IoT – Best Practices: Internet der Dinge, Geschäftsmodellinnovationen, IoT-Plattformen, IoT in Fertigung und Logistik [1 ed.] 3658324384, 9783658324384

Das Internet der Dinge (Internet of Things – IoT) ist längst Realität. Mehr oder weniger intelligente Dinge messen, anal

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IoT – Best Practices: Internet der Dinge, Geschäftsmodellinnovationen, IoT-Plattformen, IoT in Fertigung und Logistik [1 ed.]
 3658324384, 9783658324384

Table of contents :
Geleitwort
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Über die Autoren
Teil I: Der Einfluss von IoT auf Geschäftsmodelle – IoT-Geschäftsmodellinnovationen
1: Der lange Weg im IoT – Von der Vernetzung zur Profitabilität
1.1 Einleitung
1.2 Wie das IoT Geschäftsmodelle verändert
1.2.1 Wertschöpfung
1.2.2 Wertversprechen
1.2.3 Monetarisierung
1.3 Überwindung des Digitalisierungs-Paradox
1.3.1 Das Digitalisierungs-Paradox
1.3.2 Der lange Weg zur Profitabilität im IoT
1.3.3 Etablierte Vorgehensweise
1.4 Zusammenfassung und Ausblick
1.4.1 Zentrale Paradigmenwechsel im IoT
1.4.2 Vom „Internet of Things“ zur „Economy of Things“
Literatur
2: IIoT-basierte Geschäftsmodellinnovation im Industrie-Kontext – Archetypen und praktische Einblicke
2.1 Das Internet der Dinge als Wegbereiter neuer Geschäftsmodelle
2.2 Digitale Geschäftsmodelle und Geschäftsmodellinnovation
2.3 IIoT-basierte Geschäftsmodell-Archetypen im Industrie-Kontext
2.4 Herausforderungen der Geschäftsmodelltransformation
2.5 Praxisrelevante Handlungsempfehlungen
Literatur
Teil II: Identifizieren, Priorisieren und Planen von IoT-Projekten
3: Innovation durch den Einsatz von Enterprise IoT-Lösungen – Ein Modell zur Bestimmung des Innovationspotenzials
3.1 Einleitung und Motivation
3.2 Über Innovations- und Reifegradmodelle und das Internet der Dinge
3.3 Methodische Vorgehensweise
3.3.1 Datenerhebung
3.3.2 Datenauswertung
3.3.3 Synthese
3.4 Das Innovationsstufenmodell und seine Anwendung
3.4.1 Vier Schlüsseldimensionen und ihre Ausprägungen
3.4.2 Anwendung des Innovationsstufenmodells
3.4.2.1 ABB
3.4.2.2 Midor
3.5 Nutzungsoptionen und Mehrwerte für die Unternehmenspraxis
3.5.1 Ist-Situation und Fortschrittsanalyse
3.5.2 Entscheidungsunterstützung
Literatur
4: Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten kundenorientierten Prozesskette im Maschinenbau
4.1 Einleitung und Motivation
4.2 Grundlagen und Stand der Technik
4.3 Priorisierungsansätze und Theoriedefizit
4.4 Entwicklung und Anwendung des Ansatzes am Beispiel der TRUMPF GmbH + Co. KG
4.5 Zusammenfassung und Ausblick
Literatur
5: IoT Best Practices
5.1 Hintergrund
5.2 Planung von IoT-Projekten
5.3 Fallstudie: Umsetzung eines internationalen IoT-Projekts
5.3.1 Security By Design
5.3.2 Abrechnungsmodell/Geschäftsmodell
5.3.3 Ermittlung des Datenaufkommens
5.3.4 Updatestrategie
5.3.5 Fachliche Anforderungen und technische Möglichkeiten
5.3.6 Wahl der Plattform
5.3.7 Edge Devices
5.3.8 Testkonzept und Testplanung
5.3.9 Datenschutz
5.4 Ausblick
5.5 Zusammenfassung & Erkenntnisse
Literatur
Teil III: IoT-Plattformen – Vielfalt, Auswahl und Integrationsaspekte
6: Vergleichbarkeit der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen durch deren einheitliche Beschreibung in Form einer Taxonomie und Referenzarchitektur
6.1 Einleitung und Motivation
6.1.1 Die Bewertung und Auswahl einer geeigneten IoT-Software-Plattform wird durch hohe Produktvielfalt und uneinheitliche Produktbeschreibungen erschwert
6.1.2 Die Funktionalität unterschiedlicher IoT-Software-Plattformen lässt sich mit Hilfe einer Taxonomie und einer darauf aufbauenden Referenzarchitektur einheitlich beschreiben
6.2 Verwandte Arbeiten
6.2.1 Taxonomien und Referenzarchitekturen allgemein
6.2.2 Taxonomien und Referenzarchitekturen für IoT-Software-Plattformen
6.3 Methodik
6.3.1 Ermittlung der sieben wichtigsten IoT-Software-Plattformen
6.3.2 Durchführung einer qualitativen Inhaltsanalyse zur Ableitung einer Taxonomie auf Basis der Unterlagen der sieben wichtigsten IoT-Software-Plattformen
6.4 Taxonomie und Referenzarchitektur zur einheitlichen Beschreibung der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen
6.4.1 Taxonomie für IoT-Software-Plattformen
6.4.2 Referenzarchitektur für IoT-Software-Plattformen
6.4.3 Kernfunktionen von IoT-Software-Plattformen
6.4.3.1 Unternehmensintegration
6.4.3.2 Anwendungsentwicklung
6.4.3.3 Datenmodellierung
6.4.3.4 Datenvisualisierung
6.4.3.5 Datenanalyse
6.4.3.6 Daten- und Speicherverwaltung
6.4.3.7 Ereignisverwaltung
6.4.3.8 Datentransformation
6.4.3.9 Geräteverwaltung
6.4.3.10 Gerätekonnektivität
6.4.4 Querschnittsfunktionen von IoT-Software-Plattformen
6.4.4.1 Informationssicherheit
6.4.4.2 Betrieb, Verwaltung und Wartung
6.5 Verwendung der Referenzarchitektur im Rahmen von Projekten zur Bewertung und Auswahl der am besten geeigneten IoT-Software-Plattform aus einer Menge von Kandidaten
6.5.1 Einsatz der Referenzarchitektur innerhalb der Screening-Phase eines Bewertungs- und Auswahlprojektes
6.5.2 Vergleich der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen
6.5.3 Bewertung der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen
6.6 Zusammenfassung und Ausblick
6.6.1 Implikationen für Wissenschaft und Praxis
6.6.2 Einschränkungen und zukünftige Forschung
Literatur
7: Cloud to Cloud Integration im IoT-Umfeld
7.1 Einleitung
7.2 Anforderungsanalyse
7.2.1 Vorgehensweise
7.2.2 Analyseergebnisse
7.3 Realisierung
7.3.1 Soll-Konzept
7.3.2 Technische Umsetzung
7.3.2.1 Entwurf einer Architektur
7.3.2.2 Konnektivitätsorientierte IoT Plattform
7.3.2.3 Anwendungsorientierte IoT Plattform
7.3.2.4 Details zum Datenaustausch
7.3.2.5 Ansätze Hochverfügbarkeit
7.4 Diskussion
7.4.1 Wirtschaftlicher Nutzen – Betreiber
7.4.2 Wirtschaftlicher Nutzen – Kunde
7.4.3 Herausforderungen – Betreiber
7.4.4 Herausforderungen – Kunde
7.5 Zusammenfassung und Ausblick
Literatur
Teil IV: Einsatz von IoT in der Fertigung und Logistik – Industrie 4.0
8: Industrie 4.0 in kleinen und mittleren Unternehmen – Lösungsansatz und Handlungsempfehlungen für die Integration smarter Geräte
8.1 Motivation
8.2 Ausgangssituation – Industrie 4.0 in KMU
8.3 Projektvorgehen
8.4 Lösungsansatz
8.5 Anwendungsfälle
8.5.1 Werkzeuginstandsetzung bei Maschinenausfällen
8.5.2 Dokumentation von Maschinenstillständen und Fehlererfassung
8.5.3 Anleitung für Maschineneinstellungen
8.6 Allgemeine Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
8.7 Fazit
Literatur
9: Konzeption und Realisierung eines Produktionssystems für die modulare Fertigung in der Automobilindustrie
9.1 Motivation und Ausgangssituation
9.2 Begriffsdefinition
9.3 Ausgangssituation und Projektziele
9.4 Methodisches Vorgehen
9.5 Erfahrungen
9.6 Fazit und Ausblick
Literatur
10: Digitalisierungspotenziale der Instandhaltung 4.0 – Von der Aufbereitung binärer Daten zum Einsatz transparenter künstlicher Intelligenz
10.1 Nutzenmachung von Daten für intelligente Wartungsansätze als Wettbewerbsfaktor in der Fertigung
10.2 Theoretische Grundlagen der Datenanalyse
10.2.1 Datenanalyse in der Instandhaltung
10.2.2 Process Mining
10.2.3 Erklärbare künstliche Intelligenz
10.3 Schrittweiser Entwicklungsansatz für die Nutzung binärer Datenwerte hinsichtlich moderner Instandhaltungsansätze
10.3.1 Methodische Stringenz der Erarbeitung
10.3.2 Deskriptive Datennutzung als grundlegende Überwachungsinstanz
10.3.3 Erweiterte Datennutzung als fortschreitende Überwachungsinstanz
10.4 Evaluation des schrittweisen Entwicklungsgangs anhand eines Demonstrators
10.5 Zusammenfassende Betrachtung für Praxis und Forschung
Literatur
11: Automatisierung von Geschäftsprozessen im Maschinen- und Anlagenbau – Fallstudie zu Predictive Maintenance
11.1 Produkt-Service-Systeme im Maschinen- und Anlagenbau
11.2 Wellpappe und Wellpappenanlagen
11.3 Predictive Maintenance
11.4 Fallstudie: Predictive Maintenance bei Wellpappenanlagen
11.4.1 Ausgangssituation
11.4.2 Ansätze zur Modellierung
11.4.3 Anwendung der Analytics zur Automatisierung der Geschäftsprozesse
11.5 Lessons Learned und Ausblick
Literatur
12: Einbindung von intelligenten Ladungsträgern in Prozesse der Intralogistik
12.1 Intelligente Vernetzung in der Logistik
12.2 Herausforderungen in der Praxis
12.3 Track & Trace in der Logistik
12.4 Konzept zur Umsetzung
12.5 Chancen und Limitationen
12.6 Zusammenfassung
Literatur
Teil V: Smarte Produkte – Herausforderungen und Vorgehen bei der Produktentwicklung
13: Von smarten Produkten zu smarten Dienstleistungen und deren Auswirkung auf die Wertschöpfung
13.1 Einleitung
13.2 Vom Ursprung smarter Produkte
13.3 Smarte, vernetzte Produkte
13.3.1 Eine Einordnung smarter Produkte
13.3.2 Die Fähigkeiten smarter Produkte
13.4 Von smarten Produkten zu smarten Diensten
13.5 Der Einfluss smarter Dienste auf Geschäftsmodelle
13.6 Schlussbetrachtung
Literatur
14: Integration von Smarten Produkten und Dienstleistungen im IoT-Zeitalter – Ein Graph-basierter Entwicklungsansatz
14.1 Einleitung
14.2 Smarte Produkte und Dienstleistungen im IoT-Kontext
14.3 Konzeptioneller Integrationsansatz mittels Graphdatenbanken
14.4 Prototypische Umsetzung
14.5 Strategische Handlungsempfehlungen
14.6 Fazit
Literatur
15: Smartifizierung von Maschinenbauprodukten mittels einer zielorientierten Methode
15.1 Einleitung
15.2 Begriffsbestimmung zu intelligenten Produkten
15.3 Beschreibung einer Methode zur Smartifizierung von Maschinenbauprodukten
15.3.1 Allgemeingültige Ziele im Smartifizierungsprozess
15.3.1.1 Verbesserung von Service-Prozessen
15.3.1.2 Verbesserung der Produktentwicklung
15.3.1.3 Steigerung der Produkteffizienz
15.3.1.4 Steigerung der Produkteffektivität
15.3.1.5 Steigerung der Service-Flexibilität
15.3.1.6 Operationalisierung digitaler Geschäftsmodelle
15.3.1.7 Anwendungsfall zur Operationalisierung digitaler Geschäftsmodelle
15.4 Anwendung der Methode
15.5 Empfehlungen für den Einsatz der Methode
Literatur
16: Smartere Produkte durch analysebasierte Dienstleistungen – Ein methodisches Werkzeug zur strukturierten Entwicklung
16.1 Einleitung und Motivation
16.2 Daten und Analyseverfahren als zentrale Komponenten der Wertschöpfung in Dienstleistungen
16.3 Methodisches Vorgehen
16.3.1 Aufbau einer Datenbasis analysebasierter Dienstleistungen
16.3.2 Identifizierung der zentralen Schlüsselfaktoren und ihrer Ausprägungscharakteristiken
16.4 Ergebnisse
16.4.1 Fünf Schlüsselfaktoren zur Beschreibung analysebasierter Dienstleistungen
16.4.2 Ein Werkzeug für die Gestaltung analysebasierter Dienstleistungen
16.4.3 Illustration des Werkzeugs für die Gestaltung analysebasierter Dienstleistungen
16.4.3.1 Cochlear
16.4.3.2 Thyssenkrupp
16.5 Implikationen für die Unternehmenspraxis
Literatur
17: (Re-)Engineering smarter Produkte – Mit dem digitalen Freiheitsgrad zu flexiblen Leistungsangeboten
17.1 Einleitung
17.2 Charakteristika Smarter Produkte
17.3 Gestaltungsfreiheitsgrade physischer Produkte durch Mass Customization
17.4 Auswahl flexibler Gestaltungsstrategien am Beispiel eines PKW-Frontscheinwerfers
17.5 Strategische Handlungsempfehlungen
17.6 Fazit
Literatur
Teil VI: Architektur kommunaler IoT-Szenarien in Metropolregionen
18: IoT-gestützte, kommunale Datenarchitektur für Metropolregionen in Deutschland – Metropolitan Data Space
18.1 Ausgangssituation
18.2 Grundlegende Einordnung bestehender Konzepte
18.2.1 Diskussion der Betrachtungsebene
18.2.2 Existierende Konzepte im Smart-City-Bereich
18.2.3 Relevante Lösungsbausteine
18.3 Untersuchung der IoT- und Datenarchitektur in der Metropolregion Rhein-Ruhr
18.3.1 Wirtschaftliche Perspektive
18.3.2 Technische Perspektive
18.3.3 Regulatorische Perspektive
18.3.4 Ethische Perspektive
18.3.5 Weiterführende Entwicklungen
18.4 Entwurf einer IoT-gestützten Gesamtarchitektur
18.4.1 Technische Zielarchitektur
18.4.2 Ökosystem für datenbasierte Geschäftsmodelle
18.4.3 Künftige Geschäftsmodelle
18.5 Implementierung der Architektur in der Metropolregion Rhein-Ruhr
18.5.1 Initiale Anwendungsfälle
18.5.2 Langfristige Implementierungsroadmap
18.6 Zusammenfassung und Ausblick
Literatur
Teil VII: Effiziente Verarbeitung von IoT-Daten – Edge vs. Cloud
19: Anforderungen für Zeitreihendatenbanken im industriellen IoT
19.1 Ausgangssituation und Problemstellung
19.2 Verwandte Themen
19.2.1 Überblick über existierende Open-Source-TSDB
19.2.2 Data Lakes im IIoT
19.3 Einsatzszenarien für Zeitreihendatenbanken im industriellen IoT
19.3.1 Beispielhaftes Einsatzszenario für die Edge
19.3.2 Beispielhaftes Einsatzszenario für den Data Lake
19.4 Erstellung des Kriterienkatalogs
19.4.1 Methodisches Vorgehen
19.4.2 Kriterienkatalog für Zeitreihendatenbanken
19.5 Evaluation des Katalogs am Beispiel von InfluxDB
19.5.1 Vorgehensbeschreibung zur Evaluation
19.5.2 Anwendung des Kriterienkatalogs
19.6 Diskussion und Ausblick
19.6.1 Fazit
19.6.2 Ausblick und Limitationen
Literatur
Teil VIII: IoT Security – Datensicherheit, Datenschutz, Authentifizierungsverfahren
20: Das Internet of Things – zwischen Usability und Verlust der Datensouveränität
20.1 Einleitung
20.2 Charakteristika und Anwendungsbereiche des IoT in Unternehmen
20.3 Sicherheits- und Datenschutzaspekte im IoT
20.3.1 Bedrohungssituation
20.3.2 Schwachstellen und Angriffsvektoren
20.3.3 Die Rolle des Datenschutzes
20.3.4 Emergenz-Effekte und Datensouveränität
20.4 Maßnahmen
20.4.1 Staatliche Akteure
20.4.2 Unternehmen und Industrie
20.4.3 Lösungsansätze und Forschungsbedarf
20.5 Zusammenfassung und Ausblick
Literatur
21: IoT Security Best Practices
21.1 Einführung
21.2 Grundsätzliche Sicherheitsanforderungen im IoT
21.2.1 Zugangskontrolle
21.2.2 Authentifizierung und Onboarding
21.2.3 Vertraulichkeit (Confidentiality)
21.3 Authentifizierungsverfahren im IoT – Stand der Technik
21.3.1 Authentifizierungsverfahren im Vergleich
21.3.1.1 Guardian Model
21.3.1.2 Blockchain-Technologie
21.3.1.3 Clientseitige Authentifizierung
21.3.1.4 Zusammenfassender Vergleich der Authentifizierungstechnologien
21.3.2 Potenziale und Limitationen der clientseitigen Authentifizierung gegenüber anderen Technologien
21.3.2.1 Potenziale
21.3.2.2 Limitationen
21.4 Fallstudie: Security Konzept eines internationalen IoT-Projekts im Agriculture Segment
21.4.1 Anforderungen und Wahl des Authentifizierungssystems
21.4.2 Technische Systemgestaltung
21.4.2.1 Abrechnungsdomain
21.4.2.2 Schlüsselpaarerstellung
21.4.2.3 Anforderung des Registrierungscodes
21.4.2.4 Erstellung des individuellen Client Zertifikats
21.5 Ergebnis
21.5.1 Innovative Merkmale und Mehrwert des vorgestellten IoT Security Systems
21.5.2 Aktuelle Anwendungspraxis
21.5.3 Weiterführende Anwendungen und Entwicklungsbedarf
Literatur
Stichwortverzeichnis

Citation preview

Edition HMD

Stefan Meinhardt Felix Wortmann Hrsg.

IoT – Best Practices Internet der Dinge, Geschäftsmodellinnovationen, IoT-Plattformen, IoT in Fertigung und Logistik

Edition HMD Reihe herausgegeben von Sara D’Onofrio, Adliswil, Schweiz Hans-Peter Fröschle, i.t-consult GmbH, Stuttgart, Deutschland Josephine Hofmann, Fraunhofer IAO, Stuttgart, Deutschland Matthias Knoll, FB Wirtschaft, Hochschule Darmstadt, Darmstadt, Deutschland Stefan Meinhardt, SAP Deutschland SE & Co KG, Walldorf, Deutschland Stefan Reinheimer, BIK GmbH, Nürnberg, Deutschland Susanne Robra-Bissantz, Inst. Wirtschaftsinformatik, TU Braunschweig, Braunschweig, Deutschland Susanne Strahringer, Fakultät Wirtschaftswissenschaften, TU Dresden, Dresden, Deutschland

Die Fachbuchreihe „Edition HMD“ wird herausgegeben von Dr. Sara D'Onofrio, Hans-Peter Fröschle, Dr. Josephine Hofmann, Prof. Dr. Matthias Knoll, Stefan Meinhardt, Dr. Stefan Reinheimer, Prof. Dr. Susanne Robra-Bissantz und Prof. Dr. Susanne Strahringer. Seit über 50 Jahren erscheint die Fachzeitschrift „HMD – Praxis der Wirtschafts­ informatik“ mit Schwerpunktausgaben zu aktuellen Themen. Erhältlich sind diese Publikationen im elektronischen Einzelbezug über SpringerLink und Springer Professional sowie in gedruckter Form im Abonnement. Die Reihe „Edition HMD“ greift ausgewählte Themen auf, bündelt passende Fachbeiträge aus den HMDSchwerpunktausgaben und macht sie allen interessierten Lesern über online- und offline-Vertriebskanäle zugänglich. Jede Ausgabe eröffnet mit einem Geleitwort der Herausgeber, die eine Orientierung im Themenfeld geben und den Bogen über alle Beiträge spannen. Die ausgewählten Beiträge aus den HMD-­Schwerpunktausgaben werden nach thematischen Gesichtspunkten neu zusammengestellt. Sie werden von den Autoren im Vorfeld überarbeitet, aktualisiert und bei Bedarf inhaltlich ergänzt, um den Anforderungen der rasanten fachlichen und technischen Entwicklung der Branche Rechnung zu tragen. Weitere Bände in dieser Reihe: http://www.springer.com/series/13850

Stefan Meinhardt • Felix Wortmann Hrsg.

IoT – Best Practices Internet der Dinge, Geschäftsmodellinnovationen, IoT-­ Plattformen, IoT in Fertigung und Logistik

Hrsg. Stefan Meinhardt SAP Deutschland SE & Co KG Walldorf, Deutschland

Felix Wortmann Institut für Technologiemanagement Universität St Gallen St. Gallen, Schweiz

Das Herausgeberwerk basiert auf vollständig neuen Kapiteln und auf Beiträgen der Zeitschrift HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik, die entweder unverändert übernommen oder durch die Beitragsautoren überarbeitet wurden.

ISSN 2366-1127     ISSN 2366-1135  (electronic) Edition HMD ISBN 978-3-658-32438-4    ISBN 978-3-658-32439-1  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-32439-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung der Verlage. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung: Sybille Thelen Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Geleitwort

1988 prägte Mark Weiser im Forschungszentrum von Xerox in Palo Alto die Begriffe Ubiquitous Computing und Calm Technologies. Mit seiner damals radikalen wie plastischen Vision des allgegenwärtigen und daher auch notwendigerweise „stillen“ Computings, schuf er die Grundlage zum Internet der Dinge, das in dieser Begrifflichkeit heute gut 20 Jahre alt wird. Wie viele andere technische Entwicklungen, die einen Einfluss auf Gesellschaft und Wirtschaft haben könnten und in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden, durchläuft auch das Internet der Dinge einen Gartner’schen Hypecycle, der illustrativ beschreibt, wie stark Erwartung und tatsächliche Wirkung einer Technologie auseinanderklaffen. Nachdem das Internet der Dinge nun auch schon von vielen Massenmedien thematisiert wurde, scheint der Hype vorerst vorbei zu sein. Das Tal der Desillusion ist erreicht, das Internet der Dinge ist kein Wundermittel. Das Internet der Dinge ist keine Technologie, sondern steht vielmehr – um mit den Worten meines geschätzten Kollegen Friedemann Mattern zu sprechen  – für eine Vision, in der jedes physische Ding nahtloser Teil des Internet ist. Diese Vision baut auf der Verfügbarkeit von zahlreichen Technologien und weiteren nicht-­ technischen Komplementärgütern, wie Kundenerwartungen, Geschäftsmodellen, Ökosystempartnern und Organisationsstrukturen auf. Wie schon beim Internet entwickelt auch das Internet der Dinge erst seine Wirkung, wenn sich all diese komplementären Güter zu einem wirtschaftlich und gesellschaftlich nützlichen Ganzen zusammenfügen. In zahlreichen Anwendungsfeldern, beispielsweise in der innerbetrieblichen Produktionslogistik und -steuerung oder bei manchen digitalen Therapien können wir dies bereits heute beobachten. Es ist also gut möglich, dass die Entwicklung des Internet der Dinge einem klassischen Prognosefehler unterliegt: es wird kurzfristig überschätzt und langfristig unterschätzt. Eine mehrdimensionale Betrachtung scheint notwendig, um Timing, Komplementärgüter, Anwendungsfelder und unternehmerische Anstrengung in Einklang bringen. Daher ist diese Diskussion prinzipiell in der Disziplin Wirtschaftsinformatik gut aufgehoben und damit auch in dieser HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik Edition Reihe. Die Betrachtung aus dem Blickwinkel der Mess- und Regeltechnik lohnt sich hier sowohl aus technischer wie betriebswirtschaftlicher Seite. Das Internet der Dinge wendet die alte Managementweisheit „Man kann nur managen, was man auch messen kann“ unmittelbar an. Mit ihr kann das revolutionäre Potenzial der V

VI

Geleitwort

Vision erklärt werden. Google hat die Werbung von der physischen Welt in die digitale Welt geholt und damit erstmals einfach und zuverlässig hochauflösend messbar gemacht – wer sieht welche Werbeschaltung, wer klickt, wer kauft. Diese Vermessung der Werbewelt hat die gesamte Branche auf den Kopf gestellt  – so wie Röntgenapparat und Elektronenmikroskop Teile der Medizin und Physik auf eine nächste Ebene gehoben haben. Das Internet der Dinge könnte sich nun zum Ultraschall-Gerät oder Computertomographen der physischen Welt oder gar der Betriebswirtschaftslehre entwickeln. Während in der digitalen Welt eine hochauflösende Vermessung aller möglicher Prozesse wirtschaftlich ohne weiteres machbar ist – die Grenzkosten einer Messung sind dort ja praktisch Null – so ist die Vermessung der physischen Welt meist mit menschlicher Anstrengung und damit mit oft prohibitiv hohen Grenzkosten verbunden. Daher findet eine Lagerinventur nicht jede Sekunde statt, sondern i. d. R. nur einmal pro Jahr oder in Stichproben. Daher messen wir unseren Blutdruck i. d. R. seltener, als wir unser Auto zum Service geben. Wenn Dinge nahtlos mit dem Internet verbunden sind, so können sie sich selber und ihre Umgebung zu vernachlässigbaren Grenzkosten und erstmals in der Breite hochauflösend vermessen. Insbesondere in komplexen und dynamischen Umgebungen sind die Folgen vorprogrammiert: eine wachsende, hochauflösende Datenbasis; neue, datenbasierte und aktionsrelevante Einsichten; feingranulare, voraussehende Interventionen – menschliche wie automatische; viel kürzere, hoch oszillierende Regelkreise und eine zunehmende Verschiebung von operativen Managementaufgaben in die digitale Welt. Das selbstfahrende Auto liefert ein schönes Beispiel für diese Entwicklung. Im Internet der Dinge treffen also die physische und die digitale Welt aufeinander und verschmelzen zu einem nahtlosen Ganzen. Eine weitere hilfreiche Perspektive ist vor diesem Hintergrund die Betrachtung der höchst unterschiedlichen ökonomischen Eigenschaft von physischen versus digitalen Gütern. Offensichtlich sind die Differenzen etwa bei Transportgeschwindigkeit und Lagerplatzbedarf. Betriebswirtschaftlich interessant sind vor allem die Unterschiede in Grenzkosten von Produktion und Vertrieb, in der vorhandenen (oder eben nicht) Fähigkeit zum „Update im Feld“ bzw. Erneuerung während des Betriebes oder der Fähigkeit zur Sammlung und Verarbeitung von Nutzungsdaten. Unternehmen fühlen sich meist wohl in der einen oder anderen Welt, kaum jedoch in beiden Welten gleichzeitig. Produzierende Unternehmen haben beispielsweise höchste Engineering-Ansprüche in ihrer DNA verankert, weil schon ein kleiner Fehler in einem bereits ausgelieferten Produkt zu einer mitunter existenzgefährdenden Rückrufaktion führen kann. In der Internet-Softwarewelt ist hingegen die Auslieferung von Minimal Viable Produkten üblich – gefolgt von ständigen Updates entlang von identifizierten Schwächen und neu gelernten Kundenanforderungen. Daher unterscheiden sich auch Mitarbeitertypus, Entwicklungsprozess und Risikomanagement massiv – und die Geschäftsmodellmuster, die zum Einsatz kommen. In der grenzkostenarmen Internetwelt sind etwa Freemium-­Modelle gang und gäbe, in der physischen bedeuten sie typischerweise den wirtschaftlichen Ruin.

Geleitwort

VII

Zudem wird Software heute sehr oft nicht mehr als Produkt, sondern als Software as a Service verkauft. Der Wandel, den klassische On-Premise Softwarehersteller wie Microsoft und SAP dazu durchmachen mussten, war enorm. Ein verwandter Wandel steht nun auch bei produzierenden Unternehmen an, die ihre Produkte mit Internetkonnektivität versehen. Der digitale Teil des Nutzenversprechens wird fast zwingend zum Service. Dasselbe gilt mitunter auch für die physischen Produkte selber, etwa, wenn Unternehmen auf Basis von Internet der Dinge-­ Technologien ihre Produkte nicht mehr verkaufen, sondern als Equipment as a Service anbieten. Denn auch aus Kundensicht schmelzen im Internet der Dinge die digitale und physische Welt zu einem untrennbaren Bündel aus hybriden Produkten und Dienstleistungen zusammen. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis laufende Softwareupdates zum dominanten Design sehr vieler Produkte zählen werden. Veraltete Strassenkarten oder Interface-Designs in Autos werden Kunden mehr und mehr abstrafen. Schon 1999 hat Kevin Kelly in seinem kurzen und für mich sehr einflussreichen Buch „New Rules for a New Economy“ postuliert, dass Produkte, die ihren Zustand nicht wechseln können, bald tote Produkte sein werden. Europa ist auf der ganzen Welt bekannt für seine fantastischen Hardware-­ Produkte, allen voran für seine Maschinen und Autos. Doch Europäer verwenden tagtäglich fast ausschliesslich Internetservices aus den USA – von Google bis Wikipedia. Die USA beherrschen das Internetgeschäft der westlichen Welt. Europa hat mit hoher Wahrscheinlichkeit die besten Datenschutzgesetzte auf der Welt, aber praktisch kein Internetgeschäft. In der hybriden Welt des Internet der Dinge benötigen Unternehmen tendenziell beide Kompetenzen. Denn jungen Branchen und exzellente Kundenlösungen sind oft vertikal integriert, eine weitgehende Trennung von Hardware und Software ist dort nur schwer möglich. Der nächste Technologiewettlauf ist somit eröffnet: Kann Europa seine Stärken in Hardware, Sensorik, Embedded Computing und Mathematik ausspielen und sich in die Internetwelt vorarbeiten? Oder sind die pragmatischen USA schneller bei der Wiederbelebung der etwas vernachlässigten Hardwareindustrie? Mit seinem hohen Ausbildungsniveau und seinen starken Technologieunternehmen hat Europa gute Karten. Nun müssen sie auch klug gespielt werden. Zürich August 2020

Prof. Dr. Elgar Fleisch Universität St. Gallen (HSG), ETH Zürich

Vorwort

Das Internet der Dinge (Internet of Things  – IoT) ist längst Realität. Mehr oder weniger intelligente Dinge messen, analysieren und kommunizieren weltweit, verbunden über das Internet, mit anderen Dingen. Was als Spielerei im Privaten begann, ist heute ernstzunehmender Wettbewerbsfaktor für unzählige Unternehmen (Stichwort: Industrial IoT oder Industrie 4.0). Wettbewerbsvorteile lassen sich im Markt durch die Vernetzung von Dingen auf völlig unterschiedliche Art und Weise erzielen. LKWs, die in Häfen oder auf Werksgeländen hocheffizient und nahezu in Echtzeit orchestriert werden. Kühlcontainer, die die Einhaltung festgelegter Grenzwerte selbst überwachen und bei überschreiten eines Grenzwertes automatisch eine Ersatzlieferung auslösen. Luftkompressoren, die nicht mehr pro Tag, sondern pro verbrauchtem Luftvolumen, also nicht die Maschine selbst, sondern den Service, abrechnen. Sei es die Optimierung eines bestehenden Prozesses, die Erweiterung eines solchen, ein smartes Produkt oder gleich der Aufbau eines völlig neuen Geschäftsmodells – IoT-Konzepte bilden oft die Grundlage dafür. Das grundsätzliche Potential (Warum?) des Internets der Dinge ist vielfach bewiesen. Das „Wie?“ und das „Wofür?“ sind die Fragen, die es heute zu beantworten gilt. Welche Prozesse bieten das meiste Potential für eine Vernetzung? An welchen Stellen steht der Aufwand nicht im Verhältnis zum Mehrwert? Welche Technologien stehen zur Verfügung und welche passen zu meinem Szenario? Wie muss ich meine Geschäftspartner einbinden und welche technologischen oder auch rechtlichen Fallstricke gibt es möglicherweise? Die Autoren der Beiträge aus Wissenschaft und Praxis des vorliegenden HMD-Edition Buches greifen genau diese Fragestellungen auf und wollen konzeptionelle, prototypische bzw. praxisnahe Antworten und Lösungswege aufzeigen. Der Einführungsbeitrag setzt sich kritisch mit der Fragestellung auseinander, wie IoT die zentralen Geschäftsmodellelemente von Unternehmen beeinflusst und wie das Digitalisierungs-Paradox durch die konsequente Ausschöpfung des gesamten ökonomischen Potentials von IoT überwunden werden kann. Damit setzt er den Rahmen für die weitere Betrachtung des Themas und leitet hin zu möglichen und notwendigen Geschäftsmodellinnovationen im Industrie-Kontext, die im nächsten Beitrag behandelt werden. Sei es eine grundlegende Geschäftsmodellinnovation oder nur ein Nischenprojekt, die Entscheidung für oder gegen ein IoT-Projekt hängt von seinem Innovationsgrad bzw. Mehrwert für das jeweilige Unternehmen ab. IX

X

Vorwort

Wurden verschiedene vielversprechende Projektkandidaten identifiziert, müssen sie priorisiert werden. Bei der Realisierung sollten häufig auftretende Schwierigkeiten von Beginn an antizipiert und darauf reagiert werden können. Diesem Komplex widmen sich die folgenden drei Beiträge und geben sowohl Hilfestellung bei der Bewertung als auch Vorschläge zur Handhabung. Eine wichtige Rolle im IoT-Umfeld spielen Cloud-Plattformen, die in ihrer Rolle als zentrales Bindeglied zwischen verschiedenen IoT-Geräten überhaupt erst eine gewinnbringende Verknüpfung derselben ermöglichen. Die Vielfalt der Anbieter von Cloud-Plattformen und ihrer teils sehr unterschiedlichen Funktionalitäten stellen Unternehmen vor große Herausforderungen bei der richtigen Auswahl für aktuelle und zukünftige IoT-Projekte. Zwei Beiträge zu den wichtigsten aktuell am Markt verfügbaren Plattformen, ihren Funktionen sowie den Anforderungen an eine erfolgreiche Integration zwischen verschiedenen Cloud-Plattformen geben hier praxisnahe Hilfestellung. Insbesondere die Fertigung und Logistik kann von IoT-basierten Lösungen stark profitieren, wie fünf Beiträge im Kontext von Industrie 4.0 aufzeigen. Mitarbeiter können im Produktionsprozess von der Information zu Arbeitsabläufen bis hin zur Dokumentation von Ausfällen durch smarte Geräte unterstützt werden. Ganze, bisher meist starre Produktionssysteme z. B. in der Automobilindustrie können mo­ dularisiert und bei erhöhter Produktivität gleichzeitig mehr Flexibilität bieten. Servicemitarbeiter können bei der Wartung von Maschinendaten unterstützt, der gesamte Instandhaltungsprozess mittels Predictive Maintenance optimiert und somit Produktions- und Qualitätsverluste vermieden werden. Mittels neuartiger Sensoren können Ladungsträger vollautomatisiert mittels Track & Trace-Verfahren lokalisiert werden und somit zur Kostenoptimierung beitragen. Ein wesentlicher Mehrwert vieler IoT-Geschäftsmodelle oder Projekte ist die Erweiterung von Produkten um intelligente Dienstleistungsangebote. Wie Produkte und Dienstleistungen nicht isoliert, sondern von Beginn an in einem holistischen Ansatz entwickelt werden können, ist der Fokus fünf weiterer Beiträge. Anhand entsprechender Praxisbeispiele werden die Herausforderungen und entsprechende Lösungsansätze anschaulich diskutiert. Regionen im Strukturwandel benötigen Impulse und Investitionen in neue Wirtschaftszweige. Im folgenden Beitrag wird der Aufbau einer digitalen Plattform auf Basis einer IoT-gestützten Architektur vorgestellt, um Live-Daten der Kommunen in Metropolregionen für neue Geschäftsmodellinnovationen der Unternehmen bereitzustellen. Bei der Verarbeitung von Echtzeitdaten in IoT-Szenarien spielt eine effiziente und ggfs. verteilte Datenverarbeitung auf den Edge-Komponenten sowie den IoT-Plattformen eine große Rolle. Den entsprechend zu erfüllenden Anforderungen an verwendete Zeitreihendatenbanken widmet sich ein weiterer Beitrag. Im abschließenden Abschnitt des Buches behandeln zwei Beiträge die Herausforderungen und entsprechende Lösungsansätze im Hinblick auf Security,

Vorwort

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­ atensicherheit, Datenschutz und Datensouveränität sowie effiziente AuthentifizieD rungsverfahren bei der Entwicklung und Nutzung von IoT-Szenarien in der Praxis. Unser Dank gilt den Autoren für die fundierten und interessanten Beiträge, den Gutachtern für ihre konstruktiven Anregungen zur Verbesserung der Beitragsinhalte sowie dem gesamten HMD Springer Team. Wir wünschen Ihnen nun viele neue Erkenntnisse beim Lesen der spannenden Beiträge, die Ihnen bei der Umsetzung Ihrer IoT-Projekte sicherlich wertvolle Impulse mit auf den Weg geben werden. Natürlich sind auch wir an Ihrem Feedback interessiert und freuen uns auf Ihre Rückmeldungen, mailen Sie uns gerne unter E-Mail: [email protected] und [email protected]. Walldorf und St. Gallen  Herbst 2020

Stefan Meinhardt Felix Wortmann

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Teil I Der Einfluss von IoT auf Geschäftsmodelle – IoT-Geschäftsmodellinnovationen 1 Der lange Weg im IoT – Von der Vernetzung zur Profitabilität������������   3 Felix Wortmann, Dominik Bilgeri, Heiko Gebauer, Claudio Lamprecht und Elgar Fleisch 1.1 Einleitung��������������������������������������������������������������������������������������������   4 1.2 Wie das IoT Geschäftsmodelle verändert ������������������������������������������   4 1.3 Überwindung des Digitalisierungs-Paradox ��������������������������������������  10 1.4 Zusammenfassung und Ausblick��������������������������������������������������������  15 Literatur��������������������������������������������������������������������������������������������������������  19 2 IIoT-basierte Geschäftsmodellinnovation im Industrie-Kontext – Archetypen und praktische Einblicke������������������������������������������������������  23 Anna Maria Oberländer, Björn Häckel und Jochen ­Übelhör 2.1 Das Internet der Dinge als Wegbereiter neuer Geschäftsmodelle������  24 2.2 Digitale Geschäftsmodelle und Geschäftsmodellinnovation��������������  25 2.3 IIoT-basierte Geschäftsmodell-Archetypen im Industrie-Kontext������  27 2.4 Herausforderungen der Geschäftsmodelltransformation��������������������  30 2.5 Praxisrelevante Handlungsempfehlungen������������������������������������������  32 Literatur��������������������������������������������������������������������������������������������������������  34 Teil II  Identifizieren, Priorisieren und Planen von IoT-Projekten 3 Innovation durch den Einsatz von Enterprise IoT-Lösungen – Ein Modell zur Bestimmung des Innovationspotenzials������������������������  39 Christian Marheine, Lukas Gruber und Andrea Back 3.1 Einleitung und Motivation������������������������������������������������������������������  40 3.2 Über Innovations- und Reifegradmodelle und das Internet der Dinge��������������������������������������������������������������������������������������������������  41 3.3 Methodische Vorgehensweise ������������������������������������������������������������  43 3.4 Das Innovationsstufenmodell und seine Anwendung ������������������������  47 3.5 Nutzungsoptionen und Mehrwerte für die Unternehmenspraxis��������  53 Literatur��������������������������������������������������������������������������������������������������������  54

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4 Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten kundenorientierten Prozesskette im Maschinenbau��������������  57 Thomas Pschybilla, Manuela Hofmann, Tobias Enders und Michael Vössing 4.1 Einleitung und Motivation������������������������������������������������������������������  58 4.2 Grundlagen und Stand der Technik����������������������������������������������������  59 4.3 Priorisierungsansätze und Theoriedefizit��������������������������������������������  61 4.4 Entwicklung und Anwendung des Ansatzes am Beispiel der TRUMPF GmbH + Co. KG����������������������������������������������������������������  62 4.5 Zusammenfassung und Ausblick��������������������������������������������������������  67 Literatur��������������������������������������������������������������������������������������������������������  68 5 IoT Best Practices��������������������������������������������������������������������������������������  71 Marco Barenkamp, Jan Hendrik Schoenke, Novica Zarvic und Oliver Thomas 5.1 Hintergrund ����������������������������������������������������������������������������������������  72 5.2 Planung von IoT-Projekten ����������������������������������������������������������������  73 5.3 Fallstudie: Umsetzung eines internationalen IoT-Projekts ����������������  77 5.4 Ausblick����������������������������������������������������������������������������������������������  86 5.5 Zusammenfassung & Erkenntnisse����������������������������������������������������  88 Literatur��������������������������������������������������������������������������������������������������������  91 Teil III  IoT-Plattformen – Vielfalt, Auswahl und Integrationsaspekte 6 Vergleichbarkeit der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen durch deren einheitliche Beschreibung in Form einer Taxonomie und Referenzarchitektur ������������������������������������������������������  95 Sebastian Lempert und Alexander Pflaum 6.1 Einleitung und Motivation������������������������������������������������������������������  96 6.2 Verwandte Arbeiten����������������������������������������������������������������������������  98 6.3 Methodik �������������������������������������������������������������������������������������������� 102 6.4 Taxonomie und Referenzarchitektur zur einheitlichen Beschreibung der Funktionalität von IoT-Software-­Plattformen�������� 105 6.5 Verwendung der Referenzarchitektur im Rahmen von Projekten zur Bewertung und Auswahl der am besten geeigneten IoT-Software-Plattform aus einer Menge von Kandidaten ������ 113 6.6 Zusammenfassung und Ausblick�������������������������������������������������������� 118 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 119 7 Cloud to Cloud Integration im IoT-Umfeld�������������������������������������������� 123 Lukas Hick, Dirk Börner und Henning Pagnia 7.1 Einleitung�������������������������������������������������������������������������������������������� 124 7.2 Anforderungsanalyse�������������������������������������������������������������������������� 125 7.3 Realisierung���������������������������������������������������������������������������������������� 127 7.4 Diskussion������������������������������������������������������������������������������������������ 133 7.5 Zusammenfassung und Ausblick�������������������������������������������������������� 136 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 137

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Teil IV  Einsatz von IoT in der Fertigung und Logistik – Industrie 4.0 8 Industrie 4.0 in kleinen und mittleren Unternehmen – Lösungsansatz und Handlungsempfehlungen für die Integration smarter Geräte ������������������������������������������������������������������������������������������ 141 Ulrich Matthias König, Maximilian Röglinger und Nils ­Urbach 8.1 Motivation ������������������������������������������������������������������������������������������ 142 8.2 Ausgangssituation – Industrie 4.0 in KMU���������������������������������������� 143 8.3 Projektvorgehen���������������������������������������������������������������������������������� 145 8.4 Lösungsansatz ������������������������������������������������������������������������������������ 146 8.5 Anwendungsfälle�������������������������������������������������������������������������������� 148 8.6 Allgemeine Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen�������������������� 154 8.7 Fazit���������������������������������������������������������������������������������������������������� 155 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 156 9 Konzeption und Realisierung eines Produktionssystems für die modulare Fertigung in der Automobilindustrie�������������������������������������� 159 Walter Huber 9.1 Motivation und Ausgangssituation������������������������������������������������������ 160 9.2 Begriffsdefinition�������������������������������������������������������������������������������� 160 9.3 Ausgangssituation und Projektziele���������������������������������������������������� 162 9.4 Methodisches Vorgehen���������������������������������������������������������������������� 164 9.5 Erfahrungen���������������������������������������������������������������������������������������� 172 9.6 Fazit und Ausblick������������������������������������������������������������������������������ 174 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 174 10 Digitalisierungspotenziale der Instandhaltung 4.0 – Von der Aufbereitung binärer Daten zum Einsatz transparenter künstlicher Intelligenz ������������������������������������������������������������������������������ 177 Jonas Wanner, Lukas-Valentin Herm und Christian ­Janiesch 10.1 Nutzenmachung von Daten für intelligente Wartungsansätze als Wettbewerbsfaktor in der Fertigung�������������������������������������������� 178 10.2 Theoretische Grundlagen der Datenanalyse ������������������������������������ 179 10.3 Schrittweiser Entwicklungsansatz für die Nutzung binärer Datenwerte hinsichtlich moderner Instandhaltungsansätze�������������� 181 10.4 Evaluation des schrittweisen Entwicklungsgangs anhand eines Demonstrators�������������������������������������������������������������������������� 189 10.5 Zusammenfassende Betrachtung für Praxis und Forschung ������������ 191 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 192 11 Automatisierung von Geschäftsprozessen im Maschinen- und Anlagenbau – Fallstudie zu Predictive Maintenance������������������������������ 195 Peter Gluchowski, Christian Schieder, Andreas Gmeiner und Stefan Trenz 11.1 Produkt-Service-Systeme im Maschinen- und Anlagenbau ������������ 196 11.2 Wellpappe und Wellpappenanlagen�������������������������������������������������� 197 11.3 Predictive Maintenance�������������������������������������������������������������������� 200 11.4 Fallstudie: Predictive Maintenance bei Wellpappenanlagen������������ 200

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11.5 Lessons Learned und Ausblick �������������������������������������������������������� 207 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 207 12 Einbindung von intelligenten Ladungsträgern in Prozesse der Intralogistik������������������������������������������������������������������������������������������������ 209 René Kessler, Jendrik Suske und Jorge Marx Gómez 12.1 Intelligente Vernetzung in der Logistik�������������������������������������������� 210 12.2 Herausforderungen in der Praxis������������������������������������������������������ 211 12.3 Track & Trace in der Logistik���������������������������������������������������������� 214 12.4 Konzept zur Umsetzung�������������������������������������������������������������������� 216 12.5 Chancen und Limitationen���������������������������������������������������������������� 219 12.6 Zusammenfassung���������������������������������������������������������������������������� 220 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 220 Teil V Smarte Produkte – Herausforderungen und Vorgehen bei der Produktentwicklung 13 Von smarten Produkten zu smarten Dienstleistungen und deren Auswirkung auf die Wertschöpfung�������������������������������������������������������� 225 Gero Strobel, Ute Paukstadt, Jörg Becker und Stefan ­Eicker 13.1 Einleitung������������������������������������������������������������������������������������������ 226 13.2 Vom Ursprung smarter Produkte������������������������������������������������������ 226 13.3 Smarte, vernetzte Produkte �������������������������������������������������������������� 228 13.4 Von smarten Produkten zu smarten Diensten ���������������������������������� 234 13.5 Der Einfluss smarter Dienste auf Geschäftsmodelle������������������������ 237 13.6 Schlussbetrachtung �������������������������������������������������������������������������� 240 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 241 14 Integration von Smarten Produkten und Dienstleistungen im IoT-Zeitalter – Ein Graph-basierter Entwicklungsansatz �������������������� 245 Simon Hagen, Jonas Brinker, Paul Christoph Gembarski, Roland Lachmayer und Oliver Thomas 14.1 Einleitung������������������������������������������������������������������������������������������ 246 14.2 Smarte Produkte und Dienstleistungen im IoT-Kontext ������������������ 247 14.3 Konzeptioneller Integrationsansatz mittels Graphdatenbanken�������� 250 14.4 Prototypische Umsetzung ���������������������������������������������������������������� 252 14.5 Strategische Handlungsempfehlungen���������������������������������������������� 254 14.6 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������� 256 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 257 15 Smartifizierung von Maschinenbauprodukten mittels einer zielorientierten Methode �������������������������������������������������������������������������� 259 Max-Ferdinand Stroh, Jan Hicking und Volker Stich 15.1 Einleitung������������������������������������������������������������������������������������������ 260 15.2 Begriffsbestimmung zu intelligenten Produkten������������������������������ 261 15.3 Beschreibung einer Methode zur Smartifizierung von Maschinenbauprodukten ������������������������������������������������������������������ 263

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15.4 Anwendung der Methode������������������������������������������������������������������ 270 15.5 Empfehlungen für den Einsatz der Methode������������������������������������ 272 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 273 16 Smartere Produkte durch analysebasierte Dienstleistungen – Ein methodisches Werkzeug zur strukturierten Entwicklung�������������� 277 Fabian Hunke und Ronny M. Schüritz 16.1 Einleitung und Motivation���������������������������������������������������������������� 278 16.2 Daten und Analyseverfahren als zentrale Komponenten der Wertschöpfung in Dienstleistungen�������������������������������������������������� 279 16.3 Methodisches Vorgehen�������������������������������������������������������������������� 281 16.4 Ergebnisse ���������������������������������������������������������������������������������������� 284 16.5 Implikationen für die Unternehmenspraxis�������������������������������������� 289 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 290 17 (Re-)Engineering smarter Produkte – Mit dem digitalen Freiheitsgrad zu flexiblen Leistungsangeboten���������������������������������������������� 293 Friedemann Kammler, Paul Christoph Gembarski, Jonas Brinker, Roland Lachmayer und Oliver Thomas 17.1 Einleitung������������������������������������������������������������������������������������������ 294 17.2 Charakteristika Smarter Produkte ���������������������������������������������������� 295 17.3 Gestaltungsfreiheitsgrade physischer Produkte durch Mass Customization ���������������������������������������������������������������������������������� 297 17.4 Auswahl flexibler Gestaltungsstrategien am Beispiel eines PKW-Frontscheinwerfers������������������������������������������������������������������ 299 17.5 Strategische Handlungsempfehlungen���������������������������������������������� 302 17.6 Fazit�������������������������������������������������������������������������������������������������� 304 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 304 Teil VI  Architektur kommunaler IoT-Szenarien in Metropolregionen 18 IoT-gestützte, kommunale Datenarchitektur für Metropolregionen in Deutschland – Metropolitan Data Space�������������������������������������� 309 Mathis Niederau und Jörg Hoffmann 18.1 Ausgangssituation ���������������������������������������������������������������������������� 310 18.2 Grundlegende Einordnung bestehender Konzepte���������������������������� 311 18.3 Untersuchung der IoT- und Datenarchitektur in der Metropolregion Rhein-Ruhr ���������������������������������������������������������������������� 320 18.4 Entwurf einer IoT-gestützten Gesamtarchitektur������������������������������ 325 18.5 Implementierung der Architektur in der Metropolregion Rhein-Ruhr���������������������������������������������������������������������������������������� 330 18.6 Zusammenfassung und Ausblick������������������������������������������������������ 334 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 334

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Teil VII  Effiziente Verarbeitung von IoT-Daten – Edge vs. Cloud 19 Anforderungen für Zeitreihendatenbanken im industriellen IoT�������� 339 Dimitri Petrik, Mathias Mormul, Peter Reimann und Christoph Gröger 19.1 Ausgangssituation und Problemstellung������������������������������������������ 340 19.2 Verwandte Themen �������������������������������������������������������������������������� 343 19.3 Einsatzszenarien für Zeitreihendatenbanken im industriellen IoT �� 346 19.4 Erstellung des Kriterienkatalogs ������������������������������������������������������ 348 19.5 Evaluation des Katalogs am Beispiel von InfluxDB������������������������ 360 19.6 Diskussion und Ausblick������������������������������������������������������������������ 371 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 375 Teil VIII IoT Security – Datensicherheit, Datenschutz, Authentifizierungsverfahren 20 Das Internet of Things – zwischen Usability und Verlust der Datensouveränität�������������������������������������������������������������������������������������� 381 Silvia Knittl, Valentina Neuberger und Simon Dieterle 20.1 Einleitung������������������������������������������������������������������������������������������ 382 20.2 Charakteristika und Anwendungsbereiche des IoT in Unternehmen������������������������������������������������������������������������������������ 382 20.3 Sicherheits- und Datenschutzaspekte im IoT������������������������������������ 385 20.4 Maßnahmen�������������������������������������������������������������������������������������� 389 20.5 Zusammenfassung und Ausblick������������������������������������������������������ 391 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 392 21 IoT Security Best Practices ���������������������������������������������������������������������� 395 Marco Barenkamp 21.1 Einführung���������������������������������������������������������������������������������������� 396 21.2 Grundsätzliche Sicherheitsanforderungen im IoT���������������������������� 397 21.3 Authentifizierungsverfahren im IoT – Stand der Technik���������������� 399 21.4 Fallstudie: Security Konzept eines internationalen IoT-Projekts im Agriculture Segment ���������������������������������������������� 408 21.5 Ergebnis�������������������������������������������������������������������������������������������� 413 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 416 Stichwortverzeichnis������������������������������������������������������������������������������������������ 421

Über die Autoren

Prof. Dr. Andrea Back  ist Professorin und Direktorin am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI-HSG) der Universität St. Gallen. Managementinstrumente für Digital Strategy, Maturity & Transformation sind ihr Arbeits- und Forschungsschwerpunkt. Marco  Barenkamp  ist studierter Wirtschafsinformatiker und gründete im Jahr 2000 die LMIS AG und fungiert dort als Vorstandsvorsitzender. Seit 20 Jahren führt er im Rahmen des Unternehmens (internationale) IT-Entwicklungsprojekte für Bundesministerien, Konzerne und den Mittelstand durch. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Jörg Becker  hat den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Informationswirtschaft an der Universität Münster inne. Seine Forschungsschwerpunkte sind Prozessmodellierung und Datenmodellierung. Die Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Service Science Management und Engineering, E-Gouvernement und Retail. Er ist geschäftsführender Direktor des European Research Center for IS (ERCIS), einem Netzwerk von 20 meist europäischen Forschungszentren. Dominik Bilgeri  ist IoT Product Owner bei der Hoval AG mit Sitz in Liechtenstein. Von 2015 bis 2019 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Informationsmanagement von Prof. Dr. Elgar Fleisch an der ETH Zürich. Im Rahmen seiner Dissertation befasste er sich mit der Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Dr. Dirk Börner  hat einen Abschluss in Medieninformatik und promovierte anschließend im Bereich Advanced Learning Technologies an der Open Universiteit in den Niederlanden. Als erfahrener Softwareentwickler und Projektmanager arbeitet er bei SAP an Richtlinien zur Integration verschiedener Technologien für das intelligente Unternehmen.

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Über die Autoren

Jonas  Brinker  ist Researcher im Forschungsbereich Smart Enterprise Engineering am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, Osnabrück. Dort forscht er als Projektleiter an der Umsetzung additiver Bauteilreparaturen im Maschinen- und Anlagenbau. Jonas Brinker beschäftigt sich projektübergreifend mit der Gestaltung von kontextadaptiven Assistenzsystemen für produktbegleitende Dienstleistungen. Die Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten werden in einer Reihe wissenschaftlicher Publikationen zur Verfügung gestellt, u.  a. Erkenntnisse zum Einsatz von Augmented-Reality-Brillen im Maschinen- und Anlagenbau sowie zur Transformation von Produkten durch die Integration von Informationstechnologie. Simon  Dieterle  studierte Informatik an der Technischen Universität München. Seit 2018 ist er Senior Associate bei PricewaterhouseCoopers GmbH WPG im Bereich Cybersecurity & Privacy. Seine Schwerpunkte liegen bei der Entwicklung von Security Architekturen und der datengetriebenen Entscheidungsfindung für Sicherheitsstrategien. Prof. Dr. Stefan Eicker  ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Softwaretechnik an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Duisburg-­Essen. Als Mitglied von paluno – The Ruhr Institute for Software Technology liegen seine Forschungsschwerpunkte im Bereich einerseits smarter Produkte und Services und andererseits der Steuerung der digitalen Energienetze. Tobias Enders  ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsinformatik und Marketing (IISM) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Strategien zur Monetarisierung von Daten und datenbasierten Dienstleistungen. Zuvor war Herr Enders als Strategieberater und Data Scientist bei IBM in den USA, Deutschland und der Schweiz tätig. Prof. Dr. Elgar Fleisch  ist Professor für Informations- und Technologiemanagement an der ETH Zürich und der Universität St. Gallen (HSG). Bereits seit 1999 steht die Verschmelzung der physischen mit der digitalen Welt zu einem Internet der Dinge im Zentrum seines Forschungsinteresses. Er verfolgt mit seinem Team das Ziel, diese Verschmelzung in den Dimensionen Technologie, Anwendungen und Implikationen zu verstehen und darauf aufbauend neue Technologien und Anwendungen zum Nutzen von Wirtschaft und Gesellschaft zu entwickeln. Elgar Fleisch ist Mitgründer mehrerer Spin-off und Startup Unternehmen sowie Mitglied des Aufsichts- bzw.  Verwaltungsrates von mehreren Unternehmen. Heiko Gebauer  ist Projektleiter am Fraunhofer Center für International Management and Knowledge Economy. Er ist ferner Gastprofessor für Internationales und Strategisches Management an der Linköping Universität in Schweden und Privatdozent an der Universität St. Gallen. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf der Untersuchung dreier empirischer Phänomene – Service-, Skalierungs- und Digitalisierungsparadoxe – und er hat verschiedene Artikel zu diesen Phänomenen in wissenschaftlichen und Management-Zeitschriften veröffentlicht.

Über die Autoren

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Dr.-Ing. Paul Christoph Gembarski  leitet die Abteilung System Engineering am Institut für Produktentwicklung und Gerätebau. Neben Themenstellungen aus der Konstruktionslehre und insbesondere der Konstruktion für die additive Fertigung forscht Dr.-Ing. Gembarski zu den Themen Mass Customization, Produktkonfiguration, wissensbasierte Konstruktion und Einsatz künstlicher Intelligenz in der Produktentwicklung. Prof. Dr. Peter Gluchowski  leitet den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insb. Systementwicklung und Anwendungssysteme, an der Technischen Universität in Chemnitz und konzentriert sich dort mit seinen Forschungsaktivitäten auf das Themengebiet Business Intelligence & Analytics. Er beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit Fragestellungen, die den praktischen Aufbau dispositiver beziehungsweise analytischer Systeme zur Entscheidungsunterstützung betreffen. Seine Erfahrungen aus unterschiedlichsten Praxisprojekten sind in zahlreichen Veröffentlichungen zu diesem Themenkreis dokumentiert. Dr. Andreas Gmeiner  studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Regensburg und der Universität Maastricht. Neben seiner Anstellung bei einem Beratungsunternehmen promovierte er zum Thema gesundheitsökonomische Konsequenzen der Digitalisierung bei Gesundheits-dienstleistungen. Derzeit ist er im Bereich Data Science bei BHS Corrugated Maschinen- und Anlagenbau GmbH in Weiherhammer tätig. Er beschäftigt sich mit Methoden aus dem Bereich „Advanced Analytics“ zur Konzeption und Entwicklung von Smart Data Lösungen, die zur datengetriebenen Entscheidungsfindung bei maschinennahen Problemstellungen verwendet werden Dr.-Ing. Christoph Gröger  ist Gastwissenschaftler am Institut für Parallele und Verteilte Systeme der Universität Stuttgart. Sein Forschungsgebiet umfasst Indus­ trial Analytics, d. h. Data Management, Data Analytics und Künstliche Intelligenz in industriellen Wertschöpfungsketten. Lukas  Gruber  ist Student an der Universität St. Gallen (HSG) im Bereich Betriebswirtschaftslehre. Accounting & Finance sind sein Studienschwerpunkt. Prof. Dr. Björn Häckel  ist seit 2016 Inhaber der Forschungsprofessur für Digitale Wertschöpfungsnetze an der Fakultät für Informatik der Hochschule Augsburg. Zugleich ist er stellvertretender wissenschaftlicher Leiter des Kernkompetenzzentrums Finanz- & Informationsmanagement und arbeitet eng mit der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT zusammen. Er konzentriert sich in seiner Forschung im Rahmen von angewandten Forschungsprojekten mit Unternehmen und in öffentlich geförderten Forschungsprojekten auf das Chancen- und Risikomanagement der Industrie 4.0 und in digitalen Wertschöpfungsnetzen, die ökonomische Bewertung von Technologien sowie auf das Gebiet des finanzwirtschaftlichen Energiemanagements.

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Über die Autoren

Dr. Simon  Hagen  ist Senior Researcher am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (FB Smart Enterprise Engineering) und forscht unter anderem zur Integration von Informations- und Kommunikationstechnologie in Produkte und Dienstleistungen im Kontext von (digitalen) Wertschöpfungssystemen und -netzwerken. Derzeit leitet er am Forschungsbereich das Projekt ForeSight, in dem eine Plattform für die Vernetzung von Komponenten im Datenökosystem Smart Living entwickelt wird. Zuvor untersuchte Herr Hagen im Rahmen seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Informationsmanagement und Wirtschaftsinformatik der Universität Osnabrück im Innovationsverbund SmartHybrid die hybride Wertschöpfung und ihre Schnittmengen zu Smart Service Systemen. Konkret entwickelte er die Möglichkeiten zur informationsbasierten Integration der Bestandteile eines hybriden Leistungsbündels und der sich daraus ergebenden Potenziale für die Erbringung innovativer Leistungen. Lukas-Valentin Herm  hat einen Bachelor- und Master-Abschluss in Wirtschaftsinformatik. Seit 2019 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Juniorprofessur für Information Management der Julius-Maximilians-Universität Würzburg angestellt und lehrt im Bereich der Datenmodellierung. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Themen der Robotic Process Automation und der erklärbaren künstlichen Intelligenz. Lukas Hick  hat seinen Bachelor im Bereich Wirtschaftsinformatik an der Dualen Hochschule in Mannheim erlangt. Aktuell absolviert er seinen Master im Bereich Innovation Management. Parallel zu dieser Laufbahn ist er bei der SAP tätig. Die Forschungsinteressen liegen besonders im Bereich IoT und Innovation in der ­Lagerlogistik. Jan Hicking  studierte Wirtschaftsingenieurwesen Fachrichtung Maschinenbau an der RWTH Aachen. Nach seinem Studium arbeitete er zunächst als Projektmanager am FIR an der RWTH Aachen und koordinierte eine Fachgruppe mit dem Fokus auf das Management digitaler Technologien. Parallel zu Projekten zur Gestaltung von Digitalisierungsstrategien und dem Geschäftsprozessmanagement in produzierenden Unternehmen widmete er sich der Forschung an intelligenten Produkten. Seit 2020 leitet er den Bereich Informationsmanagement am FIR und gestaltet die Vision des digital vernetzten Unternehmens mit dem Ansatz des Digital Architecture Management. Dr. Jörg Hoffmann  (*1985) hat Wirtschaftsingenieurwesen in Karlsruhe studiert und wurde 2018 an der RWTH Aachen zum Dr.-Ing. promoviert. Nach ersten Erfahrungen in der Industrie hat er von 2014 bis 2019 am Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) an der RWTH Aachen im Themenbereich IT-Strategie und Digitalisierung geforscht und beraten. Seit Ende 2019 arbeitet er beim Automobilzulieferer BOS in Ostfildern und treibt dort Digitalisierungsprojekte voran.

Über die Autoren

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Manuela Hofmann  arbeitet als Projekt- und Rolloutmanagerin im Zentralbereich Digitale Transformation der TRUMPF GmbH & Co. KG. Zuvor absolvierte sie ihr Studium des Wirtschaftsingenieurwesens am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Ihren Masterabschluss erlangte sie im Jahr 2018 bei der Firma TRUMPF GmbH & Co. KG. Ihre im Jahr 2018 abgeschlossene Masterthesis ist im Jahr 2019 mit dem ISACA Germany Thesis Award ausgezeichnet worden und diente als Grundlage für den veröffentlichten Beitrag. Dr. Walter Huber  trug in seinen beruflichen Stationen unter anderem bei Siemens, Staufen AG, MT Aerospace und aktuell Webasto überwiegend die Verantwortung für strategische Veränderungen. Aktuell ist er bei Webasto als Director im Produktionsbereich/Manufacturing Engineering beschäftigt. Im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit hat er über dreißig Industrie 4.0 Projekte umgesetzt und mehrere Firmen in Richtung Industrie 4.0 transformiert. Hierzu sind auch beim Springer Verlag zwei Bücher mit dem Titel „Industrie 4.0 in der Automobilproduktion“ und „Wie Technologien unsere Wirtschaft und unsere Unternehmen verändert“ erschienen. Fabian Hunke  ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Digital Service Innovation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). In seiner Forschung untersucht er den Einsatz von Daten und Analyseverfahren in Dienstleistungsangeboten, sowie deren systematische Gestaltung in Organisationen. Prof. Dr. Christian  Janiesch  ist seit 2014 Juniorprofessor für Information Management an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er lehrt und forscht im Bereich Business Analytics und Business Process Management z. B. daran, wie intelligente Methoden die Prozess- und Informationssystemgestaltung verbessern kann. Dr. Friedemann Kammler  ist Senior Researcher in der Forschungsgruppe Smart Enterprise Engineering am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). In seinen Arbeiten adressiert er die Entwicklung und Umsetzung flexibler Leistungsangebote in unternehmensübergreifenden Wertschöpfungssystemen. Dr. Kammlers Forschungsinteressen liegen im Aufbau von Gestaltungswissen für kontextadaptive Produkte und Dienstleistungen, der Erforschung kooperativer Wertschöpfungsmechanismen sowie der Hebung von Synergie-Effekten zwischen Menschen und Maschinen. René Kessler, M.Sc.,  ist seit 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich der Wirtschaftsinformatik (VLBA) der Universität Oldenburg und forscht im Themenfeld der angewandten KI. Im Rahmen der Forschungskooperation zwischen der abat AG und der Universität Oldenburg ist er an der Entwicklung verschiedenster Prototypen beteiligt und evaluiert gemeinsam mit den Partnern den praktischen Nutzen von modernen Technologien (Industrie 4.0).

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Über die Autoren

Dr. Silvia  Knittl  studierte Informatik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und promovierte im Jahr 2012 an der Technischen Universität München. Nach ihrer Promotion wechselte sie in die Beratung mit einem starken Fokus auf Enterprise Security Architecture und Identity & Access Management. Seit 2018 ist sie Senior Managerin bei PricewaterhouseCoopers GmbH WPG im Bereich Cybersecurity & Privacy. Ulrich Matthias König  studierte an der Universität Augsburg den Bachelor Wirtschaftsinformatik und den Informatik- und Informationswirtschafts-Masterstudiengang. Im Februar 2016 begann er seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kernkompetenzzentrum Finanz- & Informationsmanagement und der Fraunhofer- Projektgruppe Wirtschaftsinformatik. Im Rahmen seiner Forschungsaktivitäten beschäftigt sich Herr König vorwiegend mit dem Themengebiet des wertorientierten Prozessmanagements. Prof. Dr.-Ing. Roland Lachmayer  leitet seit Januar 2011 das Institut für Produktentwicklung und Gerätebau an der Leibniz Universität Hannover. Neben den Methoden und Prozessen der Produktentwicklung sowie der rechnergestützten Produktentwicklung bilden Lichttechnik und Optomechatronik seine Forschungsschwerpunkte. Roland Lachmayer ist im Vorstand des Hannoverschen Zentrums für optische Technologie und ordentliches Mitglied der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktentwicklung (WiGeP). Claudio Lamprecht  ist Doktorand am Bosch IoT Lab der Universität St. Gallen (HSG). Seine Forschung fokussiert auf das Design und die Umsetzung datenbasierter Geschäftsmodelle im Kontext Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz mit den Schwerpunkten IoT Performance Management und Equipment-as-a-Service Geschäftsmodelle. Neben seinem Studium sammelte er bereits Berufserfahrung in verschiedenen Branchen, e.g. Surveying & Engineering (Leica Geosystems), Banking (VP Bank AG) und Automotive (BMW). Dipl.-Inform. (Uni) Sebastian Lempert  studierte bis 2006 Informatik mit Nebenfach Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin. Während seines gesamten Studiums arbeitete er als Software-Entwickler bei dem Berliner Fraunhofer-­ Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK im Bereich der virtuellen Produktentstehung. Seit 2006 unterstützt er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung »Data Spaces and IoT Solutions« das Team der Fraunhofer- Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS am Standort Nürnberg. Zu seinen aktuellen Arbeits- und Forschungsschwerpunkten zählt insbesondere die »Integration der Basistechnologien des Internet der Dinge (bspw. RFID, RTLS und WSN) in existierende IT-­ Infrastrukturen von Unternehmen«. Dazu zählen die Entwicklung oder Verwendung von IoT-Software-Plattformen sowie das Rapid Prototyping von IoT-Anwendungen. In dem Bereich Bewertung und Auswahl der für einen unternehmensspezifischen Anwendungsfall am besten geeigneten IoT-Software-Plattform aus einer Menge

Über die Autoren

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von Kandidaten hat Herr Lempert als externer Doktorand des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Supply Chain Management der Otto-Friedrich-­ Universität Bamberg seine Dissertation verfasst und wurde mit dem HMD Best Paper Award 2019 ausgezeichnet. Christian Marheine  ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI-HSG) der Universität St. Gallen. Sein Arbeits- und Forschungsschwerpunkt sind Plattform-Ökosysteme im industriellen Internet der Dinge. Prof. Dr.-Ing. Jorge Marx Gómez  ist seit 2005 Professor für Wirtschaftsinformatik/Very Large Business Applications an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich betrieblicher Umweltin­ formationssysteme und großer, industrieller Anwendungssysteme. In den letzten Jahren rücken Themen mit Bezug zu Unternehmensdaten, wie bspw. maschinelles Lernen oder Blockchain-Anwendungen immer weiter in den Fokus seines Lehr­stuhls. Stefan Meinhardt  ist seit 1988 Mitarbeiter der SAP SE in Walldorf. Aktuell ist er als Vice President und Managing Partner für Kunden im Handel und der ­Konsumgüterindustrie im Rahmen des Strategic Customer Programms der SAP Deutschland tätig. In den letzten Jahren verantwortete er als Vice President SAP Leonardo die Entwicklung von strategischen Partnerschaften rund um digitale Geschäftsmodelle. Zuvor leitete er über viele Jahre als Geschäftsbereichsleiter die Branchen Konsumgüter, Chemie, Pharma und Life Science sowie die Service Industrien innerhalb der SAP Digital Business Service Organisation und unterstützte mit seinem Team SAP Kunden bei digitalen Transformation- und Innovations- Projekten mit dem Ziel der Optimierung von Geschäftsprozessen oder der Implementierung neuer Business Modelle. Darüber hinaus ist er seit 1997 Mitherausgeber der HMD  – Praxis der Wirtschaftsinformatik und engagiert sich an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis. Seinen Abschluss als Diplom Kaufmann machte er 1988 an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Mathias Mormul  ist Doktorand am Institut für Parallele und Verteilte Systeme an der Universität Stuttgart und erhielt sein Diplom in 2015. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Cloud Monitoring, Kontextmodelle für industrielle Umgebungen und dem Einsatz von maschinellem Lernen für Zeitreihendaten. Valentina  Neuberger  ist Senior Associate bei PricewaterhouseCoopers GmbH WPG am Standort Frankfurt. Ihre Beratungsschwerpunkte liegen im Bereich Cybersecurity und Informationssicherheit. Mathis Niederau  (*1991) hat Maschinenbau mit der Vertiefungsrichtung Produktionstechnik an der RWTH Aachen und der Tsinghua Universität in Beijing studiert. Er ist seit Februar 2019 am Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) an der RWTH als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt und forscht und berät in dieser Rolle zu den Themen IT-Strategien und IT-Architekturen.

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Über die Autoren

Dr. Anna Maria Oberländer  ist Postdoktorandin an der Universität Bayreuth und Co-Fachbereichsleiterin am Kernkompetenzzentrum Finanz- & Informationsmanagement und der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT, wo sie außerdem die Digitale Innovationswerkstatt als Mitgründerin leitet. In Forschung, Lehre und Praxis beschäftigt sich Frau Oberländer insbesondere mit den Themen Digitalisierung, digitale Innovation und emergente Technologien, wie zum Beispiel das (industrielle) Internet der Dinge oder Künstliche Intelligenz. Zuvor arbeitete Frau Oberländer als Beraterin für die Strategieberatung McKinsey & Company, wobei sie Klienten rund um digitale Transformation, Prozessdigitalisierung und Innovationsmanagement unterstützte. Prof. Dr. Henning Pagnia  promovierte 1994 in Informatik an der TU Darmstadt. Seit 2001 ist er Professor für Wirtschaftsinformatik an der Dualen Hochschule in Mannheim und lehrt und forscht dort insbesondere auf dem Gebiet der Verteilten Systeme sowie der Sicherheit von Betriebssystemen und Netzwerken. Ute  Paukstadt, M.Sc.  ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement von Professor Jörg Becker an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Analyse und Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle und intelligenter Dienstleistungen. Dimitri Petrik  ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik II des betriebswirtschaftlichen Instituts an der Universität Stuttgart und promoviert seit April 2017 an der Graduate School of Excellence advanced Manu­ facturing Engineering (GSaME). Die GSaME ist eine im Rahmen der Exzellenzinitiative geförderte Forschungseinrichtung der Universität Stuttgart mit einem interdisziplinären Profil. In seiner Dissertation untersucht Herr Petrik digitale Plattformen und die Entwicklung plattform-basierter Ökosysteme im industriellen IoT. Prof. Dr. rer.-pol. Dipl.-Ing. Alexander Pflaum  studierte Elektrotechnik an der Friedrich-Alexander-Universität FAU Erlangen-Nürnberg und promovierte 2001 an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der FAU zum Thema »RFID und Supply Chain Management«. Er ist seit 1995 bei der Fraunhofer-Gesellschaft beschäftigt und war bereits während seines Promotionsstudiums Leiter der Gruppe »Kommunikationstechnik« innerhalb des Fraunhofer-Anwendungszentrums für Verkehrslogistik und Kommunikationstechnik AVK. Ab 2002 führte Prof. Dr. Alexander Pflaum die Abteilung »Informations- und Kommunikationstechnologien und Supply Chain Management« der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Technologien der Logistik-­ Dienstleistungswirtschaft ATL.  Seit 2008 leitet Prof. Dr. Alexander Pflaum das Zentrum für Intelligente Objekte ZIO.  Seit 2016 ist er Leiter der Fraunhofer-­ Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS. Darüber hinaus ist er seit Oktober 2011 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Supply Chain Management, an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

Über die Autoren

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Thomas Pschybilla  arbeitet als Business Process Manager im Order Fulfillment bei der TRUMPF Lasertechnik GmbH. Zuvor absolvierte er ein dreijähriges Doktorandenprogramm zwischen der TRUMPF GmbH + Co. KG und dem Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Universität Stuttgart. In seiner Forschung beschäftigt sich Thomas Pschybilla mit der Analyse von Informationsund Materialflüssen vor dem Hintergrund kundennahe Prozesse durch Möglichkeiten der Digitalisierung zu optimieren. Dr. Peter Reimann  promovierte im Jahr 2016 am Institut für Parallele und Verteilte Systeme der Universität Stuttgart im Themenbereich Datenmanagement und Datenbereitstellung für computerbasierte Simulationen. Seit April 2017 ist er Nachwuchsgruppenleiter an der Graduate School of Excellence advanced Manufacturing Engineering (GSaME). Die GSaME ist eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Stuttgart. Die zugehörige Nachwuchsforschungsgruppe beschäftigt sich mit Methoden zur Datenanalyse und des maschinellen Lernens und untersucht deren Potenzial, um im Produktlebenszyklus relevante Artefakte wie z. B. Produkte, ganze Fabriken oder einzelne Maschinen besser zu verstehen und zu optimieren. Prof. Dr. Maximilian Röglinger  ist Professor für Wirtschaftsinformatik und Wertorientiertes Prozessmanagement an der Universität Bayreuth sowie Adjunct Professor an der School of Management der Queensland University of Technology. Zudem ist er stellvertretender wissenschaftlicher Leiter des Kernkompetenzzentrum Finanz- & Informationsmanagement sowie in leitender Position tätig an der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT.  Ebenso ist Herr Röglinger Mitgründer der Digitalen Innovationswerkstatt und der Digital Leadership Academy. Prof. Dr. Christian Schieder  ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Weiden Business School der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-­ Weiden. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Konzeption und Anwendung analytischer Informationssysteme zur Umsetzung datenbasierter Geschäftsmodelle. Als unabhängiger Berater unterstützt der Diplom-Wirtschaftsinformatiker Unternehmen im Umfeld Digital Business beim Aufbau datengetriebener Entscheidungskulturen. Zuvor war er als Chief Digital Officer beim bayerischen Maschinen- und Anlagenbauer BHS Corrugated für digitale Transformation und Business Development im Bereich industrieller digitaler Lösungen (IoT-, Edge- und Cloud-Services) verantwortlich. Dr. Jan Hendrik Schoenke  promovierte 2019 in der Technischen Informatik zu Maschinellem Lernen in Eingebetteten Systemen. Seit 2019 verantwortet er bei der LMIS AG den Bereich Machine Learning und IoT. Seine aktuellen Forschungsinteressen konzentrieren sich auf Bildverarbeitung und Semantische Technologien. Dr. Ronny  M.  Schüritz  ist Mitbegründer und Co-CEO des KI-Startup prenode und Dozent am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

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Über die Autoren

Prof. Dr. Volker  Stich  ist seit Januar 1997 Geschäftsführer FIR an der RWTH Aachen, das sich mit innovativen Fragestellungen der Betriebsorganisation und IT-Systemen, insbesondere in den Bereichen der Logistik, des inner- und überbetrieblichen Produktionsmanagements, der Entwicklung von technischen Dienstleistungen im Business-to-Business-Bereich sowie Fragen des Informationsmanagements beschäftigt. 2010 wurde er zum „außerplanmäßigen Professor“ ernannt, womit sein intensives Engagement sowohl für das FIR als auch für den RWTH Aachen Campus gewürdigt wurde. Gero Strobel, M.Sc.,  ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand im Fachbereich Wirtschaftsinformatik der Universität Duisburg-Essen. Im Rahmen seiner Forschungsarbeit untersucht er die Auswirkungen von digitalen Produkten und Services auf Informationssysteme. Im Fokus steht hierbei die Entwicklung von dedizierten Informationssystem-Architekturen und domänenspezifischen Modellierungssprachen. Max-Ferdinand  Stroh  studierte Maschinenbau mit Fachrichtung Produktionstechnik an der RWTH Aachen. Dort lernte er in seiner studentischen Arbeit und während eines Auslandspraktikums in den USA die Automobilindustrie sowie deren digitale Herausforderungen kennen. Seit 2017 arbeitet er als Projektmanager beim FIR an der RWTH Aachen im Bereich Informationsmanagement. Im Rahmen seiner Tätigkeit fokussiert er seine Forschungen auf agile Entwicklung sowie die digitale Architektur von intelligenten Produkten. Darüber hinaus entwickelt er in seinen Projekten Digitalisierungsstrategien und arbeitet an der Realisierung des Internet of Production. Jendrik Suske  arbeitet als Consultant bei der Bremer abat AG. Branchenerfahrungen sammelte er bereits während eines dualen Logistikstudiums am BVL-Campus, in Kooperation mit einer internationalen Logistik-Gruppe. Seinen Masterabschluss in International Management erlangte er 2018 an der Hamburger ISM. Heute berät der gelernte Logistiker Kunden bei Herausforderungen im Bereich des Warehouse Managements und kümmert sich mit um den Aufbau neuer Digitalisierungslösungen im Portfolio der abat. Prof. Dr. Oliver Thomas  ist Inhaber des Lehrstuhls für Informationsmanagement und Wirtschaftsinformatik an der Universität Osnabrück und Leiter der Forschungsgruppe „Smart Enterprise Engineering“ am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), Osnabrück. Grundsätzlicher Gegenstand der praxisnahen Aktivitäten von Prof. Thomas ist die Gestaltung von betrieblichen Informationssystemen und ihre Anwendung in Unternehmen im Rahmen der digitalen Transformation. Dr. Stefan Trenz  studierte Mathematik mit Nebenfach Informatik an der Universität Bayreuth und promovierte am Lehrstuhl für angewandte Mathematik an der Universität Konstanz mit Schwerpunkt Modellreduktion und Optimierung. Nach

Über die Autoren

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Anstellungen als Softwareingenieur und Datenanalyst ist er derzeit im Bereich Data Science bei BHS Corrugated Maschinen- und Anlagenbau GmbH in Weiherhammer tätig. Neben dem Anwendungsfeld „Advanced Analytics“ in Industrie und Technik beschäftigt er sich hier auch mit maschinennahen Problemstellungen auf dem Gebiet der mathematischen Modellierung und computergestützen Simulation. Dr. Jochen  Übelhör  war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT und dem Kernkompetenzzentrum Finanz- & Informationsmanagement der Universität Augsburg und promovierte dort zum Thema „Risk and Return Management in Digitized Value Networks“. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Chancen- und Risikomanagement im Kontext digitaler Wertschöpfungsnetze und fokussiert sich insbesondere auf die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle und die ökonomische Bewertung von informationsbasierten, systemischen Risiken. Heute ist er als Produktmanager in der Entwicklung digitaler, cloud-basierter Services bei Carl Zeiss Vision tätig. Prof. Dr. Nils  Urbach  ist Inhaber der Professur für Wirtschaftsinformatik und Strategisches IT-Management an der Universität Bayreuth. Zudem ist er stellvertretender wissenschaftlicher Leiter am Kernkompetenzzentrum Finanz- & Infor­ mationsmanagement (FIM) und der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-­Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT sowie Mitgründer und Leiter des Fraunhofer Blockchain-Labors. Michael Vössing  ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsinformatik und Marketing (IISM) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der Entwicklung von Informationssystemen, welche die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine unterstützen. Jonas  Wanner  hat einen Bachelorabschluss in Wirtschaftsinformatik und einen Masterabschluss in Business Management. Seit 2017 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Juniorprofessur für Information Management der Julius-­Maximilians-­ Universität Würzburg angestellt. Seine Lehrtätigkeiten umfassen die Business Intelligence und die Echtzeitanalyse von Prozessen. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Themen der erklärbaren künstlichen Intelligenz im industrienahen Umfeld. Prof. Dr. Felix Wortmann  ist Assistenzprofessor für Technologiemanagement an der Universität St. Gallen (HSG). Darüber hinaus hat er die Leitung des Bosch Internet of Things Lab an der HSG und der ETH Zürich inne. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Internet der Dinge, Data Science und datenbasierte Geschäftsmodellinnovation. Von 2006 bis 2009 war er als Assistent des Vorstands bei der SAP AG tätig. Nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik in Münster hat Felix Wortmann 2006 an der Universität St. Gallen promoviert. Novica Zarvić  ist stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Smart Enterprise Engineering am DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz).

Teil I Der Einfluss von IoT auf Geschäftsmodelle – IoT-Geschäftsmodellinnovationen

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Der lange Weg im IoT – Von der Vernetzung zur Profitabilität Felix Wortmann, Dominik Bilgeri, Heiko Gebauer, Claudio Lamprecht und Elgar Fleisch

Zusammenfassung

Unternehmensberatungen, Marktforschungsinstitute und Technologie-Evangelisten haben sich in den letzten Jahren mit positiven Prognosen zum enormen Geschäftspotenzial im Internet der Dinge (aus dem Englischen Internet of Things, IoT) gegenseitig übertroffen. In der Tat eröffnen vernetzte IoT-Lösungen neue Geschäftspotenziale und sind derzeit im Begriff ganze Branchen zu disruptieren. Jedoch zeigen neuste empirische Forschungsergebnisse und bisherige Erfahrungen, dass Unternehmen diese Chancen viel langsamer realisieren als erwartet. Selbst IoT-Pioniere wie General Electric sind mit ihren ambitionierten Digitalisierungsinitiativen vorerst gescheitert und sehen sich gezwungen, ihre kommunizierten IoT-Pläne deutlich anzupassen. In Anbetracht dieses Digitalisierungs-Paradox, mit hohen Investitionskosten und niedrigen Erträgen, suchen Unternehmen heute mehr denn je nach neuen Möglichkeiten, die über bekannte Produkt- und Dienstleistungsinnovationen hinausgehen. Der vorliegende Grundlagenbeitrag widmet sich den Fragen, wie das IoT die zentralen Geschäftsmodellelemente von Unternehmen beeinflusst und wie das Digitalisierungs-­Paradox Unveränderter Original-Beitrag Wortmann et  al. (2019) Geld verdienen im IoT  – aber wie?, HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik 56, 1094–1112. F. Wortmann (*) Institut für Technologiemanagement, Universität St. Gallen, St. Gallen, Schweiz E-Mail: [email protected] D. Bilgeri · E. Fleisch ETH Zürich, Zürich, Schweiz E-Mail: [email protected]; [email protected] H. Gebauer · C. Lamprecht Universität St. Gallen, Zürich, Schweiz E-Mail: [email protected]; [email protected] © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Meinhardt, F. Wortmann (Hrsg.), IoT – Best Practices, Edition HMD, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32439-1_1

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F. Wortmann et al.

überwunden werden kann. Darüber hinaus reflektiert der Beitrag erfolgsversprechende Vorgehensweisen auf dem langen Weg zur Profitabilität im Internet der Dinge. Schlüsselwörter

Internet der Dinge · Digitalisierungs-Paradox · Geschäftsmodelle · Digitale Produkte und Services · Profitabilität

1.1

Einleitung

Das Internet der Dinge (aus dem Englischen Internet of Things, IoT), d. h. die Verschmelzung der physischen und digitalen Welt, bietet enorme neue Geschäftsmöglichkeiten und wird jede Branche grundlegend verändern (Iansiti und Lakhani 2014; Porter und Heppelmann 2014, 2015). Analysten prognostizieren ein hohes IoT-­ getriebenes Umsatzwachstum (vgl. Columbus 2018). Ob selbstfahrende Autos, intelligente Häuser, medizinische Fitnesstracker oder vernetzte Produktionsanlagen, die disruptive Kraft des IoT wird die Geschäftslogiken verschiedener Branchen fundamental und industrieübergreifend verändern (Lueth 2015; Manyika et al. 2015; Turck 2018). Trotz dieser prognostizierten Wachstumszahlen haben viele produzierende Unternehmen derzeit Schwierigkeiten, vom IoT zu profitieren (Davenport und Westerman 2018). Das Digitalisierungs-Paradox beschreibt dieses Phänomen, wonach produzierende Unternehmen große Probleme haben, IoT-Initiativen erfolgreich umzusetzen (Gebauer et al. 2020). Dies gilt auch für große Unternehmen wie General Electric (GE), die trotz Milliardeninvestitionen, der Einführung neuer digitaler Geschäftseinheiten und des starken Engagements des Top-Managements vor großen Herausforderungen stehen (Crooks 2017; Colvin 2018). In Anbetracht dieses Digitalisierungs-­Paradox, mit hohen Investitionskosten und niedrigen Erträgen, suchen Unternehmen heute mehr denn je nach neuen Möglichkeiten, die über bekannte Produkt- und Dienstleistungsinnovationen hinausgehen (Bilgeri et al. 2019). Der vorliegende Grundlagenbeitrag widmet sich den Fragen, wie das IoT die zen­ tralen Geschäftsmodellelemente von Unternehmen beeinflusst und reflektiert erfolgsversprechende Strategien auf dem langen Weg zur Profitabilität im Internet der Dinge.

1.2

Wie das IoT Geschäftsmodelle verändert

Eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Publikationen widmet sich dem Thema, wie Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle von IoT-Technologien beeinflusst werden (vgl. Strobel et al. 2019; Papert und Pflaum 2017; Fleisch et al. 2015; Flüchter 2014; Westerlund et al. 2014; Dijkman et al. 2015). Der vorliegende Grundla-

1  Der lange Weg im IoT – Von der Vernetzung zur Profitabilität

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genbeitrag trägt zu dieser Diskussion bei und beleuchtet im ersten Schritt die Frage, wie sich das IoT auf die drei zentralen Geschäftsmodellelemente Wertschöpfung, Wertversprechen und Monetarisierung auswirkt (Teece 2010). Die „Wertschöpfung“ bezieht sich auf die Prozesse, Aktivitäten und Ressourcen, die erforderlich sind, um ein Wert- bzw. Leistungsversprechen effizient anbieten zu können (Gassmann et al. 2014). Das „Wertversprechen“ wiederum beschreibt den Nutzen, den ein Angebot für den Kunden generiert (Gassmann et al. 2014; Clauss 2017). Schließlich definiert das Geschäftsmodellelement „Monetarisierung“ die Logik, wie die verschiedenen Komponenten eines Wertversprechens bepreist werden, mit dem Ziel, einen Teil der erwirtschafteten Umsätze als Gewinne zu realisieren (Gassmann et al. 2014; Nenonen und Storbacka 2010).

1.2.1 Wertschöpfung Industrieunternehmen wie GE, Konecranes, Bosch oder Heidelberger Druckmaschinen sind gezwungen, ihre Wertschöpfungsaktivitäten im IoT auszuweiten und die Produktion von physischen Produkten um die Bereitstellung digitaler Leistungen zu erweitern (Fleisch et  al. 2015; Porter und Heppelmann 2015; Iansiti und Lakhani 2014). Die daraus resultierenden Lösungen umfassen die physische und digitale Welt (siehe Abb. 1.1). IoT-Lösungen umfassen fünf Wertschöpfungsebenen (Fleisch et al. 2015; Porter und Heppelmann 2015; Strobel et al. 2019). So beinhalten beispielsweise die intelligenten Kranlösungen von Konecranes, einem führenden finnischen Anbieter von Industriekränen, immer noch ein physisches Produkt (Ebene 1), nämlich den Kran, der ausschliesslich lokal (dort, wo er physisch steht) genutzt werden kann. Der Kran ist

Digitale Leistung Ebene 5 Digitale Welt

Digital, global

Analytik Ebene 4

Konnektivität Ebene 3

Physische Welt

Hybrides Wertversprechen

Sensor and Aktuator Ebene 2

Physisches Objekt Ebene 1

Physisch, lokal

Abb. 1.1  Wertschöpfungsebenen im Internet der Dinge (Fleisch et al. 2015)

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F. Wortmann et al.

jedoch nun mit Sensoren und Aktoren ausgestattet (Ebene 2), die z. B. die aktuellen Belastungen erfassen, und mit dem Internet verbunden (Ebene 3). Diese Daten stehen für Analysen durch Konecranes und Dritte zur Verfügung (Ebene 4). Aufbauend auf diesen ersten vier Ebenen ist Konecranes nun in der Lage, neue digitale Dienste wie z. B. Ferndiagnose anzubieten, auf die Kunden global (z. B. über das Internet oder entsprechende Apps) zugreifen können (Ebene 5) (Konecranes 2017). Daraus ergibt sich eine IoT-Lösung, die mehr ist als die Summe ihrer Einzelkomponenten und ein hybrides Wertversprechen aus physischen und digitalen Leistungen darstellt (Fleisch et al. 2015; Porter und Heppelmann 2015; Leimeister und Glauner 2008). Das IoT verändert jedoch nicht nur einzelne Produkte und damit den Wettbewerb innerhalb einer Branche. Zunehmend entstehen vernetzte Produktsysteme, die sich durch die Vernetzung verschiedener Produkte und Komponenten auszeichnen. Porter und Heppelmann (2014) beschreiben diese neuen Systeme am Beispiel der Landwirtschaft. Das IoT wertet nicht nur Traktoren auf, sondern auch Maschinen, die an den Traktor angehängt werden können. Traktor und Maschine können nun ausserdem miteinander kommunizieren. Die Sämaschine kann nun dem Traktor mitteilen, wie ausgelastet sie ist und ob der Trecker noch schneller fahren kann. Traktor und Sämaschine bilden somit ein Produktsystem. Schlussendlich entstehen komplett neue, vernetzte Ökosysteme, die durch das IoT zusammengeführt werden. So verbindet das IoT heute beispielsweise Landwirte mit Landmaschinenherstellern und Wetterdatenanbietern (Porter und Heppelmann 2014). Das IoT hat schlussendlich einen fundamentalen Einfluss auf das Management im Unternehmen. Hochauflösende Sensordaten geben noch nie dagewesene Einblicke in Abläufe der physischen Welt. Diese Einblicke können genutzt werden, um datenbasiert Entscheidungen zu treffen und ein hochpräzises Management zu realisieren (Fleisch 2010). Schlussendlich können so hochkontextualisierte und individualisierte Maßnahmen umgesetzt werden. Überträgt man diese Logik auf das Beispiel von Konecranes, hilft die Vernetzung dem Fertigungsunternehmen mit Hilfe hochauflösender Sensordaten, den Betriebszustand jedes einzelnen Kranes und seiner Komponenten zu überwachen, kontinuierlich seine Entscheidungsprozesse zu optimieren (z. B. ist eine Wartung aktuell notwendig) und im Falle von Problemen kosteneffizient, zunehmend automatisiert und gezielt einzugreifen (siehe Abb. 1.2).

Wahrnehmen

Planen

Handeln

Hochauflösende Sensordaten ermöglichen einen noch nie da gewesenen Einblick in Geschäftsprozesse und menschliches Verhalten.

Eine umfangreiche und wachsende Datenbasis ermöglicht eine kontinuierliche Verbesserung der datenbasierten Entscheidungsfindung und ein hochpräzises Management.

Hochkontextualisierte und individualisierte Umsetzung von Maßnahmen, die immer weiter automatisiert werden.

Abb. 1.2  Das IoT verändert das Management im Unternehmen

1  Der lange Weg im IoT – Von der Vernetzung zur Profitabilität

7

Von der Medizin kann man dabei zentrale Erkenntnisse für das IoT übernehmen. Röntgen, Computer- (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) haben die Medizin jeweils grundlegend verändert (Dössel 2000; Fleisch 2010). Dies ist zunächst durchaus erstaunlich, da alle diese Geräte per se keine heilende Wirkung haben. Wie das IoT erfassen diese Geräte in einem ersten Schritt „lediglich“ hochauflösende Daten. Damit bieten sie aber die Grundlage für völlig neue Behandlungsmethoden. Heute ist es beispielsweise in der Krebsbehandlung möglich, eine Operation sehr genau mithilfe von MRT-Daten zu planen und schlussendlich auch extrem präzise durchzuführen. Häufig dauert es jedoch auch in der Medizin Jahrzehnte, bis die neuen Möglichkeiten disruptiver Technologien erkannt, umgesetzt und validiert sind. Eine analoge Entwicklung ist auch im IoT zu erwarten.

1.2.2 Wertversprechen IoT-Lösungen bieten Kunden hybride Wertversprechen, denn sie bestehen aus einem Bündel aus digitalen und physischen Produkten und Services (Fleisch et  al. 2016; Wortmann et al. 2017) (siehe Abb. 1.1 und 1.3). Verschiedene Beispiele illustrieren die in der Praxis umgesetzte Vielfalt an Kombinationen hybrider Wertversprechen. So bietet zum Beispiel der Elektroautomobilhersteller Tesla mit seinen Fahrzeugen dem Kunden ein physisches Produkt und zusätzlich die Option eines als kostenpflichtigen Software-Updates erhältlichen

Digital

Physisch

immateriell

immateriell

„lagerbar“

„lagerbar“

Eigentümer

untrennbar/Anbieter-gebunden

Verkauf, Leasing

Abo, Verbrauch, Ergebnis

materiell

immateriell

lagerbar

nicht lagerbar

Eigentümer

untrennbar/Anbieter-gebunden

Verkauf, Leasing

Abo, Verbrauch, Ergebnis

Produkt

Service

Abb. 1.3  IoT-Lösungen als Kombination physischer und digitaler Produkte und Services (in Anlehnung an Fleisch 2016; Vision Mobile 2016; Kotler et al. 2016)

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F. Wortmann et al.

„Autopiloten“ (digitales Produkt). Ein Beispiel für ein anderes Bündel liefert die Google-Tochter Nest mit ihren Überwachungskameras. Nest verkauft die Kamera-­ Hardware für eine Einmalzahlung von $199 (physisches Produkt) und bietet zusätzlich eine 30-tägige Online-Videospeicherung für monatlich $25 (digitaler Service). Als letztes Beispiel offeriert wiederum der finnische Kranhersteller Konecranes mit „RENTALL“ Kräne ein Mietangebot (physischer Service) inklusive digitaler Fernwartung (digitaler Service) über eine Laufzeit von 36 Monaten. Digitale Produkte und Services werden heute in der Regel unter dem Begriff Smart Services subsumiert (vgl. Strobel et al. 2019; Herterich et al. 2016; Westerlund et al. 2014). Im Lichte der oben skizzierten Beispiele ist dies durchaus kritisch zu reflektieren, da in einem solchen Fall in der betriebswirtschaftlichen Entscheidungsfindung wenig Differenzierung möglich ist. Dabei lassen sich bei einer detaillierteren Betrachtung zwei zentrale Erkenntnisse ableiten. Erstens, auch in der digitalen Welt können Produkte und Services unterschieden werden, die fundamental unterschiedliche Charakteristika aufweisen. Digitale Produkte, wie z. B. ein iTunes-Song oder die Autopilot-Software von Tesla, haben einen Eigentümer (in der Regel der Käufer) und werden auf der Basis einer Einmalzahlung oder Leasing erworben. Digitale Dienstleistungen, wie z. B. ein Netflix-Abo oder der beschriebene Videospeicher von Nest, sind in der Regel untrennbar an den Leistungserbringer gebunden und werden über Abo, Verbrauch oder erzieltes Ergebnis abgerechnet (Fleisch 2016; Vision Mobile 2016). Zweitens, digitale Produkte und Services unterscheiden sich ganz wesentlich von klassischen, physischen Services, insbesondere im Hinblick auf ihre „Lagerbarkeit“. Das klassische Serviceverständnis verbindet mit dem Begriff Lagerbarkeit, dass Services nicht für die spätere Nutzung und Skalierung vorgehalten werden können (Kotler et al. 2016). Im Gegensatz dazu können digitale Produkte und Services jedoch sehr wohl für eine spätere Nutzung und Skalierung „gelagert“ werden. Sie sind wie Produkte häufig stark standardisiert, und die geringen Grenzkosten der digitalen Welt eröffnen z. B. im Vergleich zu physischen Services, die auf menschlicher Arbeitskraft basieren, völlig neue Möglichkeiten der Skalierung (Porter und Heppelmann 2014). Damit besitzen digitale Produkte und Services entscheidende Charakteristika (Standardisierung, Skalierbarkeit) von physischen Produkten, was fundamentale Implikationen z. B. für die Wertschöpfung hat (zentrale vs. dezentrale Leistungserbringung).

1.2.3 Monetarisierung Traditionell haben produzierende Unternehmen den größten Teil ihrer Erträge mit physischen Produkten erwirtschaftet, die gegen Einmalzahlungen verkauft werden. Diesen Zahlungen stehen vor allem Herstellkosten gegenüber, die ebenfalls einmalig anfallen. Zusätzlich wurden Services angeboten und in der Regel eigenständig verrechnet (Gebauer et al. 2005). Im IoT ändern sich Erlös- und Kostenströme nun fundamental.

1  Der lange Weg im IoT – Von der Vernetzung zur Profitabilität

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IoT-Lösungen sind eine Kombination aus physischen und digitalen Produkten und Services (Fleisch et al. 2015). Damit können unterschiedliche Erlösströme realisiert werden. NEST kann beispielsweise die Kamera monetarisieren (einmalig) und den Videoservice (Abo). Alternativ kann aber auch nur eine der beiden Komponenten monetarisiert werden. Beispielsweise kann der Videoservice kostenlos angeboten werden, da dies entsprechende Konkurrenzangebote notwendig machen. Damit unterliegen IoT-Lösungen in der Monetarisierung klassischen Bundling-Fragestellung (vgl. Huber und Kopsch 2000). Im IoT sind Unternehmen nun neu zusätzlich zu den Produktkosten auch mit Kosten für die Erbringung digitaler Leistungen konfrontiert (Forschungs- und Entwicklungskosten seien hier vernachlässigt). Bei der regelmäßigen Erbringung digitaler Services fallen dann kontinuierlich Kosten an. Für viele Produkthersteller ist das eine völlig neue Situation, die sie kalkulatorisch erst einmal abbilden müssen. Es entstehen Kosten, obwohl das physische Produkt bereits an den Kunden übergeben wurde. In der Praxis lassen sich drei IoT-Ertragsmodelle unterscheiden (Wortmann et al. 2017; Fleisch et al. 2016) (siehe Abb. 1.4). Erstens, mit Produkt-basierten Ertragsmodellen erwirtschaften die jeweiligen Unternehmen ihre Umsätze auf Basis von Einmalzahlungen. Zusätzliche (digitale) Serviceleistungen werden nicht separat monetarisiert. Im Smart Home-Geschäft ist dieses Vorgehen üblich, da Kunden selten bereit sind, für digitale Leistungen zu zahlen. Ein intelligenter Lautsprecher wie Amazon Echo wird einmalig gekauft, und die Nutzung des zugehörigen Dienstes Alexa ist dann kostenlos, obwohl hier für Amazon bei jeder Nutzung Kosten anfallen. Betrachtet man den kumulierten Cashflow1 über die Zeit, sinkt mit jeder Nutzung die Marge des Anbieters. Bei Produkt-basierten Ertragsmodellen sind die laufenden Servicekosten daher mit der anfänglichen Produktmarge zu kompensieren. Möglich sind solche Ertragsmodelle häufig nur, da digitale Grenzkosten äußerst gering sind. Kumulierter Cashflow Produkt-basierte Ertragsmodelle Service-basierte Ertragsmodelle Zeit

Hybride Ertragsmodelle

Abb. 1.4  Kumulierter Cashflow der verschiedenen IoT-Ertragsmodelltypen (Exemplarische Darstellung)

1  Der kumulierte Cashflow bezieht sich hier auf die Differenz aller Ein- und Auszahlungen, die ein Unternehmen für eine bestimmte IoT-Lösung mit fortlaufender Zeit realisiert.

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F. Wortmann et al.

Zweitens, durch die Anwendung Service-basierter Ertragsmodelle stellen Services die einzige monetarisierte Einnahmequelle dar. Einmalerlöse für Produkte, z. B. zur Finanzierung der Herstellung der Hardware, werden nicht realisiert. Das beschriebene RENTALL-Angebot inkl. Fernwartung von Konecranes basiert beispielsweise lediglich auf monatlichen Mietzahlungen. Betrachtet man hier den kumulierten Cashflow, so steigt dieser dank der regelmäßigen Einnahmen über die Zeit. Jedoch besteht zunächst eine erhebliche Finanzierungslücke, da die Hardware zwar produziert aber nicht unmittelbar monetarisiert wird. Dadurch entsteht für den Anbieter ein Risiko, dass der Kunde ggf. zu früh das Mietverhältnis kündigt. Im B2B-Umfeld werden solche Angebote daher häufig an Mindestlaufzeiten geknüpft. Schließlich kombinieren hybride Ertragsmodelle produktbasierte (einmalige) und dienstleistungs-basierte (wiederkehrende) Umsätze. Im Fall von Google Tochter Nest ist für die vernetzte Sicherheitskamera ein Kaufpreis zu bezahlen. Monatlich ist zusätzlich eine Abogebühr zu entrichten, um die aufgezeichneten Videos der Überwachungskamera jederzeit über einen Online-Service abrufen zu können. Der kumulierten Cashflow ist somit von Anfang an positiv (Hardwaremarge der Kamera) und steigt über die Zeit (Abogebühren). Aus Anbietersicht erscheint das hybride Ertragsmodell zunächst einmal vorteilhaft. Dieses lässt sich in der betriebswirtschaftlichen Praxis jedoch immer seltener durchsetzen (Wortmann et al. 2017; Fleisch et al. 2016).

1.3

Überwindung des Digitalisierungs-Paradox

Unternehmen haben verstanden, dass sie die vielfältigen betriebswirtschaftlichen Chancen der Digitalisierung gezielt adressieren müssen. Um im Internet der Dinge erfolgreich zu sein, sind Unternehmen gefordert, wesentliche Hürden im IoT zu meistern. Um diese zu überwinden, haben sich Vorgehensweisen etabliert, denen im Kern eine ähnliche Logik zugrunde liegt (vgl. Ng 2018; O’Reilly und Tushman 2016).

1.3.1 Das Digitalisierungs-Paradox Unternehmen realisieren die Chancen der Digitalisierung viel langsamer als erwartet. Gebauer et al. (2020) beschreiben dieses Phänomen als Digitalisierungs-­Paradox, das im Gegensatz zum wohlbekannten Service-Paradox (vgl. Gebauer et al. 2005) nicht die Erschließung physischer Services thematisiert, sondern die Erschließung digitaler Produkte und Services (siehe auch Abb. 1.3). Ein zentraler Schlüssel zu dessen Überwindung liegt in der Ausschöpfung des gesamten ökonomischen Potenzials des IoT.  Dies beinhaltet sowohl die Innovation neuer Produkte und Services (Wertversprechen Kunde) als auch die Verbesserung interner Prozesse (vgl. Christensen und van Bever 2014, zitiert in Flüchter 2014). Die Umsetzung einzelner Initiativen, z. B. die alleinige Fokussierung auf die Monetarisierung externer Wertversprechen, reicht häufig nicht aus, um die anfänglichen Investitionskosten zu amortisieren. Viele Unternehmen unterliegen dabei einem Salienz-Bias (aus dem Englischen für Auffäl-

1  Der lange Weg im IoT – Von der Vernetzung zur Profitabilität

11

Art der Innovation

ligkeitsverzerrung), der eine verkürzte Betrachtung weniger „Blockbuster“-Anwendungsfälle bewirkt (Bilgeri et al. 2019). „Blockbuster“-Anwendungsfälle wie z. B. vorausschauende Wartung (aus dem Englischen Predictive Maintenance) prägen die öffentliche Diskussion und werden ­insbesondere auch durch das intensive Marketing von IoT-Technologieanbietern immer wieder in den Vordergrund gestellt. Als Resultat konzentrieren sich viele Unternehmen auf diese Anwendungsfälle, die häufig sehr ambitionierte Innovationen in den Mittelpunkt stellen, und übersehen dabei andere Möglichkeiten, die weniger ambitioniert sind, einen guten Einstieg in das Thema IoT erlauben und gerade kurzfristig einen höheren Nutzen versprechen (siehe Abb. 1.5). Die zwei folgenden Beispiele veranschaulichen die Bedeutung und Notwendigkeit ganzheitlicher IoT-Innovation. Das erste Beispiel bezieht sich auf vernetze Objekte, die nicht im Besitz des Kunden sind, sondern im direkten Einflussbereich des jeweiligen Unternehmens stehen. Landwirtschaftliche Dienstleiter (Lohnunternehmer) nutzen IoT-Daten ihrer Landmaschinen zunächst einmal, um die Effizienz ihrer eigenen Prozesse zu verbessern. Telemetriedaten ermöglichen es Lohnunternehmern unter anderem, die Position und den Betriebszustand ihrer Landmaschinen zu überwachen und ein effizientes Flottenmanagement zu realisieren. Die entsprechenden Vorteile kommen dem Lohnunternehmer zugute, der seine internen Prozesse optimieren und schlussendlich effizienter wirtschaften kann. Über interne Prozessinnovation hinaus können die Daten aber auch für neue Produkte und Services genutzt werden. Der Einsatz von hoch spezialisierten, leistungsfähigen Agrarmaschinen ist mittlerweile so teuer, dass Kunden von Lohnunternehmern (z. B. Landwirte) eine minutengenaue, hochauflösende Abrechnung auf der Basis von Telemetrieda-

Beispiel Leistungsnachweis

Beispiel Fernwartung

Produkt und Service

Sensordaten aus der Supply Chain werden verwendet, um eine verursachungsgerechte Abrechnung nachzuweisen

Sensordaten aus dem Feld werden verwendet, um Wartungsund Reparaturarbeiten aus der Distanz durchzuführen

Beispiel Asset Tracking

Beispiel Data2Spec

Interne Prozesse

Sensordaten aus der Supply Chain werden verwendet, um die Lokation von mobilen Objekten zu überwachen und zu managen

Sensordaten aus dem Feld werden verwendet, um die Spezifikation von zukünftigen Produktgenerationen zu verbessern

Supply Chain

Kunde

Lokation des vernetzen Objektes Abb. 1.5  Innovationsarten nach Lokation des vernetzten Objekts (in Anlehnung an Hartmann et al. 2019)

12

F. Wortmann et al.

ten als echten Mehrwert und somit differenzierenden Service wahrnehmen. Die Vernetzung der landwirtschaftlichen Maschine führt so zu interner Prozessoptimierung und Serviceinnovation für den Kunden. Ein zweites Beispiel, in dem sich das vernetzte Objekt beim Kunden befindet, liefert Heidelberger Druckmaschinen AG. Mit seinen vernetzten Lösungen ist der deutsche Hersteller von Industriedruckanlagen in der Lage, innovative Services wie vorausschauende Wartung anzubieten. Dabei sendet die Anlage im Falle einer Störung automatisch eine elektronische Fehlermeldung an das Unternehmen und ­ermöglicht den Servicetechnikern, Reparaturarbeiten aus der Distanz durchzuführen oder bei Bedarf direkt die richtigen Ersatzteile mitzubringen. Die Monetarisierung dieses neuen daten-getriebenen Serviceangebots deckt jedoch nur einen Teil des IoT-Potenzials vernetzter Druckanlagen. Gleichzeitig werden die IoT-Daten auch genutzt, um die Entwicklungsprozesse der Heidelberger Druckmaschinen AG zu optimieren. Im Anwendungsfall Data-to-Specification (Data2Spec) ermöglichen IoT-Daten, reale Belastungsszenarien zu erfassen und somit bei der Entwicklung neuer Produktgenerationen eine Unter- bzw. Überspezifikation zu verhindern. Die Vernetzung der Druckanlage führt so ebenfalls zu Serviceinnovation für den Kunden und interner Prozessoptimierung bei Heidelberger Druck (Bilgeri et al. 2019).

1.3.2 Der lange Weg zur Profitabilität im IoT Um im Internet der Dinge erfolgreich zu sein und das Digitalisierungsparadox zu überwinden, gilt es grundlegende Hürden zu meistern. Diese müssen permanent reflektiert werden, um zu verstehen, mit welchen drängendsten Herausforderungen das eigene Unternehmen konfrontiert ist und entsprechende Handlungsmaßnahmen abzuleiten. In der Praxis können auf der Reise vom physischen Produkt zur profitablen IoT-Lösung sieben zentrale Herausforderungen unterschieden werden, die überwacht, gemessen und systematisch gemanagt werden müssen (siehe Abb. 1.6).

Profit Produkt & Service

Profitabilität Umsatz / Kosteneinsparungen

Monetarisierte Services

Service

Genutzte Services

Verfügbare Services

Vernetztes Produkt

Produkt

Vernetzbares Produkt

Nicht vernetzbares Produkt

Abb. 1.6  Zentrale Hürden im IoT

Profitabilitätsproblem Unzureichende Profitabilität Potenzialproblem Unzureichende Umsätze / Kosteneinsparungen Monetarisierungsproblem Unzureichende Anzahl monetarisierter Services Nutzungsproblem Unzureichende Servicenutzung

Verfügbarkeitsproblem Unzureichende Breite / Tiefe des Serviceangebots Vernetzungsproblem Zu wenige Produkte, die tastsächlich vernetzt sind Vernetzbarkeitsproblem Zu wenige Produkte, die vernetzbar sind

1  Der lange Weg im IoT – Von der Vernetzung zur Profitabilität

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Die Herausforderungen beziehen sich auf die Produktkomponenten, die Servicekomponenten und die Profitabilität von IoT-Lösungen. Während diesen Problemen eine sequenzielle Logik zugrunde liegt (ohne vernetzbares Produkt können keine Services angeboten werden, ohne genutzte Services können die Potenziale nicht realisiert werden), gibt es verschiedene Querbezüge und zirkuläre Zusammenhänge zu beachten. Im Sinne einer klassischen „Henne-Ei“ Problematik hemmt z. B. der Mangel an attraktiven IoT-Services die Nutzungs- und Zahlungsbereitschaft der Kunden. Vermeintlich fehlende Marktpotenziale wiederum halten Unternehmen davon ab, notwendige Investitionen in attraktive IoT-Lösungen zu tätigen. Der erste Schritt in Richtung IoT ist die Vernetzung von Produkten. Dabei ergibt sich zunächst das Problem der technischen Vernetzbarkeit (Vernetzbarkeitspro­ blem). Während Autos und Autokomponenten basierend auf der im Fahrzeug enthaltenen Elektronik und Energieversorgung verhältnismäßig gut vernetzbar sind, stellt die Vernetzung einer Bohrmaschine mit beschränkter Akkuleistung oder etwa eines völlig analogen Produkts (z. B. Fensterrahmen) Unternehmen vor ganz andere Herausforderungen. In einem weiteren Schritt müssen vernetzbare Produkte auch tatsächlich vernetzt werden (Vernetzungsproblem). Der finnische Kranhersteller Konecranes berichtet im Zusammenhang mit kürzlich eingeführten intelligenten Kransystemen, dass es insbesondere im B2B-Bereich noch große Ressentiments zu Daten- und Sicherheitsfragen gibt (Bilgeri et al. 2019). Obwohl der Kran vernetzbar ist, fehlt dem Kunden somit ggf. das Vertrauen oder er sieht den Mehrwert der ­Vernetzung einfach nicht. Im Zweifelsfall wird der Kran dann eben nicht vernetzt, obwohl dies technisch durchaus möglich wäre. Der Kunde „steckt den Netzwerkstecker einfach nicht rein“ und somit fallen auch die Potenziale der internen Prozessoptimierung für den Hersteller weg (vgl. Abschn. 3.1). Auf dem vernetzten IoT-Produkt setzt das Serviceangebot auf. Hier gilt es für Unternehmen, ein attraktives Serviceangebot zu realisieren. Ohne die notwendige Breite und Tiefe im Serviceangebot (Verfügbarkeitsproblem) ist eine Serviceadoption nicht zu erzielen. Die Verfügbarkeit von Services ist Voraussetzung für die Nutzung. Hier wiederum entstehen Probleme (Nutzungsprobleme), wenn Services z. B. als zu teuer oder zu wenig wertstiftend wahrgenommen werden. Schlussendlich garantieren hohe Nutzungszahlen noch keine Zahlungsbereitschaft (Monetari­ sierungsproblem), wie die Erfahrungen aus dem Internet aufzeigen. Unreflektierte Ertragsmodelle und eine mangelhafte Preispolitik können hier auch zu Diskrepanzen führen (Wortmann et al. 2017). In einem letzten Schritt verfolgen Unternehmen das Ziel, ihre IoT-Lösungen gewinnbringend einzusetzen bzw. zu vermarkten. Viele Organisationen kämpfen in diesem Zusammenhang mit unzureichenden Umsätzen und Kosteneinsparungen (Potenzialproblem). Können bereits nennenswerte Umsätze und Kosteneinsparungen mit IoT-Lösungen realisiert werden, so sind diese häufig mit hohen Investitionskosten und entsprechend geringer Profitabilität verbunden (Profitabilitätsproblem) (Gebauer et al. 2020). Entlang der aufgezeigten Hürden können Unternehmen mit Hilfe von verschiedenen Kennzahlen (KPIs) (aus dem Englischen für Key Performance Indicator) ihren bisherigen IoT-Erfolg gezielt messen und steuern. Welche Kennzahlen für ein

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F. Wortmann et al.

Unternehmen sinnvoll sind, variiert nach IoT-Reife der entsprechenden Organisation. In einem frühen Stadium der Digitalen Transformation kann die Anzahl vernetzbarer Produkte (Vernetzbarkeitsproblem) ein zielführender Indikator sein. Später sollten die Nutzung und letztendlich die mit digitalen Services generierten Umsätze und Profite im Mittelpunkt des Managementinteresses stehen.

1.3.3 Etablierte Vorgehensweise In der Vergangenheit haben Unternehmen bei der Implementierung nicht-­disruptiver Technologien von frühzeitiger und umfangreicher strategischer Planung profitiert. Bei disruptiven Technologien wie IoT und Künstlicher Intelligenz (KI) besteht in den Unternehmen jedoch zunächst kein Erfahrungsschatz, auf dem eine strategische Planung aufgebaut werden kann (Ng (2018); O’Reilly und Tushman 2016). Es müssen erst Erfahrungen gesammelt werden, um überhaupt fundiert langfristig planen zu können. Daher haben sich verschiedene Vorgehensweisen etabliert, denen allen eine ähnliche Kernlogik (zunächst Erfahrungen sammeln, dann langfristig planen und skalieren) zugrunde liegt (siehe Abb. 1.7). Ng (2018) und O’Reilly und Tushman (2016) beschreiben das zentrale Wesensmerkmal dieser Vorgehensweisen als die veränderte Chronologie strategischer Handlungsmaßnahmen und empfehlen die Umsetzung fünf sequenzieller Schritte. So sind Unternehmen angehalten, in einem ersten Schritt mit einzelnen Pilotprojekten Erfahrungen zu sammeln und mit sichtbaren Erfolgen positives Momentum im Unternehmen zu erzeugen (Exploration), um dann nachgelagert erfolgsversprechende IoT-Strategien zu erarbeiten und die IoT-Aktivitäten zu skalieren (Exploitation). In Unternehmen herrscht häufig eine gewisse Skepsis gegenüber neuen Technologien, und Mitarbeiter müssen erst vom ökonomischen Potenzial des IoT überzeugt werden. Daher ist es zu Beginn wichtig, mit kleinen, abgetrennten Pilotprojekten die technischen aber auch ökonomischen Möglichkeiten des IoT aufzuzeigen.

1

PILOTPROJEKTE

> Umsetzung von IoTProjekten mit kurzfristigem Nutzen

> Fokus auf Projekte, die machbar und nicht unternehmenskritisch sind

> Erste sichtbare

2

INTERNES IOT-TEAM

> Zentrales IoT-Team aufbauen

> Bereichsübergreifend Projekte realisieren

> Unternehmensübergreifende Infrastruktur, Plattform schaffen

Erfolge erzielen

Momentum erzeugen

Fähigkeiten gezielt aufbauen

3

BEFÄHIGUNG ORGANISATION

> Herausforderung Fachkräftemangel

> Systematische Weiterbildung existierender Mitarbeiter

> Ausarbeitung und Umsetzung von Weiterbildungskonzepten

Breites Wissen schaffen

4

UMFASSENDE IOT-STRATEGIE

> Klare Ausarbeitung, wo und wie IoT im Unternehmen strategisch Wert schafft

> Herausarbeitung der Voraussetzungen, z. B. Organisation, Technologie, Ökosystem

> Integration mit anderen strategischen Themen wie AI

Langfristigen Erfolg sicherstellen

5

KOMMUNIKATION

> IoT bedeutet grundlegende Veränderung

> Notwendigkeit, sich mit Stakeholdern neu abzustimmen

> Gemeinsames Verständnis etablieren

> Ängste adressieren und abbauen

Breite Unterstützung sichern

Abb. 1.7  Etablierte Vorgehensweisen (aus dem Englischen von Ng 2018; O’Reilly und Tushman 2016)

1  Der lange Weg im IoT – Von der Vernetzung zur Profitabilität

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Kurzfristig, mit beschränktem Ressourcenaufwand, realisierte Projekte außerhalb des unternehmenskritischen Umfelds tragen einen wesentlichen Beitrag dazu bei, mit beschränktem Risiko positives Momentum zu erzeugen. In einem nächsten Schritt sind Unternehmen gefordert, gezielt IoT Fähigkeiten aufzubauen. Am Anfang ist es kaum flächendeckend möglich, in allen betroffenen Divisionen und Abteilungen entsprechende IoT-Spezialisten einzustellen, zumal es oft auch an entsprechendem Fachpersonal mangelt. Anstatt mit der „Gießkanne“ Ressourcen über die Firma hinweg zu verteilen, bauen viele Organisationen zunächst zentrale IoT-Teams auf, die bereichsübergreifend Projekte begleiten, eine gewisse Standardisierung durchsetzen und unternehmensübergreifende Infrastruktur zur Verfügung stellen. Drittens müssen Organisationen ihre Mitarbeiter in der Linie, vom Top-Manager bis zum operativen Mitarbeiter in der Produktion, befähigen, unabhängig von zen­ tralen Einheiten und Stabstellen erfolgreiche IoT-Lösungen zu „denken“ und anzugehen (Breites Wissen schaffen). Viele Unternehmen setzen bereits heute auf modulare Ausbildungskonzepte. Diese lassen sich beispielsweise gezielt um IoT-Themen erweitern. Im Lichte der starken Nachfrage nach IoT-Weiterbildungsinhalten hat sich ein breites Spektrum an Angeboten etabliert, von mehrmonatigen Ausbildungsprogrammen bis zu fokussierten Schulungen. Alternative, kosteneffiziente Möglichkeiten bieten verschiedene Onlinekurse, wie beispielsweise Coursera, Udemy oder Udacity. Erst wenn sich ein Unternehmen eine gewisse IoT-Erfahrung und -Kompetenz erarbeitet hat, macht es Sinn, eine umfassende IoT-Strategie auszuarbeiten. Ohne einen grundlegenden, bereichsübergreifenden Wissensstand im Unternehmen drohen entsprechende Diskussionen sonst an ihrer Oberflächlichkeit zu scheitern. Um langfristigen IoT-Erfolg sicherzustellen, sind beispielsweise die unternehmenseigenen Treiber der IoT-Wertschöpfung, die Integration mit anderen strategischen Themen oder die organisatorische Implementierung kritisch zu definieren. Die ­Ausarbeitung einer IoT-Strategie läutet in der Regel auch einen Übergang von einer explorativen zu einer exploitativen Phase der Skalierung ein. In einem fünften und letzten Schritt müssen sich Unternehmen die Unterstützung ihrer Stakeholder sichern. Einen wesentlichen Aspekt stellt dabei die richtige Unternehmenskommunikation dar, mit dem Ziel, eine gemeinsame Vision zu etablieren und etwaige Ängste und Vorbehalte zu adressieren. Differenzierter betrachtet gilt es, Eigentümer und Gläubiger für langfristige Investitionen zu gewinnen, die Ängste von Mitarbeitern vor neuen Jobanforderungen oder gar einem Jobverlust abzubauen und Kunden und Partner vom Potenzial neuer Angebote und dem vertrauensvollen Umgang mit Daten zu überzeugen.

1.4

Zusammenfassung und Ausblick

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass viele Unternehmen derzeit nicht in der Lage sind, mit ihren ambitionierten IoT-Initiativen ausreichenden Wertschöpfung für sich und ihre Stakeholder zu generieren (Davenport und Westerman 2018;

16

F. Wortmann et al.

Crooks 2017; Colvin 2018). Viele digitale Transformationen scheinen vorerst gescheitert, da sie im Vergleich zu den getätigten Investitionen keine angemessenen Renditen erzielen konnten (Gebauer et  al. 2020). Abschließend soll noch einmal aufgezeigt werden, welche zentralen Paradigmenwechseln Unternehmen in diesem Kontext zu meistern haben und auf welche weiteren Entwicklungen im Umfeld IoT sich die Unternehmen einstellen müssen.

1.4.1 Zentrale Paradigmenwechsel im IoT Verschiedene Studien haben den transformativen Charakter des IoT beschrieben und stützen die These, dass das IoT die Art und Weise, wie Industrieunternehmen wirtschaften, grundlegend verändert (Fleisch et al. 2015; Porter und Heppelmann 2014, 2015; Ardolino et al. 2018). Das IoT stellt dabei vorherrschende Paradigmen in Frage (vgl. Castellacci 2008; Brettel et  al. 2014; Savastano et  al. 2019). Die ­Fähigkeit, bestehende Paradigmen zu überwinden, die über einen langen Zeitraum gültig waren, bildet somit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil auf dem Weg in das IoT. Im Hinblick auf das Wertversprechen müssen produzierende Unternehmen das Produktparadigma überwinden. Hybride Wertversprechen im IoT enthalten per ­Definition sowohl eine physische Komponente als auch digitale Produkte und ­Dienstleistungen (Fleisch et al. 2015). Gerade die Erbringung digitaler Dienstleistungen (z.  B.  Fernüberwachung von Maschinen) und deren Integration in bestehende physische Produkt- und Serviceangebote (z. B. Service-Hotline) stellen produzierende Unternehmen vor große Herausforderungen (Porter und Heppelmann 2015). Sie erfordern einzigartiges Know-how und Fähigkeiten, einschließlich der erforderlichen Wertschöpfungsaktivitäten, adäquater Unternehmensstrukturen und Monetarisierungs-­Strategien (Ardolino et  al. 2018). Produzierende Unternehmen müssen daher ihren starken Fokus auf das auch heute noch häufig dominierende Produktgeschäft überwinden und Kompetenzen im (digitalen) Servicebereich aufbauen (Wortmann et al. 2017). In Bezug auf die Monetarisierung setzten produktorientierte Unternehmen traditionell auf direkte Ertragsmodelle, die ein zweites dominantes Paradigma darstellen. Physische Produkte werden meist direkt gegen einen Verkaufspreis veräußert oder über ein Leasing angeboten. IoT-Lösungen umfassen wenigstens eine physische und eine digitale Leistungskomponente (z. B. Heizung inkl. Fernwartungsservice). Damit ergibt sich eine zusätzliche Komplexität in der Monetarisierung, da nicht jede Komponente direkt (im Sinne von verursachungsgerecht) verrechnet werden muss. Vielmehr sind zahlreiche Möglichkeiten der Monetarisierung möglich, und ein Erlösmodell muss aktiv entwickelt werden. So kann eine Heizung inkl. 10 Jahre Fernwartung z. B. für einen einmaligen Verkaufspreis inkl. Fernwartungsservice angeboten werden, um sich von der Konkurrenz abzugrenzen. Andererseits kann für 10 Jahre eine jährliche Miete vereinbart werden, die Heizung und Fernwartung umfasst. Eine separate Abrechnung von Heizung und Service ist damit keinesfalls zwingend (Wortmann et al. 2017). Fleisch et al. (2016) und Strobel et al.

1  Der lange Weg im IoT – Von der Vernetzung zur Profitabilität

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(2019) diskutieren darüber hinaus innovative Beispiele, wie Unternehmen neue Einnahmelogiken anwenden und indirekte IoT-Ertragsmodelle in Ökosystemen realisieren können. So stellt beispielsweise die Versicherung Liberty Mutual ihren Kunden einen intelligenten Rauchmelder der Google Tochter Nest kostenlos zur Verfügung. Dafür erlaubt der Kunde der Versicherung, regelmäßig auf den Rauchmelder zuzugreifen und zu prüfen, ob er eingeschaltet ist und keinen Fehler aufweist. Die Firma Nest bezieht Ihre Erlöse dabei nicht mehr direkt vom Endverbraucher, sondern indirekt von der Versicherung, der wiederum Nest einen Zugriff auf die Rauchmelder ermöglicht (Fleisch et al. 2016). Im Hinblick auf die Wertschöpfung ist das Paradigma der IT als Unterstützungs­ funktion (vgl. Kashanchi und Toland 2006; Ward und Peppard 1996) zu überwinden. In der produzierenden Industrie wird IT traditionell als Unterstützungsfunktion verstanden. Mit dem Angebot von IoT-Lösungen wird IT nun zentraler Teil des Wertversprechens und damit Kern des Unternehmens. Dabei gilt es zunächst, die existierende IT-Kompetenzen im Unternehmen zusammen zu bringen. Einerseits existiert die traditionelle IT-Abteilung, die mit Ihren Systemen integrierte, effiziente und zuverlässige Geschäftsprozesse ermöglicht. Anderseits existieren Entwicklungseinheiten, die über Kompetenz im Umfeld eingebetteter Systeme verfügen und Steuerungs- und Regelungsfunktionalität in Produkten (wie z.  B.  Flugzeug oder Waschmaschine) realisieren. Darüber hinaus müssen neue Kompetenzen insbesondere im Bereich Konnektivität und Datenanalyse aufgebaut werden, um aus ­zeitreihenbasierten Nutzungs- und Gerätedaten wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Viele produzierende Unternehmen sehen in ihrer bestehenden IT-Kultur ein zentrales Hindernis für die erfolgreiche Entwicklung von IoT-Lösungen (Bilgeri et  al. 2018). Anstatt die Kompetenzen ihrer bestehenden IT-Abteilungen auszubauen, konzentrieren daher viele Unternehmen in einem ersten Schritt ihre IoT-Aktivitäten in eigenen, neu gegründeten IoT-Einheiten, die in enger Zusammenarbeit mit den Geschäftsbereichen IoT-Lösungen realisieren (Bilgeri et al. 2018).

1.4.2 Vom „Internet of Things“ zur „Economy of Things“ Vernetzte Produkte mit digitalen Services und neuen Geschäftsmodellen sind bereits heute Realität. Gleichzeitig entwickelt sich das Internet der Dinge stetig weiter. Am Beispiel des vernetzten und bald wohl selbstfahrenden Autos wird ersichtlich, dass intelligente Geräte in Zukunft noch autonomer werden. Darüber hinaus werden vernetzte Objekte in Zukunft zunehmend auch zu eigenständigen wirtschaftlichen Akteuren. Technologiepionier und Tesla-Gründer Elon Musk hat bereits ausführlich seine Vision skizziert, wie das beim Automobilhersteller Tesla aussehen könnte. So sollen in Zukunft Teslabesitzer ihr autonom fahrendes Auto zum Geldverdienen „losschicken“ können (Tesla 2019). Es gibt zwei zentrale Trends, die diese Entwicklungen wesentlich begünstigen (siehe Abb. 1.8). Einerseits gibt es die künstliche Intelligenz (KI), die z. B. auf Basis neuer mathematischer Verfahren aus vernetzten Objekten intelligente Objekte macht. Andererseits findet die Wertschöpfung immer stärker in dezentralen Öko-

18

F. Wortmann et al. Künstliche Intelligenz

INTERNET OF THINGS VERNETZE OBJEKTE

> Intelligente Objekte > ML, DL, Edge comp.

> Vernetze Objekte generieren Daten > Daten ermöglichen neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle

ECONOMY OF THINGS WIRTSCHAFTLICHE AKTEURE

> Vernetze Objekte handeln zunehmend autonom

> Vernetze Objekte als > Untereinander

eigenständige wirtschaftliche Akteure

vernetzte Objekte

> DLT, Blockchain

Dezentrale Ökosysteme

Abb. 1.8  Vom „Internet of Things“ zur „Economy of Things“

systemen statt. Neue Technologien, wie z. B. die Blockchain, ermöglichen es, dass bisher voneinander unabhängig vernetzte Objekte sich zukünftig in komplexen, ­dezentralen soziotechnischen System auch sicher untereinander austauschen und ökonomische Transaktionen tätigen können (vgl. Chanson et al. 2019; Papert und Pflaum 2017). Für Unternehmen stellen sich im Lichte dieser Entwicklungen drei zentrale Fragen. Erstens fragen sich viele Firmen, ob sie jetzt in das IoT investieren sollten oder erst dann, wenn sich der tatsächliche Nutzen und der Erfolg in der Praxis zeigen. Unbestreitbar hat das Internet der Dinge mittel- bis langfristig eine herausragende Relevanz für Unternehmen (Manyika et al. 2015). Entscheidungsträger über Industriegrenzen hinweg sind daher gut beraten, sich bereits heute intensiv mit den in diesem Grundlagenbeitrag skizzierten Zukunftsthemen und deren Einfluss auf ihre Unternehmen zu beschäftigen. Dies gilt sowohl für das Internet der Dinge, als auch für andere Technologietrends wie die künstliche Intelligenz und dezentrale Systeme. Bleiben Unternehmen zu lange untätig, könnte es für sie zu spät sein, den Vorsprung der Konkurrenz einzuholen. Wie diskutiert, sind signifikante Erfahrungen und längere Zeiträume notwendig, um substanzielle Erfolge im IoT zu erzielen. Zweitens fragen sich viele Entscheidungsträger, welche grundsätzlichen Faktoren bei der Umsetzung von IoT-Aktivitäten zu beachten sind. Zunächst ist dabei der IoT-Reifegrad von zentraler Bedeutung. Unternehmen sollten IoT-Lösungen entsprechend ihrer Fähigkeiten angehen. Schlussendlich geht es nicht nur um das betriebswirtschaftliche Potenzial einer IoT-Lösung, sondern auch um die Fähigkeit des Unternehmens diese zu implementieren. Komplexe IoT-Lösungen wie vorausschauende Wartung, die auch erhebliches Wissen im Bereich künstliche Intelligenz verlangen, sind damit ggf. kein guter Einstiegspunkt in das Thema IoT. Andererseits sollten sich Unternehmen bemühen, ein Bewusstsein für die Besonderheit disruptiver Technologien zu schaffen. Im Gegensatz zu nicht-disruptiven Technologien bedürfen sie neuer Vorgehensweisen, die zunächst darauf setzen, Erfahrungen aufzubauen, die Organisation über erste Erfolge zu motivieren und das Unternehmen dann systematisch zu befähigen (Ng 2018; O’Reilly und Tushman 2016).

1  Der lange Weg im IoT – Von der Vernetzung zur Profitabilität

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Drittens stellt sich die Frage, wie im IoT tatsächlich Geld verdient werden kann. Im Rahmen dieses Artikels wurden verschiedene Denkhilfen und Konzepte vorgestellt, die Unternehmen auf ihrem langen Weg zur Profitabilität im IoT unterstützen können. Das eine Patentrezept gibt es nicht, aber der Artikel regt an, erst einmal die richtigen Fragen stellen zu können. Schlussendlich geht es darum, für das eigene Unternehmen die hier diskutierten Aspekte konstruktiv zu reflektieren. Das Internet der Dinge wird eine Vielzahl neuer Möglichkeiten eröffnen, Produkte und Services zu differenzieren, interne Prozesse effizienter zu gestalten und neue Ertragsströme zu realisieren. Um sich diese Möglichkeiten aber auch tatsächlich Schritt für Schritt zu erarbeiten, brauchen Unternehmen einen langen Atem, mit dem sie die technische und betriebswirtschaftliche Komplexität des IoT meistern können, und vor allem auch eine entsprechende Risikobereitschaft, Neues zu probieren und umzusetzen. Damit gilt letztendlich frei nach Managementvordenker Peter Drucker, dass jedes erfolgreiche Geschäft auf mutigen Entscheidungen beruht. Danksagung  Die Autoren bedanken sich bei Prof. Oliver Gassmann (Universität St. Gallen) und Timo Gessmann (Bosch Digital Solutions) für ihr konstruktives Feedback. Danke an Renate Bilgeri für das Lektorat. Diese Forschung wurde vom Bosch IoT Lab an der Universität St. Gallen und der ETH Zürich gefördert.

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IIoT-basierte Geschäftsmodellinnovation im Industrie-Kontext – Archetypen und praktische Einblicke Anna Maria Oberländer, Björn Häckel und Jochen ­Übelhör

Zusammenfassung

Im Zeitalter digitaler Technologien beschränkt sich der Wettbewerb zwischen Industrieunternehmen nicht mehr nur auf klassische Produkt- und Servicein­ novationen. Vielmehr gewinnen neue digitale Geschäftsmodelle auf Basis des Industrial Internet-of-Things (IIoT) an Bedeutung, welche die Vernetzung phy­ sischer Produkte und die damit einhergehende Gewinnung und Verwertung relevanter Nutzungs- und Umweltdaten ermöglicht. Neue datenbasierte Geschäftsmodelle, wie zum Beispiel Pay-per-Use-Modelle oder Plattformen, entstehen. Da insbesondere im IIoT-Kontext ein umfassendes und praxisrelevantes Verständnis zu den damit einhergehenden Möglichkeiten der Geschäftsmodellentwicklung fehlt, beschäftigt sich dieser Beitrag mit IIoT-basierten Geschäftsmodellinnovationen im Industrie-Kontext. Zunächst werden sechs IIoT-basierte Geschäftsmodell-Archetypen vorgestellt, die im Rahmen des öffentlich geförderten Konsortialforschungsprojekts „Transparenz in Produktionsprozessen“ (TRiP) mit sechs Industrieunternehmen aus verschiedenen Branchen identifiziert und evaluiert wurden. Auf Basis von zehn interdisziplinären Geschäftsmodellworkshops mit den Konsortialunternehmen werden zudem praxisrelevante Erkenntnisse über die Transformation vom Status Quo Geschäftsmodell hin zum IIoT-basierten Geschäftsmodell diskutiert und abgeleitet. Der Beitrag bietet Praktikern einen strukturierten Überblick zu den Möglichkeiten und AuswirkunUnveränderter Original-Beitrag Oberländer et al. (2019) IIoT-basierte Geschäftsmodellinnovation im Industrie-Kontext: Archetypen und praktische Einblicke, HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik 56, 1113–1125. A. M. Oberländer · B. Häckel Kernkompetenzzentrum FIM, Universität Augsburg, Augsburg, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] J. Übelhör (*) Carl Zeiss Vision GmbH, Aalen, Deutschland © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Meinhardt, F. Wortmann (Hrsg.), IoT – Best Practices, Edition HMD, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32439-1_2

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A. M. Oberländer et al.

gen IIoT-basierter Geschäftsmodellinnovation sowie Ansatzpunkte für den Wandel hin zu IIoT-basierten Geschäftsmodellen. Schlüsselwörter

Industrial Internet of Things · Internet der Dinge · Digitalisierung · Business Model Innovation · Geschäftsmodellinnovation · Archetypen

2.1

 as Internet der Dinge als Wegbereiter D neuer Geschäftsmodelle

Das Internet der Dinge (IoT), das physische Objekte in die vernetzte Gesellschaft integriert, gilt als eine der disruptivsten Technologien unserer Zeit (Oberländer et al. 2018). Die Anzahl der vernetzten Geräte soll bis 2025 75 Milliarden erreichen (Columbus 2016; Statista 2016), wobei das wirtschaftliche Potenzial auf über eine Billion USD pro Jahr geschätzt wird (Reuters 2019). Während IoT-Lösungen im Konsumgüterbereich, wie Carsharing und Fitness Tracker, in unserem Alltag gut sichtbar sind, wird der größte Teil des wirtschaftlichen Potenzials industriellen IoT-Lösungen zugeschrieben, genannt „Industrial Internet of Things“ (IIoT) (Manyika et al. 2015). Das IIoT integriert physische Objekte in digitale Netzwerke und ermöglicht die Gewinnung und Verwertung relevanter Nutzungs- und Umweltdaten im Industrie-Kontext. Die Ausstattung mit Sensoren und Aktoren ermöglicht somit nicht nur die Verbesserung bestehender Produkte und Dienstleistungen. Sie führt auch zur Entstehung neuer Geschäftsmodelle (Porter und Heppelmann 2014). Insbesondere deutsche Unternehmen, die unter dem Label „Made in Germany“ international für hohe Qualität und weltweite Wettbewerbsführerschaft im Industrieumfeld stehen, beschäftigen sich neben dem wachsenden Wettbewerb aus Fernost und den Herausforderungen der Digitalisierung zunehmend mit neuen Ansätzen für innovative Geschäftsmodelle, die sowohl das veränderte Marktgefüge als auch Kundenverhalten adressieren (Brandão und Wolfram 2018). Neue datenbasierte Geschäftsmodelle, wie zum Beispiel Pay-per-Use-Modelle oder Plattformen, entstehen. Beispielsweise könnten damit Firmenkunden Maschinen künftig nach den produktiven Einsatzstunden nutzungsabhängig beziehen anstatt großvolumige Investitionen in Maschinenparks vorzunehmen. In der Konsequenz erweitert sich der Wettbewerb im digitalen Zeitalter zunehmend auf Geschäftsmodellinnovationen in Form neuer Prinzipien, nach denen eine Organisation Werte schafft, vermittelt und erfasst. Geschäftsmodellinnovationen können dabei durch neue Produkte, Services, und/oder Geschäftsprozesse Kundennutzen generieren. Studien zeigen in diesem Kontext, dass Geschäftsmodellinnovationen langfristig über den Unternehmenserfolg entscheiden können (Iansiti und Lakhani 2014; Gassmann et al. 2013). Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist allerdings nicht trivial, da zum einen Geschäftsmodelle als Ganzes aufgrund ihrer zunehmenden Komplexität schwer zu verstehen sind und die Entwicklung von Ge-

2  IIoT-basierte Geschäftsmodellinnovation im Industrie-Kontext – Archetypen und …

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schäftsmodellinnovation mit großem Aufwand und neuen Denkansätzen verbunden ist (Gassmann et al. 2013). Zum anderen können neue Geschäftsmodelle vielfältige Ausgestaltungsformen von der Ergänzung des physischen Produkts um digitale Services bis hin zum kompletten Wandel zum Lösungsanbieter annehmen (Fleisch et al. 2015). Da insbesondere im IIoT-Kontext ein umfassendes und praxisrelevantes Verständnis zu den damit einhergehenden Möglichkeiten der Geschäftsmodellentwicklung fehlt, beschäftigt sich dieser Beitrag mit IIoT-basierten Geschäftsmodellinnovationen im Industrie-Kontext. Im Folgenden stellen wir dazu sechs IIoT-basierte Geschäftsmodell-Archetypen vor, die im Rahmen des öffentlich geförderten Konsortialforschungsprojekts „Transparenz in Produktionsprozessen“ (TRiP) mit sechs Industrieunternehmen aus verschiedenen Branchen identifiziert und evaluiert wurden. Auf Basis von zehn interdisziplinären Geschäftsmodellworkshops mit den Konsortialunternehmen werden praxisrelevante Erkenntnisse über die Transformation vom Status Quo Geschäftsmodell hin zum IIoT-basierten Geschäftsmodell diskutiert und abgeleitet. Der Beitrag bietet Praktikern einen strukturierten Überblick zu den Möglichkeiten und Auswirkungen IIoT-basierter Geschäftsmodellinnovation sowie Ansatzpunkte für den Wandel hin zu IIoT-basierten Geschäftsmodellen.

2.2

Digitale Geschäftsmodelle und Geschäftsmodellinnovation

Das Konzept des Geschäftsmodells fungiert als konzeptuelle Verbindung zwischen der Unternehmensstrategie und der Unternehmensorganisation sowie den Geschäftsprozessen eines Unternehmens und stellt damit ein wichtiges Bindeglied zwischen diesen dar (Al-Debei und Avison 2010). Trotz der hohen Relevanz und momentanen Allgegenwärtigkeit existieren in der wissenschaftlichen Literatur jedoch noch immer unterschiedliche Definitionen für den Begriff des Geschäftsmodells (Zott et al. 2011). So beschreiben Amit und Zott (2011, S. 216) das Geschäftsmodell als ein „System interdependenter Aktivitäten, das über die betrachtete Firma hinausgeht und ihre Grenzen überschreitet“. Richardson (2008) hingegen beschreibt das Geschäftsmodell mit einem eher strategischen Fokus als einen „konzeptionellen Aufbau, der dazu beiträgt, die Strategie des Unternehmens oder die Theorie seiner Wettbewerbsposition mit seinen Aktivitäten oder der Umsetzung der Strategie zu verbinden“. Schallmo (2013) definiert das Geschäftsmodell als „die Grundlogik eines Unternehmens, die beschreibt, welcher Nutzen auf welche Weise für Kunden und Partner gestiftet wird […]“ und „[…] wie der gestiftete Nutzen in Form von Umsätzen an das Unternehmen zurückfließt […].“ Und Osterwalder und Pigneur (2011) definieren ein Geschäftsmodell mit einem wertorientierten Fokus als das „Grundprinzip, nach dem eine Organisation Werte schafft, vermittelt und erfasst“. Demnach beschreibt es, wie ein Unternehmen Produkte und Dienstleistungen erstellt und dadurch Kundennutzen schafft, um Wettbewerbsdifferenzierung und Kundenbindung zu erreichen und letztlich Werte zu generieren und

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abzuschöpfen. Diese wertorientierte Definition eines Geschäftsmodells wird auch in diesem Beitrag herangezogen. Digitale Geschäftsmodelle erschienen in der wissenschaftlichen Literatur bislang oftmals im Zusammenhang mit digitalen Branchen wie eCommerce und eBusiness. Veit et  al. (2014) zufolge sind digitale Geschäftsmodelle gegeben, „wenn Veränderungen in den digitalen Technologien grundlegende Veränderungen in der Art und Weise, wie Geschäfte getätigt und Umsätze generiert werden, auslösen“. In Abgrenzung zu eBusiness Geschäftsmodellen, die auf der Verwendung traditioneller Computer-basierten Technologien beruhen, basieren digitale Geschäftsmodelle in der Industrie auf „digitalen Kommunikationstechnoligen und sind charakterisiert durch digitale Services, digitale Informationssysteme (digitale Ecosysteme) und digitale Plattformen“ (Martin-Pena et al. 2018). Durch die Digitalisierung der Industrie und den Möglichkeiten durch das IIoT gewinnen Geschäftsmodelle im Allgemeinen und digitale Geschäftsmodelle im Speziellen an Bedeutung. IIoT kann dabei als die Verbindung physischer Objekte mit dem Internet mittels Kommunikationstechnologie im industriellen Umfeld definiert werden (vgl. Oberländer et al. 2018). Diese Vernetzung und die damit einhergehende Integration physischer und digitaler Komponenten stellt die Grundlage für IIoT-basierte Geschäftsmodelle dar. In diesem Kontext hilft die Geschäftsmodell-­ Perspektive einerseits Unternehmen dabei, digitale Innovationen bis zur Marktfähigkeit strukturiert und kundenzentriert zu entwickeln. Andererseits kann so auf den wachsenden Wettbewerbs-, Digitalisierungs- und Innovationsdruck reagiert werden. Dabei werden Geschäftsmodelle oftmals selbst Gegenstand des Innovationsprozesses, im Rahmen der sogenannten Geschäftsmodellinnovation. Maßgeblich hierfür ist, dass Geschäftsmodelle zunächst eine Momentaufnahme darstellen, wie ein Unternehmen seine Geschäfte betreibt. Vor dem Hintergrund ständiger externer Veränderungen, wie bspw. sich wandelnden Marktbedingungen und Kundenanforderungen, müssen Geschäftsmodelle jedoch fortlaufend weiterentwickelt und angepasst werden (Osterwalder et al. 2005). Dies ist gerade in einem sich schnell veränderndem Umfeld und den Entwicklungen der Digitalisierung wichtig (Al-Debei und Avison 2010). Um neue Geschäftsmodelle gezielt weiterzuentwickeln, gibt es verschiedene Methoden und Ansätze entlang des Innovationsprozesses. Zunächst ist eine strukturierte Darstellung von Geschäftsmodellen notwendig. Osterwalder und Pigneur (2011) schlagen hierzu die Business Model Canvas (BMC) vor, ein Framework für die Darstellung, Analyse und Entwicklung von Geschäftsmodellen (siehe Abb. 2.1). Dabei sind neun grundlegende Bausteine in vier elementare Geschäftskomponenten (Kunden, Angebot, Infrastruktur und Finanzielle Überlebensfähigkeit) unterteilt. Darüber hinaus wird von Osterwalder und Pigneur ein generischer, fünfstufiger Business Model Transformation Process (BMTP) vorgeschlagen, der die übergreifende Vorgehensweise für die Geschäftsmodelltransformation beschreibt. Zunächst wird die Voraussetzung für eine Transformation durch die Definition von Motivation und Zielen geschaffen (1. Mobilize), gefolgt von einer Vertiefung der relevanten Aspekte sowie der Identifizierung ungenutzter Geschäftsmöglichkeiten (2. Comprehend). In einem nächsten Schritt werden die zuvor gesammelten Ideen und

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Abb. 2.1  Schematische Darstellung des BMC – Eigene Darstellung in Anlehnung an Osterwalder und Pigneur (2011)

Informationen in Prototypen umgesetzt und getestet (3. Design). Der vorgeschlagene Prozess endet mit der Umsetzung des entwickelten Geschäftsmodells (4. Implement) und der anschließenden Überwachung und Modifikation auf Basis der Marktreaktionen (5. Execute) (Osterwalder und Pigneur 2011). Gassmann et al. (2013) bieten weitere Orientierungshilfen für Geschäftsmodellinnovationen in Form ihres Frameworks Magic Triangle, das dem BMC hinsichtlich der vier elementaren Geschäftskomponenten ähnelt. Ihr Ansatz betont die Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zwischen internen Geschäftsmodellkonzepten und externen Impulsen für innovative Geschäftsmodellideen zu schaffen und gleichzeitig die aktuellen internen Fähigkeiten zu berücksichtigen. Darauf aufbauend identifizieren sie 55 Geschäftsmodellmuster und argumentieren, dass aus diesen Mustern durch Transfer, Kombination oder Wiederholung konkrete neue Geschäftsmodelle abgeleitet werden können.

2.3

I IoT-basierte Geschäftsmodell-Archetypen im Industrie-Kontext

Am Beispiel von Osterwalder und Pigneur (2011) orientiert, wurden im Forschungsprojekt TRiP zunächst in interdisziplinären Geschäftsmodellworkshops die Status Quo Geschäftsmodelle der Konsortialpartner für ausgewählte Produktsegmente mithilfe der BMC strukturiert dargestellt und analysiert. Aufbauend darauf wurden verschiedene IIoT-basierte Geschäftsmodellinnovationen für die einzelnen Kon­ sortialpartner entwickelt und evaluiert, welche die Möglichkeiten der Digitali­ sierung und des IIoT berücksichtigen (bspw. in Form datenbasierter Services). Die ­Erkenntnisse aus diesen Workshops wurden in Anlehnung an Gassmann et  al. (2013) und ihren Geschäftsmodellmustern in die aktuelle IIoT-Literatur eingeordnet (vgl. Weking et al. 2018; VDMA 2014) und anschließend sechs IIoT-basierte Geschäftsmodell-­Archetypen im Industrie-Kontext abgeleitet. Diese Archetypen wurden mit den Konsortialpartnern weiter diskutiert und evaluiert. Die sechs Geschäftsmodell-­Archetypen (dargestellt in Abb.  2.2) bieten einen strukturierten Überblick zu den Möglichkeiten IIoT-basierter Geschäftsmodellinnovation und

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Abb. 2.2  IIoT-basierte Geschäftsmodell-Archetypen im Industrie Kontext (Eigene Darstellung)

unterstützen damit insbesondere Praktiker bei der Analyse und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im Industrie-Kontext. Im Rahmen des Geschäftsmodell-Archetyps As-A-Service (1) entwickeln Unternehmen ergänzend zu ihrem physischen Produkt einen oder mehrere digitale Services und erzeugen Kundennutzen durch ein hybrides Produkt-­Dienstleistungsbündel (oftmals auch als digitally charged product bezeichnet (Fleisch et  al. 2015)). Ein Beispiel hierfür ist die On.Care Condition Monitoring Lösung des Maschinenbauers Voith zur Zustandsüberwachung (in Echt- oder Nahe-Echt-Zeit) hin zu Predictive Maintenance Lösungen zur vorausschauenden Wartung und Vermeidung ungeplanter Stillstandszeiten. Kern und Ausgangspunkt der Geschäftsmodelltransformation ist damit das Wertversprechen, das sich vom einmaligen Verkauf eines Produkts zum kontinuierlichen, datenbasierten Service entwickelt (vgl. Abb. 2.3). Dies führt zum einen dazu, dass die Kundenbeziehung nach dem Produktverkauf nicht (wie historisch üblich) endet, sondern im Gegenteil kontinuierlich und automatisiert über vernetzte Objekte (z. B. Produktionselemente) weitergeführt wird und dabei kontinuierliche Umsatzströme durch neue Monetarisierungsstrategien wie bspw. Lizenzen generiert werden können. Gleichzeitig benötigt das Unternehmen jedoch auch neue Schlüsselaktivitäten und -ressourcen im Bereich Sensorik und Analytics zur Realisierung der digitalen Services. Der Archetyp Direkt-zum-Endkunden (2) zeigt, dass Unternehmen dank digitaler Technologien direkt den Endkunden zum Vertrieb von Services ohne den bisherigen Einbezug von Intermediären adressieren können. Ermöglicht wird diese Endkundenansprache insbesondere über digitale Online-Vertriebskonzepte wie Web-Plattformen oder Smartphone-Applikationen. Beispielsweise bieten Hersteller von Heizungsgeräten (wie Vaillant) Hausbesitzern die Möglichkeit, Nutzungsdaten der eigenen Heizung webbasiert in einem Dashboard einzusehen und Serviceleistungen direkt beim Heizungshersteller online zu ordern, während früher der Kontakt ausschließlich über den Installateur bzw. Handwerksbetrieb als Intermediär erfolgte. Somit geht die Geschäftsmodelltransformation hierbei vom angesprochenen Endkundensegment aus und wirkt sich insbesondere auf die intensivierte (End)

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Abb. 2.3  Implikationen der Transformation des Geschäftsmodell-Archetyps As-A-Service (Eigene Darstellung)

Kundenbeziehung, auf Kosteneinsparungen durch den Direktvertrieb sowie auf notwendige Schlüsselressourcen für IT-Spezialisten und qualifizierte Handwerker im Infrastrukturbereich des Geschäftsmodells aus. Im Zentrum des Archetyps Plattform (3) stehen cloudbasierte Produkt- oder Serviceplattformen zur unternehmensübergreifenden Vernetzung von Produktionskomponenten, zum multilateralen Datenaustausch und als Basis für verschiedene digitale Services. Beispiele hierfür sind proprietäre Plattformen wie Predix von General Electric oder offene IIoT-Plattformen wie ADAMOS, welche von führenden Maschinen- und Anlagenbauern aufgebaut wurde. Neben den Plattformbetreibern, die oftmals auch selbst digitale Services anbieten, können dabei auch Drittanbieter wie etwa Applikationsentwickler in das digitale Ökosystem eingebunden werden, die entsprechende Services (bspw. Analytics-Lösungen) in einem App Store bereitstellen. Der Kern der Transformation liegt damit erneut im Wertangebot des Archetyps und wirkt sich zum einen auf die adressierten Kundensegmente aus, zu denen künftig auch Drittanbieter zählen. Je nach Ausgestaltung des Ökosystems ändern sich zum anderen auch die Anforderungen im infrastrukturellen Bereich, in dem neue Schlüsselpartner und/oder neue Schlüsselaktivitäten und -ressourcen erfor­ derlich werden (bspw. Aufbau einer Cloudbasierten Plattform-Infrastruktur und Analytics-­Fähigkeiten). Der Archetyp Pay-for-Performance (4) beschreibt den Wandel eines Unternehmens vom Produkt- zum Lösungsanbieter, bei dem Unternehmen vom reinen Produktverkauf zu nutzungsabhängigen Zahlungsmodellen übergehen. Die angebotenen Leistungen decken dabei oftmals den gesamten Produkt-Lebenszyklus ab (Full-Service-Coverage) und schließen von der Planung und Installation der Anlagen auch Betrieb, Wartung, Service und das Life-Cycle-Management ein. Kunden können hierdurch nicht-wettbewerbsrelevante Tätigkeiten auslagern und Fixkosten in variable Kosten umwandeln. Ein Beispiel hierfür ist das Pay-per-Use-Modell SIGMA AIR UTILITY von Kaeser, bei dem Kaeser anstelle des Verkaufs von Druckluft-Kompressoren bedarfsgerecht ein individuelles Druckluft-Konzept für die Anforderungen des Kunden erstellt, die notwendige Infrastruktur installiert und betreibt, und mit dem Kunde nutzungsabhängig anhand des verbrauchten Druck­ luft-­Volumens abrechnet. Die Transformation geht hierbei von den finanziellen

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­ spekten Einnahmequellen und Kostenstrukturen des Geschäftsmodells aus, da A Pay-for-Performance-Modelle Zahlungsströme von einmaligen großen zu kontinuierlichen kleineren verstetigt. Diese veränderte Form der Abrechnung wirkt sich unmittelbar auf das Wertversprechen, die dann automatisierte Kundenbeziehung sowie die Anforderungen an die Infrastruktur zur Umsetzung des Geschäftsmodells aus. Beim Archetyp Daten-Getrieben (5) nutzen Unternehmen die gewonnenen Rohdaten oder konsolidierte Daten, in dem sie diese (in der Regel anonymisiert) als „Nebenprodukt“ an Kunden weiterveräußern und damit zusätzliche Monetarisierungsmöglichkeiten erschließen. Ein Beispiel hierfür sind Daten aus energieintensiven Produktionsanlagen, die für Energieversorger und Netzbetreiber zur Optimierung der Energieversorgung und Netzinfrastruktur relevant sein können. Ein anderes Beispiel ist Boschs ProSyst-IoT-Plattform, die unter anderem auch in Austernfarmen zur Sammlung und Analyse von Sensordaten für die Optimierung der Austernernte eingesetzt wird. Die mikroklimatischen Daten werden dabei als Nebenprodukt an Forschungseinrichtungen für Forschungszwecke weitergegeben. Damit geht der Kern der Transformation von den Daten als Schlüsselressource aus, welche die Adressierung bestehender oder neuer Kundengruppen mit einem neuen Wertversprechen ermöglichen. Je nachdem, ob Rohdaten oder konsolidierte Daten angeboten werden, werden darüber hinaus auch neue Schlüsselaktivitäten für die Datenanalyse erforderlich. Der sechste Archetyp IP-Getrieben (6) umschreibt eine neue Vermarktung internen Digitalisierungs-Know-hows im Kontext des IIoT. Ein Beispiel hierfür ist Siemens mit dem Serviceangebot Digitalization Consulting, im Rahmen dessen Kunden bei der Entwicklung von Digitalisierungs-Roadmaps unterstützt und beraten werden. Dazu baut Siemens auf sein Mitarbeiter-Know-how als Schlüsselressource, das in den letzten Jahrzehnten in Kontakt mit Digitalisierungsthemen und dem IIoT entwickelt und geschult wurde. Ausgehend vom Mitarbeiter Know-how entwickelt sich so auch ein neues Wertversprechen für den Kunden basierend auf der Kundenberatung als Schlüsselaktivität. Durch die enge Begleitung der Kunden in der Transformationsphase vertiefen sich die Kundenbeziehungen. Zudem können sich hohe Synergie-Potenziale für andere Geschäftsfelder aus dem Up- und Cross-Selling digitaler Services für die Transformation ergeben. Die Transformationspfade hin zu allen sechs Geschäftsmodell-Archetypen mit jeweiligen Ausgangspunkten und Implikationen sind in Abb. 2.4 zusammengefasst anhand der BMC dargestellt.

2.4

Herausforderungen der Geschäftsmodelltransformation

Aus der Analyse der aktuellen und potenziell künftigen, digitalen Geschäftsmodelle der am Forschungsprojekt TRiP beteiligten Konsortialpartner sowie der abgeleiteten IIoT-basierten Geschäftsmodell-Archetypen konnten übergreifend Implikationen für die Geschäftsmodelltransformation im Industrie-Kontext gewonnen

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Abb. 2.4  Transformationspfade zu den IIoT-basierten Geschäftsmodell-Archetypen (Eigene Darstellung)

werden. Dabei wurde übereinstimmend festgestellt, dass digitale Lösungen und die Möglichkeiten des IIoT das traditionelle Geschäftsmodell nachhaltig verändern. Neben vielfältigen weiteren Herausforderungen bestehen dabei laut unserer Forschung Kernherausforderungen insbesondere im Hinblick auf die ­Zielkundenstruktur, den Ressourcenbedarf und die Monetarisierung der digitalen Lösungen, die im Folgenden beschrieben werden: • Zielkundenstruktur: Ermöglicht durch digitale Online-Vertriebskonzepte wie Web-Plattformen oder Smartphone-Applikationen sowie geringere Transaktionskosten digitaler Services im Vergleich zu physischen Produkten, können Unternehmen im Rahmen IIoT-basierter Geschäftsmodelle neue oder veränderte Zielkundensegmente ansprechen. Zum Beispiel adressiert ein Getriebehersteller aus dem Forschungskonsortium mit seiner Condition Monitoring Lösung nun direkt Petrochemie-Anlagenbetreiber in der Plastikproduktion statt traditionell die Anlagenbauer und Contractor als Intermediäre. Ein Werkzeugmaschinenhersteller des Konsortiums fokussiert mit der digitalen Lösung neue Kundensegmente im Werkzeug- und Formenbau statt im Automobilsektor, da große Automobilunternehmen oftmals bereits eigene digitale Lösungen entwickelt haben. Ein Hersteller von Autowaschanlagen des Konsortiums bietet nun Endkunden eine Smartphone-Applikation mit direkter Bezahlfunktion für Autowäschen an, wobei den Waschanlagenbetreibern neue Subscription-Modelle und eine gezielte Endkundenansprache über die Applikation für Werbezwecke ermöglicht werden. Übergreifend birgt die Veränderung der Zielkundenstruktur einerseits neue Chancen mit Blick auf größere Zielkundensegmente und eine Diversifizierung der Umsatzquellen. Andererseits sehen sich Unternehmen vor der Herausforderung neue Kundensegmente verstehen zu lernen und eine effektive Art der Ansprache und Interaktion zu finden. Insbesondere mit Blick auf Endkunden verändern sich dabei die Spielregeln drastisch im Vergleich zu den etablierten Geschäftskundenbeziehungen (bislang B2B, künftig auch B2C).

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• Infrastruktur: Durch IIoT-basierte Geschäftsmodelle ändern sich zudem die Anforderungen an die Unternehmensinfrastruktur und die zur Umsetzung benötigten Aktivitäten und Ressourcen. Zur Entwicklung und Implementierung digitaler oder hybrider Lösungen sind zusätzlich zu Ingenieuren nun auch Software-­Entwickler und Data Scientists sowie (UX-)Designer und Projektmanager für agiles Projektmanagement nötig. Hierbei berichten die Konsortialpartner einstimmig von großen Herausforderungen bei der Rekrutierung der neuen Berufsbilder. Insbesondere Ingenieurs-getriebene Unternehmen tun sich bei der Ansprache digitaler Talente oftmals schwer, welche aktuell in allen Branchen sehr gefragt sind. Des Weiteren verlangen IIoT-basierte Geschäftsmodelle nach neuen Schlüsselpartnerschaften, die sich weg von reinen Lieferantenbeziehungen hin zu Kooperationen mit Digitalexperten in einem digitalen Ökosystem entwickeln (z. B. in den Bereichen Softwareentwicklung, Datensicherheit und Design). Zuletzt dürfen neue Methoden zur Entwicklung von IIoT-Lösungen nicht unterschätzt werden. Dazu zählt insbesondere die agile Softwareentwicklung (z. B. nach SCRUM) genauso wie kundenzentriertes Lösungsdesign (z. B. im Rahmen von Design Thinking). Auch hier stellt der Aufbau entsprechenden Know-hows oftmals eine große Herausforderung dar. • Monetarisierung: Übergreifend rückte das Thema Umsatzgenerierung im Kontext IIoT-basierter Geschäftsmodelle bei den Konsortialunternehmen in den F ­ okus. Insbesondere die Ableitung effektiver Ertragsmodelle und wertbasierter Bepreisungsstragien für digitale und hybride Services wurde als zentrale Herausforderung und als erfolgskritisch eingestuft. Die traditionell im Industrie-­Kontext angewendete aufwandsbasierte Bepreisung erscheint im Kontext digitaler Lösungen nicht mehr sinnvoll, da einmalig sehr hohe Entwicklungs- und zeitgleich marginale Transaktions- und Distributionskosten anfallen. Daher erfordern IIoT-Lösungen ein Umdenken bei der Preisgestaltung und den Übergang von traditionell aufwandsbasierter zu einer wertbasierten Bepreisungslogik. Dies wurde insbesondere bei einem Maschinenhersteller deutlich, der zum Vertrieb seiner Condition Monitoring Lösung einen einmaligen Betrag für den Bezug der Lösung berechnete, und im Folgenden dann nur noch die laufenden Kosten für die Datenspeicherung in Rechnung stellte. Der tatsächliche Mehrwert, welcher durch die Condition Monitoring Lösung für Kunden generiert wird, zum Beispiele durch erhöhte Trans­ parenz bezüglich des Maschinenzustands und damit verbundenen geringeren ­Ausfallzeiten durch verbesserte Wartungs- und Instandhaltungsstrategien, wurde bisher nicht berücksichtigt. Damit entging dem Unternehmen ein nicht unerheblicher Anteil an Ertragspotenzial, was die nachhaltige Wirtschaftlichkeit der neuen Lösung gefährdet. Die Umstellung auf kontinuierliche, auf Basis des Kundenwerts ermittelte Ertragsmodelle in Verbindung mit Lizenz- oder Gain-Share-Modellen verspricht dagegen ein nachhaltig rentables Geschäftsmodell für die Zukunft.

2.5

Praxisrelevante Handlungsempfehlungen

Innovative Geschäftsmodelle auf Basis des IIoT gewinnen im Industrie-Kontext immer weiter an Bedeutung, vor allem da sich der Wettbewerb zunehmend auf Geschäftsmodellinnovationen erweitert. Da insbesondere im IIoT-Kontext ein

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umfassendes und praxisrelevantes Verständnis zu den damit einhergehenden ­Möglichkeiten der Geschäftsmodellentwicklung fehlt, adressiert dieser Beitrag IIoT-basierte Geschäftsmodellinnovationen und präsentierte sechs IIoT-basierte Geschäftsmodell-­Archetypen zur Analyse und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, welche im öffentlich geförderten Konsortialforschungsprojekts TRiP mit Konsortialpartnerunternehmen entwickelt wurden. Basierend auf den diskutierten Ergebnissen und Erkenntnissen aus dem Forschungsprojekt konnten übergreifende Handlungsempfehlungen für die Geschäftsmodellinnovation im Industrie-Kontext gewonnen werden. Diese sollen Praktikern als Orientierung und Anhaltspunkte für die Entwicklung IIoT-basierter Geschäftsmodelle dienen: • Geschäftsmodellinnovation als iterativer Prozess: Die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und die darauffolgende Unternehmenstransformation folgen keinen linearen, vollumfänglich plan- und steuerbaren Prozessen. Vielmehr gilt es in kurzen iterativen Zyklen (zum Beispiel nach „Build – Measure – Learn“ Ansätzen) Geschäftsmodellideen frühzeitig und niedrigschwellig mit potenziellen Kunden zu testen und gegebenenfalls entsprechend auf Erkenntnisse und Feedback zu reagieren. Dadurch können Entwicklungskosten gespart und Kundenrelevanz sichergestellt werden. Für eine effektive Gestaltung des Transformationsprozesses hilft die Analyse des Status Quo Geschäftsmodells als Ausgangspunkt sowie eine daraus resultierende Ableitung konkreter Veränderungen und Implikationen auf dem Weg zum neuen IIoT-basierten Geschäftsmodell. • Der Kunde im Zentrum: Auch und insbesondere bei der Entwicklung neuer digitaler (auch IIoT-basierter) Geschäftsmodelle sollte stets der Kunde zentraler Ausgangspunkt sein. Dabei ist ein klares und umfassendes Verständnis der bestehenden und möglicherweise neu adressierten Kundensegmente sowie deren Schmerzpunkte und Erwartungen von besonderer Bedeutung. Nur wenn es gelingt mit einem neuen Geschäftsmodell echten Mehrwert für den Kunden zu schaffen, kann das Geschäftsmodell langfristig und nachhaltig erfolgreich sein. Im Kontext des IIoT bedeutet dies auch, dass Kunden ihre relevanten Daten nur dann zur Verfügung stellen werden, wenn sie einen entsprechenden Vorteil darin erkennen (und der notwendige Datenschutz sichergestellt ist). Auch wenn in einigen Industrieunternehmen das Gefühl besteht, die Kunden bereits gut genug verstanden zu haben, lohnt sich im Kontext IIoT-basierter Geschäftsmodelle ein genauer, methodisch unterstützter Austausch und Dialog mit Kunden im Rahmen des Entwicklungsprozesses. • Neue Methoden für neue Blickwinkel: Zur Entwicklung neuer IIoT-basierter Geschäftsmodelle sollten Unternehmen einen guten Überblick über verfügbare, aktuelle Methoden entlang des iterativen Entwicklungsprozesses haben, wobei es nicht um die dogmatische Umsetzung einzelner Methoden geht. Vielmehr ist der selektive Einsatz geeigneter Methoden nach dem Baukastenprinzip wünschenswert, sodass neue Methoden (zum Beispiel Design Thinking, Value Proposition Design, Customer Journey Analyse, agile Entwicklung) nach Bedarf wertstiftend angewendet werden können. Hierzu ist die kontinuierliche Aktualisierung des unternehmensinternen Methoden-Baukastens erforderlich.

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• Zielgeschäftsmodell passend zu den Kernkompetenzen: Bei der Auswahl des passenden Ziel-IIoT-Geschäftsmodells sollten die Kernkompetenzen des Unternehmens sowie die verfügbare Infrastruktur berücksichtigt werden. Während Plattform-Geschäftsmodelle in der Entwicklung vergleichsweise ressourcenintensiv und daher nicht unbedingt für kleinere Unternehmen zu empfehlen sind, können Daten- oder IP-getriebene Geschäftsmodelle bei entsprechender Datenbzw. Know-how-Basis aufwandsärmer und nahe an der unternehmenseigenen Kernkompetenz umgesetzt werden. • Unternehmenskultur und Digital Leadership als Erfolgsfaktor: Zuletzt dürfen auch in einer IIoT-basierten Geschäftsmodelltransformation keinesfalls kulturelle Faktoren vernachlässigt werden. Eine Unternehmenskultur, die Veränderungen offen und flexibel gegenübersteht, sowie effektive Führung mit klarerer Fokussierung auf die Möglichkeiten digitaler Technologien ist dabei ­erfolgsentscheidend. Abschließend mit diesen Handlungsempfehlungen bietet dieser Beitrag Praktikern einen strukturierten Überblick zu den Möglichkeiten und Auswirkungen IIoT-basierter Geschäftsmodellinnovation sowie Ansatzpunkte für den Wandel hin zu IIoT-basierten Geschäftsmodellen. Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass die dargestellten sechs Geschäftsmodell-Archetypen keine abschließende Sicht auf IIoT-basierte Geschäftsmodelle darstellen. Im Rahmen der vorliegenden Forschung und der Evaluierung mit den Konsortialpartnern haben sich diese sechs Archetypen als besonders relevant erwiesen. Mit zunehmender Reife des IIoT sowie der Entwicklung neuer digitaler Technologien werden sich auch neue IIoT-basierte Geschäftsmodelle entwickeln, die es zu identifizieren und zu evaluieren gilt. Entsprechend können sich zukünftig weitere relevante Archetypen im Industriekontext ergeben. Zudem erfordert die Entwicklung konkreter IIoT-basierter Geschäftsmodelle die Berücksichtigung unternehmensspezifischer Faktoren und Rahmenbedingungen. Trotz der genannten Restriktionen und der Erweiterbarkeit bieten die vorgestellten Archetypen eine Orientierung bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und zeigen, wohin die Reise bei der IIoT-basierten Geschäftsmodelltransformation zukünftig gehen kann.

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2  IIoT-basierte Geschäftsmodellinnovation im Industrie-Kontext – Archetypen und …

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Teil II Identifizieren, Priorisieren und Planen von IoT-Projekten

3

Innovation durch den Einsatz von Enterprise IoT-Lösungen – Ein Modell zur Bestimmung des Innovationspotenzials Christian Marheine, Lukas Gruber und Andrea Back

Zusammenfassung

Getrieben durch Technologietrends wie das Internet der Dinge und günstigere Sensorik zielen Industrieunternehmen zunehmend darauf ab, aus den eigenen Daten und Analyseverfahren neue, innovative Produkte und Dienstleistungen zu schaffen. Durch den Einsatz von vernetzen Geräten und entsprechender Software entstehen häufig individuelle IoT-Lösungen mit denen sich Unternehmen im Markt differenzieren wollen. Doch wo liegen die Kernunterschiede zwischen verschiedenen IoT-Lösungen und welches Innovationspotenzial geht mit ihnen einher? Auch die Literatur gibt wenig Aufschluss über diese Frage. Basierend auf der Untersuchung 18 bereits existierender Reifegradmodelle sowie 5 Experteninterviews identifizieren wir vier Schlüsseldimensionen, (1) Datenquelle, (2) Datenziel, (3) Datenanalyse und (4) Datenbasierte Transformation, die mit ihren vier Ausprägungen das Innovationspotenzial verschiedener Enterprise IoT-­ Lösungen beschreiben. Auf Basis dieser Ergebnisse leiten wir ein Innovationsstufenmodell ab, das Unternehmen dabei hilft das Innovationspotenzial Ihrer IoT-Lösung zu erkennen und weitere Ausbaustufen aufzeigt. Im Anschluss demonstrieren wir die Anwendung des Modells, indem wir es zur Klassifizierung von zwei IoT-Lösungen aus Industrieunternehmen benutzen. Dabei schließen wir einerseits die konzeptionelle Lücke mit einem Modell, das Aussagen über den Einfluss von IoT auf Unternehmensinnovation macht, und bieten der Praxis

Unveränderter Original-Beitrag Marheine et al. (2019) Innovation durch den Einsatz von Enterprise IoT-Lösungen: Ein Modell zur Bestimmung des Innovationspotenzials, HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik 56, 1126–1143. C. Marheine (*) · L. Gruber · A. Back Institut für Wirtschaftsinformatik, Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen, Schweiz E-Mail: [email protected]; [email protected]; [email protected] © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Meinhardt, F. Wortmann (Hrsg.), IoT – Best Practices, Edition HMD, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32439-1_3

39

40

C. Marheine et al.

ein konkretes Werkzeug, um Managementaufgaben im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer und innovativer Produkte und Dienstleistungen zu unterstützen. Schlüsselwörter

Innovationsstufenmodell · Enterprise IoT-Lösungen · Industrie 4.0 · Sensorik · Datenanalyse · Smarte Produkte und Dienstleistungen

3.1

Einleitung und Motivation

Getrieben durch Trends wie das Internet der Dinge (engl. Internet of Things (IoT)) und Industrie 4.0 versuchen Unternehmen zunehmend, aus ihren Daten mit Hilfe moderner Analysen neue, innovative Produkte und Dienstleistungen zu schaffen (Porter und Heppelmann 2014). Dabei greifen Enterprise IoT-Lösungen verstärkt in Produktfunktionalitäten ein und beeinflussen damit nicht nur ganze Wertschöpfungsketten, sondern transformieren auch Produkte und Dienstleistungen sowie deren Entwicklungs- und Herstellungsprozess (Porter und Heppelmann 2014; Yoo und Lyytinen 2011). Die günstigere Sensorik ist dabei ein großer Treiber dieser Entwicklung. Um mit dieser Entwicklung Schritt halten zu können und eigene smarte Produkte und Fabriken gestalten zu können, setzen Industrieunternehmen verstärkt auf den Einsatz von IoT.  Dabei entstehen häufig eigenentwickelte Enterprise IoT-Lösungen. In diesem Artikel benutzen wir den aus dem Englischen abgeleiteten Begriff IoT-Lösung als Synonym für IoT-Anwendung. Für die meisten Unternehmen stellt die Einführung einer Enterprise IoT-Lösung, die es zumeist nicht von einem Anbieter alleine „Out-of-the-Box“ gibt, eine große Herausforderung dar. Die Kosten für Sensorik, Konnektivität, Cloud-Plattform und Analysetechnologien stehen häufig in einem ungewissen Verhältnis zum möglichen Nutzen – also der nachhaltigen Effizienzsteigerung von Wertschöpfungsprozessen sowie der Entwicklung und Markteinführung neuer Produkte und Dienstleistungen. In der Folge zögern viele Unternehmen vor entsprechenden Investitionen. Daher besteht ein großer Bedarf, Entscheidungsträgern von Unternehmen einfach verständlich aufzuzeigen, welches Innovationspotenzial in ihren IoT-Lösungen steckt und welche weiteren Ausbaustufen möglich sind. Die Wirtschaftsinformatikforschung beschäftigt sich heute sehr stark mit Prozess- und Produktinnovation. Bei beiden Forschungsgebieten steht die Vorgehensweise bei der Gestaltung von Innovationen im Vordergrund. Uns interessiert jedoch die potenzielle Wirkung, die der Einsatz von IoT auf die Entwicklung und Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen haben kann. Damit erhoffen wir uns Antworten auf die Frage welchen Nutzen IoT für das Innovationsmanagement hat, und speziell welches Innovationspotenzial verschiedene Enterprise IoT-Lösungen haben. Enterprise IoT-Lösungen können schließlich verschiedene Reifegrade annehmen und von einfachen, lokalen Zustandsabfragen von Geräten bis hin zu

3  Innovation durch den Einsatz von Enterprise IoT-Lösungen – Ein Modell zur …

41

globalen, verteilten Systemen reichen, die komplexe Informationen verarbeiten. In der Praxis unterscheiden sich die Reifegerade von Enterprise IoT-Lösungen also stark voneinander. Dies gilt auch für den akademischen Bereich, der sich mit dem Design von IoT-Reifegradmodellen beschäftigt. Aus einer ersten Sichtung bestehender Reifegradmodelle entstanden viele Fragen. Häufig wurde nicht klar beschrieben, was der Begriff Reifegrad bedeutet und wie dieser gemessen wurde. Was macht eine IoT-Lösung zu einer reifen Lösung? Wie begründet man also diesen Reifegrad und ist der höchste Reifegrad stets anzustreben? Außerdem wurde bei genauer Betrachtung der Modelle deutlich, dass sie der Vielfalt von Enterprise IoT-Lösungen nicht gerecht werden oder es ihnen an Klassifizierungseigenschaften mangelt. Daher beziehen sich in unserem Artikel Aussagen über den Reifegrad einer Enterprise IoT-Lösung ausschließlich auf ihr Innovationspotenzial. Somit verfolgen wir in diesem Beitrag folgende Fragestellung: Wie können Unternehmen das Innovationspotenzial ihrer Enterprise IoT-Lösungen mittels eines einfach anwendbaren Modells ermitteln und unterstützen? Das von uns entwickelte Innovationsstufenmodell soll dabei helfen IoT-Lösungen anhand verschiedener Stufen hinsichtlich ihres Innovationspotenzials zu bewerten. Das Modell gibt damit eine Antwort auf die Frage wie groß das Innovationspotenzial dieser Enterprise IoT-Lösung ist – d. h. wie der Einsatz von IoT die Verbesserung bestehender Produkte und Dienstleistungen unterstütz oder sogar zu der Entwicklung neuer führt. Unser Modell bringt Anwendern auf einfache Art und Weise komplexe IoT-Sachverhalte näher, indem es sich auf zentrale Aspekte beschränkt, übersichtlich strukturiert ist und sich leicht im gesamten Enterprise Kontext anwenden lässt. In den nachfolgenden Kapiteln geben wir einen Überblick zur Forschung über Innovations- und Reifegradmodelle im IoT-Kontext und definieren zentrale Begriffe. Danach stellen wir unsere methodische Vorgehensweise vor, auf deren Basis unser Modell – das Innovationsstufenmodell – entwickelt wurde. Im Anschluss folgen die Vorstellung des Innovationsstufenmodells und die Anwendung am Beispiel von zwei kurzen Industrie-Cases. Zuletzt stellen wir die Implikationen für die Management-­Praxis vor, die sich aus der Anwendung des Modells ergeben.

3.2

 ber Innovations- und Reifegradmodelle und das Ü Internet der Dinge

Innovationsmodelle, die zur Messung von Innovation gedacht sind, fokussieren sich in der Regel auf verschiedene Ebenen, zum Beispiel auf eine Organisations- bzw. Unternehmensebene oder sogar auf ganze Staaten (OECD und Eurostat 2018). Solche Modelle bestimmen beispielsweise anhand der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten wie innovativ Unternehmen wirklich sind (Gault 2013). Derartige In­ strumente sind jedoch weniger dafür geeignet, den Einfluss neuer Technologien – z. B. von IoT– auf das Innovationspotenzial eines Unternehmens abzuschätzen. Innovation aus einer Produktperspektive wird meist mit Modellen beschrieben, die versuchen die Neuartigkeit eines Produktes zu messen (Ali et al. 1995). Das gilt

42

C. Marheine et al.

auch für Modelle, die zwischen inkrementeller und radikaler Innovation unterscheiden (Oerlemans et al. 1998). Diese Instrumente sollen Unterstützung leisten, um die Wirksamkeit von Innovationsaktivitäten auf den Output eines Unternehmens vorherzusagen. Zudem können sie auch dabei helfen, den Erfolg von neuen Produkten auf dem Markt zu prognostizieren. Vor allem aber dienen solche Modelle, die zumeist als Reifegradmodelle bezeichnet werden, zur strukturierten Beschreibung von Technologielösungen. Damit fördern sie nicht nur das gemeinsame Verständnis für diese Lösungen, sondern ermöglichen auch unternehmensübergreifende Vergleiche mit Peers (Benchmarking). Das Management verspricht sich mit dem Wissen über das Innovationspotenzial solcher Anwendungen oder Projekte bessere Entscheidungen und geeignete Maßnahmen im Innovationsmanagement ergreifen zu können (Hauschildt und Schlaak 1999). Im IoT-Kontext wurden bereits einige dieser Reifegradmodelle veröffentlicht. Bevor wir auf existierende Modelle eingehen, werden wir IoT und weitere zentrale Begriffe definieren. In der Wissenschaft und Praxis findet man verschiedene Definitionen von IoT. Für das in diesem Beitrag zugrunde liegende Verständnis von IoT aggregierten wir die Definition von Atzori et al. (2010), der European Commission (2018), Hung (2017), Krasniqi (2016), Lu und Neng (2010) und Whitmore et al. (2015). Auf Basis der Definitionen dieser Autoren verstehen wir unter IoT ein Sammelbegriff für alle Technologien, die die Vernetzung und die Zusammenarbeit der physischen und der digitalen Welt – den Objekten, Individuen und Systemen – ermöglichen. Eine Enterprise IoT-Lösung definieren wir als die Gesamtheit aller physischen und digitalen Komponenten (m.a.W.  Hardware- und Softwarekomponenten) in einem Unternehmen, die den Austausch und die Verarbeitung von Daten zwischen Objekten, Individuen und Systemen ermöglichen. Mit Hilfe solcher Lösungen können Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen geeignet erweitern (z. B. durch Zustandsüberwachungen) und interne Prozesse wesentlich effizienter gestalten. Dadurch steigern IoT-Lösungen das Innovationspotenzial ihrer Unternehmen. Unter Innovationspotenzial verstehen wir die Möglichkeit durch den Einsatz einer Enterprise IoT-Lösung die Anzahl und Qualität von Innovationen zu steigern. In der folgenden Tabelle werden die Kernbegriffe und Beschreibungen zusammengefasst (Tab. 3.1).

Tab. 3.1 Begriffserklärungen Begriff Internet der Dinge (IoT)

Enterprise IoT-­ Lösung

Innovationspotenzial

Beschreibung Das Internet der Dinge ist ein Sammelbegriff für alle Technologien, die die Vernetzung und die Zusammenarbeit der physischen und der digitalen Welt – den Objekten, Individuen und Systemen – ermöglichen. Eine Enterprise IoT-Lösung bezeichnet die Gesamtheit aller physischen und digitalen Komponenten in einem Unternehmen, die den Austausch und die Verarbeitung von Daten zwischen Objekten, Individuen und Systemen ermöglichen. Das Innovationpotenzial zeigt die Möglichkeit mit Hilfe einer IoT-Lösung die Anzahl oder Qalität von Innovationen zu steigern.

3  Innovation durch den Einsatz von Enterprise IoT-Lösungen – Ein Modell zur …

43

Der Einfluss solcher Technologien stellt die Messung von Innovation vor neue Herausforderungen (Porter und Heppelmann 2014; Yoo und Lyytinen 2011). Verschiedene Autoren haben sich bereits damit befasst, den Reifegrad von IoT-­ Lösungen zu beschreiben. Püschel et al. (2016) entwickelten ein Klassifizierungsmodell für Smart Things basierend auf der Layered Modular Architecture, was zur Unterscheidung verschiedener verwendeter Technologien bei Smart Things dienen soll (Yoo et al. 2010). Porter und Heppelmann (2014, 2015) unterscheiden vier Fähigkeitsbereiche bei IoT-Lösungen (Überwachung, Kontrolle, Optimierung und Autonomie). IoT-Lösungen zeichnen sich durch neue Produktfähigkeiten, wie analytische Fähigkeiten und Sensorik aus, die herkömmliche Produkte nicht aufweisen (Porter und Heppelmann 2015). Dadurch entstehen sogenannte „smarte Produkte“. Dennoch betrachten beide Modelle entweder nur einen bestimmten Bereich an IoT-Lösungen, wie Smart Things, oder beschränken sich auf bestimmte Charakteristiken, wie analytische Fähigkeiten. Um ein klares Verständnis von IoT-Lösungen und deren Innovationspotenzial zu bekommen, ist es notwendig bisherige Modelle zu hinterfragen, zu überdenken und vorhandene Lücken zu schließen.

3.3

Methodische Vorgehensweise

In diesem Beitrag wird das Ziel verfolgt, ein Innovationsstufenmodell für Enterprise IoT-Lösungen zu entwickeln. Das Modell soll Unternehmen bei der Bestimmung des Innovationspotenzials ihrer IoT-Lösungen unterstützen und somit auch weitere Innovationsstufen aufzeigen. Unsere Forschungsmethode basiert auf einem deduktiven Vorgehen, bestehend aus den drei Phasen (1) Datenerhebung, (2) Datenauswertung und (3) Synthese (siehe Abb. 3.1).

3.3.1 Datenerhebung In der ersten Phase unserer empirischen Untersuchung wurden sowohl eine Literaturrecherche als auch Experteninterviews durchgeführt. Die Literatursuche orientierte sich an dem empfohlenen Vorgehen nach vom Brocke et  al. (2009) und Webster und Watson (2002). Der Fokus unserer Recherche lag insbesondere darauf, (1) Datenerhebung

(2) Datenauswertung

(1.1) Literaturrecherche

(2.1) Analyse der 18 Modelle

(1.2) Experteninterviews

(2.2) Auswertung der 5 Interviews

Abb. 3.1  Übersicht des methodischen Vorgehens

(3) Synthese (3.1) Entwicklung des Modells

44

C. Marheine et al.

aktuelle Reifegradmodelle aus der Forschung und Praxis zu identifizieren, die IoT-Lösungen unterschiedlichen Klassen zuordnen und damit Aufschluss über ihr Innovationspotenzial geben. Für die Literatursuche nutzten wir folgenden englischsprachigen Suchstring: ((„Product Maturity“ OR „Product Capability“ OR „Classification“ OR „Taxonomy“) AND („IoT“ OR „Internet of Things“)). Dieser Suchstring wurde in den Datenbanken ScienceDirect und AIS eLibrary angewendet. Zudem wurden vereinzelte Quellen aus Google Scholar und Google Suchen verwendet, um der Aktualität und Neuartigkeit des Themas gerecht zu werden. Bei der Durchsicht der Literatur haben wir Titel, Zusammenfassung und Schlüsselwörter von akademischen Beiträgen, Whitepapers und Unternehmensveröffentlichungen miteinbezogen, die zwischen 2014 und April 2019 veröffentlicht wurden. Tab. 3.2 zeigt die Übersicht der 18 identifizierten Modelle. Auch wenn der Fokus unserer Arbeit zunächst darauf lag, aktuelle IoT Rei­ fegradmodelle aus der Literatur zu identifizieren, wurden zusätzlich Experten­ interviews geführt, um relevante Modelldimensionen und -ausprägungen durch ­Expertenmeinungen zu validieren. Die Daten wurden mit Hilfe von fünf semistrukturierten Interviews erhoben. Neben einem Praxisexperten, der auch in Executive-­ Programmen der University of Oxford zum Thema „Enterprise IoT“ lehrt, wurden vier Praktiker aus Deutschland und der Schweiz interviewt. Die Interviews folgten einem Leitfaden, der auf Basis der wesentlichen aus der Literatur identifizierten Dimensionen zur Einschätzung über das Innovationspotenzial einer IoT-Lösung erstellt wurden. Tab. 3.3 zeigt die Übersicht der Experteninterviews. Tab. 3.2  Übersicht der 18 identifizierten Modelle aus der Forschung und Praxis Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Modell The 4C IoT Maturity Model Business Intelligence & Analytics Maturity Model Gartner Analytic Continuum Multi-layer Taxonomy of Smart Things IoT Categories of Enterprise Applications Capability Model of Smart, Connected Products The Connected Product Maturity Model Stages of IoT Objects Strategy& IoT Services Framework IoT Solutions Maturity Model IoT Knowledge Hierarchy Digital Transformation Framework IoT Maturity Model IoT Resource Model Stages of IIoT Maturity IoT Technology Innovation Levels Bosch’s 5 Maturity Levels of an IoT Solution IoT Pyramid

Referenz Joshi und Mittal (2018) Jenner (2017) Hagerty (2016) Püschel et al. (2016) Lee und Lee (2015) Porter und Heppelmann (2014, 2015) PTC Inc (2015) Atzori et al. (2014) Burkitt (2014) Rawal (2014) Barnaghi et al. (2012) Ibarra et al. (2018) Banerjee und Woerner (2017) Safianowska et al. (2017) Bsquare Corporation (2016) Fleisch (2010) Alber et al. (2017) ROI Management Consulting AG (o. J.)

3  Innovation durch den Einsatz von Enterprise IoT-Lösungen – Ein Modell zur …

45

Tab. 3.3  Übersicht der Experteninterviews Nr. 1 2 3 4 5

Rolle IoT Dozent Direktor IoT Projekt Manager Head of IoT CTO

Unternehmen/Institution Oxford University Bosch IoT Lab Kathrein SE Swisscom AG Hivemind AG

Datum 06.05.2019 10.05.2019 10.05.2019 13.05.2019 13.05.2019

3.3.2 Datenauswertung Um aus den 18 identifizierten Modellen und den fünf Interviews allgemein beschreibende Schlüsseldimensionen und Ausprägungen abzuleiten, die verschiedene Innovationsstufen rechtfertigen, führten wir eine qualitative Analyse in zwei Schritten durch. In einem ersten Schritt wurden zunächst die Modelldimensionen analysiert, in denen die Modelle Unterschiede aufweisen. Um diese Dimensionen ausfindig zu machen, wurden die 18 Modelle mit Hilfe von zwei ausführlichen Konzeptmatrizen hinsichtlich ihres datenbasierten Fähigkeiten und ihrer Anwendbarkeit in der Management-­Praxis analysiert (vom Brocke et al. 2009; Webster und Watson 2002). Die datenbasierten Fähigkeiten bestehender Modelle bewerteten wir in den Bereichen Entscheidungsunterstützung, Analytik, Konnektivität, Datengenerierung, Integrierbarkeit und Datensicherheit. Bei der Analyse der 18 Reifegradmodelle, lag der Fokus vor allem darauf solche Dimensionen zu identifizieren, die direkte und indirekte Implikationen für das Innovationspotenzial von Enterprise IoT-Lösungen ­haben. Da unser Modell die Zielsetzung hat, die Management-Praxis bei Entscheidungen zu unterstützen, bewerteten wir in einer zweiten Konzeptmatrix die Anwendbarkeit der Modelle. Hier beobachteten wir Unterschiede in der strukturierten Darstellung, dem Design und der Logik innerhalb des Modells. Manche Modelle verfügten lediglich über Beschreibungen von einzelnen Reifegeraden, unterstützen diese aber nicht grafisch (z. B. Modell 9 und 16). Andere Modelle und deren Klassifizierungsmerkmale waren nicht ausreichend definiert (oder nicht logisch), um eine Analyse des Innovationspotenzials von IoT-Lösungen vornehmen zu können (z. B. Modell 11 und 7). Zudem ist die Entwicklung der Modelle teils nicht transparent erläutert. Abb.  3.2 fasst die Analyseergebnisse beider Konzeptmatrizen in aggregierter Form zusammen und zeigt, dass keines der 18 Modelle über ausgeprägte datenbasierte Fähigkeiten (x-Achse) und eine hohe Anwendbarkeit in der Praxis (y-Achse) verfügt. Auf Grundlage unserer Auswertung und mit Fokus auf die datenbasierten Fä­ higkeiten der Modelle haben wir vier Schlüsseldimensionen identifiziert: (1) Da­ tenquelle, (2) Datenziel, (3) Datenanalyse und (4) Datenbasierte Transformation. Anschließend erweiterten wir die Analyse der Schlüsseldimensionen durch die Identifikation eindeutiger Ausprägungen. Diese wurden ebenfalls auf Basis der 18 Modelle erarbeitet. Zunächst konnten wir von den (relevanten) Modellen 3, 4, 6 und 13 zwischen drei und fünf eindeutige Ausprägungen für jede der vier Schlüsseldi-

46

C. Marheine et al.

Abb. 3.2  Auswertung der 18 Modelle

Anwendbarkeit in der Management-Praxis

6

?

17 3 8

14

18

5 15

2 11

1

12

4

13

10 16

7 9

Datenbasierte Fähigkeiten

mension ableiten. Zum einen zeichneten sich diese Modelle durch wichtige datenbasierte Fähigkeiten aus. Zum anderen hatten sie klar definiert, welche Besonderheiten sich hinter den einzelnen Ausprägungen einer Dimension verbergen. Inhaltlich haben wir bei der Analyse stets darauf geachtet, welchen Einfluss einzelne Ausprägungen auf das Innovationspotenzials von Enterprise IoT-Lösungen haben können. Daraufhin folgte die Analyse der Experteninterviews, um unsere Dimensionen und Ausprägungen zu validieren. Vor der Auswertung wurden alle Interviews transkribiert. Da wir bereits die vier Schlüsseldimensionen gebildet hatten, sammelten wir die Meinungen über einzelne Ausprägungen der Experten. Auch sie kamen auf ähnliche Begriffe, die auch in den Modellen vorkamen. Letztendlich konnten wir nach zwei Auswertungsdurchläufen für jede Dimension vier eindeutige (oder exklusive) Ausprägungen identifizieren.

3.3.3 Synthese In der letzten Phase wurde das Innovationsstufenmodell als Synthese aus der Literatur (oder der Analyse bestehender Reifegradmodelle) und der Experteninterviews entwickelt. Dabei folgten wir der Vorgehensweise von Becker et al. (2009), die zwischen vier verschiedenen Entwicklungsstrategien bei der Entwicklung von Reifegradmodellen für das IT-Management unterscheiden: (1) der Konstruktion eines völlig neuen Modells, (2) der Erweiterung eines bestehenden Modells, (3) der Kombination bestehender Modelle zu einem Neuen und (4) dem Transfer von Inhalt oder Struktur zu einem neuen Modell (Becker et al. 2009). Der beschriebene Entwicklungsprozess ist auf die Entwicklung von Reifegradmodellen in der Wirtschaftsinformatik ausgerichtet. Dieser Prozess ist ebenso anwendbar auf die Entwicklung des Innovationsstufenmodells (Mettler 2011). Wir entwickelten das Innovations-

3  Innovation durch den Einsatz von Enterprise IoT-Lösungen – Ein Modell zur …

47

stufenmodell durch die Kombination bestehender Modelle (3, 4, 6 und 13) und der Validierung der Dimensionen und Ausprägungen mit Experteninterviews. Schlussendlich entwickelten wir ein Modell mit vier Schlüsseldimensionen von denen jede vier Ausprägungen hat. Die Gesamtheit der Ausprägungen entscheidet über die Innovationsstufe einer Enterprise IoT-Lösung. Ziel des Innovationsstufenmodells ist es alle Enterprise IoT-Lösungen einer Innovationsstufe zuordnen zu können, und so ein Werkzeug zu schaffen, mit dem Unternehmen das Innovationspotenzial ihrer Lösungen besser einschätzen oder vergleichen können. Dieses Modell wird in dem nachfolgenden Kapitel im Detail beschrieben.

3.4

Das Innovationsstufenmodell und seine Anwendung

Resultierend aus dem in Kap. 3 beschriebenen Vorgehen wurden vier Innovationsstufen für Enterprise IoT-Lösungen identifiziert (siehe Abb.  3.3). Dabei soll das Innovationsstufenmodell aufeinander aufbauende Stufen darstellen, wobei alle ­ ­Ausprägungen einer Stufe erfüllt sein müssen, um eine IoT-Lösung dieser Stufe zuordnen zu können.

3.4.1 Vier Schlüsseldimensionen und ihre Ausprägungen Das Modell ermöglicht die Zuordnung einer Enterprise IoT-Lösung in eine Innovationsstufe auf Basis ihrer Ausprägungen innerhalb der vier Dimensionen: (1) Daten-

Innovationsstufe

Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Datenquelle

Sensor

Interne Systeme

Externe Systeme

System von Systemen

Datenziel

Observation

Steuerung

Optimierung

Automatisierung

Datenanalyse

Deskriptiv

Diagnostisch

Prädiktiv

Präskriptiv

Datenbasierte Transformation

Prozess

Produkte & Dienstleistungen

Neue Produkte & Dienstleistungen

Geschäftsmodell

Abb. 3.3  Innovationsstufenmodell. Beschreibung: Je höher die Innovationsstufe (schwarze Kästen), desto größer ist das Innovationspotenzial der Enterprise IoT-Lösung. Eine Innovationsstufe wird in Abhängigkeit der erreichten Ausprägungen (hellgraue Kästen) in jeder Dimension (dunkelgraue Kästen) erreicht. Die Gesamtheit der Ausprägungen in den vier Dimensionen entscheidet also über die Innovationsstufe und damit über das Innovationspotenzial

48

C. Marheine et al.

quelle (2) Datenziel (3) Datenanalyse und (4) Datenbasierte Transformation. Sofern eine IoT-Lösung mindestens alle Ausprägungen der Innovationsstufe erreicht, kann sie dieser zugeordnet werden. IoT-Lösungen, die innerhalb einzelner Dimensionen höherstufige Ausprägungen erreichen, werden dennoch derjenigen Innovationsstufe zugewiesen mit der niedrigsten erreichten Ausprägung. Zum Beispiel hat eine IoT-Lösung, die der dritten Stufe zuzuordnen wäre, zwar das Potenzial die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen zu fördern, kann aber genauso für Ziele aus niedrigeren Stufen wie der Observation von Prozessen genutzt werden. Somit bauen die Innovationsstufen aufeinander auf. Im nachfolgenden Abschnitt werden die vier Schlüsseldimensionen und ihre Ausprägungen vorgestellt. (1) Datenquelle: Die Datenquelle spezifiziert den Umfang und die Qualität mit der eine IoT-Lösung relevante Daten erzeugt. Im industriellen Kontext hat die Sensorik einen großen Anteil an der entstehenden Datenmenge. Sie macht aus einfachen, elektrischen und mechanischen Bau- und Antriebseinheiten smarte, vernetzte Produkte (Porter und Heppelmann 2015). Auch durch Personen, die in der Produktion beschäftigt sind, können Daten entstehen – meist in Verbindung mit stationären oder mobilen Anwendungen. In der Praxis zeigen sich jedoch wesentliche Unterschiede. Auch wenn einfache Sensoren Aufschluss über den Zustand und die Nutzungsdauer eines Geräts geben, macht es diese oder den Produktionsprozess noch nicht intelligent. Zunächst kann damit beispielsweise bei einem Motor dessen Rotationsgeschwindigkeit gemessen werden, um über längere Zeit Abweichungen zu beobachten. Andere Unternehmen statten ihre internen Systeme und Prozesse mit weiteren Datenquellen aus. Beispiele hierfür sind der Einbezug von Plandaten aus ERP-Systemen oder andere Firmeninternen Informationssysteme. Der Einbezug von externen Systemen von Drittanbietern hat das Potenzial, noch umfangreichere Analysen zu machen. Somit können Wetterdaten oder Daten aus sozialen Netzwerken zusätzliche nutzenstiftende Informationen bieten. Diese Datenquellen können auch von Partnern, Lieferanten und Kunden kommen, sodass sich ein ganzes Ökosystem an nutzenstiftenden Datenquellen ergibt. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem System von Systemen. Diese Bezeichnung wird noch stärker unterstrichen, wenn Unternehmen zum Beispiel Informationen aus anderen Industrien einfließen lassen (z. B. Siemens MindSphere). In einer solchen Situation kann die IoT-basierte Vernetzung laut Experten ihr ganzes Potenzial nutzen. Umso wichtiger ist es für die Praxis, dass Unternehmen ihre Datenquellen kennen und definieren, welche sie für die Umsetzung ihrer IoT Use Cases benötigen. (2) Datenziel: Das Datenziel spezifiziert das wirtschaftliche Ziel, das ein Unternehmen mit den erhobenen Daten einer IoT-Lösung verfolgt. Im Fall von einfacher Sensorik können im industriellen Kontext Maschinenzustände beob­ achtet werden. Bei einem Maschinenausfall werden Servicetechniker dann umgehend zu einer Maschine geschickt, um diese wieder instand zu setzen (Observation). Eine vernetze Fabrik kann darüber hinaus den gesamten Produktionsprozess steuern (Steuerung). Durch IoT-Lösungen, die Anwendungs-

3  Innovation durch den Einsatz von Enterprise IoT-Lösungen – Ein Modell zur …

49

fälle wie die vorausschauende Wartung (engl. Predictive Maintenance) ermöglichen, wird eine Fabrik smarter. Nun werden Servicetechniker bereits vor dem potenziellen Versagen der Maschine eine Wartung durchführen. So sparen sich Unternehmen beträchtliche Kosten, die durch einen Produktionsstopp anfallen würden. Durch Optimierung versuchen Unternehmen ihre Prozesse effizienter und möglicherweise auf effektiver zu gestalten – sie neu zu definieren. Hierfür werden häufig auch externe Daten einbezogen. Unter Automatisierung verstehen die befragten Experten eine vollständige Vernetzung der Wertschöpfungsprozesse eines Unternehmens und eine beidseitige Kommunikation von den Geräten zu einer Cloudplattform, und nach entsprechender Analyse wieder zurück zu den Geräten, um so automatisiert und intelligent zu produzieren. (3) Datenanalyse: Nach der Datengenerierung, werden die Daten über ein Gateway an eine zentrale Datenbank oder Cloudplattform geschickt, sodass sie in strukturierter und aufbereiteter Form für Analysen zur Verfügung stehen. Im Rahmen von Industrie 4.0 versuchen Unternehmen mit Hilfe von Datenanalysen ihre Produktion effizienter zu gestalten, Produkte weiterzuentwickeln und neue analysebasierte Dienstleistungen zu ermöglichen. In der Literatur werden grundsätzlich vier Analyseverfahren unterschieden: deskriptiv, diagnostisch, prädiktiv und präskriptiv (Freitag et al. 2015). IoT-Lösungen mit deskriptiven Verfahren beschreiben aktuelle Maschinenzustände. Darauf aufbauend arbeiten diagnostische Analyseverfahren deduktiv. Sie aggregieren gesammelte histo­ rische Daten mit Visualisierungen und unterstützen Prozessoptimierungen. Prädiktive Verfahren unterscheiden sich durch einen induktiven Ansatz, der es ihnen ermöglicht, aufgrund vorhandener Daten mit Wahrscheinlichkeiten vorherzusagen was passieren wird. Heute sind präskriptive Verfahren die Königsdisziplin der Datenanalyse. Sie ermitteln auf Basis aktueller Daten und unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien passende Lösungen (Freitag et  al. 2015). Diese vier Ausprägungen von Datenanalyseverfahren wurden durch die Experteninterviews bestätigt. ( 4) Datenbasierte Transformation: Laut Expertengesprächen ist der entscheidende Schritt nach einer sorgfältigen Datenanalyse, bei der Zusammenhänge und Muster in den Daten erkannt worden sind, konkrete Maßnahmen für die Weiterentwicklung des Geschäfts einzuleiten. Wie bereits mehrfach erwähnt, hat die Innovationsstufe eine Auswirkung auf das Innovationspotenzial und damit auch auf die mögliche Veränderung oder Transformation des Geschäfts. Zum Beispiel kann ein Unternehmen, das Feuerlöscher verkauft, durch den Einbau von Drucksensoren (und entsprechende Daten über den Druck) zusätzliche Services, die beispielsweise die Wartung verbessern, anbieten. Auf diese Weise hat sich das Geschäft des Unternehmens von einem reinen Produktanbieter hin zu einem Serviceanbieter erweitert. Somit gibt die letzte Schlüsseldimension Aufschluss über die (datenbasierte) Transformation des Kerngeschäfts. Grundsätzlich gilt je fortgeschrittener die IoT-Lösung ist, desto größer ist das Innovationspotenzial eines Unternehmens. In der ersten Stufe werden Daten durch Sensoren, die einfache Maschinenzustandsabfragen durchführen, gesammelt. Mit Hilfe der aktuellen Zustandsinformationen von Maschinen können

50

C. Marheine et al.

neue Einblicke in einen Prozess entstehen, sodass dieser effizienter oder gar effektiver gestaltet werden kann. Durch die Prozessaufzeichnung und -analyse kann erkannt werden, dass die Verlegung einer Fabrik an einen anderen Standort oder ähnliche Maßnahmen zu Zeitersparnisseen und einem größerer Produktionsoutput führt. In der zweiten Innovationsstufe hat eine IoT-Lösung einen positiven Einfluss auf bestehende Produkte und Dienstleistungen. Zum Beispiel wurde in dem Feuerlöscherbeispiel ein bestehendes Produkt verbessert. Durch das Hinzufügen von externen Systemen und ihren Datenquellen können ganz neue Produkte und Dienstleistungen entstehen. So können beispielsweise Einblicke über das Kundennutzungsverhalten von Maschinen in die schnelle Produktverbesserung der Maschinen einfließen. Eine neue Maschinegeneration oder eine durch neue Services erweiterte Maschine könnte das Ergebnis sein. Diese Services werden häufig als (mobile) Anwendung bereitgestellt. Die dort entstehenden Nutzungsdaten, werden dann von dem Hersteller für Produktverbesserungen und Weiterentwicklungen mit genutzt (Hunke und Schüritz 2019). Darüber hinaus kann der Einsatz von IoT auch zu einer Transformation von Teilen oder des gesamten Geschäftsmodells führen. Eine mögliche Ausprägung für produzierende Unternehmen sind neue Abrechnungsmodelle, wie zum Beispiel Maschinen nach der Nutzungsdauer abzurechnen (engl. pay-as-you-use). Weitere intelligente algorithmenbasierte Anwendungen durch in Echtzeit generierte Daten wären in dieser Innovationsstufe möglich. Darüber hinaus könnten sich Unternehmen auch für den Aufbau einer IoT-Plattform entscheiden und damit ihr Geschäftsmodell wesentlich transformieren (z. B. Siemens MindSphere). Durch eine Plattformstrategie werden Plattformanbieterunternehmen zu einem zentralen Knotenpunkt zwischen Angebot (Entwicklern von IoT-Lösungen) und Nachfrage (Anwenderunternehmen). Jedoch ist dieser Markt schwer umkämpft.

3.4.2 Anwendung des Innovationsstufenmodells In diesem Abschnitt demonstrieren wir die Anwendung des vorgestellten Innovationsstufenmodells, um das Innovationspotenzial einer IoT-Lösung zu bestimmen. Hierzu stellen wir zwei IoT-Lösungen von den Unternehmen ABB und Midor vor, die an dem „Smart IoT & Mobile Business Award 2019“ des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen teilgenommen haben.

3.4.2.1 ABB ABB ist ein weltweit tätiges Unternehmen der Energie- und Automatisierungstechnik mit Hauptsitz in Zürich (ABB Ltd 2019a). Ihre IoT-Lösung – der Smart Sensor – ist ein über Bluetooth kommunizierender Sensor, der an verschiedenen Motoren einfach angebracht werden kann und dadurch Informationen zu Betriebs- und Zustandsparametern wie Vibrationen, Temperatur oder Überlastung sammelt. Die Daten werden entweder über einen Produktionsmitarbeiter mit Hilfe einer mobilen Anwendung ausgelesen oder über ein Gateway an die ABB Cloud gesendet. An-

3  Innovation durch den Einsatz von Enterprise IoT-Lösungen – Ein Modell zur …

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schließend werden die Daten mit einer speziell entwickelten, Cloud-basierten Software analysiert, um dem Anlagenbetreiber verwertbare Informationen für die Wartungsplanung zur Verfügung zu stellen. Somit lassen sich Stillstandzeiten von Motoren um bis zu 70 % reduzieren. Gleichzeitig wird die Lebensdauer der Antriebe um bis zu 30 % verlängert und der Energieverbrauch um bis zu 10 % reduziert (ABB Ltd 2019b). Diese IoT-Lösung – von der Installation des Smart Sensors, der Bluetooth- oder Gateway-Kommunikation, der ABB Cloud bis zur Datenanalyse – kann von Unternehmen für die Umsetzung verschiedener Use Cases implementiert und ggf. erweitert werden. Abb. 3.4 zeigt die Einordnung dieser Lösung im Innovationsstufenmodell. Die entscheidende Komponente für die IoT-Lösung von ABB ist die einfache Installation des Smart Sensors. Wir gehen daher davon aus, dass der Smart Sensor die wesentliche Datenquelle dieser IoT-Lösung ist. Die Datenziele von Firmen, die den Smart Sensor implementieren, sind die Observation, die Steuerung und die Optimierung ihrer eigenen Maschinen und eventuell der Maschinen, die sie an Kunden verkaufen. Um eine langfristige Verbesserung aller Maschinen zu gewährleisten, muss die ABB Cloud diagnostische und je nach Anwendungsfall auch prädiktive Datenanalysefähigkeiten aufweisen. Mit Hilfe prädiktiver Datenanalysefähigkeiten könnten Use Cases wie die vorausschauende Wartung (engl. Predicitive Maintenance) umgesetzt werden. Auf diese Weise könnten Unternehmen frühzeitig erkennen, zu welchem Zeitpunkt eine Maschine mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit ausfallen könnte. Die Umsetzung eines solches Use Cases würde nicht nur einen stabileren Produktionsprozess bewirken, sondern könnten dem Anwenderunternehmen auch die Weiterentwicklung bestehender Produkte (z. B. ihrer Maschinen) mit weiteren Dienstleistungen ermöglichen. Somit könnten Erstausrüster (engl. Original Equipment Manufacturer (OEM)) beispielsweise ihren Kunden die vorausschauende Wartung als zusätzlichen Service anbieten.

Innovationsstufe

Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Datenquelle

Sensor

Interne Systeme

Externe Systeme

System von Systemen

Datenziel

Observation

Steuerung

Optimierung

Automatisierung

Datenanalyse

Deskriptiv

Diagnostisch

Prädiktiv

Präskriptiv

Datenbasierte Transformation

Prozess

Produkte & Dienstleistungen

Neue Produkte & Dienstleistungen

Geschäftsmodell

Abb. 3.4  Ausgefülltes Innovationsstufenmodell für die Smart Sensor von ABB

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C. Marheine et al.

3.4.2.2 Midor Midor ist ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen, das Süßwaren wie Biskuits entwickelt, produziert und an Kunden auf der ganzen Welt ausliefert (Midor AG 2019). Da Midor permanentem Kosten- und Qualitätsdruck ausgesetzt ist, versuchte das Unternehmen mit ihrer IoT-Lösung Prozesse zu verbessern, um so langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Die eigenentwickelte IoT-Lösung umfasst drei mobile IoT Boxen, die 16 digitale und 8 analoge Signale erfassen. Das Gateway kommuniziert die Daten per OPC UA an eine Microsoft Azure Cloudplattform. Im Anschluss werden die Daten mit weiteren Informationen ergänzt – z. B. dem zu produzierenden Produkt, der Anzahl der Mitarbeiter pro Linie, der Raumtemperatur, der Raumfeuchtigkeit und mit Sensordaten verschiedener Walzen. Nachdem die Daten strukturiert in der Cloud vorliegen, folgt das prädiktive Analyseverfahren welches mit Machine Learning Technologie umgesetzt wurde. Mit Hilfe des maschinellen Lernens kann Midor die Anzahl an Produktionsunterbrüchen vorhersagen. Dabei nutzt der Algorithmus aktuell nur lokal generierte Daten inklusive Umgebungsdaten und Plandaten aus dem ERP-System. Aktuell ermöglicht die IoT-Lösung Midor eine Vorhersagegenauigkeit der Anzahl erwarteter Produktionsstopps von 90 %. Abb. 3.5 zeigt die Einordnung der Lösung in das Innovationsstufenmodell. Die Datenquellen aus denen die IoT-Lösung von Midor ihre Informationen speist sind vielfältig. Zum einen werden verschiedene Sensoren benutzt, die Zustandsinformationen zu den Produktionswalzen oder der Raumtemperatur liefern. Zum anderen werden weitere interne Systeme – z. B. ERP-Plandaten – benutzt, um Objekte und Prozesse mit weiteren Daten anzureichern. Das Ziel ist es mit Hilfe der Daten den Produktionsprozess der Süßwaren effektiver zu gestalten, sodass weniger Produktionsstopps und dadurch weniger Lebensmittelabfälle entstehen (Optimierung). Um dieses Datenziel zu erreichen, verwendet Midor Machine Learning Algorithmen auf der Microsoft Azure Plattform (prädiktive Datenanalyse). Midor gelingt es

Innovationsstufe

Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Datenquelle

Sensor

Interne Systeme

Externe Systeme

System von Systemen

Datenziel

Observation

Steuerung

Optimierung

Automatisierung

Datenanalyse

Deskriptiv

Diagnostisch

Prädiktiv

Präskriptiv

Datenbasierte Transformation

Prozess

Produkte & Dienstleistungen

Neue Produkte & Dienstleistungen

Geschäftsmodell

Abb. 3.5  Ausgefülltes Innovationsstufenmodell für die IoT-Lösung von Midor

3  Innovation durch den Einsatz von Enterprise IoT-Lösungen – Ein Modell zur …

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mit Hilfe ihrer IoT-Lösung Produktionsunterbrüche und ihre Lebensmittelabfälle erheblich zu reduzieren. Der Einsatz ihrer IoT-Lösung hat damit zu einer Verbesserung der eigenen Süßwarenproduktion geführt.

3.5

 utzungsoptionen und Mehrwerte für N die Unternehmenspraxis

Modelle, die Reifegrade oder Entwicklungsstufen aufzeigen, sind beliebte Instrumente in der Beratungs- und Managementpraxis. Der Abstraktionsgrad des Innovationsstufenmodells ist gegenüber Modellen im Prozessmanagement recht hoch; trotzdem oder gerade deshalb kann es für verschiedene Nutzungsszenarien mit entsprechenden Mehrwerten eingesetzt werden.

3.5.1 Ist-Situation und Fortschrittsanalyse Am Anfang einer managementorientierten Betrachtung steht immer eine Ist-­ Analyse zur Standortbestimmung. Die kompakte Visualisierung des Innovationsstufenmodells mit den vier Dimensionen gibt eine Übersicht in vertrauter Darstellung, die sich gut erfassen, kommunizieren und im Berichtswesen verwenden lässt. Damit lassen sich auch Entwicklungsfortschritte über die Zeit zeigen, oder Lösungen in der eigenen Organisation oder aus dem Wettbewerbsumfeld einander gegenüberstellen. Inwieweit das Modell im Top-Management angenommen wird und die Diskussionen fokussiert und vereinfacht, wäre eine mögliche weitere Forschungsrichtung. Da Innovationsprojekte nicht nur top-down, sondern eher aus dem Kern der Orga­ nisation heraus entstehen, könnte das Modell der besseren Sichtbarkeit auf Topmanagement-Ebene und unternehmensweit dienen und damit die „Middle-­up-­downVerankerung“ fördern. Gut strukturierte Beschreibungen von komplexen Lösungen wirken wie ein Tutorial für das individuelle Verständnis und Lernen von Fachthemen und deren Terminologie. Gerade in Hype-Phasen von Begriffen – wie Data Analytics, Smart IoT, Artificial Intelligence und Machine Learning – existieren in den Köpfen die unterschiedlichsten Vorstellungen, was eine effektive Kommunikation sehr erschwert. Unser Modell zeigt nicht nur das Spektrum und die Reichweite der innovativen Möglichkeiten, sondern jedem Feld des Modells sind in Abschn. 4.1 auch Erklärungen hinterlegt, in die jeder bei Interesse hineinzoomen kann. Auf der Projekt- und Organisationsebene unterstützt das Modell, von den Erfahrungen anderer zu lernen. Seine Nutzung für die einheitliche Darstellung in Use-­ Case-­Sammlungen, Benchmark-Untersuchungen oder der Auswahl von preiswürdigen Enterprise IoT-Lösungen macht schneller erkennbar, wer mit welcher Lösung gleich weit oder weiter ist. Unternehmen können so gezielt Peers identifizieren und den Erfahrungsaustausch suchen, um bekannte Risiken und Fehler zu vermeiden und für gute Praktiken inspiriert zu werden. Außerdem lassen sich mit Hilfe des

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C. Marheine et al.

Modells leichter ein geteiltes Verständnis von dem unterschiedlichen Innovationsgrad von IoT-Lösungen entwickeln und Interessenschwerpunkte verorten.

3.5.2 Entscheidungsunterstützung Enterprise IoT-Lösungen hoher Innovationsstufen erfordern beträchtliche Investitionen und brauchen deshalb Topmanagement-Entscheide. Durch die Stufendarstellung wird das Management für die Frage sensibilisiert, ob Entscheidungsvorlagen vielleicht zu große Schritte bedeuten und man lieber inkrementell Erfahrungen sammeln und Fertigkeiten aufbauen will, oder ob mehrere Innovationsstufen ohne große Risiken übersprungen werden können. Wenn in das Modell erfolgreiche Praxisbeispiele eingeordnet werden, können einem unsicheren Management auch die Dringlichkeit und Innovationspotenzial von IoT-Lösungen aufgezeigt werden. Zu den typischen Entscheidungssituationen in Digitalisierungsinitiativen zählt auch die Koordinierung von dezentralen Innovationsprojekten oder – teils fragmentierten – Digital-Teilstrategien. Wie Wulf et al. (2017) in ihren Ausführungen zum Digital Services Capability Model ausführen, dienen solche Modelle auch der Konsensbildung. Sowohl die oben schon erwähnte einheitliche Terminologie als auch die geteilte Einschätzung der Ist-Situation ermöglichen es, heterogene und sich ­wiedersprechende Perspektiven zu konsolidieren. Dies ist nicht nur in größeren Konzernen oder global verteilten Unternehmen dringlich, sondern auch wenn die IoT-Innovationen zu Business Ecosystems führen (vgl. System von Systemen), die mit mehr aufeinander abzustimmenden Beteiligten einhergehen. In Summe liefert das Innovationsstufenmodell Unternehmen ein methodisches Werkzeug, mit dem sie die Entwicklung oder Weiterentwicklung ihrer Enterprise IoT-Lösungen unterstützen und überdenken können.

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Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten kundenorientierten Prozesskette im Maschinenbau Thomas Pschybilla, Manuela Hofmann, Tobias Enders und Michael Vössing

Zusammenfassung

Die digitale Transformation von Unternehmen des Maschinenbaus hat in den letzten Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen. Insbesondere die Entwicklung und Nutzung digitaler Technologien eröffnet Unternehmen neue Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer internen Prozesse. Jedoch werden aufgrund des  Fehlens eines ganzheitlichen digitalen Transformationsansatzes Digitalisierungsprojekte in der Praxis oftmals von einzelnen Fachbereichen initiiert und unabhängig voneinander vorangetrieben. Bestrebungen können somit weder ganzheitlich koordiniert noch können prozessübergreifende Effekte hinreichend berücksichtigt werden. Vor allem die kundenorientierte Betrachtung der gesamten Prozesskette – von der Kundenanfrage bis zur Installation – bietet ungenutztes Potenzial, Unternehmen erfolgreich und ganzheitlich zu digitalisieren. Obwohl in der akademischen Literatur eine Vielzahl von Vorgehensmodellen zur Bewertung und Priorisierung von Projekten im IT-Umfeld beschrieben ist, stoßen diese VorUnveränderter Original-Beitrag Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten kundenorientierten Prozesskette im Maschinenbau, Pschybilla et al. (2019) Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten kundenorientierten Prozesskette im Maschinenbau, HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik 56, 1144–1156. T. Pschybilla (*) Order Fulfillment Laser Technology, TRUMPF Lasertechnik GmbH, Ditzingen, Deutschland E-Mail: [email protected] M. Hofmann Zentralbereich Digitale Transformation, TRUMPF GmbH + Co. KG, Ditzingen, Deutschland E-Mail: [email protected] T. Enders · M. Vössing Institute of Information Systems and Marketing (IISM), Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Meinhardt, F. Wortmann (Hrsg.), IoT – Best Practices, Edition HMD, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32439-1_4

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gehensmodelle in der Praxis, insbesondere bei der Bewertung und Priorisierung von Projekten entlang der gesamten Prozesskette, an ihre Grenzen. Vor diesem Hintergrund stellt dieser Beitrag ein neuartiges Vorgehensmodell vor, das Unternehmen bei der Bewertung und Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten Prozesskette unterstützt. Der entwickelte Ansatz wurde dabei in enger Zusammenarbeit mit einem Unternehmen aus der Branche Maschinenund Anlagenbau, der TRUMPF GmbH + Co. KG, validiert und die Ergebnisse mit Experten unterschiedlicher Bereiche des Unternehmens veri­fiziert. Schlüsselwörter

Digitale Transformation · Digitalisierung · Projektpriorisierung · Prozesskette · Maschinenbau

4.1

Einleitung und Motivation

Die fortschreitende digitale Transformation des Maschinenbaus führt zu einer neuartigen Verknüpfung von Ressourcen, Informationen, Objekten und Menschen über gesamte Wertschöpfungsnetze hinweg (Kagermann et  al. 2015). Unternehmen eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten, ihre Prozesse zu verbessern, neue ­ ­Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und Geschäftsmodelle anzupassen (Hunke und Schüritz 2019), um so ihren Kunden attraktive Mehrwerte entlang der gesamten Prozesskette bieten zu können (Kersten et al. 2017; Bauer et al. 2014). Neben zahlreichen Chancen, welche auch durch die voranschreitende Digitalisierung entstehen, sehen sich Unternehmen des Maschinenbaus derzeit wachsenden Herausforderungen gegenüber. Diese äußern sich zum einen in einem steigenden Wettbewerbsdruck und zum anderen im Umgang mit komplexen Marktanforderungen. Die vom Markt und Kunden geforderte Flexibilität hinsichtlich Menge, Termin und Variantenvielfalt nehmen ebenso deutlich zu wie die Anforderungen an P ­ rodukte und Dienstleistungen. Diese extern induzierte Komplexität führt gleichzeitig zu einem Anstieg der internen Komplexität (Vössing 2017), welche sich an der steigenden Varianz der zu fertigenden Produkte, zunehmend kürzeren Produktlebenszy­ klen, einer stark diversifizierten Prozesslandschaft sowie stetig ansteigenden Datenmengen verdeutlichen lässt (Dispan 2017; Bauernhansl 2014). Zur Bewältigung dieser gesteigerten Komplexität können mit der digitalen Transformation und der damit verbundenen Umsetzung von Digitalisierungsprojekten nicht nur Potenziale in einzelnen funktionalen Bereichen gehoben werden (z. B. Satzger et al. 2015; Vössing 2019). Vielmehr wandelt sich die Perspektive von einer funktionalen hin zu einer prozessorientierten Betrachtung. Hierbei steht die ganzheitliche („end-to-end“) Kundensicht im Fokus. Diese kundenzentrierte Gesamtprozesssicht – von der Kundenanfrage über die Herstellung und Lieferung bis hin zur Installation – berücksichtigen Unternehmen heutzutage jedoch nicht konsequent. In diesem Zusammenhang schöpfen Unternehmen derzeit noch nicht vollumfänglich die Potenziale der digitalen Transformation aus, sodass die Digitalisie-

4  Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten …

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rung sowie die ganzheitliche Transformation von Unternehmen nur zurückhaltend vorangetrieben wird (Rinn et al. 2019; Staufen AG 2018). Gründe hierfür sind einerseits der nur schwer messbare Mehrwert und Nutzen der Digitalisierung, und andererseits die funktionale Betrachtung von Prozessen in einzelnen Fachbereichen. Dies führt zu einer singulären Initiierung, Bewertung, Monetarisierung und Priorisierung von Projekten der Digitalisierung, ohne deren Potenziale und Effekte über Bereichsgrenzen hinweg zu berücksichtigen. Zudem fehlt vielen Unternehmen ein strategisches Gesamtbild sowie die notwendige Digitalkompetenz in Führungsebenen, weshalb vermehrt kleinere Pilotprojekte anstatt größerer, auf ein einheitliches Zielbild ausgerichtete, Programme gestartet werden (Rinn et al. 2019; Dispan und Schwarz-Kocher 2018; Staufen AG 2018). Digitalisierungsprojekte sind durch viele Abhängigkeiten charakterisiert, deren Ursprung und Wirkung nicht zwingend in nur einem Fachbereich liegen (Beer et al. 2013). Darüber hinaus sollten Projekte aus einer kundenorientierten Perspektive auf die gesamte Prozesskette umgesetzt werden, damit die Kundenanforderungen ­entsprechend erfüllt werden. Zur Verbesserung der aufgezeigten Defizite stellt der vorliegende Beitrag einen Ansatz zur Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten kundenorientierten Prozesskette vor. Hierbei wird ein Vorgehensmodell entwickelt, mit welchem Unternehmen auf Basis wissenschaftlicher Grundlagen ihre Digitalisierungsprojekte bewerten und priorisieren können. Durch Anwendung des Modells im Rahmen einer realen Prozesskette des Maschinen- und Anlagenbauers TRUMPF GmbH + Co. KG wird der entwickelte Ansatz validiert und anschließend mit Experten verifiziert. Der Ansatz zielt darauf ab, gleichermaßen auf differenzierte Prozesse unterschiedlicher Branchen anwendbar zu sein. Die Betrachtung der gesamten Prozesskette führt zu einer übergreifenden Bewertung und Priorisierung von Projekten, bei denen der Kunde sowie die Ziele und die durchgängige Vernetzung des Gesamtunternehmens im Fokus stehen.

4.2

Grundlagen und Stand der Technik

Digitalisierung Die Digitalisierung steht für die zunehmende Verbreitung digitaler Technologien in Wirtschaft und Gesellschaft und bezieht sich auf die Veränderung soziotechnischer Systeme und Prozesse. Im Gegensatz zur Digitalisierung kann die digitale Transformation mehr als ein stetiger Wandel eines gesamten Unternehmens im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung und eine nachhaltige Wertschöpfung verstanden werden (Gimpel et al. 2018). Die digitale Transformation aus Unternehmenssicht bezeichnet dementsprechend nicht nur die technologische Weiterentwicklung eines Unternehmens. Vielmehr wird die gesamte Transformation eines Unternehmens adressiert. Darunter fallen neben der zunehmenden Digitalisierung von Prozessen auch die Nutzung digitaler Technologien, die Veränderung der hierarchischen Strukturen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter sowie die Bereitstellung und Vernetzung aller Informationen. Insbesondere um steigende Kundenbedürfnisse zu erfüllen, gewinnt die Umsetzung einer integrierten und flexiblen IT-Infrastruktur an Bedeutung (Gimpel et al. 2018).

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Kundenorientierte Gesamtprozesssicht Die gesamte kundenorientierte Prozesskette, im englischen Sprachraum auch als end-to-end bekannt, beschreibt eine Reihe von Aktivitäten, welche durch eine Kundenanfrage ausgelöst und mit der Erfüllung dieser Anfrage abgeschlossen wird (Maddern et al. 2013). Diese Prozesskette kann demnach als wertschöpfender Prozess bezeichnet werden, der durch interne oder externe Kunden initiiert wird und ohne Prozessbrüche beim Kunden endet. Hierbei kann der Prozess verschiedene Geschäftsbereiche durchlaufen (Gaydoul und Daxböck 2011). Nach Gadatsch (2017) sollten die Kernprozesse eines Unternehmens als solche in sogenannten „end-to-end“ Prozessen organisiert sein und kundenorientiert gestaltet werden, um zu einer Befriedigung der Kundenanforderungen zu führen. Durch die Fokussierung auf den Kundenauftrag sind Abteilungsgrenzen innerhalb der „end-to-end“ Sicht nicht eindeutig festgelegt, sondern gehen in fließende Übergänge zwischen den beteiligten Bereichen über (Maddern et al. 2013). Daher werden Geschäftsprozesse eines Unternehmens nicht mehr nur vertikal, sondern auch horizontal über Abteilungsgrenzen hinweg betrachtet. Gerade durch diesen übergreifenden Gedanken können Potenziale an den Schnittstellen genutzt werden. Außerdem ermöglicht die Planung und Steuerung der durchgängigen Prozesse die Identifikation von signifikanten Potenzialhebeln (Gaydoul und Daxböck 2011). Wie Maddern et al. (2013) beschreiben, ist die „end-to-end“ Sicht in der Praxis bereits bekannt. Jedoch wird das prozessorientierte Konzept der kundenorientierten Gesamtprozesssicht noch unzureichend in der Praxis umgesetzt, sodass aus Unternehmenssicht wertvolle Potenziale verloren gehen. Wissenschaftliches und methodisches Vorgehen Nach Hevner et al. (2019) bietet das Design Science Research (DSR)-Paradigma eine effektive Möglichkeit, um messbare Auswirkungen von digitalen Innovationen in der Praxis zu demonstrieren. Aus diesem Grund ist das in diesem Beitrag präsentierte Vorgehensmodell auf Basis der Design Science Research Methodik (DSRM) nach Peffers et al. (2007) entwickelt worden. Dieses lässt sich in sechs Schritte aufgliedern: (1) Problemidentifikation und Motivation, (2) Zieldefinition für eine Lösung, (3) Design und Entwicklung, (4) Demonstration, (5) Bewertung und (6) Kommunikation. Basierend auf einer fundierten Literaturrecherche nach vom Brocke (2009) erfolgt der iterative Designprozess nach den DSR-Richtlinien von Hevner et al. (Hevner et al. 2004) in enger Zusammenarbeit mit Experten unterschiedlicher Bereiche der TRUMPF GmbH + Co. KG. Nach der Identifikation des Praxisdefizits (Schritt 1) werden Anforderungen anhand qualitativer Interviews abgeleitet (Schritt 2). Anschließend wird das Vorgehensmodell iterativ entwickelt (Schritt 3 und 4). Jeder Prozessschritt wird während der Entwicklung entsprechend der Anforderungen in Zusammenarbeit mit Experten validiert und bewertet (Hevner et al. 2004). Zur Ableitung der Anforderungen wurden Experteninterviews, mit dem Ziel aktuelle Hindernisse bei der gesamtheitlichen Bewertung, Priorisierung und Umsetzung von Digitalisierungsprojekten zu eruieren, durchgeführt. Hierbei wurden Domänenexperten von TRUMPF aus unterschiedlichen Fachbereichen befragt (u.  a.

4  Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten …

61

Programm-Manager aus dem Vertrieb, dem Zentralbereich Digitale Transformation sowie der IT, Digital Transformation Officer TRUMPF und Geschäftsführung der Trumpf Schweiz AG). Daraus wurden folgende Anforderungen an eine zukünftige Priorisierung von Digitalisierungsprojekten abgeleitet: • • • • • •

Der Beitrag von Projekten zu strategischen Digitalisierungszielen Die Berücksichtigung intertemporaler Abhängigkeiten zwischen den Projekten Eine ganzheitliche Betrachtung der kundenorientierten Prozesskette Die Verwendung allgemeingültiger Bewertungsmethoden Eine transparente Anwendbarkeit Die Berücksichtigung rechtlicher Aspekte

Die im folgenden Kapitel vorgestellten Ansätze zur Priorisierung von IT-­Projek­ ten sind das Ergebnis einer umfangreichen Literaturrecherche. Sie wurde auf Basis der von vom Brocke et al. (2009) und Webster und Watson (2002) vorgeschlagenen Vorgehensweise durchgeführt. Dabei wurde eine Stichwortsuche in den wichtigsten Journalen der Wirtschaftsinformatik ohne zeitliche Einschränkung vorgenommen und anschließend durch eine Vorwärts- und Rückwärtssuche ergänzt. Abschließend wurden sowohl die zu Grunde gelegten Anforderungen als auch das Praxisdefizit zur Bewertung der identifizierten Ansätze herangezogen.

4.3

Priorisierungsansätze und Theoriedefizit

In der Vergangenheit wurden bereits mehrere Ansätze zur Bewertung und Priorisierung von Projekten im Bereich der Informationstechnologie (IT) entwickelt. Eine Vielzahl dieser Artikel basiert auf traditionellen Methoden der Finanzanalyse. Ward et al. (2008) entwickeln spezielle Business Cases für IT-Investitionen. Bei diesen werden Veränderungen berücksichtigt, die durch das Umsetzen neuer Aktivitäten, das bessere Erbringen oder das Unterlassen von Aktivitäten realisiert werden. Darüber hinaus werden alle, auch die mit organisatorischen Veränderungen verbundenen, Kosten und Risiken einbezogen (Ward et al. 2008). Weitere Priorisierungs- und Bewertungsansätze für IT-Projekte basieren auf Methoden der Real Options Theorie (ROT). Insbesondere im Kontext intertemporaler Abhängigkeiten werden Realoptionen in Form von sogenannten Wachstumsoptionen verwendet (Bardhan und Sougstad 2004; Benaroch und Kauffman 1999). Aber auch für die Bewertung weiterer Formen von Realoptionen, die in IT-Investitionen eingebettet sein können, wird ROT angewendet. Das Aufschieben, Skalieren oder Abbrechen eines Projektes ist in diesem Kontext denkbar. Die Möglichkeit, zukünftige Optionen monetär zu messen, ist der Hauptbeitrag der ROT-Modelle (Benaroch et al. 2007). Bardhan und Sougstad (2004) entwickeln ein Realoptionsmodell, bei dem sich der Barwert eines IT-Projekts um den projektabhängigen Embedded Options Value erhöht. Wenn ein Projekt beispielsweise ein weiteres Projekt in der Zukunft ermöglicht, steigt sein Wert entsprechend dem Nutzwert des zukünftigen

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T. Pschybilla et al.

­ rojekts. Aus den damit berechneten Projektwerten kann anschließend eine PrioriP sierung der Projekte abgeleitet werden (Bardhan und Sougstad 2004). Andere Ansätze versuchen die Priorisierung von Digitalisierungsprojekten mithilfe der Entwicklung von Entscheidungsunterstützungssystemen, die mathematische, multikriterielle Optimierungsmodelle anwenden. Diese implementieren eine Portfolioanalyse zur Identifikation und Visualisierung der optimalen Investitionsentscheidung (Lourenço et  al. 2012). In diesem Zusammenhang realisieren Ghasemzadeh und Archer (2000) einen Projektauswahlrahmen als Entscheidungsunterstützungssystem. Bei diesem handelt es sich um einen fünfstufigen Prozess, der Projekte vorselektiert, analysiert und nach einer zu Beginn definierten Strategie und ausgewählten Methoden sichtet. Die Auswahl der Projekte findet anschließend ­unter Berücksichtigung von Abhängigkeiten und Ressourcenengpässen statt. Abschließend wird die Bedeutung von Portfolioanpassungen durch die Entscheidungsträger hervorgehoben, um den Prozess möglichst anwendungsfreundlich zu gestal­ ten (Archer und Ghasemzadeh 1999). Zur Bewertung der Ansätze werden die in Abschn. 2.3 erwähnten Anforderungen sowie das in Kap. 1 aufgezeigte Praxisdefizit herangezogen. Hierbei ist erwähnenswert, dass einzelne Teile der Anforderungen singulär umgesetzt werden. Während Digitalisierungs- und Unternehmensziele sowie deren Abhängigkeiten bei einem Großteil der Ansätze in die Bewertung einfließen, fehlt es an einer ganzheitlichen kundenorientierten Prozesssicht sowie einer transparenten Anwendbarkeit. Gesamtheitlich berücksichtigt derzeit kein Ansatz alle vorgestellten Anforderungen. Daher benötigen Unternehmen neuartige Ansätze, mit denen Sie eine ganzheitliche ­Transformation quantifizieren, priorisieren und systematisch vorantreiben können. Auch wenn die vorgestellten Ansätze den Anforderungen nicht vollständig genügen, so bieten sie dennoch wesentliche Elemente und Strukturen, auf denen im vorliegenden Beitrag aufgebaut wird. Diese werden im folgenden Kapitel aufgegriffen und an einem Beispiel der TRUMPF GmbH + Co. KG umgesetzt.

4.4

 ntwicklung und Anwendung des Ansatzes am Beispiel E der TRUMPF GmbH + Co. KG

Das vorherige Kapitel hat bestehende Ansätze für die Bewertung und Priorisierung von Digitalisierungs- beziehungsweise IT-Projekten aufgezeigt. Keiner der bestehenden Ansätze ist jedoch ausreichend in der Lage alle abgeleiteten Anforderungen aus der Praxis abzubilden sowie die Komplexität der Entscheidung angemessen zu reduzieren. Deshalb wird die Anwendung eines schrittweisen Verfahrens empfohlen, das die Vorteile verschiedener, bereits bestehender Ansätze kombiniert und w ­ eiterentwickelt. Das Konzept basiert auf den Phasen des „project portfolio selection frameworks“ von Archer und Ghasemzadeh (1999) und Ghasemzadeh und Archer (2000). Das Gesamtvorgehen, einschließlich aller erforderlichen Aktivitäten, ist in Abb. 4.1 dargestellt. Das Priorisierungsverfahren besteht dabei aus vier aufeinander aufbauenden Phasen. Das Ergebnis jeder Phase ist ein immer weiter reduziertes Projektportfolio.

4  Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten …

63

In der Vorauswahl werden zunächst im Portfolio vorhandene oder potenziell neue Projekte selektiert, die entlang der betrachteten Prozesskette wirken und die Ausgangsbasis des Priorisierungsprozesses bilden. Die so vorselektierten Projekte werden anschließend einzeln analysiert, bevor sie anhand der Unternehmensstrategie überprüft und weiter eingeschränkt werden. In der dritten Phase werden die Projekte auf Portfolioebene konsolidiert. Dabei werden Projektzusammenhänge identifiziert und analysiert. Mit diesen Abhängigkeiten können sowohl Projekt- als auch Portfoliowerte berechnet werden. Schließlich kann ein priorisiertes Projektportfolio abgeleitet werden. In der vierten Phase sind einerseits Portfolioanpassungen auf Basis von Managementerfahrungen sowie andererseits eine proaktive ­Projektsteuerung zur Identifikation und Berücksichtigung von Veränderungen durchzuführen. Dieser Schritt stellt einen laufenden Prozess zur Sicherstellung des Projekterfolgs und der Portfolioverbesserung dar. Die Erklärung und Anwendung der Teilschritte erfolgt im Folgenden am Beispiel der Markierlaser der TRUMPF GmbH + Co. KG.  Die Markierlaser sind im Geschäftsfeld Lasertechnik eine Technologie, mit der Metalle und weitere Werkstoffe

Abb. 4.1  Vorgehensmodell zur Priorisierung von Digitalisierungsprojekten

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auf unterschiedliche Arten, wie Gravieren, Abtragen oder Anlassen, markiert werden können. Neben der ständigen Verbesserung und Entwicklung neuer Lösungen in den beiden Geschäftsbereichen Lasertechnik und Werkzeugmaschinen treibt die TRUMPF GmbH + Co. KG die digitale Transformation im ganzen Unternehmen voran. In diesem Zusammenhang sind unter anderem neue digitale Angebote für Kunden sowie die Digitalisierung der internen Prozesse zu nennen. Phase 1 – Projektvorauswahl Nach Archer und Ghasemzadeh (1999) umfasst die erste Phase die Überprüfung der strategischen Ausrichtung der Projekte, die Identifizierung obligatorischer Projekte und die Durchführung einer Machbarkeitsanalyse. Daher werden in dieser Phase Projekte, die im Detail untersucht werden sollen, durch die Anwendung von zwei Aktivitäten vorselektiert. Zunächst werden alle relevanten Projekte identifiziert, die entlang der gesamten kundenorientierten Prozesskette der Markierlaser wirksam sind. Die TRUMPF GmbH + Co. KG hat im Zuge ihrer digitalen Bestrebungen ein spezifisches Portfolio an Digitalisierungsprojekten entwickelt, das alle Projekte mit Auswirkungen auf ihre Digitalisierungsziele umfasst. Im Mittelpunkt dieser Ziele stehen insbesondere die Effizienzsteigerung, die Verkürzung der Durchlaufzeiten sowie die Verbesserung der Kundenzufriedenheit. Alle Projekte in diesem Portfolio werden konsequent auf ihre Auswirkungen auf die Prozesskette der Markierlaser untersucht. Durch die qualitative Identifizierung der projektbedingten Effekte und deren Zuordnung zu den betrachteten Prozessen können die entlang der Prozesskette der Markierlaser wirksamen Projekte erkannt und entsprechend ausgewählt werden (Abb. 4.2). In der nachfolgenden Übersicht (Abb. 4.3) werden die vorselektierten Projekte kurz vorgestellt. In Abb. 4.2 wird außerdem deutlich, dass alle identifizierten Projekte mehreren Prozessen zugeordnet werden können. Beispielsweise unterstützt der digitale Zwilling (Projekt F) sowohl im Vertrieb beim Verkauf möglicher Soft- und Hardwareerweiterungen als auch bei Neuprojekten von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Betrieb im Feld.

Abb. 4.2  Gesamtheitliche Projekt-/Prozesszuordnung

4  Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten … Projekt

65

Kurzbeschreibung

A

CRM Modernisierungstool

Die bestehenden CRM-Prozesse und das CRM-System werden auf Basis aktueller Anforderungen modernisiert

B

Auftragsabwicklungstool

Angebots- und Auftragsabwicklungstool, das auf Basis zahlreicher automatisierter Schnittstellen und Beziehungswissen das effiziente und einfache Arbeiten ermöglicht

C

Robotic Process Automation

Manuelle Aufwände und potentielle Fehlerquellen werden durch Prozessautomatisierungslösungen wie Robotic Process Automation reduziert

D

Kundenplattform

Ausbau zur zentralen, weltweiten Kundenplattform mit zahlreichen Applikationen für ein durchgängiges Kundenerlebnis

E

Sales and Operations Planning

Implementierung eines funktionsübergreifenden Ansatzes zur Lieferkoordination unter Integration von Vertrieb, Beschaffung, Produktion und Service

F

Digitaler Zwilling

Digitales Abbild mit passender Visualisierung zur Schaffung von Transparenz zu spezifischen Produktinformationen über den gesamten Produktlebenszyklus

Abb. 4.3 Projektbeschreibungen

Des Weiteren werden verbindliche Projekte unter rechtlichen Gesichtspunkten reflektiert und deren Machbarkeit geprüft. Insbesondere die vorgelagerte Priorisierung von Projekten bzgl. der Einhaltung von Vorschriften wie Datenschutzbestimmungen kann in diesem Zusammenhang genannt werden. Im Kontext des Markierlaserprozesses ist keines der ausgewählten Projekte verpflichtend aufgrund von Gesetzen oder Vorschriften oder besonders kritisch in Bezug auf rechtliche Anforderungen. Deshalb muss kein Projekt von der Priorisierung ausgeschlossen werden. Phase 2 – Projektanalyse Um die vorselektierten Projekte bewerten und priorisieren zu können, werden diese nach qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten unter Verwendung der von Ward et al. (2008) entwickelten Business Cases für IT-Investments sowie der Kapitalwertmethode analysiert. Zunächst erfolgt je vorselektiertem Projekt die Erfassung der Projektziele und -nutzen sowie deren anschließende Quantifizierung. Hierzu zählt einerseits die systematische qualitative Erfassung der Nutzwerte anhand der Art der organisatorischen Veränderung nach Ward et al. (2008). Andererseits werden die Effekte je aufgeführtem Nutzen an der Prozesskette gespiegelt und ihr zu erwartendes Eintrittsdatum definiert. Hierbei werden die Effekte auf die Zielgrößen und die einzelnen Prozesse heruntergebrochen. Im Fall des Auftragsabwicklungstools (Projekt B) wurde beispielsweise untersucht wie durch die automatisierte Einlastung des Auftragseingangs in das ERP-System vorhandene Prozesse eliminiert oder angepasst und somit die Effizienz sowie die Durchlaufzeit in den Auftragsbearbeitungsprozessen beeinflusst werden. Nachfolgend können die Effizienz und Durchlaufzeit mithilfe von Personalkosten und Working Capital monetarisiert werden. Neben der Nutzenbetrachtung werden außerdem die Kosten und Risiken der Projekte bestimmt. Die Risikowerte können wiederum Einfluss auf die Nutzenwirkung haben. Projekte in einem frühen Projektstadium erreichen die geschätzten Nutzen beispielsweise mit einem höheren Risiko als bereits in der Skalierung befindliche Projekte. Auf dieser Grundlage werden abschließend die Projekte aus dem Portfolio genommen, die nicht auf das strategische Zielbild des Unternehmens einzahlen.

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T. Pschybilla et al.

Phase 3 – Portfoliobildung In dieser Phase werden die Projektwerte im Kontext des gesamten Portfolios berechnet. Hierzu werden Projektabhängigkeiten berücksichtigt, die bei IT-Projekten beispielsweise durch vorausgehende IT-Infrastrukturprojekte entstehen. Diese sogenannten Grundlagen-Projekte sind Voraussetzung für weitere übergreifende Themen, die für sich allein betrachtet keinen positiven Wertbeitrag stiften (Bardhan und Sougstad 2004). Im Fall der TRUMPF GmbH + Co. KG wurden Infrastrukturprojekte bereits gruppenweit initiiert und daher nicht selektiert. Die Projektabhängigkeiten bestehen im Betrachtungsfall des CRM Modernisierungs-Tools (Projekt A) beispielsweise darin, dass die im System gepflegten Kundendaten sowie die generierten Verkaufsmöglichkeiten weiteren Tools und Anwendungen automatisiert zur Verfügung gestellt werden. Indem alle notwendigen Daten und Informationen im Auftragsabwicklungs-Tool (Projekt B) bereitgestellt werden, können unnötige Medienbrüche oder fehleranfällige Kopieraufwände reduziert werden. Weiterhin ­können die Informationen über bestehende Verkaufsmöglichkeiten in ein übergreifendes Sales & Operations Planning System (Projekt E) integriert werden, um zukünftige Bedarfe besser analysieren und bestimmen zu können. Somit würde der Mehrwert der Projekte B und E durch die Nicht-Durchführung von Projekt A sinken. Auf Basis der definierten Abhängigkeiten wird das Realoptionsmodell von Bardhan und Sougstad (2004) herangezogen, um Interdependenzen abzubilden, deren Wirkung bei der Gesamtprojektpriorisierung zu berücksichtigen ist. Für alle bis hierhin selektierten Projekte kann der Gesamtprojektwert eines Projekts, welches Folgeprojekte ermöglicht, aus der Summe des Kapitalwertes und des Realoptionswertes bestimmt werden. Projekte mit einem negativen Projektwert sollten an dieser Stelle aus dem Portfolio entfernt werden. Anschließend müssen die Projektwerte für die verbleibenden Projekte, bedingt durch gegebenenfalls vorhandene Abhängigkeiten, neu berechnet werden (Bardhan und Sougstad 2004). Abschließend kann die übergreifende Priorisierung anhand der Projektwerte vorgenommen werden. Dazu können die Projektwerte den Gesamtkosten gegenübergestellt werden (Abb.  4.4). Am Beispiel des Markierlaserprozesses weisen die Projekte F, C, E und B gegenüber den Projekten A und D deutlich höhere Werte auf. Jedoch kann die vollständige Wirkung der Projekte B, E und F nur unter Adaption der Projekte A und D erfolgen. Da die Projekte A und D zudem eine gruppenweite strategische Bedeutung genießen, werden alle Projekte im Portfolio weiterverfolgt. Phase 4 – Portfoliomanagement Im Rahmen des Portfoliomanagements bleibt es von hoher Bedeutung, Portfolioanpassungen und die Projektsteuerung im Auge zu behalten, um den identifizierten Projekterfolg zu gewährleisten. Laut Ghasemzadeh und Archer (2000) sollten Entscheidungsträger in der Endphase des Prozesses ihr Wissen und ihre Erfahrung einbringen, um das Portfolio zu bewerten und anzupassen. Dieser Mechanismus berücksichtigt auch die Praktikabilität des Ansatzes, da die Kontrolle über die endgültige Investitionsentscheidung den Entscheidungsträgern übertragen wird. Wenn jedoch eine Anpassung wie das Hinzufügen oder Entfernen eines Projekts vorgenommen

4  Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten …

67

Projektpriorisierung

Project F

2.

Project C

3.

Project E

4.

Project B

5.

Project A

6.

Projekt D

F Projektwert [€]

1.

E

C

B D

A

Projektkosten [€]

Abb. 4.4  Projektwert-Kosten-Matrix am Beispiel der TRUMPF Markierlaser

wird, ist es wichtig, erneut die vorherigen Prozessschritte durchzuführen und den Portfoliowert neu zu berechnen. Im Falle der Prozesskette der Markierlaser sollte derzeit kein Projekt depriorisiert und somit aus dem Portfolio entfernt werden. Alle sechs Projekte, die im Rahmen des Markierlaserprozesses als wirksam identifiziert wurden (positiver Projektwert), werden entsprechend dem Projektportfolio umgesetzt und hinsichtlich ihrer Wirkung im Rahmen der Projektsteuerung überwacht.

4.5

Zusammenfassung und Ausblick

Das entwickelte Vorgehensmodell bietet Unternehmen die Möglichkeit, Digitalisierungsprojekte entlang ihrer gesamten Prozesskette zu bewerten, gegenüberzustellen und darauf aufbauend zu priorisieren. Das Vorgehensmodell gibt Anwendern Bausteine entlang der vier Phasen für die Betrachtung von Digitalisierungsprojekten an die Hand, die bedarfsorientiert angepasst und adaptiert werden können. Die Herangehensweise kann unabhängig davon verwendet werden, in welchem Entwicklungsstadium sich ein Projekt befindet. Hilfsvariablen wie individuelle Risikowerte und Abhängigkeiten bieten die Möglichkeit mögliche Eventualitäten zu betrachten. Die beispielhafte Anwendung im Kontext der gesamten Prozesskette der Markierlaser der TRUMPF GmbH + Co. KG hat gezeigt, dass der Ansatz Unternehmen im Maschinenbau dabei unterstützen kann, eine prozessorientierte Betrachtung zu verstärken und eine ganzheitliche digitale Transformation voranzutreiben. Das Vorgehensmodell hat dem bereichsübergreifendem Projektteam, bestehend aus Vertretern des Vertriebs, der Produktion, des Services, des Zentralbereichs Digitale Transformation sowie der beteiligten Tochtergesellschaften geholfen, eine ausreichend detaillierte Transparenz über die Wirkungen und Abhängigkeiten der Projekte entlang der gesamten Prozesskette zu schaffen. Auf dieser Grundlage konnte gemeinsam mit den Auftraggebern eine priorisierte Vorgehensweise festgelegt werden. Die Implementierung einer ganzheitlichen Projektsteuerung über die gesamte kundenorientierte Prozesskette wurde im Anschluss aufgesetzt, um die vierte Phase des entworfenen Frameworks zu instanziieren und dessen Ergebnis zu überprüfen.

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T. Pschybilla et al.

Das Vorgehensmodell kann in weiteren Branchen zum Einsatz kommen, da seine Struktur individuell auf spezifische Prozesse angepasst werden kann. Der signifikante Nutzen des Vorgehensmodells liegt insbesondere in der prozessübergreifenden Transparenz. Daher ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie ein gesamtheitlicher Blick über Bereichsgrenzen hinweg eine wesentliche Voraussetzung zur Anwendung. Bei der Adaption ist zu beachten, dass sich Anwender im Vorfeld Gedanken machen, welche Prozesse in die Betrachtung einfließen, anhand welcher übergreifenden Zielgrößen und Hilfsvariablen priorisiert werden soll und wie Abhängigkeiten sowie Risiken die Bewertung beeinflussen. Um zukünftig Organisationen nicht mit unterschiedlichen Bewertungs- und Priorisierungsverfahren zu überfordern und ein ganzheitliches Portfoliomanagement aufzubauen, sollte eine Harmonisierung des Verfahrens angestrebt werden. Hierbei wird die Herausforderung bestehen, Projekte unterstützender Geschäftsbereiche in eine Gesamtprojektpriorisierung mit einzubeziehen.

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4  Priorisierung von Digitalisierungsprojekten entlang der gesamten …

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IoT Best Practices Fallstricke bei der Realisierung von (Industrial) Internet of Things (IIoT)-Projekten frühzeitig erkennen und adressieren Marco Barenkamp, Jan Hendrik Schoenke, Novica Zarvic und Oliver Thomas Zusammenfassung

Das Internet der Dinge treibt die Digitalisierung in vielen Lebensbereichen und vor allem in der Industrie stark voran. Dabei ergeben sich eine Vielzahl von neuen und verbesserten Anwendungsszenarien und Geschäftsmodellen. Getrieben durch die (theoretisch) unbegrenzten Möglichkeiten der Umsetzung, müssen besonders in der Planung zentrale Sachverhalte vorab evaluiert und bewertet werden, um in Bereichen wie Sicherheit, Betriebsfähigkeit, Skalierung, Wirtschaftlichkeit sowie Geschäftsmodell eine bestmögliche Qualität zu erreichen. Wir geben einen Überblick über die Bedeutung und Zusammenhänge dieser verschiedenen Aspekte und zeigen an einem internationalen (I)IoT-Projekt konkrete Fallstricke und die getroffenen Gegenmaßnahmen auf, um darauf basierend eine Empfehlung an Best Practices abzugeben, um neu zu beginnende (I)IoT-Projekte zukünftig zielgerichtet planen zu können.

unveränderter Original-Beitrag Barenkamp et  al. (2019) IoT Best Practices, HMD  – Praxis der Wirtschaftsinformatik 56, 1157–1177. M. Barenkamp (*) · J. H. Schoenke LMIS AG, Osnabrück, Deutschland E-Mail: [email protected]; [email protected] N. Zarvic DFKI, Osnabrück, Deutschland E-Mail: [email protected] O. Thomas Fachgebiet Informationsmanagement und Wirtschaftsinformatik, Universität Osnabrück, Osnabrück, Deutschland E-Mail: [email protected] © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Meinhardt, F. Wortmann (Hrsg.), IoT – Best Practices, Edition HMD, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32439-1_5

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5

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M. Barenkamp et al.

Schlüsselwörter

IoT · IIoT · Industrial Internet of Things · Projektplanung · Industrie 4.0 · Best practices

5.1

Hintergrund

Die vierte industrielle Revolution schlägt eine Brücke zwischen den physischen und digitalen Gütern und bietet Raum für Geschäftsmodelle und Anwendungsszenarien, die längst nicht mehr an Ort und Zeit gebunden sind. Insbesondere der Begriff Internet of Things (IoT) oder auch Industrial Internet of Things (IIoT) ist eng gekoppelt mit den Ideen und Möglichkeiten der Industrie 4.0. McKinsey schätzt, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen für IIoT-Anwendungen 2025 ca. 11,1 Billionen US Dollar pro Jahr betragen werden (McKinsey&Company 2015). Ebenso sollen im Jahr 2025 80 Milliarden angeschlossene Geräte existieren, die dazu beitragen werden, 180 Billionen Gigabyte neuer Daten zu generieren (Reinsel et al. 2018). IoT-Szenarien sind daher eine Disziplin, die durch ihre globale Infrastruktur neue Herausforderungen in der Softwareentwicklung entstehen lassen. Die Anforderungen an ein IoT-Projekt beschränken sich dabei nicht auf technische Aspekte hinsichtlich Hardware und Software, sondern umfassen auch gleichzeitig Fragen nach Usability und Automatisierung, im Sinne einer automatischen Auswertung von Daten und deren Weiterverwendung in (Geschäfts-)Prozessen. Der reine Austausch von Daten zwischen Maschinen ist im Kern keine neue Erfindung. Der Anspruch an IoT-Lösungen muss daher über die Ebene von technischen Protokollen hinausgehen und eine Plattform schaffen, auf der nicht nur Maschinen ihre Daten in vertrauenswürdiger Weise austauschen können, sondern insbesondere auch Transparenz und Interoperabilität für weitere Teilnehmer und Systeme geschaffen wird. Beispielhaft sei hier auf die unterschiedlichen Perspektiven von Backend-­Entwicklern, Data Scientists und Business Analysts verwiesen, die im Kern alle ein gemeinsames Ziel für eine IoT-Lösung im Blick haben, dabei aber unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Nachfolgend ist das System Industrie 4.0 und eine Auflistung der technologischen sowie organisatorischen/betriebswirtschaftlichen Treiber, Chancen und Risiken und deren Ausprägungen zu sehen. Ganz oben sind die Treiber-Technologien Künstliche Intelligenz (insbesondere machine learning), Big Data, Robotik, Sensorik, Aktorik, Cloud-Technologien, Cyber-physische Systeme, die additive Fertigung (auch 3-D-Druck genannt) und neutrale Materialien (Verpackungen für sensible Nahrungsmittel, z.  B.  Tee) zu erkennen. Diese bewirken die Reorganisation der Wertschöpfungsprozesse durch die Digitalisierung, die weitere Vernetzung, Interaktion, Flexibilisierung, Echtzeit-Datenabruf, Datenanalyse, Energie- und Ressourceneffizienz, Automation, Controlling und Qualitätssicherung. Die Transformation dieser Kernprozesse wird mithilfe der Treiber-Technologien auf Basis von neuarti-

5  IoT Best Practices

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gen Systemszenarien umgesetzt, wie beispielsweise Bereiche in der Landwirtschaft unter dem Oberbegriff Digital Agriculture (darin beispielsweise Smart Factory, Green Factory, Smart Grids, Urban Manufacturing oder Robot Farming). Aus deren Einsatz werden Chancen generiert, wie Kostenreduktion, Steigerung der Innovationskraft, Kundenorientierung, soziale Umweltverträglichkeit sowie höhere Wettbewerbsfähigkeit. Die Risiken dabei sind der Kontrollverlust des Unternehmens, erhöhte Abhängigkeiten, Gefahr der Arbeitsplatz-Substitution, mangelnde Datensicherheit und Datenabflüsse (s. Abb. 5.1) (vgl. CIMA 2015, S. 16). Eine Taxonomie von Smart Devices und der beteiligten Sensoren, Systeme sowie der genutzten Hardware ist nachfolgend dargestellt. Dieser Aufstellung kommt daher eine hohe Relevanz zu, da hier die Art der Daten (Sensors), die Art der Prozesse (System) sowie die Eigenschaften der Hardware-Komponenten spezifiziert werden (Suarez-Tangil 2019) (s. Tab. 5.1). Die oben diskutierten Smart Device-Komponenten wie Sensoren, Systeme und Hardware kommen potenziell in unterschiedlichen Anwendungsdomänen zum Einsatz. Die wichtigsten Domänen von Smart Environment-Applikationen – darunter auch „Smart Agriculture“ – sind nachfolgend abgebildet. Diese können nach den Dimensionen Netzwerkgröße, Benutzer, Energie, Internet-Konnektivität, Datenmanagement, IoT-Devices, Bandwith, Requirements und Example Testbeds unterschieden werden. Die möglichen Ausprägungen gehen aus den jeweiligen Tabellenzellen hervor (Gubbi et al. 2013, S. 1651) (s. Tab. 5.2)

5.2

Planung von IoT-Projekten

Die Planung von IoT-Projekten sind oftmals umfassend, da unterschiedliche IT-­ Bereiche miteinander koordiniert werden müssen. Dies beginnt bei der Auswahl der zu unterstützenden Hardware in den entsprechenden Dingen („Things“) wie Aktoren und Sensoren und geht über in die Datenmodellierung, die stets einen optimalen Konsens zwischen Datenmenge und Qualität sucht, bis hin zur Implementierung der Client- und Serverkomponenten sowie der Auswahl der geeigneten Infrastruktur (s. auch Broy 2010, S. 27 f.). Klare Zieldefinitionen, das passende Geschäftsmodell und eine sorgfältige Anforderungsanalyse sind wie bei allen IT-Projekten von integraler Bedeutung für den Erfolg des Vorhabens. Ein besonderes Merkmal von IoT-Projekten ist die Harmonisierung zwischen der Datenerfassung, -übertragung und Datenauswertung, wobei hier auch immer die Skalierung mit zu berücksichtigen ist. Trotz der Aktualität um das Thema IoT ist Deutschland im Bereich vernetzter Sensorik und Aktorik kein unbeschriebenes Blatt. Die Einbindung bestehender Hardware-Infrastrukturen und Konzepte zu deren langfristiger Weiternutzung oder Ablösung sind häufig wichtige Aspekte bei IoT-Projekten oder sogar deren Kernanliegen. Hier richtet sich der Fokus beim Thema Hardware noch viel stärker auf Konnektivität und Schnittstellen, insbesondere bei altbewährten Systemen. Der wichtigste Aspekt hier ist jedoch die Sicherheit. Viele bestehende Systeme sind nicht für eine vernetzte Welt entworfen worden und können daher nicht direkt als

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M. Barenkamp et al.

Abb. 5.1  Das System Industrie 4.0. (Quelle: in Anlehnung an CIMA 2015, S. 16)

5  IoT Best Practices

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Tab. 5.1  Taxonomie zu Smart Devices. (Quelle: in Anlehnung an Suarez-Tangil 2019) Sensors

Accelerometer GPS … Microphone

System

Processing Storage Memory Package Management Scheduler

Hardware

Battery

Access Accelerometer Touch Screen Orientation Change Access Location Record Video Access Speaker Take Picture Play Audio … CPU Time Yield Call Page Activations APP Load Time File Writers File Open Install Package Schedule Idle … Charging State

IoT Gerät betrieben werden. Gleichzeitig sollen für diese Geräte die einheitlichen und komfortablen Möglichkeiten der Fernwartung und -diagnose von typischen IoT-Geräten geschaffen werden. Hier lohnt sich wieder der Blick auf die Kosten, um zu entscheiden, ob es ratsam ist, eine Eigenentwicklung anzubinden und weiter zu betreiben oder durch eine Standardlösung zu ersetzen. Auch die Unternehmensberatung KPMG, die in diesem Bereich viele namhafte Unternehmen in die Ära des IoT begleitet hat, diskutiert in zahlreichen Fallstudien diese Zusammenhänge (Gates 2019). Auch wenn es bei IoT-Projekten nicht immer naheliegend ist, so kann auch die Beachtung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eine wichtige Rolle spielen, insbesondere wenn es um Zugangskontrolle, Videoüberwachung, Datenerfassung oder auch Quittierung von Alarmen und Meldungen geht. Im Sinne des Mi­ nimalitätsprinzips bei der Datenerfassung gilt es hier, die Anonymisierung und Pseudonymisierung von Beginn an im Design der Lösung zu verankern, um die Menge der sensiblen Daten so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig mit Blick auf die Auswertung der erfassten Daten möglichst frei agieren zu können (s. auch Martin 2017). Zudem werden moderne IT-Projekte heutzutage in der Regel mit agilen Softwareentwicklungsprozessen wie Scrum o. ä. umgesetzt. Hier kommt es bei der Planung nicht nur darauf an, auf funktionaler und nicht-funktionaler Ebene sorgfältig zu arbeiten, sondern auch die im Projekt involvierten Personen haben einen großen Einfluss auf die erfolgreiche Durchführung des Projekts. Hier ist vor allem ein sogenanntes Agiles Mindset aller Beteiligten von großer Bedeutung, das entweder durch ausreichende agile Projekterfahrung bereits vorhanden ist oder durch entsprechende Maßnahmen aufgebaut werden kann (Barenkamp et al. 2019).

Bandwith Requirements Example Testbeds

Internet Connectivity Data Management IoT Devices

Energy

Network Size Users

Small

SAP Future Retail Center

Aware Home

Smart Retail

RFID, WSN

Small

Smart Retail Small Few, Community Level Recharge-able Battery WiFi, 3G, 4G, LTE, backbone Local Server

Smart Home Office Small Very few, Family members Recharge-able Battery WiFi, 3G, 4G, LTE, backbone Local Server

Smart Santander, City Sense

Large

RFID, WSN

Smart City Medium Many, Policy makers, general public Recharge-ableBattery, Energy Harvesting WiFi, 3G, 4G, LTE, backbone Shared Server

SiSVia

Medium

WiFi, Satellite Communi-cation Local Server, Shared Server WSN

Smart Agriculture/ Forest Medium/Large Few, Landowners, Policy makers Energy harvesting

GBROOS, SEMAT

Medium

Single Sensors

Smart Energy Large Few, Government Energy harvesting Satellite Communi-cation Shared Server

Tab. 5.2  Domänen von Smart Environment-Applikationen (Quelle: in Anlehnung an Gubbi et al. 2013, S. 1651)

A few trial implementations

RFID, WSN, Single Sensors Medium/Large

Rechargeable Battery, Energy Harvesting WiFi, Satellite Communi-cation Shared Server

Smart Transportation Large Large, general public

76 M. Barenkamp et al.

5  IoT Best Practices

5.3

77

Fallstudie: Umsetzung eines internationalen IoT-Projekts

Die Digitalisierung und die Vernetzung von Geräten in der Agrarwirtschaft Digital Farmings ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus gelangt. Daher sollen am Beispiel eines konkreten internationalen, herstellerübergreifenden IoT-Projekts in der Agrarwirtschaft die verschiedenen Aspekte beleuchtet werden, die während der Konzeptionsphase und auch während der Implementierungsphase als kritische Erfolgsfaktoren bewertet werden können. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) beschreibt, dass mithilfe von Sensoren in der Außenwirtschaft viele Arbeitsprozesse optimiert werden können und dass das Zusammenführen verschiedener Daten – zum Wetter über Bodenzustand und Pflanzenbestand bis hin zu Maschinendaten – ein zeitlich genau abgestimmtes Bodenbearbeitungs- oder Ernteverfahren ermöglicht (BMEL 2020; bitkom und Deutscher Bauernverband 2016). Ebenso hält das BMEL fest, dass die deutschen Landtechnikhersteller in ihrer Branche zu den weltweit führenden Unternehmen gehören und nach den USA und China, Deutschland der drittgrößte Hersteller von Landtechnik ist. Weiter stellen sie dar, dass bei der Entwicklung von Landmaschinen der Fokus nicht mehr allein auf der Maschine liegt, sondern zunehmend auch auf der Datenerhebung und -verarbeitung (bitkom und Deutscher Bauernverband 2016). Bisher beschränkt sich die Nutzung der von auf dem Feld erhobenen Daten zumeist auf Systeme desselben Herstellers, so dass eine komplette und über herstellerübergreifende Nutzung der Daten nicht möglich ist und so Optimierungspotenziale verloren gehen. Die Intention dieses IoT-Projekts ist es daher, dass embedded Geräte und Systeme verschiedener Hersteller untereinander Daten versenden und empfangen können, so dass Akteure der Agrarwirtschaft optimale Ernteergebnisse erzielen und ihre Produktivität damit signifikant erhöhen können. Dafür wurde ein Konsortium aus diversen Herstellern der Landmaschinenbranche ins Leben gerufen, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, ein einheitliches, herstellerübergreifendes Datenkonzept umzusetzen, das als de-facto Standard eingeführt wird. Ein Beispiel für die künftig abzubildenden Anwendungsfälle ist eine Erntemaschine des Herstellers A, die über das Feld fährt und auswertet, wie viel Ertrag pro Sektor zu erzielen war. Die Zurückführung dieser Informationen in das Farm Management System des Herstellers B dient nun dazu, um beispielsweise eine Visualisierung von Heat Maps zur Optimierung von Düngemengen für das nächste Jahr durchzuführen oder die bisherige Bewässerungslogik zu optimieren. Ein anderer Anwendungsfall bildet beispielsweise die Arbeitsweise eines Lohnunternehmer ab. Dieser fährt mit einer Erntemaschine an einem Arbeitstag mehrere Felder unterschiedlicher Landwirte ab, für die er tätig ist. Durch die korrekte Weiterleitung der Erntedaten wird ermittelt, welche Erträge pro Feld entstanden und die Abrechnung wird automatisiert durchgeführt. Aus technischer Sicht kann somit zusammengefasst werden, dass die Vereinheitlichung des Datenformats und Routing Information das Ziel der Plattform darstellt.

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M. Barenkamp et al.

Die technischen Akteure des Systems werden als virtuelle (virtual communication unit) und nicht-virtuelle Endpunkte (communication unit) bezeichnet (s. Abb. 5.2). Da es sich bei dieser IIoT-Anwendung um ein geschlossenes System handelt, bei dem sich jeder Teilnehmer zuvor registrieren muss, existiert ein eindeutiger IoT account. Mit diesem sind nun Anwendungen oder physikalische Landmaschinen verbunden. Innerhalb einer Landmaschine sind möglicherweise Sensoren oder Aktoren verbaut, die als Endpunkt durch ihre Firmware verbunden sind und zumeist Daten senden. Eine Cloud Anwendung kann nun virtuelle Endpunkte zur Verfügung stellen, um diese Daten beispielsweise zu empfangen. Ein sendender Endpunkt hat dabei keine Information darüber, wohin und an welche Empfänger die Daten versendet werden müssen und ein empfangender Endpunkt hat keine Kenntnis darüber, woher die Daten kommen. Dieses Routing der Informationen, also „wer darf welche Informationen sehen und wer soll sie bekommen“ ist Aufgabe der IIoT-Anwendung selbst, in der diese Kommunikationswege orchestriert werden (s. Abb. 5.3). Bei der Planung und Umsetzung mussten daher eine Vielzahl von Überlegungen getroffen und Maßnahmen durchdacht werden, die gewährleisten, dass ein diskriminierungsfreier offener Zugang zur Plattform möglich ist, aber gleichzeitig das System sicher und robust genug ist, um den Anforderungen an moderne verteilte IoT-Anwendungen gerecht zu werden. Überdies musste ein geeignetes Geschäfts-

Abb. 5.2  Virtuelle und nicht-virtuelle Endpunkte (eigene Darstellung)

Abb. 5.3  Kommunikation der Endpunkte untereinander (eigene Darstellung)

5  IoT Best Practices

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modell erarbeitet werden, das vor allem in der Vergütung der Nutzung den verschiedenen Anwendungsszenarien Rechnung tragen muss. Die aus Sicht der Projektverantwortlichen wichtigsten Aspekte sind daher in den nachfolgenden Kapiteln dargelegt. Dabei ist jedes Kapitel so aufgebaut, dass zunächst die allgemeine Herausforderung beschrieben wird und darauf aufbauend die konkrete Umsetzung innerhalb des Projekts.

5.3.1 Security By Design Sicherheit stellt eines der Kernthemen eines verteilten, heterogenen Systems dar. Hierbei muss zunächst ermittelt werden, ob es sich um ein offenes System handelt, in dem Teilnehmer nachträglich am System partizipieren können oder ob es sich um ein geschlossenes System handelt, bei dem alle Teilnehmer dem Betreiber der Plattform bekannt sind. Die Sicherheit wird dabei auf verschiedenen Ebenen betrachtet, beginnend bei der eingesetzten Hardware über die manipulationssichere Client-­ Software der Endgeräte, über die gesicherte Datenverbindung auf Nachrichten bzw. Transportprotokollebene, bis hin zur sicheren Verarbeitung und Speicherung in der Cloud bzw. der IoT-Plattform. (s. auch Telekom 2019, S. 9 ff.) Gleichzeitig gelten natürlich auch alle gängigen Standards für den Zugriff auf die verarbeiteten Daten. Hier ist es in heterogenen und hochgradig vernetzen Datenumgebungen besonders wichtig, ein durchgängiges und flexibles Berechtigungskonzept über alle Daten aus verschiedensten Quellen und in unterschiedlichen Qualitäten und Granularitäten zu etablieren. Die Wertschöpfung von IoT-Anwendungen erzeugt sich vor allem aus den generierten Daten. Der Wert dieser Daten steigert sich ganz analog zu den physikalischen Wertschöpfungsketten von Verarbeitungsschritt zu Verarbeitungsschritt. Dementsprechend sind auch Sicherheitsstandards und Zugriffsmodelle passend zur Qualität und zum Wert der jeweiligen Daten zu wählen (s. auch Ross 2018). Im vorliegenden Projekt wurde die nicht-funktionale Anforderung der Sicherheit auf Basis des Transportprotokolls HTTPS (also Transport Security Layer (TLS)) gewährleistet sowie der Vergabe von personalisierten Client SSL Zertifikaten. Zudem wurde ein vorgeschalteter Zertifizierungsprozess (Secured-Onboarding-Mechanismus) vereinbart, der gewährleisten soll, dass alle partizipierenden Systeme die Plattform korrekt nutzen. Hersteller von IoT-fähigen Geräten, die Teil der Plattform sein möchten, müssen somit zunächst einen umfangreichen Zertifizierungsprozess bestehen. Somit ist sichergestellt, dass alle Teilnehmer des Systems bekannt sind und das System in korrekter Art und Weise nutzen.

5.3.2 Abrechnungsmodell/Geschäftsmodell Das identifizierte Geschäftsmodell bildet die finanzielle Grundlage für die Umsetzung des Vorhabens. Dabei ist wichtig, dass noch in der Konzeptionierungsphase sämtliche fixen und variablen Kosten identifiziert sind, um darauf aufbauend ein

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sich tragendes Abrechnungsmodell zu entwerfen. Genau hier finden sich zwei divergierende Endpunkte der Kalkulationsformeln wieder. Auf der einen Seite darf das Abrechnungsmodell nicht zu generisch sein, um die variablen Kosten, die während des Betriebs generiert werden, ausreichend zu betrachten. Auf der anderen Seite darf genau dieses Modell auch nicht so kompliziert werden, dass späteren Kunden bzw. Interessenten nicht dargelegt werden kann, mit welchen Kosten für die Nutzung kalkuliert werden muss. Ebenso muss in dem Geschäftsmodell identifiziert werden, welche Komponenten für eine Preisfindung maßgeblich sind. So können dies die Anzahl der Endgeräte pro Kunde sein, die Menge der versendeten oder auch die Menge der empfangenen Daten. Im vorliegenden Projekt wurden alle Geschäftsmodelle, die darauf basierten, dass ein nutzungs- bzw. volumenabhängiges Kostenmodell angewendet wird, zugunsten eines Pauschalmodells verworfen. In der aktuellen Version des Abrechnungsmodells wird lediglich die Anzahl der verbundenen Geräte berücksichtigt, was zu einer großen Transparenz bei den Interessenten sorgt. Grund war die Sorge, dass das zunächst zu fein-granulare Abrechnungsmodell keine Akzeptanz finden würde, da es zu erklärungsbedürftig und zu wenig vorhersagbar war.

5.3.3 Ermittlung des Datenaufkommens Bei der Ermittlung des zu erwartenden Datenaufkommens kommt es vor allem da­ rauf an, dass die Anzahl der zu erwartenden Endgeräte, die jeweilige Datenmenge pro Anfrage sowie die Frequenz der Anfragen sorgfältig berechnet wird. So hängt von dieser Kennzahl nicht nur die Skalierung des Gesamtsystems ab, sondern gerade die Wirtschaftlichkeit ist maßgeblich von der konkreten Intensität der Nutzung abhängig. Zur Bewältigung der hohen Komplexität, die aus den hohen Datenmengen, der hohen Datendiversität und der Unterschiedlichkeit der Anwendungsszenarien herrührt, ist eine modellgetriebene Herangehensweise zu empfehlen. Alam et al. (2017) modellieren die Fusionierung der IIoT und die damit einhergehende Interaktion verbundener Geräte auf Basis eines Klassifikationsschemas von Sensoren, das bei der Datenmodellierung zugrunde liegt (s. Abb. 5.4). Die unterschiedlichen Daten- bzw. Sensorwerte fusionieren damit in der Systemlandschaft und -laufzeit zu einer neuen Gesamtheit aller IIoT-Geräte und -Prozesse in einem System. Milliarden verbundener Geräte, die jeweils auf Basis zahlreicher Sensoren funktionieren und miteinander interagieren, führen zu Billionen (engl. trillions) von vernetzten Sensoren und damit Datenquellen. Die Komplexitätsreduktion steht dabei im Mittelpunkt der Modellierung. Die Modellierung im Kontext des gegebenen Projektszenarios orientiert sich an diesen Forschungsergebnissen nach Alam et al. (2017). In der Planung des betrachteten Projekts wurden zunächst die verschiedenen möglichen Einsatzszenarien identifiziert und die typischen Datenwege simuliert. Darauf aufbauend wurde eine Hochrechnung durchgeführt, die zum einen die zu

5  IoT Best Practices

81

Abb. 5.4  Klassifikationsschema von Sensoren nach Alam et al. (2017)

erwartende Menge an Endgeräten ermitteln soll und zum anderen die Art und Weise der Kommunikation (s. Tab. 5.3). Hier muss differenziert werden zwischen Geräten, die primär Daten senden und Geräten, die primär Daten empfangen. Im Ergebnis konnte daher eine initiale Skalierung der Systeme erarbeitet und zudem identifiziert werden, welche Dienste unabhängig voneinander skalierbar sein müssen. Die Ergebnisse flossen in den Aufbau der Microservices Architektur ein, die diesen Aspekten zukünftig Rechnung tragen wird.

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M. Barenkamp et al.

Tab. 5.3  Ermittlung des Datenaufkommens Beschreibung Anzahl von Teilnehmern Anzahl von Teilnehmern, die nur senden oder nur empfangen Anzahl von Teilnehmern, die senden und empfangen Datenvolumen von CU gesendeten Daten Datenvolumen der von Anwendungen gesendeten Daten Gesamtdatenvolumen

Pilotierung 344 34

1. Jahr* 5855 586

2. Jahr* 26.475 2648

3. Jahr* 74.820 7482

4. Jahr* 173.128 17.313

310

5269

23.827

67.338

155.815

52 GB

861 GB

3892 GB

11.136 GB

26.305 GB

93 GB

1660 GB

7881 GB

23.385 GB

56.818 GB

145 GB

2521 GB

11.773 GB

34.521 GB

83.123 GB

*sind geschätzte Daten

5.3.4 Updatestrategie Jeder Softwarelebenszyklus sieht vor, dass regelmäßige Aktualisierungen Sicherheitslücken schließen sollen und zudem der funktionale Umfang dadurch nachträglich erweitert werden kann. Für die serverseitigen Komponenten des Systems ist dies relativ einfach durchzuführen, zumal die relevanten Microservices redundant zur Verfügung gestellt werden können, so dass ein kurzer Ausfall eines Teilsystems kompensiert wird. Die Aktualisierung von Endgeräten, insbesondere bei offenen Systemen, bei denen heterogene Hardware verbaut ist, ist deutlich schwieriger durchzuführen. Zudem ist die Updatestrategie davon abhängig, ob diese Geräte kurzzeitig offline sein können oder ob eine 24/7 Verfügbarkeit absolut notwendig ist. Im vorliegenden Projekt wurde dieser Aspekt dadurch gelöst, dass man bewusst auf fachliche Schnittstellen verzichtet hat, so dass die grundsätzliche Geschäftslogik in den Endgeräten und Endsystemen liegt. So konnte der generische Message Queuing Telemetry Transport (MQTT) und eine Representational State Transfer (REST)-Schnittstelle zur Verfügung gestellt werden, die im laufenden Betrieb lediglich ein geringes Modifikationsrisiko trägt. Zudem konnte durch die Verwendung von Protobuf als Nachrichtenaustauschformat die Abwärtskompatibilität gewährleistet werden, so dass die verschiedenen Endgeräte sich stets auf eine abwärtskompatible Schnittstelle verlassen können. Es wurde durch diesen sehr genauen Fokus vollständig auf die zentrale Verwaltung von Firmwareständen auf den verschiedenen Endgeräten verzichtet, so dass dies in der Verantwortung der Akteure liegt.

5.3.5 Fachliche Anforderungen und technische Möglichkeiten Bei der fachlichen Sicht auf einen Anwendungsfall ist in der Regel bereits identifiziert, welche Daten in welcher Form zur Verfügung stehen müssen, um die erforderlichen Berechnungen oder Weiterleitungen durchzuführen. Dies ist mitunter divergierend zu den technischen Möglichkeiten, die die – in der Peripherie ver-

5  IoT Best Practices

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bauten – Aktoren und Sensoren bieten. Somit müssen die Daten, die real gemessen werden können, gegebenenfalls transferiert werden in ein Modell, das von der fachlichen Sicht erwartet wird. Dieser Aspekt wurde in der konzeptionellen Umsetzung in der Art berücksichtigt, als dass die Semantik der Daten nicht als Teil der Plattform angesehen wird. Aufgrund der Tatsache, dass das System als Datendrehscheibe interpretiert werden kann, ist es für die Verarbeitung der Daten nicht notwendig, diese inhaltlich zu kennen. Dies bietet eine weitreichende Flexibilität in der Nutzung des Dienstes im Sinne des Aufbaus eines designierten de-facto Standards. Zugleich wurde dennoch eine mögliche Integration von Big Data Analysen beispielsweise durch künstliche Intelligenz (KI) vorgesehen, da sich beliebige Cloud Anwendungen als virtueller Endpunkt in dem System registrieren können. Ebenso können Data Lakes theoretisch eingebunden werden, um strukturierte aber auch unstrukturierte Daten für Big Data Analysen zur Verfügung zu stellen. Es handelt es sich dabei um einen sehr großen Datenspeicher, der die Daten aus den unterschiedlichsten Quellen in ihrem Rohformat aufnimmt.

5.3.6 Wahl der Plattform Die Wahl der zu benutzenden Plattform ist von zentraler Bedeutung. Diese Fragestellung beginnt allerdings nicht bei der Wahl der Hersteller, sondern bereits bei der Frage make-or-buy. Hier sollten nicht nur die reinen Entwicklungskosten für die Realisierung einer zentralen Plattform in die Bewertung einfließen, sondern auch Kosten für ein Customizing einer bestehenden Plattform und der grundsätzliche total cost of ownership (TCO). Hinzu kommen zusätzlich vor allem auch die Kosten des Betriebs, denn diese sind in der Regel vor allem von der Menge der Daten, der Anzahl gleichzeitiger Verbindungen und der Verfügbarkeit des Systems abhängig. Ebenso sind die Möglichkeiten der Verwaltung großer Datenmengen („Big Data“) sowie die maschinellen Auswertungsmöglichkeiten in der Regel von großer Bedeutung. Gerade das maschinelle Lernen kann in Kombination mit großen Datenmengen die Qualität der Resultate maßgeblich verbessern. Je nach Beschaffenheit der zugrundliegenden Daten und ihres Anwendungsziels, stehen mittlerweile weit verbreitete und intuitiv erlernbare Programmiersprachen und -umgebungen (z. B. Python) bereit, die Implementierungen von KI-Methoden in Form von Methodenbibliotheken bereithalten. So kann die Anwendung komplexer mathematischer Modelle und Methoden durch Verwendung dieser Methoden relativ einfach in der vorliegenden Programmiersprache umgesetzt werden. Zu den verbreitetsten machine learning (ML) Methoden zählen Forecasting, Clustering, Klassifikation sowie Dimensionalitätsreduktion, die ebenfalls einen hohen Beitrag bei der Analyse der Prozesse und der Komplexitätsreduktion leisten und über virtuelle Endpunkte eingebunden werden können. Im vorliegenden Fall hat man sich bewusst gegen eine generische, bestehende IoT-Cloud Umgebung entschieden, um unabhängig von künftigen Lizenz- und Rechtanpassungen zu sein. Damit ist es möglich, ein autarkes und zukunftssicheres

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Abrechnungskonzept anbieten zu können. Dennoch ist wichtig, dass zukünftige Erweiterungen durch das maschinelle Lernen integriert werden können. Durch die Realisierung der einzelnen Komponenten als Microservices ist diesem Aspekt Rechnung getragen worden.

5.3.7 Edge Devices Nicht immer ist es sinnvoll, sämtliche erfassten Daten direkt an die IoT Plattform zu senden. Die Daten können zum einen ein Volumen annehmen, das für eine Übermittlung zu groß bzw. zu teuer ist oder zum anderen zu sensibel sein. Somit muss im Vorfeld identifiziert werden, welche Daten lokal aufbereitet werden und welche Daten letztendlich an den IoT Hub versendet werden. Dies kann die Datenmenge und damit die Kosten der Nutzung signifikant reduzieren. Andererseits sollte darauf geachtet werde, dass die Rechner- und Speicherkapazität des Endgeräts höheren Anforderungen genügen muss und ggf. eigene updatefähige Software benötigt wird. Hierbei haben sich Datenfilter als effizienter Weg der Datenreduktion erwiesen, um die Performance zu optimieren. Effiziente Maßnahmen zur Datenreduktion sind bei den vorliegenden hohen Datenvolumina essenziell. Hier sind nicht nur Datenfilter- und Datenkomprimierungsverfahren anzuwenden, sondern schon bei der Modellierung des Informationssystems sollte der Aspekt der intelligenten und effizienten Datenextraktion und -analyse ein zentrales Thema sein. Hierzu gehört auch die Wahl eines geeigneten Data-­Storage-­Systems, das für große Datenmengen und heterogene Datentypen geeignet ist. Die Konsequenzen einer effizienten Organisation der Datenvolumina und -typologien sind hohe Kosteneinsparungen und erhöhte Systemperformance. Die sog. Multi-access Edge Computing (MEC)-Technologie zielt in diesem Kontext auf eine Erweiterung für Cloud-Computing-Funktionen mit Funkzugangsnetzwerk ab, so dass in Echtzeit, eine hohe Bandbreite und niedrige Latenz beim Zugriff auf Funknetzressourcen bereitgestellt werden. IoT wird als Schlüsselanwendung identifiziert. MEC stellt somit eine Cloud-Plattform und Gateway-Dienste bereit mit extrem niedriger Latenz und hoher Servicequalität (QoS). Dies wird durch eine geografische dichte Verteilung und breite Unterstützung für Mobilität ermöglicht. MEC ist daher gegenwärtig ein wichtiger Enabler für IoT-­Anwendungen und Dienste, die Echtzeitoperationen erfordern (vgl. Porambage et al. 2018, S. 1). IoT-Sensoren können Informationen über Ernteerträge, Niederschläge, Schädlingsbefall und Bodennahrung liefern, die für die Produktion von unschätzbarem Wert sind und die Anbautechniken im Laufe der Zeit verbessern können. In einer Smart-Farming-Umgebung ist eine niedrige Latenz zwar keine kritische Anforderung, die Verwaltung großer Datenmengen jedoch umso mehr. MEC-Server können vor Ort die High-Tech-Landwirtschaft unterstützen, indem sie Big Data zur Landwirtschaft sammeln und analysieren und die Effizienz maximieren. Ebenso können

5  IoT Best Practices

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MEC-Plattformen dadurch Vorteile bringen, indem sie alltägliche Farming-Anwendungen nicht in eine Remote-Cloud verlagern, um in Bezug auf Datenzugriff, Synchronisierung, Speicherung und andere Gemeinkosten, dem Landwirt Kosten und Managementaufwand zu ersparen (vgl. Porambage et al. 2018, S. 8). Diese Informationen über Ernteerträge, Niederschläge etc. werden beim vorliegenden Projekt an den bekannten. Endpunkten bzw. virtuellen Endpunkten gewonnen. Die Informationen, die an solchen virtuellen Endpunkten entstehen, stellen z. B. Meta-Informationen zum System dar, aus der Cloud-Management-Sicht und fließen in die System-Modellierung, -Analyse und -Optimierung mit ein.

5.3.8 Testkonzept und Testplanung Ein modellbasiertes Testen, die Testautomatisierung und die Auswahl von Testfällen gehören zu den Hauptprozessen im Testmanagement von IIoT-Systemen. (vgl. Reetz 2016, S.  17  f.) Tests im Kontext der IIoT können sowohl aus Sicht der IoT-Ressourcen, als auch aus Sicht von verbundenen Diensten ausgeführt werden. Gemäß Reetz behandeln sog. Testbed-Ansätze IoT-Ressourcen auf unterschiedliche Weise (vgl. Reetz 2016, S. 20 f.): • Physische IoT-Ressourcen in einem Testbed: In dieser ersten Kategorie wird echte Hardware zum Testen des Systemverhaltens verwendet. So werden hardwarespezifische Probleme während der Testausführung identifiziert. Zu den Nachteilen zählen die mangelnde Skalierbarkeit und die eventuell eingeschränkten Möglichkeiten, bestimmte Situationen beliebig oft automatisiert zu testen (z. B. bei Raumtemperaturen unter −20 °C etc.). • Virtuelle IoT-Ressourcen in einem Testbed: Eine bessere Skalierbarkeit sowie größere Kontrolle über Testsituationen werden mit virtuellen Ressourcen erreicht. Die meisten Ansätze setzen eine virtuelle Maschine ein, die die IoT-­ Ressource repräsentiert. Die Zielplattform kann dann direkt in dieser virtuellen Umgebung bereitgestellt werden. • Eine Kombination aus physischen und virtuellen IoT-Ressourcen: Konzepte, die virtuelle und physische Ressourcen im Testbed kombinieren, ermöglichen eine größere Abdeckung von Hardware- und IoT-Ressourcen- sowie zur Aufdeckung von Software-bezogenen Fehlern • Gateways zum generischen Verbinden von physischen IoT-Ressourcen: Die systematische Implementierung von Gateways trägt dazu bei, die Testkosten weiter zu senken Es wurde bereits vor Beginn des Projekts ein dediziertes Testteam zusammengestellt, das während der Umsetzungsphase parallel zur eigentlichen Entwicklung funktionale Tests entwickelt hat. Zudem wurden Oberflächen- und Regressionstests als integraler Bestandteil eines jeden Entwicklungszyklus durchgeführt. Insgesamt

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wurden in dieser Phase, unabhängig von den reinen Entwicklertests, mehr als 350 Issues identifiziert, die ansonsten erst in der Produktivsetzung der Anwendung aufgetreten wären. Somit konnte das System bereits in der Pilotierungsphase eine sehr gute Qualität und hohe Verfügbarkeit vorweisen.

5.3.9 Datenschutz Das Thema Datenschutz ist vor allem mit Inkrafttreten der DSGVO ein sehr wichtiger Aspekt bei der rechtlich korrekten Verarbeitung von Daten. So kann es notwendig sein, dass beispielsweise eine Anonymisierung der Daten durchgeführt werden muss, ohne dass die inhaltliche Aussagekraft dieser verringert wird. Der Dienstanbieter stellt den Nutzern (und auch Geräten) von IoT-Systemen Server-­Leistungen bereit, um auf IoT-Geräte zugreifen und diese steuern zu können. Hier greift die DSGVO, wonach Daten aus der Registrierung und zur IP-Adresse anonymisiert werden müssen und der Personenbezug aufgelöst werden muss. Der TÜV gibt diesbezüglich die folgenden Empfehlungen zum Thema „Datenschutz und Datensicherheit bei IoT-Geräten“ (vgl. Martin 2018, S. 37). In diesem Fall entschied man sich, die erhaltenen Daten nicht auf der zentralen Plattform auszuwerten, sondern lediglich für ein Routing zwischen den verschiedenen IoT Geräten zu sorgen. Diese Entscheidung führt einerseits zu einer Komplexitätsreduktion und setzt andererseits einen Fokus auf Praktiken und Techniken des Netzwerkmanagements zur optimierten Interaktion der Geräte untereinander bzw. mit den Anwendungen. Hier wirken Aspekte der Netzwerktheorie und der Graphentheorie zusammen, um bspw. eine Optimierung des Routings und des Load-­ Management bzw. Load-Balancing im Netzwerk herbeizuführen. In diesem Kontext sind insbesondere Graph-Datenbanken (wie z. B. Cassandra, Neo4j, OrentDB). Graphdatenbanken bringen Vorteile gegenüber relationalen Datenbanksystemen, da die Datenorganisation auf Basis von Graphen und Knoten die zugrunde liegenden Datenbeziehungen und -strukturen in IoT-Netzwerken effizienter abbildet. Hierbei können ebenfalls mathematische Modelle ansetzen, um eine automatisierte, standardisierte und optimierte Abwicklung und Optimierung der Routing-Prozesse zu realisieren. Welche Art von Data-Storage-Systemen letztlich genutzt werden können, hängt einerseits von den vorliegenden Hardware- und Software-­Voraussetzungen ab, andererseits vom projektweiten Knowhow innerhalb des Entwicklerteams.

5.4

Ausblick

Die intelligente Landwirtschaft oder auch Präzisionslandwirtschaft ist auf dem Vormarsch, aber sie könnte nur der Vorbote für einen noch stärkeren Einsatz von IT in der Landwirtschaft sein, der bspw. die Türen für die Entwicklung von Drohnen in der Landwirtschaft öffnet. BI Intelligence, der Premium-Forschungsdienst von Business Insider, prognostiziert, dass die Installationen von IoT-Geräten in der ­Landwirtschaft von 30 Millionen im Jahr 2015 auf 75 Millionen im Jahr 2020 stei-

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gen werden, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 20 % entspricht (s. Abb. 5.4). Und diese Effizienz dürfte sich erst in den kommenden Jahrzehnten verbessern, wenn die landwirtschaftlichen Betriebe enger miteinander verbunden werden. OnFarm, eine vernetzte Farm-IoT-Plattform, erwartet bspw., dass die durchschnittliche Farm im Jahr 2050 durchschnittlich 4,1 Millionen Datenpunkte pro Tag generieren wird, gegenüber 190.000 im Jahr 2014. Die Zukunft der Landwirtschaft liegt eindeutig in der Erfassung und Analyse von Big Data in der Landwirtschaft, um die Effizienz zu maximieren. (vgl. Meola 2016) Wie die nachfolgende Statistik zeigt, geht die geschätzte landwirtschaftliche Nutzung der globalen IoT-Devices seit 2015 steil nach oben, mit jährlich immer größer werdenden Wachstumsraten (s. Abb. 5.5). Das eigentliche Potenzial resultiert erst aus der Fusion von innovativen Technologien, die miteinander dynamische Synthese-, Innovations- und Entwicklungszyklen durchlaufen. So können aus der Kombination von 5G/4G/3G/Mobile-, IoT-/ WiFi-/Breitband- und Satellit-Technologien flexible, verlässliche, schnelle und latenzarme Typen von Netzwerken mit hohen Kapazitäten bereitgestellt werden, wo durch Einsatz von KI, smarte Plattformen die Entscheidungsfindung und -automation in Echtzeit unterstützen und Billionen miteinander verbundener smarte Devices sicher und effektiv miteinander kommunizieren. Bei Einsatz von KI kommt insbesondere der Aspekt von selbstlernenden Systemen und Geräten hinzu, wodurch weitere Systemeffizienzsteigerungen generiert werden können (s. Tab. 5.4).

Abb. 5.5  Schätzung der Anzahl von Bestellungen von IoT-Geräten in der Landwirtschaft (global in Millionen). (Quelle: BI Intelligence Estimates 2015 in Meola 2016)

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Tab. 5.4  Fusion der 5G-, AI- und IoT-Technologien (Quelle: in Anlehnung an GSMA Intelligence 2018) FUTURE 5G ERA: INTEROPERABLE NETWORKS 5G/4G/3G/Mobile IoT/WiFi/ Fixed Broadband/Satellite Flexible, Reliable, highSpeed, Low latency, High Capacity Networks TODAY 4G/3G/Mobile IoT

5.5

ARTIFICIAL INTELLIGENCE Computer IQ: 10000+ Smarter platforms for enhanced decision making & automation

INTERNET OF THINGS 25 Billion connected devices Everything will be securely connected enabling rich new products & services

Human Genius IQ 140+

9 Billion Connected Devices

Zusammenfassung & Erkenntnisse

Zusammengefasst können die nachfolgenden Empfehlungen bei der Konzeption und Planung von IoT-Projekten ausgesprochen werden. Als Problem stellte sich heraus, dass eine nachträgliche nicht-funktionale Anforderung der Sicherheit nur sehr schwer auf die verschiedenen Edge-Geräte propagiert werden kann. Zudem stellt sich die Frage, wie Sicherheit umgesetzt wird und ob zudem eine Autorisierung benötigt wird. Aufgrund der Tatsache, dass die ­Eingabe (und Vergabe) von Passworten nur sehr schwierig auf Edge-Geräten möglich ist, kommt die Verwendung von Client Zertifikaten in Betracht. Sicherheitsrelevante Aspekte in der Kommunikation müssen somit integraler Bestandteil der Architektur- und Designplanung sein. Nachträgliche Anpassungen sind nur schwer in den verschiedenen angebundenen Systemen vorzunehmen oder können schlimmstenfalls gar nicht umgesetzt werden, da die Auswahl an Hardwarekomponenten auf Basis der initialen Anforderungen getroffen wurde. Schwierigkeiten bereitete das noch nicht vollständig definierte Abrechnungsmodell. So hat das designierte Abrechnungsmodell durchaus Einfluss auf das zugrundliegende Datenmodell. Zudem geht es darum, Interessenten frühzeitig mit den Abrechnungsmodalitäten vertraut zu machen, damit diese eine Einschätzung der Wirtschaftlichkeit durchführen können. Bei einer Plattform, die offen gestaltet ist, so dass gemäß Geschäftskonzept im produktiven Betrieb Kunden und Systeme neu hinzukommen, müssen die Abrechnungsmodalitäten folglich bereits in einer sehr frühen Phase sehr genau analysiert und spezifiziert werden. Dies verhindert aufwändige Anpassungsarbeiten bei der Modellierung der Daten. Eine zu ungenaue Kalkulation, insbesondere durch die variablen Nutzungskosten des Betreibers, kann zudem das Gesamtvorhaben aus Sicht des Deckungsbeitrags defizitär werden lassen. Zugleich darf das angebotene Abrechnungsmodell nicht zu komplex sein, da in diesem Fall mögliche Kunden keinen transparenten Einblick erhalten, laufende Kosten authentisch planen und budgetieren können. Hier gilt: Ein Abrechnungsmodell, das nicht auf Anhieb klar und verständlich ist, sollte überdacht werden. Das Datenaufkommen während des Betriebs ist maßgeblicher Kostentreiber und muss zudem für eine robuste Software- und Systemarchitektur zumindest in groben Mengengerüsten bekannt sein. Im vorliegenden Fall konnten entsprechende Hoch-

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rechnungen in Bezug auf die angemeldeten Systeme und deren Gesamtdatenaufkommen durchgeführt werden. Hierauf basierend konnten die verschiedenen angebotenen Anwendungsszenarien zunächst modelliert und dann mit zu erwartenden Nutzungsaufkommen simuliert werden, um einen authentischen Kosten- und Skalierungswert des Systems zu bekommen. Diese Ergebnisse wurden in die Planung des Systems als integraler Bestandteil eingefügt. Die angebundenen Edge-Geräte können eine hohe Verfügbarkeit erforderlich machen, da kontinuierlich Daten gesammelt oder versendet werden müssen. Diskutiert wurde dieser Aspekt insoweit, als dass Szenarien durchgespielt wurden, die von einer nachträglichen Aktualisierung von Firmware der Edge Geräte ausgeht, so wie es beispielsweise in Microsoft Azure Umfeld mit sogenannten Edge-Devices möglich ist. Letztlich wurde diese Anforderung verworfen, weil dadurch eine technologisch zu enge Kopplung zwischen Edge-Geräten und der Plattform generiert werden würde. Dies entspräche nicht dem primären Ziel, heterogene System miteinander kommunizieren zu lassen. Grundsätzlich ist somit zu prüfen, ob Anwendungsfälle in dem Projekt existieren, die es verhindern, dass ein Gerät durchaus kurzzeitig nicht zur Verfügung steht, zum Beispiel weil ein Update eingespielt wird. Ist dies der Fall, so sollte die Plattform einen Großteil der Auswertungen und der Geschäftslogik durchführen und die Funktionalität der Endgeräte auf das Visualisieren, Ermitteln und Versenden von Daten beschränken, um die Notwendigkeit von Updates auf ein Minimum zu reduzieren. Die aktuelle Entwicklung von IIoT-Anwendungen sorgt dafür, dass noch vergleichsweise wenig Erfahrungswerte und Referenzprojekte existieren, aus denen sich best practices ableiten lassen. Die Modellierung des Systems war daher eine große Herausforderung bei der Konzeptionierung des Gesamtvorhabens. Die Anforderungen an die sicherheitsrelevanten Aspekte der Systementwicklung in der IIoT und die damit einhergehenden technischen Möglichkeiten, die Transparenz und Wirtschaftlichkeit der Prozesse, auch bei hohem Datenaufkommen und bei hoher Verfügbarkeit bereitzustellen, bedingen eine methodisch-systematische Herangehensweise mit hohem Modellierungsgrad. Um die konzipierten Modelle auf Eignung und Performance überprüfen zu können, bieten sich diverse mathematische Verfahren, wie z. B. Pro­ gnosen oder Simulationen an, wo diverse Konstellationen von Daten und Geräten auf reibungslose Funktionalität und geeignete Performance überprüft werden können. Mit der Variation von Modellparametern können so unterschiedliche Szenarien durchgespielt werden. Analytische Verfahren können damit allgemein zur Optimierung der relevanten Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse im diskutierten Szenario ansetzen. Neben Verfahren, die die Datengüte und -konsistenz bewerten und optimieren, können hierbei auch Basisverfahren der Statistik, wie z. B. Mittelwerte, Varianz, Standardabweichung etc. zum Einsatz kommen. Zudem können weitere mathematische Verfahren der Business Anlaytics bzw. des Operation Research, wie Regression, lineare Optimierung, Prognosen etc. zum Einsatz kommen. Ferner erhalten zunehmend Techniken des Maschinenlernen bzw. der künstlichen Intelligenz (KI), Einzug in die Business Analytics. Aufgrund der Tatsache, dass das Vorhaben vollständig neu konzipiert wurde, wurde zunächst geprüft, wie eine technologische Basis aussehen könnte. Bei der Wahl der Plattform kamen unterschiedliche, die Investitionsstrategie betreffende

90

M. Barenkamp et al.

Möglichkeiten der Entwicklung, des Deployments, des Systemlebenszyklus-Managements sowie der Systemanalyse und -optimierung in Betracht. So kommen theoretisch, bei Minimierung des Entwicklungs- und Managementaufwands, Cloud-Anbieter in die engere Auswahl, die Full-Stack-Cloud-Lösungen zur Verfügung stellen, wie z. B. Amazon AWS, Microsoft Azure, Google Cloud etc. Dadurch, dass diese allerdings ein technologisches Grundgerüst bedingen und damit eine Komplexität und Vielfalt aufweisen, die für das vorliegende Projekt nicht notwendig sind, wurde die Entscheidung getroffen, die IoT Plattform vollständig neu zu entwickeln und gegebenenfalls für ähnlich gelagerte Anwendungsfälle nachzunutzen. Eine Entscheidung, die von hoher Tragweite ist, da zusätzlich zu den fachlichen Anforderungen hohe Aufwände für die Erstellung der zugrundliegenden Basissystems erbracht werden mussten. Dies muss nicht zwingend für jede IIoT Anwendung der richtige Weg sein. Hier sollte geprüft werden, ob bestehende Lösungen, wie beispielsweise Microsoft Azure IoT, einen Großteil der Basisleistungen bietet. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Betrachtung von infrastruktureller Sicherheit stellte sich bei der Konnektivität der Endgeräte, die nur mittelbar mit dem System interagieren. So können beispielsweise Edge-Geräte bei einem Großkunden zunächst die Daten an einen lokalen Proxy senden, wo diese gesammelt werden. Dieser lokale Proxy ist in diesem Fall ein virtueller Endpunkt und sendet die aggregierten Daten an die Plattform. Hier wurde die Empfehlung ausgesprochen, dass den Edge-Geräten ein dedizierter, erlaubter Einstiegspunkt in Unternehmensnetzwerke zugeordnet wird, wie beispielsweise durch Router, Switches und Zugangsgeräten für Wide Area Networks (WAN). Die funktionalen Anforderungen wurden im Detail durch die Neuartigkeit des Konzepts durchaus häufiger angepasst und Erkenntnisse im Pilotbetrieb in die laufende Entwicklung zurückgespielt. Zugleich muss bei dieser sehr dynamischen Anpassung der Anforderungen die Qualität in einem gleichbleibend hohen Maße aufrechterhalten werden. Die Testkonzeption und Planung sollte daher auf Basis eines lightweight Projektmanagement-Frameworks, bspw. mit agilen, kurz-zyklischen iterativ-inkrementellen, evolutionären Lieferungen von lauffähigen Systemkomponenten, mit Erfüllung von Qualitätszielen, durchgeführt werden. Insgesamt kann zusammengefasst werden, dass aufgrund der Neuartigkeit der (Edge-)Anforderungen und der Entwicklung die Anzahl von Referenzprojekten zum aktuellen Zeitpunkt im Vergleich zur klassischen Softwareentwicklung noch relativ gering ist. In vielen Unternehmen scheint der projektübergreifende Erfahrungsschatz noch relativ gering zu sein und somit ist das Risiko für Fehlentwicklungen generell höher einzuschätzen. Dies sollte bei der Zeit- und Budgetplanung berücksichtigt werden. Ein weiterer Fallstrick, der aus der Diversität und Menge der genutzten Daten, Datentypen, Geräte, Standards, Schnittstellen und Benutzertypen etc. resultiert, ist die hohe Komplexität. Diese kann nur durch einen hohen Modellierungsgrad und eine testgetriebene experimentelle Justierung der Systemkonstellation und kontinuierliche Optimierung der Performance und der Prozesse bewältigt werden.

5  IoT Best Practices

91

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Teil III IoT-Plattformen – Vielfalt, Auswahl und Integrationsaspekte

6

Vergleichbarkeit der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen durch deren einheitliche Beschreibung in Form einer Taxonomie und Referenzarchitektur Sebastian Lempert und Alexander Pflaum

Zusammenfassung

Mit der zunehmenden Verbreitung und Bedeutung des Internet der Dinge nimmt auch die Bedeutung von IoT-Software-Plattformen als zentraler Bestandteil von IoT-Systemen zu. Aufgrund des geschätzten Marktpotenzials von 15 Milliarden Euro im Jahr 2020 konkurrieren derzeit über 450 Anbieter miteinander. Da IoT-Software-Plattformen komplexe Lösungen darstellen und unterschiedliche Plattformen unterschiedliche Funktionalitäten aufweisen, führt diese Vielfalt zu einem intransparenten Markt. Folglich stehen Unternehmen, die eine IoT-­Anwendung unter Weiternutzung ihrer bestehenden IT-Infrastruktur umsetzen wollen, vor der Herausforderung, die für diesen unternehmensspezifischen Anwendungsfall am besten geeignete IoT-Software-Plattform aus einer Vielzahl von Kandidaten auszuwählen. Dabei stellt die Funktionalität einer IoT-­Software-­Plattform ein wesentliches Bewertungsund Auswahlkriterium dar. Allerdings müssen Praktiker zahlreiche Unterlagen mit heterogenen Beschreibungen auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus aus verschiedenen Quellen wie offiziellen Webseiten, Produktbroschüren, Unveränderter Original-Beitrag Lempert & Pflaum (2019) Vergleichbarkeit der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen durch deren einheitliche Beschreibung in Form einer Taxonomie und Referenzarchitektur, HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik 56, 1178–1203. S. Lempert (*) Data Spaces and IoT Solutions, Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS, Nürnberg, Deutschland E-Mail: [email protected] A. Pflaum Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS, Nürnberg, Deutschland E-Mail: [email protected] © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Meinhardt, F. Wortmann (Hrsg.), IoT – Best Practices, Edition HMD, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32439-1_6

95

96

S. Lempert und A. Pflaum

Datenblättern, Entwicklerdokumentationen und Marktstudien zeitaufwändig zusammentragen und auswerten, um die Funktionalität der verschiedenen am Markt angebotenen IoT-Software-Plattformen zu verstehen und vergleichen zu können. Vor diesem Hintergrund leitet der vorliegende Beitrag die Funktionalität einer vollständigen IoT-Software-Plattform mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse aus verfügbaren Unterlagen der wichtigsten am Markt verfügbaren Plattformen ab und beschreibt diese in Form einer Taxonomie und da­ rauf aufbauenden Referenzarchitektur. Auf dieser Basis sind Praktiker in der Lage, die Funktionalität der am Markt verfügbaren IoT-­Software-­Plattformen schnell zu verstehen und untereinander zu vergleichen. Schlüsselwörter

Taxonomie · Referenzarchitektur · IoT-Software-Plattform · Funktionalität · Internet der Dinge

6.1

Einleitung und Motivation

6.1.1 D  ie Bewertung und Auswahl einer geeigneten IoT-­Software-Plattform wird durch hohe Produktvielfalt und uneinheitliche Produktbeschreibungen erschwert Mit der zunehmenden Verbreitung und Bedeutung des Internet der Dinge (engl.: Internet of Things, IoT) nimmt auch die Bedeutung von IoT-Software-Plattformen als zentraler Bestandteil von IoT-Systemen zu (Guth et al. 2016). Dabei sind IoT-Software-Plattformen aus einer Vogelperspektive zuständig für die Verwaltung und Kontrolle der mit der Plattform verbundenen IoT-Geräte, die Sammlung, Speicherung und Verarbeitung von Daten von diesen Geräten sowie für die ­Bereitstellung von Werkzeugen zur Entwicklung, Veröffentlichung und Nutzung von Anwendungen, die von den erfassten Daten profitieren (Bhatia et  al. 2017; Toivanen et al. 2015). Die Bedeutung von IoT-Software-Plattformen lässt sich auch an der Größe des zugehörigen Marktes ablesen: Schätzungen der Boston Consulting Group zufolge werden im Jahr 2020 für das IoT weltweit insgesamt 250 Milliarden Euro ausgegeben, wovon 15 Milliarden Euro auf IoT-Software-Plattformen entfallen (Bhatia et al. 2017). Aufgrund dieses Marktpotenzials konkurrieren derzeit über 450 Anbieter miteinander (Bhatia et al. 2017; IoT Analytics 2017). In Verbindung mit der Tatsache, dass IoT-Software-Plattformen komplexe Lösungen darstellen und unterschiedliche Plattformen unterschiedliche Funktionalitäten aufweisen, führt diese Vielfalt zu einem intransparenten Markt (Emeakaroha et  al. 2015). Zusätzlich müssen potentielle Anwender damit umgehen, dass trotz dieser Vielfalt keine IoT-Software-Plattform existiert, die für beliebige IoT-­

6  Vergleichbarkeit der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen durch deren …

97

Anwendungsszenarien gleichermaßen geeignet ist (Pelino und Voce 2017; Balamuralidhara et al. 2013). Folglich stehen Unternehmen, die eine IoT-Anwendung unter Weiternutzung ihrer bestehenden IT-Infrastruktur umsetzen wollen, vor der Herausforderung, die für diesen unternehmensspezifischen Anwendungsfall am besten geeignete IoT-­ Software-­Plattform aus einer Vielzahl von Kandidaten auszuwählen.

6.1.2 D  ie Funktionalität unterschiedlicher IoT-Software-­Plattformen lässt sich mit Hilfe einer Taxonomie und einer darauf aufbauenden Referenzarchitektur einheitlich beschreiben Die Funktionalität einer IoT-Software-Plattform stellt ein wesentliches Bewertungs- und Auswahlkriterium dar. Um jedoch die Funktionalität der verschiedenen am Markt angebotenen IoT-Software-Plattformen zu verstehen, müssen Praktiker zahlreiche Unterlagen mit heterogenen Beschreibungen auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus aus verschiedenen Quellen wie offiziellen Webseiten, Produktbroschüren, Datenblättern, Entwicklerdokumentationen und Marktstudien zeitaufwändig zusammentragen und auswerten. Ein Vergleich der Funktionalität unterschiedlicher IoT-Software-Plattformen ist auf dieser Basis nicht ohne weiteres möglich. Um diese Lücke zu füllen wurden in diesem Beitrag 111 solcher Dokumente mit einem Umfang von insgesamt 3251 Seiten im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet, um eine hierarchische Taxonomie und darauf aufbauend eine Referenzarchitektur abzuleiten, die für das Verständnis und die Analyse der Funktionalität der am Markt verfügbaren IoT-Software-Plattformen nützlich sind, Praktikern einen schnellen Einstieg ermöglichen und die Grundlage für den Vergleich der Funktionalität unterschiedlicher IoT-Software-Plattformen bilden. Dem Ansatz von McLaren und Vuong (2008) folgend beschreiben die ausgewerteten Dokumente die Funktionalität der IoT-Software-Plattformen der sieben wichtigsten Anbieter, zu denen Amazon, Google, Huawei, IBM, Microsoft, PTC und SAP zählen. Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Beitrag die folgenden Forschungsfragen: • Welche Funktionen weist eine vollständige IoT-Software-Plattform theoretisch auf? • Wie sehen eine Taxonomie und eine darauf aufbauende Referenzarchitektur für am Markt existierende IoT-Software-Plattformen aus, welche diese Funktionen aufgrund ihrer inhaltlichen Nähe und aufgrund ihrer Beziehungen untereinander strukturiert darstellen? Um diese Fragen zu beantworten gliedert sich der Beitrag wie folgt: zunächst widmet sich Abschn. 6.2 dem fachlichen Umfeld und untersucht, inwiefern existie-

98

S. Lempert und A. Pflaum

renden Arbeiten, die sich mit Taxonomien oder Referenzarchitekturen für IoT-­ Software-­Plattformen beschäftigen, deren Funktionalität angemessen widerspiegeln. Danach wird in Abschn.  6.3 beschrieben, wie mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse eine Taxonomie zur Beschreibung der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen abgeleitet wurde. Darauf aufbauend werden in Abschn.  6.4 ausgehend von dieser Taxonomie eine Referenzarchitektur für IoT-Software-Plattformen abgeleitet und deren Kern- und Querschnittfunktionen im Detail beschrieben. Im Anschluss daran veranschaulicht Abschn. 6.5, wie die erarbeitete Referenzarchitektur im Rahmen von Projekten zur Bewertung und Auswahl der am besten geeigneten IoT-Software-Plattform aus einer Menge von Kandidaten eingesetzt werden kann. Abschn. 6.6 schließt diesen Beitrag ab, indem Implikationen für Wissenschaft und Praxis aufgezeigt sowie die mit dieser Arbeit einhergehenden Einschränkungen und darauf aufbauende Anknüpfungspunkte für die zukünftige Forschung diskutiert werden.

6.2

Verwandte Arbeiten

6.2.1 Taxonomien und Referenzarchitekturen allgemein Taxonomien (synonym: Typologien, Klassifizierungen) spielen eine wichtige Rolle in Forschung und Management, da die Klassifizierung von Forschungsgegenständen Wissenschaftlern und Praktikern hilft, komplexe Bereiche zu ver­ stehen und zu analysieren: Taxonomien helfen, Wissen zu strukturieren und zu organisieren, ansonsten ungeordnete Konzepte zu ordnen und ermöglichen es Forschern, über die Beziehungen zwischen diesen Konzepten zu postulieren (Nickerson et  al. 2013). Dabei werden Taxonomien gleichzeitig als eigenständige Theorien und als Grundlage für darauf aufbauende Theorien verstanden, wobei jede Theorieart als gleichermaßen wichtig angesehen wird Gregor (2006) und Doty und Glick (1994). Zudem bilden Taxonomien im Bereich der Wirtschaftsinformatik eine Grundlage für Referenzarchitekturen und unterstützen deren Ziel der Standardisierung (Reidt et al. 2018). Referenzarchitekturen eignen sich wiederum für den Vergleich unterschiedlicher Produkte wie Integrationsplattformen (Engels et  al. 2009), zu denen auch IoT-Software-Plattformen gezählt werden können.

6.2.2 T  axonomien und Referenzarchitekturen für IoT-Software-­Plattformen In der wissenschaftlichen Literatur finden sich Arbeiten, die sich mit Taxonomien oder Referenzarchitekturen für IoT-Software-Plattformen beschäftigen. Zu den frühesten Arbeiten zählen die beiden aufeinander aufbauenden Artikel von Lempert und Pflaum (2011a, b), welche aus einer kleinen Anzahl von Forschungsprojekten

6  Vergleichbarkeit der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen durch deren …

99

funktionale Anforderungen an eine IoT-Software-Plattform ableiten und auf dieser Basis eine abstrakte Software-Architektur für zukünftige Plattformen vorschlagen. Die Arbeit von da Cruz et al. (2018) sowie die aufeinander aufbauenden Arbeiten von Guth et al. (2016, 2018) leiten jeweils unterschiedliche Referenzarchitekturen für IoT-Gesamtsysteme ab, in welchen IoT-Software-Plattformen neben anderen Komponenten eines IoT-Systems lediglich in einer vglw. hohen Abstraktionsebene und ohne Bezug zu deren Funktionalität enthalten sind. Hoffmann (2018) leitet ausgehend von einem abstrakten Referenzmodell für die Industrie 4.0 auf Basis der morphologischen Methode drei unterschiedliche Typen von IoT-Software-Plattformen ab, die sich aufgrund ihrer Funktionalität voneinander unterscheiden und ordnet diese Typen 13 ausgewählten IoT-Software-Plattformen zu. In dem Artikel von Hodapp et al. (2019) wird eine Taxonomie für Geschäftsmodelle von IoT-­Software-­ Plattformen vorgestellt, welche deren Funktionalität nur am Rande erwähnt. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Sichtung der nicht-wissenschaftlichen Literatur. In den Entwicklerdokumentationen von Microsoft (2018); SAP (2016) und Fremantle (2015) werden Referenzarchitekturen vorgestellt, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben und ausschließlich das Ökosystem der jeweils hauseigenen IoT-Software-Plattform beschreiben. In dem Whitepaper von Crook et al. (2017) werden zwar eine Taxonomie sowie eine zugehörige Referenzarchitektur für IoT-Software-Plattformen, nicht jedoch die während deren Erstellung verwendete Methodik beschrieben, so dass deren Eigenschaften nicht eingeschätzt werden können und unklar bleibt, ob sich IoT-Software-Plattformen auf dieser Basis vollständig beschreiben lassen. Dieselbe Einschränkung gilt für die abstrakte Architektur für IoT-Software-Plattformen, welche in dem Whitepaper von MachNation (2017) beschrieben ist. Krause et  al. (2017) arbeiten in ihrer Marktstudie zwar auf Basis einer Umfrage unter ausgewählten Anbietern mit Vertriebs- und Supportnetz im deutschsprachigen Raum ein breites Spektrum funktionaler und nicht-­ funktionaler Eigenschaften von IoT-Software-Plattformen heraus, verwenden aber zum Vergleich der Plattformen dieser Anbieter ein vglw. abstraktes Referenzmodell welches deren Funktionalität nur aus einer Vogelperspektive widerspiegelt. In ähnlicher Weise ordnet die Marktstudie von Hoffmann et al. (2019) ausgehend von einer Umfrage funktionale und nicht-funktionale Eigenschaften von acht IoT-Plattformen für den Bereich Produktion und Industrie 4.0  in ein abstraktes Referenzmodell ein. Abschließend stellt Tab.  6.1 die o.  g. Vorarbeiten gegenüber und ordnet diese systematisch ein. Vor diesem Hintergrund erarbeitet der vorliegende Beitrag ausgehend von den sieben wichtigsten am Markt verfügbaren IoT-Software-Plattformen unter Einsatz der qualitativen Inhaltsanalyse als wissenschaftliche Methodik eine allgemeingültige und vollständige Taxonomie und darauf aufbauend eine Referenzarchitektur zur Beschreibung der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen, welche insgesamt 51 Funktionen umfasst, die in 12 Funktionsblöcke eingeordnet werden.

Umfrage, Referenzmodellierung

Umfrage, Referenzmodellierung

Konferenzbeitrag

Dissertation

Marktstudie

Marktstudie

Buchbeitrag

Hodapp et al. (2019)

Hoffmann (2018)

Hoffmann et al. (2019)

Krause et al. (2017)

Lempert und Pflaum (2011a)

Anforderungsanalyse, Referenzmodellierung

Systematische Literaturanalyse, Clusteranalyse Morphologische Methode

Buchbeitrag

Referenzmodellierung

Survey, Referenzmodellierung Referenzmodellierung

Journalbeitrag

Konferenzbeitrag

Methodik Nicht expliziert

Literaturart Marktstudie

Guth et al. (2018)

Literaturverweis Crook et al. (2017) da Cruz et al. (2018) Guth et al. (2016) 4

8

– – ✓ ✓ ✓ ✓ ✓

✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓ ✓

6

24

8

13

195

33





#IoT 33

NFE ✓

FE ✓

6

– ✓ ✓ ✓ ✓

✓ – – – –

39

10

36

22

5

5

6

#Fkt 8









– –

RA ✓

TAX ✓

Kategorisierung von IoT-Software-­ Plattformen abhängig von deren Funktionalität Vergleich unterschiedlicher IoT-Software-­ Plattformen anhand einer Referenzarchitektur Vergleich unterschiedlicher IoT-Software-­ Plattformen anhand einer Referenzarchitektur Allgemeingültige Beschreibung der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen

Vergleich unterschiedlicher IoT-Software-­ Plattformen anhand einer Referenzarchitektur Vergleich unterschiedlicher IoT-Software-­ Plattformen anhand einer Referenzarchitektur Geschäftsmodelle für IoT-Software-­ Plattformen

Fokus Allgemeingültige Beschreibung der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen Referenzarchitektur für IoT-Gesamtsysteme

Tab. 6.1  Verwandte Arbeiten mit Taxonomien oder Referenzarchitekturen für IoT-Software-Plattformen. Quelle: Eigene Darstellung

100 S. Lempert und A. Pflaum

Whitepaper

Whitepaper

SAP (2016)

Fremantle (2015)

n.a.

– ✓ ✓ ✓

✓ ✓ ✓ ✓ 1

1

1

3



✓ ✓ ✓ ✓ ✓

– – –







8

13

n.a.

30

37

Allgemeingültige Beschreibung der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen Allgemeingültige Beschreibung der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen Beschreibung der konkreten IoT-Software-­ Plattform Microsoft Azure IoT anhand unterschiedlicher Architekturausprägungen Beschreibung der konkreten IoT-Software-­ Plattform SAP Cloud Platform Internet of Things Beschreibung der konkreten IoT-Software-­ Plattform WSO2 IoT Server

Legende: FE = Funktionale Eigenschaften, NFE = Nicht-funktionale Eigenschaften, #IoT = Anzahl berücksichtigte IoT-Software-Plattformen bzw. IoT-­ Anwendungsfälle, TAX = Taxonomie, RA = Referenzarchitektur, #Fkt = Anzahl Funktionen in der Taxonomie bzw. Referenzarchitektur, n.a. = nicht anwendbar

Anforderungsanalyse, Referenzmodellierung

Nicht expliziert

Nicht expliziert

Whitepaper

Marktstudie

Anforderungsanalyse, Referenzmodellierung Nicht expliziert

Konferenzbeitrag

Lempert und Pflaum (2011b) MachNation (2017) Microsoft (2018)

6  Vergleichbarkeit der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen durch deren … 101

102

6.3

S. Lempert und A. Pflaum

Methodik

6.3.1 E  rmittlung der sieben wichtigsten IoT-Software-­Plattformen In der Arbeit von McLaren und Vuong (2008) wurde ausgehend von den Software-­ Lösungen für das Supply Chain Management (SCM) der sieben umsatzstärksten Anbieter eine Taxonomie für SCM-Software-Lösungen abgeleitet. In Anlehnung an diesen Ansatz wurden in dem vorliegenden Beitrag die sieben wichtigsten IoT-­ Software-­Plattformen ermittelt, indem neben dem geschätzten Jahresumsatz auch die Platzierung in existierenden Rankings von Beratungs- und Marktforschungsunternehmen sowie die Anzahl der Zitationen in wissenschaftlichen und nicht-­ wissenschaftlichen Veröffentlichungen jeweils gleichgewichtet berücksichtigt wurden (vgl. Tab. 6.2, 6.3 und 6.4). Tab. 6.2  Auswahlkriterien für die Ermittlung der sieben wichtigsten IoT-Software-Plattformen. Quelle: Eigene Darstellung Auswahlkriterium Quelle Jahresumsatz „Estimated externally generated IoT Platform Revenue 2016 (MUSD)“ aus der Marktstudie IoT Analytics (2017). Platzierung in Sechs Marktstudien unterschiedlicher Beratungs- und Rankings Marktforschungsunternehmen, welche in Summe 18 verschiedene Rankings von IoT-Software-Plattformen enthalten (vgl. Tab. 6.3). Anzahl Systematische Literaturanalyse zum Stand der Technik von IoT-Software-­ Zitationen Plattformen der Autoren dieses Beitrags, in welcher mehr als 150 wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Veröffentlichungen ausgewertet wurden. Tab. 6.3  Ausgewertete Rankings von IoT-Software-Plattformen unterschiedlicher Beratungsund Marktforschungsunternehmen. Quelle: Eigene Darstellung Herausgeber Crisp Research Experton Group Forrester

Gartner International Data Corporation (IDC) Pierre Audoin Consultants (PTC)

Titel Vergleich von IoT-Backend-Anbietern. Crisp Vendor Universe/Q1 2016 Industrie 4.0/IoT Vendor Benchmark 2017 The Forrester Wave: IoT Software Platforms, Q4 2016. The 11 Providers That Matter Most And How They Stack Up. Magic Quadrant for Industrial IoT Platforms IDC MarketScape: Worldwide IoT Platforms (Software Vendors) – 2017 Vendor Assessment IoT Platforms in Europe 2017. IoT Platforms for Analytics Applications, Device Development, Device Management, Rapid Deployment. Positioning of Microsoft.

#Rankings 1

Literaturverweis Büst et al. (2016)

10

Vogt et al. (2017)

1

Pelino und Hewitt (2016)

1 1

Goodness et al. (2018) Crook und MacGillivray (2017)

4

Vogt (2017)

6  Vergleichbarkeit der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen durch deren …

103

Tab. 6.4  Die sieben wichtigsten IoT-Software-Plattformen als Untersuchungsgegenstand. Quelle: Eigene Darstellung

4 5 6

Anbieter PTC Inc. Microsoft Corporation International Business Machines Corporation Amazon.com, Inc. Google LLC SAP SE

7

Huawei Technologies Co., Ltd

Rang 1 2 3

IoT-Software-Plattform PTC ThingWorx Microsoft Azure IoT IBM Watson IoT Amazon AWS IoT Google Cloud IoT SAP Cloud Platform Internet of Things Huawei IoT Platform

6.3.2 D  urchführung einer qualitativen Inhaltsanalyse zur Ableitung einer Taxonomie auf Basis der Unterlagen der sieben wichtigsten IoT-Software-Plattformen Als wissenschaftliche Methode zur Ableitung der Taxonomie zur Beschreibung der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen kam eine qualitative Inhaltsanalyse zum Einsatz, wobei in Anlehnung an Nickerson et al. (2013) ein iterativer Prozess verwendet wurde, welcher es erlaubt, deduktive und induktive Analyseverfahren zu kombinieren und für den Erkenntnisgewinn unterschiedliche Sichtweisen einzunehmen. Dieser Ansatz wurde wie in Abb. 6.1 veranschaulicht um Elemente der qualitativen Inhaltsanalyse von Mayring (2015) erweitert. Ausgehend von der eingangs formulierten Forschungsfrage und den ermittelten sieben wichtigsten IoT-Software-Plattformen wurden die zu analysierenden Dokumente aus offiziellen Webseiten, Produktbroschüren, Datenblättern und Entwicklerdokumentationen zusammengetragen, wobei 111 Dokumente mit insgesamt 3251 Seiten ausgewertet wurden (vgl. Tab. 6.5). Die Endbedingungen für den iterativen Prozess wurden von Nickerson et  al. (2013) übernommen und gewährleisten, dass die verwendeten Kategorien eindeutig und überschneidungsfrei sind und dass in der letzten Iteration keine Kategorien hinzugefügt, verändert oder entfernt wurden. Als Analyseverfahren wurde zunächst eine deduktive Analyse ausgewählt, bei welcher als Startpunkt ein initiales Kategoriensystem aus der abstrakten Architektur von Lempert und Pflaum (2011a, b) abgeleitet wurde, welches nachfolgend direkt am Material präzisiert und angepasst wurde. Darauf aufbauend wurden in einem weiteren Durchgang im Rahmen einer induktiven Analyse zuvor unbekannte Konzepte aus dem Material abgeleitet und zu ergänzenden Kategorien zusammengefasst. Die dazugehörige Kodierung wurde während des gesamtes Prozesses in Anlehnung an Kuckartz (2018) computergestützt mit Hilfe der QDA-Software MAXQDA durchgeführt.1 Die theoretische Sät1  QDA-Software bezeichnet Software für die computergestützte qualitative Inhaltsanalyse, dabei steht die Abkürzung QDA für „qualitative data analysis“ ; teilweise wird auch die Abkürzung CAQDAS für „computer-assisted qualitative data analysis software“ verwendet.

104

S. Lempert und A. Pflaum

Abb. 6.1  Kombination von deduktiven und induktiven Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse zur Ableitung einer Taxonomie. Eigene Darstellung in Anlehnung an Nickerson et al. (2013) und Mayring (2015)

Tab. 6.5 Anzahl der insgesamt ausgewerteten Dokumente und Textseiten. Quelle: Eigene Darstellung Rang 1 2 3 4 5 6 7 –

IoT-Software-Plattform PTC ThingWorx Microsoft Azure IoT IBM Watson IoT Amazon AWS IoT Google Cloud IoT SAP Cloud Platform Internet of Things Huawei IoT Platform –

#Dokumente 7 16 22 1 27 16 22 111

#Seiten insgesamt 102 186 81 1077 162 1528 115 3251

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tigung bzw. die Einhaltung der Endbedingungen waren bei dem induktiven Durchgang bereits bei der Auswertung der Unterlagen des sechsten Anbieters erreicht, zur Absicherung wurden dennoch auch die Unterlagen des siebten Anbieters vollständig ausgewertet.

6.4

 axonomie und Referenzarchitektur zur einheitlichen T Beschreibung der Funktionalität von IoT-Software-­Plattformen

6.4.1 Taxonomie für IoT-Software-Plattformen Die hierarchische Taxonomie zur einheitlichen Beschreibung der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen, welche auf Basis der im vorhergehenden Kapitel beschriebenen Methodik entwickelt wurde, ist in Abb.  6.2 dargestellt. und wird im nachfolgenden Kapitel anhand der darauf aufbauenden Referenzarchitektur im Detail beschrieben.

6.4.2 Referenzarchitektur für IoT-Software-Plattformen Im Anschluss an die qualitative Inhaltsanalyse wurde die dabei abgeleitete Taxonomie in eine Referenzarchitektur für IoT-Software-Plattformen überführt, indem die zuvor identifizierten Funktionen den Komponenten einer abstrakten Software-Architektur zugeordnet wurden, wobei die hierarchische Anordnung laut Kategoriensystem erhalten blieb. Die Komponenten wurden wiederum gemäß ihrer i­ nhaltlichen Nähe zueinander und gemäß dem Datenfluss und der Datenverarbeitung von einem IoT-Gerät über die IoT-Software-Plattform hin zu bestehenden Unternehmensanwendungen angeordnet. Dabei wurde zwischen aufeinander aufbauenden Kernfunktionen (übereinander angeordnet) und überall zum Tragen kommenden Querschnittsfunktionen (nebeneinander und die Kernfunktionen überspannend angeordnet) unterschieden. Die resultierende Referenzarchitektur ist in Abb. 6.3 dargestellt und wird nachfolgend im Detail beschrieben.

6.4.3 Kernfunktionen von IoT-Software-Plattformen 6.4.3.1 Unternehmensintegration Im Bereich der Unternehmensintegration (engl.: business integration) hat eine IoT-Software-Plattform die Aufgabe, die IoT-Geräte mit der bestehenden IT-Infrastruktur der an dem IoT-Anwendungsfall beteiligten Unternehmen zu verbinden. Dazu werden im einfachsten Fall Konnektoren zu bestehenden Unternehmensanwendungen (engl.: EIS connectors) bereitgestellt, wobei es ggf. Anwendungen

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Abb. 6.2  Hierarchische Taxonomie für IoT-Software-Plattformen als Ergebnis der Kodierung mit MAXQDA. (Quelle: Eigene Darstellung)

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Abb. 6.3  Referenzarchitektur für IoT-Software-Plattformen. (Quelle: Eigene Darstellung)

aus unterschiedlichen Bereichen wie CRM, ERP, MES oder SCM anzubinden gilt.2 Für die elektronische Kommunikation über Unternehmensgrenzen hinweg (engl.: B2B communication) gilt es bspw. unterschiedliche EDI-Standards wie ANSI ASC X12, ebXML, RosettaNet oder UN/EDIFACT zu unterstützen.3 Zudem ist die Unterstützung unterschiedlicher Arten der Nachrichtenübermittlung (engl.: messaging) wie bspw. E-Mail oder SMS zur Interaktion zwischen zwei Rechnern wichtig.

6.4.3.2 Anwendungsentwicklung Unterschiedliche IoT-Anwendungsfälle bringen unterschiedliche Anforderungen mit sich und erfordern unterschiedliche Software-Anwendungen, die möglichst effizient und effektiv entwickelt werden sollen. Vor diesem Hintergrund werden  Die Abkürzungen für die genannten Unternehmensanwendungen (engl.: enterprise information systems, kurz: EIS) lassen sich wie folgt aufschlüsseln: CRM = Customer Relationship Management, ERP = Enterprise Resource Planning, MES = Manufacturing Execution System, SCM = Supply Chain Management. 3  Mit der Abkürzung EDI (electronic data interchange) wird der zwischenbetriebliche Austausch von standardisierten Geschäftsdaten über elektronische Kommunikationswege bezeichnet. 2

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Software-­Entwickler im Rahmen der Anwendungsentwicklung (engl.: application development) im Idealfall mit in großen Teilen vorgefertigten und wiederverwendbaren Anwendungen und Anwendungsvorlagen (engl.: apps and app templates), mit Programmierwerkzeugen (engl.: programming tools) wie Entwicklungsumgebungen oder Software Development Kits und mit geeigneten Programmierschnittstellen (engl.: application programming interface, kurz: API) wie RESTful APIs unterstützt.4 Darüber hinaus kann die Anwendungsentwicklung von speziellen Werkzeugen profitieren, welche die folgenden Arten der Software-­ Entwicklung unterstützen: • Bei der modellgetriebenen Software-Entwicklung (engl.: model-driven development) kommen Modellierungssprachen, Modellierungswerkzeuge, Codegeneratoren und zum Einsatz, um aus Modellen automatisiert ausführbare Software zu erzeugen. • Bei der visuellen Programmierung (engl.: visual programming) kommen visuelle Programmiersprachen und visuelle Entwicklungsumgebungen zum Einsatz, um Software nicht durch klassischem, textbasiertem Quellcode, sondern durch die Anordnung und Verbindung grafischer Elemente zu entwickeln, wobei das aus grafischen Benutzeroberflächen bekannte Drag-and-Drop-­Bedienungsprinzip angewendet wird. • Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die flussbasierte Programmierung (engl.: flow-based programming), bei welcher Software unter Einsatz visueller Entwicklungsumgebungen aus unterschiedlichen Komponenten zusammengesetzt wird, die untereinander nachrichtenbasiert verknüpft sind. Dabei ist der visuellen und flussbasierten Programmierung häufig gemein, dass dem Mashup-Gedanken des Web 2.0 folgend die Software-Entwicklung durch die Kombination bestehender Inhalte und Anwendungen aus unterschiedlichen Quellen über offene Programmierschnittstellen erfolgt.

6.4.3.3 Datenmodellierung Die unterschiedlichen Anforderungen, die mit unterschiedlichen IoT-Anwendungsfällen einhergehen, wirken sich auch auf den Bereich der Datenmodellierung (engl.: data modeling) aus. Einerseits unterscheiden sich die zu modellierenden Entitäten (engl.: entities) von Anwendung zu Anwendung, andererseits können dieselben Entitäten und deren Eigenschaften in unterschiedlichen Anwendungsfällen unterschiedlich modelliert werden. Beispielsweise kann es notwendig sein, Entitäten wie Personen, Maschinen oder Fahrzeuge sowie die eingesetzten IoT-Geräte zu modellieren, welche innerhalb eines IoT-Anwendungsfalls verwendet werden, um andere Entitäten wie Personen, Maschinen oder Fahrzeuge zu repräsentieren. Darauf aufbauend können Ontologien und digitale Zwillinge zum Einsatz kommen:

4  Webservice APIs, welche die REST-Prinzipien (representational state transfer) umsetzen werden als RESTful APIs (kurz: REST APIs) bezeichnet.

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• Eine Ontologie (engl.: ontology) dient der Darstellung, der formalen Benennung und Definition der Kategorien und Eigenschaften von sowie der Beziehungen zwischen Begriffen, Daten und Entitäten (Hesse 2002; Busse et al. 2014). • Ein digitaler Zwilling (engl.: digital twin) ist ein Modell einer gegenwärtig oder zukünftig existierenden Entität der realen Welt, welches deren Eigenschaften auf Basis realer Daten beschreibt sowie deren Verhalten auf Basis von Algorithmen und Simulationen nachbildet und so die Lücke zwischen realer und virtueller Welt schließt (Kuhn 2017; Klostermeier et al. 2018). In diesem Zusammenhang unterscheidet man u. a. Gerätezwillinge für IoT-Geräte, Objektzwillinge für Gegenstände, Asset twins für Wertgegenstände, Raumgraphen als virtuelles Modell der physischen Umgebung einer IoT-Anwendung (bspw. Gebäude an unterschiedliche Standorten, die aus mehreren Etagen bestehen, welchen wiederum mehrere Räume zugeordnet sind) und digital human twins für den Menschen. Darüber muss die Datenmodellierung nicht nur die Möglichkeit bieten unterschiedliche Entitäten wie Personen, Gegenstände, Räume oder Gebäude miteinander in Beziehung zu setzen, sondern auch mögliche Veränderungen dieser Beziehungen über die Zeit berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund hat die Zuordnung (engl.: mapping) die Aufgabe, die Beziehung zweier Entitäten auf Basis der Identifikatoren dieser Entitäten über die Zeit zu verwalten. Darauf aufbauend kommt dem Abgleich (engl.: matching) die Aufgabe zu, gegenwärtige und vergangene Beziehungen zwischen Entitäten abzufragen und zu überprüfen, welche Entitäten mit einer bekannten ID verbunden sind oder waren.

6.4.3.4 Datenvisualisierung Die Datenvisualisierung (engl.: data visualization) dient der bildlichen Aufbereitung, Darstellung und Kommunikation von Daten und Informationen mit Hilfe von Kennzahlen (engl.: performance indicators), Diagrammen (engl.: charts) und Karten (engl.: maps) wie Straßenkarten, Luft- und Satellitenbildern, die wiederum ja nach Art und Zielsetzung der darzustellenden Informationen in Übersichtsanzeigen (engl.: dashboards) und Berichten (engl.: reports) kombiniert und zusammengefasst werden können. 6.4.3.5 Datenanalyse Im Rahmen der Datenanalyse (engl.: data analytics) werden unterschiedliche Analysetechniken eingesetzt, um aus den in einem Unternehmen vorhandenen Daten – zu denen auch die über IoT-Geräte erfassten Daten zählen – relevantes und handlungsorientiertes Wissen zu generieren, welches Managemententscheidungen zur Steuerung des Unternehmens unterstützt. Dabei unterscheidet man insbesondere die Vergangenheitsanalyse (engl.: descriptive analytics), die Ursachenanalyse (engl.: diagnostic analytics), die Echtzeitanalyse (engl.: real-time analytics), die vorhersagende Analyse (engl.: predictive analytics) und die vorschreibende Analyse (engl.: prescriptive analytics), welche mit zunehmender Komplexität jeweils unterschiedliche Fragestellungen beantworten, um den Wert der gewonnenen Informationen zu steigern (vgl. Abb. 6.4).

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Abb. 6.4  Arten der Datenanalyse. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Eckerson (2007) und Dorschel et al. (2015))

Des Weiteren kommen zur Datenanalyse Verfahren der künstlichen Intelligenz (engl.: artificial intelligence) zum Einsatz, bei denen Computer „sich verhalten, als würden sie über eine Art menschliche Intelligenz verfügen“ wobei insbesondere Methoden des maschinellen Lernens (engl.: machine learning) zum Einsatz kommen, „die mithilfe von Lernprozessen Zusammenhänge in bestehenden Datensätzen erkennen, um darauf basierend Vorhersagen zu treffen“ (Welsch et al. 2018).

6.4.3.6 Daten- und Speicherverwaltung Die Daten- und Speicherverwaltung (engl.: data and storage management) umfasst relationale Datenbanken (engl.: relational databases), nicht-relationale Datenbanken (engl.: non-relational databases), verteilte Kontobücher (engl.: distributed ledger), Objektspeicher (engl.: object storage) und Geodatenbanken (engl.: spatial databases) und stellt hauptsächlich CRUD-Operationen (Create, Read/Retrieve, Update, Delete), also das Erzeugen bzw. Speichern, das Lesen bzw. Abfragen, das Aktualisieren und das Löschen sowohl für strukturierte, als auch für unstrukturierte Daten bereit. Abhängig vom IoT-Anwendungsfall kann es dabei erforderlich werden, sehr große Datenmengen zu verwalten und einerseits Auswertungen aktueller Daten über kurze Zeiträume in Echtzeit und andererseits Auswertungen historischer Daten über längere Zeiträume durchzuführen. Zusätzlich zu den CRUD-Operationen übernimmt die Geodatenverwaltung (engl.: geospatial data management) räumliche Anfragen, die Überprüfung von Geofences sowie die Durchführung von Ortssuchen, Routenplanungen, Koordinatentransformationen und Zeitzonenumrechnungen.

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6.4.3.7 Ereignisverwaltung Aufgabe der Ereignisverwaltung (engl.: event management) ist es, Geschäftsprozesse in Echtzeit zu überwachen, um frühzeitig diejenigen Abweichungen zwischen dem geplanten Sollzustand und dem tatsächlichen Istzustand zu erkennen, die spürbare negative oder positive Folgen haben können, um Reaktionszeit zu gewinnen, mögliche Folgekosten zu reduzieren, die Eintrittswahrscheinlichkeit kritischer Ereignisse zu minimieren und negative Auswirkungen durch vorgedachte Reaktionsmuster zu begrenzen (Bretzke et al. 2002; Steven und Krüger 2004). Vor diesem Hintergrund übernehmen IoT-Plattformen die folgenden Funktionen: • Die Ereignistypenverwaltung (engl.: event types management) hat die Aufgabe Ereignisse unterschiedlicher Art wie bspw. alarmierende Ereignisse oder konfirmatorische Ereignisse zu klassifizieren und voneinander zu unterscheiden. • Die Regelverwaltung (engl.: rules management) ist für die Verwaltung von Geschäftsregeln zuständig, welche sich als formale Wenn-Dann-Konstrukte mit mehreren Prämissen im Wenn-Teil und definierten Reaktionen im Dann-Teil modellieren lassen. • Bei der Ereignis- und Regelverarbeitung (engl.: event and rule processing) werden Statusmeldungen von IoT-Geräten über einen Soll-Ist-Vergleich in Ereignisse übersetzt, indem Geschäftsregeln durch Regelmaschinen ausgewertet werden. • Die Nachrichtenvermittlung (engl.: message brokering) ermöglicht über die Umsetzung des Entwurfsmusters Publish/Subscribe die Weiterleitung von Ereignissen in Form von Nachrichten an interessierte Personen oder IT-Systeme und führt so zu einer losen Kopplung von Anwendungen.

6.4.3.8 Datentransformation Im Rahmen der Datentransformation (engl.: data transformation) werden Daten, die aus unterschiedlichen Quellen wie unterschiedlichen IoT-Geräten durch Datenkonvertierung (engl.: data conversion) und Datennormalisierung (engl.: data normalization) vereinheitlicht und in ein standardisiertes Datenformat umgewandelt. Zudem werden irrelevante Daten durch Datenfilterung (engl.: data filtering) und Datenaggregation (engl.: data aggregation) reduziert und verdichtet, während verschiedenartige relevante Daten durch Datenanreicherung (engl.: data enhancement) mit ergänzenden Daten wie Stammdaten kombiniert und gleichartige relevante Daten durch Daten- und Informationsfusion (engl.: data and information fusion) mit dem Ziel einer höheren Datenqualität verschmolzen werden. 6.4.3.9 Geräteverwaltung Die Geräteverwaltung (engl.: device management) dient der Verwaltung einer großen Anzahl von IoT-Geräten zuständig und übernimmt dabei die folgenden Aufgaben: • Die Gerätebereitstellung (engl.: device provisioning and discovery) ist für die Beschreibung und Verwaltung von IoT-Geräten zuständig und verwendet bspw.

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wiederverwendbare Schablonen, um Geräte desselben Typs schneller bereitstellen zu können. Zur weiteren Vereinfachung können ggf. Gerätegruppen definiert werden, mit welchen auszuführende Aufgaben gleichzeitig an eine Vielzahl von Geräten übermittelt werden können. • Die Gerätekonfiguration (engl.: device configuration) und Gerätesteuerung (engl.: device control) ist für die Konfiguration unterschiedlicher Eigenschaften und die Übermittlung von Befehlen zur Steuerung von IoT-Geräten vor dem Hintergrund der spezifischen Anforderungen einer konkreten IoT-Anwendung zuständig. Dazu zählt bspw. die Festlegung der Frequenz innerhalb derer ein IoT-Gerät Statusinformationen übermittelt. • Die Geräte-Software-Verwaltung (engl.: device software management) ist für die sichere Aktualisierung der Firmware oder der Anwendungssoftware auf einem IoT-Gerät zuständig, welche in der Regel über eine funkbasiert über eine Luftschnittstelle durchgeführt und überwacht werden muss. Darüber hinaus ist ggf. die Verwaltung unterschiedlicher Versionen einer Firmware oder Anwendungssoftware erforderlich. • Die Kenntnis von aktuellen und vergangenen Gerätezuständen ist eine Grundvoraussetzung für die Erkennung und Behebung von Fehlerzuständen sowie für die Aufrechterhaltung des Betriebs von IoT-Geräten. Vor diesem Hintergrund dient die Geräteüberwachung (engl.: device monitoring) der Erfassung und Überwachung des aktuellen Gerätezustandes, während die Geräteprotokollierung (engl.: device logging) die Erstellung eines Protokolls der Gerätezustände zur Aufgabe hat, über welches auch vergangene Zustände und Ereignisse nachvollzogen werden können.

6.4.3.10 Gerätekonnektivität Aufgabe der Gerätekonnektivität (engl.: device connectivity) ist es die bidirektionale Kommunikation zwischen IoT-Geräten und der IoT-Software-Plattform zu gewährleisten. Dabei gilt es mit eine großen Anzahl von unterschiedlichen IoT-­Geräten zu interagieren, die unterschiedliche Kommunikationsprotokolle (engl.: communication protocols) verwenden.5 Zudem müssen für unterschiedliche Arten von IoT-Geräten unterschiedliche Geräteadapter (engl.: device adapter) bereitgestellt werden, welche von den IoT-Geräten abstrahieren und die darüber ausgetauschten Nachrichten normalisieren, um eine einfache Integration in die bestehende IT-­ Infrastruktur eines Unternehmens zu ermöglichen. Abhängig vom IoT-Anwendungsfall und den eingesetzten IoT-Geräten kann es zudem sinnvoll sein, über speziellen Laufzeitumgebungen für IoT-Geräte die dezentrale Datenverarbeitung am Rande des Netzwerks (engl.: edge processing) direkt auf IoT-Geräten zu ermöglichen. Zuletzt lassen sich durch eine Gerätesimulation (engl.: device simulation) IoT-Anwendungen entwickeln und testen, ohne echte IoT-Geräte anzubinden, wodurch Entwicklung und Inbetriebnahme beschleunigt werden können. 5  Beispiele für Kommunikationsprotokolle aus dem Bereich IoT sind: AMQP (Advanced Message Queuing Protocol), CoAP (Constrained Application Protocol) und MQTT (Message Queuing Telemetry Transport).

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6.4.4 Querschnittsfunktionen von IoT-Software-Plattformen 6.4.4.1 Informationssicherheit Die Einhaltung der Informationssicherheit (engl.: information security) muss in allen Bereichen einer IoT-Software-Plattform gewährleistet werden. Dabei gilt es im Rahmen der Identitäts- und Zugriffsverwaltung (engl.: identity and access management) sicherzustellen, dass der Zugriff auf bestimmte IT-Ressourcen und Daten ausschließlich nach erfolgreicher Authentifizierung der Identität einer berechtigten Person, Anwendung oder Hardware-Komponente sowie nach durch Überprüfung der damit verbundenen Zugriffsrechte durch Autorisierung erfolgt. Zudem gilt es sensible Daten durch Verschlüsselung (engl.: encryption) zu schützen, die Einhaltung des Datenschutzes (engl.: data protection and privacy) und zugehörigen Datenschutzstandards zu gewährleisten sowie mögliche Bedrohungen und Angriffe mit Hilfe eines Angriffserkennungssystems (engl.: intrusion detection system) zu erkennen und zu verhindern. 6.4.4.2 Betrieb, Verwaltung und Wartung Unter der Bezeichnung Betrieb, Verwaltung und Wartung (engl.: operations, administration and maintenance) werden weitere Aufgaben zusammengefasst, die in allen Bereichen einer IoT-Software-Plattform zum Tragen kommen: • Die Plattformadministration (engl.: platform administration) umfasst die Konfiguration und die Aufrechterhaltung des Betriebs der IoT-Software-Plattform. • Die Kenntnis von aktuellen und vergangenen Plattformzuständen ist eine Grundvoraussetzung für die Erkennung und Behebung von Fehlerzuständen sowie für die Aufrechterhaltung des Betriebs einer IoT-Software-Plattform. Vor diesem Hintergrund dient die Plattformüberwachung (engl.: platform monitoring) der Erfassung und Überwachung des aktuellen Plattformzustandes, während die Plattformprotokollierung (engl.: platform logging) die Erstellung eines Protokolls der Plattformzustände zur Aufgabe hat, über welches auch vergangene Zustände und Ereignisse nachvollzogen werden können.

6.5

 erwendung der Referenzarchitektur im Rahmen von V Projekten zur Bewertung und Auswahl der am besten geeigneten IoT-Software-Plattform aus einer Menge von Kandidaten

6.5.1 E  insatz der Referenzarchitektur innerhalb der Screening-­Phase eines Bewertungsund Auswahlprojektes Für industrielle Standardsoftware gilt, dass Projekte, welche die Bewertung und Auswahl der am besten geeigneten Software-Lösung aus einer Menge von Kandidaten zum Ziel haben, idealtypische Phasen durchlaufen, die abhängig vom

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konkreten Anwendungsfall eine Dauer von 18-47 Wochen bzw. ca. 4-11 Monaten aufweisen können (vgl. Abb. 6.5). Analog dazu wird für Projekte zur Bewertungund Auswahl der am besten geeigneten IoT-Software-Plattform aus einer Menge von Kandidaten eine Dauer von 9 Monaten veranschlagt, während für ein zugehöriges Einführungsprojekt, welches über die Auswahlentscheidung hinaus auch die Integration der IoT-Software-Plattform und der mit dieser verbundenen IoT-Geräte in die vorhandene Infrastruktur sowie deren Überführung in den produktiven Betrieb umfasst, 15 Monate veranschlagt werden (Lueth und Kotzorek 2015). Dabei kann der Einsatz einer Referenzarchitektur insbesondere in der in Abb. 6.5 genannten Screening-Phase von Vorteil sein, welche das Ziel verfolgt, die relevanten Kandidaten aus der zuvor erstellten Marktübersicht auszusieben, indem unterschiedliche Filterstufen durchlaufen werden, bis die verbliebenen Kandidaten auf eine handhabbare Menge reduziert wurden (Krcmar 2015). Denkbare Filterstufen sind hier bspw. die Beschränkung auf die wichtigsten Anbieter gemäß verfügbarer Rankings renommierter Marktforschungs- und Beratungsunternehmen (vgl. Tab. 6.3 in Abschn. 6.3.1), eine weitere Filterung auf Basis ausgewählter K.O.-Kriterien sowie die anschließende Anwendung eines Verfahrens zur multikriteriellen Entscheidungsunterstützung, welches die verbliebenen Kandidaten unter Berücksichtigung

Abb. 6.5  Phasenmodell für die Bewertung und Auswahl von industrieller Standardsoftware. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gronau (2001, 2014))

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unterschiedlicher relevanter funktionaler und nicht-funktionaler Eigenschaften, die durch die beteiligten Entscheider gemäß deren Anforderungen gewichtet werden, bewertet und in eine Rangfolge bringt (Jadhav und Sonar 2009; Şen et al. 2009). Neben der Möglichkeit, ausgewählte Funktionen aus der Referenzarchitektur als K.O.-Kriterien heranzuziehen, ermöglicht die erarbeitete Referenzarchitektur in dieser Phase durch die einheitliche Beschreibung der Funktionalität unterschiedlicher IoT-Software-Plattformen deren Analyse und Vergleich untereinander.

6.5.2 Vergleich der Funktionalität von IoT-Software-­Plattformen Bei der Bewertung und Auswahl der für einen unternehmensspezifischen Anwendungsfall am besten geeigneten IoT-Software-Plattform gilt es, die Funktionalität unterschiedlicher IoT-Software-Plattformen miteinander zu vergleichen und diese gleichzeitig mit den aus einer Anwendungssicht benötigten Funktionen abzugleichen. Trotz dieser Tatsache bietet die bestehende Literatur, welche den Vergleich der Funktionalität unterschiedlicher IoT-Software-Plattformen anhand von Referenzarchitekturen adressiert (vgl. Tab.  6.1 in Abschn.  6.2.2), keine Hilfestellung bzgl. des gleichzeitigen Abgleichs mit den unternehmensspezifischen Anforderungen an. Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend eine auf der erarbeiteten Referenzarchitektur aufbauende Vorgehensweise vorgeschlagen, welche sowohl den Vergleich der Funktionalität unterschiedlicher IoT-Software-Plattformen unterei­ nander, als auch den Abgleich mit den aus einer Anwendungssicht benötigten Funktionen umfasst: In Abb. 6.6 ist für ein fiktives Anforderungsprofil und eine fiktive I­oT-­Software-­Plattform dargestellt, wie mit Hilfe der erarbeiteten Referenzarchitektur ein Abgleich zwischen den anwendungsspezifisch benötigten Funktionen und den tatsächlich von einer IoT-Software-Plattform unterstützten Funktionen erfolgen kann, indem jede Funktion abhängig davon, ob diese benötigt wird oder nicht und ob diese unterstützt wird oder nicht unterschiedlich eingefärbt wird. Dabei ergeben sich die vier in Tab. 6.6 genannten Kombinationsmöglichkeiten, denen jeweils unterschiedliche Farben zugeordnet sind (die Zahlen in Klammern entsprechen der Anzahl der in Abb. 6.6 mit der genannten Farbe eingefärbten Funktionen): bspw. steht die Farbe dunkelgrün für anwendungsseitig benötigte und von der IoT-Software-Plattform unterstützte Funktionen während die Farbe rot Funktionen kennzeichnet, die zwar anwendungsseitig benötigt aber von der betrachteten IoT-Software-Plattform nicht unterstützt werden. Sofern im Rahmen eines Bewertungs- und Auswahlprojektes die Funktionalität der unterschiedlichen in Frage kommenden IoT-Software-Plattformen auf diese Art und Weise unter Einsatz der Referenzarchitektur beschrieben wird, führt diese einheitliche Beschreibung zu einer Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Kandidaten untereinander.

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Abb. 6.6  Abgleich der anwendungsspezifisch benötigten Funktionen mit den tatsächlich von einer IoT-Software-Plattform unterstützten Funktionen. (Quelle: Eigene Darstellung) Tab. 6.6 Bedeutung der Farben in der Referenzarchitektur beim Abgleich der anwendungsspezifisch benötigten Funktionen mit den tatsächlich von einer IoT-Software-­Plattform unterstützten Funktionen. (Quelle: Eigene Darstellung)

Unterstützt Nicht unterstützt

Benötigt dunkelgrün (30) rot (4)

Nicht benötigt blau (6) grau (11)

6.5.3 B  ewertung der Funktionalität von IoT-Software-­Plattformen Aufbauend auf der einheitlichen Beschreibung der Funktionalität der unterschiedlichen in Frage kommenden IoT-Software-Plattformen unter Einsatz der Referenzarchitektur kann eine Bewertung der Funktionalität dieser IoT-Software-Plattformen im Abgleich mit den anwendungsseitig benötigten Funktionen erfolgen, um IoT-Software-Plattformen in eine Rangfolge zu bringen. Für eine derartige Bewertung wird die Berechnung der folgenden Kennzahlen je Kandidat vorgeschlagen:

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• tsfp= Anteil der insgesamt von der IoT-Software-Plattform p unterstützten Funktionen • dsfp= Anteil der anwendungsseitig benötigten Funktionen, die von der IoT-­ Software-­Plattform p unterstützt werden • cosp= Kosinusähnlichkeit als Maß für die Ähnlichkeit zwischen den anwendungsspezifisch benötigten und den tatsächlich von der IoT-Software-Plattform p unterstützten Funktionen Dabei ist die Kosinusähnlichkeit, welche u. a. im Information Retrieval und im Data-Mining zum Einsatz kommt, als ein Maß für die Ähnlichkeit zwischen zwei Nicht-Null-Vektoren a und b wie folgt definiert (Tan et al. 2014; Singhal 2001): a⋅b cos ( a, b ) = = a ⋅ b



∑ ∑

n

n

a ⋅ bi

i =1 i

a ⋅

2 i =1 i



n 2 1=1 i

b

Sowohl die anwendungsseitig benötigten Funktionen als auch die von einer IoT-Software-Plattform p unterstützten Funktionen lassen sich vor dem Hintergrund der insgesamt n ∈ ℕ in der Referenzarchitektur enthaltenen Funktionen wie folgt als Binärvektoren darstellen, die für die Berechnung der Kosinusähnlichkeit erforderlich sind: • Vektor a für anwendungsseitig benötigte Funktionen: a  =  (a1, a2, …, an) mit ai ∈ {0,1} und n ∈ ℕ, wobei ai = 0, wenn Funktion i nicht benötigt wird und ai = 1, wenn Funktion i benötigt wird mit i ∈ ℕ und i ≤ n. • Vektor bp für die von der IoT-Software-Plattform p unterstützten Funktionen:

(

bp = bp1 , bp2 , …, bpn

) mit b ∈ {0,1} und n ∈ ℕ, wobei b pi

pi

= 0, wenn Funktion i

nicht unterstützt wird und bpi = 1, wenn Funktion i unterstützt wird mit i  ∈  ℕ und i ≤ n. Auf Basis der so erzeugten Vektoren liegt die Kosinusähnlichkeit cosp(a, bp) stets zwischen 0 und 1, wobei sich der Wert 0 für genau entgegengerichtete Vektoren ergibt und der Wert 1 für genau gleichgerichtete Vektoren – also bei einer maximalen Übereinstimmung zwischen den anwendungsseitig benötigten und den von der IoT-Software-Plattform p unterstützten Funktionen – ergibt. Das heißt, der Wert 1 ergibt sich genau dann, wenn die IoT-Software-Plattform p exakt die anwendungsseitig benötigten Funktionen unterstützt – nicht mehr und nicht weniger Funktionen. Folglich ist die Kosinusähnlichkeit wichtig für Entscheider, die nur eine Teilmenge aller in der Referenzarchitektur definierten Funktionen benötigen und denen eine möglichst exakte Abdeckung dieser benötigten Funktionen wichtiger ist, als der Anteil der insgesamt unterstützten Funktionen bzw. als der Anteil der unterstützten und benötigten Funktionen. Vor diesem Hintergrund ergeben sich für das fiktive Beispiel aus Abb. 6.6 die folgenden Kennzahlwerte: tsfp= 70,59  %, dsfp= 88,24  % und cosp= 0,8575. Wie ­eingangs beschrieben wären im Zuge der Bewertung und Auswahl der am besten

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geeigneten IoT-Software-Plattform aus einer Menge von Kandidaten entsprechende Kennzahlwerte für alle in Frage kommenden Kandidaten zu berechnen, um diese in eine Rangfolge zu bringen. Zusätzlich sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Funktionalität einer IoT-Software-Plattform zwar zweifellos ein wichtiges Bewertungs- und Auswahlkriterium darstellt, in der Praxis jedoch regelmäßg weitere nicht-funktionale Eigenschaften bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden müssen. Daher bietet sich der Einsatz eines Verfahrens zur multikriteriellen Entscheidungsunterstützung an, welches die hier vorgestellten Kennzahlen zur Bewertung der funktionalen Eigenschaften mit weiteren relevanten nicht-funktionalen Eigenschaften kombiniert.

6.6

Zusammenfassung und Ausblick

6.6.1 Implikationen für Wissenschaft und Praxis Der vorliegende Beitrag ist die erste Arbeit, welche die Funktionalität einer vollständigen IoT-Software-Plattform detailliert mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse auf Basis der wichtigsten am Markt verfügbaren Plattformen ableitet und in Form einer Taxonomie und darauf aufbauenden Referenzarchitektur beschreibt. Dabei werden aufeinander aufbauende Kernfunktionen, die innerhalb der Referenzarchitektur aufgrund ihrer inhaltlichen Nähe und aufgrund ihrer Beziehungen untereinander angeordnet wurden, von Querschnittsfunktionen unterschieden, die in allen Bereichen einer IoT-Software-Plattform zum Tragen kommen. Auf dieser Basis sind Praktiker in der Lage, die Funktionalität der am Markt verfügbaren IoT-­ Software-­Plattformen schnell zu verstehen und untereinander zu vergleichen.

6.6.2 Einschränkungen und zukünftige Forschung Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit unterliegen naturgemäß verschiedenen Restriktionen. Dabei ist hervorzuheben, dass sich die durchgeführte qualitative Inhaltsanalyse auf die sieben wichtigsten am Markt verfügbaren IoT-Software-­Plattformen beschränkt, die auf Basis des geschätzten Jahresumsatzes, der Platzierung in existierenden Rankings von Beratungs- und Marktforschungsunternehmen sowie der Anzahl der Zitationen in wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Veröffentlichungen ausgewählt wurden. Daraus erwachsen mögliche Anknüpfungspunkte für weitergehende Forschungsarbeiten. Gleichzeitig erlaubt der hier verwendete iterative Taxonomieentwicklungsprozess, die vorgestellte Taxonomie und die darauf aufbauende Referenzarchitektur zu erweitern. Einerseits könnte durch die Berücksichtigung von IoT-Software-Plattformen von Nischenanbietern weitere Erkenntnisse gewonnen werden. Andererseits könnten bereits untersuchten Plattformen nach Verstreichen einer ausreichenden Zeitspanne erneut untersucht werden, um diese auch bei fortschreitender Entwicklung angemessen zu repräsentieren. Zudem sei darauf hingewiesen, dass die Bewertung und Auswahl einer Software neben

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der Funktionalität der Software auch nicht-funktionale Eigenschaften wie den Anbieter, die verfügbaren Support-Dienstleistungen, die zugehörige Software-Lizenz, das verwendete Geschäftsmodell und die mit der Anschaffung und dem Betrieb der Software verbundenen Kosten berücksichtigen muss. Vor diesem Hintergrund könnten Verfahren zur multikriteriellen Entscheidungsunterstützung auf den hier vor­ gestellten Ergebnissen aufsetzen und diese um nicht-funktionale Eigenschaften erweitern, um ein vollständiges Verfahren zur Bewertung und Auswahl von IoT-­ Software-Plattformen zu erarbeiten.

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6  Vergleichbarkeit der Funktionalität von IoT-Software-Plattformen durch deren …

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7

Cloud to Cloud Integration im IoT-Umfeld Lukas Hick, Dirk Börner und Henning Pagnia

Zusammenfassung

Das Internet of Things (IoT) ist ein wichtiger Baustein bei der Digitalen Transformation von Unternehmen und ein stark wachsender Markt. In dem Zeitraum von 2015–2025 wird laut einer Studie von IHS Technology eine Verfünffachung auf 75 Mrd. IoT-fähige Geräte erwartet. McKinsey beziffert den entsprechenden Markt für 2025 auf 11 Billionen US-$. Schon heute gibt es eine Vielzahl von Anbietern und Plattformen, die mit jeweils unterschiedlichen Kernkompetenzen einen Einstieg in das Themenfeld IoT bieten. Um Unternehmen spezifische Lösungen für deren konkrete Anwendungs- und Geschäftsprozesse zu bieten, gilt es die verschiedenen Plattformen mehrwertbringend zu verknüpfen und so ein integriertes Gesamtsystem bereitzustellen. Eine vielversprechende Lösung für diese Problemstellung bietet die Cloud to Cloud Integration zwischen den verschiedenen Anbietern und Plattformen. Um das Thema Cloud to Cloud Integration im IoT Umfeld genauer zu beleuchten, arbeitet dieser Artikel zunächst die aktuelle Situation auf dem Markt

Überarbeiteter Beitrag basierend auf Hick et al. (2019) Cloud to Cloud Integration im IoT Umfeld, HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik 56, 1204–1219. L. Hick (*) SAP Deutschland SE & Co.KG, Walldorf, Deutschland E-Mail: [email protected] D. Börner TI IES Technology, SAP SE, Dresden, Deutschland E-Mail: [email protected] H. Pagnia Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim, Mannheim, Deutschland E-Mail: [email protected] © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 S. Meinhardt, F. Wortmann (Hrsg.), IoT – Best Practices, Edition HMD, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32439-1_7

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124

L. Hick et al.

der IoT Plattformen auf. Diese Analyse, ergänzt um Experteninterviews, bildet die Basis der Anforderungen und Eigenschaften einer erfolgreichen Integration. Davon ausgehend beschreibt dieser Artikel erst ein Soll-Konzept und darauffolgend einen technischen Realisierungsansatz. Die ermittelten Anforderungen und Eigenschaften sowie das erarbeitete Konzept und die Architektur werden dann hinsichtlich des wirtschaftlichen Nutzens und Herausforderungen für Betreiber und Kunden einer solchen Integration diskutiert. Abgeschlossen wird der Artikel durch eine Zusammenfassung der Ergebnisse und einen kurzen Ausblick, welcher auch neu aufgekommene Standards umfasst.

Schlüsselwörter

Internet of Things · Cloud to Cloud Integration · IoT Best Practices · Digital Transformation · Requirements Analysis · Industrial Internet of Things · IoT Standards

7.1

Einleitung

Das Interesse an dem Internet of Things (IoT) ist in den letzten Jahren extrem stark gestiegen und auch für die kommenden Jahre wird nicht mit einem Rückgang gerechnet. In dem Zeitraum von 2015–2025 wird laut einer Studie eine Verfünffachung der Anzahl der vernetzten IoT Geräte auf 75 Mrd. Stück erwartet (Lucero 2016). Dies wird durch eine weitere Studie gestützt, die den globalen finanziellen Einfluss von IoT im Jahre 2025 auf 11 Billionen USD beziffert. Mit 3,7 Billionen US-$ hat dabei der Industriesektor den größten Anteil (McKinsey 2015). Um diesen Markt zu nutzen, bieten verschiedene Unternehmen Lösungen an, um die Geschäftsprozesse ihrer Kunden mit der Unterstützung von IoT zu verbessern oder neue Prozesse zu entwickeln. Diese Szenarien reichen von verbrauchernahen Anwendungsfällen, wie Live-Tracking einer Bestellung, bis hin zur Überwachung und digitalen Abbildung eines ganzen Produktionswerks. Dieser Artikel beleuchtet in diesem Kontext das Thema „Cloud to Cloud Integration von IoT Plattformen und die Entwicklung von Lösungskonzepten“ dafür genauer. Eine IoT Plattform lässt sich in verschiedene technische und betriebswirtschaftliche Bereiche unterteilen. Dazu gehören unter anderem die Gerätekommunikation, Dateninfrastruktur, IoT Services und Integrationsmöglichkeiten in andere Informationssysteme, aber auch Sicherheit und Qualität sowie Geschäftsprozesse (Krause et al. 2017). Der Begriff der Cloud to Cloud Integration lässt sich in den Kontext einer hybriden Cloud einordnen. In einer hybriden Cloud werden sowohl Cloud- als auch On-Premise-Systeme kombiniert genutzt (Bottger 2012). Bei einer Cloud to Cloud Integration gibt es verschiedene Teilnehmer, die eine Cloud anbieten, in denen die

7  Cloud to Cloud Integration im IoT-Umfeld

125

Daten gespeichert und Services angeboten werden. Diese Cloud Systeme müssen verknüpft werden und kommunizieren (Sommer 2009). Im Kontext von IoT wird in diesem Artikel eine Cloud to Cloud Integration somit als die Integration zweier cloudbasierter IoT Plattformen verstanden. Zu dem daraus resultierenden wirtschaftlichen Nutzen für die Betreiber gehört unter anderem die Erweiterung des Kundenstamms durch einen Co-Selling Ansatz mit dem Integrationspartner, aber auch die höhere Kundenzufriedenheit aufgrund des verbesserten Endprodukts bzw. Services. Aus Sicht der Kunden lässt sich so die Qualität der IoT umfassenden Geschäftsprozesse erhöhen und finanzielle Mittel lassen sich einsparen. Die Problemstellung, mit der sich dieser Artikel befasst ist, dass verschiedene Plattformen mit unterschiedlichen Kernkompetenzen auf dem Markt verfügbar sind und es diese mehrwertbringend zu einem Gesamtsystem zu verknüpfen gilt. So soll Unternehmen ein vereinfachter Einstieg in die IoT Welt ermöglicht werden, indem diese auf ein komplett vorintegriertes System, resultierend aus einer erfolgreichen Cloud to Cloud Integration, zurückgreifen können. Dieser Artikel betrachtet hierzu, wie sich zwei IoT Plattformen mit unterschiedlichen IoT-Kernkompetenzen inte­ grieren lassen, in Form einer Cloud to Cloud Integration. Dabei wird ein Schwerpunkt auf die Anforderungen und Realisierungsansätze einer solchen Integration gelegt. Darüber hinaus wird auch ein kurzer Ausblick hin zu möglichen Standards im IoT Umfeld gegeben. Im zweiten Kapitel wird das Vorgehen der Anforderungsanalyse zusammen mit den verwendeten Methoden sowie den Ergebnissen der Analyse erläutert. Darauf folgt in Kap. 3 die Darstellung eines konzeptionellen Aufbaus auf high-level Ebene und eines konkreten technischen Realisierungsansatzes. Zusätzlich werden Ansätze für die Gewährleistung einer Hochverfügbarkeit für eine solche Integration gegeben, mit dem Hintergrund, dass in dem Kontext von IoT oft geschäftskritische Prozesse abgebildet werden (Fraunhofer 2019). Der letzte Teil beinhaltet die Diskussion der Ergebnisse und einen Ausblick.

7.2

Anforderungsanalyse

7.2.1 Vorgehensweise Um die Anforderungen an eine Cloud to Cloud Integration im IoT Umfeld aufzunehmen, zu dokumentieren und darauf basierend ein Soll-Konzept zu entwickeln, werden verschiedene Methoden verwendet. Den Ausgangspunkt stellt dabei die Ist-Analyse als Teilelement der Systemanalyse. Innerhalb der Ist-Analyse gilt es den aktuellen Zustand zu erfassen und zu dokumentieren. Für die Umsetzung der Ist-Analyse wird der Markt der IoT-­Platt­ formen betrachtet (Krallmann et al. 2016). Im darauffolgenden Schritt werden unter Einbezug der Ergebnisse der Ist-Analyse Experteninterviews durchgeführt. Experteninterviews sind ein Instrument der qualitativen Forschung und werden im Rahmen der Anforderungserhebung verwendet (Kaiser 2014; Gläser und Laudel 2010;

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L. Hick et al.

Mayring 2016). Die Experteninterviews stellen hier die Anforderungserhebung als Teil der Anforderungsanalyse dar und bilden die Grundlage für die darauffolgende Anforderungsspezifikation. Das Resultat ist ein generalisierter Eigenschaftenkatalog für Cloud to Cloud Integrationen im IoT Umfeld. Für die Spezifikation der einzelnen konkreten Anforderungen wird der IEEE Standard 830–1984 verwendet. Dieser definiert die wichtigsten Qualitäts- und Inhaltsmerkmale einer guten Software Anforderungsspezifikation und auch Prototypen für dessen Aufbau (IEEE 1984). Im nächsten Teilschritt wird dann mithilfe der bereits erlangten Ergebnisse ein Soll-Konzept modelliert, um die Schwachstellen und Probleme des Ist-Zustands zu beheben (Krallmann et al. 2016).

7.2.2 Analyseergebnisse Im ersten Schritt des eben beschriebenen Ablaufs kommt die Ist-Analyse zu dem Ergebnis, dass der Markt der industriellen IoT-Plattformen in fünf verschiedene Bereiche bzw. Anbieterkategorien eingeteilt werden kann. In dem Magic Quadrant for Industrial IoT Platforms von Gartner werden die Kategorien IT-Anbieter, IoT Plattform Spezialisten, Systemintegratoren und Betriebstechnik Anbieter aufgeführt (Goodness et al. 2018). Ergänzend dazu kommt auch noch eine fünfte Kategorie, die der Kommunikationsdienstleister (Reder 2018). Jede dieser Kategorien enthält entsprechend der Kernkompetenz gewisse Vorteile aber auch Nachteile bezogen auf eine Cloud to Cloud Integration. So zum Beispiel die Betriebstechnik Anbieter, welche Stärken in den gerätenahen Funktionen, allerdings Schwächen bei Endanwendungen haben (Goodness et al. 2018). Unter Verwendung dieser Informationen werden qualitative Experteninterviews mit drei Experten aus der IT- und Kommunikations-Industrie geführt, welche in verschiedenen Unternehmensbereichen tätig sind. Diese Interviews wurden im Rahmen einer Arbeit am Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mannheim mit dem Ziel der Anforderungserhebung für eine solche Integration geführt.1 Die Auswertung dieser Interviews ergibt den folgenden Eigenschaftenkatalog für eine Cloud to Cloud Integration im IoT Umfeld. Der Katalog konsolidiert die Aussagen, die bezogen auf technische oder betriebswirtschaftliche Fragedimensionen öfters getroffen oder besonders betont werden. (vgl. Tab. 7.1) Darüber hinaus wird das Analyseergebnis durch eine Spezifizierung konkreter Anforderungen unter Verwendung des IEEE Standards 830–1984 ergänzt. Grundlage dafür sind neben dem Eigenschaftenkatalog aus Tab. 7.1 die kompletten Trans­ kriptionen der Interviews. Die 23 spezifizierten Anforderungen lassen sich in sechs Kategorien einordnen. (vgl. Tab. 7.2)

1  Die Dokumentation der Interviews kann in anonymisierter Form bei dem Erstautor angefordert werden.

7  Cloud to Cloud Integration im IoT-Umfeld

127

Tab. 7.1  Eigenschaftenkatalog IoT Cloud to Cloud Integration I. II. III. IV. V. VI.

VII. VIII. IX.

X. XI.

Die beteiligten Parteien der Integration fokussieren sich auf ihre Kernkompetenzen. Die beteiligten Parteien ziehen einen wirtschaftlichen Mehrwert aus einer Integration, da sich der potenzielle Kundenstamm erweitert und Kompetenz ergänzt wird. In dem integrierten System ist es notwendig, in allen Bereichen gegen Datenverluste abzusichern. Die beteiligten Parteien müssen Prozesse und Modelle hinsichtlich einer Komplexitätsverringerung und Steigerung der Universalität vereinfachen. Die beteiligten Parteien müssen Schnittstellen bereitstellen, die einen Austausch von allen relevanten Daten in beide Richtungen ermöglichen. Bei dem Datenaustausch zwischen den beteiligten Komponenten/Parteien, also zwischen Gerät und IoT Plattform A sowie zwischen IoT Plattform A und IoT Plattform B gilt es, höchste Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, um die Daten vor Zugriffen Dritter zu schützen. Authentisierungsverfahren und Protokolle müssen durch die Kapazitäten (Rechenleistung/Speicher) der Geräte abbildbar sein. Eine Cloud to Cloud Integration im IoT-Umfeld dient der Verbesserung der Geschäftsprozesse der Endkunden. Der Endkunde benötigt eine vorintegrierte Lösung, bei der er sich auf dessen Anwendung fokussieren kann und er keinen Kontakt zu systeminternen technischen Ebenen und Prozessen hat. Eine Cloud to Cloud Integration im IoT-Umfeld dient als Grundlage für eine Partnerschaft und zur Ausübung eines Co-Selling Ansatzes. Die potenziell besten Integrationen finden zwischen geräte- und konnektivitätsorientierten IoT Plattformen und anwendungsorientieren IoT Plattformen statt.

Tab. 7.2  Kategorien spezifischer Anforderungen

7.3

I. II. III. IV. V. VI.

Funktionale Anforderungen Anforderungen an Schnittstellen Performance Anforderungen Designeinschränkungen Verfügbarkeit Sicherheit

Realisierung

7.3.1 Soll-Konzept Basierend auf den Ergebnissen des vorherigen Kapitels lässt sich ein Soll-Konzept definieren. Dieses stellt auf konzeptioneller Ebene dar, wie eine solche Integration aussieht und wie sich die Aufgaben der beteiligten Parteien verteilen. Die erste Option ist mit einer sogenannten Integration Platform-as-a-Service (iPaaS) (Gartner 2018) zwischen den integrierenden IoT Plattformen. Bei der zweiten Option entfällt diese, ansonsten ändert sich jedoch auf Architekturebene nichts. Abb. 7.1 zeigt die Integration unter Berücksichtigung der ersten Realisierungsoption, wobei die optionale Komponente der iPaaS ausgewiesen wird und somit auch eine Vorstellung für eine Realisierung ohne diese Komponente gegeben wird.

Abb. 7.1  Soll-Konzept Cloud to Cloud Integration

128 L. Hick et al.

7  Cloud to Cloud Integration im IoT-Umfeld

129

Grundsätzlich basiert das Soll-Konzept, wie in Abb. 7.1 dargestellt, auf drei verschiedenen Parteien. Die erste Partei ist der Kunde, die zweite die konnektivitätsorientierte IoT Plattform und die dritte ist die anwendungsorientierte IoT Plattform. Der Kunde stellt die Partei dar, die das integrierte System nutzt. Die Geräte des Kunden sind an die konnektivitätsorientierte IoT Plattform angebunden. Dazu gehören die Plattformen von Kommunikationsdienstleistern und Anbietern von Betriebstechnik z.  B. im Umfeld von Baumaschinen. Der bidirektionale Datenaustausch basiert dabei auf einer Menge von n Protokollen, welche durch den Anbieter der IoT Plattform immer wieder auf neue, bessere und sich im Markt etablierende IoT Protokolle angepasst werden müssen. Darüber hinaus muss die Kommunikation abgesichert werden. Hierzu müssen die angebundenen Geräte u. a. mit Zertifikaten ausgestattet werden, um zu gewährleisten, dass die Daten auch von dem „richtigen“ Gerät kommen. Zudem gilt es physische Verbindungen aufzubauen, Verbindungen zu verwalten und auch die Geräte zu verwalten bzw. virtuell zu modellieren, um so z. B. On- und Offboarding Prozesse zu ermöglichen. Für diese virtuelle Modellierung, wird ein sogenanntes ‚Modell‘ verwendet. Dieses enthält die ‚Fähigkeiten‘ und ‚Attribute‘ eines Gerätes, ist allerdings für jede IoT Plattform unterschiedlich strukturiert und aufgebaut. Auf Datenebene gilt es die Daten zu sammeln, zu bereinigen (d. h. falsche bzw. irrelevante Daten entfernen), ggf. für Endanwendungen mit zusätzlichen Daten anzureichern und auch eine funktionierende sowie sichere Datenübertragung von Nutzdaten und Geräteinformationen sicherzustellen. Anschließend erfolgt die Weiterleitung der Daten. Der (bidirektionale) Datenaustausch erfolgt gesichert über eine Menge von m Protokollen (m