen könne, dass einige junge Sunniten im Libanon durch die allgemeine Atmosphäre im Land zur Schia konvertiert seien, dass aber ebenso Schiiten zur Sunna wechselten.26 Nasrallah widersprach zudem der Darstellung, dass es einen Plan der Schia zur Massenmissionierung von Sunniten in der arabischen Welt gäbe. Auch sprach er der Hizbullah das Interesse an solchen Unternehmungen ab. Es ist aber auch hier nicht sicher, inwieweit sich seine Aussagen mit der Realität decken. Es könnte sich bei Nasrallahs Rede ebenso gut um den den Versuch gehandelt haben, einer möglichen Isolierung der Hizbullah und des politischen Schiitentums durch eine sunnitische Gegenfront entgegenzutreten. Dies insbesondere, weil die Hizbullah seit den 1990er Jahren einen Wandlungsprozess von einer explizit schiitischen Miliz hin zu einer gesamtlibanesischen Volkspartei vollzogen hat und darauf bedacht ist, dieses Image zu wahren.27 Der Wahrheitsgehalt der Meldungen bezüglich der Massenkonvertierungen und eines gezielten Planes der Schia hierzu lässt sich, wie gesagt, letztlich nicht ermitteln. Für den Kontext sind diese Gerüchte aber dennoch von Interesse, da diese Meldungen in der arabischen Öffentlichkeit durch Medien, Internetforen und Politiker verbreitet und auch oftmals geglaubt werden. Dies weist, wenn schon nicht auf die Korrektheit der Angaben, so doch auf die Konstruierung der Wahrnehmung der Schiiten als eines einheitlichen Machtblocks hin, der das althergebrachte soziale und politische Gefüge zu bedrohen scheint. Zudem zeigt sich anhand der Bedeutung, die diesem Thema beigemessen wird, der Grad an Angst vor einer erstarkenden Schia in der sunnitischen Welt. Wie bereits der bekannte US-amerikanische Politik-Theoretiker George Holland Sabine, Autor des 1937 erstmals publizierten und äußerst einflussreichen Werkes History of Political Theory, in einem Aufsatz von 1939 feststellte, ist der Wahrheitsgehalt einer politischen Theorie irrelevant im Bezug auf ihren Wirkungsgrad: 26 Hasan Nasrallahs Rede findet sich in englischer Übersetzung unter http://www. mideastwire.com/index.php?action=timesearch&news_day=31&news_month= 1&news_year=2007#13415 27 Vgl. Sakmani, „Der Weg der Hizbullah“, 2008. 18

„Moreover, it [eine politische Theorie] has ist effects whether it be true or false (…). Their effects are in no way correlated with their truth, for even false theories may influence men's conduct. Their causal influence as existing facts is simply irrelevant to their truth or falsity.“28 In Jordanien wird der angebliche Glaubenswechsel von hunderten von Familien zur Schia zum großen Teil auf die irakisch-schiitischen Flüchtlinge zurückgeführt, was wiederum die Bedeutung unterstreicht, die der Lage im Irak zukommt.29 Neben den genannten politischen Gründen, die die Bedeutung der islamischen Ökumene für die Region des Nahen und Mittleren Ostens unterstreichen, sind auch demografische Ursachen zu nennen. Zwar bekennen sich weltweit nur etwa 10 bis 15% der Muslime zur Schia, aber die regionalen und lokalen Verhältnisse zeigen ein differenzierteres Bild.30 So gelten etwa 70% der Bewohner des persischen Golfes als Schiiten.31 Ein Blick auf Saudi-Arabien zeigt hier, welche Brisanz hinter solchen Zahlen stecken kann. Die einheimische Schia-Gemeinde ist dort mit etwa zwei Millionen Mitgliedern vertreten, was ungefähr 10 bis 15% der 28 Sabine, „What is a political theory?“, 1939, S. 9. 29 Elad-Altmann, „The Sunni-Shi‛a Controversion“, 2007, S. 2. 30 Terhalle, „Are the Shia Rising?“, 2007, S. 69. Insgesamt gibt es etwa 170 Millionen Schiiten weltweit (Nakash, „Reaching for Power“, 2006, S. 5). Für eine Auswahl an Ländern hat Vali Nasr Angaben über die Anzahl an Schiiten ermittelt. Eine Tabelle mit diesen Werten findet sich bei Nasr, „When the Shiites Rise“, 2006, S. 65. Ebenso findet sich auch im vom ägyptischen Ibn Khaldun Center for Development Studies herausgegebenen, „Civil Society and Democratization in The Arab World – Annual Report 2007“ für einige Länder eine Benennung des Schiitenanteils an der muslimischen Bevölkerung. Auch Moojan Momens Werk enthält Angaben zu dem schiitischen Bevölkerungsanteil in einer Anzahl von Ländern (Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 261). Insgesamt gestaltet es sich aber recht schwierig, aktuelle verlässliche Zahlen über die konfessionelle Zusammensetzung des Islams zu finden. Dies liegt vor allem daran, dass ein Zensus, der die Konfession erfasst, in vielen islamischen Ländern ein Politikum darstellt. So schreibt Boris Wilke etwa über Pakistan, dass „Daten über den Anteil der Konfession an der Bevölkerung oder an den Armeeangehörigen unter Verschluss gehalten“ werden „und das Thema insgesamt tabuisiert“ wird, da das innerislamische Schisma eine Infragestellung der vorgestellten religiösen Einheit und damit des gesamten Nationengedankens Pakistans darstellt (Wilke, „Die religiösen Kräfte in Pakistan“, 2006, S. 22). 31 Terhalle, „Are the Shia Rising?“, 2007, S. 69. 19

Bevölkerung entspricht,32 wobei es keine eindeutig zuverlässigen Angaben zu Minderheiten in Saudi-Arabien gibt, da diese wegen der Spannungen zwischen Schiiten und Regierung bzw. wahhabitischer Bevölkerung ein Politikum darstellen.33 Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Zahlen, die von der International Crisis Group stammen, einigermaßen zutreffen, womit die Schia eine überschaubare, aber doch fühlbare Minderheit in Saudi-Arabien darstellt. Fühlbar vor allem deshalb, weil sich die saudische Schia auf einige Kerngebieten im Osten konzentriert.34 Die Siedlungsräume der saudi-arabischen Schiiten, die noch immer großer Diskriminierung ausgesetzt sind,35 ballen sich somit genau in den ölreichen Regionen des Landes, in der Nähe des persischen Golfes und damit in der Nähe Irans. Daher wird von der saudischen Elite ein möglicher Einfluss seitens Irans auf die einheimische Schia-Gemeinde besonders gefürchtet. Iran und damit auch die Schia haben in der jüngsten Vergangenheit deutlich an Bedeutung gewonnen, so der Tenor vieler Veröffentlichungen der letzten Zeit.36 Sowohl der Wissenschaft als auch den Medien sind solche Einschätzungen zu entnehmen. So erkannte etwa der renommierte Journalist und Nahostkenner Tomas Avenarius in einem Artikel für Die Zeit eine „neue schiitische Dynamik“.37 Dabei sollte man allerdings nicht dem Irrtum erliegen, die Schia bilde einen einheitlichen poli32 ICG Middle East Report No. 45, S. 1. Vali Nasr hat für Saudi-Arabien nach eigenen Berechnungen beispielsweise nur 10% Schiiten ermittelt (Nasr, „When the Shiites Rise“, 2006, S. 65). Momen schätzte den Anteil der Schiiten an der Gesamtbevölkerung sogar auf nur 5%, wobei er darauf hinweist, dass sich diese Proportion in den ölreichen Gebieten erhöht (Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 275). Allerdings dürfte Momens Studie mit Publikationsjahr 1985 im Hinblick auf Bevölkerungszahlen auch als veraltet gelten. 33 Vgl. Ende, „Sunniten und Schiiten“, 1985, S. 189. 34 Eine Minderheit der Schiiten lebt in Dammam, während die Mehrheit in den Dörfern und Städten um die zwei Oasen Qatif und Hasa wohnen. Vgl. Middle East Report No. 45, S. 1. 35 Ebd., S. 9., vgl. auch Human Rights Watch „Country Summary Saudi-Arabia“, Januar 2007, S. 1-3. 36 Bspw. Nakash, „Reaching for Power“, 2006. 37 Avenarius, Tomas, „Das unheimliche Erwachen der Schia“, in: Die Zeit, Nr. 266, 18./19. November 2006, S. 10. Für eine wissenschaftliche Aufarbeitung solcher Thesen vgl. auch Nasr, „When the Shiites Rise“, 2006 und Terhalle, „Are the Shia Rising?“, 2007. 20

tischen Block. Vielmehr sind ihre Manifestationen zahlreich und nichtiranische schiitische Politik findet zumeist im nationalen Rahmen statt.38 Auch in Avenarius’ Artikel lässt der Autor solche Stimmen zu Wort kommen und zitiert etwa Volker Perthes, den Direktor der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik: „Die Schia findet nur mehr Aufmerksamkeit als früher. Politik ist und bleibt aber lokal gebunden.“39 Fest steht, wie auch das Zitat zeigt, dass der schiitische Islam seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit sowohl des Westens als auch der arabisch-sunnitischen Welt gerückt ist. In gewissem Maße zeigen sich hier Parallelen zu den Jahren nach der iranischen Revolution, in denen im Nahen und Mittleren Osten ein Phänomen zu beobachten war, dass, wie Werner Ende es 1985 beschrieb, als „politisches Erwachen“ der Schiiten bezeichnet werden konnte.40 Allerdings sprach Ende in dem aufgezeigten Kontext vor allem von einer wachsenden „Mobilisierung in (oder Beteiligung an) Bewegungen mit sozialrevolutionärer Tendenz“.41 24 Jahre später sind die einstigen Bewegungen wie die libanesische Hizbullah oder die jung-revolutionäre Islamische Republik Iran zu etablierten Akteuren im regionalen politischen Gefüge geworden, die nicht mehr um das bloße Überleben kämpfen, sondern Fragen wie etwa das Recht der friedlichen Nutzung von Kernernergie auf die internationale Agenda setzen. Auch Yitzhak Nakash ist der Auffassung, dass der Trend innerhalb der Schia, hiermit sind insbesondere Hizbullah und Iran gemeint, weg von Konfrontation und hin zu mehr Dialog mit dem Westen gehe.42 Daher kann heute weniger von einem „Erwachen“ als von einer „Renaissance“ des (politischen) Schiitentums gesprochen werden. Gleichzeitig gibt es verstärkte Bemühungen zur innerreligiösen Annähe38 Maximilian Terhalle hebt diesen Aspekt in seinem Artikel „Are The Shia Rising“ (2007) hervor. 39 Volker Perthes, zitiert nach Avenarius, Tomas, „Das unheimliche Erwachen der Schia“, in: Die Zeit, Nr. 266, 18./19. November 2006, S. 10. 40 Ende, „Sunniten und Schiiten“, 1985, S. 187. 41 Ebd. S. 187. 42 Nakash „Reaching for Power“, 2006, S. 4 21

rung zwischen Sunniten und Schiiten, die sich in Veröffentlichungen und Konferenzen äußern sowie dem Grad, in dem diese wahrgenommen werden. Noch 1997 schrieb Wilfried Buchta in einem Aufsatz, dass seit 1991 nichts auf eine „Neueröffnung eines tragfähigen sunnitisch-schiitischen Dialogs“ hinzudeuten scheint.43 Die Bestrebungen Irans in diese Richtung waren seit 1989 zwar wieder angewachsen, doch vor allem von sunnitischer Seite überwog das Misstrauen gegenüber der Islamischen Republik, insbesondere im Hinblick auf einen befürchteten Revolutionsexport unter dem Deckmantel der innerislamischen Annäherung.44 Allerdings, so schreibt Buchta weiter, gebe es „in jüngster Zeit Anzeichen dafür, daß sich zumindest Ägypten auf dem Feld der islamischen Ökumene (…) herausgefordert fühlt.“45 Seit 2001 und in stärkerem Maße noch ab 2003 kam es dann zu einem stärkeren Aufschwung der Bemühungen, sodass man derzeit wieder von einem tatsächlichen, nämlich beidseitig gewollten und geführten Dialog sprechen kann, obwohl nicht absehbar ist, welche langfristigen Erfolge tatsächlich errungen werden können, da derartige Initiativen immer zuerst von der politischen Motivation der Beteiligten abhingen, und letztlich immer wieder daran scheiterten.

1.2

Literatur- und Quellenlage

Wie schon oben angeklungen, gibt es sehr wenig Sekundärliteratur zum Thema der islamischen Ökumene in westlichen Sprachen – eine Ausnahme stellt hier die bereits erwähnte Monografie des bis 2004 als wissenschaftlicher Assistent am orientalischen Seminar in Freiburg tätigen PD Dr. Rainer Brunner dar. Ebenfalls für eine lange Zeit (1983–2002) in Freiburg lehrend, hat sich Prof. Werner Ende der Thematik in zahlreichen Publikationen gewidmet. Seine Pionierarbeit kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wilfried Buchta leistete vor allem hinsicht43 Buchta, „Teherans Mağmaþ at-taqrīb“, 1997, S. 237. 44 Ebd., S. 235-239. 45 Ebd., S. 238. 22

lich der Erforschung des panislamischen Elements und des Einheitsgedankens für die Außenpolitik der IRI wichtige und grundlegende Arbeit. Bis auf diese und ein paar wenige andere Ausnahmen befasst sich die Wissenschaft aber zumeist eher mit der Konfliktebene und klammert dabei die Annäherungsbestrebungen aus. Die öffentliche Debatte um taqrīb ist daher vor allem eine innerislamische, und die Literatur, die sich aktuell am ausführlichsten mit den Differenzen und Übereinstimmungen der großen Konfessionen innerhalb des Islams beschäftigt, ist zum größten Teil auf Arabisch oder Farsi verfasst. Für diese Arbeit habe ich hauptsächlich arabischsprachige Quellen ausgewertet, da alle Texte der Doha-Konferenz auf Arabisch verfasst sind und sogar Reden iranischer Delegierter entweder direkt auf Arabisch gehalten oder später in schriftlicher Form auf Arabisch übersetzt eingereicht wurden. Der übersichtliche und inhaltlich reiche Internetauftitt der Doha-Konferenz machte eine Auswertung dieser Zusammenkunft erst möglich. Hier wurden neben Pressemeldungen und Selbstbeschreibungen auch die meisten der gehaltenen Reden veröffentlicht, worin sich diese Konferenz von vielen anderen Zusammenkünften gleicher Art in der Vergangenheit abhebt. Der Internetauftritt und die Präsentation in den Medien machten es möglich, dass die Konferenz ein größeres Publikum als bisher erreichen konnte. Der Teil dieser Arbeit, der sich mit der Tagung an sich beschäftigt, basiert hauptsächlich auf einer Sichtung der Reden der Teilnehmer, welche insgesamt mehrere hundert Seiten umfassen. Die Fülle der zur Verfügung stehenden Texte wurde aber dadurch eingeschränkt, dass sich Reden des Öfteren inhaltlich glichen oder ähnelten und zu einem großen Teil dieselben Floskeln und Argumente verwendeten. In die Untersuchung eingeflossen sind daher entweder Reden von bekannten Akteuren oder solchen, die auf der inhaltlichen Ebene durch außergewöhnliche oder auch exemplarische Äußerungen Akzente setzten. Bei der gesamten originalsprachigen Sekundärliteratur ist es notwendig, auf den hohen Grad an Subjektivität und Parteilichkeit hinzuweisen, der die Bezeichnung Sekundärliteratur oftmals nicht zulässt, sondern

23

eher die Beschreibung als Primärquelle rechtfertigt. So wurden viele sogenannte wissenschaftliche Bücher zur Schia publiziert, die sich beim Lesen aber eher als Polemiken entpuppten. Als Beispiel sei hier þAlÍ A½mad as-SÁlÚs genannt, ein Universitätsprofessor an der Êarīþa-Fakultät von Qatar, der für seine ablehnende Haltung gegenüber der islamischen Ökumene bekannt ist46 und ein beinahe 1200 Seiten starkes Buch publizierte, welches den Titel „Maþl-iÝnÁ þašarīya fÍ-l-uÈÚl wa-l-furÚþ – mausÚþa šÁmila“ (Mit der Zwölfer-Schia in den Wurzeln und Zweigen des Rechts [bzw. Rechtsgebiete] – Eine komplette Enzyklopädie) trägt. Sicherlich ist das Werk äußerst umfangreich, aber angesichts von Vorwüfen gegenüber der Schia bereits in der Einleitung des Buches, die unter anderem die Fälschung des Korans und Vergöttlichung der Imame betreffen,47 lässt sich schwerlich von einer wertfreien Arbeit sprechen. Dennoch bietet auch dieses Buch, genau wie viele andere arabischsprachige Bände, viele hilfreiche Hinweise zum Thema, wenn man sich stets die mangelnde Objektivität vor Augen hält. Neben herkömmlicher Literatur wurde, wie bereits in Bezug auf den Onlineauftritt der Doha-Konferenz angeklungen, das Internet für ausgiebige Recherchen genutzt. Hier waren vor allem arabischsprachige Nachrichtenseiten sowie Seiten von bestimmten Personen (z.B. die des saudischen Gelehrten Šaī¿ þAbd ar-Rahmān bin Nāṣir al-Barāk) oder Organisationen von Interesse. Da diese Arbeit einen höchst aktuellen Vorgang bearbeitet, konnte es nicht ausbleiben, dass viele Pressemeldungen Eingang in die Untersuchung fanden. Der Leser möge die Auswertung von Meldungen verschiedener Presseportale nicht als unwissenschaftliche Recherche bewerten, sondern sich vor Augen halten, dass zu aktuellen politischen Entwicklungen oftmals keine anderen Quellen vorliegen, wie auch die Bedeutung klassischer Streitpunkte für den heutigen Konflikt am besten anhand aktueller Aussagen und Artikel verdeutlicht wird. Die vorliegende Untersuchung weist daher, insbesondere im Hinblick auf die 46 As-SÁlÚs war zu Beginn der 80er Jahre in Qatar als Assistenzprofessor tätig, und veröffentlichte in zweiter Auflage 1982 das Buch „Āthār al-imāma fī-l-fiqh alğa‘farī wa uṣūlihi“, die zugleich seine Dissertation darstellte, in der As-SÁlÚs die Unvereinbarkeit von Sunna und Schia darlegen will. Vgl. Ende, „Die Azhar“, 1990, S. 317-318. 47 as-SÁlÚs, „Maþa l-iÝnÁ þašarīya”, 2006, S. 7. 24

Beschreibung der äußeren Rahmenbedingungen des Dialogs, auch keinen klassisch-islamwissenschaftlichen, sondern einen eher politologisch geprägten Charakter auf. Neben der Auswertung von Primär- und Sekundärquellen wurde, sozusagen als Nebenprodukt der Internetrecherche, auch Einblick in diverse Internetforen genommen, in denen über die Annäherung bzw. über den Konflikt zwischen Sunna und Schia diskutiert wird. Dabei ist augenscheinlich geworden, dass sich ein Großteil der Polemiken heute auf das Internet verlagert hat, über das sie ein weitaus größeres Publikum erreichen als die akademischen Diskurse der früheren Tage, und wo sich vornehmlich Nicht-Gelehrte bzw. Laien austauschen. Auf dem Videoportal www.youtube.com beispielsweise finden sich unter Stichwörtern wie Rafidha, Shia etc. zahlreiche Filme mit stark polemischen oder auch demagogischen Inhalten zum Thema Sunna und Schia. Allerdings habe ich eine Auswertung der Foren-Gespräche und Videos nicht direkt in die Arbeit einfließen lassen, da dies den gegebenen Rahmen sprengen würde und eine eigene Untersuchung erfordert hätte. Diese Informationen haben aber ihren Wert und ihre Bedeutung bei der Einordnung der Relevanz des behandelten Themas gehabt.

25

2 Konflikte und Annäherung

2.1

Konflikt

Die Geschichte von Sunna und Schia spielt sich seit jeher zwischen den Polen der Annäherung und des Konfliktes ab. Es scheint daher angebracht zu sein, auf diese beiden Ebenen einzugehen, um die Idee der islamischen Ökumene besser verstehen und einordnen zu können. Zunächst sollen die „Gegenstände der Meinungsverschiedenheit“48 an ausgewählten Beispielen dargestellt werden, um begreifbar zu machen, an welchen wichtigen Punkten sich die Konfessionen unterscheiden, damit darauf aufbauend nachvollzogen werden kann, wo mögliche Akzente in der Annäherungsdebatte gesetzt werden könnten.49 In Bezug auf Doha bedeutet dies, anhand der bisher geleisteten Forschungsarbeit ein Set von Konfliktfaktoren zu erstellen, die dann mit den diskutierten Inhalten auf der Konferenz abgeglichen werden können. Es soll versucht werden, die großen Linien der Konfliktgeschichte in einzelnen Kategorien darzustellen und sie schematisch zu erfassen. Weniger geht es hier um die lose Darstellung einzelner Streitfragen zwischen Sunniten und Schiiten. Denn diese gehen so weit ins Detail, dass sie „dem Bürger einer weitgehend säkularisierten westlichen Industriegesellschaft als nebensächlich“ erscheinen mögen, jedoch „von erheblicher Bedeutung für die Orthodoxen sowohl der Schia als auch der Sunna“ seien, wie Werner Ende trefflich bemerkte.50 Dennoch kann auch hier nicht 48 Werner Ende unterteilt in „Gegenstände der Meinungsverschiedenheiten“ einerseits und „Arten der Behandlung dieser Meinungsverschiedenheiten“ andererseits. Ersteres referiert die inhaltliche Ebene, während Ende mit den Arten der Behandlung vor allem Dialogversuche, aber auch Polemiken meint. Vgl. Ende, „Sunniten und Schiiten“, 1985. 49 Die Bedeutungen der Konfliktebenen sind teils der Literatur entnommen, teils haben sie sich aus persönlichen Gesprächen mit Schiiten und Sunniten herauskristallisiert, die mir ihre Sichtweise des Konflikts erläutert haben. Von meinen Gesprächspartnern gingen wichtige Impulse aus, die es mir erlaubten, die innerislamische Perspektive des Konflikts stärker wahrzunehmen. 50 Ende, „Sunniten und Schiiten“, 1985, S. 191. 26

darauf verzichtet werden, die einzelnen Kategorien des Konfliktes durch Beispiele zu illustrieren. Rainer Brunner schrieb 1996 über den innerislamischen Dissens, dass es diesem an „einer griffigen sozial- bzw. religionswissenschaftlichen Erklärung“51 mangele. Über zehn Jahre später haben sich viele Autoren mit dem Konflikt beschäftigt, aber eine einheitliche Kategorisierung der Konfliktebenen ist dabei noch nicht zutage getreten. Daher soll in diesem Abschnitt ein auf Werner Ende, Rainer Brunner, Hamid Enayat und Moojan Momen aufbauender Ansatz skizziert werden, da sich diese Autoren allesamt hinlänglich mit der Materie beschäftigt haben. Der hier dargestellte Ansatz erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, zielt aber verstärkt auf die gegenwärtige politische Lage ab und bezieht diese in die Betrachtung mit ein. Brunner und Ende sehen die Ursache des Konfliktes hauptsächlich in der unterschiedlichen Wahrnehmung der beiden Konfessionen der islamischen, besonders der frühislamischen Geschichte begründet.52 In seiner Monografie zur Annährung untersucht Brunner vor allem Konfliktlinien der Gelehrten des 20. Jahrhunderts und konzentriert sich auf den Zeitraum vor der iranischen Revolution 1979, insbesondere auf das frühe 20. Jahrhundert bis in die 60er Jahre hinein, und somit auf die Zeit vor der schiitischen Machtergreifung in einem Nationalstaat. Für seine Analyse nahm Brunner eine Aufteilung des Konfliktes in eine historisch-politische und eine rechtliche Dimension vor.53 Hamid Enayat hingegen schlüsselte in historische, theologische, rituelle und rechtliche Streitpunkte auf.54 Bei ihm fehlt dafür die Kategorie der Politik, die bei Brunner mit der Historie verschmolzen war. Momen hat die Unterschiede der Konfessionen insbesondere auf den Gebieten Doktrin, Ritus und soziale Transaktionen beschrieben.55 Ich möchte hier das Politische als eigenständige Komponente betrachten, da sich mit dem Entstehen von Nationalstaaten im Nahen und Mittleren Osten konfessionelle Spannungen in nationaler oder internatio51 52 53 54 55

Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 4, 5, 9-10. Vgl. hierzu Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 1-17. Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 10 f. Enayat, „Modern Political Thought“, 1982, S. 30 f. Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S.172-183. 27

naler Politik ausdrücken, wie ich noch darlegen werde. Völlig zu Recht schrieb Werner Ende: „Auf die jeweilige politische Konstellation kommt es in der Tat an, wenn man verstehen will, warum gewisse inter-konfessionelle Kristen relativ schnell gelöst werden können und andere zu lang andauernden, schweren Auseinandersetzungen führen.“56 Das Element des Politischen hilft daher, das innerislamische Schisma unter dem Blickwinkel moderner Nationalstaatlichkeit, dem prägenden Element des heutigen Konfliktes, zu betrachten. Dem frühzeitlichen politischen Dissens haben viele Autoren ohne Zweifel völlig zu Recht viel Bedeutung beigemessen, denn letztlich liegen die Wurzeln der Spaltung der islamischen Gemeinde in einem unterschiedlichen Geschichtsbild, wenn sich der Konflikt im Laufe der Jahre auch immer mehr mit sozialen, machtpolitischen und ökonomischen Faktoren aufgeladen hat. Für die aktuelle ökumenische Debatte nimmt die ungleiche Wahrnehmung der Geschichte aber weniger Relevanz ein, als zu vermuten wäre. Politische Debatten überlagern den Streit um das richtige Geschichtsbild, wenn auch immer wieder aktuelle politische Geschehnisse im historischen Kontext interpretiert werden, wie sich noch zeigen wird. Eine einführende Darstellung der historischen Dimension des Konflikts ist aber für das Verständnis des Schismas unerlässlich, zumindest für den Leser, der sich noch nicht intensiv mit der Materie beschäftigt hat. Die theologische Ebene, die für Enayats Argumentation Bedeutung hat, spielt in Bezug auf taqrīb ebenfalls eher eine untergeordnete Rolle, da an der Ökumene interessierte Gelehrte, sowohl sunnitische als auch schiitische, diese nicht als problematisch einstufen oder einstufen möchten. Dieser Personenkreis stellt zumeist dar, dass sich beide Konfessionen über die Grundlagen der Religion (uṣūl ad-dīn) einig seien. Die im Iran herausgegebene Enzyklopädie der Schia schreibt hierzu, dass die uṣūl ad-dīn die Basis des Islam darstellen und dass es insgesamt drei aṣl gibt: tauḥīd (Einheit Gottes), Prophetentum und Auferstehung.57 Momen 56 57 28

Ende, „Sunniten und Schiiten“, 1985, S. 188. Art. UÈūl-e dīn wa maªāheb, ES II/245 (Naṣīrī).

stellt allerdings dar, dass die schiitische Definition der Grundlagen der Religion auch die Konzepte der Imamats-Lehre sowie der göttlichen Gerechtigkeit beinhalten würden, in denen sich die Beeinflussung der Schia durch Lehren der Muþtazilīya zeige.58 Dass diese zwei zusätzlichen Grundlagen in der Enzyklopädie der Schia nicht auftauchen, könnte am panislamischen iranischen Anspruch Irans liegen, nicht nur die Schia, sondern die Muslime der Welt zu repräsentieren. Ähnliche Definitionen wie in der Enzyklopädie der Schia – zumeist wird noch der Glaube an die Engel, die Schrift und an die Vorherbestimmung des Schicksals zu den Glaubensgrundsätzen gerechnet – finden sich auch bei sunnitischen Autoren,59 wenn auch das Konzept der uṣūl ad-dīn bei den Schiiten generell eine wichtigere Position einzunehmen scheint als im sunnitischen Islam, in dem die Grundlagen der Religion zumeist im Konzept der þaqīda diskutiert werden.60 Der derzeitige ägyptische Religionsminister Maḥmūd Ḥamdī Zaqzūq, einer der heutigen Annäherungsaktivisten, machte zu den uṣūl ad-dīn folgende Aussagen: „Keine dieser Rechtsschulen [die Zwölferschia, die Ibāḍīya und die Zaidīya] war sich über irgendeine der Grundwerte des Islams uneinig.“ Ferner: „Die angesehenen Rechtsschulen bei Sunna und Schia stimmen auf diesem Gebiet der Dogmen (uṣūl) überein.“61 Wie bereits oben angedeutet, gibt es zu diesem Thema auch deutlich abweichende Positionen, die aber in der Annäherungsdiskussion keine bedeuteunde Rolle spielen.62 Die theologische Ebene nimmt aber auch 58 Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 176-178. Auch as-SÁlÚs begründet seine ablehnende Haltung gegenüber dem Annäherungsprojekt hauptsächlich mit dem Argument, dass das Imamat zur Grundlage der Religion der Schiiten gehöre (as-SÁlÚs, „Maþa l-iÝnÁ þašarīya”, 2006). 59 Z.B. Šaltūt, „Al-islām - þaqīda wa šarīþa“, 1966, S. 19-20. Vgl. auch Buchta, „Teherans Mağmaþ at-taqrīb“, 1997, S. 258. 60 Merlin Swartz schrieb zur Natur der þaqīda: „The Islamic creed or þaqīda (…) is an individual composition and, in the first instance at least, has no force beyond the personal authority of its author. Islam (in its majority, Sunnī form) (…) never gave rise to official institutions or bodies capable of authoritatively defining the content of faith.“ Swartz, „A seven-century (A.H.) Sunnī Creed“, 1973, S. 91. 61 Zaqzūq, „Daur at-taqrīb“, 2007, S. 3: „Wa lam ya¿talif ayy min hāªihi l-maªāhib fī ayy min Ýawābit al-islām“ und „al-maªāhib al-muþtabara ladā ahl as-sunna wa aššīþa fī hāªihi l-mağāl muttafiqa fī uÈūl“. 62 Deutlich mehr Dissens ist naturgemäß in der insbesondere für Sunniten wichtigen weiter ausformulierten theologischen Doktrin (þaqīda) zu finden, die selbst inner29

bei Akteuren, die dem Annäherungsprojekt nicht wohlgesonnen sind, eine untergeordnete Ebene ein, weshalb sich aus der Sicht der modernen Annäherungsdebatte folgende Konfliktlinien ergeben: a) Geschichtsbild b) Rechtsbestimmungen des muþāmalāt-Bereiches (soziale Interaktion) c) Rechtsbestimmungen des þibadāt-Bereiches (Ritus) d) Politik in der modernen Staatenwelt Im Anschluss werde ich nun die Konflikte in jeder Kategorie anhand einiger Beispiele kurz darlegen, wobei der Fokus schließlich auf dem Konflikt im Licht des Nationalstaates stehen wird, was sich auch durch die gesamte Arbeit zieht. Die Auswahl der Beispiele in den einzelnen Kategorien erfolgte anhand von Sekundär- und Primärliteratur sowie von Gesprächen sowohl mit Sunniten als auch mit Schiiten.63 Die Erläuterung der Konflikte erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ist als eine exemplarische und kursorische Verdeutlichung zu verstehen, da eine vollständige Darstellung der Konfliktgeschichte eine eigene, umfassende Arbeit erfordern würde, die es noch zu schreiben gilt. Es wird sich zeigen, dass sich Kategorien oftmals überschneiden. Somit ist die Klassifizierung lediglich eine Orientierungshilfe, um die Schwerpunkte der heutigen Diskussion einfacher einordnen zu können. a) Frühzeitlich-politische Konflikte

Erst aus der unterschiedlichen Interpretation der frühen Geschichte des Islams ergeben sich weitere Differenzen für Theologie, Recht und Ritus, weshalb Brunner für seine Untersuchung zu Recht hier den Schwerpunkt seiner Betrachtungen gesetzt hat. Auch Ende schrieb, dass die verschiedenen Detailfragen des innerislamischen Schismas ineinander verwoben sind, und dass ihnen eine unterschiedliche Wahrhnehmung der islamischen Geschichte zu Grunde liegt.64 Daher soll zunächst mit der historischen Kategorie und hier mit dem halb der Sunna sehr variabel ist. Hier spielen etwa Fragen wie nach dem Antropomorphismus in Bezug auf Gottes Attribute eine wichtige Rolle. 63 An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Gesprächspartnern, die hier nicht alle namentlich genannt werden können, bedanken. 64 Ende, „Sunni Polemical Writings on the Shi‛a and the Iranian Revolution“, 1990, S. 222 30

Streit um die Frage der Nachfolge Muḥammads begonnen werden, die sich nach dem Ableben des Propheten 632 der islamischen Urgemeinde stellte.65 Während eine Fraktion innerhalb der umma, vornehmlich aus Angehörigen der Quraisch bestehend, der Auffassung war, Muḥammad habe keine Nachfolgerregelung getroffen und diese müsse daher durch eine Wahl geklärt werden, gingen die BanÚ HāÊim sowie ein Großteil der medinensischen anÈār davon aus, der Prophet habe seinen Cousin und Schwiegersohn þAlī Ibn Abī Ṭālib zum Führer der Gemeinde ernannt.66 Zunächst setzten sich allerdings þUmar und AbÚ Bakr auf der berühmten Versammlung bei den BanÚ Sāþida durch, und ließen AbÚ Bakr zum Nachfolger Muḥammads wählen.67 So kam es, dass þAlī erst 656, 24 Jahre nach dem Tode des Propheten, zum vierten Kalifen gewählt wurde.68 Diesem Ereignis war die Ermordung des dritten Kalifen UÝmān 656 vorausgegangen. Aufgrund der Nichtverurteilung von dessen Mörder durch þAlī brach die erste fitna (Aufstand, Bürgerkrieg, Unruhe) in der islami65 Dieser Streit ist Momen zufolge „clearly the key question in Shi‛i Islam and the principal factor seperating Shi‛is from the Sunni majority.“ (Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 11). Ausführliche Darstellungen der Spaltung der islamischen Urgemeinde finden sich etwa bei Buchta, „Schiiten“, 2004; Crone, „Political Thought“, 2004; Madelung, „The Succession to Mu½ammad“, 1997; Halm, „Der schiitische Islam“, 1994; Hodgson, „The Venture of Islam“, 1994 oder Watt/Marmura, „Der Islam“, 1985; um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Daher verkürze ich die Beschreibung auf die Punkte, die für ein generelles Verständnis des Problems relevant sind. 66 Schiitischen Gelehrten zufolge soll þAlī die Legitimation zum rechtmäßigen Nachfolger Muḥammads von diesem selbst erhalten haben, was vor allem mit dem ḥadīÝ vom Teich bei ¾umm (ġadīr ¿umm) begründet wird (vgl. u.a. Goldziher, „Muhammedanische Studien“, 1890, S. 115-116; Enayat, „Modern Political Thought“, 1982, S. 4 f.; und Madelung, „The Succession to Mu½ammad“, 1997, S. 253). Gemäß dieser Überlieferung sprach der Prophet zu den Gläubigen: „Der, dessen Herr ich bin, dessen Herr ist auch þAlī (…).“ (Zitiert nach Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 6). Sunnitische fuqahāÿ hingegen betrachten diese Worte „lediglich als Ausdruck allgemeiner Wertschätzung Muḥammads für seinen Schwiegersohn (…).“ Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 10. Vgl. auch Enayat, „Modern Political Thought“, 1982, S. 6; für weitere Überlieferungen zur Nachfolgeregelung zugunsten þAlīs s. Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 11-17 und Goldziher, „Muhammedanische Studien“, 1890, S. 115-118. 67 Vgl. zu diesen Ereignissen die hervorragende Studie von Wilferd Madelung, „The Succession to Mu½ammad“, 1997. Vgl. auch Buchta, „Schiiten“, 2004, S. 14-16. 68 Madelung, „The Succession to Mu½ammad“, 1997, S. 141 ff. Vgl. auch Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 22. 31

schen Gemeinschaft aus, in deren Folge sich große Teile der islamischen Urgemeinde gegen þAlī wandten.69 Aus der frühen Anhängerschaft von Muḥammads Schwiegersohn entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten die Glaubensrichtung im Islam, die als „Partei þAlīs“ (šīþat þAlī) bekannt wurde.70 Es standen sich nach dem Tod also zwei Gruppen gegenüber, die die Nachfolgeregelung nach zwei unterschiedlichen Prinzipien angehen wollten: So hielten die Anhänger þAlīs aus naheliegenden Gründen eine genealogisch geregelte Nachfolge (nasab) für gerecht, da sich so der Herrschaftsanspruch þAlīs als Cousin des Propheten hinreichend begründen ließ. Ignaz Goldziher schrieb zu dieser Thematik: „Die Grundidee, welche diese Partei [Die Anhänger þAlīs] vertrat, ist das Princip der Erblichkeit der prophetischen Würde und der Herrschaft im Reich, welche sie für die Familie Muhammed’s in der Linie der Fāṭima zu erkämpfen streben.“71 Eine andere Fraktion, nämlich diejenige, die Kandidaten unterstützte, die in keinem oder lediglich einem indirekten verwandtschaftlichen Verhältnis zum Propheten standen, bevorzugte eine allgemeine Wahl. Der Kampf um die Nachfolge war insbesondere auch einer zwischen Angehörigen der alten mekkanischen Elite aus dem Stamm der Quraisch ei69 Hodgson, „The Venture of Islam“, 1994, S. 214; Madelung, „The Succession to Mu½ammad“, 1997, S. 141 ff.; Crone, „Political Thought“, 2004, S. 17-32; Halm, „Der schiitische Islam“, 1994, S. 16-16; Nagel, „Die islamische Welt“, 1998, S. 33-38. 70 Die Darstellung ist stark verkürzt. Die heute dominierende Zwölferschia, auch Imāmīya genannt, konstituierte sich erst im Laufe des 10. und 11. Jahrhunderts. Die Herausbildung der Schia als ein komplexes Gedankengebäude verschiedener Strömungen, eben nicht nur der Imāmīya, war ein langwieriger und differenzierter Prozess, der u.a. von Patricia Crone sehr gut nachgezeichnet wird. Vgl. Crone, „Political Thought“, 2004, und ergänzend Watt/Marmura, „Der Islam“, 1985, sowie Momen, „Shi‛i Islam“, 1985. Goldziher äußerte sich zu dieser Thematik wie folgt: „Die Shīþa hat sich erst sehr spät (…) zu einem selbständigen Organismus innerhalb der grossen muhammedanischen Völkergemeinschaft gestaltet. In den ersten Jahrhunderten bildete sie innerhalb der Gesammtgemeinde des Islam eine in viele Kanäle auslaufende oppositionelle Strömung gegen das herrschende Chalifat (…). Von einem Schisma ist in den älteren Zeiten keine Rede, sondern höchstens von einer zu gunsten der ‘alīdischen Prätentionen wirkenden innern Propaganda (…) welche zuweilen zu politischen Umwälzungen und zur Installirung ‘alīdischer Dynastien führte.“ Goldziher, „Muhammedanische Studien“, 1890, S. 110. 71 Goldziher, „Muhammedanische Studien“, 1890, S. 104-105. 32

nerseits und den BanÚ HāÊim (dem nicht sonderlich einflussreichen Clan innerhalb der Quraisch, dem Muhammad entstammte) sowie den medinensischen anÈār andererseits. Deutlich wird die unterschiedliche Bewertung der Relevanz des verwandtschaftlichen Grades zum Gesandten Gottes am Beispiel des Ortes Fadak72 in der Nähe von Medina. Die Einwohner dieses Dorfes waren Juden und handelten mit Muḥammad ein Abkommen aus, in dem ihnen zugestanden wurde, im Dorf zu verbleiben. Der Vertrag besagte aber auch, dass sie die Hälfte ihres Landes und ihrer Erzeugnisse abgeben mussten, und zwar nicht an die muslimische Gemeinde, wie im Fall Khaybar, sondern an den Propheten.73 Nach dem Tod Muḥammads machte nun Fāṭima, die Tochter des Propheten, mit Unterstützung ihres Ehemannes þAlī Ibn Abī Ṭālib Ansprüche auf Fadak als ihr Erbe geltend. Der erste Kalif Abū Bakr wies diese Forderung zurück, was zu einer Verhärtung der Positionen zwischen þAlī und Abū Bakr führte.74 Der Streit um Fadak bleibt in der westlichen Literatur oftmals unerwähnt, abgesehen von Spezialstudien zum Bruch in der islamischen Urgemeinde, wie beispielsweise der von Wilferd Madelung. Im kollektiven Gedächtnis der Schia hat die Usurpation (ġaṣb) Fadaks aber ihren festen Platz.75 So schreiben beispielsweise Muḥammad Bāqer Anṣārī und Hosain Sayyed Rağāÿī in der Einleitung zu „Die Geheimnisse Fadaks“ (pers. asrār-e fadak): „Seit dem Tag, an dem Fadak an Fāṭima durch den eindeutigen Befehl Gottes gegeben wurde, sind Freund und Feind Fāṭimas bekannt geworden.“76 72 Auf die Bedeutung des Streits um Fadak machte mich Herr Ramin Shaghaghi aufmerksam, dem ich an dieser Stelle danken möchte. 73 Art. Fadak, EI II/725 (Vaglieri). 74 Art. Fadak, EI II/725 (Vaglieri). Zur Enterbung der ahl al-Bait vgl. auch Aslan, „Kein Gott außer Gott“, 2006, S. 140 f. und Madelung, „The Succession to Mu½ammad“, 1997, S. 50 ff. 75 Im Buch „Asrār-e fadak“ von Muḥammad Bāqer Anṣārī und Hosain Sayyed Rağāÿī wird das Ungerechtigkeitsempfinden der Schiiten bezüglich der Geschichte um Fadak deutlich. 76 Anṣārī/Rağāÿī, „Asrār-e fadak“, 1997, S. 9: „Az rūz-e ke fadak be amr ¿āṣ-e kudāwand be Fāṭima þiÔā šud, dūst wa dušman-e Fāṭima muþrrifī šudand.“ 33

An dem eindeutigen Befehl Gottes (amr ¿āṣ-e kudāwand), den die Autoren erwähnen, wird auch die religiöse Aufladung deutlich, die Fadak und damit Fāṭima sowie ihre Familie in der schiitischen Literatur erfahren haben. Die Frage, ob eine dynastische oder anderweitig legitimierte Herrschaftsform für die Gemeinschaft der Muslime die richtige sei, kulminierte letztlich in der Imamats- und Kalifatstheorie bei Schiiten bzw. Sunniten.77 Allerdings spielt das Problem nach der richtigen Herrschaftsform für Befürworter der Ökumene in der Betrachtung des heutigen Konflikts zwischen den Konfessionen, der sich in einer von Nationalstaaten geprägten Welt zuträgt, eine untergeordnete Rolle. Der 1936 im ägyptischen Buhaira geborene Publizist Raýab al-Bannā78 schrieb hierzu: „Das heutige Zeitalter unterscheidet sich vom Zeitalter der Auseinandersetzung in der Anfangszeit des Islams oder im Zeitalter der Staaten der Umayyaden oder þAbbāsiden. Wir leben heute im Zeitalter, in dem die Völker frei sind, ihre Herrscher zu wählen – im demokratischen Zeitalter. Und nur über den Weg der Wahlurnen erfolgt die Wahl des Herrschers, und er hat die politische Macht inne, nicht aber die religiöse.“79 Anders sieht es þAlÍ A½mad as-SÁlÚs, der die Bedeutung der ImamatsTheorie für die Schiiten hervorhebt und hierin den deutlichsten Widerspruch zur sunnitischen Konfession sieht. Zwar schreibt auch as-SÁlÚs, dass eine Meinungsverschiedenheit von gestern nicht die Annäherung von heute behindern dürfe, schiebt aber nach, dass er zu seinem eigenen 77 Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 147. Es sei allerdings daran erinnert, dass auch innerhalb der sunnitischen Herrschaftshäuser bei Fragen nach der Legitimität das Argument der Erbberechtigung angeführt wurde. So etwa von den Abbassiden gegenüber den Umayyaden, welche ihrerseits wieder versuchten „für die Berechtigung ihrer Dynastie genealogische Momente ins Treffen zu führen“. Goldziher, „Muhammedanische Studien“, 1890, S. 99 78 Biografische Informationen zu al-Bannā finden sich auf dessen Website http:// www.ragabelbanna.com/elbanna005.htm (abgerufen am 07.05.2008). 79 al-BannÁ, „Aš-šÍþa wa-s-sunna“, 2005, S. 6: „Wa-l-þaÈr al-½ā±ir mu¿talif þan þaÈr ali¿tilāf þalā al-½ukm fī Èadr al-islām au fī þaÈr ad-daula al-umawīya au al-þabbāsīya. Na½nun al-ān fī þaÈr ½urriyat aÊ-ÊuþÚb fī i¿tiyār ½ukkāmihā… þaÈr ad-dīmuqrāÔīya. Wa þan Ôarīq ÈundÚq al-inti¿ābāt wa½da-hu yatamm i¿tiyār al-½ākim wa lahu sulÔa siyāsīya wa laisat sulÔa dīnīya.“ 34

Bedauern herausgefunden habe, dass die Imamats-Lehre im schiitischen Recht ihre Spuren hinterlassen und diese verdorben habe, sodass er sich fragt, wie unter diesen Umständen eine Annäherung stattfinden könne.80 Da die Schiiten an der genealogischen Nachfolge festhielten, gelten für sie nur die Nachkommen þAlī Ibn Abī Ṭālibs und seiner Frau Fāṭima als wahre Führer der Gemeinde (imām). In der zwölferschiitischen Lehre, auch ğaþfarīya81 oder iÝnā þašariya (arab. für „Zwölfer“) genannt,82 bricht dieser Stammbaum beim zwölften Imam Muḥammad al-Mahdī ab.83 Die Imame nehmen in der schiitischen Theorie von leadership (Führung) eine zentrale Rolle ein. Sie sind definiert als die von Gott erwählten Führer aller Muslime in religiösen und weltlichen Angelegenheiten.84 Bedingungen für das Imamat sind eine Reihe von Attributen, über die der Imam verfügen muss. Die herausragendste Eigenschaft ist hierbei die Sündlosigkeit (maþṣūm),85 was neben der zugeschriebenen Kenntnis des Verborgenen (þilm al-ġaib) von sunnitischer, besonders wahhabitischer Seite heftig als polytheistische Position bzw. als Beigesellung Gottes (širk)86 kritisiert wird.87 Tatsächlich ist die schiitische Doktrin hier besonders abweichend von der sunnitischen und geht stark ins Mystische. So heißt es in der schiitischen Tradition, dass Muḥammad, Fāṭima und alle Imame, einschließlich þAlī, bereits vor der Schaffung Adams und der Menschheit aus einem göttlichen Licht erschaffen wurden.88 Diese 80 As-SÁlÚs, „Maþa l-iÝnÁ Ášarīya“, 2006, S. 5. 81 Der Begriff ğaþfarīya leitet sich vom 6. Imam Ğaþfar aṣ-Ṣ̣ādiq (702-765), der als Begründer des schiitischen Rechts gilt, ab. Vgl. Halm, „Der schiitische Islam“, 1994, S. 36. 82 Halm, „Der schiitische Islam“, 1994, S. 42. 83 Vgl. zum Thema der zwölf Imame Buchta, „Schiiten“, 2004, S. 17-23. Auf den Seiten 20-21 findet sich hier auch eine übersichtliche Tabelle mit Namen, Todesjahren und Grabstätten der Imame. Eine gute genealogische Übersicht über die zwölf Imame gibt die Tabelle von Heinz Halm (Halm, „Der schiitische „Islam, 1994, S. 35). 84 Art. Emām, ES II/331. Vgl. zur Imamats-Theorie Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, Kap. 7, S. 147-171. 85 Art. Emām, ES II/331-332. 86 Vgl. Art. Shirk, EI IX/484-486 (Gimaret). 87 Vgl. hierzu Bar, „Sunnis and Shiites“, 2005, S. 90-91; Enayat 1982, S. 34 f.; Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 11; Halm, „Der schiitische Islam“, 1994, S. 43. 88 Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 148 f. 35

Mystifizierung lässt die Kritik sunnitischer Konservativer und Puristen oftmals besonders hart ausfallen, sodass beispielsweise der bereits erwähnte þAlÍ A½mad as-SÁlÚs einigen schiitischen Gelehrten eine Vergöttlichung der Imame vorwirft.89 Aus der hohen Stellung der Imāme in der Schia resultiert eine weitere Konfrontationslinie mit dem sunnitischen Islam. Nach der Auffassung großer Teile der Schiiten wurden alle Imāme (bis auf den 12. Imām Mahdī) von sunnitischen Gegenspielern ermordet.90 Beispielhaft zu nennen ist das Martyrium des dritten Sohnes von þAlī, Ḥusain, das die Vorlage für die Muḥarram-Prozessionen91 bildet. Ḥusain wurde 680 bei der Schlacht von Karbalāÿ von den Truppen des Umayyaden-Kalifen Yazīd ermordet. Aus dieser Besonderheit der Schia, der Imamats-Theorie, ergibt sich ein spezielles Verhältnis zur politischen Herrschaft. Denn nachdem der zwölfte Imam nach zwölferschiitischer Überlieferung 874 in die Verborgenheit (ġaiba) entschwunden war, entfiel auch jeglicher weitere Anspruch auf die rechtmäßige weltliche Herrschaft.92 Allerdings besagt diese Doktrin nicht, dass auch in der Praxis jegliche staatliche Institution bekämpft werden müsse. Im Gegenteil gibt es sogar die Pflicht zum Gehorsam gegenüber den staatlichen Autoritäten, die allerdings dann entfällt, wenn sich der Herrscher tyrannisch und entgegen den Vorschriften der šarīþa verhält.93 Das durchaus wandelbare Verhältnis der Schia zur weltlichen Herrschaft im Laufe der Geschichte lässt sich nach Heinz Halm mit der jeweils herrschenden Obrigkeit erklären. So sah sich die Schia zunächst durch sunnitische Kalifen von der Teilhabe an der Macht ausgeschlossen.94 Mit dem Aufstieg der Familie der Buyiden (945–1055) zum Oberbefehlshaber der Armee unter abbasidischem Kalifat und der Einrichtung 89 as-SÁlÚs, „Maþ al-iÝnÁ þašarīya“, 2006, S. 7. 90 Vgl. Die Tabelle von Buchta, „Schiiten“, 2004, S. 20/21 und Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 14 91 Zu den Muḥarram-Prozessionen siehe Buchta, „Schiiten“, 2004, S. 61 ff. 92 Buchta, „Schiiten“, 2004, S. 25: „Seit dem Jahr 874 ist nach schiitischen Vorstellungen nicht nur die Schia, sondern die gesamte islamische umma ohne legitimes Oberhaupt.“ 93 Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 170/171, 191 und 193. 94 Halm, „Der schiitische Islam“, 1994, S. 101-102. 36

eines Gegenkalifats durch die ismāþīlitischen Fatimiden fanden sich die schiitischen Gemeinden vor allem im 10. Jahrhundert in neuen Situationen wieder. Eine Mitarbeit in der Regierung wurde nun möglich, was zu Versuchen der religiösen Legitimierung führte.95 Aus dem Streit um die Nachfolge des Propheten ergibt sich schließlich die unterschiedliche Bewertung der Prophetengefährten, der Èa½Ába.96 Nach Ansicht der Schiiten hat sich der größte Teil von ihnen gegen den Islam gewandt, als sie die von Gott gewollte Nachfolge þAlīs ablehnten.97 Für die sunnitische Richtung hingegen spielen die Èa½Ába eine bedeutende Rolle, und sie werden noch immer verehrt.98 Besonders die unterschiedliche Bewertung von Muḥammads Lieblingsfrau þĀÿīša, zugleich Tochter Abū Bakrs, durch Sunniten und Schiiten eignet sich in diesem Kontext gut zur Verdeutlichung. Während die Sunniten sie als Lieblingsfrau des Propheten und Mutter der Gläubigen (umm al-muÿminīn) verehren,99 halten sie die Schiiten für besonders schändlich, da sie sich gegen þAlīs Kalifat gewendet und, wie Momen anmerkt, „a long standing grudge against þAlī“ hatten.100 Die Verehrung für þĀÿīša macht sich unter anderem in den drastischen Strafzumessungen deutlich, welche die Juristen der vier sunnitischen Rechtsschulen für die Schmähung þĀÿīšas vorsehen.101 Am schärfsten urteilen dabei die Mālikiten. Deren Begründer Mālik Ibn Anas wird die Aussage zugeschrieben, dass jeder, der þĀÿīša verunglimpft, mit dem Tode zu bestra95 96

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Halm, „Der schiitische Islam“, 1994, S. 108-110. Buchta sieht in diesem Streit sogar, und wahrscheinlich zu Recht, den „zweitwichtigsten Streitpunkt“ zwischen Sunniten und Schiiten (Buchta, „Schiiten“ 2004, S. 60). Für die Zeit bis ins Mittelalter dokumentiert Etan Kohlberg diesen Streit ausführlich und detailliert (Kohlberg, „Views on the Ṣaḥāba“, 1984). Buchta, „Schiiten“, 2004, S. 60. Ein Beispiel aus der neueren arabischen Literatur liefert ¾ālid Muḥammad ¾ālid mit seinem Buch „Ar-riğāl ḥaula ar-rasūl“, 2005, das von der großen Liebe zeugt, die den ṣaḥāba von Seiten der Sunniten noch heute zuteil wird. Vgl. auch al-Qara±āwī in einer Rede, die am 31.8.2006 auf al-Jazeera ausgestrahlt wurde und in der al-Qara±āwī die Bedeutung des Streites um die ṣaḥāba mehrmals unterstreicht. Siehe hierzu http://www.memritv.org/clip/en/1324.htm . Vgl. auch BurhÁmÍ, „IþtiqÁd ahl as-sunna“, 2006, S. 451 f. Vgl. þAbd al-Ġafūr, „Nisāÿ“, 2000, S. 10-23. Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 24. Siehe hierzu Kohlberg, „Views on the Ṣaḥāba“, 1984, S. 174-175. 37

fen sei, während die Verfluchung Abū Bakrs lediglich Peitschenhiebe als Sühne erfordere.102 Bereits in der islamischen Welt des Mittelalters wurde der Streit um die Prophetengefährten immer wieder politisch instrumentalisiert. So erließ beispielsweise der fāṭimidische Kalif al-Ḥākim 1005 n.Chr./395 h. einen Erlass, dass alle Moscheen, Mauern und Bogengänge in Kairo mit Verwünschungen unter anderem gegen Abū Bakr, þUmar, þUÝmān, Muþāwiya, aber auch gegen die Kalifen der þAbbāsiden verziert werden sollten.103 Diese Anordnung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass „die Fatimiden [alles daran] setzten, die Herrschaft der Abbasiden zu untergraben.“104 Ein Hinweis auf die politische Dimension findet sich ebenfalls bei Etan Kohlberg, der schreibt, dass die Schiiten gegenüber „pro-Ṣaḥāba traditions“105 oftmals den Vorwurf erheben würden, diese seien während der Umayyaden-Dynastie erfunden worden.106 Wie wichtig der Streit um die Bewertung der Gefährten auch heutzutage ist, lässt sich anhand des Buchs „Al- Minna – Šar½ iþtiqÁd ahl assunna“ (Die Gnade – Darlegung des sunnitischen Dogmas) ablesen. Der Autor YÁsir BurhÁmÍ,107 ein salafitischer Shaikh aus Alexandria, der dort noch heute in einer Moschee lehrt, erklärt die Liebe zu den Gefährten 102 Kohlberg, „Views on the Ṣaḥāba“, 1984, S. 174. 103 Kohlberg, „Views on the Ṣaḥāba“, 1984, S. 169. Weitere Beispiele zur politischen Dimension der Verfluchungen finden sich ebd., S. 168-169. 104 Nagel, „Die islamische Welt“, 1998, S. 72. Zur Dynastie der Fatimiden siehe für eine Kurzdarstellung ebd., S. 69-73 und für eine ausführliche Studie Heinz Halm, „Die Kalifen von Kairo“, 2003. 105 Kohlberg, „Views on the Ṣaḥāba“, 1984, S. 157. 106 Kohlberg, „Views on the Ṣaḥāba“, 1984, S. 157-158. 107 BurhÁmÍ wurde 1958 in Alexandria/Ägypten geboren. Er hat eigenen Angaben zufolge eine Ausbildung als Kinderarzt absolviert. Seit 1999 soll er Inhaber einer „Sharia-Lizenz“ sein. Er betreibt die Internetseite salafvoice.com, wo auch Predigten von ihm im Audioformat abrufbar sind. BurhÁmÍ scheint auch an Nicht-Ägypter bzw. nicht arabisch-sprechende Muslime Unterricht zu geben, worauf die Einträge vom User abdalmutakkabir im Forum arabicinegypt.wordpress.com hindeuten: „Allah [SWT] honored me to be able to attend the duroos of Shaikh Yasir Burhami.“ (www.arabicinegypt.wordpress.com, abgerufen am 19.05.2009). Insgesamt scheint BurhÁmÍ die neuen Medien sehr intensiv zu nutzen, was auch seine eigene Facebook-Seite belegt, auf der neben Fotos auch eine Biografie BurhÁmÍs zu finden ist. www.facebook.com/pages/-/36954257786?v=info&viewas=o, abgerufen am 20.05.2009 38

(hubb as-Èa½Ába) zu einem Teil des Glaubens an Gott, den Propheten, den Koran und den Tag des jüngsten Gerichtes („ºuzÿ min al-ÍmÁn bi-llÁh, wa bi-r-rasÚl, wa bi-l-qurÿÁn al-þaãÍm wa bi-l-yaum al-Á¿ir“).108 Nachdem BurhÁmÍ die Relevanz der hubb as-Èa½Ába erklärt hat, fährt er fort, die Gefährlichkeit der Schia darzulegen, die er als die heftigsten Feinde der ahl as-sunna und als Feinde Gottes bezeichnet.109 Nun könnte man diese Aussagen einem radikalen ägyptischen Shaikh zurechnen, der die Glaubenslehre der frommen Vorfahren (þaqÍdat as-salaf) als die einzig Wahre bezeichnet.110 Allerdings ist die Bereitschaft zur Akzeptanz dieses Gedankengutes auch im orthodox-sunnitischen Islam durchaus verbreitet, wie die Urkunde der Al-Azhar Islamic Research Company zeigt, die bei BurhÁmÍ abgedruckt ist. In der Urkunde vom 22.06.2006 wird bezeugt, dass das vorliegende Werk nicht gegen die islamischen Glaubensgrundsätze (þaqÍda islÁmīya) verstoße, und dass sein Druck erlaubt sei.111 b) Rechtsbestimmungen des muþāmalāt-Bereiches: taqīya und mutþa

Die unterschiedliche Wahrnehmung der Geschichte führt zu einer je eigenen schiitischen und sunnitischen Rechtsmethodik (uṣūl al-fiqh),112 woraus sich unterschiedliche Rechtsbestimmungen, insbesondere auf dem Feld der sozialen Interaktion (muþāmalāt), ergeben.113 Die unterschiedlichen Methodiken lassen sich am Beispiel der Rechtsquelle ½adīÝ – im Sinne Goldzihers als Einzelüberlieferungen der Sunna – verdeutlichen. Für beide Konfessionen spielen die Überlieferungen des Propheten eine große Rolle in der Jurisprudenz. Besonders innerhalb der vier sunnitischen Rechtsschulen Hanafiten, Hanbaliten, Malikiten und Schafiiten wird dem Propheten-½adīÝ eine enorme Bedeutung

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BurhÁmÍ, „IþtiqÁd ahl as-sunna“, 2006, S. 451. Ebd., S. 452-453. Ebd., S. 23. Ebd., S. 4. Die Rechtsmethodiken unterscheiden sich aber auch zwischen den sunnitischen Rechtsschulen naturgemäß stark. 113 Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 181. 39

in der Rechtsfindung zugemessen, und er gilt nach dem Koran als eine der beiden Primärquellen.114 Auch in der schiitischen Jurisprudenz spielen die Überlieferungen Muḥammads zwar eine große Rolle und werden ähnlich der sunnitischen Auffassung bewertet, allerdings werden sie durch das Imam-½adīÝ ergänzt.115 Hierbei handelt es sich um Überlieferungen der Imame, die entweder auf deren Aussprüche und Handlungen reflektieren können oder aber auf solche des Propheten.116 Diese spezifisch schiitischen Überlieferungen sind auch im aktuellen Diskurs Gegenstand der Kritik, auch von Sunniten, die dem Annäherungsprojekt nicht generell feindlich gegenüberstehen.117 Andererseits wird ein Großteil des sunnitischen ½adīÝ-Korpus, zumeist Traditionen, die von den ÈahÁba übermittelt wurden, von der Schia abgelehnt.118 Insgesamt haben sich in beiden Konfessionen also eigene ½adīÝ-Traditionen und unterschiedliche Rechtsmethodiken herausgebildet, was im Falle der a½ādīÝ mit der zugrundegelegten Glaubwürdigkeit der Überlieferer und der Bewertung der Gefährten des Propheten zusammenhängt.119 Weitere Unterschiede auf dem Gebiet der Rechtsmethodik betreffen beispielsweise Form, Zulässigkeit und Geltung der eigenständigen Rechtsfindung durch den eigenen Verstand (iğtihād) sowie den Konsens (iýmāþ). Im Folgenden gehe ich nun kurz und exemplarisch auf die Rechtsbestimmungen der taqīya und mutþa ein, die immer wieder im Zusammen114 Krawietz, „Hierarchie der Rechtsquellen“, 2002, S. 115-181. 115 Für einen Überblick über das schiitische Überlieferungsverständnis vgl. Löschner, „Éīþitisches Recht“, 1971, S. 91 ff. In der schiitischen Begrifflichkeit wird eine terminologische Trennung zwischen Imam-Hadithen (½adīÝ walawī) und ProphetenHadith (½adīÝ nabawī) vorgenommen. 116 Art. Hadith in Shiþism, EIR XI/447 (Kazemi-Moussavi). 117 So bezeichnete beispielsweise Yūsuf al-Qaraḍāwī in einem Interview mit der ägyptischen Tageszeitung al-MaÈrī al-Yaum im September 2008 die unterschiedliche Bewertung der Sunna als einen bedeutenden Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten, neben divergierenden Ansichten zu den Èa½Ába und zum Koran. Vgl. www.almasry-alyoum.com/printerfriendly.aspx?ArticleID=177870, abgerufen am 08.12.2008. 118 Art. Hadith EIR/444 (Ahmed). 119 Art. Hadith, EIR XI/442-447 (Ahmed) und Art. Hadith in Shiþism, EIR XI/447-449 (Kazemi-Moussavi) und Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 173-174. 40

hang mit dem innerislamischen Zwist genannt werden und dem Bereich der muþāmalāt zugehörig sind. Nach Bahāÿ ad-Dīn ¾orramšāhī, einem Autoren der iranischen Enzyklopädie der Schia, bedeutet taqīya die Verleugnung des Glaubens zur eigenen Existenzsicherung.120 Das schiitische Recht legitimiert die Glaubensverstellung mit Versen aus dem Koran, die sich explizit oder implizit auf die taqīya beziehen.121 Zudem wird die taqīya als eine dem Menschen innewohnende Verhaltensweise (riftār-e Ôabīþī) beschrieben, derer man sich aber nur unter Bedingung des starken Glaubens bedienen dürfe.122 Das Verstecken des Glaubens als Teil des Dogmas und der übermäßige Gebrauch von dieser Möglichkeit wurde den Schiiten immer wieder von sunnitischer Seite vorgeworfen.123 Allerdings ist es sowohl nach schiitischem wie auch nach sunnitischem Verständnis durchaus zulässig, sich in bestimmten Situationen zu verstellen,124 wenn auch die Schiiten in der Geschichte am ausgiebigsten von diesem Grundsatz Gebrauch gemacht haben.125 Dieser Fakt ist aus der historisch bedingten Lage der Schia als zumeist unterdrückte Minderheit bzw. als Minorität in einem sunnitisch dominierten Umfeld durchaus erklärbar.126 Die schiitische Tradition bezieht sich in ihrer Glaubensverhüllung bereits auf þAlī Ibn Abī Ṭālib, dessen Verhalten in den 25 Jahren, die zwischen dem Tod des Propheten und þAlīs Amtsantritt als Kalif verstrichen waren, als taqīya interpretiert wird.127 Etan Kohlberg führt ein amüsantes Beispiel auf, das die Verstellung 120 Art. Taqiyya, ES II/38 (¾orramšāhī). 121 Ebd., S. 38. Als ein Beispiel nennt der Autor an dieser Stelle Sure 16 (an-naḥl), Vers 106. 122 Ebd., S. 38. 123 Vgl. u.a. as-SÁlÚs, „Maþ al-iÝnÁ Ášarīya“, 2006, S. 311-316. Für eine neutralere sunnitische Darstellung des Konfliktpunktes der taqīya s. auch al-BannÁ, „Aš-šÍþa wa-s-sunna“, 2005, S. 86-88. 124 Art. Taḳiyya, EI X/134-136 (Strothmann) und Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 15. 125 Art. Taḳiyya, EI X/135, (Strothmann) und Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 15. 126 Ḥamīd þInāyat, zitiert in Art. Taqiyya, ES II/38 (¾orramšāhī). 127 Art. Taḳiyya, EI X/135 (Strothmann). 41

demonstriert:128 Ein Schiit wurde in Anwesenheit des sechsten Imams Ğaþfar aÈ-Æādiq (702–765) von einem Sunniten nach seiner Meinung über die al-þašara al-mubaššarūn129 gefragt. Der Schiit antwortete, dass jeder, der einen der Gefährten hasse, von Gott und den Engeln verflucht werden solle. Der Sunnit gratulierte ihm zu diesem Standpunkt und entfernte sich, worauf hin Ğaþfar aÈ-Æādiq dem Schiiten wiederum zu dessen vorzüglicher Tarnung seines wahren Glaubens gratuliert haben soll. Denn da auch þAlī den Gefährten und den al-þašara al-mubaššarūn zuzurechnen ist, war es nur angemessen, Gottes Fluch über diejenigen zu erflehen, die þAlī verfluchten. Dieses Beispiel ist nur ein einziges aus einer langen Reihe von wahren oder angenommenen Fällen der Glaubensverleugnung durch Schiiten. Die häufige Anwendung der taqīya durch Schiiten führte dazu, dass Sunniten die Anhänger der Schia unter den Generalverdacht der Unaufrichtigkeit stellten und stellen.130 In Anbetracht solcher Vorwürfe zweifelte Werner Ende dann auch am „Sinn und Ergebnis eines jeden Dialogs zwischen Sunniten und Schiiten“, da letztlich alle Annährungsversuche seitens Schiiten von sunnitischen Polemikern mit dem Hinweis auf deren mögliche Verstellung abgewiesen werden können.131 Eine andere Rechtsbestimmung, die unter Sunniten großen Unmut hervorruft, ist die sogenannte Zeitehe (mutþa; im persophonen Raum nach der Form des Vertrages Èi™a genannt).132 Der sunnitische annäherungsfreundliche ägyptische Autor Raºab al-BannÁ nennt die mutþa den zweiten essenziellen Streitpunkt zwischen Sunna und Schia, neben der Frage nach der rechtmäßigen Herrschaft.133 Die Zeitehe sieht vor, dass Mann und Frau für einen bestimmten Zeitraum, und oft auch für einen 128 Die folgende Begebenheit findet sich bei Kohlberg, „Views on the Ṣaḥāba“, 1984, S. 168. 129 Es handelt sich hierbei um die Bezeichnung für die zehn Prophetengefährten, denen der direkte Weg ins Paradies versprochen wurde. Dabei handelt es sich neben þAlī auch um dessen Konkurrenten Abū Bakr, þUmar und þUÝmān. Das Konzept der alþašara al-mubaššarūn wird daher von den Schiiten abgelehnt (vgl. Kohlberg, „Views on the Ṣaḥāba“, 1984, S. 168). 130 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 15. 131 Ende, „Sunniten und Schiiten“, 1985, S. 192. 132 Vgl. für eine ausführliche Behandlung des Themas Ende, „Ehe auf Zeit“, 1980. 133 al-BannÁ, „Aš-šÍþa wa-s-sunna“, 2005, S. 5-6. Vgl. nähere Ausführungen zur schiitischen Zeitehe bei al-BannÁ, ebd., S. 89-92. 42

festgelegten Geldbetrag, heiraten dürfen. Die schiitische Jurisprudenz beruft sich darauf, dass dies zu Zeiten des Propheten erlaubt gewesen sei, und zitiert dazu auch den Koran, Sure 4, Vers 24. 134 Nach sunnitischer Auffassung ist dieser Brauch aber schlichte Prostitution.135 Allerdings lehnen ihn auch die schiitischen Konfessionen der Zaiditen und Ismaeliten als verboten (½aram) ab.136 Darüberhinaus gibt es auch eine weitgehende innerschiitische Kritik an dieser Institution, wie Werner Ende aufzeigt.137 Für den Irak in den 1930er Jahren führt Karl-Heinrich Göbel an, dass sich die Angriffe gegen die mutþa auch mit der Angst der Sunniten vor einem Anwachsen der schiitischen Gemeinde im Irak begründen lassen, da die Zeitehe eine besonders hohe „sozialpolitische Attraktivität“ besitze.138 Diese Aussage trifft sicherlich nicht nur auf den Irak und die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zu, sondern kann als zeit- und raumunabhängig eingestuft werden. Aus rechtlicher Sicht ist insbesondere hervorzuheben, dass dem Streit um die Zeitehe die unterschiedliche Bewertung der Prophetengenossen bei Sunniten und Schiiten zugrunde liegt. So ist es zwar sunnitischer Konsens, dass die mutþa zu Zeiten des Propheten erlaubt war, aber von Mu½ammad und später vom zweiten Kalifen þUmār bin al-¾aÔÔāb verboten wurde.139 Gerade das Verbot durch þUmār dient wiederum den Zwölferschiiten auch als Gegenargument zum Verbot der Zeitehe, denn ihrer Auffassung nach verfügt þUmār nicht über die Autorität, ein solches aus-

134 Ende, „Ehe auf Zeit“, 1980, S. 4 und Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 182-183. 135 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 16, Buchta, „Schiiten“, 2004, S. 59/60 und Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 182-183. Während Brunner die mutþa als schwerwiegende Differenz in der Rechtsauslegung der Konfessionen betrachtet, schreibt Buchta, dass die Frage der Zeitehe heute an Bedeutung verloren hat. 136 Ende, „Ehe auf Zeit“, 1980, S. 4. 137 Ende, „Ehe auf Zeit“, 1980, S. 8 ff. 138 Göbel, „Moderne Schiitische Politik“, 1984, S. 34. Auch Ende führt diese Argumentation an, lässt sie aber für das Gebiet des heutigen Irak im 19. Jahrhundert gelten. Hier hätten sich Sunniten die Frage gestellt, weshalb schiitische Missionierungsarbeit unter den irakischen Stämmen auf fruchtbaren Boden stieß. Eine Antwort hierauf lautete, dass die Zeitehe die zwölferschiitische Lehre für die Beduinen attraktiv mache. Ende, „Ehe auf Zeit“, 1980, S. 29. 139 Ende, „Ehe auf Zeit“, 1980, S. 4. 43

zusprechen.140 Weiterhin spielen Fragen nach der Authentizität von Überlieferungen eine wichtige Rolle für die unterschiedlichen Auffassungen zur Zeitehe, ebenso wie ein Streit um die richtige Lesart des betreffenden Koranverses 4:24 sowie weitere Fragen zur Quellenüberlieferung und Interpretation.141 c) Ritual als Veralltäglichung des abstrakten Konflikts – Die Ebene der þibādāt

Das Ritual (þibādāt, wörtl. Anbetung)142 gehört, klassisch und korrekt eingeteilt, zum Bereich der Jurisprudenz. Allerdings manifestieren sich in ihm abstrakte rechtliche Normen im Alltag der Gläubigen. So konnte ich beispielsweise während meines Aufenthaltes in Alexandria im Frühjar 2008 beobachten, wie die unterschiedlichen Gebetsabläufe der Schiiten dazu führten, dass diese als solche erkannt wurden und so die Unterschiedlichkeit der Konfessionen den Gläubigen direkt vor Augen geführt wurde. Somit offenbart sich in der Anbetung, unter die weit mehr als nur das Pflichtgebet fällt, auch der abstrakte Gegensatz zwischen Sunna und Schia auf der rechtlichen Ebene in sichtbaren Handlungen. Demzufolge kann man die ‘ibādāt ins diesem Rahmen als eigenständige Dimension, nämlich als Manifestation des Konflikts betrachten. Daher soll dieser Bereich auch abgekoppelt von juristischen Fragen, lediglich zur Illustration der unterschiedlichen Ausübung von Religion der beiden Konfessionen, dargestellt werden. Insbesondere die Trauerrituale während des Monats Muḥarram, hauptsächlich am þāšūrāÿ-Tag, stoßen auf Unverständnis seitens der Sunniten.143 Bereits seit dem Mittelalter kommt es am þāšūrāÿ-Tag immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Sunniten und Schiiten.144 Vor al140 Ende, „Ehe auf Zeit“, 1980, S. 6. 141 Ende, „Ehe auf Zeit“, 1980, S. 4 ff. 142 Vgl. Art. þIbÁdÁt EI III/647-648 (Bousquet). Für eine detaillierte Darstellung der Bestimmungen der þibÁdÁt bei den vier sunnitischen Rechtsschulen und der Zwölferschia vgl. Mu™tiyya, „Al-Fiqh“, 2007, S. 13-243. Vgl. für eine Gegenüberstellung von sunnitischen und schiitischen þibādāt auch Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 178-180. 143 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 13-14. 144 Halm berichtet etwa von solchen Konfrontationen in Bagdad während der Zeit, in der die Familie der Buyiden das Amt des Oberbefehlshabers der Armee innehatte (945-1055). Halm, „Der schiitische Islam“, 1994, S. 109. 44

lem die Selbstgeißelungen stehen im Zentrum der Kritik und wirken auf Nicht-Schiiten oftmals barbarisch und fanatisch.145 Darüber hinaus werden die Wallfahrten146 (ziyāra) zu den Grabstätten der Imame und deren Nachkommen (persisch: emāmzāde) von den Sunniten als Gräberkult angegriffen, insbesondere seitens der WahhabÍya. Peter Heine schrieb hierzu: „Ein großer Teil der schiitischen Rituale ist auf Heilige bezogen. Gräberkulte in verschiedenen heiligen Stätten (…) sind mit vielfältigen religiösen Vorstellungen verbunden, die für Sunniten im allgemeinen und für radikale Sunniten im besonderen nicht akzeptabel sind.“147 Allerdings weist Heine im selben Aufsatz korrekterweise darauf hin, dass auch die sunnitisch-mystische Heiligenverehrung von Anhängern der Salafīya heftig kritisiert wird.148 Die Kritik an Gräber- und Heiligenkult ist insofern kein spezifisch sunnitisch-schiitischer Streitpunkt, sondern auch innerhalb der sunnitischen Welt virulent.149 So war der Vormarsch des Wahhabismus auf der arabischen Halbinsel ab dem 18. Jahrhundert von steten Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der Lehre Mu½ammad Ibn þAbd al-Wahhabs geprägt.150 Allerdings richtete sich der Wahhabismus seit seinen Anfängen auch immer sehr speziell gegen die Anhänger der Schia, die er dafür verantwortlich machte, den Gräberkult im Islam etabliert zu haben.151 Auch den Bereich der verpflichtenden Gebete betreffend gibt es eine ganze Reihe von Bestimmungen, die sich bei Schiiten und Sunniten unterscheiden und jeweils den Unmut der anderen Seite hervorrufen. An dieser Stelle seien daher exemplarisch nur einige genannt. Laut schiitischer Rechtslehre ist es zulässig, Gebete aus Zeitgründen, 145 146 147 148 149

Buchta 2004, S. 61. Hierzu siehe Halm, „Der schiitische Islam“, 1994, S. 46. Heine, „Islamismus“, 2006, S. 8. Ebd., S. 12. Zum Gräberkult bei Schiiten und Sunniten vgl. insbesondere die einfühlsame und hervorragende Beschreibung muslimischer Religiosität bei Schimmel, „Die Zeichen Gottes“, hier insbes. S. 76 ff. 150 Commins, „The Wahhabi Mission“, 2006, S. 7-70. 151 Ebd., S. 16. 45

ohne jede weitere Rechtfertigung zusammenzulegen.152 Diese Praxis lehnen alle vier sunnitischen Rechtsschulen ab.153 Ein weiterer Unterschied beim Gebet betrifft den Untergrund der Niederwerfung (suºÚd), die laut Sunna nicht auf der Erde stattfinden muss, sondern ebenso auf Stoff, Teppich etc. verrichtet werden darf, solange der Untergrund rein (ÔÁhir) ist. Die Schia hingegen sieht es als notwendig an, dass der Betende sich direkt auf die Erde niederwirft, woraus in der Praxis die bekannten Gebetssteine entstanden sind. 154 Auch Fragen der rituellen Reinheit spielen im innerislamischen Diskurs eine wichtige Rolle. So kommt beispielsweise der richtigen Waschung (wu±Úÿ) große Bedeutung zu, da sie Voraussetzung für die Akzeptanz des Gebets ist. Beim wu±Úÿ unterscheiden sich die Abläufe von Sunniten und Schiiten in vielerlei Hinsicht, wie etwa der korrekten Reinigung von Gesicht, Händen und Fußknöcheln.155 Wie bereits gesagt sind die hier angeführten Beispiele lediglich exemplarisch zu verstehen und erheben keinen Anspruch auf eine vollständige Darstellung dieser Dimension. Es sollte aber deutlich geworden sein, dass Ritus eine Dimension des Konflikts ist, die nicht unterschätzt werden darf, da gerade sie im Zusammenleben der Konfessionen eine sichtbare Rolle einnimmt. d) Neuzeitliche politische Konflikte

Politische Konkurrenz drückte sich in der islamischen Welt schon lange als Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten aus, wie bereits oben angesprochen. Der Gehalt dieser Aussage soll in diesem Abschnitt anhand dreier Länderbeispiele kurz dargelegt werden. Exemplarisch ausgewählt wurde zum einen das historische Verhältnis Iran-Irak, da dieses gerade auch in der aktuellen Debatte im Hinblick auf die Nachkriegsordnung im 152 al-BannÁ, „Aš-šÍþa wa-s-sunna“, 2005, S. 92-94. Momen spezifiert diese Regelung und schreibt: „However, Shi‛is consider it permissible to run together the noon and afternoon and the evening and the night prayers so that the prayers are only said on three separate occasions duing the day.“ Momen, „Shi‛i Islam“, 1985, S. 178. 153 as-SÁlÚs, „Maþa l-iÝnÁ Ášarīya”, 2006, S. 971 f. 154 Ebd., S. 983-987. S. auch al-BannÁ, „Aš-šÍþa wa-s-sunna“, 2005, S. 94-95. 155 Eine genaue Darstellung dieser Unterschiede mit Quellenbegründung liefert umfangreich As-SÁlÚs, „Maþa l-iÝnÁ Ášarīya“, 2006, S. 896-970. Vgl. auch Mu™tīya, „Al-Fiqh“, 2007 35-36. 46

Irak eine wichtige Rolle spielt. Weiterhin wird das Verhältnis Saudi-Arabiens zur nationalen schiitischen Minderheit sowie zum Iran skizziert, da der saudische Staat als besonders wichtiger Akteur im politischen Gefüge des Nahen und Mittleren Ostens angesehen wird. Schließlich soll Bahrain als Fallbeispiel für die Diskiminierung der Schiiten als nationale Mehrheit in Verknüpfung mit politischen Auseinandersetzungen mit Iran dienen. Das iranisch-irakische Verhältnis war in den letzten Jahrhunderten von ständigen politischen Spannungen geprägt, die mit der Rivalität zwischen den Safawiden (1501–1722) und später den Qajaren in Persien einerseits und dem osmanischen Reich anderserseits um Gebiete im heutigen Irak begann.156 Die Dynastie der Safawiden, die die schiitische Konfession auf ihrem Territorium bewusst in Abgrenzung zu den „betont sunnitischen Nachbarn“ förderte,157 begann sich ab 1501 auf dem Gebiet des heutigen Iran zu etablieren, während das Osmanische Reich 1533 Bagdad besetzen konnte. Im 16. und 17. Jahrhundert folgten dann Auseinandersetzungen zwischen beiden Reichen, die immer auch als schiitisch-sunnitischer Konflikt ausgetragen wurden.158 Sowohl die Safawiden als auch deren Nachfolger, die Qajaren, beanspruchten für sich, alleinige Bewahrer schiitischer Interessen im Irak zu sein.159 Zweimal – 1508 bis 1533 und 1622 bis 1638 – gelang es den Safawiden, irakisches bzw. osmanisches Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen. Bis in die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts gestaltete sich das persisch-osmanische Verhältnis sowie das der schiitischen Einwohner des Osmanischen Reiches 156 Jasim Abdulghani bezeichnet diese Rivalität als die Wurzel der späteren Spannungen zwischen Iran und Irak. Vgl. Abdulghani, „Iran & Iraq“, 1984, S. 1-25, hier insbes. S. 1-8. Zu Entstehung und Verlauf des osmanisch-persischen Konflikts s. Roemer, „Persien auf dem Weg in die Neuzeit“, 1989. 157 Krämer, „Geschichte des Islam“, 2005, S. 239, vgl. auch S. 231-245. Hier beschreibt Krämer gut die bewusste Schiitisierung des Iran durch die Safawiden und die Zwölferschiitisierung der Safawiden selbst. Ein Standardwerk zur Dynastie der Safawiden stellt Roemer, „Persien auf dem Weg in die Neuzeit“ dar, in dem der Autor mit einem detaillierten Quellenstudium aufwartet. 158 Nakash, Yitzhak, „The Shi‛is of Iraq“, Princeton: Princeton University Press, 2003, zweite Auflage der Originalausgabe von 1995. 159 Ebd., S. 14. 47

zu ihrem Staat als ausgesprochen schwierig.160 Immer wieder wurden schiitische Pilger in Mekka diskriminiert oder sogar misshandelt, sodass sich der persische Staat des Öfteren zum Einschreiten gezwungen sah.161 Mit der Einführung der irakischen Monarchie im Jahr 1921 formierte sich der moderne irakische Nationalstaat und trat in Konkurrenz zum Iran, der über großen Einfluss im Nachbarland verfügte.162 Auch nach Gründung des irakischen Nationalstaates nutzte die iranische Regierung die Konfessionsfrage, indem sie versuchte, ihren Anspruch auf die Rolle des Beschützers der heiligen Stätten Nağaf und Karbalāÿ durchzusetzen.163 Der iranische Staat versuchte auch durch iranische Bürger, die im Irak lebten, Einfluss im Nachbarland zu gewinnen. Die Anzahl iranischer Staatsbürger im Irak betrug im Jahr 1919 etwa 80.000, was 5% der Schiiten im Irak ausmachte.164 Dabei wurden Kinder aus gemischten Ehen sowie Personen, die bereits seit einigen Generationen im Irak ansässig waren, nicht mitgezählt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die Zahl irakischer Schiiten mit iranischem Hintergrund durchaus noch größer war.165 Als Reaktion auf die iranische Einflussnahme folgte dann die Verabschiedung des irakischen Nationalitätengesetzes von 1924, dem sich eine Reihe von Gesetzen anschloss, die das Ziel hatten, den Einfluss und das Gewicht iranischer Staatsbürger im Irak zu reduzieren.166 Diese Politik konnte durchaus Erfolge verbuchen. So stellten Iraner noch Anfang des 20. Jahrhunderts 75% der Bevölkerung von Karbalāÿ, während es 1957 nur noch etwa 12% waren.167 Die Revolution im Iran im Jahr 1979 stellte dann, wie in der gesam-

160 Pistor-Hatam, „þĀšūrā in Istanbul“, 1998, S. 97/98 und S. 100. 161 Ebd., S. 95-99. 162 Nakash, „The Shi‛is of Iraq“, 2003, S. 100-105. Nakash schreibt hierzu: „The formation of modern Iraq posed a challenge to Iran's position in the Persian Gulf as well as to its economic interests in the region.“ (Nakash 2003, S. 102) Vgl. auch Abdulghani, „Iran & Iraq“, 1984, S. 8-10. 163 Ebd., S. 103-104. Zudem gab sie 1923 auch schiitischen Gelehrten Zuflucht, die von der irakischen Regierung wegen ihrer aufrührerischen Haltung ausgewiesen worden waren (Vgl. Abdulghani, „Iran & Iraq“, 1984, S. 8). 164 Nakash, „The Shi‛is of Iraq“, 2003, S. 13 und S. 100. 165 Ebd., S. 17. 166 Ebd., S. 101/102. 167 Ebd., S. 104. 48

ten Golfregion,168 auch im Irak eine tiefe Zäsur dar, wie Reinhard Schulze beschreibt: „Die islamische Revolution veränderte schlagartig die Lage. Der Irak sah sich plötzlich einem Land gegenüber, das sich einerseits die hegemonialen Ansprüche des Kaiserreichs zu eigen machte, andererseits diese islamisch legitimierte und damit auf die schiitische Bevölkerung Einfluss ausübte. Der iranische Aufruf zur Emanzipation durch eine zivile islamische Revolution fand auch bei den islamischen Oppositionsgruppen im Irak, vor allem bei der Gruppe ad-da‛wa von aṣ-Ṣadr, Gehör.“169 Die Beziehungen zwischen Iran und Irak verschlechterten sich drastisch, nicht zuletzt durch die Unterstützung des Teheraner Regimes für schiitische Untergrundbewegungen im Irak, und kulminierten schließlich im Irak-Iran-Krieg (1980–1988), der am 22.11.1980 mit der Invasion irakischer Truppen im Iran begann.170 Bis heute werden von extremistisch-sunnitischen Kreisen immer wieder Parallelen zwischen den dargestellten geschichtlichen Entwicklungen und der aktuellen Situation gezogen, indem etwa das Erstarken Irans in den letzten Jahren als die „Wiederkehr der Safawiden“ bezeichnet wird, wie der Titel eines von þAbd al-þAzīz Ṣāliḥ al-Maḥmūd verfassten Artikels in der jihadistischen Zeitschrift Al-Fursān lautet, in dem der Autor schreibt: „Was ich sagen möchte: Der Hass des safawidischen Staates hatte seine Ursache nicht im osmanischen Staat und auch nicht in einem bestimmten Volk. Vielmehr galt sein Hass den Sunniten, seien sie Iraner, Iraker, Afghanen, Usbeken oder Türken. Sie alle waren sunnitisch und dies war ein Verbrechen, welches hinreichend war, um sie zu töten und zu foltern. (…) Ja, das ist es, was früher ge-

168 Abdulghani, „Iran & Iraq“, 1984, S. 193-200. 169 Schulze, „Geschichte der islamischen Welt“, 2002, S. 294. 170 Zum ersten Golfkrieg s. Fürtig, „Der irakisch-iranische Krieg“, 1992. Zu den Beziehungen zwischen der neugegründeten IRI und dem Irak vgl. auch Abdulghani, „Iran & Iraq“, 1984, S. 178-218. 49

macht wurde und heute im Irak mit den Sunniten gemacht wird – Menschen werden getötet, weil sie sunnitisch sind.“171 Al-Maḥmūd nimmt hier Bezug auf die tatsächlich erzwungene Konversion der vornehmlich sunnitischen Bevölkerung Irans durch die Safawiden und deutet die spezielle historische Situation dann auf gegenwärtige Konflikte im Irak um. Der Krise im Irak kommt auf diese Weise eine manichäische Dimension zu, in diesem Fall die Auseinandersetzung zwischen Sunna und Schia. Auch wird eine fiktive historische Kontinuität erzeugt, indem die Politik der Islamischen Republik Iran als bloße Fortsetzung der Dynastie der Safawiden erklärt wird. Deutlich wird dies auch an anderer Stelle, an der al-Maḥmūd schreibt: „Als die Sunniten regierten, waren sie gerecht, sogar gegen alle islamischen und nicht-islamischen Gruppen, sowie mit allen Religionen. Sogar wenn sie nicht gerecht gewesen sein sollten, mordeten sie nicht, bestraften nicht exemplarisch bzw. gingen nicht überhart vor [yumaÝhÝhilu] und vertrieben nicht, so wie es die Schia im Zeitalter der Safawiden getan hat und wie es Iran mit der islamischen Welt gerne machen möchte.“172 Ein weiterer wichtiger und sogar unumgänglicher Fall in diesem Rahmen ist Saudi-Arabien, dessen Staatsgründung untrennbar mit der explizit anti-schiitischen Ideologie des Wahhabismus verbunden ist. So wurden beispielsweise 1926 die Kuppeln von Grabmälern schiitischer Imame in Medina zerstört, wobei die kleine Nakhawila-Gemeinde den Akt der Zerstörung selbst vornehmen musste, um nur ein Beispiel von vielen zu nennen, bei denen die schiitischen Gemeinden in Saudi-Arabien unter der saudischen Dynastie zu leiden hatten.173 Die Stellung der Schiiten in Saudi-Arabien, die heute etwa 10 bis 15% der Gesamtbevölkerung ausmachen, ist noch stets von staatlicher und privater Diskriminierung ge171 al-Maḥmūd, „þaudat aṣ-ṣafawīyīn“, 2008, S. 41. Der Name des Autoren Ṣāliḥ alMaḥmūd dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Pseudonym sein, da es in jihadistischen Publikation nicht üblich ist, unter Klarnamen zu schreiben. Zu den geschichtlichen Vergleichen zwischen dem heutigen Iran und dem Safawiden-Reich vgl. auch Elad-Altmann, „The Sunni-Shi‛a Conversion Controversy“, 2007, S. 2. 172 al-Maḥmūd, „þaudat aṣ-ṣafawīyīn“, 2008, S. 42. 173 Nakash „Reaching for Power“, 2006, S. 46 50

prägt.174 Zwar scheint der neue König þAbdullah zu Zugeständnissen bereit zu sein, muss sich aber auch der wahabitischen Staatsdoktrin gegenüber loyal erweisen, um seine Legitimation nicht zu gefährden.175 Besonders heikel ist zudem die geografische Verteilung der schiitischen Gemeinden, die mehrheitlich um die bedeutendsten Erdölfelder des saudischen Staates im Osten des Landes siedeln, wie bereits oben erwähnt. Bereits im Vorfeld der Staatsgründung 1932 sorgte die Spannung zwischen wahhabitischer Staatslehre und Schiiten nicht nur zwischen den Konfessionen für Spannung, sondern auch im Staat selbst. So trug auch der Streit um den Umgang mit den Schiiten zu einer Verschärfung des Konfliktes zwischen den i¿wān-Milizen und dem zukünftigen ersten König þAbd al-þAzīz As-Saþūd bei, da Letzterer sich der Forderung der i¿wān-Milizen widersetzte, die Schiiten zu töten, sollten sie nicht konvertieren.176 Dieser Konfliktpunkt war allerdings nicht der ausschlaggebende Grund für die Rebellion der Milizen von 1926–1930 gegen þAbd al-þAzīz As-Saþūd. Vielmehr war der Streit um den Umgang mit den Schiiten nur ein Aspekt des Interessenkonfliktes zwischen König und i¿wān, der sich vor allem aus der Weigerung des Königs speiste, den i¿wān weitere Raubzüge auf irakischem Territorium zu gestatten, was sie weitgehend ihrer Einnahmequelle beraubte.177 Auch in Saudi-Arabien nahm mit der iranischen Revolution die Angst vor subversiven Aktivitäten der Schiiten im eigenen Land massiv zu. Dies war nicht ganz unbegründet, denn tatsächlich kam es im November 1979 zu einer dreitägigen Erhebung von Schiiten, vor allem in der Stadt al-QaÔīf, und am 1. Februar 1980 fanden Demonstrationen anlässlich des Jahrestags von Khomeinis Rückkehr aus dem Exil statt, die sich auch gegen die saudische Herrschaft richteten.178 Interessant ist hier ein Aspekt, 174 The Shiite Question in Saudi-Arabia, Middle East Report No. 45 ICG, 2005. 175 Ebd. Für eine generelle Übersicht über die Wirkungsgeschichte der Verbindung der saudischen Dynastie mit den Lehren Ibn þAbd al-Wahḥābs vgl. Ende, „Religion, Politik und Literatur in Saudi-Arabien“, 1981 (Teil 1), 1982 (Teile 2-4). 176 The Shiite Question in Saudi-Arabia, Middle East Report No. 45 der ICG, 2005, S. 2. Allerdings griffen die ik¿wan nicht nur Schiiten an, sondern auch andere Bevölkerungsteile und sorgten somit für eine generelle Unruhe im Land. Vgl. auch Commins, „The Wahhabi Mission in Saudi-Arabia“, 2006, S. 75; 85 f. 177 Vgl. Commins, „The Wahhabi Mission in Saudi-Arabia“, 2006, S. 85 f. 178 Schulze, „Geschichte der islamischen Welt“, 2002, S. 286-287. 51

der bei Fürtig besonders hervorgehoben wird: Ayatollah Khomeini und seine Getreuen attackierten den saudischen Staat hauptsächlich wegen seiner monarchistischen Staatsform, da diese durch Khomeinis Lehre der Herrschaft des Rechtsgelehrten strikt abgelehnt wurde: „The principal that monarchy was fundamentally unIslamic [sic!] and that a republic was the only form of state acceptable to Islam thus became an additional challenge to the dynasties of the Arabian Peninsula, including Saudi Arabia.“179 Nach der iranischen Revolution sah sich das saudische Königshaus daher einer Reihe von propagandistischen Attacken ausgesetzt.180 So sollten iranische Pilger, die nach der Ausrufung der Islamischen Republik zur ½aºº nach Mekka und Medina gereist waren, laut Fürtig die Slogans der Revolution verbreiten und für deren Ausbreitung sorgen.181 Bereits seit 1971 verfasste Ayatollah Khomeini Botschaften an die Mekkapilger. Aber erst nach der Revolution hatte Khomeini die Möglichkeit, die ½aºº verstärkt zu politisieren und „zu einem Forum revolutionärer Manifestation“ zu gestalten.182 Insbesondere in den Jahren 1983 bis 1986 versuchten sowohl Iran als auch Saudi-Arabien die alleinige Deutungshoheit über die Pilgerfahrt zu erlangen. 1987 kam es dann zu den blutigsten Ausschreitungen in Mekka zwischen iranischen Pilgern und saudischen Sicherheitskräften, in deren Verlauf über 400 Menschen, zumeist Iraner, starben, was zu einer schwerwiegenden Krise zwischen den beiden Ländern und zu einem vorläufigen Abbruch der diplomatischen Beziehungen führte.183 Der Konfrontationskurs Irans gegenüber Saudi-Arabien und die Angst der Araber vor einem revolutionären Aufbegehren der eigenen Bevölkerung sorgten dafür, dass Saudi-Arabien und der Iran in den 80er Jahren zu erbitterten Kontrahenten wurden.184 Iran war nun nicht mehr alleine eine militärische und wirtschaftliche Großmacht am persisch-ara179 180 181 182 183 184 52

Fürtig, „Iran's rivalry with Saudi Arabia“, 2002, S. 26. Ebd., S. 24-25. Ebd., S. 24. Glunz, „Das Manifest der islamischen Revolution“, 1993, S. 248. Ebd., S. 248 f. Fürtig, „Iran's rivalry with Saudi Arabia“, 2002, S. 27.

bischen Golf, sondern stellte auch den religiösen Führungsanspruch Saudi-Arabiens in Frage, indem es sich selber als den einzig wahren islamischen Staat bezeichnete.185 Auch in Bahrain186 ergaben sich mit der Formierung des Nationalstaates Probleme, die sich in ethnischer und religiöser Gestalt äußerten. In Bahrain finden sich frühe iranische Ansprüche auf die Inselgruppe im persischen Golf, die sich auf mehrere Etappen persischer Herrschaft zwischen 1602 bzw. 1622 und 1783 zurückführen.187 Daher hatte Iran vor Bahrains Unabhängigkeit 1971 auch Ansprüche auf das Land geltend machen wollen, war aber damit letztlich gescheitert.188 Wie im Irak gibt es auch im heutigen Bahrain eine schiitische Mehrheit von etwa 70% der Bevölkerung,189 die aber von der sunnitischen Minderheit dominiert wird. Zudem verfügt Bahrain, wieder den irakischen Verhältnissen ähnlich, über eine iranischstämmige Minderheit, die etwa 10% der bahrainischen Schiiten ausmacht.190 Insbesondere dieses Faktum und das schiitische klerikale System der marğaþīya, das dazu führt, dass die meisten Schiiten in Bahrain und auch anderswo den Geistlichen im Iran (Ayatollah ¾āmeneÿī, Großayatollah aš-Šīrāzī), Irak (Ayatollah as-Sīstānī, Ayatollah al-Mudarrisī) oder Libanon (Ayatollah Faḍlallāh) folgen, und somit nationale Grenzen im Glauben keine Bedeutung haben, führt häufig zu der Annahme, „that Bahrain’s Shiites take their political orders from Tehran (and elsewhere)“,191 und damit zu Zweifeln an der Loyalität der Schiiten zum jeweils eigenen Staat. Derartige Zweifel tauchten im jungen bahrainischen Staat insbesondere nach der Revolution im Iran 1979 auf.192 Aber auch aktuell erlebten die bahrainisch-ira185 Ebd., S. 215-219. 186 Zur Geschichte des sunnitisch-schiitischen Verhältnisses in Bahrain vgl. Nakash „Reaching for Power“, 2006, S. 16 ff. und S. 54 ff. 187 Niethammer „Bahrain“, 2007, S. 47. Nakash berichtet, dass Bahrain während der Herrschaft Reza Shahs offiziell als Provinz Irans gelistet war (Nakash „Reaching for Power“, 2006, S. 54). 188 Ebd., S. 46. 189 ICG Middle East Report No. 40, S. 1 und Zaki, „Civil Society and Democratization in The Arab World – Annual Report 2007“, S. 41. 190 Niethammer „Bahrain“, 2007, S. 54. 191 ICG Middle East Report No. 40, S. 12. 192 Ebd., S. 8. 53

nischen Beziehungen wieder eine diplomatische Krise, nachdem Ali Akbar Nateq Nouris, Mitglied im Schlichtungsrat und Berater Khāmene’īs, am 10.02.2009 verkündete, dass Bahrain die 14. iranische Provinz sei.193 Husni Mubarak und König Abdullah von Jordanien reisten als erste Antwort auf die Provokationen Teherans in die bahrainische Hauptstadt Manama. Auch andere arabische Staaten reagierten mit scharfen Worten, was von arabischen Kommentatoren als ein gutes Beispiel dafür gewertet wurde, wie arabische Einheit den Einfluss Irans zurückdrängen könne, da Teheran kurze Zeit später die Äußerungen relativierte und Bahrains Souveränität anerkannte.194 Irans Ziele, so der Journalist Tariq Al-Homayed, stünden klar im Gegensatz zu „our regional goals“. 195 Die heftigen arabischen Reaktionen müssen vor dem sensiblen geschichtlichen Hintergrund der Beziehung Irans zu Bahrain gesehen werden. Zuletzt kam es in Bahrain nach der Verhaftung Hassan Mesheimas, Generalsekretär der schiitisch dominierten Opposition Ḥaqq (das Recht), sowie des schiitischen Geistlichen Muhammad al-Muqdad, denen vorgeworfen wurde, die Regierung stürzen zu wollen, im Februar 2009 zu schweren Straßenschlachten zwischen schiitischen Demonstranten und der Polizei.196 Die bahrainische Menschenrechtsorganisation Bahrain Center for Human Rights (BCHR) sprach daher in einem Statement vom 14.02.2009 von einer neuerlichen Intensivierung (taṣþīd) der Beeinträchtigung der religiösen Freiheiten der schiitischen Bürger und von einer zunehmenden konfessionellen Diskriminierung (at-tamyīz aṭ-ṭāÿifī almutaṣāþid) der Schiiten.197 Mit der Herausgabe eines neuen Berichts zum Ausmaß der religiösen Diskriminierung in Bahrain hatte das BCHR am 23.02.2009 eine Meldung herausgegeben, in der es u.a. hieß, dass in vie193 Vgl. „Iran and the Bahraini Lesson“, 22.02.2009, al-sharq al-awsat, http://aawsat. com/englisch/news.asp?section=2&id=15825, abgerufen am 24.02.2009 und „Iran says it respects Bahrain sovereignty“, 23.02.3009, www.kuwaittimes.net/read_ news.php?newsid=NjEyODIzMDg4, abgerufen am 24.02.2009. 194 „Iran and the Bahraini Lesson“, 22.02.2009, al-sharq al-awsat. 195 Ebd. 196 www.bahrainrights.org/en/node/2718 und www.bahrainrights.org/en/node/2708, jeweils abgerufen am 26.02.2009. 197 „Taṣāþud at-tamyīz aṭ-ṭāÿifī wa taqyīd hurriyat al-mumārasa ad-dīniya - iþtiqālāt wa ittihāmāt qāÿima þalā asās al-intimāÿ aṭ-ṭāÿifī“, www.bchr.net/ar/node/2755, abgerufen am 24.02.2009. 54

len Ministerien kein einziger wichtiger Posten an Mitglieder schiitischer Konfession gingen.198 Die politische Konfrontation kennzeichnet also die Geschichte der sunnitisch-schiitischen Beziehungen durch die Jahrhunderte hinweg. Aber erst ab dem 20. Jahrhundert und insbesondere mit dem Entstehen der IRI wird diese Differenz von einer Moderne geprägt, die ihren politisch-herrschaftlichen Ausdruck im Nationalstaat gefunden hat.199 Die Machtübernahme Khomeinis im Iran hatte so hauptsächlich zu einer enormen Furcht der arabisch-sunnitischen Machthaber vor einer Revolution im eigenen Land geführt. Als ein weiteres ergänzendes Beispiel für die verstärkte religiöse Aufladung nationaler Konflikte seit 1979 sei der Afghanistankrieg während der 80er Jahre genannt, in dem die IRI versuchte, auf die Schiiten im Land Einfluss zu nehmen und sich als deren Fürsprecher zu etablieren, während Saudi-Arabien die sunnitischen Gruppen unterstützte.200 Vor den modernen politisch-religiösen Konflikten scheinen die Fragen nach dem Kalifat bzw. Imamat wie auch andere doktrinäre Problemstellungen in den Hintergrund zu treten, schlichtweg aus dem Grund, dass sich diese in der aktuellen Gegenwart nicht stellen, wie im innerislamischen Diskurs auch immer wieder betont wird.201 Auch die analysierten Redebeiträge auf der Doha-Konferenz sprechen dafür, dass traditionelle Konflikte zwischen Sunna und Schia gegenüber der politischen Ebene in den Hintergrund treten. Allerdings wird die historische Dimension auch als ideologischer Überbau zu politischen Differenzen herangezogen und spielt hierbei eine bedeutende Rolle. Auf die aktuelle politische Situation werde ich im Abschnitt über die Aktivitäten im Vorfeld der Doha-Konferenz näher eingehen.

198 www.bahrainrights.org/en/node/2769, abgerufen am 26.02.2009. 199 Habermas schreibt hierzu, dass die Modernisierung durch verschiedene Prozesse gekennzeichnet sei, von denen einer die „Durchsetzung politischer Zentralgewalten und die Ausbildung nationaler Identitäten“ sei (Habermas, „Der philosophische Diskurs der Moderne“, 1991, S. 10). 200 Vgl. hierzu Fürtig, „Iran's rivalry with Saudi Arabia“, 2002, S. 159-164. 201 Bspw. al-BannÁ, „Aš-šÍþa wa-s-sunna“, 2005 (s.o.). 55

2.2

Annäherung seit dem 20. Jahrhundert

Zwar gab es schon vor dem 20. Jahrhundert Versuche, Sunniten und Schiiten auszusöhnen,202 aber von der Idee der Annäherung unter dem konkreten Begriff taqrīb lässt sich erst sehr viel später sprechen. Laut Brunner war es die Rede des irakisch-schiitischen Gelehrten Muḥammad al-Ḥusain Āl Kāšif al-³iÔāÿ am 15.12.1931 auf einem gesamtislamischen Kongress in Jerusalem, die den ersten Aufruf zum taqrīb im späteren Sinn enthielt. Daher kann al-³iÔāÿ auch als einer der geistigen Väter der islamischen Ökumene im heutigen Sinne angesehen werden. Auch in den aktuellen Debatten taucht sein Name immer wieder auf. Es stellt sich nun die Frage, weshalb die Annäherungsidee nicht schon viel früher entstand. Der wichtigste Umstand, den es hier zu nennen gilt, ist, dass das osmanische Kalifat offiziell noch bis 1924 Bestand hatte. Der im 19. Jahrhundert entstandene Panislamismus strebte bis zur Auflösung des Kalifats 1924 eine Einigung der Muslime unter sunnitisch-osmanischer Vorherrschaft an.203 Unter diesen Bedingungen ist es wenig verwunderlich, dass panislamische Ideen unter Schiiten nur wenig

202 Einer der frühesten Versuche zur Einigung von Sunniten und Schiiten lässt sich auf das 18. Jahrhundert datieren. Der persische Herrscher Nādir Šāh verhandelte damals mit dem osmanischen Sultan Mahmud I., den schiitischen maªhab neben den vier offiziell anerkannten sunnitischen Rechtsschulen als fünfte anerkennen zu lassen. Dies führte 1743 zur Einberufung der ersten Konferenz, die sich ausschließlich mit der „innerislamischen Annäherung“ befassen sollte. Allerdings schickten die Osmanen keine Delegation, so dass der Kreis aus sunnitischen und schiitischen Gelehrten aus Persien, Afghanistan und Transoxanien unter sich blieb. Mit dem Ende der Regentschaft Nādir Šāhs durch dessen Ermordung 1747 endeten vorerst auch die politisch kalkulierten Bestrebungen, eine Einigung zwischen Sunna und Schia zu „erzwingen“. Vgl. Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 21-23 und Hamid Algar, „Shi'ism and Iran“, 1977, S. 288-302. 203 Der Panislamismus entwickelte sich in der späten tanẓīmāt-Periode unter Sultan Abdülhamid II. als Abwehrreaktion gegen die Versuche der Westmächte, Kontrolle über das osmanische Reich zu erlangen. Zudem sollte der Islam zur verstärkten Loyalität und Solidarität mit dem Staat dienen, angesichts einer instabilen Wirtschaft und staatlichen Finanzproblemen sowie den Vorwürfen aus nationalistischen arabischen Kreisen, die in den Osmanen die Usurpatoren des Kalifats sahen. Vgl. Akarli, „Abdülhamid II (1842-1918): The 34th Ottoman Sultan“, 2000, S. 604-607, Georgeon, „Abdülhamid II“, 2000, S. 616-617 und Lee, „Abdulhamid II and his Pan-Islamic Policy“, 2000, S. 659. 56

Anklang fanden.204 Daher war zunächst eine Verschiebung im innersunnitischen Machtgefüge notwendig, um die Rahmenbedingungen für einen Dialog zu schaffen, bei dem nicht eine Seite der anderen ihren politischen Willen aufzwingen wollte oder konnte. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Verschwinden des Kalifats entstanden dann langsam die verschiedenen Nationalstaaten im islamischen Kulturkreis. Eine Einigung unter einem Führer war nun für große Teile der intellektuellen Welt nicht mehr denkbar, da die politischen Eliten der neu entstandenen Nationalstaaten kein Interesse an der Unterordnung ihres Landes unter eine supranationale Autorität hatten. War das Ziel des Panislamismus die Vereinigung aller Muslime in einer umma und somit auch in einem Staat, so deutet der Begriff der Annäherung auf eine Anerkennung der Unterschiede, auch der nationalen, hin. Das ideologische Machtvakuum, das in der islamischen Welt durch den Zusammenbruch des Kalifats entstanden war, konnte von der AzharUniversität in Kairo ausgefüllt werden, sodass Kairo zum bedeutendsten Zentrum der sunnitischen Welt wurde.205 Die Zeit bis 1947 war nun geprägt vom persönlichen Dialog zwischen sunnitischen und schiitischen Gelehrten, wie etwa dem zwischen dem bekannten Panislamisten Muḥammad Rašīd Riḍā206 und dem bereits erwähnten Muḥammad Āl Kāšif al-³iÔāÿ. Beide fielen wegen ihres Engagements während des ersten Allgemeinen Islamischen Kongresses (al-muÿtamar al-islÁmī al-þāmm), der 1931 in Jerusalem abgehalten wurde, besonders auf.207 Allerdings mün204 Ende, „Arabische Nation“, 1977, S. 113/114 und Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 25. 205 Muḥammad þAbduh hatte in der Azhar Ende des 19. Jahrhunderts wichtige Reformen eingeleitet, die nun Früchte trugen und die Institution dazu befähigte „weit über Ägypten hinaus in der gesamten sunnitisch-islamischen Welt eine führende und bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein kaum bestrittene Autorität zu übernehmen“. (Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 34). Für eine nähere Beschreibung der Reformen von M. þAbduh siehe Art. Azhar, EI I/817-818 (J. Jomier). 206 Riḍā hatte sich besonders zu Beginn des 20. Jahrhunderts für eine Verständigung zwischen Sunniten und Schiiten eingesetzt, verwickelte sich aber später zunehmend in Auseinandersetzungen mit Schiiten. Dies hatte unter anderem wohl mit einem politischen Kurswechsel zu tun. Hatte Riḍā zunächst noch die Herstellung des Kalifats unter haschimitischer Herrschaft unterstützt, so wandte er sich in den 20er Jahren dem saudischen Königshaus und damit auch der wahhabitischen Lehre zu. Vgl. Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 27 f. und S. 65/66. 207 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 64. Brunner schreibt über die Konfe57

deten die positiven Ansätze des Kongresses nicht in eine weitere Zusammenarbeit der beiden Gelehrten. Vielmehr zerstritten sie sich in den folgenden Jahren grundsätzlich.208 Die Institutionalisierung des taqrīb gelang schließlich 1947.209 In Kairo wurde die ğamāþat at-taqrīb baina l-maªāhib al-islamīya (Gesellschaft für die Annäherung zwischen den islamischen maªāhib), im Folgenden ĞT genannt, gegründet. An dieser Stelle scheint ein kurzer Einschub mit dem Hinweis darauf angebracht, dass zwei Jahre zuvor die Arabische Liga, ebenfalls in Kairo, gegründet worden war. Daher wird 1945 zumeist als das Jahr angesehen, in dem der Nationalstaat in der arabischen Welt zur allgemein anerkannten Realität wurde, bzw. in dem die neu entstandenen arabischen Staaten in das internationale Staatengefüge eingeordnet wurden.210 Es fällt ins Auge, dass gerade zwei Jahre nach der Gründung der Arabischen Liga auch die Gesellschaft für Annäherung aktiv wurde. Meine These hierzu lautet, dass die Annäherungsidee erst mit der Anerkennung von nationaler Identität wirklich fähig war, sich institutionell zu etablieren. Erst jetzt hatte das Kalifat alle Ausstrahlungskraft verloren. Es war daher utopisch geworden, sich eine Vereinigung aller Muslime unter einem Kalifen zu wünschen. Daher mussten neue Wege der islamischen renz, diese sei das „erste wirklich bedeutende Forum einer innerislamischen ökumenischen Debatte“ gewesen (Ebd., S. 64). Zu der Jerusalemer Konferenz vgl. auch Schulze, „Islamischer Internationalismus“, 1990, S. 93-100 208 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 71-74. 209 Es sei hier angemerkt, dass interessanterweise auf christlicher Seite ein Jahr später der Ökumenische Rat der Kirchen gegründet wurde. Insgesamt weist die Geschichte der islamischen und der christlichen Ökumene ähnliche zeitliche Abläufe auf, was wiederum auf die Determiniertheit dieser Idee durch die materiellen Umstände des politischen Lebens hinweist. Dennoch gilt es, auf die unterschiedlichen Hintergründe beider Traditionen hinzuweisen. So hatte die christliche Ökumene vor allem nach den Erfahrungen der Weltkriege eine spezielle friedenspolitische Färbung aufzuweisen. Vgl. Becker/Tworuschka, „Ökumene und Religionswissenschaft“, 2006. 210 Schulze 2002, „Geschichte der islamischen Welt“, S. 161-163. Die Gründung der Arabischen Liga war Voraussetzung für die Aufnahme der arabischen Staaten in die ebenfalls neu gegründete UNO. Hieraus wird bereits erkenntbar, dass die neue Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg für die Entstehung einer inter-arabischen Staatenorganisation förderlich war. Vgl. auch die Monographien zur arabischen Liga von Biegel (1954), Rashed (1974) und Gomaa (1977). Die Studie von Rashed scheint unter dem Gesichtspunkt, dass der Autor in den 1960er Jahren Pressereferent der Arabischen Liga in Bonn war, besonders interessant. 58

Kooperation gefunden werden, die sich innerhalb des Nationalstaates ansiedeln mussten. Diesem Zweck entsprach die taqrīb-Idee geradezu ideal. Denn sie forderte nicht die Einheit unter einer bestimmten politischen Führung, sondern nur die Annäherung zwischen den Muslimen, was darauf hinausläuft, dass jedes Volk in seinem eigenen Staat leben und es letztlich nur Kooperation zwischen den Muslimen geben sollte. Zudem entsprach die Idee der Suche nach Einheit innerhalb der arabischen Welt.211 Somit wurde zwar einerseits die nationale Identität anerkannt, andererseits aber bildete die Zugehörigkeit zum Islam noch immer eine regionale Integrationsmöglichkeit. Hierin fällt das Motiv aus Tradition und Moderne in Form der religiösen und nationalen Gemeinschaft auf, welches die islamische Ökumene begleitet. Die ĞT, so unterstreicht Rainer Brunner deren Bedeutung, war diejenige „Institution, der es als bislang einziger gelang, die taqrīb-Debatte nahezu zwei Jahrzehnte lang maßgeblich zu gestalten.“212 Ab 1949 erschien dann das Organ der ĞT, die Zeitschrift Risālat al-Islām, in der Brunner einen der wichtigsten Faktoren sieht, der dazu beitrug, dass die ĞT „zur ersten wirklich effektiven Organisation auf dem Gebiet einer innerislamischen ökumenischen Diskussion wurde.“213 Nach einer ökumenischen Hochzeit Ende der 50er Jahre, laut Werner Ende „für ziemlich genau ein Jahr – von Juli 1959 bis Ende Juli 1960“214 – erlahmten die taqrīb-Bemühungen in den 60er Jahren. Dies war vor allem dem Umstand geschuldet, dass die ĞT zusammen mit der Azhar zu dicht in das Fahrwasser der Politik Ğamāl þAbd an-Nāṣirs gerieten. Als Beispiel für die Beeinflussung der Religion durch die Politik lässt sich die Fatwa Maḥmūd Šaltūts,215 des 1958 zum Šai¿ al-Azhar berufenen Reformtheologen, zur Schia anführen. Šaltūt hatte in öffentlichen Äußerungen, vor allem in zwei Zeitungsinterviews zu Beginn des Jahres 1959, die Schia zum absolut gleichberechtigten maªhab erklärt und veröffent211 Zur Suche nach arabischer Einheit vgl. Biegel, „Arabische Liga“ 1955, besonders S. 22 f. Siehe auch Rashed, „Arabische Einheit“, 1974, insbesondere S. 18-35. 212 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 3. 213 Ebd., S. 105. 214 Ende, „Die Azhar“, 1990, S. 314. 215 Zu Šaltūt und seinen Reformen siehe Lemke, „Maḥmūd Šaltūt“, 1980 und Zebiri, „Maḥmūd Šaltūt“, 1993. 59

lichte sein Statement, auf Drängen der ĞT, im selben Jahr – das genaue Datum ist unbekannt, Werner Ende spricht vom Sommer 1959 – als offizielle Fatwa.216 Die Fatwa wurde von der schiitischen þulamāÿ mit äußerster Zufriedenheit aufgenommen, wie der im Libanon geborene und im Irak aufgewachsene schiitische Geistliche Muḥammad Ğawād Muġnīya in einem persönlichen Treffen mit Maḥmūd Šaltūt 1963 diesem gegenüber erwähnte.217 Šaltūt erhielt insbesondere in den Jahren 1959–1960 Unterstützung der ägyptischen Regierung, zu einer Zeit, als die Beziehungen zwischen der Vereinigten Arabischen Republik (VAR) und Iran relativ entspannt waren, und auch die Beziehung Šaltūts selbst zur iranischen Monarchie schien freundschaftlich gewesen zu sein.218 Ebenso politisch motiviert wie die Unterstützung der Annäherung durch Kairo war auch deren Entzug. Nach einem Streit mit dem Iran um die De-facto-Anerkennung Israels am 23. Juli 1960 brach die VAR die diplomatischen Beziehungen zum Iran am 26. Juli 1960 ab. Damit fuhr das ägyptische Regime auch seine Unterstützung für die Ökumene zurück, was für Šaltūt und die ĞT, „wie sie selber eingestanden, ein schwerer Rückschlag“219 war.220 Zudem brachten die 60er Jahre auch personelle Veränderungen mit sich. So starb auf sunnitischer Seite im Dezember 1963 Maḥmūd Šaltūt und auf schiitischer Seite im März 1961 Ayatollah Borūğerdī, der Qommī im Hintergrund stets zu seinen Aktivitäten ermutigt hatte.221 Die Idee der innerislamischen Annäherung blieb zwar über die Jahrzehnte weiterhin bestehen, spielte aber bis 1989 keine größere Rolle mehr. Ayatollah Khomeini hatte kein Interesse an ökumenischen Bestre216 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 219-222, Ende, „Die Azhar“, 1990, S. 312 und Lemke, „Maḥmūd Šaltūt“, 1980, S. 237. 217 Göbel, „Moderne Schiitische Politik“, 1984, S. 90. 218 Ende, „Die Azhar“, 1990, S. 311 und 314. Der Shah hatte Šaltūt zur Zeit der Verbreitung seiner Fatwa durch die iranische Botschaft vier grundlegende Werke der imamitischen Jurisprudenz zukommen lassen. Ebd., S. 314. 219 Ende, „Die Azhar“, 1990, S. 315. 220 Ausführliches zu diesem Thema findet sich bei Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 257-289. Vgl. auch Ende, „Die Azhar“, 1990, S. 314-315 und Lemke, „Maḥmūd Šaltūt“, 1980, S. 237. 221 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 141-144 und S. 267. 60

bungen,222 da die iranisch-revolutionäre Ideologie das Etikett des Schiitentums als Versuch ansah, Iran vom Islam bzw. von der sunnitischen Welt zu isolieren.223 Erst nach dem Tod des Gründers der IRI am 3. Juni 1989 setzte ein Politikwechsel durch seinen Nachfolger þAlī ¾āmeneÿī und den neuen Präsidenten Hāšemī Rafsanğānī ein. Wichtigstes Zeichen der außenpolitischen Wende war der offizielle Verzicht auf den Revolutionsexport, welcher durch ¾āmeneÿī am 7.4.1993 verkündet wurde.224 Die Beziehungen zu den Nachbarländern sollten normalisiert werden, was auch vertrauensbildende Maßnahmen beinhaltete. Als eine solche ist sicherlich die Wiederbelebung der taqrīb-Idee zu begreifen, die maßgeblich durch ¾āmeneÿī ab 1989 vorangetrieben wurde.225 Der Revolutionsführer (rahbar-e inqelÁb) ¾āmeneÿī leitete zusammen mit dem Präsidenten Rafsanğānī eine pragmatischere Außen- und Innenpolitik ein und betonte anstelle des panislamischen Zusammenhalts verstärkt die innere, also die nationale Einheit Irans.226 Der taqrīb stand hier wieder im Zeichen der nationalen Konsolidierung, wie er es bereits in seiner Anfangszeit, allerdings damals im Fahrwasser des arabischen Nationalismus, getan hatte. Er geht, wie auch in den ausgehenden 40er Jahren, wieder einher mit dem Verblühen der Hoffnung auf eine „alle Muslime der Welt umfassende islamische Einheit“.227 Insofern lässt sich sagen, dass die islamische Ökumene, obwohl aus dem Panislamismus entstanden, diesem in der Betonung der Nation entgegensteht, andererseits aber in der Ablehnung des Westens auch eine weiterentwickelte Strömung des Panislamismus bildet, wie sich im Lauf der Abhandlung auch noch zeigen wird. Das Aufleben der islamischen Ökumene geht dabei zumeist mit einer Stärkung des Nationalstaates einher, wie in diesem Fall im Iran. Dies wird auch daraus ersichtlich, dass das neu gegründete Teheraner Weltforum zur Annäherung (mehr zum Weltforum unten) zwar die „Einheit und Vereinigung der islamischen Welt“ propagierte, 222 223 224 225 226 227

Buchta, „Die iranische Schia“, 1997, S. 225 und 249. Paul, „Iranian Nation“, 1999, S. 206-207. Buchta, „Die iranische Schia“, 1997, S. 246. Ebd., S. 249 f. Buchta, „Teherans Mağma‛ at-taqrīb“, 1997, S. 226. Ebd., S. 226. 61

aber damit nach eigener Aussage nicht die Vereinigung aller Muslime unter einer Regierung meinte, sondern vielmehr einen einheitlichen Wirtschafts- und Politikraum der verschiedenen islamischen Staaten forderte.228 Die innerislamische Annäherung soll für dieses Ziel offensichtlich die nötige friedliche Koexistenz der islamisch geprägten Staaten fördern. In den 1990er Jahren gelang es der islamischen Ökumene, wieder eine breitere Unterstützung zu finden, was sich vor allem in der Anzahl von Gelehrten-Konferenzen in jener Dekade zeigte.229

228 Ebd., S. 235. 229 Konferenzen gab es in den Jahren 1991 (Rabat), 1996 (Rabat), und 1999 (Damaskus). 62

3 Die Doha-Konferenz

3.1

Aktivitäten vor Doha

Konferenzen zum Dialog der islamischen Rechtsschulen oder auch Staaten haben eine lange Tradition. In der Islamischen Republik Iran werden seit 1982 jedes Jahr Konferenzen durchgeführt mit dem offiziellen Ziel, den islamischen Einheitsgedanken zu stärken.230 Die Konferenzen in der gesamten islamischen Welt hatten immer wieder die umma zum Diskussionsgegenstand erhoben. Letztlich aber erstarrte die Diskussion und es gab wenig Auswirkung auf die tatsächliche Politik, was alleine durch den noch immer vorhandenen Bedarf an Diskussion zu diesem Thema deutlich wird. In diesem Abschnitt soll nun aufgezeigt werden, wie und warum in den letzten Jahren eine Intensivierung des innerislamischen Dialogs stattgefunden hat, der seine Wurzeln nicht länger alleine im Iran findet, sondern auch wichtige Teile der sunnitischen Welt erfasst hat. Diese Aktivitäten kulminierten letztlich in der Doha-Konferenz als Ausdruck regionaler Bestrebungen zur Aussöhnung der islamischen Richtungen. Diese Aussage wirft die Frage auf, ob sich tatsächlich eine Linie zwischen diesen Bemühungen und der Doha-Konferenz ziehen lässt. Dass dies der Fall ist, lässt sich vor allem anhand von Persönlichkeiten und Organisationen aufzeigen, die für die ökumenischen Aktivitäten der 1990er und frühen 2000er Jahre verantwortlich waren und die auch für die Doha-Konferenz eine bedeutende Rolle spielten. Das Wirken der ersten Generation von taqrīb-Aktivisten, zu der Maḥmūd Šaltūt, þAbd al-Majīd Salīm und natürlich auch Moḥammad Taqī Qommī zu rechnen sind, fand mit dem Tod des letzteren 1979 sein offizielles Ende.231 Eine neue Generation trat zunächst nicht hervor, da 230 Buchta, „Die iranische Schia“, 1997, S. 105 ff. Auf S. 108-110 findet sich bei Buchta eine Übersicht über die wichtigsten in Teheran abgehaltenen Konferenzen zwischen 1982 und 1994. 231 Es ist ein äußerst ironischer Zufall, dass Qommī im Jahr der iranischen Revolution starb, da diese das Misstrauen gegenüber Schiiten weltweit nährte. Insofern kann in 63

nach der iranischen Revolution und dem Krieg zwischen Iran und Irak das Misstrauen in der sunnitischen Welt gegenüber dem Iran und den Schiiten im Allgemeinen enorm angewachsen war. Erst nach dem Tod Ayatollah Khomeinis formierte sich langsam eine zweite Generation. Wichtige Impulsgeber für die derzeitige Ökumene sind vor allem der bekannte sunnitische, aus Ägypten stammende und in Qatar ansässige Yūsuf al-Qaraḍāwī232 und auf der schiitischen Seite Ayatollah at-Tas¿īrī, ein gebürtiger Iraker, der heute ein Berater ¾āmeneÿīs ist,233 (mehr zu diesen beiden wichtigen Persönlichkeiten weiter unten). Ihren Anfang nahm die neue Epoche der Annäherung mit der Konferenz von Rabat (Marokko), die am 16. und 17. September 1991 abgehalten wurde. Als Veranstalter trat die Islamic Educational, Scientific and Cultural Organization (ISESCO) auf. Im Jahr 1996 wurde ebenfalls von der ISESCO vom 27. bis 29. August eine zweite Konferenz zum selben Thema anberaumt. Der Grund für beide Versammlungen war nach den Worten des Generaldirektors der ISESCO þAbd al-þAzīz bin þUÝmān atTawaiğrī der Wunsch nach Behandlung des Problems des Fanatismus der Rechtsschulen.234 Die Themen der Konferenz von 1991 waren die Beschaffenheit der Unterschiede zwischen den Rechtsschulen, die Gründe dafür sowie die Suche nach Wegen zur Annäherung.235 Bereits auf dieser Konferenz wurde die Einberufung einer Folgekonferenz angekündigt. Die Agenda von 1996 unterschied sich dann nur unwesentlich von ihrer Vorläuferin. So wurde über Grundprinzipien (al-qawāÿid al-uṣūlīya), Meinungsverschiedenheiten im Bereich der Jurisprudenz, die Rolle der Kultur und des Unterrichts für die Annäherung, Information der Öffentlichkeit über das eigene Anliegen sowie über die bisherigen Ergebnisse des taqrīb disku-

232

233 234 235 64

doppelter Hinsicht von einem Epochenwechsel für die islamische Ökumene im Jahr 1979 gesprochen werden. Vgl. zur Person Yūsuf al-Qaraḍāwī u.a. Wenzel-Teuber, „Islamische Ethik“, 2005. Weiterhin sei auf das Buch „The global Mufti – The Phenomenon of Yusuf al-Qaradawi“ (Hrsg. Bettina Gräf und Jakob Skovgaard-Petersen) hingewiesen, das zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Arbeit leider noch nicht erhältlich war. Terhalle, „Are the Shia Rising?“, 2007, S. 75. at-Tawağrī, „Taqdīm“, 2003, S. 12: “laqad kāna ad-dāfiþ ar-raÿīsī (…) al-ḥirÈ þalā muþālağat muškilat at-taþaÈÈub al-maªhabī“. „Taqrīb baīna al-maªāhib al-islamīya“, 2003, S. 17-18.

tiert.236 Der letzte Punkt beinhaltete dabei auch Überlegungen zur Rolle der Annäherung auf kulturellem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet. Den Aktivitäten in den 90er Jahren fehlte aber noch ein starker politischer Wille der islamisch geprägten Staaten zur Unterstützung des taqrīb-Projektes. Dieser Wille formierte sich hauptsächlich unter dem Eindruck der veränderten politischen Lage nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Die neue Situation im Nahen und Mittleren Osten drückte sich zunächst durch den Sturz des Taliban-Regimes 2001 aus, womit die USA ihren Willen demonstrierte, unliebsame Regierungen auch mit militärischen Mitteln zu bekämpfen. Es folgte ein weiterer Umsturz, dieses Mal im Irak 2003. Vor allem die IRI profitierte sowohl vom Fall der Taliban als auch von dem Saddam Hussains. 237 Iran vermochte nun zu Beginn des 21. Jahrhunderts zur Regionalmacht im Nahen und Mittleren Osten aufzusteigen.238 Dies hing nicht zuletzt mit dem Machtvakuum zusammen, das durch die Marginalisierung vieler arabischer Staaten entstanden war.239 Die Bedeutung, die Iran seit neuestem zukommt, drückt Barry Rubin, Direktor des neokonservativen Zentrums für Global Research in International Affairs und Herausgeber der Middle East Review of International Affairs, folgendermaßen aus: „Iran is the sole regional great power today in the Middle East, because no Arab state can claim that title. (…) Iran is relatively more powerful today than at any time in modern history.“240 Der Aufwertung der geopolitischen Position Irans stand von vornherein das Misstrauen der sunnitisch dominierten Nachbarstaaten auf der arabischen Halbinsel gegen den schiitischen Staat gegenüber. Vor allem Saudi-Arabien als Konkurrent Irans um die Vormachtstellung im NMO241 236 Ebd., S. 18-20. 237 Nasr, „When the Shiites Rise“, 2006, S. 66; Rubin, „Iran: The Rise“, 2006, S. 144; Terhalle, „Are the Shia Rising?“, 2007, S. 69. 238 Vgl. Rubin, „Iran: The Rise“, 2006. 239 Ebd., S. 145. 240 Ebd., S. 151. 241 Fürtig, „Reformkampagne in Saudi-Arabien“, 2007, S. 1 und 6. Das Entstehen dieser Rivalität wird von Fürtig in seinem Buch „Iran's rivalry with Saudi Arabia between the Gulf-Wars“ (2002) nachgezeichnet. 65

und als selbst erklärter „Anwalt arabischer, sunnitischer und westlicher Interessen“242 beobachtete den Machtgewinn der IRI mit großem Argwohn. Neben der außenpolitischen Bedrängnis erfuhr Saudi-Arabien im Jahr 2003 eine weitere Bedrohung, dieses Mal innenpolitischer Natur. Sunnitische Terroristen hatten im Mai und September Anschläge in der Hauptstadt Riad verübt, und das Königreich sah sich gezwungen, sich klarer als zuvor von politischer Gewalt zu distanzieren.243 Durch die terroristische Bedrohung, die der saudische Staat seit Mai 2003 am eigenen Leib zu spüren bekam, stieg das Bedürfnis eines Teils der politischen Elite nach Isolierung der wahhabitischen Fanatiker und einer Stärkung des Nationalgefühls bzw. einer Erweiterung der nationalen Machtbasis.244 Dieses äußerte sich unter anderem in einer Konferenz im Juni 2003 zum „Nationalen Dialog“. Hieran nahmen 30 þulamāÿ teil, die alle konfessionellen Gruppen im Land repräsentierten.245 Diese Konferenz stellt eine kleine Sensation in der saudischen Innenpolitik dar, da durch sie die Existenz diverser islamischer Strömungen und Rechtsschulen anerkannt wurde, die in Saudi-Arabien vorzufinden sind.246 Die derzeitige saudische Politik ist daher durch ein verstärktes Interesse am interkonfessionellen Dialog auf nationaler Ebene einerseits, außenpolitisch aber durch eine vorsichtige Haltung gegenüber Iran andererseits gekennzeichnet. Die Beziehungen zu Iran sind dabei teilweise von Drohgebärden und Isolierungsversuchen, zum anderen aber auch von Verhandlungsangeboten begleitet, da Iran auf der Ebene der internationalen Beziehungen zu einem nicht mehr zu ignorierenden Akteur geworden ist, wie die Einladung des Gulf Cooperation Council (GCC) Ende 242 Fürtig, „Reformkampagne in Saudi-Arabien“, 2007, S. 6. 243 Zu den Reaktionen des saudischen Staates auf die Terrorbedrohung vgl. Stracke, „Antiterrorismus-Strategien“, 2006. Zu den Reaktionen der saudischen Öffentlichkeit auf die Anschläge von 2003 vgl. Raphaeli, „Demands for Reforms in SaudiArabia“, 2005. 244 Auch andere Faktoren waren für die ab 2003 in Gang gesetzte Reformdebatte verantwortlich. So etwa die abnehmende Wirtschaftsleistung, steigende Arbeitslosigkeit, die hohe Anzahl von Saudis, die an den Anschlägen von 9/11 teilnahmen, und die Angst vor einem schiitisch regierten Irak. Vgl. hierzu Raphaeli, „Demands for Reforms in Saudi-Arabia“, 2005. 245 Lacroix, „Between Islamists and Liberals“, 2007, S. 234 f. und Raphaeli, „Demands for Reforms in Saudi-Arabia“, 2005, S. 522-523. 246 Lacroix, „Between Islamists and Liberals“, 2007, S. 234. 66

2007 an Ahmadinejad zu einem Treffen zeigt, das ebenso wie die taqrībKonferenz in Doha stattfand. Ahmadinejad war der erste iranische Staatspräsident, der an einer Sitzung des GCC teilnehmen durfte.247 Vor diesem Treffen war Ende Oktober eine Erklärung des saudi-arabischen Außenministers Saþūd al-Faiṣal gegenüber BBC erfolgt, in der er sagte, dass ein Angriff auf den Iran die Region des persisch-arabischen Golfes destabilisieren würde.248 Neben der Aufwertung der Schia in Saudi-Arabien und dem realpolitischen Machtzuwachs Irans hat der innerislamische Dialog auch durch das Erstarken der politischen Position der Schia im Libanon Impulse erhalten, ebenso wie durch die Haltung Irans gegenüber den westlichen Staaten im Streit um die Nutzung der Kernergie, wodurch die IRI teilweise ihre regionale Isolation aufbrechen konnte und Sympathien in der gesamten islamischen Welt erhielt. So vermochten sich Iran und die mit ihm verbündete Ḥizbullah-Miliz im Libanon in jüngster Vergangenheit, die Hizbullah insbesondere seit dem Sommerkrieg gegen Israel im Jahr 2006 in der islamischen Welt als der einzig ernsthafte Widerstandspol gegen Israel, die USA und den Westen zu etablieren.249 Neben den genannten Aspekten ist nicht zuletzt die konfessionelle Gewalt im Irak zu nennen, die auch bei der Politik das Interesse an Mitteln zur Aussöhnung stärker werden ließ, da nicht zuletzt Saudi-Arabien ein großes Bedürfnis nach Stabilität im Irak hat. Erst mit dem Fall des BaþÝ-Regimes im Irak und der damit einhergehenden, sich steigernden Entladung konfessionellen Hasses sowie dem Erstarken des Iran waren paradoxerweise die Voraussetzungen für eine breitere Basis der islamischen Ökumene gegeben.250 247 „Pīšnehādhā-ye Aḥmadī Nežād be šūrā-ye hamkārī-ye ¿alīğ-e fārs“, 3.12.2007, BBC, abgerufen am 14.01.2008, http://www.bbc.co.uk/persian/iran/story/2007/ 12/071203_bd-ahmadinejad-doha.shtml . Zu der Beziehung zwischen GCC und der IRI vgl. Fürtig, „Iran's rivalry with Saudi Arabia“, 2002, S. 149-159. Eine Monografie zur Entstehung des GCC liefert Ursula Braun, „Der Kooperationsrat“, 1986. 248 „þArabistān: ḥamle-ye be īrān manÔaqe bī Ýabāt mī-konad“, 30.10.2007, BBC, abgerufen am 14.01.2007, http://www.bbc.co.uk/persian/iran/story/2007/10/071030_ s-saudi-iran.shtml 249 Elad-Altmann, „The Sunni-Shi'a Controversion“, 2007, S. 1 und Rubin, „Iran: The Rise“, 2006, S. 146-148 250 Vgl. Hamid, „British Salafism“, 2008, S. 11: „In the aftermath of the Iraq invasion and resulting intra-Muslim violence, there have been high profile attempts to recon67

Als erstes Anzeichen hierfür ist die Istrātīğīyat at-taqrīb baina lmaªāhib al-islāmīya (Strategie für die Annäherung zwischen den Islamischen Rechtsschulen) anzusehen, die aber die Situation im Irak noch nicht konkret anspricht.251 Dieses Strategiepapier wurde von der ISESCO herausgegeben und ist als Ergebnis eines Beschlusses der 30. Außenministerkonferenz der Islamic Conference (OIC) in Teheran vom 28. bis 30. Mai 2003 zu verstehen.252 Die Strategie zur Annäherung ist ein 47 Seiten umfassendes Dokument, das als eine Art Handbuch für die islamische Ökumene konzipiert wurde. So finden sich in ihr unter anderem Definitionen der am häufigsten verwendeten Termini, ein Überblick über die Geschichte der islamischen Spaltung sowie der Unterschiede der maªāhib auf Gebieten des Rechts, des Glaubens und der Politik. Darüber hinaus werden Sinn und Ziele der Annäherung sowie Wege zur Implementierung vorgestellt. Dass dieses Strategiepapier im Zusammenhang mit der skizzierten saudi-arabischen Politik stehen könnte, wird aus der Geschichte der ISESCO deutlich. Diese wurde 1982 auf Initiative der Islamischen Konferenz der Außenminister, die wiederum die jährlich tagende zweithöchste Institution der OIC darstellt, gegründet. Die OIC hat ihren Hauptsitz im saudi-arabischen Jeddah und formierte sich zwischen 1969 und 1973 auf Initiative des damaligen saudischen Königs FaiÈal ibn þAbd al-þAzÍz.253 Es kann also von einer Verbundenheit der OIC und damit auch der ISESCO zu Saudi-Arabien gesprochen werden, womit allerdings nicht ausgesagt werden soll, dass die OIC das willfährige Instrument und der Erfüllungsgehilfe der saudischen Außenpolitik ist, da beispielsweise auch Iran Mitglied der OIC ist. Vielmehr sollte von einem indirekten Einfluss des saudischen Königreiches auf die OIC gesprochen

cile opposing theological trends, through initiatives such as the Amman Message (…)“. 251 „Istrātīğīyat at-taqrīb baina l-maªāhib al-islāmīya“, Hrsg. ISESCO, 2003. 252 Bestätigt wurde die Strategie zur Annäherung auf der Islamic Summit Conference der OIC vom 16. bis 17. Oktober 2003 in Putra Jaya/Malaysia. 253 Siehe zu Faisals Rolle bei der Gründung der OIC Schöne, „Islamische Solidarität“, 1997, insb. S. 22-29. 68

werden.254 Daher ist für das Entstehen des Strategiepapiers die innersaudische Lage sicherlich auch nur ein Bestimmungsfaktor. Als ein weiterer Schritt folgte darauf die sogenannte Amman-Mitteilung (Risālat al-þAmmān), welche vom jordanischen König Abdullah II. bin Al-Hussein am 9. November 2004 (27. Ramaḍān 1425 h.) veröffentlicht wurde.255 In ihr distanziert sich der König von Gewalt im Namen der Religion, hebt den Toleranzgedanken des Islams hervor und macht Ausführungen zum Stellenwert der Theologen für die Gesellschaft sowie zum allgemeinen Zustand der umma. Aufbauend auf der Amman-Mitteilung fand vom 4. bis 6. Juli 2005 (27.–29. Ğumādā 1426 H.) in Amman eine Konferenz unter dem Titel „Wahrer Islam und seine Rolle in der modernen Gesellschaft“ statt. In der Abschlusserklärung einigten sich führende Gelehrte, unter ihnen Großayatollah þAlī as-Sistānī, Šai¿ al-Qaraḍāwī und die Großmuftis Ägyptens, Omans und Jordaniens auf fünf Punkte.256 Als wichtigstes Ergebnis hielten sie fest, dass die Anhänger aller vier sunnitischen sowie der zwei schiitischen Schulen Ğaþfarīya (Zwölferschiiten) und Zaidīya als Muslime anzusehen seien, ebenso wie die Anhänger der Ibāḍīya, der Ẓāhirīya, der Salafīya und auch des Sufismus.257 Dieses breite Spektrum an Anerkennung ist zwar beachtenswert, stellt aber keine wirklich neue Qualität dar. Bereits 1925 hatte die al-Azhar eine Konferenz veranstaltet, zu der auch Vertreter der Ibāḍīya und Zaidīya eingeladen waren.258 Durchaus erwähnenswert ist aber die Tatsache, dass die Ismāþīlīya in der Erklärung nicht beachtet wird. Damit bleibt die 254 So ist Saudi-Arabien beispielsweise größter Anteilseigner der zur OIC gehörigen Islamischen Entwicklungsbank, die Kredite an ärmere Mitgliedsstaaten der OIC vergibt (Reissner, „Internationale islamische Organisationen“, 2005, S. 749 und Schöne, „Islamische Solidarität“, 1997, S. 307-311, hier insbs. S. 309). Bis heute die beste Übersicht über Entstehung der OIC und ihr Wirken bis 1981 gibt Ellinor Schöne, „Islamische Solidarität“, 1997. Für eine allgemeine Einordnung der OIC in den Rahmen des panislamischen Diskurses vgl. u.a. Art. Panislamism, EI VIII/249-250 (Landau). 255 Vgl. www.ammanmessage.com 256 Die Erklärung findet sich unter http://ammanmessage.com/index.php?option= com_content&task=view&id=20&Itemid=34 257 Dementsprechend dürfen Anhänger dieser Glaubensgemeinschaften nicht exkommuniziert werden. 258 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 63. 69

Deklaration der Tradition der ĞT verhaftet, welche die Ismāþīlīya stets vom ökumenischen Bemühen ausgeschlossen hatte.259 Allerdings waren zumindest zwei ismaelitische Vertreter aus Großbritannien anwesend. Zudem schickte das Oberhaupt der Ismaeliten, der Aġā ¾ān, eine Grußnote, in der er die Initiative aus Jordanien begrüßte.260 Auch hier finden wir wieder eine Ähnlichkeit mit der christlichen Ökumene, die die Gemeinsamkeiten von Katholiken und Protestanten betont, orthodoxe, methodistische oder baptistische Christen aber zumeist nicht in diese Bemühungen einbindet.261 Die Amman-Mitteilung und die Erklärung der Konferenz von 2005 waren die Ausgangspunkte für eine Reihe weiterer Symposien. Die „Urkunde von Mekka zur Angelegenheit des Irak“ (WaÝīqat Makka al-mukarrama fī šaÿn al-þirāq) vom 20. Oktober 2006 (28. Ramaḍān 1427 H.) bildet einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zur Annäherung. Der Grund für ihre Erstellung war die sich zuspitzende Lage im Irak und die dortigen konfessionellen Ausschreitungen. Die Urkunde ist das Ergebnis einer Konferenz von sunnitischen und schiitischen Geistlichen aus dem Irak, die in Mekka auf Initiative der Organisation der islamischen Konferenz stattfand. Die Mekka-Urkunde beginnt mit einer einführenden Erklärung. Zunächst wird darauf hingewiesen, dass die Gewalt im Irak sich in das Gewand des Islam hüllt, dieser aber mit den Ausschreitungen nichts zu tun habe („taḥta daþāwā tatalabbus bi-ridāÿ al-islām wa-l-islām min-ha barāÿ“).262 Die Unterzeichner, die sich als sunnitische und schiitische Gelehrte ausweisen, beginnen die Erklärung mit Absatz eins, der zunächst besagt, dass derjenige Muslim ist, der die šahāda spricht. Hierauf folgend heißt es, dass die Gemeinsamkeiten ein Vielfaches dessen ausmachen, was die Konfessionen trennt, und dass eine Meinungsverschie259 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 180. Brunner erklärt dies damit, dass die Ismāþīlīya bei anderen schiitischen Gruppen als extrem-schiitisch gelten, bzw. ġulūw (Übertreibung) betreiben würden (Ebd., S. 180). Auch das Weltforum zur Annäherung hielt an dieser Einstufung fest, wie Buchta feststellte (Buchta, „Teherans Mağmaþ at-taqrīb“, 1997, S. 234). 260 Vgl. http://ammanmessage.com/index.phpoption=com_content&task=view&id= 22&Itemid=34 261 Becker/Tworuschka, „Ökumene und Religionswissenschaft“, 2006, S. 13. 262 „WaÝīqat Makka al-mukarrama fī-š-šaÿn al-þirāq“, 2006, S. 1. 70

denheit zwischen den Rechtsschulen (i¿tilāf baina l-maªāhib) nichts anderes sei als Meinung und Interpretation, und nicht die Grundlagen des Glaubens (uṣūl al-īmān) und die Stützen des Islams (arkān al-islām) betreffe. Zudem verbiete jede der beiden Glaubensgemeinschaften, gemeint sind die der Sunniten und Schiiten, die Exkommunikation eines Mitgliedes der anderen Seite. Im letzten Satz wird darauf hingewiesen, dass kein religiöses Gesetz die Verurteilung einer gesamten maªhab aufgrund der Vergehen einzelner seiner Anhänger zulasse. Diese Aussage schließt den ersten Absatz, der die wichtigsten Aussagen enthält. Es folgt eine ganze Reihe von Forderungen, die mehr Einheit unter den Muslimen bewirken sollen. So erklärt die Mekka-Urkunde alle Moscheen, aber auch nicht-muslimische Gotteshäuser (amākin þibāda ġaīril-muslimīn) als heilig (½aram), was deren Beschlagnahme sowie Einnahme oder Besetzung oder Anschläge jeglicher Art auf diese Orte untersagt. Des Weiteren wird auch die Unterlassung von verhetzender Propaganda, die die Unterschiede zwischen den Konfessionen, den geografischen Räumen, den Sprachen oder den Irakern im Allgemeinen betont, verlangt. Auch die irakische Regierung wird in der Erklärung nicht vergessen und im Namen der Gelehrten an ihre Pflicht erinnert, für die Sicherheit und den Schutz des Volkes zu sorgen. Daneben soll die Regierung für Gerechtigkeit unter den Anhängern aller Konfessionen geradestehen, womit vor einer Parteinahme des Staates gewarnt wird. Zudem wird die Freilassung unschuldig Inhaftierter verlangt. Dies sagt zum einen aus, dass es solche Gefangenen gibt, und zum anderen, dass die Regierung über diese Tatsache informiert ist. Die Mekka-Urkunde enthält zudem Aussagen, wie sie sich auch in der Doha-Erklärung (hierzu unten) finden, wie beispielsweise der Hinweis auf die Unantastbarkeit des muslimischen Blutes, Eigentums und der Ehre. Unterschrieben wurde das Dokument von 32 Gelehrten und Vertretern internationaler Organisationen. Bemerkenswert ist das große Echo, das die Urkunde in den arabischen Medien erfuhr, in deren Publikationen sich oftmals nicht nur Berichte über das Treffen der irakischen Gelehrten, sondern auch die Doku-

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mentation des gesamten Textes der Deklaration finden.263 Das ägyptische Ministerium für die Herausgabe von islamischen Rechtsgutachten (dÁr al-iftÁÿ) begrüßte die Deklaration mit offener Freude (bi-surÚr wa ½ubÚr) als Befolgung des Wunsches Gottes nach Einheit der Muslime.264 Ägypten sprang damit auf den erfolgreichen Zug auf, den Saudi-Arabien als Initiator und Gastgeber der Konferenz, auf das Gleis gesetzt hatte. Auf der Konferenz von Doha spielte ein ähnlicher Kreis von Organisationen, Staaten und Einzelpersonen eine Rolle wie in den hier zuvor beschriebenen Aktivitäten, weshalb es gerechtfertigt erscheint, diese gewissermaßen als eine Art Vorlauf bzw. Vorgeschichte zu beschreiben.

3.2

Allgemeiner Rahmen und Teilnehmer

Als Veranstalter der Konferenz, die vom 20. bis zum 22.01.2007 abgehalten wurde, traten die šarīþa-Fakultät der Universität von Qatar, die alAzhar-Universität sowie das Teheraner Weltforum zur Annäherung zwischen den islamischen Rechtsschulen (al-mağmaþ al-þālamī li-t-taqrīb baīna l-maªāhib al-islāmīya bzw. World Forum for Proximity of Islamic Schools of Thought) auf. Das Teheraner Weltforum ist dabei ein besonders interessanter Akteur und verdient eine kurze Beschreibung. Im Oktober 1990 war das Weltforum auf Initiative von Khomeinis Nachfolger ¾āmeneÿī gegründet worden. Seit seiner Schaffung war es äußerstem Argwohn der sunnitischen Welt ausgesetzt, die befürchtete, Iran könne trotz gegenteiliger Beteuerungen unter dem Mantel der Annäherung „geographische Grenzen zwischen den islamischen Staaten auflösen, gegnerische islamische Regierungen stürzen und die Vereinigung aller 263 Vgl. u.a. Alarabiya.net, „Tanaššur an-naÈÈ al-kāmil li-l-waÝīqa“, 20.11.2006, abgerufen am 14.12.2007, Autor unbekannt, http://www.alarabiya.net/articles/2006/ 10/20/28423.html Artikel aus der Onlineausgabe der marokkanischen Zeitung attağdīd: „NaÈÈ waÝīqat makka al-mukarrama fī šaÿn al-þirāq“, 20.11.2006, abgerufen am 14.12.2007, Autor unbekannt, http://www. attajdid.info/def.asp?codelangue= 6&infoun=2920 264 „BayÁn min dÁr al-iftÁÿ al-maÈrīya bi-munÁsibat ÈudÚr waÝÍqat makkat mukarrama fÍ-š-šaÿn al-þirÁqÍ“, abgerufen am 18.07.2008, Autor unbekannt, http://www. dar-alifta.org/Module.aspx?Name=aboutdar&LangID=4 72

Muslime unter einer Fahne erzwingen wollen“.265 Interessanterweise behaupteten die Sunniten, Ziel der mağmaþ sei es, Sunniten zur Schia bekehren zu wollen, während manche Schiiten ihr das genaue Gegenteil, nämlich für die sunnitische maªhab zu missionieren, unterstellten.266 Gefördert werden derlei Verdächtigungen durch den Charakter des Weltforums, der von Buchta als janusköpfig bezeichnet wird.267 Gemeint ist hiermit, dass die mağmaþ sich zum einen als kulturell-wissenschaftliche Organisation, zum anderen aber auch als politische darstellt und je nach Bedarf den einen oder anderen Zweig stärker betont.268 Dass nun das Weltforum, als Verkörperung der iranischen Annäherungsbestrebungen, zusammen mit dem traditionell-sunnitischen Akteur der Azhar-Universität als Veranstalter einer Konferenz auftrat, macht deutlich, dass es der Teheraner Organisation offenbar teilweise gelungen ist, ihren Pariastatus in der sunnitischen Welt zu durchbrechen. Dabei ist auch auf den besonderen Stellenwert hinzuweisen, den Qatar neuerdings in der arabischen Welt der Diplomatie einnimmt. Der Golfstaat tritt seit einiger Zeit verstärkt in Konkurrenz zu den Regimen Ägyptens und Saudi-Arabiens, die traditionell eine wichtige Rolle für die politische Ordnung im Mittleren Osten innehaben. So waren es Syrien und Qatar, die im Gaza-Krieg von Dezember 2008 bis Januar 2009 als erste zu einer Notsitzung der Mitglieder der Arabischen Liga sowie zu einem Waffenstillstand zwischen Israel und Hamas aufriefen.269 Auch lud Qatar Hamas-Führer nach Doha ein und rief die arabischen Länder dazu auf, Solidarität mit Palästina zu zeigen und die Beziehungen zu Israel abzubrechen.270 Nebenbei beherbergt das kleine Emirat auch den Nachrichtensender Al-Jazeera, der für die etablierten, konservativen Regime des Mittleren Ostens eine besondere Herausforderung darstellt. 271 265 266 267 268 269 270 271

Buchta, „Teherans Mağma‛ at-taqrīb“, 1997, S. 236. Ebd., S. 236. Ebd., S. 236. Ebd., S. 236-237. Zambeli, „Hezbollah in Egypt“, 12. Juni 2009, S. 7. Ebd., S. 7. Al-Jazeera (Es wird hier die offizielle Schreibweise des Senders übernommen, die korrekte Umschrift wäre al-ºazÍra) hat seinen Hauptsitz in der qatarischen Hauptstadt Doha. 1996 wurde der Sender auf Dekret des Emirs von Qatar, Šai¿ ¼amad bin ¾alÍfa aÝ-ÕÁnÍ, gegründet, allerdings untersteht er nicht dessen direkter Kontrolle. 73

Wie argwöhnisch Qatar von konservativen arabischen Regierungen in der Region betrachtet wird, machen Meldungen aus der ägyptischen Presse deutlich, die Syrien, die Hamas, Qatar und al-Jazeera sowie die Muslimbrüder als Teil einer Verschwörung gegen Ägypten bezeichneten.272 Die Konferenz in Doha fand unter dem Motto daur at-taqrÍb fÍ-l-wa½da al-þamalÍya li-l-umma (Die Rolle der Annäherung für die reale Einheit der umma) statt, an dem sich viele Reden orientierten (siehe unten). Die Einheit der umma, unter besonderer Berücksichtigung der Vorgänge im Irak, war das zentrale Anliegen der Organisatoren. Insgesamt nahmen an der Konferenz 173 Teilnehmer aus 44 Nationen teil (vgl. Tabelle 1).273 An einzelnen Staaten stellten Ägypten (20 Teilnehmer) und Iran (21 Teilnehmer) die größten Kontingente. Dies ist insofern wichtig, als dass Ägypten als Vertreter der Sunniten fungiert und Iran als schiitischer Staat mit regionalem Führungsanspruch verstanden werden muss. Dass gerade Ägypten eine hohe Anzahl Delegierter auf der Konferenz vorweisen konnte, ist als Beleg für die noch immer starke Stellung der Azhar-Universität in der taqrīb-Debatte zu sehen. Es muss allerdings hinzugefügt werden, dass der hohe Anteil der ägyptischen Gesandten auch dem Umstand geschuldet ist, dass die Azhar Mitveranstalter der Konferenz war. Die Schirmherrschaft der Universität für die Konferenz kann man aber wiederum als Hinweis auf die beherrschende und aktive Position der Azhar und damit Kairos innerhalb der sunnitischen Gemeinschaft werten. Die Bedeutung, die Kairo dem Anliegen der Annäherung Am 1. November 1996 ging Al-Jazeera erstmals auf Sendung. Seitdem hat der Sender sich sowohl in der arabischen als auch im Rest der Welt schnell ausgebreitet. AlJazeera ist ebenso umstritten wie beliebt, was mit seiner kritischen Berichterstattung auch und gerade zu politischen Themen der arabischen Welt zusammenhängt. Zu Al-Jazeera vgl. Miles, „Al-Dschasira“, 2005. 272 Ebd., S. 6. 273 Die Anzahl der Teilnehmer wird in Berichten über die Konferenz auch mit anderen Zahlen angegeben. So schrieb etwa Rasha Saad für die al-Ahram Weekly über die Anwesenheit von über 200 muslimischen Gelehrten und Denkern. Meine Angaben stützen sich auf die offizielle Liste der Teilnehmer, die im Internet veröffentlicht wurde. Vgl. Rashad Saad, „Promoting proximity“, al-Ahram Weekly, 25.-31.01. 2007, abgerufen am 10.09.2007: http://weekly.ahram.org.eg/2007/829/re71.htm 74

zuschreibt, lässt sich auch an den hochkarätigen Abgesandten erkennen. So waren sowohl der Präsident der Azhar-Universität Aḥmad aṭ-Ṭayyib als auch der Minister für religiöse Stiftungen (auqāf) Maḥmūd Ḥamdī Zaqzūq anwesend. Zaqzūq und sein afghanischer Amtskollege Šahrānī waren die einzigen Minister, die an der Konferenz teilnahmen. Wie bereits in der Einleitung bemerkt, erkannte Wilfried Buchta schon 1997 erste Anzeichen dafür, dass Ägypten sich wieder mehr der Ökumene zuwenden wollte.274 Die Schirmherrschaft Kairos über die Konferenz und die Qualität der ägyptischen Delegierten zeigen nun, dass Ägypten seine Führungsrolle auf diesem Feld weiter ausbauen möchte. Tabelle 1: Die Tabelle zeigt die Anzahl der Gesandten, geordnet nach Ländern, in absoluten Zahlen Anzahl der Teilnehmer Land bzw. Länder 1 Teilnehmer

Algerien, Australien, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Eritrea, Italien, Japan, Libyen, Malaysia, Malediven, Mauretanien, Niederlande, Nigeria, Polen, Schweden, Tajikistan, Tschetschenien, Türkei, Uganda, Usbekistan

2 Teilnehmer

Frankreich, Großbritannien, Indien, Komoren-Inseln, Palästina, Russland

3 Teilnehmer

Bahrain, Indonesien, Irak, Sudan

4 Teilnehmer

Jordanien, Pakistan, Saudi-Arabien

5 Teilnehmer

Tunesien

6 Teilnehmer

Kuwait, Marokko

7 Teilnehmer

Syrien

8 Teilnehmer

Afghanistan, Jemen

9 Teilnehmer

Libanon

12 Teilnehmer

Oman

15 Teilnehmer

Vereinige Arabische Emirate

20 Teilnehmer

Ägypten

21 Teilnehmer

Iran

Quelle: Liste der Konferenzteilnehmer

Kontrastiert werden diese Bemühungen allerdings durch Äußerungen des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak, der 2006 die konfessionelle 274 Buchta, „Teherans Mağmaþ at-taqrīb“, 1997, S. 238. 75

Karte spielte und sagte, dass die meisten Schiiten, die in arabischen Ländern leben, eher dem Iran als dem eigenen Land gegenüber loyal seien.275 Der Präsident baut dabei auf eine weit verbreitete Stimmung im Land, die nicht zuletzt durch Mubarak selbst mitverursacht sein worden dürfte. So ist anti-schiitische Propaganda nach eigener Beobachtung beispielsweise in Kairo und Alexandria zu einer populären Massenware geworden, die sich bei jedem Straßenzeitschriftenhändler erwerben lässt.276 Im Bemühen um den Dialog einerseits und mit dem Aufrechterhalten und Ausbau der Vorurteile andererseits spiegelt sich die Unsicherheit der ägyptischen Führung, wie mit dem Phänomen des erstarkenden Iran und der zunehmend populären Hizbullah umgegangen werden solle. Im Gegensatz zum ägyptischen Establishment ist in sunnitisch-islamistischen Kreisen neuerdings zum Teil auch ein Umdenken hinsichtlich Irans und der Schia zu beobachten. So kam es jüngst zu einer Debatte zwischen zwei prominenten Muslimbrüdern, Yousef Nada und Mahmoud Ghazlan, die das Verhältnis der Muslimbrüder zum Iran und zur Schia zum Gegenstand hatte.277 Nada, derzeit im schweizerischen Exil lebend, hatte sich in einem Artikel im Februar 2009 positiv zur Schia geäußert und sie gegen sunnitische Polemiken in Schutz genommen. Dies generierte eine Antwort Mahmoud Ghazlans, Mitglied des obersten Führungsbüros der Muslimbruderschaft, der Nadas Standpunkt kritisierte und ihm lediglich die Qualität einer Einzelmeinung innerhalb der Muslimbruderschaft zuschrieb.278 Schließlich mischte sich auch der oberste Führer der Muslimbruderschaft, Muḥammad Mahdī þĀkif, ein und bekräftigte Nadas Ansicht, dass die Muslimbrüder den schiitisch-sunnitischen Konflikt nicht religiös, sondern politisch begreifen würden.279 Dar275 Mubarak, zitiert nach USA Today, „Shiite-Sunni 'rift' a worry across region“, 13.04.2006, abgerufen am 23.10.2007 unter http://www.usatoday.com/news/world/ iraq/2006-04-13-iraq-rift_x.htm 276 Eindrücke des Autors während einer Studienreise im Frühling 2008. 277 L. Azuri, MEMRI Inquiry and Analysis, No. 511, 24.04.2009, abrufbar unter www. memri.net/bin/articles.cgi?Page=archives&Area=ia&ID=IA51109, abgerufen am 30.04.2009. 278 Ebd. 279 Akef wird aufgrund ähnlicher Sympathiebekundungen für die Hizbullah und die IRI von jihadistischen Kreisen kritisiert. So schrieb der bereits weiter oben zitierte jihadistische Autor unter dem Namen Ṣāliḥ al-Maḥmūd: „Die Muslimbrüder wissen zumeist nur wenig über die Schia, und was den safawidischen Staat angeht, so wissen 76

über hinaus lobte þĀkif Khomeinis Leistung, Iran befreit zu haben.280 Von einigen Kommentatoren wird diese Debatte als Vorbereitung der Muslimbruderschaft angesehen, engere Beziehungen zum Iran aufzunehmen. Weiterhin liefert die engere Anbindung an Iran den Muslimbrüdern auch einen weiteren Verbündeten im Kampf gegen das Regime Husni Mubaraks in Ägypten, getreu dem Motto „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“.281 Aus dieser Debatte wird ersichtlich, dass Mubarak an einer Kampagne gegen Schiiten und Iran gelegen ist, da sowohl die Konfession der Schia als auch der Staat Iran innerhalb Ägyptens ansatzweise als Gegenpol zu Mubaraks Regime verstanden werden. So schrieb dann auch Chris Zambeli im Terrorism Monitor der Jamestown Foundation, dass die wahre Gefahr, welche die Hizbullah für Ägypten und andere US-gestützte Regime des Mittleren Ostens darstelle, von ihrer Fähigkeit ausgehe, Meinungsverschiedenheiten und Widerstand im Volk zu inspirieren.282 Unter den 18 Staaten mit mehr als zwei Delegierten finden sich insgesamt 14 arabische Staaten, wovon sechs in der Golfregion anzusiedeln sind. Die nicht-arabischen Staaten in diesem Block sind der Iran, Afghanistan, Indonesien und Pakistan.283 Interessant ist, dass nach dem Iran Afghanistan das zweitgrößte Kontingent an Gesandten aus nicht-arabischen Ländern stellt. Es kam bei der Delegiertenentsendung also nicht auf die Relation zum Staatsgebiet oder zur Bevölkerungsgröße an. Denn wäre dies der Fall gewesen, hätten Malaysia und Indonesien deutlich

280 281

282 283

sie rein gar nichts. Vielmehr begreift der Führer der Muslimbrüder in Ägypten Muḥammad Mahdī þĀkif nicht, dass wenn er Naṣrallah mit Salāḥ ad-Dīn vergleicht, dieser den Vergleich von sich weist. Denn sie [die Schiiten] verachten ihn [Salāḥ adDīn] blindlings.“ Al-Maḥmūd, „þAudat aṣ-ṣafawīyīn“, 2008, S. 42. L. Azuri, MEMRI Inquiry and Analysis, No. 511, 24.04.2009. L. Azuri, MEMRI Inquiry and Analysis, No. 511, 24.04.2009. Ein Beispiel hierfür ist auch die starke verbale Unterstützung, die die Muslimbrüder der schiitischen Hizbullah-Miliz im Sommerkrieg im Juli 2006 zukommen ließen (Zambeli, „Hezbollah in Egypt“, 12. Juni 2009, S. 7). Es sei in Bezug auf das Verhältnis der Muslimbruderschaft zur Schia und zum Thema der Annährung an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass schon der Gründer der Muslimbrüder ¼asan al-BannÁ an den ersten Zusammenkünften der Kairiner ĞT teilnahm (Ende, „Sunniten und Schiiten“, 1985, S. 198). Zambeli, „Hezbollah in Egypt“, 12. Juni 2009, S. 6. Geordnet nach Teilnehmerzahl, wobei Indonesien und Pakistan jeweils drei Delegierte schickten. 77

mehr Teilnehmer schicken müssen als Afghanistan. Vielmehr kann festgehalten werden, dass das Interesse für die islamische Ökumene hauptsächlich in den arabischen Ländern, dort vor allem in Staaten, die besondere Nähe zum Iran zeigen, ausgeprägt ist. Dies deutet darauf hin, dass die Annäherung vor allem als inoffizielle Verständigungsebene der politischen Interessen in der Golfregion gedeutet werden kann. Afghanistans hohe Delegiertenanzahl kann mit seiner Position als Anrainerstaat Irans und der gemeinsamen Geschichte der beiden Länder sowie mit kulturellen und sprachlichen Überschneidungen erklärt werden. Bemerkenswert ist aber, dass Saudi-Arabien und Jordanien jeweils nur vier Delegierte entsandten. In diesem Zusammenhang ist die Angst vor einer iranischen Übermacht am persisch-arabischen Golf zu nennen, die Saudi-Arabien und Jordanien stets vorsichtig agieren lassen.284 Dies zeigt sich unter anderem an Äußerungen von Jordaniens König Abdullah II. im Jahr 2004, in denen er vor den Gefahren eines schiitischen Halbmondes vom Libanon bis zum Persischen Golf warnte.285 Des Weiteren deutet die niedrige Teilnehmerzahl darauf hin, dass Saudi-Arabien Ägypten bewusst die Rolle eines Vermittlers zwischen den Konfessionen überlassen möchte und nur als Beobachter auftreten will. Es ist zudem auf die historisch bedingte Reserviertheit hinzuweisen, die das saudische Königshaus der Schia und vor allem der IRI gegenüber stets gepflegt hat.286 Die Zurückhaltung Saudi-Arabiens und Jordaniens, die mit Ägypten eine anti-iranische Allianz formen, ist auch mit der Skepsis gegenüber dem taqrīb-Projekt zu begründen, da man offensichtlich Iran noch immer zutraut, die Annäherungsidee zur Stärkung der eigenen Interessen auszunutzen. Allerdings ist es bereits ein wichtiger Schritt, dass Saudi-Arabien überhaupt Teilnehmer zu dieser Konferenz entsandt hat. Zum einen lässt 284 Vgl. Yehiav, „The Anti-Iranian Front“, 2007. 285 König Abdullah II. in The Washington Post, „Iraq, Jordan See Threat To Election From Iran; Leaders Warn Against Forming Religious State“, 8.12.2004, abgerufen am 3.11.2007 unter http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A43980-2004Dec7.html 286 Vgl. zur allgemeinen Konkurrenz von Saudi-Arabien und dem Iran Fürtig, „Iran's rivalry with Saudi Arabia“, 2002, und zur religiösen Konkurrenz insbesondere Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996. 78

sich dies daraus erklären, dass das Königreich wahrscheinlich nicht das einzige arabische Land ohne Vertretung sein wollte, zum anderen aber auch aus einer neuen Strategie gegenüber dem Iran, die, zumindest zum Teil, auf Abbau des Konfliktpotenzials setzt.287 Darüber hinaus hat Saudi-Arabien auch ein existenzielles Interesse an stabilen Verhältnissen im Irak, wie bereits weiter oben erwähnt. Die dortigen konfessionellen Auseinandersetzungen dürften daher auch eine Triebkraft für das saudische Herrscherhaus sein, sich stärker für den Abbau dieser Spannungen einzusetzen, und dies unter Umständen auch im Gespräch mit dem iranischen Nachbarn. Diagramm 1: Die Anzahl der Delegierten nach Ländergruppen, in Prozent ausgedrückt

Quelle: Liste der Konferenzteilnehmer. Grafik: Behnam Said Erläuterung zu Diagramm 1 Diagramm 1 zeigt die geografische Zusammensetzung der Teilnehmer. Es ist zum Teil schwierig, einzelne Länder bestimmten Blöcken zuzuordnen. So ist der 287 Vgl. BBC Persian, „þArabistān: ḥamle be īrān manṭaqe bī Ýabāt mī-konad“, 30.10. 2007, abgerufen am 17.01.2008 unter http://www.bbc.co.uk/persian/iran/story/ 2007/10/071030_s-saudi-iran.shtml 79

Sudan etwa ein afrikanisches Land, fällt hier aber, wegen seiner Zugehörigkeit zur Arabischen Liga, unter die Kategorie der Mitgliedsstaaten selbiger. Iran wurde aufgrund seiner hervorgehobenen Stellung in der Region am persischarabischen Golf sowie als einziger schiitischer Staat keinem Block zugeordnet. Afghanistan, Pakistan und Indien bilden aufgrund kultureller und historischer Gemeinsamkeiten eine Gruppe. Trotz der Schwierigkeiten, die eine Klassifikation mit sich bringt, wird ersichtlich, dass die Konferenz deutlich von der Gemeinschaft arabischer Staaten dominiert wurde. Allerdings ist beachtenswert, dass Iran von allen Einzelstaaten das größte Kontingent an Teilnehmern gestellt hat, woraus die Priorität ersichtlich wird, welche die iranische Regierung dem Thema Annäherung zwischen den Konfessionen zuschreibt. Zudem kann die Konferenz hauptsächlich als ein informeller Austausch zwischen Iran und der Arabischen Liga betrachtet werden, zumal politische Themen im Vordergrund standen.

Auch Vertreter aus westlichen Staaten waren kaum anzutreffen. Die Konferenz spielte sich im Endeffekt zwischen den Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga (112 Gesandte) und dem Iran ab. Als gewichtigster Block innerhalb der arabischen Staaten sind Irans Nachbarländer, die Golfstaaten (44 Teilnehmer) plus Ägypten zu nennen. Alleine die Golfstaaten stellten ein gutes Viertel der Besucher, während alle arabischen Staaten zusammen 64% der Teilnehmer ausmachten (siehe Diagramm). Im Maghreb-Raum scheint die Diskussion um Annäherung keinen großen Raum einzunehmen. So sendeten Algerien und Libyen beispielsweise jeweils nur einen Teilnehmer. Das größte Kontingent in diesem geografischen Gebiet hatte Marokko mit sechs Abgesandten aufgeboten. Obwohl die Konferenz die konfessionell geprägte Gewalt im Irak zum Hauptthema hatte, war der Irak selbst lediglich durch drei Teilnehmer vertreten, die als Universitätsprofessoren ausgewiesen waren.288 Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass die Konferenzteilnehmer den Schlüssel zur Entspannung der Irakkrise vor allem im externen Faktor Iran sehen. Daher soll verstärkt versucht werden, Iran weiter in die arabische Regionalpolitik einzubinden. Aber auch mögliche Gefahren für Leib und Leben könnten bei der niedrigen Anzahl der irakischen Delegierten eine Rolle gespielt haben, denn der Einsatz für Aussöhnung zwischen den Konfessionen sagt vielen Gruppen im Irak nicht zu. 288 Diese waren: Dr. þAbd al-Malik þAbd ar-Ra½mān as-Saþidī, Dr. Muḥsin þAbd alḤamīd aṭ-Ṭāÿī und Dr. Ḥasan Ḥ̣amīd þUbaīd Šāṭī al-³urbāwī. 80

Neben der regionalen Herkunft der Teilnehmer wäre es angebracht, deren Konfessionszugehörigkeit aufzuschlüsseln. Dies kann hier leider nicht geleistet werden, da die Teilnehmerliste hierüber keine Auskunft gibt. Auch die Organisationen und Institutionen, denen die Teilnehmer zugeordnet werden, lassen bis auf den Fall Iran keinen Schluss über die Konfessionszugehörigkeit zu. Es ist aber wohl anzunehmen, dass aus sunnitisch dominierten Ländern vorwiegend sunnitische und aus dem Iran hauptsächlich schiitische Teilnehmer anwesend waren. Zudem wäre es auch wünschenswert, eine Aufstellung in akademische, staatliche und religiöse Gesandte vorzunehmen. Haupthindernis hierfür ist allerdings die oftmals nicht vorhandene Trennung zwischen staatlichem und religiösem Amt in der islamischen Welt, wofür die Ministerien für religiöse Angelegenheiten in den islamischen Staaten ein gutes Beispiel sind. An der Teilnehmerliste Ägyptens wird zudem die Verbindung von akademischen und religiösen Positionen deutlich. Eine große Anzahl der ägyptischen Gesandten gehörte religiös-akademischen Einrichtungen an, die zudem noch unter staatlicher Kontrolle stehen. Abgesandte aus dem Iran sind oftmals noch schwieriger eindeutig zuzuordnen, da die Verknüpfung von religiösen, weltlichen und staatlichen Institutionen im Iran besonders ausgeprägt ist. Allerdings lässt sich die Anzahl der Teilnehmer mit einem weltlichen akademischen Titel angeben. Diese liegt bei insgesamt 173 gelisteten Gästen bei 101, was in etwa 58% entspricht. Davon sind 92 Doktoren und neun Professoren zu verzeichnen. 34 Teilnehmer waren als Éai¿ verzeichnet, und sind damit als religiöse Würdenträger zu verordnen, die allerdings zum Teil auch in staatlichen Stellen wie etwa dem Religionsministerium tätig sind. Damit macht der Anteil der Inhaber religiöser Titel nur etwa 19% aus. Dies spiegelt zum einen den akademischen Charakter der Konferenz, macht aber auch deutlich, dass die innerislamische Annäherung weniger von religiösen als vielmehr von weltlichen Gelehrten geprägt ist. Bis auf den Fakt, dass nur drei Frauen auf der Gästeliste verzeichnet waren, konnten weitere quantitative Aussagen über die Zusammensetzung der Teilnehmer an dieser Stelle nicht vorgenommen werden. Anzumerken bleibt, dass sich die Konferenz ganz bewusst in der Tra-

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dition der Kairoer ĞT sieht, wie es aus dem Artikel „Tārī¿ muÿtamarāt at-taqrīb baina l-maªāhib al-islāmīya“ hervorgeht, der von den Veranstaltern veröffentlicht wurde.289 Dies wird auch an den Redebeiträgen der Teilnehmer deutlich, wie teilweise im Verlauf der Arbeit aufgezeigt wird. An dieser Stelle sei nun auf einige wichtige Persönlichkeiten und Organisationen verwiesen, die gewissermaßen als Stammbesetzung bei taqrīb-Aktivitäten seit den 90er Jahren gelten können. Zwar trat die ISESCO bei der Doha-Konferenz nicht als Organisator auf, doch war ihr Einfluss noch immer zu spüren. Einerseits durch die Teilnahme ihres Generaldirektors, des sunnitischen Marokkaners þUÝmān at-Tawaiğrī, der der Organisation auch bei den von ihr abgehaltenen Konferenzen 1991 und 1996 vorstand, andererseits in Form der þIstrātīğīya at-taqrīb baina l-maªāhib al-islāmīya, welche die ISESCO 2003 herausgegeben hatte. Mehrere Redner bezogen sich auf die von der ISESCO abgehaltenen Konferenzen und auf die Strategie zur Annäherung und stellten die Doha-Konferenz an das vorläufige Ende dieser Kette von Abläufen. Aber auch andere Persönlichkeiten, die auf dem Feld der Ökumene schon früh in Erscheinung getreten waren, nahmen an der Doha-Konferenz teil. Ayatollah Muḥammad þAlī at-Tas¿īrī trat in Doha als Generalsekretär des oben erwähnten Teheraner Weltforums auf und hatte ein Gefolge an weiteren Vertretern seiner Organisation dabei. Neben seiner Funktion als Generalsekretär der mağmaþ ist Tas¿īrī auch führendes Mitglied in der International Union of Muslim Scholars (IUMS). Hier bekleidet er das Amt des Vize-Vorsitzenden, zusammen mit zwei weiteren Kollegen. Erster Vorsitzender ist derzeit der sunnitische Šaī¿ Yūsuf alQaraḍāwī.290 Beide Gelehrte nahmen an den ökumenischen Aktivitäten der 90er- und 2000er Jahre aktiv teil. So wurde in Folge der zweiten Konferenz zur Annäherung von 1996 ein Sammelband von Aufsätzen verschiedener Gelehrter erstellt, zu dem auch Yūsuf al-Qaraḍāwī und Muḥammad þAlī at-Tas¿īrī jeweils einen Text beigesteuert haben. Wäh289 „Tārī¿ muÿtamarāt“, 2007, Autor unbekannt, abgerufen am 12.03.2007, http://www. qatar-conferences.com/mazaheb/generalinfo.php 290 Vgl. zu al-Qaraḍāwīs Rolle auf der Konferenz den Abschnitt „al-Qaraḍāwī und der Iran“ unten. Eine Aufstellung der Führungsmitglieder der IUMS findet sich unter http://www.iumsonline.net/english/topic_06b.shtml, abgerufen am 22.02.2008. 82

rend Tas¿īrī in seinem Artikel „At-taqrīb baina marātib al-adilla fī-liğtihād“ Fragen der Jurisprudenz in Bezug auf den iğtihād abhandelt,291 wählte Qaraḍāwī einen politischeren Rahmen. In seinem Aufsatz „Mabādāÿ asāsīya fikrīya wa þamalīya fī-t-taqrīb baīna l-maªāhib“ (Grundlegende pragmatische und ideologische Prinzipien zur Annäherung zwischen den Rechtsschulen) beschäftigt er sich mit seinem Interessensschwerpunkt, nämlich der umma und ihren Feinden.292 Al-Qaraḍāwī und at-Tas¿īrī mögen sich nach ihrer konfessionellen Zugehörigkeit unterscheiden. Sie ähneln sich aber stark in ihrer politischen Überzeugung, indem sie beide im antikolonialen Rahmen des modernen Islamismus denken.293 Al-Qaraḍāwī bewegt sich dabei besonders stark in der Tradition der ägyptischen Muslimbrüder und ihres Gründers Ḥasan al-Bannā.294 Liest man die Schriften at-Tas¿īrīs und al-Qaraḍāwīs, so erkennt man sehr ähnliche Argumentationsmuster. So schrieb z.B. al-Qaraḍāwī in „Mabādāÿ asāsīya fikrīya wa þamalīya fī-t-taqrīb baīna l-maªāhib“: „Jede dem Islam feindlich gesonnene Kraft im Osten und Westen ist bemüht, die Söhne der einen Gebetsrichtung [die Muslime] auf verschiedene Arten zu teilen. Eine dieser Methoden ist die Wiederbelebung alter Unterschiede und die Hervorrufung von neuen. Dazu gehört: das Feuer über die konfessionellen Divergenzen zu gießen und Brennstoff hineinzuwerfen bis es brennen bleibt, besonders zwischen Sunna und Schia.“295 Sinngemäß erklärte at-Tas¿īrī hierzu auf der Doha-Konferenz, dass die Feinde der umma bemüht seien, diese zu schwächen, indem sie die Mus291 at-Tas¿īrī, „þAqbÁt fÍ ÔarÍq at-taqrÍb“, 2007. 292 al-Qaraḍāwī, „Mabādāÿ asāsīya“, 2003. 293 Zum antikolonialen Ursprung des Islamismus vgl. etwa Abu-Rabi‘, „Contemporary Arab Thought“, 2004, S. 66-72 und 126-135; Meier, „Politische Strömungen im modernen Islam“, 1995, S. 73, insbesondere auch Freitag, „Politische Religion“, 2003 sowie Tworuschka, „Islam im 19. Jahrhundert“, 1998, S. 430-436. 294 Wenzel-Teuber „Islamische Ethik“, 2005, insbs. S. 36-37 und S. 347. 295 al-Qaraḍāwī, „Mabādāÿ asāsīya“, 2003, S. 210: „Wa kull al-qauwÁ al-muþÁdiyya lil-islÁm fÍ-l-mašriq wa-l-ma™rib yaºhadÚn ºahd-hum li-t-tafrÍq baina abnÁÿ al-qibla al-wÁ½ida bi-šattÁ aÔ-Ôuruq, wa minhÁ: i½yÁÿ al-¿ilÁfÁt al-qadÍma wa ÿͺād ¿ilÁfÁt ºadÍda. Wa min ªÁlika: Èabb an-nÁr þalÁ al-¿ilÁfÁt al-maªhabīya wa qaªaf al-wuqud la-hÁ ½attÁ taãall mutaÿaººiºa, wa lÁ siyyamÁ baina as-sunna wa-š-šÍþa.“ 83

lime in Staaten und Völker unterteilen und die verschiedenen Traditionen, wie etwa die lokalen oder konfessionellen, anstacheln (ta½rÍk) würden. Dies geschehe bereits im Irak, in Pakistan, Afghanistan und anderen Ländern, wo Angehörige verschiedener Konfessionen zusammenleben würden.296 Derlei übereinstimmende Argumentationen gegen den neo-kolonialen Westen zwischen sunnnitischen und schiitischen Annäherungsbefürwortern stellen aber im taqrīb-Diskurs weder eine Neuigkeit dar, noch zeugen sie von Originalität, wie Werner Ende in einem Artikel von 1990 aufzeigt: „There can be no doubt that at the turn of the century [hier ist die Wende zum 20. Jahrhundert gemeint] (…) there was a widespread feeling in the Muslim world (…) that any dispute over religious issues should be avoided. (…) The main argument was that the enemies of Islam, i.e. western colonialism in all its different forms, would exploit the lack of Muslim unity in order to perpetuate its influence throughout the world of Islam. Even today, this is the standard argument used by all those who would like to see a friendly dialogue between Sunnis and Shi´is – and who would like that dialogue to result in a rapprochement. (…) When it happens, some spokesmen of both Sunni and Shi´i Islam are eager to prove that imperialism is always plotting behind the scenes in order to split the ranks of the umma, using for its own purposes naïve or evil-minded elements from this or that Muslim community. (…) In the case of the precarious relationship between Sunnis and Shi´is in the 20th century, presumed foreign conspiracies are often cited to explain, or explain away, the many setbacks the Muslims suffered on the road to unity or, at least, to a mutual rapprochement.“297 Es scheint daher, dass sich wichtige Annäherungsaktivisten auch im 21. Jahrhundert in ihren Argumentationen nicht sonderlich weiterentwickelt 296 at-Tas¿īrī, „þAqbÁt fÍ ÔarÍq at-taqrÍb“, 2007, S. 2-4. 297 Ende, „Sunni Polemical Writings“, 1990, S. 219 f. 84

haben und lieber den externen, unspezifizierbaren Feind im „Westen“ für die innere Spaltung der Muslime verantwortlich machen, als sich selbstkritisch und selbstreflektierend über eine mögliche Diskrepanz zwischen dem idealisierten Bild einer einheitlichen umma und den Realitäten der modernen Staatenwelt Gedanken zu machen.

3.3

Inhalte der Konferenz und Debatten

Die selbstgesteckten Ziele der Konferenz wurden über das Internet publiziert.298 Insgesamt sind es fünf Vorgaben, die die Veranstalter aufzählen: 1. Sammeln verschiedener Ansichten und die Annäherung zwischen ihnen, 2. Verbreitung von Literatur über Meinungsverschiedenheiten (adab al¿ilāf) unter den islamischen Rechtsschulen, 3. Korrektur der Positionen bezüglich der unterschiedlichen Angelegenheiten, 4. Gegenseitige gedankliche Unterstützung zwischen den islamischen Denkern und Gelehrten zur Verwirklichung der Annäherung zwischen ihren tatsächlichen Ansichten, 5. Konzentration auf die positiven Haltungen zwischen den islamischen Rechtsschulen und Verwerfung der Negativsmen (nabª as-salbiyāt). Die beschriebenen Ziele liefern wenig Hinweise auf eine Konferenzagenda. Sie sind vielmehr unkonkret gehalten und erfüllen minimalistische Ansprüche, was aber möglicherweise auch die geringen Hoffnungen, die in der derzeitigen Lage an eine Konferenz wie die abgehaltene geknüpft wurden, reflektieren kann. Auch denkbar wäre, dass die Veranstalter mit ihren offen gehaltenen Zielen keine Teilnehmer abschrecken wollten und sich erhofften, dass konkrete Schritte im Laufe der Konferenz entwickelt würden. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass auch die Ziele der ¹T offen formuliert waren.299 298 http://www.qatar-conferences.com/mazaheb/generalinfo.php, abgerufen am 12.03.2007 . 299 Die Ziele der ¹T waren: (1) Die islamischen Rechtsschulen einander anzunäheren, 85

Wie dem auch sei, bieten sich vor allem die veröffentlichten Reden für eine inhaltliche Analyse an. Aus ihrer Untersuchung sowie den verschiedenen Berichten über die Diskussionen während und nach der Konferenz lassen sich die Agenda der Konferenz und die Schwerpunkte der Debatten sehr gut rekonstruieren und darstellen, was in den folgenden Abschnitten geschehen soll. Da die Reden sich inhaltlich oftmals stark ähneln, werden im Folgenden lediglich die gemeinsamen Strukturen und, wenn es notwendig erscheint, die Besonderheiten dargestellt, weshalb nicht alle Redner zitiert, sondern eine Auswahl einzelner Beiträge wiedergegeben werden. Zudem wird auch auf die Debatten, die nach Abschluss der Konferenz vonstatten gingen, eingegangen, da diese besonders interessant erscheinen. Hierzu soll vor allem auf Nachrichtenartikel aus dem arabischsprachigen Internet zurückgegriffen werden. Ziel ist es weiterhin, die Fortentwicklung der Argumentationen zu untersuchen, die Brunner für die 40er, 50er und 60er Jahre herausgearbeitet hat300 und die mit dem aktuellen Material an dieser Stelle abgeglichen werden soll. Als Rahmen dieses Analyseteils wurden verschiedene Themengebiete gewählt, die gewissermaßen als Schwerpunkt der Konferenz gesehen werden können und politische, rechtliche und theologische Aspekte beinhalten. Die einzelnen Kategorien, in denen die Inhalte der Reden und Debatten abgehandelt werden sollen, sind Folgende: a) Die Krise des Iraks und die Krise der umma b) Zwischen Unterschiedlichkeit und Übereinstimmung c) Bedeutung von taqrÍb d) Al-Qaraḍāwī, der Iran und das Thema der Missionierung Besonders die Punkte a) und d) wurden in Doha ausführlich diskutiert und standen auch im Mittelpunkt der Berichterstattung über die Konferenz, weshalb ihnen in dieser Arbeit auch mehr Platz eingeräumt wird als den anderen Themen. (2) Die Prinzipien des Islams und deren Befolgung in verschiedenen Sprachen zu verbreiten und (3) als Mediator bei innerislamischen Streitigkeiten zu agieren (Zebiri, „Ma½mÚd ŠaltÚt“, 1993, S. 24). 300 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 172-188. 86

a) Die Krise des Iraks und die Krise der umma

Da der große Bezugsrahmen der Konferenz die Irakkrise und die islamische umma waren, soll letzterer Begriff an dieser Stelle zunächst eine kurze Erklärung, insbesondere in seinem Verhältnis zur modernen Staatenwelt, erfahren. Dem Prinzip der umma ist keine einheitliche Definition zu eigen, was mit seinem Gebrauch in verschiedenen Quellen, Qurÿān und ḤadīÝ, zu tun hat, sowie mit der Aufladung von Bedeutung vor dem Hintergrund der Geschichte. Im Qurÿān findet sich das Wort umma 62 mal und macht dort eine chronologisch-semantische Entwicklung durch, wobei es in den frühen Versen die Bedeutung von Gemeinschaft generell annimmt und erst später auf die muslimische Gemeinschaft insbesondere referiert.301 In den aḥādÍÝ ist die Bedeutung dann überwiegend auf die muslimische Gemeinschaft beschränkt.302 In der Moderne, die in der arabischen Welt mit dem Kolonialismus bzw. Imperialismus des 19. und 20. Jahrhunderts Einzug hielt, hat sich das umma-Konzept dann grundlegend gewandelt. Der Terminus erfuhr eine Politisierung, die aus der bewussten Ideenkonkurrenz zum Nationalstaat hervorging und sich zu diesem abgrenzend verhalten sollte.303 Im Laufe der Zeit allerdings entwickelte sich die umma im allgemeinen Verständnis selbst immer mehr zu etwas, was als islamische Nation verstanden werden konnte, der nicht mehr einfach nur Muslime sondern muslimische Staatsbürger angehören sollten.304 Hier wird der moderne Charakter des aktuellen umma-Konzeptes deutlich. Dieses moderne Verständnis entstand vor allem durch Ḥasan al-Bannā, der sowohl von nationalistischer Ideologie als auch von religiösen Werten geprägt war und beide Komponenten miteinander verband.305 Als Institutionalisierung dieses Gedankens kann dann die Gründung der Organization of the Isla301 302 303 304 305

Art. Umma, EI X/862 (Danny). Vgl. auch Nagel 1998, S. 166-168. Art. Umma, EI X/862-863 (Danny). Mandaville, „Transnational Muslim Politics”, 2001, S. 76-77. Meier, „Politische Strömungen im modernen Islam“, 1995, S. 18 . Lübben, „Nationalstaat und islamische umma bei Ḥasan al-Bannā“, 2004, S. 123. Vgl. zur Problematik des muslimischen Nationalismus auch Grunebaum, „Modern Islam – The Search für Cultural Identity“, 1962, hier insb. S. 205-218. Zum Thema Nationalismus und Islamismus vgl. insb. Freitag, „Politische Religion“, 2003. 87

mic Conference (OIC) am 25. September 1969 (12 Raºab 1389H) verstanden werden, da diese die Anerkennung der modernen Staatenwelt durch die islamische Politik ausdrückt.306 Die derzeit 57 in der OIC organisierten Staaten307 erkennen mit der Charta der Organisation zum einen den Nationalstaat und die verschiedenen islamischen Völker (aš-šuþūb al-islāmīya) als Handlungsrahmen an, bekräftigen aber zum anderen die Solidarität der islamischen Staaten untereinander.308 Diese Wahrung der islamischen Einheit im Rahmen der Nationalstaatlichkeit entspricht auch den Vorstellungen Ḥasan al-Bannās.309 Insgesamt scheint die umma vor allem als ein Gegenkonzept zur westlichen Staatengemeinschaft zu fungieren, das die islamisch geprägten Staaten näher aneinander binden soll. Dieses Verständnis von umma teilen auch die taqrÍb-Ideologen mehr oder minder. Da nach ihrer Auffassung alle islamischen Staaten und ihre Bewohner Teil eines Ganzen sind, wirken sich Konflikte in Teilgliedern auf die Gesamtheit der umma aus. Der ägyptische Minister für religiöse Stiftungen Zaqzūq, der im Fach Philosophie an der Universität München promovierte, schrieb hierzu in Anlehnung an eine bekannte Prophetenüberlieferung: „Die Nation ist als ein Körper zu betrachten, und wenn ein Teil dieses Körpers krank ist, dann antwortet der Rest des Körpers durch Mitgefühl, indem er Fieber bekommt und nicht schlafen kann. Der Islam verlangt, daß alle Gläubigen sich als Brüder betrachten sollen. (…) Jeder Muslim identifiziert sich natürlicherweise mit dem Leiden aller anderen Muslime, wo sie sich auch befinden mögen, denn sie sind alle ein Teil der großen islamischen Nation.“310 Jeder nationale oder lokale Konflikt wird daher auch als eine Bedrohung 306 Vgl. Reissner, „Internationale islamische Organisationen“, 2005, S. 747 und Schöne, „Islamische Solidarität“, 1997, S. 19-34. 307 http://www.oic-oci.org/ 308 Charta der OIC, Artikel II, A und B. Die Charta ist auf der Internetseite der OIC http://www.oic-oci.org/ in arabischer und englischer Sprache abrufbar. Abgedruckt wurde die Charta auf Englisch bei Schöne, „Islamische Solidarität“, 1997, S. 294-302. 309 Lübben, „Nationalstaat und islamische umma bei Ḥasan al-Bannā“, 2004, S. 133. 310 Zakzouk, „Fragen zum Thema Islam“, 2004, S. 116/117 und 118. 88

für den Gesamtfrieden angesehen. Drückt sich dieser Konflikt auch noch religiös aus, etwa in Form des innerislamischen Schismas, ist nicht nur der Zusammenhalt der islamischen Staaten, sondern auch der aller Muslime bedroht. Eine solche als existenzbedrohend angesehene Krise findet sich seit 2003 im Irak, einem Kernland des Islams. Der doppelte Krieg, zum einen der gegen die US-amerikanische Besatzung, zum anderen der zwischen den Anhängern verschiedener Glaubensrichtungen und Ethnien im Irak, hat zu einer starken Angst vor dem Zerfall der umma geführt. Der Generaldirektor der ISESCO þUÝmān at-Tawaiğrī sieht beispielsweise eine deutliche Zuspitzung der Lage seit 2003, dem Jahr, in dem das Papier „Strategie zur Annäherung der Rechtsschulen“ von der 10. Islamic Summit Conference in Malaysia ratifiziert wurde und die Konferenz von Bahrain zur Annäherung stattfand, und erklärt in Bezug auf die bisherigen taqrīb-Bemühungen enttäuscht: „Es ist, als ob die Anstrengungen, die seit fünf Jahrzehnten aufgewendet wurden (…), zu feinem Staub geworden sind.“311 Es kann nicht verwundern, dass die Konferenz sich vornehmlich auf das Geschehen im Irak konzentrierte und viele Redner dieses Thema zumindest streiften. Der verheerende Anschlag auf die goldene Moschee von Samarra am 22.02.2006 war nur das deutlichste Symbol für den brutalen Konfessionskrieg im Zweistromland, der bereits 2003 begonnen hatte.312 Aber seit 2006 hatte sich die zwischen 2003 und 2005 immer weiter verschärfende Krise tatsächlich in einen Bürgerkrieg verwandelt.313 Die veränderte Wahrnehmung des Irak-Krieges durch die Annäherungsaktivisten erkennt man auch deutlich an der Abschlusserklärung der im September 2003 in Manama/Bahrain abgehaltenen Konferenz zum Dialog der Rechtsschulen. Der Irak schien hier, soweit man aus der Abschlusserklärung entnehmen kann, eher am Rand wahrgenommen worden zu sein. Dies wird daran deutlich, dass erst Punkt 11 von 16 einen Aufruf an das irakische Volk enthält, an der Einheit festzuhalten, ohne auf die konfessionelle Zugehörigkeit zu achten, und dass schon an 311 at-Tawaiğrī, „Istrātīğīya“, 2007, S. 1: „ka-anna al-ğuhūd allatī buªilat munªu ¿amsat þuqūd (…) qad ªahabat habāb mutaÝawwir.“ 312 Cordesman, „Iraq’s Sectarian and Ethnic Violence“, 2007, S. 3. 313 Ebd., S. 3 und S. 16-41. 89

nächster Stelle mit Punkt 12 ein ähnlicher Aufruf an das palästinensische Volk folgt.314 Der zweite stellvertretende Premierminister und Minister für Energie und Industrie in Qatar þAbdullāh bin Ḥamd al-þAÔiyya befand, dass die diversen Konflikte zwischen den Angehörigen der umma die größte Herausforderung sei, welche derzeit den kulturellen Fortgang der Muslime behindere.315 Hiermit sprach er eine Angst an, welche die gegenwärtig treibende Kraft verschiedener Akteure darstellt, die versuchen wollen, die Muslime untereinander zu versöhnen. Die Einheit wird dabei zumeist mit dem Koran, insbesondere mit den Versen 102/103 der 3. Sure (Āl þImrān) begründet. So heißt es in Vers 103 unter anderem: „103 (98): Und haltet allesamt fest an der Verbindung (?)316 mit Gott und teilt euch nicht (in verschiedene Gruppen). Und gedenket der Gnade, die Gott euch erwiesen hat! (Damals) als ihr Feinde waret [sic!] und er zwischen euren Herzen Einigkeit stiftete,317 worauf ihr – durch seine Gnade – Brüder wurdet.“ Des Weiteren wird im Zusammenhang mit der Einheit der umma ebenso oft auf Sure 21 (al-anbīyāÿ), Vers 92 verwiesen: „92 (92): Dies ist eure Gemeinschaft (umma). Es ist eine einzige Gemeinschaft. Und ich bin euer Herr. Dienet mir.“ Im Original wird die Bedeutung dieses Verses noch deutlicher, daher sei sie an dieser Stelle wiedergegeben: „Inna hāªihi ummatukum umma wāḥida wa ana rabbukum faþbudūn.“ Es stellte sich natürlich auch den Rednern die Frage, weshalb die umma derzeit so sehr gespalten ist, dass sich ihre Mitglieder teilweise fanatisch bekriegen. In der Antwort hierauf muss man zwischen Ursache und Wirkung unterscheiden. Als Ursache wurde oftmals die gewollte Entzweiung der Muslime durch den Westen angegeben, die bis heute 314 www.alwihdah.com/view.php?cat=5&id=13, abgerufen am 20.01.2009. 315 bin Ḥamd al-þAÔiyya, „Begrüßungsrede“, 2007, S. 1. 316 Ich würde an dieser Stelle ḥabl wörtlich als Seil übersetzen und anstelle „an der Verbindung mit Gott“ „am Seil Gottes“ bi-ḥabl allāh vorschlagen, da hier eine wörtliche Übersetzung zumindest ebenso gut nachzuvollziehen ist wie eine sinngemäße und man daher in diesem Fall der wörtlichen den Vorzug geben sollte. 317 Paret übersetzt hier frei. Im Original heißt es lediglich fa-allafa baina qulūbikum, also „da vereinigte er eure Herzen“. 90

ihre Wirkung erziele. Anhänger und Wortführer dieser auf die antikoloniale Tradition des modernen politischen Islams zurückzuführende These sind auf sunnitischer sowie auf schiitischer Seite zu finden. Namentlich seien an dieser Stelle þAlī at-Tas¿īrī, Aḥmad aṭ-Ṭayyib und Yūsuf al-Qaraḍāwī genannt. Der Azhar-Präsident Aḥmad Aṭ-Ṭayyib erklärte in seiner Rede auf dem Panel „Schwierigkeiten und Herausforderungen“ (þaqbāt wa ta½addiyāt), dass der „Neue Mittlere Osten“,318 ein Projekt der Teilung (tağziÿa), dessen Speerspitze (raÿs al-ḥarba) das Entfachen von Zwietracht (fitna) sei.319 Der Westen, so der Azhar-Präsident weiter, nutze jeden vorhandenen Unterschied, religiös, konfessionell oder ethnisch, aus, um die Muslime gegeneinander oder gegen Angehörige anderer Religionen aufzubringen.320 Die aktuelle Politik des Westens, womit vornehmlich die USA, aber auch andere westliche Länder, gemeint sind, knüpfe an den Kolonialismus an, der die islamische umma in verschiedene Staaten gespalten habe, so aṭ-Ṭayyib. Daher sei seine Devise auch noch immer „Teile und herrsche“ (farriq wa tasūd).321 Eine Teilschuld gibt aṭ-Ṭayyib aber auch der islamischen umma selbst, welche auf die Provokationen des Westens auch noch eingehen würde. Nach seinen Worten verschlinge die umma den ihr vorgesetzten Köder, nämlich die vom Westen angestachelten Unterschiede zwischen den Muslimen.322 Zudem kritisiert er die gegenseitige Absprache des Glaubens (takfīr) und die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den maªāhib, die seit einigen Jahren stark zugenommen hätten.323 Die Verurteilung des takfīr, etwa als „größtes Hindernis für die Annäherung“, wie es þAlī at-Tas¿īrī ausdrückte,324 war dabei auf der Konferenz gängiger Konsens. Hierin zeigt sich die Möglichkeit, der zerstörerischen Tendenz der neu aufgekommenen tak318 Der Ausdruck „Neuer Mittlerer Osten“ wurde von der damaligen US-Außenministerin Condoleezza Rice auf einer Pressekonferenz am 21.07.2006 geprägt. Eine Mitschrift dieser Zusammenkunft ist unter http://www.state.gov/secretary/rm/2006/ 69331.htm abrufbar. 319 aṭ-Ṭayyib, „Aṣ-ṣirāþ al-mauhūm“, 2007, S. 4. 320 Ebd., S. 4. 321 Ebd., S. 4. 322 Ebd., S. 4. 323 Ebd., S. 5-6. 324 at-Tas¿īrī, „þAqbÁt fÍ ÔarÍq at-taqrÍb“, 2007, S. 5. 91

fīrī-Bewegungen (½arakÁt takfÍrīya)325 im zeitgenössischen politischen Islam eine islamische Alternative entgegenzusetzen, die sich in Bewegungen wie der ökumenischen manifestieren kann. In großen Teilen ähnelte aṭ-Ṭayyibs Rede der von þAlī at-Tas¿īrī, der seine Rede direkt nach dem Azhar-Präsidenten hielt. Dieser zählte, passend zum Thema des Panels „Schwierigkeiten und Herausforderungen“, eine Reihe von Hindernissen auf dem Weg zur Annäherung auf, wozu er zunächst den ausländischen Faktor (al-þÁmil al-¿ÁriºÍ) benannte.326 Der westliche Kolonialismus (al-istiþmÁr al-™arbÍ) würde eine Politik verfolgen, die aus drei Aspekten bestehe, die aus dem antikolonialen-islamistischen Diskurs hinlänglich bekannt sind:327 1. Die umma im Zustand der Rückständigkeit halten 2. Säkularität in der islamischen Welt ausbreiten, um nationale und rassische Konflikte in Gang zu setzen 3. Die Spaltung der islamischen Welt in Völker und Nationen, um unterschiedliche Faktoren, wie etwa Konfessions- oder Ethnienzugehörigkeit zur Spaltung auszunutzen Besonders letzter Punkt ähnelt der Argumentation von aṭ-Ṭayyib und natürlich der vieler anderer moderner islamischer Denker in starkem Maße. Aber auch die ausdrückliche Verurteilung des gegenseitigen takfīrs entsprach dem sunnitischen Azhar-Direktor, wie bereits oben erwähnt. Die Verurteilung „des Westens“ und „des Kolonialismus“ und seine Benennung als Verursacher des innerislamischen Konfliktes gehörten für die panislamische Fraktion der Konferenz gewissermaßen zum Usus. Der libanesische Schiit MuftÍ Mu½ammad ³Álib þAsÍlÍ, der nach Angaben der Konferenzveranstalter als Repräsentant des im Libanon ansässigen und der Amal-Bewegung nahestehenden Höchsten Schiitisch-Islamischen Rates (al-maºlis al-islÁmÍ aš-šÍþÍ al-aþlÁ)328 gekommen war, betont darüber hinaus auch die Gefahr der Zionisten, die nicht nur eine Be325 Diesen Ausdruck verwendete þAlī at-Tas¿īrī in seiner Rede in Doha: at-Tas¿īrī, „þAqbÁt fÍ ÔarÍq at-taqrÍb“, 2007, S. 7. 326 at-Tas¿īrī, „þAqbÁt fÍ ÔarÍq at-taqrÍb“, 2007, S. 2-4. 327 Ebd., S. 3. 328 Für mehr Informationen über den Rat siehe deren Internetauftritt http://www.shiitecouncil.com 92

drohung für Sunna und Schia, sondern auch für das Christentum sowie die gesamte Menschheit darstellen würden.329 Hierin, wie auch in þAsÍlÍs gesamter Rede, spiegeln sich die geografische Nähe und das schwierige Verhältnis des Libanons und besonders der libanesischen Schiiten zum Staat Israel wider. Als Antwort auf die Herausforderungen durch die Feinde der Muslime wird dann in beinahe allen Reden die ursprüngliche Einheit der umma betont, womit einem utopischen Ideal, nämlich dem idealisierten Bild der frühislamischen geeinten Gemeinde gefolgt wird.330 Liest man Brunners Ausführungen zu den Standardargumenten der ĞT, so findet man an dieser Stelle die gleichen Argumente, wie sie zum Teil auch auf der Doha-Konferenz hervorgebracht wurden.331 Es sei hier darauf hingewiesen, dass in fast jeder gehaltenen Rede das panislamische Element in Form antikolonialer Aussprüche enthalten war. Dies erklärt sich aus der Geschichte der ĞT, die noch immer maßgeblich das ökumenische Denken beeinflusst. Seit ihrer Gründung baute die ĞT auch Kontakte zu gemäßigten salafitischen Kreisen um Ḥasan alBannā auf, um die taqrīb-Organisation vor Angriffen aus dem konservativen und rechten Salafīya-Flügel zu schützen.332 Die ĞT wurde daher aus zwei Kanälen gespeist: zum einen aus dem Establishment der Azhar sowie anderen sunnitisch-orthodoxen Gelehrten333 und zum anderen aus panislamischen Kreisen.334 Somit entstammt zumindest ein Teil der Tradition der islamischen Annäherung aus dem Panislamismus. Bereits die 329 þAsÍlÍ, unbetitelte Rede, 2007, S. 5: „(…) al-þadÚ aÈ-ÈahyÚnīya allaªÍ huwa lais þadÚan li-š-šÍþa au li-s-sunna fa-½asb bal huwa þadÚ li-l-masͽīya wa-l-insÁnīya.“ 330 Bereits seit 750, so schreibt G. E. von Grunebaum, gelang es keiner Regierung, die gesamte islamische Welt zu kontrollieren. Allerdings hat sich, so Grunebaum weiter, diese Realität nie im kanonischen Recht widergespiegelt, welches stets nur die eine unteilbare umma anerkennt. Vgl. Grunebaum, „The Arab and the Near East“, 1961, S. 125/126. Ebenso weist Tilmann Nagel auf die Lücke hin, die zwischen Realität und Theorie klafft, und spricht von „universalem Anspruch [der umma] und faktischer Unmöglichkeit, diesen Anspruch durchzusetzen“ (Nagel, „Islamische Welt“, 1998, S. 167). 331 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 183-184. 332 Ebd., S. 98 ff und S. 135 ff. 333 Ende 2000, S. 139/140. 334 Vgl. Art.Taḳrīb, EI X/139 (Ende). Brunner weist darauf hin, dass sich die ĞT selbst in der Tradition Muḥammad þAbduhs sah (Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 156/157). 93

ĞT war bemüht, die Annäherung, unter Hinweis auf die Relevanz einer islamischen Einheit gegen den Westen, herbeizuführen.335 Insofern lebt die waḥda/ittiḥād-Forderung der Panislamisten auch in der islamischen Ökumene weiter, bekam aber eine andere Konnotation. Während die Begriffe früher auf die gesellschaftliche und ideologische Einigung der Muslime untereinander, aber auch auf die Einigung unter einem Staat abzielten, verliert sich letztere Bedeutung und bleibt im besten Fall noch als bloße Rhetorik bestehen. Einigkeit soll heute nur noch unter den Muslimen und zwischen den einzelnen islamisch geprägten Gesellschaften und Staaten erreicht werden. Dies unterstreicht den politischen Charakter, den der taqrīb neben seinen theologischen Ansprüchen hat. Offensichtlich wird die panislamische Tradition in den Ausführungen des iranischen Hanafiten Sayyid Ibrāhīm Fāḍil Ḥussainī. Er zählt in seiner Rede Persönlichkeiten der neueren Geschichte auf, die sich um die Einheit der umma Verdient gemacht haben: Jamāl ad-Dīn al-Āfġānī, Muḥammad þAbduh, Ayatollah Borūğerdī, Muḥammad Taqī Qommī und Maḥmūd Šaltūt.336 Hieran werden noch einmal die ideengeschichtlichen Wurzeln des taqrīb deutlich. Die Inhalte der Reden wurden zu einem großen Teil auch in der Abschlusserklärung der Konferenz übernommen. So hieß es in der Einleitung des Dokumentes, dass die umma derzeit eine schwere Zeit erlebe, wie insbesondere auch der Irak.337 Bereits der erste Punkt des BayÁn addÚha betrifft den Irak. In ihm werden die Auseinandersetzungen im Irak, die als Konfessionskrieg (½arb ÔÁÿifīya baina s-sunna wa-š-šÍþa) bezeichnet werden, verurteilt.338 Es wird davor gewarnt, dass die Gewalt zu einer Zerteilung (taftīt) des Landes führen könnte. Der Versuch, die innerislamische Einheit durch Abgrenzung gegen einen äußeren Feind zu erlangen, wird in der Abschlusserklärung unternommen, indem dazu aufgefordert wird, die Aufmerksamkeit auf den wahren Feind zu lenken, der auf die umma lauert (al-þadÚ al-½aqÍqÍ al-mutarabbiÈ bi-l-umma).339 Es zeigte sich also auch hier wieder eine Tendenz zur Konspirations335 336 337 338 339 94

Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 102, 105-107, 109-110, 156/157. Ḥussainī, „¹uhūd risāla al-waḥda“, 2007, S. 3. BayÁn ad-dÚha, 2007, S. 1. Ebd., S. 2. Ebd., S. 2. Punkt eins wie auch Punkt zwei weisen auf den Feind der umma hin.

theorie im innerislamischen Diskurs. Dieter Groh schrieb hierzu, dass solche Theorien immer eine „Unterschätzung der Komplexität und Dynamik historischer Prozesse“ beinhalten würden.340 Genau diese Beschreibung trifft auf das hier skizzierte Weltbild zu, das im Westen einen omnipotenten Lenker der Geschichte ausmacht. b) Zwischen Unterschiedlichkeit und Übereinstimmung

Da der Meinungsunterschied (i¿tilÁf) auf diversen Gebieten dem innerislamischen Schisma innewohnt, spielte dieser und vor allem der Umgang mit ihm auf der Konferenz eine bedeutende Rolle. Es zeigte sich zum einen, dass Meinungsvielfalt durchaus erwünscht ist, dass die Konferenzteilnehmer aber auch „schädliche“ Tendenzen identifizierten, welche eine Gefahr für den gewünschten innerislamischen Zusammenhalt darstellen würden. So zeigte ein europäischer Beitrag auf dem ersten Panel „Die Bedeutung des Dialogs für die Einheit der umma“ von dem in Frankreich lebenden Universitätsdozenten þAbd al-Mağīd an-Nağār, zwei Ebenen von i¿tilÁf auf: zum einen die legitime und fruchtbare (muÝmir) Dimension, die zur Entwicklung und zur Kooperation beiträgt, zum anderen die des Fanatismus (taþaÈÈub).341 Die Redner versuchten in diesem Sinne deutlich zu machen, dass Meinungsunterschiede im Islam, also auf der Ebene des fruchtbaren i¿tilÁf, nicht nur toleriert werden, sondern sogar erwünscht sind, was auch eine klassische Position im islamischen Rechtsverständnis darstellt.342 So argumentierte die Vorsitzende der Konferenz þĀÿīša bint Yūsuf al-Manāþī mit Sure 11 (Hūd), Verse 118/119, in denen es heißt: „118 (120): Und wenn dein Herr gewollt hätte, hätte er die Menschen zu einer einzigen Gemeinschaft (umma) gemacht. Aber sie sind immer noch uneins, 119: außer diejenigen, derer dein Herr sich erbarmt hat. Dazu hat er sie geschaffen.“ Zwar, so die Dekanin der Fakultät für Religion an der Universität Qa340 Groh, „Anthropologische Dimensionen“, 1992, S. 281. 341 an-Nağār, „Daur al-ḥiwār al-maªhabī“, 2007, S. 3. Der libanesische Schiit MuftÍ Mu½ammad ³Álib þAsÍlÍ teilte die Konflikte innerhalb der umma ebenfalls in zwei Ebenen auf. Zum einen sieht er eine politische Dimension und zum anderen eine der Glaubens- und Rechtsfragen (vgl. þAsÍlÍ, unbetitelte Rede, 2007, S. 2). 342 Vgl. etwa Coulson, „A History of Islamic Law“, 2006, hier insbes. Kap. 7. 95

tar, hätten sich nach dem Zeitalter der Gesandtschaft Unterschiede auf den Gebieten der maªÁhib, der Glaubensgrundsätze (þaqāÿid) und der Jurisprudenz (fiqh) ergeben,343 doch diese Vielfalt (tanawwuþ) sei eine Bereicherung für die islamische Kultur.344 Ähnliche Ansichten, mit derselben Koranstelle begründet, vertritt auch der ägyptische auqāf-Minister Maḥmūd Ḥamdī Zaqzūq. In seiner Rede zählt er einige „Wahrheiten“ (ḥaqāÿiq) auf. Die erste seiner Wahrheiten betrifft die Unterschiedlichkeit der Menschen, die von Gott gewollt sei. Die Menschen, so Zaqzūq, seien eben keine exakt reproduzierten bzw. wiederholten Kopien (fa-n-nās laisū nus¿aan mukarraratan), woraus sich ergebe, dass jedes Individuum über eine eigene unabhängige Persönlichkeit (ša¿sīya mustaqilla) verfüge, was zu unterschiedlichen Auffassungen über religiöse Angelegenheiten führe.345 Ebenfalls auf Sure 11, Verse 118/119 bezogen, sagte Dr. þAbd alLaÔÍf Ma½mÚd Àl Ma½mÚd, tätig an der Abteilung „Arabische Sprache und Islamische Studien“ der Fakultät für Literatur der Universität Bahrain, dass Meinungsunterschiede nicht nur erwünscht seien, sondern dass, im Umkehrschluss, die totale Übereinstimmung der Muslime sogar nicht zulässig sei (™air ºÁÿiz).346 Im Zusammenhang mit dem innerislamischen i¿tilÁf stehen vor allem auch Fragen auf dem Gebiet der Jurisprudenz. Hauptargumentationspunkt hier war vor allem die selbstständige Meinungsbildung (iğtihād). Die Beiträge betonten zumeist die Notwendigkeit des iºtihÁds, da so auch unterschiedliche Auffassungen zwischen Schiiten und Sunniten le343 al-Manāþī, „Eröffnungsrede“, 2007, S. 2. Vgl. zu diesem Thema auch an-Nağār, „Daur al-ḥiwār al-maªhabī“, 2007, S. 2-4: An-Nağār argumentiert beispielhaft für andere Reden, indem er zunächst den innerislamischen i¿tilāf und die Herausbildung der verschiedenen maªāhib gutheißt, im nächsten Schritt den konfessionellen Fanatismus verurteilt und anschließend zur Einigung der umma aufruft. 344 Bint Yūsuf al-Manāþī, „Eröffnungsrede“, 2007, S. 3. Vgl. auch at-Tawaiğrī, „Istrātīğīya“, 2007, S. 7-8. 345 Zaqzūq, „Daur at-taqrīb“, S. 1. Vgl. u.a. auch at-Tawaiğrī, „Istrātīğīya“, 2007, S. 9. Diese Auffassung ist unter den Gelehrten weit verbreitet, und findet auch in anderen Reden ihren Platz. Vgl. etwa Būsnān, „At-tafāhum baina l-maªāhib al-islāmīya“, 2007, S. 4. 346 Àl Ma½mÚd, „At-taqrÍb“, 2007, S. 86. Àl Ma½mÚd hatte auf der Konferenz den Chair des siebten Panels „Wege der Annäherung – Hoffnungen und Bestrebungen“ (subul at-taqrīb – al-āmāl wa-Ô-ÔumÚ½āt) inne. 96

gitimiert werden können. In Bezug auf die bereits oben zitierte Argumentation sagte Zaqzūq: „Wenn der Islam stets die Tatsache der Unterschiedlichkeit zwischen den Menschen zugab, dann gesteht er gleichzeitig auch zu, was sich daraus an Resultaten ergibt, die sich in Meinungsverschiedenheiten, Vorstellungen und Rechtsentscheidungen aufgrund selbständiger Entscheidung (iğtihādāt) darstellen.“347 Da Zaqzūq die Heranziehung von Verstand und eigenständigem Denken zur Erschließung der Rechtsbestimmungen als festgelegtes islamisches Prinzip (mabdaÿ islāmī muqarrar) ansieht, spricht er sich auch dafür aus, dass es niemandem erlaubt sei, das Tor des iğtihād zu schließen („wa lā yağūz li-aḥad ayaān kān an yuġliq haªā al-bāb“).348 Neben der rechtlichen Legitimierung der Meinungsvielfalt wurde die Rechtswissenschaft auch gebraucht, um die Übereinstimmung von Sunna und Schia zu demonstrieren. Deutlich wird dies an einem Beitrag zu einer der Primärquellen sunnitischen und schiitischen Rechts, dem ḥadīÝ. Der bereits weiter oben zitierte Universitätsprofessor Mu½ammad WÁþiã ZÁde al-¾orÁsÁnÍ, der gleichzeitig führendes Mitglied des Weltforums für Annäherung ist, wies während des Panels „Wege der Annäherung – Schwierigkeiten und Herausforderungen“ darauf hin, dass zwischen den sunnitischen und schiitischen Rechtsschulen Einigkeit über die Primärquellen des Rechts, des Korans und der Sunna bestehe.349 ¾orÁsÁnÍ sagte zudem, dass die Überlieferungen schiitischer und sunnitischer Autoritäten oftmals übereinstimmen würden, und dass daher die hadÍÝ-Wissenschaften ein geeigneter Ansatz für die Ökumene seien.350 In mindestens 80% der a½ÁdÍÝ erkennt der Autor Übereinstimmungen in der Überlieferungskette von 347 Zaqzūq, „Daur at-taqrīb“, S. 2: „(…) fa-iªā al-islām yaþtarif bi-haqīqat al-i¿tilāf baina l-bašar fa-inna-hu yaþtarif fī l-waqt nafsihi aiḍan bi-mā yatarattab þalā ªālika min natāÿiğ tatamaÝÝal fī i¿tilāf ar-raÿī wa-t-taṣawwurāt wa-l-iğtihādāt.“ 348 Zaqzūq, „Daur at-taqrīb“, S. 2. 349 al-¾orÁsÁnÍ, „Daur ½adÍÝ aÝ-Ýaqalain“, 2007, S. 5. Ebenso Àl Ma½mÚd, „At-taqrÍb“, 2007, S. 9-10. 350 Ein Grund für die häufige Übereinstimmung ist u.a. die Rolle von ¹afar aÈ-ÆÁdiq als bedeutender Überlieferer von Texten für sunnitische wie auch schiitische Sammlungen. Vgl. Hoffman-Ladd, „Devotion to the Prophet“, 1992, S. 623-624. 97

Sunniten und Schiiten.351 Daher plädierte er dafür, weiterhin wörtlich oder inhaltlich übereinstimmende Traditionen beider Konfessionen zu sammeln, wie es bereits das Teheraner Weltforum für Annäherung tue.352 ¾orÁsÁnÍs Argument mag zutreffen. Es sei aber angemerkt, dass er sich wohl bewusst nur auf die Überlieferungsketten bezieht und die Anzahl der a½ÁdiÝ, die gleichermaßen von Sunna und Schia anerkannt sind, außer acht lässt. Denn hier hätte er wohl weniger Übereinstimmung gefunden, da die Zwölferschiiten dem ½adÍÝ-Korpus noch Überlieferungen der Imame zufügen, die bei den Sunniten nicht auftauchen und natürlich auch nicht akzeptiert werden.353 ¾orÁsÁnÍs spricht dann zwar noch eine Ebene an, auf der es Differenzen zwischen Sunna und Schia gibt, relativiert diese aber zugleich, indem er darauf hinweist, dass es bei den Sekundärquellen des Rechts, wie beispielsweise dem iºmÁþ, nicht nur zwischen Sunniten und Schiiten unterschiedliche Ansichten gebe, sondern auch innerhalb der vier sunnitischen Rechtsschulen selbst.354 Mit dieser Argumentation ähnelt ¾orÁsÁnÍ vielen anderen Rednern, die den Unterschied zwischen Schia und Sunna mit dem innersunnitischen i¿tilāf gleichsetzten.355 Aḥmad aṭ-Ṭayyib stellt die Gewalt zwischen Schia und Sunna beispielsweise explizit auf eine Stufe mit den Auseinandersetzungen zwischen Sufismus und Salafismus.356 Mit dem Versuch der Nivellierung des Konfliktes begibt sich auch die neue taqrīb-Generation wieder in das Fahrwasser der ĞT. Brunner schrieb 351 al-¾orÁsÁnÍ, „Daur ½adÍÝ aÝ-Ýaqalain“, 2007, S. 5. Ob die Angabe von 80 Prozent zutreffend ist, kann in dieser Arbeit nicht geklärt werden. Erfahrungsgemäß werden Zahlen im innerislamischen Diskurs allerdings gerne auch ohne Belege verkündet. In diesem Zusammenhang sei an Goldzihers „Muhammedanische Studien“ erinnert, wo er die hadÍÝ-Fälschung zugunsten einer Dynastie oder einer Konfession eindrucksvoll darlegt. Vgl. Goldziher, „Muhammedanische Studien“, 1890, hier insbes. Kapitel III „Das Ḥadīth in seiner Beziehung zu den Parteikämpfen im Islam“, S. 88130. 352 al-¾orÁsÁnÍ, „Daur ½adÍÝ aÝ-Ýaqalain“, 2007, S. 5. 353 Art. Hadith in Shiþism EIR XI/447-449 (Kazemi-Moussavi) und Momen, „Shi‘i Islam“, 1985, S. 173-175 354 al-¾orÁsÁnÍ, „Daur ½adÍÝ aÝ-Ýaqalain“, 2007, S. 2. 355 Vgl. beispielsweise at-Tawaiğrī, „IstrātīğÍya“, 2007, S. 8-9 und aṭ-Ṭayyib, „Aṣ-ṣirāþ al-mauhūm“, 2007, S. 5-6. Zur Meinungsdivergenz innerhalb der vier Rechtsschulen s. Coulson, „A History of Islamic Law“, 2006, Kap. 7. 356 aṭ-Ṭayyib, „Aṣ-ṣirāþ al-mauhūm“, 2007, S. 4. 98

hierzu, dass die Autoren, die in der Risālat al-Islām publizierten, bemüht waren „zu betonen, wie einig man sich im Prinzip ja bereits sei (…).“ 357 Gleiches gilt auch für die Argumentationsketten der heutigen Annäherungsaktivisten. Nie hätten sich die vier sunnitischen und die ibāḍitische und ğaþfaritische maªāhib in den den Grundwerten des Islam (Ýawābit al-islām) unterschieden, erklärte etwa Ḥamdī Zaqzūq.358 Mu½ammad ¼asan TabarÁÿīyÁn, der stellvertretende Generaldirektor der Weltliga für Annäherung, bezeichnete den innerislamischen i¿tilāf lediglich als eine Frage von richtig oder falsch, aber nicht als eine von Glauben oder Unglauben.359 Trotz des relativ sicheren Territoriums, auf dem sich die Konferenz in Bezug auf die Divergenz bewegte, da der Islam grundsätzlich zu einer starken Meinungsvielfalt neigte und diese auch zumeist akzeptierte,360 ist der Umgang mit dieser Pluralität, der auf der Konferenz gezeigt wurde, dennoch gerade in der heutigen Zeit besonders hervorzuheben. Eine breite Mehrheit von Gelehrten spricht sich für Meinungsfreiheit und gegen die ständige Angst aus, des Unglaubens bezichtigt zu werden. Diese Diskussion innerhalb der taqrīb-Debatte könnte besonders fruchtbar für das innerislamische Zusammenleben werden, indem sie muslimischen Denkern den Rücken stärkt, die sich gegen Meinungsbeschränkungen wenden. Allerdings gab es auch kritische Stimmen zum i¿tilÁf als Gegenstand der Diskussion. Zwar argumentierte auch þAbdullāh Būsnān für die Meinungsvielfalt, doch mahnte er auch vor der Tendenz, sich in den Debatten nur auf den i¿tilÁf zu konzentrieren: „Aber bedauerlicherweise sehen wir heute einige Muslime, die Spezialisten der beschränkten rechtlichen Divergenz geworden zu sein scheinen, aber noch schlimmer als dies ist [die Tatsache], 357 Brunner, „Annäherung und Distanz“, 1996, S. 172. 358 Zaqzūq, „Daur at-taqrīb“, S. 3. 359 TabarÁÿīyÁn, „Istrātīğīya“, 2007, S. 5: „(…) amma al-i¿tilÁf baina l-maªÁhib alislÁmīya fahuwa i¿tilÁf ¿aÔaÿ wa ÈawÁb wa laisa i¿tilÁf kufr wa ÍmÁn.“ 360 Coulson schreibt zum Verhältnis der sunnitischen Rechtsschulen, dass dieses in seiner Anfangsphase gekennzeichnet war durch „outbreaks of enmity and active hostility between them“ (Coulson, „A History of Islamic Law“, 2006, S.88), und dass diese Spannungen erst im im späten neunten Jahrhundert einer zunehmenden Toleranz und gegenseitiger Akzeptanz zu weichen begannen (Ebd., S. 88-89). 99

dass sie weit entfernt von den guten Sitten der Divergenz und seiner Moral sind.“361 Für die meisten Teilnehmer der Doha-Konferenz ging es aber vor allem darum, im Rahmen des taqrīb die legitime und illegitime (Fanatismus) i¿tilÁf-Ebene voneinander zu trennen bzw. zulässige Meinungsunterschiede von der Bezichtigung des Unglaubens loszulösen und sich auf dem Feld des legitimen Meinungsunterschiedes zu begegnen. MuftÍ Mu½ammad ³Álib þAsÍlÍ etwa führte aus, dass der innerislamische i¿tilÁf aus unterschiedlichen Auffassungen des fiqh hervorgehe und dass diese Meinungsunterschiede keinesfalls politisch ausgelegt werden dürften, weder auf der Ebene der Beziehungen der Bürger zueinander noch auf der Ebene der Beziehungen der Bürger zum Staat und der Regierung. 362 Daher, so þAsÍlÍ weiter, bestehe die jetzige Aufgabe darin, den i¿tilÁf auf Wege und Mittel des fiqh zu beschränken. Um den sektiererischen Fanatismus zu bekämpfen, der in fast jeder Rede angegriffen wurde, forderten die Kongressteilnehmer in ihrer Abschlusserklärung eine Reformierung der Lehrpläne in den verschiedenen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, um alle Inhalte daraus zu entfernen, die dem Einheits- (wa½da) und Annäherungsgedanken widersprechen würden.363 Die Umsetzung dieser Forderung ist allerdings fragwürdig und hat, nach hiesigem Erkenntnisstand, bisher nicht stattgefunden. Dennoch ist sie als ein starker Denkanstoß an die islamische Welt zu werten. c) Bedeutung von taqrÐb

Unter dem Begriff taqrÍb kann sowohl der wörtliche und inhaltliche Sinn des Wortes und seiner Konnotationen verstanden werden wie auch die heutige Stellung, Relevanz und Umsetzung der ökumenischen Idee. Auf beide Dimensionen werde ich hier eingehen und untersuchen, wie sie von den Teilnehmern der Konferenz verstanden wurden. 361 Būsnān, „At-tafāhum baina l-maªāhib al-islāmīya“, 2007, S. 4: „(…) lÁkin al-muÿsif al-yaum an narÁ baþ± al-muslimÍn wa ka-anna-hum aÈba½Ú muta¿aÈÈiÈÍn fÍ-l-i¿tilÁf al-fiqhÍ a±-±ayyiq. Wa-l-adhÁ wa-l-amr min ªÁlika anna-hum baþÍdÚn kull al-buþd þan ÁdÁb al-Í¿tilÁf wa a¿lÁqīyÁtihi.“ 362 þAsÍlÍ, unbetitelte Rede, 2007, S. 8. 363 BayÁn ad-DÚha, 2007, S. 3. 100

Die wörtliche Bedeutung von taqrīb wurde bereits weiter oben erläutert, sodass ich mich hier zunächst der inhaltlichen Ebene der Annäherung zuwenden möchte. Die Substanz des taqrīb muss von den Aktivisten immer wieder erläutert und verteidigt werden. Auch über 50 Jahre nach Gründung der ĞT wird noch immer darauf hingewiesen, dass taqrÍb tatsächlich nichts weiter als die bloße Annäherung verlangt und nicht etwa die Verschmelzung aller Rechtsschulen und Konfessionen.364 Diese Argumentation ist sehr klassisch und lässt sich bis zu den Anfängen des taqrīb zurückverfolgen. So schrieb der bereits oben erwähnte bedeutende irakische schiitische Gelehrte Šai¿ Mu½ammad Husain KÁšif al-³iÔÁÿ über die Absicht der islamischen Ökumene: „Es sollte ganz sicher sein, dass die Absicht des taqrīb baina lmaªÁhib nicht die Beseitigung der Wurzel des Gegensatzes [¿ilÁf] zwischen ihnen [den maªÁhib] ist, sondern dass das maximale Ziel die Beseitigung von dem Umstand ist, dass dieser ¿ilÁf der Grund für Feindschaft und Haß ist. Das Ziel ist der Austausch von gegenseitiger Entfernung und Konflikt mit Brüderlichkeit und Annäherung.“365 Der Weg zu der erwünschten Annäherung führt dabei zunächst über den Dialog (½iwÁr). Der Dialog bildet einen essenziellen Inhalt des taqrīb, was sich schon im Konferenznamen „Doha-Konferenz zum Dialog der islamischen maªÁhib“ (muÿtamar ad-dÚ½a li-½iwÁr al-maªÁhib al-islÁmīya) zeigt und auch im Strategiepapier der ISESCO immer wieder betont wird:

364 Vgl. u.a. Zaqzūq, „Daur at-taqrīb“, 2007, S. 5, TabarÁÿīyÁn, „Istrātīğīya“, 2007, S. 7. Hierin zeigt sich, dass dieses Argument wohl noch immer am häufigsten gegen die Ökumene hervorgebracht wird. Dass die Befürworter der Annäherung auch immer wieder darauf eingehen, demonstriert wiederum die große Kraft, die in der Angst vor Verschmelzung der Rechtsschulen liegt. 365 Mu½ammad Husain KÁšif al-³iÔÁÿ zitiert nach Àl Ma½mÚd, „At-taqrÍb“, 2007, S. 17: „Fa-yanba™Í an yakÚn min al-maqÔÚþ bi-hi anna laisa l-murÁd min at-taqrÍb baina lmaªÁhib al-islÁmīya izÁlat aÈl al-¿ilÁf bainahÁ, bal aqÈÁ l-murÁd wa ºull al-™ara± huwa izÁla an yakÚn hÁªÁ l-¿ilÁf sababan li-l-þadÁÿ wa-l-ba™±Áÿ. Al-™ara± tabdÍl attabÁþud wa-t-ta±Árub bi-l-i¿Áÿ wa-t-taqÁrub.“. 101

„Der islamische gedankliche Dialog (…) gehört zur Basis der islamische šarīþa (…). Und unsere islamische Religion hat, nach dem Verständnis der šarīþa, den schönen Dialog zur Pflicht gemacht.“366 Dieser Dialog wird von den meisten Teilnehmern als ein wissenschaftlicher aufgefasst, der vor allem zwischen den Gelehrten der verschiedenen islamischen Richtungen geführt werden soll. Dabei besteht ein breiter Konsens darüber, dass im Rahmen dieser akademischen Diskussionen die Unterschiede zwischen den Rechtsschulen im Hinblick auf ihre Quellen (maÈÁdir), Beweise bzw. Hinweise auf die richtige Auslegung der Rechtsquellen (adilla), Methoden (manÁhiº) und Schlussfolgerungen (istinbÁÔ) behandelt werden sollen.367 Allerdings gab es auch Kritik an solchen Definitionen von taqrÍb. So beanstandete Muḥammad þAlī Āªaršab, Teheraner Universitätsprofessor und Direktor des Zentrums für iranisch-arabische Kulturstudien, in seiner Ansprache mit dem Titel „Die Annäherung von der Elite zu den Massen“368 die Beschränktheit des taqrīb auf die Eliten (nu¿ba) und fordert zu radikalem Umdenken auf: „Die heute aufgewendeten Anstrengungen auf dem Feld des taqrīb konzentrieren sich vornehmlich auf die Diskussionszentren, Konferenzen und wissenschaftlichen Versammlungen (…). Und diese Anstrengungen sind natürlich auf den Rahmen der Elite begrenzt, während die Massen weitgehend von diesen Anstrengungen ausgeschlossen sind. (…) Wenn die Eliten und die Massen eine seelische bzw. psychische (nafsīya) Behandlung der Frage des taqrīb nötig haben, dann haben die Massen noch mehr Bedarf hiernach.“369 366 „Istrātīğīya“, 2003, S. 37: „Wa inna l-½iwÁr al-fikrī al-islÁmī min asÁs aš-šarīþa alislÁmīya (…). Wa iª kÁna dīnunÁ al-islÁmī fī mafhÚmihi at-tašrīþī qad auğaba l½iwÁr al-½asan.“ Hier nimmt die Argumentation Bezug auf Koran 16:125 und 29:46. 367 Vgl. u.a. Àl Ma½mÚd, „At-taqrÍb“, 2007, S. 22-23. 368 Diese Rede wurde im zweiten Block der Konferenz unter dem Titel „Die Bedeutung des Dialogs für die Einheit der umma“ gehalten. 369 Āªaršab, „At-taqrīb min an-nu¿ba ilā al-ğamāhīr“, 2007, S. 1: „Al-ğuhūd almabªūla al-yaum fī ḥaql at-taqrīb tatarakkaz ġāliban þalā marākiz al-abḥāÝ wa-lmuÿtamarāt wa-l-mağāmiþ al-þilmīya (…). Wa hÁªihi l-ğuhūd hīya tabþan maḥdūda fī iṭār an-nu¿ba, wa tabqÁ al-ğamāhīr maþzūla ilā ḥadd kabīr þan hÁªihi l-ğuhūd. (…) 102

Als Akademiker greift er die þulamāÿ an und wirft ihnen elitäres Verhalten vor. So nennt der Redner die Anstrengungen von ISESCO, der Azhar und auch der iranischen Weltliga zur Annäherung schlicht dankenswert (maškūr), stellt aber fest, dass diese sich auf die Gemeinsamkeiten in Fragen der uṣūl al-fiqh, des tafsīr und des ḥadīÝ konzentrieren würden, was natürlich auch sinnvoll (mufīd) sei, aber eben nur den Verstand (þaql) anspreche und nicht den Geist (rūḥ), die Seele (nafs) und das Herz (qalb), was eigentlich vonnöten sei, um auch die Massen für die Sache der Annäherung zu gewinnen.370 Die þulamāÿ seien, so Āªaršab, schon seit langer Zeit von der umma isoliert.371 Diese Isolierung zu durchbrechen ist das Hauptanliegen des Professors. Dafür schlägt er zwei Wege vor: Die Benutzung der neuen Kommunikationswege und die ḥağğ.372 Zunächst argumentiert Āªaršab, dass die taqrīb-Aktivisten sich die Revolutionierung der Kommunikationstechnologie, die der Redner eine großartige Revolution nennt (Ýaura þaẓīma), zunutze machen sollten.373 Taqrīb sollte seiner Meinung nach nicht auf die akademisch-wissenschaftliche Diskussion beschränkt bleiben, sondern sich der neuen Möglichkeiten, etwa des Satelliten-Fernsehens, bedienen, um die Annäherung zu verwirklichen: „Wenn die Kanzel der Moschee einst das einzige Mittel zur Masseninformation war, so haben sich die Satelliten, welche die Horizonte füllen, die Empfangsgeräte für Satellitenprogramme und die Kommunikationsnetzwerke zu attraktiven und modernen Kanzeln gewandelt, um das Volk an jedem Ort anzusprechen.“374

370 371 372 373 374

iª kānat a-nu¿ba wa-l- ğamāhīr bi-ḥāğa ilā muþālağa nafsīya fī masÿalat at-taqrīb fa-inna l-ğamāhīr ilā ªÁlika aḥwağ.“ Ebd., S. 3. Ebd., S. 3. Die Nutzung der Pilgerfahrt nach Mekka als Mittel der politischen Kommunikation ist bereits aus den Tagen von Ayatollah Khomeini ein bekanntes Phänomen. Vgl. Glunz, „Das Manifest der islamischen Revolution“, 1993. Āªaršab, „At-taqrīb min an-nu¿ba ilā al-ğamāhīr“, 2007, S. 2-5. Ebd., S. 5: „Wa iª kāna al-minbar yauman wasīla waḥīda li-l-iþlām al-ğamāhīrī, fainna l-aqmār aÈ-Èināþīya allatī tamlaÿ al-āfāq ağhiza istilām al-faḍ̣āÿīyāt, wa šabakāt al-ittiÈāl qad taḥawwalat ilā manābir ğaªªāba wa mutaÔawwira li-¿itāb aš-šuþūb fī kull makān.“ 103

Neben der Nutzbarmachung (istiþmāl) der neuen Informations- und Kommunikationswege für die innerislamische Annäherung spricht sich Āªaršab zudem dafür aus, den Nutzen des ḥağğ zu erkennen, der kollektive Erfahrungen in der Gottesverehrung schafft und somit die Menschen näher zusammenführen kann.375 In der Abschlusserklärung spiegeln sich Āªaršabs Ideen nicht wider. Es wird hier nicht zu einer breiteren Basis der Ökumene aufgerufen, sondern weiterhin auf die Gelehrten, aber auch auf die Politiker gesetzt.376 Die Idee der Annäherung blieb ihrer elitären Tradition verhaftet. Aufbauend auf Āªaršab hätte man sich in Doha etwa auf einen gemeinsamen Internetauftritt, eine Zeitschrift oder ähnliches einigen können, mit dem man den Gelehrtendialog einem breiteren Publikum zugänglich hätte machen können. Allerdings kann die Live-Übertragung Al-Jazeeras von der Konferenz bereits als ein Schritt in diese Richtung angesehen werden. Was die Relevanz angeht, so setzt die große Mehrzahl der Gelehrten ihre Hoffnungen auf das taqrÍb-Projekt. Obwohl þUÝmān at-Tawaiğrī sichtbar enttäuscht und frustriert über den Verlauf der Ökumene in jüngster Zeit war, stellt der ISESCO-Direktor nicht den taqrīb als Methode zur Einigung an sich infrage. Vielmehr hält er ihn gerade jetzt für das beste Mittel, um Frieden unter den Muslimen zu schaffen: „In der Tat hatte die islamische Welt an keinem anderen Tag so einen großen Bedarf an Annäherung zwischen den islamischen Rechtsschulen wie heute.“377 Überhaupt gab es auf der Konferenz keinen einzigen Beitrag, der sich gegen die Ökumene insgesamt aussprach. Man kann davon sprechen, dass die Annäherung der Konfessionen weitestgehend den islamischen Basiskonsens bildet. Sogar sektiererische Autoren wie der Sunnit þAlÍ A½mad as-SÁlÚs stellen die Idee der Annäherung an sich nicht infrage, wollen diese allerdings nach ihren Vorstellungen ausformulieren. So schreibt beispielsweise as-SÁlÚs, der über das Thema „Spuren der Ima375 Ebd., S. 10-18. 376 BayÁn ad-DÚha, 2007, S. 3. 377 at-Tawaiğrī, „Istrātīğīya“, 2007, S. 2: „Inna al-þālam al-islāmī lam yakun fī yaum mā fī ḥāğa šadīda ilā at-taqrīb baina l-maªāhib al-islāmīya ḥāğatahu ilaihi al-yaum.“ 104

matslehre im imamitischen Recht“ promovierte, dass er zunächst über die Unterschiede zwischen Sunna und Schia aufklären möchte, um dann die Art und Form der Annäherung zu bestimmen. Nur auf diese Weise, so der Verfasser weiter, lässt sich klären, wer seine Überzeugungen verlassen und sich dem anderen annähern müsse.378 Auf der radikalen schiitischen Seite finden wir sogar ein noch interessanteres Beispiel dafür, wie die Idee der Annäherung von allen Lagern des politischen Islams benutzt wird. Der irakisch-schiitische Milizenführer MuqtadÁ aÈ-Æadr machte zu einer ökumenischen Kooperation konkrete Vorschläge. Wie Muḥsin an-Nūrī al-Mūsawī, der Æadr-nahe Autor eines Buches über aÈÆadr,379 schreibt, forderte aṣ-Ṣadr gemeinsame Freitagsgebete und Moscheen, in denen Sunniten und Schiiten zusammen ihr Gebet verrichten können.380 Der Iraker bezieht sich zudem immer wieder ausdrücklich auf die Tradition des taqrÍb, wie al-Mūsawī darstellt. d) Al-Qaraḍāwī, der Iran und das Thema der Missionierung

Die veröffentlichten offiziellen Reden glichen sich zumeist bis auf wenige Ausnahmen und bezogen sich nur zu einem geringen Teil auf die aktuelle Politik. Ganz anders verhielt es sich aber mit den Inhalten der Debatten zwischen den Teilnehmern, die dieses Mal zum größten Teil von der Tagespolitik bestimmt waren. Als Hauptthema kristallisierte sich die Lage im Irak heraus. Damit verbunden wurde über die Rolle Irans in dem Konflikt und auch in der gesamten Region diskutiert. Rasha Saad fasste dies für die al-Ahram Weekly zusammen: „The conference was dominated by the issues that currently dictate relations between Islam's two main sects − sectarian violence in Iraq and the growing influence of Iran in the region.“381 378 As-SÁlÚs, „Maþal-iÝnÁ þÁšarīya”, 2006, S. 6. 379 Das Buch trägt den Titel „As-Sayyid Muqtadā aṣ-Ṣadr – Ṣadr al-þirāq aÝ-ÝāliÝ – ahdāf-hu, muwāqif-hu, mašrūþ-hu“. Die Überschrift „Ṣadr al-þirāq aÝ-ÝāliÝ“ lässt sich auf zwei Weisen übersetzen: entweder „Der dritte Sadr des Irak“ oder aber auch „Der dritte Führer des Irak“. Beide Übersetzungen beziehen sich auf die zwei Vorgänger Muqtadā aṣ-Ṣadrs, die bekannten verstorbenen schiitischen Autoritäten Bāqir und Ṣādiq aṣ-Ṣadr, in deren Nachfolge der Autor Muqtadā sieht. 380 al-Mūsawī, „Ṣadr al-þirāq aÝ-ÝāliÝ“, 2004, S. 46. 381 Saad, Rashad, „Promoting proximity“, al-Ahram Weekly, 25.-31.01.2007, abgerufen am 10.09.2007: http://weekly.ahram.org.eg/2007/829/re71.htm 105

Aus diesem Zitat wird deutlich, dass der sunnitisch-schiitische Konflikt derzeit hauptsächlich einen starken regionalen Aspekt hat, der sich geografisch auf die arabische Halbinsel, Iran und Irak beschränken lässt. Aufgrund dieses internationalen bzw. interregionalen Schwerpunktes der politischen Debatte standen nationale schiitische Minderheiten in arabischen Ländern, vor allem in Saudi-Arabien und Bahrain, nicht im Mittelpunkt des Interesses. Es war hauptsächlich Yūsuf al-Qaraḍāwī, der die internationale Ebene auf die Agenda setzte, und in diesem Bezug die Frage der Missionierung von Schiiten in sunnitisch dominierten Ländern aufwarf und politisierte. Qaraḍāwī, der einer der sechs Eröffnungsreden halten durfte,382 schaffte es, die Diskussionen auf der Konferenz und damit auch die Berichterstattung über sie dergestalt zu beeinflussen, dass die Rolle Irans in der arabisch-sunnitischen Welt zum Thema, wenn nicht sogar zu dem zentralen Thema von Doha wurde.383 An dem Problem der Missionierung lässt sich ablesen, wie sehr der Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten vor allem als Konflikt zwischen Iran und der sunnitischen bzw. arabischen Welt interpretiert und begriffen wird. Bereits am 31. August 2006 sprach al-Qaraḍāwī in einer Ansprache, die von dem bedeutenden Fernsehsender Al-Jazeera ausgestrahlt wurde, deutliche Worte, als er von seiner Reise in den Iran und den dortigen Diskussionen berichtete: „ (…) keiner sollte in einem Land, das zu der anderen Rechtsschule gehört, predigen. Ich werde nicht die sunnitische Doktrin in Qum predigen oder in einem zur Schia gehörigen Land. Ich sagte ihnen [den iranischen Gastgebern], es sei nicht akzeptabel für die

382 Vgl. http://www.qatar-conferences.org/mazaheb/program.php, abgerufen am 26.02.2007 383 Leider ist keine Rede von al-Qaraḍāwī selbst dokumentiert, obwohl er zumindest zwei Redebeiträge, einen während der Eröffnungs- und einen auf der Abschlusssitzung, hielt, wie Medienberichten zu entnehmen war. Auch über seine Website und die Organisatoren der Konferenz ließen sich seine Reden nicht finden. Daher bin ich auf Berichte über seine Äußerungen aus der arabischen Presse angewiesen. 106

sunnitische384 maªhab in Ägypten, Sudan, Algerien und anderen Ländern zu werben. Diese sind zur Sunna gehörig.“385 Es hatte offenbar einige Diskrepanzen zwischen al-Qaraḍāwī und seinen iranischen Gastgebern gegeben, die er nun der Öffentlichkeit darlegte.386 In dem 2006 erschienenen Buch „Der Betrug der Annäherung zwischen Sunna und Schia“ (¿udþat at-taqrÍb baina s-sunna wa-š-šÍþa) beschreibt der Autor AbÍ Mu½ammad Ašraf bin þAbd al-MaqÈÚd, ein entschiedener Gegner der Schia und der Annäherung an sie, einen Auftritt al-Qaraḍāwīs vor Journalisten, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um die bereits oben erwähnte Ansprache handelt,387 in der er etwa eine Viertelstunde spontan (bi-þafwīya) über Angriffe gegen die Sunna und die schiitische Durchdringung (i¿tirÁq) Ägyptens gesprochen habe.388 Zuvor hatte al-MaqÈÚd aber auch geschrieben, dass die Bemühungen des Šaī¿s zur Annäherung jedermann bekannt seien und dass ihn die aktuellen Ereignisse zu diesen Äußerungen veranlasst hätten.389 Einen Grund, der alQaraḍāwī zu seinen Polemiken veranlasst habe, sieht al-MaqÈÚd in der ablehnenden Haltung iranischer Behörden gegenüber dem Bau einer sunnitischen Moschee im Iran. Für dieses Anliegen hatte sich al-Qaraḍāwī offenbar während seiner Reise eingesetzt, allerdings mit wenig Erfolg.390 Qaraḍāwī machte sich mit seinen Äußerungen zum Fürsprecher der sunnitisch-arabischen Welt, in der die Angst vor einer großen schiitischen Konvertierungswelle umgeht (s.o.). So wurden etwa in Algerien im Dezember 2006 elf Lehrer, denen vorgeworfen wurde, in den Schulen zur Schia zu missionieren, vom Bildungsminister Abu Bakr bin Būzīd ihres Amtes enthoben, wie unter anderem die Zeitung Az-Zamān berich384 Hierbei handelt es sich ganz offensichtlich um einen Versprecher. Gemeint ist eindeutig die schiitische Doktrin. 385 Der TV-Auftritt ist unter http://www.memritv.org/clip/en/1324.htm dokumentiert. Unter http://www.memritv.org/clip_transcript/en/1324.htm findet sich das Transkript eines Teils der Sendung. 386 Weitere Vorwürfe an die Schiiten betrafen die Verfluchung der ṣaḥāba und den Streit um die Koranfälschung. 387 Nähere Angaben zu diesem Aufenthalt sind nicht gemacht worden. 388 al-MaqÈÚd, „¾udþat at-taqrÍb“, 2006, S. 44. 389 Ebd., S. 44. 390 Ebd., S. 45. 107

tete.391 In einem Onlinebericht der Zeitung wird die Entscheidung des Ministers in Zusammenhang mit inoffiziellen Berichten gestellt, die auf eine „Verbreitung des Phänomens des heimlichen Schiitentums“ (intišār ẓāhirat at-tašayyuþ as-sirrī) in Algerien hingewiesen hatten.392 Nach dem Fernseh-Auftritt al-Qaraḍāwīs sah sich die IUMS dazu veranlasst, eine Klarstellung ihres Generalsekretärs Dr. Mu½ammad SalÍm al-þAwwÁ herauszubringen, die die Äußerungen ihres Vorsitzenden relativieren sollte. In dem Statement heißt es, dass al-Qaraḍāwī mit seinen Vorwürfen keinesfalls die schiitische Schule im Allgemeinen angreifen wollte, sondern lediglich einige Individuen, die sich unverantwortlich verhielten, indem sie durch Missionierungsversuche Uneinigkeit stiften würden.393 Die IUMS musste beinahe zwangsläufig diesen Schritt unternehmen, da sie sich als Vertreter aller islamischen Richtungen ansieht, zumindest derer, die sie anerkennt, wozu auch die Zwölferschia gehört. Daher wies sie auch ausdrücklich darauf hin, dass al-Qaraḍāwī betont, dass „Al-Imamiyya – a Shiite sect – is a Muslim sect, and Al-Jaafari doctrine is considered Islamic doctrine“.394 Auch auf der Konferenz von Doha wurde das Thema der Missionierung ausführlich diskutiert, was sich dann auch in der Abschlusserklärung widerspiegelt. Hier besagt Punkt sieben, dass Missionierungen seitens der Schiiten in sunnitischen Ländern, aber auch seitens Sunniten in schiitisch dominierten Ländern, untersagt seien.395 Diese Formulierung geht augenscheinlich auf das Bestreben der sunnitischen Seite zurück, den schiitischen Einfluss zurückzudrängen. Die Rolle al-Qaraḍāwīs während und nach der Konferenz ist besonders auffällig. War er doch derjenige, der sich seit langem für die innerislamische Annäherung eingesetzt hatte, so hat sich sein Ton in den letzten Jahren geändert, was im Zuge von Doha für alle Welt offenkundig wurde. 391 Az-zamān, 14.12.2006, Autor unbekannt, abgerufen am 28.09.2007, http://www. azzaman.com/index.asp?fname=2006\12\12-13\887.htm&storytitle 392 Ebd. 393 „Clarification -Statement of the IUMS Chairman Concerning Shiites“, 4.12.2006, http://www.iumsonline.net/english/articles/2006/09/02.shtml, abgerufen am 22.02.2008. 394 Ebd. 395 Bayān ad-Dūḥa, 2007, S. 3. 108

Der Šaī¿ erhob auf der Konferenz in Bezug auf den Irak schwere Vorwürfe gegen den Iran. Dieser würde über den Schlüssel zur Beilegung des Konfliktes im Irak verfügen, so die Worte der Gelehrten auf der Schlusssitzung.396 Zudem beschuldigte er Iran, schiitische Milizen zu beherbergen, die arabische Sunniten im Irak töten und vertreiben würden.397 Auf der Eröffnungssitzung richtete er, nach einem Bericht der irakischen Nachrichtenagentur, das Wort an at-Tas¿īrī und sagte, dass die Verbreitung eines maªhab in einem Land, das von einer der Richtungen dominiert ist, nicht erlaubt sei.398 Zudem fragte er, was es denn den Schiiten nütze, in Ländern zu missionieren, die zu einer der vier sunnitischen Rechtsschulen gehörten. Dass al-Qaraḍāwī gerade seinen IUMS-Kollegen at-Tas¿īrī ansprach, lässt sich wohl damit erklären, dass dieser als ein sogenannter „soft link“ zwischen dem Irak und Iran fungiert. So soll at-Tas¿īrī über eine Stiftung verschiedene Projekte im Süden des Iraks mit einem Umfang von mehreren Millionen Dollar finanzieren.399 Insgesamt vertrat al-Qaraḍāwī auf der Konferenz eine rein sunnitische Sicht des Konfliktes. Er sieht die Sunniten Iraks als Opfer und kam daher nicht ein einziges Mal auf die Umtriebe sunnitischer Terroristen zu sprechen. Zudem forderte al-Qaraḍāwī auch im Hinblick auf den Irak eine Fatwa nur von schiitischen Autoritäten, die das Töten aus konfessioneller Motivation verbietet, wovon er eine Lösung der Probleme im Irak erwartet.400 Der Šaī¿ folgt hiermit einer Linie, die sich derzeit bei einigen sunnitischen Gelehrten vor allem aus dem Umfeld der Wahhābīya beobachten lässt. Es ist schon erstaunlich, al-Qaraḍāwī in einem Boot mit der Islamischen Armee im Irak und anderen Extremisten zu sehen, die derzeit die Stellung Irans im Irakkonflikt betonen. In der Meldung einer ara396 Gulf News, „Iran »has the key to stop bloodshed«”, 23.01.2007, abgerufen am 12.10. 2007, http://www.qatar-conferences.com/mazaheb/english/viewlastnews.php?id=33 397 Saad, „Promoting proximity“, al-Ahram Weekly, 2007. 398 WikÁlat al-a¿bÁr al-þirÁqīya, „ºadal sunni – šiþÍ fÍ muÿtamar ad-dÚha li-½iwÁr almaªÁhib al-islÁmīya“, 22.01.2007, abgerufen am 07.02.2008, http://www.qatar-conferences.com/mazaheb/viewlastnews.php?id=133 399 Nasr, „When the Shiites Rise“, 2006, S. 62. 400 „Al-Qaraḍāwī wa Rāfsanğānī yadþūān al-umma li-l-waḥda“, veröffentlicht am 15.02.2007 auf al-Qaraḍāwīs Internetauftritt, anonymes Dokument, abgerufen am 19.02.2007, http://www.qaradawi.net/site/topics/article.asp?cu_no=2&item_no= 4797&version=1&template_id=211&parent_id=16 109

bischen Nachrichtenseite vom Dezember 2007 findet sich der Bericht, dass der Befehlshaber der Islamischen Armee im Irak (al-ğaīš al-islāmī fī-l-þirāq) dazu aufgerufen hat, Bagdad von der iranischen (!) Besetzung zu befreien (inqāª baġdād min al-iḥtilāl al-irānī).401 Weiterhin wird von einer doppelten Besetzung (iḥtilāl muzdawiğ) seitens Amerika und dem Iran gesprochen. In der aktuellen Situation geradezu bizarr mutet die Bemerkung des Kommandanten an, Amerika würde mit den sasanidischen Soldaten und safawidischen Milizen kooperieren.402 Der Narrativ der doppelten Besetzung und die Wahrnehmung Irans als den wirklichen Feind durch sunnitische Extremisten hat sich mittlerweile im jihadistischen Milieu durchgesetzt. Auch der bereits zitierte Ṣāliḥ al-Maḥmūd schrieb in seinem Aufsatz „Die Rückkehr der Safawiden“ Anfang 2008: „(…) sie [die heutige islamische Generation] hat die Allianz zwischen den Safawiden und Europa zur Bekämpfung der Osmanen vergessen. Heute verbündet sich das ‹schiitische› Iran mit Amerika um [die Regime in] Afghanistan und Irak zu stürzen, um dann den Irak zu besetzen.“403 Der Befehlshaber der Islamischen Armee im Irak zog noch einen interessanten geschichtlichen Vergleich, indem er davor warnte, Bagdad nicht verloren gehen zu lassen wie zuvor Jerusalem und davor Andalusien.404 Al-Qaraḍāwī legte nach dem Ende der Konferenz nach. Auf seiner Website qaradawi.net wurden Auszüge aus einem vom Sender al-Jazeera veranstalteten und ausgestrahlten Gespräch zwischen dem ehemaligen iranischen Präsidenten Akbar Hāšimī Rāfsanğānī und al-Qaraḍāwī veröffentlicht. Hier wird al-Qaraḍāwī in Bezug auf Rāfsanğānī wie folgt zitiert: „Ich kann meine Hand nicht in deine legen, wenn ich über die Prophetengefährten oder die Mutter der Gläubigen þĀÿiša sage, »Gott habe Gefallen an ihnen«, und du [hingegen] sagst, »Gott verfluche sie«.“405 401 402 403 404 405 110

„Fatāwā suþūdiyya“, Dezember 2007, www.annabaa.org/nbanews/60/622.htm Ebd. al-Maḥmūd, „þAudat aṣ-ṣafawīyīn“, 2008, S. 41. „Fatāwā suþūdiyya“, Dezember 2007. „Al-Qaraḍāwī wa Rāfsanğānī yadþūān al-ummali-l-waḥda“, 15.02.2007: „Lā astaṭīþ

Des Weiteren forderte er von Rāfsanğānī, sich bei den schiitischen Autoritäten für eine Fatwa einzusetzen, die das Schmähen der Gefährten ächtet. Šaī¿ Yūsuf al-Qaraḍāwīs Äußerungen schlugen hohe Wellen. Dies geschah nicht zuletzt aufgrund der großen Autorität, die der Šaī¿ in der sunnitischen Welt besitzt. So ist er etwa regelmäßiger Gast einer wöchentlich laufenden Sendung auf al-Jazeera mit dem Titel „Religion und Leben“, die sich größter Beliebtheit erfreut.406 Seine Aussagen besitzen daher schon durch den Grad seiner Bekanntheit enormes Gewicht. Daher dauerte es auch nicht lange, bis sich die ersten schiitischen Autoritäten zu Wort meldeten. Verschiedene arabische Medien brachten am 26.01. 2007 die Meldung heraus, dass Muḥammad Bāqir al-Mahrī, der Bevollmächtigte der schiitischen Autoritäten in Kuwait, al-Qaraḍāwī als geisteskrank bzw. nicht zurechnungsfähig (þadam al-ittizān) bezeichnete. Zudem beschuldigte der schiitische Gelehrte al-Qaraḍāwī, unter dem Einfluss einiger Gruppen zu stehen, die ihm eine Gehirnwäsche verpasst hätten (ºamāþāt ġasalat mu¿¿ahu). Al-Mahrī forderte von der IUMS die Enthebung ihres Vorsitzenden von seinem Amt.407 Dass seine Ausführungen erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen würden, müsste al-Qaraḍāwī eigentlich klar gewesen sein. Auch dass seine ausschließlich pro-sunnitische Haltung eine gefährliche Situation eskalieren lassen könnte, hätte er wissen müssen. Allerdings passen seine Äußerungen in eine Reihe weiterer sunnitischer Polemiken, die in der letzten Zeit kursierten. So gab beispielsweise der saudi-arabische Šaī¿ þAbd ar-Rahmān bin Nāṣir al-Barāk am 17.12.2006 eine Fatwa heraus, in der die Anhänger der Schia als Ungläubige (kuffār) bezeichnet wuran aḍiþ yadī fī yadik iª kunt aqūl þan aṣ-ṣaḥāba wa umm al-muÿminīn raḍī allāh þanhum wa ant taqūl laþan-hum allāh.“ http://www.qaradawi.net/site/topics/article.asp? cu_no=2&item_no=4797&version=1&template_id=211&parent_id=16 406 Miles, „Al-Dschasira“, 2005, S. 40-43 407 Vgl. zu diesem Vorfall u.a. „Al-þālim aš-šīþī al-kuwaitī al-Mahrī: al-Qaraḍāwī ġair muttazin wa ya¿ḍaþ li-jamāþāt ġasalat mu¿¿ahu wa yağib þazaluhu“, 26.01.2007, abgerufen am 22.02.2007, http://www.alwatanvoice.com/ arabic/news.php?go= show&id=72252 Und: þIsā, Aḥmad, „al-Mahrī: al-Qaraḍāwī ġair muttazin wa ya¿ḍaþ li-ğamāþāt “ġasalat mu¿¿a-hu” wa yağib þazala-hu“ Erstveröffentlichung in Aš-šarq al-ausaÔ, Zweitveröffentlichung über Internetauftritt der Doha-Konferenz, 26.01.2007, abgerufen am 22.02.2007, http://www.qatar-conferences.com/mazaheb/ viewlastnews.php?id=129 111

den.408 In diesem Schriftstück wird zudem als Gründer der Schia der Jude þAbd Allāh b. Sabāÿ genannt. Diese Behauptung ist allerdings keineswegs neu und gerade in wahhabitischen bzw. salafitischen Kreisen gängig.409 Werner Ende schrieb zu der angeblichen Verknüpfung der Schia mit þAbd Allāh b. Sabāÿ: „Da in klassischen sunnitischen Werken die Entstehung der Schia mit der Person þAbd Allāh b. Sabāÿs, eines besonders heftigen Agitators gegen þUÝmÁn, in Verbindung gebracht wird, müssen die Schiiten sich gegen ein Geschichtsbild wehren, in dem ihre Gemeinschaft als Ergebnis einer nichtarabischen, vornehmlich jüdischen Verschwörung gegen Islam und Arabertum erscheint und in dem ihre bis heute eindeutig negative Beurteilung þUÝmÁns böswillig als Parteinahme für eine derartige Verschwörung ausgelegt wird.“410 Das Nachrichtennetzwerk annabaa.org schrieb über das Rechtsgutachten al-Barāks, dass dieses zu den schärfsten Tönen der letzten Jahre zähle, da es die Schiiten in ihrer Gesamtheit als Nicht-Muslime darstelle.411 Šaī¿ al-Barāk ist zudem kein unbekannter Mann, sondern wird zu denjenigen saudisch-wahhabitischen Autoritäten gezählt, die von vielen hoch geschätzt werden.412 Dies macht deutlich, wie gefährlich seine Äußerun408 al-Barāk, þAbd ar-Rahmān bin Nāṣir: „Takfīr þawāmm ar-rāfiḍ̣a“, 17.12.2006, abgerufen am 19.10.2007, http://albarrak.islamlight.net/index.php?option=com_ ftawa&task=view&id=18080 409 Vgl. Kazimi, „Zarqawi`s Anti-Shi'a Legacy“, 2006, S. 58 und BurhÁmÍ, „IþtiqÁd ahl as-sunna“, 2006, S. 452. Zu þAbd Allāh Sabāÿ und seinem Leben gibt es eine Reihe von Unklarheiten und Ungereimtheiten, und es wird zuweilen sogar seine Existenz bezweifelt. Die trotz ihres Alters noch immer als die ausführlichste und stimmigste angeführte Arbeit zu þAbd Allāh Sabāÿ stammt von Israel Friedlaender und wurde unter dem Titel „þAbdallāh b. Sabāÿ, der Begründer der Šīþa, und sein judischer [sic!] Ursprung“ in der Zeitschrift für Assyriologie und Verwandte Gebiete, Nr. 24, S. 1-46, 1910 veröffentlicht. Den aktuellsten Forschungsstand zu Sabā fasst William F. Tucker zusammen. Vgl. Tucker, „Mahdis and Millenarians“, 2008 (hier insbes. S. 9 ff.). In deutscher Sprache gibt Werner Ende, neben Friedlaenders ausgiebiger Studie, eine überschaubare, aber doch detaillierte Zusammenfassung der Forschung zu Sabāÿ (vgl. Ende, „Arabische Nation“, 1977, S. 199-210). 410 Ende, „Arabische Nation“, 1977, S. 201. 411 „Fatāwā suþūdiyya“, Dezember 2007, abgerufen am 20.01.2007, www.annabaa.org/ nbanews/60/622.htm 412 Ebd. 112

gen sind und welch breiten Personenkreis sie erreichen können. Es ist mit den Worten des Journalisten þAbd al-þAzīz al-¾aḍar eben immer noch die Stimme des Extremismus, die am lautesten ist.413 In jüngster Zeit war wiederum zu beobachten, dass Yūsuf al-Qaraḍāwī wieder etwas Schärfe aus seiner Beziehung zur iranischen Schia zu nehmen versuchte. Die schiitische Nachrichtenplattform shia-news.com meldete beispielsweise unter Berufung auf die qatarische Zeitung Al-þArab im Dezember 2007, dass al-Qaraḍāwī im Falle eines Angriffes auf den Iran die Verteidigung desselben zur Pflicht erklärt hat.414 Zudem sagte der Šaī¿, dass Iran keinesfalls eine Bedrohung für die Länder des Persischen Golfes darstelle, denn andernfalls, so al-Qaraḍāwī, hätte Iran nicht an der letzten Sitzung des Golfkooperationsrates (GCC) teilgenommen. In derselben Nachricht von shia-news.com wird auch gemeldet, dass al-Qaraḍāwī das Recht Irans auf friedliche Nutzung der Atomenergie unterstütze. Auch stellte al-Qaraḍāwī in einem Interview mit der ägyptischen Tageszeitung al-MaÈrī al-Yaum am 09. September 2008 klar, dass die Schiiten eindeutig Muslime seien. So wird er während des Interviews von der Journalistin RÁnyÁ Badawī gefragt, ob die Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten unbeträchtlich (basīÔa) seien oder doch die Grundpfeiler der Doktrin betreffen würden. Qaraḍāwī antwortet hierauf, dass die Unterschiede vor allem in der Doktrin (þaqīda) begründet liegen würden und zählt als Beispiele die unterschiedliche Haltung zu den Prophetengefährten oder auch den Prophetenüberlieferungen auf. Hierauf erfolgt die Rückfrage der Interviewerin, wie dann die Schiiten überhaupt noch als Muslime angesehen werden könnten. Die Antwort hierzu fällt knapp, aber eindeutig aus: „Sie glauben an Gott, den Koran und den Propheten.“415 Dennoch hatte Qaraḍāwī in demselben Interview zuvor auf die Frage, 413 al-¾aḍar, þAbd al-þAzīz: „Diblūmāsīya al-fuqahāÿ at-taqrīb bain al-maªāhib“, 29.01.2007, abgerufen am 21.02.2007, http://www.asharqalawsat.com/leader.asp? section=3&issue=10289&article=403946 414 „Difāþ az īrān wāğib ast“, 19.12.2007, abgerufen am 14.01.2007, http://shia-news.com/ShowNews.asp?Code=86092802 415 Vgl. www.almasry-alyoum.com/printerfriendly.aspx?ArticleID=177870, abgerufen am 08.12.2008. 113

ob er mehr Gefahr in den Wahhabiten oder in den Schiiten sehe, in Bezug auf die Schiiten geantwortet, dass die Gefahr, die von ihnen ausgehe, in ihren Versuchen des Einfalls in bzw. des Überfalls auf die sunnitische Gesellschaft lauern würde (wa ¿aÔarhum yakmun fī mu½Áwalatihim ™azw al-muğtamaþ as-sunnī).416 Diese Bemerkung bewirkte wiederum große Empörung auf schiitischer Seite und erzeugte Antworten vom libanesischen Schiitenführer Mu½ammad ¼usain Fa±l AllÁh und at-Tas¿īrī.417 Der in Großbritannien lebende und im Irak geborene schiitische Intellektuelle A½mad al-KÁtib schrieb in Folge des Interviews einen interessanten offenen Brief, den er auf seiner Homepage veröffentlichte. Es sei angemerkt, dass al-KÁtib innerhalb der Schia äußerst umstritten ist und durchaus kontroverse Thesen vertritt, so etwa die, dass die Anwesenheit des 12. Imams rein philosophisch verstanden werden müsse oder dass es keinen Beweis für sein zukünftiges Erscheinen gebe.418 Insofern steht al-KÁtib, der nach eigener Aussage bereits mit Großayatollah Mu½ammad Taqī al-Mudarrasī über die Bedeutung des erwarteten 12. Imam diskutierte und mit al-Mudarrasī nach dem Sieg der iranischen Revolution 1979 zusammen in den Iran umzog,419 deutlich außerhalb des gängigen schiitischen Dogmas. Dennoch ist der Brief dieses Denkers betrachtenswert, da sich in ihm ein starker Verfechter der islamischen Einheit und eine unabhängige Stimme abseits der großen Gelehrtenstrukturen äußert. Zudem nimmt alKÁtib die Schiiten gegen Qaraḍāwīs Äußerungen in Schutz, auch wenn er selbst innerhalb der Schia einen fragwürdigen Ruf genießt. In dem offenen Brief schrieb al-KÁtib an Qaraḍāwī:

416 Ebd. 417 Vgl. für eine Zusammenfassung der verschiedenen Reaktionen sowie für den kompletten Text einer von Qaraḍāwī abgegeben Erklärung zu den Vorgängen einen Artikel von alarabiya.net am 18.09.2008 eingestellten Artikel, unter www.alarabiya.net/ articles/2008/09/18/56892.html, abgerufen am 23.09.2008. 418 al-KÁtib, „The new Shiite Manifesto“, 29.12.2008, www.alkatib.co.uk/The New Shiite Manifest1.htm, abgerufen am 19.01.2009 und al-KÁtib, „Hal yastamirr nuzÚl al-wa½y baþd rasÚl allÁh?“, unbekanntes Datum, abrufbar unter www.alkatib.co.uk/ rd3.htm, abgerufen am 17.01.2009. 419 Vgl al-KÁtib, „Hal yastamirr nuzÚl al-wa½y baþd rasÚl allÁh?“, unbekanntes Datum. 114

„Da wir Ihre große Rolle für die Festigung der islamischen Einheit und das Verbreiten von Demokratie in der islamischen Welt wertschätzen, sehen wir, dass die Auswirkungen des Streites um die »Schiitischen Überfälle« und die Zurückweisung der Missionierungstätigkeit der maªÁhib in Ländern, die ausschließlich [einer maªhab] zugehörig sind, der Freiheit der Gedanken, den Prinzipien der Demokratie und dem Geist der islamischen Einheit widerspricht.“420 Im weiteren Verlauf des Briefes versucht al-KÁtib darzulegen, dass die Masse der schiitischen Gläubigen die Prophetengefährten nicht als Übel erachten würde und weist auf die schwierige Geschichte der beiden großen islamischen Konfessionen hin, die aber nun den Gemeinsamkeiten weichen müsse, die man sich nicht von Extremisten verstellen lassen dürfe. Immer wieder stellt er dabei auch die Wertschätzung für Qaraḍāwī heraus. Dies geschieht wohl nicht nur aus reiner Höflichkeit, sondern es spielt auf die wichtige Rolle Qaraḍāwīs an, die dieser für das Annäherungsprojekt in der Vergangenheit übernommen hat. Qaraḍāwī hat durch seine Äußerungen seit 2006 gerade auf schiitischer Seite einige Sympathien eingebüßt. Die Doha-Konferenz spiegelte dieses zerrüttete Verhältnis recht deutlich wider. Ob Qaraḍāwīs neueste Relativierungen seinem Amt in der IUMS geschuldet sind oder ein wirkliches Einlenken bedeuten, muss sich erst noch zeigen. Fakt ist, dass Qaraḍāwī in Doha in beachtenswerter Offenheit seine Bedenken gegenüber der Schia bzw. dem Iran angesprochen hat, was eventuell in Zukunft zu einem Dialog führen könnte, der Probleme offener benennt als in der Vergangenheit.

420 al-KÁtib, „RisÁla ilÁ al-Qaraḍāwī bi-Êaÿn taÈrī½Átihi al-a¿īra ½aula Ê-Êīþa wa rudÚd al-fiþl al-™Á±iba þalaiha“, 20.09.2008: „Na½nu iª nuqaddir daurakum al-kabīr fī tarsī¿ mabÁdiÿ al-wa½da al-islÁmīya wa naÊr ad-dīmÚqrÁÔīya fī al-þalÁm al-islÁmī narÁ anna iÝÁrat al-ğadal ½aula »al-™azw aÊ-Êīþī« wa raf± ad-daþwa li-l-maªÁhib fī albilÁd »al-¿ÁliÈa« yataþÁra± maþa l-½urrīya wa-l-mabÁdiÿ ad-dīmÚqrÁÔīya wa rÚ½ alwa½da al-islÁmīya.“ www.alkatib.co.uk/qardawi.htm, abgerufen am 18.11.2008. 115

4 Schlussbetrachtungen Die Konferenz in Doha zeigte eine offensichtliche Schwäche in der Umsetzung der besprochenen Themen. So sind im Abschlussdokument von Doha einige Absichtserklärungen zu finden, aber es werden kaum konkrete Wege zur Umsetzung der genannten Ziele genannt. Als einzige fassbare Maßnahme wird die Gründung einer Kommission beschlossen, deren Ziel es sein soll, die Unterrichtspläne in islamischen Ländern von Inhalten zu reinigen, die konfessionellen Hass hervorrufen könnten. Allerdings ist meinem Wissen nach bis heute kein derartiges Gremium gegründet worden, sodass davon auszugehen ist, dass dies auch in naher Zukunft nicht geschehen wird. Wichtige mögliche Schritte, wie etwa der Beschluss über eine jährlich tagende Konferenz nach dem Vorbild der Außenministerkonferenz der OIC, wurden nicht unternommen. Neben all dem symbolischen Wert, den die Doha-Konferenz ohne Zweifel in Zeiten der konfessionell geprägten Gewalt im Irak hatte, zeigt sich ihre größte Schwäche in der mangelnden Implementierungskraft der Beschlüsse. Dennoch war die Doha-Konferenz ohne Zweifel ein herausragendes Ereignis, da die islamische Ökumene es mit ihr schaffte, sich aus ihrem Schattendasein herauszumanövrieren und sich der arabischen Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu rufen. Es brauchte zunächst etwas Vorlaufzeit, bis eine solche Zusammenkunft realisiert werden konnte. Zwar gab es in der Vergangenheit jährlich veranstaltete Konferenzen zum Thema taqrīb, die vom Weltforum für Annäherung veranstaltet wurden. Doch fanden beinahe all diese Tagungen nur im Iran, genauer in Teheran statt.421 Dass nun ein arabisch-sunnitisches Land, gelegen in der besonders sensiblen Region des Persisch-Arabischen Golfs, trotz des allgemein registrierten Erwachens des iranischen Riesen offiziell als Gastgeber einer in der Öffentlichkeit große Beachtung findenden ökumenischen Konferenz auftrat, zu der der Premierminister Qatars die Eröffnungsrede hielt, kann für das gesamte Projekt als Aufwertung begriffen werden. Zudem unterschieden sich die Teheraner Konferenzen von der in Doha 421 Eine Ausnahme bildet hier u.a. die Konferenz zur Annäherung vom 20. bis 22.09. 2003 in Bahrain. (s.o.) 116

auch in Anzahl und Zusammensetzung der Teilnehmer. Die Teilnehmeranzahl belief sich dort in den letzten Jahren immer auf unter 100. 422 Das Land mit den weitaus meisten Teilnehmern war stets Iran. So standen auf der Teilnehmerliste von 2005 insgesamt nur 55 Personen, von denen 28 aus dem Iran stammten, was beinahe 51% der Anwesenden ausmachte.423 Auch ein Jahr zuvor stellten die Iraner 31,6% der Gäste.424 Insofern stellte Doha mit einem iranischen Teilnehmeranteil von nur 12% und einer Gesamtanzahl von 173 verzeichneten Gästen eine Neuerung auf dem Gebiet der ökumenischen Konferenzen dar, sowohl was die Quantität der Teilnehmer und deren Zusammensetzung angeht als auch den geografischen Ort. Es war ein vorsichtiges Zeichen der arabischen Welt an den Iran, unter Umständen zum Dialog und zur Annäherung bereit zu sein. Unter Gelehrten und Politikern der islamischen Welt ist eine Art „Renaissance“ der taqrīb-Idee zu konstatieren, die sich in einer Fülle von Konferenzen und Publikationen seit den 90er Jahren äußert, und deren vorläufiger Höhepunkt um das Jahr 2007 anzusiedeln ist. Die heutigen Akteure sehen sich in der Tradition der ĞT, was nicht nur auf der DohaKonferenz betont wurde, sondern auch in vorhergehenden Publikationen wie der Istrātīğīya at-taqrīb baina l-maªāhib al-islāmīya der ISESCO. Auf der Doha-Konferenz wurde das Thema taqrīb bain al-maªāhib al-islāmīya zwar auch unter theologischen und juristischen Gesichtspunkten behandelt, doch am stärksten ragte das Politikfeld der internationalen Beziehungen in die Öffentlichkeit heraus, speziell die Beziehungen Irans zur arabisch-sunnitischen Welt. Dies verwundert nicht, wenn man sich Brian Lais empirische Untersuchung über die Beziehung zwischen Religion und Konflikt im Nahen und Mittleren Osten vor Augen führt. So machte Lai 2006 die statistisch gestützte Aussage, dass religiöse Differenzen zwischen Staatsführungen im NMO Konflikte zwischen den Staaten begünstigen.425 Daher ist es durchaus sinnvoll, die taqrīb422 Auch die Konferenz von Bahrain soll lediglich 110 Teilnehmer gehabt haben. Vgl. www.alwihdah.com/view.php?cat=5&id=13, abgerufen am 20.01.2009. 423 http://www.taghrib.org/vid-html/vahdat/18/index.htm, abgerufen am 4.2.2008. 424 Ebd. 425 Lai, „Religon and Conflict“, 2006. 117

Idee als eine Art Plattform für den informellen Austausch der islamisch geprägten Staaten zu nutzen. Minderheitenprobleme von Schiiten in sunnitisch dominierten Ländern oder auch umgekehrt Probleme von Sunniten im schiitisch dominierten Iran wurden zumeist ausgeklammert. Die nationale Ebene wurde nur in Hinsicht auf die Vorgänge im Irak angesprochen. Allerdings lässt sich hier wiederum auch ein deutlicher Bezug zur internationalen bzw. regionalen Ebene herstellen, wie es auch von den Konferenzteilnehmern gemacht wurde, die, zumindest von sunnitischer Seite, die Stellung des Irans im Irak-Konflikt herausstellten. Durch die gesamte Geschichte der innerislamischen Annäherung ist die internationale Perspektive stets dominant gewesen. So ist die Kairoer ĞT letztlich auch an den Spannungen zwischen Ägypten und Iran gescheitert und nicht an der Unvereinbarkeit von Sunna und Schia. Auch in der Post-Khomeini-Ära ab 1989 spielte die außenpolitische Neuorientierung Irans eine große Rolle für die Wiederaufnahme der ökumenischen Bestrebungen des Landes, wie weiter oben aufgezeigt wurde. Es scheint, dass die Idee einer innerislamischen Annäherung jedes Mal dann in verstärktem Maße verfolgt wird, wenn es politisch von Nutzen ist bzw. während historischer Zäsuren in der islamischen Welt. Insgesamt lassen sich drei Wellen des taqrīb erkennen. Zunächst wurde die ĞT im Zeichen der Etablierung nationalstaatlicher Strukturen in der arabischen Welt gegründet. Die taqrīb-Idee ist hier als eine Weiterentwicklung des Panislamismus im nationalstaatlichen Kontext zu begreifen, da sie nicht den Anspruch nach Einigung der umma innerhalb eines Staates verfolgte, sondern lediglich an der theologischen und auch politischen Annäherung der Muslime interessiert war. Nach der ersten Welle setzte ab den 1960er Jahren eine Aktivitätspause ein, die erst im Zeichen der Neustrukturierung der Weltordnung nach 1989 zögerlich wieder aufgehoben wurde. Während der 90er Jahre waren dann zwar im Zuge der zweiten Welle einige Anstrengungen auf dem Gebiet der Ökumene zu verzeichnen, allerdings fehlte es noch an der vollen Unterstützung der Politik. Diese kennzeichnet die dritte Welle seit 2001 bzw. in höherem Maße

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noch nach 2003. Hier findet sich ein verstärktes Interesse der arabischen Staaten an Ruhe und Ordnung in der Region des NMO. Die Teilnahme Ahmadinejads an dem Treffen des Gulf Cooperation Councils (GCC) Ende letzten Jahres sowie die Erklärung des saudi-arabischen Außenministers Saþūd al-Faiṣal, dass ein Angriff auf den Iran die Region des persisch-arabischen Golfes destabilisieren würde, und nicht zuletzt die Gastgeberschaft Qatars sind Anzeichen für diese These. Die Idee des taqrīb stellt für diese Bedürfnisse ein geeignetes Instrument in einer Region dar, die unter anderem noch immer stark von religiöser Identität geprägt ist.426 Sofern ausgesagt werden kann, dass die islamische Ökumene gesteigerte Zustimmung findet, wenn sich der politische Rahmen dafür anbietet, ist bereits die Gefahr, die darin für sie liegt, sichtbar. Denn es lässt sich natürlich auch der Umkehrschluss ziehen: Jedes Mal dann, wenn die politische Lage es erfordert, kann das mühsam aufgebaute Konstrukt der Annäherung in sich zusammenbrechen und wäre diesem Prozess hilflos ausgeliefert. Dies ist generell der Fall, wenn „die Grenzen zwischen religiösem und politischem Dissens“ verschwimmen und „politischer Dissens (…) einen theologischen Beigeschmack“ erhält, wie es der australische Historiker Christopher Clark für einen ganz anderen Fall, nämlich Preußen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, darlegt.427 Es scheint aber derzeit, als ob, bedingt durch die lang anhaltende Irakkrise, der Bedarf an ökumenischen Anstrengungen noch längere Zeit nicht erschöpft sein wird. Was aber danach passieren wird, ist eine wichtige, allerdings im Bereich der Spekulation liegende Frage. Es ist zu befürchten, dass die taqrīb-Bewegung wieder für einige Jahre in Vergessenheit geraten könnte, sollte es ihr nicht gelingen, sich von der Politik zu lösen und eine rein religiöse Basis des Dialogs zu finden. Bestrebungen in diese Richtungen scheinen derzeit relativ wenig Aussicht auf Erfolg zu haben. Dies liegt zum einen daran, dass sich die Politik bedeutender staatlicher Akteure des Nahen und Mittleren Ostens noch immer zu einem gewichtigen Teil religiös artikuliert. In diesem Kontext zu nennen 426 Zu dem Problem der parallelen Identitäten im Nahen und Mittleren Osten siehe Kumaraswamy, „The Identity Crisis in the Middle East“, 2006. 427 Clark, „Preußen“, 2007, S. 490. 119

wären vor allem Ägypten, Saudi-Arabien und Iran. Zum anderen werden Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten oftmals eher als ein politischer denn als religiöser wahrgenommen. Die Idee des taqrīb hat offenbar noch immer nicht an Anziehungskraft verloren. Gerade angesichts der diversen Konflikte in der Region des NMO ist die Suche nach Einheit nur allzu verständlich. Genau das soll die islamische Annäherung im Verständnis der Beteiligten leisten. Um dieses Ziel zu erreichen, wird derzeit vor allem das Problem des Fanatismus (taþaÈÈub) stark angesprochen. Hier reiht sich die Konferenz in das Post-9/11-Klima in der islamischen, vor allem der arabischen Welt ein, in welchem die Frage nach Ursprung und Isolierung des islamischen Extremismus vermehrt gestellt wird.428 Allerdings müssen ernsthafte Zweifel im Hinblick auf Anspruch und Wirklichkeit des taqrīb aufkommen, da der tatsächliche Wirkungsgrad des intellektuellen Diskurses derzeit doch eher beschränkt zu sein scheint. So sind religiöse Fanatiker auf beiden Seiten naturgemäß nicht in die Debatten eingebunden, was sich auch wieder anhand einiger Terrorakte während des Trauermonats Mu½arram 2008 ablesen lässt. Beispielhaft hierfür ist der Bombenanschlag am 17. Januar 2008 auf eine schiitische Moschee im pakistanischen Peschawar kurz vor dem þÀšÚrÁÿ-Fest, wobei zehn Menschen ums Leben kamen.429 Auch in diesem Jahr kam es, in Pakistan ebenso wie im Irak, wieder zu zahlreichen Attacken gegen Schiiten. Hieran werden die Grenzen der taqrīb-Idee erkennbar. Noch immer müssen regionale Konflikte zwischen Ethnien und/oder Konfessionen, die zumeist sozial-ökonomische Ursachen aufweisen, auf der lokalen gesellschaftspolitischen Ebene gelöst werden. Hierbei kann der Annährungsgedanke, in seiner Form als ideologischer Unterbau bzw. als Argumentationshilfe und intellektuelle 428 Für Saudi-Arabien hat beispielsweise Nimrod Raphaeli nachgewiesen, wie die Anschläge vom Mai und September in Riad die innersaudische, aber auch innerarabische Debatte um den Wahhabismus veränderten (Raphaeli, „Demands for Reforms in Saudi-Arabia“, 2005, S. 519-522). Stéphane Lacroix sieht hierin sogar eine weite Schichten umfassende post-wahhabitische Wende und nicht nur einen radikale Islamisten betreffenden Post-Islamismus, den Gilles Kepel bereits 2002 gekommen sah (Lacroix, „Between Islamists and Liberals“, 2007, S. 235). 429 „Bomber hits Pakistan Shia mosque“, http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/ 7194275.stm, abgerufen am 17.01.2008. Die Liste von weiteren Anschlägen gegen schiitische Einrichtungen, gerade auch in Pakistan, ließe sich weiter fortsetzen. 120

Begleitung zum politisch-materiellen Prozess, aber dennoch hilfreich sein. Es fällt auf, dass die Linie zwischen Befürwortern und Gegnern des Dialogs heute nicht mehr so klar ausfällt wie noch vor 50 oder 60 Jahren. Akteure wie Saudi-Arabien als politisch uneinheitlich agierender Staat oder auch Yūsuf al-Qaraḍāwī als Einzelperson lassen die Fronten zwischen Gegnern und Befürwortern der islamischen Ökumene verschwimmen. Zwar sind sie zweifelsohne in die gegenwärtige taqrÍb-Landschaft eingebunden, tragen aber gleichzeitig auch zur Konfrontation bei. Das Verwischen zwischen Befürwortern und Gegnern einer innerislamischen Annäherung ließ sich jüngst auch innerhalb der Muslimbruderschaft beobachten. Dort kam es Anfang 2009 zu der oben erwähnten Debatte zwischen Yousef Nada und Mahmoud Ghazlan, in die sich auch der Führer der Muslimbruderschaft, Muhammad Mahdi Akef, einmischte, was die Bedeutung dieses Streites unterstreicht.430 Es wurde bereits oben die Ebene der internationalen Beziehungen angesprochen, welche im ökumenischen Diskurs einen hohen Stellenwert hat. Das Problem hieran ist jedoch, dass sich die aktuelle Annäherungsdebatte fast ausschließlich auf diese Ebene konzentriert und dabei die Beziehungen zwischen den Konfessionen im nationalstaatlichen Kontext zumeist außer Acht lässt. Dabei werden die derzeitigen Gespräche von Staaten dominiert, die konfessionell eindeutig parteiisch sind, wie etwa Saudi-Arabien, Ägypten oder der Iran. Insbesondere Saudi-Arabien und auch der Iran definieren sich durch eine besondere Richtung innerhalb des Islams, nämlich Wahhabismus bzw. Zwölferschia. Dies erklärt auch das insbesonders von sunnitischer Seite problematisierte Feld der Missionierung, welches derzeit ein großes Hindernis für freundschaftlichere Beziehungen zwischen Sunna und Schia bzw. sunnitisch-arabischer Welt und Iran darzustellen scheint. Dieser Punkt kann ohne Zweifel als einer der wichtigsten Streitfragen angesehen werden, welche die derzeitige Debatte dominieren, was wiederum nur durch die konfessio-

430 L. Azuri, MEMRI Inquiry and Analysis, No. 511, 24.04.2009, abrufbar unter www. emri.net/bin/articles.cgi?Page=archives&Area=ia&ID=IA51109, abgerufen am 30.04.2009. 121

nell und religiös geprägte Politik im Nahen und Mittleren Osten zu erklären ist. Für einen ehrlichen Dialog wäre es angebracht und auch nötig, über die Frage der religiösen Minderheiten im Nationalstaat zu diskutieren. Staaten, die sich durch die Dominanz einer Konfession über andere auszeichnen, können nur in einem sehr begrenzten Rahmen über die internationale Verständigung zwischen den Konfessionen nachdenken. Immer wieder wird dem Dialog so eine Grenze gesetzt, an der er zwangsläufig scheitern muss. Diese Grenze wird beispielsweise bei der Verärgerung Yūsuf al-Qaraḍāwīs über die iranische Führung ersichtlich, die angeblich die Baugenehmigung für eine sunnitische Moschee verweigerte. Der derzeitige Dialog kann daher als eine Bemühung der Annäherung konfessionell geprägter Staaten, zum Teil auch durch Einzelpersonen vertreten, verstanden werden, wobei er nicht danach strebt, konfessionelle Widersprüche im nationalstaatlichen Kontext zu lösen. Die Erfolgsaussichten einer solchen Vermischung von Religion und Politik bleiben, wie sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt hat, auch für das heutige Projekt der islamischen Ökumene weiterhin gering.

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Verzeichnis der benutzten Abkürzungen EI: Encyclopaedia of Islam EIR: Encyclopaedia Iranica ES: Enzyklopädie der Schia ISESCO: Islamic Educational, Scientific and Cultural Organization (al-munaããama al-islāmīya li-t-tarbīya wa-l-þulūm wa-Ý-Ýaqāfa) IRI: Islamische Republik Iran IUMS: International Union of Muslim Scholars NMO: Naher und Mittlerer Osten OIC: Organization of the Islamic Conference VAR: Vereinigte Arabische Repbulik

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Teilnehmerliste

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Abschlusskommuniqué der Konferenz: „Erklärung von Doha“

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