Internationale Unternehmensethik: Freiheit – Gleichheit – Gerechtigkeit [1 ed.] 9783896447999, 9783896730268

Es werden die Anforderungen von theoretischer und praktischer Seite an eine internationale Unternehmensethik formuliert

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Internationale Unternehmensethik: Freiheit – Gleichheit – Gerechtigkeit [1 ed.]
 9783896447999, 9783896730268

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Internationale Unternehmensethik

Schriftenreihe Unternehmensführung Herausgeber: Prof. Dr. Hartmut Kreikebaum Band 16

Lutz W. Richter

Internationale Unternehmensethik Freiheit - Gleichheit - Gegenseitigkeit

John Rawls' Gerechtigkeitskonzeption dargestellt am Beispiel des Auslandsengagements deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern

Verlag Wissenschaft & Praxis

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CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Richter, Lutz W.: Internationale Unternehmensethik : Freiheit - Gleichheit - Gegenseitigkeit : John Rawls' Gerechtigkeitskonzeption dargestellt am Beispiel des Auslandsengagements deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern. / Lutz W. Richter. - Sternenfels ; Berlin : Verl. Wiss. und Praxis, 1997 (Schriftenreihe Unternehmensführung; Bd. 16) Zugl.: Frankfurt (Main), Univ., Diss. 1997 ISBN 3-89673-026-6 NE: GT

ISBN 3-89673-026-6 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 1997 Nußbaumweg 6, D-75447 Sternenfels Tel. 07045/930093, Fax 07045/930094 Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Geleitwort „Alle hungern Pareto-optimal!" Möglicherweise hat diese Erkenntnis John Rawls dazu bewegt, aus der utilitaristischen Tradition auszubrechen und aus den verschiedenen Pareto-Optima eine praxisnahe und faire Lösung auszuwählen. Ob und wie dieses auf die häufig beanstandete Tätigkeit multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern zu übertragen ist, erscheint als ein reizvolles und wichtiges Thema. Lutz Wolfgang Richter behandelt dieses Problem in der vorliegenden Dissertation auf der Grundlage einer außerordentlich gründlichen Auseinandersetzung mit der Rawlsschen Gerechtigkeitskonzeption. Sie stellt sich als eine leistungsfähige Ethiktheorie heraus, deren Prinzipien auch fur die Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik Gültigkeit haben. Der Verfasser begründet dies mit der Ableitung konkreter Verhaltensgrundsätze für die Tätigkeit multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern und schlägt so den Bogen zur Praxis des internationalen Managements. Ihre besondere Aktualität gewinnt die Untersuchung angesichts der wachsenden Globalisierung der Märkte einerseits und der Konvergenz von Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländern andererseits. Ich empfehle sie deshalb sowohl den interessierten Praktikern als auch den betriebswirtschaftlichen Forschern, die sich mit den genannten Gebieten beschäftigen. Hartmut Kreikebaum

Vorwort Diese Arbeit wurde als Dissertation am Seminar für Industriewirtschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main angenommen. Danken möchte ich daher zuerst Herrn Prof. Dr. Kreikebaum für die wissenschaftliche Begleitung dieser Arbeit und für seine Geduld, verbunden mit einer mir gestatteten großen wissenschaftlichen Freiheit. Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Schefold, der sich spontan bereit erklärte, das Koreferat für diese Arbeit zu übernehmen. Weiterer Dank gilt der Herrmann-Schlosser-Stiftung der Degussa, die mich für einen Teil der Arbeit finanziell unterstützte, meinen Eltern und meiner Frau, die durch ihre materielle wie immaterielle Unterstützung diese Arbeit überhaupt möglich gemacht haben. Meinem Vater Lutz Peter Richter ist diese Arbeit auch gewidmet. Zu danken ist weiter Herrn Wilfried Hinsch für die freundliche und unkomplizierte Überlassung der diversen, oftmals schwer zugänglichen Veröffentlichungen von John Rawls, die er mir dankenswerterweise schon vor seinem Sammelband mit Rawlsschen Arbeiten zur Verfügung gestellt hat. Schließlich möchte ich in einer Art „Generaldank" all denjenigen danken, die geduldig und hilfsbereit in tatsächlichen oder auch eingebildeten Notlagen im Rahmen dieser Arbeit mir bei der Besorgung unabdingbarer Bücher, Artikel usw. halfen.

Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Abbildungen

XIII

1 Grundlagen

1

1.1

Stand der Ethikdiskussion

1

1.2

Theoretischer Bezugsrahmen: Grundlagen, Gegenstand, Anforderungen und Problemstellungen einer internationalen Unternehmensethik

3

1.2.1 Notwendigkeit einer internationalen Unternehmensethik

5

1.2.2 Definition und Forschungsprogramm einer internationalen Unternehmensethik

9

1.2.3

Das Verhältnis zwischen Ethik und Ökonomie innerhalb einer internationalen Unternehmensethik

1.3

1.2.4 Das Unternehmen als moralischer Akteur

22

1.2.5 Das Verhältnis von Theorie und Praxis in einer internationalen Unternehmensethik

31

Programm der Arbeit und Vorgehensweise bei der Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik

35

2 Das Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern 2.1

2.2

16

41

Inhaltliche und begriffliche Präzisierung

42

2.1.1 Multinationale Unternehmen

42

2.1.2 Auslandsengagement

44

2.1.3

46

Entwicklungsländer

Strukturdeterminanten des Auslandsengagements

49 VII

Inhaltsverzeichnis

2.2.1 Strukturdeterminanten multinationaler Unternehmen

2.2.2

2.3

VIII

49

2.2.1.1

Entwicklung der Unternehmensstrategien

49

2.2.1.2

Umsetzung der Strategien

52

2.2.1.2.1

Export

54

2.2.1.2.2

Kooperationen ohne Kapitalbeteiligungen

56

2.2.1.2.3

Kooperationen mit Kapitalbeteiligungen

61

2.2.1.3

Organisation und Planung

68

2.2.1.4

Potentiale der multinationalen Unternehmen

71

Strukturdeterminanten der Entwicklungsländer

73

2.2.2.1

Absichten

73

2.2.2.2

Entwicklungspläne

76

2.2.2.3

Maßnahmen

80

2.2.2.3.1 2.2.2.3.2

Exportreglementierungen Reglementierung von Kooperationen ohne Kapitalbeteiligungen

81 82

2.2.2.3.3

Reglementierung von Kooperationen mit Kapitalbeteiligungen

84

2.2.2.4

Investitionsklima

88

2.2.2.5

Potentiale der Entwicklungsländer

93

Der Prozeß des Auslandsengagements

96

2.3.1 Vergleich der Macht- und Ressourcenpotentiale

96

2.3.2 Verlauf des Auslandsengagements

100

2.3.3

Konfliktfelder beim Auslandsengagement

107

2.3.3.1

Konfliktfelder beim Export

108

2.3.3.2

Konfliktfelder bei Kooperationen ohne Kapitalbeteiligungen

110

2.3.3.3

Konfliktfelder bei Kooperationen mit Kapitalbeteiligungen

112

Inhaltsverzeichnis

2.4

Zwischenergebnis: Zusammenfassung der Ergebnisse und Folgerungen für eine „internationale Unternehmensethik"

3 Aufweis der ethischen Dimension des Problemfeldes 3.1

3.2

119 121

Mögliche ethische Begründungsstrukturen für den Status quo

121

3.1.1 Prinzipielle Ablehnung ethischer Erwägungen in betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen

122

3.1.2 Der Sozialdarwinismus

125

3.1.3

130

Der Utilitarismus

Rechtfertigung des Anspruchs auf Verteilungsgerechtigkeit durch John Rawls' Gerechtigkeitskonzeption

134

3.2.1 Das kohärenztheoretische Argument Teil 1 : Die Methode des Reflexionsgleichgewichts

137

3.2.2 Das kontraktualistische Argument

142

3.2.2.1

3.2.2.2

Die Rahmenbedingungen: Die Modellauffassungen der wohlgeordneten Gesellschaft und der moralischen Person

143

Die „vermittelnde" Modellauffassung der „hypothetischen Position" als Operationalisierung der Rahmenbedingungen

148

3.2.2.2.1 3.2.2.2.2

3.2.3

Darstellung des Rationalen in der hypothetischen Position

151

Darstellung des Vernünftigen in der hypothetischen Position

152

3.2.2.3

Die Herleitung von Gerechtigkeitsprinzipien

155

3.2.2.4

Die Prinzipien der Gerechtigkeit

164

3.2.2.5

Die Anwendung der Gerechtigkeitsprinzipien

174

Das kohärenztheoretische Argument Teil 2: Herstellung des reflexiven Gleichgewichts

3.2.4 Ideale und nicht-ideale Gerechtigkeitstheorie

180 181 IX

Inhaltsverzeichnis

3.2.5

3.3

Das politisch-liberale Programm und das Faktum des Pluralismus

Zwischenergebnis: Zusammenfassung der Ergebnisse und Folgerungen für eine „internationale Unternehmensethik"

4 Eine internationale Unternehmensethik: Ableitung ethischer Normen für das Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern 4.1

189

195

Vorstellung der Methode und Ableitung formal-ethischer und materiell-ethischer Normen unter idealen Bedingungen

196

4.1.1 Schritt 1 : Normative Grundlagen und Voraussetzungen der internationalen Unternehmensethik - kohärenztheoretisches Argument Teil 1

199

4.1.2

4.1.1.1

Der Ansatz des Kulturrelativismus

200

4.1.1.2

Der Ansatz des meta-ethischen Relativismus

202

4.1.1.3

Der hypothetische Ansatz

205

4.1.1.4

Ergebnis

212

Schritt 2: Das kontraktualistische Argument im Rahmen der internationalen Unternehmensethik 4.1.2.1

4.1.2.2

X

184

Die Rahmenbedingungen: Vier normative Modellauffassungen

212 213

4.1.2.1.1

Die Modellauffassung der moralischen Person

4.1.2.1.2

Die Modellauffassung des moralischen multinationalen Unternehmens 216

4.1.2.1.3

Die Modellauffassung des moralischen Staates

218

4.1.2.1.4

Die Modellauffassung einer wohlgeordneten Weltwirtschaft/ Weltgesellschaft

220

Die „vermittelnde" hypothetische Position als Repräsentation der Modellauffassungen: Operationalisierung der Rahmenbedingungen

215

224

Inhaltsverzeichnis

4.1.2.3

4.1.2.4 4.1.3

Herleitung von Prinzipien „ökonomischer Verteilungsgerechtigkeit" aus der Position der unparteiischen Wahl

229

4.1.2.3.1

Theologisch begründete Ethiken

235

4.1.2.3.2

Der Sozialdarwinismus und das erwerbswirtschaftliche Prinzip

237

4.1.2.3.3

Utilitaristische Positionen

239

4.1.2.3.4

Die Diskursethik

241

4.1.2.3.5

Rawls' Theorie der Gerechtigkeit

243

Prinzipien der internationalen Unternehmensethik ...244

Anwendung der Rawls'schen Gerechtigkeitsprinzipien in der idealen Theorie der internationalen Unternehmensethik ....253

4.1.4 Anwendung der Gerechtigkeitsprinzipien in der nicht-idealen Theorie 4.1.5

4.2

Schritt 3 : Das kohärenztheoretische Argument Teil 2 Überprüfung der Prinzipien „ökonomischer Verteilungsgerechtigkeit" an den wohlerwogenen Alltagsurteilen und Herstellung des reflexiven Gleichgewichts

256

262

Ableitung formal-ethischer und materiell-ethischer Verhaltensgrundsätze unter nicht-idealen Bedingungen

263

4.2.1 Operationalisierung „unethischen Verhaltens"

263

4.2.1.1

Das Kritierium der minimalen und maximalen Pflichten

264

4.2.1.2

Formale Vorgaben

266

4.2.1.3

Praktizierte Verhaltensweisen

268

4.2.2 Entwicklung geeigneter Verhaltenskodizes

271

4.2.2.1

Analyse der Verhaltensursachen

271

4.2.2.2

Ableitung geeigneter Verhaltenskodizes

274

4.2.2.3

Offene Problemfelder

279

XI

Inhaltsverzeichnis

4.3

Grenzen und Probleme der internationalen Unternehmensethik auf der Grundlage der Methode des reflexiven Gleichgewichts und des kontraktualistischen Arguments

282

4.3.1 Die Kritik im Hinblick auf die theoretisch-methodischen Grundlage

284

4.3.2 Anwendungsprobleme

289

4.3.3

293

Der Ideologie-Vorwurf

5 Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

297

6 Literaturverzeichnis

303

XII

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen Abbildung

1 : Klassifikationsschema unterschiedlicher Forschungsansätze im Bereich Ethik-Ökonomie

12

Abbildung 2: Strukturmodell einer internationalen Unternehmensethik als „angewandter Ethik"

37

Abbildung 3: Die logische Struktur der Arbeit im Überblick

39

Abbildung 4: Abgrenzung nationaler, internationaler und multinationaler Unternehmen

45

Abbildung 5: Allgemeine strukturell-qualitative Merkmale von Entwicklungsändern

47

Abbildung 6: Verzeichnis der Entwicklungsländer

48

Abbildung 7: Möglichkeiten absatzmarktorientierter Auslandsengagements multinationaler Unternehmen

53

Abbildung 8: Vor- und Nachteile von Direktinvestitionen in Entwicklungsländern im Überblick

62

Abbildung 9: Determinanten deutscher multinationaler Unternehmen beim Auslandsengagement in ihren inhaltlichen Ausprägungen

74

Abbildung 10: Von deutschen Investoren als gravierend für das Auslandsengagement angesehene Beschränkungen bzw. wirtschaftspolitische Maßnahmen von Entwicklungsländern in der Reihenfolge ihrer Bedeutung

87

Abbildung 11 : Bestandteile des Investitionsklimas

89

Abbildung 12: Determinanten des Investitionsklimas nach ihrer Wichtigkeit

94

Abbildung 13: Determinanten der Entwicklungsländer beim Auslandsengagement in ihren inhaltlichen Ausprägungen

97

Abbildung 14: Phasen des Auslandsengagements

101

Abbildung 15: Idealtypischer Verlauf der Interaktion beim Auslandsengagement zwischen multinationalem Unternehmen und Entwicklungsland

106

Abbildung 16: Strukturdeterminanten und Konfliktfelder beim Auslandsengagement

108

XIII

Inhaltsverzeichnis

Abbildung 17: Konflikte zwischen multinationalen Unternehmen und Entwicklungsländern

118

Abbildung 18: Schematische Darstellung der Methode des Reflexionsgleichgewichts und des Argumentationsganges von RAWLS' Gerechtigkeitskonzeption

140

Abbildung 19: Überblick über die Argumentationsschritte des kontraktualistischen Arguments in der RAWLSschen Gerechtigkeitskonzeption

143

Abbildung 20: Die wichtigsten Bestandteile der Rahmenbedingungen bzw. der Modellauffassungen

148

Abbildung 21 : Die „vermittelnde" Modellauffassung der hypothetischen Position und ihre wichtigsten Elemente im Überblick

150

Abbildung 22: Liste von zur Auswahl stehenden Gerechtigkeitsvorstellungen

156

Abbildung 23 : Ausfuhrliche Fassung der Gerechtigkeitsprinzipien

165

Abbildung 24: Vier-Stufen-Gang zur Anwendung der Gerechtigkeitsprinzipien

175

Abbildung 25: Schematische Darstellung des Argumentationsganges der internationalen Unternehmensethik

198

Abbildung 26: Überblick über die Argumentationschritte des kontraktualistischen Arguments im Rahmen der internationalen Unternehmensethik

213

Abbildung 27: Die Bestandteile der Rahmenbedingungen bzw. der Modellauffassungen im Rahmen der internationalen Unternehmensethik

215

Abbildung 28: Die „vermittelnde" Modellauffassung der hypothetischen Position und ihre wichtigsten Elemente im Rahmen der internationalen Unternehmensethik im Überblick

227

Abbildung 29: Liste zur Auswahl stehender Gerechtigkeitsvorstellungen im Rahmen der internationalen Unternehmensethik

231

Abbildung 30: Ausfuhrliche Fassung der Gerechtigkeitsprinzipien einer internationalen Unternehmensethik in Anlehnung an RAWLS

245

Abbildung 31 : Vier-Stufen-Gang der internationalen Unternehmensethik zur Anwendung der Gerechtigkeitsprinzipien

255

XIV

1 Grundlagen 1.1 Stand der Ethikdiskussion Im Jahre 1985 stellte BRANTL noch fest, daß ethisch-moralisches Handeln von Unternehmen ausschließlich in der amerikanischen Managementforschung thematisiert wurde1*. Dies hat sich mittlerweile geändert. Angesichts hervorragender Ertragslagen bei mangelnden Wachstumsperspektiven schienen deutsche Manager und Unternehmer in den Jahren 1985 bis 1989 in der Sinnkrise zu stecken und begannen, über ethische Probleme ökonomischer und technischer Entwicklungen zu reflektieren 2*. Sie beschäftigten sich mit Themen wie „Solidarität in der Marktwirtschaft" 3*, „Gewinn mit Moral" 4*, diskutierten über Wirtschaftsethik und entwickelten Visionen einer ethischen Wirtschaft 5*. Sie befanden, daß nicht alles Legale auch legitim ist 6) , beschworen die ethische Verantwortung der Unternehmen7* und ließen sich in die „...Moral guter Geschäfte..." und Gerechtigkeit einweisen8*. Die ethische Unternehmensftihrung - was immer auch darunter verstanden wurde - war gefragt; "...moralisierende Zeigefinger-Philosophen und quicke Consultants..." nahmen sich des Themas an und machten es zu einem neuen Schlagwort der Unternehmensberatung 9*. 1996 hat sich die Situation erneut gewandelt. Die weltwirtschaftliche Konjunkturschwäche und die großen strukturellen Probleme der Bundesrepublik Deutschland führten zu sinkenden Erträgen und teilweise existenzbedrohenden Krisen deutscher Unternehmen. Aus der Erkenntnis heraus, daß die ökonomischen Belastungen durch die Wiedervereinigung Deutschlands größer sind als bisher vermutet, und durch die Tatsache der sinkenden internationalen Konkurrenzfähigkeit deutscher Unternehmen sieht sich mancher Manager nun veranlaßt, mit HELMUT MAUCHER von Nestlé von „ethisch-sozialem Gesäusel" zu sprechen und „...will, daß Leadership und ,fighting spirit' wieder erstarken" 10*.

1) vgl. Brantl (1985), S.I. 2) vgl. Steinmann/Oppenrieder (1985), S. 170. 3) Bierich (1988). 4) Hesse (1988). 5) vgl. Siemons (1989). 6) vgl. Leisinger (1989). 7) vgl. o.V. (1989), S. 18. 8) Rilßmann (1988). 9) Steger (1990), S. 16. 10) zitiert nach Siemons (1989), S. 29. Maucher lehnt Unternehmensethik aber nicht prinzipiell ab.

1

Grundlagen

Unternehmensethik erscheint als eine Modewelle, deren Relevanz lediglich durch die aktuelle Gewinnsituation der Unternehmen geprägt wird. Doch der Schein trügt, denn die Frage nach der Vertretbarkeit unternehmerischer Entscheidungen wird nun verstärkt von außerhalb der Unternehmen gestellt. Phänomene wie Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung, Hunger und Unterentwicklung sowie die stark unterschiedliche Verteilung von Einkommen und Vermögen rufen Widerspruch hervor und tragen zu einer Renaissance der ethischen Fragestellungen im gesellschaftlichen Bewußtsein bei 0 . In der nationalen und internationalen Unternehmenspraxis häufen sich Fälle unternehmenspolitischer Entscheidungen, die nach ökonomischen Maßstäben vielleicht richtig waren, aber unverantwortliche, ja katastrophale Folgen hatten. Doch die ethische Reflexion bezieht sich nicht mehr allein auf „Betriebsunfälle" wie den Nestlé-Milchpulverskandal, den Chemieunfall bei Sandoz in Basel, Bhopal von Union Carbide und Seveso von Hofmann La Roche. Vielmehr gerät zunehmend auch die „alltägliche Geschäftstätigkeit" unter Rechtfertigungsdruck. Deutsche Unternehmen sehen sich einer gesteigerten Sensibilität gegenüber, die sie nicht nur zwingt, ihre Entscheidungen nicht mehr ausschließlich an ökonomischen Kriterien zu orientieren, sondern auch dazu nötigt, ihre Legitimation als gesellschaftlich wichtiger Bereich über ihre volkswirtschaftliche Funktion hinaus immer wieder neu rechtfertigen zu müssen. In diesem Zusammenhang werden neben den Arbeitsbedingungen in deutschen Tochtergesellschaften in Entwicklungsländern zunehmend auch andere Phänomene kritischer gesehen. Den Bedarf an einer internationalen Unternehmensethik zeigen exemplarisch der Hang zur Unterstützung menschenrechtsverletzender Regime, der Export von Rüstungs- bzw. Dual-Use-Gütern, die sowohl zivilen wie auch militärischen Zwecken dienen, in Spannungsgebiete, Blaupausen-, Müll- und FCKW-Export oder die Errichtung schlüssel- und produktionsfertiger Anlagen, die durch minimale Veränderungen zur Giftgasproduktion geeignet sind. Neben den unmittelbaren ökonomischen Auswirkungen treten auch auf der internationalen Ebene wieder sozio-ökonomische Aspekte hervor 2 \ Wie sich gezeigt hat, genügt es dabei in den meisten Fälle nicht mehr, zur Rechtfertigung unternehmerischer Entscheidungen auf die Beachtung geltender Gesetze zu verweisen. So hat Daimler Benz seiner gesellschaftlichen Akzeptanz eher geschadet, als es bei der Lieferung von militärisch nutzbaren Schwertransportern an den Irak nur auf die Zulässigkeit des Geschäfts nach geltendem deutschen Recht

1 ) vgl.Homann/Suchanek( 1987), S. 101; Steinmann/Oppenrieder( 1985), S. 179ff.; Ruh(1980), S.454. 2 ) vgl. Barnet/Müller (1976), S. 107ff.; Niedermayer (1979), Kebschull (1980), Bethke/Koopmann (1975), UN (1973), UN (1983), Kasch et al. (1986); Sammelbände von Kebschull/Mayer (1974), Senghaas/Menzel (1976), Bayer (1975).

2

Grundlagen

verwies. Gerade der Golfkrieg hat gezeigt, daß die Skandale von morgen heute schon programmiert sind, zumal wenn mit staatlicher Förderung mit z.B. dem Iran, wie einst mit dem Irak, Ausfuhrgeschäfte getätigt werden und wieder Produkte dabei sind, die für kriegerische Zwecke genutzt werden können1*. Die Problematik betrifft besonders deutsche Unternehmen, da diese hochgradig international orientiert und somit auf den Export, die Errichtung schlüssel- und produktionsfertiger Anlagen oder die Produktion durch eine Tochtergesellschaft im Ausland angewiesen sind. Mit einer internationalen Unternehmensethik ist die Chance verbunden, einen wesentlichen Beitrag zum Abbau von unternehmensinternen Spannungen wie auch den Spannungen zwischen Großunternehmen und Gesellschaft leisten zu können2*. Gleichzeitig bietet sie multinationalen Unternehmen die Möglichkeit, soziale Verantwortung in Entwicklungsländern wahrzunehmen3*. Die Wahrnehmung dieser Chancen bedarf zunächst einmal der Klärung und Definition des bisher noch diffus gebrauchten Begriffes einer internationalen Unternehmensethik, der formalen und inhaltlichen Anforderungen sowie der Skizzierung, welche Aufgaben und Problemstellungen damit verbunden sein sollen.

1.2 Theoretischer Bezugsrahmen: Grundlagen, Gegenstand, Anforderungen und Problemstellungen einer internationalen Unternehmensethik Obwohl die aktuelle öffentlich geführte Diskussion um Unternehmensethik Ausdruck einer zyklischen Wiederkehr von Ethikdiskussionen zu sein scheint4*, tut sich die deutschsprachige betriebswirtschaftliche Scientific community schwer, zum Themenbereich Ethik und Ökonomie Stellung zu nehmen. Die Zahl der Veröffentlichungen und Statements aus Theorie und Praxis täuscht zumindest im Bereich Unternehmensethik einen Erkenntnisstand vor, der nicht vorhanden ist. Die Anfragen aus der Unternehmenspraxis hinterlassen ihre Spuren nur zögerlich und mit Verspätung in der deutschsprachigen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur. Allgemein scheinen Praktiker mit diesem Problembereich erheblich weniger Schwierigkeiten zu haben als die wissenschaftliche Seite. Für letztere charakterisieren HOMANN et al. die Situation wie folgt: 1 ) vgl. o.V. (1991), S.23f. 2 ) vgl. Steinmann/Oppenrieder (1985), S. 179ff. 3 ) vgl. Ruh (1980), S.454ff. 4 ) vgl. Dierkes/Zimmermann (1991 a), S. 15f. Zur Geschichte des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie im Überblick auch Herrmann (1992), S. Iff.

3

Grundlagen

„Da sich die Forschung erst seit einigen Jahren wieder verstärkt dem Verhältnis von Ethik und Wirtschaftswissenschaften zugewendet hat, verwundert es nicht, daß Fragestellungen, Grenzen, Methoden und Beurteilungsgesichtspunkte in einigermaßen standardisierter und allgemein akzeptierter Form noch nicht entwickelt sind: Das Gelände ist noch nicht vermessen; die Ansätze sind vielfältig, sie erscheinen unverbunden und selektiv. Eine systematische Ordnung wäre wünschenswert, könnte sie doch helfen, der Forschung eine gewisse Orientierung zu vermitteln, verschiedene Ansätze und Fragestellungen ins Gespräch zu bringen und die Diskussionen zu strukturieren." 1 ) Im Bereich Wirtschafts- bzw. Unternehmensethik ist somit ein Theoriedefizit zu konstatieren 2 \ und im Bereich internationaler Unternehmensethik muß sogar von einem regelrechten Forschungsvakuum ausgegangen werden. Trotz eines angeblich „traditionell hohen Stellenwerts" der internationalen Unternehmensethik 3 ) sind Forschungsbeiträge hierzu im deutschsprachigen Raum kaum vorhanden 4 \ Selbst in der amerikanischen Business-Ethics-Literatur, die seit Jahrzehnten eine intensive Diskussion führt, finden Überlegungen zu diesem Thema nur halbherzig E i n g a n g 5 u n d von einer systematischen Aufarbeitung der Thematik unter Berücksichtigung der speziellen Charakteristika multinationaler Unternehmen ist man auch dort noch weit entfernt 6 Da bisher weder im Bereich Wirtschafts- und Unternehmensethik noch im Bereich der internationalen Unternehmensethik ein einheitliches theoretisches Konzept existiert, das den Fragen der Praxis auch nur annähernd gewachsen wäre, und darüber hinaus viele systematische Fragen und Voraussetzungen noch ungeklärt sind, müssen zunächst die inhaltlichen und formalen Anforderungen, Aufgaben und Problemstellungen einer internationalen Unternehmensethik unter Rückgriff auf die Erkenntnisse aus der Ethik-Ökonomie-Diskussion präzisiert werden. Folgende fünf Fragen sind daher zu klären 7

1 ) Homann et al. (1988), S. 13. 2 ) vgl. Enderle (1988), S. 69f.; Hesse (1988), S. 60f.; Dierkes (1977), S. 116ff. 3 ) Kumar (1989), S. 216. 4 ) Ausnahmen sind Ruh (1980), S.453ff; Kumar (1989), S.215ff; Kumar/Sjurts (1991), S. 159ff.; und in allerjüngster Zeit Jöstingmeier (1994); in ersten Ansätzen auch Kreikebaum (1996). 5 ) vgl. Bowie (1983 a). S. 276ff.; De George (1986), S. 354ff; Laczniak/Naor (1985), S. 3ff.; Pastin/ Hooker (1983), S.280ff.; De George (1983 a), S.285ff; Lane/Simpson (1984), S.35ff; Lehman (1985), S.487ff.; Tuleja (1987), S.221ff.; Schöllhammer (1977), S.24ff. u.a. 6 ) Ansätze finden sich bei Simpson (1982), S. 227ff; Singer/Walt (1987), S. 543ff.; Donaldson (1985), S. 357ff.; Berleant (1982), S. 185ff; bei De George (1987), S. 208; Haegg (1983), S. 77. 7 ) vgl. Homann et al. (1988), S. 13ff; Enderle (1988), S. 16ff; De George (1987), S. 203ff.

4

Grundlagen

1. die Notwendigkeit einer internationalen Unternehmensethik, 2. Gegenstandsbereich, Aufgabenstellung und Forschungsprogramm der internationalen Unternehmensethik in Abgrenzung zu Wirtschafts-, Führungsethik und Business-Ethics, 3. das einer internationalen Unternehmensethik zugrundezulegende Verhältnis zwischen Ethik und Ökonomie, 4. die Grundlagen einer Ethik institutionellen Handelns, d.h. wie die ethische Verantwortung von Organisationen zu begründen ist, und das 5. Verhältnis von Theorie und Praxis innerhalb einer internationalen Unternehmensethik. 1.2.1 Notwendigkeit einer internationalen Unternehmensethik Gerade gegenüber Verfechtern einer angeblichen „werturteilsfreien" Betriebswirtschaftslehre kann die Notwendigkeit einer internationalen Unternehmensethik nur erwiesen werden, indem gezeigt wird, daß es sich bei den oben genannten „Pannen" nicht um immer wieder vereinzelt vorkommende, angesichts der Fülle internationaler Unternehmensaktivitäten jedoch extreme Einzelfälle handelt, sondern diese vielmehr einen systematischen „Defekt" im ökonomischen Weltbild offenbaren. Daß ein derartiger Defekt zu bestehen scheint, zeigen zwei in den letzten Jahren entwickelte Argumentationen, die, auf den internationalen Bereich angewandt, von entscheidender Bedeutung für die Notwendigkeit einer internationalen Unternehmensethik sind: Der erste Begründungsansatz für eine Unternehmensethik ergibt sich aus negativen externen Effekten, die dadurch entstehen, daß aufgrund „falscher" Marktpreise den Unternehmen falsche Signale derart gegeben werden, daß vermeintlich unbegrenzt verfugbare, kostenlose Güter intensiv zur Produktion genutzt werden, mit der Folge der Übernutzung dieser Ressourcen. Weil es sich um knappe Ressourcen handelt, werden die zu deren Wiederherstellung bzw. Erhaltung notwendigen sozialen und ökologischen Kosten durch die Gemeinschaft getragen, ohne daß Produzenten und Konsumenten dazu in dem Ausmaß herangezogen werden, wie sie von der Produktion und Konsumtion der Güter profitiert haben. Klassisches Beispiel hierfür und zudem auch exemplarisch für die Schwierigkeiten, innerhalb des Marktsystems damit umzugehen, sind Umweltgüter wie Luft, Wasser etc. und die damit verbundenen Bemühungen um die „Internalisierung externer Effekte und Kosten"1*. 1 ) vgl. Hoffmann/Rebstock (1989), S. 670; Steger (1991), S. 188f.; Koslowski (1988), S. 259ff.; Prosi (1988), S. 482; Mittelstraß (1985), S.28f.; Donaldson (1989), S. 55.

5

Grundlagen

Besonders auch die Ergebnisse der Geschäftstätigkeit multinationaler Unternehmen bilden ein Beispiel für negative externe Effekte, wenn man die Folgen dieser Unternehmensaktivitäten auf Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Umwelt in Entwicklungsländern betrachtet. Gerade in Entwicklungsländern sind die Marktbedingungen nicht so, wie es die Markttheorie für den optimalen Interessensausgleich propagiert, da sie für multinationale Unternehmen typischerweise oligopolistische und nicht, wie idealerweise gefordert, polypolistische Strukturen aufweisen. Aufgrund ihres Vorsprungs an Ressourcen, technischem Know-How und ihrer Größe erlangen diese leicht marktbeherrschende Stellungen. Regelmäßig gelingt ihnen der Eintritt in Entwicklungsländermärkte, mit der Folge, daß langfristig die lokale Konkurrenz aus dem jeweiligen Marktsegment verdrängt wird. Schon aufgrund des Grundmotivs für Direktinvestitionen als einem konstitutiven Merkmal multinationaler Unternehmen tendieren sie durch ihre Geschäftstätigkeit zur Erzeugung negativer externer Effekte, zielen sie mit Direktinvestitionen doch auf den Aufbau neuer Absatzmärkte mit dem Ziel der Marktkontrolle/-beherrschung. Die Tendenz zur Auflösung des idealtypischen Wettbewerbs unter vollkommener Konkurrenz ist multinationalen Unternehmen somit per definitionem eigen1 \ Dieser Umstand scheint die Vertreter der Position, daß mit dem Gewinnprinzip eine ausreichende ethische Orientierung innerhalb des Marktmechanismus gegeben sei, und somit eine eigenständige internationale Unternehmensethik überflüssig, zu bestärken. Sie argumentieren gegen eine durch externe negative Effekte fundierte Notwendigkeit von Unternehmensethik, indem sie das Vorkommen dieser Effekte lediglich als Resultat mangelhafter institutioneller Rahmenbedingungen und unvollkommener Anreizsysteme interpretieren, die den Marktmechanismus so behindern, daß der marktliche Interessenausgleich durch die „invisible hand" unmöglich gemacht wird 2 ) . Dem ist allerdings entgegenzuhalten, daß sogar im Idealfall vollkommener Konkurrenz, also unter idealen Marktbedingungen für das Funktionieren der „invisible hand", eine ethische Reflexion der Aktivitäten multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern und des Ergebnisses des Marktprozesses geboten ist. Das üblicherweise als Wohlfahrtskriterium herangezogene Pareto-Optimum garantiert nämlich nur, daß eine gegebene Vermögensverteilung als optimal beurteilt wird, wenn der Zustand der Vermögens Verteilung erreicht ist, bei dem niemand besser gestellt werden kann, ohne daß ein anderer schlechter gestellt würde, und daß knappe Ressourcen dort zum Einsatz kommen, wo sie sozial am nützlichsten sind. Dieser Zustand ist jedoch auch erfüllt, wenn

1 ) vgl. Kumar/Sjurts (1991), S. 164f. 2 ) vgl. Lenel (1976), S. 188; Weizsäcker (1984), S. 150. Kritik bei Prosi (1988), S. 482.

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Grundlagen

die Bevölkerungsmehrheit verhungert, solange sie dies „pareto-optimal" tut. Somit bedürfen auch pareto-optimale Zustände einer Reflexion unter ethischen Kriterien 1*. Dieser systematische Defekt im rein-ökonomischen System gewinnt durch die Kombination mit dem folgenden zweiten Argumentationsmuster noch an Gewicht und Bedeutung für die Notwendigkeit einer internationalen Unternehmensethik. Sie resultiert zusätzlich aus der Erkenntnis, daß Unternehmen und andere Wirtschaftssubjekte innerhalb eines (kapitalistischen) Wirtschaftssystems nicht schon allein deshalb „ethisch" agieren, weil sie sich innerhalb der gegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen bewegen. Damit besteht ein Steuerungsdefizit des Rechts. Die Frage nach der ethischen Dimension unternehmerischer Entscheidungen ist prinzipiell nicht durch Verweis auf den Staat als Gestalter der Rahmenbedingungen beantwortbar, bzw. die Einhaltung von Gesetzen kann nur eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für ethisches Handeln von Unternehmen sein. Dies gilt aus folgenden Gründen für den nationalen wie internationalen Bereich, wobei die Entlastungsfunktion des Rechts, bzw. das Spannungsverhältnis zwischen Legalität und Legitimität, verstärkt unter den spezifisch rechtlichen Handlungsbedingungen multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern fragwürdig wird 2 \ 1) Ein Time-lag zwischen technischer Entwicklung und politischer Meinungsbildung und Gesetzgebung führt zu Grauzonen in Bereichen, in denen faktisch ein Regelungsbedarf besteht, für die aber aufgrund der politischen Willensbildung noch keine Regeln verfügbar sind, ζ. B. Gentechnologie. Dieser Time-lag verstärkt sich in Entwicklungsländern, wo gesetzgebende Institutionen häufig noch unterentwickelt sind, bei gleichzeitig vergleichbarem Regelungsbedarf wie in Industrieländern, ζ. B. Umweltverschmutzung in städtischen Gebieten. 2) Abstraktionsprobleme: Verabschiedete Gesetze oder Leitentscheidungen oberster Gerichte enthalten häufig eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die im konkreten Entscheidungsfall unterschiedlich interpretierbar sind. Andererseits wird die Ausgestaltung der Gesetzgebung im Hinblick auf den richtigen Abstraktionsgrad bei gleichzeitig eindeutiger Regelung von Einzelfällen erschwert durch das chronische Informationsdefizit über die Aktivitäten multinationaler Unternehmen, besonders, was das Beziehungsgeflecht und die Verteilung der Entscheidungskompetenzen zwischen Muttergesellschaft und Auslandstöchtern betrifft. Zusätzliche Unschärfen resultieren in Entwicklungsländern einmal aus dem zwiespältigen Verhältnis gegenüber multinationalen 1 ) vgl. Gerum (1989), S. 144; Prosi (1988), S. 482. 2 ) vgl. Stone (1975), S. 174ff.; Schünemann (1979), S.22ff.

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Grundlagen

Unternehmen, die sowohl als „Motor des Fortschritts" als auch als „neokolonialistische Macht" angesehen werden. So werden Gesetze zur Kontrolle ausländischen Kapitals erlassen, die eine effektive Kontrolle erlauben, gleichzeitig aber potentielle Investoren nicht abschrecken sollen. 3) Adressatenunklarheit: Die extrem arbeitsteilige Organisation der Industriegesellschaft verwässert den Zusammenhang zwischen Entscheidung und Folgen, womit die Folgenabschätzung und damit letztlich eine Verantwortungszuordnung immer problematischer wird. So war der Export chemikalischer Grundstoffe zur Produktion von Pflanzenschutzmitteln lange legal und unter ethischen Gesichtspunkten unbedenklich, wurde aber sofort höchst brisant, als diese Grundstoffe in einem Land zur Herstellung von Giftgas verwendet wurden. Dies fuhrt im multinationalen Unternehmen als dem Prototyp des Großunternehmens zu einer Art „organisierter Unverantwortlichkeit" 1 \ Entscheidungsprozesse laufen dort wegen der internationalen Arbeitsteilung, der asymmetrischen Machtbeziehungen zwischen Zentrale und Auslandstöchtern einerseits und Auslandstöchtern untereinander andererseits sehr diffus ab, mit der Folge, daß das Management der jeweiligen Auslandstochter sich bei seinen Handlungen und Entscheidungen immer von höheren Instanzen moralisch entlastet fühlt 2 \ 4) Vollzugsprobleme: Strukturelle Grenzen bei der Überwachung und Sanktionierung von Gesetzesverstößen wegen fehlender Kontrollkapazitäten führen dazu, daß Verstöße nicht mehr in dem Maße geahndet werden können, daß die allgemeine Einhaltung geltenden Rechts gewährleistet ist. Diese Tendenz verstärkt sich in Entwicklungsländern durch meist wenig effiziente administrative Bereiche, die selbst bei erkannten Gesetzesverstößen eine tatsächliche Sanktionierung aufgrund politischer Überlegungen oder in Ermangelung entscheidungsfreudiger und kompetenter Beamter erschwert. 5) Fehlendes internationales Recht: Multinationale Unternehmen operieren immer in mehreren Rechtssystemen und können sich in vielen Bereichen der nationalen Gesetzgebung allein durch eine restriktive Informationspolitik entziehen. Sie gewinnen damit einen Handlungsspielraum, der es ihnen erlaubt, die für sie jeweils günstigeren rechtlichen Rahmenbedingungen zu wählen. Eine Kontrolle auf internationaler Ebene ist aber bisher nicht möglich, da in Ermangelung internationaler gesetzgebender Institutionen keine international gültigen Rechtsnormen und Sanktionsmechanismen für die Aktivitäten multinationaler Unternehmen existieren. 1 ) vgl. Schünemann (1979), S. 34; Beck (1988), S. 96ff. 2 ) vgl. Kumar/Sjurts (1991), S. 168.

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Grundlagen

Aus den Steuerungsdefiziten der gesetzlichen Rahmenbedingungen ergibt sich die Notwendigkeit einer ethischen Reflexion, die sich nicht auf die Einhaltung geltender Gesetze beschränken kann. Deutlich verstärkt wird dies im internationalen Kontext, wo die Probleme der gesetzlichen Steuerung schon seit Jahrzehnten bekannt sind und man über internationale Verhaltenskodizes eine wirksame Kontrolle der Aktivitäten multinationaler Unternehmen zu erreichen sucht, ohne bisher jedoch zu effizienten Ergebnissen zu kommen. Die Steuerungsdefizite des Rechts ergeben zusammen mit den negativen externen Effekten gerade in ihrer Kombination ein tragfähiges Begründungskonzept fur die Notwendigkeit der internationalen Unternehmensethik 1 *. Auch die seit Jahrzehnten international geführte Diskussion um die Tätigkeit multinationaler Unternehmen kommt zum Ergebnis: „In the absence of international rules of a legal character, the activities of multinational enterprises must to a large extent be regulated on a moral basis. Therefore international business ethics is of a great importance" 2*. 1.2.2 Definition und Forschungsprogramm einer internationalen Unternehmensethik Wie bei allen „neuen" wissenschaftlichen Strömungen herrscht wenig Übereinstimmung über die Definition des Begriffs Unternehmensethik bzw. internationale Unternehmensethik, und worin die Unterschiede zur Wirtschaftsethik, Führungsethik und Business Ethics bestehen3 *. Zur Klärung des Gegenstandes, der Aufgaben und des Forschungsprogramms einer internationalen Unternehmensethik ist eine Rückbesinnung auf die zentralen Begriffe Ethik und Ökonomie sinnvoll4*. Um zu einem einheitlichen Verständnis von Ethik zu gelangen, ist dabei zunächst ein Rückgriff auf die „fundamentals" philosophischer Ethik erforderlich. Man unterscheidet zwischen Ethik, Moral und Sitte. Sitte und Moral beziehen sich auf die praktische Seite, d. h. auf die Gesamtheit von Urteilen, Werten, Regeln, Institutionen oder Haltungen, die menschliches Verhalten in einem bestimmten Sinn leiten. Ethik bezeichnet die philosophische Disziplin, die wissenschaftlich reflektierend den Bereich der Moral untersucht5* und danach strebt, begründete, intersubjektiv nachvollziehbare Antworten auf die Frage ,Was soll ich tun' zu geben6*. 1 ) vgl. Kumar (1989), S. 216; De George (1987), S. 204f.; Dierkes/Zimmermann (1991 a), S. 22f. 2 ) Haegg (1983), S. 73; ähnlich Parmar (1979), S. 113. 3 ) vgl. Steinmann/Löhr (1989); Kreikebaum (1989), Rebstock (1988). 4 ) vgl. De George (1987), S. 204f.; Enderle (1988), S. 66f. 5 ) vgl. Ricken (1983), S. 14; Pieper (1985), S. 19f.; Höffe (1986), S. 55; Lay (1979), S. 1320f. 6 ) Kant : Kritik der reinen Vernunft, B833/A805 (1781/87); vgl. Kutschera (1982), S.45.

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Grundlagen

Primäres Ziel ist dabei nicht Erkenntnis, sondern das H a n d e l n 1 u n d zwar definitionsgemäß das menschliche Handeln und Entscheiden 2 Ethik stellt die Frage „...nach der richtigen Entscheidung oder dem richtigen Handeln, und eine richtige Entscheidung ist eine Entscheidung, die gerechtfertigt oder verantwortet werden kann" 3) . Die gerechtfertigte, verantwortete Entscheidung oder Handlung setzt (Willens-, Wahl-) Freiheit bei der Handlung voraus und daß diese Wahl überlegt und wissentlich vollzogen wurde 4 \ Eine ethische Bewertung von Handlungen oder Entscheidungen ist ohne Rückgriff auf diese Begriffe nicht möglich5 \ Ethik befaßt sich jedoch nicht nur mit der persönlichen Seite des guten und gerechten Handelns, sondern berücksichtigt ferner die mit dem Handeln gleichzeitig verbundene politische und soziale Dimension6 \ Trotz einer fehlenden allgemein akzeptierten normativ-ethischen Theorie lassen sich fünf ideale Grundcharakteristika normativ-ethischer Aussagen formulieren. Diese bilden quasi eine Zusammenfassung des Status quo zeitgemäßer Ethik und sind für den weiteren Verlauf der Arbeit von Bedeutung: 1. Moralische Urteile geben eine auf konkretes Handeln bezogene Antwort auf die Frage ,Was soll ich tun' zur Herstellung eines menschenwürdigen Lebens. 2. Moralische Urteile sind begründete, vernünftige Aussagen, die im systematischen Rechtfertigungs- und Ableitungszusammenhang zu Grundprinzipien stehen. Dabei ist zwischen deontologischer Begründung und teleologischer Anwendung zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist dahingehend zu präzisieren, „...daß teleologische und deontologische Ethiken sich nicht vollständig ausschließen, sich vielmehr sinnvollerweise ergänzen. Deontologisch ist die Ethik in der Begründung der höchsten sittlichen Grundsätze; teleologisch ist sie in bezug auf die Anwendung der Grundsätze auf bestimmte Lebensbereiche und konkrete Situationen." 7} 3. Moralische Urteile sind kategorischer Natur im Sinne KANTS, d.h. ihre Befolgung ist an sich, ohne Bezug auf subjektive Interessen und Ziele notwendig für moralisches Handeln, ohne jedoch den Menschen unter das rücksichtslose 1 ) vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik 1,1,1095 a 5f. 2 ) vgl. Ricken (1983), S. 72. 3 ) Ricken (1983), S. 11. 4 ) vgl. De George (1986), S. 83; Höffe (1979), S. 319; ähnlich Goodpaster (1983), S. 8ff. 5 ) vgl. Birnbacher/Hoerster (1976), S. 305ff.; Ricken (1983), S. 67ff; Höffe (1981), S. 29ff.; Frankena (1972); S. 87ff.; und speziell zur Unternehmensethik Kreikebaum (1996), S. 179ff. 6 ) vgl. Pieper (1985), S. 18; Schwemmer (1985), S. 33; Höffe (1986), S. 54f.; Kutschera (1982),

S.VII. 7 ) Höffe (1981), S. 65.

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Grundlagen

Diktat von Vorschriften zu stellen, die im Namen eines „außermenschlichen" Zweckes ein bestimmtes, u. U. sogar unmenschliches Handeln verlangen. 4. Moralische Urteile beanspruchen Allgemeingültigkeit, d. h. sie gelten für alle Menschen, die unter vergleichbaren Voraussetzungen in vergleichbaren Situationen handeln, wobei aber der hochgradig komplexen und differenzierten Struktur an religiösen, politischen, kulturellen und sozialen Bedingungen Rechnung zu tragen ist. 5. Moralische Urteile bewerten menschliches Verhalten unter Rückgriff auf Freiheit und Verantwortung 1 Nachdem die Doppeldeutigkeit des Begriffs Ethik, der sich auf den praktischen Lebensvollzug 2} oder auch auf die theoretische Reflexion eben dieses praktischen Lebensvollzuges beziehen kann 3) , geklärt wurde, ist im zweiten Schritt der Begriff „Wirtschaft" zu präzisieren, denn dieser kann sich auf ein System, eine Organisation oder auf ein Individuum beziehen4 \ Die nähere Bestimmung des Begriffs fuhrt gleichzeitig zur Klärung der Begriffe Wirtschaftsethik, (internationale) Unternehmensethik, Führungsethik und Business Ethics5 \ Das Verhältnis der Begriffe zueinander wird in einem Klassifikationsrahmen deutlich. Den Ausgangspunkt bildet die Ethik als auf menschliches Handeln und Verhalten bezogene Disziplin. Im ökonomischen Bereich lassen sich nach dem Aggregationsgrad drei Handlungsebenen identifizieren, wobei auf jeder Ebene das menschliche Verhalten und Handeln eine mehr oder minder gestaltende Funktion innehat (vgl. Abbildung 1, S. 12). Die drei einer ethischen Reflexion zugänglichen Handlungsebenen sind die Mikro-, Meso- und Makroebene, also die Person, die Organisation und das System6 \ Der Zugang zur Systemethik, Organisationsethik und Ethik der Person kann dabei im Rahmen deskriptiver, normativer oder auch analytisch-metaethischer Fragestellungen erfolgen 7 \ Die ethische Reflexion auf der Mikroebene als Ebene des individuellen Handelns betrachtet das im wirtschaftlichen Bereich handelnde Individuum 8 \ Eine 1 ) vgl. Birnbacher/Hoerster (1976), S. 17ff.; Rebstock (1988), S. 34ff.; Höffe (1985), S. 15ff. 2 ) vgl. Cadbury (1988), S. 122ff.; Matthews (1985). 3 ) vgl. Homann et al. (1988), S. 9f. 4 ) vgl. Ziegler (1987), S. 15ff. 5 ) vgl. Müller-Merbach (1988), S.313. 6 ) vgl. Enderle (1989), S. 170f.; De George (1987), S. 204; ähnlich Brummer (1985), S. 82ff.; Ulrich (1987 a), S. 132f.; Barben/Dierkes (1991), S.209; Lammers/Schmitz (1995), S.72. 7 ) vgl. Matthews (1985), S. 509. 8 ) vgl. De George (1987), S. 204; Enderle (1988), S. 55f.

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Grundlagen

Führungsethik wäre auf der Mikroebene anzusiedeln, wenn es um das verantwortliche Verhalten von Führungskräften geht. Steht im Mittelpunkt aber das Verhalten gegenüber Untergebenen, d.h. Führung als Unternehmensfunktion, beträfe dies die Mesoebenel}. Der Hinweis auf das verantwortliche Handeln verdeutlicht dabei, daß die jeweils individuellen Handlungsmöglichkeiten durch Restriktionen und Handlungsbedingungen begrenzt werden, die einmal in der Persönlichkeitsstruktur des betreffenden Individuums begründet sein können oder in gegebenen Strukturen auf der Meso- und Makroebene 2 \

Abbildung 1 : Klassifikationsschema unterschiedlicher Forschungsansätze im Bereich Ethik-Ökonomie nach MATTHEWS (1985), S. 509

Auf der Mesoebene steht die Betrachtung wirtschaftlicher Organisationen und Institutionen im Vordergrund. Zwar bestehen alle Organisationen aus Einzelindividuen, dennoch sind sie mehr als deren bloße Summe, woraus diese Dimension der Ethik resultiert. Auf dieser Ebene ist die nationale und internationale Unternehmensethik anzusiedeln, deren Gegenstand in Abhängigkeit vom zugrundegelegten Unternehmensbegriff und vom Verständnis des „moralischen Status" von Organisationen näher bestimmt wird 3 ) . Unternehmensethik muß im Rahmen der ethischen Reflexion die tatsächlichen oder scheinbaren Handlungsfreiräume und -beschränkungen des Unternehmens ermitteln und ernstnehmen. Die Handlungspielräume werden dabei durch externe und interne Handlungsrestriktionen näher bestimmt. Die externen Handlungsrestriktionen resultieren weitgehend aus der

1 ) vgl. Enderle (1989), S. 171. 2 ) vgl. Enderle (1988), S. 56. 3 ) vgl. Enderle (1988), S. 56; Dierkes (1977), S. 118ff.; De George (1987), S. 204; Smith/Caroll (1984), S. 95ff.; Ziegler (1987), bes. S.25ff.; Donaldson (1982), S. 19; Hoffman (1986), S. 233; Ladd (1970), S.489ff.

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Grundlagen

Konstruktion und Konstitution des marktwirtschaftlichen Systems. Interne Handlungsrestriktionen resultieren zwar auch aus der Unternehmensgröße und der Liquiditätsstruktur, vorrangig aber aus der formalen Unternehmens- bzw. Organisationsstruktur, der Unternehmenskultur und den Persönlichkeitsmerkmalen der Beteiligten im Unternehmen 1 Eine internationale Unternehmensethik muß in diesem Zusammenhang besonders die Probleme berücksichtigen, die sich primär aus der internationalen Problemstellung ergeben2 \ So sind nicht nur Besonderheiten und Konfliktfelder der multinationalen Unternehmen zu berücksichtigen, es gilt vielmehr, die speziellen Charakteristika multinationaler Unternehmen systematisch herauszuarbeiten und diesen gerecht zu werden. Erst vor diesem Hintergrund ist eine Systematisierung der verschiedenen ethisch relevanten Konfliktsituationen möglich und sinnvoll, wobei dem Verhältnis der multinationalen Unternehmen zu ihren Heimat- und Gastländern Rechnung zu tragen ist3 Den höchsten Aggregationsgrad weist die Makroebene auf, wo Fragen des Wirtschaftssystems, gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen, der Wirtschaftspolitik sowie der internationalen und globalen Wirtschaftsbeziehungen im Blickpunkt ethischer Reflexion stehen 4 Dies ist das Feld der Wirtschaftsethik im engeren Sinn, wenn sie Systemfragen wie die nach der „Gerechtigkeit" des Wirtschaftssystems ethisch reflektiert. Oft wird der Begriff Wirtschaftsethik jedoch auch als Oberbegriff für alle Fragestellungen im Spannungsfeld Ethik-Ökonomie verwendet und nicht auf Systemfragen begrenzt. Dann ist er auf alle drei Handlungsebenen bezogen5 \ Ähnlich doppeldeutig wird auch das angelsächsische „BusinessEthics" verwendet, das ebenfalls auf die Mesoebene und als Oberbegriff auch auf alle drei Ebenen bezogen sein kann 6) . Der enge Zusammenhang zwischen Wirtschafts-, Unternehmens- und Führungsethik wird mit diesem Drei-Handlungsebenen-Klassifikationsrahmen deutlich. 1 ) vgl. Tippelt/Zimmermann (1991), S. 343ff.; Oppenrieder (1986), S. 22f. 2 ) vgl. Schöllhammer (1977), S. 24; auch Cadbury (1988), S. 125; Lacniak/Naor (1985), S. 3f. 3 ) ähnlich Kumar/Sjurts (1991), S. 170. 4 ) vgl. De George (1987), S. 204; Enderle (1988), S. 57. 5 ) vgl. Enderle (1989), S. 170; Küpper (1988), S. 328; Pieper (1985), S. 59; Höffe (1986), S. 282. Wirtschaftsethik wird darüber hinaus als Spezialfach der Sozialethik angesehen, vgl. Enderle (1988), S. 54; Rieh (1984), S. 67; Koslowski (1988), S. 259. 6 ) Eine irrtümliche Gleichsetzung von Business-Ethics mit Unternehmensethik ist durch die naheliegende Übersetzung mit "Geschäftsethik" begründet; vgl. dazu Enderle (1989), S. 170f.; De George (1987), S. 204; Matthews (1985), S. 509; zu den inhaltlichen Unterschieden zwischen amerikanischer und europäischer Business-Ethics Luijk (1990), S. 54Iff.

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Grundlagen

Obwohl jede Ebene ihre spezifischen, nicht auf andere Ebenen reduzierbaren Fragestellungen hat, ist sie eng mit den anderen zwei Ebenen verzahnt. So ist ζ. B. offensichtlich, daß das Wirtschaftssystem das Verhalten und die Handlungsfreiräume von Unternehmen und Individuen determiniert, wie umgekehrt individuelles Verhalten Handlungsfreiräume von Unternehmen d.h. der Mesoebene, determinieren kann. Dennoch gilt prinzipiell, daß auf jeder Ebene eigenständige, mehr oder weniger große Handlungsfreiräume bestehen und damit Möglichkeiten ethisch verantwortlichen Handelns. Diese Handlungsfreiräume bilden die notwendige Voraussetzung für eine Unternehmensethik, wobei mit der Größe der Handlungsfreiheit nicht nur die ethische Verantwortlichkeit steigt1 \ sondern darüber hinaus sogar zusätzliche Handlungsspielräume für das Unternehmen geschaffen w e r d e n 2 A u s den bisherigen Ausführungen läßt sich die folgende Definition der normativen internationalen Unternehmensethik entwickeln, die dieser Arbeit zugrundegelegt wird: Dort, wo im internationalen Kontext überkommene unternehmerische Handlungsweisen und Unternehmen ihre selbstverständliche Geltung verlieren, sucht die internationale Unternehmensethik, von der Idee der Vermeidung negativer externer Effekte und Neutralisierung der Steuerungsdefizite des Rechts geleitet, auf methodischem Weg und ohne letzte Berufung auf politische oder religiöse Autoritäten unter kritischer Prüfung des von alters her so Gewohnten und Bewährten und unter expliziter Berücksichtigung des pluralistischen Charakters moderner Gesellschaften allgemeingültige Aussagen über das gute und gerechte Handeln innerhalb und von Unternehmen zu machen3 \ Selbstredend gibt es die nationale oder internationale Unternehmensethik ebensowenig, wie es die allgemeingültige Ethik gibt. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Aufgaben, die je nach Autor an die Unternehmensethik gestellt werden4 \ Trotz verschiedener Ansichten gibt es aber einige programmatische Übereinstimmungen darüber, was eine Unternehmensethik, die Ethik ernstnimmt, ganz allgemein leisten sollte5 1 ) vgl. Enderle (1989), S. 171f.; Barben/Dierkes (1991), S.233; Lammers/Schmitz (1995), S. 12. 2 ) vgl. Wieland (1993), S.15f. 3 ) Höffe (1986), S. 54. 4 ) vgl. Ulrich (1989), S. 180; Steinmann/Löhr (1988), S.310; Kreikebaum (1988), S.6f.; Küpper (1988), S. 331 ; Ziegler (1987), S. 27f.; Jöstingmeier (1994), S. 4ff. 5 ) vgl. Ulrich (1989), S. 180f.; Ziegler (1987), S.29ff.; Dierkes/Zimmermann (1991 a), S. 19ff.; Lohr (1991), S. 128f.; Rebstock (1988), S. 89f.

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Grundlagen

1. Eine Unternehmensethik sollte (möglichst) metaphysikfrei, rational und intersubjektiv argumentieren. 2. Eine Unternehmensethik muß sowohl die ethische wie auch die ökonomische Dimension berücksichtigen und eine methodische Vermittlung beider Dimensionen anstreben. 3

Eine Unternehmensethik soll praktische Hilfestellung geben und ist damit als angewandte Ethik zu verstehen.

4. Eine Unternehmensethik muß den Einzelmenschen, das zwischenmenschliche Verhalten und die institutionellen Rahmenbedingungen berücksichtigen, gleichzeitig aber auch alle Ebenen des Unternehmens. So kann sie zu einer realistischen Einschätzung von tatsächlichen oder scheinbaren „Sachzwängen" gelangen. Ziel einer Unternehmensethik ist die Entwicklung konkreter Normen in Form regelartiger Aufforderungen zu bestimmtem Handeln und Verhalten und deren Fixierung in Form unternehmenseigener ethischer Verhaltenskodizes. Unverzichtbare Voraussetzung jeder Unternehmensethik ist dabei die ethische Haltung des Entscheidungsträgers oder der Wille der Unternehmung zur ethischen Verantwortung1 \ Darüber hinaus sollte eine Unternehmensethik auch die Grenzen der Verantwortung des Unternehmens aufzeigen, indem es seinem gesellschaftlichen Umfeld verdeutlicht, auf welchem Gebiet es Forderungen externer Art aufnehmen will und kann und auf welchen Gebieten nicht, um nicht gleich „auf jeden Zug aufspringen zu müssen"2 \ Eine derartige Unternehmensethik muß daher folgende grundlegende Fragen beantworten: -

Welche Werte sollen als Grundlage fur die gesamtwirtschaftliche Zielsetzung des Unternehmens dienen?

-

Wie können diese Ziele und Werte in das Unternehmen integriert werden, so daß sie eine ebensolche effiziente Beachtung bzw. Berücksichtigung finden wie ökonomische Ziele, u. U. auch losgelöst von den Motivationen der einzelnen Mitarbeiter?

Eine internationale Unternehmensethik hat sich vor diesem Hintergrund zusätzlich mit dem Problem der Normenbegründung im interkulturellen Kontext auseinanderzusetzen. Hier wird eine allgemeingültige, systematische Begründung ethischer Verhaltensweisen im Kontext politisch, rechtlich, ökonomisch und kulturell 1 ) vgl. Enderle (1988), S. 68. 2 ) Dierkes/Zimmermann (1991 a), S.21; Jöstingmeier (1994), S. 86 postuliert in diesem Sinne eine „pragmatische Unternehmensethik" zur Abwehr unerfüllbarer Forderungen.

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Grundlagen

unterschiedlicher Umwelten und Wertesysteme ungleich schwieriger als im nationalen Rahmen. Sie hat sich den vielfältigen und sehr unterschiedlichen Kulturkreisen und Wertesystemen dadurch zu stellen, daß sie sowohl allgemeingültige, kulturinvariate Aussagen treffen kann als auch die unterschiedlichen Wertorientierungen berücksichtigt, indem sie sich diesen nicht nur durch Ignoranz und Negation entzieht1 \ Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die inhaltliche Skizze einer internationalen Unternehmensethik bisher noch sehr vage ist. Diese erlaubt nur Aussagen, die entweder im Zeitablauf variabel sind oder, auf sehr hohem Abstraktionsniveau formuliert, als einigermaßen konstant für längere Zeitperioden gelten können2 \ 1.2.3 Das Verhältnis zwischen Ethik und Ökonomie innerhalb einer internationalen Unternehmensethik Eine ausdrückliche Klärung des zugrundezulegenden Modells der Interdisziplinarität von Ethik und Ökonomie ist notwendiger Bestandteil einer jeden internationalen Unternehmensethik, weil der Versuch normative Aussagen zu machen, im besonderen Maße der intersubjektiven Nachprüfbarkeit verpflichtet sein sollte3 \ Im Rahmen einer angestrebten methodischen Vermittlung beider Dimensionen ist es daher sinnvoll, im folgenden auf das Verhältnis zwischen Ethik und Ökonomie im Rahmen einer internationalen Unternehmensethik näher einzugehen. In der aktuellen Diskussion werden dabei im Prinzip drei Modellvarianten der Interdisziplinarität von Ethik und Ökonomie vertreten 4 h. 1. Ethik dominiert Wirtschaftswissenschaften. 2. Wirtschaftswissenschaften dominieren Ethik. 3. Ethik und Wirtschaftswissenschaften sind gleichberechtigt und eigenständig.

1 ) vgl. Kumar (1989), S. 224; Matthews et al. (1985), S. 375f.; Schöllhammer (1977), S. 24; Hesse (1988 a), S. 199f.; Tuleja (1987), S.221ff.; Hess (1988), S. 179f.; Dierkes/Zimmermann (1991 a), S. 22f.; und den Vergleich "westlicher" und ghanaanesischer wirtschaftlich-ethischer Werte bei Kwame (1983), S. 263ff. 2 ) vgl. Dierkes (1977), S.122f. 3 ) vgl. Brantl (1985), S. 36; und die Diskussion verschiedener unternehmensethischer Ansätze im Hinblick auf das Postulat der Werturteilsfreiheit bei Jöstingmeier (1994), S. 73ff. 4 ) vgl. Enderle (1988), S. 19ff. Interessant ist in diesem Zusammenhang die historische Betrachtung des Verhältnisses von Ethik und Ökonomie bei Schefold (1994), S. 19ff. und S. 59ff.

Grundlagen

Der philosophiegeschichtliche Ursprung der Modellvariante 1 liegt in der Ethik KANTS. Wenn ein sittlich gutes Wollen allein durch das zugrundeliegende ethische Prinzip motiviert sein darf und nicht durch eine erstrebte „Glückseligkeit", d.h. eine teleologische Erwägung 0 , ist die Dignität der ethischen Normen so überragend, daß diese Normen einer „schnöden" Nutzenerwägung nicht ausgesetzt werden dürfen. Durch die philosophisch-ethische Reflexion werden ethische Normen ohne Zuhilfenahme ökonomischer Überlegungen gewonnen und als fertiges System auf den ökonomischen Bereich und ökonomische Sachverhalte übertragen2 \ Die Auseinandersetzung mit ethischen Grundsatzfragen wird dabei häufig bewußt vermieden 3 \ Eine Unternehmensethik, die dieses Muster der Interdisziplinarität verwendet, versucht, mit nicht-ökonomischen ethischen Normen eine Begrenzung oder Korrektur des ökonomischen Egoismus und Materialismus zu erreichen. Die Plausibilität des Modells ist dabei abhängig a) davon, daß ein „ökonomischer Bereich" eindeutig abgrenzbar ist, was bei der sich zunehmend als allgemeine Theorie menschlichen Verhaltens unter Kosten· und Knappheitsgesichtspunkten verstehenden Ökonomie problematisch ist, und b) von der Existenz einer maßgebenden, allgemein akzeptierten Ethik, die bisher aber nicht in Sicht ist 4) . Die Beliebtheit dieser Modellvariante, im übrigen wegen der genannten Charakteristika auch „Unterdrückungsmodell" genannt 5 hat ihren Ursprung nicht zuletzt in der Tatsache, daß man sich im Rahmen dieses Modells zu einem Sachgebiet von der höheren Warte der Ethik aus äußern zu können glaubt, ohne sich mit der Aneignung des (ökonomischen) Fachwissens aufhalten zu müssen6 \ Eine „aufgeklärte" Variante dieses Modells der Interdisziplinarität, die sich insbesondere durch stärkere Berücksichtigung ökonomischer Sachverhalte auszeichnet und damit der Gefahr des ethischen Rigorismus und Dogmatismus entgeht, bildet der Ansatz von KREIKEBAUM mit seinem Entwurf einer theologisch fundierten Umweltethik 7} sowie nach eigenem Bekunden das Konzept von LOHR, der sich in

1 ) vgl. Homann et al. (1988), S. 16f. 2 ) vgl. Homann/Suchanek (1987), S. 101. 3 ) vgl. Homann et al. (1988), S. 17. 4 ) vgl. Homann/Suchanek (1987), S. 11 lf. 5 ) vgl. Meran (1988), S. 28; Enderle (1988), S. 19; Lohr (1991), S. 259; Lenz/Zündel (1989), S. 321f. 6 ) vgl. Barthel (1989), S. 98f und S. 104ff. 7 ) vgl. Kreikebaum (1987), (1989) und (1991).

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Grundlagen

Anknüpfung an die Erlanger Schule des Konstruktivismus mit den ethischen Grundlagen beschäftigt 1 \ Modellvariante 2 wurzelt in der von J. ST. M I L L vollzogenen Befreiung der ökonomischen Analyse aus der ethischen Betrachtungsweise. Die immer größere Leistungsfähigkeit des ökonomischen Analyseinstrumentariums führte in Verbindung mit dem Versuch der Ausdehnung der Wirtschaftswissenschaften hin zu einer allgemeinen Theorie menschlichen Verhaltens zum hybriden Anspruch, die verschiedensten Aspekte menschlichen Verhaltens und Handelns ausschließlich mittels des Nutzenkalküls erfassen und vollständig erklären zu wollen und zu können2 \ Somit scheint es nur konsequent, nach der Entwicklung einer ökonomischen Theorie der P o l i t i k 3 d e s Rechts4 \ der Verfassung 5 \ der Ehe 6) und der Kunst7 ] auf die Fragen der Praxis nach ethischer Orientierung mit der Entwicklung einer ökonomischen Theorie der Moral zu antworten 8 \ Trotz der außerordentlich fruchtbaren Erkenntnisse durch die Anwendung des ökonomischen Instrumentariums auf die verschiedenen Bereiche ist aber gerade das Forschungsprogramm, ethische Normen ökonomisch begründen zu wollen, noch in vielerlei Hinsicht vage und vieldeutig9*. Da eine rein ökonomische Rechtfertigung ethischer Normen gesucht wird, wird dieses Modell der Interdisziplinarität auch als Rechtfertigungsmodell bezeichnet10 \ Allgemein scheint eine Dominanz der Ökonomie über die Ethik aber vor allem aus zwei Gründen problematisch. Einmal mutet es mit LOHR paradox an, daß die Auswüchse einer in der Praxis dominant gewordenen ökonomischen Nutzenkalkulation ausgerechnet durch eine ökonomische Grundlegung der Moral eingedämmt werden könnten. Zum anderen kann kein Rechtfertigungsversuch einer Ethik auf bloßer individueller Nutzenkalkulation aufbauen und somit auch keine normative Grundlegung einer Wirtschaftsordnung, da eine aufgrund des Nutzenkalküls

1 ) vgl. Lohr (1991), S. 259f.; Steinmann/Löhr (1989 a), S. 10; Steinmann/Löhr (1992); Lenz/Zündel (1989); Ulrich (1989), S.179ff. 2 ) vgl. Mittelstraß (1990), S. 26ff.; Becker (1982). 3 ) vgl. Becker (1982); S. 33f.; Muelller (1989). 4 ) vgl. Ott/Schäfer (1988). 5 ) vgl. Buchanan (1977) und (1984). 6 ) vgl. Becker (1982), S. 225; Meyer (1987). 7 ) vgl. Blaug (1974). 8 ) vgl. Enderle (1988), S. 32; Homann/Suchanek (1987), S. 112f.; Homann et al. (1988), S. 16. 9 ) vgl. Enderle (1988), S. 22. 10 ) vgl. Meran (1988), S. 29; Enderle (1988), S. 19; Lenz/Zündel (1989), S. 322; Lohr (1991), S. 262. Meran (1990), S. 54f nennt es auch "Ermunterungs-Modell".

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Grundlagen

momentan gegebene faktische Zustimmung zu einer ethischen Norm mit dem prinzipiellen Makel behaftet ist, daß diese bei anderen Situationsbedingungen revidiert werden kann, was wiederum jeder Betroffene weiß und sich dementsprechend verhält. Unternehmensethik ist aber gerade eine Aufforderung zur Überwindung subjektiver Standpunkte und kann demzufolge nicht durch individuelle Nutzenkalküle begründet und quasi ökonomisiert werden 1 \ Die Modell variante 3, auch Gleichrangigkeitsmodell genannt2 \ dürfte den meisten jüngst vorgelegten Ansätzen im Bereich Wirtschafts- und Unternehmensethik zugrundeliegen. Diese Modellvariante betont die Gleichwertigkeit und jeweilige Eigenständigkeit von Ethik und Ökonomie, der sowohl in Form des strikten NichtVerhältnisses (Gleichgültigkeitsmodell)3 ] Rechnung getragen werden kann als auch im Rahmen eines interdependenten Zu- und Miteinanders der Disziplinen. Die Vertreter des Gleichgültigkeitsmodells geben dabei jeden Anspruch auf eine Vermittlung zwischen ökonomischer und ethischer Dimension und „Rationalität" bedingungslos auf und gehen von einer grundsätzlichen und nicht miteinander zu vereinbarenden Eigendynamik ökonomischer und ethischer Integrationsmechanismen aus 4) bzw. davon, „...daß man ethische Grundsätze nicht zu Prinzipien ökonomischer Systeme machen kann" 5) . Häufiger als das Gleichgültigkeitsmodell wird daher neueren Entwürfen das sogenannte Interdependenzmodell 6) zugrunde gelegt, das von einem mehr oder weniger umfassenden Zu- und Miteinander der Disziplinen ausgeht, um somit sowohl dem „Menschengerechten" wie dem „Sachgemäßen" Rechnung zu tragen7 \ Wegen des damit zunehmenden Komplexitätsgrades - immerhin müssen Erkenntnisse aus zwei verschiedenen Disziplinen berücksichtigt werden - gibt es zwar einige Ansätze, die sich auf dieses Modell der lnterdisziplinarität berufen, aber bisher

1 ) vgl. Lohr (1991), S. 264f. Exemplarisch für dieses "Modell" Homann/Suchanek (1987), S. 113ff. 2 ) vgl. Lohr (1991), S. 265. 3 ) vgl. Meran (1988), S.31; Enderle (1988), S. 19; Lohr (1991), S.265. 4 ) vgl. Enderle (1988), S. 19; Mittelstraß (1985), S. 17; Ulrich (1987 a), S. 122f. Habermas (1981), S. 229ff. verankert resignierend Kommunikation als ethisches Prinzip außerhalb des Systems in der Lebenswelt. 5 ) Schwemmer (1985), S. 53. 6 ) vgl. Lohr (1991), S. 266. Programmatisch Rieh (1984), S. 81,"...daß nicht wirklich menschengerecht sein könne, was nicht sachgerecht ist, und nicht wirklich sachgerecht, was dem Menschengerechten widerstreitet." Schefold (1995), S. 22Iff. sieht in der systematischen Forschung in diesem Bereich langfristig einen wichtigen zukünftigen Schwerpunkt der Wirtschaftswissenschaften. 7 ) vgl. Rieh (1984), S.81f.

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kein fertiges System 0 . Ein echtes interdisziplinäres Verhältnis zwischen beiden Disziplinen erfordert die Erfüllung dreier Prämissen2 h. 1. Anerkennung der Gleichwertigkeit und Eigenständigkeit der einzelnen Disziplinen. Damit wird eine Über- bzw. Unterordnung einer Disziplin gegenüber der anderen vermieden und einer falschen Harmonisierung aufgrund einer Vereinnahmung durch eine Disziplin vorgebeugt. Durch Beachtung der eigenen Fragestellungen jeder Disziplin werden Konfliktfälle zwischen ethischer und ökonomischer Betrachtungsweise in der Praxis überhaupt erst verdeutlicht und können dann konstruktiv auf eine Unternehmensethik wirken. 2. Anerkennung der Interdependenz beider Disziplinen. Damit ist die Ablehnung der Annahme verbunden, daß es eine „Welt der Tatsachen" einerseits und eine „Welt der Normen" andererseits gebe, die eine strikte Trennung zwischen positiver und normativer Wissenschaft rechtfertigen könne. Das „innige Verhältnis" 3 ] zwischen Ethik und Ökonomie im Rahmen einer Unternehmensethik garantiert, daß die Disziplinen beim Versuch, die Fragen der Praxis einer ethischen Orientierung im ökonomischen Bereich zu beantworten, nicht jeweils schnell an ihre Grenzen stoßen und vor der Praxis kapitulieren müssen. Weiter erlaubt dieses „innige Verhältnis" der Disziplinen, daß die Grenze der jeweiligen Disziplin, um nicht zu sagen, beider Disziplinen überschritten werden kann und daraus ein echter Erkenntnisgewinn für beide Disziplinen erwachsen kann 4 \ 3. Das Spannungsfeld von Gleichwertigkeit und Interdependenz macht die Dominanz einer Disziplin über die andere unmöglich. Diese Voraussetzung fuhrt dazu, daß an beide Disziplinen hohe Anforderungen gestellt werden, indem eine aus dem Unbedingtheitsanspruch resultierende Vernachlässigung des ökonomisch Sachgemäßen durch die Ethik ebenso unmöglich wird wie die Betonung der ökonomischen Eigengesetzlichkeit und des außer-moralischen Charakters des Marktes durch die Ökonomie, die aber das Menschengemäße mißachtet. Nur eine Unternehmensethik auf der Basis des dritten Modells der Interdisziplinarität, d. h. von Gleichwertigkeit und Eigenständigkeit bei gleichzeitiger Interdependenz macht es möglich, daß echte Schritte zu einer Annäherung und Integration von Ethik und Ökonomie im Rahmen der Unternehmens-

1 ) vgl. Rieh (1984); Ulrich (1988), S. 99f.; Enderle (1988); Böckle (1985); Sautter (1992); Rebstock (1988); Koch (1989). 2 ) vgl. Enderle (1988), S.25ff. 3 ) vgl. Mittelstraß (1985), S. 19. 4 ) vgl. Enderle (1988), S. 27.

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ethik möglich werden und gleichzeitig die Grenzen beider Disziplinen erweitert und so realitätsbezogene menschengerechte und sachgerechte Problemlösungen entwickelt werden können 1} . Obwohl die letztgenannte Modellvariante zur Grundlegung einer internationalen Unternehmensethik am erfolgsversprechendsten erscheint, sind die Schwierigkeiten dieses Ansatzes zu betonen. So entsteht das zentrale Problem, wie die prinzipielle Gleichwertigkeit zwischen den Disziplinen gewahrt werden kann, denn einerseits fordert die Ethik, daß jedes ökonomische Prinzip einer ethischen Legitimation bedarf, andererseits hat die Ökonomie den Anspruch, das „...herrschende ökonomische Selbstverständnis als autonome Orientierung sui generis zum gleichzeitigen und eigenständigen' Verhandlungspartner..." zu erheben 2\ Es besteht im Rahmen des Interdependenzmodells die Gefahr, daß Konfliktsituationen zwischen Ethik und Ökonomie nicht mehr entscheidbar werden, da ein Orientierungsprimat fehlt. Ethik und Ökonomie könnten dann nur zur Kenntnis nehmen, daß sich ökonomische oder ethische Sichtweisen durchsetzen. „Die Formel von der Gleichberechtigung würde sich dann im Endeffekt als Eingeständnis der Orientierungslosigkeit erweisen, das bestenfalls als Toleranzedikt und schlechtestenfalls als Willkürberechtigung interpretiert werden kann" 3 Diese Auffassung von Interdependenz, die letztlich dem Primat der Ethik bzw. dem Unterdrückungsmodell das Wort zu reden scheint, geht aber von einer statischen Betrachtungsweise aus, die keine wechselseitige Beeinflussung zu erlauben scheint. Man kann aber bei beiden Disziplinen den Willen zum Erkenntniszuwachs voraussetzen, der es je nach konkreter Problemstellung erlauben dürfte, die eigenen Grenzen zu erkennen und im partnerschaftlichen Verhältnis auf das weiterführende Wissen der anderen Disziplin zurückzugreifen, ihm unter Umständen sogar den Vorrang bei der letztendlichen Entscheidung zu lassen. Zusätzlich sind beide Disziplinen auf Handeln ausgerichtete Wissenschaften, denen es zwar um fundierte Problemanalysen geht, die aber, darauf aufbauend, dem praktischen Handeln bzw. der praktischen Umsetzung im Konfliktfall den Vorzug geben werden. Es kann also nicht vom Primat einer Disziplin im Zusammenhang mit dem Interdependenzmodell gesprochen werden, sondern allenfalls von einem Primat der Praxis über die Theorie. Besonders die Betriebswirtschaftslehre als Anwendungswissenschaft muß ihre Fruchtbarkeit unter anderem an der Umsetzung ihrer 1 ) vgl. Enderle (1988), S.28f. 2 ) Lohr (1991), S. 267. 3 ) Löhr (1991), S. 268.

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Erkenntnisse in praktisches Handeln erweisen. Dieses Streben nach Praxisbezug macht es aber notwendig, auch die Verantwortung fur die Ziele und die Folgen der gegebenen Handlungsempfehlungen zu übernehmen 0. Betriebswirtschaftslehre kann also im Prinzip kein Interesse daran haben, die Ethik als die Wissenschaft von der Verantwortung von Handlungen zu dominieren, helfen ihr doch die Erkenntnisse aus diesem Bereich bei der Formulierung und Abschätzung der Folgen ökonomischer Handlungsempfehlungen. Umgekehrt kann auch die Ethik kein Interesse an der Dominanz über die Ökonomie haben, kann doch auch ihr, um ernst genommen zu werden, nur daran gelegen sein, Erkenntnisse zu Sachgegebenheiten zu erlangen. Wie dynamisch das Verhältnis zwischen Ethik und Ökonomie im Interdependenzmodell sein kann, das als Reflexionsprozeß immer nur zu einem vorläufigen Gleichgewicht kommt, zeigt sich mit HOMANN 2 ) darin, daß sich sowohl die Ökonomie als auch die Ethik zwischen einer Ziel- und Wunschvorstellung, die die Suche leitet (Heuristik), und einer Analyse der Handlungsrestriktionen (Restriktionsanalyse) bewegt. Zur systematischen Dominanz einer Disziplin über die andere kann es dabei deshalb nicht kommen, weil es die konkrete Problemstellung einerseits erfordern kann, daß die Ethik als Heuristik fungiert, während die Ökonomie als zugehörige Restriktionsanalyse ethisch relevantes Wissen zu produzieren aufgerufen ist; andererseits kann auch die Ökonomie neue Möglichkeiten entwickeln und die Ethik diese Möglichkeiten auf ihre Verträglichkeit mit dem ethischen Selbstverständnis der Gesellschaft und den ethischen Leitideen überprüfen.

1.2.4 Das Unternehmen als moralischer Akteur Die Rolle des Unternehmens als moralischen Akteurs ist fur die Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik aus zwei Gründen von erheblicher Bedeutung: Zunächst ist mit der Frage der Begründbarkeit moralischer Verantwortung von Organisationen die meta-ethische Frage nach der prinzipiellen Möglichkeit einer Unternehmensethik verbunden. Ohne Träger, Handelnde und Verantwortliche erscheint die Entwicklung einer Ethik bzw. Unternehmensethik für Organisationen von vorneherein sinnlos, fehlt dann doch der Adressat für eine solche Ethik. Ferner ist mit der Frage nach der moralischen Verantwortung von Unternehmen zugleich eine Klärung darüber verbunden, wann und in welchen Fällen eine individuelle Ethik greifen muß und kann und ab wann institutionell-

1 ) vgl. Küpper (1988), S. 321. 2 ) vgl. Homann (1992), S.8ff.

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organisationale Zwänge so groß sind, daß das Individuum als Organisationsmitglied nur innerhalb dieser Zwänge entscheiden und handeln kann1 Das Grunddilemma der Begründung moralischer Verantwortung von Organisationen als Organisationen besteht dabei darin, daß alle traditionellen Ethikentwürfe die menschliche Entscheidung und Handlung des Individuums als autonomen, nur seinem Gewissen verantwortlichen Einzelwesens in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Dementsprechend sind die Bedingungen für moralische Verantwortung, wie eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen Handlung und Handlungsergebnis, Einheit von Entscheidungs- und Handlungsträger, Zuordnung von Willens- und Entscheidungsfreiheit ausnahmslos anthropomorphe Kategorien2 \ Da aber Individuen in Organisationen im Rahmen einer definierten Rolle in erster Linie nach Zielen und Motiven der Organisation entscheiden müssen und erst in zweiter Linie individuelle Präferenzen in die Entscheidungen einfließen 3 \ ist die simple Anwendung traditioneller Ethikkonzepte und -kategorien auf Organisationen mit einer Vielzahl von Individuen höchst problematisch 4 Zur Lösung des Problems existieren prinzipiell drei Möglichkeiten5 1. das Aggregatsmodell, 2. das Strukturmodell, 3. die Personen- bzw. Handlungsanalogie. Gemäß dem Aggregatmodell 6} haben Organisationen keinen eigenständigen moralischen Status, es ist vielmehr die individuelle Ethik der Organisationsmitglieder gefordert. Begründet wird dieser Standpunkt, indem der freiwillige, auf Verträgen basierende, zu einem bestimmten Zweck gebildete Aggregatscharakter von Organisationen herausgestellt wird, wobei Aggregaten keine von Personen unabhängige Existenz zuschreibbar ist. Handlungen von Organisationen und Handlungsfolgen sind sowohl ontologisch als auch methodologisch auf Aktionen einzelner Organisationsmitglieder reduzierbar. Die Organisation ist als ein mentales Konstrukt nur die bloße Summe individuellen Rollenhandelns und der komplexen Interaktion dieses Rollenhandelns. Wenn also alle organisatorischen Phänomene auf 1 ) vgl. Dierkes/Zimmermann (1991 a), S. 19f.; Enderle (1992), S. 156.Dieser Aspekt wäre auch im Rahmen einer sozialethischen Fragestellung zu behandeln. Zur Einordnung der Sozialethik im Rahmen der Wirtschaftsethik vgl. jedoch S. 13, Anmerkung 5, dieser Arbeit. 2 ) vgl. Lattmann (1988 a), S. 25ff.; Ladd (1970), S. 500; Goodpaster (1983), S. Iff. 3 ) vgl. Hoffmann (1986), S. 233; Goodpaster (1983), S. 3ff. 4 ) vgl. Donaldson (1982), S. 18f.; Brantl (1985), S.314; Goodpaster (1983), S.9f. 5 ) vgl. Donaldson (1982), S. 18ff; Werhane (1985), S.29ff. und Maring (1989), S.25ff. 6 ) vgl. Werhane (1985), S.40f.

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individuelles Handeln rückfuhrbar sind, ist die individuelle Ethik Anknüpfungspunkt fur die ethische Reflexion. Unternehmensethik ist überflüssig 1 \ Obwohl dieses Modell zu Recht auf die wichtige Rolle der individuellen Ethik im Rahmen des organisationalen Handelns verweist, wird das Konstrukt der Individualisierbarkeit organisatorischen Handelns überbeansprucht. Einerseits ist in den allermeisten Fällen die Rückführung der Handlung einer Organisation auf die Entscheidung einzelner Individuen als Entscheidungsträger innerhalb der Organisation unmöglich2 \ Gleichzeitig wird nur die Rollen- und Aufgabenverantwortung, genauer die repräsentative Verantwortung des Individuums beim Handeln fur die Organisation, einer Analyse unterzogen, was stillschweigend eine in der Realität eher unwahrscheinliche Übereinstimmung des persönlichen Handelns und des Rollenhandelns voraussetzt3 ) . Vielmehr ist jedoch davon auszugehen, daß der Beitritt eines Individuums zu einer Organisation nicht frei von Zwängen erfolgt und somit weder ein freiwilliger Aggregationscharakter noch eine Identität zwischen persönlichem Handeln und Rollenhandeln unterstellt werden darf. Auch beim Strukturmodell 4} wird die moralische Verantwortung von Organisationen verneint, hier aber aus der Überzeugung heraus, daß diese eine prinzipiell außer-moralische Qualität darstellen. Danach fuhrt die Dominanz von Organisationsstrukturen zu einer Zweckrationalität, die keinen Freiraum läßt. Jede Handlung als direkter Ausdruck der Organisationsstruktur entzieht sich so der moralischen Beurteilung 5 Ohne auf verschiedene Varianten dieses Ansatzes einzugehen 6 argumentieren dessen Vertreter allgemein, daß 1. ein Unternehmen zur Klasse formaler Organisationen gehört, 2. formale Organisationen definitionsgemäß rational in Hinblick auf Verwirklichung vorgegebener empirischer, d. h. meßbarer Ziele handeln und 3. die rationale Zielverfolgung moralische Überlegungen und damit moralische Verantwortung ausschließt 7 Der Schluß von der formalen Struktur der Organisation hin zum grundsätzlichen Ausschluß moralischer Überlegungen von Organisationen ist aber nur gültig, wenn man wie LADD, als der Hauptvertreter dieses Modells, von der idealistischen Sichtweise der streng formalen Organisation auf der Basis des Bürokratiemodells M. WEBERS ausgeht8 ) und

1 ) vgl. Maring (1989), S.26f.; Hesson (1979); Velasquez (1982). 2 ) vgl. Ladd (1970), S. 492ff. 3 ) vgl. Maring (1989), S. 34, und die empirische Untersuchung von Weber (1990). 4 ) vgl. Donaldson (1982), S. 23ff.; bei De George (1983), S. 58f als organizational view. 5 ) vgl. Ladd (1970), S.496ff.; De George (1983), S. 58f.; Friedman (1983), S. 81ff. 6 ) vgl. Donaldson (1982), S. 27ff.; Goodpaster/Matthews (1983), S. 68f. 7 ) vgl. Donaldson (1982), S.23f. 8 ) vgl. Ladd (1970), S. 490.

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weiter mit dem strengen Rationalitätsprinzip argumentiert, das rein zweckrational im Hinblick auf gegebene, beliebige Ziele ausgerichtet und damit neutral ist1 \ Unternehmen werden mechanistisch als „Zielerreichungsmaschinen" interpretiert, die keiner moralischer Verantwortung zuzuführen sind. Die Metaentscheidung über zu verfolgende Ziele liegt außerhalb der organisatorischen Struktur 2 \ Alle Ansätze des Strukturmodells fuhren somit letztlich dazu, daß weder der Organisation eine ethische Qualität zugesprochen werden kann noch dem Individuum, das in der Organisation handelt, denn dieses wird durch die Organisation exkulpiert. Im Gegensatz dazu gehen die Vertreter der Personenanalogie3 ) von der Grundüberzeugung aus, daß Unternehmen prinzipiell in gleicher Weise als moralisch verantwortlich zu betrachten sind wie Personen. Die Spannweite der Ansätze reicht dabei von der Auffassung, daß Unternehmen ohne jede Einschränkung als „moralische Personen" gelten können4 \ über die Einstufung von Unternehmen als sekundären moralischen Akteuren 5 ) bis zur Interpretation von Unternehmen als Handlungssystemen, die über eine ethische Verantwortungsübernahmefähigkeit implizierende Handlungsfähigkeit verfugen 6 \ FRENCH formuliert dabei den am weitesten gehenden Anspruch einer Theorie der Organisation als moralischer Person, indem er Organisationen von Massenphänomenen abgrenzt. Während sich Massen mit dem Wechsel ihrer Mitglieder wandeln und weder eine interne Entscheidungsstruktur noch eine hierarchische Struktur aufweisen, bleibt das Verhalten in Organisationen auch bei Mitgliederwechsel standardisiert und rollengeprägt 7 \ Damit ist der Ansatz der Individualisierbarkeit kollektiven Handelns zwar zur Erkärung von Massenphänomenen geeignet, nicht aber zur Deutung des Verhaltens von Organisationen8 \ Während sich Aussagen über Massen auf gleichartige Aussagen über Individuen innerhalb dieser Massen reduzieren lassen, ist dies bei Organisationen nicht möglich: 1. wegen deren hierarchischer Struktur, in der die Gesamtheit des Handelns aufgrund unterschiedlicher Teilaufgaben nicht mehr mit dem Bezug auf einzelne Individuen erfaßbar ist, und 2., weil die Handlungsfähigkeit von Organsiationen nicht von

1 ) vgl. Ladd (1970), S.497; Friedman (1983), S. 8Iff. 2 ) vgl. Donaldson (1982), S. 25; De George (1983), S. 59f. 3 ) vgl. Donaldson (1982), S. 20ff.; De George (1982), S. 60f. 4 ) vgl. French (1979) mit dem programmatischen Titel "The Corporation as a Moral Person". 5 ) vgl. Werhane (1985), S. 49ff. 6 ) vgl. Enderle (1992); Maring (1989). 7 ) vgl. French (1984), S. 13f. 8 ) vgl. French (1984), S. 22f.

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bestimmten Einzelindividuen abhängig i s t 1 F R E N C H kommt schließlich zur Überzeugung, daß Organisationen moralische Personen sind, da sie über eine handlungsrelevante, nicht-eliminierbare Intentionalität verfugen 2 \ die sich unter anderem in einer Entscheidungsstruktur manifestiert, die auch kreative, Neues hervorbringende Entscheidungen ermöglicht 3 FRENCH weist das Scheitern des methodologischen Individualismus für das Organisationshandeln nach und zeigt, daß Organisationen intentionale Handlungssubjekte sind, denen eine ethische Verantwortung zukommt. Dies darf aber nicht dazu verführen, Unternehmen als künstliche Rechtskonstrukte zu eigenen, physisch angebbaren Handlungsträgern hochzustilisieren und diese als moralische Personen zu interpretieren. Organisationen können gerade nicht persönlich handeln, sie haben kein Selbstbewußtsein und sind keine Selbstzwecke; es fehlt ihnen somit der Personencharakter im eigentlichen Sinn. Die herausgearbeitete Bedeutung der organisatorischen Entscheidungsstruktur ist kein ausreichendes Kriterium für die Zuschreibung von Intentionalität, denn Strukturen allein implizieren weder Intentionalität noch Handlungen 4 Auch wenn FRENCH individuelle Verantwortung innerhalb von Organisationen nicht vollständig umgeht 5 scheint sein impliziertes Verständnis einer von Organisationsmitgliedern in ihrer Handlungsfähigkeit und Verantwortungspflicht unabhängigen Organisation fraglich, denn letztlich sind es immer Menschen, die über die Geltung institutioneller Strukturen entscheiden und diese revidieren 6 Κ Wegen dieser Probleme formuliert WERHANE das Konzept der Organisation als sekundären Kollektivs, mit dem sie das Verhältnis zwischen individuellem und organisatorischem Handeln untersucht. Handlungen von Organisationen werden demnach als sekundäre Handlungen interpretiert, die von einer Anzahl primärer individueller Handlungen bewirkt werden 7 \ Allerdings können nicht alle sekundären Handlungen der Organisation aus individuellen primären Handlungen abgeleitet werden, vielmehr entsteht ein organisatorisches Gesamtresultat, das nicht durch einfache Summierung der verschiedenen primären individuellen Handlungen erzielt werden k a n n 8 D i e Selektivität der Entscheidungsprozesse sowie die

1 ) vgl. French (1984), S.5ff. 2 ) vgl. French (1984), S.48ff. 3 ) vgl. French (1984), S. 168f. 4 ) vgl. Werhane (1985), S.49f.; Maring (1989), S.35. 5 ) vgl. French (1984), S. 113 und S. 139. 6 ) vgl. Lohr (1991), S. 309. 7 ) vgl. Werhane (1985), S. 53 8 ) vgl. Werhane (1985), S. 53f.

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fehlende Autonomie der Organisation, die Bedingung fur die Ausführung primärer Handlungen ist, verhindert die Einstufung von Organisationen als moralischen Personen. Dennoch sind Organisationen moralisch verantwortlich, denn sie sind als sekundäre moralische Akteure zu sekundären Handlungen fähig 1 Deutlich wird, daß Organisationen nicht zu primären Handlungen fähig sind und somit nicht als moralische Personen angesehen werden können. WERHANES Ansatz zeigt eine Reihe von Unschärfen. So bleibt unklar, wie eine „sekundäre moralische Verantwortung" konkret auszusehen hat bzw. ob hier eine individuelle oder institutionelle Ethik ansetzen soll 2) . Auch ist ungeklärt, ob und inwieweit Organisationen nicht auch anders als reale, physische Entitäten existieren können, und schließlich bleibt offen, ob sich organisatorische Intentionen summativ aus den Intentionen aller Organisationsmitglieder oder selektiv aus Intentionen einiger zusammensetzen3 \ Aufgrund der aufgezeigten offenen Probleme innerhalb der Personenanalogie hat man sich im weiteren zur Begründung einer moralischen Verantwortung der Organisation auf die Analyse ihrer „Handlungsfähigkeit" verlegt 4 \ Ob Unternehmen moralisch agieren und damit als moralische Akteure eingestuft werden können, hängt primär davon ab, ob Organisationen zum Handeln überhaupt fähig sind. Als Entscheidungsgrundlage erscheint eine Rückbesinnung auf Handeln als menschliche Tätigkeit sinnvoll. Menschliches Handeln wird durch vier Elemente definiert: 1. eine handelnde Person bzw. ein Handlungssubjekt, das 2. eine bestimmte Intention hat oder sich bildet, und diese 3. durch ein bestimmtes Tun zu verwirklichen versucht, wobei dieses Tun 4. eine Wirkung entstehen läßt. Diese Elemente sind inneren und äußeren Handlungsbedingungen unterworfen, die den Handlungsspielraum des Handlungssubjekts einengen, ohne ihn aber vollständig zu determinieren 5 Die Anwendung dieses Handlungsverständnisses als Konstrukt zur strukturellen Erfassung der Wirklichkeit, d. h. als sprachliche Methode zur Darstellung von in bestimmter Weise gesehenen Sachverhalten6 ) auf Organisationen, führt dazu, daß die Organisation als „überindividueller Akteur sui generis" 7 \ als „ein zu Handlungen fähiges System"8 ) und als moralischer Akteur begriffen werden kann.

1 ) vgl. Werhane (1985), S. 59. 2 ) vgl. Lohr (1991), S.311. 3 ) vgl. Maring (1989), S.35f. 4 ) vgl. Maring (1989); Enderle (1992). 5 ) vgl. Schwemmer (1987), S. 194ff. 6 ) vgl. Maring (1989), S. 36. 7 ) vgl. Enderle (1988), S. 36. 8 ) vgl. Maring (1989), S. 37.

Grundlagen

So verfügen Organisationen über Intentionen, d.h. Zielsetzungen in Form einer Unternehmensphilosophie, festgelegte Entscheidungsregeln, Absichten- und Zielsysteme, die zwar auch Interessen, Ziele und Bedürfnisse von Individuen (Organisationsmitgliedern, Anteilseignern etc.), widerspiegeln können und tatsächlich häufig auch tun, dies aber nicht vollständig und in jedem Fall tun müssen. Organisationen entwickeln aufgrund ihrer inneren Strukturen und äußeren Umwelt „eigenständige Bedürfnisse, Interessen und Ziele" 0 . Das Handeln der Organisation umfaßt Entscheidungen und Handlungen, die insofern „eigenständig" sind, daß sie, gleichwohl durch Individuen vermittelt, weder auf einzelne Individuen innerhalb noch auf Handlungssysteme außerhalb der Organisation rückführbar sind 2) . Das im Rahmen der Organisation arbeitsteilig erreichte Produktionsergebnis läßt sich zum Beispiel nicht mittels einzelner, isolierter Individuen erreichen; es kann ebenso wie Projektausführungen und Vollzugsprogramme nur der Organisation als Ganzem zugerechnet werden 3 \ Was die Handlungsergebnisse betrifft, ist weitgehend unbestritten, daß Unternehmen und Organisationen weitreichende Wirkungen auf Menschen und Natur ausüben, wobei dieses organisatorische Handeln ein Handeln im Sinn der Nicht-Reduzierbarkeit auf die Akteure des Systems ist, obwohl faktisch immer Einzelindividuen h a n d e l n 4 V o r dem Hintergrund dieser Überlegung läßt sich der moralische Status von Organisationen und die Möglichkeit von Unternehmensethik mit ENDERLE wie folgt präzisieren: „Das Unternehmen wird als moralischer Akteur und juristische Person begriffen, weil es nicht nur eine rechtliche Einheit, sondern eine produktive und soziale Ganzheit bildet. Als zielorientiertes und zugleich sich selbst organisierendes Gebilde, in dem die Individuen zwar handeln, dessen eigenes „Handeln" aber nicht mit dem Handeln der Individuen voll identisch ist, weist es eine spezifische Eigenständigkeit seines „Handelns" auf und kann darum zu Recht als moralischer Akteur bezeichnet werden."5*. Allerdings dürfte schon aus den Ausführungen in Kapitel 1.2.2 dieser Arbeit hervorgehen,

1 ) vgl. Maring (1989), S. 37. Differenziertere Position bei Goodpaster (1983), S. 10f.; Wilbur (1982), S. 146f.; Donaldson (1982), S.22f.; De George (1983), S.62. 2 ) vgl. Enderle (1992), S. 155. 3 ) vgl. Maring (1989), S. 37. 4 ) vgl. Maring (1989), S. 37; Enderle (1992), S. 155. 5 ) Enderle (1992), S. 147.

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„..daß mit der Einführung einer eigenen moralischen Qualitität des Unternehmens die Mitglieder und insbesondere die Unternehmensleitung nicht von ihrem individuellen moralischen Status suspendiert sind" 0 Im folgenden kann zwar nun von der prinzipiellen Möglichkeit einer Unternehmensethik ausgegangen werden; die philosophischen Betrachtungen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine Pflicht zur Einbeziehung ethischer Kriterien in organisatorisches Handeln nicht begründbar ist. Spätestens im internationalen Bereich ist die Übernahme von Verantwortung ausschließlich durch freiwillige Selbstverpflichtung möglich, da hier geeignete Rechts-, Kontroll- und Sanktionsmechanismen fehlen 2 Zusätzlich ist dieser Bereich durch ungünstige Bedingungen fur eine freiwillige Selbstverpflichtung gekennzeichnet. Dennoch liegt eine derartige freiwillige Selbstverpflichtung im Interesse der multinationalen Unternehmen, da eine Häufung von Konflikten mit Produktivitätsverlusten und Gewinnschmälerungen verbunden ist und diese gleichzeitig langfristig zu einer Stärkung internationaler Kontrollinstitutionen und damit verbundenen massivsten Beschränkungen der Geschäftstätigkeit führt. Das Beziehungsgeflecht von Unternehmen, Gesellschaft und deren Austauschbeziehungen läßt eine genauere Analyse sinnvoll erscheinen 3 Dies führt zur Wiederentdeckung der philosophischen Idee des Gesellschaftsvertrages. Zwar versagt das Sozialvertragsmodell in seinem Anspruch, die moralische Verantwortung von Organisationen zu begründen, da dies nicht der eigentliche Themenschwerpunkt des Modells ist4 \ Dafür aber ist es als Analyseinstrument geeignet zur Ermittlung der (gegenseitigen) Pflichten und Rechte im Verhältnis zwischen Unternehmen und (den Mitgliedern) der Gesellschaft mit den jeweiligen sozialen, ethischen und rechtlichen Verantwortlichkeiten 5 \ Basierend auf dem Grundgedanken des Gesellschaftsvertrages, daß eine Rechtsordnung nur legitim ist, wenn ihr alle Bürger zustimmen6 \ können Rechte und Pflichten der Gesellschaft und des Unternehmens näher bestimmt werden. Die Anwendung dieses ursprünglich auf Regierungsformen und Rechtsinstitutionen bezogenen Ansatzes auf den ökonomischen Bereich ist dabei legitim wegen der

1 ) Lammers/Schmitz (1995), S. 69. 2 ) vgl. Kumar/Sjurts (1991), S. 181f. 3 ) vgl. McMahon (1986), S. 181ff.; Burkhardt (1986), S. 333; Donaldson (1982), S. 36ff.; Küng (1988), S. 127f.; De George (1983), S.67; Ulrich (1987 a), S. 128ff.; Lattmann (1988 a), S.26. 4 ) vgl. Maring (1989), S. 35. 5 ) vgl. Maring (1989), S. 35; Brantl (1985), S. 319. 6 ) vgl. Kutschera (1982), S. 352.

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Grundlagen

beträchtlichen Größe von Unternehmen und des immer weiter steigenden Organisationsgrads moderner Gesellschaftsstrukturen, der Unternehmen zu quasi-öffentlichen Institutionen macht1 \ Das Sozialvertragsmodell versucht, die Verantwortung von Unternehmen auf der Grundlage eines Sozialvertrages zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft und dem Unternehmen zu begründen. Unternehmen können nur existieren, wenn sie die Wohlfahrt durch die Befriedigung von Konsumenten, Arbeitnehmerinteressen etc. erhöhen2 \ Voraussetzung hierfür ist aber ein moralisches Element in Organisationen. DONALDSON schlägt als formale Minimalbedingungen für ethisches Handeln von Organisationen vor: „1. The capacity to use moral reasons in decision-making 2. The capacity of the decision-making-process to control not only overt corporate acts, but also the structure of policies and rules." 3} Damit sind jedoch keine inhaltlichen Aussagen über Rechte und Pflichten von Organisationen gemacht. Auch der Geltungsanspruch ethischer Normen ist noch ungeklärt 4 \ Die Existenz von Unternehmen als produktiven sozialen Systemen ist also nur zu rechtfertigen, wenn sie einen positiven Beitrag zur gesellschaftlichen Zusammenarbeit beisteuern, wobei diese Rechtfertigung nicht auf den Akt der Unternehmensgründung beschränkt ist, sondern durch die Produktion von Gütern implizit immer wieder neu erforderlich ist. Indem das Unternehmen zur Wohlfahrt beiträgt, erfährt es im Gegenzug durch die Mitglieder der Gesellschaft eine Anerkennung als Handlungssubjekt in rechtlicher Hinsicht, mit den Befugnissen, Eigentum zu erwerben, natürliche Ressourcen zu nutzen und Angestellte einzustellen5 \ Wie die Konkretion der Pflichten der Gesellschaft und der Unternehmen vonstatten gehen soll, wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch Gegenstand der Betrachtung sein. Dabei werden als grundsätzliche Fragestellungen, denen sich die vertragstheoretische Konkretion der Verantwortung von Unternehmen widmen muß, zu berücksichtigen sein: 1. Wie kann ein hypothetischer Gesellschaftsvertrag eine tatsächliche Verpflichtung begründen?

1 ) vgl. Ulrich (1977), S. 159ff.; Donaldson (1982), S.41f.; Anshen (1983), S.97ff.; Bowie (1983), S. 104f.; Ulrich (1988), S. 107f.; Burkhardt (1986), S. 334; zu verschiedenen Vertragsmodellen McMahon (1986), S. 181 ff. 2 ) vgl. Donaldson (1982), S.52f. 3 ) Donaldson (1982), S. 30. 4 ) vgl. Brantl (1985), S. 319. 5 ) vgl. Donaldson (1982), S. 156.

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Grundlagen

2. Wie sind konkrete moralisch-ethische Rechte und Pflichten inhaltlich vertragstheoretisch begründbar? Obwohl also Unternehmen keinen „inhärenten Wunsch haben, moralisch zu sein"1 \ müssen sie, wie gezeigt, die externe Verantwortungsrelation der Unternehmung zur Gesellschaft ernstnehmen. Dabei lassen sich drei Bereiche einer ethischen Verantwortung skizzieren, definiert als konzentrische Kreise 2 1. der innerste Verantwortungsbereich: Erfüllung ökonomischer Funktionen des Unternehmens und die Einhaltung geltender Gesetze, 2. der mittlere Verantwortungsbereich: Berücksichtigung negativer ökologischer, soziokultureller und politischer Folgen der Unternehmenstätigkeit, 3. der äußerste Verantwortungsbereich: Übernahme von Mitverantwortung des Unternehmens bei der Lösung auch solcher gesellschaftlichen Probleme, die tendenziell nicht oder nur wenig durch das Unternehmen verursacht wurden, wie ζ. B. die Integration von Minoritäten, Beseitigung von Jugendarbeitslosigkeit, Integration von Frauen ins Management, Überwindung des Rassismus

1.2.5 Das Verhältnis von Theorie und Praxis in einer internationalen Unternehmensethik Eine anwendungsorientierte Wissenschaft steht immer im besonderen Spannungsverhältnis zwischen theoretischer Erkenntnisgewinnung und praktischen Anforderungen. Betriebswirtschaftslehre und Ethik versuchen je für sich auf der Basis theoretischer Überlegungen konkrete, praxisnahe Empfehlungen fur das praktische Handeln abzugeben. Umso mehr ist eine beide Disziplinen umfassende Unternehmensethik in dieses Spannungsverhältnis von Theorie und Praxis eingebunden. Eine internationale Unternehmensethik, die den theoretischen und praktischen Anforderungen gerecht werden will, muß die Anforderungen der praktischen Vernunft durch Entwicklung eines tragfähigen theoretischen Fundaments erfüllen. Sie hat gleichzeitig den empirischen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen, die für die Handlungssituationen in Unternehmen maßgeblich sind 3) . Das Verhältnis von Theorie und Praxis innerhalb einer internationalen Unternehmensethik läßt sich mit drei grundsätzlichen Thesen beschreiben4 )m. 1 ) vgl. Donaldson (1982), S. 127. 2 ) vgl. Dierkes/Zimmermann (1991 a), S. 21, verweisend auf das Commitee for Economic Development (1971) verweist. 3 ) vgl. Müller-Merbach (1988), S.305; Oppenrieder (1986), S. I i ; Höffe (1981), S. 15ff. 4 ) vgl. Enderle (1988), S. 34ff; Lohr (1991), S. 121ff.

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Grundlagen

Normative Unternehmensethik steht in der Verpflichtung, ethische Konflikte der Praxis nicht dem pragmatischen Handeln zu überlassen. Dies fuhrt erstens zu einer Ablehnung der These des grundsätzlichen Nicht-Verhältnisses der Unternehmensethik als Theorie und der Unternehmensethik als Praxis. Eine nur theoretische internationale Unternehmensethik ist genauso problematisch wie eine ausschließlich praktisch orientierte. Beide Sichtweisen beinhalten eine begrenzte Auffassung der Wirklichkeit und tragen entweder den theoretischen oder aber den praktischen Anforderungen an eine Unternehmensethik nicht Rechnung. Andererseits ist die unternehmensethische Praxis nur bruchstückhaft durch theoretische Überlegungen erfaßbar. Theoretische Erkenntnisse können auf konkrete Problemstellungen nur Teilantworten geben. Die in der philosophischen Literatur unter den Stichworten „normativistischer" oder „naturalistischer Fehlschluß" verhandelten Problemstellungen 0 verbieten pragmatische Kurzschlüsse der Art, daß aus theoretischen Erkenntnissen unmittelbare Schlußfolgerungen fur das praktische Handeln gezogen werden. In einer zweiten These ist daher von der begrenzten Beziehungsfähigkeit zwischen Theorie und Praxis auszugehen. Gehört die ethische Dimension unabdingbar zur Praxis, verleiht diese der Praxis eine Würde und Relevanz, die diejenige der Theorie übertrifft, was drittens zur These des Praxisprimats fuhrt. Danach tritt die theoretische Reflexion im Zweifelsfall gegenüber dem tatsächlichen praktischen Handeln zurück. Das Praxisprimat kann dazu fuhren, daß eine internationale Unternehmensethik sogar nur dann sinnvoll ist, „... wenn man sie vom philosophischen Terrain allgemeingültiger Werte und Wahrheiten abkoppelt und dafür versucht, sie auf bestimmte Ziele hin operational auszuformulieren. Was sie an logisch-abstrakter Konsistenz verlieren mag, gewinnt sie an sachlicher und zeitlicher Variabilität und Effektivität: die Variabilität darf allerdings nicht so weit gehen, daß die übergeordneten Zielsetzungen je nach praktischen Möglichkeiten und Zwängen beachtet oder ignoriert werden, also beispielsweise danach, ob man sich Ethik gerade bequem leisten kann." 2) Eine internationale Unternehmensethik bewährt sich dann praktisch, wenn sie zumindest potentiell Problemstellungen gerecht werden kann wie beispielsweise Verteilungsgerechtigkeit, Arbeitsplatzsicherheit, Gesundheitsschutz, ressourcenund energiesparenden Produktionsverfahren, Umweltverträglichkeit von Produkten bezüglich ökologischer Stoffkreisläufe und Wiederverwertbarkeit, Erhöhung 1 ) vgl. Höffe (1981), S. 15ff. 2 ) Barben/Dierkes (1991), S.217f.

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Grundlagen

der Mitwirkungschancen sozial benachteiligter Gruppen, der Schaffung einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung und Entwicklungschancen für die Dritte Welt 1 \ Diese Überlegungen münden in die Frage, wie praktisch eine theoretisch fundierte internationale Unternehmensethik nun tatsächlich sein kann, bzw. wie eine Umsetzung theoretischer Erkenntnisse in den praktischen Handlungsvollzug konkret aussieht. Für die Beantwortung dieser Frage ist die Erkenntnis hilfreich, daß sich im Rahmen einer Unternehmensethik getroffene normative Aussagen auf zwei unterschiedliche Bereiche beziehen können, nämlich: - den Bereich materiell-ethischer Normen, - den Bereich formal-ethischer Normen 2 \ Normative Aussagen zu materiell-ethischen Normen stellen praktische Handlungsanweisungen dar, bezogen auf verschiedene Problembereiche der Unternehmenstätigkeit. Häufigstes Beispiel materiell-ethischer Normen sind Verhaltenskodizes, wie der Nestlé-Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten 3 Die prinzipielle Vorgehensweise der Entwicklung materiell-ethischer, inhaltlich präzisierter Normen erweist sich als problematisch; gerade hier ist das Spannungsverhältnis von Theorie und Praxis besonders ausgeprägt. Definitionsgemäß müssen materiell-ethische Normen situationsadäquat sein, um Praxisrelevanz erheben zu können. Eine internationale Unternehmensethik, verstanden als Katalog oberster, dauerhaft gültiger Verhaltensnormen, setzt aber die Kenntnis der jeweiligen Situationen mit allen vorliegenden Absichten, Interessen, Bedingungen und Nebenwirkungen voraus. Darüber hinaus muß die Situation eindeutig, d. h. nicht intersubjektiv unterschiedlich einschätzbar oder beurteilbar sein. Diese Anforderungen sind in der Realität selten gegeben, so daß leicht ein Bewertungskonflikt entsteht. Mehrdeutige Situationen können im Rahmen einer nur durch materiell-ethische Normen geprägten Unternehmensethik aber nicht berücksichtigt werden. Die Gefahr des Dogmatismus oder ideologischen Einflusses ist sonst zu groß 4) . Eine zweite „Lösung" des Spannungsverhältnisses von Theorie und Praxis bildet die Vernachlässigung materiell-ethischer Normen zugunsten der Konzentration auf formal-ethische Normen. Hierunter werden normative Aussagen über Regelungen innerhalb der Unternehmen verstanden, die eine Entwicklung materiellethischer Normen überhaupt erst ermöglichen und fördern sollen5 \ Analytisch 1 ) vgl. Barben/Dierkes (1991), S. 218. 2 ) vgl. Steinmann/Oppenrieder (1985), S. 172; Staffelbach (1988), S. 49. 3 ) vgl. Dobbing (1988), S. 156ff.; Steinmann/Oppenrieder (1985), S. 172. 4 ) vgl. Steinmann/Oppenrieder (1985), S. 172; Steinmann/Löhr (1989 a), S. 12f. 5 ) vgl. Steinmann/Oppenrieder (1985), S. 172; Steinmann/Löhr (1989 a), S. 12ff.

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Grundlagen

betrachtet, können formal-ethische Normen nach ihrem institutionellen, prozessualen oder instrumentellen Charakter unterschieden werden 1 \ die im Regelfall nicht in Reinkultur, sondern als Mischformen auftreten. In der konkreten Ausgestaltung einer auf formal-ethischen Regelungen basierenden Unternehmensethik, wie der von STEINMANN/OPPENRIEDER, werden institutionelle Normen neben prozessualen Normen und Normen instrumentellen Charakters verwendet 2 \ In der Unternehmenspraxis ist ein derart ausgestaltetes System formal-ethischer Normen jedoch bisher nicht anzutreffen. Einzelne Elemente wie Verhaltensgrundsätze3 \ Ethik-Kommissionen, Ombudsmänner4 \ Schulungsmaßnahmen5 ) und Sozialbilanzen 6} hingegen sind schon Bestandteil unternehmerischen Handelns. Zusammenfassend sind die Bemühungen zur Institutionalisierung von Ethik in der Unternehmenspraxis, sei sie nun national oder international, als eher gering zu beurteilen. Zusätzliches Indiz hierfür ist die sehr geringe Tendenz zur Änderung organisational-prozessualer Strukturen im Unternehmen 7 \ Trotz dieser ernüchternden Bilanz, was die Auswirkung theoretischer Erkenntnisse zur Unternehmensethik in der Unternehmenspraxis betrifft, kann es bei der Entwicklung und Fundierung einer internationalen Unternehmensethik nicht primär darum gehen, sich als wissenschaftliche Disziplin zu etablieren, die sich selbstgenügsam mit der Anhäufung theoretischer Erkenntnisse begnügt. Vielmehr ist die internationale Unternehmensethik schon von ihrem Selbstverständnis her darauf angewiesen, daß sie praktische und wirksame Handlungsempfehlungen gibt. In diesem Sinn gewinnt eine internationale Unternehmensethik an Gewicht und Inhalt, wenn sie: „...gerade nicht in theoretischer Absicht auf Erkenntnis, sondern in praktischer Absicht auf das Handeln abzielt...", und verdient „...wissenschaftliche Anerkennung als praktisches Wissen genau dann, wenn sie als systematische Stützung so hilfreich in das unmittelbare Leben zurückwirkt,

1 ) vgl. Staffelbach (1988), S. 50. 2 ) vgl. Steinmann/Oppenrieder (1985), S. 180. 3 ) vgl. Enderle (1988), S. 46f.; Kerber (1988), S. 257; Dierkes (1977), S. 124ff.; Müller-Merbach (1988), S. 314f zu Inhalten und Problemen von Verhaltensgrundsätzen. 4 ) vgl. Enderle (1988), S.47f.; Center of Business Ethics (1986), S. 88f.; Kerber (1988), S.256 zu Inhalten und Problemen von Ethikkommisionen und Ombudsmännern; vgl. Steinmann/Oppenrieder (1985), S. 171 fT. zur Entwicklung von Ethikkommissionen bei Nestlé. 5 ) vgl. Enderle (1988), S.48; Kerber (1988), S.256; Hoffman/Moore (1982), S. 81ff.; zur Struktur von Business-Ethics-Kursen Müller-Merbach (1988), S.320f. 6 ) vgl. Center o f Business Ethics (1986), S. 88; Dierkes (1977), S. 144ff. 7 ) vgl. Center of Business Ethics (1986), S. 89f.; Ulrich/Thielemann (1992), S. 112.

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Grundlagen

daß dort eine verbesserte Wirtschaftspraxis hergestellt werden kann. Die Prüfinstanz in der Frage, ob das anleitende Wissen in Form einer Unternehmensethik ,richtig 4 (genauer: berechtigt) ist, kann also auch nur die Praxis selbst sein - und nicht ein theoretisches Kriterium. So verstanden wird unsere auf,richtige' Praxis (Handeln) ausgerichtete wissenschaftliche Anstrengung auch nicht als eine theoretische Bevormundung des Wirtschaftslebens verstanden werden können" 0 .

1.3 Programm der Arbeit und Vorgehensweise bei der Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik Die aufgeführten negativen externen Effekte der Geschäftstätigkeit multinationaler Unternehmen auf ökonomische, politische und gesellschaftliche Verhältnisse in Entwicklungsländern bilden neben den Steuerungsdefiziten des Rechts eine ausreichende systematische Begründung für die Notwendigkeit einer internationalen Unternehmensethik. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Weg zur Einbeziehung ethischer Überlegungen in das Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern aufzuzeigen, um die bestehenden Defizite zu minimieren. Diesem Ziel liegt die Auffassung zugrunde, daß eine umgesetzte Unternehmensethik zu einem weitgehend konfliktfreien Auslandsengagement führen und langfristig dem Interesse aller Beteiligten, d. h. sowohl des multinationalen Unternehmens wie auch des Entwicklungslandes, gerecht werden kann. Eine derart ausgerichtete internationale Unternehmensethik gewährleistet darüber hinaus, daß ein Unternehmen eine Sensibilität für die häufig aus der Not geborenen Interessen des Entwicklungslandes entwickelt, mit der Folge, daß die Durchführung eines Auslandsengagements besser geplant, das Risiko besser abgeschätzt werden kann und Argumente für den Verhandlungsprozeß mit ausländischen Regierungsstellen entwickelt werden können. Insbesondere die mit einer internationalen Unternehmensethik angestrebte weitgehend gerechte Verteilung der Vorund Nachteile des Auslandsengagements auf alle beteiligten Parteien dient langfristig einer Minimierung der Konflikte und fördert eine dauerhafte Markterschließung. Sie ist für deutsche multinationale Unternehmen also unter dem strategischem Aspekt der Ausnutzung von Chancen interessant. Eine derart ausgerichtete normative internationale Unternehmensethik hat, wie bereits aufgezeigt, folgende formal-inhaltlichen Anforderungen zu erfüllen, die quasi das ideale Profil einer normativen internationalen Unternehmensethik skizzieren, nämlich: möglichst metaphysikfreie, auf intersubjektiv nachprüfbarem Weg ermittelte, auf konkrete 1 ) Lohr (1991), S. 130.

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Grundlagen

Handlungen zielende und auch in einer pluralistischen Gesellschaft allgemeingültige, normative Aussagen kategorischen Charakters über das gute und gerechte Handeln innerhalb und durch Unternehmen zu machen, die zudem Ausdruck einer methodischen Verbindung zwischen ethischer und ökonomischer Dimension sein sollen. Diese Verbindung entsteht aus dem „In-Beziehung-Setzen" beider Dimensionen, wobei jedoch nur die prinzipielle Gleichwertigkeit und Interdependenz der Disziplinen einen echten Erkenntniszuwachs ermöglicht. Ferner zeigt eine internationale Unternehmensethik grundlegende Werte auf und entwickelt formal- und materiell-ethische Normen zu deren Integration in die Unternehmensentscheidungen. Hierzu sind neben verschiedenen Ebenen der Unternehmen auch individuelles Verhalten und institutionelle Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, um Handlungsspielräume und -restriktionen zu erfassen. Eine internationale Unternehmensethik mit ausgeprägtem Praxisbezug versucht darüber hinaus, nicht nur Vorstellungen ethischen Verhaltens für die ideale Welt zu entwickeln, sondern auch eine „lebbare Ethik" dahingehend, daß sie nicht-ideale Bedingungen und Reaktionen anderer berücksichtigt. Dies umfaßt ζ. B. die Abgrenzung berechtigter und unberechtigter ethischer Ansprüche an das Unternehmen. Die Unternehmensethik sieht sich dabei im Spannungsverhältnis von Theorie und Praxis, soll sie doch allgemeingültige und gleichzeitig konkrete Gestaltungsempfehlungen entwickeln. Im Zweifelsfall tritt daher die theoretische Reflexion gegenüber dem praktischen Handeln zurück. Zusätzlich ergeben sich weitergehende Anforderungen durch den internationalen Bezug. So sind die länderspezifischen Handlungsspielräume für ethisches Verhalten zu berücksichtigen sowie das Problem der Fundierung einer Unternehmensethik bzw. Normenbegründung im internationalen Kontext. Als tragfähiges Fundament zur Begründung einer Unternehmensverantwortung als der prinzipiellen Voraussetzung jeder Unternehmensethik erweist sich die Handlungsanalogie, wonach Unternehmen als überindividuelle Akteure und als zu intentionalem Handeln fähige Systeme moralische Akteure in dem Sinn sind, daß sie prinzipiell ethische Überlegungen in ihre Entscheidungen einbeziehen können. Generell scheint dabei eine Pflicht zur ethischen Verantwortungsübernahme durch multinationale Unternehmen nur auf der Basis einer freiwilligen ethischen Selbstverpflichtung begründbar, was insofern eine ausreichend plausible und akzeptable Fundierung darstellt, als jegliche (Unternehmens-)Ethik ebenfalls notwendigerweise die Bereitschaft des Handlungssubjekts zur Berücksichtigung ethischer Überlegungen und damit eine freiwillige Selbstverpflichtung voraussetzt. Ein Instrument zur genaueren Bestimmung ethischer Pflichten multinationaler Unternehmen im Rahmen der freiwilligen Selbstverpflichtung scheint aus der Argumentationsfigur des Gesellschaftsvertrages ableitbar. 36

Grundlagen

Will man vor dem Hintergrund des idealen Profils einer normativen internationalen Unternehmensethik eine solche entwickeln, ergibt sich folgende Vorgehensweise: Zugrundegelegt wird eine von ENDERLE vorgeschlagene „angewandte Ethik", d. h. eine um das Verhältnis von Theorie und Praxis erweiterte Variante des dritten Modells der Interdisziplinarität 1 \ Diese setzt die Disziplinen Ethik und Ökonomie zueinander in Beziehung und sichert die Gleichwertigkeit und Interdependenz durch einen problemorientierten und einen handlungsorientierten Bestandteil, der sich jeweils das theoretische und praktische Wissen beider Disziplinen zunutze macht (vgl. Abbildung 2).

PROBLEMORIENTIERUNG Problemverständnis der BWL, dokumentiert am Beispiel des Auslandsengagements multinationaler Unternehmen

i k

ÀL

Λ

Ψ

1r

PRAXIS Problemverständnis der ETHIK, dokumentiert am Beispiel von von RAWLS Gerechtigkeitskonzeption

THEORIE

ιr

HANDLUNGSORIENTIERUNG

PRAXIS

Abbildung 2: Strukturmodell einer internationalen Unternehmensethik als „angewandter Ethik" in Anlehnung an ENDERLE (1988), S. 50

Eine Theorie ist auf einen anderen Bereich nicht übertragbar, ohne daß sie durch den Anwendungsbereich modifiziert wird. Für die Unternehmensethik bedeutet dies zunächst, daß es keine realistische Unternehmensethik jenseits ökonomischer Rationalität gibt, aber auch keine ökonomische Rationalität jenseits ganzheitlicher sozioökonomischer Vernunft 2 \ Als Ausgangsbasis und Struktur der Arbeit sei daher eine umfassende Problem- und Handlungsorientierung angestrebt, die durch die nachfolgende Abbildung 3, S. 39 verdeutlicht wird.

1 ) "Angewandte Ethik" stellt Wissen zur Verfügung, das dem handelnden Menschen/Unternehmen in der realen Welt beim Lösen dort entstandener Probleme Hilfestellung bietet; vgl. Enderle (1988), S. 49f. 2 ) vgl. Ulrich (1987 a), S. 135; Lammers/Schmitz (1995), S. 12.

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Grundlagen

Eine so ausgestaltete, normative internationale Unternehmensethik stellt dann eine anwendbare Methode zur Ableitung materiell-ethischer Normen bzw. Verhaltensgrundsätze zur Verfugung, die einen rational begründeten Umgang mit relevanten Konfliktsituationen gewährleistet. Sie stellt ferner formal-ethische Normen in Form organisatorisch-institutioneller Regelungen zur Entwicklung und Durchsetzung materiell-ethischer Normen zur Verfügung. Beide Bestandteile sind auf den internationalen Kontext bezogen und auf die daraus resultierenden Probleme abgestimmt. Die Praktikabilität der Methode wird durch die exemplarische Ableitung von Grundsätzen für ausgewählte ethische Probleme des Auslandsengagements in Entwicklungsländern überprüft. Mittels dieser Methode sollte es möglich sein, auch aus anderen als den hier vorzuschlagenden Grundwerten und für andere Problemstellungen Verhaltensgrundsätze ableiten zu können.

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Grundlagen

Internationale Unternehmensethik Problemorientierung Problemorientierung Teil 1: Problemverständnis der Betriebswirtschaftslehre: Das Auslandsengagement multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern. Statische und dynamische Betrachtung der Strukturdeterminanten und Aufweis der Konfliktfelder (Kapitel 2)

\

Problemorientierung Teil 2: Problemverständnis der Ethik: Aufweis der ethischen Dimension des Problemfeldes (Kapitel 3) deskriptiv-ethische Erhellung = mögliche ethische Begründungsstrukturen für den status quo

\ normativ-ethische Rechtfertigungsdiskussion Vorstellung der Gerechtigkeitskonzeption von John Rawls und erste Prüfung an den in Kap. 1 gewonnenen Voraussetzungen und Anforderungen

A Handlungsorientierung: Entwicklung einer Methode zur Ableitung ethischer Normen für das Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern (Kapitel 4) Entwicklung einer Methode zur Ableitung formalund materiell-ethischer Aussagen - normative Grundlagen und Voraussetzungen - Methode

1 Anwendung der Methode auf typische Entscheidungsfelder beim Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern Abbildung 3: Die logische Struktur der Arbeit im Oberblick

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Das Problemverständnis

der Betriebswirtschaftslehre

2 Das Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern In diesem Kapitel wird das Problemverständnis der Betriebswirtschaftslehre skizziert. Es gilt, eine fundierte theoretische und empirische Analyse des Auslandsengagements deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern zu leisten. Das grundsätzliche Problem des Auslandsengagements stellt sich dabei wie folgt dar: Erstens resultieren aus dem Auslandsengagement für multinationale Unternehmen zwei diametral verschiedene Verhaltensanforderungen. So steht dem Zwang zur Anpassung an landesübliche kulturelle und ökonomische Gegebenheiten die Tatsache entgegen, daß die Auslandsniederlassungen als Teil des Konzerns in eine gesamtunternehmensbezogene, länderübergreifende Strategie eingebunden sind. Die „optimale" Strategie wird zwar im Spannungsfeld von Anpassung und Globalisierung im konkreten Einzelfall durch die individuelle Konstellation der unternehmensexternen und -internen Strukturdeterminanten beeinflußt, gleichwohl ist die Wunschstrategie diejenige der Globalisierung, gewinnt das multinationale Unternehmen doch gerade dadurch seine wirtschaftliche Stärke1 \ Zweitens gehen besonders beim Auslandsengagement in Entwicklungsländern dessen Auswirkungen häufig über den Bereich des Unternehmens, seiner Konkurrenten und seines Marktes hinaus und erstrecken sich auch auf die ökonomischen, politischen und gesellschaftlich-sozialen Gegebenheiten des „betroffenen" Landes2 \ Sie wirken sich in erheblichem Maße auf das Entwicklungsland aus und werden daher mit Argwohn und der Furcht vor einer neuen Form des Kolonialismus betrachtet3 Der materielle Leidensdruck zwingt die Entwicklungsländer dennoch zur Förderung von Auslandsengagements, da multinationale Unternehmen durch ein Auslandsengagement in großem Umfang die Ressourcen Kapital, Know-How, weltweite Marktverbindungen und organisatorisch-dispositive Kapazitäten zur Verfügung stellen können, die als dringend notwendig für die nationale Entwicklung begriffen werden. Das so entstehende gespannte Verhältnis beinhaltet ein Konfliktpotential, das durch unterschiedliche Auffassungen über die „gerechte" Ver1 ) vgl. Kumar/Sjurts (1991), S. 161f.; Fayerweather (1978), S. 10; Jöstingmeier (1994), S. 23. 2 ) vgl. z.B. UN (1973), S. 1; Bayer (1975 a), S. 14; Jonas/Tietzel (1976), S. 168; Negandhi/Baliga (1979), S.42ff.; Meissner (1981), S. 16f.; Kasch et al. (1985), S. 35; Naor (1982), S.219ff. 3 ) vgl. Bethke/Koopmann (1975 ), S. 16ff.; UN (1983), S. Iff.; Heinen (1982), S.25ff.; Mayer (1974), S. 63ff.; Langer (1974), S. 223; Kratz (1975), S. 166ff.; Grossfeld/Hübner (1978), S. 170ff.

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Das Problemverständnis

der Betriebswirtschaftslehre

teilung der Vor- und Nachteile des jeweiligen Auslandsengagements für alle Beteiligten sowie durch die diametralen Verhaltensanforderungen an multinationale Unternehmen gekennzeichnet ist. Die in diesem Kontext vorkommenden Konfliktfelder werden im folgenden auf der Basis von Erkenntnissen zu den Bereichen Multinationale Unternehmen, Auslandsengagement und Entwicklungsländer herausgearbeitet. In einem ersten Schritt werden die inhaltlich-terminologischen Grundlagen dargelegt, während im zweiten Schritt die Darstellung der Verhaltens- bzw. Strukturdeterminanten der Beteiligten durch den Aufweis der prinzipiellen Handlungsfreiräume und tatsächlichen Verhaltensweisen bei der Gestaltung des Auslandsengagements erfolgt. Im dritten Schritt werden die jeweiligen Strukturdeterminanten im Rahmen des Prozesses des Auslandsengagements einander gegenübergestellt und die darin auftretenden gegenseitigen Einschränkungen formuliert. Auf Basis des idealtypischen Ablaufes werden die auftretenden Konfliktfelder aufgezeigt. Dies ist gleichbedeutend mit dem Aufweis der prinzipiell möglichen und tatsächlichen Handlungsbeschränkungen bei der Gestaltung des Auslandsengagements.

2.1 Inhaltliche und begriffliche Präzisierung Trotz intensiver Diskussion existiert bisher kein einheitlicher theoretischer Bezugsrahmen zum Thema Auslandsengagement multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern. Im Rahmen dieser Arbeit wird er geschaffen, indem vorab eine Definition der Begriffe Multinationales Unternehmen, Auslandsengagement und Entwicklungsland erfolgt.

2.1.1 Multinationale Unternehmen Aus dem „terminologischen Chaos" 0 heraus etabliert sich als einheitliche Bezeichnung für ein international tätiges Unternehmen langsam - wenn auch mit unterschiedlicher Abgrenzung - der Begriff „multinationale Unternehmung" 2 ) mit der sprachlich einleuchtenden „Steigerung" national, international, multinational. Alle Definitionen gehen dabei von der nationalen Unternehmung aus und gelan-

1 ) vgl. Mulvihill (1973), S. 87ff.; Hederer (1975), S. 22; Kebschull/Mayer (1974), S. 8. 2 ) vgl. UN (1973), S. 4 und Anhang II, S. 118ff.; Perridon/Rössler (1980), S.21 Iff.; Rolfe (1971), S.40f.; Dunning (1971), S. 16f.; Vernon (1971), S. 4; Bayer (1975 a), S. 16f.; Biedenkopf (1975), S. 36; Beusch (1975), S. 92; Meissner (1981), S. 16; Welge (1980 a), Sp. 1365; Engels (1975); S.5ff.; Biel (1979), S. 3; Born (1980), S. 83; Prosi/Biel (1980) S. 84; Pausenberger (1980), S. 24f.

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Das Problemverständnis

der Betriebswirtschaftslehre

gen über die Unterschiede hinsichtlich Struktur-, Leistungs-, Verhaltens- und Prozeßmerkmalen zur Definition der multinationalen Unternehmung 1 \ (1) Strukturelle Merkmale: Das hier meistens verwendete Merkmal ist die Geschäftstätigkeit in mehreren Staaten2 \ wobei Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Begriffs „Geschäftstätigkeit" und der letztlich willkürlichen „Mindestzahl der Länder" bestehen3 \ Übereinstimmung herrscht darin, daß nicht nur Rohstoff- und Industrieunternehmen, sondern auch Dienstleistungsunternehmen multinational sein können 4 solange im Ausland sowohl die Leistungsverwertung als auch die Leistungserstellung erfolgt 5 \ Weil damit das Phänomen „multinationale Unternehmung" aber nur annähernd erfaßt ist, werden auch (2) Leistungsmerkmale in Form relativer Unternehmenskennzahlen herangezogen, sei es ausschließlich6* oder in Kombination mit Struktur- oder Verhaltensmerkmalen 7 Multinationale Unternehmen werden dann durch ihre prozentualen Anteile des im Auslandes erzielten Umsatzes, der Investitionen, der Produktion, Vermögensanlagen und der Beschäftigten klassifiziert 8 \ Obwohl damit bereits eine Vielzahl der Merkmale multinationaler Unternehmen erfaßt ist, werden de facto noch Unternehmen mit wenigen Auslandsniederlassungen und weltweit agierende Unternehmen gleichgestellt. (3) Verhaltensorientierte Merkmale bilden daher eine weitere Kategorie, denn ob die Unternehmung multinational ist, „...hängt sicherlich u.a. davon ab, ob sie sich multinational (verhält), d. h. ob sie ihre Entscheidungen und Strategien in einer globalen Perspektive entwickelt" 9 \ Kriterium hierfür ist die internationale Denkweise des Top-Managements und die daraus resultierende Ausrichtung der Unternehmenspolitik. Von einer internationalen Unternehmenspolitik spricht man, wenn konsequent international sich bietende Beschaffungs-, Produktions- und Absatzchancen ohne Berücksichtigung von Ländergrenzen aus1 ) vgl. Hederer/Kumar/Müller-Heumann (1970), S. 514; Welge (1980), S.3; Aharoni (1973), S.3f.; Hederer (1975), S.21ff.; Robock/Simmonds (1973), S.6; Perridon/Rössler (1980), S.214. 2 ) vgl. Macharzina (1975), S. 155; UN (1973), S. 25. 3 ) vgl. Welge (1980), S.4: mindestens 2 Länder; Lall (1976), S.714: 5 Länder; Vernon (1971), S. 20: 6 Länder. 4 ) vgl. Born (1980), S. 84; Kumar (1980), S. 26; Eilenberger (1987), S. 1. 5 ) Heinen (1982), S. lOff.; Dornis (1981), S.336; Macharzina (1975), S. 155. 6 ) vgl. Kebschull/Mayer (1974), S. 9; Born (1980), S. 84; Lall (1976), S. 714; Holthus (1974), S. 28. 7 ) vgl. Vernon (1971), S. 4; Lenel (1976), S. 184. 8 ) vgl. Rolfe (1971), S. 42; Holthus (1974), S. 25; Lenel (1976), S. 184f.; Born (1980), S. 84. 9 ) Welge (1980), S. 7; vgl. Heinen (1982), S. 7ff.; Merten (1985), S. 16.

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Das Problemverständnis

der Betriebswirtschaftslehre

genutzt werden. Zur Umsetzung dieses Potentials werden alle betrieblichen Funktionen und Auslandsaktivitäten in ein gesamtunternehmerisches Strategiekonzept eingegliedert, das an der langfristigen Optimierung der Absichten des Gesamtunternehmens orientiert ist1 \ (4) Durch die Merkmale des Internationalisierungsprozesses wird der Übergang von der bisher statischen zur dynamischen Betrachtung vollzogen. Das Konzept orientiert sich am Verlauf der Internationalisierung einer Unternehmung, deren Extrempunkte die nationale Unternehmung und die Weltunternehmung bilden. Die Position im Verlauf ergibt, wie weit der Internationalisierungsprozeß der betrachteten Unternehmung fortgeschritten ist. Die Einstufung auf der Skala des internationalen Engagements erfolgt mittels eines Internationalisierungsprofils 2) oder eines Internationalisierungsgradindexes 3). Obwohl problembehaftet 4 \ finden beide Methoden ihre Berechtigung, indem sie eine entwicklungs-, zeit- und funktionsabhängige Betrachtung der multinationalen Unternehmung ermöglichen. Die ganzheitliche Beschreibung multinationaler Unternehmen kommt nur in Form einer Verbindung von Merkmalen aus mehreren Merkmalsgruppen in Frage. Dabei werden besonders die Struktur- und Verhaltensmerkmale berücksichtigt, die dem Phänomen „multinationale Unternehmung" umfassender gerecht werden und gleichzeitig im Hinblick auf die Ermittlung bedeutsamer Konfliktfelder von eigentlicher, entscheidender Bedeutung sind. Ganzheitlich lassen sich die Unterschiede zwischen nationalen, internationalen und multinationalen Unternehmen wie in der nachfolgenden Abbildung 4, S.45 darstellen. Leistungsmerkmale werden darin durch die Mindestanzahl von geforderten Ländern indirekt berücksichtigt. Zur Homogenisierung hinsichtlich der unternehmerischen Werthaltungen, Interessen und Konfliktfelder sind diese auf Industrieunternehmen deutscher Herkunft bezogen. 2.1.2 Auslandsengagement Der Begriff des Auslandsengagements wird häufig auf Direktinvestitionen reduziert angewandt5 \ was aber dem Phänomen nicht hinreichend gerecht wird. 1 ) vgl. Vernon (1971), S.4; Aharony (1973), S. 13; Biedenkopf (1975), S.36ff.; Kebschull/Mayer (1974), S. 8 f f ; Born (1980), S. 84. 2 ) vlg. Hederer/Kumar/Müller-Heumann (1970), S. 517fr. 3 ) vgl. Judge (1969), S.3ff. 4 ) vlg. Hederer (1975), S. 184f.; Welge (1980), S. 10f.; Schmidt (1981), S. 57ff. 5 ) vgl. Bayer (1975 a), S. 32; Hederer (1975), S. 18; Kebschull et al. (1980), S. 20; UN (1973), S. 5; Holthus (1974), S. 5ff.; Jonas/Tietzel (1976), S. 170f.

44

Das Problemverständnis

A b g r e n ^ ^ Unternehmenstyp

der Betriebswirtschaftslehre

national

international

multinational

Inland

Inland

In- und Ausland

Inland

In- und Ausland

In- und Ausland

mindestens 2

mindestens 6

Produktionspolitik

konzernumfassende,

zunesmerkm ale Leistungserstellung (Produktion) Struktur-

Leistungsverwertung

merkmale

(Beschaffung/Absatz) Mindestanzahl Länder Denkweise des Top-

Verhaltens-

Managements/

merkmale

Inland

bezogen auf das In-

grenzüberschreiten

Ausrichtung der

land; Beschaffungs-

de Beschafftings-,

Unternehmenspol itik

und Absatzpolitik

Produktions-und

bezogen auf In-

Absatzpolitik

und/oder Ausland Abbildung 4: Abgrenzung nationaler, internationaler und multinationaler Unternehmen

Gerade in jüngster Zeit stellen Direktinvestitionen zwar eine herausragende, aber eben nur eine mögliche Form des Auslandsengagements multinationaler Unternehmen dar 1 \ In dieser Arbeit wird daher unter dem Begriff „Auslandsengagement" jede Form privater Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen in Entwicklungsländern aufgefaßt. Als alternative Möglichkeiten lassen sich dabei a) Formen des Handels, insbesondere des Exports, b) Auslandsengagements ohne Kapitalbeteiligung bzw. -transfer, c) Auslandsengagements mit Kapitalbeteiligung bzw. -transfer voneinander abgrenzen2 \ Diese verschiedenen Formen des Auslandsengagements bieten multinationalen Unternehmen ein differenziertes Instrumentarium, um auf unterschiedliche Umweltbedingungen und Anforderungen flexibel zu reagieren. Der klassische Gegensatz zwischen Export und Direktinvestition hat so an Gültigkeit eingebüßt3 \ Jedes Auslandsengagement erfordert als strategische Entscheidung entsprechende Vorbereitung: Sie muß von der Unternehmensspitze bis in Einzelheiten überprüft und getragen werden und im Rahmen der Unternehmens1 ) vgl. Billerbeck/Yasugi (1979), S. 7ff.; UN (1983), S. 40; Kasch et al. (1985), S. 41; Niedermayer (1979), S. 16f.; Eilenberger (1987), S. 86. 2 ) vgl. Meissner (1981), S.9ff.; Endres (1986), S. 31; Porter (1988), S.347. 3 ) vgl. Pollak (1982), S. 110; Billerbeck/Yasugi (1979), S. 7ff.; Pensei (1977), S. 227ff.; Feuchtmeyer (1981), S. 294f.; Jahrreiß (1984), S. 36f.; Giesecke (1963), S. 83ff.

45

Das Problemverständnis

der Betriebswirtschaftslehre

politik, wie jede andere Entscheidung, an der Optimierung des Gesamtsystems des Unternehmens orientiert sein1 \ Das Auslandsengagement wird Teil der strategischen Unternehmensplanung mit verwandten, gleichgerichteten Problemstellungen, die durch Zukunftsorientierung und Langfristigkeit ihrer Überlegungen und Auswirkungen gekennzeichnet sind2 \ Betrachtet man strategische Unternehmensplanung als einen Prozeß, „...in dem eine rationale Analyse der gegenwärtigen Situation und der zukünftigen Möglichkeiten und Gefahren zur Formulierung von Absichten, Strategien, Maßnahmen und Zielen führt... " und damit zur Angabe, „...wie das Unternehmen unter bestmöglicher Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen die durch die Umwelt bedingten Chancen wahrnimmt und die Bedrohungen abwehrt" 3 kann das Auslandsengagement als unmittelbarer Ausdruck strategischer Planung betrachtet w e r d e n 4 D i e im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung gewonnenen Erkenntnisse haben somit erheblichen Einfluß auf das Auslandsengagement und umgekehrt 5 \ 2.1.3 Entwicklungsländer Auch dem Begriff „Entwicklungsland" fehlt bisher eine einheitliche inhaltliche Abgrenzung, vor allem mangels eines Konsenses über das Verständnis von „Entwicklung" 6 \ Als Status quo bisheriger Klärungsbemühungen bleibt festzuhalten: „Die Beschreibung des Entwicklungsstandes eines Landes hat sich als äußerst problematisch erwiesen....selbst die Erweiterung des Entwicklungsbegriffes von nur einer Dimension (ζ. B. Wachstum = Entwicklung) auf mehrere Dimensionen wird der Vielschichtigkeit des Entwicklungsstan-

1 ) vgl. Guth (1986), S. 187ff.; Dülfer (1982), S. 52; Olbricht (1974), S. 85ff.; Eilenberger (1987), S. 122 f. 2 ) vgl. Meissner/Gerber (1987), S. 220f.; Kreikebaum (1993), S. 32f. Zur Nähe strategischer Unternehmensplanung und Unternehmensethik vgl. die Ausführungen bei Kreikebaum (1992), S. 838ff. 3 ) Kreikebaum (1993), S. 26. 4 ) vgl. Meissner/Gerber (1980), S. 220; Medrisch (1985), S. 136ff.; Dülfer (1982), S. 53. 5 ) vgl. Heinen (1983), S.38ff.; Aharony (1966), S. 17ff.; Meissner(1974), S.331f.; Eilenberger (1987), S. 94f. u. S. 109f.; Kortüm (1972), S. 16ff.; Heinen (1982), S. 173ff.; Meissner/Gerber (1980), S. 226ff; Pott (1983), S.234f. 6 ) vgl. Knall/Wagner (1986), S. 3ff.; Hemmer (1978), S. 3ff.; Nohlen/Nuscheler (1982 a), S. 12ff.

46

Das Problemverständnis

der Betriebswirtschaftslehre

des und -prozesses eines Landes nur unzureichend gerecht. „Entwicklung" exakt zu messen erscheint daher gegenwärtig nicht möglich." 1} Ohne eine allgemein anerkannte Definition, geschweige denn eine Möglichkeit der Messung des Begriffs „Entwicklung" ist eine allgemeingültige Beschreibung von Entwicklungsländern unmöglich 2 \ Je nach inhaltlicher Bestimmung des Begriffs „Entwicklungsland" werden unterschiedliche Indikatoren zur Messung des Entwicklungsstandes herangezogen3 \ 1. Bei extrem ungleicher Verteilung vorhandenen Vermögens und Einkommens herrscht ein niedriger Lebensstandard der Bevölkerungsmehrheit. 2. Hohe Bevölkerungszuwachsraten. 3. Dominanz der Landwirtschaft (Beschäftigung eines Großteils der Erwerbstätigen im Agrarsektor, überwiegend als Selbstversorger, Vorherrschaft weniger Produkte des Primärbereichs in der Produktionsstruktur). 4. Durch Kapitalmangel und Anwendung veralteter Technologien mitbedingte geringe Produktivität. 5. Relativ niedriger Industrialisierungsgrad. 6. Aufgrund großer Importmengen und gleichzeitiger Exportbeschränkung auf wenige Basisproduk te, starke Außenhandelsabhängigkeit mit chronischen Zahlungsbilanzdefiziten. 7. Geringer Monetarisierungsgrad der Volkswirtschaft. 8. Unzureichende Infrastruktur (ungenügendes Verkehrsnetz, Probleme der Wasserversorgung). 9. Fehlen von Ausbildungsplätzen, hohe und anwachsende Arbeitslosigkeit, Abwanderung der wenigen qualifizierten Fachkräfte ins Ausland. 10. Niedrige Investitionstätigkeit und geringe Sparquote durch Mittelknappheit im privaten und öffentlichen Sektor. Abbildung 5: Allgemeine strukturell-qualitative Merkmale von Entwicklungsländern

Diese Indikatoren sind jedoch Gegenstand heftiger Diskussion. Zwar findet sich in Entwicklungsländern auf allgemeiner Ebene üblicherweise eine Kombination aus mehreren der in Abbildung 5 festgehaltenen strukturell-qualitativen Merkmale 4 die sie von Industrieländern abgrenzt. Doch divergiert die Situation der als „Entwicklungsländer" bezeichneten Staaten in ökonomischer, politischer, soziokultureller und geographischer Hinsicht derart, daß dem keine allgemeingültige, 1 ) Knall/Wagner (1986), S. 19. 2 ) vgl. Hemmer (1978), S. 3. 3 ) vgl. Behrendt (1961), S. 231; Salin (1968), S.22ff.; Hemmer (1978), S.3ff.; Knall/Wagner (1986), S. 3; Niedermayer (1979), S. 18. 4 ) vgl. Behrendt (1961), S.232; Bauer (1961), S.242; Ringer (1966), Sp. 8f.; Jüttner 1975), S.42f.; Endres (1986), S. lf.; B M Z (1995), S. 284; Bender (1985), S.497ff.; Werz (1986), S. 153.

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Das Problemverständnis

der Betriebswirtschaftslehre

übergreifende Kategorie gerecht w i r d 0 . Daher bilden die Vereinten Nationen, die W E L T B A N K und der Entwicklungshilfeausschuß ( D A C ) der Organisation for Economic Co-Operation and Development ( O E C D ) Untergruppen nach ökonomischen, geographischen und politischen Gesichtspunkten, um Entwicklungsländer m i t gemeinsamen politischen, wirtschaftlichen Interessen oder vergleichbarer geographischer Situation zusammenzufassen 2 \ I m folgenden w i r d die 1996 von der W E L T B A N K , v o m D A C und Bundesregierung zugrundegelegte, auf der Grundlage des Bruttosozialprodukts pro K o p f eingeführte Kategorisierung nach Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen übernommen, um Länder als Entwicklungsländer gemäß A b b i l d u n g 6 einzustufen 3 \

Gruppe I: Ägypten, Afghanistan, Äquatorialguinea, Äthiopien, Bangladesch, Benin, Bhutan, Burkina Faso, Burundi, China Volksrepublik, Eritrea, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Guyana, Haiti, Honduras, Indien, Indonesien, Kambodscha, Kenia, Komoren, Laos, Lesotho, Liberia, Madagaskar, Malawi, Malediven, Mali, Mauretanien, Mosambik, Myanmar (Birma), Nepal, Niger, Nigeria, Pakistan, Ruanda, Salomonen, Sambia, Sao Tomé und Principe, Sierra Leone, Somalia, Sri Lanka, Sudan, Tansania, Togo, Tschad, Uganda, Vietnam, Zaire, Zentralafrikanische Republik. Gruppe II: Albanien, Algerien, Angola, Antigua und Barbuda, Argentinien, Bahamas, Bahrain, Barbados, Belize, Bolivien, Botsuana, Brasilien, Brunei, Chile, Costa Rica, Côte d' Ivoire, Dschibuti, Dominica, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Fidschi, Gabun, Grenada, Guatemala, Hong Kong, Irak, Iran, Israel, Jamaika, Jemen, Jordanien, Jugoslawien (Nachfolgestaaten), Kamerun, Kap Verde, Katar, Kasachstan, Kiribati, Kolumbien, Kongo, Korea Republik, Kirgisistan, Kuwait, Libanon, Libyen, Malaysia, Malta, Marokko, Mauritius, Mexiko, Mongolei, Namibia, Nicaragua, Oman, Philippinen, Paraguay, Peru, Saudi Arabien, Senegal, Seschellen, Simbabwe, Singapur, St. Christoph-Nevis, St. Lucia, St.Vincent und die Grenadien, Suriname, Swasiland, Syrien, Taiwan, Tadschikistan, Thailand, Tonga, Trinidad und Tobago, Tunesien, Türkei, Turkmenistan, Uruguay, Usbekistan, Vanuatu, Venezuela, West-Samoa, Vereinigte Arabische Emirate, Zypern. Abbildung 6: Verzeichnis der Entwicklungsländer

1 ) vgl. Salin (1968), S.22f.; Dülfer (1974), Sp. 1301; Knall/Wagner (1986), S.3f.; Endres (1986), S. Iff.; BMZ (1995), S. 284; Hemmer (1978), S. 3. 2 ) vgl. OECD (1983), S. 122; Knall/Wagner (1986), S. 21ff.; Endres (1986), S. 4ff.; BMZ (1995), S. 284ff; Kallen (1987), S. 34ff. 3 ) vgl. B M Z (1995), S. 284ff. Die Gruppenbildung beruht auf politisch inizierten Fördermaßnahmen.

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Das Problemverständnis

der Betriebswirtschaftslehre

2.2 Strukturdeterminanten des Auslandsengagements Herausragende und zentrale Handlungsträger beim Auslandsengagement sind zum einen das multinationale Unternehmen mit seinen Ressourcen Kapital, KnowHow, weltweite Marktverbindungen und organisatorisch-dispositive Kapazitäten, zum anderen das Entwicklungsland, das einerseits diese Ressourcen dringend benötigt und andererseits über Ressourcen wie ein Marktpotential, Rohstoffe etc. verfugt, die wiederum für multinationale Unternehmen interessant sind. Der Interessenausgleich wird dabei zusätzlich durch Konkurrenzbeziehungen auf beiden Seiten geprägt: Das Entwicklungsland steht bei der Gestaltung des Auslandsengagements in Konkurrenz zu anderen Entwicklungs- und besonders zu Industrieländern1 das multinationale Unternehmen in Konkurrenz zu anderen multinationalen und lokalen Unternehmen. In ihrem Einfluß auf das Auslandsengagement vernachlässigbar sind mangels Wirksamkeit einseitige, bi- und multilaterale Fördermaßnahmen der Industrieländer 2 ) sowie internationale Regelungen und Übereinkünfte bzw. Verhaltenskodizes3 \ Daher erscheint die Darstellung und der Vergleich der Strukturdeterminanten der multinationalen Unternehmen und der Entwicklungsländer ausreichend, um den grundsätzlichen und tatsächlich wahrgenommenen Handlungsfreiraum näher zu bestimmen, den beide Handlungsträger bei der Gestaltung des Auslandsengagements besitzen. 2.2.1 Strukturdeterminanten multinationaler Unternehmen 2.2.1.1 Entwicklung der Unternehmensstrategien Absichten kennzeichnen die langfristige ökonomische, technische und soziale Ausrichtung der multinationalen Unternehmenspolitik 4 ) und lassen sich in generelle und spezielle Absichten untergliedern. Generelle Absichten enthalten Aussagen über den Zweck des Unternehmens, über seine Grundeinstellung zur Umwelt und zu gesamtunternehmensbezogenen Absichten. Insbesondere die Grundeinstellung des Unternehmens zu seiner Umwelt und der weltweiten wirtschaftlichen Geschäftstätigkeit gibt einige Hinweise für das Auslandsengagement multinationaler Unternehmen. 1 ) vgl. Jacobi (1972), S. 55ff. u. S. 65ff.; Halbach (1986), S. 3 f f ; Heinen (1982), S. 192ff. 2 ) vgl. Berekoven (1985), S. 2 3 I f f ; Wilkens (1980), S.336; Kebschull et al. (1980), S. 156; Beuttel et al. (1980), S. 132ff; Pott (1983), S. 88; Balleis (1984); S. 73ff. 3 ) vgl. Langer (1974), S. 226ff; Meessen (1985), S. 327; Endres (1986), S. 27f.; Kasch et al. (1985), S. 20ff; Pausenberger (1980), S. 137ff. 4 ) vgl. Kreikebaum (1993), S.48ff.

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Das Problemverständnis

der Betriebswirtschaftslehre

Deutsche multinationale Unternehmen weisen nach verschiedenen Untersuchungen eine ethnozentrisch orientierte Struktur/Grundeinstellung zur Umwelt auf. Ethnozentrische, d. h. heimatlandorientierte Unternehmen, gehen von einer prinzipiellen Überlegenheit des Heimatlands gegenüber dem Gastland aus. Die in Entwickungsländern verhältnismäßig kleinen Tochterunternehmen bilden den verlängerten Arm der Muttergesellschaft, bearbeiten ein schmaleres Produktprogramm mit einer niedrigeren Produkttiefe als in Deutschland, sind in hohem Maße auf deutsche Produkt- und Prozeßtechnik angewiesen und beziehen von dort einen großen Teil der Vorleistungen. Lieferbeziehungen zwischen Tochtergesellschaften sind selten. Unternehmerische Entscheidungen werden meist in der Konzernzentrale gefällt. Im Gegensatz dazu orientiert sich ein Unternehmen mit geozentrischer Ausrichtung an einem weltweiten Verbund, nationale Grenzen oder Erwägungen spielen gegenüber weltweiten unternehmerischen Zielsetzungen eine untergeordnete Rolle 0 . Der Übergang von ethnozentrischen zu geozentrischen Denkweisen und Strategien ist langfristig als entwicklungsbedingt und notwendig zu interpretieren, wenn ein Unternehmen seine Chancen international nutzen will 2 ) . Unmittelbarer noch als die Grundeinstellung des Unternehmens beeinflussen aber die aus dem Unternehmenszweck abgeleiteten gesamtunternehmensbezogenen Absichten das Auslandsengagement. Sie haben handlungsleitende bzw. -steuernde Funktion, indem sie den Vergleich der Wirkungen unterschiedlicher Strategien und Geschäftspolitiken und damit eine absichtenorientierte Bewertung ermöglichen. Die Absichten sind in einem System zusammengefaßt, das Ergebnis eines kontinuierlichen Verhandlungs-, Angleichungs- und Lernprozesses ist3 \ Deren Ausgangspunkt bildet die Absicht der langfristigen Sicherung des Unternehmensbestandes. Diese kann durch Gewinnerzielung, Unternehmenswachstum oder auch durch die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung erreicht werden 4 \ Das multinationale Unternehmen versucht deshalb, dort zu produzieren und abzusetzen, wo die Wirtschaftlichkeit selbst über nationale Grenzen hinweg rentabel ist, wobei es sich sowohl am kurzfristigen als auch am langfristigen Gewinn orientieren kann 5) . Aufgrund der weltweiten Unternehmenstätigkeit und der Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt über das Eigentum kommt dem Wachs-

1 ) vgl. Jungnickel (1978), S. 33ff.; Perlmutter (1973), S. 56ff.; Volkmann (1982), S. 52ff., S. 66tY.; Welge (1980), S. Iff.; Heinen (1982), S. lOff. 2 ) vgl. Perlmutter (1974), S. 182ff.; Welge (1982), S. 173f. 3 ) vgl. Heinen (1982), S. 30ff., S. 148ff.; Staehle (1985), S. 123ff. 4 ) vgl. Eilenberger (1980), S. 41ff.; Heinen (1982), S. 34f., S. 148ff.; Merten (1985), S. 59. 5 ) vgl. Heinen (1982), S.31f.; Kallen (1987), S. 147ff.; Brandis (1980), S.9f.

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Das Problemverständnis

der Betriebswirtschaftslehre

tumsziel in multinationalen Unternehmen herausragende Bedeutung zu, da es Macht und Entscheidungsspielräume des Managements vergrößert 1 \ An Bedeutung gewinnt allmählich aber auch die gesellschaftliche Verantwortung der multinationalen Unternehmen, insbesondere bei der Geschäftstätigkeit in Entwicklungsländern. Das wachsende Bewußtsein der Bevölkerung fur die soziale und gesellschaftliche Funktion der Unternehmen zwingt nationale wie multinationale Unternehmen langfristig dazu, gesellschaftliche Aufgaben in das gesamtunternehmensbezogene System der Absichten zu integrieren 2 \ Für deutsche multinationale Unternehmen ist die herausragende Bedeutung des Gewinns empirisch nicht belegbar. Vielmehr werden die gesamtunternehmensbezogenen Absichten Sicherheit, Wachstum und Gewinnerzielung übereinstimmend hoch bewertet, wobei eine angemessene langfristige Gewinnerzielung gleichsam als notwendige Bedingung für die Unternehmenstätigkeit angesehen wird 3 \ Die strategischen Ziele konkretisieren die generellen Absichten mittels Aussagen über den Zielinhalt, die Art und die Richtung der Ziele4 \ Die empirische Motivforschung kennt drei Hauptgruppen spezieller Absichten für das Auslandsengagement in Entwicklungsländern 5 a) Erschließung, Erhaltung und Ausbau von Marktpositionen, b) Kosten- und Standortüberlegungen, c) Rohstoffsicherung. Beim Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern stehen branchenübergreifend eindeutig absatzorientierte Absichten im Vordergrund, weil absatzorientierte Auslandsengagements in der Vergangenheit am ehesten die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen konnten6 Strategien sind Ausdruck dessen, wie ein Unternehmen gemäß seinen Absichten bestehende und potentielle Stärken nutzt, um den Umweltbedingungen und deren Veränderungen Rechnung zu tragen. Sie können sich auf eine Vielzahl unternehmerischer Zusammenhänge beziehen, auf Teile oder die Gesamtheit der Organisa-

1 ) vgl. Koopmann (1974), S.40; Heinen (1982), S. 156f.; Merten (1985), S.60. 2 ) vgl. Staehle (1985), S.358ff.; Kreikebaum (1993), S. 169ff.; Balleis (1984), S. 196f. 3 ) vgl. Eilenberger (1987), S.41ff.; Heinen (1982), S. 149ff.; Koopmann (1974), S.39, und S.47; Brandis (1980), S. 9ff.; Rolfe (1971), S. 54; Kallen (1987), S. 147f. 4 ) vgl. Kreikebaum (1993), S. 50. 5 ) vgl. Pausenberger (1980), S.43ff.; Halbach/Osterkamp/Riedel (1982), S. 167ff.; Fikentscher/Moritz (1980), S. 28ff. 6 ) vgl. Kayser et al. (1981), S.49ff.; Heinen (1982), S. 86f., S.94f.; Kallen (1987), S. 151f.

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Das Problemverständnis

der Betriebswirtschaftslehre

tion, auf Funktionen, Märkte, Produkte und auf Kombinationen1 \ Die Strategien des Auslandsengagements beeinflussen als Teil der globalen Strategien in hohem Maß die Strategieüberlegungen der verschiedenen Funktionsbereiche multinationaler Unternehmen. Sie sind deshalb eng mit der Gesamtunternehmensstrategie verzahnt 2 \ Aufgrund der oben herausgestellten dominierenden Absicht deutscher multinationaler Unternehmen findet hier nur die absatzmarktorientierte Strategie weitere Beachtung. Dabei kann von offensiven Strategien ausgegangen werden. Dahinter steht die spezielle Absicht der Erschließung bzw. des Ausbaus neuer Märkte. Exportmöglichkeiten in Drittländer stehen im Hintergrund, Zielmarkt ist der Entwicklungsländermarkt 3 \ Anstöße zur Verfolgung einer offensiven Marktstrategie ergeben sich durch Wachstumsrestriktionen im Heimatlandmarkt oder Wachstumsanreize auf dem Auslandsmarkt 4 Allerdings kann die defensive Marktstrategie im Verlauf des Auslandsengagements durch Verhaltensweisen der Entwicklungsländer durchaus an Bedeutung gewinnen 5 Sie kann beispielsweise durch die spezielle Absicht, „mit Hilfe der Produktion im Ausland bestehende Marktpositionen zu verteidigen und für die Zukunft zu sichern" 6 gegeben sein. Eine derartige defensive Marktstrategie ist durch Handelsrestriktionen, Konkurrenzverhältnisse in den Entwicklungsländern oder durch die Konkurrenzverhältnisse im Heimatland motiviert. In der Praxis allerdings ist selten feststellbar, ob der absatzorientierten Strategie primär offensive oder defensive spezielle Absichten zugrundeliegen 7 \

2.2.1.2 Umsetzung der Strategien Aus den Absichten und Strategien leiten sich unter Beachtung der Umweltsituation die verschiedenen Formen des Auslandsengagements her 8) . Für die absatzmarktorientierte Strategie ergibt sich der Entscheidungsraum möglicher Formen des Auslandsengagements gemäß der Abbildung 7, S. 53. In der Praxis werden

1 ) vgl. Kreikebaum (1993), S. 52ff. 2 ) vgl. Meissner/Gerber (1980), S. 222f.; Kreikebaum (1993), S. 55f. 3 ) vgl. Kortüm (1972), S.49; Kebschull et al. (1980), S. 21; Heinen (1982), S. 79f.; Juhl (1979), S. 20; Juhl (1981), S. 672, und die empirischen Ergebnisse bei Pausenberger (1980), S. 107. 4 ) vgl. Holthus (1974), S. 155f.; Kebschull et al. (1980), S. 21; Pott (1983), S. 23. 5 ) vgl. Merten (1985), S. 75 und S. 258; Pollak/Riedel (1985), S. 64f.; Kebschull et al. (1980), S. 2If.; Endres (1986), S. 35; Pott (1983), S. 46; Dülfer (1982), S. 49f. 6 ) Kortüm (1972), S. 44. 7 ) vgl. Heinen (1982), S. 79, S. 82ff.; Kebschull et al. (1980), S. 21. 8 ) vgl. Kreikebaum (1993), S. 58f.

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Das Problemverständnis

der Betriebswirtschaftslehre

diese idealtypischen Formen zu komplexeren Gebilden vermischt, um so unterschiedlichen Wünschen der Partner besser entsprechen zu können. So bildet die „klassische" Direktinvestition einen Komplex aus Kapitalbeteiligung, Lizenz-, Technologie-, Management- und Beratungsleistungen 0. Zwar bestehen unterschiedliche Präferenzen für die Formen des Auslandsengagements in Entwicklungsländern, doch gewinnen Kooperationen ohne Kapitalbeteiligungen in Entwicklungsländern erheblich an Gewicht2 \ Die Formen des Auslandsengagements bestimmen die weitere Gestaltung der Geschäftspolitiken zur Durchführung des Auslandsengagements und prägen die Interaktion zwischen den multinationalen Unternehmen und dem Entwicklungsland3 \ Sie seien daher im Anschluß grob skizziert.

Möglichkeiten absatzmarktorientierten Auslandsengagements Exportbeziehungen Engagement ohne Kapitalbeteiligung Engagement mit Kapitalbeteiligung - indirekter Export

- Lizenzen

in Form von Direktinvestitionen

- direkter Export, z. B.

- technische Bera-

durch Neugründung bzw. Kauf einer

durch eigene Verkaufsniederlassung (siehe

tungsverträge - Managementberatungsverträge

auch Direktinvestition) - Verbundgeschäfte

- Erstellung schlüsselund produktionsfertiger Anlagen

- Verkaufsniederlassung - Montageproduktion - Fertigungsproduktion Ι

i

100%

Ι

\

4

Joint-Venture

Beteiligung

ι >50

Fade-OutInvestment

V

4-

50:50 . 2. RAWLS' Theorie korrespondiert auf den ersten Blick in hohem Umfang mit den in Kapitel 1 erarbeiteten Anforderungen an eine internationale Unternehmensethik. So scheint die Theorie geeignet, zugrundeliegende Werte aufzuzeigen und Verhaltensregeln zu entwickeln. Durch die Beschäftigung mit dem Problem der distributiven Gerechtigkeit (Verteilungsgerechtigkeit) 3} beinhaltet die Theorie zudem bereits eine Vermittlung zwischen Ethik und Ökonomie. 3. Ein Teil des Entwurfs beruht auf der Argumentationsfigur des Gesellschaftsvertrages, die als wegweisend für die Konkretisierung der ethischen Pflichten von Unternehmen eingeschätzt wurde. Diese Bemerkungen lassen die Auseinandersetzung mit RAWLS fur die Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik als vielversprechend erscheinen, was es im folgenden zu überprüfen gilt. Die Gerechtigkeitskonzeption wird in ih-

1 ) unter dem Titel: „ A Theory of Justice". Die 1975 erschienene deutsche Ausgabe stellt eine vom Autor anläßlich der Übersetzung revidierte Fassung dar. Im folgenden werden daher die Verweise jeweils für die deutsche und die englische Ausgabe angegeben und, sofern notwendig, auf Unterschiede hingewiesen. Im folgenden bezeichnet Rawls (1979) die textindentische 1. Taschenbuchauflage der 1975 erschienenen deutschsprachigen gebundenen Ausgabe, uznd Rawls (1988) die 8.Auflage der 1971 ermals erschienen englischen Originalausgabe. 2 ) vgl. Fleming (1987), S.214f. 3 ) Gerechtigkeit wird von Rawls (1979), S. 19; (1988), S. 3 nicht als eine auf das individuelle Handeln, sondern im Sinne objektiver Gerechtigkeit, als "erste Tugend sozialer Institutionen" und damit als die wesentlichste Kategorie der politischen Philosophie verstanden. Die Einschränkung auf distributive Gerechtigkeit vollzieht Rawls dabei nirgends ausdrücklich, er verwendet den Begriff aber meist in diesem Sinn, vgl. z.B. Rawls (1979), S.26f.; (1988), S. 10.

135

Das Problemverständnis

der Ethik

ren wesentlichen Elementen und ihrer aktuellen Form kritisch dargestellt 0 . RAWLS Gerechtigkeitskonzeption bzw. „ A Theory of Justice" in erster Näherung zu charakterisieren ist dabei nicht leicht, denn kein anderes philosophisches Werk dieses Jahrhunderts hat international eine so intensive fachübergreifende Resonanz gefunden. Dies liegt nicht zuletzt in RAWLS' Anspruch begründet, -

eine ethische Theorie vorzustellen, die der utilitaristischen Theorie überlegen ist 2) ; dabei formuliert er seine Kritik nicht im „mainstream" der gegenwärtigen praktischen Philosophie3 \ sondern in Anknüpfung an Fragen, Problemstellungen und die Tradition der normativen politischen Philosophie4

-

sowie in einer später zurückgenommenen Verknüpfung der normativen Philosophie mit dem Denk- und Sprachrahmen der Entscheidungstheorie5 \

Die Folge war eine Flut von Sekundärliteratur 6 ) mit Zeitschriften-Sondernummern 7 \ Monographien 8 \ Sammelbänden9 ] und Adelung des Buchs als philosophischen Klassikers 1 0 Trotz der fachübergreifenden Resonanz liegt der Schwerpunkt der RAWLSschen Konzeption eindeutig auf der Begründung von Gerechtigkeitsprinzipien, welche die Probleme der gesellschaftlichen Gerechtigkeit, bezogen auf die wichtigsten gesellschaftlichen Institutionen, lösen helfen. Die Kernfrage der Begründungsstruktur lautet dabei wie folgt:

1 ) Ein umfassendes Verständnis der RAWLSschen Konzeption ist ohne Veröffentlichungen vor und nach "A Theory of Justice" schwierig. Das Buch stellt die systematische, zusammenfassende Darstellung der Gerechtigkeitstheorie dar, wobei wesentliche Gedanken in früheren Aufsätzen dargelegt wurden; vgl. Rawls (1975), S. 11 ; (1988), S. VII. In späteren Artikeln, die einzelne Fragestellungen des Buches weiterentwickeln bzw. überarbeiten, wird deutlich, daß es sich jeweils um den Status quo der Überlegungen Rawls' handelt und nicht um eine abgeschlossene Theorie. 2 ) Rawls (1979), S. 12; (1988), S. V I I I 3 ) vgl. Kersting (1989), S.4ff. 4 ) vgl. Kersting (1989), S.21. 5 ) vgl. Höffe (1979 a), S. 173. 6 ) vgl. die Bibliographie "Rawls and his critics" von Wellbank/Snook/Mason (1982), die über 2500 Veröffentlichungen umfaßt. 7 ) vgl. Journal of Philosophy 70(1973), Nr 9; University of Pennsylvania Law Review 121 (1973), Nr.5; Ethics 85(1974), N r . l ; Social Theory and Practice 3(1974), Nr. 1 ; American Political Science Review 69(1975), Nr.2; Theory and Decision 11(1979), Nr.2-3. 8 ) vgl. Barry (1975); Wolff (1977); Schaefer (1979); Kühn (1984); Kley (1986). 9 ) vgl. Daniels (1975); Blocker/Smith (1980); Höffe (1977 b); u.a. 10 ) vgl. Höffe (1977 b) Klappentext; Wettstein (1979), S. 7.

136

Das Problemverständnis

der Ethik

Auf welche Prinzipien gesellschaftlicher Gerechtigkeit fur die Grundstruktur ihrer Gesellschaft würden sich Menschen, die sich als Bürger einer wohlgeordneten Gesellschaft verstehen, in einer fairen Ausgangssituation einigen, in welcher alle als freie und gleiche moralischen Personen repräsentiert sind und in der keiner benachteiligt wird? 1 ) Distributive Gerechtigkeit, verstanden als gesellschaftliche Gerechtigkeit wird bei RAWLS auf die Grundstruktur der Gesellschaft (basic structure of society) bezogen2 \ Diese ist durch das Zusammenwirken der wichtigsten gesellschaftlichen Institutionen wie Verfassung, Eigentumsordnung, Wirtschaftssystem, soziale Ordnung etc. charakterisiert sowie die Art und Weise, wie diese gesellschaftlichen Institutionen die „...Grundrechte und -pflichten und die Früchte der gesellschaftlichen Zusammenarbeit verteilen..." 3 \ Damit Gerechtigkeitsvorstellungen die beschriebene Funktion innerhalb der Gesellschaft ausüben können, muß 1) nachgewiesen werden, daß bestehende oder zu entwickelnde gesellschaftliche Institutionen in Einklang mit allgemein akzeptierten Gerechtigkeitsvorstellungen stehen und den berechtigten Ansprüchen des einzelnen genügen, 2) eine Gerechtigkeitsvorstellung gefunden werden, die allgemeine Anerkennung beanspruchen kann 4) .

3.2.1 Das kohärenztheoretische Argument Teil 1: Die Methode des Reflexionsgleichgewichts Die Methode des Reflexionsgleichgewichts 5 ) bildet die zentrale Argumentationsfigur zur Identifizierung und Begründung von Prinzipien gesellschaftlicher Gerechtigkeit. Die für das Verständnis wichtigen Erläuterungen finden sich bereits im 1951 publizierten Aufsatz „Outline of a Decision Procedure for Ethics"6 \ Dort stellt RAWLS ein Verfahren zur Prüfung der allgemeinen Gültigkeit bzw. Ungültigkeit ethischer Prinzipien und daraus resultierender konkreter moralischer Urteile vor, das er hier auf Gerechtigkeitsprinzipien anwendet. Das Verfahren beginnt beim Gerechtigkeitssinn, d. h. bei moralischen Überzeugungen, die jeder Mensch 1 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 517 und S. 522. 2 ) vgl. Rawls (1978), S. 47; Rawls (1979), S. 23f. und S. 556; (1988), S. 7f. und S. 512; Rawls (1980 a), S. 524; Rawls (1980), S. 201 ; Rawls (1978), S. 55ff.; Kley (1986), S. 9f. 3 ) Rawls (1979), S. 23; (1988), S. 7; vgl. Rawls (1978), S. 47. 4 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 517ff.; Rawls (1985), S.226f.; Rawls (1987), S. Iff.; Kley (1986), S. 3. 5 ) auch Überlegungsgleichgewicht und Kohärenzmodell genannt. 6 ) vgl Rawls (1976). Spätere Veränderungen dieses Ansatzes sind in der Darstellung berücksichtigt.

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Das Problemverständnis

der Ethik

im Alltag über das Gute und Richtige entwickelt. Diese Überzeugungen können ihrem Abstraktionsgrad und damit dem unterschiedlichen Grad der potentiellen allgemeinen Zustimmung nach auf drei Ebenen klassifiziert werden 1 \ -

Konkrete moralische Überzeugungen beziehen sich auf spezielle Situationen und gründen sich auf intuitive Erwägungen, d.h. sie beruhen nicht auf bewußter systematischer Anwendung ethischer Prinzipien.

-

Ethische Prinzipien beziehen sich auf eine Vielzahl verschiedener Situationen und geben dafür Entscheidungs- und Handlungsrichtlinien.

-

Rahmenbedingungen umfassen alle Gesichtspunkte, die in ethischen Prinzipien berücksichtigt werden sollen, bilden also den allgemeinen „Datenkranz", ζ. B. formale Bedingungen, allgemeines empirisches und normatives Wissen, Menschenbilder, wissenschaftliche Grundgegebenheiten etc.

Berücksichtigt werden mit RAWLS im weiteren aber nur wohlerwogene, nach reiflicher Überlegung zustande gekommene Überzeugungen, unabhängig von ihrem Abstraktionsgrad. Dies sind jene Überzeugungen, in denen der Gerechtigkeitssinn unverfälscht zur Geltung kommt, denn die Urteilsfähigkeit ist nicht durch egoistische Interessen, logische oder psychologische Schwächen wie Angst/ Zwang beeinträchtigt 2 \ Ziel des Verfahrens ist die Übereinstimmung zwischen allen drei Ebenen der moralischen Überzeugungen. Sie ist dann erreicht, wenn die wohlerwogenen konkreten Überzeugungen möglichst vollständig durch ein oder mehrere ethische Prinzipien expliziert 3} werden können und sich zudem die ethischen Prinzipien widerspruchsfrei aus den Rahmenbedingungen herleiten lassen, sich also ein übergeordneter Zusammenhang (Kohärenz) abzeichnet. Diesen Zustand der Übereinstimmung, in dem die ethischen Prinzipien als gerechtfertigt gelten können, nennt RAWLS „reflexives Gleichgewicht" 4 \ RAWLS strebt aber nicht nach Erreichen 1 ) vgl. Rawls (1979), S.66f.; (1988), S.46f.; Rawls (1976), S. 129ff.; Kley (1986), S.4. 2 ) Rawls (1979), S. 67f.; (1988), S. 47f. 3 ) Rawls (1976), S. 132 zum Begriff der Explikation: "Betrachte eine Gruppe kompetenter Beurteiler, die wohldurchdachte Urteile abgeben im Hinblick auf eine Gruppe von Fällen, die im täglichen Leben vorkommen können. Dann ist eine Explikation dieser Urteile als eine Reihe von Prinzipien definiert, deren verständige und konsistente Anwendung im Hinblick auf die jeweils selben Fälle durch irgendeine kompetente Person Urteile ergibt, die - zwar dem Vorgehen gemäß nicht intuitiv, sondern aufgrund einer expliziten und bewußten Heranziehung der Prinzipien abgegeben - nichtsdestoweniger Fall für Fall identisch mit den wohldurchdachten Urteilen der Gruppe kompetenter Beurteiler sind." 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 38; (1988), S. 20.

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Das Problemverständnis

der Ethik

des nächstliegenden, mit geringer Anpassung realisierbaren Reflexionsgleichgewichts, sondern nach demjenigen, das sich unter Heranziehung und Prüfung möglichst aller vorhandenen, plausiblen ethischen Prinzipien, der jeweilig damit verbundenen Folgen und sie unterstützenden Argumente ergibt. Diesem Idealfall sucht RAWLS sich anzunähern, indem er aus der Ethik bekannte traditionelle Prinzipien und Weiterentwicklungen, insbesondere des Utilitarismus, mit in den Entdeckungs- und Prüfungsprozess, welche Prinzipien mit den wohlerwogenen Urteilen übereinstimmen, einbezieht1 \ Wie RAWLS, ausgehend von wohlerwogenen moralischen Überzeugungen, zum Reflexionsgleichgewicht gelangt, entzieht sich einer genauen methodischen Operationalisierung, läßt sich aber in der Vorgehensweise wie folgt skizzieren und ist identisch mit dem Argumentationsgang der Theorie der Gerechtigkeit: Aus den wohlerwogenen, konkreten moralischen Überzeugungen gewinnt RAWLS durch Abstraktion inhaltlich schwache, aber auf allgemeine Anerkennung zielende, gemeinsame Vorstellungen, die als vorläufige Definitionselemente und Rahmenbedingungen für ein Verfahren zur Entdeckung ethischer Prinzipien fungieren. Aus diesen allgemeinen, potentiell konsensgestützten Rahmenbedingungen werden - zunächst probeweise gültige - ethische Prinzipien hergeleitet. Diese werden sukzessiv den wohlerwogenen Urteilen gegenübergestellt und daraufhin untersucht, inwieweit die hergeleiteten Prinzipien aus der Vielzahl der Einzelurteile einen abstrakten Zusammenhang im Sinn der Explikation herzustellen vermögen. Ist das der Fall, ist das Verfahren zu einem reflexiven Gleichgewicht gelangt (vgl. Abbildung 18, S. 140) 2) . Dieser „heuristische Weg zur Entdeckung vernünftiger moralischer Prinzipien" 3} führt höchstwahrscheinlich nicht sofort zu einem Reflexionsgleichgewicht, so daß durch „Hin-und Her-Gehen" zwischen a) Rahmenbedingungen, b) ethischen Prinzipien und c) wohlerwogenen konkreten Überzeugungen, verbunden mit Veränderungen schließlich eine Konkretion der Rahmenbedingungen erreicht wird, „die sowohl vernünftigen Bedingungen genügt als auch zu Grundsätzen führt, die mit unseren ... wohlüberlegten Urteilen übereinstimmen" 4\ RAWLS behandelt also den Ausgangspunkt, d.h. die wohlerwogenen Urteile, nicht als unveränderliche Größe. Einzelurteile, Prinzipien und Rahmenbedingungen stehen gleichermaßen in einem Rückkoppelungsverhältnis zueinander. Sie korrigieren sich gegenseitig,

1 ) Die Unterscheidung "wide" und "narrow equilibrium" wird in Rawls (1979), S. 68f.; (1988), S. 49f. nur angedeutet und erst in Rawls (1975 a), S. 8 eingeführt. 2 ) vgl. Rawls (1976), S. 13Iff. 3 ) Rawls (1979), S. 38; (1988), S. 20. 4 ) Rawls (1979), S. 38; (1988), S. 20.

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Das Problemverständnis

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sind im Licht der jeweils anderen Elemente kritisier- und revidierbar. Diese Vorgehensweise garantiert einen strukturell auf Dynamik und Veränderung angelegten Lernprozeß 1

Abbildung 18: Schematische Darstellung der Methode des Reflexionsgleichgewichts und des Argumentationsganges von RAWLS' Gerechtigkeitskonzeption

Welche Veränderungs- und Lernprozesse im einzelnen konkret vollzogen werden, ob bei einer Differenz z. B. zwischen Einzelurteilen und Prinzipien erstere, letztere oder gar beide einem Revisionsprozeß unterzogen werden, bzw. welche Instanz sich als kritikimmun und auf Veränderung der anderen Instanz verweisend erweist, entzieht sich einer rationalen Entscheidung und objektiven Darstellung. Dies ist eine durchaus subjektive Entscheidung des Autors und des Lesers. Diese persönliche Komponente wird aber relativiert, da dieses Verfahren eher ein negatives Prüfverfahren als ein positives Entdeckungsverfahren darstellt. Von den Alternativen wird keine als die richtige identifiziert, sondern es werden nur diejenigen herausgefiltert, die den wissenschaftlichen Ansprüchen der begrifflichen Kon1 ) Der Ansatz von wohlerwogenen Urteilen "als einer Klasse von Tatsachen" veranlaßt Rawls, seine Theorie in die Nähe naturwissenschaftlicher Theorien zu stellen und von einer Theorie der Gerechtigkeit zu sprechen; vgl. Rawls (1979), S. 70f.; (1988), S. 50f.

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Das Problemverständnis

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sistenz und Kohärenz nicht genügen1 \ Die subjektive Komponente kommt nur bei der Alternativengewinnung und nicht bei deren Eliminierung zum Tragen. So wird eine sukzessive Annäherung an das nicht erreichbare philosophische Idealbild einer ethischen Theorie erzielt, das für sich die höchste Plausibilität bzw. Erklärungsgehalt beanspruchen kann 2) . RAWLS bezeichnet deshalb seine Gerechtigkeitskonzeption auch als eine Theorie der Gerechtigkeit. Für die praktische Durchführung dieses dynamischen, durch Rückkoppelungs-, Abstraktions- und Korrekturprozesse geprägten Vorgehens finden sich in RAWLS' Konzeption zahlreiche Indizien, bildet sie doch das praktizierte Verfahren des Reflexionsgleichgewichts 3 \ RAWLS' Stellungnahmen sind folgerichtig als ein vorläufiges Schlußprotokoll der Lern- und Veränderungsprozesse zu betrachten, d. h. als Summe der Überlegungen, die er zum jeweiligen Zeitpunkt als im Reflexionsgleichgewicht befindlich wertet 4 Nach RAWLS wird durch ständige neue Erfahrungen, Überlegungen und Argumente, die den Gerechtigkeitssinn des Menschen und seine moralischen Überzeugungen beeinflussen, ein erreichtes reflexives Gleichgewicht destabilisiert und ein neuer Anpassungsprozeß notwendig5». Das Verfahren der Methode des reflexiven Gleichgewichts, aufgefaßt als kohärenztheoretische Rechtfertigung von Normen 6 \ hat RAWLS den Vorwurf eingetragen, daß er, von konkreten moralischen Urteilen ausgehend, diese zum letzten Kriterium der Gültigkeit normativer Prinzipien und Aussagen erhebe (Vorwurf des Intuitionismus)7 \ Hierbei wird allerdings vernachlässigt, daß RAWLS in ei-

1 ) vgl. Höffe (1979 a), S. 182. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 69; (1988), S. 50. 3 ) Das revolvierende, ständige Hin-und-Her-Gehen zwischen Rahmenbedingungen, Prinzipien und Alltagsurteilen, die damit verbundene dauernde Revision findet ihren unmittelbaren Ausdruck in Rawls (1979), (1988), wo verschiedene Elemente ständig wiederholt, verändert und revidiert werden; z.B. die hypothetische Situation in § 4 und §§ 22-26, die Utilitarismuskritik in §6, dann wieder in §§ 27, 28, 30; die Gerechtigkeitsgrundsätze werden erstmals in § 11, die endgültige Fassung in §§ 46, 47 formuliert. Dem Prozeß von Irrtümern, Fehlern, wechselseitiger Anpassung und Überprüfung, den Rawls durchläuft, zu folgen ist fast unmöglich. 4 ) Rawls unterwirft weniger den normativen Teil seiner Theorie, d.h. seine Gerechtigkeitsprinzipien, diesem Prozeß als vielmehr den Begründungsteil. 5 ) vgl. Rawls (1979), S. 38; (1988), S. 20f. 6 ) vgl. Hoerster (1977), S. 57ff.; Dworkin, R. (1975), S. 27ff.; Schaar (1974), S. 82ff.; Pettit (1974), S.316ff. 7 ) vgl. Hare (1975), S. 83f.; Lyons (1975), S. 145ff.; Feinberg (1975), S. 108ff.; Bowie (1974), S. 74; Patzig (1976), S. 64; anders vgl. z.B. Nagel (1975), S. 2.

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Das Problemverständnis

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nem dynamischen Prozeß zwar von wohlerwogenen konkreten moralischen Urteilen ausgeht und einen gemeinsamen Nenner von moralischen Überzeugungen s u c h t 1 D i e Suche nach allgemeinen Prinzipien, aus denen sich die Lösung möglichst vieler unterschiedlicher Probleme „explizieren" läßt, schließt jedoch für RAWLS eine mögliche Révision wohlerwogener konkreter moralische Überzeugungen mit ein. Der von anderer Seite ebenfalls erhobene Vorwurf des Deduktionistischen2 ] geht schon deshalb fehl, weil ein Großteil der Kritiker RAWLS' Prinzipien als individuelle Handlungsmaximen interpretiert oder diese, entgegen RAWLS' Auffassung, als Prinzipien ansieht, aus denen konkrete Lösungen in komplexen Entscheidungssituationen einfach abgeleitet werden können3 In diesem Zusammenhang wird RAWLS öfters der Vorwurf der zirkulären Argumentation gemacht, denn er konstruiere ausgehend von wohlerwogenen, moralischen konkreten Urteilen eine hypothetische Position derart, daß sie zu den „gewünschten" Prinzipien der Gerechtigkeit führe, die wiederum die wohlerwogenen Urteile bestätigen, womit das „ohnehin Vertretene legitimiert wird" 4 ) . Auch in diesem Fall läßt sich auf ein Mißverständnis von RAWLS' Methode schließen, hat RAWLS doch deutlich gemacht, daß ein gegenseitiger Anpassungsprozeß nicht zirkulärer Art, sondern eher in Form einer Spirale, d. h. mit grundsätzlicher Revidierbarkeit sowohl der wohlerwogenen Urteile, der hypothetischen Position, aber auch der Gerechtigkeitsprinzipien intendiert ist. Es handelt sich also um einen Erkenntnisprozeß und nicht um die Legitimation des ohnehin Vertretenen 5

3.2.2 Das kontraktualistische Argument Innerhalb der Methode des reflexiven Gleichgewichts bedient sich RAWLS eines zweiten, in der politischen Philosophie wohlbekannten Argumentationsmusters, des Gesellschaftsvertrags. Angestrebt wird dessen Neubelebung auf einer höheren Abstraktionsebene 6 das Schema wird durch Abbildung 19, S. 143 verdeutlicht.

1 ) vgl. Ballestrem (1977), S. 115ff. 2 ) vgl. Nowell-Smith (1977), S. 94ff. 3 ) vgl. Ballestrem (1977), S. 115f. 4 ) vgl. Brantl (1985), S. 487; Siep (1977), S. 247. Auch Weinberger (1977), S. 240 vertritt diese von ihm "konservative Deutung" genannte Kritik. 5 ) vgl. Kliemt (1979), S. 199ff.; Weinberger (1977), S. 240. 6 ) vgl. Rawls (1979), S. 27f.; (1988), S. 11; die Ausführungen bei Höffe (1979 b), S. 195ff; Kersting (1989), S. 79ff.; Weinberger (1977), S. 238ff; die eingehende Würdigung bei Ballestrem (1983), S. Iff.

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Das Problemverständnis

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Abbildung 19: Überblick über die Argumentationsschritte des kontraktualistischen Arguments in der RAWLSschen Gerechtigkeitskonzeption

3.2.2.1 Die Rahmenbedingungen: Die Modellauffassungen der wohlgeordneten Gesellschaft und der moralischen Person Bisher wurden die Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Methode des reflexiven Gleichgewichts als allgemeiner Datenkranz moralischer Überzeugungen charakterisiert. Präzisierend ist zu klären, auf welchen Grundwerten eine Gesellschaft basiert und welche Vorstellungen über abstrakte und formale Grundstrukturen bestehen, damit diese allgemein als gerecht beurteilt wird. Weiter ist zu fragen, welche ethisch relevanten, menschlichen Grundzüge Mitglieder dieser als gerecht angesehenen Gesellschaft aufweisen. Diese allgemeinen, abstrakten Überzeugungen bilden die in zwei Modellauffassungen festzuhaltenden Rahmenbedingungen. Die Modellauffassung der „wohlgeordneten Gesellschaft" und die Modellauffassung der „moralischen Person" bilden die notwendige Voraussetzung zur Ableitung von Prinzipien. Sie liefern den Argumentationsrahmen für die Herleitung der Gerechtigkeitsprinzipien und verdeutlichen die der Gerechtigkeitskonzeption zugrundeliegenden Wertvorstellungen 1 \ Die wesentlichen Grundüberzeugungen findet RAWLS in den diffusen politischen Wertvorstellungen der Gesellschaft. Die allgemein als notwendig beurteilten Charakteristika einer „gerechten" Gesellschaft und einer „moralischen Person" sind laut RAWLS im common sense latent vorhanden und bedürfen nur der expliziten Darstellung 2 \ RAWLS geht im weiteren von der politischen Kultur in einer demokratischen Gesellschaft und den

1 ) vgl. Rawls (1975), S. 538; Rawls (1980 a), S. 517f.; Kley (1986), S. 11. 2 ) vgl. Rawls (1988 a), S. 252; Rawls (1980 a), S. 518.

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darin enthaltenen Überzeugungen aus° und identifiziert als fundamentale, allgemein verbreitete Überzeugungen die Ideen der Freiheit, der Gleichheit, eine Vorstellung idealer gesellschaftlicher Kooperation und eine Vorstellung der menschlichen Person2 \ Diese Vorstellung eines Gesellschaftssystems fairer Kooperation zwischen freien, gleichen Personen, kurz die Idee der Gerechtigkeit als Fairneß 3), gilt es in Modellauffassungen festzuhalten. Die Modellauffassung der „wohlgeordneten Gesellschaft" präzisiert RAWLS inhaltlich unter den Begriffen der „umfassenden Öffentlichkeit" und der „Anwendungsverhältnisse der Gerechtigkeit". Die Bedingung der umfassenden Öffentlichkeit erstreckt sich auf drei Ebenen und bestimmt RAWLS' Auffassung genauer, daß eine Gesellschaft wohlgeordnet genannt werden soll, „...wenn sie nicht nur auf das Wohl ihrer Mitglieder zugeschnitten ist, sondern auch von einer gemeinsamen Gerechtigkeitsvorstellung wirksam gesteuert wird" 4 ) : 1. Jedermann akzeptiert dieselben Gerechtigkeitsprinzipien und weiß, daß auch die anderen dies tun. Die grundlegenden gesellschaftlichen Institutionen genügen diesen Gerechtigkeitsprinzipien, was von jedermann auf der Basis allgemein anerkannter Untersuchungs- und Argumentationsverfahren gewußt und akzeptiert wird. 2. Öffentlich anerkannt sind neben den Gerechtigkeitsprinzipien auch die mit ihrer Begründung verbundenen wissenschaftlichen Theorien über die menschliche Natur und gesellschaftliche Institutionen. Das ist möglich, da die Theorien auf den vertrauten Argumentations- und Untersuchungsmethoden beruhen. 3. Allgemein öffentlich bekannt oder erkennbar sind schließlich auch das gesamte Verfahren, der Ausgangspunkt und die Begründung der Gerechtigkeitsprinzipien, die Methode des Reflexionsgleichgewichts und die Modellauffassungen. Hierzu gehört auch das Wissen über die Übereinstimmung der zugrundegelegten Modellauffassungen mit gesellschaftlich vorhandenen, wohlerwogenen Überzeugungen 5

1 ) Die Eingrenzung auf demokratische Gesellschaften wird bei Rawls erst ab (1980 a) vorgenommen. 2 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 520. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 29; (1988), S. 12; Rawls (1985), S. 229ff. bezeichnet seine Theorie als "Gerechtigkeit als Fairneß". 4 ) Rawls (1979), S. 21; (1988), S.4f.; ähnlich Rawls (1980 a), S. 521. 5 ) vgl. Rawls (1979), S. 21 ; (1988), S. 5; Rawls (1974), S. 634f.; Rawls (1980 a), S. 537f.

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Aus den Annahmen über die Anwendungsverhältnisse der Gerechtigkeit ergibt sich die Notwendigkeit für Gerechtigkeitsprinzipien, unterschieden nach objektiven und subjektiven Bedingungen: - Objektive Bedingungen sind Annahmen über gesellschaftlich-historische Bedingungen in modernen demokratischen Gesellschaften: (1). existiert eine Vielfalt widerstreitender Lehren (Faktum des Pluralismus) 1 (2). dauert unter demokratischen Institutionen Pluralismus fort, und kann (3). nur durch repressiven Gebrauch staatlicher Macht überwunden werden. (4). muß ein dauerhafter, stabiler demokratischer Staat von der überwiegenden Mehrheit zumindest der politisch aktiven Bürger unterstützt werden. (5). herrschen einigermaßen günstige (administrative, ökonomische, technologische) Bedingungen, die Demokratie ermöglichen (wie ζ. B. gemäßigte Knappheit an Rohstoffen und anderen Mitteln); (6). ist es Faktum, daß es zahlreiche Möglichkeiten des Gewinns aus einer wohlorganisierten sozialen Kooperation gibt, sofern sie unter fairen Bedingungen stattfindet. Zusammengefaßt ist gesellschaftliche Zusammenarbeit nötig und möglich, da viele Menschen gleichzeitig in einem begrenzten Territorium leben, die über ähnliche physische und psychische Eigenschaften verfugen 2 - Subjektive Bedingungen sind Annahmen zur Psychologie des Menschen: (1). können sich Menschen neben der Befähigung zu individuellen Lebensplänen Konzeptionen von Gerechtigkeit und Fairneß aneignen und sind in der Lage, so zu handeln, wie diese Konzeptionen es verlangen. (2). sind die Menschen, wenn sie glauben, daß institutionell-gesellschaftliche Praktiken im Sinne dieser Konzeptionen gerecht oder fair sind, bereit und willens, ihren Beitrag zu diesen Einrichtungen zu leisten, vorausgesetzt, sie haben vernünftige Gründe dafür, anzunehmen, daß auch die anderen ihren Teil leisten. (3). Wenn andere Personen sich bemühen, ihren Anteil an gerechten und fairen Einrichtungen zu leisten, und diese Absicht erkennbar ist, dann neigen die Menschen dazu, ihnen gegenüber Vertrauen und Zuversicht zu entwickeln. (4). Vertrauen und Zuversicht werden stärker und umfassender, wenn der Erfolg gemeinsamer Einrichtungen zur Kooperation über eine längere Zeit anhält und wenn schließlich (5). die grundlegenden Institutionen, die zur Sicherung unserer grundlegenden Interessen (der Grundrechte und -freiheiten) geschaffen wurden, beständig und bereitwillig anerkannt werden. Zusammenfassend werden die Menschen als fähig zu vernünftigem Handeln und zur Beteiligung an fairer sozialer Kooperation erachtet. Sie haben ähnliche Bedürfnisse und Interessen, die eine gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit er-

1 ) vgl. Rawls (1989), S. 334. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 148ff.; (1988), S. 126ff.; Rawls (1987), S. 4, Anm.7, S. 22.7).

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möglichen. Andererseits weisen sie eine konfliktträchtige Vielfalt an verschiedenen philosophischen, religiösen, politischen und gesellschaftlichen Auffassungen auf und verfolgen unterschiedliche Lebenspläne0, die zu Ansprüchen an verfügbare Mittel führen, die mit Ansprüchen anderer konkurrieren können2 \ Eine wohlgeordnete Gesellschaft ist als „Unternehmen der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil" 3 ) nicht nur durch Interessenharmonie dergestalt gekennzeichnet, daß jeder weiß, daß die gesellschaftliche Zusammenarbeit allen ein besseres Leben ermöglicht, als wenn jeder auf sich allein gestellt wäre. Es herrscht auch ein Interessenkonflikt, der darin besteht, die Früchte der Zusammenarbeit zu verteilen, wobei jeder lieber einen größeren als einen kleineren Anteil anstrebt. Dieser Konflikt erfordert Verteilungsgrundsätze 4 Mit dieser Beschreibung der wohlgeordneten Gesellschaft beansprucht RAWLS, das ideale Bild einer sozialen Gemeinschaft beschrieben zu haben, das sich in den wohlerwogenen Überzeugungen eines demokratisch geprägten common sense wiederfindet. Diese Modellauffassung stellt die minimale, abstrakte und formale Beschreibung des idealen sozialen Lebens einer allgemein als ideal angesehenen Gesellschaft dar. Dieses Ideal setzt ein Menschenbild voraus, ohne das die Beschreibung der Rahmenbedingungen unvollständig wäre. Die notwendigen menschlichen Grundeigenschaften faßt RAWLS in seiner Modellauffassung der „moralischen Person" zusammen5 \ Die für die Beschreibung der moralischen Person wichtigen menschlichen Grundeigenschaften leiten sich ab aus dem schon angesprochenen Begriff der gesellschaftlichen Zusammenarbeit. Aus der Betrachtung der verschiedenen Komponenten gesellschaftlicher Zusammenarbeit 6* ergeben sich drei grundlegende menschliche Eigenschaften, die als Hauptbestandteile der Modellauffassung der moralischen Person gleichzeitig für die sinnvolle Verwendung des Begriffs der gesellschaftlichen Zusammenarbeit sorgen.

1 ) bzw. "Konzeptionen des Guten", vgl. Rawls (1979), S. 150; (1988), S. 127. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 148ff.; (1988), S. 126ff.;. Rawls (1987), S. 4, Anm.7, S. 22. Weitere Bedingungen vgl. Rawls (1980 a), S. 536. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 149; (1988), S. 126. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 20 und S. 148; zusätzlich S.493ff; (1988), S. 4, S. 126f. und S.453ff.; Rawls (1974), S. 634ff; Rawls (1980), S. 199f.; Rawls (1980 a), S. 521 ff.; Rawls (1975), S.547ff. 5 ) Rawls (1985), S. 232 Anm. 15, verweist explizit auf den normativen Gehalt der Modellauffassung der moralischen Person. 6 ) zur gesellschaftlichen Kooperation vgl. Rawls (1985), S. 232. Als wesentliche Komponente nennt Rawls "das Vernünftige" (the reasonable).

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a) Die erste Eigenschaft umfaßt die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn, d. h. die Fähigkeit, zu einem gewissen Mindestmaß Prinzipien der Gerechtigkeit zu verstehen, diese anzuwenden und nicht nur in Übereinstimmung mit diesen, sondern von ihnen angeleitet zu handeln, in diesem Sinn also vernünftig zu sein. b) Die zweite Eigenschaft umfaßt die Fähigkeit, sich eine Vorstellung über das Lebensziel bzw. den individuellen Lebensplan zu machen, diesen Lebensplan zu verfolgen und auch zu revidieren; mit anderen Worten die Fähigkeit, das eigene Leben nach individuellen Vorstellungen zu gestalten und in diesem Sinn rational zu sein. c) Die dritte Eigenschaft bezeichnet das „erstrangige Interesse" bzw. überragende Interesse, die beiden zuvor genannten Eigenschaften, den Gerechtigkeitssinn und den individuellen Lebensplan, zu entfalten und auszuüben. Dieses Interesse leitet die Überlegungen und das Verhalten in jedem Fall, der für die Verwirklichung dieser Eigenschaften relevant ist1 \ Neben diesen Grundeigenschaften besteht noch das wichtige Interesse, den jeweils konkreten Lebensplan und die Vorstellungen über die Lebensgestaltung voranzutreiben. Der konkrete Lebensplan wird revidiert, wenn er im Widerspruch zur Verwirklichung der erstrangigen Interessen steht, ζ. B. die fairen Bedingungen der Zusammenarbeit durch den konkreten Lebensplan gefährdet würden. Schließlich ist als letzte Eigenschaft der moralischen Person ihr rationales Entscheidungsverhalten gemäß den Grundsätzen der rationalen Entscheidung zu Fragen der Gerechtigkeit festzuhalten 2 \ Die systematische Aufstellung der Rahmenbedingungen ist in nachfolgender Abbildung 20. S. 148 dargestellt, wobei die dargelegten Modellauffassungen nicht als eine empirische Beschreibung der menschlichen Natur und Gesellschaft anzusehen sind. Sie stellen vielmehr eine normative, auf allgemeinem Niveau formulierte Beschreibung dessen dar, wie nach wohlerwogenen Überzeugungen in einer demokratischen Gesellschaft die „ideale" moralische Person und die „ideale" Gesellschaft auf der Basis von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aussehen sollte. Diese Rahmenbedingungen beschreiben die auf allgemeinen Konsens zielenden Bedingungen für eine faire Entscheidungssituation, reichen aber zu deren konkreter Ausgestaltung noch nicht aus. Die Operationalisierung der Rahmenbe-

1 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 525; Rawls (1979), S. 548; (1988), S. 505; Rawls (1974), S. 634; Rawls (1982), S. 164ff.; Rawls (1980), S. 199. 2 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 528f.; Rawls (1982), S. 165.

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dingungen durch Einfuhrung von Akteuren und Situationsbedingungen wird über die „vermittelnde Modellauffassung" der „hypothetischen Situation" geleistet1

Rahmenbedingungen:

- Modellauffassung der wohlgeordneten Gesellschaft a) Bedingung der umfassenden Öffentlichkeit b) objektive und subjektive Anwendungsverhältnisse der Gerechtigkeit - Modellauffassung der moralischen Person a) Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn b) Fähigkeit zur Gestaltung individueller Lebenspläne c) erstrangiges Interesse

Abbildung 20: Die wichtigsten Bestandteile der Rahmenbedingungen bzw. der ModellaufFassungen

3.2.2.2 Die „vermittelnde" Modellauffassung der „hypothetischen Position" als Operationalisierung der Rahmenbedingungen Die hypothetische Position 2} stellt die einprägsamste Argumentationsfigur innerhalb der RAWLSschen Konzeption dar. Ihre Aufgabe ist es, zwischen Modellauffassungen und ethischen Prinzipien zu vermitteln. Sie versucht dazu, die in den Modellauffassungen festgehaltenen formalen und abstrakten Elemente unserer moralischen Überzeugungen in einer „vermittelnden" Modellauffassung zu veranschaulichen und so für die Bestimmung von ersten vernünftigen und allgemein akzeptierten Gerechtigkeitsprinzipien zu verwenden 3 \ RAWLS sieht die hypothetische Position, ausgehend von der Idee der Zusammenarbeit unter fairen Bedingungen a) als Mittel zur Darstellung einer Situation, in der freie und gleiche Personen die Grundlagen ihrer gesellschaftlichen Zusammenarbeit für grundlegende gesellschaftliche Institutionen festlegen, 1 ) vgl. Rawls (1980 a), S.520. 2 ) Der Begriff "Original Position" bzw. "Urzustand" in Rawls (1979) provoziert das Verständnis als reale Ausgangssituation und führte zu Mißverständnissen, vgl. die Kritik bei Schaar (1974), S. 82f.; Koslowski (1988), S. 285. Rawls (1979), S. 142; (1988), S. 120; Rawls (1978), S. 57ff. versteht die "Originai Position" aber als Gedankenexperiment. Daher wird im folgenden die dies ausdrückende Bezeichnung "hypothetische Position" verwendet. 3 ) vgl. Rawls (1978), S. 59f.

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Das Problemverständnis

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b) als Mittel der öffentlichen Reflexion und Selbstklärung: Wird die Gesellschaft als gesellschaftliche Zusammenarbeit zwischen freien und gleichen Personen begriffen, gibt sie die Möglichkeit, Rechenschaft darüber abzugeben, welche Überzeugungen vorhanden und welche Anforderungen an einen Begriff der Gerechtigkeit zu stellen sind, c) als Hilfsmittel zur Erreichung des reflexiven Gleichgewichts 1 was RAWLS 1 Absicht, die hypothetische Position so bestimmen zu wollen, daß die gewünschte Lösung herauskommt, verständlich macht2 \ Trotz prinzipiell vieler Möglichkeiten, die hypothetische Position zu konkretisieren, stellt RAWLS die Fairneß als die einzige Konkretisierung vor, die sowohl den Kriterien der Vernünftigkeit genügt als auch im Einklang mit unseren moralischen Überzeugungen und damit im reflexiven Gleichgewicht steht3 \ RAWLS beschreibt die Ausgangsposition der hypothetischen Position wie folgt: „Wir wollen uns also vorstellen, daß diejenigen, die sich zu gesellschaftlicher Zusammenarbeit vereinigen wollen, in einem gemeinsamen Akt die Grundsätze wählen, nach denen Grundrechte und -pflichten und die Verteilung der gesellschaftlichen Güter bestimmt werden. Die Menschen sollen im voraus entscheiden, wie sie ihre Ansprüche gegeneinander regeln wollen und wie die Gründungsurkunde ihrer Gesellschaft aussehen soll. Ganz wie jeder Mensch durch vernünftige („rationale" L. R.) Überlegung entscheiden muß, was für ihn das Gute ist, d.h. das System der Ziele, die zu verfolgen für ihn vernünftig („rational" L. R.) ist, so muß eine Gruppe von Menschen ein für allemal entscheiden, was ihnen als gerecht und ungerecht gelten soll. Die Entscheidung, die vernünftige („rationale" L. R.) Menschen in dieser theoretischen Situation der Freiheit und Gleichheit treffen würden, bestimmt die Grundsätze der Gerechtigkeit." 4} Wie die Entscheidungssituation konkret aussieht, die die Grundzüge der wohlgeordneten Gesellschaft, der moralischen Person und die Vorstellung fairer gesellschaftlicher Zusammenarbeit in geeigneter Weise repräsentiert, und wie diese die Festlegung von Gerechtigkeitsprinzipien ermöglicht, zeigt die nachfolgende detaillierte Beschreibung der hypothetischen Position (vgl. Abbildung 21, S. 150).

1 ) vgl. Rawls (1985), S. 237ff. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 165; (1988), S. 141. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 143; (1988), S. 121. Dies bezweifeln Gauthier (1974), S. 6f. und S. 20ff.; Bowie (1974), S. 66ff.; Schaar (1974), S. 80; Siep (1977), S. 345f.; Dyke (1975), S. 609ff. 4 ) Rawls (1979), S. 28; (1988), S. 11 f. Ergänzungen L.R. vom Verfasser dieser Arbeit..

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Das Problemverständnis

der Ethik

Dabei sind zwei Bestandteile der hypothetischen Position zu unterscheiden, welche die moralische Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn (das Vernünftige) wie auch die Fähigkeit zur individuellen Lebensplangestaltung (das Rationale) und damit insbesondere die Modellauffassung der moralischen Person repräsentieren 1 \

Abbildung 21 : Die „vermittelnde" Modellauffassung der hypothetischen Position und ihre wichtigsten Elemente im Überblick

1 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 20.

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Das Problemverständnis

der Ethik

3.2.2.2.1 Darstellung des Rationalen in der hypothetischen Position Die Beteiligten verkörpern innerhalb der hypothetischen Position das rationale Element. Sie zeichnen sich dabei durch ein rationales Entscheidungsverhalten, gegenseitiges Desinteresse und die „Unfähigkeit" zum Neid aus 1} . Als moralische Personen haben sie das vorrangige Interesse zur Ausübung der moralischen Fähigkeiten2 Gleichzeitig aber sind sie Repräsentanten der Bürger der Gesellschaft und einigen sich auf Gerechtigkeitsprinzipien, von denen sie glauben, daß sie die Verfolgung ihrer individuellen Lebenspläne am besten fördern 3 \ Eine Einigung auf Prinzipien in der hypothetischen Position muß notwendigerweise auf rationale Überlegungen gegründet sein, wenn sie von rationalen moralischen Personen akzeptiert werden soll. Die rationale Basis liefert das Interesse der Beteiligten an der Förderung der spezifischen Lebenspläne und der moralischen Fähigkeiten4 \ Notwendige Voraussetzung hierfür sind die gesellschaftlichen Grundgüter. Grundgüter sind gesellschaftliche, unbedingt notwendige Voraussetzungen, um konkrete individuelle Lebenspläne verfolgen und die beiden moralischen Fähigkeiten (die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn und die Fähigkeit zur individuellen Gestaltung des Lebensplans) entwickeln und ausüben zu können. Weil die Beteiligten ihre speziellen Lebenspläne in der hypothetischen Position nicht kennen, vertreten sie die rationale Auffassung, daß es vorläufig vorteilhaft ist, sich einen möglichst großen Anteil bei der Verteilung der Grundgüter zu sichern. Ein freiwilliger Verzicht ist später immer möglich. Als Entscheidungskriterium zur Beurteilung von Gerechtigkeitsprinzipien bietet sich daher die Verteilung der gesellschaftlichen Grundgüter bzw. das Ausmaß an, in dem unterschiedliche Gerechtigkeitsprinzipien die Personen der Gesellschaft mit gesellschaftlichen Grundgütern versorgen und somit jeden Beteiligten in die Lage versetzen, seinen Lebensplan und seine moralischen Fähigkeiten zu verwirklichen 5 \ Aus den gesellschaftlichen Erfordernissen und den gewöhnlichen Lebensumständen innerhalb einer modernen demokratischen Gesellschaft ergeben sich aus der Perspektive einer Person als moralischer Person folgende Grundgüter 6

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 30f. und S. 166ff.; (1988), S. 13f. und S. 142ff. 2 ) Rawls (1982 a), S. 19ff. 3 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 528; Rawls (1982 a), S. 19f. 4 ) vgl. Rawls (1988 a), S. 255ff. 5 ) Rawls (1980 a), S. 525ff.; Rawls (1982), S. 165ff.; Rawls (1979), S. 83; (1988), S. 61; Rawls (1988 a), S. 257 unterscheidet gesellschaftliche von natürlichen Grundgütern (natural primary goods) wie Gesundheit, Intelligenz etc. Die Verteilung letzterer wird durch die Grundstruktur nur mittelbar beeinflußt. Im folgenden sind Grundgüter immer gesellschaftliche Grundgüter. 6 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 526; Rawls (1982), S. 162, S. 165f.; Rawls (1982 a), S. 21f.

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1. Die Grundfreiheiten: Politische Freiheit; Freiheit der Meinungsäußerung, Versammlungs-, Gewissens- und Gedankenfreiheit, persönliche Freiheit; Gesetzesherrschaft 1 2. Niederlassungsfreiheit und Freiheit der Berufswahl als Ausdruck vielfältiger gesellschaftlicher Chancen, 3. Befugnisse 2 ) und Vorrechte im Zusammenhang mit Ämtern und Positionen der politischen und ökonomischen Institutionen. 4. Schaffung von Einkommen und Vermögen, 5. die gesellschaftlichen Prämissen der persönlichen Selbstachtung. Dies sind Grundstrukturen, die den Menschen das Gefühl geben, ihre moralischen Fähigkeiten und individuellen Lebenspläne seien einer Entwicklung und Verwirklichung wert 3 \ Bei der Beurteilung verschiedener Gerechtigkeitsprinzipien an Hand ihrer Verteilungswirkung gesellschaftlicher Grundgüter halten die Beteiligten aber nicht alle Grundgüter für gleich bedeutend, sondern legen mit ihren Fähigkeiten und Interessen als moralische Personen gleichzeitig eine Gewichtung der Grundgüter untereinander fest, so sind ζ. B. Grundfreiheiten wichtiger als Vermögen und Einkomm e n 4 D i e Beurteilung der verschiedenen Gerechtigkeitsprinzipien orientiert sich ausschließlich daran, wie viele und welche Grundgüter sie in der Grundstruktur der Gesellschaft dem einzelnen zukommen lassen. Die Beteiligten beurteilen die verschiedenen Prinzipien nach rationalen Kriterien unter Anwendung der Grundsätze rationaler Entscheidung. Dies steht im Einklang mit der Modellauffassung der moralischen Person5 \ 3.2.2.2.2 Darstellung des Vernünftigen in der hypothetischen Position Bisher wurde die Modellauffassung der moralischen Person ausschließlich durch das rationale Verhalten der Beteiligten in der hypothetischen Position repräsentiert. Das vernünftige Element moralischer Personen und die Grundzüge der wohlgeordneten Gesellschaft werden durch die äußeren Bedingungen abgebildet. Der

1 ) vgl. die Aufzählung der Grundfreiheiten bei Rawls (1979), S. 82; (1988), S. 61. 2 ) Der im Original verwendete Begriff "power" wird hier mit Kompetenz im Sinn von Befugnissen wiedergegeben. "Macht" als andere mögliche Wiedergabe ist nach Rawls (1975), S. 542, Anm. 8 ausdrücklich kein Grundgut. Im gleichen Sinne vgl. Kley (1986), S. 26. 3 ) vgl. Koch (1982), S. 117ff 4 ) vgl. Rawls (1982), S. 166; Rawls (1980 a), S. 527. 5 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 528f.

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Gerechtigkeitssinn als das Vernünftige, die Fähigkeit, faire Bedingungen gesellschaftlicher Zusammenarbeit anzuerkennen, wird durch mehrere Beschränkungen und Bedingungen der Übereinkunft repräsentiert 1 \ Die erste Beschränkung stellt die Auswahl von Gerechtigkeitsprinzipien entsprechend der Modellauffassung der wohlgeordneten Gesellschaft dar, d. h. die Prinzipien beziehen sich auf die Grundstruktur der Gesellschaft und genügen sowohl den Anwendungsverhältnissen der Gerechtigkeit als auch der Bedingung der umfassenden Öffentlichkeit. Die hypothetische Position ist gemäß der Vorstellung einer auf fairen Bedingungen beruhenden, gesellschaftlichen Zusammenarbeit als faire Entscheidungssituation charakterisiert. Fairneß, d. h. reine Verfahrensgerechtigkeit gewährleistet RAWLS durch Einfuhrung des „Schleiers der Unwissenheit", der die Unparteilichkeit der Beteiligten b e w i r k t 2 A l l e Beteiligten sind dabei der Information beraubt, wie sich verschiedene Gerechtigkeitsprinzipien auf ihre persönlichen Interessen auswirken. Zur Beurteilung alternativer Prinzipien können nur allgemeine Gesichtspunkte herangezogen werden, welche die Überlegungen aller Beteiligten letztlich in die gleiche Richtung und damit in ein einstimmiges Ergebnis zwingen. Die Beteiligten kennen z. B. weder ihren Platz in der Gesellschaft, ihre Schichtzugehörigkeit, noch ihre natürlichen Fähigkeiten wie Intelligenz, Gesundheit etc. Auch ihre Lebenseinstellung, ihre Lebenspläne, wirtschaftliche, politische Lage und der Entwicklungsstand ihrer Gesellschaft sind ihnen unbekannt. Zur Sicherung der Fairneß zwischen den Generationen wissen die Beteiligten auch nicht, in welcher Generation ihrer Gesellschaft sie ihren Platz haben. Alle Informationen sind ausgeblendet, die die Beteiligten zur Wahl von Prinzipien veranlassen könnten, die sich einseitig zu ihrem Vorteil auswirken. Dagegen sind als Wissen alle allgemeinen Tatbestände verfügbar, die für die Festlegung von Gerechtigkeitsprinzipien von Bedeutung sind. Dies sind die Anwendungsverhältnisse der Gerechtigkeit und damit zusammenhängende Informationen. Ferner zählen dazu alle Informationen, die für die rationale Übereinkunft wichtig sind, so z. B. allgemeine Tatsachen der menschlichen Gesellschaft oder wissenschaftliche Erkenntnisse aus Psychologie, Wirtschaft, Soziologie etc. 3) Der Schleier der Unwissenheit ermöglicht den Beteiligten ausschließlich die Verfolgung ihrer eigenen Interessen als moralischer Personen und setzt ein Desinteresse am Wohl anderer voraus. Jeder versucht, sich unabhängig von der Lage der anderen, unbeeinflußt von Gefühlen wie Neid, Liebe oder Hass, einen möglichst großen Anteil an Grundgütern zu sichern. Gleichwohl zwingt dieser Schleier bei

1 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 528f.; Rawls (1982 a), S. 19f. 2 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 523. 3 ) vgl. Rawls (1978), S. 57f.; Rawls (1979), S. 159ff.; (1988), S. 136ff.

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der Wahl von Prinzipien zur indirekten Berücksichtigung des Wohls der anderen. Das Informationsdefizit über die Auswirkungen der Prinzipien auf individuelle Interessen verhindert nämlich eine ausgeprägte egoistische oder altruistische Grundhaltung der Beteiligten und die Bevorzugung/Benachteiligung einzelner oder Gruppen 0 . Weiter müssen die zu wählenden Gerechtigkeitsprinzipien gewissen formalen Bedingungen für den Begriff des Rechts genügen, sollen sie die Ansprüche der Menschen an Institutionen und gegeneinander wirksam regeln. Die Prinzipien müssen a) ihrer Form nach allgemein sein, wenn sie für alle Zeiten als Richtschnur für die Gestaltung der gesellschaftlichen Institutionen gelten. Die verwendeten Prädikate drücken allgemeine Eigenschaften und Beziehungen aus und sind nicht auf eine bestimmte Generation und Gruppe von konkreten Menschen zugeschnitten. Ihr Verständnis ist nicht von der Kenntnis zufälliger Einzeltatsachen abhängig. b) universell, d. h. uneingeschränkt anwendbar sein, für jedermann gelten und für jedes moralische Subjekt verstehbar und anwendbar sein. Dies schließt die Wahl extrem komplizierter oder widersprüchlicher Prinzipien ebenso aus wie die Wahl von Grundsätzen, deren Befolgung nur vernünftig ist, wenn andere anderen Prinzipien folgen. c) öffentlich bekannt sein, was sich zwanglos aus der Modellauffassung von der wohlgeordneten Gesellschaft ergibt. d) konkurrierende Ansprüche in eine Rangfolge bringen und zwar so, daß diese die Bedingungen der Transitivität und der Vollkommenheit erfüllt. Diese Anforderung entspricht der wesentlichen Aufgabe von Gerechtigkeitsgrundsätzen, nämlich der Beurteilung von Ansprüchen an die gesellschaftlichen Institutionen. e) endgültig sein. Alle akzeptieren die Grundsätze und damit verbundene Bewertungen von Ansprüchen an gesellschaftliche Institutionen als letzte verbindliche Instanz2 \ Diese Bedingungen werden innerhalb der hypothetischen Position jedoch nicht operationalisiert, sondern von RAWLS als bekannt vorausgesetzt3 \

1 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 527f.; Rawls (1979), S. 171f.; (1988), S. 147f. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 152ff.; (1988), S. 130ff. 3 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 540.

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3.2.2.3 Die Herleitung von Gerechtigkeitsprinzipien Die Prinzipien gesellschaftlicher Gerechtigkeit bilden den normativen Kern der RAWLSschen Theorie sowie Ausgangs- und Endpunkt seiner Betrachtungen: Endpunkt, weil mit der Herleitung der Prinzipien die gestellte Aufgabe erfüllt ist, Ausgangspunkt, weil damit ein Fundament für die Entwicklung weiterer Prinzipien, z.B. für individuelles Handeln, geschaffen wird. RAWLS muß dafür aufzeigen, 1) daß seine Gerechtigkeitsprinzipien überhaupt eine mögliche plausible Lösung des Entscheidungsproblems in der hypothetischen Position darstellen, 2) auf welche Gerechtigkeitsprinzipien sich die Beteiligten einigen bzw. welche der vorgegebenen Prinzipien mit den in der hypothetischen Position repräsentierten Rahmenbedingungen am ehesten übereinstimmen 0. RAWLS sieht sich außerstande, bei der Herleitung von Prinzipien das von ihm angestrebte Ideal einer streng logischen, deduktiven Argumentation auf der Grundlage rationalen Entscheidungsverhaltens durchzuhalten, d. h. aus einfachen Voraussetzungen über Ansichten und Interessen der Beteiligten und ihre Lage und Möglichkeiten zwingend eine Lösung für das beschriebene Entscheidungsproblem abzuleiten. Er bedient sich daher weitgehend intuitiver Gedankengänge2 \ An die Stelle der strengen Deduktion tritt eine Liste alternativer Gerechtigkeitsvorstellungen, die den Beteiligten in der hypothetischen Position vorgelegt wird und aus der diese einstimmig eine ihre Interessen am besten fördernde Gerechtigkeitsvorstellung auswählen 0 (vgl. Abbildung 22, S. 156). ad 1): Die Plausibilität seiner Gerechtigkeitsprinzipien als möglicher Lösung gründet RAWLS in einem groben, intuitiven Argumentationsgang auf dem rationalen Entscheidungsverhalten der Beteiligten. Diese halten es in einem ersten Schritt für rational, für ein striktes Prinzip der Gleichverteilung von Freiheiten, Chancen, Einkommen und Vermögen zu plädieren, d.h. für RAWLS' erstes Prinzip. Im zweiten Schritt wird den wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Umständen der Gesellschaft Rechnung getragen, ohne aber den für die

1 ) Rawls (1979), S. 145; (1988), S. 122f.; Rawls (1974), S. 649 stellt sich die Entscheidung als Folge von Paarvergleichen vor, so daß die Gerechtigkeitsvorstellung als die beste gelten kann, von der sich alle einig sind, daß sie jeder anderen Möglichkeit vorzuziehen ist. 2 ) vgl. Rawls (1974), S. 649; Rawls (1979), S. 141 ff.; (1988), S. 119ff. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 144ff.; (1988), S. 122ff.; Damit zielt Rawls nicht auf das Ideal der besten denkbaren Lösung, denn die muß in der Liste j a nicht enthalten sein, garantiert aber mit diesem "schwächeren" Verfahren wenigstens eine Lösung des Entscheidungsproblems.

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A. Die beiden Grundsätze (in lexikalischer Ordnung 1 * 1. Der Grundsatz der größtmöglichen gleichen Freiheit: Jedermann hat gleiches Recht auf ein angemessenes System gleicher Grundfreiheiten, das fur alle möglich ist. 2. Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten müssen folgendermaßen beschaffen sein: (a) Differenzprinzip: sie müssen den am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil bringen; und (b) Der Grundsatz der (fairen) Chancengleichheit: sie müssen mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die allen gemäß fairer Chancengleichheit offenstehen. B. Mischformen mit einem der folgenden Grundsätze anstelle von A2 1. Das Prinzip des Durchschnittsnutzens 2. Das Prinzip des Durchschnittsnutzens, mit einer der folgenden Einschränkungen: (a) daß ein bestimmtes Existenzminimum nicht unterschritten wird, (b) daß die Verteilung nicht zu weit streut. 3. Das Prinzip des Durchschnittsnutzens, mit einer der Einschränkungen aus B2 sowie der fairen Chancengleichheit C. Klassische teleologische Auffassungen 1. Das klassische Nutzenprinzip 2. Das Prinzip des Durchschnittsnutzens 3. Das Perfektionsprinzip: gesellschaftliche Institutionen sind gerecht, wenn sie zu künstlerischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Höchstleistungen fuhren D. Intuitionistische Auffassungen 1. Abwägen des Gesamtnutzens gegen das Prinzip der gleichmäßigen Verteilung 2. Abwägen des Durchschnittsnutzens gegen das Prinzip des Ausgleichs 3. Abwägen einer Liste von auf den ersten Blick einleuchtend erscheinenden Grundsätzen (je nach Bedarf) E. Egoistische Auffassungen 1. Ein-Mann-Diktatur: Jeder hat meinen Interessen zu dienen 2. Sonderstatus: Jeder hat gerecht zu handeln, aber ich kann mich ausnehmen 3. Allgemein: Jeder kann seine Interessen verfolgen, wie er gerade will

Abbildung 22: Liste von zur Auswahl stehenden Gerechtigkeitsvorstellungen nach RAWLS (1979), S. 146f; (1988), S. 124.

1 ) Rawls (1979), S. 62, Anmerkung 23; (1988), S. 42, Anmerkung 23, verwendet den Ausdruck lexikalisch zur Vereinfachung, anstelle des von ihm gemeinten lexikographisch im Sinne von hierarchisch.

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Wahrnehmung der moralischen Fähigkeiten unbedingt notwendigen Vorrang der Freiheit und Chancengleichheit aufzugeben. Verschiedene Umstände lassen eine Ungleichverteilung von Einkommen, Vermögen, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten denkbar erscheinen, die für alle von Vorteil ist. Die Beteiligten gelangen so zu RAWLS' Differenzprinzip, das eine Argumentation der besser Gestellten gegenüber den schlechter Gestellten beinhaltet1 \ Diese Argumentation erklärt aber weder die unterschiedliche Gewichtung der Grundgüter noch die daraus abgeleitete hierarchische Ordnung der beiden RAWLSschen Prinzipien. Ungeklärt bleibt auch, welche Freiheiten Grundfreiheiten sind und warum dieses Prinzip vor den anderen Prinzipien Vorrang hat. Diese Fragen2 ) veranlaßten RAWLS 1982, die Herleitung der Gerechtigkeitsprinzipien unter besonderer Berücksichtigung der Priorität der Freiheit näher darzustellen3 \ RAWLS will durch den Blickwinkel der Beteiligten in der hypothetischen Position mittels Paarvergleich von alternativen Gerechtigkeitsvorstellungen zu einer Evaluation seiner Prinzipien gelangen. In Änderung seiner ursprünglichen Argumentation sind die Beteiligten nun rational autonome Interessensvertreter der Mitglieder einer wohlgeordneten Gesellschaft und darin bestrebt, die beste Übereinkunft für die von ihnen vertretenen Mitglieder zu erreichen, konkret, deren individuelle, vielfältige Lebenspläne weitestgehend zu fördern. Der Schleier der Unwissenheit versagt den Repräsentanten aber sowohl die Kenntnis ihrer Position in der Gesellschaft als auch die Kenntnis über die Inhalte der Lebenspläne der Mitglieder, die sie vertreten. Sie wissen nur, daß eine Vielfalt von Lebensplänen existiert. Deshalb einigen sich die Repräsentanten auf diejenigen Gerechtigkeitsprinzipien aus der vorgegebenen Liste, von denen sie rational annehmen können, daß sie die inhaltlich festumrissenen, aber ihnen unbekannten Lebenspläne der Mitglieder in dem Sinn fördern, daß sie die Verwirklichung der moralischen Fähigkeiten begünstigen4 \ Die Förderung dieser Fähigkeiten ist von der Verfügbarkeit über Grundgüter abhängig, so daß sich Repräsentanten in der hypothetischen Position diese so verteilt wünschen, daß allen Mitgliedern der wohlgeordneten Gesellschaft die Entwicklung und Ausübung der moralischen Fähigkeiten möglich wird. Mit der Verteilung der Grundgüter als Entscheidungskriterium werden die Repräsentanten sich nach RAWLS zuerst auf ein Prinzip verständigen, das bestimmte Grundfreiheiten garantiert und vor allen anderen Prinzipien Vorrang hat.

1 ) vgl. Rawls ( 1980). S.20Iff.; Rawls (1974 a), S. 142f. 2 ) vgl. Hart (1977), S. 135ff. 3 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 23. 4 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 19ff.

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Die moralischen Personen sind als Repräsentanten nicht mehr vorrangig an der Ausübung des Gerechtigkeitssinns und der Durchsetzung ihrer Lebenspläne interessiert, sondern an der prinzipiellen Förderung der durch den Schleier der Unwissenheit verdeckten Lebenspläne der Mitglieder, die sie vertreten 1 \ Die Repräsentanten gehen also davon aus, daß Prinzipien, welche die moralischen Fähigkeiten der Mitglieder der wohlgeordneten Gesellschaft fördern, auch den individuellen Lebensplänen d i e n e n 2 F ü r die Plausibilität seiner Gerechtigkeitsprinzipien und deren Wahl durch die Repräsentanten führt RAWLS Gründe an, die in enger Beziehung zu den beiden moralischen Fähigkeiten, d. h. der Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn und der Fähigkeit zur individuellen Gestaltung des Lebensplanes stehen: a) rationale Gründe (Verfolgung des Lebensplans) RAWLS beschränkt sich hier auf die Angabe von Gründen für die Notwendigkeit und den Vorrang der Gewissensfreiheit. Daran dokumentiert er, daß die prinzipielle Förderung der Möglichkeit, Lebenspläne entwickeln und verfolgen zu können, auch die Möglichkeiten der Repräsentanten fördert. Die Beteiligten verfugen über hinter dem Schleier der Unwissenheit verborgene, individuell verschiedene konkrete religiöse, philosophische und moralische Ansichten (Faktum des Pluralismus). Die Beteiligten wissen daher nicht, ob ihre konkreten Ansichten Mehrheitsoder Minderheitsansichten darstellen. Nehmen sie aber individuelle Ansichten als wichtigen Bestandteil der moralischen Person ernst, einigen sie sich, sofern in der Vorschlagsliste ein solches Prinzip existiert, auf das Prinzip, das gleiche Gewissensfreiheit für alle Beteiligten garantiert, und lassen dieses auch nicht durch andere Prinzipien einschränken. Die Fähigkeit zur Entwicklung und Verfolgung individueller Lebenspläne stellt aber bei näherer Betrachtung ein Mittel dar, mit dessen Hilfe die Person in Phasen der Umformulierung der Lebenspläne oder der Revidierung der bisher angestrebten Ziele in der Lage ist, sich neue Ziele zu setzen oder einen neuen konkreten Lebensplan zu formulieren. Die umfassende Ausübung und Wahrnehmung dieser Fähigkeit setzt aber garantierte Gewissensfreiheit voraus, da sonst, z.B. durch weltanschauliche Beschränkungen, die freie Entfaltung des individuellen Lebensplans verwehrt werden kann. Sind die Mitglieder der wohlgeordneten Gesellschaft aber der Ansicht, daß die Fähigkeit der Entwicklung und Ausübung eines Lebensplanes die konkreten Lebenspläne fördert, werden sie die Gewissensfreiheit als Grundfreiheit ansehen und ihr Priorität verleihen. Die umfassende Ausübung der Fähigkeit, das Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, kann aber auch Be1 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 29. 2 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 39.

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standteil des Lebensplanes sein, denn wir möchten vielleicht nicht nur selbstgewählte Ziele verfolgen können, sondern auch herausfinden, warum diese Ziele für uns wichtig sind. Dies ist aber nur unter der Garantie umfassender Gewissensfreiheit möglich 1 \ b) vernünftige Gründe (Gerechtigkeitssinn) Die Gründe, die RAWLS fur die Plausibilität seiner Prinzipien im Zusammenhang mit dem Gerechtigkeitssinn anfuhrt, begreift er nun als Begründung beider Prinzipien insgesamt. Wie gesagt, werden die Repräsentanten nur durch die Überlegung geleitet, wie sie die Entwicklung und Ausübung der Fähigkeit, das Leben nach individuellen Vorstellungen zu gestalten - sei es als Mittel oder Bestandteil konkreter Lebenspläne - , weitestgehend fördern können. Da sie rational autonome2 ) Repräsentanten darstellen, richten sie unter dem Schleier der Unwissenheit ihr Interesse ausschließlich darauf, dem einzelnen Träger eines Lebensplanes möglichst viele Vorteile zukommen zu lassen. Sie sind gezwungen, alle Fragen und Erwägungen zum Verhältnis zwischen den Mitgliedern und damit die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn als Ausdruck der sich aus Gerechtigkeitsprinzipien ergebenden Beschränkungen auszublenden. Die Repräsentanten einigen sich auf bestimmte Prinzipien allein aus dem Wissen heraus, daß das Handeln nach den gewählten Prinzipien als effektives Mittel zur Erreichung konkreter Lebenspläne dient. Es ist also zwischen zwei verschiedenen Ebenen von RAWLS' Argumentation zu unterschieden, d.h. zwischen -

Beteiligten als moralischen Personen, die als Bürger der wohlgeordneten Gesellschaft über volle Autonomie 3 ] verfügen und durch Gerechtigkeitserwägungen geprägt sind, indem sie über die beiden moralischen Fähigkeiten, insbesondere die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn verfügen; und

-

rational autonomen Repräsentanten in der hypothetischen Position, welche die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn quasi als Bestandteil der Lebenspläne ansehen und wissen, daß ihre Einigungsbemühungen nicht vergeblich sein werden, und sich daher in ihren rationalen Erwägungen nur auf den Mittelcharakter der Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn für die Förderung der Entwicklung individueller konkreter Lebenspläne stützen4 \

1 ) vgl. Rawls (1982 a), S.25ff. 2 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 20. 3 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 20. 4 ) vgl. Rawls (1982 a),S.29f.

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Vor diesem Hintergrund nennt RAWLS drei Gründe für die Wahl seiner Prinzipien durch die Beteiligten in der hypothetischen Position, unter dem besonderen Blickpunkt der Entwicklung und Ausübung der Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn und der wirksamen Förderung der vielfältigen Lebenspläne der Mitglieder einer wohlgeordneten Gesellschaft: Der erste Grund für die Beteiligten sich auf Prinzipien zu einigen, die die Grundfreiheiten sichern und diesen absoluten Vorrang einräumen, ist der damit verbundene Effekt der Stabilität. Eine stabile Form gesellschaftlicher Zusammenarbeit hat große Vorteile für die Entwicklung individueller Lebenspläne ihrer Mitglieder. Diese Stabilität wird durch die öffentlich bekannte und allen gemeinsame Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn gewährleistet, die alle zur Einhaltung der gesellschaftlichen Regeln veranlaßt. Der andere Weg gesellschaftliche Stabilität zu gewährleisten, wäre ein aufwendiges System von Sanktionsmaßnahmen für den Fall der Regelmißachtung. Dieses aber schützt nicht vor Machtmißbrauch, bindet enorme gesellschaftliche Ressourcen und behindert die Entfaltung individueller Lebenspläne. Die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn wird als Mittel zur Erreichung gesellschaftlicher Stabilität und damit der Förderung der individuellen Lebenspläne interpretiert 1 Die Beteiligten prüfen verschiedene Gerechtigkeitsvorstellungen darauf, wie diese die für eine stabile Zusammenarbeit notwendige Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn unterstützen bzw. entwickeln helfen. Dasjenige Prinzip erhält den Vorzug, das die Entwicklung und Ausübung der Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn am wirksamsten sichert und damit die größte komparative Stabilität gewährleistet. Mit RAWLS ist die stabilste Gerechtigkeitsvorstellung vermutlich diejenige, die „...unserer Vernunft einleuchtet, mit unserem Wohl im Einklang steht und sich nicht auf Selbstverleugnung, sondern auf Selbstbestätigung aufbaut" 2 \ RAWLS' Ansicht nach erfüllen seine Prinzipien diese Bedingungen am b e s t e n 3 E r betont ausdrücklich, daß die Wahl seiner Prinzipien nicht dem Wunsch entspringt, die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn um ihrer selbst zu verwirklichen. Sie werden vielmehr gewählt, weil der Gerechtigkeitssinn von den Repräsentanten in der hypothetischen Position als der beste Weg und das beste Mittel zur Stabilisierung der gesellschaftlichen Zusammenarbeit und damit der Förderung der individuellen Lebenspläne der von ihnen vertretenen Mitglieder angesehen wird 4 ) .

1 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 31; Rawls (1979), S. 539ff.; (1988), S.496ff.; Rawls (1987), S.4f. u.l lf.; Rawls (1989), S. 350ff. ( H ) . 2 ) Rawls (1979), S. 541; (1988), S.499; (1982 a), S.31. 3 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 32. 4 ) vgl. Rawls (1982 a), S.32.

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Der zweite Grund fur die Wahl der RAWLSschen Gerechtigkeitsprinzipien ergibt sich mit dem Begriff der Selbstachtung (self-respect) 1 \ Selbstachtung ist die Voraussetzung für die Möglichkeit, die zwei moralischen Fähigkeiten zu entwickeln und auszuüben, und damit auch die des Gerechtigkeitssinns. Ohne Selbstachtung würden die Mitglieder der Gesellschaft die Verfolgung ihrer Lebenspläne, d.h. deren Entwicklung und Verwirklichung, aufgeben und in Resignation und Passivität verfallen. Die Repräsentanten in der hypothetischen Position werden daher, da sie doch ausschließlich an der größtmöglichen Förderung der in einer wohlgeordneten Gesellschaft vorkommenden Lebenspläne interessiert sind, gesellschaftliche Verhältnisse befürworten, die es den Menschen ermöglichen, Selbstachtung zu besitzen und somit ihre Lebenspläne zu verfolgen. Sie werden solche Gerechtigkeitsprinzipien wählen, die die Selbstachtung des einzelnen wirksam stützen. Grundfreiheiten unterstützen das Selbstvertrauen, garantieren sie doch allen die umfassende Entwicklung und Ausübung der beiden moralischen Fähigkeiten. Das Selbstwertgefuhl wird durch die öffentliche Garantie der Grundfreiheiten und deren allgemeine Anerkennung durch die Mitglieder gestützt. Da Selbstachtung abhängig ist von der Anerkennung, die uns andere entgegenbringen, ist mit der öffentlichen allgemeinen Anerkennung der Grundfreiheiten gleichzeitig die gegenseitige Anerkennung als vernünftiger und vertrauenswürdiger Person sowie die Anerkennung des hohen Wertes des individuellen Lebensplanes fur die jeweilige Person verbunden. Die Grundfreiheiten der RAWLSschen Gerechtigkeitsprinzipien tragen der Notwendigkeit der Selbstachtung mehr als alle alternativen Gerechtigkeitsvorstellungen Rechnung 2 \ Der dritte Grund der Wahl der Gerechtigkeitsprinzipien im Hinblick auf den Gerechtigkeitssinn entspringt der Konzeption der wohlgeordneten Gesellschaft als sozialer Gemeinschaft der sozialen Gemeinschaften (social union of social unions). RAWLS erfaßt damit den Tatbestand, daß der einzelne aufgrund der Endlichkeit seines Dasein nicht alle seine potentiellen Fähigkeiten und Anlagen wirklich entfalten bzw. alle konkreten Lebenspläne verwirklichen kann. In einer wohlgeordneten Gesellschaft aber können die Mitglieder Fähigkeiten, die sie selbst nicht entwickelt haben oder ausüben können bei anderen Mitgliedern entfaltet sehen und somit eine Bereicherung ihrer individuellen Lebenspläne erfahren. Die Möglichkeit der „Teilnahme" an der Gesellschaft versetzt den Menschen über seine individuellen Fähigkeiten hinaus in die Lage, durch die in der Gesellschaft vorhandene Summe verschiedenster Fähigkeiten und Begabungen eine Förderung

1 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 32; Rawls (1979), S. 479; (1988), S. 440. 2 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 34; Rawls (1979), S.479ff.; (1988), S.440ff.; Rawls (1988 a), S.270.

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seines konkreten individuellen Lebensplanes zu erhalten 0 . Daher ist es plausibel, daß die Repräsentanten in der hypothetischen Position an der Wahl von Prinzipien interessiert sind, die eine derartig gestaltete Gesellschaft ermöglichen. Prinzipien, die eine solche Gesellschaft ermöglichen, müssen nach RAWLS mit dem Menschenbild freier und gleicher Individuen (citizens as free and equal persons), aber auch dem Gedanken der Gegenseitigkeit (reciprocity) im Einklang stehen. Die von RAWLS vorgeschlagenen Gerechtigkeitsprinzipien erfüllen diese Bedingungen, weshalb sie von den Repräsentanten in der hypothetischen Position gewählt werden, und womit - wieder durch die beiden moralischen Fähigkeiten, insbesondere den Gerechtigkeitssinn als das Mittel - eine Förderung der individuellen Lebenspläne erreicht wird 2 ad 2): In der Argumentation für die Überlegenheit der RAWLS-Prinzipien gegenüber anderen in der Liste enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen spielen zwar verschiedene zur Plausibilität der RAWLS-Prinzipien bereits herangezogene Gesichtspunkte eine Rolle, die folgende Argumentation bezieht sich dennoch im wesentlichen auf die Beteiligten der hypothetischen Position. Zur Evaluierung des Vorzuges der RAWLSschen Gerechtigkeitsprinzipien gegenüber anderen Vorstellungen bedienen sich die Repräsentanten in der hypothetischen Position des Paarvergleiches 3 nachdem die vollständigkeitshalber aufgeführten egoistischen Theorien gestrichen wurden, da sie den formalen Bedingungen der Rechts, d.h. der Forderung nach Allgemeinheit/Rangierung von Ansprüchen nicht genügen4 \ Die Vorgehensweise des Paarvergleiches bringt es mit sich, daß die Begründung des Vorzuges bzw. Nachteils von Prinzipien unmittelbar mit der jeweiligen Alternative zusammenhängt5 \ Hier werden deshalb nicht alle von RAWLS durchgeführten Paarvergleiche erörtert, sondern gemäß RAWLS' Hauptinteresse nur der Vergleich seiner Prinzipien mit denen des Utilitarismus 6 \ RAWLS ist sich der unterschiedlichen Formen des Utilitarismus bewußt und unterscheidet zwei utilitaristische Grundsätze: die Maximierung des Gesamtnutzens, d.h. den klassischen Utilitarismus, und die Maximierung des Durchschnittsnutzen. Die Argumentation für seine Prinzipien und die damit verbundene Kritik am Utilitarismus ist bei den verschiedenen Varianten aber im wesentlichen identisch7 >.

1 ) vgl. Rawls (1982 a), S.35f.; Rawls (1988 a), S. 270. 2 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 37f.; Rawls (1979), S. 565f.; (1988), S. 520ff. 3 ) vgl. Rawls (1974 a), S. 142. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 155ff.; (1988), S. 132ff. 5 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 8. 6 ) vgl. Rawls (1979), S.40f.; (1988), S.22f. 7 ) vgl. Rawls (1979), S. 40; (1988), S. 22.

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Das Problemverständnis

der Ethik

Danach vernachlässigen die Repräsentanten in der hypothetischen Position die verschiedenen utilitaristischen Prinzipien zugunsten von RAWLS' Prinzipien. Unter dem Gesichtspunkt der Vertragstreue wählen die Repräsentanten Prinzipien, die und deren Auswirkungen die Mitglieder der wohlgeordneten Gesellschaft endgültig annehmen können, gleich welche Position sie in dieser Gesellschaft innehaben. Der Gerechtigkeitssinn bindet die Mitglieder der wohlgeordneten Gesellschaft später an diese endgültigen Vereinbarungen und setzt daher die prinzipielle Möglichkeit voraus, die gewählten Prinzipien auch einhalten zu können. Utilitaristische Prinzipien können im unglücklichsten Fall aber die Einschränkung der Lebenspläne einzelner zur Erzielung des maximalen Durchschnitts- oder Gesamtnutzens dergestalt erfordern, daß die damit verbundenen unerträglichen Einschränkungen die Ausübung des Gerechtigkeitssinns unter Umständen unmöglich machen könnten1 \ Der zweite Grund für die Wahl der RAWLS-Prinzipien ergibt sich aus der Bedingung der umfassenden Öffentlichkeit als formaler Bedingung des Rechts. Der mit der Wahl utilitaristischer Prinzipien eventuell verbundene dauerhafte Verzicht einzelner Mitglieder auf Vorteile aus der gesellschaftlichen Zusammenarbeit würde die Ausübung und Entwicklung der Fähigkeit des Gerechtigkeitssinn eventuell unterbinden und damit die Stabilität der Gesellschaft in geringerem Maße fördern und garantieren als die Einhaltung der RAWLS-Prinzipien. Die Repräsentanten der hypothetischen Position gehen bei der Wahl von Gerechtigkeitsprinzipien von der wirklichkeitsnäheren Auffassung aus, daß eine Gesellschaft nur stabil ist, wenn sie auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vorteils aufbaut. Eng damit verbunden ist auch der dritte Grund für die Bevorzugung der RAWLSschen Prinzipien vor denen des Utilitarismus. Die umfassende öffentliche Anerkennung von RAWLS-Prinzipien unterstützt das Selbstwertgefühl und die Selbstachtung der Mitglieder der Gesellschaft und erhöht gleichzeitig den Wirkungsgrad der gesellschaftlichen Zusammenarbeit. Bei der Wahl utilitaristischer Prinzipien könnte der dauerhaft erzwungene Verzicht des einzelnen auf Vorteile der gesellschaftlichen Zusammenarbeit zum Verlust der Selbstachtung fuhren, müßte dieser doch davon ausgehen, daß seine konkreten Lebenspläne es nicht wert sind, verwirklicht zu werden, und daß die anderen seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Zusammenarbeit nicht als gleichwertig ansehen. Die Garantie gleicher, allen zustehender Grundfreiheiten, verbunden mit dem Wissen, daß gesellschaftliche Ungleichheiten zu jedermanns Vorteil sind, sichert und fördert die Selbstachtung aller und die Achtung für einander weit mehr als utilitaristische Prinzipien 2

1 ) vgl. Rawls (1979), S.202f.; (1988), S. 175ff. 2 ) vgl. Rawls (1979), S.203ff.; (1988), S. 177ff.

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Das Problemverständnis

der Ethik

RAWLS konstatiert im direkten Vergleich somit die Überlegenheit seiner Grundsätze gegenüber den Grundsätzen des Utilitarismus bzw. deren Wahl in der hypothetischen Position. Nach weiteren Paarvergleichen mit unterschiedlichen Gerechtigkeitsvorstellungen kommt er schließlich zum Ergebnis, daß vieles dafür spricht, daß seine Prinzipien von Repräsentanten in der hypothetischen Position tatsächlich allen anderen in der Liste enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen vorgezogen würden. 3.2.2.4 Die Prinzipien der Gerechtigkeit

Standen bisher grundlegende Aspekte im Vordergrund, die nur Umrisse der Gerechtigkeitsprinzipien von RAWLS deutlich werden ließen, sind nun Inhalt (vgl. Abbildung 23, S. 165) und Zusammenspiel der Prinzipien zu skizzieren. So muß beim Prinzip gleicher Grundfreiheiten näher geklärt werden, welche Freiheiten als Grundfreiheiten mit absolutem Vorrang vor allen anderen Prinzipien anzusehen sind und mit welcher Begründung dies geschieht 0 . RAWLS selbst stellt erst 1982 2) ein Kriterium vor, mit dem sich die verschiedenen Grundfreiheiten präzisieren und unter Berücksichtigung konkreter gesellschaftlicher Bedingungen in ihrem Verhältnis zueinander bestimmen lassen3 \ Ausgangspunkt zur Konkretisierung der Grundfreiheiten sind dabei erneut die beiden Fähigkeiten der moralischen Personen. Ein mit absoluter Priorität ausgestattetes System von Grundfreiheiten hat in zwei von RAWLS als grundlegend angesehenen Fällen (two fundamental cases) die Aufgabe, allen Bürgern gleichermaßen die gesellschaftlichen Bedingungen zu garantieren, die für eine adäquate Entwicklung und Ausübung moralischer Fähigkeiten unbedingt notwendig sind 4) . Fall 1 bezieht sich auf die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn. Bürger der wohlgeordneten Gesellschaft legen ihrer gesellschaftlichen Zusammenarbeit die Anwendung von Gerechtigkeitsprinzipien zugrunde, können ihren Gerechtigkeitssinn frei entwickeln und ausüben sowie an der permanenten öffentlichen Diskussion über die Gerechtigkeit ihrer Gesellschaft und der Gestaltung politisch gerechter Institutionen teilnehmen. Die Anwendung von Gerechtigkeitsprinzipien auf der Grund1 ) zu diesen Fragen vgl. Fishkin (1975), S. 62Iff.; Bowie (1974), S.68ff; Bowie (1980), S. 1 lOff; Hart (1977), S. 13 Iff.; Weinberger (1977), S.244ff. 2 ) vgl. Rawls (1982 a), S.46f. 3 ) Rawls (1979), S. 82f. und S. 336; (1988), S. 61 f. und S. 250 begnügt sich noch mit der Aufzählung und dem Kriterium der Maximierung der Grundfreiheiten. Bedingt durch Kritik von Hart (1977), S. 136ff. sah sich Rawls (1982 a), S. 4, zur Umformulierung seines 1. Gerechtigkeitsprinzips veranlaßt. 4 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 47.

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Das Problemverständnis

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Formulierung der zwei RAWLSschen Gerechtigkeitsprinzipien: Erstes Prinzip gleicher Grundfreiheiten (principle of equal liberty): „Jedermann hat gleiches Recht auf ein angemessenes System (fully adequate scheme) gleicher Grundfreiheiten, das mit einem entsprechenden System von Grundfreiheiten für alle vereinbar ist" 1 \ Zweites Prinzip, bestehend aus (a) dem Differenzprinzip (difference-principle) 2 ) und (b) dem Prinzip der fairen Chancengleichheit (principle of fair equality of opportunity): Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten müssen folgendermaßen beschaffen sein: (a) sie müssen unter der Einschränkung des gerechten Spargrundsatzes den am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil bringen, und (b) sie müssen mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die allen gemäß fairer Chancengleichheit offenstehen. Erste Vorrangsregel (Vorrang der Freiheit): Die Gerechtigkeitsgrundsätze stehen in lexikalischer Ordnung; demgemäß können die Grundfreiheiten nur um der Freiheit willen eingeschränkt werden, und zwar in folgenden Fällen: (a) eine weniger umfangreiche Freiheit muß das Gesamtsystem der Freiheiten für alle stärken; (b) eine geringere als gleiche Freiheit muß für die davon Betroffenen annehmbar sein. Zweite Vorrangsregel (Vorrang der Gerechtigkeit vor Leistungsfähigkeit und Lebensstandard): Der zweite Gerechtigkeitsgrundsatz ist dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit und Nut zenmaximierung lexikalisch vorgeordnet; die faire Chancengleichheit ist dem Diffe renzprinzip vorgeordnet, und zwar in folgenden Fällen: (a) eine Chancenungleichheit muß die Chancen der chancenmäßig Benachteiligten verbessern 3 \ (b) eine besonders hohe Sparquote muß insgesamt die Last der von ihr Betroffe nen mildern. Abbildung 23: Ausführliche Fassung der Gerechtigkeitsprinzipien nach RAWLS (1979), S. 336f und RAWLS (1982 a), S. 5.

1 ) Bei Rawls (1979), S. 336; (1988), S. 302 lautete das Prinzip noch: Jedermann hat gleiches Recht auf das umfangreichste Gesamtsystem gleicher Grundfreiheiten, das für alle möglich ist. 2 ) in Anlehnung an das englische "difference-principle", vgl. Rawls (1988), S. 75. Andere Bezeichnungen sind "Unterschiedsprinzip", Rawls (1979), S. 96, und "Maximin-Prinzip", Rawls (1974 a), S. 141. 3 ) vgl. die Übersetzung bei Kley (1986), S. 34.

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Das Problemverständnis

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läge des Gerechtigkeitssinns ist aber nur möglich, wenn die Bürger über gleiche politische Rechte (political liberties), Rede- und Pressefreiheit sowie über Meinungs- (freedom of thought) und Versammlungsfreiheit (freedom of assembly) verfügen. Diese Freiheiten gehören deshalb zu den Grundfreiheiten, die im ersten Prinzip von RAWLS garantiert werden müssen. Fall 2 ist mit der Fähigkeit zur individuellen Lebensgestaltung verbunden und betrifft die Anwendung der Prinzipien abwägender Vernunft. Die Bürger der wohlgeordneten Gesellschaft sollen sich frei ihrer abwägenden Vernunft zur Entwicklung und Verfolgung ihres individuellen, an eigenen Vorstellungen orientierten Lebensplanes bedienen können, einschließlich der Möglichkeit, sich Gruppen anzuschließen, die ähnliche Lebenspläne verfolgen. Die notwendige gesellschaftliche Voraussetzung dafür ist die Garantie der Gewissens- und Vereinigungsfreiheit 0 . Die genannte Freiheiten können umfassend jedoch nur auf der Grundlage der Freiheit und Unverletzlichkeit der Person garantiert werden und der Freiheiten, die aus der Gesetzesherrschaft/Rechtsstaatlichkeit resultieren 0. Alle Grundfreiheiten zusammen konkretisieren die Auffassung von gleichen Personen in einer wohlgeordneten demokratischen Gesellschaft 0. Die Aufzählung beschränkt sich aber nicht auf den formalen Charakter der Grundfreiheiten. RAWLS berücksichtigt auch die aus Armut, Unwissenheit oder sonstigen Mängeln herrührende Unfähigkeit zum Gebrauch der Grundfreiheiten. Diese Umstände stuft er als gerechtigkeitsrelevant ein und unterscheidet daher zusätzlich zwischen Grundfreiheiten und deren Wert, wobei das Prinzip gleicher Grundfreiheiten allein dem unterschiedlichen Wert der Grundfreiheiten nicht Rechnung trägt, sondern erst im Zusammenspiel mit dem Differenzprinzip gesellschaftlich und ökonomisch Benachteiligte so gut wie irgend möglich stellt4 \ Um gleiche politische Freiheit für alle zu garantieren und eine Ummünzung ökonomischer in politische Macht zu verhindern, sieht RAWLS bei politischen Freiheiten die Notwendigkeit der Garantie des für alle gleichen fairen Wertes. Diese Garantie ist im Prinzip gleicher Grundfreiheiten enthalten und ermöglicht allen Bürgern die chancenmäßig gleiche Teilnahme an der politischen Willensbildung durch Übernahme eines politischen Amtes5 \ Der Ausgleich des Wertes aller anderen Grundfreiheiten wird durch das Differenzprinzip geleistet, nie aber durch eine Einschränkung des Prinzips gleicher Grundfreihei-

1 ) vgl. Rawls (1982 a), S.47ff. 2 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 50. 3 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 50, Anmerkung 44; Rawls (1985), S.

223fi.

4 ) vgl. Rawls (1979), S.232f.; (1988), S.204f.; Rawls (1982 a), S. 40 und S.44f. 5 ) vgl. Rawls (1979), S.251 ff.; (1988), S.221ff; Rawls (1982 a), S.41 ff.

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ten, z.B. indem Bevorzugte der Gesellschaft an der Ausübung einzelner Grundfreiheiten gehindert würden. Der Vorrang des Prinzips gleicher Grundfreiheiten wird durch die erste Vorrangsregel betont. Die Vorrangsregel sichert die Erfüllung der Forderung nach gleichen Grundfreiheiten, bevor überhaupt ein anderes Prinzip ins Spiel kommen kann n . Können Grundfreiheiten wirksam werden, ist deren Einschränkung zur Verbesserung ökonomischer Verhältnisse nicht zulässig, d. h. geringere oder ungleiche Freiheit im Austausch für eine wirtschaftliche Verbesserung wird nicht akzeptiert 2 Dem Prinzip gleicher Grundfreiheiten direkt nachgeordnet ist das dem Liberalismus entlehnte Prinzip fairer Chancengleichheit. Auch dieses Prinzip umfaßt nicht nur formale Garantien, daß gesellschaftliche Positionen für alle offen sind, sondern betont, daß jeder auch die faire Chance haben soll, diese Positionen zu erlangen. Menschen mit ähnlichen Fähigkeiten, Motiven und Bereitschaft diese einzusetzen, sollen unabhängig von der anfänglichen gesellschaftlichen Stellung und sozialen Schicht ähnliche Lebenschancen und Erfolgsaussichten haben3 \ Ist dies nicht der Fall, führen die Einflüsse gesellschaftlicher und natürlicher Zufälligkeiten bei den Benachteiligten zum Gefühl der persönlichen, ungerechten Zurücksetz u n g 4 D i e Benachteiligten wären nicht nur von gewissen, mit Ämtern verbundenen Vergünstigungen ausgeschlossen, sondern würden darüber hinaus an der mit Hingabe und Können verbundenen Erfüllung gesellschaftlicher Pflichten und damit an einer wichtigen Form der Selbstverwirklichung gehindert 5 Die herausragende Bedeutung des Prinzips fairer Chancengleichheit ergibt sich aus seiner primären Aufgabe, das System der gesellschaftlichen Zusammenarbeit zu einem System reiner Verfahrensgerechtigkeit zu machen, indem es in wesentlichem Umfang die Gerechtigkeit des Verteilungsverfahrens in der gesellschaftlichen Zusammenarbeit sichern hilft 6 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Begriffs der reinen Verfahrensgerechtigkeit auf gesellschaftliche Verteilungen ist die Schaffung eines gerechten Systems von Institutionen, verbunden mit dessen unparteiischer Anwendung. Eine gerechte Verfassung, gerechte ökonomische und soziale Institutionen, kurz eine gerechte gesellschaftliche Grundstruktur, bilden den not-

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 275; (1988), S. 244; Rawls (1979), S. 587ff.; (1988), S. 541ff. 2 ) vgl. Rawls (1979), S,177, S.275f.; (1988), S. 151f.; S.244f. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 335, S. 555f.; (1988), S. 301, S. 51 If. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 93; (1988), S. 73. 5 ) vgl. Rawls (1979), S. 105; (1988), S. 83f. 6 ) vgl. Rawls (1979), S. 108f.; (1988), S. 87f.

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wendigen Hintergrund für eine auf gesellschaftliche Verteilungen bezogene Verfahrensgerechtigkeit 1 An dritter Stelle der Ordnung der Gerechtigkeitsprinzipien steht das Prinzip des gerechten Sparens 2 welches als beschränkender Grundsatz dem Differenzprinzip vorgeordnet ist. In der hypothetischen Position einigen sich die Repräsentanten auf Prinzipien für die gesellschaftliche Grundstruktur einer wohlgeordneten Gesellschaft, d. h. einer Gesellschaft, die auch alle vorausgegangenen und zukünftigen Generationen umfaßt. Bei der gerechten Verteilung von Vor- und Nachteilen, welche die Mitglieder der Gesellschaft vernünftigerweise zu erwarten haben, muß daher auch über die gerechte Verteilung von Vor- und Nachteilen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Generationen entschieden werden 3 \ Seinen Ausdruck findet das Problem der Gerechtigkeit zwischen Generationen in der Bestimmung der gerechten Sparquote. Die Pflicht zum Sparen ergibt sich aus den Gerechtigkeitsprinzipien, d. h. dem Ziel, einen gerechten Zustand der Gesellschaft zu erreichen 4 \ Diese Pflicht erlischt, wenn die materielle Basis für wirksame gerechte Institutionen und Grundfreiheiten erreicht ist, die gerechten Institutionen fest verankert und die gesellschaftlichen Verhältnisse so verbessert sind, daß sämtliche Grundfreiheiten für alle wirksam werden5 \ Die Repräsentanten beschließen so unter dem Schleier der Unwissenheit eine Sparquote, die prinzipiell die Interessen aller Generationen berücksichtigt und die mit dem Sparen verbundenen Belastungen möglichst gerecht auf alle Generationen verteilt 6 \ Die Repräsentanten wählen ein Prinzip des Sparens, von dem sie wollen können, daß es von allen vorausgegangenen Generationen befolgt worden wäre 7) . Auch hier ist von

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 93, S. 108, und die Konkretion S. 308ff.; (1988), S. 73, S. 86f., S. 274ff. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 320, S. 325; (1988), S. 285, S. 288. 3 ) Das Interesse zur Berücksichtigung anderer Generationen durch die Repräsentanten in der hypothetischen Position führt Rawls erst (1978), S. 58 auf die Konzeption der wohlgeordneten Gesellschaft zurück. In Rawls (1979), S. 151, S.323; (1988), S. 128f., S.292 unterstellter den Beteiligten als Vertretern von Nachkommenslinien ein Interesse am Wohlergehen späterer Generationen. § 44 über Gerechtigkeit zwischen Generationen ist dabei ein Beispiel für die Unterschiedlichkeit des Argumentationsgangs des englischen Originals und der deutschen Übertragung. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 325; (1988), S. 288. 5 ) vgl. Rawls (1979), S.323ff.; (1988), S. 287. 6 ) vgl. Rawls (1979), S. 320ff.; (1988), S. 286f. 7 ) vgl. Rawls (1978), S. 58.

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der Lage der am wenigsten Begünstigten in den verschiedenen Generationen auszugehen und die Verteilung der Lasten des Sparvorganges daran auszurichten1 \ Das Differenzprinzip, auf das sich die Repräsentanten in der hypothetischen Position bereits geeinigt haben 2 erweist sich dabei für die Beurteilung der Gerechtigkeit zwischen den Generationen als untauglich, da ein Ausgleich zwar von jeder früheren auf eine nachfolgende Generation möglich ist, umgekehrt aber eine spätere Generation keine Möglichkeit hat, einer früheren in ihrer weniger glücklichen Situation zu helfen 3 \ RAWLS sieht sich dabei außerstande, ein eigenes Sparprinzip festzulegen 4 \ erwartet aber eine Übereinkunft darüber in der hypothetischen Position innerhalb dessen, was Angehörige aufeinanderfolgender Generationen in jedem Entwicklungsstadium vernünftigerweise voneinander erwarten könnten, konkret, was die Repräsentanten bereit sind, für die kommende Generation zu sparen, und den Ansprüchen, die sie gegenüber ihren nächsten Vorfahren berechtigterweise zu haben glauben5 \ Das Differenzprinzip bildet das vierte und letzte RAWLSsche Gerechtigkeitsprinz i p 6 S i n d auf Grund einer vereinbarten Sparquote die zur Verfügung stehenden Mittel innerhalb einer Generation genauer bekannt, wird nun eine gerechte Verteilung dieser Mittel angestrebt, d. h. eine Verteilung, die alle Beteiligten als fair empfinden und der sie somit zustimmen können. Ausgehend von der strikten Gleichverteilung gesellschaftlicher Grundgüter, Einkommen und Vermögen, scheint es RAWLS wahrscheinlich, daß Anreize, Kompetenz- und Einkommensdifferenzierungen und andere Ungleichheiten jeden besser stellen als im Zustand strikter Gleichverteilung 7 \ Diese Überlegung macht sich RAWLS im Differenzprinzip zunutze. Er zieht die absolute Besserstellung der am wenigsten Begünstigten innerhalb einer wohlgeordneten Gesellschaft als Maßstab zur Beurteilung einer gerechten Ungleichverteilung von Grundgütern heran. Eine ungleiche Verteilung von Grundgütern ist demnach gerecht, wenn diese für die am wenigsten Begünstigten 1 ) vgl. Rawls (1979), S. 327; (1988), S. 292f. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 325; (1988), S. 288. 3 ) vgl. Rawls (1979), S.321f.; (1988), S.291f. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 320; (1988), S. 286. 5 ) vgl. Rawls (1979), S. 324; (1988) n.n. 6 ) vgl. Rawls (1979), S. 83f.; (1988), S. 62; Rawls (1978), S. 64. Zur kritischen Diskussion dieses Prinzips vgl. Scanion (1975), S. 191ff.; Beauchamp (1980), S. 132ff.; Gaertner (1975), S. 16ff.; Weinberger (1977), S.246; Gordon (1973), S.275ff.; Swanton (1981), S.415ff.; Lugenbehl (1976), S. 292ff. 7 ) vgl. Rawls (1979), S. 83f.; (1988), S. 62; Rawls (1978), S. 64.

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Das Problemverständnis

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der Gesellschaft vorteilhafter ist als die als Ausgangspunkt gewählte strikte Gleichverteilung 0 . RAWLS identifiziert drei „Zustände" des Differenzprinzips unter Beachtung der anderen Gerechtigkeitsprinzipien: a) der vollkommen gerechte Zustand: keine Veränderung der Aussichten der Bevorzugten verbessert die Lage der Benachteiligten, b) der gerechte Zustand: die Aussichten aller Bevorzugten tragen zur Verbesserung der Aussichten der Benachteiligten bei, noch bessere Aussichten der Bevorzugten würden die Aussichten der am schlechtesten Gestellten weiter verbessern, c) der ungerechte Zustand: die besseren Aussichten sind unangemessen, weil ihre Verschlechterung das Los der Benachteiligten verbessern würde 2 Ziel des Differenzprinzips ist es, eine objektive Grundlage für interpersonelle Nutzenvergleiche zu liefern. Bezugsmaßstab ist hierbei die im Hinblick auf die gesellschaftlichen Grundgüter und die damit verbundenen Aussichten am wenigsten begünstigte repräsentative Person einer Gesellschaft 3 \ Das Differenzprinzip ist damit ein notwendiges Element zur Garantie der Verfahrensgerechtigkeit und bestimmt die konkreten Ergebnisse der reinen Verfahrensgerechtigkeit näher. Die im Prozeß gesellschaftlicher Zusammenarbeit sich ergebenden Güter werden im Rahmen dieses Prozesses verteilt. Eine Vielzahl öffentlicher Regeln, die insgesamt die Wirkung des Differenzprinzips konkretisieren, strukturiert die Zusammenarbeit und den Verteilungsprozeß derart, daß die Beteiligten der wohlgeordneten Gesellschaft nur diesen Hintergrundregeln zu folgen brauchen, damit die Vielzahl einzelner Transaktionen und privater Entscheidungen auch den am schlechtesten Gestellten der Gesellschaft zugute kommt. Konkrete Regeln sind z. B. Einkommensteuer, wirtschaftspolitische Maßnahmen usw. 4) Das Differenzprinzip dient so als Gestaltungsrichtlinie des öffentlichen Regelsystems, nicht als Richtlinie für einzelne Transaktionen oder Verteilungen oder gar für individuelle oder organisation a l Entscheidungen. Es bildet den institutionellen Hintergrund 5 \ Damit wird noch einmal deutlich, daß sich die Gerechtigkeitsprinzipien mit ihren Bestandteilen auf die Grundstruktur bzw. Institutionen der Gesellschaft beziehen. Alle aus den Prinzipien sich ergebenden Forderungen, z. B. daß jeder von einer Ungleichheit Vorteile haben muß, beziehen sich auf repräsentative Personen, die verschie1 ) vgl. Rawls (1979), S. 98f.; (1988), S. 78. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 99ff.; (1988), S. 78ff. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 112ff.; (1988), S. 9Iff. 4 ) vgl. Rawls (1978), S. 64f. 5 ) vgl. Rawls (1978), S. 65

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Das Problemverständnis

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dene soziale Positionen oder Ämter innehaben, die im Rahmen der Grundstruktur errichtet werden 1 \ Die Grundfreiheiten und die faire Chancengleichheit sind durch die beiden Prinzipien bereits für alle gleich, so daß sich eine ungleiche Verteilung und ein notwendiger Vergleich nur auf die Grundgüter a) Befugnisse und Vorrechte von Positionen, b) Einkommen und Vermögen und c) die gesellschaftliche Basis der Selbstachtung beziehen muß 2) . Die am wenigsten begünstigten repräsentativen Personen einer Gesellschaft sind dann diejenigen, die, bezogen auf ihre Erwartungen für das ganze Leben, die geringste Maßzahl an den genannten Grundgütern aufweisen bzw. in die Gruppe der am wenigsten Begünstigten hineingeboren wurden und während ihres ganzen Lebens keine Aussicht haben, aus dieser Gruppe herauszukommen3 Das Differenzprinzip bezieht sich also nicht auf sämtliche in der Gesellschaft vorhandenen Ungleichheiten, sondern nur auf diejenigen, die sich aufgrund unterschiedlicher natürlicher und zufälliger, d.h. unverdienter Positionen ergeben. Nur diese Ungleichheiten werden anhand des Differenzprinzips betrachtet und beurteilt. Die aus den jeweils individuellen Lebensplänen sich ergebenden Ungleichheiten bleiben unberücksichtigt. Drei Aspekte verdeutlichen die Aufgabe und den Stellenwert des Differenzprinzips im Gesamtzusammenhang4 a) ist mit dem Differenzprinzip die Idee des Ausgleichs verbunden, indem unverdiente Ungleichheiten ausgeglichen werden. Das gesamte System der Institutionen legt das Schwergewicht nicht mehr auf gesellschaftliche Leistung und technokratische Werte, sondern vielmehr auf den Ausgleich von Vor- und Nachteilen, die von jemandem aufgrund seines zufälligen Platzes in der Verteilung natürlicher Gaben oder seiner Ausgangsposition erlangt wurden. b) wird mit dem Differenzprinzip eine Gegenseitigkeitsvorstellung ausgedrückt. Die Begünstigten in der Gesellschaft können die ihnen unverdientermaßen zugefallenen Vorteile wahrnehmen, weil sie wissen, daß das Wohlergehen eines jeden einzelnen von einem System der gesellschaftlichen Zusammenarbeit ab-

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 84f.; (1988), S. 63f. Bei Anwendung des DifFerenzprinzips ist vorausgesetzt, daß repräsentativen Personen, die diese Positionen innehaben, Aussichten bezüglich ihres Wohlergehens zuschreibbar, und ihre Lebenschancen unter dem Gesichtspunkt ihrer gesellschaftlichen Stellung betrachtbar sind. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 113; (1988), S. 93f., Rawls (1982), S. 162f. führt zur Vereinfachung eine "einfache Form" des Differenzprinzips ein, die ausschließlich die Verteilung von Einkommen und Vermögen als Maßstab für Vergleiche heranzieht. 3 ) vgl. Rawls (1982), S. 164. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 121ff.; (1988), S. lOlff.

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Das Problemverständnis

der Ethik

hängt und damit von einer bereitwilligen Mitarbeit aller Mitglieder. Diese ist aber letztlich nur auf der Grundlage des Differenzprinzips garantiert 1 c) konkretisiert das Differenzprinzip das Prinzip der Brüderlichkeit in Form sozialer Gerechtigkeit ohne Berufung auf emotionale Bindung. Das Differenzprinzip erfüllt die Doppelaufgabe einmal einer Verteilungsrichtlinie, mit Betonung des instrumentellen Charakters bei der Zuweisung gesellschaftlicher Grundgüter und andererseits einer konkreten moralischen Verteilungsnorm. Aufgrund der zweiten Vorrangsregel wird eine obere Grenze für die zumutbare Sparleistung zugunsten späterer Generationen gegeben, die darin besteht, daß jede Generation nur ihren fairen Beitrag zur Herstellung notwendiger Bedingungen für gerechte Institutionen und den fairen Wert der Freiheit leisten muß. Selbst wenn die Summe der Vorteile langfristig sehr groß wäre, ist eine darüber hinausgehende Sparquote unzulässig. Sollen die Bedingungen der Gerechtigkeit beim Sparen überschritten werden, muß gezeigt werden, daß diejenigen, die von der Ungerechtigkeit betroffen sind, sonst noch größeren Schaden erleiden würden 2 \ Der in der zweiten Vorrangsregel ebenfalls formulierte Vorrang der Chancengleichheit vor dem Differenzprinzip verhindert die Einschränkung der Chancengleichheit aus allgemeinen Nutzenerwägungen. Eine ungleiche Chancengleichheit ist nur zu rechtfertigen, wenn der Versuch deren Beseitigung durch die Beeinträchtigung des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems dazu führen würde, daß die Möglichkeiten für die Benachteiligten noch schlechter würden 3 Eine vollständige Theorie des Rechts umfaßt neben gesellschaftlichen Prinzipien aber auch Prinzipien für den einzelnen und das Verhältnis zwischen Staaten, und obwohl bei RAWLS Prinzipien für die Grundstruktur der Gesellschaft im Vordergrund stehen, zeigt er auch Grundlinien einer Argumentation für Prinzipien für Individuen und des Völkerrechts auf \ So verwendet RAWLS auch für Prinzipien für das Individuum das Begründungsverfahren der hypothetischen Position5 \ Die Prinzipien für den einzelnen teilt RAWLS in natürliche Pflichten (natural duties) und Verpflichtungen (obligations) auf, je nachdem, ob die Prinzipien für den einzelnen Geltung besitzen, weil er in sie hineingeboren wurde und sie für alle seine Handlungen maßgeblich sind, oder aber die Prinzipien Geltung besitzen, weil der einzelne zur vernünftigen Verfolgung seiner Ziele freiwillig dies oder jenes zu tun

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 124. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 332ff.; (1988), S.298f. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 335; (1988), S.300f. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 130f.; (1988), S. 108. 5 ) vgl.Rawls (1979), S. 131 Γ ; (1988), S. 1 lOf.

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Das Problemverständnis

der Ethik

bereit ist1 \ Verpflichtungen lassen sich definitionsgemäß auf einen Grundsatz der Fairneß zurückfuhren 2 ) und bilden in ihren konkreten Ausformungen Spezialfälle des individuellen Fairneßprinzips, „...daß jemand verpflichtet ist, sich gemäß den Regeln einer Institution zu verhalten, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: erstens, daß die Institution gerecht (fair) ist, d. h. den beiden Grundsätzen der Gerechtigkeit entspricht; zweitens, daß man freiwillig ihre Vorteile annimmt oder die von ihr gebotenen Möglichkeiten der Förderung seiner Interessen ausnützt"3 \ Für Verpflichtungen charakteristisch ist deren Entstehen durch freiwillige Akte, d. h. ausdrückliche oder stillschweigende Übereinkünfte, oder auch die Annahme von Vorteilen. Die Inhalte von Verpflichtungen werden immer durch Institutionen festgelegt, deren Regeln präzisieren, was man zu tun hat. Verpflichtungen bestehen in der Regel gegenüber denjenigen Menschen, mit denen man kooperiert (ζ. B. Heirat) 4 \ Die Beteiligten in der hypothetischen Position einigen sich auf den Grundsatz der Fairneß vor allem, weil dieser das gegenseitige Vertrauen der Menschen stärkt und so eine intensivere, nach Umfang und Wert vorteilhaftere Form der gesellschaftliche Zusammenarbeit ermöglicht 5 \ Der Grundsatz der Fairneß bindet die Menschen, die ein öffentliches Amt übernehmen oder innerhalb der Gesellschaft besser gestellt sind und ihre Interessen besser wahrnehmen können6 \ Im Gegensatz zu Verpflichtungen sind natürliche Pflichten unbedingt gültig und gelten zwischen Menschen unabhängig von institutionellen Beziehungen und Institutionen. Natürliche Pflichten bestehen gegenüber den Menschen überhaupt, d. h. zwischen allen gleichen moralischen Subjekten (ζ. B. Pflicht zur gegenseitigen Achtung und Hilfe), und werden nach der Einigung auf Prinzipien für Institutionen ebenfalls durch die Wahl in der hypothetischen Position aus einer Liste von Alternativen bestimmt7 \ Die Wahl natürlicher Pflichten und ihres Inhalts durch die Beteiligten in der hypothetischen Position dokumentiert RAWLS am Beispiel der Pflicht zur Förderung und Erhaltung gerechter gesellschaftlicher Institutionen, d. h. der Pflicht zur Gerechtigkeit 8 \

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 379; (1988), S. 343f. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 133; (1988), S. 112. 3 ) Rawls (1979), S. 133; S.378ff.; (1988), S. 11 lf., S. 342ff. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 134; (1988), S. 113. 5 ) vgl. Rawls (1979), S. 383; (1988), S. 347. 6 ) vgl. Rawls (1979), S. 138; (1988), S. 116. 7 ) vgl. Rawls (1979), S. 137; (1988), S. 115. 8 ) vgl. Rawls (1979), S. 368ff.; (1988), S. 333ff.

173

Das Problemverständnis

der Ethik

Das Einfachste für die Beteiligten in der hypothetischen Position ist es, die bereits gewählten gesellschaftlichen Prinzipien in die Vorstellung von Prinzipien fur das Individuum einzubeziehen, so daß sich für den einzelnen die Pflicht zur Förderung und Erhaltung gerechter Institutionen ergibt. Nach RAWLS werden die Beteiligten diese Pflicht als natürliche Pflicht und nicht als Verpflichtung annehmen, ihr also unbedingten Charakter verleihen, weil sie so am einfachsten und unmittelbarsten die Stabilität der Gesellschaft und gerechter Institutionen sichern 0 . Nachdem sich die Beteiligten in der hypothetischen Position auf Prinzipien für die Grundstruktur der Gesellschaft und für sich als Mitglieder geeinigt haben, wenden sie sich schließlich der Einführung von Prinzipien für das Verhalten von Staaten zu. So werden insbesondere Beschränkungen über Verteidigungskriege und im Kriegsfall zu verwendende Waffen abgeleitet2 \ Die hypothetische Position wird dafür erweitert, indem die Beteiligten als Abgesandte verschiedener Nationen betrachtet werden, die aber dem Schleier der Unwissenheit unterliegen, damit es den Bessergestellten der Beteiligten nicht möglich ist, ihre besondere Situation für sich auszunutzen. RAWLS deutet die dann gewählten Prinzipien nur an. Er geht davon aus, daß keine überraschend neuen, sondern an den bekannten Grundsätzen orientierte Prinzipien des internationalen Verhaltens gewählt werden. Dies sind neben dem primären Prinzip der Gleichheit der Nationen das abgeleitete Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf Selbstverteidigung. Neben dem Prinzip der Vertragstreue bei gemäß den übrigen internationalen Prinzipien zustandegekommenen Verträgen werden auch Prinzipien beschlossen, die festlegen, wann und mit welchen Mittel eine Nation einen Krieg zu führen berechtigt ist3 \ 3.2.2.5 Die Anwendung der Gerechtigkeitsprinzipien RAWLS begnügt sich nicht mit der Herleitung abstrakter Gerechtigkeitsprinzipien, sondern stellt darüber hinaus das Verfahren des Vier-Stufen-Gangs (vgl. Abbildung 24, S. 175) zur Konkretisierung der Prinzipien vor 4 ) . Die bisher losgelöst von institutionellen Formen behandelten Prinzipien sind nach RAWLS in der Lage, eine konkrete politische Konzeption zu bestimmen, die im Einklang mit unseren wohlerwogenen Urteilen steht5 \ Hierzu wird in einer weiteren Bestimmung der hypothetischen Position der Schleier der Unwissenheit schrittweise gelüftet. 1 ) vgl. Rawls (1979), S. 369fT.; (1988), S. 334ff. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 136f.; (1988), S. 115. 3 ) vgl. Rawls (1979), S.415ff.; (1988), S.377ff. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 229; (1988), S.200f. 5 ) vgl. Rawls (1979), S. 223; (1988), S. 195.

174

Das Problemverständnis

der Ethik

1. Wahl der Gerechtigkeitsprinzipien

2. Verfassungsgebende Versammlung

3. Gesetzgebende Versammlung

4. Anwendung von Regeln auf Einzelfälle

V

Zunehmende Kenntnis der Tatsachen durch Lüften des Schleiers der Unwissenheit

Abbildung 24: Vier-Stufen-Gang zur Anwendung der Gerechtigkeitsprinzipien

Damit werden allmählich Tatsachen in die hypothetische Position einbezogen. Die Beteiligten verfugen so auf jeder Stufe des Vier-Stufen-Gangs über diejenigen Kenntnisse, die ihnen eine sinnvolle Anwendung der Prinzipien auf die jeweiligen Fragestellungen ermöglichen. Ausgeschlossen bleiben aber alle Kenntnisse, die zu Voreingenommenheit und Gegensätzen zwischen den Menschen fuhren könnten. Die jeweils zulässigen Kenntnisse bestimmen sich nach dem Begriff der vernünftigen und unparteiischen Anwendung der Prinzipien 1 Während die Beteiligten bei der Herleitung der Gerechtigkeitsprinzipien in Phase 1 der hypothetischen Position nur die Anwendungsverhältnisse der Gerechtigkeit und sich daraus ergebende Einzeltatsachen kannten 2 sind in Phase 2 die Prinzipien nun gültig und die Beteiligten kennen die wesentlichen allgemeinen Tatsachen ihrer Gesellschaft, wie natürliche Bedingungen, den politischen und ökonomischen Entwicklungsstand etc. Auf dieser Basis wählen sie die gangbarste gerechte Verfassung, d. h. diejenige, welche die Prinzipien erfüllt und am besten zu einer gerechten und wirksamen Gesetzgebung zu führen verspricht 3 \ Ziel dieser verfassungsgebenden Versammlung ist neben der Konkretion des Prinzips gleicher Grundfreiheiten, d. h. der Identifizierung darunter fallender Grundfreiheiten und

1 ) vgl. Rawls (1979), S.223ff.; (1988), S. 195ff. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 228; (1988), S. 200. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 225; (1988), S. 197; Rawls (1982 a), S. 51.

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Das Problemverständnis

der Ethik

deren Überfuhrung in Verfassungsnormen 0, die Gestaltung politischer Prozeduren in Annäherung an das Ideal der Verfahrensgerechtigkeit. Es gilt, die hierfür am ehesten praktikablen politischen Regelungen auszuwählen2 \ Die unter das Prinzip gleicher Grundfreiheiten fallenden Freiheiten werden durch zwei grundlegenden Fälle bestimmt, die näher darlegen, wie die Freiheiten in Verfassungsrechten zu konkretisieren und aufeinander abzustimmen sind. Aus RAWLS' Auffassung der Verfassung als gerechtem politischen Verfahren, das gleiche Grundfreiheiten integriert und versucht, deren gleichen Wert zu sichern, um so den Prozeß politischer Willensbildung für alle im vergleichbaren Maß offen zu gestalten, ergeben sich die notwendigen Überlegungen für die verfassungsgebende Versammlung. Zusätzlich muß die Verfassung die Gedankenfreiheit sichern, um die Ausübung der Grundfreiheiten zu gewährleisten3 \ Ferner sind Verfassungsnormen notwendig, um Grundfreiheiten zu garantieren, die im Zusammenhang mit den moralischen Fähigkeiten notwendig sind. Dies erfordert Restriktionen, die eine Verletzung der Gewissensfreiheit und der Vereinigungsfreiheit verhindern. Eine Verneinung oder Begrenzung gleicher Grundfreiheiten von einigen Mitgliedern würde die gesellschaftliche Zusammenarbeit auf der Basis des gegenseitigen Respekts unmöglich machen. Gewissensfreiheit und Vereinigungsfreiheit müssen daher explizit in Verfassungsnormen garantiert werden 4 Exemplarisch am Beispiel der Rede- bzw. Pressefreiheit verdeutlicht RAWLS den Konkretisierungsprozess, der für jede Grundfreiheit gesondert durchzuführen wäre. Rede- und Pressefreiheit gehören als Ausdruck der Gedankenfreiheit zum ersten der beiden grundlegenden Fälle und betreffen die Ausübung des Gerechtigkeitssinns. Dieser beinhaltet eine freie und ohne Unterdrückung mögliche Teilnahme der Mitglieder der Gesellschaft an der öffentlichen Diskussion über die Gerechtigkeit ihrer Gesellschaft bzw. deren Institutionen. Damit kommt RAWLS zu der Frage, welche Verfassungsnormen notwendig sind, damit die zur umfassenden Entwicklung und Ausübung des Gerechtigkeitssinns unter anderem notwendige Rede- und Pressefreiheit gewährleistet ist5 \ RAWLS ist nicht an einer allgemeinen Definition der Rede- und Pressefreiheit interessiert, da er die wesent-

1 ) vgl. Rawls (1979), S.227; (1988), S. 199; Rawls (1982 a), S. 5If. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 225f.; (1988), S. 197f. 3 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 52: "...the constitution is seen as a just political procedure which incorporates the equal political liberties and seeks to assure their fair-value so that the processes of political decision are open to all on a roughly equal basis. The constitution must also guarantee freedom of thought i f the exercise o f these liberties is to be free and informed." 4 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 52f. 5 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 47, S. 49f. und S. 55f.

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Das Problemverständnis

der Ethik

liehen Erkenntnisse für die Beantwortung der Frage in der Verfassungslehre und geschichte zu finden meint. Seine wesentlichen Erkenntnisse in bezug auf die Rede- und Pressefreiheit sind: a) Eine Regierung kann nicht verleumdet werden. Immer wenn es einen gesetzesmäßigen Tatbestand der Verleumdung einer Regierung gab, bot dieser für die Regierung Anlaß zur mißbräuchlichen Unterdrückung unerwünschter Kritik und Mittel der Machterhaltung. Ein solcher Gesetzestatbestand verhindert die Information der Wähler durch die Presse und untergräbt das Recht der Selbstbestimmung und damit verbundene Rechte. b) Eine von vornherein gültige Einschränkung der Pressefreiheit ist nur in Ausnahmefällen zulässig, um oben angeführte Gefahren zu vermeiden 1 \ c) Die Befürwortung und Verbreitung revolutionären Gedankenguts unterliegt dem Schutz der Rede- und Pressefreiheit. Ein Verbot der Äußerung revolutionärer Ansichten käme der Unterdrückung der öffentlichen Gerechtigkeitsdiskussion und damit der Beschneidung des Gerechtigkeitssinns der Revolutionäre gleich2 \ Auf diesem Weg der Sichtung der Erkenntnisse der Verfassungslehre und -geschichte lassen sich nach RAWLS alle Grundfreiheiten und deren wesentliche Inhalte auf der Verfassungsebene konkretisieren 3 \ Nach erfolgter Konkretisierung müssen diese aber noch aufeinander abgestimmt werden. Kriterium ist die jeweilige Bedeutung (significance) der Grundfreiheit bzw. des sie konkretisierenden Verfassungsrechts für die volle und umfassende Ausübung der moralischen Fähigkeiten in einem oder allen beiden grundlegenden Fällen4 \ Denjenigen Grundfreiheiten, die dieses Kriterium am besten erfüllen, ist die relativ größere Bedeutung vor anderen Grundfreiheiten zuzubilligen. Im Konfliktfall ergibt sich somit, daß die das Kriterium am besten erfüllende Grundfreiheit bzw. Verfassungsnorm relativen Vorrang vor anderen Grundfreiheiten genießt. Die Anpassung konkurrierender Verfassungsnormen wird vom Ziel des angemessenen Systems gleicher Grundfreiheiten (fully adequate scheme of liberties) geleitet5 \ Um den politischen Grundfreiheiten (political liberties) gebührend Rechnung zu tragen, ist im Rahmen der verfassungsgebenden Versammlung in groben Zügen eine im Einklang mit dem ersten Prinzip stehende politische Ordnung festzulegen. 1 ) vgl. Rawls (1982 a), S.57f. 2 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 57 und S. 6Iff. 3 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 63ff.; Kley (1986), S. 66f. 4 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 50. 5 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 74.

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Das Problemverständnis

der Ethik

Dies erfordert die verfassungsmäßige Festschreibung des gleichen Rechts zur Teilnahme und Mitbestimmung am verfassungsmäßigen Verfahren der Gesetzgebung bzw. an öffentlichen Angelegenheiten für alle Bürger 0 . Gleichzeitig wird auch der faire Wert dieser Teilnahme und Mitbestimmung gesichert 2 Konkret heißt dies, daß folgende Punkte in der Verfassung berücksichtigt werden müssen: faire, freie und regelmäßige Wahlen eines gesetzgebenden repräsentativen Organs, verbunden mit der verfassungsmäßigen Sicherung der Rede- und Versammlungsfreiheit, der politischen Koalitionsfreiheit und der Gültigkeit des Grundsatzes loyaler Opposition 0 . RAWLS bestimmt die im Teilnahmegrundsatz festgelegten gleichen politischen Freiheiten im weiteren hinsichtlich ihres Inhalts4 \ Umfangs 5 ) und gleichen Wertes6 ) genauer und gibt verschiedene Möglichkeiten zulässiger Beschränkungen an. Die Maßnahmen zur Begrenzung des Inhalts, des Umfangs oder des gleichen Wertes insbesondere der politischen Freiheiten, aber auch des gesamten Systems der Grundfreiheiten werden wesentlich durch die Gesetzesherrschaft auf ihre Rechtfertigung hin untersucht, die so der Sicherung dieses Systems der Grundfreiheiten dient7 In Phase 3 werden die Kenntnisse der Beteiligten in dem Maße erweitert, daß sie gerechte Gesetze, wirtschaftliche und politische Programme als Konkretionen des Prinzips fairer Chancengleichheit und des Differenzprinzips festlegen können8 \ Das Prinzip fairer (nicht nur formaler) Chancengleichheit geht über die Aufrechterhaltung üblicher Gemeinschaftseinrichtungen hinaus, indem gleich Begabten und Motivierten gleiche Bildungschancen und kulturelle Möglichkeiten eingeräumt werden müssen. Dies verlangt z. B. die Einrichtung eines öffentlichen bzw. öffentlich unterstützten privaten Bildungssystems, die Gewährleistung wirtschaftlicher Chancengleichheit und der Freiheit der Berufswahl durch einen Gesetzesrahmen fur Unternehmen und Organisationen etc., außerdem die Gewährleistung eines Existenzminimums, z.B. durch Familienbeihilfen, Arbeitslosenunterstützung, Zahlungen im Krankheitsfall oder systematischer durch abgestufte Zuschüsse zum Einkommen9 \ Hier geht RAWLS nun auf wirtschaftliche Verteilungsme-

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 251; (1988), S. 221. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 258; (1988), S. 228. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 252ff.; (1988), S. 222ff, 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 253ff.; (1988), S. 223ff. 5 ) vgl. Rawls (1979), S. 254f., S. 259; (1988), S. 224, S. 228. 6 ) vgl. Rawls (1979), S.255f.; (1988), S.224ff.; Rawls (1982 a), S.42f. und S. 72f. 7 ) vgl. Rawls (1979), S.265ff.; (1988), S.235ff. 8 ) vgl. Rawls (1979), S. 226f.; (1988), S. 198f. 9 ) vgl. Rawls (1979), S. 309; (1988), S. 275.

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Das Problemverständnis

der Ethik

chanismen ein, die dem Ideal der Verteilungsgerechtigkeit nahekommen müssen, wenn sie im Einklang mit den Gerechtigkeitsprinzipien und der Verfassung stehen sollen. Dieses Ideal sieht er am ehesten in einer marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsordnung repräsentiert, die mit den Rahmeninstitutionen zusammen mit gleichen Freiheiten für alle und der fairen Chancengleichheit verträglich i s t 1 O h ne der Entscheidung für ein Wirtschaftssystem vorgreifen zu wollen, beschreibt RAWLS eine Möglichkeit der Konkretion von Rahmeninstitutionen für die Verteilungsgerechtigkeit am Beispiel eines wohlorganisierten demokratischen Staates mit Privateigentum an erzeugten und natürlichen Produktionsmitteln 2 \ Zur Sicherung einer gerechten Einkommens- und Vermögensverteilung unter den gegebenen Voraussetzungen werden Rahmeninstitutionen benötigt, die, denkbar als vier Regierungsabteilungen, bestimmte soziale und wirtschaftliche Bedingungen garantieren sollen: -

Die Allokationsabteilung (allocation branch) sorgt für angemessene Konkurrenz im Preissystem und verhindert übermäßige wirtschaftliche Macht. Sie sichert optimalen Mitteleinsatz und Mittelverwendung. Größere Abweichungen von der Optimalität z.B. durch externe Effekte und Preise, die den gesellschaftlichen Nutzen und Aufwand nicht exakt widerspiegeln, werden durch Steuern, Subventionen oder Veränderung der Besitzrechte korrigiert.

-

Die Stabilisierungsabteilung (stabilization branch) strebt nach hinreichender Vollbeschäftigung und Sicherung freier Berufswahl und fördert Investitionsmöglichkeiten im Sinn der optimalen Aufrechterhaltung des Marktgeschehens.

-

Die Umverteilungsabteilung (transfer branch) sorgt für ein Existenzminimum und sichert Bedürfnisse, die im Marktmechanismus unberücksichtigt bleiben.

-

Die Verteilungsabteilung (distribution branch) sorgt mittels Besteuerung und Besitzrechtsänderungen für eine gewisse Verteilungsgerechtigkeit, z. B. über Erbschafts- und Schenkungssteuern. Im Vordergrund steht die Verhinderung von Machtballungen, die den fairen Wert politischer Freiheit und den fairen Wert der fairen Chancengleichheit gefährden könnten. Die zweite Aufgabe ist die Aufbringung der Mittel, die die Gerechtigkeit fordert, z. B. der Mittel zur Bereitstellung öffentlicher Güter und bei der Erfüllung des Differenzprinzips anfallender Umverteilungskosten 3 \

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 306, S. 308; (1988), S. 272, S. 274. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 308f.; (1988), S. 274f. 3 ) vgl. Rawls (1979), S.309ff.; (1988), S.275ff..

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Das Problemverständnis

der Ethik

Die Phase 4 schließlich bildet die Anwendung der Regeln auf Einzelfälle durch Verwaltung, Justiz und die Befolgung der Regeln durch die Bürger. Der Schleier der Unwissenheit ist nun vollständig gelüftet, alle Tatsachen sind bekannt und das gesellschaftliche Regelsystem steht fest 1 \ 3.2.3 Das kohärenztheoretische Argument Teil 2: Herstellung des reflexiven Gleichgewichts Gelingt es zu zeigen, daß sich die Gerechtigkeitsprinzipien mit den wohlerwogenen, konkreten Alltagsurteilen und den Rahmenbedingungen im reflexiven Gleichgewicht befinden, sind sie als begründet anzuerkennen. Da bei der Darstellung die Herleitung der Prinzipien aus den in der hypothetischen Position repräsentierten Rahmenbedingungen im Vordergrund steht, könnte man meinen, daß RAWLS das Begründungsverfahren nicht vollständig durchfuhrt. Zwar werden plausible, mit unseren eigenen wohlerwogenen Überzeugungen in Einklang stehende Annahmen in seinen Rahmenbedingungen festgehalten, eine Gegenüberstellung der abgeleiteten Prinzipien mit unseren wohlerwogenen herkömmlichen Gerechtigkeitsvorstellungen und wohlerwogenen konkreten Urteilen aber hat er unterlassen. Es ist dabei tatsächlich nicht einfach, den letzten Schritt des Begründungsverfahrens herauszuarbeiten. Nur selten finden sich Hinweise auf die vollständige Durchführung. Nach RAWLS „...dürften die beiden Gerechtigkeitsgrundsätze jedenfalls eine einleuchtende Gerechtigkeitsvorstellung sein. Es fragt sich jedoch, wie man sie systematischer begründen kann. Dazu ist nun Verschiedenes nötig. Man kann ihre Folgen für Institutionen ermitteln und ihre Auswirkungen auf die grundlegende Gesellschaftspolitik feststellen. So werden sie durch Gegenüberstellung mit unseren wohlüberlegten Gerechtigkeitsurteilen geprüft. ...Man kann aber auch versuchen, entscheidende Argumente für sie aus der Sicht der hypothetischen Position zu finden." 2 ) Tatsächlich lassen sich die konkretisierten Folgerungen der Gerechtigkeitsprinzipien auf die Verfassung, die gesellschaftlichen Institutionen und die Politik als konkrete Urteile auffassen und unseren wohlerwogenen Gerechtigkeitsvorstellungen gegenüberstellen. RAWLS selber tut dies aber nur in Ansätzen und scheint stillschweigend davon auszugehen, daß seine Prinzipien und aus ihnen abgeleitete konkrete Urteile den Vergleich mit unseren wohlerwogenen Gerechtigkeitsvorstel-

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 228; (1988), S. 199f. 2 ) Rawls (1979), S. 177; (1988), S. 152.

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Das Problemverständnis

der Ethik

lungen aushalten und ein reflexives Gleichgewicht erreicht ist1 \ RAWLS bedient sich innerhalb seines Begründungsverfahrens eines dreifachen Blickwinkels, wobei er in „ A Theory of Justice" die Ebenen nicht eindeutig auseinanderhält. So verhandelt er seine Prinzipien unter dem Blickwinkel 1. der Beteiligten innerhalb der hypothetischen Position, 2. der Bürger in der wohlgeordneten Gesellschaft und 3. des Lesers, der sich mit RAWLS auseinandersetzt. 1) Die Beteiligten und ihr Entscheidungsverhalten sind wie die hypothetische Position ein theoretisches Konstrukt fiktiven Charakters, das zur Herleitung der Prinzipien dient. Die Eigenschaften stellen keine empirischen, menschlichen Eigenschaften dar, sondern sind auf die Herleitung von Prinzipien hin gestaltet. 2) Auch die Modellauffassungen der moralischen Person und der wohlgeordneten Gesellschaft sind ein Idealbild. Die in der Modellauffassung der moralischen Person festgehaltenen Charakteristika sind Eigenschaften, die der westlich-demokratische common sense als maßgeblich für Fragen gesellschaftlicher Gerechtigkeit und der Begründung von Ansprüchen ansieht. Die Beteiligten der hypothetischen Position verfolgen ausschließlich ihre eigenen Interessen, die Bürger der wohlgeordneten Gesellschaft sind darüber hinaus in der Lage, ihre Interessen zurückzustellen, wenn diese mit gesellschaftlichen Prinzipien kollidieren. 3) Der Leser schließlich beurteilt RAWLS' Konzeption im vollen Umfang mit dem Beurteilungskriterium des reflexiven Gleichgewichts. Er beurteilt die Güte der RAWLSschen Theorie danach, inwieweit diese als Ganzes seine wohlerwogenen Urteile repräsentiert und mit diesen in Einklang steht. Ist dies der Fall, ist die Gerechtigkeitskonzeption als die für uns vernünftigste anzusehen2\

3.2.4 Ideale und nicht-ideale Gerechtigkeitstheorie Die durch die Beteiligten in der hypothetischen Position gewählten Prinzipien für die Grundstruktur der Gesellschaft, das Individuum und das Völkerrecht stellen

1 ) Rawls führt die Gegenüberstellung durch, indem er das Prinzip gleicher Grundfreiheiten und die Vorrangsregel mittels der traditionellen Argumente zur Beschränkung der Gewissensfreiheit und dem Ausmaß der staatlichen Toleranz gegenüber intoleranten Gesellschaftsmitgliedern überprüft, Rawls (1979), S. 241 ff.; (1988), S. 21 Iff. Dem Differenzprinzip und dem Prinzip fairer Chancengleichheit stellt er die traditionellen Verteilungsprinzipien "Jedem nach seiner Leistung" und "Jedem nach seinem Einsatz" gegenüber, Rawls (1979), S.337ff; (1988), S.303ff. 2 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 533f., S. 566; vgl. auch Kley (1986), S. 74f.

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Das Problemverständnis

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Prinzipien der idealen Theorie dar. Die ideale Theorie bildet den ersten großen Bestandteil und gleichzeitig Schwerpunkt von RAWLS' Konzeption. Sie ist die Grundlage für die systematische Behandlung sich unter nicht-idealen Bedingungen ergebender Probleme der Gerechtigkeit. Die ideale Theorie setzt a) vollständige Konformität voraus, d.h. die wohlgeordnete Gesellschaft weist den Grundzug auf, daß die Institutionen wie auch die einzelnen Mitglieder sich an die Prinzipien halten; und sie entwickelt b) Grundsätze für die wohlgeordnete Gesellschaft unter allgemeinen günstigen Umständen. Günstige Umstände sind die natürlichen und geschichtlich-wirtschaftlichen Bedingungen, die eine Anwendung von Gerechtigkeitsprinzipien erst ermöglichen, wie z.B. ein gesicherter minimaler Lebensstandard für jedes Gesellschaftsmitglied. Hier wird der Begriff einer vollkommen gerechten Grundstruktur mit entsprechenden Pflichten und Verpflichtungen der Menschen unter allgemeinen Beschränkungen des menschlichen Lebens entwickelt. Die ideale Theorie bildet die Zielvorstellung für gesellschaftliche Reformen 0 . Die nicht-ideale Theorie klärt als zweiter Teil der Gerechtigkeitskonzeption nach der Wahl einer idealen Gerechtigkeitsvorstellung in der hypothetischen Position, welche Prinzipien die Beteiligten unter weniger glücklichen bzw. idealen Umständen aufstellen sollen. Die nichtideale Theorie zerfällt dabei in zwei verschiedene Teile: Im ersten Teil gehen die Beteiligten in der hypothetischen Position noch von der Bedingung vollkommener Konformität aus und verhandeln Prinzipien zur Berücksichtigung natürlicher Beschränkungen und historischer Zufälligkeiten. Hier sind die den RAWLS-Prinzipien zugeordneten Vorrangsregeln angesiedelt, welche die Umstände angeben, unter denen gleiche Grundfreiheiten für alle und die Chancengleichheit eingeschränkt werden dürfen und die Sparquote besonders hoch angesetzt werden. Im zweiten Teil geben die Beteiligten in der hypothetischen Position dann auch die Bedingung vollkommener Konformität auf und betrachten Prinzipien, nach denen man institutionellen, ökonomischen oder politischen Ungleichheiten entgegentreten soll. Dieser Teil der nicht-idealen Theorie verfolgt die Frage, ob und unter welchen Umständen ungerechte Verhältnisse hinzunehmen sind und wie mit ihnen umzugehen ist, bzw. wie die ideale Gerechtigkeitsvorstellung in Fällen an-

1 ) vgl. Rawls (1979), S.277f.; (1988), S.245f.

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Das Problemverständnis

der Ethik

wendbar ist, wo keine natürliche Beschränkung, sondern Ungleichheit vorliegt 1 \ Damit widmet sich dieser Teil der nicht-idealen Theorie den Fragen, mit denen wir im alltäglichen Leben konfrontiert werden und stellt den eigentlich dringlichsten Teil der Theorie der Gerechtigkeit dar. Hier sind nach RAWLS unter anderem die Probleme der Strafe, des gerechten Krieges, des Widerstandes aller Art gegen ungerechte Herrschaft, des zivilen Ungehorsams, aber auch Fragen ausgleichender Gerechtigkeit oder der Abwägung von einer Form institutioneller Ungerechtigkeiten gegen eine andere zu behandeln2 RAWLS behandelt die nicht-ideale Theorie der unvollständigen Konformität nicht in allgemeiner Form, sondern einigermaßen ausfuhrlich nur am Beispiel des zivilen Ungehorsams als Reaktion auf innerstaatliche Ungerechtigkeit 3 \ Ausgehend von einer fast gerechten, größtenteils wohlgeordneten Gesellschaft mit demokratischer Regierungsform analysiert er das Problem des zivilen Ungehorsams allein im Hinblick auf die Gerechtigkeitspflicht. Danach müssen drei Bedingungen für das Recht zum zivilen Ungehorsam erfüllt sein: a) Der zivile Ungehorsam ist beschränkt auf schwere Verletzungen des ersten Gerechtigkeitsprinzips der gleichen Freiheit und des Prinzips der Chancengleichheit. Weil Verstöße gegen das Differenzprinzip sehr viel weniger eindeutig festzustellen sind, ist nach RAWLS in diesem Fall ziviler Ungehorsam nicht zulässig. b) Es müssen in der Regel erst alle legalen Korrekturmöglichkeiten, wie z. B. Demonstrationen und parlamentarische Opposition, versagt haben, bevor ziviler Ungehorsam zulässig ist. c) Ziviler Ungehorsam ist nur zulässig, wenn dadurch nicht die gesellschaftliche Ordnung ernsthaft gestört und das Funktionieren einer gerechten Verfassung gefährdet wird. Dies wäre der Fall, wenn viele Gruppierungen mit gleichem Recht zum zivilen Ungehorsam gleichzeitig ihr Recht ausüben würden und damit der zivile Ungehorsam einen Umfang erreichen würde, der zur Zerstörung der Achtung vor dem Gesetz und der Verfassung und damit zur Schädigung aller führen würde. Liegen die genannten Bedingungen vor, ist zusätzlich die vermutliche Reaktion der Öffentlichkeit zu berücksichtigen, d. h. ziviler Ungehorsam muß geplant werden. Ziviler Ungehorsam, der Vergeltung oder eine Verschärfung ungerechter Verhältnisse nach sich zieht, kann nicht sinnvoll sein. Ziviler Ungehorsam ist da1 ) vgl. Rawls (1979), S.277f., S.387; (1988), S.245f., S.251. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 25; (1988), S. 8. 3 ) vgl. Rawls (1979), S.387f., S. 429; (1988), S. 351, S. 391.

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Das Problemverständnis

der Ethik

bei auch in den Kategorien von natürlichen Pflichten und Verpflichtungen zu beurteilen. Es gibt also Bedingungen und Reichweiten von Pflichten und Verpflichtungen, gerechten und unter Umständen auch ungerechten Gesetzen und Institutionen zu gehorchen. Ζ. B. gehen die zivil Ungehorsamen zumindest gegenüber ihren Mitstreitern Verpflichtungen im Sinn des Fairneßgrundsatzes ein1

3.2.5 Das politisch-liberale Programm und das Faktum des Pluralismus Die von RAWLS seit 1985 untersuchte Fragestellung, welche Konsequenzen sich für eine Gerechtigkeitskonzeption dadurch ergeben, daß sie Bürgern gegenüber gerechtfertigt werden muß, die zu grundlegenden ethischen, religiösen und politischen Fragestellungen unterschiedliche Auffassungen vertreten und die ihren individuellen Lebensplan verwirklichen wollen, zwingt ihn zur Modifikation seiner Gerechtigkeitstheorie. Dies führt von der Anerkennung des pluralistischen Charakters moderner demokratischer Gesellschaften hin zur Entwicklung des Gedankens eines politischen Liberalismus 2 \ Der Ausdruck „politischer Liberalismus" steht dabei bei RAWLS keineswegs für eine bestimmte liberale Lehre oder Gerechtigkeitskonzeption, sondern für ein politisch-philosophisches Programm, welches vom liberalen Legitimitätsprinzip ausgehend Bedingungen formuliert, denen jede Gerechtigkeitskonzeption genügen muß, wenn sie ihrer Aufgabe in einer modernen demokratischen Gesellschaft gerecht werden will. Im Gegensatz zu anderen Gerechtigkeitskonzeptionen, die, wie z.B. der Entwurf von KANT oder der Utilitarismus, auf umfassenden, alle menschlichen Lebensbereiche betreffenden liberalen Lehren beruhen, insbesondere auch hinsichtlich der Ideale Individualismus und Individualität, beschränkt sich RAWLS' Konzeption als politischer Liberalismus auf den politischen Bereich und die dort relevanten Werte und Normen, kommt also ohne die Ideale Individualität und Autonomie aus 3} und ist als politische Konzeption nicht mit einer allgemeinen und umfassenden ethischen Theorie zu verwechseln 4\ Denn obwohl RAWLS' Gerechtigkeitskonzeption ein ethischer Entwurf ist, ist sie dennoch nicht als umfassende Morallehre gemeint, denn die Konzeption von Bürgern als freien und gleichen Personen ist nicht ein ethisches Ideal zur Regelung des gesamten Lebens, sondern vielmehr ein Ideal, das zu einer Konzeption politischer Gerechtigkeit ge-

1 ) vgl. Rawls (1979), S.409ff.; (1988), S.371ff. 2 ) vgl. Rawls (1985); Rawls (1987); Rawls (1988 a), S.252f.; Rawls (1989), S.248f., sowie die Darstellung bei Hinsch (1992), S. 22ff. 3 ) vgl. Rawls (1985), S.245. 4 ) vgl. Rawls (1987), S. 3 Anmerkung 4; Rawls (1989), S. 240f., Rawls (1988 a), S. 252f.

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Das Problemverständnis

der Ethik

hört, die auf die Grundstruktur der Gesellschaft anzuwenden ist1 \ Das politisch-liberale Programm ergibt sich in seinen Grundzügen aus drei Voraussetzungen: a) dem liberalen Prinzip politischer Legitimität, ausgedrückt im Vertragsgedanken und der öffentlichen Rechtfertigung gesellschaftlicher Institutionen durch Bürger einer wohlgeordneten Gesellschaft; b) einem bestimmten Verständnis der Aufgabe einer politischen Gerechtigkeitskonzeption bei der Rechtfertigung politischer Institutionen; nämlich dem, daß es im Rahmen einer politischen Gerechtigkeitskonzeption für die Grundstruktur der Gesellschaft darum geht, eine praktische Aufgabe dergestalt zu erfüllen, Prinzipien zu entwickeln, die konsensfähig und als unbestrittene Ausgangsbasis einer wirkungsvollen und fairen gesellschaftlichen Zusammenarbeit in der Lage sind, kontroverse Vorstellungen beizulegen. RAWLS Gerechtigkeitsprinzipien zielen auf eine Funktion innerhalb einer demokratischen Gesellschaft, indem sie im Idealfall eine öffentlich anerkannte Basis darstellen, von der aus Bürger voreinander beurteilen können, ob und in welcher Weise gesellschaftliche und politische Institutionen gerecht sind. Prinzipien erfüllen diese Funktion, wenn die sich aus ihnen ergebenden normativen Anleitungen zur Gestaltung von Institutionen, des Verhaltens von Gruppen und von Individuen im Hinblick auf die Sicherung einer wirkungsvollen und fairen Zusammenarbeit von allen akzeptiert w e r d e n 2 D a m i t klammert RAWLS - und das soll hier noch einmal explizit formuliert werden - die Frage nach der Herleitung von Prinzipien mit universellem Wahrheitscharakter aus zugunsten einer pragmatischen Interpretation seiner Gerechtigkeitsprinzipien. c) ist für das politisch-liberale Programm die Anerkennung der Tatsache zwingend, daß das Vorhandensein einer Fülle unterschiedlicher individueller Lebenspläne ein dauerhaftes, quasi konstitutives Merkmal einer freien und demokratischen Gesellschaft ist, und damit die Anerkennung des Faktums des Pluralismus 3 \ Die Anerkennung des Faktums des Pluralismus drückt sich bei RAWLS dadurch aus, daß die Existenz verschiedener individueller Lebenspläne nicht als eine mißliche politische Gegebenheit betrachtet wird, die man notgedrungen berücksichtigen muß, wenn man eine realitätsbezogene Gerechtigkeitskonzeption entwickeln will, sondern die Tatsache des Pluralismus vielmehr als grundlegend für ein ver-

1 ) vgl. Rawls (1985), S. 245. 2 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 560f.; Rawls (1982), S. 179; Rawls (1985), S. 227f. 3 ) vgl. Hinsch (1992), S. 23.

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nünfitiges Verständnis gerechter sozialer Ordnungen angesehen wird. Die Anerkennung der Tatsache des Pluralismus ergibt sich fur RAWLS aus drei Gründen: a) Empirisch-historisch gesehen, ist das Faktum des Pluralismus keine vorübergehende historische Erscheinung, sondern bleibt so lange bestehen, wie freie und demokratische Institutionen die Grundfreiheiten und Grundrechte aller Bürger wirksam schützen. b) Normativ betrachtet, stellt der autokratische Gebrauch staatlicher Macht zur Unterdrückung des Pluralismus wegen der ihm innewohnenden Übel keine moralisch akzeptable Alternative zum freiheitlich demokratischen Staat dar. c) Epistemologisch gesehen, ergibt sich das Faktum des Pluralismus schließlich aus den immanenten Grenzen und Schwierigkeiten vernünftigen Argumentierens, den Bürden der Vernunft 1 \ Auf der Suche nach dem übergreifenden Konsens für die Gerechtigkeitsprinzipien bzw. den Möglich- und Wahrscheinlichkeiten eines solchen Konsenses bei Bürgern einer wohlgeordneten Gesellschaft arbeitet RAWLS sechs Ursachen oder auch Bürden der Vernunft (burdens of reason) dafür heraus, daß Bürger selbst bei bestem Willen und uneingeschränktem Gebrauch ihrer Vernunft in vielen politischen und moralischen Fragen zu unterschiedlichen Ansichten und im weiteren zu unterschiedlichen individuellen Lebensplänen gelangen2 1) die Widersprüchlichkeit und Vieldeutigkeit empirischer Befunde, 2) die Möglichkeit, Befunde hinsichtlich ihrer Konsequenzen unterschiedlich zu gewichten, 3) die offenen Grenzen des korrekten Gebrauchs von Begriffen, 4) die Abhängigkeit der Beurteilung und Gewichtung von Sachverhalten vom jeweils besonderen individuellen Erfahrungshintergrund, 5) die Schwierigkeiten, zu einer vernünftigen Entscheidung zu gelangen, wenn für jede Alternative gewichtige, aber miteinander unvergleichbare moralische Gründe angeführt werden, 6) die Tatsache, daß aufgrund des gewissermaßen begrenzten gesellschaftlichen Raumes kein System von Institutionen alle moralischen und politischen Werte uneingeschränkt verwirklichen kann. Diese Bürden der Vernunft können dazu führen, daß verschiedene Personen, die im RAWLSschen Sinne vernünftig und rational sind (d. h. jeweils ihre beiden mo1 ) vgl. Rawls (1987), S.4f.; Rawls (1989), S.234f.; vgl. Hinsch (1992), S.24. 2 ) vgl. Rawls (1989), S.237f.; Hinsch (1992), S.36f.

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raiischen Fähigkeiten entwickelt haben, um freie und gleiche Bürger in einer wohlgeordneten Gesellschaft zu sein), in vielen Fragen, die ihre individuellen Lebenspläne betreffen, zu unterschiedlichen Urteilen gelangen, obwohl sie vernünftig in unparteiischer Weise nachdenken und im Besitz aller relevanten Informationen sind1*. Der Pluralismus moderner demokratischer Gesellschaften ist also nicht bloß die Folge von Unwissenheit oder Irrationalität, sondern hat prinzipielle Bedeutung fur die Rechtfertigung politischer Prinzipien und Institutionen der Grundstruktur der Gesellschaft, indem mit diesem Pluralismus unüberwindbare Grenzen dafür zutage treten, durch vernünftiges Argumentieren und Nachdenken Meinungsverschiedenheiten beizulegen und zu einheitlichen Auffassungen zu gelangen. Beruht der Pluralismus der unterschiedlichen individuellen Lebenspläne auf diesen Bürden der Vernunft, sind dies Auffassungen, die von den Bürgern vertreten werden können, ohne daß dadurch ihre Vernünftigkeit in Frage gestellt würde oder ihre Bereitschaft, vernünftige und fur alle annehmbare Antworten auf Fragen der individuellen und sozialen Lebensgestaltung zu finden. In diesem Sinn handelt es sich daher mit RAWLS um sogenannte vernünftige Meinungsverschiedenheiten2 >. Die Anerkennung des Faktums des Pluralismus ist damit gleichbedeutend mit der Anerkennung der Tatsache, daß in modernen demokratischen Gesellschaften vernünftigerweise eine Vielzahl vernünftiger und gleichwohl in vielen Aspekten miteinander unvereinbarer individueller Lebenspläne bejaht und verfolgt werden können3 \ Dies wiederum hat für die Entwicklung einer politischen Gerechtigkeitskonzeption zur Folge, daß diese Gerechtigkeitskonzeption, will sie eine für ihre Funktion in der Gesellschaft wichtige, möglichst weitgehende allgemeine Zustimmung durch die Bürger der Gesellschaft erhalten, nicht auf einer bestimmten, besonderen Konzeption des Guten bzw. einem besonderen individuellen Lebensplan oder einer allgemeinen Morallehre beruhen darf. Vielmehr muß eine politische Gerechtigkeitstheorie vernünftige Meinungsverschiedenheiten, die bei besonderen, individuellen Lebensplänen mehr oder weniger unvermeidlich sind, möglichst ausschließen. Die Rechtfertigung einer solchen Gerechtigkeitstheorie besteht deshalb darin, zu zeigen, daß über ihren Inhalt keine vernünftigen Meinungsverschiedenheiten möglich sind. Wer überhaupt bereit ist, sich fairen Regelungen zu unterwerfen, muß ihr aus vernünftigen Gründen zustimmen können. Eine politische Gerechtigkeitskonzeption muß von einem übergreifenden Konsens getragen werden können, in dem sie von Vertretern ansonsten

1 ) vgl. Rawls (1989), S. 238; Hinsch (1992), S. 35. 2 ) vgl. Rawls (1989), S. 236. 3 ) vgl. Rawls (1989), S.234f.

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unterschiedlicher Lebenspläne als die für alle verbindliche Gerechtigkeitskonzeption akzeptiert wird, was aber voraussetzt, daß trotz aller Divergenzen und Unvereinbarkeiten gewisse Übereinstimmungen zwischen den Auffassungen der Bürger bestehen; denn ohne ein Minimum an gemeinsamen Überzeugungen wäre eine auf öffentliche Gerechtigkeitsprinzipien gegründete und darum legitime Ordnung unmöglich 0 . Damit besteht nun das Problem, die de facto von den Bürgern der Gesellschaft vertretenen verschiedenen individuellen Lebenspläne zu ermitteln und daraufhin zu untersuchen, welche Gemeinsamkeiten diese Lebenspläne aufweisen. Ob solche Überschneidungen vorhanden sind und inwieweit sie eine tragfähige Basis für politische Prinzipien und Institutionen bieten, ist vom konkreten Inhalt der vertretenen Auffassungen abhängig. Das ist die Ausgangssituation für die Konstruktion der Rahmenbedingungen, d. h. die Modellauffassungen der wohlgeordneten Gesellschaft und der moralischen Person, und es zeigt sich, daß die Grundlage eines tragfähigen übergreifenden Konsenses dadurch entstehen kann, daß man durch die Methode der Vermeidung 2 ) nicht versucht, über alle moralischen und politischen Fragestellungen Einigkeit herzustellen, sondern eine Vielzahl schwieriger politischer und philosophischer Kontroversen umgeht und sich vielmehr auf die Voraussetzungen beschränkt, über die unter Bürgern einer modernen demokratischen Gesellschaft keine vernünftigen Meinungsverschiedenheiten möglich erscheinen. Damit ist es nicht notwendig, im Rahmen einer politischen Gerechtigkeitskonzeption Aussagen über den Sinn und Zweck des menschlichen Lebens insgesamt zu machen, sondern man kann sich darauf beschränken, festzustellen, daß faire soziale Kooperation unter normalen Bedingungen für alle individuellen Lebenspläne sinnvoll ist. Dasselbe gilt für den politischen Begriff des Bürgers als moralischer Person: er setzt keine umfassende Theorie menschlicher Subjektivität und Identität voraus, sondern enthält nur diejenigen minimalen Bedingungen, die aus der Perspektive fairer sozialer Kooperation notwendig erscheinen. Weiter wird keine philosophische Theorie der Wahrheit vorausgesetzt, denn an ihre Stelle tritt vielmehr eine Konzeption öffentlicher Rechtfertigung, von der angenommen wird, daß Vertreter verschiedener Wahrheits- oder Geltungstheorien diese akzeptieren können, sobald sie das Ideal bürgerlicher Freiheit und Gleichheit anerkennen3 \ Indem RAWLS den pluralistischen Charakter moderner demokratischer Gesellschaften als ein ihnen konstitutiv innewohnendes Merkmal herausarbeitet, muß er seine Konzeption dahingehend verändern, daß er diese Gerechtigkeit unabhängig

1 ) vgl. Rawls (1987), S. Iff. 2 ) vgl. Rawls (1987), S. 12. 3 ) vgl. Rawls (1985), S. 23Iff.; Rawls (1989), S. 250.

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von einem absoluten Wahrheitsanspruch macht, d. h. seinen Gerechtigkeitsbegriff unabhängig vom Begriff des Guten entwickelt und Gerechtigkeitsprinzipien herausarbeitet, die in dem Sinn vorrangig vor dem Guten sind, daß sie die in einer wohlgeordneten Gesellschaft zulässigen Konzeptionen des Guten begrenzen. Eine gerechte Grundstruktur und ihre Institutionen bilden so den Rahmen, innerhalb dessen die erlaubten Konzeptionen geltend gemacht werden können1 „Somit bleibt Gerechtigkeit als Fairneß, philosophisch gesprochen, an der Oberfläche. ... Die Philosophie, verstanden als Suche nach der Wahrheit einer unabhängigen, metaphysischen und moralischen Ordnung, kann nach meiner Überzeugung in einer demokratischen Gesellschaft keine brauchbare gemeinsame Basis fur eine politische Gerechtigkeitskonzeption bereitstellen." 2 ]

3.3 Zwischenergebnis: Zusammenfassung der Ergebnisse und Folgerungen für eine „internationale Unternehmensethik" Die in Kapitel 2 ermittelte Tendenz zur rein ökonomischen Betrachtung des Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern und der systematischen Ausklammerung ethischer Aspekte wurde in Kapitel 3 unter deskriptiv-ethischen und normativ-ethischen Aspekten untersucht. Dabei wurden neben der Position der Ablehnung ethischer Erwägungen in ökonomischen Zusammenhängen exemplarisch die ethischen Theorien des Sozialdarwinismus und des Utilitarismus einer deskriptiv-ethischen Analyse unterzogen, da mit diesen Positionen die ökonomistische Betrachtungsweise rechtfertigbar schien. Wie sich aber zeigte, sind alle Argumentationen mit methodischen und inhaltlichen Mängeln versehen, die im Rückschluß zur Infragestellung der „ökonomistischen" Betrachtungsweise fuhren, gemessen an den Anforderungen, die gemeinhin an eine ethische Theorie zu stellen sind. Die normativ-ethische Rechtfertigungsdiskussion an Hand der RAWLSschen Gerechtigkeitskonzeption konnte dann aufzeigen, daß es eine ethische Theorie gibt, die unter Annahme der grundlegenden demokratischen Wertvorstellungen Freiheit, Gleichheit und Gegenseitigkeit zu einem Konzept kommt, das die Probleme des Sozialdarwinismus, des Utilitarismus und der Position der prinzipiellen Ablehnung ethischer Erwägungen in betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen ver1 ) vgl. Rawls (1985), S. 249f.; vgl. Rawls (1988 a), S.253ff. 2 ) Rawls (1985), S. 230, zitiert nach der Übersetzung von Hinsch (1992), S. 264.

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meidet. Dieser ethische Entwurf ist das Konzept der Verteilungsgerechtigkeit oder Gerechtigkeit als Fairneß. Durch einen direkten Vergleich zwischen diesem Konzept und dem Utilitarismus sowie einem impliziten Vergleich mit dem Sozialdarwinismus und mit der Position der prinzipiellen Ablehnung ethischer Erwägungen in betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen erweist sich die „Vorzüglichkeit" des Konzepts der Verteilungsgerechtigkeit gegenüber den anderen Entwürfen, da es deren methodische und inhaltliche Probleme vermeidet. Damit aber wird Verteilungsgerechtigkeit als eine ethische Kategorie denkbar, die als „Gegenmodell" zur „ökonomistischen" Betrachtungsweise beim Auslandsengagement und möglicherweise als Ausgangspunkt für eine internationale Unternehmensethik fungieren kann. Dieses Ergebnis ist jedoch genauer zu differenzieren: Formal entwickelt RAWLS ein methodisches Instrument, nämlich die Kombination aus Reflexionsgleichgewicht und kontraktualistischem Argument. Damit ermittelt er a) allgemeine, wohlerwogene Wertvorstellungen, um von diesen ausgehend b) Handlungsanweisungen und Gestaltungsempfehlungen auf internationaler, gesellschaftlich-institutioneller und individueller Ebene herzuleiten. Weiter scheint es c) möglich, auch Handlungsanweisungen für Situationen herzuleiten, die als nicht-ideal im Sinne der Konzeption bezeichnet werden müssen. Zu beachten ist dabei jedoch, daß mit dem Instrument keinerlei Aussagen über den tatsächlichen universellen Wahrheitsgehalt der gefundenen allgemeinen Wertvorstellungen und der Gestaltungsempfehlungen gemacht wird, sondern nur deren Funktion im Sinne der „Explikation" gewährleistet wird. Dieses methodisch-formale Instrumentarium wendet RAWLS auf das inhaltliche gesellschaftliche Problem der Verteilungsgerechtigkeit an und gelangt zu einer Fülle materieller Aussagen. So findet er die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Gegenseitigkeit als in modernen demokratischen Gesellschaften vorhandene allgemeine, wohlerwogene Grundüberzeugungen über die Grundstruktur einer „idealen demokratischen" Gesellschaft. Diese Überzeugungen faßt er in der kontraktualistischen Konzeption der Gerechtigkeit als Fairneß zusammen und leitet rational und vernünftig begründbare Prinzipien für die Gesellschaft, für das Individuum und das Verhalten zwischen Staaten her. Dabei sind alle Prinzipien auf die Ideale Freiheit, Gleichheit und Gegenseitigkeit rückführbar. Die Prinzipien dienen als Maßstab, mit Hilfe dessen alle Bürger die Gerechtigkeit gesellschaftlicher Institutionen, die Gerechtigkeit im Völkerrecht und zwischen Individuen prüfen können. Dies fördert langfristig eine stabile, dauerhafte und von allen anerkannte gesellschaftliche Zusammenarbeit zu jedermanns Vorteil. Die Prinzipien enthalten somit ein bestimmtes Ideal gesellschaftlicher Institutionen, ein Teilideal des Menschen, dem sich die gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse anzupassen haben und spiegeln „...in der gesell-

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schaftlichen Grundstruktur den Wunsch der Menschen wider, einander nicht bloß als Mittel, sondern als Zweck an sich selbst zu behandeln"1 \ Aus dem inhaltlichen Schwerpunkt der gesellschaftlichen Gerechtigkeit ergibt sich jedoch, daß RAWLS' Konzeption eine ideale Theorie darstellt, die in ihrer aktuellen Form nicht für die unmittelbare Anwendung auf sich für Regierungen oder bei gesellschaftlichen Regelungen ergebende Alltagsprobleme gedacht und auch nicht geeignet ist. Die Anwendung im Rahmen der Theorie ist vielmehr ausnahmslos indirekt, vermittelt durch die Grundstruktur der Gesellschaft. Demzufolge existiert eine Fülle ethischer Probleme, die mit RAWLS' Konzeption inhaltlich nicht erfaßt werden. Dieser „Mangel" folgt aber vorrangig aus dem inhaltlichen Schwerpunkt und weniger aus Beschränkungen von seiten des methodisch-formalen Instrumentariums. RAWLS' Analyse im Rahmen der idealen Theorie bietet jedoch ein hohes Erkenntnispotential für Gerechtigkeitsprobleme unter nicht-idealen Bedingungen, obwohl die konkreten, mit Dilemmacharakter behafteten Alltagsprobleme, die sich aus nicht-idealen Bedingungen ergeben, durch die ideale Theorie nicht lösbar sind. Im Hinblick auf das „Idealprofil" der internationalen Unternehmensethik ist dieser „Mangel" für die Absicht dieser Arbeit aber von Vorteil. Denn es bestätigt sich der Eindruck, daß RAWLS' Konzeption im Hinblick auf die Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik ein hohes Problemlösungspotential besitzt. RAWLS gibt eine Fülle von Hinweisen, wie man unter Berücksichtigung formaler Anforderungen auf methodischem Weg zu rational und vernünftig begründbaren Aussagen über das gerechte Handeln innerhalb und von Unternehmen kommen kann: 1) RAWLS verbindet normativ-ethische Abwägungen mit ökonomischen Gewinn-und-Verlust-Überlegungen, was grundsätzlich für die Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik bedeutsam ist. 2) RAWLS stellt eine Methode zur Entwicklung normativ-ethischer Aussagen zur Verfügung, die im Grunde unabhängig vom Anwendungsgegenstand ist. Diese Methode sollte als System formal-ethischer Normen im Rahmen einer internationalen Unternehmensethik in der Lage sein, die von Unternehmen zugrundegelegten Grundwerte aufzuzeigen und mit daraus abgeleiteten Prinzipien Maßnahmen für deren Integration in Unternehmensentscheidungen bereitzustellen. 3) Dieses System formal-ethischer Normen scheint so ausbaufähig, daß neben der Unternehmensebene, wo notwendig, auch individuelles Verhalten und institu1 ) Rawls (1979), S. 205; (1988), S. 179.

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tionelle Rahmenbedingungen, d. h. Aspekte der Mikro-, Meso- und Makroebene berücksichtigt werden können. 4) Innerhalb seiner Methode eröffnet RAWLS die Möglichkeit, nicht nur Handlungsanweisungen für eine ideale Welt zu entwickelt, sondern auch nichtideale Bedingungen zu berücksichtigen. 5) RAWLS' Konzeption erfüllt in gleichem Umfang wie andere ethische Theorien die formalen Anforderungen an eine Unternehmensethik. Darüber hinaus trägt sie dem Praxisbezug besonders Rechnung, denn sie kommt zu materiellethischen, mehr oder weniger konkreten normativen Aussagen und verzichtet hierfür zugunsten der Funktion auf universellen Wahrheitsanspruch. Dies trägt in herausragendem Maß einerseits der These der begrenzten Beziehungsfähigkeit zwischen Theorie und Praxis und andererseits der These des Praxisprimats Rechnung. 6) RAWLS' Methode scheint in der Lage, für zwei speziell bei der Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik sich stellende Probleme Lösungen aufzeigen zu können, a) wird das Problem der inter- und intrakulturellen Normenbegründung durch die Herausarbeitung und Angabe nachvollziehbarer, rationaler und vernünftiger guter Gründe für zugrundezulegende allgemeine Wertvorstellungen und Handlungsanweisungen behandelt, b) können diese guten Gründe das Problem der näheren Bestimmung der Selbstverpflichtung von Unternehmen lösen, indem sie eine Basis für die freiwillige Selbstverpflichtung des Unternehmens vorstellen. Obwohl sich das Potential von RAWLS' Konzeption für die Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik bei der Handlungsorientierung en détail erweisen muß, scheint RAWLS' Konzeption im Vergleich zu anderen ethischen Theorien die momentan beste Näherung an eine internationale Unternehmensethik zu ermöglichen. Hierbei gilt das besondere Augenmerk dem Modell der Interdisziplinarität von Ethik und Ökonomie, denn aus den bisherigen Ausführungen könnte man folgern, daß RAWLS' Konzeption auf das Auslandsengagement multinationaler Unternehmen angewendet und aus der Dominanz der Ethik über die Ökonomie (Anwendungsmodell) eine internationale Unternehmensethik entwickelt werden soll. Aus mehreren Gründen aber kann die Theorie RAWLS' nicht einfach auf ökonomische Sachverhalte angewendet werden. Zum einen soll nicht der inhaltliche Gehalt von RAWLS' Konzeption übernommen werden, sondern die Methode. Diese Methode aber (d. h. besonders die Methode des Reflexionsgleichgewichts, nicht aber die gefundenen allgemeinen Grundüberzeugungen und die Rahmenbedingungen des kontraktualistischen Arguments und Prinzipien) ist grundsätzlich wertneutral und ohne ethischen Gehalt; 192

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denn sie ist keineswegs eine innerhalb der ethischen Tradition entwickelte und nur auf diese bezogene anwendbare Methode 0 . Zum anderen sind RAWLS' inhaltliche Aussagen zur gesellschaftlichen Grundstruktur nicht einfach auf ökonomische Sachverhalte, geschweige denn auf das Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern übertragbar. Dies würde nämlich von einer inadäquaten Anwendung der Methode RAWLS' künden, da die normativen Aussagen nur der explizierte Teil der allgemeinen wohlerwogenen Grundüberzeugungen, bezogen auf die politische Grundstruktur einer modernen demokratischen Gesellschaft, sind und daher nicht ohne Modifikationen auf Unternehmen anwendbar sind. Damit verhindert RAWLS' Konzeption schon von ihrem Aufbau her eine Dominanz der Ethik über die Ökonomie im Sinn des Anwendungsmodells und birgt gerade durch ihre Unschärfe und Unbestimmtheit oder, positiv ausgedrückt, „ihre Offenheit" Chancen für eine „angewandte" internationale Unternehmensethik im Sinn von „in Beziehung setzen" von ethischer Theorie und ökonomischen Sachverhalten.

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 38, Anmerkung 7; (1988), S. 20, Anmerkung 7.

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4 Eine internationale Unternehmensethik: Ableitung ethischer Normen für das Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern Inhalt dieses Kapitels ist die Überfuhrung der bisher getrennt dargestellten problemorientierten Ansätze der Betriebswirtschaftslehre und der Ethik in einen handlungsorientierten Ansatz. Einleitend wird die Vermittlung zwischen ethischen Prinzipien und allgemeinen Bedingungen der internationalen Unternehmenstätigkeit angestrebt. Das Ziel auf dieser Ebene ist der Entwurf einer internationalen Unternehmensethik, die zumindest prinzipiell sowohl allgemeine, universelle Prinzipien umfaßt, gleichzeitig aber auch mittels eines Algorithmus und exemplarischer Anwendung desselben konkrete, situationsbezogene Verhaltensgrundsätze zur Verfügung stellen kann. Besonderes Augenmerk verdient hierbei als methodisch notwendiger Bestandteil der internationalen Unternehmensethik der Aufweis der zugrundezulegenden normativen Grundlagen. Auf der nächsten Ebene wird das erarbeitete Modell auf konkrete, aktuelle Problemstellungen beim Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern angewendet. Dabei wird die Vermittlung zwischen abstrakten, allgemeingültigen ethischen Prinzipien für die internationale Unternehmenstätigkeit und zeitgerechten, situationsadäquaten, konkreten ethischen Verpflichtungen für das Handeln unter widrigen Umständen angestrebt 0. Die Praktikabilität der Methode unter den nicht-idealen Bedingungen des internationalen Kontext erfährt hier quasi ihren „empirischen Test". Abschließend werden die mit der vorgestellten normativen internationalen Unternehmensethik verbundenen ideologischen, methodischen und praktischen Grenzen und Probleme aufgezeigt. Im Vorfeld der weiteren Vorgehensweise ist jedoch festzuhalten, daß die angestrebte Ableitung von Verhaltensgrundsätzen in der idealen wie auch der nicht-idealen Theorie zwar der Idee der rein deduktiv-logischen Argumentation verbunden ist, aber in der Darstellung gleichwohl weit von einem streng logischen, deduktiven Argumentationsgang entfernt ist. Obwohl dies kein angestrebter oder gar befriedigender Zustand ist, scheint er zwecks Erkennt-

1 ) Höffe (1981), S. 16f. kommt so von der Verwundbarkeit des Menschen durch seinesgleichen zum Tötungsverbot und mit dem aktuellen Problem der Verletzbarkeit der Natur durch technologische Eingriffe zur zeit- und situationsgerechten Verpflichtung zum Umweltschutz.

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nisgewinnung unter dem Aspekt des Praxisprimats einer internationalen Unternehmensethik dennoch gerechtfertigt.

4.1 Vorstellung der Methode und Ableitung formal-ethischer und materiell-ethischer Normen unter idealen Bedingungen Vereinfachend werden im Rahmen der „idealen Theorie" folgende ideale Bedingungen für eine Unternehmensethik als Prämissen gesetzt: 1) die vollkommene Konformität in dem Sinn, daß sich alle Beteiligten, wie Entwicklungsländer, Personen, Unternehmen und Konkurrenten, ebenfalls ethisch im Sinne der Unternehmensethik verhalten, d. h. sich an gefundene Prinzipien halten. 2) die Existenz allgemein günstiger Umweltbedingungen, die eine internationale Unternehmensethik erst ermöglichen, gegeben durch einen im allgemeinen gesicherten minimalen Lebensstandard und stabile politische Strukturen. Mit anderen Worten ausgedrückt: natürliche und geschichtlich-ökonomisch günstige Bedingungen, wie sie in den westlichen Industrieländern vorzufinden sind. Unter dieser Voraussetzung werden zuerst immer noch relativ allgemein formulierte, aber schon sachbezogene ethische Prinzipien für die internationale Unternehmenstätigkeit in Entwicklungsländern abgeleitet. Gleichzeitig wird eine Methode vorgestellt, die - vorerst noch unter idealen Bedingungen - eine Überfuhrung herausgearbeiteter allgemeiner ethischer Prinzipien in konkrete ethische Verhaltensgrundsätze, bezogen auf verschiedene praktische Situationen, gestattet. Die getrennte Ableitung formal- und materiell-ethischer Normen für ideale und für nicht-ideale Bedingungen soll bewirken, daß solche Verhaltensgrundsätze aufgestellt und abgeleitet werden, die einen Bezug zu den Handlungsmöglichkeiten der multinationalen Unternehmen und der Entwicklungsländer aufweisen. Wenn damit noch die drängenden Fragen und Problemstellungen der Praxis multinationaler Unternehmenstätigkeit in Entwicklungsländern ausgeblendet werden, bildet die Betrachtung unter idealen Bedingungen zunächst die einzige mögliche Grundlage für eine systematische Behandlung der sich unter nicht-idealen Bedingungen ergebenden Problemstellungen 0. Die Ableitung praxisnaher Verhaltensgrundsätze erfolgt von einem Ideal ausgehend, das Rechte und Pflichten eines multinationalen Unternehmens in und gegenüber der Gesellschaft verdeutlicht. Während das 1 ) vgl. Rawls (1979), S. 25; (1988), S. 8f.

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Ideal eine Zielorientierung bietet, die jedoch nicht praktikabel erscheint, verhindern die praxisnahen Verhaltensgrundsätze, daß multinationale Unternehmen zu „streiken" beginnen und jede ethische Verantwortung leugnen. Aufgabe einer so gearteten Unternehmensethik ist es, die grundsätzlichen Wertvorstellungen, das zugrundeliegende Menschenbild und das zugrundeliegende Leitbild der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sowie das Leitbild der Unternehmung mit ihren Zielsetzungen zu definieren und so für die Gesellschaft gegenüber dem Unternehmen einklagbar zu machen 0 . Im Sinne der RAWLSschen Explikation sind im folgenden zuerst solche Wertvorstellungen im interkulturellen Kontext herauszuarbeiten, die als allgemein geteilt gelten können und zu denen somit eine größtmögliche Zustimmung wahrscheinlich ist. Von diesen allgemeinen Wertvorstellungen ausgehend gelangt man zu ethischen Prinzipien und Rahmenbedingungen, die in einem Reflexionsgleichgewicht zueinander stehen. Zwar verbietet sich die einfache Anwendung des RAWLSschen Konzeptes, weil dieses inhaltlich auf die gesellschaftliche Grundstruktur bezogen ist und die speziellen Charakteristika multinationaler Unternehmen dort keine Berücksichtigung finden. Dennoch erscheint die Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik in Anlehnung an RAWLS denkbar, indem die Methode des reflexiven Gleichgewichts und des kontraktualistischen Modells auf das Auslandsengagement multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern verlagert und eine „Theorie der Gerechtigkeit für multinationale Unternehmen" entwickelt wird. Hierzu sind die der Tätigkeit multinationaler Unternehmen zugrundeliegenden und im gesellschaftlichen common sense implizit existierenden allgemeinen Wertvorstellungen herauszustellen, um davon ausgehend Rahmenbedingungen und eine „vermittelnde hypothetische Position" konstruieren zu können. Sie sind mit ethischen Prinzipien bzw. Verhaltensgrundsätzen für multinationale Unternehmen in Einklang zu stellen, um so zu einem reflexiven Gleichgewicht und zu gesellschaftlich gerechtfertigten Verhaltensgrundsätzen zu gelangen. Sind allgemeine und abstrakte ethische Prinzipien/Verhaltensgrundsätze für die Geschäftstätigkeit multinationaler Unternehmen festgelegt, können daraus weniger abstrakte und auf unterschiedliche Problemkreise bezogene Verhaltensgrundsätze abgeleitet werden (vgl. Abbildung 25, S. 198). Die Ermittlung der grundlegenden, allgemeinsten Verhaltensgrundsätze stellt den Ausgangspunkt der weiteren Vorgehensweise dar. Die Kernfrage hierzu lautet wie folgt: Auf welche Prinzipien „ökonomischer" Gerechtigkeit für die internationale Unternehmenstätigkeit würden sich Unternehmen, Staaten und Men-

1 ) vgl. Ulrich/Fluri (1992), S. 53.

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sehen, die sich als Mitglieder einer wohlgeordneten Weltgesellschaft/ Weltwirtschaft verstehen, in einer fairen Ausgangssituation einigen, in welcher alle als freie und gleiche moralische Akteure repräsentiert sind und in der keiner benachteiligt wird? Ökonomische Gerechtigkeit als erster Gegenstand einer internationalen Unternehmensethik steht dabei intuitiv in enger Beziehung zur distributiven Gerechtigkeit, verstanden als eine gesellschaftliche Gerechtigkeit. RAWLS' Verteilungsgerechtigkeit kann einer ersten Tugend sozialer Institutionen gleichgesetzt werden, weil nur so eine auf Dauer angelegte, langfristig stabile gesellschaftliche Kooperation zum gegenseitigen Vorteil auf der Basis gleicher Bürgerrechte möglich ist. Besteht ein allgemeiner gesellschaftlicher Konsens über die Maßstäbe zur Verteilung der gesellschaftlich erarbeiteten Früchte und Lasten1 \ gilt dies indirekt auch

Abbildung 25: Schematische Darstellung des Argumentationsganges der internationalen Unternehmensethik

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 19ff.; (1988), S. 3ff.

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für multinationale Unternehmen. Als soziale Institutionen können diese nicht permanent gegen allgemein geteilte gesellschaftliche Werte und Normen - und damit in erster Linie auch gegen Gerechtigkeitsvorstellungen - verstoßen, ohne langfristig der gesellschaftlichen Ächtung oder Sanktion anheim zu fallen, Arbeitnehmer, Konsumenten, Anteilseigner zu verlieren und schließlich ganz vom Markt zu verschwinden 1 \ Somit haben gesellschaftliche Wertvorstellungen für multinationale Unternehmen hinsichtlich der Aufgabe, Notwendigkeit und Funktion von Verteilungsgerechtigkeit eine ebenso prinzipielle Bedeutung wie für die Grundstruktur der Gesellschaft.

4.1.1 Schritt 1: Normative Grundlagen und Voraussetzungen der internationalen Unternehmensethik - kohärenztheoretisches Argument Teil 1 Der Aufweis der ethischen Dimensionen durch die explizite Formulierung der normativen Grundlagen und Voraussetzungen hat eine vierfache Funktion: 1) Er ist Bestandteil und Ausgangspunkt des auf ein reflexives Gleichgewicht hinzielenden kohärenztheoretischen Arguments: Als Bestandteil, der sich damit auf die Suche nach Werten und Normenvorstellungen über das gute und gerechte Handeln von multinationalen Unternehmen begibt, wie sie intuitiv in den moralischen Überzeugungen sichtbar werden, die jedes Mitglied einer Gesellschaft im Alltag entwickelt; als Ausgangspunkt, um weitere ethische Prinzipien herauszuarbeiten, die als gerechtfertigt angesehen werden können, weil sie im Falle des erreichten Reflexionsgleichgewichts die wohlerwogenen, konkreten moralischen Überzeugungen „explizieren". 2) Die Formulierung der Entwicklung eines Kriteriums dient der Entscheidung, wann in einem Problemfall überhaupt eine ethische Dimension zum Tragen kommt. Wie wichtig dies ist, hat die Darstellung des Problemfeldes in Kapitel 2 deutlich gemacht, wurde doch dort bereits deutlich, daß eine Unterscheidung von Werte-/Normenkonflikten, Politik-, Verfahrens- und Verhaltenskonflikten nicht eindeutig ist. Es kann nicht im Sinne einer internationalen Unternehmensethik sein, alle möglichen Konflikte zu „ethisieren", denn dies führte zu einer Überlastung der internationalen Unternehmensethik und in der damit verbundenen ethischen Selbstverpflichtung zur Überlastung des multinationalen Unternehmens, wäre somit kontraproduktiv. Erst auf der Basis eines „ethischen" Kriteriums kann entschieden werden, ob ein Problem oder Konflikt im

1 ) vgl. Ulrich/Fluri (1992), S. 53ff.

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Rahmen der Geschäftstätigkeit multinationaler Unternehmen ein Konflikt ethischer Natur ist, ethische Konflikte beinhaltet oder keine ethische Dimension im Sinne des Kriteriums aufweist. 3) Schließlich garantiert er den dauerhaften Bestand einer Unternehmensethik, wenn sie sich diese Grundlagen und Voraussetzungen zu eigen macht. Dieser kann nur gegeben sein, wenn er im Einklang mit den Wertvorstellungen der Gesellschaft steht, was schärferer Maßstäbe aber nicht ausschließt1 \ 4) Unter wissenschaftstheoretischen Gesichtspunkten dient die ausdrückliche Formulierung der normativen Grundlagen schließlich der intersubjektiven Nachprüfbarkeit bzw. der Offenlegung der einer internationalen Unternehmensethik zugrundezulegenden Werte und Normen. Der Notwendigkeit des Aufweises der Dimensionen allgemeingültiger bzw. allgemein geteilter Wervorstellungen im internationalen common sense steht das Problem ihrer Identifikation vor dem Hintergrund einer internationalen und multikulturellen Perspektive entgegen. Allein der Blick auf die Analyse und die Probleme des Auslandsengagements deutscher Unternehmen in Entwicklungsländern läßt deren Existenz schon zweifelhaft scheinen, von den Erfahrungsberichten der Praktiker ganz zu schweigen2 \ Die Problematik soll an dieser Stelle durch die nachfolgenden Lösungsansätze verdeutlicht werden. 4.1.1.1 Der Ansatz des Kulturrelativismus Die Frage, ob angesichts der Vielfalt moralischer Überzeugungen verschiedener Völker, Kulturen und Gesellschaften vernünftigerweise noch an der Allgemeingültigkeit ethischer Werte festgehalten werden kann, fuhrt zur These des Kulturrelativismus. Sie enthält „...erstens die Tatsachenbehauptung, daß sich die sittlichen Überzeugungen der Menschen in den verschiedenen Kulturen faktisch grundlegend voneinander unterscheiden (deskriptiver Relativismus); und zweitens die normative Behauptung, daß... die in den verschiedenen Kulturen faktisch geltenden sittlichen Normen trotz ihrer Unterschiedlichkeit und manch-

1 ) vgl. Jönck (1992), S. 165. 2 ) vgl. Donaldson (1989), S. 13; Dülfer (1991), S. 263ff., der sich ausführlich mit dem Problemfeld Werte beschäftigt.

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mal Widersprüchlichkeit dennoch für die Angehörigen der jeweiligen Kultur verbindlich sind." 1 ) Nimmt man die zusammengetragenen Daten ernst 2 erscheint es aufgrund der empirischen Datenbasis tatsächlich kaum haltbar, im internationalen Kontext am Begriff der Allgemeingültigkeit ethischer Wertvorstellungen festzuhalten. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß das eigentliche Anliegen des Kulturrelativismus der Kampf gegen den Ethnozentrismus ist. Der Kulturrelativismus wendet sich mit seinen Grundthesen im Kern gegen die Intoleranz moralischen Urteilens und gegen die Behauptung einer absoluten Geltung bzw. Allgemeingültigkeit ethischer Normen 3 \ Trotz dieses berechtigten Anliegens leidet er an zwei grundsätzlichen Argumentationsschwächen, die so gravierend sind, daß sie letztlich die Disqualifikation des Relativismus als Erklärungskonzept nach sich ziehen: Zum einen kann logisch aus der faktischen Einheitlichkeit oder Unterschiedlichkeit ethisch-moralischer Regelsysteme in verschiedenen Gesellschaften keine, wie der Relativismus behauptet, Aussage hinsichtlich der Frage nach der Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit, nach der Erkennbarkeit bzw. Unerkennbarkeit oder nach der Anwendbarkeit bzw. Unanwendbarkeit allgemeiner, kulturübergreifender Wertungskriterien abgeleitet werden. Zum anderen beinhaltet die normative Forderung des Relativismus, daß jeder dem moralischen Regelsystem seiner eigenen Kultur bzw. Gesellschaft folgen sollte, gleichzeitig die nicht-relativistische Behauptung, daß es ein allgemeines Wertungskriterium zur Beurteilung der verschiedenen Gesellschaften gibt oder doch zumindest einige dieser gesellschaftsübergreifenden Wertungskriterien erkennbar sind und daß diese Wertungskriterien wenigstens ein sicheres Urteil über faktisch geltende moralische Regelsysteme der verschiedenen Gesellschaften ermöglichen 4 \ Aus der Tatsache, daß unterschiedliche Normen in zwei verschiedenen Kulturkreisen existieren, kann man nicht folgern, daß beide oder keine der Einstellungen in gleicher Weise gerechtfertigt sind. Die Frage, ob eine bestimmte Einstellung gerechtfertigt ist oder nicht, hängt allein davon ab, ob sich gute Gründe zugunsten dieser oder wider diese Ansicht anfuhren lassen. Zur Klärung dieser Frage ist der Gebrauch der Vernunft unerläßlich. Die Tatsache verschiedener Einstellungen und Normen läßt die Frage völlig offen, welche Einstellungen oder Normen ein gebil1 ) Ginters (1978), S. 7. Zu Entstehungsgeschichte und erkenntnistheoretischen Aspekten des Relativismus vgl. Ricken (1983), S. 29ff.; Taylor (1978), S. 30ff.; König (1992), Sp.613ff. sowie die dort angegebene Literatur. 2 ) vgl. Ulrich/Thielemann (1992), S. 152ff. 3 ) vgl. Taylor (1978), S. 33f.; Donaldson (1989), S. 14. 4 ) vgl. Ginters (1978), S. 9ff.; weitere Argumente bei Donaldson (1989), S. 14ff.

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deter, vernünftiger und sachkundiger Mensch einer bestimmten Handlung oder sozialen Praxis gegenüber einnehmen soll1 \ 4.1.1.2 Der Ansatz des meta-ethischen Relativismus Angesichts der mit dem Kulturrelativismus verbundenen logischen Probleme versucht der sogenannte meta-ethische Relativismus dem Relativismus eine neue theoretische Basis zu geben, nicht zuletzt in Ermangelung einer Theorie, die besser als der Kulturrelativismus in der Lage wäre, die Unterschiede in den moralischen Normensystemen der verschiedenen Kulturen und Gesellschaften angemessen zu erklären „...sowie die sittliche Pflicht zur Toleranz gegenüber moralisch Andersdenkenden und die Behauptung der Relevanz kultureller Faktoren fur die Bestimmung des sittlich Richtigen begründen..." 2) zu können. Der meta-ethische Relativismus abstrahiert von den moralischen Äußerungen als moralischen Urteilen über objektiv gegebene Werttatsachen dahingehend, daß moralische Äußerungen nicht mehr als Urteile über objektive, vorgegebene Wertsachverhalte, sondern als Urteile über die Einstellungen des Wertenden oder seiner Gesellschaft interpretiert werden (= ethischer Naturalismus) 3 \ In der radikaleren Auffassung des Emotivismus 4) stellen moralische Äußerungen keine Urteile mehr dar, sondern bringen nur Einstellungen und Emotionen zum Ausdruck mit der Absicht, gleichartige Emotionen beim Adressaten zu wecken5 \ Beide Auffassungen vermeiden damit die logischen Widersprüche des kulturellen Relativismus, verneinen aber zugleich jegliche Möglichkeit eines unbedingten Sollens zugunsten höchstens hypothetischer Sollenssätze, begründet letztlich auf bewußter Entscheidung oder dem Gefühl. Damit wird gemäß der Auffassung des Relativismus die Frage nach der Richtigkeit ethischer Prinzipien sinnlos6 \ Konkret führt dies dazu, daß der meta-ethische Relativismus etwas nicht eigentlich als falsch verurteilen kann, denn falsch heißt für ihn nur „nicht im Einklang stehend mit den Normen der eigenen Gesellschaft, mit den eigenen persönlichen Einstel-

1 ) vgl. Taylor (1978), S. 40f.; ähnlich vgl. Donaldson (1989), S. 16. 2 ) Ginters (1978), S. 18. 3 ) vgl. Ginters (1978), S. 15; Westermarck (1978). 4 ) vgl. Ricken (1983), S. 30ff.; Wimmer (1980), S. 539f. und die dort angegebene Literatur. 5 ) vgl. Ricken (1983), S.33. 6 ) vgl. Ricken (1983), S. 30.

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lungen oder Entscheidungen" 0 . Für die Suche nach allgemeinen, interkulturell gültigen Wertvorstellungen gibt es aber auch dem meta-ethischen Relativismus gegenüber schwerwiegende Einwände, die der Vorstellung von ihm als einem tragfähigen Alternativmodell zum Kulturrelativismus widersprechen 2 -

Zunächst unterscheidet sich der Gebrauch der ethischen Wörter im meta-ethischen Relativismus und besonders im Emotivismus trotz ihrer scheinbaren Identität erheblich vom umgangssprachlichen Gebrauch. Ob das Wort „falsch", ζ. B. in bezug auf das Verhalten Hitlers angewandt, ausschließlich als emotionaler Ausdruck zu betrachten ist, der nur die persönliche Einstellung und Entscheidung beinhaltet, scheint doch mehr als zweifelhaft.

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Ferner liegt der Charakterisierung von emotionalen Bedeutungen als nichtkognitiven Äußerungen unter anderem die unzutreffende Überzeugung von der prinzipiellen Unzulänglichkeit von Bewertungen und Einstellungen für rationale Argumentationen zugrunde.

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Schließlich gerät die psychologistische Sprachauffassung des Emotivismus in das Dilemma, die emotiven Bestandteile der Sprache einerseits als semantisch bedeutsam und intersubjektiv kommunizierbar zu klassifizieren, andererseits ihnen aber nur subjektiven Status einzuräumen.

Obwohl „der Versuch einer Begründung des normativ-ethischen Relativismus auf der Basis des meta-ethischen zum Scheitern verurteilt ist" 3 ) , ist dessen Anliegen hinsichtlich der Toleranz gegenüber anderen ethischen Werten und Normen ernstzunehmen. Daneben ist auf die Implikationen der vom Relativismus am Nicht-Relativismus kritisierten Behauptung der Allgemeingültigkeit ethischer Normen einzugehen4 \ -

Erstens schließt die Behauptung der Allgemeingültigkeit ethischer Normen nicht die Behauptung ein, daß kulturelle Faktoren bei der Bestimmung des ethisch Richtigen irrelevant sind. Auch wenn man nach allgemeinen kulturund gesellschaftsübergreifenden Normen und Werten sucht, kann man an ethischer Relevanz kulturabhängiger institutioneller Regel- und Normensysteme festhalten, und zwar sogar auch dann, wenn man ein bestimmtes Normensystem für falsch oder nicht für das bestmögliche hält.

1 ) vgl. Ginters (1978), S. 17. 2 ) vgl. Ginters (1978), S. 17; Taylor (1978), S. 30; Wimmer (1980), S. 539f.; Donaldson (1989), S. 15f. 3 ) Ginters (1978), S. 18. 4 ) vgl. Ginters (1978), S.21ff.

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Zweitens schließt die Behauptung der Allgemeingültigkeit ethischer Normen nicht gleichzeitig die Behauptung ein, daß etwaige Folgen der Handlung für die Bestimmung des ethisch Richtigen irrelevant sind, d. h. die ethische Richtigkeit von Handlungen ist durchaus von bestimmten ethisch relevanten Umständen abhängig.

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Drittens führt die Behauptung der Allgemeingültigkeit ethischer Normen nicht notwendigerweise, zwangsläufig und unvermeidlich zur Intoleranz gegenüber anderen moralischen Überzeugungen. Intoleranz liegt nämlich nicht schon allein deshalb demjenigen gegenüber vor, dessen moralische Überzeugung man für falsch hält. Intoleranz gegenüber anderen moralischen Wertvorstellungen liegt prinzipiell selbst dann noch nicht vor, wenn man versucht, den Andersdenkenden im Rahmen einer Diskussion von den eigenen ethischen Maßstäben zu überzeugen, denn die Diskussion in Form des Austauschs von Argumenten ist das einzig angemessene Mittel, in Fragen der Moral zu einem Einverständnis zu gelangen bzw. der moralischen Wahrheit näher zu kommen.

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Viertens wird es ein Nicht-Relativist immer ablehnen, Menschen aus anderen Kulturen und Gesellschaften aufgrund ihrer von den eigenen ethischen Normen abweichenden Wertvorstellungen moralisch zu verurteilen. Auch wenn er bei seinen eigenen Wertvorstellungen und dem Urteil bleibt, daß Menschen mit anderen Wertvorstellungen falsch handeln, wird er daraus nicht folgern, daß diese deshalb schlechte Menschen sind. Weil es dem Nicht-Relativisten nur darauf unbedingt ankommt, ein sittlich guter Mensch zu sein, würde er sich dadurch, daß er andere zwingt, gegen die eigene Überzeugung zu handeln, direkt die sittliche Schlechtigkeit dieses Menschen zum Ziel setzen, was im Widerspruch zu seinen eigenen nicht-relativistischen Grundsätzen stände.

Zusammenfassend schließt die Behauptung der Allgemeingültigkeit ethischer Normen keineswegs die Haltung der Intoleranz im Sinn des Gewissenszwangs unvermeidlich mit ein1 \ Als Ergebnis der Suche nach allgemeingültigen Wertvorstellungen und ethischen Normen kann es mit GINTERS als erwiesen gelten, daß die kulturrelativistische Position in sich inkonsistent ist und sich im Gegensatz dazu die positiven Anliegen der kulturrelativistischen Position tatsächlich auf einer nicht-relativistischen Basis ohne Problem konsistent begründen lassen2 \

1 ) vgl. Ginters (1978), S.21ff. 2 ) vgl. Ginters (1978), S. 29. Eine andere Interpretation des Werterelativismus als „fortschrittsbedingt", in Abhängigkeit zum „Entwicklungsstand" der Gesellschaft findet sich bei Schefold (1995 a), S.2ff.

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4.1.1.3 Der hypothetische Ansatz Die empirische Tatsache der Existenz verschiedener Normensysteme für Gut und Schlecht, Richtig und Falsch schließt ein einheitliches Prinzip bzw. absolute und kulturübergreifende Grundwerte keineswegs aus. Die tatsächlichen Unterschiede der verschiedenen moralischen Regelsysteme lassen sich problemlos auch unter Berufung auf unterschiedliche Weltanschauungen, Traditionen und physische Umstände der verschiedenen Kulturen erklären 0 . Nachdem nun der Relativismus als philosphisch und logisch nicht haltbar herausgearbeitet worden ist, wird in dieser Arbeit die Existenz allgemeingültiger, interkulturell anerkannter bzw. anerkennbarer moralischer Kategorien unterstellt. Ausgangspunkt der Suche nach den genannten Kategorien ist die These RAWLS', „...daß jeder Mensch von einem gewissen Alter an und bei Vorliegen der nötigen geistigen Fähigkeiten unter normalen sozialen Bedingungen einen Gerechtigkeitssinn hat..." und „...man gewöhnlich ein gewisses Bedürfnis..." entwickelt, „... gemäß diesen Urteilen zu handeln"2 Die aus dem Gerechtigkeitssinn entstehenden wohlerwogenen moralischen Urteile sind auf die Aufgabe und Funktion des „gerechten" Handelns von multinationalen Unternehmen in Entwicklungsländern zu beziehen und als Ausgangspunkt für den Erkenntnisprozeß auf ein Reflexionsgleichgewicht hin anzusehen. Gleichzeitig ist ein weiterer, direkter Bezug zwischen multinationalen Unternehmen und den moralischen Urteilen zu berücksichtigen: Unternehmen sind selbst als eine moralische Idee aufzufassen, indem sie auf der Achtung und gesellschaftlichen Absicherung von Eigentum und unternehmerischen Verträgen basieren, ausgedrückt z. B. durch den Begriff der Juristischen Person". Unternehmen sind daher in einen moralischen Rahmen eingebunden, der ihre Existenz ermöglicht und legitimiert. Unternehmen beanspruchen für ihre Tätigkeit und Existenz die Werte Freiheit, Gleichheit und Gegenseitigkeit, sie werden aber gleichzeitig auch durch Prinzipien eingeschränkt. Unternehmen können somit die sie beschränkenden ethischen Prinzpien kritisieren, sie jedoch nicht grundsätzlich in Frage stellen, ohne sich ihrer eigenen moralischen Grundlage zu berauben 3 Dieser Zusammenhang kann auch auf multinationale Unternehmen erweitert werden. Sie basieren zusätzlich auf den moralischen Prinzipien der Freiheit des Handels- und Warenverkehrs und der Gleichheit vor dem Gesetz.

1 ) vgl. Taylor (1978), S. 35. 2 ) Rawls (1979), S. 66; (1988), S. 46. 3 ) vgl. Lind (1989), S. 301.

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Daß diese wohlerwogenen moralischen Urteile über multinationale Unternehmen ohne gleichzeitig entwickelte bzw. dargestellte wohlerwogene Überzeugungen hinsichtlich einer „gerechten" Gesellschaft, eines „gerechten" Wirtschaftssystems und der moralischen Person nicht denkbar bzw. unvollständig s i n d 1 z e i g t die Tatsache, daß sich multinationale Unternehmen in nennenswertem Umfang vorwiegend in westlich-demokratischen Ländern entwickelt haben, während in totalitären Gesellschaften mit planwirtschaftlichen Wirtschaftssystemen ohne Privateigentum keine multinationalen Unternehmen entstanden sind. Weitergehend interpretiert, läßt sich die These aufstellen, daß westlich-demokratische Gesellschaften und multinationale Unternehmen auf identischen moralischen Werten beruhen. Im folgenden soll daher im Rahmen der idealen Theorie von einer christlich-demokratisch geprägten Gesellschaft mit einem gewissen ökonomischen Entwicklungsniveau für die Überlegungen in Richtung auf ein reflexives Gleichgewicht ausgegangen werden. Sie ist einerseits als wesentliche Entstehungsgrundlage multinationaler Unternehmen anzusehen, andererseits weist ein Großteil der Entwicklungsländer zumindest westlich-demokratische Einflüsse auf. Ferner spricht für diese Vorgehensweise, daß eine demokratische Gesellschaft prinzipiell geeignet erscheint, pluralistische Sichtweisen besser integrieren zu können, als dies in einem totalitären Umfeld möglich ist. Zudem erscheint es sinnvoll, einen ökonomischen Entwicklungsstand der Gesellschaft vorauszusetzen, der eine Mindestversorgung mit wesentlichen Gütern des materiellen Grundbedarfs beinhaltet. Erst diese Mindestversorgung kann es den Mitgliedern der Gesellschaft erlauben, sich moralische Urteile über die Gestaltung einer Gesellschaft, eines Wirtschaftssystems usw. zu bilden, welche über die Auseinandersetzung mit dem täglichen existenziellen und belastenden Kampf ums Überleben hinausgehen. Schließlich gestattet auch der Gegenstand dieser Arbeit, nämlich deutsche multinationale Unternehmen und ihre Aktivitäten in Entwicklungsländern, die Wahl einer westlichen Gesellschaftsform als Ausgangspunkt. Davon ausgehend, sind die Grundwerte und Vorstellungen über abstrakte und formale Grundstrukturen, die zu einer allgemein anerkannten, gerechten Beurteilung in dieser Gesellschaft führen, herauszustellen. Zu differenzieren sind hier die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kriterien. Zu klären ist, welche ethisch bedeutsamen Grundeigenschaften die Menschen als Mitglieder der als gerecht angesehenen Gesellschaft und des Wirtschaftssystems und welche Grundeigenschaften die nationalen und multinationalen Unternehmen als Gesellschaftsmitglieder und Teile des Wirtschaftssystems aufweisen sollten.

1 ) vgl. Ulrich/Fluri (1992), S. 53.

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Die wesentlichen wohlerwogenen moralischen Urteile und Grundüberzeugungen, d. h. die allgemein als notwendig angesehenen Charakteristika einer „gerechten" Gesellschaft/Weltgesellschaft, eines „gerechten" Wirtschaftssystems an sich/einer „gerechten" Weltwirtschaft sowie einer moralischen Person, eines moralischen (multinationalen) Unternehmens und eines moralischen Staates, finden sich in den diffusen politischen und ökonomischen Wertvorstellungen. Sie sind mit RAWLS im common sense latent vorhanden und bedürfen nur einer ausdrücklichen Darlegung. Es kann davon ausgegangen werden, daß jedes Gemeinwesen über ein solches „objektives" System von Wertvorstellungen verfügt 1 \ das dem weltanschaulichen Pluralismus in der Gesellschaft übergeordnet ist2 \ Die im gesellschaftlichen common sense gefundenen politischen wohlerwogenen Urteile dürften sich mit hoher Wahrscheinlichkeit weitestgehend mit den ökonomischen wohlerwogenen moralischen Urteilen bzw. Grundannahmen über das Gute und Richtige dekken: Unternehmen als Strukturelemente der Gesellschaft werden ihrer Aufgabe von der „...Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen bis hin zur Schaffung und Erhaltung von Einkommen, Wohlstand und Fortschritt nur gerecht, wenn sie dabei die Werte umsetzen, die auch in der Gesellschaft dazu beitragen, ein produktives und stabiles Zusammenleben zu sichern..." 3 Sie spiegeln als offene soziale Systeme und quasi-öffentliche Institutionen über die Struktur ihrer Mitarbeiter auch die Struktur der Gesellschaft wider und sind deshalb in hohem Maß darauf angewiesen, ein Wertgleichgewicht zur Gesellschaft aufrecht zu erhalten, wollen sie ihre gesellschaftliche Anerkennung und Legitimität nicht in Frage stellen. Dieses Gleichgewicht entsteht nicht automatisch und auf Dauer, es muß vielmehr immer neu angestrebt und erreicht werden 4 \ Denn das multinationale Unternehmen ist davon abhängig, daß sowohl seine Verfahrensweisen wie auch die Resultate als verträglich mit den gesellschaftlichen moralischen Grundüberzeugungen angesehen werden und es somit seine Anerkennung und Legitimität in der Gesellschaft erfährt. Im Sinne RAWLS' wird hier der Individualismus als Basis wohlerwogener moralischer Urteile mit den daraus abgeleiteten Werten Freiheit, Gleichheit, Gegenseitigkeit sowie Solidarität als Grundwerten angenommen, deren Bezug auch auf (multinationale) Unternehmen sinnvoll erscheint. Diese Werte sind ethische Krite-

1 ) vgl. Nell-Breuning (1957), S. 253; Lehmann (1977), S. 16. 2 ) vgl. Löwenthal (1977), S. 51. 3 ) Rebstock (1988), S. 95. 4 ) vgl. Velasquez (1982), S. 17; Rebstock (1988), S. 95.

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rien zur Begründung gesellschaftlicher Gerechtigkeit und daher auch als Begründungskriterien für Unternehmen als quasi-gesellschaftlich-öffentliche Institutionen geeignet. Der politisch-ökonomische common sense besteht jedoch nicht allein aus dem Konsens über die geltenden Werte, sondern auch aus entsprechenden stabilisierenden Maßnahmen1 Eine Gesellschaft regelt das Zusammenleben ihrer Mitglieder und die auftretenden Konflikte mittels Normen und Verfahren der grundlegenden gesellschaftlichen Institutionen, d. h. der Verfassung, des Rechtssystems, der Eigentumsordnung, des Wirtschaftssystems usw. Stabilisierende Elemente für die gesellschaftlichen Institutionen bilden die Gewöhnung, die Einsicht ihrer Verhältnismäßigkeit und Richtigkeit sowie die Androhung von Sanktionen bei Regelverstößen. Da Gesellschaften ebenso wie deren Grundstrukturen und Institutionen zumindest teilweise gestaltbar sind, stellt sich für die kompetenten Moralbeurteiler als Mitglieder der Gesellschaft die Frage, nach welchen maßgeblichen Gesichtspunkten gesellschaftliche und ökonomische Institutionen beschaffen sein sollten. Die Fähigkeit und der Wille, im Leben eigene Ziele zu setzen und zu verfolgen, bilden im neuzeitlichen Individualismus als dem Kernstück der westlichen politischen Kultur die Eigenschaft, die wesentlich den Menschen ausmacht und deshalb vorrangige Beachtung erfordert. Der Individualismus erkennt dabei die Unumgänglichkeit gesellschaftlicher Institutionen an, fordert aber gemäß seinen normativen Prämissen entsprechend eine Gesellschaftsstruktur, welche dem einzelnen möglichst weitgefächerte Chancen eigenständiger Zielsetzung und Lebensgestaltung bietet. Denn der Individualismus weiß um das Faktum des Pluralismus, d. h. um die Existenz verschiedener Lebenspläne und Zielsetzungen und die Verfolgung eigenständiger Lebenspläne, und sieht diese als sinnvolle, ja notwendige Bestandteile einer freien und gerechten Gesellschaft und eines Wirtschaftssystems an. Dieses Faktum des Pluralismus bei der Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik nicht zu berücksichtigen hieße, die Stabilität und Praktikabilität einer Unternehmensethik leichtfertig aufs Spiel zu setzen, angesichts einer pluralistischen Gesellschaft. Gleichzeitig beinhaltet die Berücksichtigung des Faktums des Pluralismus in der internationalen Unternehmensethik die Tatsache, daß die Wahrscheinlichkeit steigt, daß diese internationale Unternehmensethik auch allgemeine Zustimmung und Anerkennung erfährt. Eine Gesellschaft und ein Wirtschaftssystem, das allen Mitgliedern möglichst große Lebenschancen offenhält, wird als gerecht bezeichnet. Diese Auffassung beinhaltet dabei einen Maximierungs- und einen Verteilungsaspekt dahingehend, daß 1 ) vgl. Kley (1986), S. 259fr.

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zum einen verlangt wird, daß die Lebenschancen möglichst groß sind, zum anderen, daß sie allen offenstehen müssen, wobei beide Aspekte für die skizzierte Gerechtigkeitsvorstellung konstitutiv sind. Unter dem Blickwinkel einer Gerechtigkeitsauffassung, welcher der neuzeitliche Individualismus zugrundeliegt, ist die gerechte Gesellschaft weniger ein kollektives Instrument als vielmehr die Bedingung eines geregelten Zusammenlebens und Voraussetzung für die Verfolgung selbst gesetzter, individueller Ziele 1 \ Ausgehend von den dargelegten Grundwerten, lassen sich die stabilisierenden Prinzipien und Wertvorstellungen der Demokratie und der Menschenrechte ableiten. Bereits auf nationaler Ebene entstehen für Unternehmen Probleme des gesellschaftlichen Konsenses hinsichtlich des gerechten Handelns aus der Konstellation Individuum, Gesellschaft und Unternehmen. Über die bloße Verteilungsgerechtigkeit hinausgehend nimmt der Staat hier eine vermittelnde Position ein, die auch die Berücksichtigung von Menschenrechten erlaubt. Innerhalb einer Gesellschaft mit einem homogenen Wertesystem läßt sich daher ein gesellschaftlicher Konsens derart vermitteln, daß eine solche Lösung zu legitimieren ist, die für jeden vorteilhaft erscheint. Im internationalen Kontext erscheint die Ausgangslage in einem anderen Licht: Die vermittelnde Position des Staates entfällt, vielmehr gilt es, den Kreis der Betroffenen zusätzlich auf mehrere Staaten zu erweitern, die unter Umständen eigene und widersprüchliche Interessen vertreten können. Die Positionen aller Betroffenen können nicht weiter vor dem Hintergrund eines homogenen Wertesystems betrachtet werden. „Es besteht die Schwierigkeit, daß die Verständigung zwischen den Parteien Multinationales Unternehmen und Entwicklungsland über Normen durch die unterschiedlichen Vorstellungen darüber, was im Management kulturvariant und was kulturinvariant ist, erschwert wird" 2 ) . Aus dem Handeln multinationaler Unternehmen können Wirkungen resultieren, die Diskrepanzen bestärken. So unterstützen multinationale Unternehmen materiell und moralisch jede Regierung, die im Gegenzug für stabile Verhältnisse als wirtschaftliche Basis und ein günstiges Investitionsklima sorgt, auch wenn es sich um eine autoritäre Regierung handelt, die die Menschenrechte mißachtet3 \ Darüber hinaus entstehen Bereiche, die multinationale Unternehmen und Gerechtig-

1 ) vgl. Kley (1986), S.53ff. 2 ) Kumar (1989), S. 224. 3 ) vgl. Parmar (1979), S. 108.

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keit als völlig gegensätzliche Werte erscheinen lassen. Dennoch sprechen Gründe dafür, die genannten Überzeugungen zu Freiheit, Gleichheit und idealer gesellschaftlicher Kooperation nicht nur für den gesellschaftlichen Bereich, sondern darüber hinaus auch für den ökonomischen, insbesondere den internationalen Bereich des Auslandsengagements multinationaler Unternehmen gelten zu lassen: -

Die Wertvorstellungen des westlich-demokratischen Kulturkreises scheinen das Entstehen multinationaler Unternehmen erst ermöglicht zu haben. Freiheit und prinzipielle Gleichheit des Menschen setzten erst die für den Aufbau von Unternehmen notwendige menschliche Eigeninitiative frei, die dann eine Einkommensentwicklung ermöglicht hat. Lokalen Unternehmen wurde zu einer wirtschaftlichen Stärke und Potenz verholfen, die ihnen den liberalen Import und Export von Gütern und Dienstleistungen sowie den grenzüberschreitenden Marktzugang überhaupt erst eröffnete.

-

Ein Wirtschaftssystem, das diese Grundwerte dauerhaft verleugnet, ist, wie die Geschichte zu zeigen scheint, langfristig in Ermangelung ausreichender ökonomischer Effizienz und Ressourcenallokation zum Scheitern verurteilt, ganz zu schweigen davon, daß es weder willens noch in der Lage gewesen wäre, multinationale Unternehmen hervorzubringen. Multinationale Unternehmen sind im westlichen Kulturkreis entstanden, selbst Japan hat erst nach Öffnung seiner Gesellschaft für westliches Gedankengut multinationale Unternehmen hervorgebracht. Bemerkenswert ist, daß dabei offensichtlich schon eine Verwirklichung bzw. Garantie der genannten wohlerwogenen moralischen Überzeugungen allein im ökonomischen Bereich ausreicht, ohne eine parallele Gewährleistung im politisch-gesellschaftlichen Bereich, wie es die Entwicklung der kleinen asiatischen „Tiger" und auch der Sonderwirtschaftszonen in China verdeutlicht.

-

Die Gültigkeit der im westlichen-demokratischen common sense gefundenen Wertvorstellungen für das Handeln und das Auslandsengagement multinationaler Unternehmen scheint auch deshalb plausibel, weil die wenigsten multinationalen Unternehmen in ihren zentralen unternehmenspolitischen generellen Absichten, besonders ihrer Haltung zu weltweiten Geschäftsaktivitäten, geozentrisch orientiert sind. Gerade deutsche multinationale Unternehmen sind, trotz intensiver Bemühungen, zu expandieren letztlich immer noch überwiegend ethnozentrisch strukturiert und zudem in ihrer Managementauffassung durch die westlich-demokratischen Überzeugungen und Kultur entscheidend geprägt1 \ ganz zu schweigen davon, daß wesentliche Bezugsgruppen

1 ) vgl. Ulrich/Thielemann (1991), S.91.

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deutscher multinationaler Unternehmen, wie Aktionäre, Kunden, Lieferanten, Gesellschaft im Heimatland und zahlreiche westlich-industrialisierte Gastländer stärker durch westlich-demokratische Strukturen geprägt sind als durch außerwestliche Kulturen. So gibt es kein multinationales Unternehmen, das über eine Aktienbeteiligung hinaus z.B. spezielle islamische Grundwerte in seiner Unternehmensführung adaptiert hat, während man außerordentlich viele Bezüge zu westlichen Wertvorstellungen aufzeigen kann. Gerade auch in deutschen multinationalen Unternehmen ist der häufig anzutreffende ausdrückliche Bezug zur gesellschaftlichen Verantwortung aus dem Gedankengut der in Deutschland propagierten sozialen Marktwirtschaft heraus erklärlich. Somit scheint die Angleichung deutscher multinationaler Unternehmen an zumeist niedrigere Gesetzes- und Normenstandards in Entwicklungsländern aus Gründen der „Respektierung der anderen kulturellen Identität" kaum mehr als ein Scheinargument zu sein, was spätestens dann deutlich würde, wenn entsandte Führungskräfte z.B. in einem totalitären rassistischen Regime den gleichen Status wie Inländer hätten und in gleicher Weise polizeilicher Willkür etc. ausgesetzt wären. Gleichzeitig reagieren deutsche multinationale Unternehmen bei Aufdeckung von Korruptionsfällen im eigenen Unternehmen ausgeprochen repressiv. Wenn sie jedoch im gleichen Atemzug Korruptionszahlungen in Entwicklungsländern als notwendige Geschäftspraxis deklarieren, ist das dann eigentlich nur als blanker Zynismus zu werten. Als Fazit dieser Überlegungen kann somit festgehalten werden, daß die aus dem westlich-demokratischen common sense ermittelten wohlerwogenen Überzeugungen hinsichtlich einer idealen Gesellschaft und Ökonomie schon deshalb für deutsche multinationale Unternehmen und ihr Auslandsengagement Gültigkeit beanspruchen können, weil sie a) bereits Träger dieser Wertvorstellungen sind und es nur eine konsequente Haltung darstellt, diese Werte transparent zu machen und sie ausdrücklich im interkulturellen Kontext in unternehmerische Entscheidungen einfließen zu lassen, und weil es b) im Hinblick auf eine praxisnahe internationale Unternehmensethik bzw. „lebbare" Ethik sinnvoller erscheint, bereits implizit im „Umfeld" der Unternehmen im common sense vorhandene allgemeine Wertvorstellungen explizit werden zu lassen, als eine internationale Unternehmensethik aus einer „subjektiven" Sicht heraus zu entwickeln, orientiert an einer vereinzelt von irgendeinem idealistischen Wissenschaftler vertretenen Idealvorstellung, welche Werte nun als Ausgangspunkt für eine internationale Unternehmensethik anzusehen sind. Eine solche internationale Unternehmensethik, die keinerlei oder auch nur minimale Chancen allgemeiner Anerkennung beanspruchen könnte, wäre bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilt, ganz abgesehen von dem multina-

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tionalen Unternehmen, das auch ökonomisch scheitern müßte, wenn es eine derartige internationale Unternehmensethik umzusetzen versuchte. Als Beispiel einer in o. g. Sinn als idealistisch anzusehenden Sichtweise können alle Unternehmensethiken angesehen werden, die ζ. B. Verhaltensgrundsätze entwerfen, die den langfristig für den Bestand des Unternehmens notwendigen Unternehmensgewinn dauerhaft schmälern. Dies widerspricht zum einen einer lebbaren Ethik, zum anderen auch der in westlichen demokratischen Gesellschaften vorhandenen allgemeinen Grundüberzeugung. 4.1.1.4 Ergebnis Die argumentative Auseinandersetzung, wie gesellschaftliche und ökonomische Institutionen einer gerechten Gesellschaft aussehen sollten, bezieht sich auf die Diskussion um die richtigen Prinzipien der Gerechtigkeit. Gerechtigkeitsprinzipien schreiben vor, welche Lebenschancen nach welchen Kriterien oder Verfahrensleitlinien zu verteilen sind. Das geschieht in Form fortgesetzter Anwendung von Normen und Verfahren der Grundstruktur, die unterschiedliche gesellschaftliche Positionen und Chancen erzeugt, aufrecht erhält und im Lauf der Zeit allenfalls ändert1 Die Grundwerte des demokratischen common sense, die Idee der Freiheit, der Gleichheit, der Vorstellung idealer gesellschaftlicher und ökonomischer Kooperation sowie die Vorstellungen über die menschliche Person und die Unternehmen als moralische (Wirtschafts-) Subjekte, müssen im folgenden in den Rahmenbedingungen Berücksichtigung finden. Dies geschieht, indem diese Vorstellungen und die in sie eingegangenen Ideen in Modellauffassungen zusammengefaßt und formuliert werden. Einmal formuliert, läßt sich im Rahmen dieser Modellauffassungen argumentieren und unter der Voraussetzung genügender Klarheit und Bestimmtheit zu annehmbaren gesellschaftlichen und ökonomischen Gerechtigkeitsprinzipien und Verhaltensnormen gelangen2 \ 4.1.2 Schritt 2: Das kontraktualistische Argument im Rahmen der internationalen Unternehmensethik Im ersten Schritt wurden die Werte einer demokratischen, westlichen Gesellschaft, nämlich Freiheit, Gleichheit und ideale Kooperation/Gegenseitigkeit (Fairneß), als grundlegend für das gesellschaftliche und ökonomische Zusammenleben herausgearbeitet. Ferner wurden diese Werte als eine tragfähige Werte- bzw. Normen1 ) vgl. Kley (1986), S.263f. 2 ) vgl. Rawls (1980), S. 520; Kley (1986), S. 11.

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grundlage für eine internationale Unternehmensethik im Hinblick auf ihre Verallgemeinerungsfähigkeit und ihre interkulturelle Gültigkeit und Anwendung im Rahmen einer internationalen Unternehmensethik geprüft. Schließlich wurde die Bedeutung dieser gefundenen Grundwerte für multinationale Unternehmen präzisiert. Nun gilt es, die bisher nur grob definitorisch erfaßten Wertvorstellungen im Rahmen der vom Charakter her normativen, d. h. nicht notwendigerweise empirisch belegbaren Modellauffassungen zusammenzufassen. Sind diese Modellauffassungen einmal formuliert, dient dann die hypothetische Position als Instrument, welches zwischen den Modellauffassungen und ethischen Prinzipien bzw. Verhaltensgrundsätzen zu vermitteln versucht. Ergebnis dieser Vorgehensweise des kontraktualistischen Arguments sind dann ethische Prinzipien bzw. Verhaltensgrundsätze, welche die in den Modellauffassungen als Rahmenbedingungen enthaltenen wohlerwogenen moralischen Überzeugungen auf einer höheren Abstraktionsebene, nämlich in Form von Leitlinien, d. h. Prinzipien und Verhaltensgrundsätzen, abbilden (vgl. Abbildung 26).

Abbildung 26: Überblick über die Argumentationsschritte des kontraktual istischen Arguments im Rahmen der internationalen Unternehmensethik

4.1.2.1 Die Rahmenbedingungen: Vier normative Modellauffassungen Im Zusammenhang mit der Methode des reflexiven Gleichgewichts wurden die Rahmenbedingungen, methodisch gesehen, als allgemeiner Datenkranz moralischer Überzeugungen charakterisiert. Nach der Identifikation der wesentlichen Grundwerte gilt es, die allgemeinsten und abstraktesten Überzeugungen hinsichtlich des Auslandsengagements deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern in vier Modellkonzeptionen festzuhalten. Die Modellauffassungen der „moralischen Person", des „moralischen multinationalen Unternehmens", des „moralischen Staates" und der „wohlgeordneten Weltgesellschaft/ Weltwirt213

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schafit" bilden die notwendige Voraussetzung für die Ableitung von Verhaltensgrundsätzen und Prinzipien für die internationale Unternehmensethik, denn sie liefern den Argumentationsrahmen für die Herleitung von Prinzipien für das Auslandsengagement und verdeutlichen die der internationalen Unternehmensethik zugrunde zu legenden Wertvorstellungen. Gegen eine ausschließliche Beschränkung auf eine Modellauffassung, die sich nur auf das Individuum konzentriert, sprechen mehrere in den vorangegangenen Abschnitten und Kapiteln dargelegte Gründe. Zwar steht das Individuum, wie in Kapitel 1.2.2 aufgezeigt, mit seinen Grundwerten im Zentrum jeden Handelns, dabei hat es sich jedoch den Gegebenheiten und Normen übergeordneter Systeme und Subsysteme unterzuordnen, es besteht somit keine völlige individuelle Handlungsfreiheit in bezug auf die Umsetzung individueller ethischer Vorstellungen. Die Notwendigkeit und Legitimierung von Staat und Wirtschaften wurden oben herausgestellt, so daß prinzipiell gegen die Unterordnung individueller Handlungsmaximen unter übergeordnete Systeme nichts einzuwenden ist. Zudem wird deutlich, daß individuelles Handeln kaum völlig frei von den Überzeugungen der anderen Beteiligten, Unternehmen, Staaten und der Ausgestaltung der Gesellschaft angesehen werden kann und deren Modellauffassungen gerade in den Themenkontext einer internationalen Unternehmensethik mit einzubeziehen sind. Zusätzlich sind folgende Prämissen zu berücksichtigen 1*: -

Freiheit und Wert gehören verschiedenen Kategorien an.

-

Die Gesellschaft hat bereits einen fortgeschrittenen Entwicklungsstand erreicht, in dem niemand bereit ist, Freiheitsrechte gegen materielle Vorteile einzutauschen.

-

Die Menschen sind frei von Neid; da ihre Grundbedürfhisse gedeckt sind, leidet ihre Selbstachtung nicht bei sozioökonomischer, sondern nur bei politischer Ungleichheit.

-

Die Menschen haben einen angeborenen Sinn für Gerechtigkeit und Fairneß.

-

Die Menschen verfolgen ihr Eigeninteresse.

Zur Ermittlung eines reflexiven Gleichgewichtes bleibt die Modellauffassung der wohlgeordneten Gesellschaft erhalten, wobei die Modellauffassung der moralischen Person durch eine Modellauffassung des multinationalen Unternehmens und des moralischen Staates zu erweitern ist. Bei dieser systematischen Aufstellung der Rahmenbedingungen gemäß Abbildung 27, S.215 soll zur Vermeidung von Mißverständnissen nochmals daraufhingewiesen werden, daß es hierbei nicht 1 ) vgl. Koch (1982), S. 150.

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um eine empirische Beschreibung der menschlichen Natur, der Gesellschaft, multinationaler Unternehmen und Staaten geht, sondern um eine normative Beschreibung derjenigen Wertvorstellungen über die menschliche Natur, eine Weltgesellschaft/Weltökonomie, Staaten und multinationale Unternehmen, wie sie im allgemeinen common sense auf der Basis der dort vorherrschenden Grundwerte Freiheit, Gleichheit und Gegenseitigkeit vorkommen. Mit anderen Worten: so wie in den Modellauffassungen festgehalten, sollten auf allgemeiner Abstraktionsebene Unternehmen, Personen, Staaten und Gesellschaft auf der Basis von Freiheit, Gleichheit und Gegenseitigkeit im Idealfall beschaffen sein.

- Modellauffassung der wohlgeordneten Weltgesellschaft/Weltwirtschaft a) Bedingung der umfassenden Öffentlichkeit b) objektive und subjektive Anwendungsverhältnisse der Gerechtigkeit - Modellauffassung des moralischen Staates a) Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn b) Fähigkeit zu Bewahrung, Garantie, Schutz und Durchsetzung der Grundwerte c) erstrangiges Interesse - Modellauffassung der moralischen Person a) Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn b) Fähigkeit zur Gestaltung individueller Lebenspläne c) erstrangiges Interesse - Modellauffassung des moralischen multinationalen Unternehmens a) Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn b) Fähigkeit zur Gestaltung und Verfolgung genereller und spezieller Absichten c) erstrangiges Interesse Abbildung 27: Die Bestandteile der Rahmenbedingungen bzw. der ModellaufFassungen im Rahmen der internationalen Unternehmensethik

4.1.2.1.1 Die Modellauffassung der moralischen Person Die Modellauffassung der moralischen Person erfolgt in Anlehnung an RAWLS und kann für die Problemstellung beibehalten werden. Die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn (das Vernünftige), die Fähigkeit zur Gestaltung und Verfolgung eines individuellen Lebensplanes (das Rationale), das erstrangige Interesse an der Ausü215

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bung des Gerechtigkeitssinns und der Entfaltung des Lebensplanes sowie ein rationales Entscheidungsverhalten in Gerechtigkeitsfragen bilden dabei die grundlegenden Eigenschaften der moralischen Person. In dieser Modellauffassung sind jene Vorstellungen individueller Freiheit und Gleichheit präsent, die im demokratischen common sense vorhanden sind. Die Idee der Freiheit findet ihren Ausdruck in der nur durch die Gerechtigkeitsprinzipien begrenzten Möglichkeit, allein aus dem Vorhandensein individueller Lebenspläne Ansprüche an die Ausgestaltung gesellschaftlicher Institutionen begründen zu können. Außer den Lebensplänen ist keine rechtliche oder gesellschaftliche Legitimation notwendig1 \ Weiter findet die Idee der Freiheit ihren Ausdruck in der Möglichkeit, unter der Restriktion der Gerechtigkeitsgrundsätze individuelle Lebenspläne zu entwickeln, aber diese nach eigenem Darfürhalten auch jederzeit ändern zu können. Schließlich umfaßt die Idee der Freiheit aber auch die Verantwortlichkeit des einzelnen für seinen Lebensplan in der Weise, daß jedermann nur solche Lebenspläne verfolgt, bzw. so gestaltet oder anpaßt, daß die aus dem Lebensplan resultierenden Ansprüche an die gesellschaftliche Zusammenarbeit in Einklang mit den tatsächlich berechtigten Ansprüchen steht2 \ Die Vorstellung der Gleichheit wird in der Modellauffassung berücksichtigt, indem jedermann die gleiche Fähigkeit besitzt, Prinzipien der Gerechtigkeit verstehen, anerkennen und umsetzen zu können und damit ein voll- und gleichwertiger Teilnehmer an der gesellschaftlichen Zusammenarbeit zu sein. In Wahrnehmung der Freiheit kann jedermann gleichwertige, berechtigte Ansprüche an die Ausgestaltung gesellschaftlicher Institutionen stellen und ist Träger eines gleichen Wertes bei der Beurteilung und Festlegung von Prinzipien gesellschaftlicher Gerechtigkeit für die Grundstruktur der Gesellschaft 3 4.1.2.1.2 Modellauffassung des moralischen multinationalen Unternehmens Neben die Modellauffassung der moralischen Person tritt die des multinationalen Unternehmens, da hier eigene, von der Person abweichende Werte wirksam werden. Im Sinne der Personenanalogie 4} ist aber davon auszugehen, daß nationale wie multinationale Unternehmen als moralisch verantwortlich angesehen werden 1 ) Rawls (1980 a), S. 544 gibt als negatives Extrembeispiel den Sklaven an, der qua Gesetz keinerlei Ansprüche an gesellschaftliche Institutionen stellen kann. 2 ) vgl. Rawls (1975), S. 551ff.; Rawls (1982), S. 168ff.; Rawls (1985), S.240ff.; Rawls (1980 a), S. 543ff. 3 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 545ff; Rawls (1979), S. 574ff; (1988), S. 504ff. 4 ) vgl. Donaldson (1982), S. 20ff.; De George (1982), S. 60f.

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können. Für eine derartige Auslegung spricht die Tatsache, daß Unternehmen für ihre Existenz und Entwicklung weitgehend deckungsgleiche Grundrechte in Anspruch nehmen wie die Person. Daher erscheint ihre Verpflichtung auf den Gerechtigkeitssinn vernünftig und rational, der auch anderen Personen oder Unternehmen eine individuelle Plangestaltung als erstrangiges Interesse zugesteht und anerkennt. Die Modellauffassung vom multinationalen Unternehmen und dem nationalen Unternehmen ist, was ihren moralischen Charakter betrifft, identisch bzw. nur graduell verschieden, gemäß den Variationen hinsichtlich Verhaltensund Strukturmerkmalen 0 . Daraus folgt, daß multinationale Unternehmen im Rahmen der Modellauffassung des moralischen multinationalen Unternehmens die Fähigkeit besitzen, Prinzipien der gesellschaftlichen und ökonomischen Gerechtigkeit und daraus abgeleitete Verhaltensgrundsätze zu verstehen und diese sowohl im Unternehmen als auch außerhalb des Unternehmens in ihrem Umfeld anzuwenden bzw. sie im Rahmen ihrer Strukturdeterminanten und Verhaltensmerkmale zu berücksichtigen und umzusetzen. Die multinationalen Unternehmen haben also die Fähigkeit, vernünftig zu sein. So berücksichtigt das multinationale Unternehmen diese Prinzipien bei der Entwicklung seiner Unternehmensstrategien in den generellen und speziellen Absichten, und dort insbesondere bei den gesamtunternehmensbezogenen Absichten, bei der Umsetzung dieser Strategien und bei der Gestaltung der konkreten Geschäftspolitiken. Es hat also die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn. Ferner verfügt das moralische multinationale Unternehmen über die Fähigkeit, ureigenste unternehmens-individuelle Vorstellungen über seine generellen und speziellen Absichten frei zu entwickeln, diese zu verändern, zu revidieren und in Unternehmensstrategien, konkrete Maßnahmen und Geschäftspolitiken umzusetzen. Das multinationale Unternehmen ist in diesem Sinne rational. Schließlich hat das moralische Unternehmen das herausragende Interesse, den Gerechtigkeitssinn und die unternehmens-individuellen generellen und speziellen unternehmerischen Absichten zu entfalten und auszuüben. Es verfolgt seine generellen und speziellen Absichten, revidiert diese aber auch, wenn sie mit den innerhalb eines fairen unparteiischen Prozesses entwickelten gesellschaftlichen und ökonomischen Gerechtigkeitsprinzipien kollidieren bzw. die Verfolgung der konkreten generellen und speziellen Absichten die fairen Bedingungen der gesellschaftlichen und ökonomischen Zusammenarbeit gefährden würde. Es handelt sich also um ein erstrangiges Interesse. Hinsichtlich der Idee der Freiheit und der Gleichheit gelten die bereits bei der Modellauffassung der moralischen Person gemachten Ausführungen. 1 ) siehe Kap.2.1.1.

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4.1.2.1.3 Die Modellauffassung des moralischen Staates Eine zusätzliche Erweiterung erfahren die Rahmenbedingungen durch die Einfuhrung der Modellauffassung des moralischen Staates. Im Prozeß des stufenweisen Lüftens des Schleiers der Unwissenheit tritt der Staat auf der zweiten Stufe in Erscheinung, wenn jede handelnde Einheit, sei es Person, Unternehmen oder Staatswesen 0 , sich ihrer Eigenart bewußt wird und an der Ausformulierung einer Verfassung mitwirkt. Freiheit und Gleichheit in der Modellauffassung erfordern hier eine differenzierte Betrachtung der unterschiedlichen Aufgaben, Funktionen und Rollen des Staates, um dem Themenkontext gerecht zu werden. Aus rein nationaler Perspektive können wir wieder auf RAWLS' Konzeption des Staates zurückgreifen 2 \ Dieser steht mit den einzelnen Angehörigen der Gesellschaft und insbesondere ihren Repräsentanten in einer Beziehung der Wechselwirkung. Während er „suitable political and legal institutions" 3} zur Verfügung stellt, um als demokratischer Staat4 ) die Verfassung mit ihren typischen Freiheitsrechten zu sichern, unterliegt er der Gestaltung und der Kontrolle durch die aus moralischen Beteiligten bestehende Gesellschaft. Auf dieser Betrachtungsebene kommt die Freiheit derart zum Tragen, daß der Staat in seiner Entstehung und seinem Handeln frei sein muß. Als Grundvoraussetzung für den moralischen Staat kann demzufolge seine demokratische Entstehung und Entwicklung angesehen werden, was Diktaturen und durch Machteliten kontrollierte Staaten als solche von vornherein ausschließt. Der Staat ermöglicht es den verschiedenen Mitgliedern der Gesellschaft, moralisch zu handeln - negativ, indem er sie nicht zu unmoralischem Handeln ermutigt oder gar zwingt - positiv, indem er ein solches Handeln sanktioniert. Gegenüber der Gesellschaft stellt er sich in seinem Tun als „fair" und , just" dar hinsichtlich der Verteilungsgerechtigkeit, der Verteilung von Chancen und Besitz sowie der Schaffung einer sozialen Absicherung. In der Modellauffassung des moralischen Staates sind Unternehmen ebenfalls als Mitglieder der Gesellschaft anzusehen. Zwar differieren die Bedürfnisse von Individuum und Unternehmen, soziales Elend und Unternehmenskrisen sind völlig unterschiedlich zu werten, doch sind eine Reihe von Parallelen auszumachen: Die Rahmenbedingungen für die sichere Planung und Absicherung der Zukunft ähneln einander stark, ebenso sind unmoralische Machtbestrebungen nicht ausschließlich nur der einen oder anderen Gruppe zuzurechnen.

1 ) siehe unten, Kap. 4.1.4, Abb. 32. 2 ) vgl. Rawls (1972), S. 275. 3 ) vgl. Rawls (1972), S. 275. 4 ) Rawls behandelt aber auch "liberal socialist regimes", (1972), 280f., ohne diese zu konkretisieren.

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Da wir uns bei diesen Überlegungen außerhalb der bislang stillschweigend im nationalstaatlichen Rahmen postulierten Gesellschaft bewegen, muß darauf hingewiesen werden, daß der moralische Staat in der Regel auch Subjekt in zwischenstaatlichen Beziehungen ist. Freiheit und Gleichheit sind in diesem Modellzusammenhang zusätzlich auf die Relationen der Staaten untereinander zu beziehen. Unter der Prämisse, daß sie die Interessen ihrer Gesellschaften präsentieren und vertreten, lassen sich die Bedingungen einer wohlgeordneten Gesellschaft auch auf diese Ebene transponieren. Hier wird man in den seltensten Fällen von der idealen Theorie ausgehen können 0 . Der moralische Staat würde jedenfalls das aus einem reflexiven Gleichgewicht erwachsene Völkerrecht achten. Was im Völkerrecht und in den Beziehungen zwischen souveränen Staaten als Handlungsmerkmal eines moralischen Staates zu gelten hat, ist in der Praxis umstritten. Ob er etwa auch verpflichtet wäre, an Organisationen und Aktionen mitzuwirken, die das Völkerrecht oder gar innerstaatliches Recht anderer Staaten positiv beeinflussen sollen, dürfte fraglich sein. Zahlreiche Beispiele aus der Praxis belegen eher das Gegenteil. Analog zu den Modellauffassungen der moralischen Person und des moralischen multinationalen Unternehmens verfügt auch der moralische Staat über die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn, d. h. er richtet seine Handlungen nach allgemein akzeptierten Prinzipien der Gerechtigkeit, indem er Rahmenbedingungen schafft, um die Gestaltung und Verfolgung des Lebensplanes umzusetzen. Wenn der moralische Staat darüber hinaus als Staat unter Staaten agiert, handelt er im Einklang mit den Prinzipien der Gerechtigkeit, denn er hat ein erstrangiges Interesse daran, die einmal gefundenen Grundwerte der Weltgesellschaft zu erhalten, zu schützen und zu gewährleisten sowie gegebenenfalls Maßnahmen zu deren Umsetzung anzustoßen. Ferner soll er Veränderungen der allgemeinen Gerechtigkeitsprinzipien registrieren, wenn sich die Auffassungen im gesellschaftlichen common sense verändern, und gegebenenfalls eine Anpassung bestehender Gesetze und Verordnungen vornehmen. Der moralische Staat repräsentiert den Willen seiner Mitglieder und hat, daraus abgeleitet, die Befugnisse bzw. das erstrangige Interesse und die Fähigkeit, den Mitgliedern der Gesellschaft mit verbindlichen Befehlen wie Gesetzen und Einzelakten gegenüber zu treten und diese, wenn notwendig, auch mit Zwang durchzusetzen. Der demokratische moralische Staat zeichnet sich durch Volkssouveränität aus, die Regierung wird in regelmäßigen Abständen nach dem Prinzip der fairen, geheimen, allgemeinen und periodisch wiederkehrenden Wahl vom Volk

1 ) vgl. Rawls (1978), S. 216f. zum Thema "Lage zwischen den Staaten" und S. 228ff. zum Thema ideale bzw. nicht-ideale Theorie.

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auf Zeit gewählt. Die Machtausübung der Regierung wird durch das Volk und befugte Organe kontrolliert, und alle Handlungen des Staates stehen in Einklang mit der Verfassung und den Gesetzen (Prinzip der Rechtsstaatlichkeit). Der moralische Staat achtet, gewährleistet und schützt die Grundrechte der Bürger. Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Modellauffassungen verfügt der moralische Staat nicht über die Fähigkeit, sich eigenständige generelle und spezielle Absichten bzw. einen individuellen Lebensplan zu entwerfen. Der moralische Staat hat jedoch als weitgehend feststehende generelle und spezielle, aus der Volkssouveränität abgeleitete und nur durch diese veränderbare Absicht der Garantie, Gewährleistung, Achtung und des Schutzes der Grundrechte der Bürger. Er bedingt die Möglichkeit der Verfolgung individueller Lebenspläne und die Ausübung des Gerechtigkeitssinns. Das erstrangige Interesse des moralischen Staates besteht schließlich darin, sowohl die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn auszuüben, wie auch die Bewahrung und den Schutz der Grundrechte ernstzunehmen. 4.1.2.1.4 Die Modellauffassung einer wohlgeordneten Weltgesellschaft/Weltwirtschaft Zuerst sollen, ausgehend vom Modell der wohlgeordneten Gesellschaft, die Charakteristika einer wohlgeordneten Weltgesellschaft abgeleitet werden. Diese Ableitung stellt sich einerseits als vordergründig offenkundig und einfach dar, nämlich als Übertragung der Prinzipien und Charakteristika der wohlgeordneten Gesellschaft in die globale Dimension. Als Analogie könnte der gedankliche Schritt von der moralischen Person zur wohlgeordneten Gesellschaft herangezogen werden. Letztere dient dem Zweck, das Wohl ihrer Mitglieder zu fordern, und wird effektiv durch eine öffentliche Vorstellung von Gerechtigkeit gesteuert1 \ Ein erheblicher Unterschied zwischen der wohlgeordneten Gesellschaft und der wohlgeordneten Weltgesellschaft besteht indes darin, daß erstere - nimmt man mit den Bedingungen der nicht-idealen Theorie vorlieb - real existiert, während letztere allenfalls als Hypothese darstellbar ist, ohne als Modell aus einem der nicht-idealen Theorie entsprechenden Zustand abgeleitet werden zu können. Die aktuelle Debatte um die Universalität der Menschenrechte („westlicher" Prägung) belegt die Problemlage zur Genüge. Auch wenn die Modellauffassungen explizit nicht als empirische Beschreibung gedacht sind, stehen sie in einer Wechselbeziehung mit realen Rahmenbedingungen und der Erfahrung mit dem realen menschlichen, gesellschaftlichen und staatlichen Verhalten.

1 ) vgl. Rawls (1972), S.4f. und S.453ff.

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Man könnte einwenden, daß vor dem Lüften des Schleiers der Unwissenheit ohnehin niemand weiß, ob er eine nationale Gesellschaft oder eine Weltgesellschaft darstellt oder ihr Angehöriger ist, ebensowenig wie die Repräsentanten in der hypothetischen Situation. Es kann jedoch für die weiteren Stufen nicht gleichgültig sein, welche Realität enthüllt wird oder ob es überhaupt eine solche Realität gibt, auf die sich rationale und wohlerwogene Urteile und Anschauungen gründen können. Jedenfalls läßt sich momentan nur zweierlei konstatieren: -

Die Modellauffassung einer wohlgeordneten Weltgesellschaft ist zur Zeit mangels Empirie nur als bloße Extrapolation der nationalen wohlgeordneten Gesellschaft denkbar 1 \ wobei deren Charakteristika übernommen werden.

-

Trotz der Verbreitung des Schlagworts vom „global village" sind zahlreiche Kriterien einer wohlgeordneten Gesellschaft im Weltrahmen kaum so weit erfüllt, daß eine Anwendung der nicht-idealen Theorie möglich würde. Weder sind Grundfreiheiten überall, wenigstens in theoria, anerkannt, noch stellt die Weltgesellschaft eine „social union of social unions" dar. In zahlreichen Kulturen ist bislang prinzipiell, ζ. B. aus kulturellen oder religiösen Gründen, eine freie Gestaltung des Lebensplanes wenigen Individuen vorbehalten.

Das bedeutet jedoch nicht, daß RAWLS' Theorie der Gerechtigkeit nicht zu einer gültigen Modellauffassung führen könnte. Im Gegenteil, bedeutend erscheint gerade sein dynamisches Prinzip des Lernens und der steten Herausbildung neuer Reflexionsgleichgewichte. Es bedeutet jedoch - im Blick auf das Auslandsengagement von multinationalen Unternehmen - , daß eine explizite Parteinahme oder zumindest eine Auseinandersetzung mit konfligierenden Wertesystemen kaum vermeidbar ist. Die wesentlichen Elemente des Modells einer wohlgeordneten Weltwirtschaft hingegen lassen sich sowohl aus der Theorie wie aus der Praxis ableiten, da es gerade die offenkundigen Mängel an Verteilungsgerechtigkeit im weltwirtschaftlichen Rahmen sind, die eine Debatte über mehr Gerechtigkeit befördern. Auch kann man - anders als im Bereich gesellschaftlicher Vorstellungen, die politische, kulturelle oder religiöse Fragen tangieren - davon ausgehen, daß moralisch handelnde Personen, in Analogie dazu moralisch handelnde Unternehmen, und wohlgeordnete Gesellschaften überall auf der Welt vergleichbare Zielvorstellungen von einer gerechten Ökonomie haben oder doch haben werden. Zumindest gilt dies für die internationale Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich, wenn schon nicht innerhalb der einzelnen Volkswirtschaften. Allerdings fehlt auch hier wieder eine 1 ) Hier wäre eine Anwendung der Rawlsschen Theorie auf die EU interessant, da sich diese im Übergang von der nationalen Gesellschaft hin zu überstaatlichen Strukturen befindet.

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verfassungsgebende Versammlung, welche die Verwirklichung der Gerechtigkeitsprinzipien durch die Schaffung entsprechender Institutionen stützen könnte. Mit RAWLS ist es die Marktwirtschaft, die bei entsprechenden Rahmenbedingungen gleiche Freiheiten und eine faire Chancengleichheit ermöglicht sowie den Bürgern die freie Berufswahl und eigenständige Lebensplanung erlaubt. Festzuhalten ist aber auch hier, daß die wohlgeordnete Weltgesellschaft/Weltwirtschaft, wenn sie nicht nur auf das Wohl ihrer Mitglieder zugeschnitten ist, sondern auch von einer gemeinsamen Gerechtigkeitsvorstellung wirksam gesteuert wird, der Bedingung der umfassenden Öffentlichkeit und den Anwendungsverhältnissen der Gerechtigkeit unterliegt. Die Bedingung der umfassenden Öffentlichkeit im Rahmen der internationalen Unternehmensethik besagt in Analogie zu den Ausführungen im dritten Kapitel, daß erstens dieselben Gerechtigkeitsprinzipien allgemein akzeptiert werden, zweitens die grundlegenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Institutionen diesen Prinzipien genügen, drittens die mit ihrer Begründung verbundenen wissenschaftlichen Theorien über die menschliche Natur, Organisationen, Wirtschaftssysteme, gesellschaftlichen und ökonomischen Institutionen sowie die Methode des Reflexionsgleichgewichts und die Modellauffassungen bekannt bzw. erkennbar sind. Hierzu gehört das Wissen über die Übereinstimmung der zugrundegelegten Modellauffassungen mit gesellschaftlich vorhandenen, wohlerwogenen Überzeugungen1 \ Aus diesen Annahmen über die Anwendungsverhältnisse der Gerechtigkeit ergibt sich die Notwendigkeit für Gerechtigkeitsprinzipien, unterschieden nach objektiven und subjektiven Bedingungen. -

Objektive Bedingungen sind Annahmen über gesellschaftlich-historische Bedingungen in modernen demokratischen Gesellschaften und ökonomisch-historische Bedingungen: (1) existiert eine Vielfalt widerstreitender Lehren (Faktum des Pluralismus). (2) dauert unter demokratischen Institutionen Pluralismus fort und kann (3) nur durch repressiven Gebrauch staatlicher Macht überwunden werden. (4) muß ein dauerhafter, stabiler demokratischer Staat sowie ein dauerhaftes stabiles Wirtschaftssystem von der überwiegenden Mehrheit zumindest der politisch oder ökonomisch aktiven Bürger und Unternehmen unterstützt werden. (5) herrschen einigermaßen günstige (administrative, ökonomische, technologische) Bedingungen, die Demokratie und ein „geregeltes" Wirtschaften ermöglichen, wie z.B. gemäßigte Knappheit an Rohstoffen und anderen Mitteln, ideale Konkurrenz, dezentrale Planung und Lenkung wirtschaftlicher Prozesse, die über Märkte mittels des Preismechanismus koordiniert werden. (6) ist es Faktum, daß es zahlreiche Möglichkeiten des

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 21 ; (1988), S. 5; Rawls (1980 a), S. 537f.

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Gewinns aus einer wohlorganisierten sozialen Kooperation gibt, sofern sie unter fairen Bedingungen stattfindet. Zusammengefaßt ist gesellschaftliche Zusammenarbeit nötig und möglich, da viele Beteiligte gleichzeitig in einem begrenzten Territorium leben, die über ähnliche physische und psychische Eigenschaften verfugen 1 \ -

Subjektive Bedingungen sind Annahmen zur Psychologie des Menschen, zum Verhalten von Unternehmen und Staaten: (1) können sich Menschen und Unternehmen neben der Befähigung zu individuellen Lebensplänen Konzeptionen von Gerechtigkeit und Fairneß aneignen und sind in der Lage, so zu handeln, wie diese Konzeptionen es verlangen. (2) sind die Menschen und die Unternehmen, wenn sie glauben, daß sowohl institutionell-gesellschaftliche Praktiken wie auch ökonomische Verhaltensweisen im Sinne dieser Konzeptionen gerecht oder fair sind, bereit und willens, ihren Beitrag zu diesen Einrichtungen zu leisten, vorausgesetzt, sie haben vernünftige Gründe dafür, anzunehmen, daß auch die anderen ihren Teil leisten. (3) Wenn andere Personen oder Unternehmen sich bemühen, ihren Anteil an gerechten und fairen Einrichtungen zu leisten, und diese Absicht erkennbar ist, dann neigen die Menschen und die Unternehmen dazu, ihnen gegenüber Vertrauen und Zuversicht zu entwikkeln. (4) Vertrauen und Zuversicht werden stärker und umfassender, wenn der Erfolg gemeinsamer Einrichtungen zur Kooperation über eine längere Zeit anhält und wenn schließlich (5) die grundlegenden gesellschaftlichen und ökonomischen Institutionen, die zur Sicherung unserer grundlegenden Interessen (der Grundrechte und -freiheiten) geschaffen wurden, beständig und bereitwillig anerkannt werden.

Zusammenfassend werden die Menschen und die Unternehmen als fähig zu vernünftigem Handeln und zur Beteiligung an fairer sozialer Kooperation erachtet. Sie haben ähnliche Bedürfnisse und Interessen, die eine gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit ermöglichen. Andererseits weisen sie eine konfliktträchtige Vielfalt an unterschiedlichen philosophischen, religiösen, politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Auffassungen auf und verfolgen unterschiedliche Lebenspläne und wirtschaftliche Absichten, die zu Ansprüchen an verfugbaren Mitteln fuhren, die mit Ansprüchen anderer konkurrieren können2 \

1 ) in Erweiterung von Rawls (1979), S. 148ff.; (1988), S. 126ff.; Rawls (1987), S. 4, Anm.7, u. S. 22, Anm.7. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 148ff.; (1988), S. 126ff.; Rawls (1987), S. 4, Anm.7, u. S. 22.

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Eine wohlgeordnete Weltgesellschaft/Weltwirtschaft ist als „Unternehmen der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil" 0 nicht nur durch Interessenharmonie dergestalt gekennzeichnet, daß jeder weiß, daß die gesellschaftliche und wirtschaftliche Zusammenarbeit allen ein besseres Leben ermöglicht, als wenn jeder auf sich allein gestellt wäre. Es herrscht auch ein Interessenkonflikt, der darin besteht, die Früchte der Zusammenarbeit zu verteilen, wobei jeder lieber einen größeren als einen kleineren Anteil anstrebt. Dieser Konflikt erfordert Verteilungsg r u n d s ä t z e 2 M i t dieser Beschreibung der wohlgeordneten Weltgesellschaft/ Weltwirtschaft ist das ideale Bild einer sozialen und wirtschaftlichen Gemeinschaft skizziert, das sich in den wohlerwogenen Überzeugungen eines demokratisch geprägten common sense wiederfindet. Diese Modellauffassung stellt die minimale, abstrakte und formale Beschreibung des idealen sozialen Lebens einer allgemein als ideal angesehenen Weltgesellschaft/Weltwirtschaft dar. 4.1.2.2 Die „vermittelnde" hypothetische Position als Repräsentation der Modellauffassungen. Operationalisierung der Rahmenbedingungen Ziel der folgenden Argumentation ist es, zwischen den vier philosophischen Modellauffassungen, derjenigen der moralischen Person, des moralischen multinationalen Unternehmens, des moralischen Staates und der wohlgeordneten Gesellschaft und ersten ethischen Prinzipien zu vermitteln. Als Ergebnis erscheinen die Vorstellungen einer Zusammenarbeit unter fairen Bedingungen sowie die Prinzipien gesellschaftlicher und ökonomischer Gerechtigkeit, die die Beziehung von Beteiligten, (multinationalen) Unternehmen innerhalb einer wohlgeordneten Weltgesellschaft/Weltwirtschaft bestimmen. Die hypothetische Position stellt den Versuch dar, die formalen und abstrakten Elemente unserer moralischen Überzeugungen, wie sie in den Modellauffassungen festgehalten wurden, darzustellen, zu vereinheitlichen und innerhalb einer operablen und anschaulichen „vermittelnden" Modellauffassung zur Bestimmung von ersten vernünftigen und allgemein akzeptierten Gerechtigkeitsprinzipien zu verwenden. Aber nicht nur die bisher genannten Modellauffassungen sind in der hypothetischen Position repräsentiert, sondern auch, wie sich zeigen wird, die Modellauffassung der wohlgeordneten Weltgesellschaft/Weltwirtschaft. Würde man den Schleier der Unwissenheit allein im Hinblick auf die Gewährleistung der fairen Entscheidungssituation konzipieren, wäre auch ein weniger „dichter" Schleier der Unwissenheit denkbar, der den Beteiligten nur diejenigen Kenntnisse vorenthielte,

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 149; (1988), S. 126. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 20, S. 148; zusätzlich S. 493ff; (1988), S. 4, S. 126f. und S. 453ff.

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die sie zur ihrem Vorteil verwenden könnten, so daß Kenntnisse über die Lebenspläne anderer, vorkommende gesellschaftliche Ungleichheiten, Begabungen, den Entwicklungsstand der Gesellschaft etc. verfugbar wären. Die konkrete Ausgestaltung von Lebensplänen, Ungleichheiten, Begabungen, Entwicklungsstand ist das Resultat einer existierenden Grundstruktur der Gesellschaft. Es ist gerade aber eine zukünftige Grundstruktur der Gesellschaft, über die fair entschieden werden soll und die vielleicht ganz andere Ausgestaltungen der Gesellschaft nach sich ziehen kann, so daß auch diese Informationen aus Fairneßgründen auszublenden sind. Diese Grundstruktur erfordert also einen dichten Schleier der Unwissenheit 0 . Die hypothetische Position ist in Anlehnung an RAWLS im Rahmen der internationalen Unternehmensethik, ausgehend von der Idee der Zusammenarbeit unter fairen Bedingungen, (1) Mittel zur Darstellung einer Situation, in der freie und gleiche Personen, Unternehmen und Staaten die Grundlagen ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit für grundlegende gesellschaftliche und ökonomische Institutionen festlegen, (2) Mittel der öffentlichen Reflexion und Selbstklärung, gibt sie doch die Möglichkeit, Rechenschaft darüber abzugeben, welche Überzeugungen vorhanden und welche Anforderungen an einen Begriff der Gerechtigkeit zu stellen sind, (3) Hilfsmittel zur Erreichung des reflexiven Gleichgewichts, d. h. die hypothetische Position ist also so zu formulieren, daß die gewünschte Lösung herauskommt. Trotz prinzipiell vieler Möglichkeiten, die hypothetische Position zu konkretisieren, stellt die Fairneß die einzige Konkretisierung vor, die sowohl den Kriterien der Vernünftigkeit genügt als auch im Einklang mit unseren moralischen Überzeugungen und damit im reflexiven Gleichgewicht steht2 \ Die Ausgangsposition der hypothetischen Position im Rahmen der internationalen Unternehmensethik lautet wie folgt: Wir stellen uns vor, daß diejenigen, die sich zu gesellschaftlicher und ökonomischer Zusammenarbeit vereinigen wollen, in einem gemeinsamen Akt Prinzipien wählen, nach denen Grundrechte und -pflichten und die Verteilung der gesellschaftlichen Güter bestimmt werden. Die Menschen, Unternehmen und Staaten sollen im voraus entscheiden, wie sie ihre Ansprüche gegeneinander regeln wollen und wie die Gründungsurkunde ihrer Weltgesellschaft/Weltwirtschaft aussehen soll. Ganz wie jeder Mensch und jedes Unternehmen durch vernünftige/rationale Überlegung entscheiden muß, was für ihn das Gute ist, d.h. das System der Ziele, die zu verfolgen für ihn vernünftig/rational ist, so muß die Gruppe der Betei1 ) vgl. Rawls (1978), S. 57f.; (1980 a), S. 549f. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 143; (1988), S. 121.

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ligten ein für allemal entscheiden, was ihnen als gerecht und ungerecht gelten soll. Die Entscheidung, die vernünftige/rationale Menschen, Unternehmen und Staaten in dieser theoretischen Situation der Freiheit und Gleichheit treffen würden, bestimmt die Grundsätze der Gerechtigkeit. Das Problem der Herleitung von Gerechtigkeitsgrundsätzen aus der hypothetischen Position hat ergeben, daß es keine Instanz gibt, die über die Frage entscheiden kann, ob ein sozialwissenschaftliche Modell „angemessener" ist als ein anderes. Vom wissenschaftshistorischen Standpunkt her scheint als einziger Maßstab und einzige Instanz der Konsens denkbar, genauer: das Modell der mehrheitlichen Zustimmung von informierten Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dieser Konsens weist den Vorteil auf, daß er unbeeinflußt vom Kulturegoismus und egozentrischen Sichtweisen bleibt, die hypothetische Position erscheint somit als ein Ausdruck der Unparteilichkeit 1 \ Im interkulturellen Kontext vermag diese Position allerdings nicht das Problem einer generellen Gültigkeit der abgeleiteten Prinzipien zu ge währleisten 2 \ Abbildung 28, S.227 verdeutlicht die für die internationale Unternehmensethik modifizierte hypothetische Position, die nun um Repräsentanten von Staaten und multinationalen Unternehmen in Analogie zu der Gerechtigkeit zwischen Staaten erweitert wurde. Die dargelegte hypothetische Position im Rahmen einer internationalen Unternehmensethik repräsentiert durch die zugrundegelegten Modellauffassungen auch die Modellauffassung einer wohlgeordneten Gesellschaft des Entwicklungslandes und des multinationalen Unternehmens. Letzteres ist auf eine Kooperation ebenso angewiesen wie die einzelnen Mitglieder dieser Gesellschaft, wenn es erwartet, daß es im Sinne RAWLS' in der Öffentlichkeit anerkannt und von jedem in seinem Verhalten akzeptiert wird 3 \ Das Rationale in der hypothetischen Position wird einmal durch ein rationales Entscheidungsverhalten aller Beteiligten, gegenseitiges Desinteresse, Unfähigkeit zum Neid, das vorrangige Interesse zur Ausübung der moralischen Fähigkeit repräsentiert, zum anderen durch die Liste von Grundgütern, wobei jetzt die Grundgüter des multinationalen Unternehmens mit einbezogen sind, worunter nicht nur die materiellen Güter im wirtschaftlichen Sinne sondern auch die immateriellen, wie Freiheit, zu verstehen sind. Im dritten Kapitel wurden sie zu den Kategorien Grundfreiheiten, Niederlassungsfreiheit und Freiheit der Berufswahl als Ausdruck vielfältiger gesellschaftlicher Chancen, Befugnisse und Vorrechte im Zusammen-

1 ) vgl. Kley (1986), S.308ff. 2 ) vgl. Kley (1986), S. 363ff. 3 ) vgl. Rawls (1985), S. 232.

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Die Modellauffassungen

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der wohlgeordneten Weltgesellschaft/Ökonomie der moralischen Person des moralischen Staates des moralischen multinationalen Unternehmens

Operationalisierung .vermittelnde" Modellauffassung der hypothetischen Position Das Rationale (rational), repräsentiert im Entscheidungsverhalten der Beteiligten der hypothetischen Position:

Das Vernünftige (reasonable) und die Grundzüge der wohlgeordneten Gesellschaft, repräsentiert in der Entscheidungssituation der hypothetischen Position:

Ziel: Förderung der Möglichkeit der individuellen Gestaltung des Lebensplanes bzw. der generellen und speziellen Absichten

Ziel: Förderung des Gerechtigkeitssinns (Fairneß) - operationalisierte Bedingungen: - Konzentration auf die Grundstruktur der Gesellschaft - Schleier der Unwissenheit als bekannt vorausgesetzt: - formale Bedingungen des Rechts - Anwendungsverhältnisse der Gerechtigkeit - Bedingung umfassender Öffentlichkeit

Voraussetzung: materielle und immaterielle gesellschaftliche Grundgüter Beurteilungskriterium: Verteilung der gesellschaftlichen Grundgüter

y





faire Entscheidungssituation Abbildung 28: Die „vermittelnde" Modellauffassung der hypothetischen Position und ihre wichtigsten Elemente im Rahmen der internationalen Unternehmensethik im Überblick

hang mit Ämtern und Positionen der politischen und ökonomischen Institutionen, Schaffung von Einkommen und Vermögen und den gesellschaftlichen Prämissen der persönlichen Selbstachtung zusammengefaßt. An dieser Stelle soll zur besseren Verdeutlichung und Herausarbeitung des Argumentationsgangs eine Be227

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schränkung der Liste der Grundgüter auf die der Freiheit und Gleichheit erfolgen, um dem Ideal einer logisch-deduktiven Argumentation näher zu kommen. Dabei unterscheiden sich die Grundgüter des multinationalen Unternehmens wenig von denen der Mitglieder der Gesellschaft eines Entwicklungslandes: Bewegen sich die materiellen Grundgüter auch in völlig anderen Größenordnungen, so unterscheiden sich die immateriellen Grundgüter nur wenig voneinander, sie sind für den Erfolg und die Entwicklung des multinationa- len Unternehmens ebenso erforderlich wie für das Individuum eines Entwicklungslandes. Somit muß auch das multinationale Unternehmen an einer gesellschaftlichen Kooperation interessiert sein, sofern es sich als Mitglied der Gesellschaft verstanden wissen und sich nicht auf die Autorität des Staates berufen will. Als Kriterium für das Rationale bzw. als Entscheidungskriterium zur Beurteilung von Gerechtigkeitsprinzipien dient die Verteilung der Grundgüter. Jeder der Beteiligten versucht, sich einen möglichst großen Anteil an den Grundgütern zu sichern. Dabei bejaht jeder die Bedingungen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit unter dem Vorbehalt, daß auch die anderen diese anerkennen. Die damit verbundenen individuellen Vorstellungen über die Vor- und Nachteile der Kooperation werden von RAWLS als „das Vernünftige" bezeichnet1 \ Ansprüche auf Vorteile der Kooperation begründen gleichzeitig die Übernahme angemessener Lasten2 \ Will sich das multinationale Unternehmen als ein akzeptiertes Mitglied der Gesellschaft verstehen, wird es in der Lage sein, entsprechend vernünftige Vorstellungen darüber zu entwickeln, wie eine allseitig akzeptable Verteilung der Grundgüter auszusehen hat. Das Vernünftige kommt hier durch den Schleier des Nichtwissens und die Konzentration auf die Grundstruktur der Ökonomie und der Gesellschaft zum Ausdruck, gegeben durch (1) formale Anforderungen des Rechts, d.h. Prinzipien sind allgemein, universell, uneingeschränkt anwendbar, gültig für jeden Beteiligten, öffentlich bekannt, bringen konkurrierende Ansprüche in eine Rangfolge und sind als letzte verbindliche Instanz für alle Beteiligten endgültig, (2) Anwendungsverhältnisse der Gerechtigkeit und (3) umfassende Öffentlichkeit. Diese Komponenten sind sowohl für den einzelnen als auch für das multinationale Unternehmen bindend. Prinzipiell dürfen die inneren und äußeren Bedingungen der hypothtischen Position auch auf das multinationale Unternehmen als moralischen Akteur angewendet werden. Kritisch erscheint hier zunächst die Prämisse des Schleiers der Unwissenheit. Bezogen auf die im dritten Kapitel dargelegte Liste der Grundgüter, dürfte über den Mitgliedern einer Gesellschaft eines Entwicklungslandes

1 ) vgl. Rawls (1985), S. 232. 2 ) vgl. Rawls (1985), S. 232.

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ein wesentlich dichterer, realer Schleier der Unwissenheit liegen als über dem multinationalen Unternehmen. Dieses Informationsdefizit ist jedoch einerseits ebenso in der Gesellschaft selbst auszumachen, andererseits wurde die Liste der Grundgüter hier derart beschränkt, daß dieses Defizit vor dem Hintergrund der ideellen Werte weitgehend ausgeblendet wird und schließlich ist diese theoretische Prämisse lediglich als Hilfsmittel einer normativen Entscheidungsfindung anzusehen. Die Freiheit wird dadurch repräsentiert, daß die beteiligten Personen und Unternehmen innerhalb der hypothetischen Position keiner Rechtfertigungspflicht für ihr Verhalten unterliegen, nur an die Verfolgung ihrer Interessen unter den erwähnten Einschränkungen gebunden sind, nicht aber an irgendwelche übergeordnete Werte wie die Wahrhaftigkeit 1 \ Die Gleichheit der Beteiligten wird durch deren identische Beschreibung als moralische Personen und moralische Unternehmen repräsentiert. Der Schleier der Unwissenheit sorgt dafür, daß bei allen Beteiligten in gleichem Maße nur die moralischen Fähigkeiten zum Tragen kommen und bei den moralischen Personen die individuellen Unterschiede an Intelligenz, Status, Vermögen ausgeblendet werden, bei den moralischen multinationalen Unternehmen die diversen Unternehmensdaten wie Größe, Anzahl der Auslandsniederlassungen, Branche, Produktinformationen, Technisches Know-How. Diese symmetrische Anordnung der Beteiligten spiegelt die Vorstellung der fairen Übereinkunft wider und damit die Art, wie sich die Mitglieder einer wohlgeordneten Gesellschaft und ihre Beziehungen untereinander betrachten 2 Diese Prämisse ist auf das multinationale Unternehmen als moralischen Akteur nicht weniger übertragbar als auf die übrigen Mitglieder der Gesellschaft. Es existiert demzufolge in der hypothetischen Position auch ein symmetrisches Verhältnis zwischen der moralischen Person und dem moralischen multinationalen Unternehmen. Damit erscheint RAWLS' Modellauffassung der hypothetischen Position auch unter Einbezug des multinationalen Unternehmens weiterhin als gültige Operationalisierung denkbar.

4.1.2.3 Herleitung von Prinzipien „ökonomischer Verteilungsgerechtigkeit" aus der Position der unparteiischen Wahl Die Prinzipien gesellschaftlich-ökonomischer Verteilungsgerechtigkeit bilden den normativen Kern der internationalen Unternehmensethik, von dem aus weitere, konkretere Verhaltensgrundsätze entwickelt bzw. weitere reflexive Gleichgewich1 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 548. 2 ) vgl. Rawls (1978), S. 57f.; Rawls (1980 a), S. 550ff.

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te erlangt werden können. Zuvor aber ist bei der Herleitung der Prinzipien wie schon bei RAWLS aufzuzeigen: 1) daß die Gerechtigkeitsprinzipien überhaupt eine mögliche plausible Lösung des Entscheidungsproblems in der hypothetischen Position darstellen. 2) auf welche Gerechtigkeitsprinzipien sich die Beteiligten einigen, bzw. welche der vorgegebenen Prinzipien mit den in der hypothetischen Position repräsentierten Rahmenbedingungen am ehesten übereinstimmen. Idealerweise sollte die Herleitung von Prinzipien aus einfachen Voraussetzungen über Ansichten und Interessen der Beteiligten, ihre Lage und Möglichkeiten erfolgen, d. h. als zwingende Lösung für das beschriebene Entscheidungsproblem. Dieses Ideal muß aber mehr intuitiven Gedankengängen weichen. An die Stelle strenger Deduktion tritt eine Liste alternativer Gerechtigkeitsvorstellungen, die den Beteiligten in der hypothetischen Position vorgelegt wird, und aus der diese einstimmig eine, ihre Interessen am besten fördernde, Gerechtigkeitsvorstellung auswählen1 > (vgl. Abbildung 29, S. 231). ad 1): Die Plausibilität der RAWLS'schen Prinzipien als mögliche Lösung des Entscheidungsproblems in der hypothetischen Position der internationalen Unternehmensethik gründet, analog zu den Ausführen im dritten Kapitel, auf dem rationalen Entscheidungsverhalten der Beteiligten. Diese halten es zuerst für rational, für ein striktes Prinzip der Gleichverteilung von Freiheiten, Chancen, Einkommen und Vermögen zu plädieren, d. h. für RAWLS in minimaler Weise modifiziertes erstes Prinzip. Danach wird den wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Umständen der Gesellschaft Rechnung getragen, ohne aber den für die Wahrnehmung der moralischen Fähigkeiten unbedingt notwendigen Vorrang der Freiheit und Chancengleichheit aufzugeben. Verschiedene Umstände lassen eine für alle vorteilhafte Ungleichverteilung von Einkommen, Vermögen, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten denkbar erscheinen, und die Beteiligten gelangen so zum Differenzprinzip, das eine Argumentation der besser Gestellten gegenüber den schlechter Gestellten beinhaltet2 Ziel im Rahmen der internationalen Unternehmensethik ist es, durch den Blickwinkel der Beteiligten in der hypothetischen Position mittels Paarvergleich von alternativen Gerechtigkeitsvorstellungen zu einer Evaluation der von RAWLS' vorgeschlagenen Prinzipien zu gelangen. Die Beteiligten sind auch innerhalb der 1 ) vgl. Rawls (1979), S. 144ff.; (1988), S. 122ff.; Damit wird nicht notwendigerweise die beste denkbare Lösung gefunden, denn die muß in der Liste j a nicht enthalten sein, es wird aber mit diesem "schwächeren" Verfahren wenigstens eine Lösung des Entscheidungsproblems garantiert. 2 ) vgl. Rawls (1980), S.201ff.

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A. Die RAWLSschen Grundsätze 1. Der Grundsatz der größtmöglichen gleichen Freiheit: Jedes Mitglied der Gesellchaft hat gleiches Recht auf ein angemessenes System gleicher Grundfreiheiten, das für alle möglich ist. 2.

Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten müssen folgendermaßen beschaffen sein: (a) Differenzprinzip: sie müssen den am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil bringen, und (b) Der Grundsatz der (fairen) Chancengleichheit: sie müssen mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die allen gemäß fairer Chancengleichheit offenstehen.

B. Diskursethik 1. Prinzip der Verallgemeinerung im Rahmen der idealen Kommunikationsgemeinschaft 2. Diskursiv-solidarische Vernunftsethik C. Klassische teleologische Auffassungen des Utilitarismus 1. Das klassische Nutzenprinzip 2. Das Prinzip des Durchschnittsnutzens D. Erwerbswirtschaftliches Prinzip 1. Mit gegebenem Input ist ein Maximum an Output zu erreichen bzw. mit minimalem Input ein gegebener Output. 2. Unter allen Umständen ist der materielle wie immaterielle Gewinn zu maximieren. E. Theologische Auffassungen 1. Christentum 2.

Islam

3.

Hinduismus

F. Sozialdarwinismus 1. Der Kampf ums Dasein führt zum Überleben der Besten. 2. Daraus entstehende Ungleichheiten und Ungleichwertigkeiten sind zu akzeptieren, da sie langfristig das Überleben der Menschheit/Gesellschaft sichern. Abbildung 29: Liste zur Auswahl stehender Gerechtigkeitsvorstellungen im Rahmen der internationalen Unternehmensethik

internationalen Unternehmensethik

rational autonome Interessensvertreter

der

Mitglieder der wohlgeordneten Gesellschaft und bestrebt, die beste Übereinkunft für die von ihnen vertretenen Mitglieder zu erreichen; konkret, deren individuelle, vielfältigen

Lebenspläne/Absichten prinzipiell weitestgehend zu fordern.

Der

Schleier der Unwissenheit versagt den Repräsentanten aber sowohl die Kenntnis ihrer Position in der Gesellschaft, als auch die Kenntnis über die Inhalte der Lebenspläne/Absichten der Mitglieder, die sie vertreten. Sie wissen nur, daß eine Vielfalt von Lebensplänen/Absichten existiert. Deshalb einigen sich die Repräsen231

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tanten auf diejenige Gerechtigkeitsprinzipien aus der vorgegebenen Liste, von der sie rational annehmen können, daß sie die inhaltlich festumrissenen, aber ihnen unbekannten Lebenspläne/Absichten der Mitglieder in dem Sinn fördern, daß sie die Verwirklichung der moralischen Fähigkeiten begünstigen0. Die Förderung dieser Fähigkeiten ist von der Verfügbarkeit über Grundgüter abhängig, sodaß sich Repräsentanten in der hypothetischen Position diese so verteilt wünschen, daß allen Mitgliedern der wohlgeordneten Gesellschaft die Entwicklung und Ausübung der moralischen Fähigkeiten möglich wird. Mit der Verteilung der Grundgüter als Entscheidungskriterium verständigen sich die Repräsentanten zuerst auf ein Prinzip, daß bestimmte Grundfreiheiten garantiert und vor allen anderen Prinzipien Vorrang hat. Die Repräsentanten gehen davon aus, daß Prinzipien, welche die moralischen Fähigkeiten der Mitglieder der wohlgeordneten Gesellschaft fördern, auch den je individuellen Lebensplänen/Absichten dienen2 \ Für die Plausibilität der RAWLS'sehen Gerechtigkeitsprinzipien und deren Wahl durch die Repräsentanten innerhalb der internationalen Unternehmensethik sprechen verschiedene Gründe, die in enger Beziehung zu den beiden moralischen Fähigkeiten stehen: a) rationale Gründe (Verfolgung des Lebensplans) In Analogie zu RAWLS 3 } beschränken wir uns hier auf die Angabe von Gründen für die Notwendigkeit und den Vorrang der Gewissensfreiheit, als besonders auch für die Fragestellungen der internationalen Unternehmensethik bedeutsame Grundfreiheit. Die Beteiligten verfügen über, hinter dem Schleier der Unwissenheit verborgene, individuell verschiedene, konkrete, religiöse, philosophische, ökonomische und moralische Ansichten (Faktum des Pluralismus), wissen aber nicht, ob ihre konkreten Ansichten Mehrheits- oder Minderheitsansichten darstellen. Nehmen sie aber individuelle Ansichten als wichtigen Bestandteil der moralischen Beteiligten ernst, einigen sie sich, sofern in der Vorschlagsliste ein solches Prinzip existiert, auf das Prinzip, daß gleiche Gewissensfreiheit für alle Beteiligten garantiert, und lassen dieses auch nicht durch andere Prinzipien einschränken. Die Fähigkeit zur Entwicklung und Verfolgung individueller Lebenspläne/Absichten stellt ein Mittel dar, mit Hilfe dessen die Beteiligten in Phasen der Umformulierung der Lebenspläne/Absichten oder der Revidierung der bisher angestrebten Ziele, in der Lage sind, sich neue Ziele zu setzen oder einen neuen konkreten Lebensplan zu formulieren. Dies setzt aber Gewissensfreiheit voraus, da sonst, z. B.

1 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 19ff. 2 ) vgl. Rawls (1982 a). S. 39. 3 ) v g i : Rawls (1982 a), S.25ff.

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durch weltanschauliche Beschränkungen, die freie Entfaltung des individuellen Lebensplans oder der Unternehmensabsicht verwehrt werden kann. Sind die Mitglieder der wohlgeordneten Gesellschaft aber der Ansicht, daß die Fähigkeit der Entwicklung und Ausübung eines Lebensplanes die konkreten Lebenspläne fördert, werden sie die Gewissensfreiheit als Grundfreiheit ansehen und ihr Priorität verleihen. b) vernünftige „reasonable" Gründe (Gerechtigkeitssinn) Wie gesagt werden die Repräsentanten nur durch die Überlegung geleitet, wie sie die Entwicklung und Ausübung der Fähigkeit, daß Leben nach individuellen Vorstellungen/Absichten zu gestalten - sei es als Mittel oder Bestandteil konkreter Lebenspläne - weitestgehend fördern können. Als rational autonome Repräsentanten richten sie unter dem Schleier der Unwissenheit ihr Interesse ausschließlich darauf, den einzelnen Trägern eines Lebensplanes möglichst viele Vorteile zukommen zu lassen. Vor diesem Hintergrund sprechen vor allem drei Gründe für die Wahl der RAWLS-Prinzipien durch die Beteiligten in der hypothetischen Position, unter dem besonderen Blickpunkt der Entwicklung und Ausübung der Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn und der wirksamen Förderung der vielfältigen Lebenspläne/Absichten der Mitglieder einer wohlgeordneten Gesellschaft. Der erste Grund für die Beteiligten sich auf Prinzipien zu einigen, die die Grundfreiheiten sichern und diesen absoluten Vorrang einräumen, ist der damit verbundene Effekt der Stabilität. Eine stabile Form gesellschaftlicher Zusammenarbeit hat große Vorteile für die Entwicklung individueller Lebenspläne/Absichten ihrer Mitglieder und der multinationalen Unternehmen. Diese Stabilität wird durch die öffentlich bekannte und allen gemeinsame Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn gewährleistet, die alle Individuen und Unternehmen zur Einhaltung der gesellschaftlichen Regeln veranlaßt. Der andere Weg gesellschaftliche Stabilität zu gewährleisten, wäre ein aufwendiges System von Sanktionsmaßnahmen für den Fall der Regelmißachtung, was aber nicht vor Machtmißbrauch schützt, enorme gesellschafitlich-ökonomische Ressourcen bindet und die Entfaltung individueller Lebenspläne/Absichten behindert. Die Beteiligten prüfen die verschiedenen Gerechtigkeitsvorstellungen darauf, wie diese die für eine stabile Zusammenarbeit notwendige Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn unterstützen, bzw. entwickeln helfen. Dasjenige Prinzip erhält den Vorzug, das die Entwicklung und Ausübung der Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn am wirksamsten sichert, und damit die größte komparative Stabilität gewährleistet. Die stabilste Gerechtigkeitsvorstellung ist diejenige, die der Vernunft einleuchtet,

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mit unserem Wohl im Einklang steht und sich auf Selbstbestätigung aufbaut 1 \ und das sind in der gegebenen Liste der Gerechtigkeitsvorstellungen die RAWLS' sehen Prinzipien. Der zweite Grund für die Wahl der RAWLS'sehen Gerechtigkeitsprinzipien ergibt sich mit dem Begriff der Selbstachtung (self-respect) 2 \ Selbstachtung ist die Voraussetzung für die Möglichkeit, die zwei moralischen Fähigkeiten zu entwickeln. Ohne Selbstachtung geben die Mitglieder der Gesellschaft die Verfolgung ihrer Lebenspläne/Absichten, bzw. deren Entwicklung und Verwirklichung auf und verfallen in Resignation und Passivität. Die Repräsentanten in der hypothetischen Position befürworten daher gesellschaftliche Verhältnisse, die es den Mitgliedern ermöglicht, Selbstachtung zu besitzen und ihre Lebenspläne/Absichten zu verfolgen. Sie wählen daher Gerechtigkeitsprinzipien, die die Selbstachtung des einzelnen wirksam stützen. Grundfreiheiten unterstützen das Selbstvertrauen, garantieren sie doch allen die umfassenden Entwicklung und Ausübung der beiden moralischen Fähigkeiten. Das Selbstwertgefühl wird durch die öffentliche Garantie der Grundfreiheiten und deren allgemeine Anerkennung durch die Mitglieder gestützt. Mit der öffentlichen allgemeinen Anerkennung der Grundfreiheiten ist gleichzeitig die gegenseitige Anerkennung als vernünftige und vertrauenswürdige Mitglieder, sowie die Anerkennung des hohen Wertes des individuellen Lebensplanes/ Absicht für das jeweilige Mitglied verbunden. Die Grundfreiheiten der RAWLS' sehen Gerechtigkeitsprinzipien tragen der Notwendigkeit der Selbstachtung mehr als alle alternativen Gerechtigkeitsvorstellungen Rechnung. Der dritte Grund für die Wahl der Prinzipien im Hinblick auf den Gerechtigkeitssinn entspringt der Konzeption der wohlgeordneten Gesellschaft als sozialer Gemeinschaft der sozialen Gemeinschaften (social union of social unions). In der wohlgeordneten Gesellschaft können die Mitglieder Fähigkeiten, die sie selbst nicht entwickelt haben oder ausüben können, bei anderen Mitgliedern entfaltet sehen, und somit eine Bereicherung ihrer individuellen Lebenspläne erfahren. Die Möglichkeit der „Teilnahme" an der Gesellschaft versetzt den Menschen über seine individuellen Fähigkeiten hinaus in die Lage, durch die in der Gesellschaft vorhandene Summe verschiedenster Fähigkeiten und Begabungen eine Förderung seines konkreten individuellen Lebensplanes zu erhalten 3 Gleiches gilt für Unternehmen. Somit ist es plausibel, daß die Repräsentanten in der hypothetischen Position an der Wahl von Prinzipien interessiert sind, die eine derartig gestaltete Gesellschaft ermöglichen. Prinzipien, die eine solche Gesellschaft ermöglichen, müs-

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 541; (1988), S. 499; (1982 a), S. 31. 2 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 32; Rawls (1979), S. 479; (1988), S. 440. 3 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 35f.; Rawls (1988 a), S. 270.

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sen mit dem Ideal freier und gleicher Individuen (citizens as free and equal persons) aber auch dem Gedanken der Gegenseitigkeit (reciprocity) im Einklang stehen, bzw. diese berücksichtigen. Die von RAWLS vorgeschlagenen Gerechtigkeitsprinzipien erfüllen diese Bedingungen, weshalb sie von den Repräsentanten in der hypothetischen Position gewählt werden, und damit - wieder durch die beiden moralischen Fähigkeiten insbesondere den Gerechtigkeitssinn als dem Mittel - eine Förderung der individuellen Lebenspläne erzielen1 ad 2): In der Argumentation für die Überlegenheit der RAWLS-Prinzipien gegenüber anderen in der Liste enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen spielen im Rahmen der internationalen Unternehmensethik zwar verschiedene zur Plausibilität der RAWLS-Prinzipien bereits herangezogene Gesichtspunkte eine Rolle, die folgende Argumentation bezieht sich dennoch im wesentlichen auf die Beteiligten der hypothetischen Position. Zur Evaluierung des Vorzuges der RAWLSschen Gerechtigkeitsprinzipien gegenüber anderen Vorstellungen bedienen sich die Repräsentanten in der hypothetischen Position des Paarvergleiches 2 \ Die RAWLSsche Theorie der Gerechtigkeit konkurriert mit anderen Ethiken bzw. „Nicht-Ethiken" 3 ) . RAWLS selbst hat seine Auflistung von Gerechtigkeitsvorstellungen 4 ) mit einem Schwerpunkt auf den utilitaristischen Modellen gestaltet, weil seine Kritik sich hauptsächlich gegen diese richtet. Es zeigt sich, daß sowohl Theorien bzw. Ethikentwürfe mit einem hohen Gehalt an expliziten Wertvorstellungen als auch solche, die weitgehend auf sie verzichten oder sogar ihre Unmöglichkeit postulieren, weder der RAWLSschen Position noch anderen allgemein anerkannten Prinzipien von Gerechtigkeit entsprechen. Die Schwachpunkte der wichtigsten Theorien und Ethik-Entwürfe bezüglich der Herleitung einer ökonomischen Verteilungsgerechtigkeit seien im folgenden kurz erläutert. Die Vorgehensweise des Paarvergleiches bringt es mit sich, daß die Begründung des Vorzuges bzw. Nachteils von Prinzipien unmittelbar mit der jeweiligen Alternative zusammenhängt.

4.1.2.3.1 Theologisch begründete Ethiken Theologisch begründete Ethiken weisen im wesentlichen die folgenden Probleme auf, die sich insbesondere vor dem Hintergrund des Engagements multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern bezüglich der Ableitung einer ökonomischen Verteilungsgerechtigkeit als hinderlich erweisen:

1 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 37f.; Rawls (1979), S. 565f.; (1988), S. 520ff. 2 ) vgl. Rawls (1974 a), S. 142. 3 ) Damit ist die Behauptung der Nicht-Möglichkeit von Ethik für einen bestimmten Bereich gemeint. 4 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 189f.

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-

An die Stelle der Evidenz bestimmter Wahrheiten und Prinzipien tritt eine Offenbarung, die geglaubt werden muß, was im Falle des Nicht-Glaubens zu einer Schwächung der durch Evidenz einsichtigen Fakten fuhren kann und den Personenkreis verringert, der sich auf bestimmte Wahrheiten und Prinzipien zu einigen imstande ist.

-

Religionen oder Konfessionen sind oft kulturell oder ethnisch stark gebunden, auch wenn einige unter ihnen einen Anspruch auf Universalität erheben. Eine Verständigung unter allen vernünftig und gerecht denkenden Menschen wird dadurch erschwert.

-

Von Theologie zu Theologie verschieden stark fällt die Verpflichtung aus, bestimmte Glaubenssätze zu akzeptieren. Auf jeden Fall kann eine theologisch gegründete Ethik zu einer Einschränkung rationaler Diskurse fuhren.

-

Dort, wo ein universeller Anspruch erhoben wird, tritt dieser möglicherweise an die Stelle freier Kommunikation über Prinzipien der Gerechtigkeit, Freiheitsrechte und andere Themen. Dabei kommt es zu Konflikten zwischen unterschiedlichen religiös begründeten Ethiken, u. a. wenn die jeweilige Religion oder Theologie Absolutheitsansprüche erhebt.

Die Beteiligten in der hypothetischen Position werden auf Grund dieser Überlegungen den RAWLS-Prinzipien gegenüber theologischen Ethiken den Vorrang geben, denn erstere nehmen das Faktum des Pluralismus ernst und erlauben innerhalb der Gesellschaft die Verfolgung unterschiedlicher Religionen und, darin eingeschlossen, auch die Verfolgung am theologisch-ethischen Gehalt orientierter individueller Lebenspläne. Dies wäre im Fall der Wahl einer theologischen Ethik als Grundlage der wohlgeordneten Gesellschaft problematisch, denn Islam wie Christentum verfolgen letztlich einen mit dem Faktum des Pluralismus unvereinbaren Anspruch auf letztgültige Wahrheit/Offenbarung, auch wenn diese Religionen im Rahmen einer möglichen Toleranz Andersdenkende integrieren könnten. Doch gerade heute ist wenig plausibel, daß an Offenbarungen gekoppelte Ethiken im gesellschaftlichen Konsens mehrheitsfähig sein sollen. Unter dem Gesichtspunkt der Vertragstreue können sich manche theologischen Ethiken als bedenklich erweisen, denn der Gerechtigkeitssinn bindet die Mitglieder der wohlgeordneten Gesellschaft später an die endgültigen Vereinbarungen, d. h. setzt voraus, die gefundenen Prinzipien grundsätzlich auch einhalten zu können. Wenn z.B. der Islam als Grundlage der Gesellschaft gewählt würde, könnte einem Christen das Leben in dieser Gesellschaft so schwierig gemacht werden, daß er seine Selbstachtung verlöre, denn er könnte den Eindruck gewinnen, daß sein individueller Lebensplan in einer islamisch geprägten Gesellschaft nicht wert wäre, verfolgt zu werden. Auch der Hinduismus könnte aufgrund seiner Kasten236

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struktur zu unannehmbaren Folgen und unzumutbaren Einschränkungen der Lebenspläne und der Ausübung des Gerechtigkeitssinns fuhren. Der demzufolge eventuelle dauerhafte Verzicht einzelner Mitglieder auf die Früchte und Vorteile gesellschaftlicher Zusammenarbeit hat die Folge, daß die Ausübung und Entwicklung der Fähigkeit zum Gerechtigkeitsinn unterbunden wird, was wiederum unter der Bedingung der umfassenden Öffentlichkeit zu einer instabileren Gesellschaft fuhrt als bei den RAWLS-Prinzipien. Schließlich fuhrt die umfassende Anerkennung der RAWLS-Prinzipien zu einer stärkeren allgemeinen Unterstützung des Selbstwertgefuhls und der Selbstachtung der Mitglieder, als dies bei einer theologisch fundierten Ethik der Fall wäre. 4.1.2.3.2 Der Sozialdarwinismus und das erwerbswirtschaftliche Prinzip Eine weitgehende Abwesenheit ethischer Gehalte hingegen, wenn nicht sogar deren explizite Negierung, zeichnet den Sozialdarwinismus aus, der dadurch von seinen eigenen Prämissen her untauglich zur Ableitung von Prinzipien ökonomischer oder anderer Verteilungsgerechtigkeit erscheint. Differenzierter hingegen muß die Frage nach Unmöglichkeit oder Möglichkeit einer Unternehmens- bzw. Wirtschaftsethik beantwortet werden. Unternehmer, Wirtschaftswissenschaftler und Philosophen sind sich, wie gezeigt, bei der Antwort nicht einig, wobei es sogar Unternehmer sind, die die Möglichkeit einer Unternehmensethik gegen bestimmte wirtschaftswissenschaftliche Positionen vertreten 0 . Jedenfalls wird ein Verzicht oder eine Absage an Unternehmensund Wirtschaftsethik nicht zur Formulierung von Gerechtigkeitsprinzipien fuhren können. Auch eine Beschränkung der Rechtfertigung wirtschaftlicher Aktivitäten oder unternehmerischen Handelns durch den Verweis auf das Gewinnprinzip 2 ) oder eine vorgeblich wertneutrale bzw. fur sich abgegrenzt existierende Unternehmensethik 3} befriedigen nicht, denn entweder würden Wirtschaft und Unternehmen dann innerhalb einer wohlgeordneten Gesellschaft als Exklaven existieren oder neben ihr stehen und einen ethischen, oder vielmehr nicht-ethischen, Sonder-

1 ) Edzard Reuter z.B. schreibt in seinem 1986 erschienenen Buch "Vom Geist der Wirtschaft": "Wirtschaftsunternehmungen sind mehr als Instrumente einer partikularen Verstandesleistung von Technokraten. Der Zweck ihres Handelns muß moralisch verstanden und darf moralisch, nicht nur wirtschaftsstatistisch bewertet werden." Im weiteren stellt Reuter an den Untemehmensfiihrer die Anforderung, Unternehmen als "Instrumente aufklärerischer Vernunft zu verstehen", S. 212; zitiert nach Steinmann/Löhr (1988), S. 299. 2 ) vgl. Schneider (1990), S. 869ff. 3 ) vgl. Steinmann/Löhr (1988), S. 300; Ulrich (1987).

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status beanspruchen. Ein derartiger Status erscheint jedoch kaum erreichbar, da es die Mitglieder der Gesellschaft selbst sind, aus denen sich ein Unternehmen zusammensetzt. Doch selbst wenn die Unternehmen sich auf diesen Status zurückziehen wollten, kämen sie nicht gänzlich ohne Ethik aus, da sie sich im Rahmen der Wirtschaft in einem engen Beziehungsgefuge befinden, welches dem der Gesellschaft stark ähnelt. Darin erscheinen das Gewinnprinzip und die rechtlichen Rahmenbedingungen als Koordinationsinstrument allein ebenso wenig ausreichend wie für die gesellschaftliche Kooperation. Schließlich stellen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen nichts anderes dar als das schriftlich fixierte, allgemein anerkannte Resultat vergangener Kooperationsbemühungen. Sie wurden notwendig, gerade weil sich das Gewinnprinzip allein nicht als ausreichend erwies. Zieht man RAWLS' Liste der Grundgüter heran, wird deutlich, daß diese die bestehende Gesetzgebung deutlich geprägt haben: In zahlreichen Gesetzestexten genießen Unternehmen zur Sicherung ihrer Grundgüter den gleichen Status wie Personen. Dort, wo diese Gesetze nicht mehr greifen, wurden eigene geschaffen, um den Unternehmen Grundgüter zu sichern, die denen der Mitglieder einer Gesellschaft entsprechen, so etwa im Gesetz zur Beschränkung des Wettbewerbs. Im übrigen kann auch hier, gemessen an den beiden moralischen Fähigkeiten, davon ausgegangen werden, daß weder dem reinen erwerbswirtschaftlichen Prinzip noch dem Sozialdarwinismus gegenüber den RAWLS-Prinzipien durch die Beteiligten in der hypothetischen Position der Vorzug gegeben würde. Denn sowohl das erwerbswirtschaftliche Prinzip wie auch der Sozialdarwinismus können einmal zur unannehmbaren Konsequenz führen, daß es manchen Mitgliedern der Gesellschaft auf Dauer unmöglich gemacht wird, ihre moralischen Fähigkeiten auszuüben, weil sie den Eindruck gewinnen müßten, daß ihre konkreten Lebenspläne es nicht wert seien, verfolgt zu werden. So erlaubt das streng erwerbswirtschaftliche Prinzip als gesellschaftliches Prinzip keinerlei alternative, z. B. altruistische, vom Maximierungsgedanken entfernte, unter Umständen auf Kontemplation gerichtete Lebenspläne/Absichten, bzw. diese wären nicht gesellschaftsfähig. Der Sozialdarwinismus hingegen fuhrt in der letzten Konsequenz zu einer möglicherweise extremen Ungleichverteilung der Grundwerte, allein aus dem abstrakten Gedanken der Erhaltung der Art, mit der Folge, daß letztlich jede noch so extreme Ungleichverteilung gerechtfertigt werden kann. Eine extrem ungleichgewichtigte Gesellschaft wäre aber auf Dauer höchst instabil unter der Bedingung der umfassenden Öffentlichkeit und dem Aspekt der Selbstachtung.

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4.1.2.3.3 Utilitaristische Positionen Schon im dritten Kapitel ist auf die Vorzüglichkeit der RAWLS-Prinzipien gegenüber den verschiedenen Konzepten des Utilitarismus eingegangen worden, so daß wir uns hier im Rahmen der internationalen Unternehmensethik einem weiteren Aspekt widmen können. Hinsichtlich dieser Entwürfe soll die RAWLSsche Kritik hier noch einmal im Zusammenhang mit der Position der „unparteiischen Wahl von Prinzipien gesellschaftlicher Gerechtigkeit" 0 aufgegriffen werden, wie sie bei KLEY ausführlich und im Dialog mit RAWLS formuliert wird. Laut KLEY ist eine Wahl dann unparteiisch, wenn dabei die Interessen aller Betroffenen gleichermaßen berücksichtigt werden 2*. Allerdings stellt sich das Problem, die Unparteilichkeit der Wahl nachprüfen zu können, wozu es einer „Begründungsprozedur" 0 bedürfte, die konkreter und damit besser durchschaubar und nachprüfbar ist. RAWLS' hypothetische Position ist ein Beispiel für eine solche Prozedur. Das utilitaristische Kalkül bezieht zwar zu Beginn die Interessen aller ein, „verrechnet sie jedoch interpersonell" 4* und beachtet damit die Verteilungsgerechtigkeit nicht im einzelnen. KLEY warnt davor, Unparteilichkeit so zu verstehen, als könne oder solle man „alle Interessen völlig losgelöst von ihren Trägern" 0 betrachten. Manche Rechte sind von der Person nicht zu trennen, z.B. der Anspruch auf den Schutz der Privatsphäre oder die persönliche Freiheit. Weder nach der sogenannten Goldenen Regel noch nach dem kontraktualistischen Test, so KLEY, taugt der Utilitarismus 6*. Da beide Tests jedoch sehr ungenau sind, will KLEY sie gar nicht in concreto anwenden. Im weiteren zitiert er zwar die RAWLSsche Formel, daß eine unparteiische Wahl dann gegeben sei, wenn man sich vorstelle, daß einem ein persönlicher Feind den Platz in der Gesellschaft zuweise7*, hält diese Methode jedoch aus „grundsätzlichen Erwägungen (für) unbrauchbar" 8*. Jedoch halten weder RAWLS noch KLEY das Vorgehen für besonders geeignet, nur die Lage der in einer Gesellschaft jeweils am schlechtesten Gestellten zu betrachten, solange diese absolut gesehen nicht besonders schlecht ist. Ein differenziertes Vorgehen ist gefordert, für das es jedoch Grenzen gibt. Vereinfachungen, über die dann diskutiert werden kann, sind notwendig. Zur Klärung

1 ) Kley (1986), S.294ff. 2 ) vgl. Kley (1986), S. 294f. 3 ) Diesen Begriff übernimmt Kley von Tugendhat (1980), S. Iff. 4 ) Kley (1986), S. 296. 5 ) Kley (1986), S.297. 6 ) vgl. Kley (1986), S. 297f.; Scanion (1982), S. 103ff. 7 ) vgl. Kley (1986), S. 298; Rawls (1975), S. 178. 8 ) Kley (1986), S. 300.

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der Prinzipienfrage läßt sich eine Dialogsituation mit den drei Bedingungen konstruieren, die ACKERMANN 1 ) formuliert hat: 1. Vernünftigkeit, d.h. es wird keine Gewalt angewendet, sondern argumentativ vorgegangen, 2. Konsistenz, d.h. es muß im Zusammenhang begründet werden, wenn jemand für sich mehr Macht oder anderes haben will. Der Betreffende muß seine Argumente also notfalls auch gegen sich gelten lassen, 3. Neutralität, d.h. niemand kann Argumente aus der behaupteten Höherwertigkeit der eigenen Person oder der spezifischen eigenen Lebenspläne ableiten. Diese Methode dient jedoch laut KLEY nur dazu, falsche Ansprüche auszuschließen2}. RAWLS' Position ist ihm zufolge deshalb unparteiisch, weil man bei der Wahl der Prinzipien wegen des Schleiers der Unwissenheit nicht weiß, wie man später in der Gesellschaft gestellt sein wird. Im weiteren gelangt KLEY dazu, eine gesellschaftliche Ordnung dann als gerecht zu bezeichnen, wenn sie der individuellen Entscheidungsautonomie ein umfassendes Betätigungsfeld sichert. Daraus lassen sich Kriterien für die Annehmbarkeit von Prinzipien im Rahmen der unparteiischen Wahl ableiten, wobei man sich auf das Interesse der Menschen an der individuellen Entscheidungsautonomie beschränken kann und nicht alle denkbaren Interessen berücksichtigen muß. Einschränkungen sind natürlich denkbar, wenn einzelne Lebenspläne die Autonomie anderer v e r l e t z e n 3 K L E Y kommt zu folgendem Schluß: „Jene Prinzipien sind unparteiisch gewählt und somit die gesuchten Gerechtigkeitsprinzipien, die jedem Gesellschaftsmitglied eine Art und ein Maß an individueller Entscheidungsautonomie zugestehen, das es ungeachtet seiner Lage am ehesten akzeptieren könnte " 4 )

1 ) vgl. Ackermann (1980), S.4, S.7 und S. 11; Kley (1986), S.300ff. 2 ) vgl. Kley (1986), S. 302. 3 ) Zum möglichen Verlauf der Wahl sei hier nur angemerkt, daß Kley zwischen folgenden Möglichkeiten unterscheidet: 1. strukturelles Prinzip - es wird vorrangig das Verteilungsprofil beachtet; 2. prozedurales Prinzip - das korrekte Wahlverfahren steht im Vordergrund; 3. das individualrechtliche Verfahren, bei dem die Rechte des einzelnen betrachtet werden, Kley (1986), S. 316. 4 ) Kley (1986), S.315.

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Die hypothetische Situation RAWLS' bezeichnet KLEY als einen solchen Standpunkt der Unparteilichkeit 1 ) und interpretiert sie als „Konkretisierung und Operationalisierung des Unparteilichkeitsstandpunktes" 2*.

4.1.2.3.4 Die Diskursethik Es ist abschließend einzugehen auf den Ansatz der Diskurs- oder Kommunikationsethik, der in den letzten Jahren insbesondere im Hinblick auf (multinationale) Unternehmen fortentwickelt wurde, und zu zeigen, daß er eine wichtige Ergänzung zu RAWLS' Gerechtigkeitstheorie darstellt. Stellvertretend sei hier der kontraktualistische und diskussionsethische Ansatz von ULRICH dargestellt, mit dem ein Beitrag zur Wirtschafts- und Unternehmensethik geleistet werden soll3 *. ULRICH fuhrt den diskursethischen Ansatz auf die persönliche Freiheit und die Willensfreiheit des Menschen zurück, wie sie bei KANT dargestellt wird 4 *. Der kategorische Imperativ, den er als „fact of reason" bezeichnet, ist eine unvermeidliche fundamentale Norm, mittels derer die Menschen sich gegenseitig anerkennen. ULRICH betrachtet diese „reciprocity" als kulturelle Wurzel der Ethik in allen bekannten Zivilisationen, so daß es hier keinen Anlaß zu irgendeinem Relativismus gibt. Ihm zufolge expliziert die Diskursethik „den idealen Horizont rationaler Konsensfindung und damit die regulative Idee kommunikationsethischer Rationalität, die über der realen Kommunikationsgemeinschaft steht, in die wir hineingeboren werden." 5* Allerdings soll dies kein neues moralisches Prinzip postulieren, aus dem konkrete Normen abzuleiten wären. Vielmehr gilt das Prinzip der Verallgemeinerung - als das einzige rationale moralische Prinzip - auch für die Diskursethik, sozusagen als „immanente regulative Idee der unbegrenzten Kommunikationsgemeinschaft aller vernünftigen Menschen."6* Vernünftige Argumente müssen grundsätzlich gegenüber jedermann gerechtfertigt werden können. Mit der Diskursethik ist ULRICH zufolge ein „missing link" zwischen dem kontraktualistischen Ansatz und KANTS kritischer Philosophie gelungen. Die Relevanz für unsere Fragestellung ergibt sich aus der vom diskursethischen Standpunkt her gebotenen Integration der normativen Vorbedingungen einer ver-

1 ) vgl. Kley (1986), S.322ff. 2 ) Kley (1986), S. 350. 3 ) vgl. im folgenden besonders Ulrich (1986), S. 269ff.; Ulrich (1987 b). 4 ) Ulrich (1987 b),S. 17. 5 ) Ulrich (1987 b), S. 18; Übersetzung des englischen Originals durch den Vf.. 6 ) Ulrich (1987 b), S. 19.

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nünftigen Wirtschaft in das Konzept der ökonomischen Vernunft 1 \ Danach gibt es gar keine reine ökonomische Rationalität, sondern diese hängt immer mit der rationalen Organisation gesellschaftlicher Beziehungen zusammen. Sozio-ökonomisch vernünftig ist damit jede Handlung oder institutionelle Regelung, die freie und mündige Bürger bei vernünftigen Prozessen politisch-ökonomischer Interessenabwägung und Konsensfindung getroffen haben (könnten)2 \ Letztlich läuft ULRICHS Ansatz darauf hinaus, die herkömmliche kontraktualistische Argumentation durch Vorstellungen von politischen Ordnungsmodellen zu bereichern, womit auch die Problematik von Konfliktlösungen einbezogen wird 3 ) . Hier nähert sich sein Ansatz natürlich dem RAWLSschen Modell weitgehend an. Aus eben diesem Grunde kann der Aufweis der Vorzüglichkeit der RAWLS-Kriterien gegenüber dem Ansatz von ULRICH innerhalb der hypothetischen Position nur in sehr speziellen Fällen erwiesen werden, zumal der Begriff der idealen Kommunikationsgemeinschaft sehr unscharf bleibt. Als grobe Argumentation für die Wahl der RAWLSschen Prinzipien kann davon ausgegangen werden, daß die Ausübung der beiden moralischen Fähigkeiten bei den RAWLS-Prinzipien umfassender erfolgt. Denn der in einer idealen Kommunikationsgemeinschaft notwendige Diskurs über den Gehalt und die Konsensfähigkeit einzelner individueller Lebenspläne hieße, den Träger des jeweiligen individuellen Lebensplanes unter einen Rechtfertigungsdruck zu setzen, der ihn letztlich daran zweifeln lassen könnte, ob sein Plan verwirklichungswürdig ist, zumal wenn er seine individuelle Ansicht nicht innerhalb der Regeln des rationalen Konsensfindungsprozesses formulieren könnte. Faktisch könnte er dann im herrschaftsfreien Dialog aufgrund vernünftiger Argumente „gezwungen" werden, seinen Lebensplan/Absicht fallen zu lassen, so ζ. B. den Plan einer christlichen Lebensführung. Diese Konsequenz wäre aber von den Beteiligten innerhalb der hypothetischen Position nicht akzeptabel, denn den Beteiligten geht es ja gerade um die möglichst weitgehende prinzipielle Förderung der beiden moralischen Fähigkeiten. Weiterhin ist zu bezweifeln, ob der diskursethische Ansatz von ULRICH das Faktum des Pluralismus als fast konstitutives Merkmal moderner Gesellschaften hinreichend berücksichtigen kann und nicht im Rahmen seiner regulativen Idee kommunikationsethischer Rationalität eine „Uniformierung" der Gesellschaft fördert, die dann wiederum den Wirkungsgrad der gesellschaftlichen Zusammenarbeit schmälern wird.

1 ) vgl Ulrich (1987 b), S.21. 2 ) vgl. Ulrich (1987 b), S.21. 3 ) vgl. Ulrich (1987 b), S.24ff.

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4.1.2.3.5 RAWLS 1 Theorie der Gerechtigkeit An dieser Stelle ist zur Klärung und Vermeidung von Mißverständnissen der Ort für eine kurze Charakterisierung von RAWLS' Entwurf. RAWLS' Theorie der Gerechtigkeit wird man als deontologische Theorie im Gegensatz zu den teleologischen Theorien des Utilitarismus klassifizieren, und zwar hat RAWLS diese Einordnung selbst vorgenommen 1*. Gerechtigkeit als Fairneß ist keine teleologische und damit per definitionem eine deontologische Theorie, die entweder das Gute nicht unabhängig vom Rechten spezifiziert oder das Rechte nicht als Maximierung des Guten intepretiert. RAWLS definiert deontologische Theorien expressis verbis als nicht-teleologische Theorien, nicht jedoch als Auffassungen, die die Richtigkeit von Institutionen und Handlungen unabhängig von ihren Auswirkungen betrachten2*. Implizit stützt er sich auf KANT. Seine Leistung besteht ganz wesentlich in der Leistung der Konkretisierung von KANTS abstrakt formulierten Imperativen und Prinzipien. RAWLS' Gerechtigkeitsgrundsätze sind ebenfalls kategorische Imperative, die mit unterschiedlichen Wertvorstellungen, Verhaltensweisen und Zielvorstellungen vereinbar sind3 *. Dabei ist noch einmal deutlich zu machen, daß seine Gerechtigkeitsgrundsätze ein bestimmtes Ideal der gesellschaftlichen Institutionen beinhalten4* und ein Teilideal des Menschen und in der Weiterentwicklung innerhalb der internationalen Unternehmensethik auch ein Teilideal von Unternehmen und Staaten bestimmen, dem sich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen haben5*. Im direkten Vergleich zwischen den Gerechtigkeitsvorstellungen der gegebenen Liste und den RAWLSschen Grundsätze kann man schließlich zum Ergebnis kommen, daß vieles dafür spricht, daß die RAWLS-Prinzipien von Repräsentanten in der hypothetischen Position der internationalen Unternehmensethik tatsächlich allen anderen in der Liste enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen vorgezogen werden. Konkret stehen die nun auch im Rahmen der internationalen Unternehmensethik als Grundlage herausgearbeiteten RAWLSschen Gerechtigkeitsgrundsätze in Verbindung mit den demokratischen Idealen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Der erste Gerechtigkeitsgrundsatz entspricht dem Ideal der Freiheit. Die Gleichheit im zweiten Gerechtigkeitsgrundsatz zusammen mit der fairen Chancengleichheit entspricht dem Ideal der Gleichheit und schließlich das 1 ) vgl. Rawls (1972), S. 30. 2 ) Rawls (1972), S. 30 schreibt: "All ethical doctrines worth our attention take consequences into account in judging Tightness. One which did not would simply be irrational, crazy." 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 48, S. 286; (1988), S. 30, S. 253f. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 291. 5 ) vgl. Rawls (1979), S. 294.

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Differenzprinzip dem Ideal der Brüderlichkeit 1 Voraussetzung für die Formulierung der zwei Gerechtigkeitsprinzipien ist aber, daß „...für die Zwecke einer Theorie der Gerechtigkeit die Sozialstruktur als aus zwei mehr oder weniger abgegrenzten Teilen bestehend angesehen werden kann, wobei sich die beiden Grundsätze jeweils auf einen von diesen beziehen. Wir unterscheiden also zwischen den Seiten des Gesellschaftssystems, die die gleichen Grundfreiheiten festlegen und sichern, und denen, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ungleichheiten bestimmen und einführen" 2 \ 4.. 1.2.4 Die Prinzipien der internationalen Unternehmensethik Ging es bisher um die grundlegenden Aspekte einer internationalen Unternehmensethik, die nur Umrisse von Verhaltensgrundsätzen und Gerechtigkeitsprinzipien für multinationale Unternehmen deutlich werden ließen, soll nun der Inhalt wie in Abbildung 30, S.245 und das Zusammenspiel der Prinzipien in bezugauf das Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungs ländern näher skizziert werden. Die Beteiligten in der hypothetischen Position haben sich also im Rahmen der internationalen Unternehmensethik auf die Wahl der RAWLS-Prinzipien mit minimalen Änderungen in deren Formulierung geeinigt. Die ausführliche Darstellung des Zusammenspiels und des Inhalts der Gerechtigkeitsprinzipien im Hinblick auf die Gesellschaft und das Individuum erfolgte ja bereits im dritten Kapitel. So muß beim Prinzip gleicher Grundfreiheiten geklärt werden, welche Freiheiten innerhalb der internationalen Unternehmensethik als Grundfreiheiten mit absolutem Vorrang vor allen anderen Prinzipien anzusehen sind und mit welcher Begründung dies geschieht. Ausgangspunkt zur Konkretisierung der Grundfreiheiten für Unternehmen sind dabei erneut die beiden Fähigkeiten der moralischen Unternehmen und Personen. Ein mit absoluter Priorität ausgestattetes System von Grundfreiheiten hat in zwei als grundlegend anzusehenden Fällen die Aufgabe, allen Bürgern und Unternehmen gleichermaßen die gesellschaftlichen Bedingungen zu garantieren, die für eine adäquate Entwicklung und Ausübung moralischer Fähigkeiten unbedingt notwendig sind. Fall 1 bezieht sich auf die Fähigkeit zum Gerechtigkeitssinn. Unternehmen legen wie Bürger der wohlgeordneten Gesellschaft ihrer gesellschaftlichen Zusammen arbeit die Anwendung von Gerechtigkeitsprinzipien zugrunde, können ihren Ge1 ) vgl. Rawls (1979), S. 127; (1988), S. 106; Rawls (1985), S.224ff. 2 ) Rawls (1979), S. 81f.; (1988), S. 61.

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Formulierung der zwei RAWLSschen Gerechtigkeitsprinzipien im Rahmen einer internationalen Unternehmensethik: Erstes Prinzip gleicher Grundfreiheiten: „Jedermann und jedes nationale wie multinationale Unternehmen hat gleiches Recht auf ein angemessenes System gleicher Grundfreiheiten, das mit einem entsprechen dem System von Grundfreiheiten für alle vereinbar ist." Zweites Prinzip, bestehend aus (a) dem Differenzprinzip und (b) dem Prinzip der fairen Chancengleichheit Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten müssen folgendermaßen beschaffen sein: (a) sie müssen unter der Einschränkung des gerechten Spargrundsatzes den am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil bringen, und (b) sie müssen mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die allen gemäß fairer Chancengleichheit offenstehen. Erste Vorrangsregel (Vorrang der Freiheit): Die Gerechtigkeitsgrundsätze stehen in lexikalischer Ordnung; demgemäß können die Grundfreiheiten nur um der Freiheit willen eingeschränkt werden, und zwar in folgenden Fällen: (a) eine weniger umfangreiche Freiheit muß das Gesamtsystem der Freiheiten für alle stärken, (b) eine geringere als gleiche Freiheit muß für die davon Betroffenen annehmbar sein. Zweite Vorrangsregel (Vorrang der Gerechtigkeit vor Leistungsfähigkeit und Le bensstandard): Der zweite Gerechtigkeitsgrundsatz ist dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit und Nutzenmaximierung lexikalisch vorgeordnet; die faire Chancengleichheit ist dem Differenzprinzip vorgeordnet, und zwar in folgenden Fällen: (a) eine Chancenungleichheit muß die Chancen der chancenmäßig Benachteiligten verbessern, (b) eine besonders hohe Sparquote und Ressourcennutzung muß insgesamt die Last der von ihr Betroffenen mildern. Abbildung 30: Ausführliche Fassung der Gerechtigkeitsprinzipien einer internationalen Unternehmensethik in Anlehnung an RAWLS (1979), S. 336f und RAWLS (1982 a), S. 5.

rechtigkeitssinn frei entwickeln und ausüben sowie an der permanenten öffentlichen Diskussion über die Gerechtigkeit ihrer Gesellschaft und die Gestaltung politisch und ökonomisch gerechter Institutionen teilnehmen. Die Anwendung vonGerechtigkeitsprinzipien auf der Grundlage des Gerechtigkeitssinns ist aber nur möglich, wenn die Unternehmen über analoge politische Freiheitsrechte verfügen wie die Bürger, d.h. über Rede- und Pressefreiheit, über Meinungs- und Ver245

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sammlungsfreiheit. Diese Freiheiten gehören daher zu Grundfreiheiten, die im ersten Gerechtigkeitsprinzip einer internationalen Unternehmensethik garantiert werden müssen. Fall 2 ist mit der Fähigkeit zur individuellen Lebensgestaltung verbunden und betrifft die Anwendung der Prinzipien abwägender Vernunft. Die Unternehmen sollen sich in der wohlgeordneten Gesellschaft frei ihrer abwägenden Vernunft zur Entwicklung und Verfolgung ihrer unternehmerischen Absichten bedienen können, einschließlich der Möglichkeit, sich Gruppen anzuschließen, die ähnliche Absichten verfolgen. Die notwendige gesellschaftliche Voraussetzung dafür ist die Garantie der Produktions- und Handelsfreiheit, die Garantie der individuellen Wirtschafts- und Vertragsfreiheit und des Rechts auf Eigentum einschließlich dessen Weitervererbung. Die genannte Freiheiten können umfassend jedoch nur auf der Grundlage der Freiheit und Unverletzlichkeit der Person und analog der Unternehmen garantiert werden sowie den Freiheiten, die aus der Gesetzesherrschaft/Rechtsstaatlichkeit resultieren 0 . Alle Grundfreiheiten zusammen konkretisieren die Auffassung von gleichen Mitgliedern einer wohlgeordneten demokratischen Gesellschaft 2 \ Die Aufzählung beschränkt sich aber nicht auf den formalen Charakter der Grundfreiheiten, sondern berücksichtigt auch die aus Mangel an ökonomischen Ressourcen, Unwissenheit oder sonstigen Mängeln herrührende Unfähigkeit zum Gebrauch der Grundfreiheiten. Diese Umstände sind gerechtigkeitsrelevant und somit muß zusätzlich unterschieden werden zwischen Grundfreiheiten und deren Wert, wobei das Prinzip gleicher Grundfreiheiten allein dem unterschiedlichen Wert der Grundfreiheiten nicht Rechnung trägt, sondern erst im Zusammenspiel mit dem Differenzprinzip gesellschaftlich und ökonomisch Benachteiligte so gut wie irgend möglich stellt3 \ Um gleiche politisch-ökonomische Freiheit für alle zu garantieren und eine Ummünzung ökonomischer in politische Macht zu verhindern, muß der für alle gleiche faire Wert der politischen Freiheiten notwendigerweise garantiert sein. Diese Garantie ist im Prinzip gleicher Grundfreiheiten enthalten und ermöglicht allen Mitgliedern die chancenmäßig gleiche Teilnahme an der politischen Willensbildung, sei es durch Übernahme eines politischen Amtes oder im Rahmen politischer Lobbyarbeit. Der Ausgleich des Wertes aller anderen Grundfreiheiten wird durch das Differenzprinzip geleistet, nie aber durch eine Einschränkung des Prinzips gleicher Grundfreiheiten, ζ. B. indem Bevorzugte der Gesellschaft an der Ausübung einzelner Grundfreiheiten gehindert würden. Der Vor-

1 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 50. 2 ) vgl. Rawls (1982 a), S. 50, Anmerkung 44; Rawls (1985), S. 223ff. 3 ) vgl. Rawls (1979), S.232f.; (1988), S.204f.; Rawls (1982 a), S. 40, S.44f.

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rang des Prinzips gleicher Grundfreiheiten wird durch die erste Vorrangsregel betont. Die Vorrangsregel betont die Erfüllung der Forderung nach gleichen Grundfreiheiten, bevor überhaupt ein anderes Prinzip ins Spiel kommen kann. Die Einschränkung dieser Grundfreiheiten zur Verbesserung ökonomischer Verhältnisse ist nicht zulässig, d. h. eine geringere oder ungleiche Freiheit im Austausch für eine wirtschaftliche Verbesserung wird auch im Rahmen einer internationalen Unternehmensethik nicht akzeptiert 1 *. Dem Prinzip gleicher Grundfreiheiten direkt nachgeordnet ist das Prinzip fairer Chancengleichheit. Auch dieses Prinzip umfaßt nicht nur die formale Garantie, daß gesellschaftliche und ökonomische Positionen für alle Mitglieder der Gesellschaft offen sind, sondern betont, daß jeder auch die faire Chance haben soll, diese Positionen zu erlangen. Menschen und Unternehmen mit vergleichbaren Fähigkeiten, Motiven und der Bereitschaft, diese einzusetzen, sollen, von der anfänglichen gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Stellung unabhängig, ähnliche Chancen und Erfolgsaussichten auf die Umsetzung ihrer Lebenspläne/ Absichten haben. Die herausragende Bedeutung des Prinzips fairer Chancengleichheit ergibt sich aus seiner primären Aufgabe, das System der gesellschaftlichen Zusammenarbeit zu einem System reiner Verfahrensgerechtigkeit zu machen, indem es in wesentlichem Umfang die Gerechtigkeit des Verteilungsverfahrens in der gesellschaftlichen Zusammenarbeit sichern hilft 2 *. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Begriffs der reinen Verfahrensgerechtigkeit auf gesellschaftliche Verteilungen ist die Schaffung eines gerechten Systems von Institutionen, verbunden mit dessen unparteiischer Anwendung. Eine gerechte Verfassung, gerechte ökonomische und soziale Institutionen, kurz eine gerechte gesellschaftliche Grundstruktur bildet den notwendigen Hintergrund für eine auf gesellschaftliche Verteilungen bezogene Verfahrensgerechtigkeit 3*. Seine ökonomische Entsprechung findet dieses Prinzip im Modell der idealen Konkurrenz und dem fairen Wettbewerb. An dritter Stelle steht das Prinzip des gerechten Sparens4*, welches als beschränkender Grundsatz dem Differenzprinzip vorgeordnet ist. In der hypothetischen Position einigen sich die Repräsentanten auf Prinzipien für die gesellschaftliche Grundstruktur einer wohlgeordneten Gesellschaft, d.h. einer Gesellschaft, die auch alle vorausgegangenen und zukünftigen Generationen umfaßt. Bei der ge1 ) Damit sind sogenannte Entwicklungsdiktaturen unzulässig. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 108f.; (1988), S. 87f. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 93, S. 108, und die Konkretion S. 308ff.; (1988), S. 73, S. 86f., S. 274ff. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 320, S. 325; (1988), S. 285, S. 288.

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rechten Verteilung von Vor- und Nachteilen, welche die Mitglieder der Gesellschaft vernünftigerweise zu erwarten haben, muß daher auch über die gerechte Verteilung von Vor- und Nachteilen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Generationen entschieden werden. Seinen Ausdruck findet das Problem der Gerechtigkeit zwischen Generationen innerhalb der internationalen Unternehmensethik in der Bestimmung der gerechten Sparquote und in der Bestimmung des Ausmaßes, in dem die vorhandenen ökonomischen und ökologischen Ressourcen gerechterweise durch eine bestimmte Generation genutzt werden können. Die Pflicht zum Sparen bzw. verantwortlichen Ressourcenumgang ergibt sich aus den Gerechtigkeitsprinzipien, d.h. dem Ziel, einen gerechten Zustand der Gesellschaft zu erreichen. Die Repräsentanten beschließen so unter dem Schleier der Unwissenheit eine Sparquote und eine Quote der Ressourcennutzung, die prinzipiell die Interessen aller Generationen berücksichtigt und die die mit dem Sparen und der Ressourcennutzung verbundenen Belastungen möglichst gerecht auf alle Generationen verteilt. Die Repräsentanten wählen ein Prinzip des Sparens, von dem sie wollen können, daß es von allen vorausgegangenen Generationen befolgt worden wäre. Auch hier ist von der Lage der am wenigsten Begünstigten in den verschiedenen Generationen auszugehen und die Verteilung der Lasten des Sparvorganges daran auszurichten. Das Differenzprinzip, auf das sich die Repräsentanten in der hypothetischen Position bereits geeinigt haben, erweist sich dabei für die Beurteilung der Gerechtigkeit zwischen den Generationen als untauglich, da ein Ausgleich zwar von jeder früheren auf eine nachfolgende Generation möglich ist, umgekehrt aber eine spätere Generation keine Möglichkeit hat, einer früheren in ihrer weniger glücklichen Situation zu helfen. Ohne daß eine genaue Formulierung des Spar-/Ressourcennutzungsprinzips vorgelegt werden k a n n 1 i s t eine Übereinkunft in der hypothetischen Position innerhalb dessen zu vermuten, was Angehörige aufeinanderfolgender Generationen in jedem Entwicklungsstadium vernünftigerweise voneinander erwarten könnten. Konkret: was die Repräsentanten bereit sind, für die kommende Generation zu sparen, und den Ansprüchen, die sie gegenüber ihren nächsten Vorfahren berechtigterweise zu haben glauben; oder: in welchem Ausmaß die Repräsentanten einer vorausgegangenen Generation eine Ressourcennutzung/ Ressourcenbeeinträchtigung zubilligen, die nachfolgende Generationen belastet. Das Differenzprinzip bildet das letzte der vier grundlegenden Gerechtigkeitsprinzipien einer internationalen Unternehmensethik 2 \ Sind auf Grund einer vereinbarten Sparquote/ Ressourcennutzung die zur Verfügung stehenden Mittel innerhalb

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 320; (1988), S. 286. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 83f.; (1988), S. 62; Rawls (1978), S. 64.

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einer Generation genauer bekannt, wird deren Verteilung angestrebt, die alle Beteiligten als fair empfinden und der sie somit zustimmen können. Ausgehend von der strikten Gleichverteilung gesellschaftlicher Grundgüter, Einkommen und Vermögen, scheint es wahrscheinlich, daß Anreize, Kompetenz- und Einkommensdifferenzierungen sowie andere Ungleichheiten jeden besser stellen als der Zustand strikter Gleichverteilung 0 . Diese Überlegung fuhrt zum Differenzprinzip. Als Maßstab zur Beurteilung einer gerechten Ungleichverteilung von Grundgütern wird die absolute Besserstellung der Aussichten der am wenigsten begünstigten repräsentativen Person oder des repräsentativen Unternehmens innerhalb einer wohlgeordneten Gesellschaft herangezogen. Eine ungleiche Verteilung von Grundgütern ist demnach gerecht, wenn diese für die am wenigsten Begünstigten der Gesellschaft vorteilhafter ist als die als Ausgangspunkt gewählte strikte Gleichverteilung 2 Das Differenzprinzip ist damit ein notwendiges Element zur Garantie der Verfahrensgerechtigkeit und bestimmt die konkreten Ergebnisse der reinen Verfahrensgerechtigkeit näher. Die im Prozeß gesellschaftlicher Zusammenarbeit sich ergebenden Güter werden im Rahmen dieses Prozesses verteilt. Eine Vielzahl öffentlicher Regeln, die insgesamt die Wirkung des Differenzprinzips konkretisieren, strukturiert die Zusammenarbeit und den Verteilungsprozeß derart, daß die Mitglieder/Beteiligten der wohlgeordneten Gesellschaft nur diesen Hintergrundregeln zu folgen brauchen, damit die Vielzahl einzelner Transaktionen und privater Entscheidungen auch den am schlechtesten Gestellten der Gesellschaft zugute kommt. Konkrete Regeln sind z.B. Einkommenssteuer, wirtschaftspolitische Maßnahmen usw. 3) Das Differenzprinzip dient so als Gestaltungsrichtlinie des öffentlichen Regelsystems, nicht als Richtlinie für einzelne Transaktionen oder Verteilungen oder gar für individuelle oder organisationale Entscheidungen. Es bildet den institutionellen Hintergrund 4 \ Die Grundfreiheiten und die faire Chancengleichheit sind durch die beiden Prinzipien bereits für alle gleich, so daß sich eine ungleiche Verteilung und ein notwendiger Vergleich nur auf die Grundgüter a) Befugnisse und Vorrechte von Positionen, b) Einkommen und Vermögen und c) die gesellschaftliche Basis der Selbst-

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 83f.; (1988), S. 62; Rawls (1978), S. 64. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 98f.; (1988), S. 78; Rawls (1979), S. 112fT.; (1988), S. 91 ff. 3 ) vgl. Rawls (1978), S. 64f. 4 ) vgl. Rawls (1978), S. 65.

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achtung beziehen muß1 \ Das Differenzprinzip hebt also nicht auf sämtliche in der Gesellschaft vorhandenen Ungleichheiten ab, sondern nur auf diejenigen, die sich aufgrund unterschiedlicher natürlicher und zufälliger, d. h. unverdienter Positionen ergeben. Nur diese Ungleichheiten werden anhand des Differenzprinzips betrachtet und beurteilt. Die aus den jeweils individuellen Lebensplänen/Absichten sich ergebenden Ungleichheiten bleiben unberücksichtigt. Im Gesamtzusammenhang der Prinzipien verkörpert das Differenzprinzip die Idee des Ausgleichs, indem es unverdiente Ungleichheiten ausgleicht. Ferner drückt es eine Gegenseitigkeitsvorstellung aus und konkretisiert das Prinzip der Brüderlichkeit in Form sozialer Gerechtigkeit ohne Berufung auf emotionale Bindung2 Damit erfüllt das Differenzprinzip die Doppelaufgabe einmal einer Verteilungsrichtlinie, mit Betonung des instrumentellen Charakters bei der Zuweisung gesellschaftlicher Grundgüter, und andererseits einer konkreten moralischen Verteilungsnorm. Mit der zweiten Vorrangsregel wird eine Obergrenze für die zumutbare Sparleistung zugunsten späterer Generationen bzw. Obergrenze für die zumutbare Ressourcennutzung zuungunsten späterer Generationen gegeben, die darin besteht, daß jede Generation mindestens ihren fairen Beitrag, aber auch nicht mehr als diesen, zur Herstellung notwendiger Bedingungen für gerechte Institutionen und den fairen Wert der Freiheit leisten muß. Selbst wenn die Summe der Vorteile langfristig sehr groß wäre, ist eine darüber hinausgehende Sparquote und Ressourcennutzung unzulässig. Sollen die Bedingungen der Gerechtigkeit beim Sparen und der Ressourcennutzung überschritten werden, muß gezeigt werden, daß diejenigen, die von der Ungerechtigkeit betroffen sind, sonst noch größeren Schaden erleiden würden 3 \ Der in der zweiten Vorrangsregel ebenfalls formulierte Vorrang der Chancengleichheit vor dem Differenzprinzip verhindert die Einschränkung der Chancengleichheit aus allgemeinen Nutzenerwägungen. Eine ungleiche Chancengleichheit ist nur zu rechtfertigen, wenn der Versuch deren Beseitigung durch die Beeinträchtigung des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems dazu führen würde, daß die Möglichkeiten für die Benachteiligten noch schlechter würden 4 \ Eine vollständige internationale Unternehmensethik umfaßt neben gesellschaftlichen Prinzipien auch Prinzipien für Unternehmen, das Invididuum und für Staaten. Die Argumentation für Prinzipien und Verhaltensgrundsätze für Unterneh-

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 113; (1988), S. 93f.; Rawls (1982), S. 162f. führt zur Vereinfachung eine "einfache Form" des Differenzprinzips ein, die ausschließlich die Verteilung von Einkommen und Vermögen als Maßstab für Vergleiche heranzieht. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 121ff.; (1988), S. lOlff. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 332ff.; (1988), S. 298f. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 335; (1988), S. 300f.

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men, Individuen und Staaten ergibt sich ebenfalls aus dem Begründungsverfahren der hypothetischen Position. Analog zu den im dritten Kapitel vorgestellten individuellen Prinzipien lassen sich auch bei Unternehmen und Staaten „natürliche Pflichten" und „Verpflichtungen" herausarbeiten. Als natürliche Pflichten gelten die Prinzipien und Verhaltensgrundsätze fur Unternehmen und Staaten, die ihre Geltung allein aus der Tatsache der Existenz des Unternehmens und des Staates gewinnen und damit zwangsläufig für alle Handlungen des Unternehmens oder des Staates maßgeblich sind. Im Gegensatz dazu stehen Verpflichtungen der Unternehmen und Staaten, die als Prinzipien oder Verhaltensgrundsätze Geltung besitzen, weil das einzelne Unternehmen oder der Staat zur vernünftigen Verfolgung seiner Absichten/Ziele freiwillig dies oder jenes zu tun bereit ist1 \ Verpflichtungen lassen sich definitionsgemäß auf den Grundsatz der Fairneß zurückfuhren 2} und bilden alle in ihren jeweils konkreten Verpflichtungen Spezialfälle des individuellen Fairneßprinzips, daß man als Person oder Unternehmen verpflichtet ist, sich gemäß den Regeln einer Institution zu verhalten, wenn erstens die Institution gerecht (fair) ist, d. h. den beiden Grundsätzen der Gerechtigkeit entspricht, und wenn man zweitens freiwillig ihre Vorteile annimmt oder die von ihr gebotenen Möglichkeiten der Förderung seiner Interessen ausnützt3 Für Verpflichtungen charakteristisch ist deren Entstehen durch freiwillige Akte, d. h. ausdrückliche oder stillschweigende Übereinkünfte oder auch die Annahme von Vorteilen. Die Inhalte von Verpflichtungen werden immer durch Institutionen festgelegt, deren Regeln präzisieren, was man zu tun hat. Verpflichtungen bestehen in der Regel gegenüber denjenigen Menschen, anderen Unternehmen oder Staaten, mit denen man kooperiert (ζ. B. im Rahmen einer Kunden- oder Lieferantenbeziehung, als justische Person gegenüber dem Staat, indem man Subventionen akzeptiert). Die Beteiligten in der hypothetischen Position der internationalen Unternehmensethik einigen sich auf den Grundsatz der Fairneß vor allem, weil dieser das gegenseitige Vertrauen der Menschen, der Unternehmen und der Staaten stärkt und so eine intensivere, nach Umfang und Wert vorteilhaftere Form der gesellschaftliche Zusammenarbeit ermöglicht 4 Der Grundsatz der Fairneß bindet Menschen, die ein öffentliches Amt übernehmen, Unternehmen, die ihren Einfluß über Lobbyarbeit oder andere Mechanismen geltend zu machen suchen, oder auch Staaten im Rahmen der internationalen Staatengemeinschaft, also die Menschen,

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 379; (1988), S. 343f. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 133; (1988), S. 112. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 378ff.; (1988), S. 11 If., S. 342ff. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 383; (1988), S. 347.

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Unternehmen oder Staaten, die innerhalb der Weltgesellschaft/Weltwirtschaft besser gestellt sind und ihre Interessen besser wahrnehmen können1 Im Gegensatz zu Verpflichtungen sind natürliche Pflichten unbedingt gültig und gelten zwischen Mitgliedern der Weltgesellschaft unabhängig von institutionellen Beziehungen und Institutionen. Natürliche Pflichten bestehen gegenüber dem Menschen, dem Unternehmen und dem Staat überhaupt, d. h. zwischen allen gleichen moralischen Subjekten (ζ. B. Pflicht zur gegenseitigen Achtung und Hilfe), und werden nach der Einigung auf Prinzipien für Institutionen ebenfalls durch die Wahl in der hypothetischen Position aus einer Liste von Alternativen bestimmt2 \ Im Fall der multinationalen Unternehmen kann hier hilfsweise auf die Liste der verschiedenen Verhaltenskodizes zurückgegriffen werden. Das Einfachste für die Beteiligten in der hypothetischen Position ist es, die bereits gewählten gesellschaftlichen Prinzipien in die Vorstellung von Prinzipien für die Unternehmen und die Staaten einzubeziehen, so daß sich für das einzelne Unternehmen oder den Staat in der internationalen Staatengemeinschaft die Pflicht zur Förderung und Erhaltung gerechter Institutionen ergibt. Die Beteiligten werden diese Pflicht als natürliche Pflicht und nicht als Verpflichtung annehmen, ihr also unbedingten Charakter verleihen, weil sie so am einfachsten und unmittelbarsten die Stabilität der Gesellschaft und gerechter Institutionen sichern3 \ Nachdem sich die Beteiligten in der hypothetischen Position auf Prinzipien fur die Grundstruktur der Gesellschaft und für sich als Mitglieder geeinigt haben, wenden sie sich schließlich der Einführung von Prinzipien für das Verhalten von Staaten zu. So werden insbesondere Beschränkungen über im Verteidigungskriege und Kriegsfall zu verwendende Waffen abgeleitet4 \ Die hypothetische Position wird dafür erweitert, indem die Beteiligten als Abgesandte verschiedener Nationen betrachtet werden, die aber dem Schleier der Unwissenheit unterliegen, damit es den Bessergestellten der Beteiligten nicht möglich ist, ihre besondere Situation für sich auszunutzen. Obwohl die verschiedenen gewählten Prinzipien hier nur angedeutet werden, kann davon ausgegangen werden, daß keine überraschend neuen, sondern an den bekannten Grundsätzen orientierte Prinzipien für Unternehmen und Staaten bzw. des internationalen Verhaltens gewählt werden. Im Bereich der Staaten sind dies neben dem primären Prinzip der Gleichheit der Nationen das abgeleitete Recht auf Selbstbestimmung und Entwicklung sowie das Recht auf Selbstverteidigung. Neben dem Prinzip der Vertragstreue bei gemäß den übrigen internationa-

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 138; (1988), S. 116. 2 ) vgl. Rawls (1979), S. 137; (1988), S. 115. 3 ) vgl. Rawls (1979), S. 369ff.; (1988), S. 334ff. 4 ) vgl. Rawls (1979), S. 136f.; (1988), S. 115.

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len Prinzipien zustandegekommenen Verträgen werden auch Prinzipien beschlossen, die festlegen, wann und mit welchen Mittel eine Nation einen Krieg zu fuhren berechtigt ist 1} bzw. wann mit welchen Mitteln Handelsrestriktionen ζ. B. gegenüber multinationalen Unternehmen legitim sind. 4.1.3 Anwendung der RAWLSschen Gerechtigkeitsprinzipien in der idealen Theorie der internationalen Unternehmensethik Ökonomische Verteilungsgerechtigkeit ist nach dem bisherigen ein Unterfall gesellschaftlicher (Verteilungs-) Gerechtigkeit, für die dieselben Werte zur Bildung wohlerwogener moralischer Urteile gelten: Freiheit, Gleichheit, Gegenseitigkeit und Solidarität. Auch für das Engagement von multinationalen Unternehmen im Ausland, insbesondere in Entwicklungsländern, gelten dieselben Prinzipien der Gerechtigkeit, wie sie anfänglich innerhalb der einzelnen Gesellschaften der westlichen, demokratischen Industrieländer entwickelt worden sind. Es ist also zu frag e n 2 a u f welche Prinzipien sich Individuen, Unternehmen und Staaten einigen würden, wenn sie von einem Standpunkt der unparteiischen Wahl bzw. hinter dem Schleier der Unwissenheit ihre Entscheidungen träfen. Dabei werden sich aller Voraussicht nach analoge Resultate zu den Ergebnissen der Wahlakte in den westlichen Demokratien ergeben, wenn man von kulturellen Unterschieden und den oft erheblich anderen Rahmenbedingungen einmal absieht. Allerdings bedingt die Übertragung dieser Werte auf die Ebene multinationaler Unternehmen und damit auch der außenpolitischen Beziehungen sowie der multikulturellen Begegnung die Berücksichtigung der damit notwendigerweise verbundenen höheren Komplexität. Soweit multinationale Unternehmen als Träger der westlich-demokratischen Überzeugungen angesehen werden können und müssen, treffen sie mit Rahmenbedingungen, ethischen Prinzipien und konkreten moralischen Überzeugungen zusammen, die mit ihren eigenen nur teilkongruent sein werden. Auf dieser potentiell konfliktuellen Ebene kann man nicht mehr abstrahierend von konkreten Gegebenheiten argumentieren, sondern muß diese einbeziehen. Damit stellt sich die Frage, auf welche Situationen wohlerwogene Alltagsurteile bzw. konkrete moralische Überzeugungen angewendet werden sollen, wobei es zu berücksichtigen gilt, daß mit RAWLS die Erzeugung von Kohärenz beim Zustandekommen des reflexiven Gleichgewichts als gleichsam dialektischer Prozeß des „Hin-und-Hergehens" anzusehen ist, der nur vorübergehend als abgeschlossen gelten kann. Als paradigmatisch kann die Situation eines multinationa-

1 ) vgl. Rawls (1979), S. 415ff.; (1988), S. 377ff. 2 ) Siehe oben, Abschnitt 4.1.1.

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len Unternehmens gelten, das mit der Regierung eines Entwicklungslandes ein umfangreiches vertragliches Abkommen über die Gründung von Produktionsstätten in diesem Land und den Zugang zu den dortigen Märkten schließen will. Unter Bedingungen der idealen Theorie ergeben sich jene anzuwendenden konkreten moralischen Überzeugungen, über die eine vollständige Konformität herrschen dürfte, von selbst: Freiheit - Unternehmen, die Regierung des Gastlandes und die dortige Bevölkerung, insbesondere die potentielle Belegschaft, können ihre Interessen frei wahrnehmen und ihre Lebens- bzw. Unternehmens- oder Entwicklungspläne verfolgen. Gleichheit - Einerseits wird das Unternehmen im Vergleich mit anderen, insbesondere einheimischen Firmen nicht benachteiligt. Das Unternehmen seinerseits wird jedoch auch keine Bedingungen diktieren, die es von Staat und Gesellschaft im Herkunftsland nicht erwarten könnte. Gegenseitigkeit - Alle beteiligten Parteien achten sich gegenseitig und gehen nicht von einer prinzipiellen Überlegenheit oder Unterlegenheit des anderen aus. Dies wirkt sich auch dahingehend aus, daß Lasten und Gewinne gerecht verteilt werden. Solidarität - Die beteiligten Parteien sehen sich als Mitwirkende an einer gemeinsamen Aufgabe, hier speziell der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sonstigen Weiterentwicklung des betreffenden Gastlandes. Diese moralischen Überzeugungen sind zwar in der Regel auch im Herkunftsland des multinationalen Unternehmens nicht gegeben, erscheinen aber im Rahmen einer normativen Theorie plausibel. Da auch in vielen Ländern der Dritten Welt 1 ) soziale, politische und ökologische Bewegungen entstanden sind, die sich zum Teil ganz explizit an westlichen Standards orientieren, ist die Situation natürlich besonders stark in Fluß gekommen. Die Elemente, die zur Herstellung des Reflexionsgleichgewichts berücksichtigt werden müssen, wandeln sich rapide und gerade im Ideen-, Informations- und Personenaustausch zwischen Entwicklungs- und Industrieländern, so daß von einer hohen Konvergenzrate gesprochen werden kann. Dabei bleiben die Positionen des Westens stabil, was sich als Indiz für deren hohe Attraktivität und interkulturelle Gültigkeit interpretieren läßt. Zusammenfassend kann man sagen, daß die Prinzipien ökonomischer Verteilungsgerechtigkeit auch im internationalen Rahmen als Übertragung aus den jeweiligen 1 ) Der Begriff „Dritte Welt" wird allgemein als problematisch und differenzierungsbedürftig angesehen, nicht erst seit dem Wegfall der „Zweiten Welt" mit dem Zerfall der Sowjetunion und der Abkehr von Staatssozialismus und Planwirtschaft.

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wohlgeordneten Gesellschaften und als Unterfall gesellschaftlicher Verteilungsgerechtigkeit gültig sein können und sich anwenden lassen. Einschränkungen der Anwendungen in nicht-idealen Situationen beeinflussen zwar die Ergebnisse bei der Herstellung des reflexiven Gleichgewichts, doch werden diese Abweichungen in dem Maße tendenziell geringer werden, in dem multinationale Unternehmen und Gaststaaten konsequent denselben ethischen Prinzipien folgen und sich die Rahmenbedingungen denen im Westen annähern.

1. Wahl der Gerechtigkeitsprinzipien Zunehmende Kenntnis der Tatsachen durch Lüften des Schleiers der Unwissenheit

2. Verfassungsgebende Versammlung

3. Gesetzgebende Versammlung

4. Anwendung von Regeln auf Einzelfälle

Ideale Theorie

Teil I nichtideale Theorie Teil II

V

Abbildung 31 : Vier-Stufen-Gang der internationalen Unternehmensethik zur Anwendung der Gerechtigkeitsprinzipien

Sollen die Gerechtigkeitsprinzipien ihre gesellschaftliche Funktion erfüllen, dürfen die mit ihnen verbundenen Überlegungen den gewöhnlichen Menschenverstand nicht überfordern, damit sie allgemein nachvollziehbar sind. In Anlehnung an RAWLS wird innerhalb der internationalen Unternehmensethik dieser Forderung Rechnung getragen, indem sie Verstandesgrenzen in besonderer und ausdrücklicher Weise berücksichtigt. Verständlichkeit und Praktikabilität spiegeln sich unter anderem in der Konstruktion der hypothetischen Position wider, innerhalb der Prinzipien gewählt werden, die genügend verständlich und anwendbar sind. Auch die Verwendung von Vorrangsregeln, die Vereinfachungen insbesondere durch die Konzentration auf die gesellschaftliche Grundstruktur sowie die Grundfreiheiten und Grundgüter stellen nach RAWLS' Meinung sicher, daß seine Gerechtigkeitsprinzipien ihre gesellschaftliche Funktion auch tatsächlich erfüllen können1 \ 1 ) vgl. Rawls (1980 a), S. 561 ff.

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Es wäre ein Irrtum anzunehmen, daß der Zustand der Unwissenheit innerhalb der hypothetischen Position als mögliche historische Situation aufzufassen ist - etwa in der Art, wie bei HOBBES die Situation der Schließung des Gesellschaftsvertrages postuliert wird. Die Funktion des Schleiers der Unwissenheit ist vielmehr die Forderung an die Individuen, Unternehmen und Staaten, bei der Wahl von Prinzipien so zu verfahren, als wüßten sie nicht, welche Auswirkungen diese für sie in ihrer zukünftigen gesellschaftlichen Stellung haben würden. Insofern kann der Vier-Stufen-Gang zur Anwendung der Gerechtigkeitsprinzipien auch in der komplexen Situation des Auslandsengagements eines multinationale Unternehmen zum Tragen kommen, solange man sich bewußt ist, daß es sich um hypothetische Situationen handelt, die den Test der Empirie bestehen müssen. 4.1.4 Anwendung der Gerechtigkeitsprinzipien in der nicht-idealen Theorie Die folgenden vier Beispiele repräsentieren exemplarisch aus der im zweiten Kapitel ermittelten Konfliktsystematik ausgewählte Fälle, in denen die Zielvorstellung der idealen Theorie nicht erreicht ist. Sie bilden den Ausgangspunkt für die Aufstellung der Prinzipien der nicht-idealen Theorie. Auch hier ist nur eine vereinfachende Darstellung an Hand weniger Fakten und Argumente möglich, was aber keine prinzipielle Einschränkung der internationalen Unternehmensethik darstellt. a) Einschränkung gewerkschaftlicher Rechte Diese wird oft als Bestandteil eines günstigen Investitionsklimas angesehen. Offiziell sind in beinahe allen Ländern der Dritten Welt Gewerkschaften zugelassen, doch sind ihre Möglichkeiten nicht mit denen in den westlichen Industrienationen zu vergleichen, da sie oft entweder ein Teil des Staatsapparates sind oder ein Disziplinierungsinstrument gegenüber den Arbeitern darstellen 0 . An folgende konkrete Beispiele kann gedacht werden: -

In Singapur forderten amerikanische Unternehmen von der staatlichen Wirtschaftsförderungsbehörde, daß in ihren Betrieben keine freien Gewerkschaften zugelassen würden, was jedoch abgelehnt wurde. Einige Konzerne akzeptierten diese Weigerung, während andere in Länder auswichen, die ihrem Ansinnen nachgaben2\

-

Ein deutsches Elektronikunternehmen, das sich in einer freien Produktionszone auf der Insel Penang angesiedelt hatte, verhinderte Kontakte zwischen Ge-

1 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 148; UN (1983), S. 184. 2 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 150.

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werkschaftsfiinktionären und Belegschaft. Erst ein Streik führte zu einer Veränderung der Situation1 \ -

V W do Brasil mußte sich scharfe Kritik gefallen lassen, weil das Unternehmen gewerkschaftliches Engagement von Belegschaftsmitgliedern behinderte und sogar Polizei und Militär anforderte 2 \

Hierbei ist allerdings hinzuzufügen, daß die jeweiligen Regierungen selbst nicht zu den engagiertesten Befürwortern der Gewerkschaftsbewegung gehören. Sowohl auf den Philippinen als auch in Indonesien wird zum Beispiel die Organisation von Streiks dadurch kriminalisiert, daß bestimmte Industrien als „vital industries" deklariert werden, in denen ein Arbeitskampf verboten ist 3) . Dennoch bleibt festzuhalten, daß ein solcher Umgang mit den Ansprüchen der Belegschaft Gebote der Fairneß und der Gleichbehandlung v e r l e t z t 4 D i e jeweiligen Unternehmen dulden oder fördern aktiv gesellschaftspolitische Praktiken, die sie im jeweiligen Herkunftsland zumindest verbal als Teil der politischen Kultur nicht akzeptieren würden. In den Beispielen sind die Prinzipien der Grundfreiheiten und der Chancengleichheit verletzt, die Vorrang vor den anderen Prinzipien besitzen. Hier sind jedoch unterschiedliche Verhandlungspositionen zu differenzieren. Im Fall Singapur ist die bei den objektiven Bedingungen der Anwendungsverhältnisse der Gerechtigkeit geforderte Bedingung allgemein günstiger Umstände gegeben, die eine Verhandlung erst möglich machen. Verhandlungspartner sind dabei der Staat, stellvertretend für die Mitglieder seiner Gesellschaft, und die multinationalen Unternehmen. Die Ergebnisse in Form einer weiteren Kooperation auf einer beiderseitig akzeptablen Basis oder eines freiwilligen Abbruchs der Zusammenarbeit sind als Verhandlungserfolge anzusehen. Im zweiten Beispiel treten die Mitglieder der Gesellschaft selbst mit gleichem Erfolg auf. Als problematisch erweist sich das dritte Beispiel. Hier ist die Bedingung einer demokratischen Gesellschaft verletzt. Der Staat räumt dem multinationalen Unternehmen auf autoritäre Weise eine Position ein, die Verhandlungen nicht notwen1 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 150. 2 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 151. 3 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 152f. 4 ) Kasch et al. (1985) weisen daraufhin, daß nicht in jedem Einzelfall die tatsächlichen Vorgänge überprüftbar sind; die hohe Zahl der Vorkommnissen läßt jedoch vermuten, „daß sich der allgemeine Nord-Süd-Konflikt auch in den Betrieben der international operierenden Konzerne widerspiegelt", S. 151.

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dig erscheinen lassen. Obwohl sich für das multinationale Unternehmen auf normativer Ebene der idealen Theorie durchaus Verhaltensgrundsätze ableiten lassen, ist hier für das Verhältnis Staat-Gesellschaft von der nicht-idealen Theorie auszugehen. Die Ursache der Störung des Gleichgewichtes ist hier primär auf der rein gesellschaftlichen Ebene angesiedelt, es liegt in diesem Fall keine wohlgeordnete Gesellschaft vor. Die Anwendung von RAWLS' Ansatz in Form der nicht-idealen Theorie kann daher unabhängig vom Verhalten der multinationalen Unternehmen erfolgen. Möglicherweise sind hier sogar die Bedingungen für den zivilen Ungehorsam gegeben1 b) Das entwicklungspolitische Dilemma bei der Vermarktung und Anwendung von Pestiziden in Entwicklungsländern Für die Vermarktung und Anwendung von Pestiziden in Entwicklungsländern sprechen einerseits erhebliche Ertragssteigerungen und die Verlusteindämmung während der Lagerzeiten 2 \ Man wird diesen Beitrag zur besseren Ernährungslage angesichts der erheblichen Bedeutung der materiellen Grundversorgung in vielen Entwicklungsländern als positiv ansehen. Zusätzlich ist eine Kommerzialisierung der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern festzustellen, mit Folgeerscheinungen wie dem Einsatz von Hochertragssorten, der Intensivierung der Landnutzung und der notwendig werdenden Inanspruchnahme von Krediten. Angesichts der Entwicklung der Rahmenbedingungen, nämlich insbesondere der Bevölkerungsexplosion, wird man gegebenenfalls nach reiflicher Erwägung zu dem Urteil kommen können, daß eine solche Agrartechnik und -politik gerechtfertigt sein können. Allerdings muß noch eine weitere Beeinflussung der Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, nämlich die Folgen des Einstiegs in die „Pestizidspirale". Die Verwendung toxischer Substanzen ist verbunden mit zahlreichen primären (z. B. gesundheitlichen), sekundären (z. B. ökologischen) und tertiären (vor allem wirtschaftlichen) Folgen, die sich durch die bis zum Jahr 2000 prognostizierte Vervielfachung des Gebrauchs von Pestiziden und Schädlingsbekämpfungsmitteln verstärken werden. Daß im Agrarchemiebereich häufig staatliche Regulierungen fehlen, bietet den multinationalen Unternehmen zwar günstige Bedingungen, doch stellt sich das Problem, die Verantwortung für die möglichen Konsequenzen zu übernehmen3 \ Eine unbedenkliche Verwendung potentiell schädlicher Mittel im Gast-/Entwicklungsland, deren Einsatz im Herkunftsland des multinationalen Unternehmens untersagt wäre bzw. tatsächlich ist, entspricht auf keinen Fall dem 1 ) vgl. Kap. 3.2.5. 2 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 130. 3 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 131.

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Prinzip der Gleichheit im allgemeinen und dem Prinzip fairer Chancengleichheit im besonderen, nämlich der gleichen Chance auf eine gesunde Umwelt. Eine Letztabwägung der Güter bleibt dem Beurteilenden dennoch nicht erspart, nämlich zwischen dem kurzfristigen, aber unmittelbar lebenssichernden Erfolg der Nahrungssicherung und mittel- oder langfristigen Schäden, wobei hier auf die Argumentation im Zusammenhang mit dem Prinzip der gerechten Sparquote und der gerechten Ressourcennutzung zurückgegriffen werden kann. c) Freie Produktionszonen für den Export Hierbei handelt es sich um wirtschaftliche Enklaven, die von der übrigen Wirtschaft - und in gewisser Weise auch von der Gesellschaft und vom Staatswesen abgetrennt sind. Hauptmerkmale sind umfangreiche Vorleistungen der jeweiligen Staaten - etwa die Errichtung von Fabrikgebäuden sowie fiskalische und andere Anreize - bei schlechten Arbeitsbedingungen für die Belegschaften. Oft lagen die Löhne - Berichten aus den frühen achziger Jahren zufolge - noch unter den jeweiligen nationalen Durchschnittswerten, was zu extrem hohen Arbeitszeiten und gesundheitsschädigender Nachtarbeit sowie einer hohen Rate an Arbeitsunfällen führte 1 \ Eines der Argumente für die freien Produktionszonen war und ist ihr Beitrag zur Industrialisierung, zur Förderung der Exportfähigkeit und zum Aufbau einer höher qualifizierten Arbeiterschaft. Ein Bericht der UNITED NATIONS von 1983 ist in dieser Beziehung zu eher zurückhaltenden Ergebnissen gekommen2 \ Neuere Berichte bleiben zwar kritisch gegenüber dem Erfolg im Blick auf die Förderung der industriellen Leistungsfähigkeit, können jedoch eine Verbesserung der Lage der Arbeiterschaft konstatieren 3 \ Die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit und damit letzlich auch die Selbstachtung der Mitglieder der Gesellschaft im Entwicklungsland werden hier noch krasser verletzt als im erstgenannten Beispiel. Prägend für diese Situation ist, daß es den betroffenen Gesellschaftsmitgliedern der Entwicklungsländer an einer Verhandlungsposition selbst fehlt. Diese Situation liegt darin begründet, daß die objektive Bedingung der Anwendungsverhältnisse der Gerechtigkeit, nämlich die Prämisse einer minimalen Grundversorgung der Gesellschaftsmitglieder, kaum gegeben ist, wodurch die Lösung im Rahmen der idealen oder nicht-idealen Theorie erschwert wird. d) Die Rolle von Pharma-Konzernen Die Debatte um die Vermarktung von pharmazeutischen und ähnlichen Produkten in der Dritten Welt hat in der Öffentlichkeit wahrscheinlich das meiste Aufsehen 1 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 157ff. 2 ) vgl. United Nations Centre on Transnational Corporations (1983), S. 175ff. 3 ) vgl. United Nations Centre on Transnational Corporations (1988), S. 169fî.

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hervorgerufen. Es seien nur die Fälle Nestlé 0 und Abbott 2} erwähnt, die jedoch nicht allein stehen, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die inkriminierten Unternehmen in der Regel aus den verschiedensten Motiven anschließend um eine substantielle Änderung der Firmenpolitik bemüht waren. Eine eingehendere Beschäftigung mit den Vorgängen lohnt schon deshalb, weil es dabei um das Verhältnis unternehmensinterner Vorstellungen von der Möglichkeit wirtschaftlich-ethischen Verhaltens zu entsprechenden Urteilen in der engagierten Öffentlichkeit geht. Zuvor seien jedoch noch einige andere Fallbeispiele erwähnt: -

In Kenia führte die Werbung eines amerikanischen Zahnpasta-Herstellers für fluoridhaltige Zahncreme zu einem Konsum des Produktes, der sich als gesundheitsschädlich erwies, da die Bevölkerung aufgrund natürlicher Gegebenheiten über das Trinkwasser sehr viel Fluorid aufnimmt. Von sich aus war das Unternehmen nicht bereit, seine suggestiven Werbekampagnen einzustellen. In demselben Land resultierte der Verkauf von Hautaufhellern wegen hoher Quecksilberkonzentrationen in schweren Gesundheitsschäden, in demselben Land verkauften ausländische Hersteller Hustensäfte mit einem hohen Chloroformanteil, wie er in den Industrieländern verboten ist 3) .

-

Ebenso wurden in verschiedenen Ländern der Dritten Welt chemische Kontrazeptiva vermarktet - teilweise sogar unter der Assistenz von Entwicklungshilfeorganisationen und der WHO - , die gesundheitlich bedenklich sind und in den Industrieländern zum Teil verboten oder sogar - wie in den USA - für den Export gesperrt wurden 4 \

Dabei erscheint besonders die Werbung für derartige Produkte kritikwürdig, da der Vertrieb mit erheblichen Eingriffen in die jeweils landesspezifischen Konsumgewohnheiten und Lebensweisen einherging. Allerdings muß man den kritisierten Unternehmen auch die Fähigkeit zur Korrektur solcher Praktiken zusprechen, wie die Fälle Nestlé und Abbott belegen. Beide Male ging es im Kern um die Problematik, daß unter den hygienischen und anderen Bedingungen vieler Dritte-WeltLänder die Verwendung von Flaschennahrung anstelle von Muttermilch für Babys erhebliche gesundheitliche Gefahren mit sich brachte. Die Reklame für Flaschennahrung dürfte dabei nicht nur durch die versprochene größere Bequemlichkeit Erfolge erzielt haben, sondern auch durch die Empfehlung von Ärzten und Krankenschwestern sowie durch das Personal der werbenden Firmen, das gewisserma1 ) vgl. Steinmann/Löhr (1988) S. 302, Anm. 11. 2 ) vgl. Molander (1984), S. 189ff. 3 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 185ff. 4 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 188ff.

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ßen als medizinisches Personal auftrat, und schließlich durch die vermeintliche kulturelle Überlegenheit dieser Ernährungsmethode gegenüber der „primitiven" Ernährung mittels Muttermilch. Im folgenden sei die Debatte um die Praktiken des multinationale Unternehmen Abbott Laboratories, Chicago, dargestellt, eines bedeutenden Produzenten im Bereich Pharmazie, Krankenhausbedarf und Gesundheitsartikel, der in den USA marktbeherrschend war, in Übersee jedoch auf die übermächtige Konkurrenz von Nestlé traf. Seit den späten sechziger Jahren stellten Gesundheitsbeamte in Entwicklungsländern bei Flaschenkindern zunehmende Unterernährung und Durchfälle fest, was bald als „commerciogenic malnutrition" bezeichnet wurde. Die Ursachen waren bald festgestellt: Es fehlte an sauberem Wasser, um das Milchpulver anzurichten, an Energiequellen, um die Flaschen auszukochen, und an Geld, um eine ausreichende Milchpulvermenge zu verwenden. 25-40 % eines Familienbudgets seien für den Kauf von „formula" ausgegeben worden, was natürlich bei mehreren Kindern eine unmögliche Ausgabe war und zur Verdünnung der Lösung führte. Es kam zu kontroversen öffentlichen Debatten über die Verantwortung der Produzenten, u.a. was die Werbekampagnen betraf. Abbott veröffentlichte daraufhin 1974 einen eigenen „Code of Marketing Ethics for Developing Countries", der den Verzicht auf massenmediale Werbung enthielt sowie die Notwendigkeit ärztlicher Beratung betonte. Das Unternehmen bemühte sich, zusammen mit anderen Firmen einen allgemeinen Marketing-Kodex zu formulieren, was jedoch scheiterte. Der Fall Nestlé verlieh der Problematik weitere Publizität. Abbott stellte ein besonderes Team auf, um das Problem, auch gegenüber kritischen Anteilseignern, in den Griff zu bekommen, was nur teilweise gelang. Im Fall Nestlé gelang es sogar, die ursprünglichen Organisatoren eines Boykotts zufriedenzustellen. STEINMANN/ LOHR kommen in diesem Zusammenhang zu dem Ergebnis, Unternehmensethik bedeute eine „situationale Beschränkung des Gewinnziels in bestimmten Fällen", 0 unternehmensethische Normen seien „Obernormen für Handlungssituationen mit ethisch konfliktträchtigen Nebenwirkungen" 2 Die hier zitierten und andere in der Literatur nachweisbare Fälle belegen, daß das Verhalten von multinationalen Unternehmen oder Exportfirmen gegenüber Ländern der Dritten Welt ethisch problematisch ist. Nimmt man plausiblerweise an, daß sie die strengeren Vorschriften oder sogar Verbote für das eigene Land genau kennen, bleibt als Erklärung nur eine geringere Bewertung und Achtung vor den Konsumenten in Dritte-Welt-Ländern. Die Grundsätze der Gleichheit, der Fairneß und der Solidarität werden dadurch mißachtet, wobei das Ausweichen aus den In-

1 ) Steinmann/Löhr (1988), S. 308. 2 ) Molander (1984), S.308.

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dustrieländermärkten mit ihrem entwickelten Konsumentenschutz beweist, daß die Gefahren bestimmter Produkte und Konsummuster den Produzenten und Werbestrategen durchaus bekannt sein müssen. 4.1.5 Schritt 3: Das kohärenztheoretische Argument Teil 2: Überprüfung der Prinzipien „ökonomischer Verteilungsgerechtigkeit" an den wohlerwogenen Alltagsurteilen und Herstellung des reflexiven Gleichgewichts An dieser Stelle gilt es, die Gerechtigkeitsprinzipien der Freiheit und Gleichheit mit den wohlerwogenen Alltagsurteilen und den Rahmenbedingungen in ein reflexives Gleichgewicht zu stellen, damit sie als begründet angesehen werden können. Mit RAWLS sind hierzu drei unterschiedliche Perspektiven anzusetzen: Innerhalb der hypothetischen Position sind die Beteiligten und ihr Entscheidungsverhalten als Idealbild heranzuziehen. Im Rahmen dieses Kapitels wurde aufgezeigt, daß sich das multinationale Unternehmen durch einen ähnlichen Bedarf an Grundgütern auszeichnet wie das Mitglied einer Gesellschaft. Gleichzeitig entwickelt es (hinsichtlich dieser Grundgüter) ein vergleichbares Entscheidungsverhalten, so daß es durchaus als Beteiligter der Verhandlungen anzusehen ist. Die Ausführungen im Kap. 4.1.2.1.2 zeigen, daß das multinationale Unternehmen einer moralischen Person gleichgesetzt werden kann. Bestehen in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht auch Unterschiede, ist eine Analogie im Hinblick auf die Grundgüter dennoch gerechtfertigt 1 \ Die Analogie erscheint auf der moralischen Ebene für eine Institution insbesondere dann gerechtfertigt, wenn es um vergleichbare Grundgüter geht, denn im Gegenzug zur Anerkennung und Wahrung der eigenen Grundgüter steht die Verpflichtung zur Anerkennung fremder Grundgüter und damit eine entsprechende moralische Verantwortung. Ferner ist ihnen der wesentlich demokratische common sense als Maßstab für gesellschaftliche Gerechtigkeit unter Umständen sogar vertrauter als den Gesellschaftsmitgliedern der Entwicklungsländer. Gerade dieser dem Leser sehr vertraute Maßstab ist es, der ihm eine Beurteilung des reflexiven Gleichgewichtes „auf Basis des reinen Menschenverstandes" ermöglicht. Auch unter Einbezug des multinationalen Unternehmens als einem moralischen Akteur erscheint das Konzept einer internationalen Unternehmensethik auf der Grundlage der RAWLSschen Theorie im Einklang mit den eigenen wohlerwogenen Urteilen. Die oben genannten Beispiele lassen beim Leser automatisch ein Ungerechtigkeitsempfinden und Ideen aufkommen, unter welchen Umständen ihm eine gerechte Verteilung im Rahmen des reflexiven Gleichgewichtes als erreicht erscheint. 1 ) vgl. Rawls (1979), S. 574ff.; (1988), S. 504ff.

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4.2 Ableitung formal-ethischer und materiell-ethischer Verhaltensgrundsätze unter nicht-idealen Bedingungen Nachdem sich die Methode bzw. der Prozeß der Normenherleitung als praktikabel erwiesen hat sowie die damit verbundenen Grundlagen, Voraussetzungen und Anwendungsfälle hinreichend geklärt sind, wird nun in einem zweiten Vermittlungsschritt das erarbeitete Modell mit konkreten, aktuellen Problemstellungen beim Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern konfrontiert und eine Vermittlung zwischen abstrakten, allgemeingültigen ethischen Prinzipien für die internationale Unternehmenstätigkeit sowie zeitgerechten, situationsadäquaten, konkreten ethischen Verpflichtungen für das Handeln unter widrigen Umständen angestrebt 1 Dies ist der eigentliche empirische Test für die Validität einer entwickelten internationalen Unternehmensethik, nämlich inwieweit sie in der Lage ist, Anfragen aus der Praxis zu beantworten, genauer, wie sie sich in konkreten Situationen der Unternehmenstätigkeit auswirkt. Hierzu werden die bisher getroffenen Annahmen der vollkommenen Konformität und allgemein günstiger Umweltbedingungen für eine internationale Unternehmensethik fallengelassen und nicht-ideale Bedingungen angesetzt, auf deren Existenz als Voraussetzung für die Anwendbarkeit der internationalen Unternehmensethik jedoch bereits mehrmals hingewiesen wurde. 4.2.1 Operationalisierung „un-ethischen Verhaltens" Ziel dieses Schrittes ist es, zu ethischen Verhaltensgrundsätzen für multinationale Unternehmen zu gelangen, die in einem „un-ethischen", d. h. in einem ungerechten Umfeld operieren. Dieser Begriff bedarf der Erläuterung, denn er ist unterschiedlichen Interpretationen zugänglich. „Ungerechtes Verhalten" kann von mehreren verschiedenen Seiten ausgehen, die innerhalb unseres Ansatzes nicht gleichermaßen in Frage kommen bzw. nicht sämtlich gleichmäßig behandelt werden können: -

Die Konkurrenz kann versuchen, das Unternehmen mit unethischen Methoden aus dem Markt zu drängen.

-

Das Entwicklungsland kann versuchen, das Unternehmen ungerechterweise zu attackieren und zu bedrohen2 \

-

Das Unternehmen kann auf die verschiedenste Weise selbst unethisch handeln, sei es als Reaktion auf Praktiken von Konkurrenten oder des Gastlandes, sei es

1 ) vgl. Höffe (1981), S. 16f. 2 ) vgl. De George (1990), S. 29f.

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im Vergleich mit heimischen Gepflogenheiten - im Gastland müßte ein solches Verhalten nicht notwendigerweise anstößig sein (siehe das „Bakschisch"Problem) - , sei es, indem es Gesetzeslücken oder spezielle andere Gegebenheiten im Gastland zu profitablen Verhaltensweisen nutzt, die zumindest im Herkunftsland, zunehmend aber auch im Gastland als unethisch angesehen würden. -

Schließlich ist auf die Gesellschaftsstrukturen und andere spezifische Verhältnisse im Gastland hinzuweisen, die nach den Vorstellungen des Herkunftslandes „ungerecht" sein können, wie etwa Rassendiskriminierung, Kastensystem, die Unterdrückung bestimmter Gruppen wie Frauen, ethnische, kulturelle oder religiöse Minderheiten.

Hier geht es jedoch vor allem um den vorletzten Punkt, das mehr oder wenige aktive Verhalten des Unternehmens selbst. Im Zusammenhang damit stellt sich die Frage nach verbindlichen Verhaltenskatalogen für einzelne Unternehmen oder auch deren Gesamtheit. Bevor auf Kodizes eingegangen wird, die von unterschiedlichen Institutionen formuliert worden sind, soll das Problem auch grundsätzlich zumindest knapp beleuchtet werden, und zwar auf der Grundlage der Argumentation, wie sie ζ. B. von DONALDSON vorgetragen wird 1 \ 4.2.1.1 Das Kriterium der minimalen und maximalen Pflichten DONALDSON fragt, welche minimalen und maximalen Pflichten 2 ] eigentlich ein Unternehmen haben könne. Seine Antwort enthält, wie weiter unten dargestellt werden wird, eine allgemeine sowie eine konkrete Komponente. DONALDSON definiert minimale und maximale Pflichten wie folgt: „ A minimal duty is a duty of which the persistent failure to observe would deprive the corporation of its moral right to exist. A maximal duty is one whose fulfillment would be praiseworthy but not absolutely mandatory. The distinction, then, is between duties that must be observed in order to preserve a corporation's very moral right to exist, and those whose performance goes beyond this minimum" 3 \ Im weiteren geht DONALDSON auf die weiterhin ungünstige Lage vieler Entwicklungsländer ein, die durch die Verteilung der Gewinnmöglichkeiten bei der 1 ) vgl. Donaldson (1989), S. 62ff., S. 8Iff. 2 ) Beachtenswert ist dabei, daß „minimal" im Sinne von „unbedingt" und „maximal" im Sinne von „optional", d.h. der jeweils durchaus individuellen „discretion" zu verstehen ist. 3 ) vgl. Donaldson (1989), S. 62.

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jetzigen Weltwirtschaftsstruktur perpetuiert werde 1 \ Er kommt zu dem Schluß: „Now at the broadest moral level, it is impossible to doubt the need for an overall transfer of resources" 2 Daraus leitet DONALDSON jedoch keine zwingende Konsequenz ab, ein multinationales Unternehmen habe auf dieser Basis minimale Pflichten zu erfüllen. Wenn die Ford-Werke in Südafrika Mitarbeitern, die bürgerlichen Ungehorsam geübt haben, unentgeltliche Rechtshilfe und finanzielle Unterstützung haben zuteil werden lassen, dann sei dies lobenswert, jedoch nicht als die Erfüllung von Minimalpflichten zu bewerten. Die vorrangige Aufgabe sei mithin, akzeptable Minimalstandards für multinationale Unternehmen zu definieren, die sich im übrigen im Laufe der Zeit und in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten auch ändern könnten3 \ Die Nähe zum RAWLSschen Ansatz wird noch deutlicher, wenn man die fiktiven Beispiele und die Auflistung korrelativer Unternehmenspflichten bei DONALDSON betrachtet4 \ DONALDSON attestiert Wirtschaftsunternehmen eine „exceedingly narrow personality" als moralischem Akteur, hält dies jedoch für völlig erklärlich im Vergleich zu Individuen, einem Staatswesen mit seinen festgeschriebenen, auch moralisch definierten Aufgaben und angesichts der vorrangig ökonomischen Zielsetzungen eines Unternehmens5 \ Er geht von einem Grundrechtekatalog aus und entwickelt für Unternehmen drei Verhaltensmöglichkeiten: 1) es zu unterlassen, Menschen diese Rechte zu entziehen, 2) Menschen vor dem Entzug dieser Rechte zu beschützen, 3) Menschen zu helfen, denen diese Rechte entzogen worden sind. Nur die Möglichkeit 1 stelle bezüglich aller Rechte eine minimale Pflicht für das Unternehmen dar. Hinsichtlich der Möglichkeit 2 seien die Pflichten bereits eingeschränkt. Hier entfallen alle Verpflichtungen, die das Unternehmen in einen politischen Konflikt mit dem Gastland führen könnten. Schließlich bestehe keinerlei Verpflichtung im Rahmen der Verhaltensmöglichkeit 3. Auch diese Entscheidung liegt auf der vorigen Linie, denn eine Interventionspflicht würde ganz klar zu einem aktiven Eingreifen in die gesellschaftlichen Verhältnisse im Gastland führen und somit die Problematik der Legitimität von Interventionen im Gegensatz zum

1 ) Donaldson (1989), S.62f. 2 ) Donaldson (1989), S. 63. 3 ) vgl. Donaldson (1989), S. 63f. 4 ) vgl. Donaldson (1989), S. 86ff. 5 ) vgl. Donaldson (1989), S. 84.

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Nichteinmischungsprinzip und zum Recht auf autonome Entwicklung eines Landes heraufbeschwören 1 \ 4.2.1.2 Formale Vorgaben Wie bereits erwähnt, haben verschiedene Institutionen Verhaltenskodizes zu erarbeiten versucht. Sie waren und sind noch damit beschäftigt, konkretere Formulierungen aufzustellen, die in der Regel über bloße abstrakte Richtlinien hinausgehen. So ist auch das CENTRE OF TRANSNATIONAL CORPORATIONS der UNITED NATIONS (UNCTC) seit geraumer Zeit dabei, einen Verhaltenskodex fur multinationale Unternehmen zu entwickeln. Die wichtigsten geplanten Inhalte sind die folgenden: a) Allgemeine Prinzipien -

Das Gastland hat das Recht, den Zugang, den Investitionsumfang und den Einfluß, den multinationale Unternehmen ausüben, zu kontrollieren. Die Unternehmen unterliegen der Jurisdiktion des Gastlandes.

-

Trotz des Prinzips der Vertragstreue muß es möglich bleiben, angesichts der oft rapiden Entwicklung der Verhältnisse Verträge zu revidieren.

-

Multinationale Unternehmen sollten sich weder in die inneren Angelegenheiten des Gastlandes einmischen noch die intergouvernementalen Beziehungen zwischen Heimatland und Gastland beeinflussen.

-

Multinationale Unternehmen sollten ihre Aktivitäten so ausrichten, daß sie nicht mit den politischen, insbesondere entwicklungspolitischen Zielen des Gastlandes konfligieren.

-

Soziokulturelle Werte und Zielsetzungen sind zu respektieren.

-

Menschenrechte und Grundfreiheiten sind zu achten.

-

Unterdessen überholt sind die Bestimmungen zur NichtZusammenarbeit mit rassistischen Regimes in Südafrika. Multinationale Unternehmen sollen auf Korruptionsmethoden verzichten, z.B. auf Bestechungsgelder.

-

b) Wirtschaftliche und finanzielle Themen -

Die Eigentumsbestimmungen und die Firmenstruktur bei der Bildung von Tochterfirmen sollen durch die multinationalen Unternehmen so angelegt werden, daß das Gastland möglichst davon profitiert, ζ. B. durch Kompatibilität

1 ) vgl. Donaldson (1989), S. 86ff.

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mit dessen Zielen oder durch Ausbildung qualifizierten einheimischen Personals. -

Bei der Rückführung der Gewinne sind auch die Interessen des Gastlandes zu berücksichtigen, wobei eine Reinvestition in den Entwicklungsländern gefördert werden soll.

-

Verzicht auf Geschäftspraktiken, die ζ. B. die Zahlungsbilanz des Gastlandes negativ beeinflussen, und aktive Förderung von dessen Wirtschaftsstruktur. In eine ähnliche Richtung gehen andere, eher technische Vorschriften, die etwa Steuervermeidung oder unangemessene Kostenverrechnungen zwischen den Teilfirmen des multinationalen Unternehmens betreffen.

-

Auch Verstöße gegen international anerkannte Wettbewerbsregeln und Technologietransfer-Abkommen sollen berücksichtigt, d.h. das jeweils geltende Recht in den UNCTC-Code integriert werden.

c) Auf soziale Themen bezogene Normen -

Multinationale Unternehmen sollen Produktion und Marketing ihrer Produkte an den im Gastland anerkannten Normen zum Verbraucherschutz ausrichten.

-

Ähnliche Prinzipien sollen für den Umweltschutz gelten.

d) Berichtspflicht -

Die Unternehmen sollen im Gastland ihre Aktivitäten, Firmenpolitik, Strukturen und ähnliche Informationen öffentlich machen, unabhängig von einschlägigen gesetzlichen Verpflichtungen 1 \ Zunehmende Forderungen nach ausführlicher Informationspolitik von multinationalen Unternehmen, d. h. nach Daten über finanzielle und nicht-finanzielle Aktivitäten finden sich auch in den Kodizes anderer Organisationen wie zum Beispiel der OECD. Diese sind aber oft nicht ausdrücklich genug und zu vage gehalten. Wichtigste Unterscheidungsmerkmale der in den Kodizes geforderten Information sind der Typ (finanzielle/nichtfinanzielle; ex-ante/ex-post), das Ausmaß der Offenlegung sowohl bei Geber (Konzern/Tochter) und Empfänger (bestimmter Adressat/Öffentlichkeit) und der Verpflichtungsgrad (freiwillig/erzwungen). Für die Zukunft ist zu erwarten, daß Regierungen und Interessengruppen ihre Forderungen nach Informationen teils aus sachlichen, teils aus Prestigeerwägungen verstärken 2 \

-

Außerdem werden Normen für die Verstaatlichung, Enteignung oder Eigentumsübertragung ausländischer Unternehmen und Vermögen erwogen. Grund-

1 ) vgl. UN (1988), S. 354ff.; Kasch et al. (1985), S. 20f. 2 ) vgl. Bobrow/Kudrle (1984),S. 437ff.

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läge bildet dabei die Vorstellung der Souveränität des Gastlandes über seine Naturschätze und sonstigen Ressourcen. Es ist offensichtlich, daß Normen wie das Nichteinmischungsprinzip oder die Verpflichtung auf einheimische Normen in anderen Bereichen widersprüchlich sein können. Das Verhalten mancher multinationaler Unternehmen in Südafrika (siehe das obige Beispiel der Ford-Werke) geht ethisch über die örtlichen Verhältnisse im positiven Sinne hinaus. Zahlreiche Entwicklungsländer, aber auch neuindustrialisierte Staaten fallen in zahlreichen Normen hinter europäische Standards oder die deklarierten Ansprüche internationaler Organisationen zurück. In ähnlicher Weise hat die EG einen Verhaltenskodex speziell für in Südafrika tätige multinationale Unternehmen entwickelt. Auch die OECD verfügt über Richtlinien fur das Verhalten von multinationalen Unternehmens in Gastländern. Alle Verhaltenskodizes haben bisher nur appellativen Charakter, ohne Konsequenzen bei ihrer Nichtbeachtung 0 . Auch Unternehmen haben sich gelegentlich zusammengeschlossen, um in Konfliktfällen eine Kodifizierung von Verhaltensweisen zu erreichen2 \ 4.2.1.3 Praktizierte Verhaltensweisen Manche Unternehmen haben Gegenstrategien der verschiedensten Art entwickelt, um die Spannungen zwischen ihnen und den Gastlandregimes zu verringern, was zugleich die öffentliche Meinung in den Herkunftsländern positiv beeinflussen kann: -

So bieten multinationale Unternehmen Kompensationsgeschäfte als Argumentationshilfe unter anderem zum Abbau ζ. B. von Gebührentransferrestriktionen an.

-

In eine ähnliche Richtung weist die Entwicklung von Local-Content-Bestimmungen.

-

Ein weiterer Weg ist die Gründung von genossenschaftlichen Banken zur Finanzierung von Kleinstkrediten zur Existenzgründung. In einem solchen Fall wird es aber wichtig sein, daß keine Gewinne erzielt werden, sondern tatsächlich auf Selbstkostenbasis mit größtmöglicher Transparenz gearbeitet wird.

Eine beachtenswerte Strategie verfolgt Union Carbide in Indien: Das Unternehmen förderte den Aufbau einer Fischfabrik, da Indien Anstrengungen im Hinblick auf den Aufbau einer exportorientieren Fischindustrie unternahm. Union Carbide 1 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 20f. 2 ) vgl. Donaldson (1989), S. 135ff.

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hatte damit auf dem eigentlichen Schwerpunktmarkt der chemischen Produkte einen geringeren Druck durch das Gastland auszuhalten. Das Unternehmen Indian Tobacco als Tochter von British Tobacco diversifizierte in der Hotel- und damit Tourismusbranche und im Export von Handarbeiten, also der Unterstützung traditioneller Industrien, was insbesondere im Hinblick auf die Achtung sozio-kultureller Gegebenheiten eine sinnvolle Politik darstellte1 \ Unsere gegenwärtigen Gesellschaften sind nicht wohlgeordnet. Es existieren verschiedenste Gerechtigkeitsvorstellungen und die unterschiedlichsten Vorstellungen darüber, wie Freiheit und Gleichheit in einer gesellschaftlichen Grundstruktur am besten verwirklicht werden sollten bzw. in ihrem Verhältnis zueinander bestimmt werden können2 \ Noch stärker trifft dies auf viele Entwicklungsländer zu sowie auf deren Verhältnis zu den westlichen Industrieländern. Damit gelangt man zur Thematisierung der Politisierung des Verhaltens multinationaler Unternehmen: Die Rollenvielfalt des Unternehmens im Gastland impliziert, daß die Wahrnehmung und Realisierung der Rolleninhalte nicht mehr ausschließlich ökonomisch, sondern zunehmend auch politisch bewertet werden. Insbesondere bei konfliktären Rolleninhalten gerät das Unternehmen in die Gefahr, daß sein Verhalten nicht als Ergebnis ökonomischer Entscheidungsfindung, sondern als politische Stellungnahme interpretiert wird. Zugleich verfugt das Unternehmen wegen der Interdependenzen der ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Sphäre nur dann über Möglichkeiten zur Beeinflussung der Umwelt, wenn bei der Entscheidungsfindung nicht nur ökonomische Kriterien berücksichtigt werden3 \ Eine derartige Politisierung fuhrt jedoch zur Beeinträchtigung der Entscheidungsautarkie des Unternehmens. Unterwirft sich die Unternehmung sozio-politischen Maßstäben, gerät sie möglicherweise in Abhängigkeit von der Entwicklung der politischen Umweltkonstellationen. Bei plötzlichen Veränderungen der politischen Machtverhältnisse, wie sie besonders in Entwicklungsländern und Diktaturen oder doch autoritären/autokratischen Regimes zu erwarten sind, kann gerade ein solches Engagement im Konfliktverlauf der Ausgangspunkt für Repressalien werden4 >. Das Dilemma liegt auf der Hand: Eigentlich sollten sich multinationale Unternehmen erfahrungsgemäß aus der politischen Sphäre heraushalten. Eine politische Einmischung, auch auf der ethischen Grundlage von Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, würde ihnen von den Gastländern zum Vorwurf gemacht werden. Demge-

1 ) vgl. Negandhi/Baliga (1979), S. 114. 2 ) vgl. Rawls (1985), S. 227. 3 ) vgl. Krieger (1976), S.36. 4 ) vgl. Krieger (1976), S.37.

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genüber stehen verschiedene andere, hinreichend bekannte Anforderungen an die multinationalen Unternehmen, die hier knapp zusammengefaßt seien: -

Die öffentliche Meinung im Stammland kann Forderungen an das Unternehmen stellen.

-

Damit zusammenhängend kann das moralische Dilemma auftreten, von ungerechten Bedingungen im Gastland zu profitieren, da dies ζ. B. den Arbeitnehmern im Herkunftsland zugute kommt (Sicherung vom deren Arbeitsplätzen, höheres Lohnniveau).

-

Das Unternehmen selbst bzw. seine Vertreter sowohl im Stammland wie im Gastland können aus verschiedensten Gründen das Bedürfnis entwickeln, ungerechte Verhältnisse vor Ort verbessern zu wollen.

Mit der Entwicklung international anerkannter Kodifizierungen wird sich dieser Druck verstärken. Die eigentliche Frage ist aber die, in welchen konkreten Fällen ein multinationales Unternehmen verpflichtet wäre, Anstrengungen zur Verbesserung solcher Situationen zu unternehmen, wohinter wiederum die Grundentscheidung stünde, ob es eine solche minimale Verpflichtung überhaupt gibt bzw. geben kann. Ein weiteres Dilemma der Unternehmung kann man als Anpassungsdilemma definieren: Anpassung an das Umfeld bedeutet gleichzeitig Anpassung an (oft politische) Konflikte in der gesellschaftlich-politischen Umwelt. In einer konfliktären Umwelt bedeutet auch Anpassung gleichzeitig Konfliktverhalten, da konfliktneutrales Verhalten nicht möglich ist. Zu unterscheiden ist nur zwischen konfliktverstärkendem und konfliktverminderndem Handeln. Zwei Handlungsoptionen bezeichnen das Anpassungsdilemma des Unternehmens: 1. Soll es sich im Rahmen seiner Möglichkeiten in die politischen Spannungen des Gastlandes einmischen und damit u. U. das zukünftige Investitionsklima beeinflussen? Allerdings kann ihm die Einmischung als Parteinahme ausgelegt werden, woraus sich ein Recht zu Repressalien ableiten ließe, ein Ansatz zur Kritik, der vermutlich auch im Herkunftsland genutzt würde. 2. Soll sich das Unternehmen eher nicht einmischen und sich den jeweils vorgeschriebenen gesetzlichen und gewohnheitsmäßigen Normen völlig anpassen? Damit würde es die Position der staatlichen Institutionen unterstützen, was diese womöglich zur Schaffung günstiger Investitionsbedingungen veranlaßt. Steht das Verhalten im Gegensatz zur politischen und/oder öffentlichen Meinung im Herkunftsland oder Drittländern, wird sich die Unternehmung dort dem Vorwurf der Kollaboration aussetzen, die Anpassung wird vielleicht sogar als Mittel zum Zweck interpretiert 1 \ 1 ) vgl. Krieger (1976), S. 37.

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4.2.2 Entwicklung geeigneter Verhaltenskodizes 4.2.2.1 Analyse der Verhaltensursachen Auch wenn der Fall Südafrika bei weitem nicht mehr die frühere Relevanz besitzt und nicht mehr als Paradebeispiel für ungerechte Ordnungen und die unterschiedlichen Reaktionen ausländischer Investoren darauf betrachtet werden kann, ist sein Beispiel jedoch immer noch aussagekräftig 1 \ Welche Elemente haben die Verhaltenskonzepte ausländischer Unternehmen in Südafrika geprägt? 1. Es bestand ein überdurchschnittlich günstiges Investitionsklima, ζ. B. aufgrund geologischer Bedingungen, gesetzlicher Bestimmungen und der gesellschaftlichen Situation. Dies veranlaßte viele Unternehmen, die gewinnfördernden Gegebenheiten am Standort auszunutzen. 2. Unternehmen waren in Südafrika an langfristigen Engagements interessiert, ihr Verhalten orientierte sich an der Existenzsicherung auf lange Sicht. Konkret bedeutete dies, daß ein Interesse an der Verhinderung offener Konflikte bestand. Ob eine aktive Stabilisierung des Status quo intendiert war, wird in der Literatur angesichts der durch die Umfeldbedingungen verursachten Probleme bezweifelt. 3. Die Unternehmen versuchten, Konflikte mit staatlichen Organen und gesellschaftlichen Gruppierungen zu vermeiden, da diese über erhebliche Einflußmöglichkeiten verfügten. 4. Aus unterschiedlichen Gründen hatte kein Unternehmen ein Interesse daran, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, vor allem auch im Herkunftsland, und damit die Belastung durch rivalisierende Meinungen auf sich zu ziehen2 Mit DONALDSON handelten die Unternehmen entsprechend den miminalen Pflichten und paßten sich im übrigen an. Im wesentlichen lassen sich zwei Typen von Anpassungsverhalten unterscheiden, 1. das konservative (reaktive) und 2. das progressive (aktive) Anpassungsverhalten. Beim konservativen Anpassungsverhalten wird die politische Spannung als eine exogen gegebene Umweltkonstellation angesehen, die nicht mit Mitteln der Unternehmung beeinflußt werden kann. Auf Veränderungen in der Umgebung wird durch Änderungen der Unternehmensplanung reagiert, womit nicht notwendigerweise eine Befürwortung, aber auch keine Ablehnung der herrschenden Situation verbunden ist. Dies stellt die domi-

1 ) vgl. Donaldson (1989), S. 137ff. 2 ) vgl. Krieger (1976), S.57.

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nierende Verhaltensweise ausländischer Tochtergesellschaften nicht nur in Südafrika dar 1 Typische Kennzeichen dieser Haltung sind im einzelnen: -

Für Unternehmen gelten die von den politischen und ökonomischen Entscheidungsträgern verfolgten Ziele und Strategien als Handlungsnormen.

-

Politische Programme der Regierungspartei, ökonomische Daten und gesellschaftliche Differenzen bilden externe, bei der Verhaltensplanung zu berücksichtigende Daten2 \

Eine Analyse der Ursachen für die Bereitschaft zu einem solchen Verhalten ergibt folgendes Bild, wobei zugleich Argumentationsstrategien offengelegt werden: Mit Kritik konfrontierte Unternehmen verwiesen - ζ. B. in Joint-Ventures - auf die mangelnde Kapitalkontrolle und den damit verbundenen mangelnden Einfluß auf das Verhalten des Tochterunternehmens 3 \ Die Abhängigkeit vom Wohlwollen der politischen Machtträger wurde als Grund für die totale Anpassung an die traditionellen Gegebenheiten des Landes angeführt. Die Furcht vor Interventionen konnte sogar zu über das Gesetz hinausgehende Interpretationen von Restriktionen führen. Das Verhältnis zu den Gewerkschaften war ebenfalls wichtig, da diese sich in Südafrika als Garant für die Protektion weißer Arbeitskräfte sowohl hinsichtlich der Tarifgestaltung als auch anderer personalpolitischer Entscheidungen verstand e n 4 U n t e r dem Kostenaspekt stellte sich das unter Kostenbedingungen (Lohnkosten, Produktionskosten etc.) sehr günstige Investitionsklima als Vorteil dar, dessen Bewahrung ein Ziel „konservativen" Anpassungsverhaltens sein konnte5

1 ) vgl. Krieger (1976), S. 58. 2 ) vgl. Krieger (1976), S. 59. Dies sind z.B. - Marktsegmentierung in Folge beträchtlicher Einkommensunterschiede, - Personalbeschaffung unter Beachtung traditioneller Beschränkungen, - Entlohnung unter Beachtung traditioneller Verfahrensweisen, d.h. Zahlung von Mindestlöhnen, - Personalentwicklung und innerbetriebliche Förderung unter Rücksichtnahme auf diskriminierende Traditionen, - Zurückhaltung bzw. Abstinenz von öffentlichen Stellungnahmen zum Engagement in Südafrika, - Zielvorgabe an Hand von Gewinn- und Umsatz- bzw. Marktanteilsquoten, d.h. Nichtberücksichtigung sozialer Ziele, - Motivierung des Managements an Hand der genannten Zielvorgaben mit dem finanziellen Erfolg als Maßstab. 3 ) vgl. Krieger (1976), S. 59. 4 ) vgl. Krieger (1976), S. 60. 5 ) vgl. Krieger (1976), S. 60.

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Bezüglich der Managementauswahl und -Orientierung erlaubten konfliktfreie Umweltkonstellationen traditionelle Erfolgskontrollen, ζ. B. Gewinn, und primär darauf ausgerichtete Manager. Wurde ein Land wie Südafrika als problemfrei gesehen, war das konservative Verhalten aus den finanziellen Erfolgskontrollen und dem entsprechenden Verhalten der Manager ableitbar 1 Ein progressives, aktives Anpassungsverhalten zeichnet sich dadurch aus, daß die Unternehmen eigene Initiative entwickeln und versuchen, Änderungen in der Umfeldsituation herbeizufuhren. Ihre Strategie wird situativ bestimmt von der Branche, der Art des Auslandsengagements, vom Standort und der Beschäfitigungsstruktur. Kennzeichen dieser Haltung waren im einzelnen: -

Progressives Verhalten in Südafrika Schloß die Berücksichtigung staatlicher bzw. gesellschaftlicher Restriktionen, ζ. B. in der Personalpolitik, ein, wobei zugleich gesetzlich fixierte wie überkommene Spielräume ausgenutzt wurden. So wurden etwa Mindestlöhne nicht gleichzeitig als Höchstlöhne verstanden.

-

Mangelnden Ausbildungsprogrammen für nichtweiße Arbeitnehmer begegnete man mit eigenen Ausbildungsprogrammen, an denen Belegschaftsmitglieder unabhängig von der Rassenzugehörigkeit teilnehmen konnten.

-

Mittels exakter Arbeitsplatzbeschreibungen und genauer Abgrenzung innerbetrieblicher Funktionen wurden Beschäftigte unterschiedlicher Hautfarbe aneinander gewöhnt.

Voreilige Publiziät wurde vermieden, denn erst mit zunehmender Dauer eines Aktionsprogramms ergab sich die Chance, die Praktikabilität der eingeschlagenen Politik nachzuweisen2 \ Zur Illustration sei auf das aufschlußreiche Praxisbeispiel für progressives Verhalten in Südafrika der Firma Gillette verwiesen3 \ Von den Unternehmen Mobil Oil und Polaroid ist ähnliches zu berichten. Bei Gillette wurde ein Aktionsprogramm zur Beeinflussung der Umfeldkonstellation entwickelt, um langfristig Ziele wie Produktivitätssteigerung, Verminderung der Personalfluktuation und dauerhafte Deckung des Personalbedarfs zu erreichen. Wesentlicher Bestandteil des Programms war der Versuch, jede Publizität in Südafrika zu vermeiden. Es zeichnete sich durch folgende Maßnahmen aus: -

Ausdehnung des Medical Aid Funds auf Familienangehörige nichtweißer Arbeitnehmer, da sich eine Versicherung fand, die dieses Vorhaben ermöglichte.

1 ) vgl. Krieger (1976), S. 61. 2 ) vgl. Krieger (1976), S. 61. 3 ) vgl. Krieger (1976), S. 62fT.

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-

Spezielle Schulförderungsprogramme fur farbige Kinder im Zusammenhang mit der Vergabe von Stipendien. Diese Maßnahme wurde später auf Bewerber innerhalb der Familien der eigenen Belegschaft begrenzt, da sich dort genügend qualifizierte Schüler fanden.

-

Einsatz von Nichtweißen in verantwortlichen Schwarze die Arbeit anderer, ohne allerdings haben; qualifizierte schwarze Forscher wurden wicklung eingesetzt; es kam zum Einsatz eines

-

Anpassung der Bezahlung für Asiaten und Mischlinge an das Lohnniveau der Weißen; außerdem wurde ein Mindestlohn für Schwarze festgesetzt, der eine Steigerung für qualifizierte Arbeiten vorsah.

Positionen (ζ. B. kontrollierten direkte weiße Untergebene zu im Bereich Forschung und Entschwarzen Chemikers).

Zum Konzept des Aktionsprogramms gehörte die Vermeidung von Wohltätigkeitsmaßnahmen, die Förderung innerbetrieblicher Aufstiegschancen sowie die Intensivierung der Möglichkeit, höhere Gehaltsstufen zu erreichen 0 . Trotz vorsichtiger Maßnahmeneinführung ergaben sich Schwierigkeiten, was zeigt, daß ein progressives Verhalten meist nur schrittweise zu realisieren ist 2) . Die südafrikanischen Erfahrungen lassen sich durchaus systematisch verallgemeinern, womit zugleich mögliche Verfahrensweisen bei absatzmarktorientierten Internationalisierungsstrategien in problematischen Ländern aufgezeigt werden. Bei den verfügbaren Beispielen handelte es sich in erster Linie um die Reinvestierung des erwirtschafteten Gewinns in alternative Projekte zur Förderung von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, umgesetzt durch spezielle Ausbildungsprogramme für Minderheiten, Gewährung von Stipendien, Spenden oder Aufbau eines genossenschaftlichen Finanzierungssystems. 4.2.2.2 Ableitung geeigneter Verhaltenskodizes Der Nachweis erfolgreicher Einzelbeispiele führt nicht an der Beschäftigung mit einem Grundproblem vorbei: Gibt es für multinationale Unternehmen eine ethische Verpflichtung zum Engagement in Entwicklungsländern bzw. eine Pflicht zur Unterstützung der dort lebenden Menschen? Erschwerend kommt in der Regel hinzu, daß die ökonomischen Voraussetzungen dafür häufig fehlen bzw. zumindest unvollkommen sind. Dabei handelt es sich jedoch, was unbedingt festzuhalten ist, nicht um eine prinzipielle, sondern nur graduelle Erschwernis der Entscheidungssituation.

1 ) vgl. Krieger (1976), S.64. 2 ) vgl. Krieger (1976), S.64f.

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Damit ist zugleich festzuhalten, was die internationale Unternehmensethik auf der Grundlage von RAWLS' Gerechtigkeitskonzeption nicht leistet. Der Bezug auf die Grundstruktur der Gesellschaft fuhrt zur Theorie der Gerechtigkeit auf einem „suitable level of generality" 1 \ Diese Ebene ist die der idealen Theorie unter Ausschluß nicht-idealer Elemente. Daraus folgt, daß die internationale Unternehmensethik nicht für eine unmittelbare Anwendung auf sich für Individuen, Unternehmen, Regierungen oder bei gesellschaftlichen Regelungen ergebende Alltagsprobleme gedacht ist. Die Anwendung ist ausnahmslos indirekt, d. h. sie wird durch die Grundstruktur der Gesellschaft vermittelt 2 \ Selbstverständlich kann - und mit Recht - davon ausgegangen werden, daß die ideale Theorie große Auswirkungen auf die nicht-ideale Theorie hat. Allerdings sind die unmittelbaren und mit Dilemmacharakter behafteten Alltagsprobleme der Gerechtigkeit der nicht-idealen Praxis durch die ideale Theorie nicht zu lösen3 \ sondern müßen im Wechselspiel zwischen idealer und nicht-idealer Theorie unter Berücksichtigung der Fakten der jeweils konkreten Situation mit Hilfe des Erkenntnisprozesses des „reflexiven Gleichgewichts" ermittelt werden. Welche Maßnahmen gegen unethisches Verhalten lassen sich im internationalen Kontext realisieren? Im einzelnen ist an folgende Möglichkeiten zu denken: -

Internationale Vereinbarungen gegen Korruption: Beispielsweise sind Hearings über multinationale Unternehmen bei den UNITED NATIONS denkbar.

-

Unilaterale, restriktive Gesetzgebung, z.B. Forderung der Offenlegung von Zahlungen von multinationalen Unternehmen für Beeinflussung ausländischer Regierungsvertreter.

-

Regelung und Überwachung durch Regierungsstellen, z.B. Wirtschaftsministerium etc.

Regelungen dieser Art könnten jedoch auch dann kein Ersatz für die Entwicklung und Durchsetzung eines klaren ethischen Standards für jedes einzelne Unternehmen sein, wenn die betreffenden Länder selbst sich an diese Vorgaben hielten. Den potentiell größten Beitrag für die Entwicklung einer Geschäftsmoral im internationalen Kontext kann man von der Übernahme und Umsetzung eines ethischen Verhaltenskodex erwarten, der ethische Standards sichert. Die Probleme zwischen multinationalen Unternehmen und Regierungsvertretern haben die Postulierung von Verhaltensnormen nach sich gezogen, die „gute unternehmerische Staatsbürgerschaft" konstituieren. Die Suche nach internationalen Standards für eine Unter1 ) vgl. Rawls (1988), S. 131, S. 304, S. 308. 2 ) vgl. Beauchamp (1980), S. 156. 3 ) vgl. Beauchamp (1980), S. 159.

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nehmenstätigkeit, die als Richtlinien für angemessene unternehmerische Aktivitäten im internationalen Geschäft dienen sollen, hat zu einer ganzen Reihe verschiedener Ergebnisse gefuhrt. Zwei Ansätze fur die Entwicklung von Verhaltenskodizes seien nochmals besonders hervorgehoben: 1. Verschiedene internationale Organisationen entwickeln Verhaltenskodizes für multinationale Unternehmen. 2. Eine wachsende Zahl von Unternehmen entwickelt ihre eigenen, hausinternen Verhaltensregeln, um sich zu ethischem Verhalten und zur Verantwortung gegenüber anderen Staaten zu bekennen. Zur unternehmenseigenen Entwicklung sei hier folgendes Beispiel angeführt: Das Unternehmen Caterpillar hat bei der Entwicklung eines firmeneigenen Verhaltenskodex drei verschiedene Wege konzipiert: erstens eine Beschreibung dessen, was ein Unternehmen als richtig oder falsch ansieht, was es von seinen Beschäftigten erwartet etc., zweitens einen restriktiven Ansatz in Form einer Beschreibung von Handlungsweisen, die auf jeden Fall vermieden werden sollen, und drittens eine Kombination beider Wege. Für den ersten Ansatz spricht, daß er auf positivem Denken aufbaut. Die Formalisierung von Unternehmensprinzipien und Strategien bietet eine Reihe von Vorteilen. Zum einen kann sie ein internationales Kommunikationsinstrument innerhalb des multinationalen Unternehmens sein. Sie bietet sich des weiteren als Kontrollinstrument zur periodischen Überprüfung und Bewußtmachung der unternehmerischen Verpflichtung zu ethischen Standards und gesellschaftlicher Verantwortung an. Außerdem stellt sie bei entsprechender Information der Öffentlichkeit auch ein Public-Relations-Instrument von erheblicher Bedeutung dar. Aber auch schon der Prozeß der Entwicklung eines Verhaltenskodex kann von Nutzen sein. Durch eine ernsthafte Diskussion der wesentlichen Standards werden die Führungskräfte gezwungen, die Unternehmensstrategie zu formulieren und zu konkretisieren. Der Antrieb für die Entwicklung eines Verhaltenskodex wird in der Regel von der Hierarchiespitze kommen, dann aber möglichst viele Hierarchieebenen integrieren müssen. Der Gefahr der Förderung einer Situationsethik, d.h. der Zugrundelegung verschiedener ethischer Standards in den jeweiligen Ländern, wäre zu begegnen, indem ein einheitlicher ethischer Standard auch über kulturelle Grenzen hinweg eingehalten wird, da sonst andersartige Konflikte für die betreffenden multinationalen Unternehmen drohen. Zum Ausgleich der disparaten Länderstandards ist ein möglichst hoher ethischer Standard anzustreben. Wenn die Erarbeitung eines Verhaltenskodex nicht nur als PRGag gelten soll, dann muß das Top-Management beim Verdacht auf seine Verletzung sofort reagieren und disziplinarisch tätig werden. Nur bei ernsthafter Verwendung können Verhaltenskodizes die Befürchtungen und das Mißtrauen der 276

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Öffentlichkeit abbauen, restriktive Maßnahmen vermeiden, das zukünftige Wachstum der multinationalen Unternehmen sicherstellen sowie internationale Tätigkeiten erfolgreich gestalten 0 . Ob multinationale Unternehmen mitverantwortlich für politische, wirtschaftliche und soziale Krisen in der Dritten Welt sind, ist seit längerem eine nicht frei von ideologischer Einfärbung geführte Debatte, bei der häufig die (Mit-)Verantwortlichkeit westlicher Regierungen, einheimischer Regimes und die Rolle der Konsumenten in den westlichen Industrienationen heruntergespielt wurde. Wer in Entwicklungsländern investiert, dort Gewinne macht und diese in den Wirtschaftskreislauf des Herkunftslandes transferiert, profitiert u. a. vom politischen Investitionsklima. Dieser Mitnahmeeffekt ist zugegebenermaßen nicht frei von ethisch außerordentlich bedenklichen Aspekten. Soweit die günstigen Investitionsbedingungen nur mittels staatlicher Repression zu gewährleisten sind, können multinationale Unternehmen zu Mitprofiteuren staatlicher Repressionsmaßnahmen werden. Außerdem gehen Investitionsanreize von Staats wegen häufig zu Lasten der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerung, wenn multinationale Unternehmen mit einheimischen Bauern um Landrechte konkurrieren, mit Industriearbeitern um Lohn und Arbeitsbedingungen streiten, sich mit lokalen Behörden um die Aufteilung des Betriebsgewinns und der Steuerlast auseinandersetzen. Bedenkliche Situationen sind gleichfalls gegeben, wenn multinationale Unternehmen unkontrolliert Produkte auf den Markt bringen können, die den lokalen sozialen und hygienischen Verhältnissen nicht entsprechen oder gefährlich sind 2) . Die Palette möglicher Problemsituationen zeigt unter anderem, daß die von DONALDSON entwickelte Optionentabelle mit ihren drei Möglichkeiten zumindest um eine Kategorie erweitert werden müßte, nämlich um den „Verzicht auf das Profitieren von ungerechten Verhältnissen". Multinationale Unternehmen, so die gängige Beurteilung, sind wirtschaftlich mächtige und politisch einflußreiche Akteure in ihren jeweiligen Gastländern geworden. Durch Investition, Warenexport, Werbung und als Arbeitgeber gestalten sie soziale Verhältnisse und bestimmen so indirekt die Vorausetzungen für sozialen und politischen Frieden bzw. Unrecht im Land. Für das Engagement multinationaler Unternehmen ist Stabilität im Land wichtig, auch wenn diese repressiv aufrechterhalten wird. Wird mehr Demokratie gewagt, wie in Chile, Jamaika, Tansania, Ghana oder Nicaragua, oder werden Wachstum und soziale Gerechtigkeit als gleichrangig eingestuft, neigen multinationale Unternehmen dazu, solche Länder zu meiden. Ihre Verhandlungsmacht kann durchaus die nationale Gesetzgebung beeinflussen, was gegebenenfalls so-

1 ) vgl. Schöllhammer (1977), S.23ff. 2 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 237.

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weit geht, daß diese sich gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung richtet. Multinationale Unternehmen tragen auch zur Stabilisierung politischer Systeme bei, denn wirtschaftliche Erfolge stützen eine legitime Regierung in derselben Weise wie autoritäre Regimes. Auf diese Weise kann es auch vorkommen, daß notwendige interne Reformen verhindert oder verzögert werden. Bei akuten Wirtschaftskrisen ist Hilfe von außen leichter zu mobilisieren, doch oft nur um den Preis des Wohlverhaltens, d. h. daß Erwartungen der multinationalen Unternehmen erfüllt werden müssen und die Bevölkerung ihre eigenen Ansprüche womöglich zurückschrauben muß. Dann kann es durchaus zur „klassischen Situation" der Verletzung von Menschenrechten kommen und zu einer Eskalation von Gewalt und Gegengewalt: So führt die Kürzung sozialer Leistungen des Staates möglicherweise zu gewaltsamen Protesten der Bevölkerung, was wiederum Repression seitens der staatlichen Ordnungsorgane hervorrufen kann. Hier wären insbesondere die „IWF-Aufstände" zu erwähnen. Insbesondere bei staatlich forcierten Strategien nachholender Industrialisierung ist die politische Unterdrückung von sozialen Ansprüchen konstitutives Merkmal der „Entwicklung". Um ökonomisch konkurrenzfähig zu werden, müssen unter Umständen politische Zwangsmittel eingesetzt werden. So kann sich ein neuer Regimetyp herausbilden, nämlich eine Art von (Militär-)Diktatur, die auch in Krisenzeiten die Wirtschaft auf Kosten sozialer und wirtschaftlicher Menschenrechte den Erfordernissen der multinationalen Unternehmen anpaßt1 ) . Der UNCTC-Bericht von 1988 macht indes deutlich, daß die Verhältnisse sich zu verbessern beginnen. Auf die Neigung der Öffentlichkeit und auch mancher Autoren, die Verantwortlichkeiten einseitig bei den Unternehmen zu sehen, ist bereits hingewiesen worden. Im einzelnen stellt der UNCTC-Bericht fest: -

In den Entwicklungsländern hat die Einsicht in die Bedeutung freier Wirtschaftsaktivitäten zugenommen. Als Beispiel wird Rotchina angeführt. Multinationale Unternehmen werden weniger politisch und im ganzen positiver gesehen.

-

Regierungen in den Entwicklungsländern haben unterdessen mehr Erfahrungen gesammelt und schließen günstigere Verträge ab, in denen Lasten und Gewinne gerechter verteilt sind. Die Dauerhaftigkeit dieser Entwicklung hängt jedoch auch von der Lage in den Industrieländern ab.

-

Soziale und kulturelle Einflußnahme ist ein Thema geworden, das auch die multinationalen Unternehmen bewegt und auch bei deren Aktivitäten inner-

1 ) vgl. Kasch et al. (1985), S. 185.

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halb der Industrieländer einen Kritikpunkt darstellt 1 \ Der politische Einfluß der multinationalen Unternehmen hat nachgelassen, desgleichen die Klagen darüber, wobei auch die gewandelte Gesetzgebung in den Herkunftsländern der Unternehmen eine Rolle spielt2 \ Zudem haben sich andere außenpolitische Konstellationen entschärft. Das Ende des Apartheid-Regimes in Südafrika, aber auch der weitgehende Wegfall des Ost/ West-Gegensatzes dürften es möglich machen, westlicherseits nicht mehr unbedingt nicht-kommunistische Regimes unabhängig von ihren Qualitäten in instrumentaler Absicht zu unterstützen. Auch das Verhältnis zu den noch verbliebenen sozialistischen Regimes könnte sich entspannen. Allerdings kann die steigende Bedeutung Rotchinas und gewisser anderer asiatischer Länder neuen Konfliktstoff bedeuten, um so mehr, als zugleich in diesen Ländern kulturelles und politisch-gesellschaftliches Dissidententum entsteht, was sowohl die Regierungen der Stammländer, wie auch multinationale Unternehmen zu Parteinahmen zwingen könnte. Ethisch-moralische Bedenken lassen sich an konkreten Beispielen, die nicht zu den extremen Möglichkeiten zählen, ebenso darstellen wie die Schwierigkeiten, in solchen Fällen eine klare Bewertung vorzunehmen. 4.2.2.3 Offene Problemfelder Das UNCTC kommt zu dem Ergebnis, daß Unternehmen dazu tendieren, Produktionsstätten aus Umweltschutzerwägungen, d. h. wegen geringerer Umweltschutzauflagen in Entwicklungsländer und auf Grund der dort häufig noch schwächer ausgeprägten Gesetzgebung zu verlagern. Dies betrifft ζ. B. Prozesse, bei denen Asbest, benzidinhaltige Farben und Pestizide hergestellt oder verwendet werden. Ähnlich liegt der Fall bei der Bearbeitung von Schwermetallen wie Kupfer, Zink und Blei 3 ) . Bei anderen Gelegenheiten wurden Zusagen, die anfallenden Schadstoffe zu beseitigen, nicht eingehalten, so beim Ok-Tedi-Projekt in Neuguinea, wo die versprochene Kläranlage durch die Firma Degussa nicht errichtet wurde. Der Bevölkerung in den dortigen Ländern Produkt- und Arbeitsplatzgefahren zuzumuten, die das Unternehmen im Herkunftsland nicht mehr zumuten will oder darf, ist ein Verstoß gegen Fairneß und Gerechtigkeit, gegen die wechselseitige Anerkennung der Menschen als Dialogpartner, der kaum noch mit Arbeitsbeschaffungsargumenten relativiert werden kann. Auch unter dem Gesichtspunkt der unparteiischen Wahl würde niemand riskieren wollen, einen hochgefährlichen Ar1 ) vgl. UN (1988), S. lOf. 2 ) vgl. UN (1988), S. 219, S. 225f., S. 313ff. sowie S. 470ff. 3 ) vgl. UN (1988), S. 230.

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beitsplatz in seiner zukünftigen gesellschaftlichen Stellung zugewiesen zu erhalten. Auch die Produktion von sogenannten Luxusgütern stößt in diesem Zusammenhang auf Kritik, die sich auf verschiedene Aspekte bezieht, auf die Verlockung einheimischer Konsumenten zu Verbrauchsmustern, die für sie finanziell ruinös sein können, aber auch auf die Verdrängung notwendiger Grundbedarfsdeckung. Im Rahmen der Food-First-Strategie wurde z.B. der Anbau von exotischen Schnittpflanzen in Südamerika zur Deckung europäischen Bedarfs kritisiert, da dadurch Anbaufläche für Lebensmittel zur Deckung des heimischen Bedarfs verlorenging. Eine Beurteilung fällt hier schwerer, da mit dem Exporterlös argumentiert werden kann und zwischen den verschiedenen Konzepten zur Gestaltung weltwirtschaftlicher Zusammenhänge und globaler Arbeitsteilung keine eindeutige moralische Abstufung erkennbar ist. Auch in den Entwicklungsländern sind die Ansichten dazu geteilt. Im Falle der Gentechnik muß ein Urteil ebenfalls differenziert sein. Es gibt genügend Industrieländer mit einem hohen Schutzstandard, die jedoch bei der Entwicklung der Gentechnologie bedeutend weniger Bedenken zeigen als gerade die Bundesrepublik. Man könnte also durchaus argumentieren, daß gerade im Sinne der Gleichbehandlung deren Standpunkt moralisch der deutschen Position nicht nachsteht. Ein multinationales Unternehmen würde also moralischen Anforderungen genügen, wenn es in einem Drittland Sicherheitskriterien anwendet, die in einem anderen, hochentwickelten westlichen Industrieland akzeptiert werden. Daß es dabei von gesetzlichen Bestimmungen im eigenen Herkunftsland abweicht, wird man ihm nicht grundsätzlich zu einem moralischen Vorwurf machen können. Zwiespältig fällt die Beurteilung der sogenannten freien Produktionszonen aus, die in gewisser Weise exterritoriale Gebiete darstellen. Viele Entwicklungsländer unternehmen große Anstrengungen, um Unternehmen zu Investitionen in solchen Regionen zu veranlassen. Die ökonomischen Erträge entsprechen nicht immer den Hoffnungen des Gastlandes, während zugleich eine Reihe sozialer Probleme entsteht wie schlechtbezahlte Frauenarbeit oder überstürzte Urbanisierung ohne ausreichende Infrastrukturmaßnahmen 0. Die Verteilung der Verantwortlichkeit auf multinationale Unternehmen und Gastland fuhrt dennoch nicht an dem Ergebnis vorbei, daß den Unternehmen hier eine Pflicht zu sozial verantwortlichem Handeln zukommt. Wegen des Entwicklungsunterschiedes läßt sich jedoch argumentieren, daß nicht sämtliche Standards des Herkunftslandes eingehalten werden müssen - jedenfalls hinsichtlich der rein materiellen Seite - , da die Chancen für ein Wirtschaftswachstum und damit für eine bessere Befriedigung der Bedürfhisse 1 ) vgl. UN (1988), S. 169fif, S.201f., S.214ff., S.272ff.

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der Bevölkerung selber sich zu stark verschlechtern würden. Eine Letztabwägung zwischen materiellen Werten und ideellen Werten dürfte jedoch kaum praktikabel sein. Eindeutiger, aber auch nicht völlig klar liegt der Fall bei der Verdrängung lokaler Konkurrenz. Sie kann dann als ethisch verwerflich eingestuft werden, wenn dadurch Freiheitsrechte der Bevölkerung des Entwicklungslandes eingeschränkt werden. Abschließend seien die Möglichkeiten und Grenzen der Herleitung von moralischen Standards noch am Beispiel der Kooperationen mit Kapitalbeteiligung illustriert, einem durchaus konfliktträchtigen Bereich. Bereits die Auswahl eines Entwicklungslandes als Empfänger von Investitionen führt unter Umständen zu einem problematischen Incentives-Wettlauf zwischen den Entwicklungsländern. Manche der gebotenen oder geforderten Anreize widersprechen in den westlichen Industrieländern akzeptierten Standards und stellen sogar die Zwecke von Entwicklungshilfe in Frage. Der moralische Anspruch von Entwicklungsländern an die Industrienationen, umfassende ökonomische und andere Hilfe zu erhalten, ist eigentlich im wesentlichen geklärt. Dennoch bleibt fraglich, ob dieser moralische Anspruch an multinationale Unternehmen gestellt werden kann. Eine wirksame Verbesserung der Situation der Entwicklungsländer durch die wirtschaftlichen Aktivitäten von multinationalen Unternehmen ist nur auf der Basis eines zwischen beiden Seiten gleichverteilten Nutzens möglich. Daß dann bei der Standortwahl einer Direktinvestition über betriebswirtschaftliche Erwägungen hinaus noch moralische Überlegungen eine Rolle spielen können, bleibt davon unberührt. Als moralisch könnte es ζ. B. bezeichnet werden, wenn multinationale Unternehmen den ruinösen Wettbewerb der Entwicklungsländer untereinander um das günstigste Investitionsklima mit diversen Vergünstigungen unterbänden und den Entwicklungsländern klar machten, unter welchen Bedingungen Investitionen tatsächlich zustande kämen. Als „moralisch" könnte man dann eine Investition bezeichnen, deren Nutzen und Lasten gleichmäßig verteilt sind und deren Empfängerland nur nach vertretbaren Standortfaktoren ausgewählt wurde. Denkbar wäre auch, die im Verhandlungsprozeß mit dem Gastland erreichten ζ. B. steuerlichen und finanziellen Zugeständnisse an das multinationale Unternehmen nicht ins Ausland zu transferieren, sondern in angemessener Form im Gastland zu „reinvestieren".

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4.3 Grenzen und Probleme der internationalen Unternehmensethik auf der Grundlage der Methode des reflexiven Gleichgewichts und des kontraktualistischen Arguments RAWLS' Gerechtigkeitskonzeption fand eine internationale und interdisziplinäre Resonanz, die direkt nach Erscheinen von „ A Theory of Justice" durch unkritischen Enthusiasmus gekennzeichnet war, aber schnell in eine umfassende Überprüfung mit vier Schwerpunkten m ü n d e t e 1 D a die hier vorgestellte internationale Unternehmensethik in erheblichem Maße auf RAWLS aufbaut, ist im folgenden zu überprüfen, inwieweit eine Kritik am RAWLSschen Konzept a) berechtigt ist und b) inwieweit sie dann für das hier vorgestellte Konzept einer internationalen Unternehmensethik gültig ist. Mit dieser Vorgehensweise können zum einen verschiedene Probleme und Grenzen des hier vorgestellten Konzepts herausgearbeitet werden und gleichzeitig im Verlauf der vorausgegangenen Darstellung einer internationalen Unternehmensethik entstandene Mißverständnisse möglicherweise geklärt werden. Die Rezeption von RAWLS' Theorie der Gerechtigkeit zerfällt dabei in mehrere unterschiedliche Vorgehensweisen: -

eine wohlwollende Beurteilung der RAWLSschen Konzeption,

-

die Übernahme des RAWLSschen Grundgerüstes, aber Veränderung der Bedingungen und Anwendungen2 \

-

die Verwendung alternativer Argumentationen zur Herleitung von RAWLSPrinzipien 3 \

-

die Einschätzung der RAWLSschen Konzeption als Ausdruck politischer Ideologie4 \

Je nach Forschungsinteresse wird RAWLS' Theorie dabei unterschiedlich interpretiert. So wird sie als Spielart eines durch Gerechtigkeitsvorstellungen gestützten Utilitarismus aufgefaßt 5). In ihm sind gesellschaftliche Grundgüter Zielen gleichgestellt. Dabei wird RAWLS vorgehalten, daß dieser vor der Herleitung der Gerechtigkeitsprinzipien bereits wußte, daß die Grundgüter, die zum Wohl des Menschen notwendig sind, von jedem angestrebt werden und daher nicht maxi1 ) vgl. Wellbank/Snooks/Mason (1982), S. XI. 2 ) vgl. Koch (1978), S. 239fr. 3 ) vgl. Fishkin (1975), S.628ff. 4 ) vgl. Miller (1977), S. 131ff.; Hart (1977), S. 162ff. 5 ) vgl. Bremer (1980), S. 70.

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miert werden müssen 0 . Dieses Mißverständnis ergibt sich aus dem Verständnis von BREMER, der unter anderem den Status der hypothetischen Position als reinen Verfahrensbegriff nicht erkennt 2 \ die beiden Gerechtigkeitsprinzipien als Handlungsmaximen auffaßt 3} und schließlich Institutionen wie Staat oder Familie nicht als gesellschaftliche Regelsysteme, sondern als Einrichtungen versteht 4 Es dürfte aber mittlerweile hinreichend deutlich geworden sein, daß RAWLS Gerechtigkeitstheorie weder ausdrücklich noch in Ansätzen als „aufgeklärter" Utilitarismus gelten kann, sondern eine strikte Ablehnung dieser Position beinhaltet. Andere fehlinterpretieren RAWLS' Theorie als eine Gesellschaftstheorie, sehen darin einen Beitrag zur Wohlfahrtsökonomie 5 ) oder eine empirische Theorie 6 Nicht zuletzt hat RAWLS' Entwurf zu einer regen Diskussion über den Individualismus und seine gesellschaftlichen Auswirkungen gefuhrt und zur Gegenbewegung des Kommunitarismus beigetragen 7 Obwohl RAWLS interdisziplinär argumentiert, will er selbst seine Theorie ausdrücklich und primär als Beitrag zur normativen Ethik verstanden wissen. Ein wesentlicher Teil der Kritik an seiner Theorie beruht jedoch darauf, daß diese, bedingt durch die interdisziplinäre Argumentation, nicht als normative Theorie erkannt wurde, sondern als deskriptive Theorie aufgefaßt wurde. Ein Überblick der Kritik 8 ] bezieht sich im wesentlichen auf die folgenden Ansatzpunkte. Im Vordergrund stehen dabei Kritiken an den theoretisch-methodischen Grundlagen, am Inhalt der Gerechtigkeitsprinzipien, den mit der Theorie verbundenen Anwendungsproblemen und der Vorwurf der ideologischen Rechtfertigung westlich-demokratischer Ideale9 \ die im Anschluß ansatzweise erörtert werden und die von besonderer Bedeutung für den hier vorgelegten Entwurf einer internationalen Unternehmensethik sind.

1 ) vgl. Bremer (1980), S. 15, S.95. 2 ) vgl. Bremer (1980), S. 65. 3 ) vgl. Bremer (1980), S. 7, S. 48. 4 ) vgl. Bremer (1980), S. 7, S. 131ff. 5 ) vgl. Varian (1974), S. 63ff.; Varian (1976), S. 249ff.; Varian (1979), S. 134ff. 6 ) vgl. Siep (1977), S.348. 7 ) vgl hierzu das grundliegende Werk von Etzioni (1995). 8 ) Veröffentlichungen zu Rawls sind in Sammelbänden wie Daniels (1975), Blocker/Smith (1980), Höffe (1977 b) zugänglich. 9 ) vgl. Wettstein (1979), S. 7; Koch (1982), S. 75f.; M i n (1984), S. 182.

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4.3.1 Kritik im Hinblick auf die theoretisch-methodischen Grundlage Die meisten Veröffentlichungen zu RAWLS beschäftigen sich mit den theoretischen und methodischen Grundlagen seiner Theorie 0 . Erweisen sich schon die Voraussetzungen oder die Herleitung der Gerechtigkeitsprinzipien als inkonsistent, sind daraus abgeleitete normative Aussagen gleichermaßen fragwürdig. Im Vordergrund steht dabei: (1) die Kritik am allgemeinen methodologischen Status, (2) die Kritik am kontraktualistischen Argument, (3) die Kritik am kohärenztheoretischen Argument 2 \ Zur Kritik am allgemeinen methodologischer Status ist anzumerken, daß weder bei RAWLS noch im Rahmen der hier vorgestellten internationalen Unternehmensethik die universelle Wahrheit behauptet wird, sondern nur die gesellschaftlich-ökonomische Funktion der gefundenen Gerechtigkeitsprinzipien. Erforderlich hierfür ist nur die prinzipielle Bejahung einer normativen Ethik. Von DONALDSON wird in diesem Zusammenhang Kritik am kontraktualistischen Argument als solchem geübt: Er sieht darin lediglich ein hypothetisches Konstrukt, vermag daraus jedoch keinerlei konkrete Verpflichtung abzuleiten 3 Hinsichtlich dieses Kritikpunktes steht die Theorie RAWLS' und die internationale Unternehmensethik jedoch nicht allein da, bezüglich der Ableitung konkreter Verpflichtungen unterscheiden sich andere Ethik-Theorien und -Ansätze nur wenig. Dennoch kann behauptet werden, daß die auf RAWLS aufbauende internationale Unternehmensethik mit der hypothetischen Position - im großen und ganzen genommen - einen angemessenen Ausgangspunkt der rationalen Rechtfertigung moralisch vertretbarer Grundsätze für multinationale Unternehmen liefert. Anders ausgedrückt, liefert die Konkretisierung der hypothetischen Position, obwohl anfechtbar und möglicherweise revisionsbedürftig, zumindest eine konkrete Vorstellung von der Art des Urzustandes als geeignetem Ausgangspunkt der normativen Rechtfertigung von gesellschaftlich-ökonomischen Grundsätzen. Die Begründung von Gerechtigkeitsprinzipien und Verhaltensgrundsätzen setzt bei den in demokratischen Gesellschaften vorhandenen Grundüberzeugungen an. Die Grundüberzeugungen über die gesellschaftlich-ökonomische Funktion von Gerechtigkeitsprinzipien, und besonders die Vorstellungen über Personen, Unter-

1 ) Rawls (1979); (1988) gliedert sie in: Teil 1 Theorie, Teil 2 Institutionen und Teil 3 Ziele (in der Darstellung nicht beibehalten). 2 ) vgl. Ballestrem (1977), S. 109. 3 ) vgl. Donaldson (1989), S. 56ff.

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nehmen und bei allmählichem Lüften des Schleiers der Unwissenheit später auch von Staaten, bilden die unerläßliche Ausgangsbasis für das Herleitungsverfahren und den Inhalt der Prinzipien 0 . Eine Theorie mit einer solchen Vorgehensweise kann mit RAWLS konstruktivistisch genannt werden bzw., da die Grundüberzeugungen zur Person wesentlich durch KANT geprägt sind, auch als KANTischer Konstruktivismus bezeichnet werden. Die Kritik am kontraktualistischen Modell der Normenbegründung konzentriert sich auf die Konzeption der hypothetischen Position. Hinterfragt wird die grundsätzliche Gültigkeit der Ableitung von Prinzipien gesellschaftlich-ökonomischer Gerechtigkeit aus den Bedingungen der hypothetischen Position, aber auch die den Beteiligten zugeschriebenen Eigenschaften, die verfügbaren Informationen. Weil RAWLS die Überlegenheit seiner Prinzipien gegenüber denen des Utilitarismus begründet, kommt hier die Kritik besonders von Seiten der Vertreter des Utilitarismus 2 \ Wie oben erwähnt, stellt das kontraktualistische Argument in seiner Gesamtheit eine Neuaufnahme der Idee des Gesellschaftsvertrages auf einer neuen Abstraktionsebene dar. Es ist somit nicht verwunderlich, daß die dagegen gerichtete Kritik auch auf RAWLS' Argumentation bezogen wird und in Folge auch fur die internationale Unternehmensethik zu beachten ist3 \ Es geht dabei um die grundsätzliche Frage, wie mit dem Kriterium „allgemeine Zustimmungsfähigkeit" normative Aussagen begründbar sind bzw. wie durch eine hypothetische Zustimmung zu einem fiktiven Vertrag bindende Verpflichtungen entstehen können. Die Antwort auf diese Frage besteht in der Abwendung von der hypothetischen Zustimmung hin zu den Argumenten für diese Zustimmung. Die Begründung normativer Aussagen aus der Vertragstheorie erfolgt so nicht aus der Übereinkunft der Vertragspartner, sondern aus den nachvollziehbaren Argumenten für die Behauptung, daß

1 ) vgl. Rawls (1980 a), S.554ff. 2 ) vgl. Hare (1975), S. 81ff; Barry (1977), S. 43ff.; M i n (1984), S. 78ff.; Koch (1982), S. 81ff.; Kaye (1980), S. 33ff.; Nagel (1975), S. Iff.; Dworkin, R. (1975), S. 16ff; Fisk (1975), S. 53ff.; Dworkin G. (1975), S. 124ff.; Schaar (1974), S. 78ff; Katzner (1980), S. 65ff.; Patzig (1976), S. 64f.; Gourevitch (1975), S. 489ff.; aber auch Verteidiger wie z.B. Strasnick (1976), S. 85ff.; Corrado (1980), S. 71ff.; Koller (1984), S. 214ff; Arrow (1977), S. 199ff.; Sen (1977), S.283ff; Harsanyi (1976), S. 37ff.; Barry (1975); S. 87ff; Barber (1977), S. 224ff; Lyons (1972), S. 535ff.; Nagel (1975), S. Iff.; Kutschern (1982), S. 125; Brantl (1985), S. 486; Buchanan A (1980), S. 26ff.; Smith Goldman (1980), S. 346ff.; Siep (1977), S. 346f.; Musgrave (1974), S. 625ff.; Kaye (1980), S.33ff.; Hubin (1980), S.363ff. 3 ) zur Darstellung und Kritik der traditionellen Vertragstheorien vgl. Ballestrem (1983), S. Iff.; konkret in bezug auf Rawls z.B. Dworkin, R. (1975), S. 37ff.; Frankel (1974), S. 27ff.; Schaar (1974), S. 78ff.; Höffe (1979 b), S. 19ff. und S.213ff.

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die Vertragspartner eine derartige Übereinkunft vernünftigerweise treffen könnten und daher die aus der Übereinkunft entstandenen Prinzipien so betrachten, als hätten sie ihnen tatsächlich zugestimmt. Das heißt also: „...die guten Gründe, die die hypothetische Übereinstimmung begründen und motivieren, sind auch gute Gründe für die normative Richtigkeit der als gedachten Resultate dieser unterstellten Übereinkunft abgeleiteten Grundsätze, und daher sind sie auch gute Gründe, diese Grundsätze zu akzeptieren und sich zu eigen zu machen"1 \ Das kontraktualistische Argument beinhaltet als Begründungskomponenten also die nachvollziehbaren Argumente für eine Übereinkunft und die Verpflichtungswirkung des Vertrages. Finden sich Argumente für eine hypothetische Zustimmung, ist der Weg zur Selbstverpflichtung aufgrund dieser Argumente nicht mehr weit. Die nachvollziehbaren Argumente aber sind eng mit der Entscheidungssituation verbunden, so daß gültige normative Aussagen nur möglich sind, wenn eine allgemein akzeptierte Ausgangssituation entworfen wurde, aus der sich die gewählte Übereinkunft vernünftig e r g i b t 2 D i e Dominanz des kontraktualistischen Arguments innerhalb der RAWLSschen Konzeption hat manchen Kritiker dazu verleitet, die Kritik am Gesellschaftsvertrag auf RAWLS anzuwenden3 > und zu vernachlässigen, daß dieses Argument nur einen Teil der Rechtfertigung normativer Prinzipien innerhalb dieser Konzeption darstellt. Nur so läßt sich eine Kritik an der hypothetischen Position erklären, die den Wert des kontraktualistischen Arguments im Sinne eines Vertrags dahingehend in Frage stellt, daß in der hypothetischen Position vielmehr der Wahlaspekt als der Vertragsaspekt in Vordergrund steht. Mit anderen Worten: Die Auswahl von Gerechtigkeitsgrundsätzen kann zwar aus vertragstheoretischen Erwägungen erfolgen, ebenso aber auch durch ein einzelnes rationales Individuum unter dem Schleier der Unwissenheit. Diese Kritik stellt aber für den Entwurf der internationalen Unternehmensethik deswegen einen nicht zu unterschätzenden Vorteil dar, da einmal das Begründungsverfahren eben nicht allein auf dem Vertragsaspekt aufbaut, sondern auch entscheidend auf dem kohärenztheoretischen Argument, zum anderen, weil die Prinzipien und Verhaltensgrundsätze in einer ersten Annäherung auch durch einzelne rationale Individuuen unter dem Schleier der Unwissenheit ermittelt werden können. Mit anderen Worten, Entschèidungstrâger bzw. jeder Mitarbeiter inner-

1 ) Kersting (1989), S. 87; vgl. Weinberger (1977), S. 239. 2 ) vgl. Kersting (1989), S. 86ff. 3 ) vgl. Alexander (1974), S. 604; Feinberger (1973), S. 266; Marshall (1975), S. 447; Lessnoff (1971), S. 79.

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halb eines Unternehmens kann mittels des Modells der hypothetischen Position und des Schleiers der Unwissenheit Prinzipien und Verhaltensgrundsätze reproduzieren und sogar neue Verhaltensgrundsätze für noch nicht berücksichtigte Situationen generieren. Weitere Kritiken am kontraktualistischen Modell beziehen sich allgemein auf den Gesellschaftsvertrag 1 ) oder speziell auf die Anwendung durch RAWLS 2 \ Die Reduzierung der Theorie auf das kontraktualistische Argument und eine entsprechende Kritik an anderer Stelle lautet dann: „ Warum soll sich der einzelne eine Regel zu eigen machen, die von einer hoch abstrakten, kaum nachvollziehbaren Konstruktion völliger Ungewißheit über sich selbst und den späteren sozialen Status ausgeht und dennoch positive Normen aus eben dieser Konstruktion ableiten will?". 3 ) Weitere ähnliche, reduktionistisch begründete Kritiken wiederholen sich an anderen Stellen4 \ Alle diese Kritiken haben aber eben den Nachteil, daß sie die in dieser Arbeit ausführlich dargestellte Verschränkung zwischen kontraktualistischem und kohärenztheoretischem Argument unberücksichtigt lassen. Das kontraktualistische Argument stellt „nur" eine Vermittlung zwischen unseren wohlgeordneten Urteilen und allgemeinen, daraus explizierten Gerechtigkeitsgrundsätzen dar. Ausgangspunkt für die Berücksichtigung der Gerechtigkeitsgrundsätze ist also, daß sie unseren wohlerwogenen Urteilen entsprechen. Die Kritik an kohärenztheoretischen Rechtfertigungen von Normen setzt an der Methode des reflexiven Gleichgewichts an 5) . Dabei wird diese Methode entweder als intuitionistisch 6) oder als deduktionistisch angesehen 7 Der Vorwurf des Intuitionismus setzt an der Auffassung an, daß, von konkreten moralischen Urteilen ausgehend, diese zum letzten Kriterium der Gültigkeit normativer Prinzipien und Aussagen erhoben werden. Die Kohärenztheorie erlaube aber nur, bestehende kontingente moralische Überzeugungen einer Person oder Personengruppe auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Dieser Vorwurf berücksichtigt, wie BAL-

1 ) vgl. Ballestrem (1977), S. 119ff. 2 ) vgl. Lübbe (1977), S. 185ff.; Kley (1986), S.266ff. 3 ) Koslowski (1988), S.285. 4 ) vgl. Min (1984), S. 53ff.; Buchanan (1972), S. 123ff. 5 ) vgl. Hoerster (1977), S. 57ff.; Dworkin R. (1975), S.27ff.; Schaar (1974), S. 82ff.; Pettit (1974), S. 316ff. 6 ) vgl. Hare (1975), S. 83f.; Lyons (1975), S. 145ff.; Feinberger (1975), S. 108ff.; Bowie (1974), S.74; Patzig (1976), S. 64; anders z.B. Nagel (1975), S. 2. 7 ) vgl. Nowell-Smith (1977), S. 94ff.

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LESTREM 1 * aufzeigt, aber weder, daß RAWLS und die internationale Unternehmensethik von wohlerwogenen konkreten moralischen Urteilen ausgehen, noch daß ein gemeinsamer Nenner von moralischen Überzeugungen gesucht wird. Gesucht werden ja gerade allgemeine Prinzipien, aus denen sich die Lösung möglichst vieler verschiedenartiger Probleme „explizieren" läßt 2) . Dabei erlaubt die Methode des reflexiven Gleichgewichts die Revision wohlerwogener konkreter moralischer Überzeugungen. Der Vorwurf des Intuitionismus geht bei einem derartigen dynamischem Prozess daher fehl. Beim Vorwurf des Deduktionistischen zeigt sich, daß ein Großteil der Kritiker die Gerechtigkeitsprinzipien als unmittelbare individuelle Handlungsmaximen interpretiert oder diese, aus dem Kontext der Theorie herausgelöst, entgegen RAWLS' Auffassung als Prinzipien ansieht, aus denen konkrete Lösungen in komplexen Entscheidungssituationen einfach abgeleitet werden können3 \ In Verbindung mit der Methode des Reflexionsgleichgewichts wird auch der Vorwurf der zirkulären Argumentation gemacht. Bei RAWLS und in der internationalen Unternehmensethik werde ausgehend von wohlerwogenen, moralischen konkreten Urteilen, eine hypothetische Position derart konstruiert, daß sie zu den „gewünschten" Prinzipien der Gerechtigkeit führe, die wiederum die wohlerwogenen Urteile bestätigen, womit das „ohnehin Vertretene legitimiert wird" 4 ) . Auch diese Kritik läßt auf ein mangelndes Verständnis der Methode des Reflexionsgleichgewichts schließen; wurde doch immer wieder deutlich betont, daß ein gegenseitiger Anpassungsprozeß nicht zirkulärer Art, sondern eher in Form einer Spirale, d. h. mit grundsätzlicher Revidierbarkeit sowohl der wohlerwogenen Urteile, der hypothetischen Position, aber auch der Gerechtigkeitsprinzipien intendiert ist. Es handelt sich also um einen Erkenntnisprozeß und nicht um die Legitimation des ohnehin Vertretenen 5 \ Auch die Kritik an der Methode des reflexiven Gleichgewichts geht also häufig am Gegenstand vorbei. Der tatsächliche Begründungsgehalt der internationalen Unternehmensethik auf der Basis von „A Theory of Justice", d. h. inwieweit diese Vorgehensweise dem Kriterium einer allgemeinen Rechtfertigung genügt oder sich den Vorwurf der Pseudolegitimation westlich-demokratischer Überzeugungen gefallen lassen muß, ist nur im Gesamtzusammenhang unter Be-

1 ) vgl. Ballestrem (1977), S. 115ff. 2 ) zum Begriff der Explikation vgl. Kap. 3.2.1 dieser Arbeit. 3 ) vgl. Ballestrem (1977), S. 115f. 4 ) vgl.Brantl (1985), S. 487; Siep (1977), S. 247; Weinberger (1977), S. 240. 5 ) vgl. Kliemt (1979), S. 199ff.; Weinberger (1977), S.240.

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riicksichtigung des Verhältnisses zwischen dem kontraktualistischen und dem kohärenztheoretischen Modell zu beurteilen 1

4.3.2 Anwendungsprobleme Aus der bereits seit langem laufenden kritischen Debatte zwischen RAWLS und anderen Wissenschaftlern bzw. Philosophen seien insbesondere folgende Problempunkte hervorgehoben: -

die Implikationen des Differenzprinzips,

-

die Grundlagen des Gleichheitspostulats,

-

das Verhältnis zwischen der RAWLSschen Theorie und dem Utilitarismus, was die Leistungsfähigkeit zur Problemlösung betrifft,

-

die Rangfolge zwischen den verschiedenen Freiheiten und anderen wichtigen Gütern 2 \

Als besonders typisch sollen die Auseinandersetzung zwischen HARSANYI und RAWLS sowie einige Positionen SENS dargestellt werden. Der kritische Dialog zwischen HARSANYI und RAWLS geht schon auf die Jahre vor dem Erscheinen der „Theory of Justice" zurück. HARSANYI hatte unter anderem das MaximinPrinzip angegriffen, d. h. die durch RAWLS versuchte Gleichsetzung der hypothetischen Position mit einer Entscheidungssituation unter Unsicherheit und die daraufhin erfolgte Wahl der Gerechtigkeitsprinzipien auf Grundlage der MaximinRegel/Strategie. Obwohl diese Agrumentation gerade im Hinblick auf die im folgenden noch darzustellende Kritik von RAWLS zurückgenommen wurde, wird die Diskussion deshalb hier aufgenommen, weil sich nach wie vor mancher Leser von RAWLS und die wissenschaftliche Rezeption immer noch wesentlich auf diesen Argumentationsgang stützen. Auf die Kritik am Maximin-Prinzip bzw. an der Maximin-Strategie argumentierte RAWLS, daß die Lösung der jeweiligen Aufgabenstellung mit der Größe der in Betracht kommenden Personengruppe zusammenhänge. Er war damit Kritikern entgegengetreten, die extreme Zwei-Personen-Situationen konstruierten, um das Maximin-Prinzip ad absurdum zu führen. „Maximin is a macro not a micro principle" 3 *, schrieb RAWLS. HARSANYI hielt dies fur eine gänzlich ungeeignete

1 ) vgl. Studer (1984), S. 331ff.; Ballestrem (1977), S. 117f. Von zwei unabhängigen Begründungsmodellen gehen Hoerster (1977), S. 57f. und Lyons (1975), S. 167 aus. 2 ) siehe zu diesem letzteren Punkt den Abschnitt 4.3.3. 3 ) Rawls (1974 a), S. 142, zit. bei Harsanyi (1974), S. 1.

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Verteidigungsposition und behauptete, die RAWLSsche Theorie liefere fur die Politik moralisch inakzeptable Schlußfolgerungen, während der Utilitarismus moralisch annehmbare liefere 1 \ Was er zugestehen wollte, war ihre Brauchbarkeit bei manchem praktischen Anwendungsfall, jedoch nicht als Grundprinzip einer Moraltheorie. Genau dies war HARSANYIs Hauptkritikpunkt, nämlich RAWLS' Anspruch, eine dem Utilitarismus überlegene moralische Theorie geleistet zu haben2*. Ausführlicher und noch pointierter äußerte HARSANYI sich 1976. Die RAWLSsche Theorie sei der erfolglose Versuch, eine Alternative zum Utilitarismus zu entwickeln, welcher „up to now in its various forms is virtually the only ethical theory proposing a reasonably clear, systematical, and purportedly rational concept of morality" 3 \ Als Konkurrent utilitaristischer Theorien sei RAWLS' Theorie völlig ungeeignet 4 Die Ergebnisse des Maximin-Prinzips seien im Einzelfall paradox und die BAYES'sche Denkrichtung vorzuziehen, die als Leitlinie für Entscheidungen unter Ungewißheit „expected-utility maximization" 5 } annimmt. Auch das Differenzprinzip versuchte HARSANYI mit verschiedenen Beispielen als unsinnig zu widerlegen, wobei er vom durchschnittlichen Alltagsdenken und utilitaristischen Erwägungen ausging. Allerdings sei die RAWLSsche „ursprüngliche Position" ein gutes analytisches Instrument, wenn man es mit einer besseren Regel für die Entscheidungsfindung kombiniere, als sie das Maximin-Prinzip liefere. Natürlich trifft HARSANYIS Kritik zu, daß Moral keine Frage der Größenordnung sein kann. Sie trifft jedoch nicht in derselben Weise RAWLS' Position. In extremen Beispielen, etwa mit wenigen Personen in der gewissermaßen hermetischen Situation eines Nullsummen-Spiels, können Differenz- und Maximin-Prinzip zu „unrealistischen" Entscheidungen führen. Für Differenz- und MaximinPrinzip gilt aber ähnliches wie für andere Konstrukte, etwa die ursprüngliche bzw. die hypothetische Situation sowie den Schleier der Unwissenheit: Für RAWLS sind dies Hilfsmittel der Explikation, keine realen Gegebenheiten. In der Praxis hängt Moral insofern durchaus von der Größenordnung des gegebenen Problems ab. Bei großen betroffenen Personengruppen mit unterschiedlicher Lage, verschiedenen Interessen und verschiedenartigen Ressourcen der Individuen und bei offenem Ausgang der Situation wird meist gar kein Nullsummenspiel im strengen Sinne vorliegen, Alles-oder-Nichts-Entscheidungen müssen gar nicht gefällt werden,

1 ) vgl. Harsanyi (1974), S. 2 2 ) vgl. Harsanyi (1974), S. 3. 3 ) Harsanyi (1976), S. 37. 4 ) vgl. Harsanyi (1976), S. 61 5 ) Harsanyi (1976), S. 38.

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gefragt sind vielmehr Richtlinien für ethisch vertretbare Kompromisse. Diese vermag RAWLS' Theorie sehr wohl zu liefern. Hinzuzufügen wäre noch zweierlei: Zum einen werden Differenz- und Maximin-Prinzip in der Anwendung auf Extremfälle häufig stark verkürzt dargestellt; zum anderen kann in solchen Positionen ein Individuum natürlich Entscheidungen für sich allein durchaus in anderer Weise fällen, als es in der sozusagen politischen Situation der Gestaltung gesellschaftlicher Prinzipien zulässig ist1 In eine andere Richtung zielt die Kritik bei SEN, der RAWLS' Engagement im Sinne des Maximin-Prinzips positiv sieht, obwohl er wie HARSANYIS von typischen Zwei-Personen-Situationen ausgeht, die für eine Gesellschaft eben nicht typisch sind 2) . Er kommt mithin von ganz ähnlichen Gedankenexperimenten zu HARSANYI's Ansatz diametral verschiedenen Schlußfolgerungen. Seine Einwände richten sich gegen die Nichtbeachtung der Unterschiede zwischen den verschiedenen Individuen, die zu ganz unterschiedlichen Bedürfhissen führen können. „Judging advantage purely in terms of primary goods leads to a partially blind morality" 3 \ RAWLS' Konzentration auf „primary goods" anstatt auf die Beziehung zwischen Person und Gütern sei eine Art „Fetischismus". Im übrigen hält SEN weder RAWLS' Theorie noch andere Theorien der Gleichheit für geeignet, eine ausreichende Grundlage für das Problem der Gleichheit in der Moraltheorie zu liefern 4 Auf SENS Kritik läßt sich entgegnen, daß es RAWLS und in Folge der internationalen Unternehmensethik in erster Linie darum geht, allgemeine Prinzipien für eine gerechte Gesellschaft und für unternehmerisches Handeln in derselben zu formulieren. Seine Theorie bewegt sich großenteils im vorkonkreten, vorhistorischen Raum. Die speziellen Bedürfnisse der Individuen, der Unternehmen und der Staaten sind ihnen in diesem Stadium unbekannt, können also kein Argument gegen eine Gleichbehandlung liefern. Wer diese Charakteristika der internationalen Unternehmensethik akzeptiert - und dies tun auch RAWLS' Kritiker - , müßte die Konsequenzen ebenfalls akzeptieren. Für konkrete, gegebene historische Gesellschaften müssen aus RAWLS' Prinzipien jeweils die möglichst nahekommenden Schlußfolgerungen gezogen werden. Die ihm entgegengehaltenen Extrembeispiele würden jedenfalls in solchen Situationen keine besondere Hilfe leisten.

1 ) Harsanyi (1976), S. 39 liefert ein extrem individualistisches Beispiel gegen das Maximin-Prinzip, das aber nur in dieser Hinsicht gegen Rawls spricht. 2 ) vgl. Sen (1982), S.24f., S. 223, S. 364fif. Allerdings findet sich auch bei ihm Kritik an manchen Auswirkungen der Anwendung des Maximin-Prinzips, vgl. Sen (1970), S. 135ff. 3 ) Sen (1982), S. 366. 4 ) vgl. Sen (1982), Kap.16.

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Auf einer ganz anderen Ebene liegen Anwendungsprobleme aufgrund organisatorischer Barrieren. Diese münden in das Problem der praktischen Anwendung der Gerechtigkeitskonzeption bzw. der Prinzipien gesellschaftlich-ökonomischer Gerechtigkeit, deren beiden Vorrangsregeln und deren Konkretisierung. So haben die sich aus dem Prinzip gleicher Grundfreiheiten ergebenden Anwendungsschwierigkeiten zu gegensätzlichen Interpretationen derart geführt, daß RAWLS' Konzeption einerseits als konservative, den Status quo erhaltende Theorie 1 \ andererseits als egalitärer Entwurf eingestuft wird 2 ) . Von anderer Seite wird moniert, daß die Unterscheidung zwischen Freiheit und deren Wert in ihrem abstrakten Gehalt zwar richtig sein mag, sich aber im politischen Alltag als unhaltbar erweist 3 \ Der Schwerpunkt der Kritik liegt aber auf Operationalisierungs- und Anwendungsproblemen des Differenzprinzips 4 \ Unter der Rubrik Anwendungsprobleme werden auch die in RAWLS' Modellauffassung der moralischen Person festgeschriebenen Eigenschaften kritisiert, denn diese entsprächen nicht der realistischen Beschreibung der menschlichen Natur und somit fehle die Voraussetzung für die Anwendung der Gerechtigkeitsprinzipien5 \ Diesem Typus der Kritik ist jedoch wieder die bereits erwähnte Auffassung entgegenzuhalten, daß die Modellauffassungen der moralischen Person, des moralischen Unternehmens und des moralischen Staates keine empirische, sozialwissenschaftliche Beschreibung von Eigenschaften darstellen, sondern vielmehr ein theoretisches Konstrukt ähnlich dem des „homo oeconomicus", mit anderen Worten, ein methodisches Instrument zur Analyse und Herleitung von Prinzipien im Rahmen der idealen Theorie. 4.3.3 Der Ideologie-Vorwurf Hier ist vor allem die Kritik von HART 6 * zu nennen, die sich in knappster Form wie folgt fassen läßt: Die Priorität der Freiheit bei RAWLS und damit auch der internationalen Unternehmensethik sei ideologisch, wenn ein Verzicht auf ökonomische Vorteile zugunsten der Freiheit postuliert werde. Auch handele es sich bei 1 ) vgl. Schaar (1974), S. 85ff.; Schaar (1980), S. 187ff.; Weinberger (1977), S. 244; Chapman (1975), S. 591; Koslowski (1988), S. 285; Siep (1977), S. 343; Weinberger (1977), S. 247. 2 ) vgl. Nagel (1975), S. 3; Rae (1975), S. 636; Min (1984), S. 81; Koch (1982), S. 140; Bowie (1980), S. 128ff. 3 ) vgl. Daniels (1975 a), S. 263ff.; Koch (1982), S. 121 ff . 4 ) vgl. Beauchamp (1980), S. 148ff.; Koch (1982), S. 13Iff.; Weinberger (1977), S.247f.; GIbbard (1979), S. 267ff; Dasgupta (1974) S.325ff. 5 ) vgl. Schaar (1974), S. 80f.; Koch (1982), S. 131 ff. 6 ) vgl. Hart (1977), S. 160f.

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der Annahme, daß westlich-demokratische Gesellschaften gerecht seien, um eine implizite Unterstellung 1 \ Demgegenüber sei eine Rückbesinnung auf das eigentliche Ziel der internationalen Unternehmensethik vonnöten, d. h. eine Explikation des Gerechtigkeitsbegriffs im Hinblick auf Unternehmen in Entwicklungsländern. Angesichts der Verschiedenheit der Lager, aus denen RAWLS kritisiert wird, mutet der Ideologievorwurf seltsam an, um so mehr, da RAWLS gar keine universelle Wahrheit seiner Prinzipien behauptet. Im Zentrum der kritischen Diskussion um die Einordnung seiner Theorie steht die von RAWLS postulierte Priorität des Prinzips gleicher Grundfreiheiten vor dem Prinzip fairer Chancengleichheit und dem Differenzprinzip bzw. die Vorrangsregel. Hier setzt die wohl einflußreichste kritische Reflexion zu RAWLS' Gerechtigkeitstheorie 2} an, nämlich die von HART. Insbesondere seine Bemerkungen haben RAWLS zu weitergehenden Erläuterungen der Konzeption veranlaßt, die beim Entwurf der internationalen Unternehmensethik aber bereits berücksichtigt wurden3 \ HART formuliert die grundsätzliche Frage, wie die Priorität des Prinzips gleicher Grundfreiheiten vor dem zweiten Gerechtigkeitsprinzip zu begründen ist. Sein Kernargument zielt auf die Problematik, daß die Beteiligten in der hypothetischen Position für die Priorität der Freiheit votieren, dabei aber davon ausgehen, daß diese Vorrangsregel erst Gültigkeit bekommt, wenn in der Gesellschaft, der die Beteiligten angehören werden, gewisse günstige gesellschaftliche und ökonomische Verhältnisse tatsächlich erreicht sind 4) . Für HART ist nicht einsichtig, warum es für die Beteiligten in der hypothetischen Position unter dem Schleier der Unwissenheit rational sein soll, sich auf einer bestimmten Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung etwas zu versagen, was sie gerne tun würden, nur weil sie es auf einer späteren Entwicklungsstufe nicht tun wollen 5 \

1 ) vgl. Gauthier (1974), S. 6; Schaar (1974), S. 94ff.; Brantl (1985), S. 487; Macpherson (1977), S. 150; Siep (1977), S.347; Weinberger (1977), S.248f. Die Diskussion der Ideologievorwürfe von Miller und Hart bei Wettstein (1979), S. 33ff.; dagegen Höffe (1979 a), S. 183. 2 ) vgl. Hart (1977), S. 13Iff.; Scanion (1975), S. 179ff.; Bowie (1980), S. 114fr.; Fishkin (1975), S. 62Iff.; Weinberger (1977), S. 246. 3 ) unter ausdrücklichen Bezug auf Hart bei Rawls (1982 a). 4 ) vgl. Hart (1977), S. 157. 5 ) vgl. Hart (1977), S. 159; ähnlich Min (1984), S. 97ff. Hart erhebt aber nicht nur den Vorwurf einer ideologischen Vorrangstellung der Freiheit, sondern kritisiert auch die logische Ableitung der Priorität, die sich ihm zufolge auch in dem nicht begründeten Wechsel in der Sprache, nämlich von "liberty" zu "liberties", ausdrückt.

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Diesem erneuten indirekten Vorwurf der Ideologie kann mit RAWLS 1 * aber begegnet werden, indem das Konzept der Selbstachtung zur Begründung der Priorität der Freiheit herangezogen wird. Ausgehend von der Modellauffassung der moralischen Person, des moralischen Unternehmens und des moralischen Staates, können die zwei grundlegenden Fälle beschrieben werden, welche die Garantie von gesellschaftlichen-ökonomischen Grundfreiheiten nötig machen und mit deren Hilfe die unter das Prinzip gleicher Grundfreiheiten fallenden Freiheiten konkretisiert werden können2*. KOCH formuliert das Problem der Ideologieabhängigkeit der Gerechtigkeitstheorie dahingehend, daß RAWLS sich nicht entscheiden könne zwischen einer deduktiven, auf Universalität zielenden und auf spezielle Informationen verzichtenden Konzeption und einer die geschichtliche Situation berücksichtigenden, speziellen raumzeitbezogenen Gerechtigkeitstheorie mit empirischem Gehalt. Die Folge ist entweder eine utopische oder eine des Universalitätsanspruchs verlustig gehende Konzeption3 *. Aus der Darstellung der RAWLSschen Gerechtigkeitstheorie und der Argumentation innerhalb einer internationalen Unternehmensethik dürfte aber hinreichend deutlich geworden sein, daß es weder um eine empirische Gerechtigkeitstheorie geht noch ein absoluter Wahrheitsanspruch behauptet wird, sondern vielmehr eine Explikation wohlerwogener Urteile durch gefundene Prinzipien durchgeführt wird. Weil RAWLS zur Illustration auf eine Gesellschaft nach westlich-demokratischem Muster zurückgreift, folgern Kritiker, daß seine Konzeption eurozentrisch 4 *, durch eine westliche Kultur liberalistischen und individualistischen Zuschnitts geprägt und damit ideologisch belastet sei5*. RAWLS macht aber spätestens 1985 ausdrücklich deutlich, daß seine Gerechtigkeitskonzeption auf die moderne konstitutionelle Demokratie bezogen ist6*. Aber schon in „ A Theory of Justice" gibt es, wenn auch vielleicht nicht im ausreichenden Maß deutlich gemachte Hinweise dafür, daß RAWLS westlich-demokratische Grundüberzeugungen nur als Illustration, d.h. als naheliegenden Ausgangspunkt des Begründungsverfahrens wählt7*. Dies ist plausibel, sind diese doch RAWLS und dem Leser am besten vertraut. Nach erfolgreicher „Explikation" der in westlich-demokratischen Gesellschaften

1 ) vgl. Rawls (1980 a); Rawls (1982 a). 2 ) vgl. Shue (1975), S. 195ff. 3 ) vgl. Koch (1982), S. 101 f.; das Dilemma zwischen stringenter Herleitung, Universalität und Neutralität hat Fishkin (1983), S. 328ff. herausgearbeitet. 4 ) vgl. Koch (1982), S. 99f.; Pettit (1974), S. 31 Iff. 5 ) vgl. Wolff (1977), S. 137 6 ) vgl. Rawls (1985), S. 224ff. 7 ) vgl. Rawls (1979), S. 308; (1988), S. 274.

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vorhandenen wohlerwogenen Grundüberzeugungen durch Prinzipien und Erreichen eines reflexiven Gleichgewichts ist eine „Explikation" anderer, ζ. B. asiatischer oder arabischer Grundüberzeugungen nicht ausgeschlossen. Gleiches gilt selbstverständlich im gleichen Maße für das hier vorgestellte Konzept der internationalen Unternehmensethik. Indem RAWLS sich mit seinem Begründungsverfahren an die politische Öffentlichkeit demokratischer Gesellschaften wendet, versucht er, die in einer demokratischen Gesellschaft vorhandenen Grundbedingungen und Grundüberzeugungen zu verdeutlichen und die in den Modellauffassungen herausgearbeiteten Charakteristika der moralischen Person, des moralischen Unternehmens, des moralischens Staates und der wohlgeordneten Gesellschaft als ein anzuerkennendes Idealbild darzustellen. Im Fall der Anerkennung ist dann eine brauchbare und fruchtbare Grundlage gegeben, die eine Argumentation für bestimmte Gerechtigkeitsprinzipien und eine Klärung des Verhältnisses von Freiheit und Gleichheit ermöglicht 1 ) bzw. eine Argumentation für bestimmte Verhaltensweisen von deutschen multinationalen Unternehmen in Entwicklungsländern. Mit RAWLS' eigenen Worten: „Die Theorie der Gerechtigkeit als Fairneß erweist sich als brauchbar, wenn sie den Bereich des Gerechten in besserer Übereinstimmung mit unseren wohlüberlegten Urteilen abgrenzt als andere Theorien, und wenn sie die gewichtigen Übelstände, die eine Gesellschaft vermeiden soll, schärfer herausstellt." 2} Die angeblich implizite Unterstellung der Gerechtigkeit westlicher Demokratien hat, was nicht verwunderlich ist, insbesondere Kritiker von Seiten des Marxismus dazu veranlaßt, RAWLS' Gerechtigkeitstheorie als ideologiebehaftet zu kritisieren, wobei Ideologie als falsches Bewußtsein verstanden wird 3 \ Verwunderlich ist es aber, daß auch von politisch „rechter" Seite eine intensive Kritik erfolgte 4 \ Die Kritik setzt dabei am individualistischen Menschenbild an, dem das Konzept unzweifelbar verhaftet ist5 \ Dagegen allerdings ist nichts einzuwenden, soweit die Theorie ökonomischer Verteilungsgerechtigkeit sich auf das menschliche und unternehmerische Verhalten innerhalb bestimmter gesellschaftlicher Institutionen und ausgewählter Moralvorstellungen bezieht und keinen, ohnehin nicht einlösba1 ) vgl. Rawls (1980 a), S.569. 2 ) Rawls (1979), S. 229; (1988), S. 201. 3 ) vgl. Fisk (1975), S. 53ff.; Miller (1977), S. 162ff.; die Gegenüberstellung von Marx und Rawls bei Demarco (1980), S. 395ff. und Francis (1980), S. 463ff. 4 ) vgl. Goldman (1980), S. 43 Iff. 5 ) vgl. Koch (1982), S. 117ff.; Fisk (1975), S. 55ff.

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ren Universalitätsanspruch erhebt1*. Dieses aber wird im Rahmen dieser Arbeit nicht getan. Im übrigen mutet der Vorwurf der impliziten Rechtfertigung westlichdemokratischer Gesellschaften seltsam an angesichts dessen, daß RAWLS keine universelle Wahrheit seiner Prinzipien behauptet, sondern, von unseren wohlerwogenen Urteilen ausgehend, nur eine als am besten begründbare. Angesichts der Elemente des reflexiven Gleichgewichts und einer pragmatischen Wahrheit, d. h. der pragmatischen Übereinstimmung unserer wohlerwogenen Urteile mit den Prinzipien der Gerechtigkeit, wird der Ideologievorwurf absurd, beansprucht eine Ideologie doch absolute und alleinige Wahrheit.

1 ) vgl. Koch (1982), S. 120; Pettit (1974), S. 31 Iff.

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Zusammenfassung

5. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen Das Bedürfnis der Entscheidungsträger nach ethischer Rechtfertigung ökonomischer Entscheidungen gegenüber der Öffentlichkeit, den Medien, im politischen Raum und nicht zuletzt auch gegenüber sich selbst wächst. Die Unternehmensethik, lange Zeit für überflüssig gehalten oder ganz abgelehnt, ist auch als wissenschaftliche Disziplin „im Kommen". Dabei bilden negative externe Effekte der Geschäftstätigkeit multinationaler Unternehmen nicht nur in Entwicklungsländern neben Steuerungsdefiziten des Rechts im internationalen Bereich die systematische Begründung für die Notwendigkeit einer internationalen Unternehmensethik auf der Basis ethischer Selbstverpflichtung. Diese Arbeit hat einen Weg zur Einbeziehung ethischer Überlegungen in das Auslandsengagement deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern aufgezeigt. Dabei wurde davon ausgegangen, daß eine praktizierte internationale Unternehmensethik zu einem langfristig konfliktfreieren Auslandsengagement führt und dem Interesse aller Beteiligten, d. h. sowohl des multinationalen Unternehmens wie auch des Entwicklungslandes gerecht werden kann. Im ersten Schritt der Arbeit wurden die Anforderungen von theoretischer und praktischer Seite (Ethik und Ökonomie) an eine internationale Unternehmensethik formuliert und die notwendige Vorgehensweise zur Entwicklung der internationalen Unternehmensethik herausgearbeitet. Diese Vorgehensweise gliederte sich in die Problemorientierung der Ökonomie und der Ethik einerseits und in die Handlungsorientierung zur Entwicklung praktischer Verhaltensgrundsätze andererseits. Die Analyse des Auslandsengagements deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern klärte im zweiten Schritt das Problemverständnis der Betriebswirtschaftslehre. Darüber hinaus wurden die für die Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik zwingend notwendigen Handlungsfreiräume wie auch die ethisches Handeln begrenzenden Handlungsrestriktionen aufgezeigt. Dargestellt wurden die unterschiedlichen Interessenlagen der multinationalen Unternehmen und der Entwicklungsländer und die Möglichkeiten, diese Interessen zu verfolgen und gegenüber dem anderen durchzusetzen. In diesem Zusammenhang besonders bemerkenswert war dabei die Erkenntnis, daß nicht von einer prinzipiellen Überlegenheit des multinationalen Unternehmens gegenüber dem Entwicklungsland ausgegangen werden kann. Mit der systematischen Untersuchung möglicher und tatsächlicher Konflikte im Verlauf des Auslandsengagements wurde der angemessene sachlich-inhaltliche Rahmen für die Entwicklung der internationalen Unternehmensethik im Rahmen der Handlungsorientierung geschaffen.

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Zusammenfassung

Im dritten Schritt wurde im Rahmen der Problemorientierung der Ethik die zuvor ermittelte Tendenz zur systematischen Ausklammerung ethischer Aspekte im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Analyse unter deskriptiv-ethischen und normativ-ethischen Aspekten untersucht und verschiedene Rechtfertigungsmodelle wie Sozialdarwinismus und Utilitarismus kritisch beleuchtet. Dabei zeigte sich deren ungenügende methodische und inhaltliche Stringenz, die zur Infragestellung der „ökonomistischen" Betrachtungsweise führt. Eine normativ-ethische Rechtfertigungsdiskussion wurde daher an Hand der RAWLSschen Gerechtigkeitskonzeption geführt, die aufzeigt, daß es eine ethische Theorie gibt, die unter Annahme der grundlegenden demokratischen Wertvorstellungen Freiheit, Gleichheit und Gegenseitigkeit zu einem Konzept kommt, das die Probleme der genannten anderen Rechtfertigungsmodelle vermeidet. Die Gerechtigkeitskonzeption von RAWLS wurde nicht zuletzt deshalb dieser Arbeit zugrundegelegt, weil sie eine sowohl Wirtschaftswissenschaftlern als auch Führungskräften der Wirtschaft selbst vertraute Sprache spricht. Die Konzeption von RAWLS wurde im weiteren ausführlich dargestellt und an den an eine internationale Unternehmensethik zu stellenden Anforderungen geprüft. Im vierten Schritt schließlich wurde im Rahmen der Handlungsorientierung das Modell von RAWLS im Hinblick auf die Entwicklung einer internationalen Unternehmensethik modifziert und die Vorzüglichkeit dieses Modells gegenüber anderen existierenden unternehmensethischen Ansätzen diskutiert. Mit Hilfe des modifizierten Modells wurden schließlich allgemeine Prinzipien einer internationalen Unternehmensethik formuliert sowie, angelehnt an die zuvor ermittelten Konfliktpotentiale zwischen multinationalen Unternehmen und Entwicklungsländern, im Rahmen eines „Praxistests" exemplarisch möglichst konkrete Verhaltensgrundsätze entwickelt. Abschließend wurden die Grenzen und Probleme einer internationalen Unternehmensethik auf der Basis des RAWLSschen Konzepts näher beleuchtet. Ziel dieser Arbeit war es, zu ergründen, wie unternehmerische Entscheidungen eine ethische Dimension gewinnen und wie diese begründet werden kann. Als Konkretion diente hierzu die internationale Investitionspolitik deutscher multinationaler Unternehmen in Entwicklungsländern. Damit war gleichzeitig die Fragestellung verbunden, inwieweit Unternehmen in der Lage und verpflichtet sind, über ihre betriebswirtschaftlichen Belange hinaus internationale oder globale Verantwortung wahrzunehmen. Wie aufgezeigt, herrschen im Kontext der internationalen Unternehmensführung besonders ungünstige Bedingungen für eine internationale Unternehmensethik, müssen sich multinationale Unternehmen doch an lokale Gegebenheiten anpassen, um Marktchancen wahrnehmen und Risiken vermeiden zu können. Anforderungen von seiten des Gastlandes an die Auslands298

Zusammenfassung

tochter können letztlich unvernünftig sein, wie ζ. B. die Unterstützung totalitäter Regime. Multinationale Unternehmen laufen gerade wegen ihrer geographischen Streuung stärker als national tätige Unternehmen Gefahr, daß ihre ethische Selbstverpflichtung in Konflikt mit vom Gastland geforderten Verhalten gerät. Ein Arrangement mit lokalen Bedingungen ist in vielen Fällen ökonomisch lukrativer als ein Verhalten, das einen Wandel der dortigen Verhältnisse herbeiführen könnte. Generell dürfte daher die Bereitschaft von multinationalen Unternehmen zur freiwilligen Selbstverpflichtung auf bestimmte, gegebenenfalls auch international anerkannte Normen als derzeit noch schwach ausgeprägt anzusehen sein. Allerdings zeigt der UN-Bericht von 1988 über die Rolle multinationaler Unternehmen einen gewissen Wandel1 Wohl wissend, daß eine Studie über Ethik, insbesondere über Unternehmensethik, immer in der Gefahr möglicher Instrumentalisierung und in der Willkür der Auswahl s t e h t 2 g i n g es hier darum, zu prüfen, ob RAWLS' Gerechtigkeitskonzeption hilfreich sein kann, in dem oben geschilderten schwierigen Umfeld für eine internationale Unternehmensethik konkrete Verhaltensgrundsätze zu entwickeln. Dies ist gleichbedeutend mit der Frage nach der Möglichkeit, ein philosophisch-ethisches Modell, das auf höchster Abstraktionsebene gebildet worden ist, soweit zu konkretisieren, daß es eine Hilfestellung in der täglichen Unternehmenspraxis darstellen kann. Hauptansatzpunkt für die Grundlegung der internationalen Unternehmensethik ist dabei die Erkenntnis, daß ein Unternehmen nicht isoliert in bezug auf seine Umwelt handelt; es ist vielmehr mit ihr in einer engen Dependenz. Somit unterscheiden sich die Grundprinzipien in diesen Beziehungen wenig von denen der Mitglieder einer Gesellschaft. Insofern sind auch Unternehmen an der Wahrung der eigenen Grundrechte und Freiheiten interessiert und können auf dieser Ebene durchaus die Rolle eines Mitgliedes der Gesellschaft einnehmen. Damit ist die Möglichkeit gegeben, RAWLS' Gerechtigkeitskonzeption, deren eigentlicher Bezug die menschliche Gesellschaft ist, als „Abbild" für die Ableitung ethischer Verhaltensgrundsätze für multinationale Unternehmen in Entwicklungsländern heranzuziehen. Daß dies im Rahmen einer „Neukonstruktion" als internationale Unternehmensethik zu geschehen hat und nicht als bloße „Anwendung", wurde in dieser Arbeit hinreichend deutlich. Bei der hier vorgelegten internationalen Unternehmensethik auf der Grundlage von RAWLS' Gerechtigkeitstheorie geht es jedoch nicht um eine Kasuistik, sondern um eine Methode für die Erstellung von Verhaltensgrundsätzen, die ihrerseits vor allem wieder vernünftige Richtlinien ermöglichen können. Einzelentscheidun-

1 ) vgl. Kumar (1989), S.227f.; zu den Selbstverpflichtungen vgl. Donaldson (1989), S. 135ff. 2 ) vgl. De George (1978), S.3ff.

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Zusammenfassung

gen vor Ort werden sich, wie übrigens auch in anderen geographischen, politischen und sozialen Kontexten, nicht direkt aus einer Philosophie ableiten lassen, sondern nur aus einer philosophiebestimmten Unternehmensethik, die - allgemeineren Grundsätzen folgend - für jedes Unternehmen angepaßt formuliert und fortgeschrieben werden muß. Auslandsengagements sind kein Gegenstand schneller Augenblicksentschlüsse, so daß immer wieder Zeitreserven vorhanden sein sollten, aus Erfahrungen zu lernen und die Firmenethik weiterzuentwickeln. Für solche übergreifenden Vorgaben liefert die hier vorgelegte internationale Unternehmensethik eine geeignete Vorlage. Die hier vorgestellte internationale Unternehmensethik kommt ohne metaphysische Komponente aus und bedingt konstitutiv den Pluralismus einer Gesellschaft, was in einer säkularisierten Gesellschaft - und in multikulturellen Kontexten - ein eindeutiger Vorteil sein dürfte. Besonders gut geeignet erscheint die Konzeption für die Formulierung allgemeiner Verhaltensgrundsätze, wie sie in verschiedenen Zusammenhängen formuliert worden sind und sicherlich in Zukunft häufiger formuliert werden dürften. Dies gilt auch für die Formulierung von allgemeinen Unternehmensrichtlinien. Darüber hinaus aber ist eine Konkretisierung der Verhaltensgrundsätze mittels der „hypothetischen Position" für den einzelnen Entscheidungsträger möglich und damit letztlich ein Handeln im Sinne der Unternehmensleitlinien. Von grundlegender Bedeutung erscheint die Offenheit der internationalen Unternehmensethik auf der Grundlage von RAWLS' Konzeption. Sowohl in dieser Arbeit als auch in der Sekundärliteratur wurde wiederholt auf die stetige Fortentwicklung des RAWLSschen Ansatzes hingewiesen. Damit geht auch für die internationale Unternehmensethik ein nichtdoktrinärer Ansatz einher, der dennoch zugleich die grundlegende Bedeutung bestimmter, im Westen entwickelter Werte wie Freiheit und Menschenwürde nachweist und diese vor kulturellem Relativismus schützt. Zu guter Letzt ist zu bemerken, daß wir uns am Ende dieser Arbeit keineswegs am Ende des Gedankengangs befinden. Vielmehr stehen wir (so ist jedenfalls zu hoffen) in einem reflexiven Gleichgewicht von allgemeinen wohlerwogenen Überzeugungen, Rahmenbedingungen und Prinzipien einer internationalen Unternehmensethik. Allerdings soll und kann das momentan herrschende reflexive Gleichgewicht nicht als endgültig betrachtet werden, vielmehr sollte es eine Herausforderung sein, zu einem weiteren reflexiven Gleichgewicht auf „höherer Ebene" zu gelangen, sei es dadurch, daß man mit hier nicht behandelten Fragestellungen neue Erkenntnisse gewinnt und damit ein neuer Erkenntnisprozeß im Sinne des reflexiven Gleichgewichts notwendig wird, sei es, daß die wohlerwogenen Über-

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Zusammenfassung

Zeugungen im common sense sich verändern und so eine Veränderung der Prinzipien im Sinne der Explikation nötig wird.

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Zusammenfassung

„Man muß dafür sorgen, daß das Schicksal der Freiheit von der ewigen Wahrheit und nicht von sterblichen Menschen gelenkt wird. Wenn die Regierung die Interessen des Volkes vergißt oder wenn sie von neuem verderbten Menschen in die Hände fällt, wie es der natürliche Lauf der Dinge ist, so müssen die Verrätereien durch die anerkannten Grundsätze klar durchschaut werden können, und jede neue Partei muß schon bei einem einzigen verbrecherischen Gedanken ihr Ende finden. Glücklich ist das Volk, das dieses Ziel erreichen kann! Denn welche neuen Demütigungen muß man hinnehmen und wieviel Kraft gehört dazu, die Dinge so zu ordnen, daß die Vernunft die Freiheit garantiert! Welches Ziel streben wir an? Wir wollen den friedlichen Genuß der Freiheit und Gleichheit; die Herrschaft jener ewigen Gerechtigkeit, deren Gesetze nicht in Marmor und nicht in Stein, sondern in die Herzen aller Menschen eingeschrieben sind, auch in das Herz des Sklaven, der sie vergißt, und in das Herz des Tyrannen, der sie leugnet. Wir wollen die Dinge so ordnen, daß alle niedrigen und grausamen Leidenschaften im Zaum gehalten und alle wohltätigen und edlen Leidenschaften durch die Gesetze geweckt werden; wir wollen eine Ordnung schaffen, in der sich der Ehrgeiz auf den Wunsch beschränkt, Ruhm zu erwerben und dem Vaterland zu dienen; in der Vornehmheit nur aus der Gleichheit entsteht; wo der Bürger dem Magistrat, der Magistrat dem Volke und das Volk der Gerechtigkeit unterworfen ist; eine Ordnung, in der das Vaterland das Wohlergehen eines jeden Einzelen sichert und jeder einzelne stolz das Gedeihen und den Ruhm des Vaterlandes genießt; in der die Seelen sich weiten durch den ständigen Austausch republikanischer Gefühle und durch das Bedürfnis, die Achtung eines großen Volkes zu verdienen; in der die Künste eine Zierde der Freiheit sind, die sie veredeln, und in der der Handel eine Quelle des allgemeinen Reichtums und nicht nur des ungeheuren Überflusses in wenigen Häusern ist." Maximilien Robespierre am 5. Februar 1794

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1 ) zitiert wird nach den fettgedruckten Namen und Jahreszahlen.

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