Internationale Ethik. Eine Einführung: Zweiter Band: Fragen der internationalen sittlichen Ordnung. Friede in Freiheit und Gerechtigkeit [1 ed.] 9783428461349, 9783428061341

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Internationale Ethik. Eine Einführung: Zweiter Band: Fragen der internationalen sittlichen Ordnung. Friede in Freiheit und Gerechtigkeit [1 ed.]
 9783428461349, 9783428061341

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RUDOLF WEILER

Internationale Ethik . Zweiter Band

Internationale Ethik Eine Einführung

Zweiter Band

Fragen der internationalen sittlichen Ordnung Friede in Freiheit und Gerechtigkeit

Von

Rudolf Weiler

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Weiler, Rudolf: Internationale Ethik: Eine Einführung / von Rudolf Weiler. Berlin: Duncker u. Humblot. ISBN 3-428-06132-2 Weiler, Rudolf: Fragen der internationalen sittlichen Ordnung, Friede in Freiheit und Gerechtigkeit / von Rudolf Weiler. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Internationale Ethik / von Rudolf Weiler; Bd. 2) ISBN 3-428-06134-9 ISBN 3-428-06132-2 (Gesamtw.) Bd. 2. Weiler, Rudolf: Fragen der internationalen sittlichen Ordnung, Friede in Freiheit und Gerechtigkeit. - 1989

Alle Rechte vorbehalten

© 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41

Satz: Werksatz Marschall, Berlin 45; Druck: W. Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3-428-06132-2 (Gesamtausgabe) ISBN 3-428-06134-9 (Bd. 11)

Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................••..

IX

1.

Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration •••••



1.1.

Suche nach Identität in einer Epoche des Übergangs ....•...•.•

1

1.2.

Der globale Integrationsprozeß ........•.................••

3

1.3.

Integrative Kräfte .....................................•

5

1.3.1.

Die internationale öffentliche Meinung ...................••.

5

1.3.2.

Integration durch (Außen)politik .......•......•.........••.

7

1.3.3.

Sachzwänge zur Integration ..............•..•....•......•

14

1.4.

Über die regionale zur weltweiten Integration am Beispiel Europas

16

1.4.1.

Europäische Einigungspolitik und die neue globale Weltordnung •.•

16

1.4.2.

Die Grundwerte im europäischen Integrationsprozeß ..•.....•••

20

1.5.

Integration der Kulturen ...................•........••.••

25 26

1.5.1.

Integration durch Enkulturation? .....•...•...•.........•••

1.5.2.

Enkulturation als ethischer Begriff .•...•....•..•.......•••••

27

1.5.3.

Integration der Kulturen in christlicher Sicht ............•..•.

31

2.

Die internationale Friedensordnung •..•.••.•••••.••••••••••

35

2.1.

Die Ausgangslage: Unterwegs zum Frieden .•..........•..•••

36

2.1.1.

Vom Krieg heute - der Krieg vor der Sinnfrage ..........•••••

37

2.1.2.

Sinn und Widersinn der Kriegsrüstung .•................•...

43

2.1.3.

Das Geschäft mit den Waffen als Sinnfrage ..•...•....•...••••

50

2.2.

Friedensethik ........................................•

52

2.3.

Ethik der Sicherheitspolitik ..........................•..••

53

2.4.

Ethik der Verteidigungspolitik .............•............••

61

2.4.1.

Militärische Gewalt als ethisches Problem .•...........•...••

64

2.4.2.

Militärdoktrinen aus ethischer Sicht ...........•....•...•••.

68

2.4.3.

Die Abschreckung als Teil der Militärdoktrinen im Wandel .•••••

74

VI

Inhaltsverzeichnis

2.4.4.

Folgerungen für die völkerrechtliche Durchsetzung des Menschenrechts auf Frieden ......................................

81

2.4.5.

Abrüstung als verteidigungspolitisches Ziel ..................

85

2.4.5.1. Zum Stand der internationalen Rüstungswirtschaft . . . . . . . . . . . . .

86

2.4.5.2. Die sittliche Beurteilung der Rüstungswirtschaft. . . . . . . . . . . . . . .

90

2.4.5.3. Stand und Aussicht der internationalen Rüstungskontrolle . . . . . . .

92

2.4.5.4. Regionale Rüstungskontrolle ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.

97

Ethik der Friedenspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

112

2.5.1.

Internationale Konflikte in friedensethischer Sicht .............

115

2.5.2.

Entspannungspolitik als Friedensstrategie ...................

117

2.5.3.

Friede durch internationale Rechtsordnung ..................

123

2.5.3.1. Die Bedeutung der moralischen Dimension des Rechts für die Friedensordnung .......................................

128

2.5.3.2. Rechtsschöpfung angesichts der Sacherfordernisse der Völkergemeinschaft .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133

3.

Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

.•••.••.••

136

3.1.

Die Situation der Weltwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

138

3.2.

Die formellen und informellen Rahmenbedingungen des Welthandels heute............. ........................ ....... ... .

145

3.3.

Die sittliche Ordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen

151

3.3.1.

Die Wirtschaftsordnung als sittliche Grundfrage ... . . . . . . . . . . . .

151

3.3.2.

Die Entwicklungsökonomie vor der Wertfrage ................

155

3.3.3.

Der ökonomische Ansatz und Weg zur Lösung des Entwicklungsproblems .............................................

158

3.3.4.

Die Entwicklungsökonomie nach den Grundsätzen der naturrechtlichen Wirtschaftsethik ..................................

162

3.3.5.

Die Neue Weltwirtschaftsordnung als Versuch eines Ordnungsrahmens für die Weltwirtschaft ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

3.3.6.

Die Entwicklungsökonomie in der Sicht einer sozial geordneten Weltwirtschaft ........................................

169

3.4.

Die Entwicklung der Völker durch eine integrale Entwicklungspolitik ..............•................................

177

3.4.1.

Von der Weltwirtschaftspolitik zur Entwicklungspolitik .........

178

3.4.2.

Grundzüge der Entwicklungspolitik ........................

183

3.4.3.

Wege zur solidarischen Problemlösung in internationaler wirtschaftlicher Kooperation .....................................

188

Inhaltsverzeichnis 3.4.4.

VII

Zusammenhänge und Einzelfragen von Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe ......................................

190

3.4.4.1. Das Bevölkerungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191

3.4.4.2. Das Rüstungsproblem ...................................

192

3.4.4.3. Die Multinationalen Unternehmen .........................

193

3.4.4.4. Das Ernährungsproblem .................................

196

3.4.4.5. Das Umweltproblem ....................................

199

3.4.4.6. Multilaterale Entwicklungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

201

3.5.

Das entwicklungspolitische Wirken der katholischen Kirche .....

204

3.6.

Entwicklungspolitische Prinzipien und Richtlinien .............

210

3.6.1.

Die Bildung der öffentlichen Meinung für eine sittliche, verantwortliche Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe. . . . . . . . . . . . . . .

213

3.6.2.

Kurzer Überblick über eine Reihe dringender entwicklungspolitischer Maßnahmen ..........................................

216

Literatwverzeichnis

222

Namenregister ••.•..••.••.•••••••••••.•••.•.•••••••••.•••.••.

235

Sachregister •••••.•••••••••••••.••.••••••.•••.•••.••••.••••••

240

Vorwort Im Ende 1986 erschienenen ersten Band meiner Einführung in die Internationale Ethik ging es um die Grundlegung der sittlichen Ordnung der Völkergemeinschaft. Zunächst wurden eine Übersicht über die Wissenschaften vom Leben der Völkergemeinschaft aus verschiedener Sicht geboten sowie weitere einzelwissenschaftliche Beiträge zur interdisziplinären Erforschung des Friedens, seiner Begründung und steten Bedrohung behandelt; der Hauptteil befaßte sich aber mit dem sozialethisehen Wesen und den Ordnungsprinzipien der internationalen Gesellschaft. Dieser Prinzipienteil, der möglichst die Faktenanalyse des internationalen Lebens zum Ausgang nahm und so auch viele Probleme des internationalen Lebens unter Anwendung der Prinzipien behandeln konnte, mündete in die entscheidende Frage nach Krieg und Frieden, in den Entwurf einer Friedensethik. Für den zweiten Band galt es nun, die gewonnene sittliche Wertordnung im internationalen Leben anzuwenden. Der Leser sollte daher, wenn er die tiefere Begründung der wertenden Position des Verfassers und seiner Folgerungen für das Handeln sucht, jedenfalls den ersten Band einsehen. In diesem Fortsetzungsband sollte die gewonnene Grundeinsicht in die internationale Ordnung Ansatz und Kriterium für die Lösung der Haupt- und Einzelfragen des Lebens der Völkergemeinschaft bieten und sich die hier vertretene naturrechtliche Position der Ethik bewähren, beziehungsweise sollte der Dialog mit allen an Lösungen internationaler Probleme Interessierten gesucht werden. Darum wurde in einem kurzen ersten Teil wieder ein sehr grundlegendes Thema als Einstieg behandelt: die Frage von Vielheit und Einheit in der internationalen Kooperation an Hand der immer mehr sich abzeichnenden - wenn auch pluralistischen! - einen Weltgesellschaft. Pluralismus und Integration werden hier zu komplementären Begriffen für die Einheit der Menschheit. Aus der Fülle der Einzelfragen des internationalen Lebens konnten nur einige kurz aufgegriffen werden. Ihre genauere Kenntnis kann heute nur mehr in interdisziplinärer Zusammenarbeit gesucht werden; noch viel weniger kann der Sozialethiker konkrete Lösungsvorschläge im Detail machen. Dennoch glaubt der Ethiker, der Grundnormen und Grundwerte erarbeitet hat, einen Schritt in die Richtung der Lösung führen zu können, muß doch der Mensch in der Politik im weitesten Sinn auf seine Grundsätze und ebenso auf seine Vernunft und sein Gewissen so weit vertrauen können, daß er nicht

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Vorwort

blindlings zu entscheiden braucht, auch und umso mehr im internationalen Leben, wovon das Schicksal der ganzen Menschheit abhängen kann. An Hand des Friedens als Grundwert in Freiheit und Gerechtigkeit wurde zuerst die internationale Friedensordnung behandelt. Die These ist, daß die Menschheit auf dem Weg zu dieser Friedensordnung ist, die Mittel zu ihrer Sicherung ohne die kriegerische Gewalt aber erst in Ansätzen in Sicht sind und immer unvollkommen bleiben müssen, wie der Mensch unvollkommen ist. Jedenfalls ist die Sinnfrage des Krieges heute immer weniger positiv zu beantworten; neue Wege der Sicherheits-, Verteidigungs- und Militärpolitik zeigen sich; Möglichkeiten, die Effizienz des Völkerrechts und seiner Konfliktregelungsfähigkeit zu erhöhen, müssen realisiert werden, um zu einer umfassenden Friedensordnung zu gelangen. Das Thema im dritten Abschnitt mit der gerechten Ordnung der internationalen Wirtschaft ist ebenso eine zentrale Problematik, an deren Lösung das Schicksal der Menschheit hängt. Wieder wird von einer Situationsanalyse der Wirtschaft ausgegangen, die Entwicklungsökonomie als die zuständige Sozialwirtschaft behandelt, um so die weltwirtschaftlichen und politischen Fragen in sozialethischer Kompetenz realitätsbezogen auf ihre Problemlösung durch Entwicklungspolitik und -hilfe hin zu untersuchen. Zum Abschluß des zweiten Bandes möchte ich für alle Mithilfe, besonders bei den TextersteIlungen und Korrekturarbeiten, meinen Mitarbeitern am Institut für Ethik und Sozialwissenschaften der Universität Wien, Univ.-Ass. Dr. Mag. IngeborgGabriel und Vertr.-Ass.lic. theol. Werner Freistetter, danken. Ein besonderer Dank gebührt für die Erstellung des Manuskriptes der Sekretärin am Institut für Ethik und Sozialwissenschaften, Frau Romana Bartl. Viel verdanke ich den Gesprächen und Kontakten mit in- und ausländischen Wissenschaftern, die sich besonders bei Tagungen, Seminaren und Forschungsgesprächen ergeben haben. Wenn solche (organisierte) Kontakte auch viel Zeit beanspruchen, so ergeben sie doch ein Erfahrungsmaterial und eine offene Sicht der Probleme von verschiedensten Standpunkten aus. Besonderer Dank gebührt auch dem Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme der Bände in sein Verlagsprogramm und für die Betreuung der Produktion. So sind fast zwanzig Jahre intensiver Befassung mit internationaler Ethik in diese Bände eingegangen. Sie mögen Teil und vom Leser gütig beurteilte Frucht eines Lebenswerkes sein, das der Verfasser in Verbundenheit mit der Kirche und der Katholischen Soziallehre zu leisten versucht. Dies kommt im Buch durch die Hinweise auf die Friedenskräfte in der Menschheit besonders auch vermittels des Christentums und der Kirche Christi zum Ausdruck: der Friede als Auftrag an den Menschen und zugleich als Gabe Gottes. Rudolf Weiler

1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration 1.1. Suche nach Identität in einer Epoche des Übergangs

Im Geflecht der internationalen Beziehungen, der realen politischen Vorgänge, der Interessen im Widerstreit offenbart sich eine dahinter liegende Wirklichkeit: ein Menschheitsinteresse, ein allgemeines Friedensstreben und ein Maßstab für Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden, die jenseits von egoistischen Einschätzungen stehend, als allgemein-gültig angestrebt werden. Die Goldene Regel als Grundgesetz der Sittlichkeit ist nur in Kommunikation der Interessen, der eigenen und der des Anderen, verstehbar, jedoch unter einer Gemeinsamkeit. Wir müssen daher von globaler internationaler Moral sprechen, und tun es auch andauernd, auch wenn wir von unseren eigenen Interessen ausgehen. Es geht nicht ohne den Anderen. Darum ist Dialog ein Schlüsselwort unserer Zeit auf der Suche nach gemeinsamen Grundwertüberzeugungen auch im internationalen Leben innerhalb des einen Menschheitsethos. Um dieses Menschheitsethos auszudrücken, werden verschiedene Wege gegangen. Es ergibt sich ein Ansatzproblem. Wird der Ansatz nun mehr traditionell-statisch, evolutionistisch oder deterministisch betrachtet, er muß sich aber immer als für alle offen und zukunftweisend zeigen. Der Andere darf nicht vom Grundansatz her im eigenen Denken ausgeschlossen werden! Die Menschheit steht heute vor Überlebensfragen, die nicht ohne die sittliche soziale Dimension der Frage gelöst werden können. Von höchster Dringlichkeit ist gegenwärtig die Überwindung der Kriegsgefahr. Solange der Krieg noch als Mittel angesehen wird, um Konflikte zu lösen, kann diese Gefahr für die Menschheit tödlich werden. Für viele Menschen bedeutet schon heute der fehlende soziale Ausgleich zwischen armen und reichen Staaten die Verurteilung zum Tode, was einer Kriegführung gleicht. Die Weltgesellschaft unter dem Blickpunkt sozialethischer Prinzipien und deren internationale Ordnung war bereits grundlegend im 1. Band dieser Einführung in die internationale Ethik erörtert worden. Das Ethos der einen Menschheit, trotz aller kultureller Vielfalt, gibt Zeugnis von der Bedeutung normativer Entscheidungsgrundlagen für das Zusammenleben der MenI Weilerll

2

1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

sehen und Völker. Es beruht in der Gewissenseinsicht jedes Menschen. Über die Familie und die soziale Personwerdung in ihr entfaltet sich ein in der Menschheit gelebtes Ethos von einer internationalen Dimension. Das einzelmenschliche Gewissen ist der Grund eines analog so bezeichneten. Weltgewissens", insoferne personale Grundwertüberzeugungen ihre soziale Verdichtung erfahren und zu sittlichen Normen zur Ordnung der internationalen Gesellschaft in Einheit und Gerechtigkeit werden. Die Gemeinsamkeit sittlicher internationaler Verantwortung ruht letztlich im Einzelgewissen. Dennoch bildet Sittlichkeit keine nur individuellen Verpflichtungen aus, sondern ebenso soziale Normen. Von der Familie bis zur Menschheit wirkt die soziale Grundanlage des Menschen auf sittliche Gemeinsamkeiten hin, so daß im Zusammenleben der Menschen sich auch die gesellschaftlichen Einheiten als Träger und Vermittler von Sittlichkeit in Verbindung mit dem einzelmenschlichen Gewissen erweisen. Die Pluralität von Lebens- und Ethosformen in der Weltgesellschaft ist daher als natürliche und nicht willkürliche und damit als eine Einheit in Vielfalt zu bezeichnen. Ebensolches gilt für die Pluralität der Kulturen und ihre gegenseitige Durchdringung. Wenn daher von einer Epoche des Übergangs unserer gegenwärtigen Weltgesellschaft gesprochen wird, soll nicht bloß das allgemeine Werden und Sich-Entwickeln der Menschheit ausgesagt werden, sondern mit dem Blick auf die Einheit der Menschheit das Hervortreten des Pluralismus dieser Weltgesellschaft und ihrer verschiedenen Kulturen einerseits, aber auch die integrative Dynamik dieses Weltprozesses andererseits betont werden. Die internationale Ethik will die Herausforderung unserer Epoche in der sittlichen Ordnungsfrage nicht zuletzt hinsichtlich der gesamten Völkerfamilie untersuchen und Orientierung bieten. Die Konzilsversammlung des katholischen Weltepiskopats hat 1965 beim 2. Vatikanischen Konzil ihre Diagnose z~r .Situation des Menschen in der heutigen Welt" mit den Eingangsworten ausgesprochen: .Freude und Hoffnung, Trauer und Angst" erfüllten die Menschen von heute. I Was den Einzelmenschen in einer Lebenssituation bewegen kann, wird hier von der Menschheit insgesamt ausgesprochen. Ursächlich für diese Grundstimmung ist nach der Konzilsaussage die rationale Einsicht in die mit dem raschen gesellschaftlichen Wandel verbundenen Krisenerscheinungen in der Menschheit und ihrer komplexen Situation. In solchen Lagen und Zeiten suchen die Menchen nach stützenden sozialen Ordnungen und Kräften. Hier bietet sich die Kirche als Zeichen der Hoffnung wie ebenso der Einheit durch ihre innere Stärke und ihre moralische Autorität an. Gemeinschaftsbildung ist immer verbunden mit Selbstverständnis ebenso wie mit gemeinsamer Weltsicht. Das Besondere der in der WeItsicht einge1

Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nr. 1.

1.2. Der globale Integrationsprozeß

3

schlossenen sittlichen Ordnung ist aber, daß sie sowohl individuell wie im sozialen Bereich nie uniformen Charakter hat, sondern immer von persönlicher Verantwortung und Entscheidungsfreiheit mitgetragen ist und aus sozialer Kommunikation und Auseinandersetzung oder Dialog bzw. aus Einigung immer erst entsteht. Das gilt auch für die Menschheit als Gemeinschaft. Sie erwächst erst aus Einsicht und Willenseinigung. Die Weitsicht ihrer Einheit resultiert aus den Realitäten der Situation ebenso wie aus geistigen Triebkräften, die aber auch zu Ideologiebildungen führen können. 1.2. Der globale Integrationsproze8 Der globale Integrationsprozeß2 spielt sich heute auf vielen Ebenen ab. Da gibt es die Ebene der Interessen und (als Ausdruck dieser) besonders die internationalen Interessenverbände, wie zum Beispiel diejenigen auf wirtschaftlichem Gebiet. Die internationale Politik stellt ein Problemfeld dar mit Integrationsblöcken, die Ausdruck im allgemeinen Völkerrecht3 ebenso wie in auf Bündnisse gerichteten Systemen finden, insbesondere hinsichtlich der jeweiligen gemeinsamen Sicherheitsinteressen. Hierbei wirken integrative Kräfte ebenso wie desintegrative konfligierende Tendenzen. Viele Facetten und Seiten hat die Entwicklung der WeItgesellschaft, viele Ideen und Interessen vermengen sich zu ideologischen, politisch wirksamen Strömungen und bilden so etwas wie einen Prozeßablauf in der Wechselwirkung von Individuen und Gesellschaft, bei dem die menschliche Person letztlich Subjekt, also Motor und Träger ist. Die Menschheit hört nicht auf, .Gesellschaft der Individuen"4 zu sein, obwohl ihr Fortbestand und ihre 2 Im Bereich der politischen internationalen Beziehungen ist der Begriff der .Integration" vor allem im Zusammenhang mit der europäischen Integrationspolitik üblich geworden. Heinrich Scheider hat auf den Zusammenhang mit der zentralen Verwendung des Begriffs im soziologischen Systemmodell Talcott Parsons hingewiesen, etwa zur selben Zeit als die europäischen Integrationsbemühungen einsetzten, und daraus abgeleitet, daß der Begriff wahrscheinlich von den Amerikanern aus in den politischen Gebrauch kam. (Vgl. Heinrich Schneider, Leitbilder der Europapolitik, Bd. 1: Der Weg zur Integration, Bonn 1977, 234). Für die politische Ethik auch in der internationalen Dimension ist Integration als sozialer Begriff im wesenhaft Menschlichen begründet und beruht auf der Grundtatsache, daß der Mensch gemeinschaftsfähig und -bildend ist, wobei der politische Integrationsprozeß nach Johannes Messner .eine Resultante mannigfaltiger Kräfte und Triebe" darstellt, der letztlich sein Richtmaß vom Menschen nimmt und nicht aus politischer Willkür stammt. (Vgl. Johannes Messner, Das Naturrecht, Berlin 71985, 769). Dieser ethische Integrationsbegriff wird auch hier vertreten. 3 Die Völkerrechtsgeschichte kennt verschiedene Epochen der Staatensysteme. Vgl. Wilhelm G. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, Baden-Baden 1984. 4 Vgl. Norbert Elias, Die Gesellschaft der Individuen, Frankfurt 1987.

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4

1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

Überlebenschancen auf globaler Ebene zu suchen sind. Damit stellt sich internationale Ethik als eine Frage nicht nur der Organisation dar, sondern als sozialphilosophisches und -ethisches Problem, das die Fragen internationaler Ordnung grundlegend einschließen und lösen helfen muß. Integrative Ideologien hingegen haben nach einer Phase der Wirksamkeit die Periode des Verfalls für sich. Dies erweist sich heute besonders am Weltkommunismus. Der natürliche Verbündete aller Integrationsprozesse ist hingegen die soziale Anlage im Menschen selbst und das Rechtsbewußtsein aus dem Gewissen heraus. Der Aufbau der Staatengesellschaft in organisatorischer und positiv rechtlicher Hinsicht insbesondere durch die OVN ist ein Zeugnis für die Wirksamkeit dieses Bewußtseins. Die Integration der Menschheit ist heute auf verschiedenen Ebenen im Gange. Die politische Geschichte der Menschheit kennt für lange Perioden nur imperiale Großmächte mit Hegemonieansprüchen, die zuletzt durch die Supermächte Weltmaßstab erreichen konnten. Die auf die geographische Machtausdehnung gerichtete, militärisch abgestützte Hegemonialpolitik eines Machtzentrums hat immer die Tendenz kultureller Unterwerfung und ist um ideologische Absicherung und Begründung bemüht. Es gibt aber auch die natürliche integrative Wirkung von geographischen Räumen oder Zonen und von kulturellen Wertegemeinschaften. Ebenso kann die Begegnung auch sehr verschiedenartiger Kulturen befruchtend auf Gemeinsamkeiten hinwirken. Dieser politische, wirtschaftliche, kulturelle und ideelle Pluralismus hat seinen Sinn gerade im Bezug auf das Ganze einer globalen Integration. Das Heraufkommen einer Weltautorität sollte daher Dienst an der Einheit dieser Welt in ihrer Mannigfaltigkeit sein. Sie kann nur mit der Integration aus der Pluralität wachsen und darf nicht organisatorisch der Menschheit aufgesetzt werden. Sie kann also nur annähernd und schrittweise erreicht werden. Sie kann weder aus einer Hegemonialpolitik erwachsen noch durch die Herrschaft einer Ideologie erreicht werden. Sie ist zutiefst Ergebnis der Einsicht in einen notwendigen Pluralismus. Der menschlichen Einsicht eröffnen sich aber auch innere Zusammenhänge, aus der individuellen und sozialen Bestimmung des menschlichen Wesens. Die Friedensfrage und damit zusammenhängend die Probleme der Lösung von internationalen Konflikten politischer wie sozialer und wirtschaftlicher Natur ist als entscheidende Integrationsfrage gestellt. Sie richtet sich an die vorhandenen und noch zu entwickelnden oder auszubauenden Integrationskräfte und -mechanismen. Die traditionelle Naturrechtslehre hat immer am Pluralismus gesellschaflicher Kräfte angeknüpft mit ihrem Solidaritäts- und Gemeinwohlgedanken, daß nämlich gesellschaftliche Vielfalt auch einen natürlichen Zusammenhang aufweist, der sich föderativ und

1.3. Integrative Kräfte

5

korporativ gleichfalls auswirkt. 5 Zu diesen im Menschen angelegten Integrationskräften, ohne die legitime Pluralität zu beseitigen, kommen die aus zeitgebundener Zweckmäßigkeit funktionell-rational entwickelten Organisationsformen gesellschaftlicher Kooperation. Letztere, aus Vertragswillen positiv rechtlich geschaffene Gemeinschaften, unterliegen insoweit der sittlichen Verantwortung, als sie nach Zweck und Organisationsform nicht zu rücksichtslosen egoistischen Interessenverbänden oder zu Instrumenten totalitärer Herrschaft werden dürfen, im natürlichen gesellschaftlichen Pluralismus also ihre Begrenzung haben. Dies betrifft etwa den wirtschaftlichen Interessenpluralismus - Gewerkschaften, Unternehmerverbände zum Beispiel - wie ebenso den politischen Pluralismus - zum Beispiel Parteien -und auch den kulturellen Pluralismus von Lebensformen, der besonders im Wertebereich zum Tragen kommt.

1.3. Integrative Kräfte 1.3.1. Die internationale öffentliche Meinung

Die Integrationskräfte werden besonders von der öffentlichen Meinung bestimmt, in der sich natürliche Interessen ebenso finden, wie willkürliche zentralistische oder desintegrative partikuläre Interessen den Integrationsprozeß überlagern können. So sind integrative Ideen und Vorgänge ebenso wie Hemmnisse der Integration immer auf den Prüfstand zu stellen, was hinsichtlich Ideologien und organisatorischen Mechanismen eine besondere Aufgabe kritischer öffentlicher Meinungsbildung wäre. Ganz allgemein und hinsichtlich integrativer internationaler Prozesse im besonderen erscheint daher die Medienpolitik in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung. In der Gewinnung, Verbreitung und folglich "Vermarktung" der Information haben schon rein technisch und wirtschaftlich die Industrieländer einen Vorsprung,6 wobei die staatlich weitgehend Vgl. Bd. 1,77 ff. Daraus resultiert auch kulturell neben der Medienmacht an sich eine Dominanz westlicher Kultur, insbesondere Amerika ist hier ein .Markt-Ieader". Vgl. Anthony Smith, The Geopolitics of Information, London 1980. De facto besteht ein Monopol der drei größten internationalen Nachrichtenagenturen, Associated Press, United Press International und Reuter, im weltweiten Nachrichtenfluß, denen die Entwicklungsländer nicht genügende Information über die Dritte Welt vorwerfen. Hinzu kommt die Verbreitung dieser Meldungen über Presse und Rundfunk, wobei letzterer für die Dritte Welt besonders ins Gewicht fällt. BBC und Voice of America sind hier wieder fast Monopolträger weit vor Radio Moskau oder Radio Peking. Von der UNESCO erwarten sich diese Staaten dann medienpolitische und organisatorische Maßnahmen zu ihren Gunsten, was aber ebenso Nachteile für die Informationsfreiheit mittels Staatskontrolle bedeuten würde. 5

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6

1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

kontrollierte Medienmacht in den sozialistischen Industrieländern ein eindeutiges Nachrichtenmonopol darstellt, das erst langsam Reformerscheinungen hinsichtlich freier Meinungsäußerung allenthalben zeigt. Daß der immer reicher fließende und immer kostspieligere Nachrichtenstrom an sich und zwischen den Staaten und Regionen von den Medienträgern selbst wie den Konsumenten gefiltert werden muß, ist nicht zu bestreiten. Daß dabei der Manipulation Türen offen stehen, gilt allgemein ebenso, wie es im besonderen zur Medienmacht totalitärer Systeme zählt. Letzteres erweist sich immer, wenn ein solches System mehr Meinungsfreiheit zuläßt und wenn es dann seine Vergangenheit mit allen begangenen Fälschungen aufarbeiten muß. Eine Weltinformationsordnung muß daher von der Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung und zugleich einem verantwortlichen journalistischen Ethos nach den Prinzipien der Medienethik ausgehen. Die Forderung der Entwicklungsländer nach gleichberechtigter Teilnahme am internationalen Informationsfluß7 kann aber nicht durch zentralistische und dirigistische Eingriffe politisch geschaffen werden. Es ist eine entscheidende friedenspolitische Maßnahme, die Medienpolitik nicht unter staatliche Verwaltung zu bringen, damit sie ihren völkerverbindenden und integrativen Charakter behält und bekommt. 8 Nur gemeinsam können heute die Regierungen letztlich die medialen Monopolmächte und partikulären Interesseneinflüsse auf den weltweiten Informationsprozeß im Verein mit den Konsumenten der Nachrichten und dem Ethos der Publizisten unter Kontrolle halten. Nur unter sittliche Verantwortung gestellt hat internationale Kommunikation unter Staaten, Völkern und Menschen von der Nachricht bis zum touristischen Kontakt9 und allen anderen Formen von Zusammenarbeit und -leben friedensfördernden und integrativen Wert. Gerade die integrative Note dieses Zusammenkommens der Menschen und Regionen zeigt die vielfache soziale Einbettung dieser Vorgänge über die rein technische Vermittlung hinaus. lo Vgl. Jörg Becker, Massenmedien im Nord-Süd-Konflikt, Frankfurt 1985. Vgl. Paul Roth, Cuius regio - eius informatio, Graz 1984. Bemühungen von Entwicklungsländern um eine .neue Weltinformationsordnung" gehen in Richtung eines politischen Dirigismus zum Ausgleich ihres schwachen Einflusses auf die Medien und deren Berichterstattung. Damit wird aber der Nachrichtenfluß nicht objektiver, sondern nur noch mehr politisiert. Vgl. Bernd Witzmann, Völkerrechtliche Aspekte der Bemühungen um eine neue Weltinformationsordnung, München 1984. 9 Vgl. Norbert Ropers, Tourismus zwischen West und Ost: Ein Beitrag zum Frieden?, Frankfurt 1986. 10 Vgl. Michael Schmolke, Die Massenmedien im Dienste des Friedens?, in: Rudolf Weiler und Valentin Zsifkovits (Hrsg.), Unterwegs zum Frieden, Wien 1973,581-599. 1

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1.3. Integrative Kräfte

7

Die individuellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen der Entstehung von öffentlicher Meinung, die Bewertung bei Auswahl und Aufnahme von Nachrichten sind immer auch ethisch zu beurteilen. Ein Schwerpunkt sollte der Wertbezug der Nachricht auf den Frieden und seine Förderung sein und die Ausrichtung auf Dialog, Verständigung und somit auf Integration und nicht letztlich auf nationale oder klassenmäßige Interessenlagen. Es besteht die Verantwortung der Politiker im Bereich der internationalen Beziehungen im Gebrauch der Kommunikationsmittel, daß sie wahre Information bieten, nicht Desinformation, also .Nachrichten" oder Botschaften aussenden. Die Kommunikationsmittel sollten vielmehr Brücken bauen, also Kommunikation schaffen. Der größte Mißbrauch wäre es, die Medien als Waffen zu benützen. Das Gift der Lüge und Täuschung zerstört die Atmosphäre des Zusammenlebens zwischen den Völkern. Nach dem Schlagwort der .public diplomacy" sollte mittels dieser .öffentlichen Diplomatie" den Massenmedien als Organen der jeweiligen Außenpolitik eine wichtige Rolle zur Erreichung staatlicher Interessen zukommen.!! Die Diplomaten hätten aber nach allen schlechten Erfahrungen mit der einst von Lenin propagierten Abschaffung der .Geheimdiplomatie" und deren Ersatz durch die sowjetische Diplomatie allen Grund, die verantwortliche zwischenstaatliche außenpolitische Kommunikation unter aufrichtigen Fachleuten zu pflegen und die Information der Öffentlichkeit wahrhaft zu betreiben, um ihre Außenpolitik als Dienst an der Völkerverständigung zu erweisen. Dann wäre die gebührende Anteilnahme der Bevölkerung an den internationalen Beziehungen auch mit Recht zu erwarten. Die außenpolitische Berichterstattung der Journalisten steht ebenfalls angesichts der Wichtigkeit des Friedens unter einer hohen Anforderung, soll die internationale öffentliche Meinung ihre Funktion erfüllen können, die Bürger aller Staaten in die Lage zu versetzen, die Außenpolitik ihrer Regierungen und schließlich die Weltpolitik auf das Wohl der Menschheit hin zu bestimmen. Dieser Aufgabe dürfen nicht Einzelinteressen des Ehrgeizes oder materiellen Erfolgs oder ideologische Ziele vorgezogen werden. 1.3.2. Integration durch (Außen)politik

Die klassische Außenpolitik der Staaten galt der Vertretung ihrer auswärtigen Angelegenheiten. Sie ist bis heute völkerrechtlich dem Staatsoberhaupt zugeordnet, also Sache des Souveräns, der von Staat zu Staat bzw. zu den internationalen Organisationen seine Repräsentanten nach Diplomatenrecht entsendet. Die Bediensteten der Außenministerien bilden im Kern 11 Vgl. HansjÜfgen Koschwitz, Massenmedien im Zeitalter der "öffentlichen Diplomatie", in: Stimmen der Zeit, Jänner 1985, SO-6O, mit Literaturhinweisen!

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

die Bürokratie für diese Außenpolitik, die sich in immer mehr Sachbereiche zur Pflege der internationalen Beziehungen, etwa auch in Kultur oder Wirtschaft, gliedert. Hinter den klassischen diplomatischen Gebräuchen mit hoheitlichem Charakter, mit militärischem Zeremoniell, um Zeichen wechselseitiger Souveränität zu setzen, haben sich aber die internationalen Kontakte formell wie informell verdichtet und vernetzt. Immer weniger ist es Außenpolitik souveräner Einheiten, die in völlig freier Entscheidung sich vertraglich einigen oder ihre Nichteinigung feststellen. Sie unterliegen Notwendigkeiten des Miteinander über viele Staatsgrenzen hinweg bis auf globale Ebenen. Dieser Integrationsprozeß macht Außenpolitik immer mehr zur Weltinnenpolitik. Im Dialog zwischen dem europäischen Staatensystem hat sich im 19. Jahrhundert bis 1914, also bis zum Ersten Weltkrieg, die traditionelle Diplomatie zur Pflege der Beziehungen zwischen den Staaten weiterentwickelt und dazu Regeln und Prinzipien ausgebildet, um das Gleichgewicht zu erhalten. Dieses eurozentrische System ist heute durch zwei Supermächte und durch über 160 Staaten aus so verschiedenen Kulturen wie in Afrika und Asien verändert. Dies kann zu Mißverständnissen und Fehleinschätzungen zwischen den Staaten und ganzen Weltregionen trotz diplomatischer Kontakte führen. t2 Das haben zum Beispiel die Krisen zwischen Großbritannien und Argentinien um die Falklandinseln oder zwischen USA und dem Iran nach dem Sturz des Schah gezeigt. Dieser kulturellen und geographischen Expansion genügt das alte diplomatische System nicht mehr. Ebenso muß es vor allem ideell entwickelt und auch überstaatlich ergänzt werden. Die traditionellen Formen entbehren nicht gewisser moralischer Grundsätze, wenn sie auch machtpolitisch unterlaufen wurden; diese genügen aber nicht mehr und müssen ebenso vertieft und neu bedacht werden. Das Schlagwort von einer vage so genannten .neuen Diplomatie"t3 ist aber oft eher ein Ausdruck des Ungenügens oder Versagens des alten Systems als eine an die veränderten Bedingungen angepaßte Entwicklung. Viele Vorwürfe treffen auch die im Zeichen der internationalen Organisationen entstandene Bürokratie, die man der Diplomatie von heute zurechnet. Vor 12 Vgl. zu den Grenzen der klassischen Diplomatie, Adam Watson, Diplomacy: The Dialogue Between States, London 1982. 13 Ein ebenfalls unter diesem Titel erschienenes Buch von Abba Eban, vormals Außenminister von Israel, zeichnet sich jedoch durch offene Kritik der diplomatischen Fehler, insbesondere der USA und der UdSSR, nach dem Zweiten Weltkrieg aus, beziehungsweise zeigt Eban den Unterschied zwischen außenpolitischen Mythen und dem faktischen Verhalten der Staaten. Dennoch lassen sich nach Eban auch neue Entwicklungen hin auf Integration aufzeigen, zum Beispiel der europäischen Staaten, oder es zeigt sich eine Lemfähigkeit auch der Politiker der Entwicklungsländer zur realistischen Kooperation mit den Industrieländern. Vgl. Abba Eban, The New Diplomacy, London 1984.

1.3. Integrative Kräfte

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allem Ineffektivität wird diesen Apparaten vorgeworfen. Zum Teil liegt das an der politischen Schwäche der OVN. Auch die Rekrutierung des Personals stößt auf Schwierigkeiten. Hinzu kommen Mentalitätsfragen, nicht zulp.tzt bei aus Entwicklungsländern stammenden Personen. Dennoch wäre es falsch, unter Berufung auf moralische Erfordernisse nicht an das Bestehende anzuknüpfen und utopische Ansprüche an eine Diplomatie zu stellen, die losgelöst vom traditionellen Staatensystem der Welt den Frieden und die Zusammenarbeit organisierte. Solche optimistische Erwartungen würden angesichts der Realitäten des internationalen Lebens bald in Pessimismus enden. Eine geduldige realistische Betrachtung der Fehler, aber auch der Möglichkeiten der heutigen Diplomatie aus ethischer Sicht ist unsere Aufgabe. An die Supermächte werden nicht nur Vorwürfe schwerer historischer Fehler, die sie in ihrer Außenpolitik bis heute gemacht hätten, herangetragenj auch in der Wahl der Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele werden sie nicht zu Unrecht kritisiert. Aber auch kleinere Staaten, nicht zuletzt solche aus der Dritten Welt, schrecken nicht vor dem Einsatz von Subversion, von Geheimdiensten und selbst Gewalt zurück. Dabei reichen die Möglichkeiten solcher Art von Kriegführung bis zur indirekten Förderung von internationalem Rauschgifthandel. Die Mitarbeiter bei solchen Aktionen reichen in diplomatische Kreise hinein, die Verantwortung liegt aber letztlich nicht bei den Diplomaten, sondern bei den Spitzenpolitikern der Staaten, hinter denen auch gelegentlich internationale Geheimorganisationen vermutet werden. Wie andere Bereiche des Lebens sind eben auch die außenpolitischen Beziehungen der Gefahr der Unmoral und menschlichen Versagens ausgesetzt. Die Versuchungen dazu steigen mit den Möglichkeiten, wozu auch die Rechte und Privilegien gehören, die zur Erleichterung des diplomatischen Dienstes entwickelt wurden. Man denke an die diplomatische Immunität oder den Schutz diplomatischer Post vor Kontrolle. Solche Usancen bedürfen auch eines ehrenwerten Gebrauchs, der mit dem Entstehen solcher Regeln als ethische Kultur vorausgesetzt war. Die Gefahr für die .guten diplomatischen Sitten" kommt objektiv aber aus den ideologischen Zielen oder Annahmen der wechselseitig agierenden Staaten. Die Diplomatie als .Kunst" steht unter einem politischen Auftrag, der über die Regierungen der Staaten hinausgeht. So hat sich seit Lenin für die Außenpolitik der UdSSR und sozialistischer Staaten eine ideologische Legitimationstheorie entwickelt, die auf die Prinzipien des Marxismus-Leninismus und dessen Ethik zurückgreift. Außenpolitik ist danach im wesentlichen die Fortsetzung von Innenpolitik mit dem Ziel, die Menschheit in die kommunistische Gesellschaftsordnung überzuführen,14 die in einem Land, 14 Nach dem Marxistisch-leninistischen Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Georg Klaus und Manfred Buhr, Reinbek bei Hamburg 1972, Bd. 3, 855, sei .Außenpo-

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

der UdSSR, erstmals verwirklicht werden konnte. Ob dies die Perestroika, von Generalsektretär Gorbatschow in den letzten Jahren eingeleitet, verändern wird, hängt von ihrem Gelingen ab. Eine andere Frage ist es, wieweit schon bisher sowjetische Außenpolitik nicht im letzten russische Großmachtpolitik war. Jedenfalls ist die Diskussion schon heute in der UdSSR über begangene Fehler in der internationalen Politik, die Zweifel an der eigenen absoluten Friedfertigkeit auch anbringt, ein bedeutender Fortschritt. In den USA gibt es auch ideelle Rechtfertigung der eigenen Außenpolitik unter Rückgriff auf die tragenden Ideale dieses Staates bis zum ideologischen missionarischen Anspruch, die Freiheit der ganzen Welt zu garantieren und für die Menschenrechte einzutreten. Es gab aber dort immer offene Kritik und Diskussion über die Außenpolitik und die Kontrolle durch den politischen Pluralismus. Dennoch konnten ideologische Einflüsse gelegentlich auch dort massiv die Außenpolitik bestimmen oder konnte sich ein rein pragmatisches oder machtpolitisches Denken durchsetzen. Es kam aber nie zu einem Totalanspruch einer Ideologie auf die Richtigkeit des außenpolitischen Handeins der US-Administration. Jedenfalls zeigt sich auch an diesen beiden Beispielen, daß Außenpolitik durchaus mit moralischen Grundsätzen verbunden zu sehen ist und von einer allgemeinmenschlichen Ebene her sittlich überpTÜfbar ist. Umso deutlicher wird die sittliche Qualität der Außenpolitik, je mehr auch Gemeinwohlanliegen der Menschheit auf die internationale Zusammenarbeit der Staaten verwiesen sind. Die Entwicklungspolitik ist ein besonders markantes Aufgabengebiet der internationalen Wohlfahrtspolitik. 15 Mit einer Anpassung des Privatrechts der Staaten wäre aber zwischen den entwickelten Industriestaaten heute keineswegs mehr das Auslangen zu finden. Neben der traditionellen Sicherheitspolitik einschließlich der Pflege der .inneren Sicherheit" sind die mit der Wohlfahrtsfunktion des Staates zusammenhängenden Bereiche wie die Sozial-, die Wirtschafts-, die Kultur- und Bildungspolitik, die Umwelt-, die Gesundheitspolitik, um wichtige Staatsaufgaben anzusprechen, immer mehr in die internationale Verflechtung hineingezogen und autarkem Denken entzogen. Damit ist Außenpolitik kein abgegrenztes Reservat mehr und ist in diesem Sinne auch Innenpolitik geworden, litik im wesentlichen die Fortsetzung der Innenpolitik",letztlich zur .Gestaltung der ... kommunistischen Gesellschaft". 15 Einen guten Überblick über Leitprinzipien und Bereiche entwicklungsorientierter Sozialpolitik und Wohlfahrtsprogramme in naher Zukunft gibt ein Dokument der OVN vom September 1987 (UNIS/Facts/108). An besonderen Bedürfnissen werden hervorgehoben: Familie; Frauenförderung; spezifische Bevölkerungsgruppen; Verbrechen und Suchtstoffmißbrauch; AIDS; Beschäftigung; Einkommenssicherung und Beseitigung der Armut; Unterkunft, Gesundheit, Ernährung und Erziehung.

1.3. Integrative Kräfte

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so daß sie keiner eigenen .Staatsräson" entspricht, sondern eben Politik ist, die an den allgemeinen Normen politischer Ethik zu messen ist. Welche ethischen Prinzipien sind nun speziell bei der Außenpolitik anzuwenden? Die besondere ethische Qualifikation liegt eigentlich nur darin, daß ihr Umfang bis zur weltweiten Gemeinwohldimension und auch die verschiedenen Ausgangslagen die Verantwortung der Staaten noch steigern oder näher bestimmen. So sind die Staaten bei der Lösung ihrer Probleme besonders auf Zusammenarbeit in eigener Einsicht mittels Interessenausgleichs angewiesen. Der Verweis auf die Problemlösungskapazität der allgemeinen, schon im 1. Band erörterten internationalen Sozialprinzipien liegt auf der Hand, zumal mangels internationaler Autorität und oft noch ungenügender positivrechtlicher Regelungen die sittliche Normativität offenkundig der faktischen hier vorangeht. Die im Bereich der internationalen Politik heute Tätigen, ob im engeren Sinn das diplomatische und konsularische Korps oder, weiter gezogen, die internationale Bürokratie oder alle für überstaatliche Fragen mitverantwortlichen Politiker, stehen unter den allgemeinen moralischen Normen, beginnend mit der Goldenen Regel. Weder der politische Auftrag einer bestimmten Regierung oder eines Gesellschaftssystems, noch die beste Absicht allein können unsittliches Handeln gerecht machen und Unwahrheiten im internationalen Leben rechtfertigen. 16 Insoferne gibt es keine eigene .Diplomatenethik", keine doppelte Moral in der Außenpolitik, sondern nur eine Anwendung und Vertiefung moralischen Denkens und moralischer Wertungen in der internationalen Politik. 17 Eine internationale politische Ethik steht allerdings vor der Herausforderung eines Interessen- und Wertepluralismus nach Kulturkreisen, nach Wert- und Weltanschauungen, auch wenn man an der Einheit eines gemeinsamen Menschheitsethos festhält. 18 Ein solches Minimum an Gemeinsamkeit ist auch einfach eine Existenzfrage für die Zukunft der Menschheit angesichts der Interdependenzen des internationalen politischen Lebens geworden. Übernational wirksame Weltanschauungen und deren internationale politische Ideen haben aber durchaus internationalen politischen Einfluß im Bereich der Grundwerte, insofern sie die politische Praxis mitbestimmen. So zeigen sich im Laufe der Geschichte der Menschheit bis heute auch in der internationalen Politik Ideen wirksam, die geeignet waren und 16 Der frühere österreichische Außenminister und spätere langjährige Bundespräsident der Republik Österreich Dr. Rudolf Kirchschläger behandelt diese Fragen unter dem Titel Ethik und Außenpolitik, in: Rudolf Weiler und Valentin Zsifkovits (Hrsg.), Unterwegs zum Frieden, Wien 1973,311-318. 17 Andrej D. Sacharow, Wie ich mir die Zukunft vorstelle, Frankfurt 1968, 261., beschreibt vier Prinzipien internationaler Politik des Näherns. 18 Vgl. Bd. 1,26 ff.

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

sind, außenpolitische Interessen und Ziele unter Wertstandpunkten zu vereinigen und zu befördern. Man kann daher durchaus in einem ethischen Grundzusammenhang von einer christlichen, islamischen, liberalen oder sozialistischen Außenpolitik sprechen. Dabei ist zwischen dem ideellen Konsens und dem internationalen organisatorischen Zusammenschluß, etwa auf parteipolitischer Ebene, zu unterscheiden. Internationalistische Wertvorstellungen müssen in ihrem Anspruch als sittlich gerechtfertigt überprüft werden, soferne sie im internationalen politischen Leben vertreten werden. So sind es die in der internationalen Politik stehenden Persönlichkeiten, die ihr Wirken in der Außenpolitik von Staaten unter einer gemeinsamen Idee verstanden wissen wollen. In der Geschichte Europas, die vom christlichen politischen Denken vielfach geprägt ist, kam es immer wieder zur Verbindung von christlichen Motiven und von reiner Interessen- oder Realpolitik im Sinne Max Webers bei der Gestaltung der internationalen Beziehungen mit nichtchristlichen politischen Mächten. Dabei muß die ideologische Verknüpfung der realen Außenpolitik durchaus nicht unsittlichen Zielen dienen, sondern kann die Wahrung existentieller berechtigter Interessen verfolgen. So haben sich zur Zeit der Kreuzzüge die religiösen Motive zur Bewahrung des Heiligen Landes mit anderen, auch rein materiellen Zielen verbunden. Das politische Ergebnis europäischer Zusammenarbeit, insbesondere der Abwehr der islamischen Eroberungszüge, ist aber real von großer und positiver historischer Bedeutung für Europa geworden. Ähnliches kann von den Türkenkriegen später gesagt werden, auch ganz allgemein angesichts des öfteren Vordringens heidnischer Expansion aus Asien nach dem Westen. Weitere Beispiele einer solchen Ambivalenz der Folgen sind die Reconquista Spaniens und die .Christliche Seefahrt" der Portugiesen und Spanier. Was daran jeweils wirklich christlich im menschheitlichen Sinn war, ist in der Rückschau zwar nicht aus der Zeitbedingtheit herauszulösen, bekommt aber für den Gang der Geschichte nicht nur des Abendlandes allgemeine Bedeutung und Rechtfertigung. Ethisch gesehen unterliegt die kulturellweltanschauliche Wertbindung von Außenpolitik den Kriterien der Gerechtigkeit. Sie darf nicht zur Machtpolitik ausarten, sondern muß - noch dazu im Namen von hohen Werten gemacht - sittlich richtig sein, mit anderen Worten die Menschenrechte und das Völkerrecht beachten. Weltanschauliche Motivation und Inspiration können dann eine hohe Aufgabe erfüllen, zumal sie eine überstaatliche integrative Wirkung haben können. So könnte Außenpolitik aus christlicher Verantwortung zum Beispiel heute sehr positiv bewertet werden, wenn es um entwicklungspolitische Zusammenarbeit oder den europäischen Integrationsprozeß geht. Konkret zeigt sich diese Verantwortungswahrnehmung beim KSZE-Prozeß, wenn es um Religionsfreiheit oder die Gesamtheit der Menschenrechte geht, aber auch um die Verständigungsbereitschaft allgemein.

1.3. Integrative Kräfte

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Von den handelnden Personen ist in der Außenpolitik die Berufung auf eine Weltanschauung durchaus legitim und ein überprüfbarer Hinweis auf ethische Grundsätze und Werte, die dann die Diplomatie als .Kunst" auch inhaltlich sittlich bestimmen lassen. In diesem Zusammenhang sei der Hinweis auf die starke moralische Position der außenpolitischen Aktivität des Heiligen Stuhles als Repräsentanz der katholischen Kirche als ein Beispiel christlich motivierter internationaler Politik gestattet. Christliche Grundüberzeugungen müssen vor allem aber im internationalen Leben durch christliche Politiker wirksam gemacht, im Dienste des allgemeinen Menschheitsinteresses und mit gerechten Mitteln angestrebt werden. Ja, die Staatsmänner, die sich mit ihren Staaten .den Grundwerten der christlichen Kulturtradition verpflichtet" wissen, hätten nach Johannes Messner 19 sogar eine besondere Verpflichtung diesen Werten gegenüber. Die Mitwirkung des Heiligen Stuhles an Außenpolitik heute steht besonders unter moralisch-kooperativen Aspekten. 20 Dies geht aus den Aussagen des Papstes und der vatikanischen Diplomatie klar hervor, zeigt sich aber auch in konkreten Fällen. So haben Argentinien und Chile mit der Annahme der Vermittlungsmission des Papstes im Beagle-Konflikt auch christliche Versöhnungs bereitschaft signalisiert. Der chilenische Außenminister sagte bei der Beurteilung der Erfolgschancen dieser Vermittlung zu Anfang: .Es wird schwer sein, dem Papst nein zu sagen. "21 Nicht unerwähnt sollen hier auch die Initiativen des Weltkirchenrates bleiben, bei der Gestaltung der Weltordnung auf religiös-sittliche Motive und Anliegen hinzuweisen, die Das Naturrecht, Berlin 11985, 876. Die Außenpolitik der Päpste in der letzten Zeit findet eine informative Darstellung im Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. VII, hrsg. von Hubert Jedin und Konrad Repgen, Freiburg 1979. Besonders interessant ist die Behandlung des Zeitalters der Weltkriege, wo es insbesondere um die Wahrung einer Neutralität ging, um die kirchlichen Friedensinitiativen und Hilfsmaßnahmen nicht zu gefährden. Von den ca. 950.000 während des Zweiten Weltkriegs geretteten Juden verdanken siebzig bis neunzig Prozent ihr Überleben dem Vatikan (siehe a.a.O., 93), was letztlich für die vatikanische Diplomatie des Schweigens spricht! Interessant ist auch die Betonung des seelsorglichen Aspekts bei der Erörterung der Ostpolitik des Vatikans oder der Lateranverträge und des Reichskonkordats von 1933. Vgl. auch Hanno Helbling, Die Politik der Päpste, Der Vatikan im Weltgeschehen 1958-1978, Berlin 1981. Die innerkirchliche Mission der päpstlichen Nuntien als vatikanische Repräsentanten ist eine mehr die innerkatholische Diskussion betreffende Frage um die Ernennung von Bischöfen und Professoren, beziehungsweise um die Ausübung der bischöflichen Kollegialität (Bischofskonferenzen!) und den Zentralismus in Rom. Nach dem Stand von Jahresbeginn 1988 unterhält der Heilige Stuhl laut Osservatore Romano gegenwärtig diplomatische Beziehungen durch 116 Nuntiaturen zu 115 Staaten sowie bei der EG. Bei den internationalen Organisationen unterhält der Heilige Stuhl ständige Vertreter mit diplomatischem Status: bei den Vereinten Nationen in New York, Genf und Wien, bei der FAO, der UNESCO, beim Europarat, bei der OAS und bei der Welttourismusorganisation. 21 Laut FAZ vom 30. Dezember 1980. 19

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

Regierungen und Politiker davon zu informieren und zu hoffen, daß sich die christlich orientierten Kreise besonders angesprochen fühlen. In innenpolitischen, aber auch außenpolitischen Fragen geben Politiker nicht selten von ihren sittlichen Werten und Überzeugungen Kenntnis, die sie zur Grundlage ihres Handeins nehmen. Nur ein politisches Manöver und Propaganda darin zu sehen, wäre ungerecht. Ethische Fundierung der Politik ist immer wichtig und begrüßenswert. Aufgabe der politischen Öffentlichkeit wäre es aber, diese Bekenntnisse auf ihre Einhaltung ebenso wie auf ihre Richtigkeit hin stets zu überprüfen und zu kontrollieren. Der Vorrang des internationalen Gemeinwohls ist dabei ein wichtiges Kriterium bei der Kontrolle durch die Öffentlichkeit, zu der auch wieder die Instanzen zählen, die über die von der Politik reklamierten Grundsätze weltanschaulich Verantwortung tragen, also zum Beispiel die christlichen Kirchen über die Inanspruchnahme des Evangeliums oder der kirchlichen Lehre zur Rechtfertigung von Politik, hier in den internationalen Beziehungen. Angesichts der berechtigten Autonomie in den Sachentscheidungen der Politik und des Wegfalls direkter Kompetenz weltanschaulicher oder kirchlicher Kreise in der internationalen Politik kommt natürlich dem Gewissen des einzelnen Politikers, auch wenn er sich einer weltanschaulichen Gesinnungsgemeinschaft verbunden weiß, die entscheidende Bedeutung zu, die ihm keine andere Autorität namens des Sittengesetzes abnehmen kann. Für die Pflege der internationalen Moral im Bereich der Außenpolitik ist zu ihrer Objektivierung das Bemühen um allgemein anerkannte sittliche und kulturelle Werte sehr wichtig. Die Werte des Guten kommunizieren dabei mit den ästhetischen Werten. Die Einigung über international schützenswerte Kunstdenkmäler ist auch für die internationale Wertegemeinschaft und ihre Kooperation nicht zu unterschätzen. Dadurch entsteht ein vernetztes System weltumspannender Werte auf vielen Gebieten, das die internationale gegenseitige Achtung befördert. 1.3.3. Sachzwänge zur Integration Es gibt heute zahlreiche Probleme, die ohne weltweiten Verbund einfach nicht mehr lösbar sind und daher die internationale politische Integration sachlich notwendig machen. Damit ist jedes Denken in Feindbildern und Überlegenheitsstreben22 auch im politischen Verkehr unter den Staaten 22 Hegemonialstreben geht immer auf ein UrsachenbÜDdel, von kulturellem Überlegenheitsdenken bis zu wirtschaftlichem und militärischem Machtstreben zurück; aber auch historische Erfahrungen und Bedrohungsängste haben ihre Wirkung. In der Entwicklung des internationalen Staatensystems auch außerhalb Europas machen sich hegemoniale Tendenzen heute wieder erneut bedrohlich bemerkbar. Man denke zum Beispiel an China oder Indien und Pakistan. Dies ist oft auch ein Grund für die Aufrüstung in der Dritten Welt.

1.3. Integrative Kräfte

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kontraproduktiv, ja gefährlich geworden, nicht nur ein sittlich schwerer Verstoß gegen die Einheit der Menschheit und die Menschenwürde. Das wohlverstandene Eigeninteresse der Staaten spricht heute gegen politisches Hegemonialstreben. Die weltweite Bestimmung der Güter steht zwar in einer Eigentumsordnung, die zumeist nationale Zuweisungen der Güter der Erde sinnvoll erscheinen läßt, aber deren allgemeine Bestimmung für die ganze Menschheit nicht auslöscht. Beim Weltraum und beim Weltmeer, bei der Atmosphäre (Umwelt) und den Wettererscheinungen sind die Interdependenzen so ausgeprägt, daß nur ein gemeinsames Regime unter Wahrung der Allgemeinbestimmung in verschiedenem Grad jeweils in Frage kommt. Das Denken in absoluten Besitzkategorien ist vorbei. Es muß zu einem funktionellen Begriff von Souveränität und Eigentum kommen, der ein für die ganze Menschheit geltendes Besitztum an den Gemeingütern der Erde ausdrückt, verbunden mit gemeinsamer Verwaltung. Ein Zeugnis dafür ist das von Prof. Tinbergen entwickelte RIO-Projekt (Reshaping the International Order), das zugleich die self-reliance der Staaten dabei betont. Diese Sicht des Eigentums verbindet das individuelle Privateigentum mit seiner sozialen Bestimmung, die gegebenenfalls eine .Internationalisierung" von GÜtern notwendig macht. Ein zahlenmäßig durch die gewachsene Mobilität der Erdbevölkerung und durch kriegerische oder politische Konflikte und wirtschaftliche Katastrophen in der Dritten Welt gesteigertes Problem ist heute die Flüchtlingsfrage und die Sicherung des Asylrechts für eine immer noch wachsende Zahl von Menschen. Ohne internationale Zusammenarbeit und ohne politische Bemühungen um das Menschenrecht in einer freien und offenen Weltgesellschaft und ohne internationale soziale Gerechtigkeit entgegen der Marginalisierung von Großgruppen der Menschheit in äußerster wirtschaftlicher Armut ohne ausreichende Beschäftigungs- und Erwerbsmöglichkeit2 3 ist hier dauernde Abhilfe unmöglich. Das bestgemeinte Asylrecht eines einzelnen Staates ist hier überfordert; es stellt aber eine erste Ansprechstation zum Schutz der Flüchtlinge dar, da es als unverletzlich gilt. 24 Allgemein läßt sich daher der Integrationsprozeß in der Welt auf seine Gerechtigkeit dahingehend überprüfen, ob es zu einer weiteren Marginali23 Nach Angaben des Internationalen Arbeitsamtes in Genf bei der Weltkonferenz 1986 war jeder zweite Angehörige der erwerbstätigen oder erwerbsfähigen Bevölkerung der Erde ohne Arbeit! 24 Vgl. OUo Kimminich, Das Asylrecht in der BRD, in: Stimmen der Zeit, Mai 1982, 307-321; Michael J. Schultheis SJ, Flüchtlinge, in: Stimmen der Zeit, September 1987, 594-608; Johannes Müller SJ, Das Flüchtlingsproblem in seiner weltweiten Dimension, in: Stimmen der Zeit, Augustll988, 507-517; ferner besonders Österreichische Kommission .Iustitia et Pax· (Hrsg.), Die Asyl- und Flüchtlingsproblematik Österreichs in den achtziger Jahren, Wien 1985. Über das immer wiederkehrende Problem der Vertreibung ganzer Völker vgl. Oskar Golombek (Hrsg.), Die katholische Kirche und die Völker-Vertreibung, Köln 1966.

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

sierung von Menschengruppen und ganzen Staaten kommt oder nicht. Integration ist im letzten ein wertgeladener qualitativer Vorgang, der vom politischen Willen und von sozialer Gerechtigkeit gesteuert werden muß. 1.4. Über die regionale zur weltweiten Integration am Beispiel Europas 1.4.1. Europäische Einigungspolitik und die neue globale Weltordnung Für die globale Weltordnung ist heute politisch neben den von Staatsgrenzen bestimmten Völkerrechtssubjekten auch der regionale Gesichtspunkt, insbesondere nach Großregionen überstaatlich bedeutsam geworden. Eine Studie der Vereinten Nationen zählt vom ökonomischen Standpunkt aus zum Beispiel 15 Weltregionen (davon 7 für die Entwicklungsländer) auf. 25 Vor allem sicherheitspolitisch haben sich durch Bündnisse regionale Integrationen entwickelt. Friedenspolitisch sind diese eine wichtige Voraussetzung, sie müßten aber dann oft erst unter eine entscheidend andere Integrationsdynamik gestellt werden. Damit kommen in den Integrationsprozeß26 Werte und Ziele hinein, die ein ethisches Richtmaß für die integrativen faktischen Strömungen und deren Interessenrichtung ergeben. Ein ethisch primäres Richtmaß wäre die globale Verträglichkeit und Ausrichtung jeder überstaatlichen Integration. 21 Somit ist auch jedes Großmachtdenken als Triebkraft von (politischer) Integration in die Schranken gewiesen. Unübersehbar ist das Heraufkommen des Endes der Hegemonialpolitik gerade am Beispiel des europäischen Integrationsprozesses. Die nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzende westeuropäische Integration zum Zwecke des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und der Aussöhnung der Kriegsgegner war zugleich als eine Verteidigungsgemeinschaft gegenüber dem Ostblock konzipiert unter Dominanz der USA als globaler Supermacht. Mit den siebziger Jahren trat hier eine Wende ein. Inzwischen war die UdSSR zur zweiten strategischen Supermacht der Erde aufgestiegen und hatte mit den USA praktisch gleichgezogen. Zur atlantischen Allianz kam durch seine Wirtschaftsrnacht Japan als Partner nun hinzu. Das Verhältnis der USA zu Westeuropa wurde durch das wirtschaftliche Erstarken Europas unter Absehen vom Verteidigungsbündnis ebenfalls partnerschaftlich. Henry Kissinger sprach damals schon vom transatlantiWassily Leontief, The Future of the World Economy, New York 1977. Zum Integrationsbegriff vgl. Anmerkung 2. 27 Die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft sieht Konrad Seitz in eine .globale Welt" hineingestellt: .Es ist eine Welt, die einen solchen Grad von gegenseitiger Abhängigkeit erreicht hat, daß die Staaten zu einer globalen Schicksillsgemeinschaft zusammengekettet werden." Vgl. dazu: Die Europäische Gemeinschaft in einer Welt des Übergangs, in: Europa-Archiv, Folge 16/1978 (495-506), 497. 25

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1.4. Über die regionale zur weltweiten Integration am Beispiel Europas

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schen Dialog der Nationen und suchte einen weltweiten Kräfteausgleich mit der UdSSR unter Einbeziehung Chinas. Für diese weltpolitische Entwicklung hin auf das Ende isolierter Großmachtpolitik war der europäische Integrationsprozeß entscheidend. Dieser ging nämlich nicht auf ein Europa als dritte Großmacht hin, sondern zeigte sich als im letzten kooperativer und damit offener Prozeß.28 Unterstützt wird dies neuestens durch die sich ankündigende Änderung der Außenpolitik der UdSSR durch Abkehr vom internationalen Klassenkampfdogma in den internationalen Beziehungen unter Gorbatschow. Bislang war es eine oft gestellte Frage, wieweit hinter dem ideologischen Anspruch sowjetischer Außenpolitik nicht eigentlich die Tradition alter russischer Großmachtpolitik fortgeführt würde. Mit dieser Wendung im Zeichen der Perestroika scheint sich die letzte europäische Großmacht in die europäische politische Gemeinschaft einzufügen und damit den Weg von einer Supermacht zur globalen Integration einzuschlagen. 29 Mit dem Ende des Europas der absolut souveränen Nationalstaaten und der Großmächte im Geist des 19. Jahrhunderts ist nun auch das Ende der Supermächte und ihres Hegemonialstrebens gekommen und der Weg zur globalen politischen Integration geöffnet. Der Anfang müßte von Europa ausgehen, das mit dem Niedergang der Einheitsidee im späten Mittelalter in Nationalstaaten zerfallen war, die sich dann die Welt in den Zeiten der kolonialen Expansion unter dauernden Konflikten aufgeteilt hatten. Die Weltsituation hat sich nach der langen Periode der beherrschenden Rolle der europäischen Mächte und der in der Nachkriegsperiode nach 1945 unter Führung der USA herausragenden Stellung der atlantischen Welt der westlichen Industriestaaten zu einer kommenden globalen Schicksalsgemeinschaft verändert; auch wenn mit dem Aufstieg der UdSSR zur globalen Supermacht dieser Vorgang verdeckt wurde, scheint das Ende hegemonialer Großmachtpolitik heute unaufhaltsam gekommen zu sein. Damit ist eine Weltordnung nach Regionen auf kooperativer Basis im Entstehen. Europa 28 Die verschieden wirkenden Kräfte in der internationalen Politik in ihrem komplexen Verhältnis führt Karl Kaiser bei der Prognose des Verhältnisses von Amerika und Westeuropa auf die Grundlinie des Wandels zurück, die er mit zwei Polen treffend beschreibt: .Zwischen Globalisierung und nationalen Prioritäten". Vgl. dazu: Zukunftsaufgaben amerikanisch-europäischer Politik, in: Karl Kaiser und Hans-Peter Schwarz (Hrsg.), Amerika und Westeuropa, Gegenwarts- und Zukunftsprobleme, Stuttgart 1977, (376-391), 376. 29 Das Interesse am europäischen Integrationsprozeß ist in Osteuropa bei den im Warschauer Vertrag stehenden kleineren Staaten immer groß gewesen. Mit dem Einsetzen der Reformpolitik in der UdSSR hat auch dort eine Dynamik auf Europa hin eingesetzt, an der auch Westeuropa nicht vorbeigehen kann. Typisch für die veränderte Situation ist eine bulgarisch-russische Gemeinschaftsproduktion eines Sammelbandes in bulgarischer Sprache: Ewropa, hrsg. von einem Redaktionsteam unter Aleksandr Lilow, Sofia 1985.

2 Weiler II

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

hat hier seine Chance als regionale Großeinheit nicht nach dem nationalstaatlichen Prinzip, sondern eben als Gemeinschaft. Der Ausdruck de Gaulles' vom .Europa der Vaterländer" ebenso wie die Vision einer europäischen Union von Einzelstaaten trifft die notwendige Entwicklung nicht zutreffend. Europa lebt auch in seinen Regionen, mit seinen nationalen Minderheiten und Kulturen, so daß die Integration vielschichtig und in besonderer Art vor sich gehen sollte, und nicht am .grünen Tisch" konstruiert, so daß sie zugleich weltweite Vorbildwirkung und Auswirkung hätte. Das Streben nach politischer oder ideologischer Vorherrschaft ist heute überholte Politik. Allein die weltwirtschaftliche Interdependenz spricht dagegen. Diese Überzeugung gewinnt immer mehr an Boden, wird realer wirksam, je mehr die internationale Konfrontation der Entspannungspolitik weicht. Wie zeigt sich dieses Hineinwachsen der Welt in eine globale Schicksalsgemeinschaft in Europa in der Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften im gesamteuropäischen Horizont? Die Integration der heute 12 Mitgliedstaaten der Gemeinschaft hat den entscheidenden wirtschaftlichen Schritt zum gemeinsamen Markt bereits getan. Eine gemeinsame Außenpolitik gibt es aber höchstens im Ansatz, bzw. sind zum Beispiel auf dem Gebiet der Verteidigungspolitik andere Konstruktionen oder Verbindungen zuständig wie die NATO oder die Westeuropäische Union. Die weitere Signalwirkung für das ganze Europa auf Kooperation hin ist aber gegeben. Als Handelsrnacht ist die EG heute bereits in der Welt führend. Der Sog der wirtschaftlichen Integration auf das übrige Europa ist stark, selbst auf die sozialistische Wirtschaftsgemeinschaft des RGW. Damit sind weltpolitische Interdependenzen angesprochen, die für die Welt und natürlich Europa eine große Herausforderung darstellen. Man denke nur im einzelnen an die Bewältigung der Schuldenkrise der Dritten Welt. Im großen aber ist die Solidarkraft der Weltgesellschaft und mit dieser diejenige Europas aufgerufen, die Weltregionen in eine umfassende gesellschaftliche Kooperation in Verbindung mit dem europäischen Integrationsraum zu bringen. Hier kann die EG eine beispielhafte und führende Rolle übernehmen, soferne sie diese kooperativ partnerschaftlich ausfüllt. Die Einigungskräfte Europas sind vielschichtig vom wirtschaftlichen bis zum geistig-kulturellen Erbe und sind konkret politisch verschieden wirksam. Ein starker Faktor ist immer noch das eigenstaatliche Interesse, an der Integration teilzunehmen, was auch bewirkt, daß andere von der Integration ausgeschlossen bleiben. Die Interessen und der politische Wille zur Einigung decken sich nicht mit dem geographischen Begriff vom Atlantik bis zum Ural. In der Realität hat sich der nach 1945 zunächst starke Einigungswille 30 unter den Völkern Europas abgeschwächt. Es ist mit der EG zu einer 30 Einheitsbestrebungen und Modelle für die Integration hat es in der europäischen Geschichte immer schon gegeben. Im 20. Jahrhundert waren es aber immer die

1.4. Über die regionale zur weltweiten Integration am Beispiel Europas

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Art .kleineuropäischen" Lösung gekommen. Der geistigen Verpflichtung zu Gesamteuropa und schießlich zu einer globalen Kooperation und Partnerschaft kann sich die EG nicht entziehen und damit auch nicht das übrige Europa und seine überlappenden übernationalen politischen Gemeinschaften und Organisationen, abgesehen von den faktisch wirksamen Interdependenzen. Das zuletzt von Generalsekretär M. S. Gorbatschow aus der europäischen Interessenlage der UdSSR heraus ins politische Spiel gebrachte Bild vom .gemeinsamen Haus Europa" reflektiert zu sehr noch bestimmte staatliche, nationale und ideologische Eigeninteressen des vom kleineuropäischen Integrationsprozeß abgekoppelten europäischen Ostens, besonders der sozialistischen Staaten. Die Entwicklung der EG ist nicht leicht mit dem europäischen Gesamtinteresse zu harmonisieren, auch wenn langfristig das Werden des gemeinsamen Marktes als Wirtschaftsgemeinschaft zur wirtschaftlichen Ausweitung und zum Ansatz einer gesamteuropäischen politischen Integration in weiteren Schritten .unter entsprechenden neuen Voraussetzungen" führen könnte. Sicherlich könnten überstürzte Erweiterungen des gemeinsamen Marktes heute oder ein Abgehen vom gegenwärtigen Konzept der Integration diese selbst gefährden und ihn wieder in Frage stellen. Daher ist es a la longue wichtig, den Begriff vom .gemeinsamen Haus Europa" nicht bloß auf die geographischen Grenzen hin oder auf die unter .Bewohner" gemeinten staatlichen Einheiten konzipiert zu sehen. 31 Am Beispiel Mittel- oder Zentraleuropas zeigt sich, wie wenig in diesem Europa die politische Geographie klare Grenzen ziehen kann und wie sehr ein Bündel von Beziehungen, Interessen und auch Konfrontationen das Gesamt einer Schicksalsgemeinschaft auszumachen vermag. Schon die geoZeiten eines Neuanfanges nach den großen Kriegen, die die Einheitspolitik unter Rückgriff auf verschiedene Ideen und Konzepte beflügelten, deren Ergebnisse unter dem Druck der Verhältnisse freilich hinter vielen Erwartungen zurückblieben. Churchills Rede an der Züricher Universität vom 19. September 1946 ist so ein denkwürdiges Datum aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Christlich-demokratische Politiker waren Vordenker, wie Aleide de Gasperi, Konrad Adenauer und Robert Schuman, dessen Plan (1950) - gestützt auf ein Memorandum von Jean Monnet1952 zur Gründung der Montanunion als erster supranationaler europäischer Autorität führte. 31 Auf die politischen Pläne in Vergangenheit und Zukunft zur Vereinigung Europas soll unter dieser kulturethischen Problematik nicht näher eingegangen werden, obwohl die Idee der politischen Einheit Europas eine lange Vergangenheit hat und große Autoren angezogen hat, nicht zuletzt unter dem Aspekt einer Friedensordnung, wie sie Immanuel Kant in seiner Schrift .Zum ewigen Frieden" (1795) bereits entworfen hat. 1923 erschien das Buch .Paneuropa" von Graf Coudenhove-Kalergi, das eine noch heute bestehende politische Bewegung begründete. Verschiedene Konzepte der politischen Einigung Europas, beginnend bei einem Bundesstaat, stehen den bis heute realisierten Ansätzen gegenüber. 2'

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

graphische Umgrenzung ist schwierig, so daß für die Mitte Europas auch der Ausdruck .Zwischeneuropa"32 verwendet wird. Diese .Mitte", abgegrenzt insbesondere von Ost- und Westeuropa, ist schwerer zu bestimmen als die anderen Zonen. Es ist vor allem ein Kulturraum mit vielen Völkern, die einst im Habsburger Reich eine gewisse Einheit bildeten, die auch heute über Staatsgrenzen hinweg erstaunlich lebendig geblieben ist und neue Lebenszeichen gibt. Diese Mitte erweist sich als Vermittlungskraft zur Überwindung der politischen Teilung Europas, eine Mittlerrolle, die besonders in Österreich lange Tradition aufweist. 33 Europa ist somit als ein umfassender Integrationsraum zu sehen von historisch gewachsenen gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Kräften, insbesondere also auch von geistigen Kräften eben des europäischen Menschen. Entscheidend für die zukünftige Einigung .Europas vom Atlantik bis zum Ural" ist die Einsicht in die gemeinsame geistige Verbundenheit, das gemeinsame Interesse und der politische Wille, dieses Gemeinsame auch voranzustellen und institutionell abzusichern. Damit ist der Schlüssel für den gesamteuropäischen, letztlich anzustrebenden Integrationsprozeß wie für die Bereitschaft zur globalen Partnerschaft dieses Europa der politische Wille, der aber der rechten Einsicht zu folgen hat, die neben der Erkenntnis von Notwendigkeiten und Wegen zur Einheit einer Gemeinsamkeit von Wertauffassungen bedarf. So stellt sich die Frage letztlich von der Ethik und inbesondere des näheren von der Kulturethik her nach den für die europäische Politik verbindlichen Grundwerten. 1.4.2. Die Grundwerte im europäischen IntegrationsplOzeß

Der vordergründige Ansatz für die Besinnung auf Europa in Ost und West ist die Berufung auf die Notwendigkeit des Friedens in Europa. Um die Probleme Europas zu lösen, bedarf es des Friedens als Grundregel im politischen und wirtschaftlichen Verhalten der Staaten und Interessen in Europa, also als Grundregel der Politik und der betroffenen Institutionen. Das setzt aber die Einigung über Basiswerte voraus, eine Einigung, die in der Geistes32 Der Ausdruck findet sich bei Peter Bender, Interessen in Mitteleuropa, in: Merkur, Jg. 37, 8/1983, 861-872. 33 Es sei an den österreichischen Völkerrechtler und Staatsmann Heinrich Lammasch erinnert, seine Mittlerrolle bei den Haager Friedenskonferenzen, seine Tätigkeit bei internationalen Schiedsgerichten, beziehungsweise seine Publikation .Die Rechtskraft internationaler Schiedssprüche". Sein Eintreten für die Neutralität Österreichs bereits zur Zeit des Ersten Weltkriegs ist begleitet von seiner Rechtsstudie über das .Mediationsrecht der Neutralen". Vgl. Alfred Verdroß, Heinrich Lammasch (1853-1920), in: Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht, Bd. XVII, H. 3-4/ 1967, 214-219.

1.4. Über die regionale zur weltweiten Integration am Beispiel Europas

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geschichte Europas seit den Anfängen seines Werdens (ebenso wie die Konfliktmöglichkeiten!) vorgezeichnet ist. Freiheit und Autonomie waren für die Kulturen Europas seit dem griechischen Denken entscheidende Werte, die das Bewußtsein im Abendland prägten. Im Ablauf der Geschichte, fortgesetzt vom Christentum, ist Freiheit gerade im ethischen Verständnis ein Schlüsselbegriff für die neuzeitliche Entwicklung Europas geworden, die sich um das Problem der Verkündung von objektiver und sittlich-subjektiver Freiheit wie um eine politische Schicksalsfrage dreht. 34 Um die Freiheit als politische Schicksalsfrage drehen sich im 19. Jahrhundert, wie in einem Prisma zusammengefaßt, die Bewegungen und Ideologien des Liberalismus, des Konservatismus und Kapitalismus ebenso wie des Sozialismus. Geistesgeschichtlich ging es aber auch um die Herausforderung zur Begrenzung dieser Freiheit durch nationale, soziale und technische Zwänge. Mit der politischen Expansion Europas in der Neuzeit werden dann alle diese Ideen (um den Freiheitsbegriff herum) weltweit immer mehr wirksam. War Europa in einer großen Welt klein geworden, die .Vier Freiheiten" der Atlantikcharta und die .Menschenrechte" sind nach Friedrich Heers 35 Formulierung unter anderem durch die weltweite Übernahme durch die OVN als Grundwerte als Erbe Europas an die ganze Menschheit übergegangen. Die religiöse, die ständische, die politische und die nationale Freiheit erfaßt im 20. Jahrhundert die ganze Welt. Die Erwartung des Erasmus von Rotterdam,36 Europa möge als Friedensrnacht der Welt den .Heiden" nicht Lasten auferlegen, sondern die Freiheit bringen, verwirklicht sich, wenn auch in aller Unvollkommenheit, wie es dem menschlichen Schicksal entspricht. Die Europa gemeinsamen Grundwerte - schicksalhaft für die ganze Welt geworden - sind um die menschliche Person, ihre Entwicklung und ihr Wohl in Freiheit und Gerechtigkeit zentriert. Die Werteinheit Europas allerdings war historisch immer auch in Gefahr, unter dem Wertewandel im Verein mit der sozialen Entwicklung und den entsprechenden geistigen Bewegungen und ihren Auswirkungen auf die politischen Bewegungen zu zerfallen. Man denke allein an die drei großen politischen Bewegungen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Europa und ihre Auswirkungen auf die ganze Welt, die liberale, die konservative und die sozialistische Bewegung. 37 34 Vgl. Emerich Coreth, Menschliche Freiheit im abendländischen Denken, in: Erbe und Zukunft der Europaidee, Wiener Blätter zur Friedensforschung, Sondernummer 8, April 1982, 4-13. 35 Abendland, Sonderbeitrag in: Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 1, Mannheim 91971, (57-64),64. 36 Im Dialog .Fischessen", zitiert bei Friedrich Heer, a.a.O., 59 f. 31 Sehr gut dargestellt von Walter Bussmann, Europäisches Panorama des 19. Jahrhunderts (§ 6 Politische Bewegungen), in: Walter Bussmann (Hrsg.), Europa von

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

So gegensätzlich diese Bewegungen in ihren politischen Zielen waren, so sehr scheinen sie im gemeinsamen Erbe Europas verwurzelt. Im Ergebnis nach mehr als hundert Jahren Geschichte sind sie nicht nur Sprengkraft gewesen, sondern haben sich angesichts der Realitäten dieses Kontinents in einem geistigen dynamischen Prozeß verändert und gegenseitig auch befruchtet und angepaßt. So ist auch im Erbe Europas immer die Idee und Bewegungskraft der Einheit lebendig. Freiheit und Gerechtigkeit als individuelle Werte würden ohne den solidarischen Zusammenhalt zum gesellschaftlichen Zerfall und zum Wertverlust für die menschliche Person führen. Als inhaltliche Begriffe tragen sie auch ihre Ordnung und Grenze in sich. Diese ihre .Natur" setzt sich entgegen den ideologischen Verirrungen immer wieder durch (naturam expellas furca usque tarnen recurret!). Eingeschlossen in diesen Prozeß ist die nicht zuletzt im Geist der Aufklärung erfolgte Entwicklung des ambivalenten Gedankens der Säkularisierung, die Prognose vom Ende der Religion und des Christentums ebenso wie die. Weltlichwerdung" der .irdischen Wirklichkeiten" in (recht verstandener) Autonomie 38 des Menschen einerseits und die ungebrochene kulturelle Kraft der Religion im Zeichen einer Rechristianisierung oder .Neu-Evangelisierung Europas·.39 Die von Max Weber angesprochene .Entzauberung" im Vorgang der Säkularisierung hat die Kraft des Christentums für seine traditionelle Sendung in Europa für die neuen Aufgaben vielmehr gestärkt, um dem Geist des Materialismus als alte Versuchung entgegenzuwirken. Die Verkündigung einer .nachchristlichen Welt" aber würde zum Verlust der Transzendenz des Menschen und seiner Personwürde führen. Den Gefahren durch die entfesselte Technik, daß der Mensch heute mehr kann als die Begrenztheit seines Wesens es erlaubt, steht die ethische Frage nach dem Sollen des Menschen entgegen. Auch wenn moderne ethische Strömungen vermeinen, die ethischen Fragen nicht beantworten zu können, bleiben die Antworten auf die Probleme der Umweltethik oder der Bioethik von existentieller Wichtigkeit. Die Werte des Schönen in der Kunst sind ebenso in Frage gestellt bis zur Leugnung der Sinn- und Wertfrage in der Kunst durch die Postmoderne. Der europäische Mensch wird um die Antwort nach dem Sinn der Kunst aber nicht herumkommen, soll es noch eine Gemeinschaft geben, in der ästhetische Werte ihre unentbehrliche Funktion haben und Freiheit der Kunst nicht zum inhumanen .Freisein von Kunst· wird. Wesentlich ist also auch der Französischen Revolution zu den nationalstaatlichen Bewegungen des 19. Jahrhunderts, Handbuch der europäischen Geschichte, Bd. 5, hrsg. von Theodor Schieder, Stuttgart 1982, 1-186. 38 Nach Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils, Gaudium et spes, Nr. 36. 39 Einer der in vielen Ansprachen geäußerten Leitgedanken Papst Johannes PaullI.!

1.4. Über die regionale zur weltweiten Integration am Beispiel Europas

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hier die Offenheit der Grundwerte zur Transzendenz im Sinne von Weltüberschreitung aus der Offenheit des menschlichen Wesens heraus in seiner unverfügbaren Würde. 40 Darum ist auch Einheit als Werteinheit letztlich immer eine geistige personale Leistung. Ebenso ist eine auf Personen und von Personen begründete Gemeinschaft immer eine unvollkommene Wirklichkeit und Europa nie eine perfekte Gesellschaft gewesen und wird auch nie als Idealmodell konstruierbar sein. Die integrative Kraft4 ! des geistigen Wertefeldes Europas steht heute auf dem Prüfstand der Geschichte für Europa selbst und für die Welt. Neben den Grundwert der Freiheit in einem Ordnungsverhältnis ist gleicherweise der Wert der Gerechtigkeit, in allen seinen Dimensionen, auch als sozialer Ordnungsbegriff gestellt. Mit ihm sind die Rechtsordnung, der Rechtsstaat und die Menschenrechte präsent. Gerechtigkeit steht aber im Bezug auf die umfassendere Idee einer sozialen Kultur der Solidarität und Liebe. Während die Liebe über den Bereich des Meßbaren hinausreicht, ist die Solidargemeinschaft unter Menschen noch konkret verpflichtend und bestimmbar für den gegebenen Fall sozialen Handeins. Gerade die Entwicklung einer Kultur der Solidarität ist aber für den Integrationsprozeß in Europa und gegenüber der Welt überaus bedeutsam. Diese Zusammenhänge zu wahren, ist besonders von der katholischen Kirche als traditionell übernationale, Europa verbindende Größe und von christlichen Politikern vor allem in letzter Zeit immer herausgestellt und als ihre besondere politische Aufgabe bezeichnet worden. Der belgisehe christliche Staatsmann Leo Tindemanns ist beispielhaft in seinen Reden und Artikeln seit den siebziger Jahren gleicherweise für Freiheit und Solidarität als Grundwerte in christlicher Verantwortung eingetreten. 42 Er konnte sich darin auf die Verkündigung der katholischen Kirche berufen, die immer wieder für die .wesentlichen Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit, Personwürde, Solidarität und Liebe"43 im Hinweis auf das christliche Erbe Europas eintritt. 40 Die Antwort auf die Gottesfrage ist in Europas Geschichte untrennbar mit der

Begegnung der christlichen Offenbarung mit der griechischen Philosophie verbunden und zu einem wesentlichen Ereignis der europäischen Kultur geworden. Diese Gedanken bringt Leszek Kolakowski in einem Artikel in Times Literary Supplement 1986,5671.: The worshipper's God and the philosophers' God. 4\ Vgl. Rudolf Weiler, Abendland: Integrative Kraft oder Ohnmacht einer Idee?, in: Erbe und Zukunft der Europaidee, a.a.O., 35-38. 42 Vgl. seine Ansprache vom 24. Juli 1977, Europa aus christlicher Verantwortung, L'Osservatore Romano, Deutsche Ausgabe vom 30. September 1977, 10; ferner seinen Artikel, Christen wollen Europa in Freiheit und Solidarität, in: Internationale katholische Zeitschrift, 3/1918, 199-204. 43 Aus einer Botschaft Papst Paul VI. an den Europarat, vorgetragen von Erzbischof Giovanni Benelli am 26. Jänner 1977 anläßlich der Einweihung des neuen EuropaGebäudes in Straßburg. Vgl. Jürgen Schwarz, Katholische Kirche und Europa, Mün-

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

Das Verhältnis von Religion und Staat zueinander, die Religionsfreiheit als Menschenrecht war immer schon ein Eckpfeiler in der abendländischen Tradition und Rechtsgeschichte. Von den Grundwerten europäischen Geisterlebens her leiten nicht zuletzt, angesichts der derzeit durch die politischideologischen Verhältnisse auf Westeuropa ausgerichteten Integrationspolitik, die Staaten Osteuropas ihren Anspruch auf die europäische Zusammenarbeit und die Rücksicht auf ihre Interesse ab, wobei wieder die Kirche mit einer Stimme für ganz Europa spricht. 44 Die katholische Kirche hat hier den Vorzug, daß sie ihr Gedankengut mit vielen Stimmen und auf vielen Ebenen gleichsam mit einer Stimme vortragen kann, sei es durch ihre Amtsträger im bischöflichen Rang, vom Papst und dem Heiligen Stuhl4S über die Bischofskonferenzen 46 bis zu den einzelnen Hirten,4? sei es durch die christlichen Wissenschaftler und Theologen oder durch die Laien. Immer wieder gibt es dazu aktuelle Anlässe oder Rückblicke auf historische Daten. 48 Zuletzt haben die Feier des Millenniums der Taufe Rußlands 1988 oder auch vorher schon die Feier im Gedenken an den Reformator Martin Luther (500-Jahr-Feier seiner Geburt 1983) auf die europäische christliche Ökumene hingewiesen und auf ihre Sendung, für die geistige Einheit Europas zu wirken. chen 1980, Dokument 141, Nr. 641; vgl. auch OUo B. Roegele, Kirche und Europa, Köln 1977 (Nr. 42 der Reihe Kirche und Gesellschaft, hrsg. von der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach). H Als Beispiel sei auf die Person des in Europafragen als ehemaliger Sekretär des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen besonders ausgewiesenen Erzbischofs von Ljubljana, Alois Sustar, verwiesen. Vgl. seinen Vortrag, Geistige Dimensionen EuroPds - Zeichen der Hoffnung, in: Erbe und Zukunft der Europaidee, a.a.o., 38-46. 45 Das Thema Europa nimmt seit langem in den päpstlichen Erklärungen und ebenso in der Politik des Heiligen Stuhles einen hohen Rang ein. Vgl. u. a. Kardinal Agostino Casaroli, Der Heilige Stuhl und Europa, in: Herbert Schambeck (Hrsg.), Agostino Kardinal Casaroli, Berlin 1981, 116-138. Vgl. dort auch weitere einschlägige Reden von Kardinal Agostino Casaroli! 46 Einzelne Bischofskonferenzen, gelegentlich gemeinsam unter regionalen Aspekten - wie zum Beispiel die betreffenden Konferenzen der EG-Länder zu den Wahlen für das Europäische Parlament im April 1979 (.Wahl für Europa") und im März 1984 (.Wozu Europa?") - und bisweilen gesamteuropäisch melden sich die Bischöfe auch insgesamt zu Wort, so zum Beispiel am 28. September 1980, Verantwortung der Christen für das Europa von heute und morgen. Eine Dokumentensammlung für die Zeit von 1945 bis 1979, Katholische Kirche und Europa, München 1980, hat Jürgen Schwarz herausgegeben. 47 Zahlreich und bedeutsam zum Thema Europa sind hier die Wortmeldungen des ehemaligen Erzbischofs von Wien und nunmehrigen Präsidenten von Pax Christi International, Kardinal DDr. Franz König. 48 Der: aus Polen stammende Papst Johannes Paul 11. tritt besonders im Blick auf den Osten für die Einheit Europas ein. Vgl. zum Beispiel seine Enzyklika über Cyrill und Method, Slavorum Apostoli, vom 2. Juni 1985!

1.5. Integration der Kulturen

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Die Frage bleibt, wie weit diese geistige Wertegemeinschaft Europas in die politische Realität umgesetzt werden kann und die Pflicht aus der Gerechtigkeit, Solidarität zu praktizieren in ihrer Innendimension nach Europa und in ihrer Außendimension gegenüber der übrigen Welt wahrgenommen werden kann. Diese .übrige" Welt ist mit Europa in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden, aber nicht in einer zuletzt klassenmäßigen Unter- oder Überordnung, sondern in einer partnerschaftlichen sozialen, humanen und kulturellen Interdependenz. Damit wird die europäische Integration auf der Basis ihrer Grundwerte auch zu einer Frage der Begegnung der Kulturen, der Enkulturation einerseits und kulturellen Eigenständigkeit andererseits auf dem Weg zur politischen Einigung der Menschheit. 1.5. Integration der Kulturen

In der oben zitierten Botschaft Papst Paul VI.49 wird im Zusammenhang mit der Evangelisierung der Welt als Auftrag der Kirche und des für die ganze Welt bedeutenden kulturellen Erbes Europas, zu dem die christliche Tradition wesentlich gehörte, auch von der vollen Achtung der verschiedenen Kulturen und Gesellschaftsordnungen in der Menschheit gesprochen. Gerade die Mission des Christentums für die Menschheit hat trotz seiner historischen - allerdings nicht ausschließlich, aber doch dem Schwerpunkt nach überwiegenden - Konzentration auf Europa grundsätzlich seine Offenheit für alle Kulturen festgehalten. Darum war auch unter den Bedingun~ gen der neuzeitlichen Entwicklung die Sensibilität des Christentums und der Kirche für die Begegnung der Kulturen der einen Menschheit gegeben. Zugleich hat die Kirche aber an einer wesentlichen geistig-kulturellen Klammer dieser Kulturen festgehalten. So spricht die Theologie heute im Zusammenhang mit der Evangelisierung aller Welt auch von einer Enkulturation oder einer religiösen christlichen Botschaft und Lehre in authentischer Weise in den verschiedenen Kulturen der Menschheit. Was nun für die religiösen Werte gilt, ist auch für die übrigen Werte des Menschen gegeben, daß sie sich in kulturell verschiedenen Formen zwar manifestieren oder enkulturieren, ohne aber ihre Identität zu verlieren. Dieser Vorgang ist aber auch eine menschliche Aufgabe, Chance und Wagnis, dem Erfolg oder (zumindest teilweise auch) dem Mißerfolg ausgesetzt. Die Integration der Kulturen ist in Teilen der Menschheit immer schon im Gange gewesen, soweit die Kontakte reichten. Heute ist die faktische Mischung der Kulturen in einer mobil gewordenen Menschheit mit einer globalen Öffentlichkeit, wie ein Ereignis sich überstürzend, voll im Gange. In kurzen Zeiträumen muß das geschehen, was viel Sensibilität erforderte: die 49

Siehe das unter Anmerkung 43 zitierte Dokument Nr. 641.

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

Verflechtung und Integration der Kulturen unter Wahrung ihrer Eigenarten. Zugleich aber gilt es, zwar unter einer Vielfalt von Formen als allgemeinmenschliche Werte an einer panhumanen Kulturgemeinschaft festzuhalten, sie allgemeinverständlich darzustellen und integral gelebt für alle verbindlich zu machen. 1.5.1. Integration durch Enkulturation?

Die Problematik des Zusammentreffens der Kulturen in Raum und Zeit der postindustriellen Gesellschaft heute hat zu einer wissenschaftlichen Analyse des kulturellen Lebens der Menschheit und unvermeidlich zu einer Bewertung der Kulturen und ihres Verhältnisses zueinander geführt. Der schon länger im BegriffSinstrumentarium der Kulturanthropologie und -soziologie gebräuchliche Ausdruck .Enkulturation" war ursprünglich durch den amerikanischen Ethnosoziologen M. J. Herkovits geprägt und in Zusammenhang mit Sozialisation oder Internalisierung gestellt worden. Dadurch sollte die Übernahme kultureller Normen und Wertungen im sozialen Entwicklungsprozeß eines Individuums ausgedrückt werden. Von daher kommt es zurÜbernahme dieses Begriffs für die Beschreibung interkultureller kollektiver Prozesse, zunächst im empirischen Sprachgebrauch für ganze Kulturen im Falle ihrer Begegnung. Gerade die Theologie hat sich am Beginn der achtziger Jahre, insbesondere in Fortführung der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils (Pastoralkonstitution Gaudium et spes) über die Bedeutung der Vielheit von Kulturen und Religionen, angesichts der Einheit des Christentums und seines gesellschaftlich universalen Gehalts, den Problemen der Enkulturation - oder auch Inkulturation geschrieben - zugewandt. Für sie war die Konfrontation des Christentums mit den außereuropäischen Kulturen und die Herausforderung durch eine uniforme wissenschaftlich-technische Weltzivilisation, schließlich die Frage nach dem Universalitätsanspruch der christlichen Offenbarung wie ein .Schock". 50 Enkulturation wurde zum theologischen Programm, das Christentum auf dem Hintergrund traditioneller Kultur und Religion sowohl neu zu interpretieren als auch vertieft universell zu entwickeln. Ein weiterer Anstoß dazu war der Beitrag kulturabhängiger, besonderer Theologien, die sich zuerst in Lateinamerika, dann auch in Afrika und Asien, in einem Eigenverständnis zur europäischen traditionellen Theologie entwickelten. Das Universale der christlichen Botschaft könne nicht durch eine monolithische und einheitliche Theologie ausgesagt werden, sondern nur im Licht der verschiedenen Kulturen, da das Christentum nicht in apriorischen Begriffen begründet sei, sondern in der Geschichte des Jesus von Nazareth gründe. 50

Vgl. Claude Geifre (Ed.), Theologie et choc des cultures, Paris 1984.

1.5. Integration der Kulturen

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Gerade diese religiöse Dimension des so gebrauchten Begriffs der Enkulturation entzieht sich aber im Kern sozialwissenschaftlich empirischer Betrachtung.Die Zusammenhänge von Kulturen als soziale Einheiten und Lebensformen lassen sich verschiedentlich begrifflich beschreiben und analysieren, ohne aber auf die Werteebene der kulturellen Entwicklung im Sinne von Einheit und menschlicher ethischer Bedeutsamkeit inhaltlich damit genügend eingehen zu können. Die historische Anthropologie oder Ethnographie, die Kulturgeschichte und semantische Anthropologie kann nur Zusammenhänge rekonstruieren oder Kulturgesetze konstruieren. 51 Sie kommt damit zumindest in die Nähe von Werturteilen, die dann in Thesen von Kulturimperialismus der europäischen Welteroberung oder von Kulturfaschismus münden. Die Debatte geht weiter, wem eigentlich kultureller Besitz zusteht, wenn es um Schätze geht, die irgendwo in Museen der Welt lagern, fern ihrem Fundort und Ursprung. Das moderne internationale Recht hinwieder kennt dazu Copyright und Patentanmeldung. Beispiele aus dem Rechtsbereich zeigen weiters, daß man angesichts der Kulturgüter in der Welt nicht ohne Bewertung und Klärung von Besitzrechten zum Beispiel auskommt; um große Kunstschätze, die in Museen ferner Länder verbracht wurden, geht der Streit, wessen Besitz sie eigentlich seien, wer sie besser für die Menschheit bewahren könne. Für die Gegenwart ist der Schutz des kulturellen Eigentums durch Copyright und Patente geregelt. Die Kulturgüter sind aber nicht nur wirtschaftlichen und rechtlichen Regelungen unterworfen. Sie stellen ein schützens- und achtenswertes Gut der Menschheit dar, das gerade durch Kommunikation in der Wert- und Kulturgemeinschaft der Welt seine individuelle und gesellschaftliche kulturelle Bedeutung erhält, also durch Enkulturation. 1.5.2. Enkulturation als ethischer Begriff

Der Vorgang der Begegnung von Kulturen hat seit den alten Zeiten stattgefunden, soferne nur Kommunikationsmöglichkeiten vorhanden 51 Die schöpferische Kraft der menschlichen Vernunft in der Begegnung der Kulturen übersteigt die Fähigkeit zu nur empirischer Wahrnehmung und so gearteter .realistischer" Weitsicht. Die Fähigkeit des Menschen zur universalen Kommunikation ist vielmehr Zeugnis für die Einheit menschlicher Erkenntnis und damit auch für die Erkenntnis und Wahrung universaler Prinzipien und Normen. Damit auch ist der Weg zur einheitlichen Wertgrundlegung der internationalen Politik letztlich ein demokratischer, vom Menschen ausgehender, an die öffentliche Meinungsbildung und Übereinkunft gebundener Weg zur politischen Kultur der Menschheit als Wertegerneinschaft. Vgl. Hans Köchler, Außenpolitik und Demokratie, Innsbruck 1986. Auch Vertreter empirischer Wissenschaften haben sich für den Frieden verantwortlich gewußt und hier durchaus normativ gedacht und danach gehandelt. Als Beispiel

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

waren. Das Zusammentreffen verschiedener Ethosformen führt neben der beschreibenden Wahrnehmung immer auch zu inhaltlichen Auseinandersetzungen, zu Kritik oder Anerkennung, zum Urteil über gute oder schlechte Sitten der Menschen anderer Kulturkreise. Dies kann im historischen Rückblick ebenso geschehen wie auch in gleichzeitiger Betrachtung verschiedener Kulturen. Karl Jaspers 52 zum Beispiel hat den historischen Zeitraum der schöpferischen Begegnung von Kulturen mit neuen geistigen Aufbrüchen .Achsenzeit" genannt und dafür das Beispiel der Periode zwischen 800 und 200 v. Chr. unter Verweis auf die geistigen Bewegungen in China, Indien, im Iran, in Palästina und Griechenland, von denen nach der relativ stabilen Zeit der frühen Hochkulturen die Vereinheitlichung der Welt als Geschichte ihren Ausgang genommen hätte, angeführt. Dies bedeutet auch bei der Betrachtung einer einzelnen Kultur der Menschheit, daß es besondere geistige Wendepunkte zu erkennen gilt53 , aber auch zugleich wertende Vergleiche mit anderen Kulturen und die Beobachtung gegenseitiger Beeinflussung sich nahelegen, also eine im letzten philosophische und ethische Betrachtung. Gerade die Frage nach dem Grund der Kultur wird im Vergleich der Kulturkreise, der Darstellung kulturellen Wandels und kultureller Beeinflussung zu einer philosophischen Frage, die besonders die Ethik vor die Wahrheitsfrage stellt. Es handelt sich ja um die Gründe menschlichen Verhaltens, die über die Relativität hinausreichen und nach allgemeingültigen Kriterien menschlichen kulturellen Handels in aller Bedingtheit durch Zeit, Ort und Sitte verlangen. Die Kulturphilosophie ist hier herausgefordert zur ethischen Betrachtungsweise. Für die Problematik der Enkulturation ist die Bewertung des kulturellen Fortschritts aus ethischer Sicht bedeutsam. Gibt es ein Kriterium dafür, zumal heute die Kategorie der Modernität bei der gegebenen hohen Kommunikation der Kulturen eine große Rolle spielt? Traditionelle Kulturen stehen im Aufbruch einer weltweit gewordenen postindustriellen Gesellschaft vor technischen, sozialen, ökonomischen, geistigen und politischen Umbrüchen, die von kulturellen Bewegungen bestimmt sind, die von den traditionellen Werten her kritisch beurteilt werden. Durch die entwickelten Industriegesellschaften geht heute ein Zug der VerwestIichung (Westernization), oft durch Oberflächlichkeit bestimmt und als Amerikanisierung bezeichnet. Damit meint die Kritik den Vorgang der Dominanz einer zur sei hier auf einen bedeutenden österreichischen Physiker verwiesen, Engelbert Broda. Seine ausgewählten Schriften sind unter demTitel Wissenschaft, Verantwortung, Frieden, Wien 1985, erschienen. 52 Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, München 1949, 19 ff. 53 Ein gutes Beispiel ist die Darstellung der räumlich und zeitlich weit entfernten geistigen Kulturwelt des alten China durch Benjamin I. Schwartz, The World of Thought in Ancient China, Cambridge (Mass.) 1986.

1.5. Integration der Kulturen

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Ideologie verdichteten materialistischen Lebensanschauung über höhere geistige, kulturell bedeutsame Werte. Der Postmoderne wird zurecht der Verzicht auf Sinnfragen vorgeworfen, der Verlust von moralischen Ansprüchen allgemeiner Verbindlichkeit und deren Ersatz durch subjektive relative Lustwerte. Die USA gelten durch ihre Entstehungsgeschichte als Schmelztiegel von Nationalitäten und von Kulturen. Soll dieser Prozeß nach diesem Muster sich heute gleichsam weltweit abspielen? Dagegen steht schon die Erfahrung, daß auch Amerika nicht nur ein Land unverbindlicher Werte geworden ist, es vielmehr oft sogar als Anwalt von Moral und Ethos auftritt. Entscheidend für die weltweit im Werden befindliche industrielle Gesellschaft wird aber eine zutiefst kulturelle Aufgabe sein: die Bindung der technischen Vernunft an Werte und Pflichten, an ihre menschliche Bestimmung. Hier aber kommt der Menschheit ein Bündel von kulturellen Traditionen zu Hilfe, um den einen Fixpunkt der Kultur, die Menschenwürde, zu verdeutlichen. Dazu braucht es nicht zuerst den technologischen Fortschritt. Dazu genügt in allen Lagen der Primat des menschlichen Geistes. Die Frage der Ethik, was soll der Mensch tun, ist nicht eine Frage technischer Alternativen, sondern eine nach eben diesem Menschen, aber in dieser Zeit und dieser Situation, zu der eben auch die sittlich-kulturelle Situiertheit gehört. Und diese Situiertheit ist heute im Kräfteparallelogramm der verschiedenen Kulturen gegeben. Enkulturation als ethischer Begriff will daher gar nicht aus der Situation der weltweiten Kulturbewegung das Erbe der Menschheit in eine technisch verarmte Weltkultur einmünden lassen. Es soll auch nicht der Sieg einer Kultur weltweit prognostiziert werden. Dazu ist Kultur zu tief im Menschen und seinen gesellschaftlichen Verbindungen verankert, als daß je eine kurzlebige technische oder politische Bewegung eine solche schöpferische Kraft hätte entwickeln können. Kultur ist immer dem Menschen aufgegeben und stellt ihn vor Ordnungsfragen, die ohne Wertbezug nicht lösbar sind. Die für unsere technische Zivilisation materiell so wichtige Frage geht um die Rolle der Wissenschaft. Der Ausschluß der Ethik oder der Verzicht darauf bei dieser Frage würde sie unbeantwortbar machen, weil die rechte Ordnung immer auch eine Wertentscheidung braucht und nur kulturell-sittliche Kräfte den Menschen erst schöpferisch befähigen können, diesen Entscheidungen zu folgen und diese auch im sozialen Verbund durchzusetzen. Bei den aktuell anstehenden Problemen kann nicht auf eine plötzlich kommende uniforme Weltkultur gehofft werden. Der Mensch in seiner Lebenswelt muß sich von hier aus und zuerst in seiner traditionellen Kultur stehend damit auseinandersetzen. Das kann er aber nicht isoliert, sondern wie der technische Fortschritt sich internationalisiert - nur in internationa-

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

ler Begegnung und Fortführung der verschiedenen Kulturen. Dabei kommt dem Menschen der Grundbestand an interkulturellen Wertanschauungen und sittlichen Grundhaltungen zugute. 54 Nur eine oberflächliche Betrachtung von Kennzeichen für eine globale Einheitskultur steht dem entgegen, etwa der Hinweis auf die Lebensgewohnheiten gewisser Eliten der großen Geschäftswelt. Weltweite Streuung von Konsumartikeln, Freizeitgewohnheiten, Sportdisziplinen5S, das Automobil und seine führenden Produzentenfirmen, das uniforme Bild der modernen Architektur neuer Großstädte mögen solche Statuszeichen einer .Weltrevolution der Verwestlichung" sein. 56 Dazu gehören die Instrumente moderner Wirtschaftsorganisation, deren sich so verschiedene politische Systeme wie die in Peking und Moskau heute nach westlichem Muster unter dem Druck ökonomischer Rationalität bedienen. Doch im Wechsel der Kulturen und in der Messung ihres Wertbestandes und ihrer Lebenskraft gibt es auch andere Daten als solche von Quantitäten. Immer wieder zeigt sich die schöpferische Kraft von Kulturbegegnungen und deren Wettbewerb gerade auch in Auswirkungen im technischen Bereich, die ohne vorherige geistige Begegnung und ebensolche nachfolgende Rückwirkungen nicht entstanden wären. Ein historisches Beispiel sei die christlich-islamische Begegnung in Europa während des Mittelalters - die Namen von Cordoba und Granada sollen dafür stehen. Ein gegenwärtiges Beispiel ist die Begegnung westlicher Kulturformen mit denen Ostasiens. Gerade die Pluralität der Kulturen ist oft sehr fruchtbar. Wichtig ist nur die ethische Grundhaltung des Respekts vor kulturellen Formen und die Wertsicht für andere Ethosformen, die Abweisung von rassistischen Vorurteilen und kolonialistischem Überlegenheitsdenken anderen Kulturen gegenüber und die eigene Lernbereitschaft. 57 Dieser sittliche Wert bezug bei aller Pluralität der Ethosformen ist eine integrative Klammer der Kulturen, die besonders mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt bedeutsam wird. 58 54 Über die Berührung von Kulturen, deren Ethosformen und sittliche Entwicklung vgl. Johannes Messner, Kulturethik, Innsbruck 1954, 355 ff. 55 Gerade die olympische Bewegung im Sport ist mehr als eine Organisation von Wettkämpfen und versteht sich auch als Boden kultureller Begegnung unter Wertansprüchen. So hat trotz der historischen Verbindung mit Griechenland der Wechsel der Austragungsorte über Kontinente seine Bedeutung. 56 Vgl. Theodore H. von Laue, The World Revolution of Westernization, London 1988. 51 Die Wichtigkeit eines Bewußtseins vom Selbstwert eigener Kultur ist national wie international sehr bedeutsam. Vgl. Hans Köchler (Hrsg.), Cultural Self-Comprehension of Nations, Tübingen 1978. Die moderne Forderung nach weltweiter AIphabetisierung und folglich weltweiter Informations- und Kommunikationsordnung (vgl. die Empfehlungen der UNESCO aus 1980) steht nicht nur unter einem technisch-politischen Aspekt, sondern unter einer grundlegenden Ordnungsaufgabe der kulturellen Förderung und Entwicklung in Partnerschaft.

1.5. Integration der Kulturen

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Die wissenschaftliche Forschung hat sich an Zielen im Dienste der Menschheit zu orientieren. Ihre Ergebnisse bedürfen der kontrollierten Umsetzung unter Abwägung der Chancen und Risiken nicht nur im globalen, sondern ebenso im spezifischen kulturellen Anwendungsbereich. So ist die kulturethische Sicht der Begegnung der Kulturen und ihre Integration, ihre Einheit und Eigenart jeweils entscheidend für die Bewertung des Fortschritts der Menschheit und eröffnet neue schöpferische Kräfte für die globale Zukunft.

1.5.3. Integration der Kulturen in christlicher Sicht Für die Entwicklung der technisch-westlichen Kultur wird auf deren abendländisch-christliche Wurzel und damit auf eine religiöse GrundeinsteIlung verwiesen. Damit soll nicht die christliche Religion kulturgeschichtlich privilegiert werden. Die religiöse Sonderstellung ergibt sich für die Kirche aus ihrem Offenbarungsglauben, aus dem Evangelium von Jesus Christus als Sohn Gottes. Religionsgeschichtlich, historisch betrachtet, achtet die Kirche die verschiedenen religiösen Überzeugungen jedes Menschen und also die großen Weltreligionen und ihre Riten. Sie verwirft auch jede religiöse Diskriminierung als gegen den Geist Christi und hält an einem religiösen Erbe der Menschheit insgesamt fest. 59 Insoferne beansprucht die Kirche für sich als Religionsgemeinschaft keine andere kulturelle Sonderstellung für das Christentum gegenüber den anderen Religionen, als die für alle Menschen geltende Religionsfreiheit es verlangt. Diese von der katholischen Kirche in einer langen Geschichte über das Problem des Verhältnisses der Weltreligionen zueinander nun entwickelten Gedanken über die Religionsfreiheit und die daraus zu ziehenden Folgerun gen haben hinsichtlich der geistig-kulturellen Entwicklungen der Menschheit allgemein hohe Bedeutung für die interkulturelle Toleranz und den 58 Schon in methodologischer Sicht ist heute die wissenschaftliche technologische Forschung ein weltweites Unternehmen, das zwar in wechselseitigem Kontakt steht, jedoch nicht zentralorganisierbar ist, ausgenommen letztlich als Gesamt der individuell geübten Verantwortlichkeit in Erkenntnis und Anerkenntnis humaner Grundregeln. Vgl. den Buchbericht von Gerald Holton, Do scientists need a philosophy?, in: Times Literary Supplement 1984, 1231-1234. In Kritik der Wissenschaftstheorie des logischen Positivismus und der gegenwärtigen Post-Positivisten zeigt er unter Berufung auch auf Hilary Pretman (Philosophers and Human Understanding) die Grenzen dieser Wissenschafts theorien und die Verantwortung eben des Wissenschafters für ethische und menschliche Wertfragen. Nicht der wissenschaftliche Fortschritt stünde letztlich in Frage, sondern die Humanität der Wissenschaft! 59 Vgl. das Zweite Vatikanische Konzil (1965), Die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nicht-christlichen Religionen. Auch der Weltrat der Kirchen hat sich ähnlich zu Wort gemeldet. Vgl. H. J. Margull und S. Samartha (Hrsg.), Dialog mit anderen Religionen, Material aus der ökumenischen Bewegung, Frankfurt 1972.

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

Dialog der Kulturen. 6o Es hat doch Zeiten gegeben - und es gibt sie manchenorts in der Welt heute noch! -, wo der Umgang mit der fremden Kultur und dem fremden Menschen, so sich das Fremde nicht unterworfen hätte, die Unterdrückung oder sogar Ausrottung für den schwächeren Teil bedeutet hat. Heute ist nur an Stelle fremdartiger Religion und Kultur oft auch die andere Ideologie oder Ersatzreligion und das andere Sozialsystem oder die Deklassierung in die Armut getreten, um den Machthabern Anlaß zur Liquidation zu geben. Die Besinnung mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil auf die in allen Religionen bestehenden Wahrheitsgehalte in ihrer Lehre, ihren sittlichen Einstellungen und die soziokulturellen Werte derselben hat die Unterscheidung in den christlichen Kirchen verstärkt zwischen allgemeinmenschlichen Inhalten der christlichen Lehre und Praxis und den wechselnden kulturellen Traditionen. So ist auch in der Theologie eine Aufgliederung nach kulturellen Eigenwerten erfolgt, um das Wesen des Christentums mit der jeweils spezifischen Kultur, z. B. mit dem afrikanischen Denken6 1, dem indischen Erbe 62 oder den politischen Verhältnissen von Dritte-Welt-Ländern63 in Anpassung zu bringen. Der Fehlschlag der kulturellen Integration der chinesischen Kultur im 16. Jahrhundert, beziehungsweise der nachfolgende Ritenstreit werden als schicksalhafte Fehler tief bedauert. Hiermit entsteht ein innerkirchliches Selbstbewußtsein von der Integrationskraft des Christentums über die legitimen kulturellen Verschiedenheiten hinaus, einen wichtigen Beitrag zum Werden einer neuen Weltkultur64 zu leisten. Gerade der neu begründeten religiösen Toleranz im Christentum 60 Daß es auch früher Beispiele für einen gewaltlosen Dialog der Kulturen gegeben hat, selbst in der Zeit der blutigen Eroberung Amerikas durch die Spanier und der Unterdrückung der Einheimischen bis zum Völkermord, läßt sich belegen. Vgl. Tzvetan Todorov, Die Eroberung Amerikas, Frankfurt 1985, mit dem Hinweis auf Las Casas und sein Eintreten für die Indianer, aber auch unter Hinweis auf Gelehrte aus dem Ordensstand und ihre Studien der aztekischen Kultur. 61 V gl. den Bericht zur Entwicklung der afrikanischen Theologie von Benezet Bujo, in: Stimmen der Zeit, Juni/1986, 425-427. 62 Schon im Titel des Theologischen Journals der Jesuitenfakultät in New Delhi zum Beispiel kommt dies zum Ausdruck: Vidyajyoti (ein Begriff für geistige Erleuchtung und Leben in der indischen Tradition). 63 Die eigenständigen Leistungen der Theologie in Lateinamerika sind mit den Richtungen der Befreiungstheologie verbunden, die für die katholische Weltkirche ein Signal des Aufbruchs zu weiteren eigenen theologischen und philosophischen Leistungen aus der DrittenWelt zur Überwindung eines Eurozentrismus der traditionellen katholischen Schultheologie geworden sind. Vgl. auch: Raul Fornet-Betancourt, Nur der Widerhall der Alten Welt?, in: Stimmen der Zeit, Juni/1987, 323-329. 6~ Vgl. die von Walter Kerber herausgegebene Reihe von Veröffentlichungen zu Fragen einer neuen Weltkultur, deren erster Band, China im Wandel, München 1985, vom Chinamissionar Luis Gutheinz verfaßt ist.

1.5. Integration der Kulturen

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kommt angesichts fundamentalistischer (revolutionärer) Entwicklungen in anderen Religionen, eingebettet in Kulturen wie beim Islam in der arabischen Welt, große Bedeutung zu. Insoferne ist auch die Umsetzung des religiösen Glaubens in einer säkularistischen Gesellschaft und das Vertrauen in die Zukunftskraft religiöser Kultur ohne ideologisch-politische Verengung ein Gut des Fortschritts der Menschheit hin auf eine integrale Weltkultur. Andererseits wäre es aber für die Menschheit von großem Schaden, würde der Beitrag des Christentums und der Kirche zum kulturellen Erbe der Menschheit besonders in seinem integrativen Bestand in der interkulturellen Begegnung der heute rasch sich vereinigenden Welt, die internationale Bedeutung der kulturellen Sendung der Kirche also im speziellen, nicht gesehen und gefördert werden. 65 Kultur ist nach christlicher Überzeugung dem Menschen notwendig, wirkt vor allem auch gesellschaftlich und über die Völker in einer Pluralität von Kulturen in vielfachen Formen und in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen von den Sachgütern bis zu den rechtlichen Institutionen, von der täglichen Arbeit bis zu Wissenschaft und Kunst. Kultur steht in einem Prozeß, da der Mensch die Kultur schöpferisch weiterentwickelt, der zugleich Aufgabe ist und Normen folgt. Eine Grundnorm ist vom Menschen eben her die kulturelle Einbindung in eine Gesamtkultur und folglich in eine Grundwertordnung derselben. 66 Diese Ordnung zieht sich durch die Pluralität der Kulturen und wird aktuell umso bedeutsamer, je dichter die interkulturellen Verflechtungen in der Welt in den wichtigen Kulturbereichen werden, wo sich entsprechende Ethosformen in immer neuer Entwicklung und Anpassung herausbilden. Die Berührung der Kulturen ist dabei sowohl eine,'die auf Konstanten verweist als sie auch neue Entwicklungen fördert. So ereignen sich interkulturelle integrative Formentwicklung des Ethos und der konkreten Werteordnung im Bereich der individuellen persönlichen wie der sozialen Sittlichkeit zur Regelung der Verantwortung und Pflichten in den Gemeinschaften bis zur Völkergemeinschaft. Die gesellschaftlich kulturelle Existenz des Menschen bezieht sich dabei auf den biologischen wie ebenso den geistigen und rechtlichen Bereich, das gesellschaftliche wie das rechtliche Ethos, Solidarität, Gerechtigkeit und Friede in Freiheit. Daraus und darin ergeben sich die Aufgaben der jeweiligen sittlichen Kultur im Ausgang von kultureller pluraler Eigenart und integraler Bestimmung. Die besondere kulturelle Sendung und Begabung des Christentums aus seinem kulturellen Erbe und seinem demgemäßen Bewußtsein liegt in der 65 Über Religion, Christentum und Kultur, insbesondere auch die .westliche Kultur", vgl. besonders Johannes Messner, Kulturethik, a.a.O., 376 ff. 66 Vgl. das oben zitierte Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, die Nummern 53-62 (Die richtige Förderung des kulturellen Fortschritts). 3 Weiler 11

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1. Die internationale Gesellschaft: Pluralismus und Integration

Transzendenz und Offenhaltung der Menschen und der Menschheit zu dieser Bestimmung. Insoferne haben sich mit der kulturellen Leistung des Christentums und in Verbindung mit seinem spezifischen Erbe die humanen Grundwerte um die Menschenwürde besonders abgezeichnet und ebenso die Bestimmung der Gesellschaft auf den Menschen hin. Das sind Werte, die im gegenwärtigen Entwicklungsgang der Menschheit heute kulturell von entscheidender Bedeutung sind, für die Einheit der Menschen ebenso wie für die Vielheit, also integrativ. Diese Gestalt der einen internationalen Gesellschaft und ihre Grundkräfte sind Ausgangspunkt für die heute anstehenden entscheidenden Menschheitsprobleme, von denen die Frage des Friedens und die der internationalen sozialen Gerechtigkeit im folgenden, in ethischer Sicht noch besonders, behandelt werden sollen.

2. Die internationale Friedensordnung Die Friedenserhaltung in sicheren Grenzen gehört zu den staatspolitischen Grundzielen. Die politische Ethik sieht neben der Wohlfahrtsfunktion den Frieden nach innen und außen als eine der beiden tragenden Bestimmungen des Staates und seines Gemeinwohls. Der Friede eines Staates ist wesentlich aber abhängig von Zustand und Entwicklung der internationalen Beziehungen der Staaten untereinander. Aus ethischer Sicht ist der Friede in diesen Beziehungen das Ergebnis einer Ordnung, die sich nicht auf Machtpositionen im Konzert der Staaten zurückführt, sondern auf Einsicht in Ziele und Werte der eigenen und der gemeinsamen Interessen aller Staaten, die aus Selbstbestimmung und in Gemeinwohlverwirklichung die Völkerfamilie bilden. Eine solche internationale Ordnung als Staatszweck ist politisch von den Staaten gemeinsam zu erstellen. Die internationale Politik ist aber an Grundwerte als Basis sittlicher Normen der Staatengemeinschaft insgesamt und der einzelnen Staaten zur Regelung ihrer Beziehungen untereinander gebunden. Dem analytischen Denken sind schon aus dem Überlebensinteresse der Staaten eine Ordnungsannahme, folglich ordnungspolitische Maßnahmen einsichtig. Die historischen Erfahrungen und internationalen Entwicklungen der Gegenwart geben Material für analytische Szenarien und Tendenzen, lassen sich fortschreiben in Zukunftsvisionen, die aus diesem Datenmaterial entwickelt werden können. Diese empirische Sicht verbindet sich mit Wertüberlegungen zu Krieg und Frieden von durchaus normativem Charakter. Spätestens seit das Schicksal der gesamten Menschheit auf dem Spiele steht, ist es eine notwendige Einsicht geworden, daß der Krieg als Mittel der Politik auch eine letzte Grenze hat, soll Politik noch menschliche Ziele zum Inhalt haben und also dem Menschen gemäß sein. Das eigentlich Undenkbare des die Menschheit vernichtenden totalen Krieges läßt den Menschen den Frieden als möglich nicht nur erhoffen, sondern auch als möglich erkennen. Dabei ist die an eine Idee oder materielle Gesetzmäßigkeit gebundene ideologische Prognose eines einmal kommenden Friedenszeitalters eine zu riskante und ebenso unbeweisbare Annahme, als daß sie genügende Akzeptanz finden würde. Der Friede muß hier und heute möglich sein! Der Mensch als politisches Wesen bleibt aber selbst das größte Risiko der Politik. Der Mensch und seine Politik unter der Differenz von Gut und Böse ist ebenso auch der Ausdruck der Chance, daß Friede zum obersten sozialen und sittlichen Wert in der Menschheit wird. 3'

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2. Die internationale Friedensordnung

Diese Chance ist nach einer langen Geschichte des Kriegs und der Kriegstheorien mit dem Ereignis zweier Weltkriege und dem Eintritt in ein neues Waffenzeitalter mit den Atombomben und anderen Massenvernichtungswaffen heute, vor dem Beginn des dritten nachchristlichen Jahrtausends, gegeben. Wir befinden uns in einem Transitorium, wo der Friede möglich erscheint und ebenso nötig ist und der Krieg seine theoretische Möglichkeit zwar verloren hat, dennoch praktisch jederzeit noch mangels ausreichender Friedenstheorien und -strategien passieren kann. In seiner Analyse der modernen Kriegstheorien seit Napoleon kommt der Militärhistoriker Jehuda L. Wallach zum jetzigen Zeitpunkt mit der Inbetrachtnahme des Atomkriegs unter dem Aspekt freilich nur der Abschreckung in der militärischen Theorie auch unter dieser Annahme zur Alternative: .Kernwaffenkatastrophe oder völlige Abschaffung des Krieges" und damit der .Kriegsmittel".1 Diese These ist auf der Überzeugung aufgebaut, daß sich die Menschheit am .Scheideweg" befindet, weil die Abschreckung zwangsläufig einmal zum Krieg der Selbstvernichtung der Menschheit führen würde. Diese Annahme setzt aber bereits eine anthropologisch-ethische Grundposition zumindest stillschweigend zu ihrer allgemeinen Akzeptanz voraus, wie schon im ersten Band entwickelt worden ist. 2 Insoferne stehen eben Krieg und Frieden in einem ethischen Erfahrungshorizont mit einem Ordnungsgedanken, der neben der Friedensnorm als Höchstwert auch den Frieden im politischen Ordnungsdenken realisierbar sieht. 3 Diese Möglichkeit im internationalen Leben, den Frieden zu sichern und zu fördern, gilt es näher zu untersuchen.

2.1. Die Ausgangslage: Unterwegs zum Frieden Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ist heute der Fall eingetreten, daß nach einer rationalen analytischen Betrachtung die Führung eines Krieges ab einer gewissen Eskalationsstufe jeden Sinn verloren hat. Der Krieg zwischen den beiden Supermächten scheidet wegen dieses I Kriegstheorien, Ihre Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt 1972, 388f. 2 Rudolf Weiler, Internationale Ethik, Berlin 1986, 187 ff. 3 Wie sehr die Realfaktoren der Geschichte auf Ideologien verändernd einwirken können, zeigt die Entwicklung der Kriegstheorie im Marxismus-Leninismus, der mit der Theorie der Vermeidbarkeit des Kriegs im Atomzeitalter seine Klassentheorie vom antagonistischen Kampf der Klassen bis zum Sieg des Sozialismus relativiert hat. Der oben zitierte Jehuda L. Wallach hat gezeigt, daß Lenin ein gelehriger Schüler von Clausewitz war und den Krieg als Verteidigungskrieg der fortschrittlichen Klasse sozialphilosophisch legitimiert hatte. Vgl. Die Kriegslehre von Friedrich Engels, Frankfurt 1968,57 ff.

2.1. Die Ausgangslage: Unterwegs zum Frieden

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Risikos heute als politische Option aus,· weil eine verhältnismäßige Schadensbegrenzung im offenen kriegerischen Konflikt beiderseits nicht mehr möglich ist. Politisch sinnvoll ist derzeit nur mehr auf dieser Weltebene die Zweitschlagsfähigkeit beider Seiten unter Annahme des Kriegsfalles, mit dem Ziel, den atomaren Schlag überhaupt zu verhindern. Erst unterhalb dieser Risikoschwelle können also lokale Kriege als kollektive Gewaltanwendung für politische Ziele erwogen werden. Ihre Führbarkeit erscheint dann aber vom Stand der militärischen Rüstung der Kontrahenten abzuhängen und vom Kriegsziel, damit eine Güterabwägung stattfinden kann. Das Völkerrecht kennt heute den Krieg rechtens nur im Verteidigungsfall und folglich den Besitz von Waffen zur angemessenen Selbstverteidigung der Staaten. Die entsprechende Kriegsbereitschaft gilt sogar als Zeichen des staatlichen Souveränitätsanspruches. Jedenfalls ist die Tatsache militärischer Rüstung zum Kriege im internationalen Leben kurzfristig nicht veränderbar. Es geht aber um die Umkehrung der Tendenz zum Aufrüsten, nämlich darum, mittels Rüstungskontrolle in Richtung Abrüstung voranzukommen. Der Begriff .Wettrüsten" ist heute ohnedies nur mehr auf das Verhältnis zwischen der UdSSR und den USA voll zutreffend, soferne beide Seiten nach Überlegenheit streben. Längerfristig hat sich nur die Sicherung der Fähigkeit zur gegenseitigen Zerstörung daraus ergeben. So wird dieses Wettrüsten mit dem politischen Ziel der Kriegsverhinderung gerechtfertigt. 5 Die Rüstungsanstrengungen der übrigen Staaten sind in sich begrenzt. Die Sinnhaftigkeit der Rüstungsanstrengungen hängt daher von der politischen Bewertung der Kriegsziele ab. Wenn es sich um die Verteidigungsbereitschaft nach dem Völkerrecht handelt, ist einer Rüstungsbegrenzung nichts im Wege. Die Ursache des Rüstungswettlaufs kann daher nur in der Hoffnung liegen, die Androhung des Krieges als erfolgreiches Mittel der internationalen Politik zu nützen oder die Bereitschaft dazu für innere Machtpolitik oder gegen Subversion im Inneren einzusetzen. Auch die Rüstung zum Krieg steht heute vor dem Forum der Vernunft, vor der Sinnfrage als Mittel der Politik.

2.1.1. Vom Krieg heute - der Krieg vor der Sinn/rage Unter Krieg wird gemeinhin .die Auseinandersetzung von souveränen Gemeinschaften, insbesondere den Staaten" nach dem Völkerrecht verstanden. 6 Nicht zuletzt auch durch die sozialwissenschaftliche Kriegsursachen4 Eine Risikoanalyse verfaßte Daniel Frei, Der ungewollte Atomkrieg, München 1983, zur Erforschung der kurz- und langfristigen Gefahren eines solchen. 5 Diesen Standpunkt begründet der Bericht des IISS in London vom Jahr 1985. 6 Stephan Verosta, Krieg, in: Katholisches Soziallexikon, Innsbruck 21980, 1559.

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2. Die internationale Friedensordnung

forschung und die Analyse der zahlreichen Kriege auch in jüngster Vergangenheit und in der Gegenwart1 scheinen aber Waffengewalt und Krieg heute endgültig fragwürdig geworden zu sein. Auch im (begrenzten) Krieg siegreiche Staaten kamen schon bisher bei der Bilanzierung von Kosten und Gewinn nachher selten auf das erwartete positive Ergebnis, abgesehen davon, daß bei der Erwartung eines erfolgreichen Ausgangs jedes Krieges ein Element der Ungewißheit im Spiele ist. Die Verlustbilanz eines Krieges beginnt wohl mit der Zahl der Getöteten. Die statistischen Daten sind allein in ihrer Nüchternheit erschütternd. Nach Gert Krell s haben allein in den großen Kriegen des 20. Jahrhunderts 86 Millionen Soldaten und Zivilisten den Tod gefunden. Das ist aber .nur" die Opferbilanz an Menschenleben. Es läßt sich aber auch ausrechnen, was es kostet, um einen Menschen zu töten. In heutiger Sicht können wir in absoluten Ziffern jedenfalls von einer Kostenexplosion sprechen. Nach einer Berechnung9 kostete es nach ausgewählten Epochen an US-Dollar zur Zeit Caesars pro Totem im Krieg 0,75, unter Napoleon waren es 3.000, im Ersten Weltkrieg 21.000, im Zeiten Weltkrieg schon 50.000, hingegen im Vietnamkrieg 300.000. Makaber klingt es, daß die atomare Rüstung die Tötung heute verbilligen könnte, selbst wenn man alle 5 Milliarden Menschen umbringen möchte, zumal das vielfache Arsenal dafür bereits vorhanden istPO Die Menschheit hat also die Kostendegression für ihre Tötungsmaschine erreicht, ausgenommen den Fall, die in den USA geplanten horrenden Kosten für die neue Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) werden voll umgesetzt. Die Universalgeschichte hat schon immer viel mehr der Erforschung der Kriege Aufmerksamkeit zugewendet als dem viel schwierigeren Thema, wie Kriege beendet würden.!! Daraus hat sich schon lange die Kriegsgeschichte als Spezialdisziplin!2 in Verbindung auch mit der Militärwissenschaft herausgebildet. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, nach 1945, entwickelt sich 1 Vgl. dazu mit ausführlichen Literaturhinweisen Gert Krell, Dimensionen der sozialwissenschaftlichen Kriegsursachenforschung, in: Ernst Josef Nagel (Hrsg.), Dem Krieg zuvorkommen, Christliche Friedensethik und Politik, Freiburg 1984, 97-123. 8 a.a.O., 101. 9 Laut SZF-Bulletin 41 (Febr. 1979), 13. 10 Einen Vergleich der Feuerkraft des Zweiten Weltkrieges mit heute zieht zum Beispiel Global Future Digest, zitiert in Zukunftsforschung Nr. 3/1984, 15. Sie ist von 3 auf 16.000 Megatonnen gestiegen, also fünftausendfach heute höher, als in den sechs Jahren des Zweiten Weltkrieges insgesamt an Sprengkraft eingesetzt worden war. 11 Eine neue interessante Studie von A. J. P. Taylor befaßt sich mit dem Vergleich der Beendigung des letzten Napoleonischen Krieges und der beiden Weltkriege: How Wars End, London 1985. 12 George Bruce, Lexikon der Schlachten, Graz 1984, listet zum Beispiel von Sparta bis zu den Falkland-Inseln die Schlachten nach Orten auf.

2.1. Die Ausgangslage: Unterwegs zum Frieden

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die Militärgeschichte 13 neueren Datums, die sich - neben der bloß historischen Erforschung des Heereswesens - mit den politischen Zusammenhängen und dem Wandel der Kriegsstrategien und letztlich ihren gesellschaftlichen Auswirkungen befaßt. Heute geht es bei der militärischen Geschichtsschreibung um breite Einsichten in die Erscheinungsformen und Zusammenhänge von Volk, Gesellschaft, Staat, Geistesleben, Politik, Wirtschaft und Soldatenturn im Frieden und im Krieg. U Eine Lehre der Militärgeschichte dürfte aber schon rational unbestritten belegbar sein: der beste Weg, einen Krieg erfolgreich zu beenden, ist, ihn nie begonnen zu haben! In der Sicht des Krieges im Sinne von Carl von Clausewitz, 15 die auf einem philosophischen Verständnis beruht, wird der Krieg in seinem Wesen als Akt der Gewalt zwischen zwei Gegnern im Kampf betrachtet, nämlich zu einem Zweck der Politik: den Gegner zur Erfüllung des eigenen (anderen) Willens zu zwingen. Damit ist er nur Fortführung und Durchführung der Politik, die Gewalt mit all ihrer Rüstung Mittel und Instrument der Politik. Gewalt wird hier rationalisiert und trotz der bleibenden Unabwägbarkeiten im Verlauf des Kampfes werkzeuglieh und damit politisch und wissenschaftlich kalkuliert. Damit ist ein Weg beschritten, den Krieg in Rechnung zu stellen und in einem größeren Zusammenhang zu sehen. 16 Es bedurfte dann noch der Erfahrungen zweier Weltkriege l1 und der Auswertung des technologischen Standes der Waffen von heute, daß die Zweckrationalität des Krieges als Mittel der Politik endlich als nicht mehr gegeben erkennbar wird. Diese erfahrungsbezogene, zweckrationale Infragestellung des Krieges heute stellt ein grundlegend anderes Herangehen an die Erlaubtheit des Krieges dar als es durch den Pazifismus und seine grundsätzliche Ablehnung des Krieges geschieht. 18 Der politische Realismus schließt im Gegensatz zur absolut gewaltlosen pazifistischen Position den Krieg als letzten Ausweg zunächst nicht aus. In der Tradition der bellum-iustum-Lehre, seit Augustinus auch die vorherrschende christliche Auffassung, wurde auf die realen 13 Vgl. den Beitrag von Johann Christoph Allmayer-Beck, Militärgeschichte in ihrem Verhältnis zur historischen Gesamtwissenschaft, in: Ursula von Gersdorff (Hrsg.), Geschichte und Militärgeschichte, Frankfurt 1974,177-199. 14 Zwei sehr verdienstvolle Studien seien hier genannt: William H. McNeill, The Pursuit of Power, Technology, Armed Force and Society since 1000, Chicago 1982; Maurice Pearton, The Knowledge State, 1982. Letztere Studie setzt mit der Zeit ab 1830 ein und untersucht vor allem die Zusammenhänge von Diplomatie, Krieg und Technologie. 15 Carl von Clausewitz, Vom Kriege, Bonn 18 1973. 16 Vgl. a.a.O., 213. 17 Offensichtlich haben die politischen Mächte, die die beiden Weltkriege ausgelöst haben, den Krieg, wie er sich dann wirklich abspielte, nicht gewollt. 18 Zum Pazifismus vgl. Bd. 1, 191 f.

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2. Die internationale Friedensordnung

politischen Verhältnisse Bedacht genommen. Der Krieg ist danach die erlaubte Wahl zwischen zwei Übeln, wenn das geringere Übel nach der Lehre vom "doppelten Effekt" nur zugelassen würde. Heute aber, aus eben der politischen Realität heraus, erscheinen die möglichen Kriegsfolgen immer weniger begrenzbar, droht der Krieg zur Katastrophe ohne Unterschied zu werden. Der Krieg ist nicht mehr länger ein zulässiges und erlaubtes Mittel. Zum Pazifismus entschlossene Autoren, insbesondere aus christlicher Verantwortung kommend, gewinnen daher an Boden, wenn sie das realistische Argument für erlaubte Kriegführung verwerfen. Andererseits ist unter den derzeitigen Verhältnissen der internationalen Sicherheit und Gerechtigkeit der Weltordnung die politische Durchsetzung des unbedingten sittlichen Kriegsverbots noch nicht in Sicht, das heißt, wir müßten noch weiter mit dem System gegenseitiger Abschreckung durch Krieg leben mit der Absicht, dadurch den Krieg zu verhindern. Den Pazifisten, die diese realistische Sicht ablehnen, bleibt im Moment nur das letzte Vertrauen in Gott oder die Hoffnung, daß ihre unbedingte Gewaltabsage nicht politisch mißbraucht würde. Eine realistische ethische Alternative und Argumentationsweise zur Kriegsüberwindung bleibt derzeit nur der Ausweg von der traditionellen Lehre vom bellum iustum, aber mit der vermittelnden Position, daß eine Entwicklung mit dem Ziel der wirksamen Ächtung des Krieges in Gang gesetzt wird und damit auch die Ersetzung der derzeitigen (nuklearen) Abhalte- oder Abschreckungsstrategie zur Friedenserhaltung möglich wird. Wir befinden uns in einer Grenzsituation zwischen der ethischen Argumentation angesichts der bestehenden sicherheitspolitischen Realitäten, der Friedenssicherung und der drohenden Gefahr eines totalen Krieges beim Versagen des Instruments der Abschreckung. Diese Grenzsituation wird am Beispiel zweier gleichzeitig in England erschienenen Bücher zur Kriegsethik besonders deutlich. Den Realismus der christlichen bellum-iustum-Tradition vertritt Richard Harries,19 die schlußendlich pazifistische Tradition im nuklearen Zeitalter ein von Howard Davis herausgegebener Sammelband. 20 Die pazifistische Position unterstützt auch Jenny Teichman 21 in einer Untersuchung zu Pazifismus und gerechtem Krieg, wobei allerdings hilfreich ist, daß sie in ihrer Untersuchung zwischen radikalem und realem Pazifismus unterscheidet. Letzterer verwerfe zwar auch den Krieg, aber sei nicht gegen jede Gewaltanwendung in der internationalen Politik. Dem pazifistischen Denken entspräche vielmehr doch eine Reihe von Möglichkeiten der begrenzten realen Gewaltanwendung. Damit tritt in Umrissen eine Tendenz der gegenwärtigen Entwicklung von der Kriegs- und Friedensethik hervor, die man bildlich mit .Abschied vom gerechten Krieg" bezeichnen könnte. 22 19 Christianity and War in a Nuclear Age, Oxford 1986. 20

Ethics and Defence: Power and responsibility in the nuclear age, Oxford 1986.

21 Pacifism and lust War, Oxford 1986.

2.1. Die Ausgangslage: Unterwegs zum Frieden

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Die nach der bellum-iustum-Lehre übliche Güterabwägung führt für oder gegen den Krieg jedenfalls das ethische Argument in die Diskussion konkret ein. Eine solche Güterabwägung, wie sie zuerst Carl von Clausewitz rein machtpolitisch vorsah, hat nun den Vorteil, daß sie viele analytische und sozialwissenschaftliche Elemente mit aufnimmt. Von hierher ergibt sich ein weites Argumentationsfeld, um den Krieg im gesellschaftlichen Kontext zu analysieren, schließlich aber auch normativ verbindlich als inhuman und unzweckmäßig zu entlarven. Immer mehr nämlich verwendet auch die militärische Strategie heute zur Kampfführung politische Mittel bis zur rein politisch gehandhabten Androhung von militärischer Gewalt. Das hat auch zu neuen Formen der Kriegführung selbst geführt, zum Wirtschaftskrieg,23 zum Propagandakrieg - soferne nicht bei subversiver Kriegführung 24 solche Elemente schon in früheren Zeiten bekannt waren und zum psychologischen Krieg. Der Hunger wird immer ausdrücklicher nun als. Waffe"25 eingesetzt. Ähnliches gilt zum Beispiel vom Erdöl. Ideologische Gegensätze sind ein Hauptgrund für sogenannte .kalte Kriege", zu denen aber auch meist handfestere politische Interessen hinzukommen. Am Beispiel des Ost-West-Konflikts läßt sich gut zeigen, wie zwar dem offenen Schlagabtausch gegengesteuert wird und verschiedene Interessen und Bereiche aus Konflikten herausgehalten werden können, dennoch eine ernste Drohung mit gegenseitiger Angst voreinander die Kriegsgefahr real aufrecht erhält. Gerade die ideologischen Gegensätze sind es immer wieder, die Zeiten einer Detente mit neuen Spannungen wechseln lassen. 26 Im OstW est-Konflikt ist die Menschenrechtsfrage ein solches ideologisches Dauerthema für Spannungsperioden. Im Umfeld dieser Arten von Kriegführung gibt es ein ganzes Arsenal von Kampfmitteln, 27 die - auch allein und nicht bloß als Ergänzung eines Vgl. Bd. 1, 193 ff. Sehr früh hat sich mit dieser Erscheinung Gunnar Adler-Karlsson befaßt: Western Economic Warfare 1947 - 1967, Stockholm 1968. Vgl. ferner Reinhard Rode und Hanns-D. Jacobsen (Ed.), Economic Warfare or Detente, London 1985. Eine Unterform wäre der Handelskrieg, wie er selbst unter verbündeten Staaten manchmal gehandhabt wird, zum Beispiel zwischen Japan und den USA. 24 Mit Hintergründen und zukünftiger Entwicklung der subversiven Kriegführung heute und der Beteiligung der regulären militärischen Streitkräfte (insbesondere Englands) zur Abwehr von Subversion und Aufruhr befaßt sich Frank Kitson, Im Vorfeld des Krieges, Stuttgart 1974. 25 Am Beispiel Äthiopiens schildern dies Andre Glucksmann, Thierry W olton, Silence, on tue, Paris 1986. 26 In Verbindung mit dem innerdeutschen Konflikt behandelt dieses Problem ausführlich Ernst Nolte, Der kalte Krieg in Deutschland, München 1974. 27 Vgl. Andre Beaufre, Die Revolutionierung des Kriegsbildes, Neue Formen der Gewaltanwendung, Stuttgart 1973. Der Autor führte den Begriff der indirekten Kriegsstrategie mittels politischem, diplomatischem oder wirtschaftlichem Druck 22

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2. Die internationale Friedensordnung

offenen Krieges geführt - wegen ihrer oft indirekten Gewaltanwendung ein differenziertes sittliches Urteil erfordern, aber an Bosheit auch sehr qualifiziert sein können, haben sie doch nicht nur materielle und physische direkte und indirekte Schadenswirkungen zur Folge, sondern auch langfristige Auswirkungen auf das geistige Klima in den internationalen Beziehungen. Der momentane Nutzen solcher Gewaltanwendung ist oft in einem Mißverhältnis zum Schaden in den betreffenden Völkern und den internationalen Beziehungen. Beispielsweise erreichen wirtschaftliche Sanktionen selten ihren Zweck, haben aber oft recht nachhaltige Folgen28 für alle Seiten. Die Lehren der Militärgeschichte auch aus den zahlreichen kriegerischen Konflikten seit 1945, die lokalisiert geblieben sind und nicht zum katastrophalen Gewaltausbruch zwischen den Supermächten geführt haben, sind offenkundig. Seit dem Atomzeitalter ist das politische Kalkül mit dem Krieg anders geworden. Das Kalkül mit der kriegerischen Gewalt geht immer mehr auf deren Begrenzung hin, da der Schaden den Vorteil, der zu erwarten ist, überwiegt. Selbst in den Jahren nach 1945, als die USA das Kernwaffenmonopol kurze Zeit (von 1945 bis 1949) hatten, verwendeten sie diese Waffe nicht mehr, nachdem der Krieg gegen Japan unter dem Trauma der Schläge gegen Hiroschima und Nagasaki beendet war. Das Gewissen der Welt war aufgewacht,29 auch gegenüber der Sinnhaftigkeit konventioneller Kriege. Leider hatten sich bei den vielen partikulären Kriegen seit damals die Konfliktparteien immer noch kurzfristige politische Vorteile erwartet. 30 Wir wissen allerdings nicht, wie viele Kriege aus rationaler Abwägung nicht doch schließlich unterblieben sind. Nie ganz auszuschließen wird es zudem sein, daß irrationale Kräfte und die Zuspitzung von sozialen und politischen Lagen, im Blick besonders auf Dritte-Welt-Länder, zur Kriegshysterie oder zu kriegerischen Verzweiflungsschritten führen, solange nicht überall in der Welt einigermaßen stabile politische und gerechte Verhältnisse herrschen. Als irrational können auch fundamentalistische Grundströmungen gelten, die die politische Ordnung mit intoleranten Heilsideen verbinden und mißbrauchen. Hier begegnet uns zum Beispiel die Kriegsgefahr des islamischen Fundamentalismus und seines Verständnisses vom .Heiligen Krieg", wo der Tote für die .gerechte" ein. Neben den Eigenheiten des Guerillakrieges befaßt er sich mit Studien einer Reihe von revolutionären Kriegen, Machtergreifungen und Widerstandsbewegungen. 28 Dies zeigt zum Beispiel Robin Renwick, Economic Sanctions, Harvard 1982. 29 Vgl. zum Beispiel Naomi Shohno, The Legacy of Hiroshima, Tokyo 1986. 30 Die sogenannten antikolonialistischen Befreiungskriege in der Dritten Welt könnten als Beispiel dienen oder manche Revolutionen in diesem Jahrhundert. Für beide beteiligte Seiten stellte sich jedoch im nachhinein immer die Frage. ob es nicht letztlich ohne Krieg insgesamt einen besseren Ausgang gegeben hätte.

2.1. Die Ausgangslage: Unterwegs zum Frieden

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Sache zum Märtyrer wird und sein Tod für ihn den Weg ins Paradies bedeutet. Für das rationale politische Kalkül bei der Abwägung des Krieges als politisches Mittel ist durch die Eröffnung der Möglichkeit des Ausbruchs eines totalen Krieges und den Überlegungen zu dessen Führbarkeit heute aber eine qualitative Änderung insgesamt eingetreten. Kein Krieg ist mehr ein rational verantwortbares, geeignetes Mittel der Politik. Weil aber Politik vom Menschen gemacht wird, bleibt der Friede wie der Krieg letztlich vom Menschen abhängig. Die Ächtung des Krieges ist sowohl eine Sache der Organisation der Politik wie auch der Durchsetzung der sittlichen Kräfte des Guten in der Menschheit. Die sittliche Urteilskraft der menschlichen Vernunft bedarf zur Erkenntnis der Sittennorm auch im Bereich letzter Grundsätze, vor allem in den Schlußfolgerungen daraus, der Erfahrung, auch der Erfahrung der Geschichte. 31 Die Ächtung des Krieges in der Folge des Tötungsverbotes hängt neben dem Willen zur Einsicht auch von der Erfahrung der Folgen und Risiken des Krieges ab. Diese Erfahrung ist heute um vieles tiefer geworden und läßt eben die Sinnfrage des Krieges bereits eindeutig verneinen, wenn man alle Faktoren in Betracht zieht. Damit erscheint es sehr wichtig, die Argumente aus der Analyse des Krieges und seiner Möglichkeiten und Bedingungen heraus so zu vertiefen, daß die sittliche Verurteilung jedes Krieges heute eindeutig einsehbar wird, so daß internationale Konflikte mit anderen Mitteln gelöst werden müssen. Diese Überzeugung ist die Voraussetzung für die Suche nach dem Frieden als höchstem Gut der Menschheit. Das bis heute entwickelte und angehäufte Kriegsarsenal der Menschheit, um die Tötungsmaschinerie eventuell in Gang setzen zu können, wird so zu einem Angelpunkt der Argumentation gegen den Krieg. Daher soll nun die Kriegsrüstung auf den Prüfstand der Vernunft gestellt werden. 2.1.2. Sinn und Widersinn der Kriegsrüstung Militärisches Gerüstetsein gilt immer noch als wesentliches Merkmal der Staatlichkeit. Es soll die Existenz des Staates international glaubwürdig sichern und schützen und nach innen die Gemeinwohlfunktion des Staates ermöglichen. Die Sicherheitspolitik eines Staates ist freilich heute mehr als früher von der Erreichung des Wohls seiner Bürger im Inneren abhängig. Der historischen Erfahrung nach hat aber die Rüstung der Staaten diese nie vor 31 Martin Ceadal, Thinking about Peace and War, Oxford 1987, entwickelt aus einem historisch-analytischen Herangehen an das Problem eine ideengeschichtliche Typologie des Krieges unter Einschluß sittlicher Überlegungen aus dem .common sense".

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2. Die internationale Friedensordnung

Kriegen letztlich bewahren können. Sicherheitspolitisch sollte das Produkt der Kriegsrüstung nicht nur einem Staat, sondern allen Staaten der internationalen Gemeinschaft ermöglichen, im Frieden zu leben. 32 Die derzeitige Rüstung hat aber immer noch einen Bedrohungscharakter, sie kann zur Verteidigung wie zum Angriff genützt werden, sie kann Frieden ebenso wie Krieg produzieren. Was läßt sich nun im einzelnen über die Rüstung an Argumenten sagen, um ein Urteil über die Sinnhaftigkeit von Kriegsbereitschaft fällen zu können? Über dieses militärische sicherheitspolitische Instrumentarium liegen im Rüstungsbereich die Daten ziemlich offen vor, wenn auch die Staaten ausgabemäßig manche Kosten zu verschleiern suchen. Zur besseren Kenntnis hilft neben den Geheimdiensten und ihren Angaben 33 die Inspektion durch Satellitenaufklärung. Auch die Sensibilität der öffentlichen Meinung für Rüstungsanschaffungen und -ausgaben, selbst in totalitären Staaten, ist heute gewachsen und kritischer geworden. Wie stark die internationale Verflechtung der Rüstung - neben den Abhängigkeiten von der Kooperation bei der Produktion der Güter - ist, zeigt, daß das WeUrüsten heute im entscheidenden Bedrohungsbereich zwischen zwei Paktsystemen vor sich geht, weniger zwischen den einzelnen Staaten. Das bedeutet für die kleineren und mittleren Staaten außerhalb von Bündnissen, insbesondere den Neutralen, eine deutliche Grenze für ihre Kriegsfähigkeit von der Rüstung her, selbst bei großen budgetären Anstrengungen. Für solche, die eine hohe sicherheitspolitische Kapazität aber anstreben, bedeutet es den Griff nach atomarem Gerüstetsein. Die aus allgemein zugänglichen Daten gefolgerte Analyse der Rüstungspolitik der Staaten durch das Stockholmer Friedensforschungsinstitut (SIPRI) gibt einen umfassenden und zuverlässigen Überblick über den Zeitraum seit seiner Gründung 1966, in manchen Daten bis 1945 zurück. Die weltweiten Rüstungsausgaben haben sich in absoluten Zahlen seit 1960 fast jedes Jahr gesteigert und stehen heute alles in allem bei jährlich ungefähr 1.000 Milliarden Dollar. 34 Am meisten beteiligt sind die beiden Supermächte mit nahezu 70 Prozent dieser Summe, wobei natürlich die 32 Besonders den technischen Grundlagen moderner Rüstung und ihrem Beitrag zur Sicherheit geht der Sammelband von Ulrich Albert (Hrsg.) nach: Rüstung und Sicherheit, Heidelberg 1985. 33 Die Angaben des Londoner Instituts für Strategische Studien (IISS) stützen sich teilweise auch darauf, soweit sie öffentlich zugänglich erscheinen. 34 Das SIPRI Yearbook 1986 gibt die Ziffer mit 663 120 Dollarmillionen an auf Preisbasis von 1980. Darin sind versteckte Ausgaben nicht erfaßt, besonders im Hinblick auf die Budgetzahlen der sozialistischen Staaten und auch im Hinblick auf die Gelder für Forschung und die vielen dort mitbeteiligten Einrichtungen wie Rüstungsunternehmen und Universitäten zum Beispiel in den USA. So ist diese genannte runde Summe plausibel.

2.1. Die Ausgangslage: Unterwegs zum Frieden

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geringere volkswirtschaftliche Produktivität der UdSSR die Bürde für die Bevölkerung dort deutlich erschwert. Dennoch scheint eine Grenze auch dieser beiden Staaten an Belastbarkeit heute erreicht zu sein, denn in relativen Zahlen beträgt in den USA der Anteil der Militärausgaben gemessen am Nationalprodukt etwa 6 bis 6,5 Prozent, während in den späten fünfziger Jahren dieser noch bei 9 bis 10 Prozent lag. Die USA müssen heute mit einem riesigen Budgetdefizit fertig werden, die UdSSR steht vor großen wirtschaftlichen Reformen. 35 Die Finanzierungsgrenze muß aber nicht notwendig den technologischen Waffenwettlauf beenden. Insbesondere die Umschichtung der Ausgaben in der Forschung und Waffenentwicklung kann sich hier für ein rasches Weiterdrehen der Rüstungsspirale auswirken. Daten für solche bedeutende Umschichtungen liegen für die USA auch vor. Die Entwicklungsländer können insgesamt angesichts ihrer ökonomischen Krise und internationalen Verschuldung ihre Ausgaben für Rüstung kaum mehr steigern, nachdem sie seit den späten sechziger Jahren bis Anfang der achtziger Jahre hier bedeutend zugelegt hatten. Haben früher die beiden Supermächte den Weltmarkt mit ihren Waffenlieferungen zu 60 Prozent dominiert, wobei die UdSSR überproportional vertreten war, sind zuletzt neue Produzentenländer in den Markt eingestiegen, auch solche aus der Dritten Welt. Das hat den privaten und unkontrollierten internationalen Handel, mit Waffen erhöht. Es gibt viele Vergleiche, um die Ausgaben für Rüstung vorstellbar zu machen und damit ebenso die Sinnhaftigkeit dieser Kosten in Zweifel zu ziehen. Da sind die ökonomischen Kosten in Rechnung zu stellen, benötigen doch Rüstungsbetriebe weniger Arbeitsplätze. In den Rüstungsbetrieben kommt es aber auch zu hoher Kapitalkonzentration. Das alles sind negative wirtschaftliche Effekte entgegen landläufiger positiverer Annahmen. Hinzu kommen berufsethische Überlegungen, ob man seinen Lebensunterhalt aus der Mitarbeit letztlich für eine Tötungsmaschinerie beziehen soll. Die sozialen Kosten der Rüstung werden bewußt, wenn man vergleicht, daß es zwischen 25 und 30 Millionen Soldaten in der Welt gibt und nur 4 Millionen Ärzte. In Afrika kommt auf 23,4 Soldaten nur 1 Arzt! In Europa wird ein Drittel mehr für Rüstung aufgewendet als für die Gesundheit, in anderen Zonen der Erde sogar ein Mehrfaches davon. Die Militärausgaben entsprechen dem jährlichen Gesamteinkommen von 1,8 Milliarden Menschen in den ärmsten Ländern der Welt. Weniger als die Hälfte der Ausgaben eines einzigen Tages für Waffen würde reichen, um das Programm der Weltgesundheitsorganisation zur Ausrottung der Malaria zu finanzieren. Statt ein einziges Kampfflugzeug zu produzieren, könnte man um diese 35 Die näheren Angaben siehe in der Einleitung zum SIPRI Yearbook 1986, Oxford 1986, von Frank Blackaby, 3.

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2. Die internationale Friedensordnung

Mittel drei Millionen Kinder gegen die sechs häufigsten Kinderkrankheiten impfen. 36 Die gegenseitige Aufrechnung der konventionellen Rüstungspotentiale hatte bis in die achtziger Jahre solange keine destabilisierende Wirkung, als in der atomaren Abschreckung ein Patt der Supermächte nicht nur bestand, sondern Bestandteil der Sicherheitspolitik geworden war. Die technologischen Entwicklungen brachten keinen Durchbruch dieses Systems gegenseitig glaubhafter, politisch abgestützter Zerstörungskraft. Der Weg zur Vormacht einer Seite wäre ein politischer, wenn eine Seite unter dem Druck der öffentlichen Meinung von der nuklearen Kampfbereitschaft ausstiege. Das hat bereits zu einer Zeit, als sie noch nicht atomar nachgerüstet war, die UdSSR versucht, nämlich mittels der öffentlichen Weltmeinung die USA zum Verzicht auf die Atombombe zu bewegen. Sie hat es später immer wieder bei Weiterentwicklungen dieser Technologie erneut versucht. Dazu hatte sie eine besonders gegen die Atombombe aktive Friedensbewegung geschaffen. Die USA hatten sich immer mit dem Argument der Abwehr der aggressiven kommunistischen Ideologie einer (eventuell nur deklamatorischen) Absage an die Kernwaffen widersetzt. So blieb die technologisch bedingte Aufrüstungsspirale vorzüglich im nuklearen Bereich in Drehung. Ebenso letztlich an technologischen Bedingungen, verbunden mit ideologisch motiviertem Mißtrauen, scheiterte der Versuch, durch einen qualitativen Rüstungsschritt aus der nuklearen Abschreckung herauszukommen. Es war dies die Vision von US-Präsident Reagan, mittels eines im Weltall installierten Raketenabwehrsystems den atomaren Schlag vom Territorium der USA und ihrer Verbündeten abzuschirmen und dieses System dann mit der anderen Supermacht zu teilen. Damit wäre der Wettlauf um die Erstschlagsfähigkeit durch technologische Überlegenheit wegen der eigenen Unverwundbarkeit nieht mehr nötig, die andere Supermacht aber in die Position des Zweiten gedrängt, ein politischer Sieg der USA erfolgt. Inzwischen sind die Zweifel sowohl an der selbst für die USA kaum zu erwartenden Finanzierbarkeit der Strategie Defense Initiative (SOl) als besonders auch an der technischen Machbarkeit in einem genügenden Ausmaß kaum zu widerlegen. Die politische Wirkung war aus Mißtrauen in die Absichten der USA jedenfalls weitgehend negativ, wenn man von breiteren Schichten in den USA selbst und von internationalen ökonomischen Interessenten absieht. 37 36 Solche und weitere Vergleiche finden sich bei Andrew Wilson, Das Abriistungshandbuch, Hamburg 1984, 184 ff. 37 Die Diskussion um sm ist ausführlich auch vom ethischen Standpunkt beleuchtet in: Franz Furger und Ernst Joset Nagel (Hrsg.), Die Strategische Verteidigungsinitiative im Spannungsteld von Politik und Ethik, Köln 1986. Dort auch von Rudolf Weiler, Argumente gegen sm aus der Sicht des Warschauer Vertrags unter ethi-

2.1. Die Ausgangslage: Unterwegs zum Frieden

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Die scheinbare Sinnhaftigkeit der Sicherheitspolitik beruht heute folglich auf der Drohung und Gegendrohung durch militärische Rüstung in einem Ausmaß an Balance, die das beiderseitige Risiko in die Nähe zumindest des Holocaust rückt. 38 Das bedeutet, wenn es nicht zum kontrollierten technologischen Ende der HochTÜstung kommt, die laufende qualitative Steigerung, höchstens aber eine mögliche Stabilisierung oder Reduktionen im quantitativen Bereich. Rüstungskontrolle setzt aber politischen Willen zu Verhandlungen voraus mit dem Ziel von Gemeinsamkeiten trotz unterschiedlicher Interessen. Also geht es nicht ohne das ethische Argument, das aber politisch realistisch eingebracht werden muß, soll es eine Veränderung bringen. Das Drohsystem kann nicht durch neue Zerstörungskraft verändert werden, sondern nur von seiner Sinnhaftigkeit her. Das läßt sich eindrucksvoll am Rüstungswettlauf um die und mit der Atombombe in diesem Jahrhundert zeigen, der ja auch die Problematik um die Sinnhaftigkeit der ganzen KriegsTÜstung in ein neues Licht für die Menschheit gesetzt hat. Das Denken des Menschen über den Gebrauch der Nuklearenergie als Waffe hat noch der technologischen Einschätzung der Generation von gestern entsprochen. Die ganze Furchtbarkeit der Atombombe mußte und muß erst geistig verarbeitet werden, bevor die Menschheit die ersten wirklich möglichen und also erlaubten Schritte ins .zweite nukleare Zeitalter" wagen könnte. 39 Ein Vierteljahrhundert früher, als die erste Nuklearexplosion die Welt aufschreckte, wußten die Wissenschafter um die Energie, die aus der Kernspaltung frei würde. Die Technik dazu war aber erst zu entwickeln. Als es soweit war, wurde die neue Bombe auch prompt noch zu Kriegsende eingesetzt. Nun setzte aber die technische Weiterentwicklung des Verfahrens mit der Bombe ein. Ihre Form wurde handlicher, bis zur Kanonenmunition für das .Gefechtsfeld", die Vernichtungskraft durch die Wasserstoff-Bombe enorm gesteigert. Auch hier waren die USA zunächst im Vorteil. Schon 1942 befaßte sich die Forschung in den USA, insbesondere Edward Teller, mit der Möglichkeit, eine Kernspaltungsbombe, wie die von Hiroschima war, als Zünder für einen auf der Kernverschmelzung beruhenden (thermonuklearen) Sprengsatz zu verwenden, der von weit höherer Wirkung nun wäre. So ließen sich die Energien gewinnen, um Atome des Wasserstoffisotops Deuterium zu Helium zu verschmelzen. sehern Blickwinkel, 83-90. Eine ausführliche ethische Studie ist verfaßt von Ernst Josef Nagel, Die Strategische Verteidigungsinitiative als ethische Frage, Köln 1986. 38 Ein beispielsVleises Szenarium schildert die Folgen eines .begrenzten" Atomkrieges für die beiden deutschen Staaten mit einer Opferbilanz zwischen 7 und 23 Millionen! S. William Arbin, Frank von Hippel und Barbara G. Levi, Kollektiver Selbstmord? Atomkrieg in Deutschland, in: Spektrum der Wissenschaft, März 1983, 18-27. 39 Diese Metapher gebraucht der Economist vom Sept. 1, 1984, auf Seite 3 einer Beilage: Nuclear Weapons Survey.

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2. Die internationale Friedensordnung

Am 29. August 1949 zündeten die Sowjets ihre erste Atombombe, im Jänner 1950 gab Präsident Truman den Befehl, die Entwicklung der Wasserstoffbombe entschieden voranzutreiben! Die erste neue amerikanische Bombe explodierte am 1. November 1952. Drei Jahre später, Ende 1955, war auch die UdSSR soweit!40 Statt nur Bomber als Transportmittel wurden Raketen, deren Einsatz schon zu Kriegsende 1944/45 ebenfalls erprobt worden war, entwickelt. Sie waren schneller, schwerer abzufangen als Flugzeuge und konnten zwischen Kontinenten eingesetzt werden. Möglich wurde das mit immer größerer Zielgenauigkeit über weite Distanzen durch Computersteuerung. Man hatte bei der Zentrierung der Waffe auf bestimmte kleinere Gebiete sogar moralische Gründe, um die Zerstörungskraft zu .begrenzen". Collateral damage war der von den Spezialisten dafür gebrauchte Euphemismus. Es gab noch einen Vorteil für die Waffe zusätzlich zu solch .humanitären" Gedanken: bei kleinerem Gewicht war sie auch leichter zu transportieren! Nun ging man mit den militärischen Zielen unter die Erde, um sie zu "härten". Aber immer neue Methoden wurden gefunden, die Zielgenauigkeit noch im Flug für die Raketen zu heben, bis auf etwa 100 Meter Distanz. Mittels Radarbild vom Zielgebiet wird nun die Einstellung noch genauer. Dies wird auch für die Pershings genützt, die in kurzer Flugzeit ihr bis zu 1000 Kilometer entferntes Ziel genau erreichen können. In den sechziger Jahren gab es einen weiteren großen •Fortschritt" . Nicht nur kleiner wurde die Bombe und schneller ins Ziel gebracht, sie konnte .gemirvt" werden: multiple independently targetable re-entry vehicles. Mit einer Rakete abgeschossen konnten beim Wiedereintritt in die Atmosphäre die Sprengköpfe nun auseinandergehen und verschiedenen Zielen zugeleitet werden. Begonnen hatte man mit einer Dreiteilung auf ein Zielgebiet, um noch sicherer zu treffen, jetzt konnte man die Sprengköpfe mit derselben Anzahl Abschußrampen und Raketen vervielfachen. Die russische SS 18 kann 30 bis 40 Köpfe tragen; 10 sind nach dem SALT lI-Vertrag vereinbart. Damit waren auch alle Hoffnungen auf eine Abwehrwaffe, nämlich ein Anti-ballistic-missile (ABM) im Anflug der Rakete sehr erschwert. Die Möglichkeit zu einem vernichtenden Erstschlag einer Seite gewann aber an Aussicht auf Erfolg. Methoden der Täuschung wurden entwickelt, damit bei einem Angriff bestückte von nur zur Täuschung abgeschossenen Flugkörpern nicht auseinanderzukennen wären. Schließlich hat die Technologie die 40 Die Geschichte der Wasserstoffbombe ist zugleich die Geschichte zweier rivalisierender Forscher, J. Robert Oppenheimer und Edward Teller. Ersterer hatte früher auch zu den Kommunisten Kontakte unterhalten, was ihm dabei zum Vorwurf gemacht wurde, im kalten Krieg damals die Sowjets zu unterstützen, weil er die Fusionsbombe verzögert hätte. Vgl. unter Berufung auf amerikanische Quellen den Artikel in der FAZ vom 8.12.1982, 33 f, Der Weg zur Wasserstoffbombe.

2.1. Die Ausgangslage: Unterwegs zum Frieden

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Marschflugkörper so weit entwickelt, vom Ende der sechziger Jahre beginnend, bis es nun in den achtziger Jahren möglich wurde, den Radarschirm unterfliegend, relativ billig, aber sehr genau Sprengköpfe ins Ziel zu bringen. Eine andere Ebene des Wettlaufs war die Sicherung der Abschußmöglichkeiten der Atomwaffen gegen einen Angriff. Schon immer galt die Sorge der Erhaltung der Zweitschlagsfähigkeit. Vier Wege gibt es dazu: Härtung der Abschußrampe durch Silos auch gegen Kernwaffen, sie verborgen halten, anfliegende Raketen abschießen, durch Rüstungskontrollverträge wie SALTI und SALTIlden Bau der Waffen verhindern. Verbergen kann man die Raketen am besten an Bord von U-Booten; Flugzeuge sind viel leichter aufzuspüren. Die meisten Anstrengungen drehen sich jetzt um die Entwicklung von Raketenabwehrsystemen, da sich die Frage vor allem um die Erhaltung oder Verhinderung der Zweitschlagsfähigkeit dreht. Man bewegt sich hier schon in einem Raum, wo einer Annahme eine Gegenannahme folgt, der Rüstungswettlauf verselbständigt sich in Szenarien voll der Annahmen, die doch sehr reale technologische Folgen nach sich ziehen. Röntgenstrahlen und ihre Teilchen spielen ihre Rolle ebenso wie Laserstrahlen, Strahlenwaffen, orbital-gestützt, eine ungeheure Logistik um SOl (Sternenkrieg) und Kernspaltung im Weltraum sind dazu nötig. Die Ausgaben für diese Verteidigungswaffe, die aber auch in der Reihe des traditionellen Ringens um die Erstschlagsfähigkeit steht, sind gewaltig. Der Propagandakampf ist ebenfalls entbrannt. In Summe bleibt angesichts des ungebrochenen Wettlaufs der technischen Waffenentwicklung im Nuklearbereich, der sich zu perpetuieren scheint, nur die politische Verhandlungslösung, um aus dem Patt zu wirklicher Stabilität herauszukommen. Bei der konventionellen Rüstung ist es bisher nie gelungen. Unter dem Eindruck der nuklearen Bedrohung sollte es nach diesen Erfahrungen aber nun gelingen. Die Weltlage bei der militärischen konventionellen und nuklearen Rüstung ist somit vom Wettlauf der beiden Supermächte USA und Sowjetunion eindeutig bestimmt. Die Hochrüstung der beiden Staaten bestimmt auch das Klima der internationalen Beziehungen. Für beide Seiten ist nach dem derzeitigen militärischen Kräftestand ein militärischer Schlag höchst riskant. Darin liegt die momentane Stabilität, die aber nicht einfach durch eine detaillierte zahlenmäßige Aufrechnung der jeweiligen Kräfteverhältnisse und dementsprechende Paritäten erreicht werden kann. Wir leben derzeit in einer verhältnismäßig stabilen Lage durch die beiderseitige Hochrüstung. Die Frage ist, wie in dieser Lage politisch gehandelt werden kann. Die Sprache der Militärs ist einmal die der Fakten an Truppenstärken, an Rüstungsmaterial und an immer neuen technologischen Fortschritten, zum anderen die Überlegung militärisch-strategischer Konzeptionen und Optionen. 4 WeiierU

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2. Die internationale Friedensordnung

Die Sicherheitspolitik wird aber nicht das dauernde militärische Patt - Stabilität durch Parität 41 - vor Augen haben können, sondern nach besseren politischen Ausgangslagen suchen müssen. Dies geht wieder nur durch militärische Überlegenheit oder durch politische Veränderungen mit dem Ziel günstigerer militärischer Optionen. Damit stehen wir wieder beim Rüstungswettlauf als Stabilitätsfaktor für beide Seiten, als dem immer noch günstigsten Verfahren. Es scheint kein politisches Entkommen aus dem Teufelskreis des Wettrüstens der Supermächte zu geben. Ein unilateraler Ausstieg aus diesem Wettbewerb würde nicht nur die bisherigen Anstrengungen - nach der Spieltheorie sehr logisch! - fallen lassen, sondern weniger Sicherheit und mehr Abhängigkeit vom Konkurrenten bedeuten. Ein Dilemma liegt hier vor, das vor allem in den Abschreckungskapazitäten an Nuklearwaffen liegt, auf die beide Seiten - auch nach der qualitativ-technologischen Weiterentwicklung - angewiesen scheinen. Der Rüstungswettlauf läßt sich also nur vom politischen Willen her beenden, und dieser Wille bedarf der sicherheitspolitischen Absicherung. Eine solche wieder ist nur durch Kontrolle und Vertrauen erreichbar, auf dem Wege der Koordination und Kooperation. Dies sind letztlich sozialethische Kategorien, die eine solche Politik tragen müssen. Das bedeutet aber den Abschied von der militärischen Zahlenmystik und dem ebenso mystischen Glauben, mit dem technologischen Fortschritt an ein Ende der Kriegsrüstung zu kommen.

2.1.3. Das Geschäft mit den Waffen als Sinnfrage

Die Technisierung der modernen Kriegsführung hat von der Waffentechnik und der Waffenproduktion her auch in Friedenszeiten zur Entwicklung eines eigenen Wirtschaftszweiges, der Rüstungsindustrie, geführt, die auch mit vielen anderen Branchen der Wirtschaft indirekt verflochten ist. Der quantitative und qualitative Rüstungswettlauf steigert heute fortlaufend die Umsätze für das Kriegsmaterial. Diese Kosten werden durch den Ertrag an Sicherheit und der möglichen Fähigkeit zur erfolgreichen Kriegführung politisch gerechtfertigt. Dennoch ist in jedem politischen System die Möglichkeit gegeben, daß die Rüstungswirtschaft eine Eigendynamik im Aufbau und im Einsatz der Produktionskapazitäten entwickelt und ihren wirtschaftlichen Vorteil mittels Gewinnmaximierung sucht. (I Mit den Problemen von Parität und Stabilität im militärischen Kräfteverhältnis setzt sich Erhard Forndran auseinander, Abschreckung und Stabilität: Ziele und Probleme, 15-57, in: Erhard Forndran und Gert Krell (Hrsg.), Baden-Baden 1984, Kernwaffen im Ost-West-Vergleich.

2.1. Die Ausgangslage: Unterwegs zum Frieden

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Zu einem guten Teil ist die Rüstungsproduktion immer ein national geschützter Wirtschaftsbereich. Gründe der Geheimhaltung gehören dazu. Der Aufbau an Konkurrenzunternehmen ist national begrenzt, wozu noch die hohen Entwicklungs- und Kapitalkosten für Waffenproduktionen kommen. Auch die internationale Konkurrenz wird von der nationalen Produktion vielfach ferngehalten, um nicht in politische Abhängigkeit vom Ausland zu geraten. Die Rüstungslobby hat also viele Möglichkeiten, für ihre Eigeninteressen politisch zu intervenieren und sich mit militärischen Kreisen zu verbünden. Dies gilt durchaus auch in sozialistischen Planwirtschaften, wo die Preise für wirtschaftliche Güter politisch ausgehandelt werden und die Unternehmen bislang unter keinem volkswirtschaftlich errechenbaren Kostendruck stehen. Allerdings versucht man neuestens, dort auch marktwirtschaftliche Elemente verstärkt einzuführen. Angesichts der komplexen innen- und außenpolitischen Zusammenhänge ist die öffentliche Kontrolle der staatlichen Rüstungsausgaben überall sehr schwierig. Die Argumente für die Kosten der Rüstungsproduktion können daher auch oft nur Vorwand für wirtschaftliche Profitinteressen sein. Ein gutes Beispiel ist das Rüstungsprogramm in den USA zur strategischen Verteidigung (SDI), populär .Krieg der Sterne" genannt. Die politische Vorgabe an die amerikanische Öffentlichkeit ist die Verteidigungsabsicht, daß das Land gegen Atomwaffen sichergemacht würde. 42 So werden die enormen Kosten gerechtfertigt, während die technischen und politischen Einwände übergangen werden. Besonders aber erhofft man sich einen breiten technologisch-innovatorischen und wirtschaftlichen Multiplikatoreffekt im eigenen Lande, an dem auch die Verbündeten teilhaben möchten. Daß damit auch der erdnahe Kosmos entgegen seiner Bestimmung, der ganzen Menschheit zu dienen,43 für die nationale Kriegsrüstung genutzt und somit auch durch dauernde Stationierung militärischer Objekte in die Kriegführung einbezogen würde, wird zu wenig bedacht. Jedenfalls besteht die große Gefahr, daß das gewinnwirtschaftliche Kalkül von Sonderinteressen das politische Denken überdeckt, sich vom Gemeinwohl entfernt und verselbständigt. So erweist sich an Hand der einleitend beleuchteten Aspekte die Sinnfrage als die kritische Prüfung der internationalen Politik vor dem Forum des Gewissens. Immer weniger läßt sich letztlich auf Gewaltanwendung bezogenes politisches Handeln international als sinnvoll rechtfertigen. Der Friede ist als oberstes Ziel internationaler Politik heute zur Maxime geworden und 42 Das Beispiel Japans spricht dagegen, daß die Rüstungsindustrie Effekte für hochtechnische Innovationen in der Wirtschaft ausübe, die sonst nicht eintreten würden, oder für das Wirtschaftswachstum bedeutsam wären! 43 Vgl. Rudolf Weiler, Die Nutzung des Weltraums in ethischer Sicht, in: Wiener Blätter zur Friedensforschung Nr. 48/49, Nov. 1986,39-45.

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2. Die internationale Friedensordnung

entsprechend sittlicher Auftrag der internationalen Ordnungspolitik, die also letztlich Gebot der Friedensethik ist. 2.2. Frledensethik

Der Friede als Hauptinhalt und Ziel von Leben und Ordnung der Völkergemeinschaft ist der Gegenstand der Friedensethik als Wissenschaft und dieselbe ist wieder Kernstück der internationalen Ethik. 44 Die Friedensethik45 geht zwar den Ursachen des Krieges und der Konflikte in den Beziehungen der Staaten nach, um sie zu überwinden, ihr Ziel ist aber eindeutig mehr als Kriegsverhinderung, nämlich Friedensförderung. So stellt auch Johannes Messner in der ethischen Sicht der Völkergemeinschaft die Friedenssiche- . rung als hauptsächliche Ordnungsaufgabe und damit als Aufgabe des Völkerrechts, im naturrechtlich-sittlichen Sinn verstanden, heraus. 46 Erst danach spricht er vom Kriegsrecht, der Frage, wann Krieg erlaubt ist (als Verteidigungskrieg), als einem Hauptinhalt des Völkerrechts, bzw. behandelt er im Zusammenhang der Staatsfunktionen die Selbstschutzfunktion des Staates und hiermit den Verteidigungskrieg als sittliche RechtsfrageY Immer mehr tritt heute in einem •Transitorium" der Menschheit die Überwindung des Krieges als Übel in der internationalen Politik und zugleich das Gut des Friedens hervor. Zurecht bezeichnet Hans Langendörfer die Friedensethik daher als .Ethik der Friedenspolitik" , in deren Mittelpunkt die .Förderung und Sicherung des Friedensprozesses" stehe. 48 Damit geht es aber bei der Friedensethik nicht mehr nur um ein hohes Ziel, fern des tatsächlichen Verlaufs des internationalen Lebens, sondern sie muß sich dem Friedensprozeß hautnah zuwenden. Ernst-OUo Czempiel49 kritisiert die gegenwärtige Friedensforschung im Vergleich mit der .Friedenswissenschaft der Vergangenheit", daß sie eine .Strategie-Analyse im großen Stil erst gar nicht begonnen habe", also nicht systematisch und innovativ .friedensstiftende Strategien" entwickelt habe. Wäre es nicht Aufgabe der Friedensethik, durch den normativen Zusammenhang mit dem Grundwert Frieden, die analytisch-praxisnahe Betrachtung der internationalen Politik mit Strategien zur Formung des prozeßhaften internationalen Geschehens auf das Ziel der Erstellung einer internationalen Friedensordnung auszurichten? 44 45

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Vgl. Bd. 1, 20 f. Vgl. Valentin Zsifkovits, Ethik des Friedens, Linz 1987. Das Naturrecht, Berlin 11985, 683 ff. a.a.O., 880 ff. Atomare Abschreckung und kirchliche Friedensethik, Mainz 1986,201. Friedensstrategien, Paderborn 1986, 16.

2.3. Ethik der Sicherheitspolitik

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Friedensethik als Kern internationaler Ethik wird daher in die Konkretheit normativer Betrachtung der friedensrelevanten internationalen Politik hineingehen müssen. Sie wird ethische Überlegungen in die Analysen und Strategien der Sicherheits-, Verteidigungs- und Militärpolitik einbringen, in die Fragen von Rüstung und Abrüstung, von Konfliktaustragung und -regelung und in die Rechtsgrundlagen des internationalen Friedens. Für den Ethiker ergibt sich daraus die überaus schwierige Aufgabe, die Sachfragen der internationalen Politik mit den im internationalen Leben geltenden sittlichen Prinzipien zu verbinden und also Friedensgesinnung mit politischer Verantwortung bei überaus komplexen Problemen in Einklang zu bringen. Friedensethik kann allerdings das sittliche Wesen des Menschen nicht im Grunde verändern. Die Alternative zum Bösen bleibt menschliches irdisches Schicksal und damit bleibt die Kriegsgefahr. Es können aber die Bedingungen des Krieges, seine Ursachen ebenso wie seine Mittel begrenzt werden, wenn der Mensch es einsieht und will. So ist nicht die .Philosophie der Abschreckung" oder das .Evangelium der Rakete" die letzte Weisheit, wie Andre Glucksmann meint. 50 Der Friede bleibt dem Menschen als Gewissensfrage aufgegeben. Seine wirksame Sicherung ist nicht mit absoluter Sicherheit vor dem Krieg zu verwechseln. Im Arsenal der Friedensmittel befinden sich aber mehr .Waffen" als nur Raketen und daher ist die sittliche Option für den Frieden nicht die Entscheidung für .lieber rot als tot"! 2.3. Ethik der Sicherheitspolitik

Politik nach den Prinzipien der Friedensethik wäre Friedenspolitik. Da der Friede das Grundziel aller Politik genannt werden kann, könnte auch Friedenspolitik den Grundwert und Inhalt aller Politik ausmachen. In der aktuellen Weltsituation ist aber der Friede eine Zielvorgabe, die konkret durch eine Reihe von Teilbereichen politischen Verhaltens erst angestrebt werden muß. Erst dann kann der Überbegriff Friedenspolitik auf die jeweilige politische Ebene angewandt werden. Insoferne es erst noch vor allem um die Begrenzung und Verhinderung des Krieges geht, könnte man auch von einer "realistischen" Friedenspolitik sprechen. 51 Für den noch keineswegs erreichten und noch nicht gesicherten Weltfrieden steht daher in der konkreten Politik der Staaten besser der Terminus Sicherheitspolitik zur Frage, deren oberstes Ziel der Friede ist, die aber ein Bündel von politischen Maßnahmen der Staaten, getrennt oder gemeinsam, beinhaltet. 50 Vgl. Philosophie der Abschreckung, Stuttgart 21984, das Kapitel Philosophie der Abschreckung, 25-70. 51 Vgl. Günther Brakelmann und Eberhard Müller (Hrsg.), Die Abschaffung des Krieges, Beiträge zu einer realistischen Friedenspolitik, Gütersloh 1983.

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2. Die internationale Friedensordnung

G~genstand der Sicherheitspolitik52 ist es, für den einzelnen Staat bis zur Staatengemeinschaft aufsteigend, sichere Grenzen zu schaffen. Die Sicherheitspolitk hat heute die einzelnen Staaten übergreifende globale Dimensionen angenommen. Ebenso hat sie auch Dimensionen und Bezüge im außermilitärischen Bereich der Politik zu bedenken. 53 Damit aber ergeben sich eine Fülle von ethischen Rücksichten im Rahmen der politischen Entscheidungen. Durch diese breite Problemsicht, die die Sicherheitspolitik der Friedenspolitik als Oberbegriff zuordnet, wird auch erreicht, daß Friedenspolitik nicht einfach mit Friedfertigkeit gleichgesetzt wird. Moralität in Friedensfragen ist eben eine sehr vernetzte Aufgabe, Friedensgesinnung in aktuelle Probleme der Friedenssicherung einzubringen. 54 Die komplexen Zusammenhänge heutiger Sicherheitspolitik ergeben sich aus der Verflochtenheit der Außenpolitik mit den inneren Verhältnissen der Staaten und aus großräumigen Interdependenzen der Industriegesellschaft, die immer mehr nationale Grenzen überschreitet. Erwähnt sei nur neuestens der Zusammenhang von EntWicklungspolitik mit Sicherheitspolitik. So können in der modernen Massengesellschaft auch einzelne Faktoren und auch kleine Personengruppen für die Sicherheit selbst großer Staaten Bedeutung gewinnen. Weltweite Sicherheitspolitik muß heute auch ein kleiner Staat betreiben. Umso mehr, als sein eigenes Gewicht in der Politik nicht entscheidend in Anschlag gebracht werden kann, muß er seinen gesicherten Platz im internationalen System suchen, das er direkt mit eigenen Mitteln nur wenig beeinflussen kann. So sind die Standards internationaler Ethik vielfach vorgegeben. Dennoch, das Sollen und Dürfen der Staaten ist unter dem Aspekt von Frieden und Sicherheit nicht nur eine Frage des tatsächlich Möglichen, sondern auch des Anspruchs, vor der eigenen nationalen Identität im Gesamt der Völkergemeinschaft zu bestehen, zu der auch die Herausforderung des Bestehens vor dem Gewissen gehört. Sicherheitspolitik bekommt ihre innere Bestimmung nicht durch Taktieren mit politischen Mitteln allein, mit Verhandeln über Sicherheitsmaßnahmen, sondern letztlich durch ihre prinzipielle Orientierung als politisches Handeln, um eben dieses zu gestalten. Das heißt, es muß über die Politik selbst nachgedacht werden, nicht bloß einzelne Szenarios dürfen als Verhandlungsgrundlage analysiert werden. 55 52 Vgl. Egon Bahr, Dieter S. Lutz (Hrsg.), Gemeinsame Sicherheit: Dimensionen

und Disziplinen, Bd. 2, Zu rechtlichen, ökonomischen, psychologischen und militärischen Aspekten gemeinsamer Sicherheit, Baden-Baden 1987. Dieser Band betont durch das interdisziplinäre Herangehen an die Probleme besonders die außermilitärischen Dimensionen und Bezüge der Sicherheitspolitik. 53 Vgl. dazu Rudolf Weiler, Sicherheitspolitik zwischen Realität und Idee, in: Wiener Blätter zur Friedensforschung Nr. 22123, Dez./Jän. 1979/80,25-33. 54 Vgl. die Vereinfachungen von Franz Alt in seinem Buch, Frieden ist möglich, Die Politik der Bergpredigt, München 23 1986, und die Antwort darauf von Manfred Hättich, Weltfrieden durch Friedfertigkeit?, München 31983.

2.3. Ethik der Sicherheitspolitik

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Die Verbindung der Sicherheitspolitik zur politischen Ethik wird aber auch von den Politikwissenschaften insofern bedacht, als ihr Zusammenhang mit der Sicherung und Erhaltung der bestehenden Werte in einer staatlichen Gemeinschaft gesehen wird. Der Konsens über die Grundwerte in einer Gesellschaft wird so zur Sicherheitsfrage. 56 Da dieser Grundkonsens aber auch den internationalen Grundkonsens über eine Welt in Frieden und Gerechtigkeit, soll Friede international bestehen, einschließt, bezieht er sich auf allgemeinmenschliche Werte und die entsprechende Sittenordnung. Die Grenze des politischen Wertepluralismus ist der Friede als Grundwert nicht nur für die Sicherheit eines einzelnen Staates. Damit ist Sicherheitspolitik immer in Verbindung mit der allgemeinen sittlichen Ordnung zu sehen und der Ansatz beim einzelnen Staat allein nicht genügend. Damit ist neben der aktuell und konkret weltweit geöffneten Dimension von Sicherheitspolitik auf ein System kollektiver Sicherheit hin vom ethischen Gesichtspunkt her nationale Sicherheit57 immer auch eine Frage des Anderen. Das ethische Prinzip läßt daher prinzipielles Streben nach Sicherheit durch Überlegenheit nicht zu. Nicht die eigene Sicherheit des Staates geht sozialethisch über alles! So sieht in einer Untersuchung der sowjetischen Sicherheitspolitik Gerhard Wettig58 in der Lehre von der friedlichen Koexistenz des Marxismus-Leninismus und dem Festhalten danach am unüberwindlichen Systemantagonismus als logische Folge die ständige Option für militärische Überlegenheit. Die Antwort darauf ist freilich in der westlichen und besonders amerikanischen Sicherheitspolitik ebenso das Streben zur Position der Stärke und des Containments/Zurückdrängens des ideologischen Gegners. 59 Es wird sicher dauern und der konkreten Beweise bedürfen (auf beiden Seiten der Supermächte besonders!), daß Sicherheitspolitik dem im Osten heute propagierten .neuen Denken" oder besser dem Primat guter politischer Sitten des Miteinander der Staaten Rechnung tragen kann.

55 Vgl. Lawrence Freedman, Strategic Arms Control, in: Josephine O'Connor Howe (Ed.), Armed Peace, The Search for World Security, London 1985, 31-47, unter Berufung auf den Bericht der Palme Comrnission, Common Security. 56 Vgl. Wichard Woyke, Sicherheitspolitik, in: Handlexikon zur Politikwissenschaft, Hrsg. von Wolfgang W. Mickel, München 1983, (447-451), 448. 57 Daß eigene Sicherheit heute nur noch miteinander für die Staaten zu haben ist, zeigt ein Sammelband von Egon Bahr, Dieter S. Lutz (Hrsg.), Gemeinsame Sicherheit: Idee und Konzept, Bd. I, Zu den Ausgangsüberlegungen, Grundlagen und Strukturmerkmalen gemeinsamer Sicherheit, Baden-Baden 1986. 58 Sicherheit über alles! Krieg und Frieden in sowjetischer Sicht, Köln 1986. 59 Die Bedrohung der westlichen Sicherheit begründet Jürgen Werner Schwarz, Grundlagen und aktuelle Aspekte deutscher Sicherheitspolitik, München 1982, sowohl durch Datenmaterial als auch besonders durch die ideologisch bezogene sowjetische Außenpolitik und die Militärstrategie, die er unter anderem, Seite 12, folgend beschreibt: .2. Ein Sieg ist auch in einem nuklearen Konflikt möglich. 3. Militärische Überlegenheit garantiert den Sieg."

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2. Die internationale Friedensordnung

Die Denkfigur der jetzt öfter berufenen Sicherheitspartnerschaft, oder besser kollektiven Sicherheit, entspricht vielmehr der sittlichen Ordnung der internationalen Politik. Damit kommt die grundsätzliche Annahme eines antagonistischen Weltsystems, wie es Interpretationen des Marxismus-Leninismus behaupten oder die individualistische Sozialphilosophie aus einem egoistischen Grundwesen des Menschen auch ableitet, eigentlich zur Leugnung des sittlichen Wesens der Menschen und der Völkergemeinschaft. Erst Ethik löst die Sicherheitspolitik aus den Zwängen der Machtpolitik und des deterministischen Denkens. Erst mit der ethischen Konzeption von Sicherheitspolitik wird die Verteidigungs- und Militärpolitik zu einem integralen Teil derselben geworden sein. Damit steht auch das sogenannte Abschteckungssystem auf dem Prüfstand der Ethik, inwieweit es als Mittel der Sicherheitspolitik vertretbar ist. Es stellt einen Sonderfall eines Grundelements heutiger Politik dar, nämlich der Politik des militärischen Gleichgewichts. Historisch ist Sicherheitspolitik durch Ablösung der Verteidigungspolitik vom Einsatz militärischen Gerüstetseins allein für nationale politische Ziele entstanden. Darin lag immer das Streben nach militärischer Überlegenheit und daraus folgte Unsicherheit des Friedens für die anderen Staaten. Diese Option für nationale Sicherheit war kennzeichnend für die Periode internationaler Politik seit der Französischen Revolution von 1789. Mit dem Wiener Kongreß 1815 tritt das Gleichgewichtsstreben hervor und das Konzept entsprechender Sicherheit im Konzert der europäischen Staaten durch die Heilige Allianz. Der Versuch des Aufbaus eines Systems kollektiver Sicherheit ist dann die Folge des 1. Weltkriegs durch den Völkerbund und den Versuch der Ächtung des Krieges (Briand-Kellogg-Pakt von 1928), nachdem schon die Haager Fdedenskonferenzen vergebens gegen die imperialistischen und nationalen Tendenzen den internationalen Gedanken zu fördern gesucht hatten. Erst nach 1945 setzt wieder aus der gegen die nationalistisch-rassistisch-militärischen Achsenmächte siegreichen Kriegsallianz das Bemühen um kollektive internationale Sicherheit ein. Der internationale Gedanke ist trotz des bald nach 1945 einsetzenden kalten Krieges und der Konfrontation jetzt der Supermächte USA und UdSSR und ihrer Allianzen nicht verloren worden und unwirksam geblieben. Abschreckung steht immer im politischen Kontext und funktioniert aus einem gewissen Gleichgewicht der Kriegsfähigkeit heraus. Damit verbindet sich in der Sicherheitspolitik die Verwendung der militärischen Rüstung, also der Waffen in erster Linie, mit dem Streben nach Entspannung, nach Konflikteindämmung und Interessenausgleich. Das vorläufige Ziel der Friedenssicherung wird in der Fähigkeit gesehen, zur Beherrschung von Krisen zu kooperieren, wozu auch die Vorhersehbarkeit des politischen und militärischen Verhaltens der einzelnen Staaten gehört, also

2.3. Ethik der Sicherheitspolitik

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eine gewisse Transparenz ihrer Politik und deren Grundlagen vor der Weltöffentlichkeit. Daraus ergibt sich eine Reihe von näheren Kennzeichen der Kooperationsbereitschaft: Vermeidung von Provokationen, unmißverständliche Signalisierung der eigenen Absichten, Kompromißbereitschaft bei Krisen sowie Rücksicht auf Ansehen und Interessen der Partnerstaaten. Die Entspannungspolitik hat gegenüber der militärisch bezogenen Sicherheitspolitik eine Eigendynamik auf Kooperation hin. 60 Dies läßt sich am Beispiel der These von der friedlichen Koexistenz nach marxistisch-leninistischer Deutung zeigen. Der weltanschauliche Dialog zur Entspannung bei gleichzeitig postulierter Fortsetzung des ideologischen Kampfes verändert auch die Prinzipien und wirkt dann auf die sozialen Voraussetzungen (Basis!) zurück. Bei Dialogsymposien konnte der Verfasser im zeitlichen Ablauf beobachten, wie die Toleranz61 zunahm und auch der alleinige Wahrheitsanspruch der marxistischen Ideologie und ihre wissenschaftlich gesichert vermeinte Gesetzmäßigkeit der Weltentwicklung zur Prognose zurückgestuft wurde. Eine veränderte Ideologie verändert hier die sicherheitspolitischen Postulate und damit die Politik selbst. In der Psychologie der Drohgebärde liegt auch ein kommunikatives Element, dem anderen nämlich eigene Stärke zu signalisieren und so die Absicht, den drohenden Konflikt noch zu beherrschen. Abgesehen von irrationalen Angstreaktionen ist der Mensch aber immer tätig, Drohzustände positiv zu verändern. Ein Patt im Gleichgewicht von Gewaltandrohung als balance of deterrence ist immer labil und schwer berechenbar im Verhältnis der Staaten zueinander und kann zumindest auf Dauer nicht gegen die Sozialnatur des Menschen unter heutigen Bedingungen der internationalen Kommunikation durchgestanden werden, ohne daß sich auf Feldern des gemeinsamen Interesses Kontakte ergeben. Die Dynamik der Abschreckung ist nicht die einzige politische Wirklichkeit. Ihr entgegen wirkt immer auch die Dynamik der Kooperationsbereitschaft. Abschreckungspolitik und Entspannungspolitik sind ständig vorhandene Optionen im politischen Kräftespiel, die auf Grundelemente internationaler sozialer und daher politischer Beziehungen zurückgeführt werden können und ihrem friedens60 Entspannungspolitik wird immer auch von der Interessenlage der betroffenen, in einer Spannungssituation befindlichen Staaten zu sehen sein. Das kooperative Element kann nun auch zum Vorteil einer Seite genützt werden, wenn die Gemeinsamkeit, statt mit einem Schwerpunkt in sachlichen Lösungen zur Erhöhung der Sicherheit gesucht zu werden, mehr im propagandistischen Bereich betont wird. Die Ersetzung des Begriffs .kollektive Sicherheit" durch den Sprachgebrauch von .gemeinsamer Sicherheit" neuestens von seiten der sozialistischen Staaten hat mehr die Bedeutung eines Slogans für den Vorrang des Appellativen und Allgemeinen vor konkreten sicherheitspolitischen Maßnahmen, die den Anschein hätten, nur .gegen" jemand gemeint zu sein. 61 Vgl. Eduard Batalow, Dialog über Toleranz, in: Wiener Blätter zur Friedensforschung Nr. 53, Dez. 1987,50-57.

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politischen Sinn entsprechen können, also sittlich positiv zu bewerten sind. Damit wäre richtiger von Abhaltung im Hinweis auf ausreichendes Gerüstets ein zur Verteidigung zu sprechen als von Abschreckung. Der französische Terminus der .dissuasion" drückt dieses kommunikative und rationale Element der Politik des .Abredens· für Abschreckung oder Drohung gut aus. Das ethische Grundproblem beim gegenwärtigen System der nuklearen Abschreckung liegt im Hinweis auf ein Gerüstetsein beider Seiten, einander gegebenenfalls im totalen Krieg zu vernichten und damit die ganze Menschheit auszulöschen. 62 Die Befürchtung dieses Ereignisses begleitet vom Gefühl existentieller Angst, die sich weithin ausbreitet, bestimmt heute die Politik. Da die Entscheidung über den Einsatz des zunächst nur zur Drohung bestimmten Potentials zwar letztlich bei Menschen liegt, die aber auch irren und falsch entscheiden können, dennoch aber auch vom Funktionieren der Technik abhängig sind, die ebenso versagen kann, stellt der Teil der Sicherheitspolitik, der auf militärische Gewaltandrohung gestützt ist, ein Risiko dar, das nur bedingt und vorübergehend zugelassen werden kann. Die - einfach gesprochen! - Drohung mit dem Selbstmord der Menschheit ist aber kein erlaubtes Risiko mehr. Dieses Risiko bedeutet nämlich, daß das Leben der ganzen Menschheit, nicht nur eines sogenannten Feindes, unter der ständigen Drohung des Unterganges, also unter ständiger Furcht abläuft. Damit steht am Ende der Kette von Risiken, die die Politik eingeht, das Spiel mit dem sicheren Tod, der jede Politik sinnlos macht. 63 Dieses Risiko ist keines mehr, wenn es nicht gelingt, auf politischem Wege die Sicherheitsrisiken einzugrenzen. Das schließt aber sittliche Verantwortung ein bei der Prüfung des technisch Möglichen durch die Politik. Die Menschheit darf nicht unter dem technischen Risiko ihrer Auslöschung leben. Das heißt aber letztlich Abschaffung der Möglichkeit des Kernwaffenkrieges, nicht bloß eine Strategie seiner möglichsten Vermeidung. Das derzeit bestehende nukleare Abschreckungssystem zwischen den Supermächten ist aus der Risikolage heraus für die Existenz der ganzen Menschheit an sich sittlich untragbar. Es kann nur nicht sofort ersetzt werden, so daß es .auf Zeit" als minus malum unter Schadensbegrenzung geduldet werden kann. 64 Die Eingrenzung des Schadens liegt einmal in der Bedingtheit des Willens zum vollen Einsatz der ersten und insbesondere auch der weiteren Eskalationsstufen des Nuklearpotentials bei den Verantwortlichen. Zum anderen aber zeigt sich, daß neben den Elementen der militärischen Abschreckung selbst in bisher schwersten Krisenzeiten Elemente der Entspannung und der friedlichen Kooperation zur KonfliktregeVgl. Bd. I, 198 ff. Vgl. Robert Jervis, The Illogie of American Nuclear Strategy, Ithaca NY 1985. 64 Über die auf Zeit beschränkte .pazifizierende Wirkung" nuklearer Abschreckung vgl. Gert Krell, a.a.O., 118 f. 62

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2.3. Ethik der Sicherheitspolitik

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lung erhalten geblieben sind. Das ergibt den sittlichen Grund zur Duldung des Systems der Abschreckung auf eine - möglichst kurz zu haltende - Zeit, bis es gelingt, die Sicherheitspolitik aus der Zone totaler Kriegsdrohung zu bringen. 65 Daher ist die Suche nach militärischen Mitteln, die eine friedenspolitisch bessere Alternative zur derzeitigen Abschreckungspolitik als einer Säule der Sicherheitspolitik eröffnen können, von höchster Aktualität. Diese Alternative kann nicht allein auf dem Felde der Entspannungspolitik liegen, sondern muß sich durch den Defensivcharakter der Militärstrategie66 wie ebenso der angewandten Mittel als ebenso ausreichend für den Verteidigungsfall erweisen und damit zur Abhaltung potentieller Angreifer, ohne damit den totalen Krieg zu signalisieren. Vor dieser Aufgabe steht heute die Sicherheitspolitik, die letztlich auf militärpolitischer Ebene nur umgesetzt werden kann, soferne nicht an reine Friedensutopien gedacht wird. Eine Lösungsmöglichkeit scheint sich aber unter Beibehaltung des nuklearen Potentials durch die Defensivkraft zunächst einer atomaren Supermacht anzubahnen, durch die Fähigkeit der USA, mittels sm für Kernwaffen unverwundbar zu sein. Dann könnte diese Unverwundbarkeit sogar mit der zweiten Supermacht geteilt werden, und die Drohung des gegenseitigen Auslöschens mit Weltuntergang wäre vorüber. Diese .Strategische Verteidigungsinitiative", auch .. Sternenkrieg" genannt, hat in den USA bei ihrer Ankündigung durch Präsident Reagan viel Popularität erfahren. Die UdSSR kann aber gute politische Gründe anführen, daß dadurch die Weltlage destabilisiert würde, und sm ein Beweis für das Streben der USA nach Überlegenheit wäre. 67 Selbst die Verbündeten der USA in Europa sehen für ihre eigene Verteidigung in Zukunft Nachteile erwachsen. Von der technischen Durchführbarkeit her eines verläßlichen Schutzschildes allein über den USA gegen einen atomaren Angriff aus dem Weltraum bestehen große Unsicherheiten, ob er jeweils voll wirksam würde. Zumindest aber wird es Jahre brauchen, bis das Projekt auch nur entwickelt ist und dennoch enorme Summen verschlingen, die anderwärts in aller Welt dringend gebraucht würden. Hier tut sich eine sicherheitspolitische Sackgasse auf, je länger dieses Projekt als ernsthafte Alternative zum Ausstieg aus der nuklearen Abschreckung betrieben wird, die letztlich nur Zeitverlust bedeutet. Eine andere Sicht von SDI ergäbe sich aber aus akzeptierten Überlegungen kollektiver Sicherheit, wenn dieser Schutzschirm der Menschheit insgesamt 65 In einer ausführlichen ethischen Untersuchung und Argumentation kommen John Finnis, Joseph M. Boyle, Jr., Gennain Grisez, Nuclear Deterrence, Morality and Realism, Oxford 1987, zu einem anderen Ergebnis. Die nukleare Abschreckung und also auch die Intention nur dazu ist moralisch nicht vertretbar, auch nicht auf Zeit. 66 Vgl. Thomas Hoppe, Friedenspolitik mit militärischen Mitteln, Eine ethische Analyse strategischer Ansätze, Köln 1986. 67 Vgl. Anmerkung 37.

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dienen könnte, um sie vor denkbaren nuklearen Erpressungen durch politische Abenteurer, die in den Besitz von Kernwaffen gekommen wären, zu schützen. Das Voranschreiten der Rüstungstechnologie, die Technizität der Materie und die immer unüberschaubareren Zusammenhänge der "Defence Community· machen die politische Kontrolle der Kriegsmittel ganz allgemein in den Staaten immer schwieriger. Insbesondere die Öffentlichkeit der betroffenen Völker, die der Kriegsdrohungen müde ist und Sicherheit wünscht, sollte daher auf diese Entwicklung reagieren. Nicht Kriegsangst oder Technikverdrossenheit wäre die rationale Antwort, sondern Zuwendung zu den internationalen Dimensionen der Sicherheitspolitik, zum Nachbarvolk, zu menschlichen Kontakten im Sinne von Entspannungspolitik, deren Verstärkung die Verteidigungs- und Militärpolitik in die richtige Richtung voranbringen kann. Das Grundziel der integral die ganze Menschheit heute betreffenden Sicherheitspolitik, ihre Internationalisierung, bedeutet die Schaffung sicherer Grenzen aller Staaten zur Sicherung des Weltfriedens. Dies geht nicht ohne Aufbau eines Sicherheitssystems von unten und in Anknüpfung an historisch gewachsene Tragkräfte nationaler Sicherheit, die noch lange ihre Bedeutung behalten dürften, aber in Unterordnung unter eine friedens- und sicherheits politische internationale Ordnungspolitik. Dieser Aufbau von unten zeigt sich in Ansätzen schon heute durch Zusammenschlüsse von Staaten in Paktsystemen, die sich vor allem regional entwickeln. Sicherheit durch Verbündete bedarf aber der ordnungspolitischen Ausrichtung auf kollektive Sicherheit, damit der Aufbau regionaler Friedenssicherung sich nicht, wie so oft in der Geschichte, in Wirklichkeit destabilisierend auswirkt. 68 Nicht die Waffen garantieren dem einzelnen Staat letztlich Sicherheit und Frieden. Der Friede als Gemeingut kann nur gemeinsam gesichert werden und darf nicht allein dem Selbstschutz, letztlich der nationalen Gewalt, überlassen werden. Anderseits kann das Gut des Friedens auch nicht der Willkür von Gewalttätern ausgesetzt werden, wenn und wann utopisch an gewandte Feindesliebe und Gewaltverzicht glauben, der unmittelbare Weg zum internationalen Frieden zu sein und durch Gesinnung allein die gesellschaftlichen Verhältnisse verwandeln zu können. In der Staatengemeinschaft ist Sicherheitspolitik letztlich auf die Einsicht aller Menschen angewiesen, daß eben alle gemeinsam nur Sicherheit finden können in einer Schicksalsgemeinschaft Menschheit. Das erfordert aber ein Maß an Klugheit, um politische Wege zu möglichster Sicherheit zu finden und konsequent, wenn auch oft nur in kleinen Schritten, als dem geringeren 68 Vgl. Lothar Brock, Berthold Meyer (Hrsg.), Die Zukunft der Sicherheit in Europa, Jahrbuch für Friedens- und Konfliktforschung, Bd. XI, Baden-Baden 1984, im Blick auf Europa!

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Wagnis und der größeren Chance zu gehen. Für ein Staatsvolk geht es dabei um oft lebenswichtige Entscheidungen, die sowohl Maßnahmen betreffen als auch den Gesinnungsbereich einschließen. Daher muß das ganze Potential an Vernunft und materiellen Möglichkeiten, das verfügbar ist, zur Gestaltung umfassender internationaler Sicherheit eingesetzt werden. Nicht eine Ideologie oder eine Interessengruppe, eine Religion oder Rasse kann heute allein die Probleme der internationalen Sicherheit lösen. 69 Insbesondere gilt dies auch für die im Dienste des Friedens stehenden Friedensbewegungen, die auf Gewaltlosigkeit setzen oder die einer politisch-sozialen Friedensideologie einseitig anhangen. Gerade die friedenspolitische Diskussion und die Findung demokratischer Kompromisse auf allen politischen Ebenen ist der mühsame, aber einzig erfolgreiche Weg zur Welt ohne Krieg. Damit scheiden alle Sicherheitskonzepte als kontraproduktiv aus, die auf alternative Gewalt, auf einseitige Stellung und Maßnahmen außerhalb der Gemeinwohlordnung des politischen Lebens setzen. 70 Anderseits ist aber die geistige Auseinandersetzung um die Sicherung des Friedens über die politischen Kräfte und Machtkonstellationen und ihre Verhandlungen hinaus eine wertvolle Triebkraft der Friedensförderung. Es geht hier um sehr wichtige, auch im Konkreten und im Bereich pragmatischer Annäherung wirksame Kooperation zwischen ideologischen Kräften, die sich oft - auch zu unrecht! - als gegenseitig unvereinbar und höchstes Sicherheitsrisiko betrachten. 7 \ 2.4. Ethik der Verteidungspolitik Unter Rücksicht auf sittliche Prinzipien konnte aber ein weiterer Begriff von Sicherheitspolitik erarbeitet werden, der wesentlich auf die globale Staatengemeinschaft hin offen ist, also "kollektive Sicherheit" einschließt, bzw. von ihr her auch zu sehen ist. Im engeren pragmatischen Sinn kann aber Sicherheitspolitik auch weitgehend ident mit Verteidigungspolitik verstanden werden, selbst unter der Annahme, daß nationale Sicherheit - wie es 69 Im Prinzip gleiche Überlegungen finden sich in einem Buch aus der DDR letzthin unter dem Titel Abrüstung - Überlebensfrage der Menschheit, Hrsg.: Institut für Internationale Politik und Wirtschaft der DDR, Berlin 1987, im Abschnitt "Mittel und Wege zur Verhinderung einer nuklearen Katastrophe", 156 H. 70 Es gibt auch eine sehr realistische friedenspolitische Suche nach Alternativen zur etablierten Politik, die konzeptiv wirken kann! Vgl. etwa Hanne-Margret Birkenbach, Christian Rix, Albert Statz, Christian Wellmann, Transatlantische Krise - ein Ansatzpunkt für eine alternative Friedenspolitik?, in: o. a. Jahrbuch für Friedens- und Konfliktforsachung, Bd. XI, 85-124. 71 Vgl. das im 1. Bd. Ausgeführte über Friedensbewegungen (141 H.) und über Ideologien (Dynamik des internationalen Lebens, 109 H.), unter anderem am Beispiel des Marxismus, bzw. auch über den Dialog (40 f. und öfter).

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2. Die internationale Friedensordnung

für die Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert für die europäischen Mächte galt - im Gleichgewicht der Staaten gesucht wird, das wesentlich vom militärischen Potential her bestimmt wird. Eine ethische Sicht, die das Modelldenken nach einer Machtpragmatik überschreitet, muß jedoch Verteidigung als der weiter konzipierten Sicherheitspolitik untergeordnet verstehen. Außerdem hat der Bewußtseinswandel bewirkt, daß der Krieg immer mehr als Übel erkannt worden ist und sittlich negativ bewertet wird. Nur mehr der Fall der Verteidigung rechtfertigt kriegerisches Wehren, obwohl auch hier die Kriegführung an sich als kleineres Übel, also als böse, anzusehen ist. 72 So hat sich heute die Benennung der für die Kriegführung zuständigen politischen Administration als Verteidigungsministerium allgemein eingebürgert. Noch zur Zeit des Ersten Weltkrieges sprach man von Kriegsministerien. Hier wurde politisch Angriffsführung und Verteidigung noch gleicherweise als militärische Aufgabe politisch verwaltet und ihr zu entsprechen versucht. Dabei wurde dem Angriff nicht nur vom Psychologischen her, sondern auch aus der ganzen politischen Einstellung und Denkweise der Allgemeinheit der Vorzug gegeben. Neben dem Leid des Krieges, das mit den Volksheeren im Gefolge der Kriegführung seit Napoleon in Europa immer breitere Bevölkerungsschichten und geographische Räume erfaßte, gab es immer noch militärische Erfolge und militärischen Ruhm selbst bei bitteren Niederlagen, die eine Art Kriegs- und Heldenmythos für die Menschen und die Staatsgewalt in den verschiedenen "Väterländern" zuließ. Erst die totale Kriegführung, die im Laufe des Zweiten Weltkrieges einsetzte, und die ersten unterschiedslosen Massenvernichtungswirkungen der entfesselten Kampfführung, die die Massenschlachten des Ersten Weltkrieges, die immer noch zwischen den Armeen stattfanden, qualitativ überschritten, entzauberten jeden Erfolgsund Heldenmythos des Militärs als" Wehrmacht" und damit auch der Militärpolitik. Wenn wir also von Verteidigungspolitik heute sprechen, stellt sie zumindest im strikten Sinn den militärischen Anteil an der Sicherheitspolitik dar. Sie ist dann ident zu sehen mit Wehr- oder Militärpolitik. Wertfrei wird daher definiert, die Verteidigungspolitik umfasse alle Maßnahmen eines Staates, die der Abwehr von Angriffen anderer Staaten auf das eigene 72 Josef Ernst Nagel, Friedensförderung im Gesamtkontext der kirchlichen Friedensiehre, in: Josef Ernst Nagel (Hrsg.), Dem Krieg zuvorkommen, o. a. (7-59), 26, drückt dies unter Verweis auf die Entwicklung der Tradition der Lehre vom .gerechten Krieg" in der katholischen Kirche seit Pius XII. so aus: .der Krieg ist kein geeignetes Mittel zur Wiederherstellung verletzter Rechte. Krieg steht nur noch in der Form der Reaktion gegen eine reale Aggression von außen zur Debatte". Und auch hier legt Nagel strenge ethische Kriterien an, wie das der .Kontrollierbarkeit" der Auswirkungen der modernen Vernichtungswaffen, da der .totale Krieg" nach dieser zitierten Lehre jedenfalls sittlich verurteilt würde.

2.4. Ethik der Verteidigungspolitik

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Territorium dienen, insbesondere den Unterhalt eigener Verteidigungskräfte. 13 Hierzu zählt dann auch der gesamte Bereich der internationalen Bündnispolitik. Hier kommt aber nicht der wirklich internationale Aspekt zum Tragen, daß heute Verteidigung eines oder mehrerer Staaten im Kontext der Verteidigung der Menschheit selbst vor dem Krieg gesehen werden muß. Die Vernachlässigung dieser Sicht hat bereits zwei Male zu sogenannten Weltkriegen geführt. Besonders kriegerisches Auftreten als solches wurde verschiedentlich früher durchaus auch positiv bewertet zum Unterschied des eher neutralen Begriffs des Militärs als Instrument der entsprechenden Kriegführung. Die Wehrmacht Hitler-Deutschlands wurde zum Beispiel in der Propaganda als Zeichen der Wehrkraft des deutschen Volkes angesehen. Eine dementsprechende Wehr- und Soldatenethik wurde verbreitet. Immer mehr aber standen mit der Erkenntnis der Greuel der Kriegführung bei allen Armeen unserer Zeit und sogar oder besonders angesichts der Greuel bei den sogenannten Volksbefreiungskriegen und revolutionären Kriegen heute die ruhmreichen Seiten der militärischen Erfolge im Schatten der katastrophalen Kriegsfolgen, ob dies nun in Vietnam oder Afghanistan passieren mag. Hinzu kommt, daß die letztgenannten Kriege ihrem Wesen nach gar nicht auf die Kombattanten beschränkbare Kriege sind und die nach dem traditionellen Muster ausgebildeten Armeen den entsprechenden ,,sieg am Schlachtfeld" gar nicht erringen können. So können in diesen Fällen nur "schmutzige Kriege" geführt werden. Es sind dann oft mehr die Geheimdienste als die Generalstäbe, die die Kampfhandlungen bestimmen, letztlich tragen doch die Politiker, aber nach sehr traurigen Erfahrungen, die Verantwortung. Unter Ausklammerung der subversiven oder revolutionären Kriegführung, die auch dem Völkerrecht besondere Schwierigkeiten der Erfassung und rechtlichen Klärung bereitet, kann für die militärische Seite der Sicherheitspolitik oder der Verteidigungs- und Militärpolitik (Wehrpolitik) im internationalen Leben der Gegenwart auch eine Ethik der Verteidigung erarbeitet werden. Die Wehrethik soll dabei besonders die sittlichen Fragen des Dienstes der Soldaten im allgemeinen und für den einzelnen Bürger abdecken. Durch das sich entwickelnde kollektive Sicherheitsdenken, durch die politische Schwerpunktsetzung auf Verteidigung ist es nicht erforderlich, die 73 Verteidigung gilt völkerrechtlich als Reaktion auf unprovozierte kriegerische Angriffe mit dem Ziel, die territoriale Integrität zu erhalten. Da dies nicht nur von militärischer Macht angesichts der Problematik der modernen Kampfmittel mit ihrer Zerstörungskraft abhängt, kommt es zu einer gewissen Entkoppelung von militärischer Macht und Verteidigung und weiteren .Politisierung" der Verteidigung. VgL Monika Medick, Militärische Macht als Problem demokratischer Sicherheitspolitik, in: Klaus-Dieter Schwarz (Hrsg.), a.a.O., 49-63.

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2. Die internationale Friedensordnung

Militärpolitik von der Verteidigungspolitik noch stärker im Gesamt der Sicherheitspolitik abzuheben. Das zeigt sich schon daraus, daß immer mehr die Armeen international als Instrumente der Verteidigung angesehen werden und ihren Strategien eine sogenannte Verteidigungsdoktrin zugrundeliegt, die dann eben den Rahmen für die militärische Planung abgibt. Ist die Landesverteidigung entsprechend politisch formuliert, ist die militärische Umsetzung zu einer Kurzfassung als Militärdoktrin nur eine mehr organisatorisch-taktische Aufgabe unter Vorgabe einer auf Verteidigung gerichteten Strategie. Sehr wesentlich ist hier aber die Frage der Heeresstruktur, der Heeresausrüstung, wie der Rüstungspolitik. Insoferne könnte man, gesondert von Verteidigungspolitik, eigens von Militärpolitik sprechen, die zumindest unter dem Aspekt der Rüstung und Abrüstung hier später ethisch behandelt werden soll. Auch die Ausweitung der Erfordernisse der Landesverteidigung auf die Sicherung innenpolitischer Stabilität, zum Beispiel wirtschaftliche Krisenvorsorge, erfordert einen erweiterten Begriff von Verteidigungspolitik im Sinne einer umfassenden Landesverteidigung. Im folgenden sollen daher einige Unterpunkte dieses Kapitel gliedern.

2.4.1. Militärische Gewalt als ethisches Problem Die historische Tatsache militärisch-gewaltsamen Handeins findet ihre größte Herausforderung durch die unbedingt erhobene Forderung nach Gewaltlosigkeit als Maxime im gesellschaftlichen Leben. 74 Die sozialen Folgen einer solchen Handlungsmaxime absoluter Gewaltlosigkeit können aber ein größeres Übel für die Gesellschaft sein als der Fall des Widerstands gegen ungerechte Gewalt. Dies betrifft nicht nur den von Gewalt Bedrohten, sondern ebenso den Gewalttäter, der das Übel begangen hat und davon nicht etwa abgehalten werden konnte. Nach aller Erfahrung läßt sich Gewalt nicht abschaffen, sondern nur minimieren. Somit kann auch die Liebe als oberstes Gebot nicht die absolute Gewaltlosigkeit verlangen, sondern nur zur Ge74 Individualethisch ist die Wahl der Gewaltlosigkeit aus (christlicher) Liebe bis zum Opfer des eigenen Lebens eine mögliche Entscheidung für ein gesellschaftliches Zeugnis. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist das Buch von R. P. Regamey, Gewaltlosigkeit, Wien 1966. Wenn es um gesellschaftliche Aktion geht, muß der Autor zugeben, .es gibt keine systematische Gewaltlosigkeit" (219). Unter dem Eindruck der Besetzung der Tschechoslowakei 1968 und den Versuchen sozialer Verteidigung wurde dort erstmals auch eine Theorie und Systematik gewaltloser Aktionen eines ganzen Staates zur Abwehr von Aggressionen entwickelt, obwohl der Versuch damals nicht gelungen war. Vgl. Adam Roberts, Gewaltloser Widerstand gegen Aggressionen, Göttingen 1971. Dieses Buch ging auf ein Original zurück, da.> ein Jahr vor der Invasion in die CSSR englisch erschienen war und durch die Ereignisse erst Aktualität und Rahmen erhalten hatte.

2.4. Ethik der Verteidigungspolitik

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waltminimierung verpflichten. Die Friedensdiskussion kommt also auch nicht um das Gewaltproblem herum, wenn der Verteidigungsfall als Wehren gegen das Böse eintritt. Dem hat die Moralphilosophie und die christliche Moraltheologie bis heute mit der Lehre vom .gerechten Krieg" entsprochen und in der Gewaltanwendung gegen den Angreifer das geringere Übel gesehen. Die Entwicklung der kriegerischen Mittel seit der Zündung der Atombombe am Ende des Zweiten Weltkrieges hat aber zur Eskalation der Gewalt bis zu dem möglichen Punkt geführt, daß die militärische Gewaltanwendung zum Übel für die Menschheit schlechthin wird und nicht mehr als kleineres Übel angesehen werden kann. Die Folge ist, daß Überlegungen im Sinne der absoluten Gewaltlosigkeit neuen Auftrieb erhalten haben und das Denkschema des bellum iustum und damit die Anwendung und auch Androhung von staatlicher Gewalt abgelehnt wird. Besonders der an der Bergpredigt orientierte christliche Pazifismus erfährt einen biblischen Beleg. 75 Im letzten wäre aber der Rekurs allein auf das Liebesgebot, die Unbedingtheit der Gewaltlosigkeit zu fordern, ein ungeschichtliches, von den politischen Verhältnissen abstrahierendes Herangehen an das Problem.16 Nächstenliebe muß immer auch die Pflichten gegenüber den Mitmenschen bedenken, seien es Menschen, die vom Tun des Übels abgebracht oder wenigstens teilweise zurückgehalten werden sollen (man denke auch an Begrenzung feindlicher Angriffe durch Gewalt) oder seien es eben Menschen, die es zu schützen gilt. Das Recht auf militärische Verteidigung bleibt bestehen unbeschadet der individuellen Gesinnung zur Gewaltlosigkeit. 77 In der politischen Ethik im allgemeinen wie in der Friedensethik im besonderen gibt es keine prinzipielle Gewaltlosigkeit, sondern nur die sittliche Beurteilung und Begrenzung der politischen Gewalt im Rahmen ihrer 7S Diese Problematik der jüngsten friedensethischen Diskussion behandelt Ernst Josef Nagel besonders auch in methodischer Hinsicht sehr aufschlußreich im Artikel Methodisches zur Friedensethik, in: Norbert Glatzel und Ernst Josef Nagel, Frieden in Sicherheit, Freiburg 1981, 229-258. 76 Es ist bezeichnend, daß einer der größten Vertreter der Gewaltlosigkeit, Mahatma Gandhi, eine im letzten individualistische Philosophie vertrat. Er erwartete sich das universelle Wohl (sarvodaya) durch Selbstverwirklichung jedes Menschen von innen her, die zu einer allgemeinen Aufklärung führen würde, also durch moralische Entwicklung des Individuums, das zur Nächstenliebe führen und die kollektive Autorität ersetzen sollte. Der Weg dazu war die Lehre vom gewaltlosen Widerstand (satyagraha). Hier wird Gewaltlosigkeit zu einer Taktik in einem weltanschaulich-religiösen System zur Veränderung der politischen sozialen Strukturen. Vgl. The Moral and Political Writings of Mahatma Gandhi, Ed. by Raghavan Iyer, Vol. 2: Truth and Non-Violence, Vol. 3: Non-Violant Resistance and Sodal Transformation, Oxford 1987. 77 Vgl. Konrad Blockeseh, Irrlichter der Friedensdiskussion, Kirche und Gesellschaft, NI. 89, Köln 1982, 10 H.

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Gemeinwohlaufgabe. Die Anwendung nuklearer Gewalt im Kriegsfall stellt aber eine Verschiebung der Frage der Legitimation vom Einzelstaat zur Staatengemeinschaft, also zu internationaler Sicherheit dar und ebenso von der militärischen Ebene zur politischen. Die Bedeutung der Waffe hat sich geändert. Noch Truman und Churchill betrachteten das Bombardement von Hiroschima und Nagasaki 1945 als militärisches Ereignis; eine Waffe, sobald vorhanden, habe den Sinn, militärisch eingesetzt zu werden. 18 Die Menschheit wird aber mit der Entwicklung der Technik auf vielen Gebieten mit den Möglichkeiten rechnen müssen, daß auch enorme Risiken entstanden sind, ohne daß diese Bedrohungen durch mißbräuchlichen Einsatz völlig eliminiert werden können. Dennoch können solche Techniken nicht mehr aus dem Denken ausgeschaltet werden, vielmehr muß eine Gegenstrategie entwickelt werden, die auch das Kalkül mit dem "Denkunmöglichen" einschließt. Politik im weitesten Sinn kann also ohne Gegengewalt nicht auskommen, soferne sie legitimiert werden kann. Das heißt nicht, daß militärisch .zurückgeschossen" werden muß. Soferne nur die Option zur Ordnung mittels Gewalt besteht, ist die politische Lösung im Gemeinwohlsinn offen und also auch die Ordnung der Liebe gewahrt. Realpolitik im Umgang mit der Macht, auch der Zerstörungsmacht des nuklearen Krieges, ist nicht das offene Spiel einiger weniger, die hier als Handelnde überhaupt in Frage kommen, denn alle anderen Menschen sind Nichtkombattanten und Opfer. Realpolitik als "praxisnah" kann nur die Nutzung der atomaren Abschreckung als politische Waffe sein, sonst ist sie ja sinnlos! Die Annahme des "worst-case", lieber tot als rot, ist keine politische Denkbarkeit. Es ist aber ebenso praktisch undurchführbar, die ganze Menschheit in einen .Archipel Gulag" einzusperren. 19 Prinzipielle Gewaltlosigkeit setzt logisch auf eine Gegengesellschaft zu jeder bestehenden Ordnung mit politischen Sanktionen und damit letztlich auf Anarchie, auch wenn dafür die biblische Botschaft zum Ausgang genommen wird und die Kirche darauf festzulegen versucht wird. Gerade die Festlegung der Kirche auf den politischen. Traum" der Gewaltlosigkeit und einer gesellschaftlichen Wirklichkeit gegen den Staat und gegen Gewalt wäre eine Politisierung der Kirche, der Verzicht auf das ethische Argument und auf die gemeinsame sittliche Sprache aller Menschen, ein christlicher Integralismus. Diese Gewaltlosigkeit würde die Werte gemeinschaft der Menschheit auseinanderreißen in einen absoluten Wertepluralismus. 8o 78 So haben beide Staatsmänner in ihren Memoiren später den Stand ihrer Überlegungen sinngemäß gleichlautend für den Zeitpunkt des Einsatzes der Bombe wiedergegeben. 79 Besonders treffend ist der Kommentar von Kai Nielsen, Doing the Morally Unthinkable, in: Nuclear War, Philosophical Perspectives, Ed. by Michael Allen Fox and Leo Groarke, New York 21987,57-62.

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In einer sorgfältigen ethischen Studie zur Sicherheitspolitik kommt Hans Langendörfer zu einer letztlich unentschiedenen Position bezüglich der Erlaubtheit nuklearer Abschreckung, weil sie mit unabsehbaren Risiken behaftet sei, so daß er abschließend nur eine Annäherung an das .Doppelziel möglichster Gewaltlosigkeit und Gerechtigkeit" in einem .ständigen Wechsel" ausmachen kann. 8 \ Es kann aber nicht zwei Ziele geben, wenn man auch zwei Wege annehmen möchte, einmal müssen sie als Friedensethik zusammenführen. Abschreckungspolitik ist dann nur ein temporärer, nicht innerer Widerspruch, wenn sie auf den Frieden gerichtet ist, und damit indiskriminate, unterschiedlose Kriegführung schlechthin als tatsächlich unvertretbar und undurchführbar anerkennt. Die Beurteilung militärischer Gewalt unterliegt insofern einer durchgehenden sittlichen Bewertung als das ethische Instrumentarium einschließlich der Gesinnung zum rechten Gewaltgebrauch ausreicht, um politisch handhabbare und verantwortbare Urteile auch im Atomzeitalter zu ermöglichen. Die Gewaltanwendung im Krieg bezieht ihren Sinn aus der Verhinderung des größeren Übels im Verteidigungsfalle. Dabei bietet sich als Methode der Verteidigung die abschreckende Gewaltandrohung an, aber in ihrer Konditionalität zur Verhinderung des offenen Gewaltausbruchs. Insoferne genügt ein Gleichgewicht an Gewaltandrohung, In diesem Verteidigungsdenken eröffnen sich neue Wege zur Verteidigungspolitik im Sinne von Gewaltminimierung. Es ergeben sich sittlich zu bewertende Überlegungen, den Gewalteinsatz auf das je Nötige zu beschränken (Suffizienzprinzip), die Güterabwägung (Proportionalität) auf ein Fundament des unveräußerlich Erhaltenswerten (Güterfundierung) zu stellen und so der Alternative auf Verlust des Lebens eines Volkes oder der Grundwerte des Lebens zu entgehen, so daß erst eine Güterabwägung möglich ist. Erst dann läßt sich ein militärisches Verteidigungsproblem in kleine politische Schritte auflösen, und lassen sich Ansätze zur Lösung finden. Man denke an Regionalisierung auf kritische geographische Zonen, an militärisch verdünnte Zonen, an Kombination asymmetrischer Interessen auf wirtschaftlichem oder innenpolitischem (paktinternem) Gebiet mit militärischer Rüstung, um in das starre System bei relativ gleicher Sicherheit Bewegung zu bringen. Gerade die konditionierte und politisch bewertete militärische Gewalt kann neue Wege zur Verteidigung eröffnen im übergreifenden internationalen Interesse. Somit tritt der Gemeinwohlbegriff ins Ziel der militärischen Gewalt über die auf den einzelnen souveränen Staat und seine Verteidigung gerichtete Intention. Erst hier öffnet sich ein Weg zur 80 Vgl. Norbert Lohfink, Kirchenträume, Freiburg 1982, der der Kirche darin vorwirft, den. Weg aus der Gewalt" nicht gehen zu wollen, um so .die ganze Welt wieder ins Lot" kommen zu lassen (vgl. 112-135). 81 a.a.O., 201 ff.

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Gewaltverminderung und Begrenzung derselben, weil die Gemeinwohlorientierung der militärischen Gewalt über die souveränen Einheiten hinaus ins Spiel kommt. Gerade die globale Versuchung grenzt die militärische Gewalt von heute ein und erschließt ihren rationalen ethischen Gebrauch und also ihre sinnvolle Politisierung. Damit ist auch ein Zugang zu einer ethisch international geweiteten Sicht der bestehenden Militärdoktrinen von heute möglich. 2.4.2. Militärdoktrinen aus ethischer Sicht Unter Militärdoktrin soll eine politische Aussage verstanden werden, die zunächst über die grundsätzliche politische Absicht Auskunft gibt, und wie sie dann unter Rückgriff auf militärische Gewaltanwendung diese Absicht auch mit den vorhandenen militärischen Mitteln zu verwirklichen strebt. Sie beinhaltet also auch die Aussage, unter welchen Zielen die Kriegsrüstung anzuwenden geplant ist und somit eine Beschreibung der kriegerischen Fähigkeiten, die ja zu diesen Zielen bereitstehen. Dabei gibt es Kriegsmittel, die insbesondere aus zusätzlichen Gegebenheiten trotz ambivalenten Gebrauchs mehr defensiv oder nicht offensiv sind, zum Beispiel aus territorialen Gegebenheiten. Älter als der Begriff der Militärdoktrin ist der Strategiebegriff in der Militärwissenschaft. Die Strategie ist Grundlage eines Kriegsplanes, nach dem das Ganze der kriegerischen Auseinandersetzungen auf den Zweck des Krieges, auf das politische Kriegsziel ausgerichtet wird. Im Rahmen der einzelnen Kriegshandlungen bestimmt dann die Taktik das nähere Vorgehen. So kann schon nach Clausewitz die militärische Strategie Zielen dienstbar werden, ohne daß es zur offenen Kriegführung kommt. 82 Nach Wolfgang Kownatka haben diese vor über 150 Jahren entwickelten Gedanken zur Strategie •vor allem in unserem Jahrhundert eine grundlegende Neuorientierung erfahren müssen. Der rein militärische Aspekt ist mehr und mehr zugunsten der politischen Komponente in den Hintergrund gerückt . .. Definitorisch läßt sich deshalb weder von einer rein militärischen noch einer ausschließlich politischen Strategie sprechen. Beide Teile bedingen einander, gleichgültig, ob ein Krieg begonnen wird, um ein Ziel zu erreichen oder eine Politik betrieben wird, die mit Androhung militärischer Gewalt als ultima ratio auf das Ziel gerichtet ist. "83 82 Im Anschluß an Carl von Clausewitz rät Raymond Aron den Militärs, Strategie als ein Denken über den Krieg zu verstehen (Penser la guerre). Vgl. seinen Beitrag, Zum Begriff einer politischen Strategie bei Clausewitz, in: Clausewitz-Gesellschaft (Hrsg.), Freiheit ohne Krieg, Bonn 1980,41-55. 83 Strategien, in: Handbuch zur Ökonomie der Verteidigungspolitik, Hrsg. von Günter Kirchhoff, Regensburg 1986, (895-901), 895. Dort auch die Hinweise auf Clausewitz.

2.4. Ethik der Verteidigungspolitik

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Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird diese Neuorientierung durch die Entwicklung der Nuklearwaffen ganz deutlich. Die Strategieplanung der USA war nach 1945, als Amerika im alleinigen Besitz der Atombombe war, gegen die konventionelle Überlegenheit der Sowjetunion ähnlich wie vorher gegen Deutschland auf die Luftüberlegenheit, inclusive nun des Atomwaffeneinsatzes, aufgebaut. Mit dem Ende der nuklearen MonopolsteIlung der USA Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre mußte diese Strategie revidiert werden. 84 .Die Strategie des defensiven ,Eindämmens' (containment) wurde durch die offensiven Konzepte des ,Zurückdrängens' (roll back) und der ,massiven Vergeltungsdrohung' (massive retaliation) abgelöst. "85 Diese Strategie der Drohung ließ bezüglich der tatsächlich einzusetzenden Mittel viel offen und hatte dadurch den Schwerpunkt im politischen Bereich, wozu noch die Betonung der ideologischen Komponente, als gegen den Kommunismus gerichtet, kam. Die auch mit einem anderen Begriff umschriebene .Schwert-Schild-Theorie" hatte faktisch die Schwäche, daß das .Schild" zwar in Europa wirkte,86 aber in anderen Erdteilen das US-.Schwert" nicht ausreichte, Stellvertreterkriege zu verhindern. Noch besaß in den sechziger Jahren die USA die militärische Fähigkeit zu Counter Force, also zum Erstschlag gegen Militärpotentiale und zu Counter City, zur Drohung gegen Bevölkerungs- und Industriezentren. Doch Ende der sechziger Jahre zog die Sowjetunion soweit nach, daß der Zustand der mutually assured destruction, der gegenseitigen Vernichtung, fraglos erreicht war. 1967 kam es in der NATO zur Strategie der Flexible Response. Darin wird die Erhaltung des Gleichgewichts von Sicherheit und Entspannung zum Ziel gesetzt und dafür zur flexiblen und angemessenen Reaktion auf Aggressionen gerüstet. Zur Kriegsverhütung durch Abschreckung kommt nun eindeutig die Kriegsverhütung durch Verhandlung dazu. Ziel dieser Verhandlungen ist nun jeweils gleiche Sicherheit auf einem durch Verhandlungen erreichten geringeren militärischen Niveau, also mit weniger Waffen, insbesondere auch Nuklearwaffen. Sicherheit durch (gemeinsame) Verteidigung war bei der Gründung des Nordatlantikpakts (1949) und im Gegenzug des Warschauer Vertrages (1955) das erklärte Ziel jedes der beiden in Konfrontation stehenden Pakt84 Ein bedeutender kritischer Autor zur Strategiefrage in den USA ist Edward N. Luttwak. In seinem Buch The Pentagon and the Art ofWar, New York 1985, beklagt er die verwissenschaftlichte Bürokratisierung des Pentagon unter McNamara. Modelldenken dürfe aber nicht allein die Entscheidungen bestimmen. Den Primat der politischen Ebene vertritt er entschieden in seinem letzterschienenen Buch, Strategy, Cambridge (Mass.) 1987. 85 Wolfgang Kownatka, a.a.o., 896. 86 Den Wandel der Strategien, politischen Voraussetzungen und der militärischen Optionen aus europäischer Sicht heute behandelt Ulrich Weißer, Strategie im Umbruch, Herford 1987.

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systeme, was sie auch in ihren Gründungsakten deutlich machten. Während im westlichen Bündnis die entsprechende militärische Strategie immer auch offen diskutiert worden war, gab es im Osten nur wenige inoffizielle Schriften darüber, zum Beispiel das Werk von Marschall Sokolowski aus den sechziger Jahren, welches von der Annahme eines atomaren Schlagaustausches ausging bis zum Sieg Moskaus. 87 Erst mit den achtziger Jahren setzt eine strategische Diskussion in den sozialistischen Staaten ein, bei der immer noch das ideologisch-politische Element im Kontakt mit der westlichen Friedensbewegung, bzw. als Element der Einflußnahme auf diese, Vorrang hatte. Doch das Eingehen auf ethische Fragestellungen bezüglich militärischer Gewaltanwendung und die Einsicht, daß der Ausbruch eines vollen Atomkrieges einen Sieg sinnlos machen würde, führte dann aus politischen Motiven zur Erklärung einer Militärdoktrin durch den Warschauer Vertrag im Frühjahr 1987. Diese nun publizierte Militärdoktrin gibt sich in der Absicht rein defensiv. 88 Die entsprechenden Potentiale, insbesondere an konventioneller Streitmacht, die Ausbildung der Streitkräfte, und die geostrategische Lage deuten aber auf ein offenes Konzept im Kriegsfalle hin mit weitem Vorstoß in das Staatsgebiet des angenommenen Aggressors. Hinzu kommen Asymmetrien in verschiedenen Bereichen, insbesondere auch solche, die zugunsten der sowjetischen entgegen den amerikanischen Streitkräften im Bündnis sprechen. Fraglos vertritt die NATO ebenso eine. Vorne-Verteidigung", aber aus den Umständen allein schon weniger offensiv. Die jüngste Diskussion um die jeweiligen Militärdoktrinen und die entsprechenden politischen W. D. Sokolowski, Militär-Strategie, Köln 31969. Das Dokument. Über die Militärdoktrin der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages" wurde am 29. Mai 1987 in Berlin auf einer Tagung des Politischen Beratenden Ausschusses des Warschauer Paktes veröffentlicht, wonach die Militärdoktrin Verteidigungscharakter trägt, und die .Ziele und Absichten auf militärischem Gebiet" zeigen sollen, daß nur die Fähigkeit zur Abwehr einer möglichen Aggression das Niveau der Gefechtsbereitschaft bestimmt. Ein Feindbild bestehe gegenüber keinem Staat oder Volk. Gerade letztere Aussage wird von westlicher Seite bezweifelt, da die ideologisch fundierte Weltmachtstellung der UdSSR eine expansive Außenpolitik mit der Militärdoktrin verbinde: die sozial-politische Stoßrichtung der Außenpolitik verlangt eine ebensolche Absicherung in der Militärdoktrin wie sie eine militärischoperative Ausprägung verlangt, nämlich die Vernichtung eines Angreifers auf dessen eigenem Territorium, also den Angriff. Dieses vom Westen vorgetragene Mißtrauen wird von der Sowjetunion zurückzuweisen versucht, indem auf die Argumentation des Westens eingegangen wird und auch das Ziel der Abschreckung, die Kriegsverhinderung, anerkannt wird. Jedenfalls ist die Diskussion um die Militärdoktrin in Gang gekommen und bahnt sich ein Wandel des Denkens hier auf beiden Seiten an. Für das sowjetische Umdenken war eine Erkenntnis im strategischen Denken bahnbrechend, die langsam heranwuchs, daß nämlich ein nuklearer Krieg nicht zu gewinnen sei. Damit verschiebt sich die Frage in den konventionellen Bereich. 87 88

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Verhandlungen zur Entspannung und Abrüstung stehen besonders darum unter dem Ziel der Reduzierung der gegenseitigen Invasionsfähigkeit unter den asymmetrischen Bedingungen. Damit hat sich aber die Strategiediskussion immer weiter auf das Feld der Politik begeben, ist der an sich defensiv formulierte Charakter der Militärdoktrinen immer mehr anerkannt. Eine weitere .Politisierung" der militärischen Gewaltanwendung hat sich in der Strategiediskussion durch alternative Verteidigungskonzepte89 ergeben. Hierbei haben unter anderem Kleinstaaten wie Österreich oder Schweden90 , aber auch Mittelmächte wie Frankreich aus ihrer militärisch geringeren Kapazität heraus versucht, mittels Strategie und Taktik eine hohe, politisch glaubhafte Verteidigungsfähigkeit zu signalisieren. Unter politischen Voraussetzungen stehen besonders auch die Sicherheitsstrategien der nicht paktgebundenen Staaten, die sich zu einer Bewegung der Blockfreiheit zusammengeschlossen haben. 91 Für Österreich92 wird eine Strategie der Hindernisse empfohlen, da es als Durchmarschgebiet und nicht als Ziel einer eigentlichen Aggression angesehen wird. Diese Hindernisse sollen dem Gegner Zeit und Kraft kosten, so daß das eigentliche operative Ziel nicht mehr erreicht würde. Das Beispiel von Frankreichs93 nationalem Verteidigungskonzept setzt insoferne auf Zeitgewinn, als die konventionelle Verteidigung durch Aufhalten des gegnerischen Vormarsches der Regierung die Option politischer Verhandlungen 89 Vgl. Lawrence J. Vale, The Limits of Civil Defence in the USA, Switzerland, Britain and the Soviet Union: The evolution of policies since 1945, London 1987. Er führt als Gründe zur Rechtfertigung ziviler Verteidigung an: humanitäre Rücksichten, den Grund des Überlebens des Staates und strategische Überlegungen zur Erhaltung der Abschreckungsfähigkeit gegen Drohungen. 90 Vgl. Hakan Wiberg, Swedish National Security Policy. Bulletin of Peace Proposals 1978, 308-316. Bezüglich der zivilen Verteidigung kommt er für Schweden zum Ergebnis: •The dissuasive effect of Civilian defence must be expected to be lower than that of military defence - but ... the differences may be modest." (315) 9\ Vgl. Radovan Vukadinovic, Sicherheitsstrategie der Mittelmeerländer, in: Wissenschaft und Frieden Nr. 3/4, 1987, 63-73. Die blockfreien Staaten entwickelten sich als Solidaritätsbewegung zur Sicherung nationaler Unabhängigkeit und wurden auch zu einem sicherheitspolitisch bedeutenden Instrument dieser Länder als Schutzverband zur Verringerung der politisch-militärischen Spannungen im Ost-West-Verhältnis. Vgl. Volker Matthies, Die Blockfreien, Opladen 1985. 92 Vgl. Emil Spannocchi, Verteidigung ohne Selbstzerstörung, in: Verteidigung ohne Schlacht (15-91), München 1976. Eindeutig begründet erscheint die Aufstellung militärischer Kräfte bereits mit Beginn seiner Souveränität 1955 für das nunmehr nach dem Schweizer Muster neutrale Österreich. Vgl. Manfried Rauchensteiner, Der Sonderfall, Graz 1979. Eine verallgemeinernde Theorie hat sich am Beispiel Österreichs mit eigenen Akzentsetzungen dazu entwickelt. Vgl. Werner W. Ernst, Democracy - Military System - Territorial Defence, in: Wiener Blätter zur Friedensforschung Nr. 22/23, Dez.!Jän. 1979/80, 33-36. 93 Guy Brossolet, Essai sur la non-bataille, Paris 1975.

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offen hält. Selbst der stufenweise Einsatz der Nuklearkräfte wird vor allem als Drohung und Abhaltung verstanden. Die Diskussion um alternative Defensivkonzepte94 für die ganze Allianz und zugleich deren Vorteile für die direkt an der Konfliktgrenze liegenden Staaten wie die BRD geht mit guten Argumenten weiter und hat über die öffentliche Meinung in den betroffenen Völkern Einfluß auf die politische und strategische Willensbildung gewonnen. Keine militärische Führung kann heute grausige Szenarien von Massenvernichtung95 im Gefolge angenommener Konflikte ungerührt durchspielen. 96 In der westlichen Strategiediskussion werden immer mehr und offiziös alternative Konzepte erörtert. 97 Mit der 1987 in Gang gekommenen Reduzierung der Nuklearwaffen kommt es zu Auswirkungen auf dem konventionellen Sektor und damit auf die neue Formulierung und die Glaubwürdigkeit der Militärdoktrin. Die Diskussion ist aber immer weniger auf militärische Aspekte beschränkt, sondern umfaßt immer mehr .ethische, philosophische, religiöse und politische Gesichtspunkte".98 Hinzu - dieses Hinzu sei hervorgehoben! - kommen Alternativkonzepte zur militärischen Gewaltan94 Vgl. Horst Afheldt, Atomkrieg, Das Verhängnis einer Politik mit militärischen Mitteln, München 1984. Vgl. ferner Thomas Hoppe, a.a.O., insbesondere den Abschnitt III, Militärstrategische Neuansätze (147-181) mit der abschließenden ethischen Sicht .Defensiver Verteidigung", ferner Erwin Müller (Hrsg.), Dilemma Sicherheit, Beiträge zur Diskussion über militärische Alternativkonzepte, Baden-Baden 1984 und Strukturgruppe Alternative Sicherheitspolitik (Hrsg.), Strukturwandel der Verteidigung, Opladen 1984. 9S Vgl. zum Beispiel Herman Kahn, Nachdenken über den Atomkrieg, Bern 1984. 96 Der Einsatz von Operations Research und damit von Modellen zur Abbildung der Realität militärischen Gewalteinsatzes unter Anwendung statistisch-mathematischer Methoden in der Landesverteiidigugng ist heute bei entsprechenden Studien selbstverständlich geworden. Auch im Einzelfall ist militärische Führung ohne Datenverarbeitung und Programmierung nicht mehr möglich. Entsprechende Planspiele dienen der Entscheidungsfindung. Grauenhaft anmutende Studienaussagen zu den Folgen militärischer Einsätze können die ethische Mitverantwortung der militärischen Führung an der Umsetzung der Landesverteidigung durchaus erhöhen und aus der rein technischen Ebene und Kommandostruktur lösen, so daß militärisch Denkbares auch für Militärs zur tatsächlichen Anwendung sittlich unerlaubt wird. Schon im Zweiten Weltkrieg war der militärischen Führung - freilich nur von den Siegern gegenüber den Verlierern! - verschiedentlich Schuld bei der Kriegführung selbst und nicht nur am Kriege zugesprochen worden. Dabei ging es nicht nur um Einhaltung des Kriegsvölkerrechts, sondern auch um Schadens- und Opferbegrenzung im Kampf. 97 Diese Diskussion ist schon auf Grund der Beschränkung der öffentlichen politischen Meinungsbildung - im Warschauer Pakt viel zurückhaltender. Darum sind auch den westlichen Initiativen unter dem Aspekt .gemeinsamer Sicherheit" Grenzen gesetzt. Vgl. Stephan Tiedke, Abschreckung und ihre Alternativen, Die sowjetische Sicht einer westlichen Debatte, Heidelberg 1986. 98 Wolfgang Kownatka, a.a.O., 898.

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wendung, die ganz auf Waffen verzichten wollen. Die sogenannte Soziale Verteidigung will den Aggressor abhalten durch Androhung der Verweigerung seiner Bürger zu jeglicher Zusammenarbeit und Unterstützung, während die sozialen Einrichtungen des besetzten Landes weiterarbeiten würden. 99 So ist die Entwicklung bereits über die Politisierung der Strategiediskussion und die Einengung der Militärdoktrinen der erklärten Absicht nach auf Defensive hinausgegangen, auf Beschränkung der Kriegsmittel überhaupt, einschließlich der weiteren qualitativen Neuentwicklung offensiver Kapazitäten, und verändert damit den Bedrohungscharakter durch Kriegführung selbst hin auf Abhaltewirkung. Das kommt besonders bei den diskutierten Alternativkonzepten zum Ausdruck. Immer mehr politische Wirkung als System internationaler Sicherheit mit immer weniger Waffen, so läßt sich die Tendenz für die militärische Gewaltandrohung heute zusammenfassend beschreiben. Zur politischen Bewertung von Militärdoktrinen muß noch besonders deren historische und ideologische Mitbestimmtheit von den Voraussetzungen her in Betracht gezogen werden, was wieder die besondere Beachtung der ethischen Komponente in der Beurteilung erfordert. Ein gutes Beispiel für die .Last der Geschichte" ist das Verteidigungsdenken in der sowjetischen Supermacht. Während die USA außer dem Bürgerkriegserlebnis vor längerer Zeit keine kriegerische Invasion ihres Landes erfahren haben, hat Rußland die Angriffe Napoleons und Hitlers zu überstehen gehabt. Hinzu kommt ein ideologisches Bollwerkdenken, weil es die Ansprüche des ersten kommunistischen Staates der Welt wahren wollte gegen die ideologisch erwartete und teilweise auch vom Westen versuchte Eindämmung und Beseitigung der .kommunistischen Gefahr". Beide Seiten sind in der ideologischen Konfrontation der Gefahr eines Kreuzzugdenkens ausgesetzt, bei dem der Vorwurf der Expansion und der Aggression gegenseitig erhoben wird, der oftmals aus ideologischen und politischen Äußerungen jeweils auch belegt werden kann. tOO Aus einem Krieg der Worte folgt oft die militäri99 Vgl. die Publikationen von Theodor Ebert: Gewaltfreier Aufstand, Alternative zum Bürgerkrieg, Freiburg 41983; Demokratische Sicherheitspolitik, Mit Beiträgen von Theodor Ebert, München 1974; Soziale Verteidigung, 2 Bde., Waldkirch 21983. Völkerrechtliche Überlegungen zur Sozialen Verteidigung wurden besonders für neutrale Staaten angestellt, zum Beispiel von Andreas Maislinger, Soziale Verteidigung und österreichische Völkerrechtslehre, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 1979/3, 359-371. 100 Es gibt drei westliche Denkschulen zur Beurteilung der Außenpolitik der UdSSR: eine fundamentalistische sieht ein ständiges Streben nach Weltherrschaft; eine sicherheitspolitische Richtung beurteilt die sowjetische Außenpolitik defensiv; schließlich hält die realistische Einschätzung dafür, daß die Sowjets einerseits ihre Position absichern wollen, also im Grunde defensiv sind, durchaus aber Möglichkeiten zur Expansion aufzugreifen bereit sind. Letztere, nicht unbegründete Auffassung

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sche Antwort unmittelbar. Der Ausweg ist hier Sicherheitspolitik mit Hilfe des Dialogs der Weltanschauungen und des historischen und psychologischen Verständnisses füreinander. Statt militärischer Konfrontation bedarf es hier eines Maßes an internationaler Partnerschaft. Die Alternative, die immer wieder beide Seiten machtpolitisch verlockt, ist das Trachten nach einer Position der Stärke aus einer Überreaktion heraus. Hierbei wirken sich Eigenheiten des politischen Systems aus, indem in westlichen Demokratien der Aufbau militärischer Macht der Unterstützung der politischen Meinungsbildung viel mehr bedarf, während sie in einem zentralistischen Macht- und Gesellschaftssystem leichter politisch durchsetzbar ist und ideologisch propagiert werden kann. Allerdings ist damit noch nicht die wirkliche Überlegenheit des diktatorischen Gesellschaftssystems, vor allem auch seiner kulturellen und wirtschaftlichen Kraft, auf die Dauer ausgesagt. Damit führen auch diese Überlegungen vom militärischen Machtbereich in geistige und politische Erwägungen und der entsprechenden .Rüstung" nicht gegen jemanden als Feind, sondern als Partner mit legitimen Verteidigungsinteressen. Damit ist die Militärdoktrin aber letztlich von der Propaganda einer Seite zu unterscheiden, die Diskussion darüber ist zu objektivieren und allseitig argumentativ zu führen. Besondere Vorsicht hat zu walten, wenn Entspannungspolitik als Appeacement zu unrecht diskreditiert wird, da der Friedenswille sittlich notwendiger Bestandteil von Verteidigungspolitik und selbst der Militärdoktrin ist. 2.4.3. Die Abschreckung als Teil der Militärdoktrinen im Wandel In der Strafrechtstheorie hat die Abschreckung immer schon eine ethische Bewertung gefunden, obwohl die Abhaltewirkung zum Beispiel der Todesstrafe ebenso immer in Diskussion stand, insbesondere bezüglich der Messung ihrer Wirksamkeit. Was im individuellen Fall sicher schwieriger zu bewerten und zu bemessen ist, gewinnt im statistischen Durchschnitt für eine Großgemeinschaft rational Handelnder eine höhere Wahrscheinlichkeit. Bei der internationalen Sicherheit handelt es sich, zumindest zumeist, um staatenähnliche Gemeinschaften, auf die die Abhaltewirkung zielt, sodaß erhöhte Berechenbarkeit und einsichtige Reaktion wahrscheinlich ist. Abschreckung ist nicht an sich schon aggressiv, sondern kann als Verteidigungsmaßnahme angenommen werden. Ihre politisch formulierte Konditionalität kann Abschreckung auch als nicht an ein konkretes Feindbild gebunden erscheinen lassen. Deutlich kann das am Beispiel der Militärdoktrin eines immerwährend neutralen Staates, wie Österreich, gemacht wervertritt zum Beispiel die amerikanische Studie des Random House, The Soviet Paradox, New York 1987.

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den. Nach dessen Landesverteidigungsplan aus 1975 gibt es zur Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit nach außen und der Unverletzlichkeit der Grenzen im Rahmen umfassender Landesverteidigung entsprechende militärische Strategien. Der so kalkulierte .Eintrittspreis· für einen Aggressor unterliegt zwangsläufig einer Kosten-Nutzen-Analyse. Nicht nur deren Prognose und operationale Abschätzung ist sehr schwierig, auch insbesondere die Verhältnismäßigkeit von Grundwerten wie Freiheit und Leben zu materiellen Werten ist problematisch. Hinzu kommt die Risikoeinschätzung der Eskalation der Gewalt im Falle des tatsächlichen Eintretens von militärischen Maßnahmen. tOt Die einem kleinen Staat verfügbaren Ressourcen und Mittel zur Landesverteidigung begrenzen heute seinen militärischen Handlungsspielraum beträchtlich. Dennoch kann er in einen Konflikt hineingezogen werden, der zum totalen Krieg zu eskalieren drohte, dessen erhöhtes Risiko bereits als unsittlich eingestuft werden müßte, für den allerdings andere direkt verantwortlich wären als die Führung des neutralen Kleinstaates. Daher können solche militärische Strategien zur Abhaltung potentieller Angreifer eigentlich nur Verteidigungswillen nach außen signalisieren und wieder politische Reaktionen beabsichtigen, aber nicht die alleinige Entscheidungsgrundlage für den tatsächlichen militärischen Einsatz im Kriegsfalle sein. Dazu ist die Datenfrage schon viel zu komplex, und das sittliche Urteil muß unter andere letzte Prinzipien gestellt werden, als wenn rein mathematisch-logisch, induktiv vorzugehen wäre. Auf Österreich angewendet würde der Verfasser den Eintritt des Verteidigungsfalles, der Verluste höheren Ausmaßes für seine Bevölkerung und/ oder das Risiko zu einem Atomkrieg brächte, als Ende der Verteidigungspolitik und eigenen Handeins ansehen und den auslösenden Befehl zu unterlassen anraten. Umso mehr müßte allerdings das Völkerrecht dahin entwickelt werden, daß es andere gültige Zeichen des Willens zur unverletzlichen Souveränitätsausübung geben sollte, als die Entscheidung zur vollen Kriegführung des Verteidigers. An diesem aber erkennen wir die ganze Konditionalität von militärischer Abschreckung, da der Ernstfall im moralischen Dilemma enden muß, sobald die politischen Signale der Waffengewaltandrohung versagen. t02 101 Es gibt Fallstudien für Österreich, die für die (zumindest zeitweilig) erfolgreiche Abwehr eines feindlichen Durchmarsches durch das Staatsgebiet als Preis den Tod von 100.000 bis 200.000 Österreichern, nicht nur Soldaten, annehmen. Dem letzten Weltkrieg sind etwa 400.000 Menschen hierzulande zum Opfer gefallen. Wieviel kann nun eine solche vage Opferbilanz mit immer noch unsicherem Erfolg zu einer Entscheidungsfindung der verantwortlichen Autorität helfen? Solange aber die Erhaltung der sicherheitspolitischen Lage ohne Konfliktausbruch mit dem vorhandenen Drohpotential gegeben ist, haben solche potentielle Abwägungen durchaus Sinn und Erfolg. Erst der Konfliktausbruch verändert die Logik der Argumentation und die Entscheidungsfindung wesentlich, stellt sie jedenfalls neu. 102 Franz Böckle spricht von einem in der Abschreckungsstrategie wirksamen

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Für die Abschreckung spricht, daß sie bis heute auf der Ebene der direkten Konfrontation der Supermächte und ihrer Verbündeten funktioniert hat. I03 Für sie spricht aber insbesondere, daß sie als Ausgangspunkt für eine Verminderung des auch nur angedrohten Gewalteinsatzes dienen kann. Sie erscheint durch ihre politisch gewollte Konditionalität als nicht in jedem Fall in sich böses Mittel und daher für den guten Zweck der Kriegsverhinderung und im folglichen Verteidigungseffekt für die Staaten anwendbar. Nur eine Bedingung muß für die Erlaubtheit besonders gestellt werden, nämlich die Einhaltung des militärischen Gleichgewichts für alle Seiten, also der Verzicht auf ein Überlegenheitsstreben. Eine Position der Stärke im Abschreckungssystem kann nur die gleicher Stärke sein mit dem Ziel der Niveausenkung. Da nun die Abschreckung letztlich nicht militärisch-quantitativ wirkt, sondern unter politischen Bedingungen im internationalen Kräftefeld, ist ein rein zahlenmäßiges gegenseitiges Aufrechnen von Gewaltmöglichkeiten nicht zielführend. Die Daten gerade im objektivierten technischen Teil des Gleichgewichts reichen nicht aus, um das System zu erhalten und politisch, also sittlich zu beeinflussen. lo4 Abschreckung muß daher immer und immer mehr ein Verhandlungsgegenstand sein und von Menschen verantwortlich getragen werden. Dazu bedarf sie allerdings sachlicher Grundlagen und Mittel zum Einsatz in ebensolchen Verhandlungen. lOS Um Erpressungsmöglichkeiten auszuschließen, ist es im Sinne der Verhandlungsführung eben notwendig, vom Gleichgewicht der Kräfte und der gleichen Fähigkeit zur Kriegsführung auszugehen. Dazu bedarf es allerdings eines Spielraums subhypothetischen Willen, auch mit Atomwaffen .angepaßt· zu reagieren, soll die Abschreckung glaubhaft sein. Somit erscheint ihm der .denkbare Einsatz der angedrohten Mittel" sittlich tolerierbar und durch den vorhandenen Spielraum einer angepaßten Reaktion unter der Schwelle des totalen Krieges dem Prinzip der Schadensbegrenzung zugänglich. Damit hält diese Sicht die ethische Urteilsfindung in der Disposition über den Einsatz der gegenwärtigen Mittel zur Verteidigung einschließlich des Besitzes von Nuklearwaffen offen. Vgl. seinen Beitrag, Ethische Prinzipien der Sicherheitspolitik, in: Franz Böckle und Gert Krell (Hrsg.), Politik und Ethik der Abschreckung, Mainz 1984,9-23. 103 Schon Alfred Nobel hatte 1866, als er das Dynamit erfand, geglaubt, seine abschreckende Wirkung sei groß genug, um alle zivilisierte Nationen vor einem Krieg zurückschrecken zu lassen! 104 Den Gleichgewichtszustand im Rahmen der Sicherheitspolitik beschreibt Gerhard Wettig, Umstrittene Sicherheit - Friedenswahrung und Rüstungsbegrenzung in Europa, Berlin 1982, 10, als die wechselseitige Möglichkeit zur Neutralisierung feindseligen Handeins. Damit ist das .Raketenzählen" in der Sicherheitspolitik auf einen niedrigeren Stellenwert gerückt, und selbst mengenmäßige Unterlegenheiten können noch hinlänglichen Abhaltewert haben. 105 Von Sicherheitspolitik im .Zeitalter der Verhandlungen" spricht zum Beispiel schon Lothar Ruehl, Machtpolitik und Friedensstrategie, Hamburg 1974.

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jektiver Einschätzung, was wiederum vorzüglich im politischen Bereich der Beurteilung liegt. Die Abschreckung ist aus der militärischen Kräftedynamik zu entlassen und nicht vordringlich mit Ausdrücken von Machtentfaltung weiter zu beschreiben wie massiv, hinreichend, wesentlich. Sie bedarf einer qualitativen Sicht im Bewußtsein der internationalen Öffentlichkeit und also der potentiellen Gegner. Sie muß als .Botschaft" wahrgenommen werden können, um auf ihre politische Wirkung hin und nicht als operatives Instrument angesehen zu werden. Sicherheit besteht nur so lange, als verhandelt wird. Die militärische Logik legt eine Güterabwägung bis zum Übel des totalen Krieges nahe, wo immer noch die Erhaltung und Verteidigung von Freiheit und Gerechtigkeit höher steht und damit die Rechtfertigung selbst kriegerischer Verteidigung mit allen Mitteln. Nur bedarf selbst ein höchster Wert einer Güter-Fundierung, das ist hier das Überleben eines Volkes und schließlich der Menschheit. Solange aber Menschen auf dieser Erde leben, wird der Wille zur Freiheit und das Streben nach Gerechtigkeit nicht auszulöschen sein. Hier endet moralisch bereits die militärische Gewalt, nicht erst im physischen Weltuntergang. Wichtig wäre es, die sogenannte Abschreckungsdoktrin, selbst derzeit noch und vor allem mit Atomwaffen konzipiert, als Verteidigungsdoktrin mit Schwerpunkt auf der politischen Komponente und der Tendenz zur Abrüstung zu verstehen. Militärische Ziele stehen im Kontext der Politik, sie sind nicht mehr mit Gewalteinsatz zu erreichen, sondern nur mehr politisch unter ethischem Gemeinwohlbezug, also in internationaler Kooperation. Diese Ambivalenz,l06 die heute jeder Militärpolitik zum Kriegseinsatz und zur Friedenssicherung innewohnt, gewinnt durch die Dominanz der auf den Frieden an sich gerichteten Politik an sittlicher Güte und Erlaubtheit. Entscheidend ist daher die Ausrichtung der Verteidigungspolitik unter Gewaltandrohung bis zu atomarer Abschreckung auf internationale Kooperation, auf Interessengemeinsamkeit und die Absage an militärisch gestützte Expansion. Das bedeutet letztlich eine politische Anstrengung, ja Vorgabe gegen die Logik militärischer .Objektivität", nämlich den Abschied vom .Denken des schlimmsten Falles" (worst case thinking). Wieder ist dies nur möglich, wenn hinter dem Aufbau militärischer Machtmittel für die Politik ein Minimum an . 106 Hinzu kommt ein seltsames Paradox, daß nämlich die militärische Drohung,

die sich auch und insbesondere auf die Zivilbevölkerung richtet, also die atomare Abschreckung, wirksamer den Krieg verhindert, als Waffen, die militärische Ziele zwar direkt ausschalten können, aber destabilisierend wirken können. Daraus ersieht man aber, daß die politische ethische Logik anders läuft als die rein militärische Logik. Letztlich aber hat sich das menschliche Handeln an einer zwar sachorientierten, aber normativ ethisch bestimmten Rationalität zu orientieren und vor diesen Normen zu verantworten.

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Friedenswillen ausgemacht werden kann bzw. an Interessengemeinsamkeit gilt. Diese soziale und ethische Sicht der Militärpolitik und Abschreckung, ihre Herauslösung aus scheinbarer .Objektivität", die den Menschen zum Objekt verdinglicht und ihm den Handlungsspielraum nimmt, ist im Kontext der Strategiebetrachtung insbesondere für das Abrüstungsproblem wichtig. Die militärischen Streitkräfte werden heute (abgesehen von wirtschaftlichen Gegebenheiten) - nicht alle verfügbaren Waffensysteme werden produziert und weiterentwickelt - nach politisch-strategischen Überlegungen ausgerüstet. Insoferne kommt der Strategie jeweils eine entscheidende Rolle zu. Die Rüstung steht immer mehr unter der politischen AufgabensteIlung an die Streitkräfte, die Kriegführungsfähigkeit als Antwort auf die Bedrohung durch den potentiellen Gegner angemessen zu erhalten. Diese Fähigkeit wird aber dazu als notwendig erachtet, um Sicherheit und Frieden politisch zu gewährleisten. Daher kann Abrüstung ebenso wie Rüstung keine Eigendynamik entwickeln, sondern ist sie unmittelbar im politischen Kontext zu sehen und steht in einem sozialen Rahmen, das heißt, sie ist nur koordiniert und kooperativ möglich. l01 Die Kriegführungsfähigkeit gewinnt aber hinsichtlich der Auswirkungen auf die Rüstung durch die wesentliche Verbindung mit Strategie und deren eindeutig politischem Schwerpunkt einen neuen Charakter. Die Abschreckungsstrategie gibt der Rüstung zur Erhaltung der Kriegführungsfähigkeit nicht mehr unbedingt die Bedeutung eines Kriegsmittels, sondern eine positiv gerichtete Logik, nämlich die Absicht des Friedens unter Vermeidung des Krieges. Nicht mehr die Ausrichtung auf den Sieg der Waffen, auch nicht auf geglückte militärische Verteidigung, sondern auf Friede ohne Gewaltanwendung ist das Ziel dieser Logik. Also ist die Chance gegeben, durch Kooperation im Gleichgewicht der Rüstung auch das Niveau und die Stärke der Rüstung zu senken. Letztlich geht es heute um die Gewährleistung einer strukturellen Nichtangriffsfähigkeit zur Glaubhaftmachung der DefensiveinsteIlung der konfrontierenden Militärbündnisse in Ost und West. Das kann aber nicht allein strukturell oder militärstrategisch erreicht werden, sondern nur durch politische Mittel. Das heißt aber, daß Politik nicht ohne Ethik und Bindung an das Gewissen gemacht werden kann. Auch Anatol Rapaport kommt in seiner analytischen Untersuchung zur Strategie zu dieser Schlußfolgerung. 108 In seiner unter dem Titel Strategy besprochenen Logik des Krieges und des Friedens spricht der derzeit wohl bekannteste amerikanische Spezialist für strategische Studien, Edward N. Luttwak, von einer paradoxen Logik derselben, nämlich durch die Vorbereitung auf Maßnahmen zweier Gegner 107 Vgl. Martin Müller, Die Theorie der kooperativen Rüstungssteuerung, in: Klaus-Dieter Schwarz (Hrsg.), Sicherheitspolitik, Bad Honnef-ErpeI 2 1977, 107-124. 108 Strategy and Conscience, New York 1964.

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zum Krieg nicht bloß Kriegführung anzustreben, sondern zugleich der politischen Logik zu dienen. Das Denken gehe in zwei Richtungen. In der vertika1en Linie werden die Ebenen von Technik, Taktik, militärischen Optionen insgesamt oder in geographischer Beschränkung (theater strategies) verknüpft beschrieben. Im logischen Zusammenhang, von ihm in horizontaler Richtung betrachtet, ergäbe sich die paradoxe Situation, daß die Logik der Strategie als Hilfe für die Politik für die Führung des Krieges ebenso in Frage kommt wie für die Erhaltung des Friedens. Für die Entscheidungsfindung bleibt Strategie danach eine Hilfe, gleichsam einer (im Ausgang ungewissen) Forschungsexpedition die Wege zu suchen. Womit aber als Unbekanntem gerechnet werden muß, ist immer noch das tatsächliche Verhalten der Menschen in einem möglichen Krieg. Insoferne sind Diplomatie, Propaganda, geheimdienstliehe Operationen und ökonomische Maßnahmen ebenfalls als Elemente der Gegnerschaft von Staaten untereinander Gegenstand der Logik der Strategie. Je mehr aber nach unserem Ermessen das politische Element in der Strategie Oberhand gewinnt, desto mehr wächst der internationale und kooperative Charakter von Strategie. Hier beginnt sich aber die Logik des. Willst du den Frieden, rüste zum Krieg", die Luttwak als im Widerspruch zur geltenden linearen Logik des gesunden Menschenverstandes (common sense) sieht und als paradox bezeichnet, zu entschärfen. Die Strategie wird zu einem Mittel der Kommunikation, zu einer sozialen Abschreckung entsprechend dem allgemeinen Verständnis: .by inducing the coming together and even the reversal of the opposites·, schreibt Luttwak. 109 Diese Entwicklung der Kriegsverhütungspolitik auf positiv gerichtete Friedenspolitik im Zeichen der sich verändernden Abschreckung unter dem Einfluß der politischen Veränderungen - gemeint ist besonders der Entspannungsprozeß! - gibt der in den späten siebziger Jahren unter anderen von Wolf Graf von Baudissin geprägte Begriff und Gedanke der Kooperativen Rüstungssteuerung wieder. Darunter wird eine politisch-militärische Strategie verstanden, .mit der Staaten oder Bündnisse trotz aller bestehenden Konflikte und Antagonismen als ,Partner' ihre Militärpotentiale, deren Strategien, Umfang, Strukturen, Dislozierung und sogar deren Einsatz im Interesse ihrer beiderseitigen Sicherheit aufeinander abstimmen". 110 Diese strategische Stabilität als Folge der Logik der Friedensförderung und -sicherung liegt - so verschieden die Interessenlagen sich im Detail auswirken mögen! - der gegenwärtigen Strategiediskussion allgemein als Zielvorgabe zugrunde. Das betrifft nach der INF-Einigung Ende 1987 die a.a.O., 5. Wolf Graf von Baudissin, Dieter S. Lutz (Hrsg.), Kooperative Rüstungssteuerung, Baden-Baden 1981, gemeinsamer Beitrag beider Herausgeber unter dem Titel Kooperative Rüstungssteuerung in Europa, (9-48), 13. 109 110

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Strategiedebatte für die Folgen für Europa. Das gilt für die längerfristigen Überlegungen unter Einbeziehung von China und Japan und im Hinblick auf die Dritte Welt in einer internationalen multipolaren Mächteordnung, die die gegenwärtige bipolare Situation mit zwei Supermächten ablösen dürfte. Das neue Schlagwort heißt Discriminate Deterrence lll , frei übersetzt mit .Abschreckung nach Maß". Ziel ist die Senkung der Rüstungslasten, ohne die Verteidigungsfähigkeit zu gefährden, einschließlich des Abbaus atomarer wie konventioneller Offensivwaffen. Gerade die in den nächsten Jahren ansteigende Zahl der Staaten mit Produktion eigener Atomwaffen (mehr als vierzig werden prognostiziert!) verlangt dies. Auch in der Diskussion im Warschauer Pakt um die Politik im Nuklearzeitalter hat sich die Strategiediskussion eindeutig auf die politische Ebene verlagert und sucht die Schlußfolgerungen für die .Logik des politischen Denkens" grundlegend neu zu ziehen, um .ein für allemal mit der Denk-und Handlungsweise" zu brechen, .die jahrhundertelang auf der Vertretbarkeit, Zulässigkeit von Kriegen und bewaffneten Konflikten basierte". Dieses Ziel wird aber nicht mehr unter der Voraussetzung des Klassenkampfes unter Einschluß der Kriegführung im internationalen Ausmaß angestrebt. Man spricht von friedlichem Wettbewerb in der einen Menschheit, also folglich von einem sozial geordneten Wettbewerb als Weg zum Frieden, ohne daß der .Sieg" einer Interessengruppe mittels Krieges mehr angesprochen würde. Über den Gegensätzen stehe die Einheit! Diese Sicht wird in ein Konzept von .Rüstungsbegrenzung und Abrüstung" hineingestellt, das als Verzicht auf die Konzeption der .nuklearen Abschreckung" bezeichnet wird. Allerdings nehmen sich die vorgeschlagenen Schritte zur Verwirklichung des Konzepts nicht wesentlich anders aus als die .westliche" Militärdoktrin, wenn man die Grundannahme der .östlichen" Sicherheitspolitik von starken Kräften im .Imperialismus", die .am Streben nach militärischer Überlegenheit" und am .alten, militärischen Denken und Handeln" festhielten, 112 nicht gleichermaßen teilt. Eine amerikanische Untersuchung der militärischen Zielsetzungen in der sowjetischen Außenpolitik kommt 1987 zu dem Ergebnis, daß die militärischen Antworten zu den Weltproblemen seitens der UdSSR politisch gesehen werden müßten. Es wäre ein Fehler, statt sozio-ökonomische Lösungen 111 Vgl. dazu das amerikanische Strategiepapier einer Studiengruppe (Fred Ikle u. a.), Anfang 1988 unter diesem Titel publiziert. Es signalisiert den Umschlag von der Quantität der Abschreckung zur Qualität und damit eine dritte Phase der Abschreckungsdoktrin des Westens. Es begann mit •massiver Vergeltung", es folgte die .gestufte Antwort" und die Verbindung von .Abschreckung und Verteidigung", schließlich als Strategie der .flexiblen Antwort" formuliert. Bei dieser Entwicklung ist die Verbindung der europäischen Verteidigungsinteressen mit den amerikanischen ein schwieriger Punkt. 112 Abrüstung Überlebensfrage der Menschheit, a.a.O., 63 ff.

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der Probleme zu suchen, den Wettbewerb zu militarisieren. Die USA hätten 1981 bis 1984 in der Weltöffentlichkeit eben den Anschein entstehen lassen, daß der Nuklearkrieg wahrscheinlicher würde. 11 3 Unter Hinweis auf diese Studie, allerdings mit der gebotenen Vorsicht, da die vorgelegten Schlußfolgerungen nicht in allem überzeugen, kann doch von der Annahme ausgegangen werden, daß auf beiden Seiten der Supermächte, also auch von der Sowjetunion, heute in deren Strategien nicht die militärischen Mittel, sondern der politische Zweck der Friedenssicherung den Vorrang gewonnen haben. 2.4.4. Folgerungen für die völkerrechtliche Durchsetzung des Menschenrechts auf Frieden

Sicherheit und Friede als Ziel der Politik oder Staatskunst sind heute international als Werte im Bewußtsein der Menschen und Völker fest verankert. Weiter entwickelt sich das Rechtsbewußtsein dahin, für ein menschenwürdiges Leben den Frieden als Bedingung zu sehen, der mehr bedeutet als das Schweigen der Waffen, also von einem Menschenrecht mit positivem Inhalt zu sprechen. In der Menschenrechtsdiskussion entwickelten sich nach den klassischen Freiheitsrechten des Individualismus die sozialen Menschenrechte als Anspruchsrechte der Person an die politischen Instanzen. 1 14 Ein Ausdruck dafür ist der Wohlfahrtsstaat mit seiner Intervention zugunsten der Gemeinwohlziele der Gesellschaft. Diese sozialen Menschenrechte können nun als Sozial auftrag der Bürger an die Politik und die dafür ermächtigten Instanzen gesehen werden. Es ist sicher die Frage, wieweit eine verfassungsrechtliche Garantie dieser Menschenrechte zu ihrer Sicherung notwendig oder auch nur nützlich sein kann, außer der Wirkung auf die allgemeine Bewußtseinsbildung dafür als Wertinhalte der Politik und damit ihrer Wertsicherung. Für die Friedenssicherung der Völker .nach außen", für friedliche Grenzen sind aber die Staaten heute eindeutig auf ein weltweit gesehen ungeheures militärisches Potential von Waffen, Militärtechnik und Militärstrategien verwiesen, das dem unbefangenen einzelnen Bewohner auf dieser Erde als ein erdrückender Machtapparat erscheinen muß, der für Millionen von ihnen, ohne jedes eigene Zutun, immer noch durch Kriege an vielen Orten tatsächlich statt Frieden und Wohlstand Tod und Elend verursacht. Wo bleibt das Menschenrecht auf Frieden, wenn die Rechtsverwirklichung weder die Rechtsbrecher selbst hindern kann noch die von Unrecht Bedrohten davor wirksam schützen kann? 113 V gl. Michael MeeGwire, Military Objectives in Soviet Foreign Poliey, Washington 1987, insbes. 376 f. 114 Vgl. Bd. I, 176 ff.

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Doch so prekär die internationale Lage auch sein mag, das vorhandene Instrumentarium der Friedenssicherung nicht befriedigen und der Friedenswille in der internationalen Politik nicht ausreichen mag, der erreichte Zustand des Weltfriedens heute ist ein Fortschritt und der Stand des Wissens um Recht und Frieden in den Völkern stellt ein Auftragspotential an die Weltpolitik dar, das nicht gering erscheint. Dies ermutigt, von den gegebenen Tatsachen und dem internationalen Bewußtsein aus vom Menschenrecht auf Frieden und seiner Verwirklichung zu sprechen. 115 Das Menschenrecht auf Frieden steht an der Spitze der sozialen Menschenrechte, im Frieden, in der wohlgeordneten Völkergemeinschaft zu leben. Es ist im Grundsatz auch ein individuelles Freiheitsrecht, weil es von der Unantastbarkeit der Person ausgeht, die freilich nur im sozialen Kontext verstanden werden kann. So ist die Freiheit der Person nur denkbar durch die Voraussetzungen und Bedingungen, die die gesellschaftliche Verbindung und Kooperation einer Vielfalt von Personen unter Achtung der gleichen Freiheit eines jeden Gliedes der Gemeinschaft entstehen ließ. Die Bedingung des Weltfriedens ist nun aber letztlich auch Ergebnis der gesellschaftlichen Kooperation aller Menschen in einem pluralistischen Sozialgefüge mit der Menschheit und dem Weltgemeinwohl an der Spitze.u 6 Dennoch hört der Einzelmensch nicht auf, der letzte Träger auch der sozialen Ansprüche an das Gemeinwohl zu sein, hier näherhin, daß er personal Anteil an Frieden und Wohlfahrt der Völker hat und Maß und Bestimmung dieser Werte gemäß seiner Menschenwürde ist. Der Adressat dieses Anspruchs aber ist die dafür zuständige Einheit der sozialen Kooperation, und das ist die Menschheit, die freilich als politische Ordnungseinheit noch nicht wirksam konstituiert ist. Die Menschheit hat daher nicht das Macht- und Durchsetzungsmonopol, das zur Durchsetzung des Menschenrechts auf Frieden notwendig wäre. Das ist auch die Schwäche des Völkerrechts mangels einer Weltautorität. Wir haben aber rechtsphilosophisch zwei im Bewußtsein der Menschheit aufgebrochene und wirksam gewordene Ansätze zu einer wirksamen internationalen Friedensordnung zur Wahrung des Menschenrechts auf Frieden. Das ist einmal die SubjektsteIlung des Einzelmenschen im Recht bis zum obersten Gesellschaftsgebilde Menschheit und die Herausbildung dazu von Eigenrechten der sozialen Einheiten, soweit sie für die gesellschaftliche Kooperation unentbehrlich, also naturnotwendig sind. Zum anderen sind bereits bestehende und wachsende Notwendigkeiten, die auf Einsicht beruhen, zur Kooperation innerhalb der Menschheit als oberster Gemeinschaft vorhanden. 117 Zu dieser Erkenntnis ist die Anerkennung eines praepositiven 115 116 117

Vgl. Bd. I, 168 ff. Vgl. Bd. I, 77 ff.

Insoferne das Rechtsbewußtsein von den Menschenrechten eine historische

2.4. Ethik der Verteidigungspolitik

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Rechts im Sinne des klassischen Naturrechts nicht Vorbedingung, wenn nur über den Zweck des zu satzenden und in Geltung zu bringenden Rechts der Völkergemeinschaft Übereinstimmung erzielt werden kann, daß es also für ein gedeihliches Zusammenleben der Völker einer Rechtsordnung bedarf, die auftretende Konflikte im Rahmen der Menschenrechte friedlich zu regeln vermag. In einem Stufenbau der Völkergemeinschaft sind die Staaten damit heute die unmittelbaren aktuellen Adressaten des Menschenrechts auf Frieden, wenn sie auch nach dem Subsidiaritätsprinzip nicht in letzter (souveräner!) Vollmacht agieren, sondern die nicht voll ausgebildete politische Einheit der Weltgesellschaft vertreten. Weltsicherheitspolitik wird heute durch die internationale sicherheitspolitische Kooperation der Staaten nach dem Prinzip ihrer gleichen Sicherheit wahrgenommen zur Sicherung des Menschenrechts auf Frieden. Faktisch ist demgemäß der kooperative Ansatz der internationalen Sicherheitspolitik richtig und weiter zu entwickeln. Damit sind wir letztlich aber bei den Militärdoktrinen der Staaten, die nicht in deren freiem Belieben stehen, sondern in sittlicher Verantwortung vor der Menschheit und jedem Menschen als Rechtssubjekte und Auftraggeber, Frieden zu schaffen, zu verstehen sind. Damit bekommen das Militär, die Soldaten und deren Bewaffnung und Ausrüstung eine sie begrenzende Rechtsgrundlage, die sich in ersten Ansätzen schon zeigt. Die beim 2. Vatikanischen Konzil versammelten Bischöfe haben sich 1965 zur Frage der Ächtung des Krieges nach eingehenden Beratungen geäußert. Ihre Erklärung, die auf der Linie der Äußerungen aller Religionen und der anderen christlichen Kirchen unserer Zeit liegt, soll hier als ein Zeitzeugnis für die moralische Stimme der Menschheit beispielhaft angeführt werden. Die absolute Ächtung des totalen Krieges,118 die unter Auflagen noch besteEntwicklung durchgemacht hat, können wir von Phasen der Menschenrechtsentwicklung sprechen, ohne die Einheit dieser Rechte und den letzten Träger derselben, die menschliche Person, in Frage zu stellen. Mehrere Autoren begannen Ende der siebziger Jahre von einer .dritten Generation" der Menschenrechte zu sprechen nach den individuellen und später den sozialen Menschenrechten. Vgl.: Karel Vasak, Pour une troisieme generation des droits de I'homme, in: Christophe Swarinski, Etudes et essais sur le droit international humanitaire et sur les principes de la Croix-Rouge en l'honneur de Jean Pictet, Geneve 1984, Diego Uribe-Vargas, La troisieme generation des droits de l'homme, Paris 1985. Vgl. zur ganzen Problematik Paul Le Vay, Le droit ci la paix comme droit de l'homme et droit des peuples en droit international, Manuskript der Rechtsfakultät der Universität Strasbourg bei Prof. A. C. Kiss, 15. September 1987. 118 Vgl. Pastoralkonstitution Die Kirche in der Welt von heute (Gaudium et spes) Nr. 80: .Jede Kriegshandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte oder weiter Gebiete und ihrer Bevölkerung unterschiedslos abstellt, ist ein Verbrechen gegen Gott und gegen den Menschen, das fest und entschieden zu verwerfen ist." 6'

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hende Zulässigkeit der militärischen Verteidigung und der noch auf Zeit in der Nachfolge des Konzils sich weiterentwickelnde Lehre - geduldeten Abhaltewirkung selbst atomarer Rüstung 1l9 waren für das Gewissen der mit Sicherheitspolitik verantwortlich befaßten Politiker wie Militärs zu vereinen, bzw. galt es ebenso, die Freiheit des persönlichen Gewissens zur Verweigerung des Militärdienstes für den Staat gleichzeitig zu betonen. 120 Der entscheidende Satz zur Lösung des Problems greift unseren kooperativen Ansatz auf: •Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, betrachte sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker. Indem er diese Aufgabe erfüllt, trägt er wahrhaft zur Festigung des Friedens bei."121 In diesem Verständnis des Zusammenhanges und der Entwicklung des Überganges erscheint dieser Satz nicht unbedingt aporetisch, seine wehrethische Interpretation im einzelnen, die widersprüchlich ausgelegt werden kann, ist noch zu besprechen. In der Formulierung des Konzils wird der Soldatendienst für das einzelne Vaterland auf das Gut des Friedens aller Völker hinbezogen, als Dienst für die Verwirklichung des Menschenrechts auf Frieden. Dieser Dienst ist derzeit noch nur in nationalen Uniformen und unter Strategien möglich, die die Androhung der Verteidigung mit entsprechender Gegenrnacht beinhalten, also unter Einbeziehung der Abschreckung durch angemessene Kriegsführungsfähigkeit. Mit dem Vordringen des politischen und militärischen defensiven Elements in der Sicherheitspolitik nimmt der kooperative Charakter des Soldatendienstes und seine internationale Einstellung zu. Aktualisiert könnte diese Sicht der rechtlichen Entwicklung des Menschenrechts auf Frieden also durch sicherheitspolitische internationale Zusammenarbeit vor allem im Bereich der Militärdoktrinen werden mit Auswirkungen auf die dazu entsprechende Verminderung der Rüstungskomponente und der subjektiven Bedrohungsbilder in der Bevölkerung und insbesondere unter den Soldaten. Hierzu sollten zunächst in freiwilliger und dann zunehmend vereinbarter und der internationalen Kontrolle zugänglich gemachter Form die Militärdoktrinen in ihrem defensiven Grundcharakter nach ihrem operationalen Inhalt und nach ihren Mitteln offengelegt werden. Ein erster Schritt ist die internationale öffentliche Diskussion darüber, die 119 Vgl. o. a. Nr. 81 f. und die Hirtenworte insbesondere der Bischöfe der USA und Deutschlands, jeweils aus 1983: The Challenge of Peace, God's Promise and Dur Response und Gerechtigkeit schafft Frieden. Den Kommentar zum amerikanischen Hirtenwort hat Philip J. Murnion herausgegeben: Catholics and Nuclear War, New York 1983. 120 Nach der oben angeführten Pastoralkonstitution des Konzils (Nr. 79) scheint es angebracht, .daß Gesetze für die in humaner Weise Vorsorge treffen, die aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigern, vorausgesetzt, daß sie zu einer anderen Form des Dienstes an der menschlichen Gemeinschaft bereit sind: 121 0. a. Nr. 79.

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Selbstkontrolle und die Vereinbarung eines ganzen Spektrums vertrauensbildender Maßnahmen. Diese könnten letztlich so internationalisiert werden, daß vorhandene oder geplante offensive Kriegsführungsfähigkeiten rechtzeitig erkannt werden und politisch verhindert werden könnten. Am Ende könnte eine internationale Kontrollbehörde, vergleichbar der Internationalen Atomenergiebehörde mit uneingeschränkter Kontrollautorität stehen. Letztlich hätte das trotz nationaler militärischer Souveränität den Charakter eines internationalen Wehrbündnisses mit entsprechender struktureller Verflechtung, ohne daß eine formelle Monopolisierung unter einer weltstaatlichen Autorität nötig wäre. Der soziale Auftrag zu einer solchen Entwicklung liegt im Kern des Menschenrechts auf Frieden, das derzeit noch keine völkerrechtliche Verbindlichkeit besitzt, aber in der Grundwertordnung der Welt als Anspruch des Menschen bereits ausgemacht werden kann.

2.4.5. Abrüstung als verteidigungspolitisches Ziel In allen Gesellschaften war im Lauf der Geschichte die Bewaffnung der Soldaten zunächst vor allem Sache der politischen Macht, hatten die Regierenden die generelle Kontrolle über die Armeen ebenso wie über die zu deren Bewaffnung nötigen Rohstoffe und Handwerker. Eine Veränderung dieser Situation hat sich, darauf macht William H. McNeill aufmerksam,122 in China etwa mit dem 11. Jahrhundert zuerst ereignet und vom Mittelalter an von Europa aus bis ins 19. Jahrhundert weltweit ausgebreitet: das Vordringen des Kommerzes und des privatwirtschaftlichen Erfolgs bei der Erfindung und Produktion neuer Waffen, des militärischen Transportwesens und neuer Kriegstechniken. In den Genuß der Kriegsmittel kamen diejenigen, die den besten Preis dafür bezahlen konnten. Dies hat dann in Europa unter den rivalisierenden Staaten vor allem zu einer Spirale der Wettrüstung unter der Dominanz marktwirtschaftlichen Denkens geführt. Erst mit den beiden Weltkriegen kommt es zur Rückkehr der .Kommando-Wirtschaft" im Militärbereich, wird der Staat immer stärker, in den USA vermittels des .militärisch-industriellen Komplexes·, in der UdSSR vermittels vor allem der Militärbürokratie, der unmittelbare Auftraggeber an die Wirtschaft. In dieser Entwicklung sieht McNeill die Chance, durch den Staatseinfluß - er vergleicht das politische Management heute mit der Kontrolle, die früher in China durch die Mandarine wieder über die Rüstungswirtschaft zurückgewonnen worden war - die Rüstungsspirale politisch aufzuhalten und zu kontrollieren. Man könnte in Abwandlung einer wirtschaftsethischen These 122 Chicago 1982, in deutscher Übersetzung: München 1984, 33 ff. und 66 ff., insbesondere 109 f.

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von der Erstellung friedensfördernder und die Rüstungswirtschaft begrenzender Rahmenbedingungen gegen den Geist des Kapitalismus in einer .friedlich-sozialen Marktwirtschaft" sprechen. Das führt bei der Behandlung der wirtschafts-rationalen Dimension der Rüstungspolitik zu einer Rahmenordnung der Rüstungswirtschaft mit eindeutigem Vorrang der friedenspolitischen Ziele vor den wirtschaftlichen Interessen. Im Gesamt einer wirtschaftsethischen Sicht ist dies zwar ein Sonderfall, aber keine Ausnahme, weil jede Marktwirtschaft unter ethischen ordnungspolitischen Voraussetzungen zu sehen ist, innerhalb deren sie ihre Eigendynamik und Rationalität erst zu entfalten hat. Aus dieser Sicht wird aber auch deutlich, daß die Rüstung entscheidend erst in Verbindung mit den Streitkräften selbst zu sehen ist. Abrüstung vollzieht sich nicht als selbständiger Prozeß, sondern innerhalb der Streitkräfte auf Grund ihres politischen Auftrags. Heinz Vetschera entwickelt daher zurecht sein im Rahmen der Sicherheitspolitik gesehenes Anliegen der Rüstungskontrolle zum Konzept der Streitkräfte-Kontrolle (force control).123 1. Zum Stand der internationalen Rüstungswirtschaft:

Heute sind eindeutig die Staaten die hauptsächlichen Auftraggeber an die Rüstungswirtschaft. Daher versteht man ganz allgemein unter Rüstungswirtschaft den Sektor der Volkswirtschaft, der vom Militär und seinem Bedarf zur Landesverteidigung in irgendeiner Weise betroffen ist. Näherhin handelt es sich um den Sachbedarf der Streitkräfte. Betriebswirtschaftlich ist aber der Rüstungssektor interessant, der sich der speziellen Produktion von Militärgütern zugewandt hat. Nicht immer leicht ist es aber, diesen von der Produktion von Zivilgütern auseinanderzuhalten. Jedenfalls steht in unseren Überlegungen die Rüstungsproduktion im engeren Sinn im Vordergrund. Sie läßt sich auch einigermaßen datenmäßig aus der Etatposition für Rüstungsgüter zusätzlich der Rüstungsexporte erheben. Abgesehen von den Eigentumsverhältnissen - der Staat war seit dem Merkantilismus durch staatliche Betriebe und später auch durch Verstaatlichung am Rüstungssektor immer stärker direkt wirtschaftlich tätig - sind von der Rüstungsproduktion her Betriebe bestimmter Branchen und Regionen und einzelne, besonders spezialisierte Betriebe stärker darin engagiert, als es der Durchschnitt des Anteils am Sozialprodukt ausweist. Dieser beträgt zum Beispiel für die Bundesrepublik Deutschland rund zwei Prozent. So sind besonders Betriebe in der Luftfahrtbranche bis zur Hälfte in der Herstellung von Militärflugzeugen involviert. Strukturschwache Regionen 123 International Law and International Security: The Case of Force Control, in: German Yearbook of International Law, Vol. 24/1981, 144-165.

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sind öfter bevorzugte Standorte für Betriebe, die manchmal ausschließlich oder in hohem Maß Militärgüter produzieren. Damit können auch die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft, zum Beispiel über kleinere Zulieferbetriebe größer sein als die Statistik vermuten läßt. Hingegegen ist die konjunkturpolitische Einsatzmöglichkeit der Rüstungsbetriebe über die staatliche Finanzierung eher gering zu bewerten, da in wirtschaftlich schwachen Zeiten auch die Haushaltsmittel für das Militär geringer sind, so daß der Wirtschaftspolitik fiskalisch enge Grenzen gesetzt sind, solange den Verteidigungserfordernissen vom Staat nicht entsprechend hohe Prioritäten eingeräumt werden. Auftraggeber zur Waffen produktion ist hauptsächlich der Staat. Auch in Staaten mit Marktwirtschaft nimmt daher die Rüstungsindustrie eine besonders geschützte Position ein. Die nationale Position der Rüstungswirtschaft wird allerdings vor allem in Bündnissen zwischen den Partnerländern durch Zusammenarbeit und Arbeitsteilung bis zu Produktionsgemeinschaften gelockert, um Kosten zu sparen. Allerdings geschieht dies wieder unter politisch veranlaßten Auftragsvergaben und mit wechselndem Erfolg. Ein Problem dabei ist die Standardisierung der Waffen. Von politischen Kontrollen unabhängige Waffenexporte sind besonders für den wirtschaftlichen Erfolg der Rüstungsmultis interessant. Hier wiederum ist für die Verlagerung von Standorten der Multis in die Dritte Welt das Interesse dieser Länder mit entscheidend, Waffenfertigungen nämlich im eigenen Land zu haben und daraus noch wirtschaftliche Vorteile zu ziehen, da der Ankauf in der eigenen weichen Währung billiger kommt und man sich aus der Rüstungsindustrie einen Beitrag zur eigenen Industrialisierung erhofft. .An der sich rasch ausweitenden Rüstungsfertigung in der Dritten Welt, auch wenn diese als 'national' und 'unabhängig' bezeichnet wird, sind multinationale Unternehmen durch Auslandstöchter in aller Regel beteiligt", schreibt Ulrich Albrecht. 124 Hauptlieferländer von Rüstungsgütern sind auf dem Weltmarkt 125 nach wie vor die Industriestaaten und hier mit einem hohen Anteil die beiden Supermächte, bei denen das politische Motiv im Vordergrund steht. 126 Ein 124 Internationale Rüstungswirtschaft, in: Handbuch zur Ökonomie der Verteidigungspolitik, a.a.O., 814. 125 Einen guten Überblick zur Waffenproduktion bietet immer das SIPRI-Yearbook. Die gekürzte deutsche Fassung aus 1986 (Reinbek bei Hamburg) enthält den Beitrag von Michael Brzoska und Thomas Ohlson, Arms Production in the Third World, London 1986. 126 Den Standpunkt der Sowjetunion zum internationalen Waffenhandel gibt das Jahrbuch Disarmament and Security 1986 des Instituts für Weltwirtschaft in Moskau wieder, Seite 115-126. Es besteht zwischen den marktwirtschaftlichen westlichen Demokratien und den planwirtschaftlichen sozialistischen Staaten die Gefahr der gegenseitigen Verdächti-

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Teil der Lieferungen erfolgt als Militärhilfe auch kostenlos. Gewiß sind auch ökonomische Interessen im Spiel, um die enormen Rüstungskosten zu erleichtern. Die anderen Lieferstaaten sind schon wegen ihres geringeren Eigenbedarfs als militärische Mittelmächte weltweit an Abnehmern interessiert, um die Produktionskosten durch rentable Großauflagen zu senken. Dazu ist die meist politisch motivierte Nachfrage vor allem aus Staaten der Dritten Welt willkommen. Immer mehr steigen aber die industriellen Schwellenländer aus der Dritten Welt selbst in das internationale Rüstungsgeschäft ein. Sie sehen ihre Chance vor allem wieder in den Entwicklungsländern, wobei die wirtschaftlichen Motive bedeutend sind, aber auch das Motiv des eigenen Aufstiegs zu politischem Einfluß. Die Abnehmerstaaten aus der Dritten Welt bedienen sich des freien Waffenmarktes in zweiter Linie, soferne sie ihre Rüstungswünsche nicht im Rahmen von Militärhilfe 127 von ihren Verbündeten in den Industriestaaten zu günstigen Konditionen erhalten. Vor allem Länder in Spannungsgebieten oder solche, die direkt in Kriege verwickelt sind, decken ihren Bedarf oft unter erheblichen Kosten dort ein. Der internationale freie Waffenmarkt entwickelt so graue und schwarze Märkte zur Umgehung der völkerrechtlichen Regelungen durch Zwischenhandel, in den auch die Staaten selbst verwickelt sind. Wie auf jedem anderen Schwarzmarkt bieten sich hier große Gewinnspannen für skrupellose Händler und deren Auftraggeber, so daß die Versuchung zum illegalen Waffenhandel und -schmuggel sehr groß ist. Sittliche Bedenken gegen diese Art Kommerzes kommen den Beteiligten kaum. Indirekt müßte die Verantwortung für solche Geschäfte aber letztlich der Rüstungswirtschaft und den Staaten zugesprochen werden, weil die versteckten Kanäle, über die die Tötungsmaschine weiterläuft, nicht entschlvssen genug versperrt wurden. Neben militärischen und politischen Interessen ist wirtschaftliche Gewinnsucht jedenfalls massiv beteiligt. Völkerrechtliche Begrenzungen und staatliche Kontrollen des internationalen Waffenhandels versuchen den internationalen privaten Waffenmarkt zu kontrollieren und den Schwarzmarkt für Rüstungsgüter einzuschränken. Hier ist das internationale Recht aber auf die Bereitschaft aller Staaten angewiesen. Selbst bei international beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionen auf Rüstungsgüter läuft aber der Handel weiter, werden die Begung, daß das politische und ökonomische System jeweils am steigenden Waffenhandel schuld trage. 121 Nach Joachim Kraus, Der internationale Handel mit Waffen und Rüstungsgütern, Europa-Archiv 1985, (307-316),307, entfällt auf den weltweiten Transfer von Rüstungsgütern ein Drittel auf Militärhilfeprogramme, die aber zum guten Teil auch innerhalb der westlichen oder östlichen Industriestaaten innerhalb eines begrenzten Kreises in relativ geschlossenen Märkten ablaufen. .Die Rüstungsnachfrage der Welt", schreibt er, .wird hingegen hauptsächlich von westlichen und östlichen Staaten befriedigt. Dieser Rüstungsmarkt ist weithin ein offener.·

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schränkungen umgangen, so daß die Sanktionen von geringer Wirkung sind, sich zumeist nur preis steigernd auswirken. Immer mehr aber steht die öffentliche Weltmeinung der Rüstungsindustrie skeptisch gegenüber, wird das ökonomische Argument angezweifelt und ein Umstieg in friedliche Produktionszweige von der Rüstungswirtschaft verlangt. Zu dieser Konversion der Rüstungsindustrie drängen auf Dauer sowohl ökonomische wie politische Gründe. Insgesamt ist der internationale Rüstungstransfer mehr ein politisches Geschäft als ein freier Handelsvorgang, unterliegt sein Verlauf politischen Prioritäten, zu denen sich kurzfristige wirtschaftliche Interessen schlagen. Die schon geltenden völkerrechtlichen Restriktionen müssen vor allem in ihrer Wirksamkeit noch ausgebaut werden. Hier setzt auch die Aufgabe der Rüstungskontrolle in internationaler Kooperation ein, die nicht nur als Aufgabe zwischen den Supermächten zu sehen iSt. 128 Mit der Entwicklung des Gedankens der kollektiven Sicherheit im Rahmen der Satzung der UNO hat sich das Verhalten von neutralen Staaten gegenüber kriegführenden Ländern verändert. Nach klassischem Neutralitätsrecht dürfte ein in einem Konflikt neutraler Staat gemäß der Zweiten Haager Friedenskonferenz von 1907 nicht durch staatseigene Betriebe oder durch staatliche Kredite gefördertes .Kriegsmaterial" an einen kriegführenden Staat abgeben. Die privaten Unternehmen fallen an sich nicht unter das Verbot. Andererseits sind heute die Verflechtungen von Rüstungsbetrieben mit der Staatswirtschaft sehr eng geworden. Auch die Definition, was Kriegsmaterial ist, ist schwierig. Im Zweiten Weltkrieg wurden in der Krisenpraxis alle Warenlieferungen an den Gegner, auch Lebensmittel, von den kriegführenden Staaten zu Konterbanden erklärt und ihr Transport zu unterbinden versucht. Gerade bei lokalen Kriegen, die seit 1945 in verschiedenen Weltgegenden ausbrachen, stellt sich die Interpretation der Neutralitätspolitik für die nichtkriegführenden Staaten neu, ob sie nicht zu Gleichbehandlung der Kriegführenden verpflichtet wären, einschließlich der Kontrolle auch der privaten Unternehmen, insbesondere der Produzenten von Rüstungsgütern. Doch allein dies genügt nicht der sittlichen Pflicht zur Friedensförderung. Auch ohne Sanktionen der OVN gegen die kriegführenden Staaten sollte ein striktes Waffenausführverbot in solche Krisenzonen bereits bei Kriegsgefahr in Kraft treten. Das wäre aber für die Praxis aller Staaten wichtig. Hingegen unterstützen selbst die Supermächte aus ihrem Interesse, zwar oft nominell über private Kanäle, eine der Kriegsparteien oder manchmal sogar beide! So nehmen solche Konflikte oft indirekt den Charakter von Stellvertreterkriegen an und ermöglichen auch den Test neuer Waffen im Ernstfall. So bleibt 128 Vgl. Helga Haftendorn, Der internationale Rüstungstransfer. Motive, Folgen und Kontrollmöglichkeiten, in: Europa-Archiv, 1978,331-340.

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wieder nur die Forderung nach Entwicklung von internationaler Rüstungskontrolle. Für immerwährend neutrale Staaten stellt sich die Pflicht zu besonderer Kontrolle auch der privaten Rüstungsexporte und deren Verbot in Krisenzonen bereits, um die geänderte Lage der Neutralitätsregeln zu zeigen und deren sinnvolle Weiterentwicklung als Dienst an der Völkergemeinschaft zu erweisen. Daher erscheint die Rüstungsproduktion in solchen immerwährend neutralen Staaten nur sehr restriktiv zu bewerten zu sein, auch unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit in der Eigenversorgung. Das führt zu einer überwiegend politischen Sicht der Rüstungsproduktion in diesen Ländern und zur Abkehr von scheinbaren ökonomischen Vorteilen, also zur Rüstungskonversion. Damit kommen unsere Überlegungen endgültig zur ethischen Grundfrage, auf die Wertproblematik der Rüstungswirtschaft unter dem Aspekt einer zukünftigen friedlichen Entwicklung.

2. Die sittliche Beurteilung der Rüstungswirtschaft: Die Sicht der Rüstungswirtschaft als internationale Ordnungsfrage ist relativ neu. In Anlehnung an den Begriff der .Neuen Weltwirtschaftsordnung" spricht man nun auch von einer .Neuen Weltmilitärordnung". In ihr wäre an eine Positionszuweisung für einzelne Mächte für ihre Rolle in der internationalen RüstungSwirtschaft gedacht. Für den Ethiker ergibt sich jedenfalls eine Ordnungsproblematik, die wie in jeder gesellschaftlichen Kooperation im Willen des Menschen und nicht in Determinismen ökonomisch-sozialer oder historischer Natur letztlich liegt. Umso deutlicher wird dies auch aus obiger Analyse. Danach liegt der entscheidende Grund für die Rüstungswirtschaft im politischen Bereich. Es entfalten allerdings im Laufe der Geschichte ökonomische privatwirtschaftliche Interessen zeitweise auch eine starke Eigendynamik, die unter Umständen auch bestimmenden Einfluß auf die politischen Entscheidungsträger gewinnen können. So hat die Kapitalismuskritik durch Herausstellen des ungehemmten Profitstrebens auf freien Märkten sicherlich die Aufmerksamkeit auf Kriegsursachen gelenkt, die im Sozial- und Wirtschaftssystem gründen. Daraus meint man, auch folgern zu können, daß zumindest gegenwärtig das entscheidende Moment für den Rüstungshandel im Ökonomischen und nicht im Politischen liege, die Rüstungsexporte vor allem das Ergebnis ökonomischer Entwicklungen seien, die erst dann politische Konsequenzen von Gewicht hätten. Dafür sieht Ulrich Albrecht 129 zum Beispiel genügend analytisches Beweismatrial gegeben: Die stete rasche Zunahme der Rüstungsexporte aus den Industrieländern seit den sechziger Jahren, ohne daß die politischen Kontrollen dort effektiv eingesetzt würden, führt er ebenso 129

Der Handel mit Waffen, München 1971.

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ins Treffen wie einige Fallstudien, die zeigen, wie leicht auch Exporte über Drittländer in Krisengebiete erfolgen können und damit gesetzlich vorgesehene Kontrollen stillschweigend umgangen werden. Daß bei der Analyse des Rüstungshandels wirtschaftlichen Aspekten Rechnung zu tragen ist, muß aber noch nicht die politischen Motive in die zweite Linie rücken. In der marxistischen Politökonomie ist denn auch die Hypothese vom expansiven Kapitalismus vermittels des "militärisch-industriellen Komplexes" eine ideologisch abgeleitete Hypothese, die dann in der Praxis der "kapitalistischen" Staaten bestätigt wird, während für die "sozialistische" Staatenwelt das ökonomische Motiv völlig wegfallen müßte. Der zitierte Autor scheint in späteren Arbeiten von seiner Hypothese, den ökonomischen Ursachen für die Rüstungswirtschaft die Priorität einzuräumen, abgegangen zu sein und die politische Entscheidung als ausschlaggebend für den Rüstungsexport anzusehen. 130 Gerade längerfristige ökonomische gesamtwirtschaftliche Interessen entsprechen nicht den Rentabilitätserwartungen aus der Rüstungsproduktion. Die steigenden Preise für Waffensysteme und die fiskalischen Engpässe der Staaten, auch hinsichtlich anderer hoher Kosten für notwendige sozialpolitische und ökologische Wirtschaftsziele, veranlassen die Staaten zunehmend, die vorhandenen Rüstungskapazitäten einzuschränken. Dazu kommt noch der Konkurrenzdruck selbst unter Bündnispartnern um die schrumpfenden Aufträge. Unsichere Rüstungsnachfrage und damit Gefährdung der Arbeitsplätze sind auch für die Rüstungslobby der Gewerkschaften aus Interesse an der Erhaltung der Arbeitsplätze ein Signal zum Umdenken. Hinzu kommt die Kritik am "schmutzigen Geschäft" mit den Waffen, die in der öffentlichen Meinung zunimmt. Dies führt neuestens in der Beurteilung der Problematik der Rüstungskonversion zum Umdenken vom Vorrang des ökonomischen Arguments weg zum politischen Argument. Wenn nämlich sicherheitspolitisch Schritte der Rüstungsbeschränkung möglich scheinen und auch verwirklicht werden, ergeben sich jedenfalls ökonomische Nachteile für die Rüstungsindustrie und werden Strategien zur Umstellung der Produktionskapazitäten von militärischer zu ziviler Fertigung von wirtschaftlichem Vorteil. Dies ergibt sich daraus, daß alternative staatliche Ausgaben "die Beschäftigungs- und Einkommenseffekte von Rüstung substituieren können und zudem von hoher 'sozialer Nützlichkeit' sind".\31 Ein weiterer "positiver Konversionseffekt" ist die höhere Beschäftigungswirkung alternativer Aufträge an die Wirtschaft und damit eine Verminderung der Arbeitslosigkeit nach einer Vgl. seinen o. a. unter Anmerkung 124 bereits erwähnten Artikel. Carola Bielfeldt, Rüstungskonversion, in: Handbuch zur Ökonomie der Verteidigungspolitik, hrsg. von Günter Kirchhoff, Regensburg 1986, (806-811),808. Dort auch weitere Literaturhinweise zum Thema. 130 131

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Periode der Umstellung, da die Rüstungsindustrie ja besonders kapitalintensiv ist. Somit ist für die weitere Entwicklung der internationalen Rüstungswirtschaft die Entscheidung auf der Ebene der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu suchen, liegt es im politischen Willen, ob sittliche Bedenken gegen die Rüstungsproduktion zu deren Verminderung führen können, ohne die ökonomischen Zusammenhänge übersehen zu wollen. Die sittliche Rechtfertigung der Rüstungsproduktion richtet sich einzig und allein nach der Notwendigkeit von militärischer Verteidigung als letztes Mittel gegen Aggressionen zur Friedenserhaltung. Da unter den heutigen Bedingungen ab einer gewissen Hochrüstungsstufe auch die Waffen nur mehr politisch eine sinnvolle Verteidigungs- und Schutzwirkung haben, liegt ein Minimum von internationaler Rüstungskooperation vor, die als Rüstungsbegrenzung und -kontrolle mit dem Ziel einer Verminderung der Rüstung auf gleichem Niveau international zu betreiben ist. Das Fernziel ist weitgehende Abrüstung und Konversion der Rüstungswirtschaft auf zivile Produktion. Das entspricht aber auch der wirtschaftlichen Rationalität, die knappen Mittel möglichst produktiv zu verwenden. Wenn daher Sicherheit und Landesverteidigung unter Kostendegression ebenso gesichert werden können, ist jede unnötige Ausgabe für Rüstung vom volkswirtschaftlichen Standpunkt unproduktiv und unökonomisch. Nur kurzfristige betriebliche und branchenmäßige Profite sind denkbar, allerdings mit der Gefahr, den internationalen Friedensprozeß zu stören und eventuell sogar Kriege oder den Weltuntergang zu riskieren. Jede die politische Notwendigkeit überschreitende Rüstungsproduktion ist sittlich zu verurteilen, vielmehr untersteht die Rüstungswirtschaft unter Friedensauftrag strengen politischen Kontrollen. Darum haben sich alle politisch Verantwortlichen, beginnend vom ersten Träger der politischen Macht im Staat, dem Volk und seinen Repräsentanten, um diese Kontrolle zu sorgen, die allerdings nur durch eine politische Rahmenordnung der internationalen Rüstungswirtschaft in weltweiter Kooperation letztlich gewährleistet ist. Erst eine volle Offenlegung der Daten des internationalen Waffenmarktes läßt aber diese Kontrolle durch die Weltöffentlichkeit zu. Derzeit ist der Ansatz dazu die internationale Rüstungskontrolle, die breitest von den politischen Kräften in allen Staaten zu tragen ist. Hier ergibt sich eine wesentliche Funktion der Parlamente und der Überwachung der Staatsausgaben für die Rüstung durch diese unter einer internationalen Rahmenordnung mit internationalen Kontrollmöglichkeiten.

3. Stand und Aussicht der internationalen Rüstungskontrolle: Anders als in der mehr plakativen Redeweise des Ostens \32 sprechen die Angelsachsen statt von Rüstungsbegrenzung und Abrüstung immer erst von

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Arms Control als Zwischenziel. Rüstungskontrolle verzichte .dezidiert auf die utopische Perspektive einer allgemeinen und vollständigen Abrüstung", schreibt Wilfried von Bredow, 133 sie suche vorerst die internationale Lage zu stabilisieren. Hinzu kommt der Gedanke der .kooperativen Steuerung", die den Antagonismus in der Sicherheitspolitik durch Kooperation zuerst minimieren und letztlich überwinden will, um an das große Ziel der Abrüstung real heranzukommen. Damit tritt für die Kooperation aber ein internationaler Ordnungsgedanke hervor, der den Grundwert Frieden ins Zentrum der internationalen Politik setzt. Mit der Ausweitung der Rüstungskooperation auf die internationale Ordnungsebene stellt sich aus der Ausrichtung dieser Zusammenarbeit auf die Weltgemeinschaft der Völker und aller Menschen eindeutig die Aufgabe einer international geordneten Kooperation auf dem Rüstungssektor, die nach aller Rationalität vom politischen und ökonomischen Standpunkt ihre Bestimmung zur qualitativen und größtmöglichen quantitativen Beschränkung von Kriegsrüstung hat. Das wichtigste Forum internationaler Rüstungskooperation ist heute die OVN. Einen guten und ausführlichen Überblick gibt das von ihr herausgebrachte Disarmament Yearbook, das erstmals 1976 erschienen ist. Nach Artikel 26 der Satzung ist es Aufgabe des Sicherheitsrates, die Pläne zu entwickeln, um den internationalen Frieden und die Sicherheit zu gewährleisten mit dem geringsten Aufwand (least diversion) an menschlichen und wirtschaftlichen Ressourcen der Welt für die Rüstung. Diesem Ziel dient der ganze Mechanismus der Organisation, beginnend mit der Generalversammlung, deren Erstem Komitee und bisher drei Sondertagungen der Generalversammlung (1978,1982 und 1988). Hinzu kommt die Abrüstungskommission seit 1952 mit einmal jährlichen Sitzungen. Die wichtigste Einrichtung ist als .multilaterales Verhandlungsforum" aber die vierzig Mitglieder umfassende .Conference of Disarmament" (CD) mit Sitz in Genf, die 1978 ins Leben gerufen worden ist, um früher solche in Genf tagende Komitees (seit 1959, zuerst mit zehn und später mehr Mitgliedern) abzulösen, so daß man zusammenfassend vom "Geneva body" zu sprechen pflegt. Diese Kommission hat ihre eigenen Verhandlungsregeln und eine eigene ständige Agenda in zehn Punkten beginnend mit den Nuklearwaffen über Herabsetzung der Militärbudgets und Vertrauensbildung bis zur vollständigen Abrüstung unter effektiver internationaler Kontrolle. Ein Ergebnis allerdings dieser nun über einen Zeitraum von über vierzig Jahren aufgebauten und tätigen Maschinerie der OVN ist außer Diskussionen und Vorschlägen für Empfehlungen, über die aber keine ÜbereinstimVgl. o. a. Publikation Abrüstung - Überlebensfrage der Menschheit, 159 ff. Rüstungskontrolle, in: Günter Kirchhoff (Hrsg.), Handbuch zur Ökonomie der Verteidigungspolitik (801-805), 801. 132

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mung erzielt werden konnte, außer daß die Arbeit weitergehen soll, bisher nicht zustandegekommen. Dennoch ist das auf rund 500 Seiten Berichte angewachsene Jahrbuch eine ausgezeichnete und umfassende Informationsquelle zum Thema und zum Stand der Frage, die nicht nur den Regierungen und den Abrüstungsspezialisten, sondern allen Interessierten dienen will.

Die bisher nach 1945 einzigen Erfolge in der internationalen Zusammenarbeit zur Rüstungskontrolle waren internationale Vereinbarungen mit dem Effekt der Stabilisierung und Rationalisierung der Rüstungskonstellation. In früheren Zeiten vereinbarte Abrüstungsabkommen blieben hingegen ohne Wirkung, abgesehen vom Ausbau des humanitären und Kriegsvölkerrechts. Erst die global gewordene Waffenbedrohung seit den Nuklearwaffen hat die Frage der Abrüstung zur internationalen Überlebensfrage gemacht. So ist auch das erste Abkommen, das eine echte substantielle Rüstungsverminderung gebracht hat, der Vertrag über die Beseitigung aller Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag). Er konnte Ende 1987 zwischen der UdSSR und den USA abgeschlossen werden und hat multinationale Auswirkungen, zumal auch weitreichende Nuklearwaffen darunterfallen. Dieser Durchbruch zur internationalen Kooperation hat sich in einigen Rüstungskontroll-Vereinbarungen seit 1959 mit Abschluß des Antarktisvertrags (regionale Entmilitarisierung) angebahnt. Es folgten 1963 der Teststopvertrag (Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser), der Weltraumvertrag von 1967 (Verbot der Stationierung von Massenvernichtungswaffen im Weltraum), der Nichtverbreitungsvertrag von 1968 (Beschränkung des Kreises der Kernwaffenmächte), der Meeresbodenvertrag von 1971 (Verbot der Stationierung von Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresboden außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone); das Übereinkommen über bakteriologische und Toxinwaffen von 1972 verbietet die Entwicklung, Herstellung, Lagerung und den Erwerb solcher Waffen, allerdings ist dies für die chemischen Waffen noch ausständig. Hinzu kommen weitere Rüstungskontroll-Maßnahmen, deren Reichweite und Wirkung für die Rüstungskontrolle eher im Zusammenhang mit der Gefahren- und Schadensbegrenzung im Rahmen der bestehenden, auf Abschreckung ausgerichteten Militärdoktrinen liegen. Das .rote Telefon" zwischen Moskau und Washington dient der besseren Kommunikation, um nicht in einen Krieg aus Versehen zu gelangen. Die als vertrauensbildende Maßnahme konzipierte Vereinbarung von Manöverankündigungen und Austausch von Beobachtern gemäß dem Korb I der KSZE-Schlußakte von 1975 in Helsinki ist eher noch von symbolischer Bedeutung. Diese Maßnahmen stellen aber einen Durchbruch zum Ausbau der Kooperation bei der Rüstungskontrolle dar. Diese Kooperation erreicht aber effektive Bedeutung zur Rüstungsminderung beim Aufbau eines Kontroll- und Überwachungssy-

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sterns vor Ort, wie es nun nach dem INF-Vertrag, beginnend mit 1988, praktiziert wird. Entscheidend für substantielle Fortschritte sind also internationale Rüstungskontrollabkommen bilateraler oder multilateraler Art in eigenen, direkten Verhandlungsforen zwischen den Konfliktparteien geworden, sobald sie sich als auf Kooperation gegenseitig angewiesen erfahren haben und dies mit ihren sicherheitspolitischen Interessen vereinbaren können. 134 Der nächste entscheidende Durchbruch nach dem ersten Schritt auf der nuklearen Ebene wäre nun auf der Ebene der konventionellen Rüstung bzw. Streitkräfte fällig. Foren der Verhandlung für die entscheidende kritische Zone des Gegenüber in Europa bestanden durch die M(B)FR-Verhandlungen (bzw. amtlich MURFAAMCE-Verhandlungen genannt) in Wien seit 1973 mit dem Mandat zur Verringerung der Truppen und Rüstungen und die "Gespräche der 23" ebenfalls in Wien seit 1987. Das hat seit dem erfolgreichen Abschluß des Wiener Folgetreffens der KSZE im Jänner 1989 zur Einrichtung zweier neuer Verhandlungsforen in Wien und zu deren Einbindung in den KSZEProzeß geführt. Im März 1989 begannen Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa als neuem Abrüstungsforum zwischen den 23 Staaten, die einem Militärbündnis in Europa angehören (VKSE oder CFE/Conventional Forces Europe genannt). In Fortsetzung der Stockholmer Konferenz über Vertrauensbildung und Abrüstung in Europa (KVAE) begannen gleichzeitig Verhandlungen aller Teilnehmerstaaten der KSZE über vertrauensund sicherheitsbildende Maßnahmen (WSBM). Ein besonderer Fortschritt konnte bisher im Bereich der Vertrauensbildung durch Zugeständnis von Kontrollen vor Ort und ohne Ankündigung gemacht werden. Heikel erwies sich auch die Einbindung der neutralen und blockfreien Länder Europas in diese Verhandlungen, deren Streitkräfte vom Abrüstungsvorgang vorläufig noch nicht erfaßt zu werden brauchen. Das internationale kooperative Element bei der Rüstungskontrolle bedarf daher einer doppelten Entwicklung, um eine echte Abrüstungsdynamik zu erreichen. Einmal muß die Kooperationsfähigkeit aus den politischen Verhältnissen aller Beteiligten heraus, beginnend mit der Willensbereitschaft, vorhanden sein, was wieder sehr stark von innenpolitischen und ideologischen Voraussetzungen abhängt. Andererseits muß sicherheits politisch Sachrichtigkeit und sogar Sachnotwendigkeit der Interessenlage für die Kooperation sprechen. Nun sind diese Entwicklungen aber nicht auf die souveränen Staaten eingeschränkt. Heute ist die nationale Willensbereitschaft von einer weltweiten Friedensdynamik getragen. Über dem Wettstreit. ideologisch sich antagonistisch verstehender Systeme bildet sich ein 134 Vor ungeduldigem Drängen auf Abrüstung warnt earl Friedrich von Weizsäcker, Abschreckung - nur eine Atempause?, in: Hans Günter Brauch (Hrsg.), Kernwaffen und Rüstungskontrolle, Opladen 1984, (449-480),479 f.

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Grundbestand allgemeinmenschlicher Werte und entsprechende systemüberschreitende Toleranz heraus, worauf die internationale Ethik hinweisen kann. 135 Sicherheitspolitik ist heute ohne internationale Kooperation von der Natur der Sache her nicht mehr möglich. Ist aber die gleiche Sicherheit für alle gegeben, so ist es auch im Interesse aller, diese Kooperation verstärkt auf Rüstungskontrolle, Rüstungsminderung und schließlich Abrüstung hin zu erweitern und auszubauen! Durch die über lange Zeit ergebnislosen Bemühungen, in der Abrüstungsfrage voranzukommen, ist eine starke Skepsis entstanden, ob es aus dem Rüstungswettlauf überhaupt ein Entkommen gäbe, im besonderen einen Abschied vom Abschreckungssystem. Mit der Zeit hat aber zunehmend realistisches Herangehen, auch nur in kleinen Schritten, ohne das Ziel aus dem Auge zu verlieren, immer mehr Beachtung gefunden. Das Gleichgewichtsdenken hat seine Ergänzung in "gradualistischen" Strategien gefunden, die zur Kooperation Wege öffnen können, indem unter durchaus begrenztem Risiko Abrüstungsschritte zur Verhandlungsführung und zur Vertrauensbildung auch einseitig zunächst gegangen werden. Dies öffnet oft auch einen Weg aus Blockierungen von gegebenen oder vermuteten Asymmetrien im Gleichgewicht. Die politische Dimension der Abschreckung als Weg zur Vermeidung des tatsächlichen Einsatzes des Nuklearpotentials macht die bedingte Verwendung selbst von Massenvernichtungswaffen - diejenigen der nuklearen Kategorie sind nur die im Vordergrund der Beachtung stehenden! - und damit ihren Besitz nicht in sich unsittlich. Es handelt sich um eine Handlungsstrategie mit dem positiven Ziel der Friedenssicherung. Auch in dieser verbindet sich Verantwortung und Pflicht zu Sicherheitsrnaßnahmen mit Gesinnungsethik zur Friedenserhaltung. Ein Verlangen nach absoluter Gewaltlosigkeit und sofortiger Abrüstung kann sittlich daher nicht allgemein begründet werden. Im Falle einer einseitigen Abrüstung ist die Gefahr der Destabilisierung der internationalen Beziehungen gegeben. Damit ist die sicherheitspolitische Kooperation unter Umständen bedroht und die Seite im Machtvorteil zumindest in der Versuchung zum machtpolitischen Vorgehen gegen den Schwächeren. Im Gleichgewicht der Staatenbeziehungen ist die Beachtung des Prinzips der Gegenseitigkeit, solange keine wirksame Bindung der internationalen Gemeinschaft an Normen der Zusammenarbeit besteht, immer noch die sicherste Form gerechter Beziehungen. 136 135 So sprechen die Abrüstungsinitiativen der UdSSR seit dem Amtsantritt von Michail Gorbatschow als Generalsekretär der KPdSU im März 1985 für eine Neuformulierung der sowjetischen Sicherheitspolitik unter Abbau des militärischen Einflusses. 136 Über das moralische Prinzip der Gegenseitigkeit gab es im deutschen Kar olizismus 1981 eine Kontroverse, da sich Pax Christi in einer Erklärung zur Sicherheitspolitik unter Berufung auf die kirchliche Lehre gegen den Besitz von Nuklearwaffen

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Sehr wichtig für Fortschritte ist also das zunehmende Verständnis für die überaus komplexen Zusammenhänge der Abschreckung als letztlich politisches Mittel der Kriegsverhinderung. Abschreckung hat neben militärischstrukturellen Komponenten wesentlich sozialpolitische und ideologische Komponenten. Allein die ökonomischen Lasten der Rüstung wirken auf die politische Willensbildung aller am Wettrüsten beteiligten Staaten zurück. Das ideologische Bedrohungsbild kann durchaus auch losgelöst vom militärischen Bereich verändert werden und wechselt auch mit der Szene der internationalen Beziehungen. Fortschritte in der Sicherheitspolitik vom militärischen Einfluß weg sind aber besonders abhängig von der Situation der Menschenrechte und ihrer Garantie, zu der eine rein innerstaatliche Kontrolle ihrer Beachtung nicht genügt. Unter bescheideneren Erwartungen, verbunden mit politischem kooperativem Willen, eröffnen sich so Wege der Hoffnung. Friede ist mehr als Abrüstung. Friedenssicherung beginnt aber ebenso schon in einer Welt der Rüstung und der Politik selbst mit nuklearem Abschreckungspotential. Daher ist auch der bestehende Friede, insbesondere in Europa unter dem atomaren Schild, nicht allein das Ergebnis der Waffen! Der Weg aus der Rüstung ist sittlich geboten und er ist gangbar.

4. Regionale Rüstungskontrolle: Als ein Bereich, der der internationalen Kooperation in Richtung Abrüstung besonders zugänglich ist, erscheint die geographische Ausgrenzung bestimmter Regionen von militärischen Einrichtungen (Entmilitarisierung) oder zumindest die Schaffung von Zonen mit Rüstungsbeschränkung. Ein Beispiel ist die Errichtung von kernwaffenfreien Zonen durch internationale Verträge. In solchen Verträgen kommt zwar die regionale Absage an die atomare Abschreckung zum Ausdruck, sie haben aber militärisch nur den Wert von Absichtserklärungen der Kernwaffenmächte selbst. Daher sind sie sicherheitspolitisch von umstrittener realer Bedeutung. Sie sind aber sicher ein Weg zur Kooperation in Abrüstungsfragen. Für die kleineren Staaten einer Region eröffnet sich ein Weg auch mit den Kernwaffenmächten in das Abrüstungsgespräch konkret einzutreten. Damit kann auch ein Signal zur Entspannung gesetzt werden. Allerdings ist die Diskussion über kernwaffenfreie Zonen, soferne sie sich im militärischen Konfrontationsbereich der Supermächte befinden, eng mit deren Militärstrategien verbunden. Dadurch können solche Vorschläge auch in erster Linie politisch taktisch gedacht sein, um einer Seite Vorteile aus christlichem Gewissen ausgesprochen hatte. Vgl. Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Berichte und Dokumente Nr. 45, 50 ff. 7 Weiler 1I

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zu verschaffen und zumindest die bessere Optik vor der Öffentlichkeit zu haben. Dafür ist die Diskussion um eine solche Zone in Europa zunächst auf dem Balkan und dann in Skandinavien ein Beispiel. Ebenso sind es die Vorschläge um einen Korridor durch Europa entlang der Paktgrenzen zwischen NATO und Warschauer Pakt. 137 Als Regel sollte gelten, daß solche Verträge für alle Beteiligten vorteilhaft sein müssen und keine destabilisierende Wirkung haben dürfen. Der als nachahmenswert zu betrachtende Vertrag von Tlatelolco aus 1967 für eine atomwaffenfreie Zone in Lateinamerika kam in einer Erdregion zustande, wo keine direkte Konfrontationslinie der Supermächte verläuft. Ganz ähnlich ist es mit dem am 6.8.1985 abgeschlossenen Vertrag von Rarotonga zur Schaffung der bis heute erst zweiten atomwaffenfreien Zone, nämlich im Süd-Pazifik. 138 Anders ist die Situation im Indischen Ozean, wo es immer wieder erfolglose Bemühungen um einen internationalen Vertrag gibt mit dem Ziel, Stützpunkte mit Kernwaffen in der Region zu beseitigen. So kommt die entscheidende Bedeutung bei der Abrüstung nicht den jeweiligen Mitteln der Bewaffnung zu, wie die Rüstung unter Kontrolle gebracht werden kann, sondern dem Willen zur Kooperation unter den Bedingungen gleicher Sicherheit. Die Wahl der Mittel ist von sekundärer Bedeutung; sie ist auf der Ebene militärischer Strategie und Taktik, sie kann aber durch entsprechende Konformität zum Ziel, zu positiven Entwicklungen beitragen. Darum sind modellhafte Überlegungen und Vorschläge von solchen Mitteln und Wegen zur Abrüstung, wie sie zum Beispiel von der Politikwissenschaft, aber auch von Friedensbewegungen und -initiativen eingebracht werden, durchaus wertvoll. Rüstungskontrolle im Hinblick auf regionale internationale Zusammenarbeit steht also in einem starken politischen Zusammenhang und setzt also den politischen guten Willen voraus. Daher hat es in Europa auch am ehesten Fortschritte in der Entspannung durch vertrauensbildende Maßnahmen zunächst im engeren militärischen Bereich in der Folge der KSZE von 1975 gegeben. Wichtiger als regional begrenzte Denuklearisierungen scheinen daher Maßnahmen zu sein, die die Grenzen an den Konfrontationslinien durchlässiger machen und daher Absichtserklärungen zur Truppenverdünnung u. ä. auf einfachem Weg durch freie Bevölkerungsbewegungen, beginnend mit dem kleinen Grenzverkehr, kontrollierbar machen. Aller137 Mitte der fünfziger Jahre ging die Diskussion von Jugoslawien aus. 1957 folgte Polen für Mitteleuropa mit dem Rapacki-Plan, einem Vorschlag des polnischen Außenministers vor der Vollversammlung der OYN. 1963 trat der finnische Präsident Kekkonen mit dem Plan eines nuklearwaffenfreien Nordeuropa hervor, der modifiziert seither immer wieder ins Gespräch gebracht wird. Vgl. Rudolf Weiler, Kernwaffenfreie Zonen in Europa, in: Wiener Blätter zur Friedensforschung, Nr. 20121 (Juli 1979), 12-22. 138 Vgl. SIPRI Yearbook, New York 1987,398-401.

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dings ist oft nicht nur die Sicherheitspolitik der Vorwand, das Recht des Menschen auf freie Bewegung in dieser waffenstarrenden Welt zu beschneiden. Auch ideologische Systeme halten Staatsbürger oft wie Staatsgefangene und verweigern ihnen selbst das Recht auf Emigration. Andere Staaten sind nur sehr beschränkt bereit, ein Asylrecht selbst für Flüchtlinge zu gewähren. 139 Die Welt strotzt noch von schwerbewachten .Zäunen· und "Vorhängen", statt Brücken von Volk zu Volk als Gegenwaffen zu bauen. Der Katalysator für Entspannung in der internationalen Sicherheitspolitik ist jedenfalls Zusammenarbeit von unten beginnend, über das Bündnis und die Region hinaus schließlich mit allen Partnern ohne jedes Feindbild. 140

2.4.6. Das Militär in ethischer Sicht 1. Wehrethik und Militärwissenschaft: Mit dem Militär befassen sich mehrere wissenschaftliche Disziplinen, die gemäß ihrem Formalobjekt im geschichtlichen Ablauf dabei die Herausbildung einer eigenen gesellschaftlichen Organisation und entsprechenden Subkultur mit eigener Ausrüstung und eigener Disziplin zur Erfüllung ihres eigentümlichen Zwecks innerhalb und für die staatliche Gesamtgesellschaft zum Gegenstand haben. Wohl am Anfang steht die Militärgeschichte, es folgt die Militärstrategie als Kriegswissenschaft, während die Wehrwissenschaft oder Wehrkunde später schon das Ziel der Kriegsverhinderung mit einschließt. Die Sozialwissenschaften, empirisch ausgerichtet auf den Menschen im Militär, finden später ihre Anwendung auf das Militär, insbesondere Soziologie und Psychologie. 141 Anders als in der Friedensforschung, besonders wenn sie einen kritischen oder normativen Ansatz einschließt, klammert die Militärsoziologie die Frage des Soldaten- oder Wehrethos aus und damit auch den Ernstfall, beschränkt sich also auf jene Form von Militär, das sich in einem .Zustand von Nicht-Krieg befindet" .142 Vor allem aber die politische Ethik und ebenso Vgl. Alan Dowty, Closed Borders, Yale 1987. Insoferne kann man sicher von der Erfordernis eines .neuen politischen Denkens· sprechen, gehört hierher unmittelbar das gesamte Denken des Menschen, seine logisch-analytische Denkkraft ebenso wie seine sittliche Erkenntnis und auch sein religiöses, auf Frieden gerichtetes Denken und folglich Zusammenwirken und Toleranz auf allen Ebenen. Vgl. auch den Sammelband der Zeitschrift Wissenschaft und Frieden 2/1987 zum Thema .Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa". Die Bedeutung der Religionsfreiheit für den Frieden betont Papst Johannes Paul 11. in seinem Aufruf zum Weltfriedenstag 1988. 141 Nach Anton Burghardt, Militärsoziologie, Wien 1987,3, gehen Militärsoziologie und -psychologie auf einen Forschungsauftrag in den USA aus dem Jahr 1941 über den amerikanischen Soldaten zurück. 142 Vgl. Anton Burghardt, a.a.O., 4 f. 139 140

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die Moraltheologie, aber auch die Rechtswissenschaft und insbesondere das Völkerrecht betrachten das Verhalten des Militärs und des Soldaten in normativer Hinsicht. Sie fragen dazu nach Funktion oder Aufgabe des Militärs und nach dem demgemäßen Verhalten als gesellschaftliche Organisation wie ebenso von deren einzelnen Mitgliedern. Es hängt dann von der Begründung der Legitimität dieses Verhaltens ab, wieweit hier nun eine allgemein menschlich verbindliche normative Aussage möglich ist. Erst dann ist eine ethische Sicht des Militärs in unserem normativen Verständnis möglich. Erst dann können international verallgemeinerbare sittliche Aussagen zum Wesen und Auftrag des Militärs gemacht werden und das Militär jedes Staates unter den internationalen Friedensauftrag gestellt werden. Der Wehrethik als Teil der internationalen Ethik und Friedensethik geht es bei der sittlichen Ordnung der mit dem Militär und seinem militärischen Auftrag zusammenhängenden Fragen und Probleme immer auch um konkrete Fragen auf dem Hintergrund der Anthropologie, eines Menschen- und Gesellschaftsbildes, um Sinn, Zweck und Rechtfertigung des Militärs, um sein Selbstverständnis bzw. seine Mittel zur Zweckerfüllung. In der Wehrethik 143 steht der Soldat im Mittelpunkt, sein Ethos und dessen Rechtfertigung, nicht nur sein Rollenverständnis oder seine Rollenerfüllung im gegebenen staatlichen System. Zugleich geht es um eine Entzauberung traditioneller oder neu formulierter Ideologisierungen des Soldaten, gleich, ob er als Ritter, Kreuzfahrer, nationaler Wehrmann, Rotarmist oder Guerillero angesehen wird. Für die Militärsoziologie hilfreich ist die Betrachtung des Militärs im Bezug auf die Gesellschaft insgesamt als eine Art Gegengesellschaft mit eigenartiger Organisation, hierarchisch gegliedert, als Subkultur mit eigenem Lebensstil oder Berufsbild. Doch erst wenn dies alles unter dem Maßstab der Aufgabenerfüllung für die politische Gemeinschaft steht, gewinnt es ethische Dimension. Die Wehrethik bedient sich hier der Militärsoziologie als Hilfswissenschaft zur Erstellung und Interpretation des Datenmaterials. Sowohl in der Vorkehrung für den Einsatzfall, letztlich im Krieg, wie beim Verhalten des Militärs in Friedenszeiten gibt es dem Auftrag gemäße ethische Verhaltensweisen der Militärangehörigen, die aber nie in Widerspruch zur allgemeinen sittlichen Ordnung treten dürfen. Das Militär ist ein an das Sittengesetz gebundener Gesellschaftsverband wie jeder andere, es folgt nicht einer doppelten Moral oder einer geschlossenen Moral. Die Wehrethik gilt für jede nationale Armee. Auch im Einsatzfall bleibt der militärische Gegner Mensch und Mitmensch und sind die militärischen Strategien und Mittel der sittlichen Ordnung und Abwägung auf Erlaubtheit unterworfen. Hier endet die sogenannte Staatsräson. Eine .totale Kriegführung" beseitigt 143 Vgl. Rudolf Weiler, Wehrethos, Berufsethos, persönliches Ethos, in: Wiener Blätter zur Friedensforschung Nr. 3/4, 1974,2-11.

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nicht nur moralische Skrupel, sondern erhebt den militärischen Erfolg um jeden Preis, mit jedem Mittel, zu einer Art Supermoral. Die moralische Legitimation wird dann auf ein kollektives Ziel wie das .Volk" oder die "Klasse" ohne Rücksicht auf die Person und das menschliche Gewissen bezogen, wenn nur dieses .Ganze" überlebt. Im .Heiligen Krieg" wird auf ein jenseitiges Ideal, das den geopferten Helden unter Umständen einen persönlichen Lohn in einem anderen Leben verheißt, als Ersatz aller moralischen Bedenken, hingewiesen. Für die Wehrethik und ihre Normen ist aber die soziologische und psychologische Betrachtung des Militärs wichtig, weil die besonderen Umstände, unter denen die Aufgaben des Militärs stehen, die Anwendung der sittlichen Prinzipien mitbestimmen und daher den Gewissensentsche~dungen auch zugrundegelegt werden müssen. 2. Aufgabe des Militärs:

Die für die iI}ternationale Ethik entscheidende Problematik ist dabei, daß es nicht bloß um ein Recht im Kriege gehen kann, sondern vor allem um die Friedenserhaltung als internationalen Auftrag des Militärs. Demgemäß gibt es nur eine Identitätsfindung nationaler militärischer Organisationen, wenn sie ihre Integration in diesem Friedensauftrag sehen als letztlich im Dienst einer übernationalen Friedensordnung. Der Soldat einer Armee kann danach in keinem Soldaten anderer Armeen einfach schon den Feind erkennen. Er hat aber das Bedrohungsbild eines eventuellen potentiellen Aggressors zur Sinnhaftigkeit seines Auftrags auch in Friedenszeiten anzunehmen und muß sein Verhalten allenfalls ihm gegenüber sittlich überprüfen und nicht nur für den Einsatzfall technisch einüben. Wenn man vom Bild des Soldaten im Wandel der Zeiten ausgeht, steht am Anfang der Typus des wehrbereiten Kriegers,144 bis es mit den Söldnerheeren in Europa zu den zumindest zeitweilig kontinuierlich gehaltenen stehenden Heeren kam. Von da an datiert auch der Begriff des Militärs. Im 19. 144 Dieser Typus des .Krieges· hat sich bis heute etwa erhalten bei Volkskriegen in der Dritten Welt, wo noch aus den Stammeskulturen kommende Kämpfer sich zur Guerilla gesellen und gegen Soldaten moderner Armeen zu Kriege ziehen. Hier treffen dann militärische strategische Operationen auf eine im wesentlichen auf Taktik beschränkte Kriegführung der Einheimischen, die sich oft um kein Kriegsvölkerrecht kümmern und nach dem Gesetz der Blutrache sich zur Wehr setzen, was zur weiteren gegenseitigen Grausamkeit führt. Dies war sowohl in Vietnam wie in Afghanistan zu beobachten, wo je eine der Supermächte direkt militärisch involviert war, die andere aber für Waffenunterstützung und Nachschub an die Aufständischen sorgte und so jeweils in die Grausamkeiten dieser Kriege verstrickt war. Besonders grausam ist hier auch das Los der Flüchtlinge und der vielen Opfer des Krieges aus der Zivilbevölkerung, deren Leid zum taktischen Kalkül der Kriegführung gehört.

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Jahrhundert, dem Zeitalter des Nationalismus, setzt die Bildung nationaler Heere ein, die allgemeine Wehrpflicht wird üblich. Anders als bei den Söldnerheeren werden die Wehrpflichtigen nun durch nationalistischen Patriotismus, schließlich auch durch andere Ideologien emotional auf den Krieg hin motiviert. Die beiden Weltkriege wurden zwischen großen Militärbündnissen geführt, die durch verschiedene auch ideologisch mitbestimmte Interessen verbunden waren. Heute stehen sich die meisten Industrieländer im Ost-West-Konflikt, in zwei Machtblöcken aus Sicherheitsgründen organisiert, militärisch hoch gerüstet, unter jeweils gemeinsamem Oberbefehl über die nationalen Heere gegenüber. Auch hier ist das Ideologische jeweils eine Klammer. Auf beiden Seiten hat die technologische Entwicklung in der Bewaffnung und Logistik zu einer militärischen Professionalisierung geführt, die auch noch Zivilisten in die militärische Organisation einbezieht. Die Kaderbildung erfolgt auch nicht mehr bei allen Armeen durch die Wehrpflicht. Das Festhalten am Gedanken der Wehrpflicht bedeutet immer auch die Betonung des ideellen Gedankens. Der Soldat zeigt seine Einstellung zum Gemeinwohl seiner Nation, seines Staates und Volkes, indem jeder Wehrdienstfähige eine Zeit seines Lebens der Gemeinschaft widmet und für den Ernstfall des Einsatzes auch zum Lebensopfer bereit ist. In Demokratien wird diese Einstellung relativiert durch politische Begründung dieses Einsatzes, durch Betonung der personalen Subjektstellung des Soldaten und Begrenzung seiner Unterwerfung unter die Autorität. Treffender Ausdruck dafür ist die Diskussion um die .innere Führung" eines Heeres oder das Schlagwort von der Demokratisierung des Heeres und vom .Staatsbürger in Uniform." Gerade totalitäre Systeme stellen die vormilitärische Wehrerziehung und die politische Erziehung im Heer besonders heraus. Die Sowjetarmee kennt ab Bataillonsebene den politischen Offizier, einst in der Roten Armee der politische Kommissar. Die DDR ist besonders bekannt für ihren vormilitärischen Unterricht. Ergänzend steht - als Beispiel sei die Zeit der Hitler-Herrschaft in Deutschland genannt - das Streben solcher Systeme, auch die Frauenjugend in .Dienst" zu nehmen durch militärische Verbände wie den .Arbeitsdienst", womöglich mit Teilnahmepflicht. Studenten werden wenigtens zu kurzfristigen .Brigaden" für ideologisch motivierte Einsätze verpflichtet. Militärregime haben ihre Rekrutierungssysteme. Volksbefreiungsarmeen zwingen in ihrem Einflußbereich selbst Kinder in ihre Kader. Die ideologische Indoktrination geht mit der .Wehrpflicht" dann Hand in Hand. Darum ist es notwendig, die allgemeine Wehrpflicht vom Gemeinwohl her zu begründen, aber auch zu begrenzen. Die Begründung geht von der Sozialpflichtigkeit jedes Staatsbürgers dem Gemeinwesen gegenüber aus, soweit es für die Sicherheitspolitik des Staates notwendig ist, Militär zu unterhalten, und soweit diese Sozialpflicht nicht auf andere Weise als militärisch zu

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erlernen und auszuüben ist. Eine heute für die Haltung von Heeren auch ins Treffen geführte Argumentation und geübte Praxis ist der Katastropheneinsatz des Militärs. (Auch die Präparierung von Skipisten fällt manchenorts noch unter diesen Einsatzbegriffl) Es sind dies zwar Nebenargumente, die aber darauf hinweisen, daß es eine soziale Verpflichtung der jungen Generation - nicht nur der Männer! - gibt, für das Gemeinwohl des Vaterlandes selbstlose Dienste zu leisten, daß dies aber nicht allein von der Existenz des Militärs abhängt. Echter Patriotismus kann also vom Militär durchaus abgekoppelt gesehen und gepflegt werden, begründet im sozialen Wesen des Menschen und begrenzt in seiner personalen Menschenwürde jenseits aller Ideologien. Erst durch die Herausstellung der sozialen Verpflichtung des Staatsbürgers als Grundlage der Wehrpflicht und der Begründung der Notwendigkeit sozialer Dienste für das Gemeinwohl entsteht der Vorrang des allgemeinen Wohls vor dem Eigenwohl und der Nachrang der individuellen Freiheit. Das Militär hat also seine Ansprüche an den Staatsbürger erst als für die Sicherung des Gemeinwohls zweckmäßig zu erweisen, will es nicht ein Instrument des Militarismus sein. Und nach dieser Zweckmäßigkeit richtet sich die Bewertung auch des Dienstes der Soldaten und deren verschieden notwendige Eingliederung in das Heer, ohne daß der Soldat aufhört, seine grundlegenden Rechte zu behalten. Er bleibt Träger unveräußerlicher Rechte. Abgelöst vom Wohl seiner Glieder verliert das Gemeinwohl seine Legitimation. Insoferne ist das Heer und sein Dienst letztlich im Willen des Staatsvolks begründet und dient der politischen Gemeinschaft und nicht umgekehrt. Die Konkretisierung dieses Dienstes durch die allgemeine Wehrpflicht ergibt sich aus frei bestimmter Zweckmäßigkeit und ist politisch nicht notwendige Festlegung der Form der naturrechtlich bestehenden sozialen Grundeinstellung und entsprechenden Sozialpflicht jedes Menschen gegenüber der Gesellschaft, soferne sie sich wesentlich aus seiner Sozialanlage ergibt. Wie zum Beispiel der Mensch im Verband der Familie lebend, dieser gegenüber Pflichten hat, so hat er auch im Staatsverband Pflichten, aus deren sittlichem Charakter sich die konkreten Formen der Pflichterfüllung erst ergeben. 3. Das Wehrethos: Das Wehrethos bestimmt sich aus den kulturellen Lebensformen der Militärangehörigen eines Staates. Sobald sich das Militär als eigener Lebensbereich im Staat herausgebildet hat, entwickelt es für die - auch nur auf Zeit - ihm Angehörigen eine Subkultur in der Gesellschaft und entspricht seiner Berufung,. seinem eigenen Sozialzweck in enger Verbindung mit dem Gemeinwohl und ebenso einem Individualzweck, soweit die indivi-

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duelle Lebensform des Soldaten ihren Sinngehalt und entsprechende Lebenserfüllung behält. In diesem doppelten Sinn kann vom Soldatenberuf, wenn auch nur im Falle einer Zeitverpflichtung, gesprochen werden. Das Wehrethos wird so zum Berufsethos. Der Soldat auf Lebenszeit verbindet mit dem Wehrethos seine berufliche Arbeit und entsprechend wird es auch sein Arbeitsethos. Zumeist ist es dann die Arbeit, aus der er zugleich seine Lebensexistenz materiell begründet und sichert. Wie nicht immer bei allen Berufen heute kommt im Soldatsein eine Berufung zum Ausdruck und damit eine besondere Verbindung von Arbeits- und Berufsethos. Darum ist es sehr angebracht, daß der Soldat seine Berufung sittlich bedenkt, seine Motive zum Soldatendienst überprüft und sich über die Berufssituationen entsprechend Rechenschaft gibt, bzw. er dazu verhalten wird. Jedes Militär hat daher einen entsprechenden wehrkundlichen Unterricht, Traditionspflege und eigene Formen der Verpflichtung zum soldatischen Leben, bzw. äußere Zeichen dieser Lebensordnung von der Uniform bis zum Eid. Festgehalten ist dies in allen Armeen heute in Dienstvorschriften und Gesetzen, deren internationaler Vergleich von großem Interesse ist. Leider sind die Angaben und Daten dazu, insbesondere deren faktische (auch sozialempirische) Überprüfung auf Einhaltung bzw. auf ihre Wirkung auf die Truppe nur sehr teilweise zugänglich. Die Wehrerziehung und soldatische Motivation von Eliteeinheiten oder Kaderpersonal wie den Berufsoffizieren wäre hier jeweils aufschlußreich. Als Beispiel sei die sowjetische Wehrerziehung kurz angeführt. In der Sowjetunion besteht Wehrpflicht. Neben der Grundausbildung aber gibt es für das Kaderpersonal ein entsprechend den technisch sehr ausgeweiteten Notwendigkeiten breites militärisches Schulwesen. Für die Offizierslaufbahn existieren 26 Ausbildungszweige. Das soziale Prestige des Offiziers wird auch durch seine Ausbildung für zivile Verwendbarkeit gehoben. Die Bezahlung ist verhältnismäßig höher als in westlichen Staaten, das Prestige der Armee wird in der Öffentlichkeit sehr gepflegt, so daß vor allem höhere Offiziere zur sogenannten Nomenklatura zu rechnen sind. Die militärische Kastenbildung findet ihre Grenze nur in der Fundierung auf der kommunistischen Ideologie und der Traditionspflege, von der Oktoberrevolution her stark vermischt mit der patriotischen Tradition aus dem .Vaterländischen Krieg" von 1941 bis 1945. Auf die .Moral" der Truppe wird nach der geltenden marxistisch-leninistischen Morallehre großer Wert gelegt, insbesondere aber auf den politischen Unterricht, für den eigens ausgebildete Polit-Offiziere zur Verfügung stehen. Ab Bataillonsebene liegt die politische Überwachung der Streitkräfte aber beim KGB-Offizier, der zwar Uniform trägt, aber dem Geheimdienst untersteht. Die Kampfbereitschaft der Soldaten wird durch ein ideologisches Feindbild bestimmt, das sich aus einem gegen die sozialistischen Staaten

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geführten imperialistischen Krieg ergibt. Aus dieser Bereitschaft zur .gerechten" Kriegführung ergibt sich für die Moral im Kampf, daß den Befehlen der Vorgesetzten widerspruchslos zu folgen ist. Auch der Eid in den sowjetischen Streitkräften bezieht sich auf die Verteidigung des Sozialismus ohne Rücksicht auf territoriale Begrenzung auf den eigenen Staat. Nach altrussischer Tradition hat die Fahne des militärischen Verbandes besonderen Symbolcharakter. Auszeichnungen werden überaus geschätzt und öffentlich stolz getragen. Die Schulkinder und Jugendlichen, Jungen wie Mädchen, versehen überall vor Heldendenkmälern im Land, vor denen die .ewige Flamme" brennt, mit Gewehren in Händen einen dauernden Ehrendienst. 145 Wie weit die Politik der .Glasnost" auch bei diesem Wehrethos der Sowjetarmee einen Wandel schaffen wird oder der1989 erfolgte Rückzug aus Afghanistan, kann nicht vorausgesagt werden. Jedenfalls hat im internationalen Denken seit dem Zweiten Weltkrieg ein Entideologisierungs- und Entnationalisierungsprozeß der Wehrethik eingesetzt. Das betrifft die USArmee in ihrem Vietnam-Einsatz, die Militärregierungen in Ländern besonders der Dritten Welt, das betrifft die israelische Armee vor allem als Besatzungsarmee. Ganz zu schweigen ist vom fundamentalistischen Kriegsethos - statt Wehrethos muß man es hier eindeutig so nennen! - etwa der Revolutionswächter im Golfkrieg, wo auch Kinder in der Schlacht geopfert wurden. Früher schon hat das die Armeen der Soldaten der Hitler-Allianz betroffen, deren Soldaten Kriegsverbrechen in .preußischer" unbedingter Gehorsamshaltung vorgeworfen werden konnten. Die Entwicklung der Säkularisierung mit dem positiven Effekt der Entlastung vor allem der christlichen Religion von unmittelbarer Verwicklung in die Politik der Staaten hat die Kirchen dagegen für eine unabhängige moralische Sendung stärker freigemacht in der Verkündigung des Evangeliums des Friedens für die Soldaten. Ein Prüfstein des moralisch verantworteten Wehrethos ist der Vorrang des Gewissens jedes Staatsbürgers bei der Beurteilung der Berufung zum Dienst des Soldaten. Vor der Frage der Erlaubtheit von Gewaltanwendung steht jeder Soldat und sollte sich das Prinzip der Gewaltminimierung zum 145 Vgl. A. Scheltow/M. Korobejnikow, Soldat und Krieg, Bern 1972; Peter Gosztony, Die Rote Armee, Wien 1981; N. W. Ogarkow, Für unsere sowjetische Heimat, in: Beiträge zur Konfliktforschung 1981, 131-149; Artdrew Cockburn, Die sowjetische Herausforderung, Bern 1983. Diese Grundgedanken zur .sozialistischen Wehrmoral" , die .Pflicht der Verteidigung des Sozialismus" als patriotisch und internationalistisch gegeben, die .Unbesiegbarkeit der Sowjetarmee" , daß der Imperialismus jederzeit zu Massenmord und Kriegsverbrechen fähig ist (Beispiel USA - Vietnarnkrieg), der NATO mit der deutschen Bundeswehr ein Aggressionskrieg zugetraut werden muß und die Unterscheidung von Freund und Feind eine Klassenfrage ist, findet sich in den kommunistischen Lehrbüchern der Moral regelmäßig. Vgl. Lebensweise und Moral im Sozialismus, Berlin 1972, 322 H. So steht moralisch der Friedensbegriff über der Friedensliebe! Vgl. Sozialismus und Ethik, Berlin 1984,307 H.

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Grundsatz seines Ethos machen. Der Waffeneinsatz ist letztes Mittel, Gewalt nur so weit erlaubt, als sie unbedingt zum politischen Ziel nötig ist. (Viel differenzierter sind hier die Überlegungen und Vorschriften für die Polizei entwickelt!). Für das politische Verständnis der Gewaltanwendung durch das Militär ist auch die psychologische Einsicht in die Eskalationsmechanismen sehr von Nutzen, um der Versuchung vorschneller Gewaltauslösung zu widerstehen. Somit bedeutet der Verweis auf die Gewissensseite der Gewaltanwendung allgemein und im besonderen die Infragestellung der soldatischen Waffenanwendung im Bereich der Wehrethik für die Gewissensbildung einen positiven und wichtigen Beitrag, wenn auch das Gewissen nicht zum Ergebnis der Verweigerung des Militärdienstes kommen muß. Damit wird die gesinnungsethische Komponente der Wehrethik hervorgesteIlt. Die Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen erlangt so eine prophetische und für die Gemeinschaft positive Bedeutung, ohne den Soldaten, der in politischer Sicht heute national noch nicht abgeschafft und ersetzt werden kann, zu diskriminieren. Das Recht auf Wehrdienstverweigerung mit der Waffe und die Wahl des Zivildienstes dafür bei Bestehen der allgemeien Wehrpflicht ist ein Menschenrecht, das im Zusammenhang mit der Gewissens- und Religionsfreiheit sich zunehmender internationaler Anerkennung in den Staaten erfreut. Bezeichnend ist, daß sich Staaten mit kollektivistischer Grundrechtsverankerung und der Trennung von Kirche und Staat nach totalitären Ansätzen und Zuordnung der Religion in den privatrechtlichen Bereich staatlicher Duldung und Kontrolle mit der Garantie dieses Menschenrechtes besonders schwer tun. Anscheinend ist das Vertrauen in die Identifikation der Bevölkerung mit dem politisch-sozialen System in solchen Staaten inoffiziell auch sehr gering eingeschätzt, da ein hoher Grad der Inanspruchnahme dieses Rechts dort auch aus Gründen des Protests gegen die bestehenden Unfreiheiten befürchtet wird. 146 Die Alternative zum Zivildienst ergibt sich aus der Inanspruchnahme der Dienstpflichtigen für den gleichen Dienst am Gemeinwohl. Zugleich wäre eine Erschwernis des Zivildienstes gegenüber dem Militärdienst nach Art oder Dauer des Einsatzes eine Beeinträchtigung der Gewissensfreiheit. Andererseits ist es denkbar, den Dienst ohne Waffe in das Konzept gewaltloser ziviler Verteidigung einzubeziehen, sobald eine adäquate selbständige Alternative sicherheitspolitisch besteht. Eine reine Zuordnung durch Hilfsdienste zur kämpfenden Truppe würde aber das Zeugnis der Gewaltlosigkeit als sozial unerheblich entwerten und die Gewissenslage der Alternativdie146 In Ungarn gab es in den achtziger Jahren zuletzt für die katholische Kirchenführung Probleme, zum im Vatikanischen Konzil ausgesprochenen Recht auf alternativen Zivildienst zu stehen, da der Staat offensichtlich der Kirche die Propagierung dieses Rechts verboten hatte aus Sorge, durch die Einführung eines solchen Dienstes viele Wehrpflichtige zu verlieren.

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ner nicht adäquat wiedergeben. Alternative oder zivile Verteidigungsformen liegen heute durchaus im Bereich der Wehrethik und sind nicht allgemein nur ein Sozialdienst. Hier ist allerdings verteidigungs- und sicherheits politisch die Entwicklung erst im Anfang. Es gibt zwar Modelle ausschließlich zivilen Widerstands und sozialer Verteidigung, insbesondere auch für immerwährend neutrale Staaten wurde das versucht. Die damit verbundenen völkerrechtlichen Probleme sind aber ebenso ungelöst - zum Beispiel der Status von Zivilisten bei Widerstandshandlungen - wie die faktische Wirksamkeit gegen militärisches Vorgehen und die Folgen für die Verteidiger, die praktisch ununterscheidbar gegenüber einem militärischen Machtapparat agieren. Differenzierter stellt sich die Frage bei einer Verbindung von zivilem und militärischem Widerstand als Komponenten des Widerstandes, die sich eher getrennt sehen und politisch bewerten ließen und im Falle der .geistigen Landesverteidigung" eigentlich eine lange Tradition aufweisen und nur einer stärkeren strategischen Planung noch bedürften. 147 Eine weitere Gewissensfrage ist der militärische Eid, traditionell - nicht in allen Armeen mehr heute! - mit der Anrufung Gottes verbunden. 14s Er unterstreicht die besondere Gehorsamssituation und die Disziplin in hierarchischer Struktur im Militär. Früher als Fahneneid, später auch als Gelöbnis oder Versprechen bis zur formlosen Unterordnung vorgenommen, wird damit der strikte Gehorsam unter Befehlsgewalt eingeschärft. Verweigerung des Eides oder Verletzung des Gehorsams bis zur Fahnenflucht haben harte Sanktionen zur Folge. Die Bereitschaft zum Gehorsam hat andererseits für das Gewissen des Einzelnen u9 ihre sittlichen Grenzen wie bei jeder Autorität in der Rechtmäßigkeit derselben und in der Übereinstimmung des Befehls mit der sittlichen Ordnung, sobald das Unrecht nach Form und Inhalt des Befehls erkannt wird. Es muß sogar ein eigenes Urteil jedem Befehlsempfänger zugemessen werden, ob ein Befehl zutrifft, sonst kann nur Befehlsnotstand ihn von Mitverantwortung bei Befolgung ungerechter Befehle allenfalls entschuldigen. Alles hängt aus der Sicht des Befehlsempfängers wie des Befehlsgebers im Militär von der Zulässigkeit der Befehle nach dem Völkerrecht ab, ob sie 147 Vgl. Heinz Vetschera, Soziale Verteidigung, Ziviler Widerstand, Immerwährende Neutralität, Wien 1978. 148 Vgl. Hans-Wendel v. Rabenau, Der Fahneneid als ethische Grundlage des Gehorsams, in: Neue Zeitschrift für Wehrrecht 1984, Heft 5, 199-209. Vgl. weiter Ernst Auer, Der Soldat zwischen Eid und Gewissen, Wien 1983. 149 Das im österreichischen Bundesheer von jedem Wehrpflichtigen bei Dienstantritt abzulegende Treuegelöbnis sah in der Fassung des Bundesgesetzes vom 7.9.1955 (Wehrgesetz) den Gehorsam .nach bestem Wissen und Gewissen" vor. In der Novelle von 1977 wird hingegen Treue und Gehorsam .den Gesetzen und den gesetzmäßigen Behörden" gelobt, ohne das Gewissen zu nennen.

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.gerecht" sind und im Gehorsam verpflichten. In Situationen, wo das Kriegsvölkerrecht nicht genügend Auskunft gibt, tritt die naturrechtliche Wurzel des Völkerrechts voll in Kraft. Diese Gewissensentscheidung wird daher dem Soldaten nie abgenommen. Sie gilt sogar, wenn es um die Anwendung des Kriegsvölkerrechts in der konkreten Situation geht, daß dabei auch mehr dem Geist der Kriegsfolgen- und Leidensbegrenzung zu entsprechen ist als der Buchstabe an Gewaltanwendung vielleicht noch zulassen könnte. Ein besonderer Anwendungsfall von Eid und Gehorsam ist der angenommene Fall des Einsatzbefehls von Nuklearwaffen mit dem Effekt der Auslösung des Nuklearkrieges und der indiskriminaten Tötung und Zerstörung, des totalen Krieges also. Wer immer diesen Krieg mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, ist an seinen Eid dann nicht gebunden. Ferner spricht heute vieles dafür, daß die Drohung mit dem Nuklearkrieg nur politisch sinnvoll ist und seine Auslösung als Mittel der Konfliktlösung unvernünftig und also unsittlich ist. Darum ist die zur nuklearen Abschreckung nötige Befehls- und Gehorsamsstruktur als hypothetisch zu werten. Der Wille zum Gehorsam wie zum Befehl muß gar nicht real gedacht sein, es besteht nur ein unentscheidbarer Widerspruch zwischen der objektiven Norm und der menschlichen Fehlbarkeit, die auf der ganzen Linie der Befehls- und Gehorsamshierarchie liegt. Das macht langfristig jedenfalls die Drohung mit Massenvernichtung ebenso unsittlich wie auch unglaubwürdig, bzw. zum gefährlichen Spiel mit dem Tod. ISO Auch im begrenzten Einsatzfall der Waffenarsenale geht es um Leben und Tod von Menschen, um das eigene Leben und das der dem Befehlshaber Anvertrauten wie ebenso das der Gegner. Auch im Manöver und in der Ausbildung wird dieser Einsatz geübt und stehen die Folgen eines etwaigen Einsatzes der Waffen damit stets vor Augen. Möglichkeit und Folgen des Ernstfalls sind jedenfalls im Berufsethos des Soldaten, in qualifizierter Form bei den militärischen Kommandanten, zu klären. Der Wert des Lebens ist gegenüber den zu verteidigenden Werten abzuwägen. Das bloße Verlassen auf den Befehl von oben genügt nicht, zumal diese Abwägung in der konkre150 Zur Diskussion um diese Fragen vgl. Knud Heuer, Das Prinzip von Befehl und Gehorsam und der Einsatz von Kernwaffen, in: Neue Zeitschrift für Wehrrecht 1986, Anlage 1 b; ferner Walter Kerber, Militärisches Gelöbnis und persönliches Gewissen, in: Stimmen der Zeit 7/1987,433-434, neuestens von Walter Kerber in derselben Zeitschrift 5/1988,313-323, Zur Moral des militärischen Gelöbnisses im Zeitalter der nuklearen Abschreckung. Das Dilemma des Soldaten zwischen Dienstpflicht und Gewissenspflicht ist von der positiven Rechtsordnung im Falle des Kernwaffenkrleges nicht lösbar, solange die Abschreckung bestehen bleibt! Ethisch steht das persönliche Gewissen aber immer höher als die treue Diensterfüllung. Das müßte auch jeder militärische Befehlshaber wissen und der politische Auftraggeber zur atomaren Abschreckung in Rechnung stellen. Die Ethik kann damit den Kernwaffenkrieg ächten. Einzig der begrenzte tatsächliche Einsatzfall steht ethlsch zur Diskussion.

2.4. Ethik der Verteidigungspolitik

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ten Situation sich auch wesentlich verändern kann, da sie von einer fernen Stabsstelle her ausgehen mag.

4. Prinzipien der Wehrethik: Die Grundorientierung soldatischen HandeIns bleibt der politische Auftrag, dem das Militär dient. Der erste und entscheidende Zweck des Militärs ist heute nicht die Kriegführung, sondern die Kriegsverhütung und Friedensförderung. Darin liegt die Grundfunktion und Berufung des Soldaten. Sollte ein Konflikt nicht verhindert werden können und tritt der Verteidigungsfall ein, ist die militärische Gewaltanwendung mit all ihren Übeln nicht zu umgehen, besteht die Bedingung der Schadensbegrenzung und der Gewaltminimierung. Auch hier sind - abgesehen von den Automatismen technologischer Kriegsmittel, 151 wenn sie einmal eingesetzt werden müßten örtliche Kampfführung und Kommandogewalt durchaus in Verantwortung genommen und mitbestimmend. So zieht sich der politische und sittliche Auftrag von der Spitze bis zum letzten Soldaten durch. Das Problem ist, daß der Soldat einen Einsatz üben muß, von dem alle hoffen, daß er nie wirklich wird, für den er sich auch im einzelnen sittlich Rechenschaft geben muß, um für alle Fälle dann Entscheidungen treffen zu können. Darum ist für die Wehrmoral die Wehrethik so wichtig, vor allem, daß auch die politischen Rahmenbedingungen und der politische Auftrag vom Offizierscorps über das berufliche Kaderpersonal bis zu den Wehrpflichtigen herab bekannt und eingeübt sind ebenso wie die handwerklichen Verrichtungen im Einsatz. Selbst die Schwelle vom begrenzten Einsatzfall zum Nuklearkrieg und strategische Erfordernisse sind von allen im Militär zu bedenken, auch wenn es hier keine einheitliche Auffassung gibt, wann die Eskalation zum totalen Krieg und zur Massenzerstörung erreicht wäre und die Abschreckung versagt hätte. In letzterem Fall jedenfalls hätte das Militär seine Funktion verfehlt und verloren und würde zur sinnlosen Tötungsmaschine und zum Beteiligten am Verbrechen gegen die Menschheit, auch wenn es darüber \5\ Die Truppenführung unter den technologischen Entwicklungen der modemen Armeen hat zur Ablösung der Soldaten vom Kampfgeschehen geführt, wie das Beispiel des .automated battlefield" zeigt. Es wurde ein begehrtes Privileg, sich nicht mehr an den Risiken des Kampfes beteiligen zu müssen und dies den untersten Kadern zu überlassen. Im Vietnamkrieg wuchs der Anteil der Offiziere an der Gesamtmannschaft unter den Amerikanern schon auf 15 Prozent, die sich dann zumeist aus unangenehmen Kampfpflichten heraushalten konnten. Dieser Hinweis mit entsprechenden Belegen findet sich bei Hans Genser, Organisationsprobleme des Militärs, in: Günther Wachtler (Hrsg.), Militär, Krieg, Gesellschaft, Frankfurt 1983, (139-164), 155 f.

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keine Rechtsbestimmung gibt und die Sanktion nur im möglichen Weltuntergang besteht, also im Ende letztlich für alle. Daher gilt es, die sittliche Funktionsfähigkeit des Militärs zu erhalten und auszubauen. Dies ist nur in internationaler Kooperation möglich, da ein totales Gegeneinander das .Undenkbare", die Weltkatastrophe, bedeuten würde. Nicht um zu kämpfen stehen heute bewaffnete Streitkräfte einander gegenüber, sondern um den internationalen Frieden zu bewahren, solange keine anderen Lösungen von drohenden Konflikten allgemein gefunden und verbindlich gemacht sind. Das bedeutet für alle Streitkräfte ein neues militärisches Denken und den Vorrang des Friedensethos. Exemplarisch für die nationalen Armeen und ihre Grundfunktion sind daher die Streitkräfte der OVN geworden, mit dem zumeist bezeichnenden Titel: Peace-keeping Forces. Ihre blauen Barette 152 sind zum Symbol des internationalen Soldaten geworden, obwohl er von einer nationalen Armee ausgebildet und gestellt wird. Für diese Soldatenrolle hat sich in der Sprache der OVN der Terminus U. N. peace keeper eingebürgert. 1988 gibt es diesen Soldaten, gestellt von sieben Nationen, bereits seit 14 Jahren! Operationsfelder dieser Soldaten waren bisher Ägypten bzw. Israel und Syrien und der Libanon, der Kongo, Zypern, West Iran, Korea. Schon am Balkan gab es ein U. N. Special Committee 1948/49 zur Beobachtung des griechischen Bürgerkriegs mit kommunistischen Rebellen. Jeder Einsatz hatte seine Besonderheiten, vom Einsatz von Beobachtern bis zum Kampf auf einer Seite im Falle von Korea. Immer sonst muß dieser Einsatz von allen Beteiligten politisch ausgehandelt werden. Je klarer dabei das politische Mandat ist, zum Beispiel am Golan die Überwachung des Waffenstillstandes mit geographischer Zoneneinteilung zur Trennung der feindlichen Armeen, umso wirksamer ist dieser Einsatz. 153 Die reine Beobachterrolle konnte im Beispiel Ägypten-Israel den Ausbruch des Krieges nicht verhindern. Die Bewaffnung des U. N. peace keeper ist in den, von Korea abgesehen, üblichen Einsätzen von symbolischer Bedeutung, da sie für einen Ernstfall völlig unzureichend wäre. Daher ist dies auch kein Ansatz für ein Weltmilitär, abgesehen davon, daß der - normalerweise! - auftraggebende Sicherheitsrat kein Weltstaat ist. Im Rahmen kollektiver Maßnahmen in der Staatengemeinschaft sind solche Operationen, die friedenserhaltend konzipiert sind, durchaus möglich. Ein stärker agierender Generalsekretär der OVN 152 Schon Anfang der siebziger Jahre schrieb ein Kommandant von UN-Operationen vom .supranationalen Soldaten", Michael Harbottle, The Blue Berets, London 1972. 153 Vgl. Hannes Philipp, Erfahrungen mit den Peace-keeping Forces der UN, in: Wiener Blätter zur Friedensforschung, Nr. 44/45 (Dez. 1985),49-54. Vgl. ferner dort auch die weiteren Statements von Gerhard Bonelli, Thomas Desch, Rudolf Weiler, 54-63.

2.4. Ethik der Verteidigungspolitik

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Trygve Lee war in der Kongo-Krise so eine Persönlichkeit - kann eventuell noch mehr Möglichkeiten ausschöpfen. Prinzipiell dient die Bewaffnung aber nur zur Selbstverteidigung. Damit ist die Folge, daß über das unmittelbare Mandat dieser Truppe schon bei seiner täglichen Umsetzung neben dem operationalen Effekt ein Kontakteffekt einsetzt, der bei Geschick der Truppe und ihrer Führung befriedend wirksam werden kann. Hier wird die Überwachung zum Kommunikationsmittel und indirekt zum Vorbereich von Verhandlungen, die schon mit Erleichterungen des alltäglichen Lebens im Grenzgebiet beginnen können. An sich bleibt der Soldat im Dienste der OVN im Rahmen seines Berufsbildes zur Friedenserhaltung und -sicherung. Er .macht" nicht Frieden, sondern bleibt Militär und trägt womöglich Waffen. Es zeigt sich aber eine deutliche Schwerpunktverlagerung zur Friedensförderung und weg von der Abschreckung! Die Einhaltung der Waffenruhe wird mit geringem Gewaltaufwand, eigentlich mit moralisch-politischen Mitteln - auch überpTÜfbar! - erreicht und vor der Weltöffentlichkeit in einer begrenzten Region gesichert. Der militärische Einsatz kann sich so auf Prävention richten, ohne adäquate Kampfmittel anzuwenden. Interessant ist auch, daß die Truppen vor allem von kleinen und insbesondere neutralen Staaten statt von den Supermächten gestellt werden. Somit tritt der Soldat langsam in eine neue Rolle ein, die auch für die dann nötige Bewaffnung eine entscheidende Veränderung hin auf Abrüstung bringen kann, sobald Prävention ohne Abschreckung (mittels Hochrüstung) auskommen kann. Oberste sittliche Norm für jeden Soldaten wäre also, in Verantwortung für den Weltfrieden den Krieg zu vermeiden und allen Völkern und Staaten auch als nationaler Soldat zu dienen. Bei der Anwendung von militärischer Gewalt gilt das Gebot, sie politisch, nicht faktisch zu sehen und nur als letztes Mittel zu gebrauchen, soferne der Schaden verhältnismäßig und begrenzt gehalten werden kann. Alles ist aber zu tun, um die internationale Kooperation zu entwickeln und die Bewaffnung zugunsten des Verhandelns abzubauen, wobei auch die Soldaten im supranationalen Auftrag in Krisengebieten eine ihnen eigene Rolle übernehmen können. Die internationale Kooperation zwischen nationalen Armeen hat sich auch in Katastropheneinsätzen, zum Beispiel bei Versorgungseinsätzen, bewährt und kann diesen supranationalen Gedanken fördern. Umso mehr Bedeutung kommt praktisch und ideell den unmittelbaren internationalen Kontakten zwischen Armeen von der Manöverbeobachtung bis zu sportlichen Wettkämpfen und kulturellen Begegnungen auf breitester Ebene zu. Auf diesem Wege wird der steten Gefahr einer militärischen Kastenbildung auch in der internationalen Gesellschaft begegnet und erfolgt die soziale und ideelle Eingliede-

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2. Die internationale Friedensordnung

rung der Soldaten in die Gesellschaft (Sozialisierung) und die weltweite gesellschaftliche Kooperation. 154 2.5. Ethik der Friedenspolitik

In der weltweiten Dimension stellt nach dem aristotelischen Ansatz die Politik eine .Kunst" dar, das staatliche Leben aller Menschen dieser Erde so zu lenken, daß sie im (Welt-)Gemeinwohl die Erreichung eines glücklichen Lebens gemäß ihrer humanen Bestimmung finden. 155 Damit ist die Politik nach Inhalt und Ziel normativ gesehen und in den Prozeß vollmenschlicher Entwicklung hineingestellt, also ethisch bestimmt. Friede ist an der diesem Inhalt dienenden Ordnung und deren Dynamik orientiert und ausgerichtet. So verstanden ist Friedenspolitik internationale Ordnungspolitik für das Zusammenleben der Staaten in Menschenwürde und Wohlstand für alle, ist sowohl Sache der Grundeinstellung auf diese Ordnung hin als weithin auch die Kunst des Möglichen unter den gegebenen Verhältnissen in Verbindung mit dem guten Willen aller. Die rechte politische Gesinnung, der gute Wille, scheint zunächst keine so schwierige Voraussetzung zu sein. Gesinnungspflege ist aber vom Willen zum Guten zuinnerst abhängig und bei der Schwäche des Menschen und seiner Neigung und Versuchung zum Bösen - auch diese Realität im Menschenleben muß in der Politik gesehen werden! - ist die gute Gesinnung keineswegs immer eindeutig bestimmt und im internationalen Zusammenleben gesichert. Sie muß stets neu gepflegt werden und ist auch nicht einfach durch moralisches Reden schon zu erreichen. Sie bedarf der steten Verbindung mit dem praktischen Tun des Guten, also der Praxis. Auch die Grundordnung der Politik ist nicht so leicht eindeutig erkennbar. Schon über die Grundwerte des menschlichen Lebens gibt es weltanschauliche Differenzen, noch viel mehr drohen Konflikte, wenn es um die Anwendung der Grundprinzipien des internationalen Lebens geht. 156 So ist die Berechenbarkeit des politischen Handeins von den Grundsätzen und Grundvoraussetzungen im Menschen her immer unsicher. Sie ist es 154 Christian Walther, Soldatische Existenz in der Demokratie, Bonn 1985, sucht einen neuen Sinnansatz .soldatischer Existenz· zu sehen, indem er nicht mehr die Beziehung des Soldaten auf den Krieg in den Vordergrund stellt und nachfolgend eine eng verstandene .Berufsethik". Er stellt auf die Beziehung .Soldat - Freiheit" ab und die folgliche politische Verantwortung und Aufgabe des Soldaten in unserer Zeit, die ihn nicht nur in ein militärisches System einordnet, sondern in den .Kontext neuzeitlichen Freiheitsverständnisses· (126) hineinstellt. 155 Vgl. zum Politikbegriff nach Aristoteles von Johannes Messner, Das Naturrecht, a.a.O., 751 f. 156 Vgl. das im 1. Band dazu im 2. Abschnitt Ausgeführte.

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auch von der Erfassung der Situation und den Möglichkeiten der Lösung der internationalen Probleme her, um zu einem politisch richtigen Entscheidungsprozeß zu kommen. Dennoch ist die Chance gegeben, daß im Zusammenspiel von gutem Willen und von Situations- und Problemerfassung auch die Entscheidungsgrundlagen sich positiv auswirken, so daß die Einsicht in die politischen Möglichkeiten den Willen stärken kann und der Wille immer wieder auf Wege zu Lösungen bedacht ist. Darum soll am Anfang dieser Überlegungen zur Friedenspolitik die Untersuchung zur Strategie der Friedenspolitik, ausgehend von analytischen Ergebnissen und Überlegungen, stehen. Friedensstrategie wird hier zu einem sehr komplexhaften Herangehen von verschiedenen Ansätzen aus, wie sie eben von den politischen empirischen Wissenschaften erforscht werden können. Nur eine Kombination aller Ergebnisse kann ausreichen, ein einzelner Ansatz darf nicht verabsolutiert werden. Die Wahl und Kombination aus den empirisch gegebenen Lösungsmöglichkeiten allein nach der quantitativen Bewertung der Daten ergibt aber noch nicht die richtige Politik. Die politische Entscheidung ist immer auch sittlich zu bewerten und zu verantworten. Schon bei der Auswahl der empirischen Grundlagen der Entscheidungsfindung bedarf es einer Wertung, inwieweit die politische Analyse auch der ganzen Wirklichkeit von Mensch und Gesellschaft entspricht. Damit ist aber eine weltanschauliche Position immer impliziert. Angesichts der pluralistischen Situation im internationalen Denken und Leben ist die weltanschauliche Grundposition theoretisch nicht für alle Welt endgültig entscheidbar. Es kann nur für die notwendige Entscheidungsfindung jeweils und für die Grundtendenz der Entscheidungsprozesse eine gemeinsame Linie gesucht werden, die durch Dialog und Toleranz bestimmt ist, die offen gehalten wird und für alle annehmbar erscheint, die aber auch entwicklungsfähige Basiswerte für das Gemeinsame der einen Menschheit und Welt herauszustellen versucht. Darum erschöpft sich das Verständnis des Friedens nicht im bloßen Konstrukt eines Prozeßmusters, so bedeutsam für das Verständnis im folgenden auch dieser Ansatz sein mag. Diesem Prozeß liegt vielmehr ein Ordnungsverständnis des internationalen Lebens zugrunde mit dem Ziel des Friedens als normativem Wert politischen Handeins für alle Glieder der internationalen Kooperation im Sinne des umfassenden Zweckes derselben, der Erreichung des internationalen Gemeinwohls. Weil dieses Wohl menschliches Wohl eben ist, ist es nicht bloß Ergebnis realer Politik, vielmehr bestimmt sich die Richtigkeit dieser Politik auch vom Ziel her. Friedenspolitik ist nicht nur Ergebnis faktisch normativer Prozesse und gesellschaftlicher Veränderungen nach wissenschaftlich erforschten .Mustern", sondern diese .Muster", an deren Ende ein Systemwandel der internationalen Gesellschaft zum .Frieden" stehen soll, erhalten ihre Richtigkeit und Geltung durch ihre 8 Weiler II

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2. Die internationale Friedensordnung

Übereinstimmung mit dem Frieden in Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit als den für jede Gesellschaft gelten sollenden Grundwerten in inhaltlichen Annäherungen. Diese Grundwerte internationalen Lebens müssen angesichts der weltanschaulichen Situation offen und in Diskussion bleiben, nicht ohne zugleich schon ihr Gewicht zu behalten. Insoferne ist es besser, .vorletzte Werte" zu haben, als zu warten, bis man sich über .letzte Werte" geeinigt hätte. Gerade die Freiheit als Grundwert des Friedens zeigt die Gefährdetheit jedes Friedens, des Gelingens und Mißlingens, den .Prozeß" der Friedensförderung ebenso wie den der .Friedens-Klage" - in Anspielung auf Erasmus von Rotterdam in seiner quaerela pacis! Mit der geschichtsphilosophischen Frage nach den Ursachen des Friedens und damit der Rückverweisung des •Warum" des Friedens letztlich auf den Menschen, liegt der Friede entweder in Menschenhänden oder wird er zu einer Geschichtsgnosis. 157 Die Situation des Menschen auf der Friedenssuche ist nicht erschöpfend ausgeleuchtet durch die funktionalistische Sicht auf den Menschen als Handelnden und nicht durch die Kenntnis der strukturellen Abläufe im System. 158 Dies vor Augen aber hat die internationale Ethik die Erkenntnisse aus der Erfahrung des internationalen Lebens zu verwerten und zu bewerten. Somit gewinnen diese Erkenntnisse normativen Charakter und kommt ihnen Lösungskompetenz zu. So werden schließlich Friedensvorschläge nicht bloß geordnet, sondern in einen ethischen Begründungszusammenhang gestellt. Unter Friedenspolitik sollen daher alle Maßnahmen im Bereich der Gestaltung des internationalen Lebens verstanden sein zur Sicherung und Förderung des Friedens im Sinne der rechtlichen und sozialen Wohlfahrt der Völker. Der Friede stellt somit die Grundnorm und den Grundwert der internationalen Politik dar, der Krieg aber ist Folge des Versagens der Politik und bringt schwerste Verletzung des Rechts zu Ordnung und Wohlfahrt der Völker mit sich. Friedenspolitik kann heute davon ausgehen, daß darüber eine Grundverständigung der Menschheit der Absicht nach unter den Völkern besteht. Dafür kann die Satzung der OVN herangezogen werden mit dem Verbot kriegerischer Aggression als Ausgangspunkt und die Bewußtseinsentwicklung der Menschheit in vielen Zeugnissen. Weitere Erklärungen einer allgemeinen Friedenspflicht oder Vorschläge eines umfassenden Nichtangriffspaktes zwischen Staaten oder Paktsystemen mit dem Ziel der vollständigen Entmilitarisierung und damit Abrüstung stehen in dieser Friedensdynamik. Nicht nur die Weite des Weges dahin, sondern auch die 157 Zur Neognosis der neuzeitlichen Geschichtsphilosophie vgl. Odo Marquard, Theodizee, Geschichtsphilosophie, Gnosis, in: Norbert W. Bolz und Wolfgang Hübner (Hrsg.), Spiegel und Gleichnis, Festschrift für Jacob Taubes, Würzburg 1983, 160-167. 158 Damit stellt sich die Ethik nicht auf die Position einer bestimmten sozialwissenschaftlichen oder politologischen Schule!

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Unvollkommenheit des Menschen und der menschlichen Gesellschaft lassen die Erreichung dieses Zieles in einer realistischen Friedenspolitik aber nur schrittweise und annähernd ins Auge fassen. Im folgenden soll aber nicht mehr vom Krieg und seiner Ächtung und Überwindung selbst als Friedenspolitik gesprochen werden, sondern vom Frieden als Wertbegriff zu seiner Sicherung und Entwicklung ausgegangen werden. Friede soll herrschen als Ergebnis eines Tuns, das vom Wehren mit Waffen zum Tun des Friedens dynamisch übergeht und das internationale Zusammenleben verändert. Insofern setzt dieses Kapitel die vorangegangenen Kapitel voraus bzw. bei ihren Ergebnissen an. Die ethische politische Zielkomponente auf die Verwirklichung des Friedens ergibt eine Spannung, die in kleinen Schritten auf dieses Ziel hinführt, wie ebenso, gleichsam nach einem Koordinatenkreuz geordnet, die strategischen Ansätze zur Friedenspolitik zu verfolgen sind. Wie sich der gute Wille als Entscheidung für den Frieden in fortschreitender Anwendung erweisen soll, schreiten ebenso die Überlegungen zur gesellschaftlichen Zusammenarbeit im Modell von Interaktionen und nach dem Muster friedensfördernder struktureller Veränderungen voran. 159 Insofern sind die folgenden friedensethischen Überlegungen in unvollständiger Auswahl vorgestellt. Nach dem klassischen Politikbegriff vom Gemeinwohl her ist Friedenspolitik ferner sowohl vom Rechtsbereich her wie von der Wohlfahrt her zu sehen. Wegen der Komplexität und der Eigenart der wirtschaftlichen Komponente der Politik wird die Problematik einer gerechten sozialen internationalen Wirtschaftsordnung zur Lösung der internationalen sozialen Frage in einem zweiten Abschnitt anschließend eigens behandelt werden. Hier soll die politisch-rechtliche Dimension des internationalen Konfliktpotentials auf seine Lösung durch internationale Entspannungs- und schließlich Rechtspolitik betrachtet werden. 2.5.1. Internationale Konflikte in friedensethischer Sicht

Die Konfliktforschung l60 hat von ihrem empirischen Ansatz her nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Friedensforschung in den letzten Jahren eine rasche Ausweitung erfahren. Theorien und Modelle haben das Konkurrenz- und Kooperationsphänomen im internationalen Leben der Staaten behandelt, in das der traditionelle .Betrieb" des Militärs immer mitinvolviert 159 Ernst-Otto Czempiel, Friedensstrategien, a.a.O., hat hier eine gute politikwissenschaftliche Übersicht gegeben und ausgeführt. 160 Vgl. Bd. 1,22. Eine gute Übersicht hinsichtlich der Friedensproblematik gibt Michael Hofmanns Artikel Konfliktforschung, in: Günter Kirchhoff (Hrsg.), Handbuch zur Ökonomie der Verteidigungspolitik, a.a.O, 393-401.



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zu sehen ist. In der Konfliktaustragung sind wir aber nicht viel weiter gekommen, da sie allein im engeren Verständnis der Außenpolitik zufällt, solange es nicht zum Krieg kommt. Letztlich liegt die sittliche Ursache des Konflikts aber im Menschen selbst. Seine Austragung wie seine Lösung ist also vom Menschen und seiner Bereitschaft zum Konflikt und zur Konfliktlösung her zu sehen. Für soziale Konflikte, die im internationalen Bereich relevant sind, sind es ebenfalls personale, kulturell gelebte Werte einer Gemeinschaft, die zum Konfliktpotential der Gruppe in der Auseinandersetzung mit anderen Wertgemeinschaften werden können. Hier setzt dann auch die besondere Härte ideologischer Konflikte an, die von Wertunvereinbarkeiten ausgehen. Entscheidend bleibt vom Sittlichen her zunächst - trotz des Erklärungsund Lösungswerts empirischer, vor allem konfliktpsychologischer Erkenntnisse - der Wille zur rechtlichen Konfliktaustragung ohne (kriegerische) Gewaltanwendung und also zu Verhandlungen zwischen Partnern, die an einem Minimum an Kooperation festhalten. Somit ist für den internationalen Konflikt erforderlich, daß die Staatenwelt den Ordnungsrahmen ihres Zusammenlebens nicht verläßt, sondern so ausbaut, daß trotz Interessenkonkurrenz und Meinungsverschiedenheiten die Konflikte beherrschbar bleiben. Unter diesen Voraussetzungen treten die politikwissenschaftlichen Friedensstrategien, wie sie Ernst-Otto Czempiel in eindrucksvoller Art darlegt,161 in Funktion. Zwischenstaatliche Konflikte, die auf Unrechtstatbestände zurückgehen, für die auch Staaten verantwortlich gemacht werden können, stellen an sich ein Konfliktpotential dar, für das es im Völkerrecht schon Rechtswege zur Lösung gibt. Hier ist oft nur die Frage der Effizienz noch gestellt, bzw. bei Rechtsstreitigkeiten auch die Kompetenz von Organen zu prüfen. Schwieriger wird die Lage völkerrechtlich, wenn vorwiegend politische, auf Interessen bezogene Konflikte vorliegen, die zudem stark ideologisiert werden können. Weder eine rein völkerrechtlich normative noch eine Interessen nur verdeckende, politisch ausgehandelte Schlichtung zwischen Staaten könnte den Konflikt in seiner Ursache lösen. 162 Die politische Lösung bedarf einer ethischen Untermauerung und Willenseinigung zur Abklärung und Verbindung der Interessengegensätze, die nicht nur die Ebene psychischer Mechanismen im gegenseitigen Verständnis bedenkt. Das Völkerrecht kann aber Verfahren der Konfliktaustragung bereitstellen. 163 In einer internationalen Ethik steht die sittliche Problematik a.a.O. Über die praktische Bedeutung der Unterscheidung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten vgL Alfred Verdroß, Bruno Simma, Universelles Völkerrecht, Berlin 21981, 638 f. 163 Die verschiedenen Verfahren siehe bei Alfred Verdroß, Bruno Simma, a.a.o., 339 ff. 161

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der Lösung oder wenigstens Entschärfung von politischen Interessenkonflikten zwischen Staaten im Vordergrund. Gerade im Hinblick auf die Effektuierung der Friedensethik zeigt sich hier bei diesen völkerrechtlichen Verfahren in aller Deutlichkeit das Versagen und die Offenheit dieser Verfahren am Schluß hin zur ausschließlichen Selbsthilfe, bis zum Krieg also. Diese entscheidende Lücke der Konfliktlösung gilt es zu erkennen und zu schließen. Einerseits bedeutet dies ein Vertiefen der Konfliktproblematik und der Lösungsansätze in der ganzen Dimension der Zusammenhänge und ande~ rerseits auch, mit dem Willen zum Frieden entsprechende Rechtsinstrumente zu finden und Lösungen auch durchzusetzen. Eine solche auf Interessenkonflikte bedachte Friedensordnung gilt es zu schaffen. Gewaltminimierung bei Konfliktlösung ist eines. Solange aber letztlich der Konflikt auf der Gewaltebene noch beim Versagen einer Streitbeilegung belassen werden kann und Positionen von Gewalt und Gegengewalt einander belassen bleiben, droht die Eskalation zum Krieg oder wenigstens zur Duldung des Unrechts und zum Entstehen neuer Konflikte. Gewaltminimierung muß daher verbunden gesehen werden mit Gewaltvereinheitlichung. Solange dies im internationalen Leben fehlt, bleibt nur der Weg möglicher Beschränkung der Gewaltanwendung durch Vertiefung der Gesinnung zum Frieden und der Erweiterung eines Instrumentariums der Streitschlichtung mittels Entspannungspolitik.

2.5.2. Entspannungspolitik als Friedensstrategie

Entspannungspolitik soll hier vor allem alle Maßnahmen bedenken, um internationale Konflikte, vor allem Interessenkonflikte, abzubauen unter Bedachtnahme auf eine zu schaffende umfassende gerechtere Friedensordnung. Die Beachtung der interessenpolitischen und ideologischen Voraussetzungen des Entstehens von Konflikten ist bereits der Anfang einer auf Konfliktlösung zielenden Politik. Jeder Außenpolitik eines Staates gehen zumindest gewisse konstante Grundannahmen voraus und folglich Interessenabwägungen. Dazu gehört auch eine Anzahl ethischer Wertannahmen von sich und den anderen Akteuren bzw. von der internationalen Politik insgesamt. Auch eine vorwiegend pragmatische Ausrichtung ist nur vermeintlich wert- und interessenfrei! In der Regel sind sogar stärker ideologisch fundierte Politiken mehr berechenbar, auch wenn ein Kurswechsel erfolgt. So zum Beispiel gibt es einen ideologischen Kurswechsel 164 in der lange sehr konstanten Außenpolitik der Sowjetunion etwa ab 1983 unter 164 Boris Meissner, Außenpolitik und Völkerrecht der Sowjetunion, Köln 1987, hingegen sieht im .weltrevolutionären Element" die unveränderte ideologische Triebkraft der sowjetischen Außenpolitik.

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Andropow, der nur mühsam im eingefahrenen Blickpunkt der westlichen Außenpolitik bis heute berücksichtigt worden ist. Damit ist ein politischer Faktor im ideologischen Rahmen der internationalen Politik angesprochen, der im Grunde Konflikte latent und dauerhaft macht, nämlich das einmal entstandene Mißtrauen. Es stützt sich zudem auf die eingefahrenen, langlebigen kollektiven Vorstellungen von Völkern und Staaten und deren politischer Kultur. Hier können sich ideologisches und historisches Feindbilddenken noch gesteigert verbinden. Hier kann auch direkte Politik kurzfristig wenig ändern, nur der Kontakt zwischen den Völkern auf allen Ebenen, insbesondere der Jugend, wie es das Beispiel der deutsch-französischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg so deutlich zeigt. Es gibt .Strukturen" der Versöhnung, der Hoffnung zwischen Völkern, die sich in den zwischenstaatlichen Beziehungen ausbilden, die aber ihre Wurzel in den Herzen und der Gesinnung der Menschen haben. Sie stellen sich strukturellen Fehlern in der internationalen Politik entgegen, die ebenso ihre Wurzeln in bösen Erfahrungen und Taten von Menschen haben. Dies zu erkennen, wäre ein Verdienst besonders der internationalen Ethik. In der Soziallehre der katholischen Kirche ist es im Rückgriff auf religiöse, theologisch verarbeitete Begriffe - Theologie der Befreiung! - dazu gekommen, von .Strukturen der Sünde" zu sprechen, deren Wurzel freilich in persönlichen Sünden liegen. Das internationale Klima des Verstehens und Verständigens, ja der Versöhnung, das zu einem Klima des Wohlwollens, des guten Glaubens - nicht der Gutgläubigkeit! - führen soll, bedarf der realen Elemente des Vertrauens und der Kontrolle, die Mechanismen der Vertrauensbildung auch bedeuten und zur ethischen Komponente hinzutreten, die vor allem der internationalen Kommunikation und Kooperation dienen. So wird wirksam der Eindruck vermieden, daß das entscheidende Kriterium der internationalen Politik der ideologische Graben zwischen den Völkern sei und die Staatenpolitik sich danach zu richten hätte, statt das Gemeinsame höher zu stellen. Es geht darum, die Politik zu entideologisieren, ohne daß sie deswegen aufhörte, sich an Grundwerten allgemeiner Art zu orientieren. Verständigungsbereitschaft und Toleranz können nicht von der Innenpolitik abgekoppelt werden, sie stellen ebenso aber auch Prinzipien dar, die international konfliktreduzierend und -regulierend wirken. Also gehören auch die soziale Gerechtigkeit und ihre Verwirklichung im Inneren der Staaten ebenso wie die jeweilige Garantie der individuellen Menschenrechte in die Betrachtung von internationaler Konfliktlösung. Die stete Reform von Gesinnung und Strukturen in der gesamten Staatenpolitik nach innen und außen ist ein sittliches Erfordernis zur Konfliktlösung. Entspannungspolitik beginnt daher logisch bei der Gesinnung und beim Gesinnungswandel. Zugleich bedarf es der strukturellen praktischen Aus-

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wirkung positiver Gesinnungsarbeit in dieser Spannung zwischen Konflikt und Konsens. Der Grundwert Friede hindert sittlich die Überschreitung der Konfliktschwelle zu Krieg und Gewalt. Das Ziel der Konfliktregelung zur positiven Friedensförderung bestimmt hinwider die Vorgänge der Gewaltminderung zugleich mit der Verstärkung der Kooperation. Dazu können die normalen organisatorischen Maßnahmen der internationalen Kontakte ebenso dienen wie - abgesehen von eigenen Rechtsvorkehrungen internationaler Konfliktregelung - politische Strategien zur Konfliktbewältigung, zu denen dann im bewußt gebrauchten und reflektierten Sinn Handlungsstrategien der Entspannungspolitik treten. Nach wie vor spielt im Krisenmanagement heute die Kriegssdrohung eine Rolle bis zur Nutzung bei der Abschreckungsstrategie. Das wichtigste Moment der Konfliktlösung scheint daher die Ausschaltung dieser Drohung durch wirksame Ächtung des Krieges zu sein. Nur sind wir einfach noch nicht so weit. Dennoch hat Entspannungspolitik Sinn und Aufgabe auch in dieser Richtung. Und zwar nicht nur durch Deeskalation, sondern auch durch Stärkung des politischen Willens, auch ganz allgemein schon unter Mobilisierung der öffentlichen Meinung gegen Gewaltlösungen. Man kann auch aus geglücktem Krisenmanagement unter Kriegsdrohung lernen, wie es die Ereignisse der Kuba-Krise 1962 165 zeigen. Die Drohungsstrategie wurde damals von der amerikanischen Administration unter John F. Kennedy, entgegen führenden Militärs, sehr maßvoll gestaltet und war darauf angelegt, dem Gegner keinen Gesichtsverlust zuzumuten und ihm genügende Denkpausen beim Timing der Maßnahmen zu lassen. Die Reflexion auf die damals doch bestandene reale Möglichkeit der Konfliktausweitung um Kuba hat aber auch die zur gleichen Zeit in den USA entstandene Meinung von .Neo-Clausewitzianern" von der Führbarkeit begrenzter Kriege im Atomzeitalter als Instrument der Politik in Frage gestellt. Gegen diese Meinung ist die Welt noch sensibler geworden, um solche Eskalationen wie um Kuba noch früher zu steuern und abzubauen. Die .Abschreckung" sollte künftig nicht mehr so in .Aktion gesetzt werden" müssen wie bei der Kuba-Krise, da sie zwar einmal erfolgreich gewesen, aber als zu riskant erkannt worden sei. Entscheidend ist es, auch in solchen Situationen immer die Bereitschaft zu Konsens und Kompromiß aufrecht zu erhalten. Sehr nützlich, diese Bereitschaft zu wecken, ist die kontinuierliche Sacharbeit bei den internationalen Kontakten, beginnend mit unilateralen Vorarbeiten bei auftretenden Problemen. Eine Gefahr hingegen sind internationale Konferenzen dann, wenn sie mit Wirkung nach außen betrieben werden. Das Instrumentarium der Konfliktregelung und des begleitenden 165 Vgl. Robert Kennedy, Dreizehn Tage - Wie die Welt beinahe unterging, John SommerviJIe, Kommentar, Anatal Rapaport, Kuba-Krise, Darmstadt 1974.

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Krisenmanagements hat, wie alle Techniken, im Gebrauch auch eine Ambivalenz, wie die historische Erfahrung lehrt. Daher wird Entspannungspolitik ihre Absicht immer deutlich machen müssen und auch die Wirkung der Maßnahmen auf die internationale Gemeinschaft abschätzen müssen, um den Geist der Entspannung lebendig zu halten und nicht Entspannungsmüdigkeit zu provozieren und den Anschein einer Taktik mit gegenteiligen Zielen zu erwecken. Das vordringliche Ziel ist ein sittliches und sind nicht einzelne Maßnahmen, das Ziel nämlich der Konfliktlösung und womöglich schon der Konfliktverhütung. Erst im Rahmen der grundsätzlich gewahrten Zielsetzung von Entspannungspolitik, also in einer gemeinsamen Bereitschaft zur Gewaltminimierung und zugleich Konfliktverhütung, entsteht das internationale Klima des Vertrauens, damit Friedensstrategien greifen. Es wäre aber unrealistisch, dieses Vertrauen bei seinen Ansätzen schon zu überfordern. Es muß von Maßnahmen der Sicherheitspolitik begleitet werden, damit sich die Spielregeln der Entspannungspolitik entwickeln können. Erste Ebene friedenspolitischer Strategien ist sicher der Rüstungsbereich, Rüstungskontrolle und Abrüstung. Hier bietet sich ein wesentlicher Ansatzpunkt der Entspannungspolitik, also gewaltfreier Konfliktlösung. Solange noch die Staaten hier entscheiden können und nicht womöglich schon internationale Terrorgruppen erpresserisch auftreten, 166 ist diese Chance umso ernster zu nützen. Der Anfang mit den Nuklearwaffen ist natürlich auch abhängig von der Bedrohung durch Ungleichgewichte am konventionellen Sektor. Zudem sind die anderen Massenvernichtungswaffen, die bakteriologischen und chemischen Waffen, 167 direkt mit zu beachten. Die Interdependenz der Weltprobleme wird daran deutlich, daß die militärische Abrüstung von einer sozialen Aufrüstung begleitet sein muß in Rücksicht auf deklassierte Gruppen, insbesondere die in Not geratene Dritte Welt, also durch Entwicklungshilfe und -politik. Das bedeutet das begleitende Krisen166 Das Ziel terroristischer Maßnahmen liegt zunächst darin, Furcht zu verbreiten und die politischen Gegner zu entmutigen. Heute wenden bereits ganze Staaten unter diktatorischen Regimen den Terror in der internationalen Politik an, so daß dieser Terror sich bis zur modemen totalen Kriegführung steigern kann. Der Terrorismus erhält heute noch einen Verstärkungseffekt durch die Publizität solcher Maßnahmen über die Medien. Vgl. Walter Laqueur, The Age of Terrorism, London 1987. Schließlich kann nur die internationale Rechtsgemeinschaft der Völker dem .Staatsterrorismus· wie auch dem der Terroristen-Gruppen, in einzelnen Ländern oder heute meist in internationaler subkultureller Verbindung gesteuert, die Stirne bieten. 167 Zum Problem bakteriologischer Rüstung und Abrüstung vgl. zum Beispiel Jonathan B. Tucker, Gene Wars, in: Foreign Policy 57/1985,58-79. Über die Gefahren eines C-Waffen-Krieges vgl. Hans Günter Brauch, Der chemische Alptraum, BerlinBonn 1982.

2.5. Ethik der Friedenspolitik

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management und folgliche Konfliktlösung auch durch eine soziale Ordnung der Weltwirtschaft. Im Dienste der Entspannungspolitik stehen damit alle Maßnahmen in Richtung auf Demilitarisierung, von der Politik der Neutralität unter Einsatz ihrer aktiven Möglichkeiten für den Frieden,168 der Blockfreiheit, der defensiven Ausrichtung bis zur Abschaffung der Militärbündnisse. Der entscheidende Ansatz ist die Umkehr der Dynamik des Aufrüstens, da zu einem gewissen Grad ein einmal technisch eingeleiteter Prozeß schon allein durch seine Tendenz, insbesondere die längerfristige nötige Planung einschließlich Modernisierung, seine Eigendynamik hat. Aus der Vielzahl der Modelle und Vorschläge zur Entspannungspolitik vor allem in Europa, die seit den sechziger Jahren insbesondere aus dem Kreis der Friedensforscher kamen, sind bislang kaum welche in der Politik umgesetzt worden. Es mußte erst einmal der Wille zur Entspannungspolitik sich allgemein durchsetzen,169 bis in den späten achtziger Jahren es zu ersten effektiven Früchten in Richtung Rüstungsverminderung zu kommen scheint. Ein Signal effektiver Entspannungspolitik, nicht nur als Zeichen des Klimawechsels, ist über die Vertrauensbildung im engeren militärischen Bereich hinaus zunehmende wirtschaftliche Kooperation, die unter der Prämisse von Friedensstrategien gesehen werden muß und daher auch auf den Konfliktabbau und Gemeinsamkeit der Interessen hin ausgerichtet ist. Auch hier gibt es in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit eine gewisse Eigendynamik von Interessen und einmal eingeleiteten Prozessen. Dennoch bleibt ein weiter politischer Spielraum des Handeins im Sinne von Entspannung, dem die auf Ausbau der Kooperation angelegten Wirtschaftsinteressen positiv entsprechen. Darum wird ja auch im Gegenzug der internationale Handel als politisches Druckmittel bis zum Wirtschaftskrieg benutzt. Der Handel ist an sich ein ambivalent nutzbares Instrument der Politik. Er kann daher in Übereinstimmung mit den natürlichen wirtschaftlichen Interessen als Teilmaßnahme der Friedensstrategie zur Ausschaltung von Gewalt im internationalen Leben genutzt werden. Schließlich bleibt die Handlungsebene des kulturellen, wissenschaftlichen und humanitären Bereichs für Ansätze von Friedensstrategien. Auch 168 Der Vorwurf der .Finnlandisierung" kann den effektiven Wert der Neutralitätspolitik von Staaten zu Unrecht diskreditieren! Von Europa ausgegangen, wird die friedensstrategische Nutzung der Neutralität von Ländern immer mehr erwogen, zum Beispiel für Indochina (vgl. Marek Thee, The China-Indochina Conflict, in: Journal of Peace Research, No. 3/1980, 223-233) oder Afghanistan. Vgl. zur Neutralitätspolitik die Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, Heft 3/1979, inbes. Manfred Rotter, Modelle der Neutralität in Europa, a.a.O., 287-298. 169 Bernhard Häring, Die Heilkraft der Gewaltfreiheit, Düsseldorf 1986, setzt sich für die Vermittlung eines .Ethos der Gewaltlosigkeit" ein und meint, dazu brauche es .ganze Völker als Pioniere der sozialen Verteidigung" (163).

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2. Die internationale Friedensordnung

diese Ebenen internationaler Kooperation bedürfen einer grundlegenden und jeweils mitberücksichtigten Ausrichtung auf Gewaltabbau und den Frieden durch Entspannungspolitik. Gerade kulturelle Zusammenarbeit bringt neben der geistigen Befruchtung Konfliktpotentiale zwischen den Völkern. Man denke insbesondere an Minderheitenprobleme und ihre nationalen und internationalen Auswirkungen. Wieder ist Entspannungspolitik nicht nur im Grundsatz, sondern auch in Detailfragen herausgefordert, dem Frieden zu dienen. Die Friedensstrategie mittels Entspannungspolitik kann auf ein Instrumentarium von Mitteln und Methoden, derer sie sich bei der internationalen Zusammenarbeit bedienen kann, zurückgreifen. Dabei ist der Übergang von Konfliktregelung über Entspannung zur positiven Friedensstrategie der Sache ebenso wie dem Verfahren nach fließend. Die Tendenz ist in der internationalen Politik auf den Frieden gerichtet. Insoferne ist Entspannungspolitik mehr als bloß ein Modus vivendi und Abwehr von Eskalation in internationalen Konflikten. Sie daher ganz allgemein als illusionär zu diskreditieren, weil auf eine Friedensordnung hin angelegt, kommt auf eine wertfreie, für das sittliche Kalkül unzugängliche Politikauffassung hinaus. In der Sicht der Entspannungspolitik als Friedensstrategie wird unter den Methoden allen kooperativen und kommunikativen Vorgängen im internationalen Leben bilateral und umso mehr multilateral hohe Bedeutung zukommen. Das sind alle Verhandlungen und schließlich Verträge zwischen Staaten zur Zusammenarbeit, ferner alle im Dienste der Zusammenarbeit stehenden internationalen Organisationen und Organe selbst. Im Pluralismus der Weltgesellschaft sind ebenso alle Kontakte und Gemeinsamkeiten auch auf nicht-staatlicher Ebene von Bedeutung. Das bedeutet aber auch, daß auch von der staatlichen Hoheit unabhängige Gemeinschaften von übernationaler Wirksamkeit, wie die Religionsgemeinschaften und Kirchen, einen Beitrag für Entspannungspolitik leisten können und die Behinderung dieses Beitrags durch Staaten ein negativer Test für deren Friedenswillen wäre. Die Reihe der vielen Schritte zur Demilitarisierung auf dem Weg zum Frieden durch Entspannungspolitik bezeichnet eine Gruppe von Maßnahmen mit gradueller Zielannäherung. Ihr entspricht gleichlaufend eine Reihe von Maßnahmen auf der Vertrauensebene. Beide, verbunden mit schrittweise auch ungleichgewichtigem Prozeßverlauf, sind im Ergebnis dahin zu bewerten, ob sie die nationale Sicherheit faktisch und im Bewußtsein der Weltöffentlichkeit auf eine feste internationale Basis zu stellen vermögen. In den internationalen Gepflogenheiten hat sich ein Katalog von Signalen erhöhter Spannung in den Staatenbeziehungen herausgebildet wie Herunterstufung der diplomatischen Beziehungen oder deren Abbruch. Diese Reihe kann auch umgekehrt als Signal benützt werden. Da aber Entspan-

2.5. Ethik der Friedenspolitik

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nungspolitik als Friedensstrategie heute viel weiter zu verstehen ist, fehlt uns noch eine Aufbereitung der Signale dafür. Hinzu kommen kulturelle Verschiedenheiten in der Völkerfamilie, um die Zeichen zu verstehen. Man denke an die chinesische Ping-Pong-Diplomatie am Ende der Mao-Ära! Zum Aufbau einer internationalen Entspannung gehört auch eine neue Konfliktfähigkeit im Zusammen der Staaten, ohne die Stützung auf letztlich militärische Absicherung, nämlich ein sittlich geregeltes Konkurrenzstreben in den Bereichen sozialen Lebens, wo immer der Wettbewerb dem Gemeinwohl dient. Die Einschränkung des internationalen Wettbewerbsgedankens auf das Gegeneinander zweier (angenommener) internationaler Systeme kann der Dynamik des internationalen Lebens nicht gerecht werden. Der Sieg eines Systems wäre auch nicht Friede, sondern Grabesruhe. Entspannungspolitik auf Frieden hin ist mehr als Konfliktmanagement, sie ist vielmehr Politik mit einem Potential von Kräften, die auch sozial sinnhaft gemacht werden können. Erst so treten die Umrisse einer Friedensordnung hervor, die mit der Verrechtlichung des Friedens auch die internationale Wohlfahrt verbindet. 2.5.3. Friede durch internationale Rechtsordnung

Ein wirksames System der universellen Friedenssicherung gibt es bis heute nicht. Umso weniger scheint dieses System in Sicht zu sein, wenn es nicht nur faktisch durchgesetzt werden soll, sondern auch mittels gerechtem Recht. Das würde ein wirksames Friedensvölkerrecht voraussetzen, das seine Geltung nicht nur aus einem Gewaltmonopol in der Staatengemeinschaft, sondern vor allem aus der Einsicht der Menschen und Völker in praepositive Rechtssätze bezieht. Andererseits würde die naturrechtliche Trennung von Legalität und Legitimität des Rechts auf Grund seiner naturrechtlichen Wurzel wieder das Widerstandsrecht im Falle von Staaten, die durch eine faktische Weltautorität unterdrückt würden, diesen das Recht auf Gegengewalt, also Krieg wieder ermöglichen. Nicht allein das Gewaltmonopol im Weltrnaßstab kann daher gerechten Frieden schaffen, sondern nur die gleichzeitige Bindung der internationalen Ordnungsgewalt an das Recht. Das würde den Rekurs über eine schiedsgerichtliche Instanz hinaus an eine oberste internationale Gerichtsinstanz -eventuell im regionalen Instanzenzug - für die Staaten, aber auch allenfalls die internationalen Organisationen und in besonderen Fällen auch für Einzelpersonen bedeuten. Seit es zum grundsätzlichen Gewaltverbot 110 des Artikels 2 Ziffer 4) der Charta der OVN gekommen war, der weit noch über die Grundsätze der 170 Vgl. Wilfried Schaumann, Völkerrechtliches Gewaltverbot und Friedenssicherung, Baden-Baden 1971.

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2. Die internationale Friedensordnung

Völkerbundsatzung und des Kellogg-Paktes hinausgeht, gilt das Verbot der gewaltsamen Selbsthilfe für alle Staaten im Völkerrecht. Artikel 2 Ziffer 3) der Charta verpflichtet alle Mitglieder der OVN, ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel auf solche Weise zu regeln, daß der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden. Zur Durchführung dieser Norm fügt der Artikel 33 der Charta weitere Bestimmungen hinzu. Die Streitparteien müßten sich um Beilegung "durch Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch, gerichtliche Entscheidung, Inanspruchnahme regionaler Einrichtungen oder Abmachungen oder durch andere friedliche Mittel eigener Wahl" bemühen. Scheitern diese Bemühungen der Staaten, den Streit beizulegen, kann der Sicherheitsrat oder die Generalversammlung der OVN aktiv werden. Diese können aber den Streit nicht verbindlich regeln. Es fehlt .ein Organ, das mangels einer Unterwerfung der Streitteile unter die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts oder des Internationalen Gerichtshofs den Streit bindend entscheiden könnte". 171 Nachdem schon wiederholt im Laufe der Geschichte seit Dante von einer politischen Weltautorität, etwa auch nur als Staatenbund, die Rede gewesen ist, bleibt diese Lücke bestehen. Abgesehen von Vorbehalten gegen einen zentralen Weltstaat 172 ist eine Entwicklung dahin nicht abzusehen. Die Frage ist also, wie kann es zu einer wirksamen Verrechtlichung der internationalen Beziehungen kommen unter den bestehenden Verhältnissen, aber ebenso unter der Notwendigkeit, sowohl das sich verändernde System der Abschreckung zwischen Ost und West bzw. die stets neu aufflammenden Kriege am .Rande" des Systems in der Dritten Welt durch wirksame kollektive Sicherheit abzulösen. Es kann nur durch den politischen Willen aus Einsicht in die Notwendigkeit erreicht werden und mittels eines Instrumentariums von Normen und Norminstanzen kraft der informierten öffentlichen Meinung. Eine letzte Garantie des Friedens ist nicht absehbar zu erwarten, aber ein Ausbau der internationalen Konfliktregelung und der sie begleitenden öffentlichen Kontrolle. Der Einsicht in allgemein angenommene Rechtsüberzeugungen kommt dabei eine besondere Rolle zu. An sich reichen die Befugnisse des Sicherheitsrates der OVN zur Beilegung von internationalen Streitfällen bis zur Verhängung von Zwangsmaßnahmen. Durch die ständige Mitgliedschaft der wichtigsten Großmächte wäIe anders als im Völkerbund die Präsenz der entscheidenden internationalen Kräfte gegeben. Durch das Vetorecht jedes dieser fünf Staaten, der einstigen Alliierten des Zweiten Weltkrieges, war das auf ihre Solidarität hin angelegte System der internationalen Sicherheit aber, wenn es für den 171 Alfred Verdroß, Bruno Simma, a.a.O., 237. Über die Beilegung von Streitfällen durch die OVN siehe besonders a.a.O., 132 ff. 172 Vgl. Bd. I, 84 und 104.

2.5. Ethik der Friedenspolitik

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Weltfrieden später wirklich darauf ankam, nicht funktionsfähig. Vielmehr errichteten die beiden Supermächte im Kreis der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates ein antagonistisches Bündnissystem, wie es Artikel 51 der Charta als Ausnahme zur kollektiven Selbstverteidigung zuläßt, NATO und Warschauer Pakt. Außerhalb der dadurch erzielten nuklearen PattsteIlung der beiden Bündnissysteme kam es zu zahlreichen kriegerischen Konflikten zwischen Staaten auch innerhalb der OVN, die von der Weltorganisation wegen der Schwächung des Sicherheitsrates nicht verhindert werden konnten. Die beiden Supermächte UdSSR und USA haben auch ohne Einschaltung der OVN weitere Schritte zu ihrer gegenseitigen Sicherheit (einschließlich ihrer Verbündeten) und zur Verhinderung eines Atomkrieges in Verhandlungen beschlossen. Eine Schwächung der Autorität der Weltorganisation trat auch durch den Nord-Süd-Gegensatz ein. Der Block der paktungebundenen Staaten, beginnend mit der Konferenz von Bandung besonders im afro-asiatischen Raum, wirkt weiter auf eine Schwächung der OVN als Ganze hin. Dennoch ist der Schlüssel zum Weltfrieden in der sicherheitspolitischen Kooperation und Entspannungspolitik zwischen den Lagerinteressen innerhalb der OVN zu suchen. Die Generalversammlung selbst besitzt zwar keine Befugnis zur Gesetzgebung, doch vermag sie durch ihre Resolutionen das politische und juristische Klima in der Welt zu verändern, wie sich zum Beispiel in bezug auf Kolonialismus oder Rassendiskriminierung gezeigt hat. Das internationale Klima ist aber Voraussetzung für den Fortschritt in der internationalen Gesetzgebung. Dabei kommt aber den kleineren Staaten in der Vollversammlung ein besonderes Gewicht zu, das sie für die Ausarbeitung von Normen im internationalen Leben noch stärker einsetzen könnten. 173 Eine Schlüsselfrage bleibt die Stellung der bei den Supermächte l74 innerhalb bzw. gegenüber der OVN. Langfristig, schon möglicherweise mittelfristig, ist aber im Wandel der Kulturen und der Großmächte ein Wechsel der 173 Vgl. den Artikel des erfahrenen holländischen UN-Diplomaten und späteren Friedensforschers Bert Röling, Das internationale Recht und das Recht auf Waffenbesitz, in: UNESCO-Kurier Nr. 9/1980, 20-24. 174 Jedes Hegemoniestreben ist für ein dauerhaftes Sicherheitssystem gefährlich. In der Geschichte zeigt sich aber bis heute eine unheilvolle Verbindung von Sicherheitsdenken mit dem Streben nach Hegemonialmacht am Beispiel der Großmächte. Die Korrektur eines solchen Geschichtsbildes muß die Politik endlich vornehmen. Sie darf kollektive Existenzängste nicht mehr zum Vorspann ihrer Interessenpolitik machen, statt den Frieden zum beherrschenden Element zu erheben. Am Beispiel von Friedensinitiativen im Zweiten Weltkrieg ist diesem Thema Bernd Martin nachgegangen, Friedensinitiativen und Machtpolitik im Zweiten Weltkrieg 1939-1942, Düsseldorf 1974.

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Machtverhältnisse in der Welt immer möglich. Der Friede kann nicht dem Spiel der Mächte in der internationalen Politik überlassen werden. Dabei handelt es sich nicht nur um die militärische Friedensproblematik. Mit der technologischen Entwicklung der Weltzivilisation könnte die ökologische Frage zu einer noch aktuelleren Ordnungsfrage werden als die Abschaffung des Krieges mittels Verrechtlichung der internationalen Beziehungen. Eine wirksame internationale Rechtsordnung ist eine unmittelbar notwendig gewordene Lebensfrage der Menschheit. Das Balance-Spiel der Mächte ist nur eine kurzfristige Lösung. Verrechtlichung würde eine Einbindung der bestehenden Machtverhältnisse in eine Friedensordnung bedeuten, die auf ein Gefüge der politischen Kräfte zur Durchsetzung zurückgreifen kann, das sich ergänzt und auf ein Gewaltmonopol hinwirkt. Die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen kann auf natürliche Interessen aufbauen, regional gegliedert, 115 aber auch kooperativ nach spezifischen Interessen, mit anderen Worten also korporativ, erfolgen. Die Verfahren der Kommunikation haben ebenso wie die faktischen Verhandlungserfahrungen schon zu einer Vielfalt von Usancen und Rechtsgewohnheiten geführt im Rahmen von verbindlichen Kooperationen. Verträge und Pakte haben zu ihrer Interpretation auf Schiedsstellen, Vermittlungsinstanzen bis zu Gerich ten und bis zu einer internationalen Administration hingewirkt. So ist es auf vielen Feldern zu einem internationalen Recht, von Privatrecht bis öffentlichem Recht oder Völkerrecht gekommen, das sein Durchsetzungsmonopol aus der Monopolmacht der Vertragspartner bezieht, die es jeweils in ihrem Bereich durchaus aus Eigeninteresse im Sinne der internationalen gesellschaftlichen Kooperation exekutieren. Bei der rechtlichen Friedensordnung geht es letztlich um die Erreichung eines an das Recht gebundenen internationalen Gewaltmonopols, um die Ersetzung des Notwehrrechts des Verteidigungskrieges, nachdem das Recht auf Angriffskriege - im Bild gesprochen das nFehderecht" - in der Staatengemeinschaft überwunden scheint. Der Zwang zu diesem Gewaltmonopol scheint nur im Überlebensinteresse der Menschheit zu liegen, daß sich schließlich alle Staaten dem unterwerfen. Ein Mittel, zum Gewaltmonopol zu kommen, dürfte das aber faktisch unterstützen, nämlich die Abschaffung des Besitzmonopols der zur totalen Kriegführung jeweils nötigen Waffen und zugleich der Aufbau eines Kontrollsystems für den Waffenbesitz der Staa175 Dies entspricht dem Kapitel VIII der Charta der OVN. Die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), die Organisation Afrikanischer Einheit (OAU) oder die Liga der Arabischen Staaten können als solche regionale kollektive Sicherheitssysteme angesehen werden, wenn sie sich auch bisher nicht in das universelle Friedenssicherungskonzept der OYN einbinden ließen. Anders verhält es sich mit den Verteidigungspakten. Vgl. OUo Kimminich, Kollektive Sicherheit auf globaler und regionaler Ebene, in: Festschrift für Friedrich Berber, München 1973, 217-246.

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ten. Dieses könnte aus den sogenannten. vertrauensbildenden Maßnahmen· herauswachsen. Die Bildung einer .Hohen Behörde" zur Genehmigung und Kontrolle des Waffenbesitzes der Staaten mit der Tendenz zur Minimierung derselben -beginnend in Regionen - wäre ein gewisser Endpunkt der Administration des internationalen Gewaltmonopols, das schon beim Genehmigungsverfahren von Waffenproduktion einsetzen sollte. Die militärische Gewaltexekutive müßte ebenfalls rechtlich internationalisiert werden. Dazu legten sich Überlegungen beim Wehr- und Soldatenethos schon nahe, wenn der Soldatendienst seine Sinnhaftigkeit finden soll. Die Staatengemeinschaft wird neben der nationalen Polizei auf eine internationale integrierte Militärrnacht nicht verzichten können. Dazu sollten alle Integrationsmöglichkeiten, wofür die Militärpakte heute viele Wege entwickelt haben, im Miteinander ausgebaut werden. Der ideale Beispielsfall ist heute schon das in erster Linie zur Selbstverteidigung bewaffnete internationale Militär der Peace-Keeping Forces der OVN. Bei geänderten Voraussetzungen von der Ausrüstungsbeschränkung der den Frieden bedrohenden Kräfte durch die internationale Waffenkontrolle und vom politischen Auftrag durch das Organ der Völkergemeinschaft (.Sicherheitsrat") her müßte dieses aus nationalen Streitkräften rekrutierte Heer jeweils erfolgreich intervenieren können. Eine neue Art der völkerrechtlichen Intervention hätte die gewaltsame Selbsthilfe abgelöst. Das damit erreichte und durchsetzbare Interventionsverbot müßte jedoch durch andere Wege der friedlichen Veränderung und Rechtsdurchsetzung unter Staaten ergänzt werden. Grenzänderungen zwischen Staaten, Schutz von Minderheiten, Autonomieprobleme, Staatennachfolge, Verfassungsänderungen unter innenpolitischen Kämpfen wird es immer wieder auf der Welt geben. Die politische Kultur wird in der Staatengemeinschaft immer nur unvollkommen sein, und Krisenherde werden entstehen. Für alle diese Vorgänge muß rechtlich durch eine Art internationaler Verfassung vorgesorgt werden. Der Schlüssel liegt hier in einer Stärkung der Demokratie und der Offenheit der Meinungsbildung von der Basis her, um die Legitimationsvorgänge abzusichern. Die Völkergemeinschaft steht letztlich vor der Frage nach der Legitimation ihres Rechts. Es muß eine verbindliche Grundstufe von Rechtsüberzeugungen, das Fundament des Völkerrechts als internationales Verfassungsrecht, geben, ob man es nun Naturrecht nennt oder nicht, das einmal erkannt und geschaffen auch schwer veränderbar anzusehen ist. 176 Unvermeidlich ist 176 Die Erzeugung positiven Völkerrechts, ein Vorgang, der in diesem Zusammenhang noch weitgehend nötig und offen ist, zeigt sich hier besonders auf eine materielle Rechtsquelle zu ihrer Legitimation verwiesen. Dafür zeugt schon das wachsende Rechtsbewußtsein der Völker um die Notwendigkeit einer Friedensordnung.

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ebenso die Entwicklung einer internationalen Gerichtsbarkeit, getragen von einer hochqualifizierten Richterschaft. Der Ausbau der internationalen Gerichtsbarkeit entspricht der Rechtsvorstellung der Gewaltenkontrolle und ebenso den Verfassungsprinzipien der Verbindung demokratischer und elitärer Elemente mit der einheitlichen Integration der politischen Gewalt. 1. Die Bedeutung der moralischen Dimension des Rechts für die Friedensordnung:

Im Dienste der Durchsetzung der Rechtsidee in der internationalen Ordnung gemäß der ethischen Dimension völkerrechtlicher Regeln steht die innere natürliche Sanktion dieser Ordnung. Das Fehlen oder Versagen der Rechtsordnung hat unmittelbar Folgen für das Gemeinwohl und jeden einzelnen Menschen. Es gibt ebenso vom Rechtsbewußtsein und vom Rechtsgewissen jedes Menschen her die Stimme des Rechtsgewissens in der Menschheit. Dieser Stimme kommt wesentlich erhöhtes Gewicht zu, wenn sich in der Tradition der internationalen politischen Kultur im Weltrnaßstab insbesondere gesellschaftliche Träger und Verkünder der sittlichen Rechtsordnung als Stimme des Weltgewissens 171 finden. Mit der Entstehung und Entwicklung des Völkerrechts in Europa ist es aus dem Kirchenstaat heraus zur Bildung des Völkerrechtssubjekts Heiliger Stuhl gekommen als Mitglied der Völkergemeinschaft besonderer Art (sui generis). Die katholische Kirche hat hier einen Status erlangt, der vor allem auch in der Dritten Welt und auch in mehrheitlich nicht von Christen bewohnten Staaten voll anerkannt und geschätzt wird. Dabei verstehen sich Papst und katholische Kirche vor allem als moralische Autorität. Die katholische Kirche hat diese geschichtlich ihr zugekommene Rolle für die Friedenserhaltung und -förderung ausgenützt 178 und damit auch auf den Friedensdienst anderer Weltreligionen hinweisen wollen, wenn sich auch gelegentlich Stimmen anderer christlicher Kirchen insbesondere aus Gründen der Nichtanerkennung der religiösen Sendung des römischen Papstes gegen diese internationale Rechtsstellung melden. Im Interesse der moralischen Fundierung der internationalen Friedens- und Rechtsordnung liegt hier dennoch ein wichtiges Faktum vor. Den Staaten der Völkergemeinschaft gleichgestellt und von den meisten formell auch anerkannt, gilt der Heilige Stuhl als Völkerrechtssubjekt, ohne Rücksicht auf seine territoriale Ausdehnung, seine Bevölkerungszahl und seine materiellen Ressourcen, Vgl. Bd. I, 54 ff. Vgl. schon Bd. I, 146 und 223 ff Am Beispiel des Mittelalters läßt sich heute rückblickend gut die positive Bedeutung der Kirche als einer wesentlich geistigen und moralischen Macht, als um die rechte Ordnung des Feudalismus und seiner Geisteshaltung und für eine Friedensordnung in jener Gesellschaft bemüht, zeigen. Vgl. Leopold Genicot, Das Mittelalter, Graz 1957, 156 ff. (Das politische Klima). 177

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bzw. seine militärischen Fähigkeiten. Der Papst als Souverän hatte auch in den Jahren, als der Kirchenstaat durch italienische Besetzung untergegangen war, von 1870 bis 1929, seine völkerrechtliche Stellung bewahren können. Dieser Abschnitt der kirchenstaatslosen Zeit wurde, wie Heribert Franz Köck schreibt, .zum Prüfstein der völkerrechtlichen Eigenständigkeit des Heiligen Stuhls als einer geistlichen Macht".179 In der jahrhundertelangen Praxis der Staaten war es aber zweifelsfrei, daß der Standort des Heiligen Stuhls unter seinen beiden Funktionen, der geistlichen und der weltlichen, zu bestimmen ist. Diese doppelte Funktion wurde von den Päpsten immer auch betont und dem Heiligen Stuhl als oberstem Organ der katholischen Kirche immer der Vorrang vor seiner weltlichen Macht gegeben. Der Heilige Stuhl unterhält heute vielseitige diplomatische Beziehungen. Es gibt heute ca. hundert päpstliche Vertretungen nach den Normen des Völkerrechts. IBo Den Heiligen Stuhl eignet ein Gesandtschaftswesen, .das zwar in einzelnen Punkten seine vom traditionellen Typus abweichenden Besonderheiten besitzt, im Wesentlichen aber der Grundform internationaler Beziehungen, die mit ,Gesandtschaftsrecht' bezeichnet wird, entspricht".IBI Weiters ist der Heilige Stuhl Subjekt des internationalen Vertragsrechts sowohl als oberstes Organ der katholischen Kirche - hier spricht man von Konkordaten als Staatsverträgen - wie ebenso, als für die Vatikanstadt zuständig, durch nicht-konkordatäre Verträge am internationalen Leben beteiligt. Er nimmt in letzterer Funktion an internationalen Organisationen oder internationalen Initiativen teil. So ist der Heilige Stuhl dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten, also einem politischen Vertragswerk. Er ist Vollmitglied der Internationalen Atomenergie-Organisation, die eine direkte politische Funktion hat, um die friedliche Nutzung der Kernenergie zu sichern angesichts der MonopolsteIlung des beschränkten Klubs der Länder, die schon Atomwaffen besitzen. Hiermit steht deutlich die politische Friedensrnission des Heiligen Stuhls im Vordergrund, da er keinesfalls die Mittel hat, Kernwaffen zu produzieren oder zu erhalten. Es war auch der besondere Wunsch des seinerzeitigen Generalsekretärs der OVN, U Thant, an Papst Paul VI., daß der Heilige Stuhl der IAEA als GfÜndungsmitglied vor allem kraft seiner moralischen Autorität beitreten möge. IB2 Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhls, Berlin 1975,51. Ständige päpstliche Vertreter gibt es bei den Staaten im Botschafter- oder Gesandtenrang: Nuntius, Pro-Nuntius (wenn ohne Ehrenvorrang) oder Internuntius vertreten den Heiligen Stuhl bei den Staaten und zugleich bei den Ortskirchen. Bei den internationalen Organisationen führen die ständigen päpstlichen Vertreter die Bezeichnung Ständiger Beobachter, bei internationalen Tagungen oder Konferenzen führen die nicht-ständigen Vertreter die Bezeichnung Delegierte. 181 Heribert Franz Köck, a.a.O., 310. 182 Vgl. dazu Heribert Franz Köck, Aktuelle Probleme der völkerrechtlichen Prä119

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Die besondere Friedensrnission des Heiligen Stuhls im internationalen Leben tritt damit klar hervor. Der zitierte Heribert Franz Köck sieht .die erste - und fruchtbarste - Phase päpstlicher Friedenstätigkeit" im Mittelalter gegeben, •vermöge des hohen geistlichen und politischen Ansehens·. Zur päpstlichen Schiedsgerichtsbarkeit, im Mittelalter überwiegend, kommt später mehr die Vermittlertätigkeit auf. Der Heilige Stuhl ist sogar die erste ständige Vermittlungsinstanz der Völker, welche die Weltgeschichte kennt, vom Hunnenkönig Attila bis heute. 183 Der Kontakt des Heiligen Stuhls zu den internationalen Organisationen reicht bis in deren Gründungsphase im 19. Jahrhundert zurück, bezieht sich aber nicht auf rein politische Universalorganisationen, sondern auf mehr technische Organisationen wie den Welttelegraphenverein. Mit der raschen Zunahme der internationalen Regierungsorganisationen, vor allem der OVN, aber auch zum Beispiel regionaler Natur, wie des Europarates, hat die ständige - verschieden gestufte - Repräsentanz des Heiligen Stuhls, neben der typisch völkerrechtlichen Weise der Tätigkeit, eine vorzüglich auch religiös-moralische. 184 Zur Erfüllung seiner Mission stehen dem Papst traditionell die Mittel der Diplomatie, die Päpstlichen Vertretungen (Nuntiaturen) bei den Staaten und Internationalen Organisationen und die Botschaften beim Heiligen Stuhl zur Verfügung. Der Papst wendet sich selbst oder durch seine Ämter, wie das Staatsskretariat und den Rat für öffentliche Angelegenheiten der Kirche, an die Staatengemeinschaft und die Weltöffentlichkeit. Verstärkt wird dieser internationale Effekt durch die kirchlichen Substrukturen, von den Bischofskonferenzen abwärts, in der ganzen Welt. Für einzelne Sachgebiete stehen eigene römische Kurienorgane zur Verfügung, die personell aus der ganzen Welt ergänzt werden und eine hohe geistige Kapazität, auf ihrem Gebiet oft auch eine besondere, nicht nur moralische, Sachkompetenz aufweisen, z. B. die Päpstliche Kommission .Iustitia et Pax" und der Päpstliche Rat "Cor Unum". Der Kommunikationsfluß von den Diözesen und Bischofskonferenzen nach Rom und zurück ist im internationalen Leben über das Netz der päpstlichen Diplomatie hinaus von unschätzbarer Bedeutung. Die moralischen Appelle der Kirchen erreichen vielfach die Basis der Menschen unmittelbar. Hinzu kommt das ausgedehnte Erziehungs- und Bildungssystem der Kirche. Es ist angesichts der Möglichkeit zur Friedensrnission daher schwer verständlich, daß es Staaten gibt, die aus ideologischen Gründen die Relisenz des Heiligen Stuhls, in: Herbert Schambeck (Hrsg.), Pro Fide et Iustitia, Festschrift für Kardinal Casaroli, Berlin 1984, (301-318), 307. 183 a.a.O., 460; dort auch 459-478 ausführliche Belege für diese Tätigkeit des Heiligen Stuhls bis heute. 184 Vgl. o. a. 768.

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gionsfreiheit einschränken und unterdrücken und damit auch diese weltweite Mission der Kirche behindern, obwohl sie sich oft auch selbst gerne als friedliebend bezeichnen. Im Rahmen der Menschenrechte kommt dem Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit darum unter Rücksicht der internationalen Rechts- und Friedensordnung eine Schlüsselposition zu. Die vom Heiligen Stuhl ausgeübte Friedensfunktion durch Vermittlung und Schiedsgerichtsbarkeit l85 ist bis in die Gegenwart erhalten geblieben, wie die Beilegung des Konflikts zwischen Argentinien und Chile um den Beagle-KanaP86 zeigt. Für dieses Gebiet des Völkerrechts hat der Heilige Stuhl Bahnbrechendes rechts-schöpferisch geleistet und nicht nur an der Ausübung dieses Instituts mitgewirkt. Insoferne ist es durchaus entsprechend, daß er kraft seiner besonderen Autorität auch an der Rechtsschöpfung in der heute organisierten Staatengemeinschaft mitwirkt. Dies geschieht zunächst durch seine ordentliche Mitarbeit in den internationalen Organisationen dauernd. Es gibt aber auch besondere internationale Interventionen und Vorschläg~ des Heiligen Stuhls zur Weiterentwicklung der internationalen Rechtsgemeinschaft. Erwähnt seien besonders die Friedensenzyklika Johannes XXIII. aus 1963 .Pacem in terris· mit Überlegungen zu einer Weltautorität l87 oder die Bemühungen um die Internationalisierung der heiligen Stadt Jerusalem. 188 Für die vermittelnde Tätigkeit des Heiligen Stuhls, oft auf stillen Kanälen ohne Publizität, gibt es viele, auch neueste Beispiele, die eben gar nicht immer bekannt werden. 18g Ein tragender Gedanke ist dabei, daß es keine absolute Souveränität der Staaten geben kann, soll es zur friedlichen Koexistenz der Völker unter der Herrschaft des Völkerrechts kommen. Dieser Gedanke der Päpste, besonders seit Leo XIII. bis heute stets erneut vorgestellt, gewinnt immer mehr an Boden! Aktuelle Bedrohungen der Weltgemeinschaft aus der Dynamik des Wettrüstens heraus und aus der wirtschaftlichen Not der Entwicklungsländer, die Vgl. Heribert Franz Köck, a.a.O, 459 ff. Vgl. Karl-Andreas Hernekamp, Die argentinisch-chilenische Einigung im Beagle-Streit: Episode oder Modell?, in: Europa-Archiv 18/1985, 551-562. Der Autor betont .die Rolle des Heiligen Stuhls, der 490 Jahre nach dem spanisch-portugiesischen Vertrag von Tordesillas erstmals wieder bei einer lateinamerikanischen Territorialregelung Pate gestanden" habe. (551) 187 Vgl. Nr. 137 ff. 188 Vgl. Heribert Franz Köck, Der Vatikan und Palästina, Wien 1973. 189 Allein für die Zeit des Zweiten Weltkrieges gibt es viele solche Initiativen. Für die Zeit vom März 1939 bis zum August 1940 verzeichnet eine Aktensammlung allein 379 Dokumente des Heiligen Stuhls! Vgl. Pierre BIet, Angelo Martini, Burkhart Schneider (Ed.), Actes et documents du Saint Siege relatifs ci la seconde ~~erre mondiale, Cittci dei Vaticano 1965, besprochen von Alfred Verdroß in der Osterreichischen Zeitschrift für öffentliches Recht, Bd. XVI, H. 1-2, 176-178. 185 186

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immer größer wird, sind der ständige Anlaß, zur notwendigen Solidarität zu mahnen und rechtliche Konsequenzen für die internationale Gerechtigkeitsund Friedensordnung zu ziehen. Da der politische Wille zur Lösung dabei am meisten fehlt, ist die moralische Autorität ebenso, wenn nicht noch mehr als die Sachkompetenz von Experten zur Bewältigung aufgerufen. Entscheidend ist nur die Einsicht, daß auch das Recht der Völker mehr als ein Vertragsrecht ist und Friede und Friedensordnung auch eine Frage der Gerechtigkeit sind, nicht in erster Linie der Macht und Stärke der Divisionen. 190 Insoferne kann die Präsenz des Heiligen Stuhls im internationalen Leben der Staaten ein Dienst an dieser internationalen Ordnung als Rechtsordnung sein. 191 Der europäische abendländische Kulturkreis mit seiner besonderen Ausprägung des Rechtsbewußtseins im Gefolge der griechisch-römischen antiken Tradition hat gewiß große Bedeutung für die Entwicklung des modemen Völkerrechts. Bezüglich der Friedenspolitik reicht die Rechtstradition zurück auf die antike bellum iustum-Lehre. In dieser rechts- und staatsphilosophischen Tradition war später immer auch das Verhältnis von Kirche und Staat eine Hauptfrage der Jurisprudenz und politischen Theorie, das Kirchenrecht lange ein wichtiger Teil der Rechtskunde. Die Trennung von Staat und Religion, bzw. die vom Staat unabhängige Autorität der Religionsgemeinschaften und die Religionsfreiheit waren für die politisch-rechtliche Kulturentwicklung von entscheidender Bedeutung und damit auch für die Entwicklung der individuellen und gesellschaftlichen Menschenrechte. Es wäre deshalb ein Verlust für die Rechtsentwicklung der Menschheit und in diese eingeschlossen für die Entwicklung des Völkerrechts und einer universellen Friedensordnung, wenn dieser Beitrag des Abendlandes mit der Rechtsstellung und rechtsschöpferischen Kraft der christlichen Religion und Kirchen nicht in das modeme Erbe der in verschiedenen Kulturen eins werdenden Menschheit einginge und Nutzen brächte. Abgesehen von der christlichen haben auch die anderen Religionen - in verschiedenem Maß - die Rechtsentwicklung in ihren Kulturen beeinflußt und mitgemacht. 192 Man denke an die islamische Scharia. Die Gefahr ist aber, wir erleben sie heute aktuell in der islamischen Welt, daß ein religiöser Fundamentalismus verbunden mit einer politischen Renaissance die Trennung von Religion und Politik wieder verwirft und das eigene religiöse Gesetz zum gesellschaftlich-politischen Fundament des Rechts erhebt. Das 190 Bekannt ist die Frage von Josef Stalin auf der Konferenz von Jalta nach der Anzahl der Divisionen des Papstes. \9\ Vgl. John R. Quinn, The Holy See in the International Order, in: Herbert Schambeck (Hrsg.), Pro Fide et Iustitia, Festschrift für Kardinal Casaroli, Berlin 1984, 293-299. \92 Vgl. Pietro Rossano, La chiesa in mezzo alle religioni, in: Herbert Schambeck (Hrsg.), Pro Fide et Iustitia, Festschrift für Kardinal Casaroli, Berlin 1984,67-76.

2.5. Ethik der Friedenspolitik

133

geht zum Beispiel im Iran Ayatolla Khomeinis vor sich,193 der die islamische Rechtsordnung als von Gott gegeben nicht nur für den eigenen Staat, sondern als Grundlage eines Weltstaates ansieht. Der wahre Staat kann immer nur der islamische Staat sein, sodaß es kein Zusmmenwachsen verschiedener Rechtskulturen geben könne. Es gilt daher, zwischen dem Ideologievorwurf des Rechtspositivismus, als einer gewissen Folge auch der Säkularisierung, zu steuern und an der Verwurzelung des Rechts - hier des Völkerrechts! - in natürlichen Rechtsüberzeugungen festzuhalten, um trotz der Tatsache des rechtsphilosophischen Pluralismus in den Weltkulturen zu einer gemeinsamen Rechtskultur im Dienste des Völkerfriedens zu kommen. Hier aber scheint die Verbindung von weltlicher und geistlicher Souveränität in der völkerrechtlichen Stellung des Heiligen Stuhls eine glückliche Lösung zu sein, die moralische Stimme und Autorität der Religion in die internationale Rechtsgemeinschaft einzubringen, ohne ihr einen Monopolcharakter bzw. einen Ausschließlichkeitsanspruch einer Religion zu geben. Parallel zu den im Völkerrecht so institutionalisierten Möglichkeiten des Heiligen Stuhls zur internationalen Friedensordnung - auch namens der Moral und der Religion - beizutragen, sind der christlichen Religion und den übrigen Weltreligionen im internationalen Kontext sicher weitere positive Einflußnahmen beginnend bei der Bewußtseinsbildung der Gläubigen einzeln und auch im gemeinsamen Zusammenschluß möglich und für eine weltweite Friedenskultur wichtig. Dazu zählen Pläne eines .FriedenskonZilS"194 oder einer Ökumenischen Versammlung der christlichen Kirchen und gemeinsame Gebetsveranstaltungen und Konferenzen der Weltreligionen, um auf den Prozeß zur Verrechtlichung einer Friedensordnung mit dem Ziel einer wirksamen Gewaltenkontrolle im internationalen Leben hinzuwirken.

193 Vgl. Rene Klaff, Islam und Demokratie, Frankfurt 1987. Die von Klaff dort vertretene Auffassung, daß nach allen Strömungen im Islam keine Trennung von Politik und Religion möglich sei und auch der demokratische Rechtsstaatsgedanke des Westens nicht mit der islamischen Rechtsordnung vereinbar sei, scheint allerdings so allgemein nicht schlüssig erwiesen zu sein. Auch die westliche pluralistische Demokratie kann nicht ohne Grundwerte bestehen. Ebenso wird sich die islamische Rechtsform - ähnlich wie im Wirtschaftsrecht - nicht den Erfordernissen einer Anpassung an eine plurale Weltgesellschaft in allen Strömungen islamischen Denkens auf Dauer entziehen können. 194 Der Deutsche Evangelische Kirchentag rief 1985 die Leitungen aller christlichen Kirchen zu einem .Ökumenischen Konzil des Friedens· auf und löste damit eine kirchenrechtliche Diskussion zwischen den Konfessionen aus. Der Mentor dieser Idee, earl Friedrich von Weizsäcker, begründete den Aufruf in einem Buch, Die Zeit drängt, München 1986.

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2. Die internationale Friedensordnung

2. Rechtsschöpfung angesichts der Sacherfordemisse der Völkergemeinschaft:

Im rechten Verständnis gilt immer auch das Prinzip von der Normativität des Faktischen. So erfordert die Ordnung der internationalen Gemeinschaft situationsgerechte und zweckmäßige Regelungen, die ihre Richtigkeit von dieser ihrer geforderten Zweckmäßigkeit und daher Sachrichtigkeit erhalten und sich also auch bewähren. Ohne Sachkenntnis und Erforschung der Wirklichkeit kann keine Rechtsschöpfung auskommen. In der .Natur der Sache" aber ist immer auch letztlich die für den Menschen und die Gesellschaft und ihr Wohl und Gemeinwohl gültige Zweckerfüllung angesprochen, damit ein allgemeines und objektives Merkmal. Insoferne ist die Rechtsüberlegung der Beliebigkeit wie ebenso der reinen inneren Rechtsstringenz in positivistischer Erkenntnisbeschränkung entzogen. Ebenso haben sachdienliche und sachrichtige Rechtsnormen im internationalen Leben ihren Ursprung im Vertragswillen der Staaten als Organe der Rechtssetzung gemäß ihrer Eignung zur Problemlösung. Sie schöpfen aber ihre Lösungskompetenz aus ihrer Sachrichtigkeit und in Übereinstimmung mit der .Natur der Sache", die in innerem Zusammenhang mit dem steht, was den Menschen und die Menschheit fördert und ihnen gemäß ist. In der Völkergemeinschaft auf Weltebene bestehen heute, in rascher Zunahme begriffen, viele Zusammenhänge vom Frieden abwärts, die auf eine sachliche und menschliche Lösung hindrängen. Erst die Befassung mit diesen Tatsachen und Notwendigkeiten zur Ordnung des internationalen Zusammenlebens im einzelnen lassen aus den Problemen heraus das normative Regelwerk sich entwickeln. Ebenso ist es aber Aufgabe der Rechtsphilosophie, das Wesen und die Gerechtigkeit dieser Normen zu begründen und zu untersuchen. Ebenso ist es die Folgerung daraus, daß die Rechtsethik diesen Geltungscharakter als moralisch gesollt und damit als richtiges Recht vor dem Forum der Vernunft und des Gewissens erweist. Die Übereinstimmung in der rechtsethischen Fragestellung kann aber nicht zur Vorbedingung der Entwicklung des internationalen Rechts gemacht werden, dazu ist die geistesgeschichtliche Situation viel zu komplex. Andererseits ist es nicht zu übersehen, daß die Frage nach dem gerechten Recht auch in internationalem Zusammenhang nicht verstummt. Gerade aber ein gemeinsames kooperatives Herangehen an die internationalen Ordnungsfragen kann auf dem Wege der sachrichtig angestrebten Problemlösungen gute Ergebnisse bringen, wobei eben die Fakten als Verbündete mitwirken, soweit der Mensch ihnen nur verantwortlich - also sittlich! - begegnet. Nicht alles, was sittlich für geordnetes Zusammenleben geboten erscheint, muß aber auch positiv rechtlich normiert und sanktioniert werden.

2.5. Ethik der Friedenspolitik

135

Gerade im Bereich des Völkerrechts, wo zur Zeit grundsätzlich die Sanktion noch nicht gegeben ist, aber auch aus den Überlegungen der Zweckmäßigkeit einer Hypertrophie von Rechtsregelungen wird es umso mehr auf die Einsicht und die Anwendung von Ordnungsüberlegungen und -richtlinien nur, auf die man sich einigt, ankommen. Solidarität und Kooperation, auf die es auch international so sehr ankommt, sind mehr als ein Appell, entziehen sich aber oft auch strenger Verordnung. Damit ist auch nicht ein Gegensatz bei der Ordnung des internationalen Zusammenlebens zwischen den Staaten und den Menschen als Subjekten bzw. Objekten des Völkerrechts zu sehen. Wenn auch die Staaten und zuoberst die Völkergemeinschaft für das internationale Recht zuständig sind, die Einheit des Völkerrechts ruht auf dem Menschen und seinem gleichen Recht als Gemeinschaftswesen. Wir befinden uns aber heute in einem Stadium der Rechtsentwicklung, wo das internationale Recht seine Entfaltung nimmt vom Individuum und seiner Rechtsstellung über die sozialen Zusammenschlüsse bis zur Menschheit. Ebenso ist daher letztlich die sozial gerechte Stellung dieses Individuums in den und gegenüber den sozialen Gebilden über die Staaten zur Völkergemeinschaft hin in seiner rechtlichen Sicherung zu bedenken, von den wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechten bis zum Recht des Menschen, in Frieden zu leben. In einem folgenden Abschnitt wird daher nach der Friedensfrage besonders noch die Frage nach der internationalen Ordnung im Bereich der internationalen Wirtschaft gestellt werden.

3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft Zur Zeit der ersten Blüte der Wirtschaftstheorie der Klassiker, nach Beginn der industriellen Revolution in England in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hatten diese die wirtschaftspolitischen Ziele nicht global, sondern .national" aufgefaßt. Trotz der theoretischen Fundierung gemäß dem nach dem ökonomischen Prinzip rational handelnd gedachten Menschen sollte der .Reichtum der Nationen", um Adam Smith' Buchtitel zu zitieren, zunächst der britischen Ökonomie zugute kommen. Und so geschah es auch. Noch viel weniger, selbst im theoretischen Ansatz, waren zuvor die Merkantilisten oder die Physiokraten Systematiker der Weltwirtschaft gewesen. Ersteren ging es doch um die Steigerung des Wohlstandes des eigenen Landes, letztere suchten ihre .natürliche" Wirtschaftsordnung mit den Mitteln aufgeklärter Herrschaft innerstaatlich zu erreichen. I Der Fernhandel, sogar über interkontinentale Handelswege zu Land oder zu See, geht aber schon bis in prähistorische Zeiten zurück, soferne besonders seltene Produkte betroffen waren. Er war Kaufleuten vorbehalten, die jedoch damals schon leicht unter den Druck politischer Machthaber kommen konnten. Mit der ersten kolonialen Epoche der europäischen Mächte am Beginn der Neuzeit und der Entdeckung der Seewege nach Asien und Amerika kommt es zum .kolonialen, merkantilistischen Luxusfernhandel", gleichsam in Vorbereitung des Welthandels, der in der Folge der industriellen Revolution von England ausgehend sich zu einem Netz internationaler Wirtschaftsbeziehungen unter europäischer Vormacht dann entwickelte. Die Imperialismustheorien sprechen von den Phasen des .Plünderungs- und Raubkolonialismus" und später von der Phase des .Handelskolonialismus", dessen primäre Aufgabe der .Luxusfernhandel" gewesen sei, ferner von .Freihandels-Imperialismus", dem es um die Kontrolle der Seewege zur Sicherung des Welthandels ging. Schließlich führte die Expansionspolitik der europäischen Mächte zur Hochblüte des Imperialismus nach 1880, die bis zum 1. Weltkrieg währte. 2 I Vgl. Wolfgang Reinhard, Geschichte der europäischen Expansion, Bd. 1: Die Alte Welt bis 1818. Im Mittelpunkt seiner Untersuchung steht eine Strukturanalyse des merkantilistischen Kapitalismus, dessen materielle Antriebe für die Expansion der europäischen Mächte entscheidend waren. 2 Vgl. Wilfried von Bredow, Rudolf H. Brocke, Einführung in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen, Stuttgart 1981,32 ff.

3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

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Sicher ist die Wirtschaftstheorie von der sozio-politischen Praxis her mitbestimmt; dennoch wäre es einseitig, sie nur polit-ökonomisch nach der marxistischen Philosophie zu erklären. Auch im weltweiten wirtschaftlichen Beziehungsgeflecht ist der Mensch der letztlich rational, also auch sittlich sozial Handelnde bzw. Wirtschaftende, die internationale Wirtschaftsordnung nicht nur die Folge von Machtverhältnissen aus dem Diktat des Marktes oder der herrschenden Klasse, sondern eine Sollensfrage nach der gerechten Ordnung, die verfehlt, aber ebenso auch erstrebt werden kann, also eine Frage der Wirtschaftsethik ebenso wie der Weltwirtschaftstheorie. Der Welthandel gehört zur sozialwirtschaftlichen Kooperation unter Menschen und Staaten und ist wirtschaftlichem Erfolgsstreben ebenso unterworfen wie dem sittlichen Urteil über Gut und Böse. 3 Hier soll aber nicht länger der Geschichte und dem Problem des Kolonialismus nachgegangen werden, die im 1. Band dieser Einführung schon zur Sprache gekommen sind. 4 Es soll vielmehr eine Analyse des Standes der sozialen Kooperation in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen angestellt werden, um diese vom ethischen Standpunkt zu betrachten. Zeitweilig können - auch schon in frühen Perioden der MenschheitS - im Welthandel wie auf anderen, geographisch beschränkten Märkten Ungleichgewichte und damit Abhängigkeitsstrukturen entstehen, die sich der Modellvorstellung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft nähern und damit der marxistischen Klassenanalyse entsprechen. Im Prinzip gilt aber auch für den Weltmarkt die Grundvorstellung der sozialwirtschaftlichen Kooperation unter der sittlichen Verantwortung der Menschen und sozialen Gruppen, die hier agieren. Der Blick für den Welthandel in der volkswirtschaftlichen Theorie hat sich erst am Beginn der industriellen Gesellschaft voll ergeben, als sich dann der internationale Handel auf unentbehrliche Massengüter des täglichen Bedarfs ausgedehnt hatte und damit ein ausgedehnter arbeitsteiliger Weltmarkt entstand. Die liberale Freihandelstheorie von Adam Smith und David Ricardo, die erstmals die Vorteile internationaler Arbeitsteilung für alle Länder erkannt hat, hat damit in der Entwicklung der Wirtschafts- und Außenhandelstheorie - abgesehen von zeitbedingten ideologischen Einschlägen - durchaus ihren Wahrheitsgehalt und Erkenntniswert. Die gegenwärtige Wiederbelebung der Wirtschaftsethik hat zu einer neuen Einsicht in die philosophischen Prämissen der ökonomischen Theorien geführt. Die ökonomischen Regelmechanismen zur Überwindung von Vgl. Bert F. Hoselitz (Ed.), Economics and the Idea of Mankind, New York 1965. Vgl. Bd. 1, 116 f. 5 Schon in der Steinzeit entstanden Handelsmonopole. Zum Beispiel waren die auf den äolischen Inseln bei Sizilien aus vulkanischem Gestein gebrochenen messerscharfen Klingen besonders für Waffen begehrte Produkte, die zu einer wirtschaftli chen Blüte dieser Inseln bis zur Bronzezeit führten. 3 4

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

Knappheiten von Gütern durch Allokation der Produktionsfaktoren ersetzen nicht das Urteil über den humanen Wert der so erreichten wirtschaftlichen Ziele und haben nur relative Aussagekraft, insoferne als sich das Wahlverhalten der Menschen bei der Abstimmung von Angebot und Nachfrage aus subjektiven Urteilen bei der Bestimmung des Nutzens angesichts der wirtschaftlichen Notwendigkeiten ergibt. Für den Ethiker ist die subjektive Struktur wirtschaftlicher Entscheidungen aber, soferne er einen normativen Ansatz zuläßt, was doch in irgendeiner Form (jenseits des ethischen Skeptizismus) in allen ethischen Systemen der Fall ist, immer auch eine Frage nach der Sinnhaftigkeit wirtschaftlicher Ziele. Erst die Verbindung von Ökonomie und Philosophie6 kommt an die Wirklichkeit auch der internationalen Wirtschafts beziehungen heran. Unter der oben skizzierten Voraussetzung der sozialethisehen Kompetenz zur Betrachtung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen soll nun auf die Situation der Weltwirtschaft heute eingegangen werden, bevor die ethische Sicht der internationalen Wirtschaftsprobleme und der internationalen Wirtschaftsordnung behandelt werden wird. 3.1. Die Situation der Weltwirtschaft Die Ausweitung des Welthandels im Kolonialzeitalter und im zeitlichen Wechsel der führenden Kolonialmächte von den Staaten der iberischen Halbinsel bis hinauf nach England und Holland ging kontinuierlich vor sich, bis man ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Weltwirtschaft zu sprechen begann. 7 Das Entstehen einer weltweiten Arbeitsteilung mit dem zunehmenden Güter- und Kapitalverkehr war natürlich an den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft in Europa gebunden, an die damit erreichten Möglichkeiten im Transport von Gütern und in der Nachrichtenkommunikation. Die von Unternehmergeist, Gewinn- und Machtstreben am Markt gelenkte kapitalistische Wirtschaftsweise erwies sich als Motor der Weltwirtschaft. Nach Alois Brusatti8 erlaßte am Ausgang des Mittelalters eine neue Dynamik die europäisch-abendländische Kulturwelt. Der Geist der Renaissance hatte wirtschaftliche Auswirkungen, die für die ganze Welt schicksalhaft wurden. Mit der Herausbildung starker individueller Persönlichkeiten aus den gebundenen Ordnungsvorstellungen der mittelalterlichen Gesell6 Vgl. die Forderung nach einer .humanistischen Ökonomie" von Mark Lutz, Beyond Economic Man: Humanistic Economics, in: Peter Koslowski (Ed.), Economics and Philosophy, Tübingen 1985,91-120. 7 Vgl. Bd. 1, 128. 8 Wirtschafts- und Sozialgeschichte des industriellen Zeitalters, Graz 21967, 17 ff.

3.1. Die Situation der Weltwirtschaft

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schaft in Europa kommt es zu einer neuen Arbeitsgesinnung und zu einem neuen wirtschaftlichen Leistungswillen. Ende des 15. Jahrhunderts war der äußere Lebensstil in den Hochkulturen der Erde, ob in Europa, China, Japan, Nordindien, in den islamischen Gebieten oder auch im Inka- und Aztekenreich einigermaßen auf gleicher Höhe und vergleichbar, was die wirtschaftlichen Bedingungen anlangte. Im Gefolge der damals einsetzenden Entwicklungen vor allem im Bereich der Wissenschaft, Technik und Wirtschaft ist der Lebensstandard in Europa und Nordamerika, bzw. in den von Europa beeinflußten Gebieten eindeutig höher geworden. Von Europa aus ist eine Kolonialwirtschaft über weite Gebiete der Erde entstanden, die auch die Grundlage für die politische Herrschaftsstruktur des Imperialismus der europäischen Mächte ergab. Die entstandenen wirtschaftlichen und politischen Ungleichgewichte ließen bis heute nicht jenes Maß an Freiheit im Welthandel und an Integration am Weltmarkt entstehen, wie ihn die liberale Wirtschaftstheorie erwartet hatte, sondern eher Teilmärkte unter Dominanz von Weltkonzernen und wirtschaftlich starker Staaten. Dies galt auch für die Periode des Welthandels, in der die Handelsfreiheit!- allerdings unter den oben genannten Verzerrungen - ihren höchsten Stand bis heute erreicht hatte, nämlich in den Jahrzehnten vor dem 1. Weltkrieg. In dieser Zeit war neben den Handelsströmen zwischen den europäischen Staaten und ihren Kolonien der Güter- und Kapitalverkehr zwischen den Industriestaaten selbst dominierend geworden. In der Zeit zwischen 1850 und 1910 verzehnfacht sich der Welthandel nominell,9 da der Weltmarkt in jener Zeit unter besonders günstigen Voraussetzungen funktionierte: Multilateralität, erdumspannendes Zahlungssystem mittels Goldstandards und Zwang zur Währungsdisziplin, Verzicht auf dirigistische Eingriffe in die Wirtschaftsbeziehungen und Respektierung gewisser Standards internationaler ökonomischer Moral. Die Periode zwischen den beiden Weltkriegen hat kaum zu einer Erholung des Weltmarkts geführt, sie war vielmehr durch die große Weltwirtschaftskrise und die Arbeitslosigkeit in den Industrieländern sowie durch radikale politische Strömungen bestimmt. Erst nach 1945 kommt es zu einer Erholung der Weltwirtschaft, allerdings mit vielen Ungleichgewichten, Krisenherden und politischen Eingriffen in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Man hatte zwar aus den Fehlern der Zeit nach dem 1. Weltkrieg gelernt und schuf dauerhafte institutionelle Strukturen zur Förderung des Welthandels und der weltweiten wirtschaftlichen Wohlfahrt, für die Durchsetzung global befriedigender ordnungspolitischer Maßnahmen war aber weltweit kein ausreichender politischer Wille vorhanden. In den fünfziger und sechziger Jahren konnten zwar gewisse Fortschritte verzeichnet werden. Angesichts 9

Daten finden sich bei Alois Brusatti, a.a.O., 191 ff.

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

weltanschaulicher Gegensätze und der Entkolonisation 10 im Zeichen revolutionärer Umwälzungen, ohne Rücksicht auf strukturelle und ökonomische Gegebenheiten, verschärften sich jedoch vielfach die Probleme und entstanden neu Ungleichgewichte, die handelspolitisch allein nicht zu lösen sind. Vom sittlichen Ordnungsdenken aus bietet die Weltwirtschaft immer noch eher ein Bild starker Interessenkonflikte als das einer Ordnungseinheit der Weltgesellschaft. Die soziale Vernetzung des internationalen Lebens hat sich wirtschaftlich nur in beschränktem Maße schon positiv ausgewirkt. Wie läßt sich also die Situation des Welthandels heute kurz beschreiben? Von einem Welthandel auf einheitlicher ökonomischer Ordnungsgrundlage kann man heute daher faktisch nicht sprechen. In den internationalen Wirtschaftsbeziehungen dominieren außerökonomische Zielsetzungen, also politische Interessen: Nicht zuletzt geht dies auf sehr unterschiedliche Kräfteverhältnisse zurück. Außenpolitik, aber auch interne Wirtschafts- und Sozialpolitik (Wachstum, Beschäftigung, ... ) geht den Staaten vor Handelspolitik. Es gibt keine Weltpolitik, die auf internationale Strukturgestaltung im Bereich der Wirtschaftsbeziehungen Rücksicht nimmt. Weltanschaulich motivierte sozioökonomische Ordnungssysteme neben nationalen (oft traditionellen) Sonderinteressen bilden unter den Industriestaaten Kerne für konkurrierende wirtschaftspolitische Allianzen und Interessengemeinschaften. Dies ist unter anderem der Grund für die unbefriedigende Entwicklung im Ost-West-Handel. Dazu kommen die wirtschaftlichen Lasten aus einer Sicherheitspolitik der Integrationsblöcke in Ost und West unter dem Zeichen derzeit immer noch stets steigender Rüstungsausgaben. Im Nord-Süd-Balken dieses Kreuzes internationaler Beziehungen politischer und wirtschaftlicher Natur wirkt sich dies verschärfend gegen das wirtschaftliche Gemeininteresse der Welt als Wirtschaftseinheit aus. Aus politischen Gründen werden strukturelle wirtschaftliche Bindungen vom Norden nach dem Süden ausgebaut, die kontraproduktiv für eine internationale Wirtschaft sind. Unter diesen (politischen!) Bedingungen muß sich der internationale Handelsverkehr nach den verschiedensten Maßstäben abwickeln, von bila10 Erste Überlegungen über die Rechtmäßigkeit der Annexion überseeischer Gebiete sowie der Gedanke an die Aufgabe der Mutterländer, die Kolonialgebiete zur Selbständigkeit anzuleiten, finden sich schon Ende des 19. Jahrhunderts. Erst das Ende des Zweiten Weltkrieges und seine weltpolitischen Folgen führten in Verein mit den nun einsetzenden starken Unabhängigkeitsbewegungen in den Kolonien und der Wendung der nun führenen Weltmächte USA und UdSSR gegen den Kolonialismus zur teils friedlichen, teils mit Gewalt erkämpften Entlassung der meisten Kolonien in die Unabhängigkeit. Beginnend in Asien in den fünfZiger Jahren, dann in Schwarzafrika bis 1960 geht der Prozeß der Dekolonisation rasch vor sich. 1962 folgen die französischen Kolonien in Nordafrika und zuletzt erst das portugiesische Kolonialreich.

3.1. Die Situation der Weltwirtschaft

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teralen bis zu supranationalen, als Blöcke gefügten Wirtschaftsgemeinschaften. Ökonomische Willkür überschattet den Kapitalverkehr zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern, wie das am heutigen internationalen Verschuldungsproblem zum Beispiel deutlich wird. Der weitgehende wachstums-, beschäftigungs- und außenpolitisch zu erklärende Ausfall klassischer ökonomischer Mechanismen wie des Goldstandards zur Ordnung des Weltmarkts, insbesondere die Multilateralität im Handels- und Geldverkehr durch freie Konvertierbarkeit der Währungen bei relativ stabilen Wechselkursen, konnte teilweise durch Vereinbarungen und Wirtschaftsorganisationen nach 1945 einigermaßen ausgeglichen werden. Zeitweise gingen zum Beispiel vom GATI sogar sehr beachtliche Impulse zur Ausdehnung des Welthandels aus, allerdings - und dies gilt für alle diese Initiativen - auf bestimmte Wirtschaftsräume begrenzt und nicht weltumspannend. Auch im internationalen Zahlungsverkehr hat sich, trotz des Zusammenbruchs des seit Kriegsende 1945 bis in die siebziger Jahre funktionierenden Systems von Bretton Woods mit festen Wechselkursen und dem US-Dollar als Leitwährung, eine Zusammenarbeit über internationale Einrichtungen wie vor allem dem Internationalen Währungsfonds (IWF) 11 erhalten können. Das also politisch bestimmte .Interessenkreuz" des Welthandels ergibt nach Ost und West und Nord und Süd unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wesentlich eine Dreiteilung der Staaten in Entwicklungsländer, in marktwirtschaftliche Industrieländer und in die Staatshandelsländer oder Planwirtschaften, deren industrielles Kerngebiet in Osteuropa liegt. Deshalb bezeichnet die Weltbank normalerweise die in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammengefaßten industrialisierten Volkswirtschaften als marktwirtschaftliche Industrieländer und unterscheidet sie von den ebenfalls industrialisierten osteuropäischen Staatshandelsländern. Noch weniger eindeutig ist der Begriff Entwick1ungsländer. Hier wird einmal nach der Einkommenshöhe in solche mit niedrigem und mittlerem Einkommen unterteilt, wobei die Grenze beim Brutto-Sozialprodukt pro Kopf mit 400 Dollar und mehr gezogen wird. Die Länder mit mittlerem Einkommen können dann zu den Ölexporteuren oder Ölimporteuren gehören. Schließlich kennt man noch Ölexporteure mit hohem Einkommen, die nicht zu den Entwicklungsländern gerechnet werden, aber auch keine Industrieländer sind, zum Beispiel die Staaten am Persischen Golf. Schon die Staatshandelsländer werden näher geographisch charakterisiert. Wichtige geographische Gruppen aus wirtschaftlichen Gründen sind 11 Die Kurzwörter und Abkürzungen werden nach den Angaben der WeItentwicklungsberichte der Weltbank verwendet. Aus diesen Berichten sind auch die hier zitierten Wirtschaftsdaten entnommen, wobei der letzte eingesehene Bericht aus 1986 die Daten zumeist bis 1985 fortschreibt.

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

die Staaten Afrikas südlich der Sahara. Ohne die Republik Südafrika sind dies 39 Entwicklungsländer. Als weitere wirtschaftliche Zonen gelten der Nahe Osten und Nordafrika, Ostasien, Südasien, Lateinamerika und die Karibik. Als eigene Gruppe werden mitunter auch noch die Hauptschuldnerländer der Erde geführt, die hauptsächlich zu Lateinamerika gehören. Nicht dazu zählen freilich die USA, das Land mit der größten Auslandsverschuldung! Die globalen Zahlen für den Welthandel geben für das Ausmaß und den Verlauf der internationalen Handelsströme keine richtige Vorstellung. Zum besseren Verständnis genügt nicht die Tatsache, daß sich nach dem Tiefstand des Welthandels am Ende des 2. Weltkriegs dieser im Laufe von 25 Jahren zunächst, besonders seit der Gründung des GATT 1947, also unter dem Einfluß so erreichter Liberalisierungen, versechsfacht hat und überproportional zur Weltproduktivität gewachsen ist. Vielmehr muß bedacht werden, daß sich der Welthandel bis heute in einem (vielfach sogenannten) Welthandelsdreieck abwickelt, bei dem rund zwei Drittel des Weltexports auf die marktwirtschaftlichen Industrieländer entfallen. Inzwischen trat durch die Erdölkrise 1973 eine weltweite Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und auch des Welthandels ein. Es kam zu internationalen Kapitaltransfers aus Erdölgewinnen, die zwar einerseits zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in vielen ölexportierenden Entwicklungsländern, aber andererseits zu einem raschen Anstieg der Verschuldung der anderen Entwicklungsländer führten, also gerade der schwächstentwickelten Volkswirtschaften. Allgemein zeigt die Welthandelsstatistik, daß das wirtschaftliche Wachsturn der Volkswirtschaften und damit ihre Position auf dem Weltmarkt von ihrer Wirtschaftsstruktur abhängt, ob es nämlich gelingt, von der Primärproduktion, also von den Rohstoffen, auf die Produktion von Fabriks- und Fertigwaren und von Dienstleistungen umzusteigen. Im Bereich der Hochtechnologie und der sogenannten Software liegen schließlich heute die höchsten Wachstumsreserven. Primärprodukte haben jedoch am Markt nur eine geringe Elastizität und stehen zudem unter der Konkurrenz preisgünstiger Substitutionserzeugnisse. Der Versuch der Produzentenländer, durch Ausweitung des Angebots an Rohstoffen die Handelsanteile zu erhöhen, führt in der Regel nur zu Preisverfall. Nun sind aber die EntWicklungsländer exportmäßig weitgehend von den Primärprodukten abhängig. Ihr Anteil an Fabrikswaren beim Weltexport ist immer noch bescheiden. Im Handel mit den Industriestaaten dominieren bei ihnen die Rohstoffe. Darum wachsen die Exporte der Industrieländer auch im Jahresdurchschnitt schneller als die der Entwicklungsländer. Doch auch dieses geringere Wachstum ist bisher nur möglich gewesen, indem die Entwicklungsländer insgesamt im Export eine überproportionale Steigerung

3.1. Die Situation der Weltwirtschaft

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bei den Fabrikswaren erzielen konnten. Machten die Rohstoffexporte der Entwicklungsländer 1965 noch 80 Prozent des Exports aus, waren es laut Weltbank bericht 1985 nur mehr etwa 60 Prozent. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der neuindustrialisierten Länder, newly industrialized countries (Nics) genannt. So bel~efen sich die Exporte von Fabrikswaren zum Beispiel von Südkorea im Jahre 1985 auf bereits 59 Prozent des gesamten Volumens. Damit öffnet sich unter den Entwicklungsländern eine neue Schere von Unterentwicklung. Die Entwicklungsländer, die den strukturellen Wandel nicht schaffen, bleiben im Welthandel immer mehr abgeschlagen zurück gegenüber den Ländern, die die Schwelle zu den Industrieländern strukturell überwinden können. Der Motor des wirtschaftlichen Wachstums vor allem eines kleinen und mittleren Landes ist heute vornehmlich auf dem Sektor der Fabrikswaren gelegen. Gemessen am Welthandelsvolumen sind hingegen die Handelsströme unter den Entwicklungsländern selbst bescheiden. Immerhin stieg im sogenannten Süd-Süd-Handel das Volumen der Fabrikswaren von 25 Prozent 1965 bis zum Jahr 1985 auf 30 Prozent. Die Handelsbeziehungen zwischen den sozialistischen Ländern und der Dritten Welt sind aber im Weltrnaßstab praktisch unbedeutend. Nur 7 Prozent der Exporte der Dritten Welt gehen in Staatshandelsländer und umgekehrt kaum viel mehr. Die wirtschaftliche Rationalität spricht an sich für möglichst freien Welthandel als Motor des Wachstums auch der Volkswirtschaften der Entwick1ungsländer und gegen politische Eingriffe in den Handel und die Volkswirtschaften. Sozial gemeinte Politik kann ala longue kontraproduktiv sein und in Wirklichkeit machtpolitischen Sonderinteressen dienen. Auch sozial-und wirtschaftspolitisch vorübergehend gedachte Eingriffe wie Schutzzölle für strukturschwache Bereiche oder Zwangswechselkurse und Devisenbewirtschaftung oder Preis- und Lohnfestsetzungen haben die Tendenz, zu Dauereinrichtungen zu werden, ohne ihr Ziel zu erreichen. Die Lösung kann daher nicht in der rein volkswirtschaftlichen Alternative zwischen einer Art .weltweiten Liberalismus· mit freiem Weltmarkt oder einem .internationalen Keynesianismus· von sozialwirtschaftlichen Eingriffen liegen. Das sittliche Ziel der Weltwirtschaft hat Vorrang, nämlich die Versorgung der Bevölkerung aller Staaten mit dem Lebensnotwendigen an wirtschaftlichen und kulturellen Gütern. Diese Zielvorgabe steht über der weltwirtschaftlichen Kooperation und verlangt die Solidarität der Wohlhabenderen einerseits und die Eigenbeteiligung der Hilfsbedürftigen andererseits in einem umfassenden, allerdings nicht zuletzt wirtschaftlichen weltweiten Kooperationsvorgang zur Beseitigung der Armut in der Welt. Der Anteil der Weltbevölkerung aus den Entwicklungsländern einschließlich China und Indien beträgt heute insgesamt mehr als drei Viertel der Menschheit. Dieses Verhältnis wird sich durch das starke Bevölkerungs-

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

wachstum in den Entwicklungsländern in den nächsten Jahren noch verstärken. Die reichen, erdöl exportierenden Entwicklungsländer sind ja nach Einwohnerzahl nicht bedeutend. So ist die einkommensstarke Bevölkerung der Erde in den marktwirtschaftlichen westlichen Industrieländern und in etwa noch in den osteuropäischen Staatshandelsländern konzentriert. Diese Entwicklung wird sich zuungunsten der Entwicklungsländer beim heutigen Trend noch überproportional fortsetzen. Die weltweite Verarmung wird also sogar in absoluten Ziffern weitergehen. Besonders bedenklich sind die niedrigen, ja sogar negativen Raten der Wirtschaftsentwicklung in einer Reihe von afrikanischen Ländern. Hier ist das Pro-Kopf-Einkommen in den letzten Jahren in den unteren Einkommensgruppen sogar um 12 Prozent gesunken. 12 Das hat auch Papst Johannes Paul 11. im Gedenken an die Enzyklika Papst Paul VI. zum .Fortschritt der Völker" gut 20 Jahre später (1988) in seinem Rundschreiben .Sollicitudo rei socialis" zu einem Alarmruf veranlaßt, seien doch heute. viele Millionen ohne Hoffnung, weil sich ihre Lage in vielen Teilen der Welt fühlbar verschlechtert" habe (Nr. 13). Kennzeichen dieser Verarmung sind geringe durchschnittliche Lebenserwartung - sie liegt bei den ärmsten Entwicklungsländern vor allem in Afrika einiges unter 50 Jahren, erreicht also manchmal nur die halbe Lebenserwartung reicher Bevölkerungen. IJ Ein weiteres Kennzeichen ist der hohe Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfung in diesen Volkswirtschaften, wobei ein großer Teil des agrarischen Sektors nur als Subsistenzwirtschaft existiert und kaum über die unmittelbare Lebensführung hinaus produktiv ist. Auf Grund weiterer Wirtschaftsdaten aus den Entwicklungsländern, insbesondere der am wenigsten entwickelten Staaten, vor allem nämlich der seit dem Erdölschock 1973 wieder sinkenden Wachstumsraten, sinkender Bruttoinlandsinvestitionen und steigender hoher Verschuldung an das Ausland, hat sich die Armut der Dritten Welt weiter verschärft. Unter den gegebenen Bedingungen des Welthandels ist daher keine Trendumkehr zu erwarten. Bisher war der wirtschaftliche Aufschwung in den Entwicklungsländern eindeutig gekoppelt an das Wirtschaftswachstum in den Industrieländern, verliefen die Wachstumsraten des realen Bruttoinlandsprodukts mehr oder minder ähnlich, aber auf einem etwas höheren Niveau für die Entwicklungsländer. Damit waren die Entwicklungsländer aber auch den Schwankungen der Konjunktur in den Industrieländern ausgesetzt. 12 Diese Angabe und weitere Daten finden sich in einem Artikel von A. W. Clausen, dem Präsidenten der Weltbank, .Die Armut mildern - nicht verschlimmern", in der FAZ v. 10.5.1986. 13 Nach der Tabelle des Weltentwicklungsberichts 1986,206, liegt die Lebenserwartung eines im Jahr 1984 in Sierra Leone oder in Guinea Geborenen bei 38 Jahren.

3.2. Die Rahmenbedingungen des Welthandels heute

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Die Prognose des Internationalen Währungsfonds für 1988 rechnet kaum mit einem Aufschwung in der Weltwirtschaft 1988, hingegen eher mit dämpfenden Auswirkungen auf die Entwicklungsländer. Dafür sprechen die fortgesetzte Schwäche der Rohstoffpreise in den Entwicklungsländern, deren Devisenmangel und das niedrige Welthandelswachstum. Die Folge ist, daß viele Strukturschwächen der Volkswirtschaften der Entwicklungsländer stark hervortreten. In dieser Sicht gibt es nur Abhilfe durch wirtschaftspolitische Maßnahmen zur nachhaltigen Stärkung des wirtschaftlichen Wachsturns regional und weltweit. Somit erhebt sich die Frage nach dem Instrumentarium und dem Spielraum wirtschaftspolitischer Initiativen im Weltrnaßstab. 3.2. Die formellen und informellen Rahmenbedingungen des Welthandels heute Ein Überblick über die bestehenden internationalen Wirtschaftsorganisationen ist aus Lexika oder Handbüchern leicht zu gewinnen. 14 Ansätze zu Formen internationaler wirtschaftlicher Zusammenarbeit gehen bis auf den Wiener Kongreß 1815 zurück, als die Schlußakte erstmals die Schaffung von internationalen Flußkommissionen vorsahen, die Ausdruck des Willens zur politischen Zusammenarbeit und Erhaltung des Friedens waren. Sie dienten aber ebenso der wirtschaftlichen internationalen Kommunikation und damit indirekt der Weltwirtschaft, wie später dann insbesondere die Internationale Fernmeldeunion (1865) und das .Internationale Amt" des Weltpostvereins (1874). Internationale Verkehrsübereinkommen folgten. 1902 wurde das erste internationale Rohstoffabkommen geschlossen, das Internationale Zuckerabkommen. Der Völkerbund schuf eigene internationale Abteilungen und Organisationen für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit, z. B. das Internationale Arbeitsamt (ILO) in Genf (1919), das von den Vereinten Nationen dann als Spezialorganisation übernommen wurde. 15 Das heutige System der internationalen Regierungsorganisationen im allgemeinen und im Bezug auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit steht in Verbindung mit der OVN und hat seine Grundregelung in den Artikeln 55 bis 60 der Satzung. Danach gibt es 16 unabhängige Spezialorganisationen und zwei autonome internationale Organisationen, die durch formellen Vertrag mit der OVN assoziiert sind. Außerdem bestehen eine Reihe von Programmen, Räten und Kommissionen, die von der Generalversammlung 14 Vgl. zum Beispiel Ignaz Seidl-Hohenveldern, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, Köln 41984, 341-368. 15 Vgl. Ignaz Seidl-Hohenveldern, a.a.O., 17 H.

10 Weiler II

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

direkt abhängen. Unter den Spezialorganisationen finden sich heute die Internationale Fernmeldeunion (lTU), der Weltpostverein (UPU) und das Internationale Arbeitsamt (ILO), die aus der Periode vor der OVN stammen. Weitere Spezialorganisationen sind auf sozialem, gesundheitlichem, kulturellem und erzieherischem Gebiet tätig oder könnten noch entsprechend der Satzung je nach Bedürfnis eingerichtet werden. 16 In die Gründungsphase der OVN gehen die auf der Konferenz von Bretton Woods 1944 für die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit der Nachkriegszeit vorgesehenen Einrichtungen zur Versorgung des internationalen Handels mit konvertiblem Geld zurück,17 der Internationale Währungsfond (IMF, International Monetary Fund) und die Institution zur Finanzierung zunächst des Wiederaufbaus nach dem Krieg, die Weltbank (IBRD, International Bank for Reconstruction and Development/World Bank). Der internationale Zahlungsverkehr bedarf gewisser geordneter Währungsverhältnisse, die darauf hinwirken, daß zwischen den Handel treibenden Staaten länger anhaltende Zahlungsbilanzungleichgewichte vermieden werden. Um ein Wiederaufleben des Kampfes aller gegen alle auf dem Währungssektor mittels fortgesetzter Devisenkursabwertungen, wie er als Folge der Weltwirtschaftskrise nach 1930 ausbrach, zu verhindern, wurde der Internationale Währungsfonds damit beauftragt, für ein funktionierendes Devisenkurssystem Sorge zu tragen. So wurde zunächst ein System fester Wechselkursparitäten eingerichtet (im Verhältnis zum Gold und zum US-Dollar). Gemeinsamer Maßstab waren Gold und der US-Dollar, da letzterer unbeschränkt zu einem festen Preis (1 Unze = US-Dollar 35) konvertiert werden konnte. Damit war ein Gold-Devisen-Standard die Grundlage des ersten internationalen Devisenkurssystems unter dem Regime des Internationalen Währungsfonds, der allen Paritätsänderungen zustimmen mußte. Im März 1973 brach dieses System von Bretton Woods zusammen, nachdem infolge der langanhaltenden Zahlungsbilanzprobleme der USA die US-Regierung die Umtauschpflicht des Dollars gegenüber den Zentralnotenbanken in Gold zurücknehmen mußte. Die wichtigsten Welthandelsländer gingen darauf zu flexiblen Wechselkursen über, wie sie sich auf den Devisenmärkten bilden, auf denen allerdings auch Zentralnotenbanken kursbeeinflussend auftreten können. Das Risiko von Kursschwankungen im Handelsverkehr wird dabei weitgehend durch Zieldevisengeschäfte ausgeschaltet. Die Bedeutung des Internationalen Währungsfonds bei der Devisenkursfestsetzung ist daher weitgehend auf eine beratende Rolle be16 Eine kritische Übersicht und Darstellung der Spezialorganisationen der OYN nach neuestern Stand findet sich bei Douglas Williams, The specialised Agencies and the United Nations, London 1987. 17 Vgl. Jörn Altmann, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Opladen 1983, 107 ff., den Abschnitt über internationale Währungsbeziehungen.

3.2. Die Rahmenbedingungen des Welthandels heute

147

schränkt worden, doch erweitert sie sich für die Behandlung von Zahlungsbilanzschwierigkeiten in Entwicklungsländern. Allerdings ist der Internationale Währungsfonds keine Weltzentralnotenbank, da es keine Weltwährung gibt, für deren Schöpfung und Umlaufentwicklung er verantwortlich wäre. Für den Welthandel ist ein international geordnetes monetäres System unumgänglich. Diese Ordnung kann nun im Tauschverkehr letztlich nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen oder nach Direktiven von politischen Instanzen. Diese Alternative ist mangels einer Weltautorität international nicht in Sicht. Zudem haben sich Zwangssysteme auch auf nationaler Ebene bislang nirgends als ökonomisch erfolgreich erwiesen. Ihre ökonomische Effizienz existiert nur gemäß ideologischen kollektiven Konzepten und entsprechend utopischen Erwartungen entgegen aller Erfahrung. Die Problemlösung der Weltwirtschaftskrise von der Währungsordnung her ist nur in Verbindung von ökonomischer Rationalität mit dem entsprechenden politischen Willen zur sittlich gerechten sozialen Grundordnung der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen zu sehen, um beginnend von der nationalen Ebene stabile internationale monetäre Liquidität zu sichern. Erst auf diesem Hintergrund kann eine Weltbank dem Kreditgeschäft entsprechend dienen. Zugleich mit dem Internationalen Währungsfonds gegründet besteht die Aufgabe der Weltbank in der Gewährung auch langfristiger Kredite, die ursprünglich nach dem Zweiten Weltkrieg für Investitionen in kriegsgeschädigten Ländern bestimmt waren und nun für Anpassungsprogramme in Entwicklungsländern gegeben werden. Ziel ist die Förderung der Investitionstätigkeit. Daher können auch private Kreditnehmer aus Mitgliedsstaaten auftreten, nur müssen die Staaten die Rückzahlung des Kredits garantieren. Auch ist die Nutzung der Kreditmittel nicht an Bedingungen geknüpft, das Geld in einem bestimmten Land zum Einkauf zu verwenden. Das Kapital der Weltbank stammt aus Geschäftsanteilen der Mitgliedsstaaten und aus Anleihen, die auf dem Weltmarkt begeben werden. Die so finanzierten Kredite sind an Bedingungen geknüpft, die zwar günstiger sind als kommerzielle, aber in vielen Fällen dennoch nicht erfüllt werden können. Um leichtere Bedingungen gewähren zu können, wurde daher im Jahr 1960 eine Tochterorganisation der Weltbank geschaffen, die Internationale Entwicklungsorganisation (International Development Association / IDA). Es kamen dann weitere regionale Entwicklungsbanken, jeweils für einzelne Kontinente dazu sowie der Europäische Entwicklungsfonds mit ähnlichen Aufgaben. Bei der Verschuldung der Entwicklungsländer, die in den siebziger und achtziger Jahren zuletzt rasant angestiegen ist, spielen diese Kredite der Weltbank und der IDA allerdings nicht die Hauptrolle, da viele Kredite von den Entwicklungsländern bei Kommerzbanken aufgenommen wurden. 10·

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

Erst mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerländer haben sich die Kommerzbanken vom Geschäft zurückgezogen. Der größte Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe der Industrieländer entfällt auf finanzielle Zusammenarbeit in Form von nicht-rückzahlbaren Zuwendungen oder auf Kreditbasis zu begünstigten Bedingungen. Da die so verfügbare Entwicklungshilfe den Entwicklungsländern aber nicht ausreicht, werden auch kommerzielle Kreditrnärkte in Anspruch genommen, wo Kredite ohne wirtschaftspolitische Auflagen zu bekommen sind. Solche Kredite sind jedoch oft auch zur Finanzierung nicht produktiver Zwecke, zum Beispiel für öffentliche Investitionen oder Defizite verwendet worden und haben zu einer übermäßigen Verschuldung von Entwicklungsländern geführt. Die aus dieser Verschuldung entstandenen Probleme können weder vom Währungsfonds noch von der Weltbank allein bewältigt werden. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Kommerzbanken und den beiden genannten Institutionen erforderlich, was weitgehend vom politischen Willen der Industrieländer abhängt. Die 1945 geplante handelspolitische Ergänzung des Internationalen Währungsfonds, eine Internationale Handelsorganisation, kam nicht zustande, sondern 1948 nur ein Teilabkommen zwischen zuerst 23 Staaten, das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade / GATT) mit heute 90 Mitgliedern, unter ihnen gut zwei Drittel Entwicklungsländer. Die prinzipielle Förderung des Freihandels im Sinne des Grundsatzes von der Meistbegünstigung innerhalb der Mitgliedsstaaten durch das Abkommen wird aber durch die GATT-Regeln einer Reihe von Ausnahmen abgeschwächt. Dennoch hat sich, auch durch ein ständiges Sekretariat organisatorisch etabliert, das GATT als wichtiges Instrument des Welthandels bewährt, konnte sich aber gegen gewisse Protektionismen, zum Beispiel auf dem Agrarsektor, nicht durchsetzen. Die Generalversammlung der OVN suchte in der Periode der Dekolonisation Anfang der sechziger Jahre unter dem Druck der Entwicklungsländer nach einer neuen Form multilateraler wirtschaftlicher Entwicklungshilfe und errichtete dazu 1964 die UN Conference on Trade and Development (UNCTAD) oder Welthandelskonferenz der Vereinten Nationen. 1967 folgte noch die Industrielle Entwicklungsorganisation der Vereinten Nationen (UN Industrial Development Organization / UNIDO). Die UNCTAD mit über 160 Mitgliedsländern, in der Überzahl natürlich Entwicklungsländer, neigt eher zu protektionistischen Tendenzen und diente den Entwicklungsländern auch besonders in den alle vier Jahre folgenden Konferenzen von 1964 besonders bis 1976 als Forum für Forderungen an die Industrieländer zur Erreichung weiterer finanzieller Unterstützungen und handelspolitischer Vorteile, zum Beispiel mittels Rohstoffabkommen. Es ging ähnlich dem

3.2. Die Rahmenbedingungen des Welthandels heute

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GATI um das Ziel weltweiten Wirtschaftswachstums, aber zugleich um Umverteilung zugunsten der Entwicklungsländer. Den oft ideologisch fundierten Argumenten der Entwicklungsländer folgten die Industrieländer nicht. Sie beriefen sich entgegen den vorgebrachten Richtlinien der Entwicklungsländer für eine Neue Internationale Wirtschaftsordnung, wie sie auf der 7. Sondergeneralversammlung der OVN als Neue Weltwirtschaftsordnung 1975 angenommen wurden, auf die wirtschaftlichen Realitäten, denen die Vorstellungen der Entwicklungsländer, auch auf noch so großen Konferenzen vorgebracht, nicht entsprechen würden. Inzwischen ist auf den UNCTAD-Konferenzen in Manila (1979) und Belgrad (1984), zuletzt insbesondere aber in Genf (1987) eine immer realistischere Gesprächshaltung zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern eingetreten, um aus der Konfrontation zwischen dirigistischen Forderungen und marktwirtschaftlichen Handelsüberlegungen herauszukommen, wobei die Industrieländer die (handels)politischen Realitäten eher auf ihrer Seite haben. Der Trend geht heute eindeutig in Richtung marktwirtschaftlichen Denkens. 18 Die formellen Ordnungsinstrumente des Welthandels, wie sie sich vor allem in den Institutionen der OVN zeigen, sind in ihrer Wirksamkeit sehr begrenzt. Die Einhaltung wirtschaftlicher Regeln in der internationalen wirtschaftlichen Kooperation ist schon allein dadurch behindert, daß deren Geltung ideologisch interpretiert oder bestritten wird. Aber auch der auf das Gemeinwohl der Menschheit bezogene Ordnungswille der Staaten in der wirtschaftlichen Kooperation ist wenig entwickelt. Bemühungen internationaler gesellschaftlicher Interessenverbände, zu einer gemeinsamen Effizienz zusammenzuwachsen, sind dadurch sehr erschwert. So ist die Tätigkeit internationaler Nicht-Regierungsorganisationen auf internationaler wirtschaftlicher Ebene selbst im Bereich von national gut organisierten Wirtschaftsinteressen nicht sehr erfolgreich und eben auf die freiwilligen Beiträge partikulärer Interessengruppen angewiesen. Das gilt für die Bünde der Gewerkschaften auf Weltebene ebenso wie für internationale Organisationen der Unternehmerseite oder internationale genossenschaftliche Verbände. Hier sei die Internationale Handelskammer mit Sitz in Paris genannt, die seit 1920 besteht, aber über Vorschläge und Denkschriften hinaus keinesfalls den Status und Einfluß wie gleichnamige Einrichtungen auf nationaler Ebene hat. Ähnlich geht es den Gewerkschaften. Es gibt zwar gleich drei Weltorga18 Einen guten Überblick über die ideellen Entwicklungen, die zur Neuen Weltwirtschaftsordnung führten, die in sie gesetzten Erwartungen bei ihrer Proklamation und die Schwächen, die sich dann bei der Realisierung schließlich zeigten, gibt Herman Van der Wee, Prosperity and Upheaval, The World Economy 1945 - 1980, Los Angeles 1986, im Kapitel: Towards a new international economic order, 380-420.

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

nisationen, den früher christlich orientierten Weltverband der Arbeitnehmer in Brüssel, den Internationalen Bund Freier Gewerkschaften in London und den (kommunistischen) Weltgewerkschaftsbund in Prag. Eine verbandliche Weltsolidarität ist in Fragen des Arbeitsrechts und Arbeiterschutzes gerade in den Ländern mit schwacher gewerkschaftlicher Organisation, wie den Entwicklungsländern, nicht wirksam, zumal die nationalen Mitgliedsverbände hauptsächlich die eigene Interessenwahrnehmung betreiben und der Selbsthilfegedanke auch im Bewußtsein der Arbeiterschaft der Entwicklungsländer erst wachsen muß. Das Fehlen effizienter Interessenvertretungen der Wirtschaft und der Arbeitnehmer auf Weltebene ist daher für die gesellschaftliche Ordnung der Weltwirtschaft von großem Nachteil. Infolge dessen ist auf der internationalen wirtschaftlichen Ebene die Macht multinationaler Unternehmen und Konzerne schwer kontrollierbar. Durch eigene Wege wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Kommunikation wirken sie international vordringlich im Interesse ihrer Eigentümer. Sie bauen sich unter den bestehenden Gegebenheiten der internationalen Wirtschaftsordnung ihre eigenen Wege der Kooperation auf, um Unsicherheiten und Risken der Situation auszuweichen und ihre Renditen zu sichern. Das Welthandelsregime der Multis liegt so in einer Grauzone, die eigens zu betrachten ist und die durchaus auch im Sinne erfolgreicher, geordneter Weltwirtschaft zu entwickeln wäre. Das Situationsbild der Weltwirtschaft wird nicht erleichtert, wenn man die Zeit nach 1945 mit den vielfältigen verschiedenen Etappen der Entwicklung insgesamt überblickt. 19 Nach dem Tiefpunkt des Welthandels zum Kriegsende gab es ein historisch nicht vergleichbares rasches Wachstum an Produktivität und internationalen Handelsströmen. Es entstanden aber auch große Strukturprobleme, Ungleichgewichte und Interessengegensätze. Heute zeigen sich Probleme für die Weltwirtschaft, für deren Lösung nicht auf Wachstumsreserven wie nach 1945 zurückgegriffen werden kann, für die vielmehr politisch-sittlicher Ordnungswille im Interesse aller Beteiligten und wirtschaftliche Rationalität entscheidend sein werden. Ein Hauptproblern einer solchen Situations-Betrachtung des Welthandels mit den Daten der modernen Wirtschaftsrechnung in Abhängigkeit von industriellen Wachstumsvoraussetzungen ist, daß auf die kulturelle Eigenart und den entsprechenden Entwicklungsstand insbesondere der Entwicklungsländer eingegangen werden muß. Der Wirtschaftsethiker muß zur Vermeidung ökonomistischer Sichtweisen der wirtschaftlichen Mentalität Rechnung tragen und die weltwirtschaftliche Kooperation auch im Kontext gesellschaftlich-kultureller Bedingungen der einzelnen Länder zu sehen trachten. Es gibt nirgendwo ein rein abstrakt rationales wirtschaftliches Handeln, und folglich ist die Berechnung des wirtschaftlichen Werts immer 19

Vgl. Herrnan van der Wee, a.a.O.

3.3. Die sittliche Ordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen

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mit der Annahme außerwirtschaftlicher Ziele eng verbunden. Hinzu kommt noch, daß von Europa aus Wirtschaftsideologien in die Welt gegangen sind, die an Urphänomene wirtschaftlichen Handeins massive Interessennahmen geknüpft haben und die folglichen Ordnungsvorstellungen weltweit verbrei ten konnten. Individualistische Freiheitsinteressen und kollektivistische Zwangsintervention stehen in ideologischer Auseinandersetzung um eine Modellvorstellung des Ablaufs des Welthandels. Marktwirtschaft oder staatiiche Wirtschaftsplanung im Weltrnaßstab konkurrieren als Ordnungsvorstellung hinter der jeweiligen Interessenpolitik des Welthandels. Eine sozial gerechte internationale Wirtschaftsordnung aber muß Kriterien entwickeln, die den Menschen und nicht funktionelle Mechanismen in die Mitte der internationalen Sozialwirtschaft stellen. 3.3. Die sittliche Ordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen 3.3.1. Die Wirtschaftsordnung als sittliche Grundfrage

Der unbefriedigende Zustand der internationalen Wirtschaftsbeziehungen im besonderen und die widersprüchlichen Auffassungen über die bestehenden Wirtschaftsordnungen sind nicht zuletzt die Folge eines wirtschaftsphilosophischen und -ethischen Defizits unserer Zeit im gesellschaftlichen Kontext. Menschliches Verhalten ist in der Wirtschaft schon auf primitiver Stufe nur in Kooperation möglich. Daher kann es unter der Differenz von Gut und Böse auch sozialethisch, also im Ordnungszusammenhang betrachtet werden und unterliegt nicht nur sozialen Mechanismen, sondern sozialen Regelungen oder NormeJ;l und Wertungen. Um sozialwirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, ist es zwar methodisch richtig, die Wirtschaft unter empirisch-sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten zu analysieren, dieses Verfahren unterliegt aber einer Annahme und bleibt hypothetisch. Die Wirtschaft als solche zu erkennen, verlangt es, vom ganzen Menschen auszugehen. Damit wirtschaftliche Richtigkeit und soziale Gerechtigkeit zusammenfinden, muß daher die a-ethische Betrachtung der Wirtschaft überschritten werden: die Einheit menschlichen Handeins verlangt die Vereinigung von Ökonomik und Ethik. In den Begriffen zur wissenschaftlichen Analyse des Wirtschaftens kann man die Ebenen auseinanderhalten, in der Wirklichkeit sozialwirtschaftlichen Handeins des Menschen sind Ökonomie und Sittlichkeit untrennbar. Dies gilt auch für die gesellschaftliche Ordnung der Wirtschaft, im Geflecht internationaler Beziehungen insbesondere. Jeder Ordnungsentwurf der Wirtschaft enthält auch eine Ordnungsidee, die im Humanum gründet und deren ethische Konsequenzen ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft haben.

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

In der ökonomischen Vorstellung bleibt Wirtschaftsordnung immer modellhaft. Sie hat - einer realen Wirtschaftsgesellschaft als Ordnungsraster auferlegt - nur den Anschein einer geschlossenen Ablauferklärung, sonst wäre sie deterministisch. Von der Wirklichkeit wird sie hingegen immer wieder überholt. Besonders deutlich wird das beim Modell der Zentralverwaltungswirtschaft oder Planwirtschaft. In der Realität des Kommunismus wird sie durch die Unberechenbarkeit menschlichen Handeins unterlaufen und sogar dadurch effizienter und menschlich erträglicher gemacht, wenn sich der Mensch Freiräume wirtschaftlicher Entscheidungen, wenn auch auf Umwegen gegen den Planungskollektivismus, verschafft. Der Markt als Instrument wirtschaftlichen Tausches ist nicht so sehr ein lokalisierbares, rein mechanisches Regelwerk, sondern vor allem der gesellschaftliche (gedachte!) Ort der Begegnung von Angebot und Nachfrage bei der wirtschaftlichen Bedarlsdeckung. Daher kann es auch im Modell der Marktwirtschaft unter den Bedingungen der Freiheit von Angebot und Nachfrage zum Mißbrauch eben dieser Freiheit kommen und zur Bildung von Marktrnacht, bzw. in der Realität zu Interventionen und Subventionen entgegen der Marktlogik. Die Wirtschaft verläuft nicht nach modellhaften Ordnungsvorstellungen, sondern bleibt in der Verantwortung des Menschen und von ihm abhängig. Anstand und Moral unterstehen dem Sittengesetz, sind also nicht minder für die Wirtschaft wichtig wie Wirtschaftsdaten und Marktdaten und gehören zur Wirtschaftsordnung, ja sind für sie sogar konstitutiv. Der Begriff Wirtschaftsordnung sollte daher auch und letztlich vom sittlichen Ordnungsdenken her verstanden werden, also normativ. Es sollte nicht vergessen werden, daß schon die Wirtschaftsauffassung des Adam Smith ohne Verbindung mit seiner ethischen Position gar nicht verständlich ist. Sein System wirtschaftlicher Freiheit funktioniert nur bei moralischem Gebrauch der Freiheit! In der abendländischen Tradition war der Begriff .Ordnung" seit der Antike eine philosophisch-ethische Kategorie. Ursprünglich stand noch die kosmische Ordnung im Vordergrund, als Gegensatz zur Unordnung des Chaos, später wurde der Begriff auf die rechte Ordnung des Menschlichen seinsmäßig bezogen, auf das Gute und Schöne. Ordnung, von der Ratio in der Natur vorgefunden, wirkt normativ, so daß die Vernunft letztlich die transzendent begründete Ordnung erreicht. Dieser Ordo-Gedanke, als Leitlinie für die sittliche Ordnung durch die Vernunft erlaßt, beherrschte das christliche Abendland dann so sehr, daß der Neothomist Silva Tarouca treffend zusammenfaßt: .,Abendland' heißt, will und ist Ordnung!"20 In diesem Sinn ist Ordnung nicht deterministisch vorgegeben. Sie wird nicht aus den Verhältnissen gewonnen und dann politisch exekutiert. Sie entspricht dem individuellen Streben des Menschen, ist aber ebenso in eine 20

Thomas heute, Wien 1947,26.

3.3. Die sittliche Ordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen

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natürliche Zweckordnung eingebunden und von daher in ein teleologisches Ordnungsdenken eingebettet. Es wird so sozial durch die Vernunft vermittelt und muß sich ebenso als im Dienste des Gemeinwohls stehend erweisen. Das neuzeitliche Denken hat dieses objektive Ordnungsgefüge nach Gesetzen aus der Wesensnatur des Seins im Gefolge der Säkularisierung mehr und mehr verlassen und eine rein menschliche Ordnung im Sinne eines Resultats des Gesellschaftsprozesses angenommen, dessen Ursache allein der Mensch ist. Dieser Autonomie der Sitten entsprach der freie, autonome Mensch. Die Ordnung wird formal gedacht und ist zugleich Produkt des Menschen. So wird Ordnung zum Ergebnis von Sozialorganisation. Die empirischen Wissenschaften können als .positive Wissenschaft" je nach ihrer operationalen Einschätzung aber nur die Gemeinsamkeiten von Ordnung herausarbeiten. Neuzeitliche Ökonomie erhebt sich gegen die starre, vom Staat bestimmte Orientierung des Soziallebens und ermöglichte so den Durchbruch der Idee der Handelsfreiheit. Der wirtschaftliche Wert steht nicht mehr in einer Wertordnung, sondern wird Wert in sich, ebenso wie das sittlich Gute seinen Maßstab in der Wesensnatur des Menschen verliert und zur Funktion des Eigennutzes wird. Die Ordnung der Dinge und Güter hat keine Einheit mehr. Entgegen der philosophischen Entwicklung vom Ordo-Gedanken weg hat aber selbst Adam Smith praktisch an der Verbindung von Freiheit und Moral in der Wirtschaftsgesellschaft festgehalten .• Natürliche Freiheit" ist für ihn in einem Land nur möglich, wo der .moralische Selbstschutz im Volk" noch intakt sei,21 wo auch jedes Individuum noch .natürliche Rücksicht" trage auf .GlÜck und Wohlfahrt der Anderen" (natural regard for happiness and welfare 01 others). 22 So steht dieser Klassiker wirtschaftlicher Ordnungspolitik selbst noch im Zusammenhang mit dem Ordo-Gedanken der abendländischen Philosophie, wenn auch die Strömungen des Empirismus und Rationalismus seiner Zeit davon wegführen. Für unseren Zusammenhang bedeutet dies im Rückblick auf die Begriffsgeschichte, daß Ordnungspolitik in der Wirtschaft im Gesamt einer Lebensordnung steht und folglich Wirtschaftsordnung ein Oberbegriff für paradigmatisches wirtschaftliches Sy21 Vgl. Horst Claus Recktenwald, Einleitung der Neuausgabe von Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, München 1974. 22 Vgl. Adam Smith, The Theory of Moral Sentiments, London 1759, 1. Teil, 1. Abschnitt, 1. Kapitel. Die deutsche Übersetzung von Walter Eckstein, Theorie der ethischen Gefühle, Hamburg 21977, 1, übersetzt den Originaltext folgendermaßen: .Mag man den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen und die ihm selbst die Glückseligkeit anderer zum Bedürfnis machen ...•.

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stemdenken und reale Wirtschaftsordnungen ist, der auf metaphysischethische Grundeinsichten rückverweist. Die also fundierte reale Wirtschaftsordnung kann nun durchaus auch systemtheoretisch nach formalen Abläufen untersucht werden und auf Idealtypen zurückgeführt werden, wie es zum Beispiel Walter Eucken getan hat. Empirische Maßstäbe lassen sich aus der Erfahrung ebenso ableiten und zu Gesetzmäßigkeiten verdichten, um Wirtschaft zu erklären. Dieselben Sachbezüge - man denke an die Tatsache der Knappheit der wirtschaftlichen Güter und das ökonomische Prinzip - verlieren aber auch in der realen Wirtschaftsordnung nicht ihre ethische Dimension und Orientierung auf den Menschen. Damit aber behalten ethische Wertungen und sozialethische Prinzipien auch im Geflecht der internationalen Wirtschaftsbeziehungen für den Menschen ihre Gültigkeit und Richtigkeit. Das besondere Problem ist aber die Erfassung und Verwirklichung des wirtschaftlichen Ethos der Menschheit insgesamt, da es erstmals sogar entscheidend für das Überleben der Menschheit geworden ist, nicht bloß für ein besseres Zusammenleben. Die internationale Wirtschaftsordnung bedarf daher des Beitrags der Wirtschaftsethik zu ihrer Entwicklung. Die zentrale Frage der Wirtschaftsethik nach dem Grund des wirtschaftlichen Tauschvorgangs als Wertvergleich ist auch die entscheidende Frage für die internationale wirtschaftliche Kooperation. Mit anderen Worten, welche Rolle kommt dem Markt in der internationalen Wirtschaft zu? Typologie und Strukturen der Marktformen sind Abstraktionen, die aus der funktionellen Betrachtung des Marktes gewonnen werden, sind sozialempirisch und modellhaft. Markt ist aber auch ein Umschlagplatz sozialer Begegnungen und Verhaltensweisen des Menschen, die ihre wirtschaftlichen vorhersehbaren Folgen zwar haben, zugleich aber auch unter der Abstraktion von Sollensnormen in ihrer Regelmäßigkeit gesehen werden können, die für das Funktionieren der wirtschaftlichen Kooperation im Tauschvorgang in einem Mindestmaß unentbehrlich sind. Marktkonformes Verhalten und Geschehen ist daher in ethischer wie ökonomischer Sicht unter dem Erfordernis der Sachrichtigkeit, verlangt sowohl marktgerechten als auch sozialgerechten Ablauf. Der Marktmechanismus kann nur im Modell unpersönlich und anonym betrachtet werden. Als Wettbewerbssteuerung ist er nicht bloß formalisiert zu betrachten, sondern unterliegt er auch anthropologisch-ethischen Grundregeln, die darum eine Rahmenordnung als Sollensordnung integral verlangen. Marktkonformes Handeln kann daher nicht im Gegensatz zur sozialen Gerechtigkeit stehen. Als Wettbewerbsregel dient sie ebenso der Konkurrenz wie der Kooperation von Menschen. Der wettbewerbsgesteuerte Markt steht im Gesamt sittlicher Ordnung und ist letztlich kein Ort des .Kampfes aller gegen alle" im egoistischen Interessenausgleich.

3.3. Die sittliche Ordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen

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Das Ziel des Gemeinwohls bestimmt auch die Abstimmung der individuellen Marktkräfte mittels Konkurrenz zum Einsatz der knappen wirtschaftlichen Mittel zur bestmöglichen Bedarfsdeckung aller im Wirtschaftsprozeß verbundenen Menschen. Es läßt sich ein Kriterium sozial gerechter Austausch bedingungen auch auf dem Weltmarkt gewinnen, das auch die ökonomische Richtigkeit der weltwirtschaftlichen Kooperation wiedergibt, dahingehend, daß der Weltmarkt seine Funktion nur dann richtig erfüllt, wenn für alle Menschen dieser Erde das Lebensminimum gesichert ist. Anders gesagt, das Weltgemeinwohl wird über den Weltmarkt erreicht, soferne er so geordnet ist, daß er seine Sozialfunktion voll erfüllen kann. Die Frage ist also nicht die Abschaffung des Weltmarktes, sondern sein sozialer Ordnungsrahmen. Diese Aufgabe stellt sich der weltweiten Wirtschaftsgesellschaft insgesamt, bedarf also des Ordnungswillens derselben und deren politischen Trägern. Freilich setzt das auch ein Minimum an ethischer Einsicht und Gemeinsamkeit aller in der weltwirtschaftlichen Kooperation stehenden Kräfte voraus. 3.3.2. Die Entwicklungsökonomie vor der Wert/rage

Bei ruhiger Überlegung kommen wir weltwirtschaftlich nicht um die Aussage der Theorie der komparativen Kosten herum. Alexander Mahr formulierte dies folgendermaßen: .Der Güteraustausch zwischen den einzelnen Volkswirtschaften beruht nach ökonomischer Logik auf den Vorteilen der internationalen Arbeitsteilung."23 Diese Logik steht freilich unter einer Voraussetzung, nämlich des völlig freien Welthandels. Unter dieser Annahme gilt nun auch die Theorie der komparativen Kosten des David Ricardo, daß der internationale Handel vorteilhaft für beide Länder ist, auch wenn das eine arm und das andere reich wäre. Das arme Land konzentriere sich dann eben auf die Produktion der Güter, wo seine Unterlegenheit im Verhältnis am geringsten wäre, um exportieren und damit austauschen zu können gegen solche Güter, die bei ihm nur besonders ungünstig produziert werden können. Das reiche Land nützt wieder am meisten jene Güter, wo sein Vorsprung besonders groß ist. Nach der Theorie sollte jedes Land im internationalen Handel sich auf die für es günstigsten Produkte spezialisieren, um damit die für andere Länder vergleichsweise günstigen Produkte eintauschen zu können. Selbst wenn ein Land in allen Produkten international schlechter dasteht, sollte es - Freihandel vorausgesetzt - die verhältnismäßig noch günstigsten Produkte erzeugen, die also, wo seine Unterlegenheit am geringsten wäre. Seine Unterlegenheit kann ein Land auch durch niedrigere Löhne ausgleichen und 23 Volkswirtschaftslehre, Wien 21959, 448.

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durch sonstige in Geld zu zahlende Vergütungen. Durch diese Verbilligung der Güter liegen die Reallöhne dennoch höher als bei Unterbleiben des internationalen Handels, da hierfür die Arbeitskräfte und sachlichen Produktionsmittel doch der jeweils lohnendsten Verwendung zugeführt werden können. Der Export bringt insgesamt einen wenigstens komparativen Vorteil gegenüber dem Ausland und ermöglicht den Import von Gütern, wo die Herstellung im eigenen Land besonders ungünstig ist. Diese Theorie setzt aber Freihandel in den internationalen Handelsbeziehungen voraus und keinerlei Interessendruck und Machteinflüsse auf das Marktgeschehen. Adam Smith hatte allerdings, als er als erster die Grundthesen dieser Theorie formulierte, eine konkrete Situation des Welthandels vor Augen und argumentierte gegen Lehre und Praxis des Merkantilismus für möglichsten Freihandel und gegen Monopole und Handelsbeschränkungen. Es ging ihm um den größten Nutzen aus dem im ganzen Land vorhandenen Kapital und aller .Erwerbsarbeit· in einer Periode und damit um die Vergrößerung der Einkommen mit größtmöglicher Geschwindigkeit, nicht um die Kaufleute und Unternehmer, .die den größten Vorteil aus der Monopolisierung des Binnenmarktes· zögen. 24 Insoferne liegt hier, wo das Modell seinen historischen .Sitz im Leben" hat, die Gegensteuerung eines wirtschaftspolitischen W ollens vor. Das klassisch-liberale Freihandelsmodell scheitert aber an der vom menschlichen Handeln bestimmten Wirklichkeit. Auch der Freihandel wird vom Menschen gewollt und ist damit nicht frei von Einflüssen. Durch wirtschaftspolitische Ziele verbunden mit Interessen, die nichtökonomischer Natur sind und dennoch ethisch geboten erscheinen, ändert sich der Ordnungsrahmen der internationalen wirtschaftlichen Kooperation. Im Falle der Entwicklungsländer empfahl die klassisch-liberale Theorie 25 des internationalen Handels gemäß dem Theorem der komparativen Kosten den vor allem im tropischen Klimabereich liegenden überseeischen Ländern, in erster Linie Primärprodukte zu exportieren und dafür Fertigwaren aus den Industrieländern zu importieren. Der erwartete Erfolg ist aber nicht eingetreten. Das Ungleichgewicht zwischen Entwicklungs- und Industrieländern hat zugenommen, von der Primärproduktion gingen in den Entwiek lungsländern keine Impulse auf die anderen Wirtschaftsbereiche aus (spinoff effects). Das Welthandelswachstum war in der Dritten Welt bisher viel zu gering, zumal der Ausgangspunkt des Wachstums dort sehr niedrig war und 24 Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, London (1776), 51789, 4. Buch, 2. Kapitel, Der Wohlstand der Nationen, Aus dem Englischen übertragen von Horst Claus Recktenwald, München 1974, 373. 25 Vgl. zum Wandel und zur Kritik der Entwicklungstheorien: Rudolf von AIbertini, Probleme der Entwicklungsländer, 394-472, in: Wolfgang Benz und Hermann Graml (Hrsg.), Fischer Weltgeschichte, Bd. 36, Weltprobleme zwischen den Machtblöcken, Frankfurt 1981.

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so keine Chance besteht, die Einkornmensdiskrepanzen durch überproportionales Wachstum auszugleichen. Vielmehr wachsen dort die Wirtschaftsprobleme ständig weiter. Die Theorie funktioniert nur im Modell, das historische und kulturelle Verhältnisse vernachlässigen kann, das auch nichts vorsieht gegen die Konkurrenz der Rohstoff produzierenden Länder untereinander angesichts unelastischer Nachfrage seitens der Industrieländer. Hier konnte die theoretische Kritik ansetzen und fand in der Marx'schen Arbeitswertlehre und Ausbeutungstheorie infolge der Mehrwertaneignung - weitergeführt von späteren marxistischen Autoren - einen Ansatzpunkt. Die Außenhandelspraxis mit den vielfältigen Protektionismen läßt das Freihandelsideal außerdem utopisch erscheinen, da kurzfristige Handelsinteressen langfristige Ordnungsvorstellungen überlagern, auf einem internationalen Markt, für dessen Ordnung ohnehin niemand zuständig erscheint. Gottfried Haberler,26 ein namhafter Vertreter liberaler Ordnungspolitik auf dem Weltmarkt, führt daher in .Reflexionen über eine gestörte Weltwirtschaft" die modellhafte Figur eines •wohlwollenden und aufgeklärten Diktators" ein, um die Weltwirtschaft vor staatlichen Interventionen zu bewahren und dem privaten Unternehmertum seine kreative Aufgabe zu belassen. Für die Industrieländer bedeutete das, daß sie ihr eigenes Haus in Ordnung hielten, die Inflation bekämpften, normale Wachstumsraten erzielten und den Handel liberalisierten. So könnten sie den besten Beitrag zur Entwicklung der armen und ärmsten Länder machen. Damit würden auch konkrete Ratschläge an die Entwicklungsländer erspart, wenn sie nur Zugang zu den Märkten der Industrieländer für ihre Exporte erhielten. Ein solcher gedachter Diktator kann aber nicht die Frage nach der Gerechtigkeit aus der Welt und auch aus der Weltwirtschaft schaffen. In der Ökonomie geht es nicht nur um Wachstumsfragen, sondern letztlich um menschliche Entwicklung und gerechte Verteilung, steht der Mensch als oberster Wert zur Disposition. Durch die Wertfrage ist aber aus der Problematik des Welthandels die ethische Fragestellung in die Wirtschaftstheorie zurückgekommen. Was anderes bedeutet das Konzept der Grundbedürfnisse (basic needs)21 der 26 Economic Malaise and a Positive Programme for a Benevolent and Enlightened Dictator, in: Fritz Machlup, Gerhard Fels and Hubertus Müller-Groeling (Ed.), Reflections on a Troubled World Economy, London 21985, 211-223. 27 Vgl. Paul P. Streeten, in: Basic Needs and Development, Cambridge, Mass. 1981, XI und XIII, definiert und beschreibt das Konzept der Grundbedürfnisse wie folgt: •The objective of a basic human needs approach to development is to ensure that all human beings should have the opportunity to live fulllifes. To this end, the approach focuses on securing access to minimum levels of certain goods and services ... A basic needs approach requires combined emphasis on the supply of basic needs goods, the demand for basic needs goods, and the appropriate institutional arrangements for access and delivery.·

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siebziger Jahre, berühmt geworden durch die Rede Mc Namaras in Nairobi 1973 und die Erklärung von Cocoyoe 1974 (Mexiko). Hier liegen Zielsetzungen und ein Konzept für die Entwicklungshilfe der Industrieländer vor und damit die Forderung nach Intervention in den Welthandel .jenseits von Angebot und Nachfrage". Dies muß allerdings noch keineswegs die Abschaffung des Marktes bedeuten! Das gestellte Problem ist, die Ordnung der Gerechtigkeit als sittliches Kriterium mit der Ordnung des Marktes und seiner richtigen Funktion in der Wirtschaft zu verbinden, den wirtschaftlichen Wert in die Dimension der Menschenwürde zu stellen gerade im Vorgang der weltwirtschaftlichen Kooperation und internationalen Arbeitsteilung. 3.3.3. Der ökonomistische Ansatz und Weg zur Lösung des EntwickJungsprobJems Der Begriff "Entwicklungsökonomie" entstand zunächst aus dem Bedürfnis, entgegen der bloßen Anwendung der orthodoxen Ökonomie auf das Studium der Entwicklungsländer eine besondere Ökonomie für wirtschaftliche Probleme der Entwicklungsländer zu entwickeln und die Besonderheiten des Entwicklungsprozesses dort zu erfassen. Damit entstanden dann seit den fünfziger Jahren spezifische neue Theorien und Lösungsvorschläge für die Wirtschaft der Dritten Welt. Der klassischen ökonomischen Lehre wurde zwar durchaus auch ein Versagen in ethischer Sicht vorgeworfen, nämlich ihr Versagen vor der Armutsproblematik und der Festschreibung ungleicher und ungerechter Strukturen, die Abhilfe aber wieder nur "mechanistisch" gesucht. Die Entwicklungsökonomie ist nämlich weithin vom Gedanken einer massiven Staatsintervention bedroht, um dann an Stelle des Preismechanismus den ökonomischen Dirigismus zu setzen. 28 Für die Entwicklungsökonomie 29 ist der Begriff .Entwicklung" ein erstrangiges Wirtschaftspolitisches Ziel. Entwicklung auf ein Ziel hin läßt sich aber Vgl. Deepak Lai, The Poverty of Development Economics, London 1983. Die internationale Entwicklungsökonomie beginnt als eigene ökonomische Wissenschaft Ende der vierziger Jahre und geht auf das Bemühen zurück, die große Armut in einer Reihe von überseeischen Ländern wirtschaftlich zu überwinden. Als Wissenschaft hat sie ihre .Pioniere". Einer Reihe von ihnen und ihren Ideen ist eine Weltbankpublikation gewidmet: Gerald M. Meier und Dudley Seers (Ed.), Pioneers in Development, New York 1984. Einen Überblick über Perioden und führende Richtungen in der Entwicklungsökonomie gibt Jan M. D. Little, Economic Development, Theory, Policy and International Relations, New York 1982. Hierbei sieht er die Problematik zwischen rein analytischem Herangehen an das Problem und den wirtschaftspolitischen Zielen von Entwicklung im soziokulturellen Kontext (vgl. a.a.o., 16 ff.). 28

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integral nur normativ fassen, bzw. kann sie so nur unvollständig operational beschrieben werden. 30 Unter Verzicht auf ethische Wertungen, auf Grund von wirtschaftlichen Beobachtungen und unter Berufung auf solche Erfahrungswerte sucht nach der neorealistischen Sicht der Ökonom dennoch Positives zur Wirtschaftspolitik beizutragen. Dieser Sicht entsprechen die modemisierungstheoretischen Positionen in der Entwicklungsökonomie. Hier liegen viele richtige Beobachtungen vor und ebensolche Handlungsperspektiven. Dennoch bleibt ihnen die Schwäche rein ökonomischer Sichtweise und das Fehlen der ethischen Motivenbildung aus der Einsicht und Ansicht der vom Problem unmittelbar Betroffenen, der Entwicklungsländer selbst. Im Grunde geht die Modemisierungstheorie vom Rückschluß von den Industrieländern auf die Entwicklungsländer aus. Diese müßten eben die Entwicklung nachholen, wie sie in Europa und Nordamerika vor sich gegangen wäre. Sie müßten sparen und investieren lernen, um zum selben wirtschaftlichen Standard einmal zu gelangen. Das unbestechliche Instrument wäre dazu eben der Markt, sowohl binnen- wie außenwirtschaftlieh. Hartrnut Elsenhans 31 beschreibt die Argumentation der modemisierungstheoretisehen Positionen wie folgt: "Entscheidend sind dann angeblich eine Erhöhung der Sparquote durch vermehrte Kapitalzuflüsse und vor allem durch erhöhtes ,Sparen' der einheimischen Haushalte der EL (sc. Entwicklungsländer). Deshalb müssen die Einkommen ungleich verteilt sein, weil die Bezieher hoher Einkommen eine größere Spameigung hätten als die Armen. Und um die Spameigung hoch zu halten und um mehr Kapital aus den IL (sc. Industrieländer) anzulocken, müssen die politischen Verhältnisse ,stabil' . " sem. Dieser von Elsenhans kritisierten Position einer rein technokratischen Problemlösung setzt derselbe einen "reformistischen Ansatz" in der Entwicklungspolitik entgegen, der unterschiedliche historische Prozesse und Ungerechtigkeiten der europäischen Expansion seit dem 14. Jahrhundert ebenso bedenkt wie Rahmenbedingungen einer marktwirtschaftlichen Kooperation heute, die außerökonomische Bedingungen einschließen. Als Beispiel wird 30 Die deutsche Sprache hat für development oder das lateinische progressus oder progressio zwei Übersetzungsmöglichkeiten: Entwicklung und Fortschritt. Der erstere, in unserem Zusammenhang vorzüglich verwendete Begriff gibt eher - als der letztere, mehr die formelle Bewegung ausdrückende Terminus - Raum für inhaltlich wertbezogenen Gebrauch. So wird von der 1967 publizierten wegweisenden Sozialenzyklika Papst Paul VI. •Über den Fortschritt der Völker" (Populorum progressio) als der Entwicklungsenzyklika gesprochen, die eben einen eindeutigen Wertstandpunkt zugunsten der .Entwicklung" vertritt, nämlich der Entwicklung von sozialer Gerechtigkeit! 31 Die Überwindung von Unterentwicklung durch Massenproduktion für den Massenbedarf - Weiterentwicklung eines Ansatzes, in: Dieter Nohlen und Franz Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Hamburg 21982, Bd. I, (152-182), 152.

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die Kooperation mit multinationalen Unternehmen angeführt, deren Sinnhaftigkeit an sich ökonomisch nicht in Frage gestellt wird, aber unter Bedingungen und Voraussetzungen stehe. 32 Für die Wirtschaftsethik ergibt sich daraus die Frage, ob es genügt, durch Reformen innerhalb der Gesellschaft aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit und in Einsicht in die sozialen Zusammenhänge das wirtschaftlich Richtige mit dem sittlich Gesollten zu verbinden. Von der linken Sozialkritik wird der naturrechtlichen traditionellen Wirtschaftsethik zumeist der Vorwurf des .Reformismus" gemacht, mit Reformen könne nämlich die Klassensituation und folgliche Ungerechtigkeit im .Kapitalismus" nicht geändert werden, also auch das Problem der Entwicklungsländer nicht gelöst werden. Dahinter steht die These, daß die marktwirtschaftliche Ökonomie an sich ungerecht sei und Reformen daher nicht ausreichen könnten, das .System" zu verändern. Dieser Vorwurf wird aber aus einer polit-ökonomischen Theorie in Verbindung mit einer Sozialideologie erhoben, die von diesen Voraussetzungen her unvermittelt das Ökonomische ideologisch verfremdet. Dies geschieht im Sozialismus, soweit er von der Wurzel her Entwicklung wesentlich und entscheidend von der Veränderung der gesellschaftlichen wirtschaftlichen Strukturen in Anwendung der marxistischen Sozialanalyse abhängig macht. Damit unterscheidet sich die heute herrschende zweite (marxistisch-sozialistische) entwicklungsökonomische Position von der oben erstgenannten (reformistischen) Position wesentlich im Gehalt ihrer ökonomischen Aussage. Können oben ökonomische Richtigkeit mit sozialethischen Begriffen verbunden werden, liegt bei den sogenannten .kapitallogischen" Positionen im Grunde bereits ein ideologisch verfestigter Ansatz vor, der von dieser (mehr oder minder) geschlossenen Ideologie zu einer Problemsicht führt, die im Gewande sozialethischer Begriffe33 ökonomische Strategien entwirft, die weder ökonomisch befriedigende noch menschenwürdige Verhältnisse zu schaffen geeignet sind. Alles nachträgliche Hereinholen des Marktes in die Planwirtschaft und alle Versprechungen, allein und zuerst aufgrund der strukturellen Veränderung für die Entwicklung des menschlichen Wesens und der Gesellschaft, bleiben ohne inneren Beweis und sind nur Versprechungen für zukünftige Entwicklungen und utopische Erwartungen im Sinne einer Heilslehre. Die .kapitallogischen" Positionen gehen entweder von einer kritischen Theorie aus, die direkt die marxistische Sozialanalyse (verbunden mit einer Vgl. a.a.O., 153. Im Grunde ist eine materialistische Ethik, also auch die marxistische, wegen ihres Determinismus und Kollektivismus ein a-ethisches Systemdenken, das die Annahme freien und damit sittlichen Verhaltens des Menschen als Personwesen und die Erkenntnis sittlicher Normen nicht zuläßt, trotz des oft pathetischen Gebrauchs sittlicher Begriffe wie Gerechtigkeit. 32

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deterministisch-materialistischen Anthropologie) übernimmt, oder von Ungleichgewichtstheorien, die im wesentlichen allein auf sozioökonomische Beobachtungen basiert sind. Auch im letzteren Fall liegt ein anthropologisches Defizit in der Sicht des einzelmenschlichen und gesellschaftlichen Humanum vor, also eine (positivistische) Sozialideologie und folglicher Ökonomismus! In der theoretischen Gewichtung verschieden zwar, kommen alle diese Positionen zunächst zur Annahme einer ökonomisch zwingend sich aus den Verhältnissen ergebenden Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den Industrieländern (Dependenztheorie) und folglichen Herrschaftsstellung der Industrieländer über die Entwicklungsländer (Imperialismustheorie). In weiterer Folge könne Entwicklung nur durch Dissoziation vom Weltmarkt erreicht werden, mittels eines antiimperialistischen polit-ökonomischen Systems womöglich in weltweitem Maßstab, oder durch (utopische) Hoffnungen auf gesellschaftlich völlig neue (alternative) Entwicklung mittels Bewußtseinsänderung. 34 Aus ihrer Interessenlage zur raschen Verbesserung ihrer handelspolitischen Situation und zur Untermauerung ihrer .gerechten· Ansprüche neigen die Entwicklungsländer zur antiimperialistischen Anklage und zu planwirtschaftlichen Eingriffen vor allem im Hinblick auf die Erlangung bevorrechteter Behandlung durch die Industrieländer bis zu massiven Ressourcentransfers zu ihren Gunsten, als Wiedergutmachung begangenen kolonialistischen Unrechts legitimiert. Abgesehen vom Beweis für solche pauschale Anklagen und die Berechtigung der daraus erhobenen Forderungen, stellt sich die Frage, ob durch solche wirtschaftliche Transfers eine dauernde positive Wirkung auf den Weltmarkt ausgehen könnte. In den sozialistischen Ländern gibt es neben der offiziell noch vorgetragenen ideologisch dogmatischen Position, daß die Armut der Entwicklungsländer eine Folge des Kapitalismus sei und die Lösung im Sozialismus läge, durchaus auch eine differenzierende Diskussion in wirtschaftlichen Kreisen. 34 Solche wirtschaftliche Erwartungen einer .neuen Ordnung" auch im Weltrnaßstab tragen letztlich Züge einer Neo-Gnosis und sind Folgen einer Kulturkrise unserer modernen Gesellschaft. Diesen Zusammenhängen geht zum Beispiel Robert Prantner nach: Kulturethik und die alternative Wertordnung des New Age-Bewußtseins, in: Das Neue Naturrecht, Gedächtnisschrift für Johannes Messner, hrsg. von Alfred Klose, Herbert Schambeck, Rudolf Weiler, Berlin 1985,63-99. Damit soll nicht die Bedeutung einer .alternativen Ökonomie" für die Entwicklungsökonomie und eines folglichen Schwerpunkts für Entwicklungshilfe bestritten werden, insoferne .angepaßte Technologien" für die Entwicklungsländer darunter verstanden und entworfen werden und zum Einsatz kommen. Ökonomisch füllen diese Technologien eher Marktnischen aus oder sind angesichts der Vorteile geringerer Arbeitskosten in den Entwicklungsländern zum Beispiel ökonomisch an sich schon rational angezeigt und auch genutzt. Vgl. dazu das vom Institut für Internationale Zusammenarbeit (HZ, Wien) in der Reihe .Zum Thema" herausgegebene Heft 8712: Angepaßte Technologie, mit Aufzählung zahlreicher Projekte.

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Praktisch vertritt selbst in der UdSSR niemand mehr die Position, den Entwicklungsländern radikale revolutionäre Änderungen nach dem Muster des sowjetischen ökonomischen Systems zu empfehlen, nachdem seit den fünfziger Jahren spezielle Forschungsinstitute für Weltwirtschaft auch Studien über Ländergruppen in der Dritten Welt angestellt haben und man selbst innenpolitisch vor der Notwendigkeit wirtschaftlicher Reformen steht. Wissenschaft und Erfahrung setzen sich also gegen die ideologischen Annahmen durch und wirken auf den politischen Machtapparat zurück. 35 Tatsächlich werden die internationalen Wirtschaftsbeziehungen trotz verschiedenseitig versuchter politischer Pressionen unter dem Gewicht der tatsächlichen Verhältnisse und Interessen realistischer entwickelt, als es die einseitigen ideologischen Standpunkte besagen. Beim Welthandel finden die politischen Forderungen der Entwicklungsländer ihre Grenze in beiderseitigen ökonomischen Interessen, die allerdings der ethischen Legitimation ebenso wie ihrer ökonomischen Überprüfung standhalten müßten. Die wirtschaftlichen Interessen haben langfristig letztlich ihr Eigengewicht nicht aus dem politischen Willen, sondern aus ihrer ökonomischen Richtigkeit, die sich auch als ethisch richtig erweist im Sinne der weltwirtschaftlichen Produktivität als Voraussetzung der folgenden Verteilung des Erfolgs nach den Kriterien der sozialen Gerechtigkeit zwischen den Entwicklungsländern und Industrieländern. Auch wirtschaftsethisch gesehen kommt also bei der Erstellung des Weltwirtschaftsprodukts fundamentale Bedeutung der handelspolitischen Funktion des Weltmarkts zu. Mit Gerechtigkeitspostulaten auf Grund sozialer Ideologien ist die wirtschaftliche Kooperation im Weltrnaßstab nicht zu ersetzen. Das Marktgeschehen als sozialer Vorgang steht aber zugleich unter den Voraussetzungen sittlicher Ordnung. Dies gilt nicht nur in individualethischer Sicht, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit zwischen den Staaten.

3.3.4. Die Entwicklungsökonomie nach den Grundsätzen der natUIrechtlichen Wirtschaftsethik Am Anfang steht auch hier die Analyse der ökonomischen Situation von Unterentwicklung und ihrer Ursachen als Grundlage wirtschaftsethischer Imperative. Die heute zu konstatierende Unterentwicklung in der Dritten Welt ist eine Folge binnen- und außenwirtschaftlicher Verhältnisse in ihrem 35

Vgl. die ausführlich belegte Studie über die innersowjetische Debatte bei Jerry

F. Hough, The Struggle for the Third World, Soviet Debates and American Options,

Washington 1986. Hier wird deutlich der Einfluß nachgewiesen, den wissenschaftli che Kontakte von sowjetischen Experten mit amerikanischen Fachleuten der internationalen Wirtschaftsbeziehungen seit längerer Zeit nun schon haben.

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historischen Kontext. Diese historisch-prozeßhafte Seite von Unterentwicklung ist analytisch zu untersuchen, wieweit strukturelle Verhältnisse und Bedingungen und wieweit kulturell-geistige Ursachen hier wirksam waren. Dabei steht die Analyse des Problems vor sehr komplexen Zusammenhängen. Es ergeben sich aber auch regional sehr differenzierte Bilder von Unterentwicklung. Nur ein multikausales Herangehen an das Problem einschließlich der eigenständigen Betrachtung des geistig-kulturellen Hintergrunds bewahrt die Diagnose der jeweiligen Unterentwicklung eines Landes vor ideologischen Vereinfachungen, vor allem vor einer Vernachlässigung der Werteproblematik und ihres Einflusses. Erst unter Einfluß der ethischen Sicht lassen sich auch Gerechtigkeitsforderungen in wirtschaftlichen Fragen im allgemeinen und in der Entwicklungsökonomie im besonderen aufstellen und begründen. Bei allem gesellschaftlichen Pluralismus der Weltgesellschaft darf die Ethik außerdem nicht übersehen, daß es innerhalb der Menschheit auch Übereinstimmung in wesentlichen Fragen des Zusammenlebens gibt, die auch die weltwirtschaftliche Kooperation miteinschließen. Sobald die Einsicht in das Menschsein des Anderen gegeben ist, ergeben sich auch gemeinsame Ziel- und Wertvorgaben und Verhaltensweisen auf diese Ziele hin, auch im Ökonomischen. Erst aus der wirtschaftsethischen, also wertenden Sicht der Entwicklungsökonomie ergibt sich ihre soziale Ordnung, die den Menschen mit seinen existentiellen Zwecken zum Zentrum macht und so den ökonomischen Zweckmäßigkeiten Sinn und Ziel verleiht. Von daher kann in die sozial wirtschaftliche Analyse und Diagnose der Entwicklungsproblematik der sittliche normative Gedanke eingebracht werden. Ebenso wird aber die Sozialkritik ideologischer Positionen oder die rein positivistische, sogenannte realistische Sicht der Entwicklungsökonomie in ihrer Schwäche vom anthropologisch oder szientistisch verkürzten Ansatz her und damit ihr Ungenügen zur Problemlösung sichtbar. Die Grundanliegen der wirtschaftlichen Entwicklung seitens der Entwick1ungsländer haben ihre sittliche Berechtigung. Es wäre aber zuwenig, sollte man die Grenzen ihrer Durchführbarkeit allein in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Industrieländer sehen. Es muß jeder mit dem Anliegen verbundene wirtschaftspolitische Eingriff mit seinen Folgen für die ökonomische Richtigkeit durchdacht werden. Letztere ist aber nicht allein aus der Rentabilitätsrechnung abzulesen, sondern vielmehr am verhältnismäßigen Ausgleich der entwicklungspolitischen Ziele. Die Grundanliegen der wirtschaftlichen Entwicklung der Entwicklungsländer haben ihre sittliche Berechtigung auch insoweit sie sich auf die Kooperation mit den Industrieländern richten und den Welthandel betreffen. Die .Entwicklung der Völker" 36 36 Vgl. den Namen der Entwicklungsenzyklika Papst Paul VI., Populorum progressio, aus 1967.

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ist aber nicht nur eine ökonomische Frage, eine Frage der ökonomischen Leistungen oder Forderungen im Rahmen eines ökonomischen Systems, sondern auch eine solche menschlicher Einsicht in internationale Zusammenhänge und internationale Solidarität. Erst so kommt es zur Abstimmung der entwicklungs politischen Ziele und zu einer sozialen Grundordnung des Weltmarktes als gedachtem Tauschvorgang wirtschaftlicher Kooperation mit optimaler Effizienz, der auch die Völker über den Wettbewerb zu einer integralen sozialen Entwicklung verbindet. Dazu müssen Mißverständnisse zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern abgebaut werden, was die einzelnen Forderungen nach ihrer Begründung und Durchführbarkeit anlangt. Das betrifft vor allem die Sicht des ökonomisch Machbaren und Möglichen von beiden Seiten und also die Zusammenführung von Ökonomie und sittlichen Postulaten. Solches ist nicht ohne eine gemeinsame Wertbasis möglich. Die soziale Ordnung des Weltmarktes im Dienste der Entwicklung der Völker hat als Fundament die Solidarität. Für die Industrieländer heißt das eine Kultur der Solidarität mit den wirtschaftlich Benachteiligten und folgliche wirtschaftspolitische Strategien des ökonomisch Richtigen und nicht des ideologisch Festgesetzten, in Kooperation und weiters in Arbeitsteilung und nicht mittels politisch diktierter Verteilung. Das setzt aber voraus, daß die eine menschliche Wertordnung Ökonomik und Ethik verbindet und als solche der internationalen Wirtschaftskooperation zugrunde gelegt wird. Die ökonomische Entwicklung ist nicht erst die Voraussetzung der Entwicklung humaner Lebensbedingungen, sie ist zugleich verbunden mit menschlicher Entwicklung, die sich stets auch im Wirtschaftsprozeß ereignet oder aber davon behindert wird. Im Vorwort zum Weltentwicklungsbericht 1980 schreibt der damalige Präsident der Weltbank, McNamara, daß die menschliche Entwicklung nicht nur Zweck des Entwicklungsprozesses, sondern auch Mittel zum Zweck sei. Es zeige sich, daß Maßnahmen, deren Richtigkeit unter moralischen Aspekten uns schon lange bewußt sei, er nennt die Grundschulerziehung als Beispiel, .auch in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll sind"Y Diese Überlegungen mögen dem Entwicklungsökonomen zunächst zu prinzipiell und zu wenig praktisch sein. Sie haben aber ihre eigene Stärke in der Grundorientierung und Offenheit zur Praxis. Weder kann der .Norden" (der Industrieländer) wie eine Lokomotive dem .Süden" (der Entwicklungsländer) und deren Volkswirtschaften einfach dienen, dazu ist allein die Wirtschaftskraft und der Wille dort nicht ausreichend, noch kann eine Weltwirtschaftsordnung diese Umverteilung zugunsten der Entwicklungsländer erzwingen. 38 Washington 1980, Vorwort III. Vgl. Göran Ohlin, Does Development Economics Have a Future?, in: Udo Ernst Simonis (Hrsg.), Entwicklungstheorie - Entwicklungspraxis, Berlin 1986,91-102. 31

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3.3.5. Die Neue Weltwirtschaftsordnung als Versuch eines Ordnungsrahmens für die Weltwirtschaft Die ersten Ansätze der Vorstellungen von einer grundlegenden Neuorientierung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern gehen bereits auf die Erste Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) 1964 in Genf zurück. Dabei kam es auch zum Zusammenschluß der Entwicklungsländer als .der Gruppe der n", die inzwischen auf weit über 100 Mitgliedsländer angewachsen ist. Die Entwicklung war etwa 10 Jahre später bei der 6. Sondertagung der Vereinten Nationen im wesentlichen abgeschlossen mit der Annahme der .Deklaration und des Aktionsprogramms über die Errichtung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung".39 Die Neue Weltwirtschaftsordnung (NWWO) ist eindeutig darauf ausgerichtet, wie sich der Generalsekretär der UNCTAD in Nairobi 1976 in seinem Generalbericht ausdrückte,40 fundamentale Schwächen der weltwirtschaftlichen Strukturen und die Unzulänglichkeiten der .Mechanismen", durch welche die Wachstumskräfte aus den Industrieländern in die Dritte Welt übertragen würden, zugunsten der Entwicklungsländer zu verändern. Dies beträfe vor allem den Handel mit Rohstoffen und Fertigprodukten, die Übertragung von Technologie und insbesondere die Bereitstellung von finanziellen und wissenschaftlichen Ressourcen. Was steht nun hinter diesen Forderungen nach .neuen" Wirtschaftsbeziehungen und Austauschverhältnissen zwischen .armen" und .reichen" Ländern und deren Interessen? Wirtschaftliche Rationalität oder eine Wirtschaftsideologie? Letztere könnte nur mittels Machtdiktates durchgesetzt werden. Dies würde aber wieder am Streit nationaler Interessen der Entwicklungsländer selbst scheitern,4! wenn sie nicht schon an der Gegenrnacht der marktwirtschaftlichen Industrieländer zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, die in der Neuen Weltwirtschaftsordnung nie ein praktikables Programm des Handeins, bei aller Wertung bestehender Anliegen, gesehen hatten. Es gibt nämlich kein im Rahmen wirtschaftlicher Grundkategorien mögliches Konzept der Durchführung. Die einer Weltwirtschaftsordnung zugrunde gelegte Wertordnung kann nicht um Grundtatsachen der Ökonomie herumkommen, wie es die Knappheit wirtschaftlicher Güter einmal ist 39 Als UN-Resolution Nr. 3201 (S VI) und 3202 (S - VI) vom 1. Mai 1974 angenommen. Vgl. zur Vorgeschichte Bremer Gesellschaft für Wirtschaftsforschung e. V. (Hrsg.), Auswertung der Dokumentation der vierten Welthandels- und Entwicklungskonferenz Nairobi 1976, Baden-Baden 1978,33. 40 Zit. in o. a. Publikation der Bremer Gesellschaft für Wirtschaftsforschung, 34 f. 4\ Selbst bei weitgehender Verstaatlichung der Produktionsmittel in den nationalen Wirtschaften wären immer noch auf weltwirtschaftlicher Ebene souveräne Wirtschaftsräume mit ihren Sonderinteressen im Wettbewerb, wenn man die derzeitige politische Verfassung der Weltgesellschaft bedenkt.

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oder die Frage der Kosten bei der Ermittlung des wirtschaftlichen Werts im Austausch der Güter, soll er sozial gerecht erfolgen. So bleibt der Neuen Weltwirtschaftsordnung eigentlich vor allem eine politische Komponente,42 die durch das wachsende Stimmengewicht der Entwicklungsländer ihren Forderungen auf dem Hintergrund entwicklungspolitischer Notwendigkeiten Bedeutung verleiht, aber nicht Wege zur wirtschaftlichen Kooperation eröffnet. Sobald diese Notwendigkeiten aber konkrete Gestalt in Forderungsprogrammen annehmen, laufen diese zum Teil auf die Erwartung von einseitigen, wirtschaftlich preislos angesetzten Vorteilen für die Entwicklungsländer hinaus. Auf die Industrieländer als Adressaten richten sich außerwirtschaftlich begründete Hoffnungen, verbunden mit Ressentiments und Schuldaufrechnungen, für die nicht selten klassenkämpferisch argumentiert wird. Insoferne erweckt dies von manchen Betreibern der Neuen Weltwirtschaftsordnung den Eindruck des Vorstellungsbildes frühsozialistischer Utopien. 43 Dennoch ist das sittliche Anliegen und der Ruf nach internationaler sozialer Gerechtigkeit der Neuen Weltwirtschaftsordnung im Grunde nicht abzusprechen. Die Kritik am Verhalten der Industrieländer hat in vielem auch die wirtschaftliche Rationalität entwickelter internationaler Handelsbeziehungen für sich, wenn sie sich zum Beispiel gegen den Protektionismus wendet. Es liegt vielmehr auch im wohlverstandenen Interesse der Industriestaaten, zu einer wachstumsorientierten Wirtschaftsstrategie in den Entwicklungsländern beizutragen, um so das riesige Entwicklungspotential der Länder der Dritten Welt auch für sich selbst zu nutzen. Nur darf hier wieder nicht übersehen werden, daß berechtigte Kritik an den Industrieländern gerade bei der Frage der Öffnung der Märkte und von Strukturanpassungen immer auch die Selbstkritik - hier der Entwicklungsländer!einschließen muß. Die Hauptbestandteile der Neuen Weltwirtschaftsordnung richten sich, soweit sie vor allem die marktwirtschaftlichen Industrieländer im Auge 42 Vgl. Lutz A. Bentin, Die Dritte Welt verschafft sich Gehör, Zur Diskussion um die Neue Weltwirtschaftsordnung, in: Civitas, 15. Bd./1977, 225-442. Die OVN und die Foren derselben wie Weltkonferenzen und Sondertagungen werden ab den siebziger Jahren verstärkt von den Ländern der Dritten WeIt politisch genützt, da sie hier gegenüber den Industrieländern eine Mehrheit besitzen. Abstimmungssiege helfen ihnen allerdings wenig, sondern verschärfen eher das Klima und verschlechtern die Kooperationsbereitschaft der Industrieländer, allen voran der USA. 43 Vgl. o. a. Publikation der Bremer Gesellschaft für Wirtschaftsforschung, 47. Noch kurz vor der UNCTAD in Manila 1979 schreibt Eberhard Rhein, Wege und Irrwege zur neuen WeItwirtschaftsordnung, in: Europa-Archiv, H 1/1979, (9-18), 18: .Aus den Gremien des Nord-Süd-Dialogs kann nicht viel mehr herauskommen als Deklarationen ... Die neue WeItwirtschaftsordnung wird in ihnen sicher nicht geschaffen.•

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haben, auf weltwirtschaftliche Strukturanpassungen, auf internationale Handelspolitik, auf den Geld- und Kapitalverkehr, betreffen die internationale Verschuldung, den Transfer von technischem Fortschritt, die Kontrolle der multinationalen Unternehmen und Maßnahmen zugunsten der ärmsten Länder. Allerdings besteht die .Neuheit" aller dieser Forderungen nicht im Zusammenhang wirtschaftlicher Kooperation, diese laufen vielmehr auf einseitige wirtschaftliche Leistungen zu Lasten der marktwirtschaftlichen Industrieländer hinaus. Das allerdings nennt ein Hauptpunkt der Neuen Weltwirtschaftsordnung dann. weltweite Zusammenarbeit". Kurz sind auch die Entwicklungsländer Adressaten der Forderungen, so nach Kooperation untereinander und nach Selbsthilfe, vor allem auch in der Weltproduktion von Nahrungsmitteln. Schließlich wird die UNCTAD als besonders wichtig angesehen, die Neue Weltwirtschaftsordnung zu konkretisieren und herbeizuführen. Die Verwirklichung der politischen Erwartung in der wirtschaftlichen Realität bleibt also einer .Konferenz" oder doch .Behörde" ohne weltwirtschaftliche Kompetenz vorbehalten. Damit steht die Neue Weltwirtschaftsordnung im rechtlichen Freiraum. Ihr Gewicht muß sich, außerhalb des politischen Einflusses, wirtschaftlich eigentlich nur durch ihre innere Stimmigkeit erweisen und insbesondere dadurch, wieweit sie in der Lage ist, vom Standpunkt des Gewissens aus angesichts wirtschaftlicher Not und wirtschaftlichen Unrechts und aus Einsicht in die Pflicht zu wirtschaftlicher Zusammenarbeit die Öffentlichkeit und die politisch Verantwortlichen davon zu überzeugen. Die Wege zur Umsetzung im internationalen Handel sind weithin eben eine Frage der ökonomischen Richtigkeit und Einsicht in diese. Dies hat sich eigentlich zunehmend bestätigt in der Weiterentwicklung der UNCTAD bei ihrer fünften und sechsten Konferenz, auf denen doch eine gewisse Annäherung zur wirtschaftlichen Rationalität bei den Entwicklungsländern zu verzeichnen war, wodurch in den marktwirtschaftlichen Industrieländern auch die kooperativen Kräfte Auftrieb erhielten. Diese Tendenz hat sich bei der 1987 in Genf tagenden siebenten Konferenz noch verstärkt. 44 Inzwischen haben sich die Hoffnungen der Entwicklungsländer, die sie noch in der Neuen Weltwirtschaftsordnung in die Erweiterung der Wirtschaftsbeziehungen zu .den entwickelten Ländern mit zentral geplanter Verwaltungswirtschaft" gesetzt hatten,45 nicht so erfüllt, was insbesondere zur Annäherung einiger .sozialistisch" orientierter Entwicklungsländer, eher auf 44 Der Handelsminister Pakistans, Mahbub-ul-Haqu, kritisierte auf der Konferenz das Sekretariat der UNCTAD, es sei zu einem parteiischen Anwalt der Dritten Welt geworden statt zu einer Vermittlungsinstanz zwischen Nord und Süd. Laut FAZ vom 13.7.1987. 45 Vgl. o. a. Publikation der Bremer Gesellschaft für Wirtschaftsforschung, 53, unter Verweis auf die Manila-Erklärung der .Gruppe der 77", Ende 1975. Zur Haltung der sozialistischen Industrieländer zur Neuen Weltwirtschaftsordnung vgl. Peter

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bilateralem Weg, zu den marktwirtschaftlichen Industrieländern geführt hat, die übrigens ihrerseits die entwicklungspolitischen Kontakte oftmals nie ganz zu ihnen aufgegeben hatten. Man denke an das Verhältnis zum Beispiel von Schweden und auch der BRD zu Tanzania. Inzwischen, seit 1980 vor allem, haben sich die Austauschverhältnisse (terms of trade) zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern weiter verschlechtert, so daß bei den gegebenen Machtpositionen am Weltmarkt aus sich heraus keine Verbesserung zu erwarten ist. Dies hat die Delegation des Heiligen Stuhls in Anbetracht ihrer als rein moralisch angesehenen internationalen Mitarbeit an den UNCTAD-Konferenzen, z. B. anläßlich der VI. Tagung in Belgrad, veranlaßt, erneut zur Entwicklung der Völker .im Geist der Solidarität" aufzurufen. Die damit angesprochene Zusammenarbeit müsse eben zu entsprechenden Verträgen und Vereinbarungen führen. Des näheren berief sich der Delegationsleiter des Heiligen Stuhls in Belgrad, Erzbischof Edoardo Rovida, auf die Dokumente der Soziallehre der Kirche. 46 Unter moralischem Aspekt sind Grundgedanken der Deklaration der Neuen Weltwirtschaftsordnung zunächst durchaus richtig: näherhin das Prinzip der Gleichheit der Staaten in der Völkergemeinschaft und die Pflicht zur internationalen Zusammenarbeit bei der Entwicklung. Der naturrechtliche Ethiker wird hier auf das gemeinsame Ziel des Weltgemeinwohls verweisen!H Die in der Neuen Weltwirtschaftsordnung unter IV. aufgestellten Grundsätze bekommen allerdings durch die Forderung nach .uneingeschränkter Achtung" den Charakter eines politischen Forderungsprogramms und überschreiten so ihre ethische Dimension, weil sie praktisch schon ein konkretes Modell der Verwirklichung im Auge haben, nämlich weitgehenden Dirigismus und nicht entwicklungspolitische Vereinbarungen im Dialog zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern. Die von den Entwicklungsländern angepeilte internationale Wirtschaftsordnung ist schon eine konkrete Rahmenvorstellung, die als Gegenmacht gegen ein angenommenes Machtdiktat der bestehenden internationalen Wirtschaftsbeziehungen konzipiert ist, und geht nicht von der Voraussetzung wirtschaftlicher Gerechtigkeit aus, die auch grundsätzlich wirtschaftliche Richtigkeit mit Gerechtigkeit zu verbinden weiß. So wird das Marktgeschehen mit Vermachtung gleichgesetzt und die sozialanthropologische Dimension des wirtschaftlichen Austausches völlig übersehen. Der Souveränitätsanspruch der Entwicklungsländer wieder wird verabsolutiert. Zum Beispiel ist Knirsch, Osteuropa und die Neue Weltwirtschaftsordnung, in: Umstrittene Weltwirtschaftsordnung, Zürich 1977,49-79. 46 Vgl. Päpstliche Kommission .Iustitia et Pax·, Beiträge des Heiligen Stuhls anläßlich der VI. UNCTAD-Tagung, Vatikanstadt 1984. 41 Vgl. Bd. I, 77 ff., insbesondere 81 ff.

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es in ihrem alleinigen Belieben, ob sie private Eigentumsrechte anerkennen oder nicht, denn das Unrecht der Kolonialherrschaft der Industrieländer von einst legitimiere jeden Anspruch der Entwicklungsländer heute. Insbesondere .Befreiung" erscheint als absoluter politischer Rechtstitel auch in wirtschaftlichen Interessen. Die Pflichten der Entwicklungsländer selbst sind nur am Rande angesprochen, nämlich sich .auf die Aufgabe der Entwicklung" zu konzentrieren. Insoferne sich die so entworfene .Strategie" der Entwicklungsländer - so werden die Grundsätze auch angesehen, also bereits als Praxis! - mit der Finanzierungsseite befaßt, werden nicht ökonomische Überlegungen angestellt, die konkrete Wege der weltwirtschaftlichen Kooperation im Auge haben, sondern es wird die beschleunigte Entwicklung der Entwicklungsländer nach .Recht und Billigkeit", also rein ethisch, als Pflicht eingefordert. Trotz der in der Neuen Weltwirtschaftsordnung enthaltenen Forderungen und der Angabe der marktwirtschaftlichen Industrieländer als Adressaten hat daher auch die einstimmige Annahme durch die OVN dieses Dokument keine weltwirtschaftliche Effizienz entwickeln können und ist nur ein Wunschprogramm geblieben. Es wäre aber bedauerlich, würde der ethische Grundgehalt dadurch verloren gehen und nicht der Dialog zwischen den Industrieländern und Entwieklungsländern zu internationalen sozial gerechten Begründungen der Entwicklungspolitik weitergehen und es nicht zur vertieften praktischen und weltweiten ökonomischen Kooperation kommen. Nicht ein ökonomischer Dogmatismus, von keiner Seite her, keine selbstsüchtige Ausnützung einer Übermachtposition und keine Gegendrohung bis zu Terrormaßnahmen bringt die Lösung einer gerechten Ordnung der Weltwirtschaft und eine entsprechende Entwicklungsökonomie in gemeinsamer Verantwortung und Solidarität. 3.3.6. Die Entwicklungsökonomie in der Sicht einer sozial geordneten Weltwirtschaft

Die Diskussion um die Neue Weltwirtschaftsordnung hat leider eine politökonomische Schlagseite gehabt und war einseitig auf das Ziel des Abbaus ökonomisch-politischer Macht der marktwirtschaftlichen Industrieländer und die politisch erstrebte Mitentscheidung der Entwicklungsländer durch ihr stimmenmäßiges Übergewicht im organisatorischen Bereich der internationalen Wirtschaftsbeziehungen ausgerichtet. So kam es von den Entwicklungsländern her zu rein formalen Forderungen nach weltwirtschaftlichen Lenkungsmechanismen und folglich zu einer Frontstellung gegen eine wirtschaftlich rationale Lösung des Entwicklungsproblems und damit gegen eine Weltwirtschaftsordnung, die die Marktverhältnisse ordnungspo-

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litisch mit den Erfordernissen der sozialen Gerechtigkeit in Übereinstimmung zu bringen vermag. Es geht um den Einbau sozialer Maßnahmen auf Grund solidarischer Pflichten zwischen Menschen entwickelter Industriegesellschaften und Menschen in den Entwicklungsgebieten der Erde im Rahmen des Ablaufs wirtschaftlicher Kommunikation auf Grund von Leistungen und Kosten mit dem Ziel, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit sozialer Sicherung der wirtschaftlich Schwachen zu verbinden. Und dies geschieht keineswegs nur auf zwischenstaatlicher Beziehungsebene, sondern betrifft die ganze menschheitliche Gesellschaft beginnend beim Einzelnen und den kleinsten gesellschaftlichen Einheiten bis zur Weltgesellschaft. Weder kann alles der .Markt" leisten, noch kann man alles der Marktwirtschaft anlasten. Das Problem im Gebrauch des Terminus von der .sozialen Marktwirtschaft" im Weltrnaßstab ist nicht nur die Vermeidung des ökonomistischen Verständnisses, daß nämlich Ordnungspolitik in der Marktwirtschaft sich darin erschöpft, die sozialen Korrekturen dem .Marktmechanismus" als einem Selbstregelungsvorgang zu überlassen. Hinzu kommt, daß der Terminus seinen besonderen Ursprung im Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft in der BRD nach 1950 hat und besonders von deutschen Wirtschaftskreisen auch als Muster zu sehr propagiert worden ist. 48 Andererseits sind es vor allem Vertreter der christlichen Soziallehre aus Deutschland, die von einem christlichen Ordnungsdenken her in die weltwirtschaftliche Problematik die Wirtschaftsmoral einbringen wollen und damit den sozialen Gedanken. Darin sehen sie die Alternative zum Kommunismus und zum schrankenlosen Liberalismus. 49 Das Problem ist umso größer, als das derzeitige Weltwirtschaftssystem zwar unter dem Einfluß der großen marktwirtschaftlichen Industrieländer steht, die Lenkungsmaßnahmen aber von diesen entscheidenden Machtträgern kaum im Sinne weltwirtschaftlicher sozialer Integration, soferne es überhaupt institutionelle Ansätze dazu gibt, entwickelt und ausgeübt werden. Für das Weltgemeinwohl fehlt derzeit weitgehend der wirksame Anwalt und das Instrumentarium. Der sittlichen Bewußtseinsbildung hier müssen sich sowohl der politische Wille zugesellen als auch das wirtschaftliche Interesse aller. Dies muß gemeinsam geschehen. Weder allein der politische Wille noch allein wirtschaftliche Dynamik werden die Integration herbeiführen. Die dazu nötigen umfassenden - also nicht bloß strukturell wirtschaft48 Dieser Eindruck entstand bei einigen Teilnehmern aus der Dritten Welt zum Beispiel bei einem internationalen Kongreß mit wirtschaftsethischem Hintergrund .Kirche und Wirtschaft in der gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft der Weltwirtschaft" in Rom, im November 1985, publiziert von Gerhard Fels (Hrsg.), mit gleichem Titel, Köln 1987. 49 Vgl. Arthur F. Utz, Basilius Streithofen, Wolfgang Ockenfels (Hrsg.), Weltwirtschaftsordnung, Die christliche Alternative zum Marxismus, Akten eines internationalen Symposiums, Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg i983.

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lieh verstandenen! - wirtschaftlichen Anpassungsprozesse müssen von allen .Partnern" der internationalen wirtschaftlichen Kooperation geleistet werden, von den Industrieländern wie den Entwicklungsländern, und müssen von der Bevölkerung getragen werden, also von der Basis kommen. Umfassende Entwicklung ist so nicht nur eine .Handels·-Frage, sondern auch eine Frage solidarischer Hilfe seitens der Industrieländer und der Selbsthilfe seitens der Entwicklungsländer. Erst dann kann das Prinzip .trade and aid" seine Wirkung erreichen. Im folgenden soll dieses Konzept näher entwickelt werden. Vorweg sind bei der Lösung des Problems von Unterentwicklung in der Dritten Welt aber in der analytischen Betrachtung auch die Krisenprobleme der Industrieländer einzubeziehen. Auch in den Industrieländern gibt es das Phänomen zunehmender relativer Armut und ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit. Auch hier herrschen Wachstumseinbrüche, Haushaltsdefizite, drängen ökologische Probleme und liegen hohe Rüstungslasten auf den Volkswirtschaften. Die Analyse der Ursachen der Unterentwicklung in der Dritten Welt kann sich nicht auf die wirtschaftlichen Mangelerscheinungen beschränken. Die materielle Armut ist für viele so groß, daß sie nicht mehr ihre Grundbedürfnisse befriedigen können. Die ärmsten Schichten sind die Bauern ohne Grund und Boden, die arbeitslose Stadtbevölkerung, die Frauen und die Kinder insbesondere. Schon hier zeigt sich, daß die wirtschaftlichen Mangelerscheinungen mit weiteren Problemfeldern soziokultureller und politischer Art verbunden sind, wenn auch die absolute Armut und die Ausweglosigkeit daraus im Vordergrund stehen. Die wirtschaftlichen Mangelerscheinungen sind - schon rein ökonomisch betrachtet - zumeist ein ganzes Bündel, was ihre besondere Problematik eben ausmacht. Insbesondere sind zu nennen: Mangel an Kapital, Strukturschwächen und Armut, daher keine Nachfrage und keine Produktivität im Inland; hohe Bevölkerungsvermehrung, aber Hunger, keine Beschäftigung und keine Mittel für sozialpolitische Maßnahmen wie für Gesundheit, Bildung, Umweltschutz, Aufbau von Substrukturen der Versorgung. Die Armut wird zum. Teufelskreis·. Der Staat, politisch labil, verwendet die geringen Budgetmittel zu einem hohen Anteil für Militär und Rüstung. Selbst in den Ländern, wo es gelingt, ein entsprechendes Wirtschaftswachsturn zu erreichen, folgt .dem Wachstum nicht automatisch Umverteilung und mehr soziale Gerechtigkeit, ganz im Gegenteil: die an die Macht Gekommenen verstärken ihren autoritären Regierungsstil". Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie über den Zusammenhang von Entwicklungshilfe der Industrieländer an eine Reihe ausgewählter Entwicklungsländer in der Dritten Welt, unter denen eben Diktaturen dominieren, die einen Gutteil der erhaltenen Entwicklungshilfe in das Militärbudget lenken und allgemein

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zum Ausbau ihres Herrschaftsapparates verwenden, um eben eine schmale Schicht der Bevölkerung zu privilegieren. 50 Zur Erklärung der Unterentwicklung läßt sich auf innere und äußere Ursachen verweisen. 51 Die Analyse von Unterentwicklung muß zunächst mit empirisch sozialwissenschaftlicher Methode an das überaus komplexe Problem der Unterentwicklung auch möglichst konkret nach einzelnen Ländern und Regionen herangehen. Erschwerend ist dabei, daß das Datenmaterial aus den Entwicklungsländern zur Erfassung der gesellschaftlich-wirtschaftlichen Verhältnisse oft nur sehr mangelhaft vorhanden ist. Dennoch lassen sich von den Strukturen her eine Reihe von Kausalfaktoren der Unterentwicklung herausheben, die sich vornehmlich auf die Entwicklungsländer selbst beziehen. Das Klima ist so ein Faktor. Traditionelles Kulturverhalten, wenn es sich auch mit von außen kommenden Einflüssen und Veränderungen trifft, wie z. B. das Bevölkerungsverhalten, kann nur im Entwicklungsland selbst angepaßt werden. Aus der internationalen Verflechtung ergibt sich für die Entwicklungsländer insgesamt eine strukturelle Heterogenität, die zum Dualismus von zwei Teilgesellschaften hin tendiert. Ein Teil versteht es, sich der Modernisierung zu öffnen, der andere Teil der Gesellschaft wird in die Marginalität abgedrängt und damit immer ärmer, statt Anschluß an die Entwicklung zu finden. Die inneren Ursachen von Unterentwicklung führen damit aber zum Aufweis exogener Kausalfaktoren, die natürlich mit der historischen Entwicklung der internationalen Beziehungen seit den Kolonialzeiten zusammenhängen. Im Mittelpunkt dieser Analyse stehen die Austauschbedingungen des Welthandels (terms of trade), die eindeutig die Industrieländer mit ihren Produkten begünstigen und die vor allem auf Rohstoffexport angewiesenen Entwicklungsländer benachteiligen. Der ungleiche Tausch führt zu einem Werttransfer in die Industrieländer und erscheint in sozialwirtschaftlicher Sicht zu recht oft als Ausbeutung strukturell ungeschützter Entwicklungsländer, die infolgedessen ihre wirtschaftliche Schwäche als schicksalhafte Abhängigkeit ansehen müssen. Die konkrete Fallanalyse einzelner Entwicklungsländer wird neben diesen empirischen sozialen Gesetzmäßigkeiten von Unterentwicklung aber weitere und speziell eigene Beobachtungen treffen, die andere, oft viel weniger wägbare Faktoren ins Spiel bringen und neben der Multidimensionalität und Komplexität der Unterentwicklung ein dynamisches Element in die Betrachtung einbringen. Die interdisziplinäre Ursachenforschung von Unterentwicklung wird also nicht auf den menschlich50 Vgl. Hans F. Illy, Rüdiger Sielaff, Nikolaus Werz, Diktatur - Staatsmodell für die Dritte Welt? Freiburg 1980, 177. 51 Vgl. insbesondere Dieter Nohlen und Franz Nuscheler (Hrsg.), o. a. Handbuch der Dritten Welt, Bd. 1, Unterentwicklung und Entwicklung: Theorien - Strategien - Indikatoren.

3.3. Die sittliche Ordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen

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sittlichen Faktor verzichten können. Historische und gesellschaftliche Ursachenzusarnmenhänge von Unterentwicklung lassen sich nicht einfach dialektisch auf eine letzte Ursache zurückführen, weder auf die Ausbeutung nach der marxistischen Klassenanalyse noch auf den Ausfall von liberaler Selbstregulierung wegen unzulässiger Intervention in das freie wirtschaftliche Kräftespiel. In Anwendung der angesichts der Arbeiterfrage im 19. Jahrhundert durch die katholische Soziallehre entwickelten Lehre zur .Sozialen Frage" gilt auch für die Entwicklungsproblematik heute die These: die Grundursache der ungerechten Situation der Entwicklungsländer und ihrer Unterentwicklung liegt in der Unvollkommenheit der Natur des Menschen. Der Mensch als soziales Wesen ist in seiner inneren Einstellung zum Mitmenschen zum Egoismus geneigt und zur ungerechten Ausnützung einer vorhandenen Machtposition. Der ideologische Überbau des - vereinfacht gesprochen - europäischen Kolonialismus ist also ebenso ein Ergebnis sozialer Strukturen wie von der Wurzel her letztursächlich einer Gesinnung, die nach Überlegenheit und eigenem Vorteil im politischen und ebenso wirtschaftlichen Bereich strebt. Ausdruck dieser sind dann die geistigen Strömungen einer Zeit, die sich hier besonders als Kolonialismus und Imperialismus bestimmen lassen, ohne einer monokausalen Interpretation zu verfallen. Der zur Ideologie verfestigten Gesinnung entsprechen im Zeitenwandel gesellschaftliche Institutionen, die im Kern durchaus auch sozial gerechte Bedeutung haben können, aber ebenso dem Verfall und Mißbrauch ausgesetzt sind. Sowohl im Bereich der Gesinnung zum Aufbau internationaler wirtschaftlicher Beziehungen als im Bereich der Strukturen und sozialen Institutionen für dieselben hat es in den Industrieländern und den Entwicklungsländern viel Fehlverhalten und Fehlentwicklungen gegeben, die zur heutigen Situation geführt haben. Die Problemlösung muß daher im Grunde bei der sittlichen Erneuerung ebenso ansetzen wie sie zu strukturellen und organisatorischen Änderungen zur Durchsetzung internationaler sozialer Gerechtigkeit kommen muß. Dies verlangt aber die Ordnung der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen nach den Prinzipien der internationalen sozialen Gerechtigkeit. Das Grundproblem liegt in einer sozialen Reform der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen zur Erreichung des Weltgemeinwohls ausgehend vom Prinzip der internationalen Solidarität. Niemand, kein Volk und kein Mensch, darf aus der Solidargemeinschaft der Menschheit entlassen werden und niemand, der zu diesem Weltgemeinwohl etwas beizutragen vermag, darf aus dieser wirtschaftlichen Kooperation sich ausschließen oder ausgeschlossen werden. Rein wirtschaftlich stehen wir bei der Formel: wirtschaftliche Kooperation und soziale Hilfe für alle, oder (in Anlehnung an den

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

ökonomisch enger gefaßten Slogan): .trade and aid". Je mehr die Völker zu gleichwertigen Handelspartnern aufsteigen und die Unterentwicklung ganzer Völker und großer Teile von Kontinenten überwunden wird, desto effizienter wird die Weltwirtschaft und desto gezielter kann internationale soziale Hilfe geleistet werden. Angesichts der ungeheuren sozialen Not in den Entwicklungsländern heute, die sich kurzfristig noch verschlimmern wird, ist aber in Erfüllung der internationalen Solidaritätspflicht ein umfassendes entwicklungspolitisches Sofortprogramm notwendig. Das Problem für den Wirtschaftsethiker stellt sich nun darin, daß ein solches Sofortprogramm eine ordnungspolitische Einordnung braucht, die sich aber nicht schon direkt aus den sittlichen Sozialprinzipien ableiten läßt. Im Dialog mit den bestehenden Konzepten von Entwicklungsökonomie und deren Bewertung ergeben sich aber eine Reihe von grundsätzlichen ordnungspolitischen Überlegungen, die ökonomische Rationalität mit sittlicher Einsicht verbinden und den Ordnungsrahmen für entwicklungspolitische Ziele im Rahmen der Weltwirtschaft abzugeben vermögen. Für einen weltweiten Dialog über eine Weltwirtschaftsordnung ist die Zeit heute reif geworden. Niemand kann mehr auch an der wirtschaftlichen Einheit der Menschheit vorbeigehen und an einem Interesse der Menschheit als ganzer. Dieses •world interest"52 solidarischer Verbundenheit verlangt auch eine globale Wirtschaft, d. h. eine Menschheit, die ökonomisch auch ein gemeinsames wirtschaftliches Ziel und entsprechendes Handeln besitzt. Langfristig ist ein wirtschaftlicher Interessenpartikularismus kontraproduktiv und wird wirtschaftlicher Imperialismus zur Gefahr, weltweite wirtschaftliche Kooperation und Arbeitsteilung - hier haben die Vertreter der klassischen Ökonomie recht behalten! - ein Beitrag zum Frieden. Insoferne ist menschheitliche Wohlfahrt auf der Basis eines gerechten Weltgemeinwohls ein entscheidender Weg zum internationalen Frieden und ist Rüstungskontrolle und Abrüstung umgekehrt von großem wirtschaftlichen Nutzen. Emile Benoit53 sieht daher die höchste Stufe friedlicher Koexistenz über den Wettbewerb der Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme hinaus in der .coexistence of trade" gegeben. Dies bedeutet aber, daß das kompetitive Geschehen in der Weltwirtschaft vom Ordnungsgedanken eines gemeinwohlorientierten Strebens überhöht zu sehen ist, daß also die Verminderung der Divergenz zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern höchste Priorität unter den Zielen der internationalen Gemeinschaft hat. 54 52 Vgl. Kenneth E. Boulding, The Concept of World Interest, in: Bert F. Hoselitz (Ed.), Economics and the Idea of Mankind, New York 1965,41-62. 53 The Economics of Disarmament and Coexistence, in: Bert F. Hoselitz (Ed.), a.a.o., (233-277), 273. 54 • T0 diminish the exptected increased divergence between the developed and

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Entscheidend wird es für die Gestaltung der Weltwirtschaft daher sein, einen Ordnungsrahmen zu finden, der genügend flexibel ist, die entwicklungspolitischen Zielsetzungen und Interessen sowohl der Entwicklungsländer als der Industrieländer zu vereinbaren, ohne jetzt einer Seite ein Diktat aufzuerlegen. Es wäre allerdings - abgesehen von der politischen Akzeptanzeinschätzung - zu einfach, die Entwicklungsländer vor die strikte Alternative zu stellen, zwischen wirtschaftlichem Dirigismus und Marktwirtschaft zu wählen. Der Vergleich zwischen den Entwicklungsländern, die auf einen sozialistischen Weg mit Planung und Reglementierung der Wirtschaft durch den Staat in verschiedenen Formep gesetzt haben, mit denen, die einer marktwirtschaftlichen Orientierung folgten, fällt am wirtschaftlichen Erfolg und an humanitären Zuständen gemessen wohl zugunsten letzterer aus. 55 Dennoch gibt das auch in diesem Zusammenhang verwendete Wort .sozial· vor dem Terminus .Marktwirtschaft· nur erst die Richtung an, wie die Ordnungspolitik sozial zu gestalten ist und wie außerwirtschaftliche Rücksichten in der Wirtschaft zu berücksichtigen sind. Genau so, wie die oft als .Sozialismus· in den Entwicklungsländern etikettierten wirtschaftlichen Reglementierungen und zentralen Pläne für die Wirtschaft oft sehr unterschiedlich praktiziert werden, ist die Marktwirtschaft oft höchstens ansatzweise in Theorie und Praxis von Entwicklungsländern verwirklicht. Es fehlt an den politischen demokratischen Voraussetzungen und im wirtschaftlichen Bereich an einem einheimischen Unternehmertum, vor allem sind die sozialen Bindungen und Verantwortlichkeiten nicht angemessen an den wirtschaftlichen Wandel entwickelt und mit den sozialpolitischen Möglichkeiten von entwickelten Industrieländern zu vergleichen. Vor allem aber zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Weltwirtschaft seit 1945, daß mehr noch als in einem bestimmten Staat mit der Entscheidung für ein marktwirtschaftliches oder planwirtschaftliches System und der entsprechenden politischen Ordnung es für die Staatengemeinschaft insgesamt noch schwieriger ist, eine Wirtschaftsordnung durchzuhalten, weil die politische Autorität hier fehlt. So wird man im Bereich der internationalen Wirtschaftsbeziehungen ganz speziell von einer .mixed economy· sprechen können. In einem Überblick über die historische Entwicklung des Welthanthe underdeveloped economies is a high-priority goal for the world community." Theodor Morgan, The Pattern of Commodity Trade, in: Bert F. Hoselitz (Ed.), a.a.O., (143-191), 187. 55 Vgl. Ulrich Frey, Entwicklungsländer im Systemvergleich, Sozialistische Verelendung und marktwirtschaftliches Wachstum, Bern 1986. Dort werden vergleichende Fallbeispiele von Entwicklungsländern aus Afrika und Asien gebracht, an Hand deren Frey zum Schluß kommt, .daß die Marktwirtschaft auch ... in den Entwicklungsländern zu wirtschaftlichem Erfolg und annehmbaren humanitären Zuständen führt". (224)

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

dels seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gebraucht Herman Van der Wee diesen Begriff, um die auch international praktizierte Wirtschaftstheorie zu bezeichnen, durch Staatsinterventionen in das Marktgeschehen kontinuierliches hohes Wirtschaftswachstum zu sichern und sozialpolitische Wohlfahrtsziele damit zu verbinden. 56 Van der Wee spricht sogar von einer entsprechenden Wirtschaftsideologie, die einer solchen Verbindung von Wirtschafts- und Sozialpolitik zugrunde liege. Tatsächlich läßt sich feststellen, daß insbesondere die Weltwirtschaft, da es hier ja keine direkten Mechanismen staatlicher Intervention auf Weltebene gibt, keinem Wirtschaftssystem im engeren Sinn folgt, auch nicht dem Modell der Konvergenz der Systeme zwischen Marktwirtschaft und Planwirtschaft. Wir haben es mit einem breiten Band eines Mischverhältnisses von marktwirtschaftlichen Elementen und staatlichen Interventionen international zu tun. Die marktwirtschaftlichen Industrieländer haben allerdings für ihre entwicklungspolitische Position nicht nur den Vorteil der weiteren industriellen Entwicklung für sich, sondern auch den Erweis der größeren wirtschaftlichen Effizienz ihrer Wirtschaftsordnung an sich gegenüber den Planwirtschaften der Staatshandelsländer und damit auch ihres größeren Spielraums zugunsten von sozialen Transferleistungen innen- und außenpolitisch. In Anwendung des neoliberalen Denkens besonders in der BRD hat dies auch für die internationale Wirtschaftsordnung zu einem .Plädoyer für eine Internationale Soziale Marktwirtschaft"51 geführt. Dennoch ist nicht zu erwarten, daß sich weltweit eine Ordnungspolitik nach einem nationalen Muster(land) in absehbarer Zeit entwickeln würde. Von der stärkeren Durchsetzung der ökonomisch-innovatorischen Kräfte des Menschen in Eigenverantwortung im Zusammen mit staatlicher Gemeinwohlintervention wird es aber auch weltweit abhängen, ob so viel wirtschaftliche Effizienz erreicht werden kann, um genügend wirtschaftliche Güter zu produzieren und dann einigermaßen sozial gerecht zu verteilen. Für den Sozialethiker gibt der Terminus internationale soziale Marktwirtschaft - zumindest in der Tradition von Adolf Müller-Armack!58 - den Vorteil, daß er von der Idee her auch dahin angelegt ist, sozial ethische Werte und Ziele in seinem Ordnungsgedanken mit aufzunehmen, in unserem Zusammenhang besonders den Solidaritätsgedanken. In der Realität des internationalen wirtschaftlichen Lebens heute zeigt sich immer mehr angesichts der noch steigenden Not vieler Entwicklungsländer so etwas wie ein .Mischsystem" der Wirtschaft. Die oft rein ökonomisch begründeten Auflagen, wie sie bei Krediten von Weltbank und Intera.a.o., 32 ff. Vgl. Jürgen Gerhard Todenhöfer, Wachstum für alle, Stuttgart 1976. 58 Siehe insbesondere: Adolf Müller-Armack, Religion und Wirtschaft, Stuttgart 1959, 502 ff. und 577 ff. 56

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3.4. Die Entwicklung der Völker durch eine integrale Entwicklungspolitik 177

nationalem Währungsfonds den Entwicklungsländern gegeben wurden, werden einerseits von diesen Instituten, bzw. den Industrieländern in gesteigertem Maß politisch auf ihre Akzeptanz überdacht, andererseits steigt die Einsicht in den Empfängerländern, notwendige Strukturanpassungen vorzunehmen. Ein solcher Konsens erst ermöglicht, wirtschaftliche Rationalität mit politischem und sozialem Interessendruck zu harmonisieren. Erst dann besteht die Chance, daß Entwicklungshilfe ankommt und die entwicklungsökonomischen Ziele national und international politisch erreicht werden. Im Bereich der Motive dazu hat die internationale Ethik eine besondere Aufgabe. Sie spielt aber auch ihre Rolle bei der Auswahl und Gewichtung der Mittel und Wege sowie der zeitlichen Maßnahmenfolge zur wirtschaftli chen Entwicklung in Abstimmung zwischen ökonomischer Dynamik und sozialer Gerechtigkeit. Abschließend wird ein Überblick über die Reformmaßnahmen zur Erreichung einer sozial gerechten und wirtschaftlich richtigen Ordnung des Welthandels versucht. Die Notwendigkeit eines politischen Konsensverfahrens zwischen den Staaten ohne eine oberste internationale Autorität auf dem Weltmarkt muß nicht bedeuten, daß es ohne eine solche Autorität nicht gehe. Vielmehr ist für die weltweite Wirtschaftsgesellschaft hier eine Chance, nämlich zu zeigen, daß die Ökonomie in .Selbstverwaltung" nur eines politischen Rahmens bedürfte und eine zentrale Lenkungsinstanz nicht nötig ist, wenn nur der Wille zur Einhaltung der Regeln politisch durchsetzbar ist, was auch gegenwärtig im Weltwirtschaftsregime erreichbar schiene. Insoferne würde dies die .Konvergenz der Systeme" bedeuten, daß nämlich die Wirtschaftsideologien auf ihren politischen .Sieg" in der wirtschaftlichen Weltgesellschaft verzichten. Der Entwicklungsökonomie kommt es auf die Entwicklung des Menschen, aller und des ganzen Menschen an, 59 nicht auf den Sieg eines ideologischen Weltsystems.

3.4. Die Entwicklung der Völker durch eine integrale Entwicklungspolitik Unter integraler Entwicklungspolitik wird hier eine sozial geordnete Weltwirtschaftspolitik, ergänzt durch solidarische Entwicklungshilfe, verstanden, die im Konsens der Völkergemeinschaft zur Sicherung der internationalen sozialen Gerechtigkeit mittels eines entsprechenden Höchstmaßes an weltwirtschaftlicher Produktivität erfolgt. Der Terminus •integral " wird in 59 Das oft auch in Dokumenten der katholischen Soziallehre - synonym gebrauchte Wort .Fortschritt" (progressio) kann gleichfalls wertbezogen (Fortschritts- Ideologie!) oder wertfrei, linear-operational verstanden werden. 12 Weiler 11

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

zweifacher Hinsicht gewählt. Allgemein soll damit von der Entwicklungspolitik ausgesagt werden, daß sie ihr Maß und Ziel vom ganzen Menschen nimmt, also auf ganzheitliche menschliche Entwicklung abzielt und ebenso alle Menschen, im besonderen ihre wirtschaftliche Existenzsicherung und Entfaltung umfaßt. Es sind daher zunächst die Zusammenhänge von Weltwirtschaftspolitik, Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe zu besprechen. 3.4.1. Von der Weltwirtschaftspolitik zur Entwicklungspolitik

Dem Ansatz einer Weltwirtschaftspolitik fehlt anscheinend die politisch legitimierte Instanz, die kompetent ist, die politischen Ziele im Sinne eines wirtschaftlichen Weltgemeinwohls zu formulieren und durchzusetzen. So versucht Emil Küng in seinem Buch über Weltwirtschaftspolitik, deren Ziele unter der Annahme zu formulieren, •was getan werden müßte, falls eine Weltregierung bestünde".60 Da es faktisch aber so etwas wie einen Weltmarkt gibt und auf diesem kooperierende Staaten und deren Regierungen und eben ein wirtschaftliches Völkerrecht, geht die politische Ethik, hier als internationale Ethik, zurecht davon aus, daß es ein Minimum an politischem Ordnungswillen in der Wirtschaftsgesellschaft der Welt geben muß und also auch verantwortliche Akteure mit der Aufgabe der Lösung von Zielkonflikten, also eine Weltregierung an sich nicht notwendig ist. Eine Grundvoraussetzung ist allerdings, daß die Wirtschaft immer auch vom Menschen und daher ethisch und politisch (sozial!) bestimmt und daher auch unter Gemeinwohlerfordernissen stehend gesehen wird. Eine reine Systembetrachtung der Weltwirtschaft - wie der Wirtschaft überhaupt! - vernachlässigt dieses menschliche und gesellschaftliche Element. Gerade die Kritik des Kapitalismus durch die politische Ökonomie in der Tradition nach Karl Marx hat in die internationale Politik die ökonomistische vereinfachte Sicht gebracht, daß nämlich auf dem Weltmarkt die .Entwicklungstendenzen im kapitalistischen System" mit den Folgen für die Entwicklungsländer entscheidend am Werk seien. 61 Gegen diesen ökonomischen Imperialismus, der Herrschaft des weltweit konzentrierten Kapitals, wird dann die Idee einer nicht mehr .Marktgesetzmäßigkeiten gehorchenden Weltgesellschaft" gesetzt,62 die aber praktisch außer der KapitalismusTübingen 1978, 11. Vgl. OUo Kreye (Hrsg.), Multinationale Konzerne, München 1974, Untertitel. Nach Kreye liegt es in der .Rationalität des Kapitals·, die Ausbeutungsverhältnisse gleichsam zu internationalisieren (10). 62 Ekkehart Krippendorff, Internationale Politik, Frankfurt/M. 1985, 248. Er weist im Kapitel. Weltmarkt" (241-259) auf diese gerade in Entwicklungsländern aktuelle Idee und die fehlenden Alternativen hin. 60 6\

3.4. Die Entwicklung der Völker durch eine integrale Entwicklungspolitik 179

kritik und einer vagen Berufung auf egalitäre Sozialismen keine wirklichen Alternativen für die Weltwirtschaft anzubieten hat. Typisch ist hier die Fixierung der Kritik auf die multinationalen Konzerne, die Ausdruck der ökonomischen kapitalistischen Endentwicklung seien und den Beweis für die weltweite Ausbeutung der Entwicklungsländer durch die kapitalistischen Industrieländer lieferten. Auch hier wird die ganze polit-ökonomische dogmatische Einseitigkeit dieser Kritik sichtbar und ihre Unfähigkeit, internationale wirtschaftliche Vorgänge als übernationale wirtschaftliche Kooperation auch positiv zu bewerten, zumal faktisch kein neues System und keine neue Strategie vorgestellt werden, um es abzulösen, ausgenommen etwa alternative Selbstverwaltungsutopien. 63 Wenn auch sehr unvollkommen, so gibt es auch unter den gegenwärtigen sozialwirtschaftlichen und politischen Bedingungen des internationalen Lebens eine Weltwirtschaftspolitik und daher die Möglichkeit zur sittlichen Ordnung derselben, damit auch die Möglichkeit zur Entwicklungspolitik und zur Entwicklungshilfe aus internationaler Solidarität unter der Verpflichtung internationaler sozialer Gerechtigkeit. Der Ausgangspunkt ist nicht eine WirtschaftSideologie, weder der individualistische Liberalismus noch der dirigistische Kollektivismus, weder die Modelle vom freien Weltmarkt noch von egalitärer Weltplanwirtschaft, sondern die weltweite Gemeinschaft und Kooperation der Völker bei der Deckung ihres Lebens- und Kulturbedarfs nach rationalen ökonomischen und sittlichen Prinzipien. Dieser Vorgang benötigt den sittlich geregelten weltweiten Ausgleich von Angebot und Nachfrage der knappen und daher wirtschaftlichen Güter und Dienstleistungen. Unter Weltwirtschaftspolitik soll im folgenden der ordnende Einfluß der Politik in der Völkergemeinschaft auf die Weltwirtschaft verstanden werden zur Förderung der Wohlfahrt der Menschheit. 64 Diese Politik hat gemäß den Interessen einer globalen Ökonomie sich bei der Feststellung der globalen wirtschaftspolitischen Ziele und deren Präferenzen nach den allgemeinen Sozialprinzipien zu orientieren. Die Zielbestimmung bedarf aber auch eines ökonomischen und ethischen Minimalkonsenses über die wirtschaftliche Lage der Menschheit angesichts der technischen und kulturellen Entwicklung. Mit Schlagworten der jüngeVgl. Otto Kreye, a.a.o. Sehr vorausschauend hat Johannes Messner in seinem .Naturrecht" schon in der 1. Ausgabe 1950, zuletzt ausführlich in der 5. Auflage 1966 bzw. der unveränderten 7. Auflage 1985, 1224-1263, die Weltwirtschaftsethik entwickelt. Er betitelt den IV. Teil seiner Wirtschaftsethik .Die Kooperation der Sozialwirtschaft: Die Weltwirtschaft" und behandelt jeweils nach einer Sachdarstellung die sittliche Ordnungsfrage, immer ausgehend vom. Welthandel" und der heutigen Situation des .internationalen Handels", das Weltwährungssystem und die internationalen Märkte für Kapital, Nahrungsmittel und Rohstoffe. Er befaßte sich bereits 1950 besonders mit dem internationalen Schuldenproblem. In den späteren Auflagen entwickelte er den Abschnitt .Krisenbekämpfung" (886) unter dem Titel .Internationale Konjunkturpo63

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12·

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ren Diskussion umrissen, geht es nicht nur um quantitative ökonomische Entwicklungen, sondern um Lebensqualität für alle Menschen im Gleichgewicht der Anpassung an die Lebensbedingungen einer Menschheit im .Raumschiff Erde". Wir müssen in Übereinstimmung mit den vorhandenen Ressourcen und angepaßten Technologien für eine entsprechend wachsende Bevölkerung65 der Erde .haushalten". Das heißt eben auch, das Wachstum des Bruttoweltprodukts kontrollieren und gerecht verteilen. Je weniger noch im Weltrnaßstab eine organisierte Weltautorität, wenn auch nicht Weltregierung, für das Gemeinwohl der Völker entwickelt ist, desto mehr ist auf den organischen Aufbau der entsprechenden Kooperation von unten Wert zu legen. Dies beginnt bei der Eigenverantwortung des Einzelnen über die kleine Gruppe bis zur nationalen Selbstverantwortung. Das Weltgemeinwohl ist aber mehr als die Summe des W ohlfahrtsstrebens der einzelnen Völker, sondern Ergebnis geordneter internationaler Kooperation. Johan Galtung hat in Kritik des Begriffs der .kollektiven Self-Reliance", wie er anläßlich der Neuen Weltwirtschaftsordnung von den Entwicklungsländern geprägt wurde, zurecht moniert, daß die Self-Reliance entscheidend vom Einzelmenschen her aufzubauen wäre, über lokale und regionale Gruppen, zur nationalen Self-Reliance. Er sieht die Gefahr, daß die kollektive Selbsthilfe der Entwicklungsländer wieder die Eliten der Dritten Welt begünstigt und hier wieder die Entwicklungsländer, die an der Schwelle der Industrialisierung stehen. Es geht ihm darum, die Bildung neuer Klassenfronten zwischen Entwicklungsländern und in den Entwicklungsländern zu verhindern, aber die Elitebildung .ohne Klassenprivilegien" zu ermöglichen, um so .den Menschen in den Mittelpunkt" zu stellen. Er sieht hier ganz im Sinne des naturrechtlichen gesellschaftlichen Pluralismus die soziale Bedeutung der Eigenverantwortung und der Partizipation nach dem Subsidiaritätsprinzip und nennt seine Position weder kapitalistisch noch sozialistisch, sondern versteht seine Position als .alternative Entwicklungsstrategie".66 In unserem Zusammenhang sollte der Wahrheitsgehalt des analytischen und kritisch motivierten Ansatzes von Galtung und seine implizite Wertposition den sozialethischen naturrechtlichen Lösungsansatz ergänzen. Vom Menschen ausgehend ist soziale Kooperation in der Wirtschaft und folglichen Wirtschaftspolitik in ein föderatives und kooperatives Gefüge nach dem Gemeinwohl- und Subsidiaritätsprinzip gestellt. 67 litik" (1245 f.) und fügt als eigenes Kapitel zum Abschluß eine Darstellung an zu •Weltgerechtigkeit: Internationale soziale Gerechtigkeit" (1248-1263). 65 Der Zusammenhang zur Bevölkerungspolitik und letztlich zur verantworteten Elternschaft der Familien auf der ganzen Erde liegt auf der Hand. 66 Vgl. Johan Galtung, Self-Reliance, Beitrag zu einer alternativen Entwicklungsstrategie, Hrsg. von Mir A. Ferdowsi, München 1983, 16. 67 Die Interpretation von Self-Reliance im Verständnis der katholischen Sozial-

3.4. Die Entwicklung der Völker durch eine integrale Entwicklungspolitik 181

Entsprechend dem politischen Wohlfahrtsziel, hier der Völkergemeinschaft, spricht auch Emil Küng 68 nach den Zielen der Wirtschaftspolitik im allgemeinen von globaler Verteilungs-, Wettbewerbs-, Währungs- bzw. Wechselkurs- und Stabilitäts-, Konjunktur- und Handelspolitik einfach im Weltrnaßstab. Eine Ausnahme im Hinblick auf die weltweite Dimension der Wirtschaftspolitik macht unseres Erachtens sein Kapitel über .Stapelgüterabkommen", in dem er auf die .Beeinflussung des Realaustauschverhältnisses zwischen arm und reich" zu sprechen kommt. 69 Küng hat zwar immer die besondere Lage auch der Entwicklungsländer im Auge, doch ist dieses Kapitel einem entscheidenden Problem der Weltwirtschaft heute gewidmet, das aus zumindest praktischen Gründen wegen seines Umfangs und Gewichts heute in einer eigens ausgebauten Entwicklungsökonomie und Entwicklungspolitik folglich zu besprechen ist. Auch eine nationale Wirtschaftspolitik hat zumeist strukturell für benachteiligte oder wirtschaftlich schwache Regionen und Gruppen vorzukehren, was auch zur Gesellschafts- und Sozialpolitik gerechnet werden könnte. Im Weltrnaßstab hat sich zurecht die Entwicklungspolitik, aber in Einordnung unter die Weltwirtschaftspolitik, nach der hier vertretenen Auffassung etabliert, und zwar letztlich als eine integral der Menschheit verpflichtete Politik über die nationale Souveränität hinaus. So sind die eingegangenen einzelstaatlichen Absichtserklärungen zu entwicklungspolitischen Absichten und zu Leistungen von Entwicklungshilfe - z. B. in Höhe von mindestens 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - mehr als eine nationale Ermessenssache, sondern sittliche Pflicht aus internationaler Solidarität mit entsprechendem politischen Auftrag an die Bürger und Regierungen der Industrieländer. In der zuletzt überarbeiteten Fassung des .Naturrechts" hat Johannes Messner ähnlich den oben nach Emil Küng zitierten Zielen der Weltwirtschaftspolitik die hauptsächlichen Ordnungsfelder der .organisierten Völkergemeinschaft" zur .Förderung der allgemeinen Wohlfahrt" als eine der beiden Grundfunktionen der politischen Gemeinschaft (neben .Frieden und Ordnung") bei der weltwirtschaftlichen Kooperation herausgestellt. 70 Grundlegend ist für ihn die Ermöglichung dieser Kooperation auf dem Weltmarkt durch Handelsbeziehungen nach dem Prinzip: "so viel freier Handel als möglich", um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen und die Kosten zu senken, aber im Rahmen des Gemeinwohls, also auch der sittlichen Wertordnung. 7\ lehre gibt sehr gut die Broschüre Nr. 3 der Päpstlichen Kommission Iustitia et Pax wieder: Roger Heckei, Selbstverantwortung (.self-reliance"), Vatikanstadt 1978. 68 Weltwirtschaftspolitik, a.a.O. 69 a.a.O., 172-179. 70 a.a.O., 1224. 71 1226.

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So behandelt Messner die internationale Handels-, Geld- und Währungspolitik, hebt die Wichtigkeit geordneter Kapitalbewegungen auf dem internationalen Kapitalmarkt hervor - das internationale Schuldenproblem wird bedacht - und bespricht dann einige weitere Teilmärkte von internationaler Wichtigkeit und zugleich Problematik: den internationalen Nahrungsmittel- und den internationalen Rohstoffmarkt. Es folgt noch ein eigenes Kapitel über internationale Konjunkturpolitik. Der Zusammenhang der Weltwirtschaft mit der Sicherung des Weltfriedens wird hervorgehoben. Das abschließende größere Kapitel ist mit .Weltgerechtigkeit" überschrieben und geht von der internationalen sozialen Gerechtigkeit aus, um die Beziehungen der Industrieländer zu den Entwicklungsländern, unter Verweis auch auf das legitime .Selbstinteresse" auf beiden Seiten, in gerechten Ausgleich zu bringen. Die hier zu treffenden politischen Maßnahmen werden im kulturellen Kontext mehr prinzipiell erörtert. 72 Hier soll auch die ausführliche Erörterung von den wichtigsten Aufgaben und Maßnahmen der Entwicklungspolitik und schließlich der direkten Entwicklungshilfe im folgenden einsetzen. Die grundsätzlichen Fragen des Welthandels sind in diesem Abschnitt bereits besprochen worden und ebenso das vorhandene Instrumentarium der organisierten Völkergemeinschaft heute zur Ordnung des Welthandels, also zur Weltwirtschafts politik. Nach den oben erwähnten Grundsätzen verlangt der sozial geordnete freie Welthandel die möglichste Erhaltung des internationalen Wettbewerbs im Gemeinwohlinteresse, also wie oben besprochen .soziale Weltmarktwirtschaft". Emil Küng73 behandelt dabei vordringlich das Dumping und die Dumpingabwehr. Eine zentrale Aufgabe ist auch nach ihm die Versorgung der Weltwirtschaft mit stabilem Geld, was besonders die Wechselkurse betrifft als Hauptgebot der Währungspolitik aller Staaten. Erst so kann die internationale Konjunktur stabilisiert werden, um ein ausreichendes und gleichgewichtiges Wachsen des Bruttoweltprodukts zu ermöglichen. Die vorhandenen Mittel zur Erreichung dieser Ziele anzuwenden, ist aber vom politischen Willen und von der Einsicht der für die Weltwirtschaftspolitik Verantwortlichen abhängig und ebenso von deren taktischem und klugem Vorgehen, soferne nicht ideologische oder traditionelle Vorstellungen den Blick verstellen. Langjährige Fehlentwicklungen, vor allem die ungeheuren Disparitäten nach Entwicklungsstufen und Einkommen zwischen den Staaten machen aber eine Entwicklungspolitik und Bereitschaft zur Entwicklungshilfe bei Industrieländern und Entwicklungsländern heute nötig, die im Dialog geduldig und kompromißbereit am richtig Erkannten festhält und bis zu einem gewissen Maß an Opferbereitschaft zugunsten der Ärmeren geht. 12 13

1228-1263. Weltwirtschaftspolitik, a.a.O., 115 ff.

3.4. Die Entwicklung der Völker durch eine integrale Entwicklungspolitik 183

3.4.2. Grundzüge der Entwicklungspolitik Aus den obigen Überlegungen ergibt sich einleitend nochmals die These, daß Entwicklungspolitik nicht im Gegensatz zur Weltwirtschaftspolitik, sondern auf diese hin bezogen zu sehen ist mit dem Ziel, die Entwicklungsländer voll in die Weltwirtschaft zu integrieren. Insoferne ist sie weltweite Sozialpolitik. Entwicklungspolitik ist insoferne auch Weltwirtschaftspolitik als ethische Appelle ohne Rücksicht auf ökonomische Realität, aber auch politisches Machtdiktat oder reine wirtschaftliche Plankonzepte ohne wirtschaftliche Sachbezogenheit keine, zumindest keine dauernde Chance auf Erfolg haben. Das erweist schon die rasche Ablösung der verschiedenen entwicklungspolitischen Konzepte, seit man gemeint hat, an Stelle der allgemeinen ökonomischen Theorie eine eigene unterschiedliche Entwicklungsökonomie setzen zu können. Mit der Kritik der .alten Wachstumsökonomie", die nach dem Titel des Buchs von Adam Smith vom Wealth of Nations heute eher zur .poverty of nations" geführt hätte, kann man nicht grundsätzliche sozialanthropologische Gesetzmäßigkeiten, auch bei aller Kritik derselben in ihrer Anwendung, außer Kraft setzen. So kommt es mit den achtziger Jahren zunehmend zur Rückkehr zu den ökonomischen Realitäten und zu revidierten Zielen in der Entwicklungspolitik. 74 Insoferne kann die Entwicklungspolitik zurecht auf die Ökonomie zurückgreifen, im Rahmen einer Ökonomie, um die Entwicklungsprobleme speziell zu analysieren und mit sozialwirtschaftlichen, von sittlichen Imperativen gestützten Maßnahmen speziell zu lösen. 75 Insoferne gibt es die von Johan Galtung berufene alternative Ökonomie76 nicht, sondern nur die sozialwirtschaftlich richtige Ökonomie und Wirtschaftspolitik (entgegen bestimmten liberalistischen und sozialistischen Konzepten). Unter Entwicklungspolitik kann im folgenden der Teil der Wirtschaftspolitik verstanden werden, der die wirtschaftspolitischen Maßnahmen in den Industrieländern und Entwicklungsländern umfaßt zur Lösung der sozialwirtschaftlichen Probleme der Entwicklungsländer. Da diese aber im engen Zusammenhang mit Problemen der kulturellen Entwicklung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens stehen, muß Entwicklungspolitik stets auch im Kontext aller anderen Maßnahmen zur politischen und gesellschaft14 Vgl. Gerald M. Meier, Emerging from Poverty, The Economics That Really MaUers, New York 1984. Hier findet sich auch ein guter Überblick über frühere entwicklungsökonomische Theorien und Entwicklungsstrategien bis zum heutigen Diskussionsstand. 75 Vgl. Paul P. Streeten, Changing Emphasis in Development Theory, in: Udo Ernst Simonis (Hrsg.), Entwicklungstheorien - Entwicklungspraxis, Eine kritische Bilanzierung, Berlin 1986, 13-39. 76 Vgl. o. a. Beitrag zur Self-Reliance und seinen Artikel Development TheoryNotes for an Alternative Approach, in: Udo Ernst Simonis (Hrsg.), a.a.o., 73-89.

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lichen Entwicklung gesehen werden, also auch als Teil insbesondere der Gesellschaftspolitik. So hängen die wirtschaftlichen Entwicklungsprobleme mit dem Bevölkerungsverhalten in den Entwicklungsländern eng zusammen, mit der Struktur des ländlichen Raumes dort, mit der Beschäftigungslage und den Arbeitsverhältnissen. 17 Entwicklungspolitik kann aber auch -vor allem für die Industrieländer - als Teil der Außenpolitik gesehen werden und damit nach Ernst-OUo Czempiel als. Teil jener Politik, die auf die Gewährleistung von Sicherheit und Wohlfahrt des eigenen Staates gerichtet ist" und somit auch Friedenspolitik ist,78 Insoferne ist Entwicklungspolitik immer eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die von den Adressaten und Trägem, den Staaten und ihren Völkern, die Sicht in die globale Verflochtenheit der Probleme verlangt bis zur Bereitschaft der Bürger, ihren Lebensstandard zu ändern. In einer demokratischen Gesellschaft braucht die Entwicklungspolitik einen Grundkonsens in fundamentalen Werten und die Übereinstimmung zur Übernahme der entwicklungspolitischen Verantwortung innerhalb der Gesellschaft, trotz des Pluralismus der Interessen dort. So sind alle politisch relevanten Kräfte, beginnend mit der Verantwortung des individuellen Bürgers, zur Mitarbeit an der Entwicklungspolitik aufgerufen. 19 Bauern, Unternehmer, Arbeitnehmer ebenso wie die Funktionäre der Verbände bis zu politischen Parteien80 sind in diesen Konsens einzubeziehen. Das verlangt auch eine von allen Kräften und Ebenen der Kommunikation getragene Information und Informationsbereitschaft über das Verhältnis der Entwicklungsländer zu den Industrieländern und über Fragen der Entwicklungspolitik. Wir können - so verschieden die Situation einzelner Entwicklungsländer sein mag und die Ursachen der Unterentwicklung wie auch die Problemlösungen dafür - doch im Blick auf die Welt als wirtschaftliches Kooperationsfeld der Menschheit und damit auf den Weltmarkt von entscheidenden Gemeinsamkeiten der für die Entwicklungsländer wie die Industrieländer geltenden Grundlagen der Entwicklungspolitik ausgehen. Das Beispiel des in 77 Vgl. Emil Küng, Entwicklungsländer, Entwicklungsprobleme, Entwicklungspolitik, Tübingen 1983. 78 In einem Referat zur Entwicklungspolitik, abgehandelt in: Klaus von Bismarck und Hans Maier (Hrsg.), Entwicklung, Gerechtigkeit, Frieden, München 1979 (235242), 235 u. 240. 79 Einen breiten Überblick über die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Kräfte in einem demokratischen Industrieland gibt Ernst A. Schmied in einem Sammelband, Handlungsmodelle in der Dritten Welt-Verantwortung, München 1981. Über Patenschaften und andere Formen privater Entwicklungshilfe berichtet sehr bewegend Susanne Schaup, Diese Kinder können nicht warten, München 1983. 80 Überlegungen für einen entwicklungspolitischen Grundkonsens von Verbandsfunktionären und Politikern verschiedener Parteien finden sich u. a. in der Publikation über einen entwicklungspolitischen Kongreß 1979 in der BRD, hrsg. von Klaus von Bismarck und Hans Maier, o. a., 82-157.

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der Geschichte bisher einzigen wirklich funktionierenden freien. Welthandels·, innerhalb der Grenzen des römischen Imperiums als Weltreich nämlich, zeigt uns die Bedeutung einer großräumigen stabilen Staatsordnung für die Weltwirtschaft. Sichtbarer Ausdruck dafür war, neben sicheren Grenzen und gemeinsamem Recht, die gemeinsame Währung, der damals von Caesar eingeführte Aureus. 81 In der heutigen Situation kann nur eine überstaatliche Grundorientierung der Wirtschaftspolitik der Entwicklungsländer und der Industrieländer in eine gemeinsame Richtung Erfolg haben. Das bedeutet die Absage sowohl an jede Abkoppelungsabsicht in Verbindung mit der Dependenztheorie wie ebenso die Überwindung von dualen Wirtschaftsabläufen in den Entwicklungsländern. Was läßt sich nun allgemein zur Entwicklungspolitik der Entwicklungsländer im Anschluß an die naturrechtliche politische Ethik und unter Verweis auf die bereits gemachten Erfahrungen zur Gestaltung des politischen Systems in den betreffenden Ländern aussagen? Auch in den Entwicklungsländern läßt sich eine Wirtschaft nicht kommandieren und vom Staat und seiner Bürokratie allein her aufbauen. Es bedeutet nur weitgehende Verschwendung der ohnehin äußerst knappen Mittel. Funktionierende Märkte sind für das Wirtschaftswachstum und die innere Stabilität in einem Entwicklungsland unerläßlich und auch für den Aufbau des Außenhandels entscheidend. Der Staat hat hier subsidiäre und vor allem ordnende Aufgaben mit einem Minimum an Bürokratie und folglich strukturelle Hilfe beim Aufbau der Märkte zu leisten, wobei die Kooperation auf dem Markt eine Vielfalt von Produkten zum Austausch braucht und Monokulturen ebenso wenig wie Monopole in Angebot und Nachfrage. Dirigismus, staatlicher Interventionismus mit dem Ziel der Propaganda oder im Dienste von Interessen politischer Machteliten sind immer kontraproduktiv und dürften auch von den Industrieländern nicht unterstützt werden. 82 Derzeit, mit dem Beginn der Reformen der sogenannten vier Modernisierungen in China Ende der siebziger Jahre und den wirtschaftlichen Reformen in der UdSSR unter Generalsekretär Gorbatschow und in den anderen sozialistischen Ländern ist auch im Sozialismus weltweit die Stärkung der wirtschaftlichen Privatinitiative und die Beachtung marktgerechten Verhaltens im Vordringen. Das ist auch eine wichtige Erfahrung für die Entwicklungsländer. Unter diesen haben nachgewiesenermaßen die eher marktwirtschaftlich orientierten Volkswirtschaften bisher auch am besten abVgl. Wilhelm Hankel, Caesar - Weltwirtschaft des alten Rom, München 1987. An Beispielen besonders reich sind die Staaten Schwarzafrikas, die oft zu den ärmsten Entwicklungsländern zählen. So hat Niger z. B. eine Analphabetenrate von über 90 Prozent, eine Einschulungsquote von knapp 20 Prozent, leistet sich aber den Luxus, für jeden Hochschulstudenten 130 mal mehr als für einen Volksschüler auszugeben. (FAZ vom 21.4.1987) 8\

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geschnitten,83 wenn man von Erfolgen bei der Sicherung von Grundbedürfnissen breiter Schichten vorübergehend in Notzeiten absieht, zum Beispiel in China. Das System des staatlichen Interventionismus in der Volkswirtschaft verfälscht die wirtschaftlichen Daten durch politische Preisfestsetzungen und führt zu Marktversagen. An Stelle dessen wuchert die Bürokratie. Schlechtbezahlte Staatsfunktionäre fördern die Korruption bis zum völligen Versagen der Administration. Es ist eine falsche Annahme, daß der Staat mittels Intervention die Angebots- und Nachfrageströme ersetzen kann und im Falle der Entwicklungsländer besser ökonomisch reagiert. Auch im Bereich der Sicherung der Grundbedürfnisse greifen die direkten Interventionen des Staates nicht dauerhaft, sondern führen zu weiteren Transaktionskosten. Angebot und Nachfrage werden völlig auseinandergebracht, so daß nur mehr der Weg zur Zwangsbewirtschaftung bleibt. Mit dem Wegfall des ökonomischen Prinzips in der Bedarfsdeckung fällt auch die wichtigste Voraussetzung der Entwicklung der wirtschaftlichen Wohlfahrt, nämlich die Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität. 84 Diese Erkenntnis macht freilich diese Annahme und die folglichen dirigistischen Vorschläge auch einer Reihe von Vertretern der Entwicklungsökonomie in ihrer Anfangszeit in den fünfziger Jahren und auch noch spätere entsprechende Rezepte zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme der Dritten Welt obsolet. 85 Die ökonomische und finanzielle Stabilität im Inneren eines Entwicklungslandes ist wirtschaftspolitisch ein vorrangiges Ziel, weil nur in solchem Fall die individuellen und gesellschaftlichen Kräfte für die volkswirtschaftliche Produktivität zur möglichsten Entfaltung kommen können. Allein die Kapitalflucht aus unsicheren Entwicklungsländern ist ein Indiz für diese Aussage. 86 Ebenso ist das Engagement von Privatkapital durch Direktinve83 Vgl. die Beispiele bei Bela Belassa, Change and Challenge in the W orld Economy, New York 1985. Vgl. seinen speziellen Beitrag unter diesem Titel in: Finanzierung & Entwicklung, Nr. 111984, 10-12. Über afrikanische Staaten südlich der Sahara kann Belassa zeigen, daß die marktwirtschaftlich orientierten auch die externen Wirtschaftskrisen der siebziger Jahre besser bewältigten als die interventionistischen Staaten. 84 Vgl. dazu Deepak LaI, Poverty of Development Economies, London 1983. 85 Deepal LaI, Mißverständnisse in der .Entwicklungsökonomie", in: Finanzierung & Entwicklung, Nr. 2/1985, (10-13), 10, nennt namentlich Nurkse, Myrdal, Balogh, Prebisch als Autoren und zählt folgende Theorien auf: .die duale Wirtschaft, Arbeitskräfteüberschuß, die Gleichgewichtsfalle auf niedrigem Niveau, ungleichgewichtiges Wachstum, der Teufelskreis der Armut, Big-push-Industrialisierung, Devisenengpässe, ungleicher Tausch, 'Dependenz-Theorie', Umverteilung mit Wachstum und Grundbedürfnisstrategie ... im Zeitablauf und in verschiedenen Bereichen". 86 An Hand von Beispielen analy!!ieren diese Frage Mohsin S. Khan und Nadeem Ul Haque, Kapitalflucht aus Entwicklungsländern, in: Finanzierung & Entwicklung, 111987, 2-5.

3.4. Die Entwicklung der Völker durch eine integrale Entwicklungspolitik 187

stitionen in Entwicklungsländer an stabile Verhältnisse dort gebunden. Private Investoren sind aber auf Grund der Wirtschaftsordnung in den marktwirtschaftlichen Industrieländern, die ja den Welthandel tragen, nicht selten wichtigere Handelspartner für die Entwicklungsländer als die Regierungen. 87 Die staatliche Intervention in den Entwicklungsländern sollte hingegen den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gelten und deren Einhaltung, z. B. beim Arbeitsrecht, was eine effiziente Verwaltung als wichtiger Teil einer wirtschaftlichen Infrastruktur bedeutete, nicht aber ein Heer schlechtbezahlter und korrupter Beamter. Zur Stabilität in den Entwicklungsländern gehört die Respektierung der Menschenrechte. 88 Das muß noch nicht den Standard westlicher Demokratien bedeuten, aber wenigstens die Wende zu friedlichem Wandel in der Achtung der bürgerlichen und sozialen Menschenrechte. 89 Mit der Annäherung an eine marktwirtschaftliche Ordnung ist eine Öffnung der Gesellschaft anzustreben, die die menschlichen Grundrechte auch garantiert. Das muß nicht die .Privatisierung der Gerechtigkeit" bedeuten, wenn der angestrebte Pluralismus im Rechtsstaat einen Bestand an gemeinsamen Grundwerten auch im Dienste des Gemeinwohls verbindlich festhält. 90 Obwohl die Kirchen, die katholische Kirche besonders, durch ihre Internationalität und Teilnahme als Völkerrechtssubjekt an den UNCTAD-Konferenzen, sich für die Entwicklungsländer einsetzen und auch an der Basis Arbeit in diesen Ländern selbst leisten, sind sie nicht selten Opfer von 87 Zur Beratung von privaten Unternehmen aus den Industrieländern für Direktinvestitionen in den Entwicklungsländern gibt es heute schon ausführliche Länderstudien mit Vergleich der Steuerwirkung im Gast- und Heimatland zur Gestaltung der Auslandstätigkeit. Hier schneiden natürlich die wirtschaftlich stabilen marktwirtschaftlichen Entwicklungsländer, z. B. einige ostasiatische, am besten ab. Vgl. Dieter Endres, Direktinvestitionen in Entwicklungsländern, München 1986. 88 Vgl. Walter Eigel, Entwicklung und Menschenrechte, Hrsg.: Schweizerische Nationalkommission Iustitia et Pax, Freiburg 1984. 89 Menschenrechte sind mit Gewaltanwendung nicht vereinbar, sondern bedeuten das Recht des .friedenssichernden Wandels·, schreibt Jost Delbrück, Menschenrechte - Grundlage des Friedens?, in: Hans Thimme und Wilhelm Wöste (Hrsg.), Im Dienst für Entwicklung und Frieden, München 1982, (89-102), 102. 90 Einer Leugnung der Gemeinwohlzuständigkeit des Staates und sozialer Menschenrechte gleich kommt die individualistische liberale Konzeption von Gerechtigkeit, die von ihren Vertretern gerne auch als Modell für die Entwicklungsländer empfohlen wird, wenn Gerechtigkeit und moralische Fragen allgemein nur privatisiert gesehen werden, dem .privaten Gewissen" allein überantwortet. Eine solche Werbung für .westliche Demokratie" und Menschenrechtsinterpretation ist vom naturrechtlichen traditionellen Verständnis der individuellen und sozialen Menschenrechte nicht zu empfehlen. Obige liberale Position nimmt z. B. ein: Karl Brunner, The Perception of Man and Justice and the Conception of Political Institutions, in: Fritz Machlup, Gerhard Fels and Hubertus Müller-Groeling (Ed.), Reflections on a Troubled World Economy, a.a.O., 327-355.

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Menschenrechtsverletzungen. Hierbei allerdings erweisen sich nicht selten führend die Staaten von Entwicklungsländern mit dirigistischen Wirtschaftsordnungen, oft verbunden mit Militärdiktaturen oder totalitären Regimen, die die Religionsfreiheit wie auch die übrigen Menschenrechte verletzen oder diese nur Minoritäten - wie in der Republik von Südafrika zugestehen. Der Einfluß der marxistischen Ideologie auf totalitaristische Parteien, die nach der oft gewaltsam erfolgten Entkolonisierung die politische Alleinherrschaft erlangt haben, hat zu dieser Kampfstellung gegen die Kirchen sehr beigetragen. Die Frage erhebt sich, wie die politischen Verhältnisse in den betreffenden Entwicklungsländern stabilisiert werden könnten und die ideologischen Positionen der herrschenden Eliten liberalisiert und die wirtschaftlichen Dogmen in ihrer Wirtschaftspolitik zugunsten notwendiger Strukturanpassungen aufgegeben werden könnten. Eine Demokratisierung nach dem Modell westlicher Industrieländer ist weder kurzfristig möglich noch ohne Rücksicht auf die kulturelle Eigenständigkeit dieser Länder denkbar. Trotz der drängenden Not der Lage wird es nur den Weg der Reformen in kleinen Schritten geben, der aber nicht zuletzt im wirtschaftlichen Bereich angegangen werden muß. Dabei sind sicher viele der Maßnahmen, die den Regierungen der Entwicklungsländer zur Korrektur ihrer Wirtschaftspolitik insbesondere vom Internationalen Währungsfonds als Bedingung auferlegt werden, richtig. Sie sind allerdings nur verbunden mit Bereitschaft und Einsicht der betroffenen Länder behutsam durchführbar. Dazu gehört im einzelnen die Anhebung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise, Abwertung der Wechselkurse der Währungen dieser Länder, die Erreichung der Währungsstabilität durch Streichung der Subventionen, Schließung oder Privatisierung unrentabler Staatsbetriebe, Liberalisierung des Außenhandels, Abbau der Staatsbürokratie und sparsame Verwaltung. Alle diese Maßnahmen haben das Ziel der Strukturanpassung und Förderung des binnenwirtschaftlichen eigenen Wachstums aus eigenen Ressourcen. An sich sind zumeist hohe Wachstumsreserven in den Entwicklungsländern vorhanden, wenn diese Voraussetzungen geschaffen werden könnten. All dies verlangt als Voraussetzung aber weltwirtschaftliche Kooperation im Verbund von internationaler Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe. 3.4.3. Wege zur solidarischen ProblemlösWlg in internationaler wirtschaftlicher Kooperation

Theodor Dams ist seit Jahren dem Verbund von Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe multilateral, bilateral und regional nachgegangen. 91 Ent91

Vgl. seine Artikel zur Entwicklungspolitik im Staatslexikon der Görres-Gesell-

3.4. Die Entwicklung der Völker durch eine integrale Entwicklungspolitik 189

wicklungshilfe ist nach ihm ein •Teilbereich der umfassenderen Entwieklungspolitik",92 die sowohl die Einzelstaaten betrifft wie internationale Institutionen. Nach der Behandlung von ordnungspolitischen Grundsätzen und den entsprechenden Strategien systematisiert Dams die entwicklungspolitischen Maßnahmen um sechs .Instrumentenbündel": .Internationaler Handel - Internationale KapitalIWährungsfragen - Lösungsansätze der Schuldenproblematik - PrivatinvestitionenlTechnologietransfer - Staatliche Entwicklungshilfe".93 Von daher beschreibt er eine ganze Reihe von Maßnahmen mit direkter und indirekter Wirkung im Bereich der Entwicklungspolitik und _hilfe. 94 Nach diesem weiten Begriff von Entwicklungspolitik kommen im Bereich des Welthandels und der wirtschaftspolitischen Ziele der einzelnen Staaten und der Staatengemeinschaft den entsprechenden Maßnahmen im Rahmen einer grundsätzlich freiheitlichen Wirtschaftsauffassung mehr indirekte Wirkungen zu. Eine so konzipierte Wirtschaftspolitik hat zuerst fördernden und koordinierenden Charakter im Dienste des Gemeinwohls. Die EntWicklungshilfe zielt auf direkte Wirkungen ihrer Maßnahmen mittels personeller, materieller (inclusive Know-how) und finanzieller Transfers von den Industrieländern zu den Entwicklungsländern ab, wobei sie sowohl privater und gesellschaftlicher wie staatlicher und überstaatlicher internationaler Natur sein kann. Hier lassen sich etwa folgende Bereiche der Entwicklungshilfe einzeln anführen: Zahlungsbilanzhilfe, Budgethilfe, Kapitalhilfe, technische und technologische Hilfe, Bildungshilfe, Planungshilfe, Exportberatungshilfe, Sozialstrukturhilfe und Nahrungsmittelhilfe. Entwicklungshilfe seitens der Geberländer (Industrieländer) setzt die Bereitschaft der politischen öffentlichen Meinung dort voraus, daß nicht allein ökonomische handelspolitische Überlegungen in den Beziehungen zu den Entwicklungsländern gelten dürfen, sondern der politische Wille vorhanden ist, diesen seitens der öffentlichen Hand .Hilfe zu Vorzugsbedingungen" einzuräumen. Zur Sicherung dieser Bereitschaft in den Industrieländern ist aber auch in den Empfängerländern (Entwicklungsländern) die Bereitschaft notwendig, diese Hilfe im Rahmen der eigenen Möglichkeiten lokal zu ergänzen. 95 Dies setzt eine internationale Kooperation in der Meinungsbilschaft, 9. Bd., Freiburg 61969, 726-779 und im 2. Bd., Freiburg 71986, 294-329. Ders., Weltwirtschaft im Umbruch, Freiburg 1978. 92 O. a. Staatslexikon 2. Bd., 319. 93 a.a.O., 320. Man beachte die ähnliche Strukturierung der Themenbehandlung durch Johannes Messner im Naturrecht schon in der 1. Auflage 1950! 94 Vgl. die Abbildung 2, a.a.O., 321 f. 95 Eine Rückwirkung des Erfolgs von Entwicklungshilfe auf die Hilfsbereitschaft, also eine Produktivitätsüberlegung ist unvermeidlich. Ein solches ökonomisches Kalkül sollte aber immer auch die Priorität von Nothilfe vor solche Berechnungen

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dung über Entwicklungshilfe in der Öffentlichkeit sowohl der Industrieländer wie der Entwicklungsländer voraus. Hier ist besonders wieder die Frage der Menschenrechte und ihrer Respektierung in den Entwicklungsländern zu bedenken. Viele Regime in der Dritten Welt sind eher nur für Entwicklungshilfe von Regierung zu Regierung, weil sie hier ihr Monopol in der politischen Kontrolle bewahren können und Wege der Entwicklungshilfe direkt zur Bevölkerung durch private Träger als politische Störung und als Stärkung eventueller Oppositioneller betrachten. 96 Andererseits sind Rücksichtnahmen auf die Wahrung der Menschenrechte bei der Entwicklungshilfe auch in den Industrieländern für die dortige öffentliche Meinung ebenso bedeutsam. So richtet sich die öffentliche Kritik auch dort gegen Hilfen, die an totalitäre und rassistische Systeme in der Dritten Welt geleistet würden. 97 Unter Hinweis auf unseren sozialethisch fundierten ordnungspolitischen Ansatz der Entwicklungspolitik soll daher im folgenden unter Bezug auf einige wichtige Problemfelder die Problemlösungskapazität der international-ethischen Behandlung der Entwicklungsproblematik gezeigt werden. Dann soll auch am Beispiel von Einzelfragen die Diskriminierung der recht verstandenen Entwicklungshilfe als .Neokolonialismus" zurückgewiesen werden. 98 3.4.4. Zusammenhänge und Einzelfragen von Entwicklungspolitik und EntwickJungshilfe 99

Solidarität heißt auch geteilte Verantwortung. Im Rahmen des Weltgemeinwohls und der internationalen wirtschaftlichen Wohlfahrt können wir stellen und den Entwicklungsstand der Empfängerländer im Auge behalten. Vgl. dazu die Studie einer Arbeitsgruppe .Hilfe zu Vorzugsbedingungen" von Shahid Javed Burki und Robert L. Ayres, Entwicklungshilfe - neu betrachtet, in: Finanzierung & Entwicklung, 1/1986,6-10. Hilfe kann die Eigenleistung nicht ersetzen, nur dazu verhelfen. Es geht um die rechte Art des Helfens. Ein Weg dazu ist die Effizienzkontrolle. Auch Kritik an geleisteter Hilfe kann hier hilfreich sein. Vgl. Robert Cassen and Associates, Does Aid work?, London 1986. 96 Vgl. Hans F. llly, Rüdiger Sielaff, Nikolaus Werz, a.a.O. 91 Vgl. Antonin Wagner, Friedrich Beutter, Finanzplatz Schweiz - Dritte Welt, Freiburg 1983. 98 Vgl. Theodor Dams (Hrsg.), Entwicklungshilfe - Hilfe zur Unterentwicklung? München 1974. 99 Entwicklungshilfe kann durch Versäumnisse ebenso wie durch Fehler zum politischen Problem werden. Man denke an die Streitschrift von Brigitte Erler, Tödliche Hilfe, Freiburg 81986. Eine kritische Bilanz bisheriger Fehler bei der Projekthilfe in der Dritten Welt bietet Detlef Schwefel (Hrsg.), Soziale Wirkungen von Projekten in der Dritten Welt, Baden-Baden 1987.

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nicht ausschließlich von Geber- und Empfängerländern sprechen. Auch die Empfänger von Entwicklungshilfe haben die Fähigkeit und die Pflicht, mit den .Gebern" mitzuwirken, und haben auch etwas zu geben, nicht nur zu empfangen. Ebenso haben die Geberländer die kooperative Aufgabe, ihre Hilfeleistungen nach den Mitwirkungsmöglichkeiten der Empfängerländer zu optimieren. So ist die Hilfe selbst an den Ärmsten keine Einbahnstraße. Erschwert wird die Entwicklungshilfe nach beiden Seiten hin oft durch querliegende politische Sonderinteressen oder durch Regierungen, die nur nominell die Staatsgewalt innehaben, bzw. diese hingegen nur massiv mißbrauchen. 1. Das Bevölkerungsproblem:

Eine Schlüsselfrage der Entwicklungshilfe ist das Bevölkerungsverhalten in den Entwicklungsländern. Trotz geringerer durchschnittlicher Lebenserwartung in den Entwicklungsländern, höherer Kindersterblichkeit und Hungersnöten wächst die Bevölkerung insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern sogar schneller als die Wachstumsraten der Wirtschaft, sinkt also das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, so daß der Gegensatz von arm und reich allenthalben ständig noch zunimmt. Die Bevölkerungsexplosion 100 scheint die Entwicklungshilfeleistungen der Industrieländer zum Faß ohne Boden zu machen. Daher setzt manche Entwicklungshilfe bei Maßnahmen der Geburtenkontrolle an. Abgesehen von Mentalitätsproblemen und traditionellen Einflüssen in der Dritten Welt in der Einschätzung von Kinderreichturn kann es die Leistungen der Entwicklungshilfe nicht rechtfertigen, wenn daran Bedingungen gegen die Menschenwürde geknüpft werden. Das Bevölkerungsverhalten in den Entwicklungsländern muß sich ändern, aber mit Mitteln, die aus der Einsicht der betreffenden Bevölkerung erwachsen und sittlich einwandfrei sind, also in verantworteter Elternschaft. Erst in einer kulturellen Gesamtsicht, ausgehend von Fakten, die nicht das Ergebnis von Gewalt sind, lassen sich nun die entwicklungspolitischen Ziele harmonisieren. Die ökonomische Theorie spricht hier vom .magischen Fünfeck der Entwicklung", 101 Wachstum, Arbeit, gerechte Verteilung, Partizipation und Unabhängigkeit (Selfreliance) zu verbinden. Gerade letzteres Ziel zeigt die Verknüpfung der materiellen wirtschaftlichen Voraussetzungen der Entwicklung in Eigenständigkeit mit den Rahmenbedingungen der sozia100 Vgl. Rudolf v. Albertini, Probleme der Entwicklungsländer, Entwicklungshilfe und Nord-Süd-Konflikt, in: Wolfgang Benz und Hermann Graml (Hrsg.), Weltprobleme zwischen den Machtblöcken, Fischer Weltgeschichte Bd. 36, Frankfurt 1981, (394-472), 394 ff. 101 Vgl. Dieter Nohlen und Franz Nuscheler, Was heißt Entwicklung? in: Dieselben (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Bd. 1 (48-72),54 ff.

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len und politischen Ordnung und darüber hinaus mit der gesamten kulturellen Situation eines Entwicklungslandes und seiner Bevölkerung. Das Bevölkerungsproblem zeigt die Verflochtenheit von Entwicklungshilfe in außerwirtschaftlichen Dimensionen und die Bedeutung des Respekts vor sittlichen allgemeinmenschlichen Normen. Oft reagieren die Bevölkerungen von Entwicklungsländern auf den Export technischer Manipulationen zur Geburtenbeschränkung viel kritischer als sich diesbezüglich die Meinung in den Industrieländern gebildet hat. Die Alternativen einer .natürlichen Geburtenregelung" müssen in den Entwicklungsländern gar keine so geringe Chance haben, wenn es zumindest langfristig gelingt, ein Minimum an Bildung zu verbreiten. Insbesondere betrifft dies auch die weibliche Bevölkerung und allgemein die Stellung der Frau in der Gesellschaft, zum Beispiel in islamischen Kulturen. Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg gerade der sozial ärmsten Schichten ist auch ein anderes Bevölkerungsverhalten erfahrungsgemäß verbunden. Die Haltung der katholischen Kirche zum Thema, daß sie Abtreibung bekämpft und sich für .natürliche Geburtenregelung" einsetzt, sollte auf die Dauer der nicht nur humane, sondern auch kulturell sittlich richtige Weg zur Problemlösung sein. Er setzt nicht auf einseitigen. TechnikExport" , sondern auf Kooperation zur Hilfe zwischen Kulturen und nicht bloß auf materielle Regierungsprogramme. 2. Das Rüstungsproblem:

Besonders leidet die Entwicklungshilfe unter außenpolitischen Machteinflüssen, die sich zwar aus sehr unterschiedlichen Interessenlagen heraus - oft auch zwischen den Geber- und Empfängerländern - vereinbaren lassen. Wohl sehr kostspielig und weit über den Ausgaben für Entwicklungshilfe liegen die Ausgaben auf beiden Seiten für militärische Zwecke, zum Teil auch als Rüstungshilfe ausgewiesen. Hier liegt vor der Weltwirtschaft ein echtes Konversionsproblem, beginnend mit einer sittlichen .Bekehrung", das jedenfalls langfristig wirtschaftlich und politisch, wenn der Wille vorhanden wäre, lösbar ist, aber bereits kurz- und mittelfristig in der Entwicklungshilfe positiv wirksam werden müßte und noch dazu die Gefahr zu peripheren Kriegen sehr vermindern könnte. Der wirtschaftliche Schlüssel zur Konversion liegt bei der Umstellung der großen Rüstungskonzerne in den Industrieländern, zu denen auch einige wenige Staaten der Dritten Welt als Produzenten seit den siebziger Jahren hinzugekommen sind, zum Beispiel Indien oder Brasilien. 102 Eine wichtige politische Voraussetzung wären Rüstungskontrolle und Abrüstung in den Industrieländern in Ost und West und damit der Ausfall von Nachfrage, der in der Dritten Welt nicht ersetzt 102 Siehe die Angaben in: SIPRI (Hrsg.), Waffenproduktion in der Dritten Welt, Rüstungsjahrbuch 6, Reinbek bei Hamburg 1986, 144-172.

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werden kann. Heute dient die Dritte Welt für den Waffenhandel als zusätzlicher gewinnbringender Markt. Wie sehr der Welthandel selbst für kriegerische Zwecke instrumentalisiert werden kann, lehrt die Verwendung der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen als Waffe selbst in der internationalen Politik. Entwicklungshilfe kann so konterkariert werden durch wirtschaftliche Sanktionen. Im Sinne weltwirtschaftlicher Kooperation ist dies natürlich nicht, obwohl wirtschaftliche Sonderinteressen dahinterstehen können. Die politischen Ziele wirtschaftlicher Sanktionen werden zumeist nicht erreicht,I03 so daß sich diese. Wirtschaftsdiplomatie" als eine Form der Kriegführung erweist, die nicht zum Frieden führt, sondern neue Belastungen zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern schafft. Ähnliches gilt von internationalen Boykottmaßnahmen. Jedenfalls scheiden solche Verknüpfungen mit Entwicklungshilfe als ungeeignet aus. 3. Die Multinationalen Unternehmen:

Ein besonderer Problempunkt ist die Stellung der Multinationalen Unternehmen in der Weltwirtschaft und die Beurteilung ihres Beitrags zur Entwicklungshilfe. Nach der negativ kritischen - meist marxistischen!Beurteilung der Multis folgen sie der .Rationalität des Kapitals" 104 und sind reine Instrumente der neokolonialistischen Ausbeutung der Entwicklungsländer, bzw. der internationalen Arbeiterklasse, die verelendet dem in den Multis internationalisierten Wirtschaftssystem gegenübersteht. Nur die Beseitigung der Multis nach dieser Klassentheorie könne Abhilfe schaffen. Die Möglichkeiten des Welthandels einerseits und die in manchen Branchen der hochindustrialisierten Wirtschaften sich ergebenden Unternehmensgrößen, weiters die Konzentration von Finanzkapital angesichts eines hohen Kapitalbedarfs der modernen Betriebswirtschaft führten transnationale Konzerne mit Sitz in den Industrieländern dazu, aus Kosten- und Marktvorteilen ihre Produktionsbereiche auch in die Entwicklungsländer zu verlegen und in diesen auszubauen. Diese .Multis· gäben zu ihrer Legitimation gerne viele Vorteile an, die dadurch nicht zuletzt auch den Entwicklungsländern erwüchsen. Es würden für Einheimische Arbeitsplätze und Einkommen geschaffen, technisches Know-how und unternehmerisches Wissen vermittelt, soziale Leistungen z. B. für die Infrastruktur erbracht und über Steuern der öffentlichen Hand finanzielle Mittel zugeführt. Heute bemühen sich die Multis, diese positiven Leistungen für die Entwicklungslän103 Vgl. Gary Clyde Hufbauer and Jeffrey J. Schott, Economic Sanctions Reconsidered, Washington 1985. 104 Otto Kreye, a.a.o., 10 (im Vorwort).

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der gleichsam in einer Sozialbilanz propagandistisch zu verbreiten, auf ihre oftmalige Pionierrolle bei der Entwicklung von Ländern der Dritten Welt hinzuweisen und allfällige Auswüchse durch Selbstkontrolle zu vermeiden. Die negativen Auswirkungen hängen zum Teil mit den politisch instabilen Verhältnissen in Entwicklungsländern zusammen, mit Korruption der Administration, aber auch mit dem oft großen Mißverhältnis der Marktrnacht eines Multi gegenüber den nationalen wirtschaftspolitischen Instanzen. Daraus kann in einem Entwicklungsland eine große Übermacht der Arbeitgeberseite entstehen, die Marktchancen kurzfristig profitabel nützen will. Die volkswirtschaftliche Produktivität im Entwicklungsland bleibt dann außerhalb der Unternehmensziele und kann unter Umständen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des Landes sogar stören, weil die Unternehmensphilosophie ein Fremdkörper im Land ist und als wirtschaftlicher Kreislauf in sich über die ferne Zentrale der Multis abläuft. Realistisch kann den negativen Folgen der Multis unter Wahrung marktwirtschaftlicher Verhältnisse, die nicht bloß der Selbststeuerung ethisch verantwortet überlassen bleiben kann, nur durch internationale Solidarität entgegengesteuert werden. Diese Solidarität läßt sich in einer freien Wirtschaft nicht direkt politisch verordnen, z. B. durch ein politisches Regime der Staaten, wie es die Neue Weltwirtschaftsordnung annehmen möchte. lOS Das Mittel der Enteignung eines ausländischen Multi durch das Gastland bringt in der Regel keine Lösung des Problems, ist für das Entwicklungsland ökonomisch von Nachteil und führt eher zu politischen Wirren oder steigert noch das Streben nach kurzfristiger Profitmaximierung des von Enteignung bedrohten Multis. Weiters geht das Engagement von Multis hauptsächlich in relativ fortgeschrittene Entwicklungsländer, sodaß die ärmsten Entwicklungsländer kaum derzeit vor das Problem gestellt sind. Die internationale gesellschaftliche Kontrolle der Multis ist entscheidend und muß auf dem Weltmarkt aufgebaut werden. Dazu bedarf es .integrierter Kontrollstrategien"I06 wie zum Beispiel die Vereinheitlichung von Vorschriften für die Multis bis zu entsprechenden Instanzen aus der Verbindung von Selbstkontrolle und Kontrolle durch die öffentliche Meinung l07 bis zu natio105 Die OYN bemühen sich unter dem Druck der Entwicklungsländer um solche .Spielregeln für die Weltkonzerne", die zunächst über einen appellativen Charakter nicht hinausgehen können. 106 Vgl. Karl Wohlmuth, Neue Weltwirtschaftsordnung und Transnationale Konzerne. Perspektiven für eine integrierte Kontrollstrategie, in: Wolfgang Däubler, Karl Wohlmuth (Hrsg.), Transnationale Konzerne und Weltwirtschaftsordnung, BadenBaden 1978, 123-163. 107 Ende 1974 wurde im Rahmen der OYN zum Studium der Probleme der Multis ein Centre on Transnational Corporations begründet. In Wien erscheint eine von der Kammer für Arbeiter und Angestellte herausgegebene Monatsschrift .Informationen über multinationale Konzerne", die auch in Hinsicht Entwicklungsländer über die Tätigkeit der Multis kritisch informiert.

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nalen Kontrollen ihres Wohlverhaltens insbesondere in den Industrieländern. Gerade die Arbeitnehmerseite l08 ist hier in den Industrieländern oft weit von Solidarität mit den Arbeitern in den Entwicklungsländern entfernt. Die Gewerkschaften fördern den Protektionismus im eigenen Land, halten wenig internationale Kontakte mit den Entwicklungsländern und setzen kaum Solidaritätsaktionen für die Interessen der Arbeiter und den Aufbau konstruktiver freier Gewerkschaften in den Entwicklungsländern. lo9 Erst eine internationale solidarische Anstrengung vermag die einseitig aus ihrer ökonomischen Interessenlage entstandene Marktmacht der Multis zu korrigieren und in den Welthandel zum allseits wohlverstandenen Nutzen zu integrieren. Das setzt aber eine kulturelle und sittliche Sicht der Marktvorgänge in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in den Industrieländern und Entwicklungsländern voraus und das Bedenken längerfristiger Entwicklung im gesamtmenschlichen Bereich, nicht bloß in ökonomischen Teilbereichen. Deutlich wird das am kritischen Urteil einer Untersuchung über die Tätigkeit der Multis am Beispiel von Kenia, das abschließend negativ ausfällt: die Multis in Kenia substituieren schon seit der kolonialen Periode nur den Import von Konsumgütern wie sie sonst auch in aller Welt von diesen Firmen angeboten würden. Dies geschehe unter einer schwachen Regierung und Administration im LandeYo Hingegen hätte der Aufbau einer autochthonen Wirtschaft und einheimischer wirtschaftlicher Strukturen für das Entwicklungsland Vorrang. Solche sollten aber von einer beginnenden eigenen mittelständischen Unternehmerschicht getragen werden, um die einheimischen Ressourcen zu entwickeln und dorthin Kapital zu lenken. Wie bei allen Konzentrationsvorgängen in der Wirtschaft herrscht auch bei den Multis die Tendenz, die Marktsituation zu ihren Gunsten auszunützen und sich monopolistische Vorteile zu verschaffen. Insoferne gilt gegen diese Gefahr der Hinweis auf marktkonformes Gegensteuern. Nur kann dies selten von der Regierung insbesondere eines Entwicklungslandes allein geleistet werden. Damit ist die ordnungspolitische Frage an die internationale Gemeinschaft und ihre gesellschaftlichen Kräfte weitergegeben, die es zu mobilisieren gilt, ohne eben die wirtschaftliche Freiheit selbst abschaffen zu wollen. 108 Vgl. Wolfgang Däubler, Multinationale Konzerne und kollektives Arbeitsrecht - Kontrolle durch gewerkschaftliche Gegenrnacht? in: Wolfgang Däubler, Karl Wohlmuth (Hrsg.), a.a.O., 201-236. 109 Über die Rolle der Gewerkschaften vgl. OUo W. Matzke, Entwicklungspolitik als gesamtgesellschaftliche Aufgabe - Eigeninteressen und internationale Verpflichtung, in: Klaus von Bismarck und Hans Maier (Hrsg.), a.a.O., (219-234), insbesondere 225 ff. 110 Vgl. Raphael Kaplinsky (Ed.), Readings on the Multinational Corporation in Kenya, Nairobi 1978, insbesondere 20 f.

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

Der Aufbau einer internationalen Wirtschaftsgesellschaft ist nicht nur zur Kontrolle der Multis bedeutsam, sondern überhaupt zum Funktionieren der wirtschaftlichen Kooperation und wo diese, wie im Falle der Entwicklungspolitik, erst im Anfang steht, eine Grundaufgabe der Entwicklungshilfe. Die in Entwicklungsländern fehlenden Substrukturen - in einem allgemein gesellschaftlichen Verständnis, nicht nur rein organisatorisch-materiell!können nicht zuerst und allein von oben geschaffen werden, sondern bedürfen der privaten Initiative, vor allem der gesellschaftlichen Gruppen und Verbände nach dem Subsidiaritätsprinzip und in Solidarität untereinander. So ist zu hoffen, daß sich auch der für wirtschaftliche Entwicklung entscheidende Mittelstand in den Entwicklungsländern entfaltet. 4. Das Ernährungsproblem:

Ein Brennpunkt richtig angebrachter Entwicklungshilfe ist die Ernährungssicherheit des ländlichen Raumes und der Landwirtschaft in diesen Ländern selbst. Nahrungshilfe aus den Industrieländern ist nur kurzfristig und im Katastrophenfall angebracht. Die Lebensmittelversorgung sollte möglichst aus den eigenen Ressourcen der Entwicklungsländer erfolgen. Das bedeutet aber eine entsprechende Agrarpolitik, die der ländlichen Bevölkerung Einkommensmöglichkeiten aus ihrer Produktion gibt und damit auch Beschäftigung als Gegenmaßnahme zum Abwandern in die Städte. Der Absatz von Überproduktion aus der Landwirtschaft der Industrieländer und entsprechender Protektionismus nach außen hemmt allerdings den Aufbau einer lebensfähigen Agrarwirtschaft in den Entwicklungsländern. Andererseits sind die traditionellen Monokulturen in den Entwicklungsländern im Bereich der Kolonialwaren vielfach an der schlechten Lage der Landwirtschaft dort mitschuldig. Im Bereich der agrarischen Entwicklung gibt es an sich eine Reihe positiver Erfahrungen und Wege der Entwicklungshilfe seitens der Industrieländer von der Bereitstellung besseren Saatsguts bis zur Umstellung der traditionellen Produktionsformen auf höhere Erträge und die bessere Nutzung der natürlichen Ressourcen, zum Beispiel durch Flußregulierungen und Bewässerungssysteme. Auch hier ist die Entwicklung der Verhältnisse im Agrarbereich wesentlich abhängig vom Mentalitätswandel in der Bevölkerung und entsprechenden Schulungs- und Bildungsvorgängen. Die Kombination von Programmen mit Assistenz von Beratern und Beispielsetzung vor Ort hat sich bewährt. In Indien zum Beispiel wurden sogenannte Musterdörfer entwickelt.!!! Mit einer gewissen Berechtigung kann man sogar allenthalben von einer .Grünen Revolution" sprechen. 111 Erwähnt sei die Basisarbeit an der .grünen Revolution" neuestens in Afrika von Norman Borlaug, dem amerikanischen Nobel-Preisträger, für die Züchtung von

3.4. Die Entwicklung der Völker durch eine integrale Entwicklungspolitik 197

Selbst im von Hunger schwer bedrohten Afrika ist das vorhandene Agrarpotential mit den gegenwärtigen Mitteln nur zum geringeren Teil ausgenützt. Außer immer neuen Deklarationen und Plänen in diese Richtung ist in Afrika bis heute aber wenig geschehen. Während in anderen Teilen der Dritten Welt, zum Beispiel in Indien,112 schon gute Erfolge erzielt werden konnten, ist besonders in Afrika die Agrarpolitik in einer Reihe von Ländern kaum effizient und erreicht vor allem nicht die Bevölkerung an der Basis. Positive Beispiele bieten hingegen etwa Botswana, Kenia, Senegal, Togo und Zimbabwe. Theoretisch könnten fast überall in Afrika genügend Nahrungsmittel produziert werden, wenn das Vermögen in der Bevölkerung und der Wille in der politischen Führung zur praktischen Umsetzung ausreichten. I 13 Die besondere Verantwortung der politischen Kräfte zeigt sich bei der Durchsetzung von Bodenreformen, die in vielen Entwicklungsländern eine Schlüsselbedeutung zur Problemlösung haben. Selbst wo sie sozialpolitisch richtig angegangen werden, scheitern sie oft an organisatorischer Schwäche der Administration. Die Nationalisierung der Landwirtschaft, die nach sozialistischem Modell auch versucht worden ist, zum Beispiel in Tansania und Angola, hat in diesen Entwicklungsländern zumeist die Produktivität stark vermindert und die Einkommen der Bevölkerung noch sinken lassen, während Reprivatisierungen sich als erfolgreich erwiesen haben. 114 Dennoch haben aus konkreten Lagen heraus staatliche Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden ihre Berechtigung, und können ländliche Kooperativen wichtige Beiträge zur Landreform leisten. Nur sollten hierzu wirtschafts- und sozialpolitische Gründe nicht durch ideologische VoreinZwergweizen, der in Asien so erfolgreich eingesetzt wurde. Vgl. den Bericht The greening of the dark continent, in: The Economist, March 14, 1981,56. Eine genaue Analyse der landwirtschaftlichen Entwicklung im indischen Pandschab bietet die Studie von D. P. Chandhri and Ajit K. Dasgupta, Agriculture and the Development Process, Dover 1985. Danach hat dort die Agrarproduktion innerhalb von 30 Jahren um 300 Prozent zugenommen. 112 Vgl. den Bericht, Malthus defied, India's Lesson for Africa, in: The Economist, March 14, 1918, 16-19. 113 Vgl. James E. Austin, Nutrition Programs in the Third World, Cambridge 1981, insbesondere die Schlußfolgerungen, 31. 114 Es sei auf die Reformen zur Privatisierung in der Landwirtschaft in der Volksrepublik China nach der Periode der Kulturrevolution hingewiesen. Zwei Landreformen in Sri Lanka in den siebziger Jahren haben dort weite Plantagengebiete (insbesondere Teeplantagen) aus ausländischem Besitz nationalisiert. Kein Entwicklungsland mit Plantagenwirtschaft, mit Ausnahme Kubas, hat so stark in die Besitzverhältnisse an Grund und Boden eingegriffen. Der wirtschaftliche Mißerfolg der Nationalisierung war hier noch politisch durch Übergreifen des Rassismus auf die Plantagenarbeiter vertieft worden, so daß unter der mehr konservativen Regierung heute und unter Einflußnahme der Weltbank die Privatisierung wieder betrieben wird. Vgl. einen Bericht in: Voice of the Voiceless, Bulletin of the Coordinating Secretariat for Plantation Areas, No. 28, March 1981, The Privatization of Estates.

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

genommenheit ersetzt werden. die zumeist europäischen Ursprungs ist. Man könnte von einem .ideologischen Kolonialismus· sprechen. wenn statt Entwicklungshilfe liberalistisches oder sozialistisches Gedankengut den Entwicklungsländern angeboten wird. Aus der Wirtschaftsgeschichte der Industrieländer liegen nun schon durchaus vergleichbare Erfahrungen zur Agrarpolitik in den Entwicklungsländern vor. Die Reformen im ländlichen Raum dürften nicht isoliert erfolgen. sondern müßten neben der Erschließung der vorhandenen Ressourcen aus dem Ackerboden auch die Ausstattung mit entsprechendem Gerät. also Kapital. erfassen und auch die Qualität des Produktionsfaktors Arbeit über die reine Landarbeit hinaus in den Dörfern anheben. um einen allgemeinen wirtschaftlichen Aufstieg im Dorf einschließlich Arbeitsplätzen dort zu erreichen. All dies kann nicht durch Abkoppelung etwa nach der Dependenztheorie. nicht durch prinzipielle Verstaatlichung von Grund und Boden. sondern nur durch internationale Kooperation und Hilfe zur Selbsthilfe erreicht werden. Erst dann können sich die innovatorischen Kräfte in der Landwirtschaft der Dritten Welt durchsetzen. Da die Reform beim Menschen ansetzt. braucht es auch viel Geduld und harte Arbeit. die durch Programme allein nicht ersetzt werden können. Auch umfassende Weltprogramme für Entwicklung. wie der Bericht der BrandtKommission aus 1983. 115 befassen sich ausführlich mit Ernährungshilfe. 116 die sie notwendig ergänzt sehen durch Schaffung neuer nationaler und internationaler Strukturen. Ein Unterschied in diesen Programmen und Appellen liegt nur in der Betonung der Mittel zur Durchsetzung. Oben erwähnter Bericht nennt an erster Stelle nationale Ernährungsstrategien in den Entwicklungsländern. bei denen die internationale Entwicklungshilfe anzuknüpfen hätte. 117 wobei in erster Linie an die internationalen Organisationen wie die Weltbank und staatliche Einrichtungen gedacht zu sein scheint. Damit wird in diesem Programm doch eine mehr dirigistische Lösung angestrebt. Ernährungssicherheit ist heute ein Ziel weltweiter Agrar- und Wirtschaftspolitik. Sie kann auf kürzere Dauer mittels Transfers und Umverteilung von Kaufkraft und Ressourcen durch die Regierungen erreicht werden. also mittels Entwicklungshilfe. Sie kann aber langfristig nur durch BeseitiCommon Crisis North-South: Cooperation for world recovery. London 1983. Nahrungshilfe mit Lebensmittelüberschüssen aus anderen Ländern. insbesondere Industrieländern. kann auch nachteilige Folgen für den Selbstversorgungswillen der von Hunger betroffenen Länder und ihre Bauern haben oder zur für die eigene Landwirtschaft falschen Agrarmarktordnung durch die Regierung. Diese Fehler sind aber auch durchaus vermeidbar. wenn sie als solche erkannt und bekämpft werden. Vgl. Hans Singer. John Wood and Tony Jennings. FoodAid. The Challenge and the Opportunity, Oxford 1987. 117 a.a.o., 130 ff. 115

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3.4. Die Entwicklung der Völker durch eine integrale Entwicklungspolitik 199

gung der Armut in den Entwicklungsländern erreicht werden, also durch Wirtschaftswachstum dort selbst und gleichzeitiger gerechter Nutzenverteilung aus diesem Wachstum auf die Bevölkerung.• Die Ziele ,Beseitigung der Armut' und ,Erreichung einer Ernährungssicherheit' decken sich daher weitgehend·, faßt ein Report der Weltbank aus 1986 zusammen. 118 Mit der ausreichenden Ernährung ist eine Schlüsselfrage der Entwicklung gelöst, aber auch ein menschenwürdiges Leben für viele erreicht. Dies ist also ein Bewährungsfeld allseitiger internationaler Solidarität beginnend an der Basis nach allgemeingültigen Sozialprinzipien. 119 So haben die Staaten, die Ernährungshilfe für die Dritte Welt leisten können und sollen, einen ernsten Prüfstein ihrer Solidarität darin zu sehen, ob sie bereit sind, die Interessen ihrer eigenen Bauern an Exportsubventionen den Interessen der Landwirtschaft in der Dritten Welt unterzuordnen. 5. Das UmweltprobJem:

In den Industrieländern ist seit den siebziger Jahren vor allem ein Bewußtseinswandel vor sich gegangen, was die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts und den Umweltschutz betrifft. Die Kostenseite des Problems ist erkannt worden und das sogenannte Verursacherprinzip grundsätzlich anerkannt, daß nämlich zuerst über den Preis die Kosten des Umweltschutzes getragen werden müssen und erst in zweiter Linie durch die Allgemeinheit oder den Steuerzahler. Viele heute knapper werdende Güter und Ressourcen, wie Luft und Wasser, sind nur globale, letztlich von der Menschheit zu erhalten, Verursacher von Schäden aber oft nur schwer feststell bar oder zur Verantwortung zu ziehen. Umweltschädigungen sind zwar vielfach von grenzüberschreitender Wirkung auf die ganze Erde hin, ihre Verhinderung oder Behebung ist aber vielfach nationale Aufgabe geblieben und in vielen Staaten noch gar nicht ernstlich in Angriff genommen. Dieses Fehlen oder Versagen von Umweltpolitik trifft heute besonders noch auf viele Entwicklungsländer zu. Ähnlich wie in früheren Zivilisationen wirtschaftlicher Raubbau zum Beispiel zur Abholzung weiter Landstriche oder zu Bodenerosion führen konnte und zum dauernden Verlust von Lebensraum, erleben wir solche Vorgänge in sehr sensiblen landwirtschaftlich genützten Zonen etwa Afrikas oder Lateinamerikas und Asiens (Sahelgebiet, äquatorialer Urwald). Auslösend ist oft die Bevölkerungszunahme, die dann die Vermehrung der alten Bewirtschaftungsformen wie Brandrodung des Urwalds oder Bewei118 Shlomo Reutliger, Ensuring Food Security in the Developing W orId: Issues and Options, New York 1986. 119 Vgl. den Prinzipienteil in Bd. 1,17 ff.

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

dung der Steppe nicht ohne Verlust des ökologischen Gleichgewichts zuläßt. Im ersten Beispielsfall sind die Böden der abgeholzten Urwälder der Erosion durch die Tropenregen schutzlos ausgesetzt, im zweiteren Fall schreitet die Versteppung voran und verschärft sich die Trockenheit. Kurzfristiges Profitdenken, Ausspielen des Kostenvorteils auf dem Weltmarkt ist eine weitere schwere Versuchung sowohl der Privatwirtschaft als auch der Regierungen in den Entwicklungsländern bei Gütern der Primärproduktion als auch bei der Wahl industrieller Anlagen und ihrer Errichtung ohne Rücksicht auf Umweltbelastungen. Hinzu kommen die Belastungen von landwirtschaftlichen Monokulturen. Hohe Rentabilität innerhalb kurzer Zeit liegt im Interesse ausländischer Investoren wie ebenso im Interesse von Regierungen, die ehrgeizige Entwicklungsvorhaben durchsetzen wollen. Die wichtigste Unterlage zum Problemkreis .Umwelt und Entwicklung" wurde 1987 von der Weltkommission der OVN unter Leitung von Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, Norwegen, mit dem Titel Our Common Future herausgegeben. 120 Danach ist Armut die Hauptursache der Umweltverschlechterung in vielen Entwicklungsländern. Wie können wir aber von den in bitterer Armut Lebenden und um ihr Überleben Kämpfenden verlangen, sie sollen ihre Umwelt schützen? Jedes Jahr gehen zwanzig Millionen Hektar an tropischen Wäldern zugrunde, eine halbe bis eine Million von Arten von Lebewesen würden in den nächsten zwei Jahrzehnten bereits ausgestorben sein. Dieser Verlust trifft aber letztlich alle Nationen, ist schicksalhaft für alle. In der Verantwortung vor den künftigen Generationen trifft die Aufgabe für Reformen die Politik von heute. Das Problem ist nur lösbar durch politische Reformen, die alles vorhandene Wissen und alle Ressourcen voll nützen, wenn alle Staaten dabei zusammenarbeiten und ihren Beitrag leisten. Dabei muß dem Wirtschaftswachstum der Entwicklungsländer Vorrang gegeben werden, um ihre Bedingungen zu verbessern, aber unter gleichzeitigem Schutz ihrer Umwelt. Das derzeitige Ungleichgewicht zwischen den armen und den reichen Ländern wird daran zum Beispiel deutlich, daß der Durchschnittsbürger in den Industrieländern zehnmal so viel an fossilen und mineralischen Brennstoffen verbraucht als der in den Entwicklungsländern. Dieser Ausgangspunkt verteilt die Gewichte solidarischer Beiträge zum Umweltschutz einfach verschieden bei multilateralen Maßnahmen wie einem Weltfonds und weltweiten Umweltschutzplanungen und deren Finanzierung. Dazu gibt es u. a. den Vorschlag, Geld aus der Rüstung in den Umweltschutz umzuleiten. Verschrnutzung der Umwelt zu verhindern ist natürlich kostengünstiger als schon entstandene Schäden zu reparieren. Diese Devise muß vor allem in 120

Oxford 1987.

3.4. Die Entwicklung der Völker durch eine integrale Entwicklungspolitik 201

die breiten Schichten der Bevölkerung getragen werden. Hier liegt eine wichtige Aufgabe bei der Gesellschaft selbst und bei Bewegungen zum Schutz der Umwelt an der Basis bis zur weltweiten Zusammenarbeit in den Industrieländern und Entwicklungsländern gleichermaßen. So ist jeder Mensch letztlich in seinem kleinen lokalen Bereich zur Pflege der Umwelt aufgerufen. Nicht zuletzt wird die Basis zur Umwelterziehung für morgen in den Familien gelegt werden. So wird die Bedeutung der Frau insbesondere für die Rettung der Umwelt im Weltbevölkerungsbericht 1988 (The State of World Population) hervorgehoben; in der Dritten Welt komme ihr geradezu die Aufgabe eines .Managers der Ressourcen", also auch derer der Umwelt zu!

6. Multilaterale Entwicklungshilfe:

Abschließend sei auf ein Beispiel multilateraler Entwicklungshilfe auf Regierungsebene verwiesen, das entwicklungspolitisch sich insgesamt schon länger als nützlich erwiesen hat und auch die sich wandelnden Auffassungen über Entwicklungsförderung widerspiegelt, die Lome-Abkommen. Sie gehen auf die Errichtung eines Europäischen Entwicklungsfonds (EDF) 1957 durch die Europäische Gemeinschaft zurück. Nach dem Beitritt Großbritanniens 1973 zur Europäischen Gemeinschaft wurde der betroffene Staatenkreis in der Dritten Welt auf die afrikanischen, karibischen und pazifischen Länder ausgeweitet und mit ihnen in Lome, der Hauptstadt Togos, ein Vertrag unterzeichnet, der seitdem zweimal erneuert wurde. 1985, bei .Lome m", betrug die Zahl der unterzeichnenden AKP-Staaten schon 66. Der Schwerpunkt aller drei Abkommen liegt auf Handelspräferenzen, Entwicklungshilfe und Sonderfazilitäten, also auf Handel und Entwicklungshilfe und hier im besonderen auf Hilfe zur Stabilisierung der Exporterlöse (STABEX) und auf Hilfe zur Förderung des Bergbaues, also mineralischer Rohstoffe, wenn unverschuldete Produktionseinbußen eintreten sollten (SYSMIN). Letztere Hilfe wurde flexibel in Lome III so gestaltet, daß auch ein geordneter Kapazitätsabbau finanziert wird, wenn es die Strukturbereinigungen im Entwicklungsland verlangen sollten.\2\ Das Hauptmittel zur Exporterlösstabilisierung ist nicht die Preisfestsetzung der Rohstoffe und folgliehe Einnahmensicherung, die durch Rohstoff121 Strukturreformen bedeuten für reformwillige Regierungen in Entwicklungsländern oft innenpolitische Risiken, zum Beispiel die Erhöhung von Agrarpreisen oder die Verkleinerung des Staatsapparates, wenn Beamte entlassen werden müssen. Hier hat sich in den Industrieländern der Gedanke einer Partnerschaft zwischen Staaten entwickelt, wurde neben der traditionellen Projektförderung, die langfristig angelegt ist, das Instrument einer flexibel und rasch wirksamen Strukturhilfe für spezifische Reformen geschaffen.

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

abkommen allein aus Gründen von Überproduktion nicht halten können, sondern der Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit in den Entwicklungsländern selbst. So sollte die Entwicklungshilfe insgesamt mehr indirekte Wirkungen auslösen als durch Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen, nämlich lokale Fertigkeiten und Initiativen fördern, insbesondere in breiteren Bereichen der Wirtschaft, vor allem auch in der Landwirtschaft. Ziel ist die Erreichung eines selbsttragenden und eigenständigen Wachstums in den AKP-Staaten durch besondere Anstrengungen zur Förderung der ländlichen Entwicklung, zur Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung und zur Wiederbelebung und Steigerung der Agrarproduktion. 122 Diese im 1. Kapitel der Konvention von Lome III als Absichtserklärung gegebene Zielsetzung zeigt den Lernprozeß, den beide Seiten, Europäische Gemeinschaft und Entwicklungsländer, genommen haben, nämlich stärker die Sektorentwicklung und Stimulierung der eigenen Ressourcen zu betonen. 123 Dies entspricht der neuen Tendenz in der öffentlichen Entwicklungshilfe, wie sie heute von den Industrieländern allgemein formuliert wird, als .Hilfe zu Vorzugsbedingungen" auch benannt. Aus den schon längeren Erfahrungen wird getrachtet, die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe auf beiden Seiten, den Empfängern und den Gebern zu steigern, wobei in den Empfängerländern der lokalen Ressourcenmobilisierung größere Aufmerksamkeit geschenkt wird, damit die Hilfe die lokalen Anstrengungen nicht ersetzt, sondern ergänzt. 124 Langfristiges weltwirtschaftliches Denken kommt an der Realität der Erkenntnis von den relativen Kostenvorteilen, am Argument der Comparative Costs, nicht herum, das auch den Zielsetzungen der Entwicklungshilfe dienlich sein muß, soll das Ziel einer Integration der Entwicklungsländer in den Welthandel - das heißt doch letztlich ihre Entwicklung! - erreicht werden. Sicherlich bedeutet das auch Industrialisierung der Entwicklungsländer, wobei ja die Fehler in den Industrieländern von seinerzeit vermieden werden könnten. Aber auch die Industrieländer spüren dieses .Kosten-Argument", wenn sie sich durch Handelsbarrieren vor industrieller Konkurrenz der Schwellenländer oder vor Agrarimporten aus Entwicklungsländern protektionistisch absperren wollen, und ernten dann selbst Strukturprobleme und Wachstumseinbrüche. 125 122 Das bedeutet auch allgemein für Entwicklungshilfe den Abbau der Abhängigkeit von Monokulturen, die wirtschaftliche Diversifikation, Aufbau eigener Industrien und entsprechender Infrastrukturen in den Entwicklungsländern. 123 Vgl. Michael Blackwell, Lome III: die Suche nach größerer Effektivität, in: Finanzierung & Entwicklung, 3/1985,31-34. Man könnte im Schlagwort formulieren: Rohstoffpolitik allein genügt nicht! (Vgl. Manfred Tietzel, Internationale Rohstoffpolitik, Bonn 1977). 124 Vgl. den Bericht von Shahid Javed Burki, Anmerkung S. 5. 125 Vgl. die prinzipiell richtigen Überlegungen von Jürgen B. Donges, Re-appraisal

3.4. Die Entwicklung der Völker durch eine integrale Entwicklungspolitik 203

Entwicklungshilfe, soferne sie bei unmittelbarer Not - und diese ist bei Armut an der Grenze zum Existenzminimum immer gegeben! - gegeben wird, muß aus Solidarität mit den Armen in den Entwicklungsländern immer geleistet werden, ohne daß daran entwicklungspolitische Bedingungen geknüpft werden dürfen und ohne Rücksicht auf politische, wirtschaftliche oder soziale Probleme, wenn geholfen werden kann. Anders ist es bei längerfristiger Hilfe mit dem Ziel der Überwindung der Unterentwicklung. Hier sind Überlegungen und Bedingungen im Sinne wirtschaftlicher Effizienz und Rationalität angesichts der knappen Mittel durchaus am Platz. So wäre die Rückkehr zum Zinsverbot und rückwirkender, moralisch so begründeter allgemeiner Zinserlaß für die Schuldnerländer nicht nur ökonomisch unhaltbar, sondern auch ungerecht. Der gerechte Zins hat entgegen aller utopischer Erwartungen aus der Interpretation des falsch verstandenen mittelalterlichen Zinsverbots in der modernen Wirtschaft eine unersetzliche wirtschaftliche Funktion, die allerdings der sittlichen Ordnung bedarf. Nur wirtschaftliches Unverständnis könnte in Zinspolitik eine .Struktur der Sünde" erkennen, wie es auch in theologisch motivierten Vorschlägen gelegentlich vorkommt. In einer Gesamtsicht der Entwicklungshilfe unter dem Aspekt der Entwicklungspolitik mit Ziel einer handelspolitischen weltweiten Kooperation hat sich auch die Privatinitiative einzureihen, will sie mehr als punktuelle Soforthilfe für ganz beschränkte Kreise sein. So ist zum Beispiel der Vertrieb von Dritte-W elt-Produkten in eigenen Läden durch Selbsthilfegruppen, wie sie zum Beispiel von engagierten Kreisen in den Industrieländern gelegentlich betrieben wird, ökonomisch praktisch bedeutungslos, außer dem Einfluß auf die Meinungsbildung über Entwicklungshilfe. Anders kann sich das Engagement meinungsbildender großer Gemeinschaften in den Industrieländern zugunsten der Entwicklungsländer auswirken, zumal wenn sie über personelle Verbindungen dorthin verfügen und womöglich Einfluß auf die gesellschaftlichen und zumindest indirekt auch wirtschaftlichen Strukturen dort haben. Darunter fallen vor allem die Kirchen. Abschließend sei daher noch ein Abschnitt dem entwicklungspolitischen Wirken der katholischen Kirche gewidmet. 126

of Foreign Trade, Strategies for Industrial Development, in: Fritz Machlup, a.a.O., 279-301.

126 Vgl. Hans Zwiefelhofer, Neue Weltwirtschaftsordnung und katholische Soziallehre: Probleme der Weltwirtschaft aus christlicher und sozialer Sicht, München

1980.

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

3.5. Das entwicklungspolitische Wirken der katholischen Kirche

Hier kommt der normativ-ethische Aspekt der Entwicklungsproblematik voll zum Tragen, da es in Anwendung der Prinzipien der internationalen Ethik keine Frage für die Kirche gibt, daß es ein Gebot der internationalen sozialen Gerechtigkeit ist, den Welthandel mit entwicklungspolitischen Zielen zu verbinden. 127 Dazu hat die Tatsache beigetragen, daß die einstigen Missionsgebiete der in Europa einst starken Kirche heute die Mehrzahl schon der Mitglieder der katholischen Kirche beheimaten und die Hierarchie dort weitgehend von heimischen Bischöfen gebildet ist, die auch in der römischen Zentralverwaltung personell präsent sind. Das hat schon Pius XII. sofort nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 in die Wege geleitet. Die Kirche wurde vom Prozeß der Dekolonisierung nicht überrascht. Schon die Sozialenzyklika Johannes XXIII., Mater et magistra, hat einen guten Teil der "neuen sozialen Frage" der Entwicklungsländer aus der Erkenntnis gewidmet, daß es .eine der größten unserer Zeit gestellten Aufgaben ist. .. , zwischen den wirtschaftlich fortgeschrittenen und den wirtschaftlich noch in Entwicklung begriffenen Ländern die rechten Beziehungen herzustellen". 128 Außer Nothilfe wird die wissenschaftliche, technische und finanzielle Hilfe mit dem Ziel wirtschaftlichen und sozialen Aufstiegs der Entwicklungsländer verbunden und zwar unter Rücksicht auf die kulturelle Eigenart der einzelnen Völker und unter Absage an alle Formen des Kolonialismus und entsprechender früherer Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den Industrieländern. Schon in Mater et magistra setzt sich die Kirche auch für umfassende internationale Zusammenarbeit ein und für Multilateralität. Den wirtschaftlich reichen Ländern wird die Orientierung auf höhere sittliche Werte empfohlen entgegen einer rein auf äußeren Wohlstand gerichteten Lebenseinstellung. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in seiner Pastoralkonstitution Gaudium et spes (1965) die Thematik fortgesetzt und Papst Paul VI. mit seiner 1967 erschienenen Enzyklika Populorum progressio einen vielbeachteten Aufruf für Friede und Entwicklung der Völker gebracht. 129 In der Folge gibt 121 Der damalige Substitut im vatikanischen Staatssekretariat, Erzbischof Giovanni Benelli, sprach bei einem Vortrag vor den Teilnehmern des 41. Eucharistischen Weltkongresses in Philadelphia am 4.8.1976 zum Thema: Die Kirche und ihre weltumspannende Antwort auf den Hunger nach Freiheit und Gerechtigkeit. Er ging dabei von der kirchlichen Lehre zu den Begriffen Freiheit und Gerechtigkeit aus, um die entsprechenden Bestrebungen und Anspriiche der Entwicklungsländer zu rechtfertigen. (Vgl. Osservatore Romano, deutsche Ausgabe vom 26.11.1976). 128 Nr. 157. 129 Vgl. dazu die Kommentare von Johannes Messner, Herbert Schambeck und Rudolf Weiler in der Schriftenreihe Gesellschaft und Politik, Populorum Progressio, 1/1968,5-46.

3.5. Das entwicklungspolitische Wirken der katholischen Kirche

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es von der kirchlichen Autorität zahlreiche Interventionen und Lehräußerungen zur Frage der Entwicklungsländer und deren Probleme. Ein Dokument der Päpstlichen Kommission Iustitia et Pax zur internationalen Verschuldensproblematik aus 1986 behandelt diese Frage zum Beispiel sowohl moralisch wie auch sachkundig fundiert ausführlich. Ein letztes Dokument der Kirche schreibt die Entwicklungszyklika Papst Paul VI. aus 1967 zwanzig Jahre später fort. In seiner Enzyklika Sollicitudo rei socialis mit Datum vom 30. Dezember 1987 setzt Papst Johannes Paul II. seinen Akzent auf die eher enttäuschende und negative Entwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte in vielen Entwicklungsländern und ruft vor allem zu moralischen Anstrengungen auf. Internationale Solidarität als Lösung des Problems kommt auch aus politischem Willen, aber in Verbindung mit sachgerechten Lösungen, die beispielsweise ebenfalls erörtert werden. Die Kirche in den Industrieländern ist an der Entwicklungshilfe von privater Seite her auch praktisch sehr engagiert und nützt ihre Verbindungen in den Entwicklungsländern zur Basis, wo und insoweit es die Regierungen dieser Länder den kirchlichen Organisationen gestatten. Leider werden die Menschenrechte und damit auch die religiösen Freiheitsrechte in vielen Entwicklungsländern nicht genügend geachtet und ist die Lage der Kirche öfter sehr bedrängt, nicht selten durch ideologisch marxistisch ausgerichtete Regierungen. Auch die nationalen Episkopate von Industrieländern 130 haben sich des Themas Entwicklungshilfe besonders angenommen und kritisieren auch massiv - hier besonders 1986 der US-Hirtenbrief .Wirtschaftliche Gerechtigkeit für Alle"p31 - die Entwicklungspolitik der eigenen Regierung. Neben grundsätzlichen sittlichen Appellen und Aufrufen für internationale soziale Gerechtigkeit und für Nothilfe im einzelnen finden sich unter Anwendung der Prinzipien der Soziallehre der Kirche und unter Beachtung sachkompetenten Rates von Fachleuten eine Reihe von Vorschlägen zu EntWicklungspolitik und Entwicklungshilfe an die Industrieländer ebenso wie an die Entwicklungsländer gerichtet. Hinzu kommen internationale Kongreßveranstaltungen 132 zum Thema und Studien innerhalb der katholischen Soziallehre. 133 130 Für die BRD gibt es zwei Dokumentationen: Hans Zwiefelhofer, Entwicklung heißt Befreiung und Gerechtigkeit, München 1983, Stellungnahmen der katholischen Kirche in der BRD zur Dritten Welt und Entwicklungspolitik 1970 - 1980, Analyse und Dokumente. Ludwig Watzal, Die Entwicklungspolitik der katholischen Kirche in der BRD, München 1985, wobei hier der Schwerpunkt bei der Vorstellung der im Entwicklungsbereich tätigen katholischen Einrichtungen liegt: Misereor und Adveniat. 131 Vgl. die Sonderausgabe in der Zeitschrift .Die neue Ordnung" mit Einführung von Heinrich Basilius Streithofen, Bonn 1987. Dort, im Kapitel III, D. der Abschnitt "Die amerikanische Wirtschaft und die Entwicklungsländer", Nr. 251-294. 132 Als Beispiel sei der Kongreß in Rom 1985 genannt, .Kirche und Wirtschaft in

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

Die katholische Kirche versteht sich nicht als zuerst politische oder wirtschaftliche Kraft und hält an einer kritischen Distanz zu den das internationale Leben heute gestaltenden Mächten in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft fest, indem sie kraft des Verständnisses ihrer religiösen Eigenart als moralische Autorität auftritt!134 In dieser Kompetenz umfaßt ihre Sicht der • Zeichen der Zeit" auf der internationalen wie nationalen Ebene die tieferen Zusammenhänge der Ursachen, die herrschenden internationalen Ungerechtigkeiten und ebenso die Mittel zu ihrer Überwindung. Von diesem Kern prinzipieller theologischer und moralischer Betrachtung ist in Anwendung ihres Auftrags die Kirche im Bereich der Politik und Wirtschaft bedacht, die Zuständigkeit der unmittelbar und eigenständig dort tätigen Laien (als Glieder der Kirche, als Volk Gottes) zu betonen. 135 So kann es Richtungen und Strömungen bei der Umsetzung der Prinzipien geben, ohne daß die Einheit der Kirche leiden soll. Ein Wort für diese Lage ist das vom Dialog, den die Kirche mit den Kräften in Wirtschaft und Politik ebenso führt wie sie innerkirchlich den Dialog zur Anwendung ihrer Prinzipien o((enhält. 136 Das erlaubt ihr im Bild des Evangeliums vom Reich Gottes, .Sauerteig" zu sein inmitten der krisengeschüttelten Welt und das Licht des Evangeliums zu verbreiten, wozu sie auch ihr Beispiel und ihren direkten Lösungsbeitrag rechnet, aber auch eigene Unterlassung und eigene Schuld zu Zeiten zu bekennen nicht ansteht. Sie weiß der Verantwortung für die Zukunft der Weltwirtschaft", vgL Gerhard Fels (Hrsg.), a.a.o. \33 Hierher gehört auch die innerkirchliche Diskussion um die Befreiungstheologie, die in der Theologie in den Entwicklungsländern starke eigenständige Denkanstöße gebracht hat, ausgenommen radikaler Strömungen, die vom Lehramt der Kirche zurückgewiesen werden. VgL z. B. Lothar Roos und Jaime Valez Correa (Hrsg.), Befreiende Evangelisierung und Katholische Soziallehre in der Dritten Welt, Köln 1983. 134 Dabei stellt die Kirche grundlegend den Aspekt der Erlösung der Menschheit durch Christus heraus, Gottes heilsgeschichtliches Wirken, und insoferne die Berechtigung einer Theologie der Befreiung. VgL Rene Laurentin, Developpement et salut, Paris 1969. 135 Richtungweisend hat sich z. B. Johannes XXIII. in Pacem in terris 1963 dazu geäußert, wenn er die Gläubigen nach den Lehräußerungen zum internationalen Leben auffordert, am öffentlichen Leben teilzunehmen und mitzuwirken, .das Wohl der gesamten Menschheit und des eigenen Staates zu fördern ... im Lichte des christlichen Glaubens· (Nr. 146). Die lateinamerikanischen Bischöfe betrachten sich als Hirten, Lehrer und Priester der Kirche, berufen zur Evangelisierung, nicht zur Politik. So in ihrem Abschlußdokument der III. Vollversammlung in Puebla 1979 (vgL Nr. 281 ff.). Die Laien sehen sie berufen, die Soziallehre der Kirche mitzutragen (mit ihrer christlichen Erfahrung und ihrer beruflichen und wissenschaftlichen Kompetenz, vgL Nr. 473) und sie umzusetzen .zur Förderung der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls· (Nr. 793). \36 VgL dazu die Enzyklika Papst Paul VI. aus 1966, Ecclesiam suam.

3.5. Das entwicklungspolitische Wirken der katholischen Kirche

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sich in der Welt, aber nicht von der Welt, berufen und bevollmächtigt von ihrem göttlichen Stifter Jesus Christus. Das gibt rein politisch betrachtet der Kirche eine unabhängige Stimme im internationalen Leben, die doch ein gewisses sachlich fundiertes und moralisches Gewicht hat in der internationalen Öffentlichkeit, hinter der zwar eine von den Kernaussagen her ins Konkrete hin abnehmende Kompetenz stehen mag, die aber realpolitisch durch das davon inspirierte Engagement von christlichen Laien im öffentlichen Leben von großer Bedeutung sein kann. Der reale gesellschaftliche Ort kirchlichen Einflusses im internationalen Leben ist die internationale Gesellschaft und ihr Wirkungsbereich, neben und im politischen System, also die kulturell formenden katholischen sozialen Bewegungen. So waren es auch bei der sogenannten Arbeiterfrage der europäischen Industriegesellschaft die christlich-soziale Bewegung und die Katholische Aktion in Verbindung mit der Hierarchie und der kirchlichen Organisation von der Pfarre über die Bischöfe bis zum Bischof von Rom an der Spitze der Kirche, die neben der Lehre den Beitrag der Kirche zur Lösung konkret getragen haben. Insoferne ist der Beitrag der Kirche zur Sicherung internationaler sozialer Gerechtigkeit heute von einer über das Moralische hinausgehenden aktuellen gesellschaftlichen Bedeutung für die Welt, auch angesichts säkularistischer Tendenzen und selbst kirchenfeindlicher politischer Kräfte. Dieser Beitrag ist zwar regional von der zahlenmäßigen Stärke der Kirche mitbestimmt, ist international aber auf jeden Fall nicht unbedeutend. So weiß sich die Kirche .kraft ihrer Sendung und Natur", nach den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils, t 37 .an keine Form menschlicher Kultur und an kein besonderes politisches, wirtschaftliches oder gesellschaftliches System gebunden". Dennoch hat sie Ordnungsvorstellungen zur internationalen Wirtschaft und zur Entwicklung, die bis zu konkreten Vorschlägen reichen, ohne aber ein ideologisch geschlossenes System als den .Dritten Weg" zwischen konkurrierenden Wirtschaftsideologien oder Sozialsystemen oder politischen Programmvorschlägen von Staaten oder Staatengruppen wie eine fertige Lösung zu vertreten. In der Ideengeschichte ist hier immer die Auseinandersetzung der Kirche mit den liberal-kapitalistischen und den sozialistisch-marxistischen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Systemvorstellungen erfolgt, die sich mit dem Wandel der betreffenden Ideologien differenziert hat und zu verschiedenen Konfrontationen oder Annäherungen im politischen internationalen Leben, zu entsprechend orientierten Staaten und politischen Parteien auch geführt hat. Daraus ergibt sich eine distanzierte und zugleich kritisch engagierte Position der Kirche zur Frage der internationalen sozialen Gerechtigkeit. 137

Gaudium et spes, Nr. 42.

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

Im Kern vertritt die Kirche aus der universellen Sicht der internationalen Probleme l38 das Grundprinzip der Solidarität für die internationale Sozialund Wirtschaftsordnung und die grundlegenden Sozialprinzipien als Ordnungsrichtlinien zur Gestaltung derselben. Angesichts weltweiter Armut großer Teile der Menschheit besonders in den Bevölkerungen der Staaten der Dritten Welt folgt daraus ein besonderes Eintreten zur Lösung des Armutproblems als eines Gerechtigkeitsproblems. Diese Armut hat ungerechte Ursachen, ihre .Strukturen" sind Folge von Unrecht und daher von Sünde. Vor der Struktur- und Institutionenreform steht daher die Bekehrung der Menschen, das •Werk der Gerechtigkeit" ist zu tun aus der Kraft der Botschaft Christi. Insoferne versteht die Kirche ihre Sendung als eine der Erlösung und Befreiung vor aller rein politischen Interpretation dieser Begriffe. Insoferne ist der Ausdruck dieser Prioritätssetzung als •vorrangige Option für die Armut"139 noch kein zuerst politischer klassenbezogener Begriff, aber eine absolute Voraussetzung der Sicherung der Lebensrechte für jeden Menschen dieser Erde. Das bedeutet sein Recht auf Nahrung, Wohnung und Gesundheit und auf ein Minimum der Sicherung immaterieller Bedürfnisse wie Arbeit, Bildung und kultureller Entwicklung, auf die fundamentalen individuellen und sozialen Menschenrechte. Im Blick auf den Welthandel könnte man ethisch das Postulat aufstellen: .Das Reich Gottes ist nicht indifferent gegenüber den Welthandelspreisen!"140 Den Solidaritätsgedanken präzisiert auf die wirtschaftliche menschheitliche Gesellschaft Joseph Höffner l41 durch den Hinweis auf die Gemeinwidmung der Erdengüter,142 die nach dem traditionellen naturrechtlichen Selbstverständnis gegenüber jeder positiven Eigentumsordnung .in äußerster Not" nach Thomas von Aquin aufrecht bleibt. 143 Nach Paul VI. hat jeder Mensch das Recht, auf Erden das zu finden, •was er nötig hat ... Alle anderen Rechte, ganz gleich welche, auch das des Eigentums und des freien Tausches, sind diesem Grundsatz untergeordnet" .144 138 Vgl. Bd. 1, 26-42.

139 Vgl. das schon zitierte Abschlußdokument des lateinamerikanischen Episkopats von Puebla, Nr. 1134-1165! 140 So Johannes Müller in einem Artikel, Christliche Solidarität angesichts weltweiter Armut, in: Stimmen der Zeit, 3/1987, (171-176).171. 141 Die Weltwirtschaft im Lichte der katholischen Soziallehre, in: Gerhard Fels (Hrsg.), a.a.O., (48-62), 51 ff. 142 Im Jahre 1977 haUe z. B. auch die Päpstliche Kommission Iustitia et Pax in Rom ein Dokument über .Die weltweite Bestimmung der Güter" veröffentlicht. Aktueller Anlaß war die in New York damals tagende Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen. 143 Summa Theol. 11, 11, 66, 7 (in necessitate sunt omnia communia). 144 Populorum progressio, Nr. 22.

3.5. Das entwicklungspolitische Wirken der katholischen Kirche

209

Weiters beruft sich Höffner auf die Tradition der Kirche seit den frühen Jahrhunderten ihrer Geschichte bis heute, daß im internationalen Handel brüderliche Zusammenarbeit der Völker vor dem Eigennutz gehe . •Die weltwirtschaftliche Verbundenheit" sei .das Band der Einheit unter den Völkern", Schließlich sieht Höffner die Weltwirtschaft .im Dienste der Freiheit", ist doch das menschliche Handeln auch im weltwirtschaftlichen Prozeß keine Automatik, sondern ein rationales Handeln, zwar nach Sachzielen, die aber im Dienste der Schaffung von Voraussetzungen für eine menschenwürdige Entfaltung stünden. Die richtige Grundform der Wirtschaftsordnung sei damit für die katholische Soziallehre die Marktwirtschaft. Diese so beschriebene Solidarität führt nun zu einer Reihe von Solidaritätspflichten, die heute angesichts der Weltlage ins Bewußtsein treten. Diese betreffen im einzelnen sowohl politische Entscheidungen wie auch weltwirtschaftliche Maßnahmen. Höffner lehnt zwar den Dirigismus ab, beruft sich dazu auch auf weltweite Erfahrungen, verlangt aber in der marktwirtschaftlichen Kooperation weltweite Hilfsmaßnahmen in deutlicher Anspielung an die Lehren von der .sozialen Marktwirtschaft". Er gibt als pflichtige Ziele dieses. weltweiten Helfens· konkreter werdend an: Ausweitung des Handels mit der Dritten Welt, Abbau von Protektionismus der Industrieländer gegen Importe aus der Dritten Welt, Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Arbeitspolitik in internationaler Kooperation und Planung, Entwicklung der Landwirtschaft unter anderem durch Agrarreform in den Entwicklungsländern (selbst unter Verzicht der Besitzer auf Entschädigung, wenn es nötig erscheint!), drastische Senkung der Rüstungsausgaben, Entwicklungshilfe auch unter schweren Opfern aller, die (auch in den Entwicklungsländern!) über die Mittel dazu verfügen und die richtige Plazierung der wirtschaftlichen Entwicklungshilfe zur Bekämpfung der Verelendung. Entwicklungshilfe darf für die Industrieländer aber nicht Anlaß sein, in den Entwicklungsländern .Herrschaftsansprüche" durchzusetzen, sie muß uneigennützig gewährt werden. Auch die amerikanischen Bischöfe behandeln ähnlich im internationalen Teil ihres Hirtenworts zu wirtschaftlicher Gerechtigkeit 145 die moralischen Grundsätze und in der Anwendung derselben die näheren Pflichten, insbesondere dabei die Rolle der Vereinigten Staaten in der Welt, wobei sie nicht mit Kritik an der Entwicklungshilfe und Handelspolitik der USA sparen, da sie nicht den ethischen Normen nach Umfang und Prioritätensetzung genügen würden und den Rechten der Entwicklungsländer nicht entsprächen. Sie verweisen auf das Schuldenproblem der Entwicklungsländer, kritisieren hier auch den Internationalen Währungsfonds und setzen sich für Hilfsmaßnahmen ein bis zur Streichung von Schulden. Das Ernährungsproblem der Welt wird in Verbindung mit der Landwirtschaft in den USA betrachtet. Die für 145

a.a.O., Nr. 261 ff.

14 Weiler 11

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

die entsprechenden weltwirtschaftlichen Veränderungen und sozialen Reformen nötigen Geldmitteln und der Beitrag der USA dazu werden vom politischen Willen abhängig gesehen, damit sie für diese internationalen Zielsetzungen frei gemacht werden können, bzw. von anderen Zielen (Verteidigungshaushalt!) umgeleitet würden. Nicht eine Abkehr vom wirtschaftlichen rationalen Denken und eine grundlegende Änderung des bestehenden weltwirtschaftlichen Instrumentariums wird verlangt, sondern die Weltwirtschaft wird hier in eine ethische Rahmenordnung gestellt, um den Forderungen wirtschaftlicher Gerechtigkeit zu entsprechen. Die katholische Weltkirche versteht sich also als eine unabhängige mahnende Stimme des Weltgewissens für wirtschaftliche Gerechtigkeit, die neben Grundsätzen und sittlich-rechtlicher Inspiration auch unter Einbeziehung der Sachargumente wirtschaftliche Richtigkeit mit moralischen Pflichten in Verbindung bringt und sich um Wege aus der Not für die Menschheit im Einsatz für die Armen bemüht. 146 3.6. Entwicklungspolitische Prinzipien und Richtlinien Abschließend sei zur Zusammenfassung obiger analytischer und sozialethischer Überlegungen versucht, entwicklungspolitische Prinzipien und Richtlinien herauszuarbeiten. Ausgangspunkt ist die These, daß Entwicklungspolitik zielkonform mit Welthandelspolitik zu sehen ist. Die Rahmenbedingungen des Welthandels bedürfen angesichts der gegebenen Disparitäten von Staaten auf verschiedenen Entwicklungsstufen unter dem Ziel einer weltweiten solidarischen Entwicklung der Völker einer marktkonformen, aber sozialgerechten Politik. Diese Entwicklungspolitik ist nur durch Zusammenarbeit unter diesem gemeinsamen Ziel zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern möglich und bedeutet Pflichten und Rechte beider Seiten. Entwicklungshilfe ergänzt die entwicklungspolitischen Rahmenbedingungen durch internationale Sozialpolitik der Industrieländer im Rahmen der wirtschaftlichen Kooperation, aber als Hilfeleistung aus Solidarität mit den sozial Schwachen zur Selbsthilfe dieser und unter dem Gebot optimalen Einsatzes dieser Hilfe. Dies bedeutet wieder einen kooperativen Beitrag der Entwicklungsländer zur optimalen Verwendung der von den Industrieländern zu ihnen transferierten Mittel. Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe im Rahmen des Welthandels als eines offenen Systems sind nur auf dem Boden wirtschaftlicher Rationalität und in Kooperation möglich. Ideologische Systemvorstellungen können den Weltmarkt nicht ersetzen. Es geht um eine soziale Reform der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen aus wirtschaftlicher Vernunft und 146

Vgl. Papst Johannes XXXIII., Mater et magistra, Nr. 171-174.

3.6. Entwicklungspolitische Prinzipien und Richtlinien

211

sittlicher Verantwortung. Der Welthandel bedarf aber einer gemeinsam getragenen Rahmenordnung, um die Sachfragen im einzelnen lösen zu können. Diese Ordnung kann nicht aus dem Diktat einer Ideologie oder politischen Machtkonstellation im Sinne einer .geschlossenen Weltwirtschaft" kommen, sie kommt auch nicht durch einen dialektischen gesellschaftlichen Prozeß, etwa durch .Abkoppelung" oder auch nicht durch eine .unsichtbare Hand" hinter den wirtschaftlichen Marktkräften. Wie es keine Patentrezepte für Entwicklungspolitik gibt, gibt es auch keine einseitigen Schuldzuweisungen auf wirtschaftliche Akteure wie die transnationalen Gesellschaften, die ökonomisch gar nicht auf dieser Entwicklungsstufe des Welthandels ersetzbar sind. Gerade der Verlauf der letzten Konferenz der Vereinten Nationen für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD VII) zeigt, daß auch die Entwieklungsländer die ökonomischen Realitäten immer mehr anerkennen, um zu einer weltweiten Entwicklungspolitik zu kommen, statt auf einer papierenen Weltwirtschaftsordnung zu beharren, die nur zur Folge hatte, daß sich das weltwirtschaftliehe politische Geschehen immer mehr nur auf die funktionierenden internationalen Mechanismen wie das GATI verlagerte. Hinter den strukturellen und organisatorischen Fragen dürfen im Blick auf die historischen und sozialen Ursachen der Unterentwicklung nicht neben der konkreten Situation der verschiedenen Entwicklungsländer die sittlichen Ursachen und Probleme bei der Lösung der Fragen außer acht gelassen werden. Auch diese sind international verflochten, endogener und exogener Natur, lassen einseitige Schuldzuweisungen ebenso wenig zu wie andererseits die betroffenen Länder zur Selbsthilfe im internationalen Kontext gerufen sind. Diese Sicht der Wurzeln von Unterentwicklung rückt neben der wirtschaftlichen Entwicklungshilfe und Entwicklungspolitik den Anteil von Maßnahmen in den Vordergrund, die zwar auch finanzielle und wirtschaftliche Komponenten haben, wo aber die außerökonomischen Akzente dominieren, wie bei der Bildungshilfe. Doch wie bei allem menschlichen Handeln spielen auch hier - mit wechselndem Schwerpunkt zwar - die Gesinnung und die Bereitschaft aller Betroffenen zur Hilfe, nationale und internationale Institutionen und organisatorische Einrichtungen und die natürlichen Kommunikationsebenen wie der Handel im Gesamt des kulturellen gesellschaftlichen Austausches eine Rolle. Insoferne ist auch Entwicklung ein normativer und operationaler Begriff, ein im Wesen von Mensch und (internationaler) Gesellschaft wurzelnder Begriff ebenso wie eine Strategie. Für den Sozialethiker steht daher am Anfang einer Entwicklungspolitik die Einheit der Menschheit, die Gleichheit aller Menschen ihrer Würde und Bestimmung nach. Folglich verlangt umfassende und allseitig gerechte Entwicklung der Völker das Gemeinwohl der Welt als eine ebenso rechtlich-inhaltliche Wirklichkeit wie als quantitatives Verteilungsproblem. Die ent14'

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

scheidenden Gesetze der internationalen Kooperation zum Zwecke des Gemeinwohls sind das Gemeinwohlprinzip als oberste Sozialnorm in der Weltgesellschaft und das Prinzip der Subsidiarität als Gesetz der Erreichung des Gemeinwohls mit dem Vorrang der Selbsthilfe und der Pflicht zur Solidarität, der Hilfe von oben im gegebenen Fall. Das Gemeinwohl bedeutet weiters den Frieden in internationaler Sicherheit, Wohlfahrt und Gerechtigkeit. Das Weltgemeinwohl ist heute zur entscheidenden Friedensfrage geworden. 147 Damit sind alle Konzepte von Entwicklung und Entwicklungspolitik mehr als eine Strategie von einem Interessendenken und einem Standpunkt her, sei es aus den Erfahrungen der entwickelten Länder und ihrer Zielvorstellungen, seien es nationale Entwicklungspläne und Systemvorstellungen aus Entwicklungsländern, seien es im internationalen Raum wirkende Organisationen in ihrer Eigenpragmatik. Über die entwicklungspolitischen Ziele muß zwar Übereinstimmung erzielt werden, das verlangt schon das Gefüge internationaler Organisation und Politik. Eine ideologische Einigung im Wertebereich des Weltgemeinwohls ist sicher nicht in Sicht, ebenso nicht im institutionellen Rahmen einer einheitlichen Weltpolitik. Dennoch sollte eine entwicklungspolitische Übereinkunft im Rahmen politischer weltweiter Verantwortung zu einem Minimalkonsens möglich sein 148 unter Beachtung der Überlebensnotwendigkeiten der Menschheit und dem fortschreitenden Rechtsbewußtsein im Zeitalter der universellen Menschenrechte und verbündet mit dem öffentlichen Bewußtsein dieser Menschheit und den geistigen Kräften als Stimme derselben. 149 147 Das kann nicht heißen, zuerst müsse man weltweiten Wohlstand erreicht haben, dann käme der Friede. So lange kann die Menschheit gar nicht warten, will sie überleben! Friede ist nicht erst oder bloß paxoeconomica, sondern Friede im umfassenden Sinn und das ist vor allem Friede für die Armen, ist Kampf gegen Hunger und Not. Ivan Illich hat hier einen wahren Kern ausgedrückt, wenn er das Streben der Kirche im Mittelalter zum Beispiel für diesen Kampf nimmt: es ging nicht nur um Friedfertigkeit zwischen den bewaffneten Rittern, sondern um Schutz vor Krieg und das Auskommen mit dem Lebensnotwendigen für das einfache Volk. Vgl. Ivan Illich, The linking of Peace and Development, in: International peace research newsletter, Vol. XIX, No. 1, Feb. 1981, 12 f. Vgl. dazu MarkA. Lutz, BeyondEconomics and Philosophy, a.a.O. 91-120. 148 Das erfordert eine pragmatische Orientierung bei aller Grundsätzlichkeit in der Anwendung der harten ökonomischen Gesetzmäßigkeiten im Rahmen des menschlich Möglichen. Mit einem ökonomischen Rigorismus von oben kann den Entwicklungsländern nicht allein geholfen werden. Vgl. dazu die Darstellungen eines in der Entwicklungspolitik sehr erfahrenen Experten und derzeitigen Direktors der London School of Economics, I. G. Patel, Essays in Economic Policy and Economic Growth, London 1987. 149 Vgl. dazu die Abschnitte im 1. Bd. unter 2.2. und 2.3., 25 ff. Dort werden u. a. die Religion und die Kirchen als Träger internationaler Sittlichkeit angesprochen (52 ff.).

3.6. Entwicklungspolitische Prinzipien und Richtlinien

213

Diese Übereinkunft führt zu einer Abstimmung der entwicklungspolitischen Ziele, ohne einer Entwicklungstheorie den Vorrang zu geben. Ohne wirtschaftliches Wachstum geht es nicht. Dazu ist Produktivität notwendig, von Arbeit ebenso wie von Kapital, daran ändert auch nichts der höherrangige Wert menschlicher Arbeit. Gerechtigkeit durch Überwindung der Armut ist nicht zuerst eine Verteilungsfrage, sondern eine Frage des Willens zum Teilen der bessergestellten Völker ebenso wie des Wandels der strukturellen Voraussetzungen, die aber nicht allein aus Geschehen von Unrecht erwachsen sein müssen. Auch das Konzept der basic needs ist kein Verteilungsprogramm und insoferne Gerechtigkeit aus Gleichheit, vielmehr ein Sozialprogramm zur Sicherung des Lebensminimums weltweit. Und damit, nach den drei entwicklungspolitischen Zielen von Wachstum, Arbeit, Gleichheit/Gerechtigkeit, folgen die zwei mehr geistigen Zielvorgaben des .magischen Fünfecks", die Partizipation und Unabhängigkeit (selfreliance), die durchaus auch nach der traditionellen Naturrechtslehre als Mitbestimmung und Subsidiarität aufgefaßt werden können. Unter Hinweis auf diese sozial philosophischen Voraussetzungen, die im Ansatz der Begründung gar nicht sozialwissenschaftlich übernommen werden müssen. Soferne sie als Wertrahmen nur als .Setzungen" theoretisch und diskursiv aus Erfahrung gewonnen angenommen werden, kann der Ethiker für den vor allem wirtschaftlichen Bereich der Definition von Entwicklung von Dieter Nohlen und Franz Nuscheler l50 voll zustimmen: Entwicklung ist .die eigenständige Entfaltung der Produktivkräfte zur Versorgung der gesamten Gesellschaft mit lebensnotwendigen materiellen sowie lebenswerten kulturellen Gütern und Dienstleistungen im Rahmen einer sozialen und politischen Ordnung, die allen Gesellschaftsgliedern Chancengleichheit gewährt, sie an politischen Entscheidungen mitwirken und am gemeinsam erarbeiteten materiellen Wohlstand teilhaben läßt". Der Sozialethiker würde die soziale Kategorie des Gemeinwohls hier noch einfügen und von weltweit verwirklichter Gerechtigkeit für alle und jeden Menschen sprechen. 151 3.6.1. Die Bildung der öffentlichen Meinung für eine sittliche, verantwortliche Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe

Für die öffentliche Meinungsbildung ist Voraussetzung ein einheitliches Konzept von Entwicklungspolitik, das argumentativ unterbaut und konsensfähig ist. Dazu ist die sittliche Motivenbildung ebenso wichtig wie eine Was heißt Entwicklung? a.a.O., (48-72),68. Vgl. die rechtlich formulierte Gemeinwohldefinition von Johannes Messner als .allseitig verwirklichte Gerechtigkeit". In: Das Gemeinwohl, Osnabrück 21968, 16. 150 151

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

begleitende Erfolgskontrolle. Überzogene Kritik,IS2 mangelnder Realismus bezüglich der kurzfristigen Erfolge oder der bestehenden Hindernisse in den Industrieländern und Entwicklungsländern fördern die politische Einstellung nirgends. Maßlose Überschätzung von Entwicklungspolitik wie grundsätzliche Verurteilung insbesondere der Entwicklungshilfe sind in der Öffentlichkeit gleicherweise anzutreffen. IS3 Massive Appelle, auch von sehr engagierten Kreisen oder kompetenten Persönlichkeiten haben eher punktuelle Wirkung und sollten nicht einseitige Strategien oder Schuldzuweisungen propagieren, sondern die weltweite Kooperation im Auge behalten. Der in rascher Folge sich ablösende Streit der Schulmeinungen über Entwicklungspolitik und die Befrachtung mit Ideologien hat nirgends der positiven Meinungsbildung gedient; gemeint ist die darauf basierende politische und vorwissenschaftliche Diskussion, der es weniger um die Sache als um Medienwirksamkeit geht. Damit soll in der öffentlichen Meinungsbildung nicht ein Lern- und Umdenkprozeß behindert werden. IS4 Hier ist in den siebziger und achtziger Jahren ein großer Fortschritt erzielt worden, der es verdient, festgehalten zu werden, zumal er - wie auch sonst in vielen Fragen des Überlebens der Menschheit! - eine Rückkehr zur Ethik gebracht hat. So hat sich die anfänglich vordringlich auf quantitatives Wachstum gerichtete Entwicklungspolitik •von quantitativen Zielvorstellungen zur qualitativ bestimmten Zusammenarbeit"ISS aus ihrer ökonomistischen Einstellung gelöst. Dabei hat 152 Als ein solches eher negatives Beispiel sei das Buch des Autors von ökonomischen Bestsellern genannt: John K. Galbraith, Die Arroganz der Satten, Strategien für die Überwindung der weltweiten Massenarmut, Bern 1979. 153 Provokant einseitig gegen jede öffentliche Entwicklungshilfe ist z. B. Peter T. Bauer, in der er die Ursache und nicht die Lösung des Nord-Süd-Konflikts sieht, die mehr schade als nütze. Vgl. sein Buch Reality and Rhetoric, Studies in the Economies of Development, Cambridge (Mass.) 1984. Sicher muß Entwicklungspolitik auch von Effizienzkontrolle begleitet sein, ob insbesondere Entwicklungshilfe .~uch .ankommt". Dennoch wird vor allem Nothilfe kurzfristige Erfolge, wenn es um Uberlebensfragen geht, auch anstreben müssen. Eine ausgewogene Bestandsaufnahme dieser Probleme findet sich bei Jamuna P. Agarwal, Martin Dippi, Hans H. Glismann, Wirkungen der Entwicklungshilfe, München 1984. 154 Die Wertprämisse des Gleichheitsideals der Aufklärung und ein antiimperialistischer Affekt bestimmt den Kern der Entwicklungspolitik des verdienten Schweden Gunnar Myrdal und führt ihn zu einseitigen Konsequenzen. Dennoch hat er die Diskussion bereichert, wenn er in seinem .Politischen Manifest über die Armut in der Welt", Frankfurt 1970 (englische Ausgabe: The Challenge of World Poverty, A World Anti-Poverty Program in Outline, New York 1970), verlangt, die Entwicklungshilfe müsse auf Selbsthilfe und auf soziale und wirtschaftliche Reformen in der Dritten Welt umgepolt werden. 155 Volkmar Köhler, Der Wandel der Entwicklungspolitik in den letzten zehn Jahren, in: Europa-Archiv, Folge 16/1985, (484-496),488. Vgl. auch die Wiedergabe eines Vortrages vom selben Autor in: Herderkorrespondenz 1986, 180-187, unter

3.6. Entwicklungspolitische Prinzipien und Richtlinien

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die Grundbedüfnisstrategie mit ihrem neuen Ansatz mitgeholfen. Die Bedeutung von Selbsthilfe und Eigeninitiative wurde damit für den Umdenkprozeß in den Entwicklungsländern selbst ein Schlüsselwort. 156 Mit der Betonung qualitativer Veränderungen in der Entwicklungspolitik kommt es auch zu einem anderen und besseren Verständnis soziokultureller Faktoren im Entwicklungsprozeß.157 Die gestiegene Sensibilität für ökologische Fragen und die Erkenntnis der. Vernetzung' aller Teilfragen in einem weltweiten System von Zusammenhängen und Abhängigkeiten, auch in der Entwicklungspolitik,I58 hat schließlich zu einem integralen Entwicklungsbegriff geführt. Dieser hat auch seinen Niederschlag darin gefunden, daß man nicht nur das einzelne Entwicklungsprojekt sah, sondern die Förderung auf integrierte Programme einstellte. Das ist wieder nur sinnvoll, wenn die Entwicklungsländer die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Diesen ermutigenden Wandlungsprozeß zu zeigen, kann die öffentliche Meinung über Entwicklungspolitik natürlich sehr positiv beeinflussen. Denn alle Fortschritte, die auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Zusammenarbeit möglich sind, sind nur von Dauer, wenn .das Bewußtsein um eine gemeinsame Verantwortung für die Zukunft der Erde auf beiden Seiten (sc. der Industrieländer und der Entwicklungsländer) wächst. Dies gilt ebenso für Einzelprobleme ... wie für das zentrale Thema der Friedenssicherung durch sozialen Ausgleich über wirtschaftliche Lastenverschiebung zugunsten der schwächeren Mitglieder der Weltgesellschaft. • Der zitierte Volkmar Köhler, Entwicklungspolitiker in der BRD, setzt für dieses Ziel auf .einen intensiven und dauernden Dialog' in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit auf allen Ebenen. 159 Als einen Anwalt für die Bewußtseinsbildung zugunsten der Entwicklungspolitik betrachten sich heute die Kirchen,160 die durch ihre gleichzeidem Titel: Entwicklungshilfe durch Selbsthilfe, Ein neuer Ansatz der deutschen Entwicklungspolitik? ' 156 Vgl. Volkmar Köhler, a.a.O., 490. 157 Vgl. Hans Zwiefelhofer u. a., Soziokultureller Wandel und Entwicklungspolitik, in: Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Herausforderungen für die Entwicklungspolitik in den achtziger Jahren, Köln 1982,213, zitiert bei Volkmar Köhler, a.a.o., 491. Die Trias von Ethik, Kultur und Entwicklung habe schon Albert Schweitzers Entwicklungskonzeption zugrundegelegen, zeigt Ludwig Watzal, indem er das noch nicht unter diesem Begriff konzipierte Wirken dieses großen Vertreters ärztlicher Hilfe für Afrika würdigt. Ethik - Kultur - Entwicklung, Zur Entwicklungskonzeption Albert Schweitzers, Göttingen 1985. 158 Vgl. Jan Tinbergen u. a., Wir haben nur eine Zukunft, Der RIO-Bericht des Club of Rome, Opladen 1977. 159 a.a.O., 496. 160 Vgl. Henri de Riedmatten, Die Entwicklung als Weltproblem, Die Ausführungen von .Gaudium et spes' und .Populorum progressio', in: Oeconomia humana,

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tige Präsenz im .Norden und Süden" eine besondere Chance haben, um den Willen und die Bereitschaft zu Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe von beiden Seiten her zu fördern und die entwicklungspolitische Verantwortung individuell und gesellschaftlich zu vertiefen. Diese muß sich in Maßnahmen auswirken, beginnend bei Veränderungen im eigenen Leben und der nächsten Umgebung, und zur aktiven Mitarbeit möglichst vieler Menschen führen. 161 Zum Abschluß dieser Zusammenstellung entwicklungspolitischer Prinzipien und Richtlinien sei noch ein Überblick über dringende einzelne Maßnahmen versucht. 3.6.2. Kurzer Überblick über eine Reihe dringender entwicklungspolitischer Maßnahmen Dieser Überblick orientiert sich an drei Bezugsfeldern: an weltwirtschaftlichen Überlegungen (1), an den qualitativen Wachstumsreserven der Entwicklungsländer (2) und an der Erschließung des individuellen und gesellschaftlichen Potentials der Völker außer den öffentlich-politischen Kräften (3). 1. Die weltwirtschaftliche Kooperation ist der Angelpunkt wirtschaftlicher Entwicklung nach dem Schlagwort trade and aid mit dem Ziel eines Weltgemeinwohls. Die Gleichberechtigung der Staaten in der wirtschaftlichen Kooperation erfährt durch Rahmenbedingungen für die sozial schwachen Länder und Transfers an Gütern und Leistungen dahin unter Betonung von deren möglichen Multiplikatoreffekten die nötige Ordnung: internationale soziale Marktwirtschaft bedeutet zugleich Abkehr von polit-ideologischen planwirtschaftlichen Experimenten und Wirtschaftsdiktaturen. Die überstaatliche regionale bis mondiale wirtschaftliche Kooperation führt zu gemeinsamen internationalen Institutionen und Organisationen und baut die vorhandenen insbesondere aus. Dies hat auf dem Hintergrund und in Verbindung mit autochthonen privaten Initiativen in Selbsthilfe von der Basis ausgehend zu geschehen. Köln 1973,343-375. Der ökumenische Rat der Kirchen ist ähnlich ein internationaler Anwalt der Entwicklung wie die katholische Kirche. So hat er bei der Weltkirchenkonferenz in Vancouver 1983 eine Botschaft für Gerechtigkeit und Frieden erlassen, in der er zur Hilfe der Mächtigen gegenüber den Machtlosen und zum Geist des Teilens mit den Armen aufrief und sich, ohne politische Vorschläge zu machen, für eine Weltwirtschaftsordnung einsetzte, in der die Macht geteilt würde. Vgl. den Wortlaut in der FAZ vom 18.8.1983. 161 Als Beispiel sei aus einem Industrieland der Text der Koordinierungsstelle für internationale Entwicklungsförderung der Österreichischen Bischofskonferenz angeführt, Entwicklungspolitik der katholischen Kirche in Österreich, Wien 1980.

3.6. Entwicklungspolitische Prinzipien und Richtlinien

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Der internationale Friede und die Verringerung der Rüstungslast durch Abrüstung (Rüstungskontrolle) ist eine entscheidende Aufgabe, um Mittel freizumachen. 162 Dazu kann, um die "Umrüstung" gezielt und überschaubar zu organisieren, ein Weltentwicklungsfonds, in Verbindung mit einer (bestehenden) Währungsinstitution am besten unter eigenen Facilitäten, errichtet werden. Die Speisung dieses Fonds könnte aus budgetären Zuwendungen erfolgen, aber auch nach Art einer Weltsteuer als Abgabe für private oder staatliche Nutzung von Gemeingütern der Menschheit, die nicht nationaler Souveränität unterliegen, z. B. die Nutzung des Weltraums (outer cosmos) oder des Meeresbodens in internationalen Gewässern. 163 Das aufgelaufene Verschuldungsproblem ist zwar "letztlich ein Handelsproblem",164 es ist aber auch durch weltweite übernationale Ereignisse mitverursacht worden. Es kann daher nicht allein vom internationalen Bankensystem bewältigt werden. Dieses bedarf des politischen Beitrags einer konzertierten wirtschaftlichen Aktion der Industrie- und Entwicklungsländer. 165

2. Ohne wirtschaftliches Wachstum in einem auch qualitativ vertieften Verständnis und nach gesellschaftlich wirksamen Prioritäten in der Verwendung geht es in den Entwicklungsländern nicht. Dies betrifft aber auch ein entsprechendes Denken in ökonomischen Zusammenhängen und im Wertbewußtsein in den Industrieländern. Eine Priorität kommt in den Entwicklungsländern dem Aufbau eines hohen Grades an landwirtschaftlicher Selbstversorgung zu, was Agrarreformen ebenso wie Aufbau von Märkten und landwirtschaftlichen Substrukturen erfordert. Die Lösung des Überschußproblems und des Protektionismus in der Agrarpolitik der Industrieländer wird hier ebenso angesprochen. Entscheidend für das nötige Wirt162 Der frühere US-Verteidigungsminister Robert S. McNamara hielt als Weltbankpräsident am 22. Mai 1979 in Chicago eine Ansprache über das Thema "Entwicklung und Wettrüsten", publiziert von der Weltbank. Weltweit fließe nach ihm jeder sechste Steuerdollar in die Rüstung, das bedeute, daß der durchschnittliche Steuerzahler .drei bis vier Jahre seines Lebens ausschließlich für die Rüstung arbeitet". (a.a.O., 3). 163 Für eine Weltsteuer gäbe es sicher noch weitere Ansätze für Einkommenstransfers zu den Entwicklungsländern, wenn nicht in den Industrieländern schon zu hohe Steuerniveaus bestünden, zum Beispiel eine Energiesteuer oder Luxussteuer. Die Frage richtet sich nach dem Willen der Bevölkerungen dort, einen geringen Prozentsatz ihres Einkommenszuwachses für Entwicklungshilfe zu geben. Ein Vertreter einer Weltsteuer ist seit langem der Amerikaner Walter Isard. 164 So das Facit einer Untersuchung von J. Hanns Pichler, Die Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer, in: Gesellschaft und Politik, Heft 4/1979, (5-13), 13. 165 Vgl. diesbezüglich die Intervention des Heiligen Stuhls zugunsten der Schuldnerländer in der Broschüre der Päpstlichen Kommission Iustitia et Pax in Rom: Au service de la communaute humaine: une approche ethique de l'endettement international, Vatican 1986.

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schaftswachstum in den Entwicklungsländern sind die politischen, sozialen und kulturellen, wissenschaftlichen und technologischen Voraussetzungen, damit die erforderlichen Strukturmaßnahmen zur Reform greifen können. Genannt seien: innenpolitische Stabilität, gerechte Verwaltung durch Bekämpfung der Korruption und Abbau aufgeblähter Bürokratie, fortschreitende Alphabetisierung, Überwindung hemmender Traditionen (wie Kastenwesen, Stammesfehden, Benachteiligung der Frauen), Lösung von Minderheitenkonßikten, Außenpolitik der guten Nachbarschaft, Bodenreform und damit Überwindung des Großgrundbesitzes einer schmalen Oberschicht und schließlich die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts durch Umweltpflege. Diese Reformziele sind mehr oder minder für alle Entwicklungsländer zutreffend. Die Maßnahmen, sie zu realisieren, sind ebenso wie die Umsetzung dieser Ziele in die Wirklichkeit des jeweiligen gesellschaftlichen Lebens sehr von den Verhältnissen und kulturellen Bedingungen von Land zu Land abhängig und verschieden. Dabei muß auch das Effizienzdenken bei den investierten Mitteln sozial abgestuft werden, da die Korrelation der Aufwendungen zum Erfolg auch in Verbindung mit dem Entwicklungsland und den Zuständen stehen, so daß Notmaßnahmen zur Lebensrettung auch eines Volkes schon Entwicklungshilfe legitimieren, die noch keine Auswirkungen auf wirtschaftliche Ergebnisse im Lande selbst auslösen. Sonst würde wieder den mehr schon entwickelten Ländern oft der Zuschlag gegeben werden und die ärmsten Entwicklungsländer würden allein bleiben. Die Regulierung des Bevölkerungsdrucks gerade wieder bei den ärmsten Entwicklungsländern hängt auch von der bildungsmäßigen Entwicklung ab, insbesondere vom Umdenken von Traditionen weg, eine große Kinderzahl anzustreben. Zu diesem Bildungsprozeß an der Basis gehört der Umgang mit der Technik. Fortgeschrittene Technologien sind oft in Entwicklungsländern kontraproduktiv, vor allem in massierter Anwendung. Daher muß der technische Fortschritt dort durch angepaßte Technologien eingeleitet und begleitet werden. Dies ist eine Grundvoraussetzung technischer Entwicklungshilfe, wenn auch wirtschaftliche Exportinteressen der Industrieländer anderes rentabler erscheinen lassen. Die Technologie muß den Bedürfnissen der Entwicklungsländer angepaßt sein,166 zur Selbsthilfe anregen und den erst wachsenden soziokulturellen 166 1979 fand in Wien die Konferenz der OYN über Wissenschaft und Technik im Dienste der Entwicklung (UNCSTD) statt. Der Wunsch der Entwicklungsländer, durch .gleiche Verteilung" der Mittel zur Forschung hier zu einem größeren Anteil am technologischen Fortschritt zu kommen, ließ das Anliegen der besonderen Lage der Entwicklungsländer in der technologischen Anwendung aus politischen Interessen gerade von Entwicklungsländern eher zu kurz kommen. Eine Studienarbeit der Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft in Österreich vom Oktober 1980 befaßt sich ausführlich unter dem Aspekt der Entwicklungshilfe mit dem Aufbau

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Bedingungen der Entwicklungsländer entsprechen, also auch mit Bildungsund Erziehungsmaßnahmen verbunden werden. Wertvoll ist auch die Erhaltung oder Einbindung traditioneller Technologien, die einen hohen Anpassungsgrad oft im Ökosystem aufweisen und ein Zugang für sogenannte alternative neue Technologien sind. Die technologische Entwicklung darf nicht überstürzt werden und muß die vorhandenen Ressourcen nützen. Das vorhandene große Potential an Arbeitskraft läßt technisch weniger aufwendige Produktionsmethoden vorteilhaft erscheinen. Damit ergibt sich auch in der Regel der absolute Vorrang für den Ausbau der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern vor allen industriellen Ambitionen. 161 Angepaßte Technologie ist zuerst auf die Landwirtschaft ausgerichtet. Ähnliches gilt für medizinische Entwicklungshilfe, die an der Basis und mit einfachen Methoden beginnen muß. 16S Die Erfahrungen mit zentralistischer Planwirtschaft sind auch hier in den Entwicklungsländern durchweg schlechte. Wirtschaftspolitische Rahmenpläne für Entwicklung hingegen gehören zu den ordnungspolitischen Grundlagen jedes Entwicklungslandes. Schließlich gibt es weitere wichtige Gebiete von Hilfsmaßnahmen, die im Rahmen der Entwicklungshilfe teils durch finanzielle Transferleistungen, teils durch technische und personelle Hilfe geleistet werden sollen, die unter Eingehen auf die spezielle Lage eines Entwicklungslandes, aber dennoch auch oft im internationalen Kontext - z. B. besonders bei Währungsfragen oder Exporthilfe - zu sehen sind. Ohne noch weiter in Details zu gehen, sollte immer auch die Erhaltung wertvollen Kulturerbes vor vorübergehender wirtschaftlicher Rationalität gesehen werden, da die Wirtschaft immer in einem Wertsystem steht, das die wirtschaftlichen Ziele umschließt und den wirtschaftenden Menschen zu seinem Selbststand im Wirtschaftsprozeß verhilft. Mit sozial und kulturell entwurzelten Menschen kann eine Wirtschaft nicht funktionieren. Die Zerstörung sozialer Bindungen, wie die Familie, die dörfliche Kultur, die Sitten, führt zu einer Art Proletarisierung und Entwürdigung des Menschen, die forcierte Entwicklungsprozesse zur Quelle von neuem Leid machen würden. 3. Angesichts der Schwere des Problems und der Not in den Entwicklungsländern hat heute Entwicklungspolitik eine hohe Priorität und müßte ihr das angepaßter Technologien an Ort und Stelle unter Förderung der Eigeninitiative und im Klima der Marktwirtschaft entgegen Verstaatlichung und wirtschaftlichem Dirigismus in der Dritten Welt. 167 Daß dies letztlich auch der wirtschaftlichen Rationalität entspricht, zeigen die Forschungen der beiden mit dem Nobel-Gedächtnispreis der schwedischen Reichsbank 1979 ausgezeichneten Wirtschaftswissenschafter Theodore W. Schultz und Sir Arthur Lewis. 168 Dabei können auch die Industrieländer, wo man sich immer mehr auch von alternativen Technologien oder in der Medizin von der Hinwendung zur Vorsorgemedizin verspricht, durchaus von den Entwicklungsländern lernen und rationelleren Mitteleinsatz erreichen.

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3. Die gerechte Ordnung der internationalen Wirtschaft

ganze verfügbare Potential der Völkergemeinschaft zugewandt werden. Dies ist mehr als die wissenschaftlich-technischen Ressourcen. Es bedarf einer vor allem geistig-sittlichen Anstrengung aller. In einem Punkt kommen ethische und sozialökonomische Aspekte besonders zusammen, und das ist die Eigentumsfrage. Was besagt die solidarische Verbundenheit aller Menschen und Völker dieser Erde bezüglich der Tatsache des Zerfalls der Menschheit in Zonen relativen Wohlstands und krasser Not, in Reiche und Arme? Ist daran die Eigentumsordnung schuld oder die Eigentumsverwendung? Nach dem traditionellen Naturrecht ist die Eigentumsordnung im Gemeinwohl begründet und im Recht des Individuums, was aber immer auch seine soziale Bedeutung einschließt. 169 In der christlichen Tradition konnte Papst Paul VI. in seiner Enzyklika Populorum progressio (1967) auf Worte der Kirchenväter zurückgreifen, die die Herrschaftsgewalt aus dem Eigentum sehr drastisch zugunsten der Armen einschränkten. Er zitiert 110 den heiligen Ambrosius (t 397): .Es ist nicht dein Gut, mit dem du dich gegen den Armen großzügig erweist. Du gibst ihm nur zurück, was ihm gehört. Denn du hast dir nur herausgenommen, was zu gemeinsamer Nutzung gegeben ist. Die Erde ist für alle da, nicht nur für die Reichen." Diese ursprüngliche Bestimmung der Güter dieser Welt kann also in schwerster Not wieder in Kraft treten, wenn die Eigentumsordnung nicht dem Gemeinwohl entspricht, sondern die egoistischen Sonderinteressen der einen dem Elend der breiten Massen gegenüberstehen. Wenn Großgrundbesitz zur Ursache des Elends der Massen aus falscher Nutzung und Eigentumsgebrauch der Besitzenden wird, kann die Enteignung und Neuverteilung des Bodens ein letzter Ausweg in einem Land sein. In der Völkergemeinschaft wird es nur den Weg des politischen Ausgleichs geben und der Bereitschaft der Besitzenden zur Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe aus der Gesinnung des Teilens, wenn man nicht das Klima des Hasses und der Gewalt provozieren möchte, das keinen gerechten Ausgang erschließen kann. EntWicklungspolitik ist also auch Eigentumspolitik, indem die Eigentumsordnung so gestaltet wird, daß die Gemeinwohlziele des Eigentums gewahrt bleiben und es sich auch sozial bewährt sowohl in den Industrieländern wie in den Entwicklungsländern. Diese Soziallast auf den Gütern dieser Erde lastet aber auch auf den Ländern und Regierungen, die durch ihre Souveränität im Besitz wichtiger Ressourcen, z. B. Erdölfelder, sind. Bei Mißbrauch gibt es hier keine Enteignungsmöglichkeit, aber die internationale Gemeinschaft müßte Wege finden, um die Gemeinbestimmung solcher Güter zu sichern. Insoferne ist der Entwicklungsfonds der OPEC-Staaten kein Almosen an die Entwicklungs169 170

Vgl. Johannes Messner, Das Naturrecht, a.a.O., 1067 ff. Nr. 23.

3.6. Entwicklungspolitische Prinzipien und Richtlinien

221

länder, die kein Erdöl fördern können, und ist ein internationales Preiskartell aus Gewinnabsichten durch Marktbeherrschung ein Unrecht. Auf jeden Fall ist Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe nicht ein Almosen an die Entwicklungsländer, sondern Ausdruck solidarischer Pflicht und damit eine Rechtsfrage im Zusammenhang mit dem Weltgemeinwohl.

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Namenregister Adenauer, Konrad 19 Adler-Karlsson, Gunnar 41 Afheldt, Horst 72 Agarwal, Jarnuna P. 214 Albert, Ulrich 44 Albertini, Rudolf v. 156, 191 Albrecht, Ulrich 87, 90 Allrnayer-Beck, Johann Christoph 39 Alt, Franz 54 Altrnann, Jörn 146 Ambrosius 220 Andropow, Juri 118 Aristoteles 112 Arkin, Williarn S. 47 Aron, Raymond 68 Attila 130 Auer, Ernst 107 Austin, Jarnes E. 197 Ayres, Robert L. 190 Bahr, Egon 54, 55 Balogh, Thornas 186 Batalow, Eduard 57 Baudissin, Wolf Graf v. 79 Bauer, Peter T. 214 Beaufre, Andre 41 Becker, Jörg 6 Belassa, Bela 186 Bender, Peter 20 Benelli, Giovanni 204 Benoit, Ernile 174 Bentin, Lutz A. 166 Benz, Wolfgang 156, 191 Berber, Friedrich 127 Beutter, Friedrich 190 Bielfeldt, Carola 91 Birkenbach, Hanne-Margret 61 Bisrnarck, Klaus v. 184, 195 Blackaby, Frank 45 Blackwell, Michael 202 BIet, Pierre 131 Blockesch, Konrad 65 Böckle, Franz 75, 76 Bolz, Norbert W. 114

Bonelli, Gerhard 110 Borlaug, Norman 196 Boulding, Kenneth E. 174 Boyle, Joseph M. Jr. 59 Brakelrnann, Günther 53 Brauch, Hans Günter 95, 120 Bredow, Wilfried v. 93, 136 Brock, Lothar 60 Brocke, Rudolf H. 136 Broda, Engelbert 28 Brossolet, Guy 71 Bruce, George 38 Brundtland, Gro Harlern 200 Brunner, Karl 187 Brusatti, Alois 138, 139 Brzoska, Michael 87 Buhr, Manfred 9 Bujo, Benezet 32 Burghardt, Anton 99 Burki, Shahid Javed 190, 202 Bussrnann, Walter 21 Caesar 38,185 Casaroli, Kard. Agostino 24, 130, 132 Cassen, Robert 190 Ceadal, Martin 43 Chandhri, O. P. 197 Churchill, Winston 19,66 Clausen, A. W. 144 Clausewitz, Carl v. 36, 39, 41, 68 Cockburn, Andrew 105 Coreth, Ernerich 21 Coudenhove-Kalergi, Richard Graf v. 19 Cyrill24 Czernpiel, Ernst-Otto 52, 115, 116, 184 Darns, Theodor 188, 189, 190 Däubler, Wolfgang 195 Dante, Alighieri 124 Oasgupta, Ajit K. 197 Oavis, Howard 40 Oe Gasperi, Aleide 19 Oe Gaulle, Charles 18 Oelbrück, Jost 187

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Namenregister

Desch, Thomas 110 Dippi, Martin 214 Donges, Jürgen 8. 202 Dowty, Alan 99 Eban,Abba 8 Ebert,Theodor73 Eckstein, Walter 153 Eigel, Walter 187 Elias, Norbert 3 Elsenhans, Hartmut 159 Emires, Dieter 187 Engels, Friedrich 36 Erasmus v. Rotterdam 21, 114 Erler, Brigitte 190 Ernst, Werner W. 71 Eucken, Walter 154 Fels, Gerhard 157, 170, 187,206,208 Ferdowski, Mir A. 180 Finnis, John 59 Fordran, Erhard 50 Fornet-Betancourt, Raw 32 Fox, Michael Allen 66 Freedman, Lawrence 55 Frei, Daniel 37 Frey, Ulrich 175 Furger, Franz 46 Galbraith, John K. 214 Galtung, Johan 180 Gandhi, Mahatma 65 Geffre, Claude 26 Genicot, Leopold 128 Genser, Hans 109 Gersdorff, Ursula v. 39 Glatzl, Norbert 65 Glismann, Hans H. 214 Gluckmann, Andre 41, 53 Golombek,Oskar 15 Gorbatschow, Michaill0, 17, 19,96,185 Gosztony, Peter 105 Graml, Hermann 156, 191 Grewe, Wilhelm G. 3 Grisez, Germain 59 Groarke, Leo 66 Gutheinz, Luis 32 Haberler, Gottfried 157 Häring, Bernhard 121 Hättich, Manfred 54 Haftendorn, Helga 89

Hankel, Wilhelm 185 Harbottle, Michael 110 Harries, Richard 40 Heckei, Roger 181 Heer, Friedrich 21 Helbling, Hanno 13 Herkovits, M. J. 26 Hernekamp, Karl-Andreas 131 Heuer, Knud 108 Hippel, Frank v. 47 Hitler, Adolf 73, 102, 105 Höffner, Kard. Joseph 208, 209 Hofmann, Michael 115 Holton, Gerald 31 Hoppe, Thomas 59, 72 Hoselitz, Bert F. 137, 174, 175 Hough, Jerry F. 162 Hufbauer, Gary Clyde 193 Hübner, Wolfgang 114 Ikle, Fred 80 Illich, Ivan 212 Illy, Hans J. 172, 190 Isard, Walter 217 Iyer, Raghavan 65 Jacobsen, Hanns.-D. 41 Jaspers, Karl 28 Jedin, Hubert 13 Jennings, Tony 198 Jervis, Robert 58 Johannes XXIII., Papst 131, 206, 210 Johannes PaullI., Papst 22, 24, 99, 144, 205 Kahn, Herman 72 Kaiser, Karl17 Kant,lmmanuel19 Kaplinsky, Raphael 195 Kekkonen, Urho 98 Kennedy, John F. 119 Kennedy, Robert 119 Kerber, Walter 32,108 Khan, Mohsin S. 186 Khomeini, Ayatollah 133 Kimminich, Otto 15, 127 Kirchhoff, Günter 68, 91, 93, 115 Kirchschläger, Rudolf 11 Kiss, Alexander C. 83 Kissinger, Henry 16 Kitson, Frank 41 Klaff, Rene 133

Namenregister Klaus, Georg 9 Klose, Alfred 161 Knirsch, Peter 168 Köchler, Hans 27, 30 Köck, Heribert-Franz 129, 130, 131 Köhler, Volkmar 214, 215 König, Kard. Franz 24 Kolakowski, Leszek 23 Korobejnikow, M. 105 Koschwitz, HansjÜfgen 7 Koslowski, Peter 138 Kownatka, Wolfgang 68, 69, 72 Krause, Joachim 88 Krell, Gert 38, 50, 58, 76 Kreye, OUo 178, 179, 193 Krippendorl,Ekkehart178 KÜDg,Ernil 178, 181, 182, 184 LaI, Deepak 158, 186 Lammasch, Heinrich 20 Langendörler, Hans 52, 67 Laqueur, Walter 120 Las Casas, Bartolome de 32 Laue, Theodore H. v. 30 Laurentin, Rene 206 Lenin, Wladimir I. 7, 9, 36 Lee, Trygve 111 Leo XIII., Papst 131 Leontief, Wassily 16 Le Vay, Paul 83 Levi, Barbara G. 47 Lewis, Arthur 219 Lilow, Aleksandr 17 Little, Jan M. D. 158 Lohfink, Norbert 67 Luther, Martin 24 LuUwak, Edward N. 69, 78, 79 Lutz, Dieter S. 54, 55, 79 Lutz, Mark A. 138,212 Machlup, Fritz 157, 187, 203 Mahr, Alexander 155 Maier, Hans 184, 195 Maislinger, Andreas 73 Margull, H. J. 31 Marquard, Odo 114 Martin, Bernd 125 Martini, Angelo 131 Marx, Karl157, 178 Matthies, Volker 71 Matzke, OUo W. 195 Mcc Gwire, Michael 81

237

McNamara, Robert 69, 158, 164,217 McNeill, William H. 39, 85 Medick, Monika 63 Meier, Gerald M. 158, 183 Meissner, Boris 117 Messner, Johannes 3, 13,30,33,52, 112, 161,179,181,182,189,204,213,220 Method 24 Meyer, Berthold 60 Mickel, Wolfgang W. 55 Monnet, Jean 19 Morgan, Theodor 175 Müller-Armack, Adolf 176 Müller, Eberhard 53 Müller, Erwin 72 Müller-Groeling, Hubertus 157, 187 Müller Johannes SJ 15, 208 Müller, Martin 78 Mumion, Philip J. 84 Myrdal, Gunnar 186, 214 Nagel, Ernst Josef 38, 46, 47, 62, 65 Napoleon 36, 38, 73 Nielsen, Kai 66 Nobel, Alfred 76 Nohlen, Dieter 159, 172, 191,213 Nolte, Ernst 41 Nurkse, Ragnar 186 Nuscheler, Franz 159, 172, 191,213 Ockenfels, Wolfgang 170 O'Connor-Howe, Josephine 55 Ogarkow, N. W. 105 Ohlin, Göran 164 Ohlson, Thomas 87 Oppenheimer, Robert J. 48 Parsons, TalcoU 3 Patel, I. G. 212 Paul VI., Papst 23,25, 144, 159, 163,205, 206, 220 Pearton, Maurice 39 Philipp, Hannes 110 Pichler, J. Hanns 217 Pictet, Jean 83 Prantner, Robert 161 Prebisch, Raul186 Pretman, Hilary 31 Quinn, John R. 132 Rabenau, Hans- Wendel v. 107

238

Namenregister

Rapaport, Anatol 78, 119 Rauchensteiner, Manfried 71 Reagan, Ronald 46, 59 Recktenwald, Horst Claus v. 153, 156 Regamey, P. R. 64 Reinhard, Wolfgang 136 Renwick, Robin 42 Repgen, Konrad 13 Reutlinger, Shlomo 199 Rhein, Eberhard 166 Ricardo, David 137, 155 Riedmatten, Henri de 215 Rix, Christian 61 Roberts, Adam 64 Rode, Reinhard 41 Roegele, Otto B. 24 Röling, Bert 125 Roos, Lothar 206 Ropers, Norbert 6 Rossano, Pietro 132 Roth, Paul6 Rotter, Manfred 121 Rovida, Edoardo 168 Ruehl, Lothar 76 Sacharow, Andrej D. 11 Samartha, S. 31 Schambeck, Herbert 130, 132, 161,204 Schaumann, Wilfried 123 Schaup, Susanne 184 Scheltow, A. 105 Schmied, Ernst A. 184 Schmolke, Michael 6 Schott, Jeffrey J. 193 Schneider, Burkhart 131 Schneider, Heinrich 3 Schultheis, Michael J. 15 Schultz, Theodore W. 219 Schumann, Robert 19 Schwartz, Benjamin I. 28 Schwarz, Hans-Peter 17 Schwarz, Jürgen 23, 24, 55 Schwarz, Klaus-Dieter 63,78 Schwefel, Detlef 190 Schweitzer, Albert 215 Seers, Dudley 158 Seidl-Hohenveldern,Ignaz 145 Seitz, Konrad 16 Shohno, Naomi 42 Sielaff, Rüdiger 172, 190 Silva-Tarouca, Amadeo 152 Simma, Bruno 116, 124

Simonis, Udo Ernst 164, 183 Singer, Hans 198 Smith, Adam 136, 137, 152, 153, 156, 183 Smith, Anthony 5 Sokolowski, W. D. 70 Sommerville, John 119 Spannocchi, Emil 71 Stalin, Josip 132 Statz, Albert 61 Streeten, Paul P. 157, 183 Streithofen, Basilius 170, 205 Sustar, Alois 24 Swarinski, Christophe 83 Taubes, Jacob 114 Taylor, A. J. P. 38 Teichman, Jenny 40 Teller, Edward 47, 48 Thee, Marek 121 Thimme, Hans 187 Thomas v. Aquin 152, 208 Tiedke, Stephan 72 Tietzel, Manfred 202 Tinbergen, Jan 15,215 Tindemanns, Leo 23 Todenhöfer, Jürgen Gerhard 176 Todorov, Tzvetan 32 Truman, Harry S. 48, 66. Tucker, Jonathan B. 120 Ul-Haq, Mahbub 167 Ul Haque, Nadeem 86 Uribe-Vargas, Diego 83 U Thant 129 Utz, Arthur Fridolin 170 Vale, Lawrence J. 71 Van der Wee, Herman 149, 150, 176 Vasak, Karel 83 Velez Correa, Jaime 206 Verdross, Alfred 20, 116, 124, 131 Verosta, Stephan 37 Vetschera, Heinz 86, 107 Vukadinovic, Radovan 71 Wachtler, Günther 109 Wagner, Antonin 190 Wallach, Jehuda L. 36 Walther, Christian 112 Watson, Adam 8 Watzal, Ludwig 205, 215 Weber, Max 12,22

Namenregister Weiler, Rudolf 23,36,46,51,54,98, 100, 110, 161,204 Weißer, Ulrich 69 Weizsäcker, Carl Friedrlch v. 95, 134 Wellmann, Christian 61 Werz, Nikolaus 172, 190 Wettig, Gerhard 55, 16 Wiberg, Hakan 11 Williams, Douglas 146 Wilson, Andrew 46

Witzmann, Bemd 6 Wöste, Wilhelm 181 Wohlmuth, Karl 194, 195 W olton, Thierry 41 Wood, John 198 Woyke, Wichard 55 Zsifkovits, Valentin 52 Zwiefelhofer, Hans 203, 205, 215

239

Sachregister Abrüstung 85 ff., 91 ff., 114 Abschreckung 51 ff., 61, 14 ff., 96, 101, 119 Afrika 8, 191, 199 Aggression 13, 15,101 Agrarreform 209 AKP-Staaten 201 Anthropologie 21 Arbeitslosigkeit 91 Arbeitsplätze 91 Arbeitsteilung, internationale 155 Armut 15, 143, 111,200,208,213,220 Asien 8, 12,30, 119 Asylrecht 99 Atombombe 36, 46 ff., 69, 80 Atomkrieg 15, 108 Atomwaffenfreie Zonen 91 f. Atomwaffenmächte 91 Atomwaffensperrvertrag 129 Aufklärung 22 Außenpolitik 1 ff., 11, 111 f., 184 Austauschverhältnisse 168, 112 Bedrohungsbild 101 Befehl 102 f. Befreiungstheologie 206 bellum iustum-Lehre 40 f. Berufsethos, des Soldaten 103 ff. Bevölkerung 191 f., 218 Beziehungen, internationale 1, 42, 113 Bildung 219 Blockfreiheit 11 Brandt-Kommission 198 Brundtland-Kommission 200 China 14, 11,28,32,80,85,143,185 Christen(tum) 22, 25 ff., 31 ff., 128 Defensive 69, 12 ff., 121 Dependenztheorie 161 Dialog 32, 14, 113, 169,206 Diplomaten 1 f. Diplomatie 1 ff., 130 Dritte Welt, siehe Entwicklungsländer

EG 18f. Eid 105 ff. Eigentum 15,208,220 Einheit 2, 15,21 Enkulturation 25 ff. Entkolonialisierung 139 Entspannung(spolitik) 18,51 ff., 115 ff. Entwicklung 158 f., 111 ff. Entwicklungsbegriff 215 Entwicklungshilfe 158 ff., 111 ff., 111 ff., 188 ff., 205, 210 ff., 218 Entwicklungsökonomie 155 ff., 162 ff., 169 ff. Entwicklungshilfe, multilaterale 201 ff. Entwicklungsländer 5 f., 8 f., 14 f., 32, 42, 45,81 f., 120, 143, 156 ff., 169 ff., 183 ff., 199 ff. Erdölschock 144 Entwicklungspolitik 111 ff., 183 ff., 188 ff., 204 ff., 216 ff. Ernährungsproblem 196 ff., 209 Ethik 9, 20 ff., 28, 112 ff., 151 Ethik, internationale I, 11, 52, 96, 101, 116,214 Ethik, politische 99 f. Ethos 28 ff. Europa 3, 12, 14, 16 ff., 20 ff., 59, 98, 121, 132, 138 f., 151 Evangelium 31, 105,206 Expansion 8, 13 Fahneneid, siehe Eid Familie 103, 108,219 Feindbild 14, 118 Fortschritt 31 Frau 201, 218 Freihandel 156 ff. Freihandelstheorie 131 f. Freiheit 2, 10,20 ff., 11, 81, 114, 119,212 Frieden 20,51 ff.,60 f.,81 ff., 114, 119,212 Friedensbewegung 46,61,98 Friedenserhaltung 35 Friedensethik 52 ff., 65, 111 Friedensethos 110

Sachregister Friedensförderung 79, 114, 119 Friedensforschung 52, 115 Friedensgesinnung 54 Friedenskonzil 133 Friedensordnung 35, 52, 116 Friedenspolitik 53 f., 112 ff. Friedenssicherung 97 Friedensstrategie 117 ff. Fundamentalismus 132 f.

GATI 141 ff., 211 Geburtenregelung 192 Gehorsam 105 Gemeinwohl 66 f., 102 f., 113, 153, 181, 187, 211 f. Gerechtigkeit 23, 77, 151,213 Gerechtigkeit, internationale soziale 15, 162,166,173,207 Gerichtsbarkeit, internationale 128 Gesellschaft 23 Gesellschaft, internationale 2, 34, 113 Gesinnung(sethik) 96, 102, 116, 118 Gewalt 42, 64 ff., 105 f., 111, 116 Gewaltlosigkeit 64 ff., 96, 106, 120 f. Gewaltmonopol 123, 226 f. Gewaltverbot 123 Gewerkschaften 91, 150 Gewissen 42, 51, 78, 105 ff., 187 Goldstandard 138 ff. Gradualismus 96 Großgrundbesitz 220 Grundbedürfnisse 157, 213 ff. Grundwerte I, 20 ff., 33, 55 (siehe auch Werte) Guerilla 101 Güterabwägung 41 Handel 181 f. Hegemonialstreben 14 ff. Heiliger Stuhl 13, 128 ff. IDA 147 f. Ideologie 3, 10,41,57,61,73, 102, 116 ff., 151,176,207,214 Imperialismus 136, 173 Indien 14, 28 Individuum 3,135,153 Industrieländer 5, 141, 156 ff., 189 ff., 200 ff. Inflation 157 Integration 3 ff. Integration der Kulturen 31 ff.

241

Integration, europäische 3, 16 ff. Integration, weltweite 16 ff. Interdependenz 18 Interessen 3 ff. Internationaler Gerichtshof 124 Islam 12, 30, 33, 42, 132 f. Israel 8 IWF 141, 146 ff., 177, 209 Japan 16,42 Journalisten 7 Kapitalismus 21, 86, 91, 138, 160, 178 f. Kernwaffenfreie Zonen siehe atomwaffenfreie Zonen Kirche(n) 2,33,83, 105, 122, 130 f., 188, 203 Kirche, katholische 23 ff., 128, 192,203 ff. Klasse 137, 173, 180 Klassenkampf 36, 80 Koexistenz, friedliche 55, 131, 174 Kolonialismus 136, 161, 173 Kommunikation, internationale 6 f. Kommunikationsmittel 7 Kommunismus 170 Kompromiß 119 Konflikt 115 ff. Konfliktforschung 115 f. Konfliktregelung 58 f. Konkordate 129 Konservatismus 21 Kosmos 51 (siehe auch Weltraum) Kosten, komparative 155 ff. Krieg 37 ff., 52 ff., 62 ff., 80, 83 ff., 100 f., 107, 115, 126 Krieg, atomarer 58, 69 Krieg, Definition 41 f. Krieg, totaler 35, 100 Kriegsführungsfähigkeit 78 f. Kriegskosten 38 Kriegstheorien 36 f. Kriegsverhütung 69 f. Krisenmanagement 119 ff. KSZE 12,94 f., 98 Kuba-Krise 119 Kultur(en) 18, 21, 25 ff., 33 ff., 132, 204, 207,218 f. Landesverteidigung 64, 75 Landwirtschaft 197 ff., 209, 217, 219 Lateinamerika 98, 199, 206 Liberalismus 21, 170

242

Sachregister

Liebe 23 Lome III, Konvention von 201 f. Manöver 108, 111 Marginalisierung 16 Markt 152 ff., 170, 185 Marktwirtschaft 85 f., 137, 175,208 Marxismus 137, 157, 160 f., 172 Marxismus-Leninismus 9 f., 55,104 f. Medien 5 ff. Medien als Waffe 7 Medienethik 6 Medienpolitik 6 Medizin 219 Meinung, öffentliche 5 ff., 44, 74, 203, 213 ff. Mensch 35 Menschenrechte 12,81 ff., 106, 118, 187 f., 205,208,212 Menschenrecht auf Frieden 81 ff., 135 Menschenwiirde 15, 103, 191 Menschheit 29, 35 f., 60, 109, 113, 134 f., 180,211 Menschheitsethos 1 f., 11 Militär 63, 81, 99 ff., 109 ff., 127 Militärdienst 84 Militärdoktrin 68 ff., 74 ff., 84 Militärethik 99 ff. Militärgeschichte 39, 42, 99 Militärhilfe 88 Militärsoziologie 99 Militärstrategie 52 ff., 59, 68 ff., 78 ff., 97 ff. Militärwissenschaft 38, 99 ff. Militarismus 103 Minderheiten 122, 127 Modernisierungstheorie 159 f. Moraltheologie 100 Multinationale Unternehmen 150, 160, 193 ff., 211

Offizier 102, 109 Ökologie 126, 199 ff., 215 Ordnung, Ordnungspolitik 29, 33, 113, 134 ff., 151 ff., 174,203,219 Ordnungsgewalt, internationale 123 f. Österreich 20, 71, 75 f., 218 Ostpolitik des Vatikans 13 Ost-West-Konflikt 41, 102, 124 OVN 4, 9, 89, 93, 11 0 f., 114, 123 ff., 145 f., 169,200,218 Pazifismus 39 f. Pax Christi 96 Peace-keeping Forces 110, 127 Perestroika 10, 17 Person 3, 21 ff. Philosophie 28, 53 Pluralismus 1 ff., 133, 163 Politik 35, 112 Politik, christliche 12 f. Politik, internationale 10 f., 53, 82 Politik, Militär- 53, 56, 82 ff. Politik, Sicherheits- 10, 45 ff., 53 ff., 99 Politik, Verteidigungs- 53, 56, 61 ff., 85 ff. Postmoderne 22, 29 Privatinitiative 203 Protektionismus 148, 157,202,209

Nationalismus 102 NATO 69 f., 98, 105, 125 Natur der Sache 134 Natur des Menschen 153, 173 Naturrecht 4,83, 127,220 Neutralität 20, 44, 74, 89, 107, 111 Neokolonialismus 190 Nichtangriffspakt 114 Nord-Süd-Konflikt 125, 139 Nuntien 13, 129

Rauschgifthandel 9 Recht 123, 127 ff. Rechtsbewußtsein 4, 81 Rechtsethik 134 Rechtspositivismus 133 Regionen 16 ff., 128 Religion(en) 31 ff., 61, 83, 132 Religionsfreiheit 12,31,99, 106, 132 Religion und Staat 24 RGW8 Rohstoffabkommen 201 f. Rohstoffpreise 145 Rüstung 37, 43 ff., 86 ff., 192 f., 200 Rüstungsausgaben 44 1., 93 ff. Rüstungsindustrie 91 f. Rüstungskontrolle 86 ff., 93 ff. Rüstungskooperation 93 f. Rüstungskonversion 911., 192 Rüstungspolitik 44 Rüstungsproduktion 51 f., 91 Rüstungswettlauf 49 Rüstungswirtschaft 85 ff., 90 ff.

Öffentlichkeit, internationale 77, 84, 89

Säkularisierung 22

Sachregister Schadensbegrenzung 58, 94 Schiedsgerichtsbarkeit 130 f. Schiedsstellen 126 Schuldenkrise 18,45, 147 SOl 46, 51, 59 Selbsthilfe 215, 218 f. Self-Reliance 180, 191 Sicherheit, kollektive (internationale) 55 f., 59 f., 63 f., 73 f., 123 ff. Sicherheitspartnerschaft 56 Sittlichkeit 1 ff., 107, 153, 173 Soldat(en) 63, 84, 100 ff., 109 ff., 127 Solidarität 23, 143, 169, 173, 181, 205, 208, 221 Souveränität 131, 168, 181,217 Sozialismus 21, 161, 179, 185 Soziallehre, katholische 173, 205 f., 209 Sozialpolitik, internationale 210 Sozialprinzipien 11, 179, 199, 208 Sport 30 Staat(en) 8 ff., 44, 105 f., 115, 192 Staatshandelsländer 141 f. Stabilität 50 Sünde, Strukturen der 203, 218 Supermächte 8 f., 44 ff., 55, 87, 97 f., 125 Taktik 79 Technologie 102, 109,218 f. Terms of Trade siehe Austauschverhältnisse Terror 120 Theologie 26, 32, 118 Toleranz 31 f., 113 Tourismus 6 UdSSR 8, 10, 16,37,45,59,85, 104f., 117, 125, 141, 162, 185 Umwelt 199 ff. UNCTAD 149, 165 ff., 211 Unterentwicklung 163, 171 ff., 203 USA 8, 10, 16, 29, 37, 44 ff., 59, 73, 85, 105, 119, 125, 141,209 Vatikan 13 Vatikanisches Konzil, Zweites 26, 32, 83, 106,204,207 Verhandlungen 69 Verschuldungsproblem 205,217 Verständigung 118 ff. Verteidigung 58,62 ff., 73 Verteidigung, soziale 73, 107 Vertrauen(sbildung) 95,118, 126

243

Verwestlichung 28 Völkergemeinschaft 134 f. Völkerrecht 52, 63, 75, 81 ff., 100, 107, 116, 127 ff. Volkswirtschaft 86 Wachstum 156 ff., 185, 199 Waffen 45 ff., 66, 73, 89, 120 Waffenexport 87 Waffengeschäft 50 ff., 88 Waffenmarkt 92 Waffenproduktion 50 ff., 87 Warschauer Vertrag 69 f., 98, 125 Wechselkurse 146 Wehrdienstverweigerung 106 f. Wehrerziehung 102, 104 f. Wehrethik 63, 100 ff., 109 ff. Wehrethos 103 ff. Wehrpflicht 102 Weltanschauung 12, 113 ff. Weltautorität 4,82, 123, 131, 147, 177 Weltbank 144, 147 f., 176, 199 Weltbevölkerung 143 Weltfrieden 60, 82 Weltgemeinwohl170,221 Weltgesellschaft 2 f., 163 Weltgewissen 2, 128 Welthandel 136 ff., 149 ff., 172, 181,208, 210 ff. Weltinformationsordnung 6 f. Weltkirchenrat 13 Weltkultur 29,33 Weltmarkt 45, 139, 153, 164, 184,200 Weltraum 15,94,217 (siehe auch Kosmos) Weltstaat 124 Weltwirtschaft 121, 136 ff., 145 ff., 165 ff., 183 ff., 209, 216 f. Weltwirtschaftsordnung 164 Weltwirtschaftsordnung, Neue 194 Weltwirtschaftspolitik 178 ff. Werte 14, 25, 55, 66, 81, 112 ff., 154 ff., 187, 204 (siehe auch Grundwerte) Wettrüsten 37, 44 Widerstandsrecht 123 Wille 113 Wirtschaftsethik 137 f., 160, 162 ff. Wirtschaftsorganisationen, internationale 145 ff. Wissenschaft 29, 31, 139, 153,220 Wohlfahrt 82, 176, 190 Wohlfahrtspolitik, internationale 10

244 Zinspolitik 203 Zivilbevölkerung 101 Zivildienst 106

Sachregister Zölle 143 Zweitschlagsfähigkeit 49