Inszeniertes Lesevergnugen: Das Inschriftliche Epigramm Und Seine Rezeption Bei Kallimachos (Hermesa- Einzelschriften) 3515086609, 9783515086608

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Inszeniertes Lesevergnugen: Das Inschriftliche Epigramm Und Seine Rezeption Bei Kallimachos (Hermesa- Einzelschriften)
 3515086609, 9783515086608

Table of contents :
Einleitung: Griechisches Epigramm und Rezeptionsästhetik. Methodische und terminologische Grundlagen
A. Das griechische Epigramm und seine Leser von der Archaik bis zum Hellenismus
1. Inschriftliche Dichtung in ‘mündlicher’Kultur
1.1. Traditionen der Mündlichkeit
1.2. Definitionen
1.3. Das Epigramm und seine Leser: Ein Überblick
1.4. Das Lesen von Inschriften und Epigrammen in der Sicht der griechischen Literatur
1.5. Mündlichkeit und Schriftlichkeit in den ältesten griechischen Epigrammen
1.6. Zusammenfassung
2. Die Appellstruktur der Epigramme
2.1. Μνήμη, κλέος und die Zeigerfunktion des griechischen Grabepigramms
2.2. Bezugnahmen auf die Szenerie der Rezeption
2.2.1. Präsentation des Denkmals
2.2.2. Deiktischer Verweis auf die Topographie
2.3. Emotionale und moralische Appelle
2.4. Appelle durch konkrete Handlungsanweisungen an den Leser
2.5. Formen des Verweisens auf die Aktanten im epigrammatischen Sprechakt
3. Besonderheiten fiktiver Sprecherrollen im Epigramm
3.1. Der ‘anonyme Trauernde’
3.2. Dialoge
4. Das inschriftliche Epigramm und seine Leser im 5. und 4. Jh.
5. Steinepigramm und Buchepigramm
5.1. Die Entstehung des Buchepigramms
5.2. Sprecherrollen und verba dicendi im inschriftlichen Epigramm des 4. und 3. Jh.
6. Das literarische Epigramm des Hellenismus
6.1. Bildungsstolz und Inschriftenkritik
6.2. Der Akt des Lesens
6.2.1. Inschriften
6.2.2. Buchepigramme
6.3. Spiel mit der Lesererwartung im hellenistischen Autorenepigramm
B. Autor und Leser in den Epigrammen des Kallimachos
1. Einleitung: Epigrammbücher und Buchepigramme
1.1. Das Epigrammbuch des Kallimachos
1.2. Die Epigramme des Kallimachos in der Forschung
1.2.1. Steine, Bücher, Symposien
1.2.2. Epigramme für Hörer und Leser
2. Gegenstände und Sprecherrollen
2.1. Gliederung des epigrammatischen Werks
2.2. Tabellarische Übersichten zu den Epigrammen des Kallimachos
3. Die Inszenierung des Sprechakts in den Epigrammen des Kallimachos
3.1. ‘Bericht’
3.2. Anrede an den Passanten in Grabepigrammen
3.3. Anrede an den Betrachter in Weihepigrammen
3.4. Monologische Ich-Rede von Gegenständen und Grabinhabern
3.5. Monologische Rede des Lesers
3.6. Dialoge
3.7. Die persona des Dichters
4. Zusammenfassung
C. Epigrammatische Sprecherrollen ind ene legischen undja mbischen Gedichten desK allimachos
1. Epigrammatische Sprecherrollen in den elegischen Gedichten
1.1. Rede aus der Unterwelt? (Fr. 64)
1.2. Dialoge mit Statuen (Fr. 114, 1–9, Fr. 7, 9–14)
1.3. Monologische Anrede an ein Götterbild (Fr. 100, Fr. 103)
1.4. Inschriftliche Liebesbotschaften (Fr. 67, Dieg. Z, Aristainetos 1, 10)
1.5. Monologische Ich-Rede von Gegenständen (Fr. 110, Fr. 97)
1.6. Epigrammatische Sprechakte in Siegesliedern (Fr. 384, 44–52, SH 254, 1–4)
1.7. Anrede and asP ublikum (Fr. 57, 1f. = SH2 64, 1f.)
2. Epigrammatische Sprecherrollen in den Jamben
2.1. Rede aus der Unterwelt? (Fr. 191, Fr. 201)
2.2. Sprechende Gegenstände (Fr. 191, 76f., Fr. 197, Fr. 194, Fr. 192)
2.3. Anrede an Gegenstände und Personen (Fr. 199, Fr. 195, Fr. 196)
3. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Textausgaben, Übersetzungen, Kommentare und Hilfsmittel
2. Sekundärliteratur
Register
1. Antike Autoren
2. Inschriften und Papyri
3. Namen
4. Begriffe

Citation preview

Doris Meyer

Klassische Philologie Franz Steiner Verla g

Inszeniertes Lesevergnügen Das inschriftliche Epigramm und seine Rezeption bei Kallimachos

HERMES Einzelschriften - Band 93

Doris Meyer Inszeniertes Lesevergnügen

HERMES Zeitschrift für klassische Philologie

Einzelschriften

HERAUSGEGEBEN VON

Siegmar Döpp Karl-Joachim Hölkeskamp Wolfgang Kullmann

Heft 93 ----

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Doris Meyer

Inszeniertes Lesevergnügen Dasinschriftliche Epigramm undseine Rezeption bei Kallimachos

Franz Steiner Verlag Stuttgart

2005

0064) HERMES-EINZELSCHRIFTEN (ISSN 0341– Redaktion: Prof. Dr. SIEGMAR DÖPP, Universität Göttingen, Seminar für Klassische Philologie, Humboldtallee 19, D-37073 Göttingen (verantwortlich für Latinistik) Prof. Dr. KARL-JOACHIM HÖLKESKAMP, Universität Köln, Institut fürAltertumskunde/Alte Geschichte, D-50923 Köln (verantwortlich für Alte Geschichte) Prof. Dr. WOLFGANG KULLMANN, Bayernstr. 6, D-79100 Freiburg (verantwortlich für Gräzistik)

Erscheinungsweise: Jährlich 3– 6 Bände verschiedenen Umfanges Bezugsbedingungen:

Bestellung zurFortsetzung möglich. Preise derBände nach Umfang.

Eine Fortsetzungsbestellung gilt, falls nicht befristet, bis aufWiderruf. Kündigung jederzeit möglich. Verlag: Franz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH, Sitz Stuttgart. Birkenwaldstr. 44, D-70191 Stuttgart, Postfach 101061, D-70009 Stuttgart DieHerausgeber bitten, Manuskripte andieobengenannten Redaktionsadressen zu senden. Erwünscht sind füralle Manuskripte Schreibmaschinenblätter miteinseitigerBeschriftung (links 4 cmfreier Randerforderlich). DerRedaktion angebotene Manuskripte dürfen nicht bereits veröffentlicht sein oder gleichzeitig veröffentlicht werden; Wiederabdrucke erfordern dieZustimmung des Verlages.

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D25

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

DieDeutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation inderDeutschen Nationalbibliographie; detaillierte

bibliographische Daten sindimInternet über abrufbar.

ISBN 3-515-08660-9

ISO 9706

Jede Verwertung desWerkes außerhalb derGrenzen desUrheberrechtsgesetzes ist unzulässig undstrafbar. Diesgilt insbesondere fürÜbersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung odervergleichbare Verfahren sowie fürdieSpeicherung inDatenverarbeitungsanlagen. Gedruckt aufsäurefreiem, alterungsbeständigem Papier. © 2005 byFranz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH, Sitz Stuttgart. Druck: Printservice Decker &Bokor, München Printed

inGermany

Meinen Eltern

VORWORT

Die vorliegende Monographie ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, mit der ich im Frühjahr 1995 vom Gemeinsamen Ausschuß der Philosophischen Fakultäten an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau promoviert wurde. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Wolfgang Kullmann, der nicht nurmein Interesse für die hellenistische Dichtung weckte, sondern auch die Entstehung dieser Arbeit kritisch begleitete undbeharrlich vorantrieb. Vielfältig profitiert habe ich auch von denanregenden Hinweisen der beiden weiteren Gutachter, Prof. Dr. Eckard Lefèvre undProf. Dr. Hans-Joachim Gehrke. Der erste hat mich stets an den ‘epigrammatischen’ Diskussionen des Freiburger latinistischen Seminars teilnehmen lassen, demzweiten verdanke ich nicht nureine gründliche Einführung in das Gebiet der hellenistischen Geschichte, sondern auch eine wesentliche Erweiterung meiner epigraphischen Kenntnisse. Prof. Dr. Luca Giuliani gab mirin archäologischen Seminaren undVorträgen zumThema der ‘Sprache’vonBildern undWorten wichtige Impulse. Er hat auch dieersten Kapitel dervorläufigen Fassung dieser Arbeit durchgesehen. Prof. Dr. Wolfgang Raible und Prof. Dr. Wolfgang Kullmann stellten mir mit dem Freiburger Sonderforschungsbereich ‘Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit’ (SFB 321) ein interdisziplinäres Forum zur Verfügung, in demich meine Überlegungen vorstellen konnte. Seit 1992 durfte ich an den ‘Groningen workshops on Hellenistic Poetry’teilnehmen. Fürmannigfaltige Diskussionen undAnregungen binich sämtlichen Partizipienten, vor allem aber Prof. Dr. Peter Bing, Prof. Dr. Claude Calame, Prof Dr. Therese Fuhrer, Prof. Dr. Kathryn Gutzwiller, Prof. Dr. Annette Harder, Prof. Dr. Richard Hunter undPriv.-Doz. Dr. Karl-Heinz Stanzel zu großem Dank verpflichtet. Prof. Dr. Marco Fantuzzi hat mirfreundlicherweise sein noch unveröffentliches Manuskript über die Rezeption des inschriftlichen Epigramms bei den hellenistischen Epigrammatikern überlassen. InFreiburg halfen mirProf. Dr. Jochen Althoff, Dr. Markus Asper, Dr. MarieLuise Deißmann-Merten, Daniel Löffler, Johannes Senger-Bastian, Prof. Dr. Gregor Weber undStephan Zierlein in entgegenkommender Weise. DenHerausgebern der ‘Hermes Einzelschriften’ danke ich für die Aufnahme der Arbeit in ihre Reihe sowie für etliche Anregungen undKorrekturen. Alle noch verbliebenen Unzulänglichkeiten sind allein miranzulasten. Allergrößten Dank aber schulde ich meinem Mann, Prof. Dr. Eckhard Wirbelauer, der mir mit Rat undTat, vor allem aber mit unerschöpflicher Geduld zur Seite stand. Straßburg,

imSommer 2004

Doris Meyer

INHALT

Einleitung: Griechisches Epigramm

undRezeptionsästhetik.

Methodische undterminologische Grundlagen

A. Dasgriechische Epigramm undseine Leser vonderArchaik bis zumHellenismus 1. Inschriftliche Dichtung in ‘mündlicher’Kultur 1.1. Traditionen derMündlichkeit 1.2. Definitionen 1.3. DasEpigramm undseine Leser: EinÜberblick 1.4. DasLesen vonInschriften undEpigrammen

inderSicht dergriechischen

Literatur

1

25 25 25 27 33 38

1.5. Mündlichkeit undSchriftlichkeit

indenältesten griechischen Epigrammen

2.

3.

4. 5.

47 51 1.6. Zusammenfassung 53 DieAppellstruktur derEpigramme 2.1. Μ η , κλ μ έ ο ςunddieZeigerfunktion desgriechischen Grabepigramms. 53 ή ν 56 2.2. Bezugnahmen aufdie Szenerie derRezeption 58 2.2.1. Präsentation desDenkmals 59 2.2.2. Deiktischer Verweis aufdieTopographie 63 2.3. Emotionale undmoralische Appelle 65 2.4. Appelle durch konkrete Handlungsanweisungen andenLeser 2.5. Formen desVerweisens 68 aufdieAktanten imepigrammatischen Sprechakt 77 Besonderheiten fiktiver Sprecherrollen imEpigramm 77 3.1. Der‘anonyme Trauernde’ 83 3.2. Dialoge 89 Dasinschriftliche Epigramm undseine Leser im5. und4. Jh. 96 Steinepigramm undBuchepigramm 96 5.1. Die Entstehung des Buchepigramms

X

Inhaltsverzeichnis

5.2. Sprecherrollen undverba dicendi iminschriftlichen Epigramm des 4. und3. Jh. 6. Das literarische Epigramm des Hellenismus 6.1. Bildungsstolz undInschriftenkritik 6.2. DerAktdesLesens 6.2.1. Inschriften 6.2.2. Buchepigramme 6.3. Spiel mitderLesererwartung imhellenistischen Autorenepigramm

101 107 110 115 115 117 124

B. Autor undLeser in denEpigrammen desKallimachos

127

1. Einleitung: Epigrammbücher undBuchepigramme 1.1. DasEpigrammbuch desKallimachos 1.2. DieEpigramme desKallimachos in derForschung

127 128 130

1.2.1. Steine, Bücher, Symposien 1.2.2. Epigramme für Hörer undLeser

2.

Gegenstände undSprecherrollen

130 138 144 144 148 159 159 170

2.1. Gliederung desepigrammatischen Werks 2.2. Tabellarische Übersichten zudenEpigrammen desKallimachos 3. Die Inszenierung des Sprechakts in denEpigrammen desKallimachos 3.1. ‘Bericht’ 3.2. Anrede andenPassanten inGrabepigrammen 3.3. Anrede andenBetrachter inWeihepigrammen 3.4. Monologische Ich-Rede von Gegenständen undGrabinhabern 3.5. Monologische Rede des Lesers 3.6. Dialoge 3.7. Diepersona des Dichters 4. Zusammenfassung

185 200 206 217 222

C. Epigrammatische Sprecherrollen indenelegischen undjambischen Gedichten desKallimachos

225

1. Epigrammatische Sprecherrollen indenelegischen Gedichten 1.1. Rede ausderUnterwelt? (Fr. 64) 9, Fr. 7, 9–14) 1.2. Dialoge mit Statuen (Fr. 114, 1– 1.3. Monologische Anrede aneinGötterbild (Fr. 100, Fr. 103) 1.4. Inschriftliche Liebesbotschaften (Fr. 67, Dieg. Z, Aristainetos 1, 10)

225 226 229 231 233

181

Inhaltsverzeichnis

1.5. Monologische Ich-Rede vonGegenständen (Fr. 110, Fr. 97) 1.6. Epigrammatische Sprechakte 52, SH 254, 1– 4) in Siegesliedern (Fr. 384, 44–

XI

235

3. Zusammenfassung

238 241 244 247 250 254 259

Literaturverzeichnis

265

1. Textausgaben, Übersetzungen, Kommentare undHilfsmittel 2. Sekundärliteratur

265 269

Register

301

1. Antike Autoren 2. Inschriften undPapyri 3. Namen 4. Begriffe

301 313 318 324

1.7. Anrede andasPublikum (Fr. 57, 1f. = SH 264, 1f.)

2.

in denJamben 2.1. Rede ausderUnterwelt? (Fr. 191, Fr. 201) 2.2. Sprechende Gegenstände (Fr. 191, 76f., Fr. 197, Fr. 194, Fr. 192) 2.3. Anrede anGegenstände undPersonen (Fr. 199, Fr. 195, Fr. 196) Epigrammatische Sprecherrollen

EINLEITUNG GRIECHISCHES EPIGRAMM UNDREZEPTIONSÄSTHETIK. METHODISCHE UNDTERMINOLOGISCHE GRUNDLAGEN Schon eine Menge Leute für eine einzige Erzählung.*

Die Untersuchung des griechischen Epigramms als einer Literatur für Leser folgt einem Hinweis, den der alexandrinische Philologe und Dichter Kallimachos durch eines seiner verblüffendsten poetischen Experimente selbst gegeben hat. In einer Weihinschrift füreinen bronzenen Hahn läßt er dentextinternen Sprecher des Gedichts, denHahn, in eigener Person verkünden, er sei imGrunde gar nicht der Sender der hier zu vermittelnden Botschaft: Für den Inhalt der Inschrift sei in Wirklichkeit der Stifter des Weihgeschenks verantwortlich, denn er, ein bronzener Hahn, „ weiß ja selbst nichts“(Ep. 56 PFEIFFER). Diese Thematisierung eines Sprechakts innerhalb ebendieses Sprechakts läßt den Leser des Epigramms einigermaßen verwirrt zurück. Welche Aussage wird hier überhaupt gemacht? Wozu wird Selbstverständliches –daß in einer griechischen Inschrift der beschriftete Gegenstand in der 1. Person sprechen kann –zumThema gemacht? Es handelt sich offensichtlich um nichts anderes als um die bewußte Aufkündigung eines Konsenses zwischen demEpigrammautor undseinem Leser, deraufgrund seiner Erfahrung fiktive Elemente in einem Text als solche wahrnimmt undauch ohne expliziten Verweis ‘richtig’versteht.1 Daß der Gegenstand einer Weihinschrift behauptet: , hätte dieser Leser ohne weiteres Nachdenken zur X ... hat mich aufgestellt“ „ Kenntnis genommen, denn ‘sprechende’ Gegenstände gehören seit langem zum Repertoire der Gattung.2 Dieselbe Wirkung –Überraschung, Verwirrung undviel*

1

2

G.GENETTE zurFülle deserzähltheoretischen ‘Personals’, daser inKapitel 19(‘Implizierter Autor? Implizierter Leser?’) seines Nouveau discours du récit, Paris 1983, diskutiert, hier undim folgenden zitiert nach der deutschen Ausgabe (G. GENETTE, Die Erzählung, übersetzt von A. KNOP, mit einem Vorwort herausgegeben von J. VOGT, München 1994), die

auch GENETTEs frühere Abhandlung (Discours durécit. Essai de méthode, in: DERS., Figures 273) enthält. Das Zitat findet sich auf S. 285 (= Nouveau discours, S. III, Paris 1972, S. 65– 96: „ ... ce quicommence à faire beaucoup demonde pourunseul récit.“ ). Vgl. hierzu K. STIERLE, Was heißt Rezeption bei fiktionalen Texten?, Poetica 7, 1975, S. 387, bes. 356ff. und S. GROSS, Lesezeichen. Kognition, Medium und Materialität im 345– Leseprozeß, Darmstadt 1994, S. 22f. (‘Lesen als Vertrag’). Einen guten Überblick über die in griechischen Steinepigrammen verwendeten Formen

fiktiver Sprechakte, mitderen Hilfe demLeser eine Information vermittelt werden soll, bietet die Typologie bei W. PEEK, Griechische Versinschriften I (GV), Berlin 1955, S. XIX– XXII, die sich allerdings nurauf metrische Grabinschriften bezieht. Eine vergleichbare Typologie dedikatorischer Inschriften der archaischen Zeit bietet M. L. LAZZARINI, Le formule delle dediche votive nella Grecia arcaica, Atti della Accademia Nazionale dei Lincei. Serie 354, bes. ottava. Memorie. Classe di Scienze morali, storiche e filologiche 19, 1976, S. 47– 354. Zum ‘sprechenden’ Gegenstand vgl. PEEK, GV 1171–1208 (Gruppe B III: „Private 351– ); LAZZARINI S. 74f. Denkmäler: Besondere Formen der Ich-Rede“

2

Griechisches Epigramm undRezeptionsästhetik

leicht Amüsement –erzielt dasEpigramm desKallimachos auch noch bei heutigen Lesern, besonders wenn sie mit denpoetischen Traditionen der Versinschrift ein wenig vertraut sind. Umgekehrt versteht es sich aber auch, daßeinsolches Spiel mitdenkommunikativen Strukturen eines inschriftlichen Textes ein hohes Maß an literaturgeschichtlicher Kenntnis undReflexion von Seiten des hellenistischen Epigrammautors voraussetzt. Bekanntlich ist die Vertrautheit mit denGattungen der griechischen Poesie wie auch die Demonstration vonGelehrsamkeit in deneigenen Werkenein hervorstechendes Merkmal derfrühhellenistischen Dichtung, insbesondere aber derjenigen des Kallimachos. Zu Recht wird daher in der Literaturgeschichte des Hellenismus gerade das enge Verhältnis der kallimacheischen Epigramme zur literarischen Vorgeschichte derGattung betont: Callimachus’ Epigrams are strongly connected with the brief tradition of „ literary epigram, and show many links with Asclepiades in particular. But they also look behind, to the conventions and concepts of the inscriptional poems and the love-poetry from which the literary epigram derives. With these conventions Callimachus plays more continually andmore disconcertingly than his predecessors andcontemporaries. The play is made possible 3 by thegenre; but the effects fit the nature of the poet.“

[...]

Mit demgenannten

Asklepiades

von Samos undanderen

Epigrammdichtern

des späten 4. undfrühen 3. Jahrhunderts teilt sich Kallimachos denRuhm, die neue Literaturform des erotischen Buchepigramms aus der Verbindung des inschriftlichen Epigramms mit der Liebeselegie entwickelt undzugleich auch schon nahezu perfektioniert zu haben.4 Doch übersieht manleicht, daß der alexandrinische Dichter undPhilologe mitdemfiktiven Denkmalepigramm noch einer anderen Spielart des literarischen Epigramms einen entscheidenden Impuls gegeben hat, die später viele Nachahmer, insbesondere dieVerfasser derspielerischen ‘epideiktischen Epigramme’, gefunden hat.5 Inschriften auf Grabmäler undWeihgeschenke, die auch als Buchdichtungen unterhaltsam sind, machen trotz einer modernen Vorliebe für 3

4

5

G. O. HUTCHINSON, Hellenistic Poetry, Oxford 1988, S. 71. Die Darstellung HUTCHINSONs vereinfacht an dieser Stelle, wenn sie allein die Liebesdichtung als die Wurzel des literarischen Epigramms ausmacht, vgl. A. CAMERON, The Greek Anthology from Meleager to Planudes, Oxford 1993, S. 2f.; nach K. J. GUTZWILLER, Poetic Garlands. Hellenistic Epigrams in Context, Berkeley u.a. 1998, S. 77 (vgl. S. 87) warNossis . Die auf R. REITthefirst poet to combine erotic focus with inscriptional form“ ausLokroi „ ZENSTEIN, Epigramm undSkolion. Ein Beitrag zur Geschichte der alexandrinischen Dichtung, Gießen 1893 zurückgehende Unterscheidung zweier hellenistischer Epigrammschulen hat das Verständnis der Gesamtentwicklung bisweilen eher erschwert, vgl. W. SEELBACH, ‘Epigramm’, in: H. H. SCHMITT / E. VOGT (Hgg.), Kleines Wörterbuch des Hellenismus, Wiesbaden 1988, S. 160. CAMERON 1993, S. 2f., 15f. Der aus der Rhetorik entlehnte Begriff erscheint bei demkaiserzeitlichen Epigrammatiker Lukillios in einem Epigramm (ε ἰςδ ιξ ε ίδ ιν , Anth. Pal. 11, ᾽ἐπ 312), vgl. dazu M. LAUSBERG, DasEinzeldistichon. Studien zumantiken Epigramm, München 1982, S. 73. Der Terminus ‘epideiktisch’ sollte jedoch nicht auf das frühhellenistische Buchepigramm übertragen werden, weil er einem anderen Kontext entstammt, vgl. auch M. 537. D. LAUXTERMANN, What is an Epideictic Epigram?, Mnemosyne 51, 1998, S. 525–

Methodische undterminologische Grundlagen

3

dieLiebesdichtungen dengrößten Teil deserhaltenen Korpus derkallimacheischen Epigramme aus. Umdiesen inschriftlichen Typus’desEpigramms, das ‘Denkmalepigramm’, undumdie Eigenheiten seiner formalen Struktur, soll es imfolgenden ‘ gehen. Als einungelöstes Problem der Epigrammforschung galt lange Zeit die Frage, ob die literarisierte Form dieser Kurzgedichte, wie sie bei Kallimachos erscheint, sich von der Art der älteren, inschriftlichen Epigramme so grundsätzlich unterscheidet, daßmandenhellenistischen Gedichten eine völlig andere Funktion, etwa als improvisierte Symposionsunterhaltung, zuzuschreiben habe.6 So ging es noch bis vor kurzem in erster Linie darum, die in den Handschriften überlieferten Epigramme in den Kontext der zeitgenössischen hellenistischen Geschichte und des alexandrinischen Literaturbetriebs einzuordnen undihre Funktion innerhalb dieses Rahmens zuklären, ohne daßdabei Einigkeit erzielt worden wäre.7 Die Schwierigkeiten derGelehrten bei der Suche nach dem‘Sitz imLeben’für die Epigramme des Kallimachos sind unter anderem auch das Resultat der von Kallimachos selbst gestifteten Verwirrung, was fiktive Elemente und Sprecherrollen in den Gedichten betrifft. Sind solch ironisch-distanzierte Sprecherstimmen überhaupt noch auf steinernen Monumenten denkbar? In der vorliegenden Arbeit soll die Perspektive des Kallimachos insofern übernommen werden, als auch hier die poetischen Traditionen des Epigramms, insbesondere seine seit der Archaik ausgebildeten, für jeden Leser wiedererkennbaren Strukturmerkmale, den Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit der Gattung bilden sollen. Dazu müssen zunächst Merkmale des archaischen und des klassischen griechischen Epigramms aufgespürt werden, an die der hellenistische Dichter anknüpft. In einem ersten Teil der Arbeit haben wir also –immer mit Blick auf Kallimachos –die Herausbildung fiktiver Elemente, wie sie Sprecherrollen immer darstellen, im archaischen und klassischen Epigramm zuuntersuchen. DieTradition desEpigramms vorKallimachos ist inerster Linie eine Tradition des Steinepigramms, einer durch ihre praktische Funktion formal und inhaltlich stark geprägten Gattung, auch wenn durch Simonides, den ersten namhaften Verfasser von Versinschriften, in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts eine ‘literarische’Qualität dieser Gedichte bezeugt ist. Wohl schon gegen Ende des 4. Jahrhunderts liegen Sammlungen von berühmten Epigrammen vor.8 Die charakteristische Form desEpigramms als einer literarischen Gattung jedenfalls, seine Kürze, Abgeschlossenheit undBezugnahme aufeinen individuellen Gegenstand, hatein Vorbild in den Steininschriften, mit denen einzelne Personen geehrt oder Kunstwerke gestiftet werden. Diezweite, schon erwähnte Wurzel deshochliterarischen hellenistischen Epigramms, die griechische Liebeselegie, spielt für die hier in den Blick genommene kallimacheische Variation desDenkmalepigramms nuramRande eine Rolle, insofern wirinjedem einzelnen Fall damit rechnen müssen, daß imBuchge6

S. dazuunten S. 132, 138ff.

7

haben hier REITZENSTEIN 1893, S. 87–180 und U. V. WILAMOWITZ-MOELLEN129 Hellenistische Dichtung in der Zeit des Kallimachos, Berlin 1924, Bd. 2, S. 114– gewirkt, s. dazu unten S. 131ff. CAMERON 1993, S. 1f; GUTZWILLER 1998, S. 1ff.; s. unten S. 96ff. Vorbildhaft DORFF,

8

4

Griechisches Epigramm

undRezeptionsästhetik

dicht des 3. Jahrhunderts Motive undAnredefiguren unterschiedlicher poetischer Traditionen verschmolzen werden. Schließlich sind als unmittelbare Vorläufer oder Zeitgenossen desKallimachos Anyte vonTegea, Nossis, Leonidas vonTarent und Asklepiades von Samos9 zu berücksichtigen, die sich aufjeweils unterschiedliche Weise mit der Tradition des Denkmalepigramms auseinandergesetzt haben, auch wenn, wie im Falle des Asklepiades, das Hauptinteresse auf ‘elegische’ Gegenstände zielte. Die Anwesenheit eines beschrifteten Gegenstands –real oder imagi, ja auch dasAusmalen einer Szenerie, diegleichsam epigrammatisch etiketnär– tiert wird, können als ein strukturelles Substrat betrachtet werden, das die metrische Steininschrift andasliterarische Epigramm vererbt. Was aber ist das spezifische Interesse des Kallimachos an der Tradition des Epigramms, einer Gattung, die der dichterischen Imagination durch ihre vorgegebene Form auf den ersten Blick nur wenig Spielraum läßt? Die Literaturform der metrischen Aufschrift hat eine bis in das 8. Jahrhundert zurückreichende Geschichte; Vorformen ihres später standardisierten Aufbaus unddie indirekte Darstellung ihrer Funktion liegen schon in denhomerischen Epen vor. Ausderfrühen Blütezeit der Versinschrift in der Archaik haben sich altertümliche Wendungen wie die IchRede eines Gegenstands erhalten, deren poetische Möglichkeiten denAlexandriner fasziniert haben mögen, einen Dichter, der auf die Erneuerung der Dichtung aus demWissen umdieTradition bedacht ist. Zu diesem traditionell-nostalgischen Reiz, den das alte Epigramm für einen Dichter derneuen Weltstadt Alexandria gehabt haben mag, kommt seine inschriftlich-materielle Verbindung mit demkonkreten Gegenstand. Bildwerke undKultgegenstände, überhaupt Kulturdenkmäler aller Art und die mit ihnen verwobenen Geschichten sind in der aitiologischen Dichtung des Kallimachos allgegenwärtig. Dazu gehören auch die auf denmateriellen Denkmälern angebrachten Inschriften. So nennt Kallimachos amEnde seiner Beschreibung der olympischen Zeusstatue 62). Jeder einzelne, im die Künstlerinschrift des Pheidias (Jamb. 6, Fr. 196, 59– Epigramm evozierte imaginäre Gegenstand –undebenso jeder tatsächlich vorhandene, dermit einer kallimacheischen Aufschrift versehen ist –wird durch die poetische Darstellung mit einer Reihe von Assoziationsmöglichkeiten versehen, die einenAusblick inkulturelle Zusammenhänge aller Artgewähren. Darüber hinaus jedoch gibt es eine weitere Eigenheit in derDichtung des Kallimachos, dieihnvondenübrigen Epigrammatikern, vielleicht sogar überhaupt von denanderen Dichtern seiner Zeit unterscheidet. Diese Besonderheit ist unter dem Einfluß der Erzähltheorie in jüngeren Arbeiten an verschiedenen Gedichten des Alexandriners herausgearbeitet worden. Kallimachos thematisiert die Rolle des internen Erzählers oder Sprechers seiner poetischen Texte, indem er ihmeine herausragende Präsenz zubilligt,10 geradeso, wie wir es oben im Fall des Hahn-Epigramms sahen undnoch genauer sehen werden. Aufderanderen Seite fordert er – einmal sogar explizit –denaktiven Hörer oder Leser seiner Dichtungen. Vor allem in denAitia undin denJamben finden wir denAutor in der Rolle eines Fragers,

9 GUTZWILLER 1998, S. 47ff., 115ff. 10 Al. CAMERON, Callimachus and his Critics, Princeton 1995, S. 351ff.; 367f.; 188. 1998, S. 39, 183–

GUTZWILLER

Methodische

undterminologische

5

Grundlagen

der mit einem ‘Experten’ in einen Dialog tritt. Die ‘gelehrte’ Art der Fragen der kallimacheischen Figur unddie Verwendung eines fragenden Lesers in Epigrammenschon des5. Jahrhunderts gibt uns–wiewirimeinzelnen noch zeigen werden –einen deutlichen Hinweis darauf, daß sich hinter demdialogischen Sprechakt der poetischen Darstellung realiter der Akt des Lesens, genauer: die Erfahrung der Wissensvermehrung durch Lesen, verbirgt. Die Dramatisierung eines einsamen Leseakts, einer literarischen Erfahrung, ist natürlich nureine derFunktionen dieser fürKallimachos charakteristischen poetischen Darstellungstechnik. Sie wirft jedoch einLicht aufeine Gemeinsamkeit mitdenEpigrammdichtern dervorhellenistischen Zeit, diebisher vielleicht zuwenig beachtet wurde. Versinschriften sind die älteste griechische Dichtung für Leser. Darin unterscheiden sie sich schon inarchaischer Zeit vonallen anderen poetischen Gattungen, deren vorrangige Bestimmung dermündliche Vortrag war. So könnte manmeinen, daßdiepoetischen Techniken, diedasEpigramm fürdiese besondere Rezeptionssituation entwickelt hat, in einer Zeit wieder aufgegriffen wurden, in der zumersten Mal Dichtung für Buchleser geschrieben wurde, auch wenn der Vortrag von Gedichten vor einem Zuhörerkreis weiterhin praktiziert wurde.11 Das hellenistische Epigramm als Buchepigramm unddie übrige für das Buch verfaßte Poesie sind in der Wahrnehmung ihrer Rezipienten nicht unterschieden –anders vorher die Schrift auf demGegenstand und der mündliche Vortrag jedwedes anderen poetischen Textes. Zuspitzend schreibt P. BINGüber dashellenistische Buchepigramm: It nolonger has to be inscribed since all poetry has moved „ 12 epigram: a poemis always nowaninscription.“

inthe direction of

Gegen diese Ansicht undihre Konsequenzen hat sich jüngst Al. CAMERON geSo gebe es mit demAufkommen vonBüchern für Gedichtleser gar keine neue Art von Dichtung, wie auch das Publikum der Buchdichtung nicht grundsätzlich von dem der poetischen performance zu unterscheiden sei. Das kann jedoch nicht injeder Hinsicht gelten. Sind doch dieErfahrungen auch eines antiken wandt.13

11 Vgl. aber GUTZWILLER 1998, S. 3 über das Steinepigramm: „Although the solitary reading of anepigram does anticipate theexperience of later book readers, within this cultural context verse inscriptions were valued more for their practical function of praise andcommemoration than purely as literary objects.“ , undebd. S. 45f. über dasneue Publikum derLesedichtung seit dem 4. Jh. Für die Rezitation als wichtigste Darbietungsform des hellenistischen Epigramms plädiert dagegen CAMERON 1995, S. 71ff. 12 P. BING, The Well Read Muse. Present and Past in Callimachus and the Hellenistic Poets, Göttingen 1988 (Hypomnemata 90) (= BING 1988a), S. 17; vgl. hierzu auch N. KREVANS, The Poet as Editor. Callimachus, Virgil, Horace, Propertius and the development of the Poetic Book, Ph. D. Princeton 1984 (UMI Ann Arbor). 13 Eine vonBING 1988a, S. 15 und 17f. herausgestellte, demalten Epigramm undder neuen Buchdichtung gemeinsame Technik ist die Verwendung visueller Effekte, z. B. in denTechnopaignia. Diese werden von CAMERON 1995, S. 32ff. und 78 bestritten, der die Figurengedichte für echte Aufschriften erklärt undbesonders bei Kallimachos denVorrang des . Hörens vor demSehen betont, vgl. dazu aber D. MEYER, „ Nichts Unbezeugtes singe ich“ Diefiktive Darstellung derWissenstradierung bei Kallimachos, in: W.KULLMANN / J. ALTHOFF(Hgg.), Vermittlung undTradierung vonWissen in dergriechischen Kultur, Tübingen 336. 1993 (ScriptOralia 61), S. 317–

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Griechisches Epigramm

undRezeptionsästhetik

Buchlesers während derprivaten Lektüre ganz andere als dieeines Zuhörers in der Gruppe oder auch eines Passanten, der eine Inschrift entziffert. Der Buch- oder Papyrusleser hat, wieK. GUTZWILLER betont, dasganze Buch, die ganze Rolle im Blick.14 Er hat die Zeit, sich bequem einzurichten15 undseine gegenwärtige Leseerfahrung mit denvorangegangenen zuvergleichen. Er ist also auf seine Art selbständiger undaktiver als derZuhörer. Dies zubetonen ist durchaus wichtig, dadie intendierte Art derRezeption bekanntlich Rückwirkungen auf die Art der Produk-

tion hat.

Nunist die Lage aber noch komplexer. Denn die antiken Darstellungen von Kommunikationssituationen vermitteln lange Zeit denEindruck, als hätten sie den Leser als möglichen Adressaten poetischer Äußerungen gar nicht wahrgenommen, obschon es seit demAufkommen des Schriftgebrauchs zunehmend auch individuelle Leseerfahrungen gegeben haben muß. Die bestimmenden Erfahrungen aber blieben bis in das4. Jahrhundert v. Chr. die Traditionen des Sprechens: der mündliche Vortrag, das Vorlesen und–als ein Relikt der alles dominierenden Mündlichkeit –daslaute Lesen.16 Zudem fehlte dasWissen über diephysiologischen und psychologischen Vorgänge des Hörens undVerstehens. Es ist ein bezeichnender gemeinsamer Zug der älteren griechischen Theorien über die Vorgänge der Wahrnehmung unddes Verstehens, daß Sinn undBedeutung als amObjekt der Wahrnehmung haftend und nicht als psychologische Konstrukte des wahrnehmenden Subjekts verstanden werden.17 Die Aktivität geht daher, zumindest nach der älteren Vorstellung von Kommunikation, in erster Linie vom Sender oder vom Medium aus, der Vorgang des aktiv Verständnis konstruierenden Hörens ist selbst noch unverstanden oder bleibt zumindest unberücksichtigt. Nurbeispielhaft sei hier auf ) μ α die bei Herodot häufig verwendete Redensweise τ ά δ ε τ μ αἔλ γ ρ ε(τ ά ε ὰδ ὲγ undauf dasπ ᾶ σ ιν... ὑπ α ι-Epigramm (CEG 1, 286) für eine Darstellung ρ ίν ομ ο κ desLesevorgangs verwiesen, in derderAktdesLesens als ein mündlicher Vortrag 14 GUTZWILLER 1998, S. 4f. 15 Vgl. den Beginn von Italo CALVINO, Wenn ein Reisender in einer Winternacht ..., dt. München 1983, zusammen mitanderen literarischen Darstellungen vonLeseerfahrungen seit Se49. neca wiederabgedruckt in: C. JANSOHN (Hg.), DasBuch zumBuch, Leipzig 1998, S. 47– 16 Einen guten Überblick überdieEntwicklung derKommunikationsformen geben W.RÖSLER, Die griechische Schriftkultur der Antike, in: H. GÜNTHER / O. LUDWIG (Hgg.), Schrift und Schriftlichkeit / Writing andIts Use. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler For517, 513: „ schung, Bd. 1, Berlin / NewYork 1994, S. 511– Der Leser inszenierte gleichsam für sich selbst eine mündliche Kommunikationssituation“; knapper zur Antike, da einen größeren Rahmen behandelnd: M. GAUGER, ebd. S. 65– 84 sowie S. USENER, ‘Hörer’, in: G. UEDING (Hg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 3, Darmstadt 1996, Sp. 1561– 1570 (jeweils mit nützlicher Bibliographie). 17 W. Ax, Laut, Stimme, Sprache. Studien zudrei Grundbegriffen derantiken Sprachtheorie, Göttingen 1986 (Hypomnemata 84), S. 60ff., 113f. und 264; T. BORSCHE, ‘Platon’, in: P. SCHMITTER (Hg.), Sprachtheorien der abendländischen Antike, Tübingen 1991 (= P. 169, vgl. dagegen die moSCHMITTER [Hg.], Geschichte der Sprachtheorie, Bd. 2), S. 140– derne Auffassung bei W. ISER, Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung, München 41994 (11976), S. 245: „ Sinn ist die in der Aspekthaftigkeit des Textes implizierte Verweisungsganzheit, die im Lesen konstituiert werden muß. Bedeutung ist die Übernahme des Sinnes durch den Leser in seine Existenz.“–Vgl. auch GROSS 1994, S. 15– 19, 31.

Methodische

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eines Sprechers umschrieben wird.18 Das Paradigma einer Kommunikationssituation, in derdie Schrift ins Spiel kommt, ist die Vorlesesituation. Während die Buchstaben bei Herodot jedoch immer zu einem interessierten Zuhörer zu ‘sprechen’scheinen, kann sich derVerfasser einer vonvielen Grabinschriften nicht einmal sicher sein, daßüberhaupt jemand stehenbleibt, umdenStein zu entziffern. Diese Unsicherheit spiegelt sich imgenannten π ι-Epigramm α ρ ίν ομ ο κ ᾶ ιν... ὑπ σ darin, daß die Anwesenheit eines Rezipienten als Bedingung der Möglichkeit eines ‘Vortrags’ im Text erwähnt wird: „Allen Menschen antworte ich“ , sagt die Inschrift, „ wer auch immer fragt“ . Hier also wirkt der Wunsch nach einem oder vielen Lesern in denText hinein, wenngleich die Kommunikation zwischen diesem Publikum und der Inschrift als ein mündlicher Dialog, als eine Frage-AntwortSituation dargestellt wird. Die oben formulierte Problemstellung dieser Arbeit –die Frage nach der Rezeption charakteristischer Strukturen des Denkmalepigramms bei Kallimachos – wird dadurch umeine entscheidende Dimension erweitert. Da sich, wiewirfestgestellt haben, ein besonderes Interesse des Kallimachos auf dialogische Elemente undtextinterne Sprecherfiguren zu richten scheint, gilt es zumeinen, die literaturgeschichtliche Entwicklung der entsprechenden Strukturen von Beginn an zu verfolgen. Weil sich die griechische Kultur erst auf dem Weg zu einer Schriftkultur befindet, sind Veränderungen hinsichtlich der von Epigrammen in Rechnung genommenen Leseerfahrung zuerwarten, denn die Anzahl vonLesern unddie Menge von Gelesenem muß von der Archaik bis zur Zeit des Kallimachos ständig zugenommen haben unddamit auch die Reflexion über die Psychologie der Kommunikation. Es ist also wahrscheinlich, daß wir gerade in Epigrammen Anzeichen für eine Veränderung im Umgang mit demLeser wiederfinden, insbesondere in solchen Epigrammen, die wie unser eingangs zitiertes Beispiel eine Kommunikationssituation mit Hilfe von textinternen Sprecherfiguren dramatisieren. Zum zweitenaber ergibt sich nunmehr dieFrage, inwelchem Verhältnis die Sprecherfiguren in denEpigrammen des Kallimachos zu ihren Vorgängern stehen, ob sie sich etwa eher demarchaischen Modus oder einer jüngeren Variante des Umgangs mit dem Leser verpflichtet zeigen. Das hier gewählte kallimacheische Beispiel –der sprechende Bronzehahn, der als eine konventionelle Fiktion enttarnt wird –macht eines deutlich: Das fiktive

18 „ Die Schrift aber sagte (folgendes): [...]“ findet sich z. B. bei Hdt. 1, 124, 1; mit dem Versprechen „ Allen antworte ich“ wendet sich CEG 1, 286 zu Beginn des 5. Jh. an seine Leser; zubeiden Beispielen s. unten S. 43 und76. Wiesehr dermündliche Sprechakt Vorstellungen vonKommunikation undWahrnehmung bei denGriechen prägt, zeigt auch das Beispiel der Philosophen: So beobachtete Ax 1986, S. 71 mit Anm. 39, daß die Wahrnehmungslehre desDemokrit nicht auf „ die generelle akustische Relation ‘Gehör –Geräusch’, sondern vielmehr auf die spezielle Relation des Sprechaktes, der sprachlichen Kommunikation ‘Hören –Sprechen’ zielt. –Die Wendung ο ε τ ςbezeichnet Leser eines ον ἱἀ ύ κ ο “ Buches, vgl. LSJ s. v. ἀ ’(I.f.4.). Eine strukturalistisch geprägte Deutung der griechiω ύ ο κ schen Leserrolle, ihrer ‘sozialen Bedeutung undihrer Metaphorik bietet J. SVENBRO, Phrasikleia. Anthropologie de la lecture en Grèce ancienne, Paris 1988, dazu s. die Besprechung 3. Vgl. ferner W. RÖSLER, Alte und neue Münddurch W. RÖSLER, Gnomon 64, 1992, S. 1– 26. lichkeit, AU28 / 4, 1985, S. 4–

[...]

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undbisweilen artifizielle Moment solch textinterner Sprecher ist dem hellenistischen Dichter bewußt. Anders, man möchte meinen: selbstverständlicher und selbstgewisser, wirkt die kurze Rede des archaischen π ᾶ σ ιν... ὑπ ρ α ιίν μ ο κ ο Epigramms, undich will versuchen zu zeigen, daß es dabei keine Ausnahme darstellt. Die imaginären Sprecherrollen gehören ganz einfach zumformalen Repertoire solcher Epigramme, sie werden in der Regel gar nicht problematisiert.19 Ob die fingierte Mündlichkeit als solche überhaupt schon vor Kallimachos thematisiert wurde, soll durch eine zeitübergreifende Untersuchung der Sprecherrollen in den vorhellenistischen Epigrammen ermittelt werden. Dies führt uns nunzu unserer nächsten Frage. Welche Funktion erfüllen die dramatisierten Sprechakte, die sich von den ältesten Epigrammen an durch die ganze Tradition der Gattung fortsetzen? Inwiefern verändert sich diese Funktion, wenn die Fiktionalität dieser Sprechakte demLeser bewußt gemacht wird? Zur Beantwortung dieser Fragen soll hier eine Arbeitshypothese vorgestellt werden, die imVerlauf derUntersuchung zuüberprüfen ist. Der imaginierte Autor-Leser-Dialog imarchaischen Epigramm wurde oben als eine Reaktion auf die tatsächlichen, realen Bedingungen der Kommunikation zwischen demAutor der Inschrift, besser: dem Sender der zu übermittelnden Botschaft, und dem Leser des inskribierten Textes beschrieben. Ich möchte hier noch konkreter von einer Appellstruktur der Epigramme sprechen. Damit ist gemeint, daß Epigramme durch die dramatisierte Darstellung ihrer eigenen Rezeptionssituation die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen suchen, indem sie eine Interaktion zwischen Leser undInschrift präfigurieren. Sie erhöhen so die Chance, eine ihrer wichtigsten Funktionen zu erfüllen: gelesen zu werden. Dies geschieht dadurch, daß sie an die von der Mündlichkeit bestimmten kommunikativen Erfahrungen ihrer Adressaten anknüpfen. ‘Appell’ als eine wesentliche Leistung der menschlichen Sprache wurde 1934 von K. BÜHLER vor dem Hintergrund seiner mittlerweile klassischen Sprechakttheorie definiert.20 Nachdem BÜHLER ‘Ausdruck’, ‘Appell’ und D arstellung’ als ‘ er denAppell diezentralen Funktionen der Sprache eingeführt hat, charakterisiert als diejenige Funktion im Relationengeflecht von Sachverhalt, Sender, Empfänger undsprachlichem Zeichen, die für denAnalytiker „ amBenehmen desEmpfängers“ am exaktesten greifbar“ist.21 Der für eine analoge Funktion literarischer Texte „

19 Mit STIERLE 1975, S. 356ff.

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könnte man von einer ‘quasi-pragmatischen Rezeption’ des fiktionalen Textes sprechen, derdort als T ext mitdemCharakter einer Setzung’definiert wird unddessen Wahrnehmung sich von‘derintellektuelleren Form derfiktionserfassenden Rezeption unterscheidet. K. BÜHLER, Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache, Stuttgart 1934 (ND Frankfurt u. a. 1978), S. 24ff. Dort führt BÜHLER sein in Anlehnung an eine Äußerung Platons imKratylos O rganonmodell der Sprache’genanntes Kommunikationsmodell ein, das ‘ Sprache als ein Instrument (Organon) der Mitteilung begreift. Sprache wird also im Hinblick aufihre kommunikative Funktionalität betrachtet. ImRelationendreieck zwischen Sender, Empfänger und Gegenstand (vgl. das bekannte Schema auf S. 28), zwischen denen das Instrument der Sprache vermittelt, definiert ‘Appell’ die Relation ‘Sprache-Empfänger’. Weres einfacher mag: es gibt, wieheute jeder weiß, einen sex appeal, neben welchemderspeech appeal miralsebenso greifbare Tatsache erscheint.“(ebd. S. 29). BÜHLER 1934, S. 28, Zitat S. 31.

[...] „

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Methodische undterminologische Grundlagen

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geprägte Begriff der ‘Appellstruktur’, der durch W. ISER bekannt geworden ist,22 führt unsweiter in das Gebiet der modernen Rezeptionsforschung, genauer: in einenihrer Teilbereiche, die Rezeptionsästhetik. Andiesem Punkt wird sich der Leser der vorliegenden Arbeit vielleicht an die beiden bekanntesten Epigrammtheorien erinnert fühlen, die schon im 18. Jahrhundert mit Blick auf das griechische Epigramm undinsbesondere seine lateinischen Nachfolger entwickelt wurden. Die theoretischen Reflexionen der Dichtergelehrten G. E. LESSING undJ. G. HERDER kreisen umden rezeptionsästhetischen Aspekt derLeserorientierung. Demnach erzeugt underfüllt dasEpigramm eine Erwartung seines Lesers oder überträgt einen Affekt auf ihn.23 LESSING und HERDER haben zwar das griechische Steinepigramm und seine praktische Funktion als den Ursprung der Gattung noch im Blick, formulieren ihre eigenen Theorien jedoch eher in Bezug auf diejüngere Buchvariante des Epigramms undnicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer eigenen literarischen Produktion. Aus diesem Grund wollen wir die literaturtheoretischen Überlegungen der Gelehrten in einem späteren, forschungsgeschichtlichen Kapitel behandeln und zunächst versuchen, ein methodisches Instrumentarium für die Strukturanalyse sowohl der Stein- als auch der Buchepigramme zu gewinnen, indem wir die Ergebnisse der Rezeptionswissenschaft zurpoetischen Praxis desgriechischen Epigramms inBeziehung setzen. Die moderne Rezeptionsästhetik ist eine Weiterentwicklung der Sprechakttheorie, die sich mit der Einheit der sprachlichen Handlung befaßt. Eine entsprechende Definition des Sprechakts sei wegen ihrer besonderen Bedeutung für das Epigramm zitiert: „Segment derRede, situativ-intentionale undbedeutungsvolle artikulatorischakustische Einheit, die Sprecher und Hörer in einer bestimmten Situation durch für beide gleiche Bedeutungen verbindet. Der individuelle kommunikative Gebrauch der Sprache als untrennbare Einheit vonSprechen und Hören bzw. Schreiben und Verstehen.“24

[...]

Epigramme sind auf den Stein übertragene Sprechakte, deren ‘Handlung’ im ὑ π ρ ο ίν κ ε ϑ σ α ι, im ‘Antworten’ auf eine gedachte Frage besteht. Zwischen der Aktivität des Sprechers undderdesLesers wird dabei nicht unterschieden. Geleseneswird als vonjemandem Gesprochenes, Gesprochenes als zujemandem Gesagtes verstanden. Wennwiralso Epigramme als Sprechakte definieren,25 so ist damit zum Ausdruck gebracht, daß sie den Leser einbeziehen, mehr noch: daß ihre Struktur vonebendiesem Bestreben inbesonderer Weise geprägt ist. Viele griechische Epigramme erinnern ihren Leser etwa –umeineinfaches Beispiel zunennen –

22 W. ISER, Die Appellstruktur derTexte. Unbestimmtheit als Wirkungsbedingung literarischer Prosa, Konstanz 1974 (Konstanzer Universitätsreden 28), wiederabgedruckt in: R. WAR252. NING, Rezeptionsästhetik. Theorie undPraxis, München 41994, S. 228– 23 Eine Einführung in die Geschichte der Theorie des Epigramms gibt P. HESS, Epigramm, 66, hier S. 47– 58. Stuttgart 1989, S. 1– 24 Th. LEWANDOWSKI, Linguistisches Wörterbuch Bd. 3, Heidelberg / Wiesbaden 51990, S. 1080 s. v. ‘Sprechakt’(Hervorhebungen D. M.). 25 GUTZWILLER 1998, S. 115f. u. a. verwendet den Begriff ‘speech act’regelmäßig, jedoch ohne weitere theoretische Diskussion.

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denrituellen χ ε-Gruß zu sprechen. Das Erinnern oder Mahnen an sich α ῖρ ist nach der Systematik vonJ. L. AUSTIN undJ. R. SEARLE einillokutiver Akt, der, in seltenen Fällen durch ein performatives Verb (‘ich ermahne, behaupte ...’), die Funktion derÄußerung angibt. Dasbeabsichtigte Hervorrufen bestimmter Wirkungen beim Rezipienten durch den Vollzug bestimmter illokutiver Akte heißt perlokutiver Akt, beide Teilaspekte gehören zu derselben Sprechhandlung.26 Das Besondere des schriftlich fixierten Sprechakts eines griechischen Epigramms ist nun, daßdieses seine Absicht oft bereits durch die Realisierung imAkt des lauten Lesens erreicht. Wenn der Adressat denχ ε-Gruß, mit demnicht wenige Grabinα ῖρ schriften enden, laut buchstabierend entziffert, hater ihnzugleich schon vollzogen. Daß der Aufbau eines Textes durch seine Rezipienten mitbestimmt wird, ihm eine ‘Appellstruktur’inhärent ist, ist eine zentrale These derRezeptions- oder Wirkungsästhetik. Diese Appellstruktur ist zugleich ihr Forschungsgegenstand. In der modernen Forschung nach BÜHLER wird unter Appellstruktur meist eine Strategie der Leserlenkung in längeren literarischen Texten, insbesondere im Roman, verstanden, während die aus der Philosophie der Alltagssprache hervorgegangene Theorie der Sprechakte sich auf die Funktionen vor allem dergesprochenen Sprache bezieht. Wenn wir die Geschichte des griechischen Epigramms untersuchen, dassich voneinem alltagsnahen ‘subliterarischen’ Genus zu einer der kunstvollsten Spielarten der Buchdichtung gewandelt hat, so müssen wir die Ergebnisse beider daran,

Betrachtungsweisen miteinbeziehen. Das von ISER insbesondere am Beispiel neuzeitlicher Romane vorgeführte textanalytische Verfahren der Rezeptionsästhetik ist keine ganz neue Methode und hat auch in der Altertumswissenschaft Anwendung gefunden.27 Darüber hinaus ha-

26 J. L. AUSTIN, Zur Theorie der Sprechakte, Übersetzung undEinleitung von E. v. SAVIGNY, Stuttgart 1979 (engl.: Howto do things with words, Oxford 21975 [11962]), insbesondere die 10. Vorlesung, S. 137ff.; E. v. SAVIGNYs Einleitung stellt eine gute Einführung in die Materie dar, vgl. aber auch die hilfreiche Übersicht über die Begrifflichkeit bei AUSTIN und SEARLE in H. BUSSMANN, Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart 21990, S. 726– 729 (‘S prechakttheorie’), bes. die Tabelle S. 727. 27 Die Anwendung der Rezeptionsforschung auf die antike Literatur wird in verschiedenen Arbeiten zur griechischen Dichtung diskutiert, vgl. etwa W. RÖSLER, Die Entdeckung der 319, bes. 315– 318; W. RÖSLER, Über Fiktionalität in der Antike, Poetica 12, 1980, S. 283– Deixis undeinige Aspekte mündlichen undschriftlichen Stils in antiker Lyrik, WJA N. F. 9, 28; E. KRUMMEN, Pyrsos Hymnon. Festliche Gegenwart und mythisch-rituelle 1983, S. 7– Tradition als Voraussetzung einer Pindarinterpretation (Isthmie 4, Pythie 5, Olympie 1 und 3), Berlin / NewYork 1990 (Untersuchungen zurantiken Literatur undGeschichte 35), S. 8 und ihren Literaturbericht ebd. S. 6 Anm. 1; N. W. SLATER, Reading Petronius, Balti5– more 1990; L. KÄPPEL, Paian. Studien zur Geschichte einer Gattung, Berlin / NewYork 22. In Hinsicht auf 1992 (Untersuchungen zurantiken Literatur undGeschichte 37), S. 17– das Epigramm: D. MEYER, Die Einbeziehung des Lesers in den Epigrammen des Kallimachos, in: M. A. HARDER / R. F. REGTUIT / G. C. WAKKER (Hgg.), Callimachus, Groningen 1993 (Hellenistica Groningana 1), S. 161– 175 und P. BING, Ergänzungsspiel in the 131, jetzt auch GUTZWILLER 1998, bes. S. Epigrams of Callimachus, A&A41, 1995, S. 115– 8 und S. 275f. sowie Th. A. SCHMITZ, „ I hate all common things“ : The Reader’s role in 178. Den griechischen Roman analyCallimachus’Aetia Prologue, HSPh 99, 1999, S. 151– siert mit neuerem kommunikationstheoretischem Instrumentarium H. HOFMANN, Sprachhandlung und Kommunikationspotential. Diskursstrategien im ‘Goldenen Esel’, in: M.

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bendiegedankliche Einbeziehung derRezipienten in Prozesse der Textproduktion unddie dazugehörigen theoretischen Überlegungen einen Vorläufer in der antiken Rhetorik. Der Kunstwissenschaftler W. KEMP hat beschrieben, wie Adressat und Publikum erst im 18. Jahrhundert imZuge einer neuen Autonomieästhetik ausdem Blick der Kunstlehre gerieten, während sich die ältere Theorie eng an die Wirkungsästhetik der antiken Rhetorik anlehnte.28 Die rezeptionsästhetischen Analysen der Kunstwissenschaft –die nach KEMP29 den im Kunstwerk vorausgesetzten Betrachter noch vor der Literaturwissenschaft (wieder)entdeckt hat –sind auch für unsere Arbeit von Interesse. Denn Epigramme stehen fast regelmäßig in engem Verbund mitWerken derbildenden Kunst, die denLeser der Inschrift zugleich zum Betrachter eines Monumentes machen. Werfen wiralso noch einen Blick aufdasInstrumentarium unddie Thesen moderner Rezeptionsästhetiker, bevor wir zur genaueren Untersuchung des griechischen Epigramms kommen.30 Die durchaus kritische Synthese der Forschung bei RICHTER31 verweist zuerst auf die von ISER angebotenen Begriffe, die die Definition ‘des Lesers’ betreffen. Dazu kommen hilfreiche Überlegungen zur ‘Leserlenkung’ durch Leerstellen’ und‘Beteiligungsangebote’ imText, zum‘Konstruk,32 ‘ tionsprozeß imBewußtsein des Lesers’undzur ‘Deixis’ die uns wieder zu den grundsätzlicheren Fragen derFunktionen vonSprechhandlungen führen wird. Beginnen wir mit dem Leser. Eine wesentliche Unterscheidung hat bereits WEINRICH mitdemBegriff derLeserrolle eingeführt: PICONE

/ B. ZIMMERMANN

(Hgg.),

169. Basel u. a. 1997, S. 137–

28 W. KEMP,

29 30

31 32

Derantike

Roman

undseine mittelalterliche Rezeption,

Kunstwissenschaft undRezeptionsästhetik, in: DERS., Der Betrachter ist im Bild 27. Zur Bedeutung der RhetoKunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik, Berlin 1992, S. 7– rik undzurGeschichte wirkungsästhetischer Ansätze in derNeuzeit vgl. auch H. WEINRICH. Füreine Literaturgeschichte des Lesers, in: DERS., Literatur für Leser. Essays undAufsätze 36. zur Literaturwissenschaft, München 21986, S. 21– KEMP1992b, S. 20, zurBedeutung vonAlois RIEGL. Außer denbereits genannten Werken vgl. auch H. R. JAUSS, Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft, Frankfurt 1970 (wieder in: WARNING 1994, S. 126– 162); W.ISER, Derimplizite Leser. Kommunikationsformen desRomans vonBunyan bis Beckett, München 1972; ISER 1994; H. LINK, Rezeptionsforschung. Eine Einführung in Methoden undProbleme, Stuttgart 1980 (11976); G. GRIMM, Rezeptionsgeschichte. Grundlegung einer Theorie, München 1977; W. REESE, Literarische Rezeption, Stuttgart 1980; S. R. SULEIMAN/ I. Crosman (Hgg.), The Reader in the Text. Essays on Audience and Interpretation, Princeton 1980; H.-G. GADAMER, Hören –Sehen –Lesen, in: H.-J. ZIMMERMANN (Hg.), Antike Tradition undneuere Philologien. Symposium zuEhren des 75. Geburtstages v. R. 18; M. RICHTER, Wirkungsästhetik, in: H. L. ARNOLD / H. Sühnel, Heidelberg 1984, 9– 535, zur DETERING (Hgg.), Grundzüge der Literaturwissenschaft, München 1996, S. 516– 535; D. SCHÖTTKER, kritischen Diskussion um Iser (durch Gumbrecht u. a.) bes. S. 530– Theorien der literarischen Rezeption. Rezeptionsästhetik, Rezeptionsforschung, Empirische 554; J. E. MÜLLER, Literaturwissenschaftliche RezepLiteraturwissenschaft, in: ebd. S. 537– tions- undHandlungstheorien, in: K.-M. BOGDAL (Hg.), Neue Literaturtheorien. Eine Ein207; Th. SCHMITZ, Moderne Literaturtheorie und antike führung, Opladen 21997, S. 181– 110. Texte. Eine Einführung, Darmstadt 2002, S. 100– RICHTER 1996, S. 535. S. unten S. 16ff.

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Griechisches Epigramm undRezeptionsästhetik

Ich unterstreiche aber, daß die beiden Positionen des Autors unddes Lesers „ als Rollen aufzufassen sind, deren Perspektiven nicht ohne weiteres aus der Biographie der schreibenden oder lesenden Personen abgeleitet werden können. Es gibt daher in der Literatur nicht nurdenAutor undsein Werk, sondernesgibt immer auchals korrespondierende Rolle denLeser dieses Werkes. Dieliterarische Kommunikation ist eine Interaktion mitverteilten Rollen.“33 Nach ISER „hält jeder literarische Text ein bestimmtes Rollenangebot für seine möglichen Empfänger parat“ , die Leserrolle „entfaltet sich in der gelenkten Aktivität des Lesens“ .34Weitere Differenzierungen betreffen denfiktiven Leser, der in einem literarischen Text direkt angesprochen sein kann, den intendierten Leser, dender Autor beim Abfassen seines Werkes im Sinn hat, denrealen empirischen Leser unddenidealen Leser, „ derbei seiner Lektüre alles, wasderText anBedeutungsangeboten enthält, vollständig realisieren könnte“ .35 Das schwierigste Konzept stellt ISERs impliziter Leser dar, der, wie RICHTER zu Recht bemerkt, eigentlich garkeine persona, sondern eher eine „Eigenschaft derTexte“ist undinsofern ISERs Leserrolle undWirkungsstruktur der Texte nahesteht.36 Für unsere literaturgeschichtliche Untersuchung an dengriechischen Epigrammenbenötigen wir zwar kein perfektes System der Lesertypologie37 –zumal die Altertumswissenschaft für die ersten Jahrhunderte der Schriftkultur nicht über das für eine Anwendung hinreichende Textmaterial verfügt – , wollen uns aber an der wesentlichen Unterscheidung von realem Leser, fiktivem Leser und Leserrolle (oder implizitem Leser) als demvomText gelenkten Leser orientieren. Vonbesonderer Bedeutung ist dabei die nähere Bestimmung des fiktiven Lesers (nach RICHTER), der in griechischen Epigrammen nicht nur als expliziter Adressat, sondernauch als–imAktdesLesens begriffener –(fiktiver) Sprecher auftreten kann, da Lesen ja nach griechischer Vorstellung eine besondere Art des Sprechens ist. Wiekönnen wirdiese Sprechakte adäquat beschreiben? Wassagen sie unsüber das antike Leseverhalten zuverschiedenen Zeiten? Natürlich weisen nicht alle griechischen Epigramme derart komplexe Kommunikationsstrukturen (zum realen Leser sprechende fiktive Leser) auf. Es kann auch nicht das Vorgehen dieser Arbeit sein, mit literaturtheoretischen ‘Kanonen’ auf literarische ‘Spatzen’–diedie meisten griechischen Kurzinschriften auf Grabstelen 33 WEINRICH 1986, S. 22; vgl. ISER 1994, S. 60f. 34 ISER 1994, S. 60f. 35 RICHTER 1996, S. 526. Für das auktoriale Wunschkonzept eines idealen Lesers finden sich 44; etliche Beispiele bei JANSOHN 1998. Zu den ‘Lesertypen’ vgl. ferner GRIMM 1977, S. 34– MÜLLER 1997, S. 190 und Anm. 14; G. KÖPF, Friedrich Schiller: Der Verbrecher aus verlorener Ehre. Geschichtlichkeit, Erzählstrategie und ‘republikanische Freiheit’ des Lesers, 67 23 (über Lesertheorie und Lesertypologie) und ISER 1994, S. 50– München 1978, S. 20– mitweiteren Lesertypen. ZumKonzept einer historischen Lesertypologie s. WEINRICH 1986, S. 28f. 36 RICHTER 1996, S. 526f., Zitat 526. 37 Nicht zuletzt sei an dieser Stelle an die Idee derFreiheit desLesers undderFreiwilligkeit derLektüre erinnert, die denKern eines Gegenentwurfs zum‘idealen’, verfügbaren Leser darstellt, vgl. WEINRICH 1986, S. 25, SARTRE aufgreifend, undD. PENNAC, Wie ein Roman. Von der Lust zu lesen, München 1998 (frz. 1992).

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und Statuenbasen ohne Frage darstellen –zu schießen. Der Grund für die vorgeschlagene rezeptionsästhetische Herangehensweise liegt vielmehr darin, daß sich die praxisnahe, handlungsbezogene Gattung desfrühen Epigramms, die zudem der mündlichen Sprechhandlung nachgebildet ist, für eine kommunikationstheoretische Analyse geradezu anbietet, vielleicht sogar auf eine elementarere Weise als der neuzeitliche Roman, an dem die literaturwissenschaftliche Methode entwickelt wurde. Aufder anderen Seite bedarf es eines einigermaßen differenzierten Instrumentariums, umEpigramme mit komplexeren Strukturen, die im Zuge der Literarisierung dergriechischen Kultur entstanden, überhaupt beschreiben zukönnen. Diewichtigste Gruppe vonEpigrammen, dieimVerlauf derArbeit zuuntersuchen sein wird, bildet Dialogsituationen nach oder wenigstens eine Seite einer Dialogsituation, da sich diese Inschriften als Antworten auf eine Frage (vgl. das α ι-Epigramm) oder, in seltenen Fällen, auch als die Frage π ίν ομ ᾶ ρ σ ιν... ὑπ ο κ selbst präsentieren. Wir haben es also mit kurzen dramatischen Texten zu tun, in denen fiktive Figuren zu Wort kommen.38 Das Besondere an denDialogsituationen der Epigramme ist, daß der im Text dargestellte Dialog zwischen einem fiktiven Berichterstatter undeinem fiktiven Hörer / Leser stattfindet. Die kommunikative Funktion dieser typischen Form einer dialogischen Figurenrede in dramatischen Texten hat M. PFISTER in seiner Analyse der Sprechsituation überzeugend erklärt: Die Fragen undAntworten der fiktiven Figuren im Drama dienen „mehr der Information des Publikums als der gegenseitigen Information“ .39Aber: Die miteinander kommunizierenden fiktiven Dialogpartner (Sender1 / Empfanger1, ‘inneres Kommunikationssystem’) sind im griechischen Denkmalepigramm nicht beliebig, sie füllen zugleich die Rolle eines fiktiven Erzählers bzw. des fiktiven Hörers / Lesers aus (Sender2 / Empfänger2, ‘vermittelndes Kommunikationssystem’).40 Diese beiden letztgenannten Positionen des Kommunikationsmodells vermitteln zwischen der Ebene des Berichteten unddemempirischen Rezipienten, insofern es ihre spezifische Aufgabe ist, sich als Berichterstatter oder bereitwillig rezipierendes Gegenüber zu präsentieren. Die textinternen fiktiven Figuren ahmen also in idealisierter Form die Handlungsweise der realen Akteure nach. Dialoge in Steinepigrammengehören insofern zur Appellstruktur dieser Texte. Noch interessanter wird das Spiel mit denRealitätsebenen, wenn in denBuchepigrammen des Kallimachos der fiktive Erzähler identifizierbare Merkmale eines bekannten realen Autors aufweist, das ‘äußere Kommunikationssystem’ (empirischer Autor / empirischer Leser / Hörer) also ganz anders funktioniert als das Verhältnis von anonymem Autor undLeser in archaischer undklassischer Zeit. Demfiktiven Leser entspricht auf deranderen Seite derfiktive Autor oder Erzähler, den wir als notwendigen Part in der Einheit des Sprechakts schon eine Weile mitunsführen. Ihm–undmitihmdenverschiedenen Erzählerinstanzen auf

38 M. PFISTER, Das Drama. Theorie und Analyse, München 91996, S. 19f. mit Verweis auf den locus classicus in Plat. Rep. 394 c. 39 PFISTER 1996, S. 20– 24. 40 Vondem‘vermittelnden’unddem‘inneren’Kommunikationssystem unterscheidet PFISTER 1996, ebd. das ‘äußere’, zu dem der empirische und der ideale Autor sowie der empirische undderideale Leser gehören.

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Griechisches Epigramm

undRezeptionsästhetik

der Senderseite desKommunikationsmodells –gilt naturgemäß weniger das Inter-

esse der Rezeptionsästhetik als das der Erzähltheorie (Narratologie).41 Auch dieser

literaturwissenschaftliche Ansatz ist amParadigma desgroßen Romans entwickelt worden. Die fundamentalen Überlegungen aber sind durchaus übertragbar, wenn wirunter ‘Erzählungen’ mit J. VOGTverschiedene Ausdrucksformen verstehen, insofern „ es sichjeweils umeine Abfolge vonZeichen (einen ‘Text’) handelt, die eine Abfolge von Ereignissen (eine ‘Geschichte’) repräsentieren“.42Etliche griechische Epigramme stellen eine Art Minimalform derErzählung dar, dievonverschiedenen Sprechern43 präsentiert werden kann. Ihre Geschichte besteht bei denGrabgedichten in einem kurzen Bericht über Leben undToddesVerstorbenen, dedikatorische Epigramme erzählen von der Vorgeschichte und den Umständen einer Weihung. Zahlreiche Grabepigramme berichten nicht viel mehr als denNamen, Vatersnamen unddieHeimat desverstorbenen Menschen, sofern dieser inderFremde zu Tode kam. Das Wiedieses Berichtes aber, insbesondere die berichtende Stimme,verändert sich mitdemAufkommen eines Autorbewußtseins, dasdie Gattung destraditionell anonym verfaßten Epigramms im4. Jahrhundert erreicht. Wir werdenaber sehen, daßdasin anderen literarischen Gattungen schon früher demonstrierte Autorbewußtsein Rückwirkungen auf die anonyme Stimme des Epigramms schon vor dem4. Jahrhundert erkennen läßt. Die Erzähltheorie liefert uns zunächst die wichtige Unterscheidung zwischen der Person (Stimme) und der Erzählsituation (Perspektive / Modus) des Erzählers.44 Die Person ist ein ‘Ich’oder ein Er / Sie / Es’, das erzählt. Die Perspektive ist auktorial, wenn der Erzähler als allwissend erscheint, personal, wenn der Er‘ zähler nur über einen eingeschränkten Blickwinkel verfügt, der ihm weniger Einsicht gewährt als dem Autor. Der bronzene Hahn des Kallimachos („ ich selber weiß es ja nicht [scil. was er getan hat / ob er es wirklich getan hat]“ ) gibt sich als personaler Erzähler zu erkennen.45 Die Sprecherfiktion, auf die Kallimachos hier derHahnist einunbelebter Gegenstand ohneBewußtsein und aufmerksam macht – Wissen –könnte in einer anderen Gruppe griechischer Grabgedichte zu noch größeren Problemen der Darstellungslogik führen. In vielen Epigrammen ‘sprechen’ Verstorbene selbst aus ihrem Grab heraus,46 eine offensichtliche Unmöglichkeit,47 dieeiniges parodistische Potential bereithält.

41 Als besonders einflußreiche Arbeiten seien hier nur F. K. STANZEL, Theorie des Erzählens, Göttingen 61995 (11979) und GENETTE 1994 genannt. Die produktive Kritik an STANZELs Konzept ‘typischer Erzählsituationen’, wiesie GENETTE undauch dieamerikanische Narratologie durchgeführt haben, findet sich zusammengefaßt beiJ. VOGT, Grundlagen narrativer 302 (‘Wer erzählt den Ro307, bes. 299– Texte, in: ARNOLD / DETERING 1996, S. 287– man?’). 42 VOGT 1996, S. 288. 43 Vgl. bes. die bei PEEK1955 unter B I– III (GV52–1208) zusammengestellten Typen. 44 VOGT 1996, S. 301; GENETTE 1994, S. 277. 45 STANZEL 1995, S. 254 unterscheidet auktoriale undpersonale Ansicht nach der Verwendung des negierten Verbs ‘nicht wissen’. Er / Sie / Es weiß nicht, daß’enthält eine auktoriale Feststellung, Er / Sie / Es weiß nicht, ob / warum / was’ist meistens als personale ‘ Feststellung zu ‘betrachten. 46 Vgl. PEEK1955, B II 3 (GV926–1147).

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Darüber hinaus hat GENETTE eine dritte Erzählsituation ausgemacht, die er als ‘externe Fokalisierung’ bezeichnet,48 VOGTetwas schlichter als neutrale Erzählsituation,49 in derGedanken undGefühle derhandelnden Figuren verborgen bleiben, sie gleichsam von außen betrachtet werden. Sie wird besonders dann interessant, wenn die subjektive personale Situation die Regel darstellt. Der fiktive Erzähler oder Sprecher bestimmt also die Perspektive eines Textes undwird so zu einem konstitutiven Element derLeserlenkung, anders gesagt: Er ist einer derwichtigsten Bestandteile einer Appellstruktur. Die historische Untersuchung des Romans hat gezeigt, wie verschiedene Wirkabsichten auch mit verschiedenen Perspektiven verbunden werden: „ Auktoriales Erzählen ist oftmals Ausdruck von Lehrhaftigkeit personales Erzählen gewinnt seit Mitte des 19. undstarker Leserlenkung, Jahrhunderts (im Kontext von Naturwissenschaften, Psychologie, neuen Kommunikationsmedien) die Oberhand“.50Auktoriales Erzählen in Ich-Form wendet sich belehrend an denLeser, personales Erzählen konfrontiert denLeser mit einer subjektiven oder eingeschränkten Perspektive, die ihnzu einer Reaktion herausfordert.51 Die ‘neutrale’Situation läßt ihmvielleicht dengrößten eigenen Spielraum. Zusammenfassend gesagt: Waswirbei derUntersuchung über die Entwicklung des Epigramms im Auge behalten wollen, ist die Kommunikationsfunktion (GENETTE) des jeweiligen textinternen Erzählers, seine Vermittlerrolle vor dem Hintergrund der „ Ausrichtung des Erzählers auf den Adressaten, sein(em) Bemühen, einen Kontakt zuihmherzustellen oder aufrechtzuerhalten, vielleicht gar einen Dialog mit ihm zu führen“ ,52unddie Mittel der Perspektive und Stimme, die zu diesem Zweck eingesetzt werden. Doch kehren wir nunzumLeser undzudenBeobachtungen der Rezeptionsästhetik zum Verhältnis von Textstruktur undLeser zurück. Zwei Aspekte erscheinen dabei im Hinblick auf das literarische Epigramm als besonders vielversprechend: die Leserlenkung durch U nbestimmtheit’ und semantische ‘Leerstellen’53 ‘ imText unddas vor allem zeit-räumliche Orientierungssystem der ‘Deixis’. Leerstellen sind semantische Aussparungen imText, „ unformulierte Beziehungen“und

[...]

[...]

47 L.

SPINA, Autobiografie impossibili. Considerazioni sui rapporti tra iscrizioni funerarie greche e genere autobiografico, in: G. ARRIGHETTI / F. MONTANARI (Hgg.), La componente autobiografica nella poesia greca e latina fra realtà e artificio letterario, Atti del Convegno, 17 maggio 1991, Pisa 1993, S. 163– 178; L. MARIN, Poussins ‘Arkadische Hirten’, Pisa 16– Bei einer Grabschrift ist das paradoxe Verhältnis zwischen dem in: KEMP1992a, S. 163: „ schreibenden unddemgeschriebenen ‘ich’nicht überwindbar“ , vgl. STANZEL 1995, S. 290– 294 über ‘Sterben in der Ich-Form’ zudenentsprechenden Problemen der Romanautoren; GENETTE 1994, S. 276f. 48 Bei GENETTE 1994, S. 132steht ‘narrativer Fokus’hier anstelle von‘Blickwinkel’oder ‘Perspektive’; zudenverschiedenen ‘Fokalisierungen’s. ebd. S. 134f. 49 VOGT 1996, S. 301. 50 VOGT 1996, S. 302; STANZEL 1995, S. 255 (Leser undpersonales Erzählen). 51 STANZEL 1995; vgl. aber auch ISER 1974 in WARNING 1994, S. 238f. zum auktorialen Kommentator.

52 GENETTE 1994, S. 184. 53 ISER 1974 in WARNING 1994, S. 233ff., bes. 234– 241; ISER 1994, S. 267ff., 284ff.; STANZEL 530; vgl. ferner W. KEMP, Verständlichkeit und 1995, 203ff.; RICHTER 1996, S. 527– 332. Spannung. Über Leerstellen in der Malerei des 19. Jh., in: KEMP 1992a, S. 307–

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Griechisches Epigramm

undRezeptionsästhetik

zurückgehaltene Informationen, die die Kombinationsfähigkeit und Vorstellungskraft des Lesers fordern. In denlängeren narrativen Partien der kallimacheischen Elegien wären etwa die bekannten Abbruchsformeln solche Leerstellen.54 Die Leerstellen im griechischen Epigramm sind allerdings elementarer: Wenn eine Steininschrift aus Rhamnus verkündet, Lysikleides habe „ diesen hier der Göttin hier geweiht, der dieses Heiligtum gehört“ ,55so ist der Leser auf den außertextlichen Zusammenhang, die auf dem Kalkpfeiler bezeichnete Statue und ihren Aufstellungsort verwiesen, umdas Gemeinte zu verstehen. Da dies für ihn nicht weiter schwierig sein kann, wird er durch die Pronomina letzten Endes zumBetrachten der Statue (τ ν ό δ ε , die Statue eines Knaben) animiert –die Inschrift hat ihr Ziel erreicht, indem sie ihren Leser aufdasWesentliche gelenkt hat. Die Identifizierung der Statue –eine ausgesparte Information –mußder Leser selbst leisten. ImFall derhellenistischen Epigramme entstehen, wieP. BINGgezeigt hat, zahlreiche Leerstellen auf ganz andere Weise: durch die Übertragung aus demfunktional genau definierten steinernen’ Kontext in denneuen Zusammenhang des Buches. Infor‘ früher ausdemKontext leicht ergänzt werden konnten, müssen hier mationen, die erraten oder durch mühsame Forschung rekonstruiert werden. Für uns stellt sich insbesondere die Frage, in welcher poetischen Intention –abgesehen von der kommunikativen Funktion als Appellstruktur –die hellenistischen Dichter diese gattungskonventionelle Unbestimmtheit des Epigramms nutzen. AlsFazit derbisherigen Überlegungen zueiner rezeptionsästhetischen Betrachtungsweise desgriechischen Epigramms ergibt sich nunmehr folgende Aufgabe. Es gilt, die Techniken der Leserlenkung, die immanenten Appellstrukturen der Texte imVerlauf ihrer literaturgeschichtlichen Entwicklung zuverfolgen unddabei insbesondere die Rollen von Autor undLeser in denBlick zu nehmen. Die zunehmende Literarisierung des Epigramms, die etwa in der Gestaltung der Leserrolle oder in denStrategien derLeserbeeinflussung zumAusdruck kommt, können wirmitHilfe von erzähltheoretischen undrezeptionsästhetischen Kategorien beschreiben. Was uns an dieser Stelle noch fehlt, ist eine kurze, rezeptionstheoretische Analyse des ‘Ausgangsmodells’, des frühen inschriftlichen Epigramms. Dazu werden wir das letzte unserer oben aufgelisteten rezipientenorientierten Strukturmerkmale benötigen: dieDeixis. DieGeschichte desgriechischen Epigramms beginnt aufVasen undmiteinigen homerischen Denkmälern, künstlichen Landmarken, die von ihren Betrachtern interpretiert werden. Während sich aber auf den Vasen unzweifelhaft eingeritzte Schriftzeichen befinden, erscheinen in denDenkmalsbeschreibungen bei Homer der Denkmalsgegenstand und der zugehörige Sprechakt, der später auf dem Objekt selbst angebracht ist, noch getrennt. Die homerischen Helden sehen ein σ μ α , eiῆ β nenτύμ ο ςundeinen merkwürdigen Baumstumpf, an denzwei weiße Steine ge-

54 Vgl. bes. Fr. 57, 1 PFEIFFER = SH 264, 1 mit der Aufforderung an denLeser, sich selbst den ); ῆ Fortgang derGeschichte vorzustellen (α κ τ ο ὸ μ ῇ ιδ ὐ ο ςἀ ά σ ρ σ ςἐπ ιδ ᾽ἄ π α ομ ο ιφ , τά ιτ ο dazuTh. FUHRER, Die Auseinandersetzung mitdenChorlyrikern in denEpinikien desKallimachos, Basel / Kassel 1992 (Schweizerische Beiträge zur Altertumswissenschaft 23), S. 75, 121– 125; BING 1995, S. 123, dazu unten S. 241ff. 71– 55 CEG 1, 320 = IG I3, 1021: ... τό ν δ εϑ εᾶιτῆι|δ ό δ ν ο ε ς , s. u. S. 18, 137. , ἣτ ᾽ ἔχ ε ιτέμ ε

Methodische

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undterminologische Grundlagen

lehnt sind.56 Sie verstehen sie als ein etwas altertümliches Zeichen, das sie über die Grabstelle eines ‘früher’ verstorbenen bedeutenden Menschen informieren will, zugleich aber auch als Wegweiser für vorüberkommende Reisende. Der imposante Baumstumpf mit den Steinen könnte nach der wohlüberlegten Ansicht des fachkundigen Nestor entweder ein Grabmal oder aber eine Wendemarke für ein Wagenrennen gewesen sein.57 Die vondenGrabmälern bei ihren homerischen Betrachtern ausgelöste Sprechhandlung, mit der wir uns im ersten Teil der Arbeit noch eingehender befassen werden, weist starke Parallelen zu den erhaltenen frühen Steinepigrammen auf. Andieser Stelle interessiert unsjedoch nurdieFunktion der Denkmäler als Zeichen undZeiger: Sie verweisen auf den nicht mehr anwesenden Verstorbenen, und sie dienen als räumliche Orientierungspunkte. Es bedeutet nur noch einen kleinen Schritt, den Zeiger auch zu einem Sender zu machen, indem manihnbeschriftet undnunpräziser ‘kommunizieren’ läßt, so daß Fehldeutungen ausgeschlossen werden. Die Übertragung einer Senderrolle auf denStein bedeutet aber nicht, daßdieser nunkeinZeiger mehrwäre, imGegenteil: DasZeigen aufdas konkret räumliche ‘Zeigfeld’ ,58 in demsich der Leser orientiert, und der darüber hinausgehende Verweis auf denabwesenden Toten bleiben die wichtigsten Merkmale auch des beschrifteten griechischen Denkmals. Halten wir fest: Griechische Inschriftensteine, die ja in der Regel fest im Boden verankert sind, erfüllen eine doppelte Zeigerfunktion: Sie dienen als Wegmarken undals stellvertretender Hinweis aufetwas Abwesendes. Epigramme, so könnte mansagen, sind verbale Zeiger inVersform, diejemanden aufetwas verweisen, dasmitdemOrt verbunden ist. Karl BÜHLER beginnt sein Kapitel über ‘Das Zeigfeld der Sprache und die Zeigwörter’59miteiner Analogie zwischen demWegweiser in der Landschaft und den ‘Zeigwörtern’ im Rahmen eines Sprechereignisses. Mit der ‘Deixis’,60 dem Verweisgestus im Sprechakt, denwir mehrmals schon berührt haben, sind wir nun

56 Il. 7, 87– 91 (das von Hektor vorgestellte eigene Grab); 23, 331f. (das alte Grab als Wendemarke); Od. 11, 75f. (das σ μ ῆ αdes Elpenor, κ ι), vgl. Od. 24, έ ν ο ισ ιπ υ ϑ ϑ α έσ α ὶἐσσομ 84 (das weithin sichtbare Grab des Achill). ZurBegrifflichkeit undFunktion vonGrä80– bernbeiHomer undinderfolgenden Zeit, aber auch zudenVorstellungen überdenTodvgl. jetzt die ausführliche Abhandlung von C. SOURVINOU-INWOOD, ‘Reading’ Greek death. To 140. theEndoftheClassical Period, Oxford 1995, zuHomer S. 17– 57 Il. 23, 332. Der antike Hörer weiß an dieser Stelle derNestorrede über das Wagenrennen,

58 59

worauf derSprecher hinauswill. Dervonden‘Prellsteinen’vordenWagennaben geschützte Baumstumpf soll in dembevorstehenden Rennen als Wendemarke genutzt werden, da er ideal beschaffen ist. Daß Nestor mit seiner ‘historischen’ Deutung dennoch vorsichtig ist, zeigt einmal mehrseine Lebenserfahrung.

S. 79ff. S. 79–148. 60 „ DieZeige- undHinweisfunktion sprachlicher Ausdrücke in einem gegebenen Kontext oder in einer bestimmten Situation, z. B. Der Mann da drüben hat ihn geschlagen. deikti–so dieDefinition sche Mittel stellen (Referenz)Beziehungen zumjeweiligen Rahmen her“ bei Th. LEWANDOWSKI 1990, Bd. 1, S. 205f. (mit Literaturhinweisen), Zitat S. 205 BÜHLER 1934,

BÜHLER 1934,

[...]

(Hervorhebungen LEWANDOWSKI); vgl. RÖSLER 1983, S. 9ff., außerdem K. EHLICH, Funk41, hier tion undStruktur schriftlicher Kommunikation, in: GÜNTHER / LUDWIG 1994, S. 18– S. 22: „ Die deiktische Prozedur dient der Orientierung der Höreraufmerksamkeit primär

unter Bezug

aufdasSprecher undHörer gemeinsam zugängliche Wahrnehmungsfeld.“

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Griechisches Epigramm undRezeptionsästhetik

zu demvielleicht wichtigsten Strukturelement der Epigramme gelangt, das die Einbeziehung desLesers in die Perspektive des Sprechers belegt. Betrachten wirnoch ό ν δ εϑ εᾶιτῆι|δ einmal dasWeihepigramm CEG 1, 320 = IG I3, 1021: ... τ ,ἣ ε ιδ εundτό δ ε δ εdrei Zeigwörter (Deiktika), , τῆ ο ςenthält mitτόν ν ᾽ἔχ ε τ ό δ ιτέμ ε mitdenen aufdengemeinsamen ‘Sehraum’61vonSender undEmpfänger verwiesen wird. Zeigwörter ... steuern denPartner inzweckmäßiger Weise. DerPartner wird „ angerufen durch sie, und sein suchender Blick, allgemeiner seine suchende Wahrnehmungstätigkeit, seine sinnliche Rezeptionsbereitschaft wirddurch die Zeigwörter auf Hilfen verwiesen, gestenartige Hilfen undderen Äquivalente, die seine Orientierung im Bereich der Situationsumstände verbessern, ergän62 zen.“

Zu der räumlichen Deixis treten die temporale (‘jetzt’) und–als die literaturtheoretisch schwierigste Art des sprachlichen Verweisens –die personale (‘ich’/ ‘du’ ) Deixis. Nach BÜHLER weisen die „Wörter ich unddu ... kurz gesagt auf die Rollenträger im aktuellen Sprechdrama, auf die Rollenträger der Sprechhand63Dies ist im Fall der Grabepigramme, die die Struktur ‘Ich-Rede des lung hin.“ Denkmals’ aufweisen, leicht nachzuvollziehen. Spricht aber wie beim Typus PEEK B II 3 (GV926–1147) derTote selbst, stehen wirvoreinem Problem: Der Sender verweist mit demZeigwort ‘ich’auf etwas imgemeinsamen Wahrnehmungsraum nicht Vorhandenes. DerErzähler führt, mitBÜHLER gesprochen, denHörer / Leser insReich desabwesend Erinnerten“–sofern derLeser denVerstorbenen kannte – „ oder gar ins Reich der konstruktiven Phantasie“.64Aber, so BÜHLER weiter, auch „ in diesen imaginären Räumen der Vorstelllung operiert ein anschaulicher Erzähler mitZeigwörtern. Haben wires beidemabwesenden ‘Ich’des Sprechers vielleicht – im Unterschied zur Deixis ad oculos et aures –schon mit dem ‘Fiktionsspiel der anschaulichen Sprache’(z. B. miteinem poetischen Sprachmodus), zeigfeldtheoretisch gesprochen: mit einer Deixis am Phantasma65 zu tun? Wenn der Sprecher einer Inschrift die Reisenden grüßt undfortfährt mit „ ich aber liege tot (scil. hier) unten“(ἐ γ ὸδ ὲϑ ν α ὸ ν|κ ά α τ κ ε ιμι, CEG 1, 108), bezieht er sich einerseits auf diedemAdressaten vor Augen liegende Realität: denStein, unter demer bestattet wurde. Andererseits bleibt er nichtsdestotrotz unsichtbar und unhörbar,66 so daß 61 62 63

1934, S. 127f. 1934, S. 105f. BÜHLER 1934, S. 113, vgl. S. 105: „ Die Neuzeit hat im Unterschied von den besten Sprachtheoretikern im Altertum [gemeint ist: Apollonios Dyskolos, vgl. BÜHLER 1934, S. 113, 118f.] faktisch in das Sprachzeichen ich etwas zuviel an philosophischen Spekulationen hineingedacht. Befreit davon steckt garkeine Mystik mehr darin. Die Theorie mußvonder schlichten Tatsache ausgehen, daßeine demonstratio adoculos undadaures daseinfachste und zweckmäßigste Verhalten ist, das Lebewesen einschlagen können, die im sozialen BÜHLER

BÜHLER

Kontakt eine erweiterte undverfeinerte Berücksichtigung Zeigwörter brauchen.“

der Situationsumstände unddazu

64 BÜHLER 1934, S. 124f. 65 BÜHLER 1934, S. 121ff. 66 Vgl. BÜHLER 1934, S. 125: „ Der am Phantasma Geführte [...] hört in der geschriebenen Sprache auch nicht denStimmcharakter eines abwesenden Sprechers, welcher ich sagt.“

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der Leser sich mit Hilfe seiner Vorstellungskraft ‘unter die Erde’ versetzen oder umgekehrt denSprecher in seiner Phantasie ‘heranholen’ muß. Dies ist der Punkt, andemsich der schriftliche Charakter derEpigramme amdeutlichsten bemerkbar macht, obwohl diese im übrigen doch einen mündlichen Sprech- und Zeigeakt nachahmen. Durch die Verwendung deiktischer Wörter gelingt ihnen dies auf so perfekte Weise, daß man–wäre da nicht die irritierende Abwesenheit des Sprechers –vergessen könnte, worum es sich tatsächlich handelt: um in der Phantasie des Verfassers vorformulierte Darstellungen von Sprechakten, nicht um die Sprechakte selbst. Grab- undWeihepigramme nutzten die Tatsache, daß sich das Zeigfeld67 der Sprechhandlungen an demdurch die Inschrift selbst markierten Ort gewöhnlich nicht verändert. Die wesentlichen textuellen Verweisgesten des Epigramms (das ‘Ich’des Sprechers, das ‘Du’des Lesers, ‘dort vor dem Stein’, ‘hier unter demStein’ etc.) gelten, solange der Stein aufrecht steht undgelesen wird. Jeder einzelne historische Leser, der auf den Stein in situ trifft, ‘aktualisiert’ das deiktische System dersubjektiven Orientierung.68 Mankönnte einwenden, daßein sprechender Grabinhaber für denantiken Leser garkein Paradoxon dargestellt haben mag, daderTote denreligiösen Vorstellungen der Zeit entsprechend in der Tat als an der Stätte des Begräbnisses anwesendgedacht wurde. Dies hilft unsjedoch nurzumTeil weiter. So zeigen schon die homerischen Epen eine volkstümlichen Konzeptionen vom ‘lebenden Leichnam’ ganz entgegengesetzte Tendenz,69 Tote ‘sprechen’ dort höchstens in Gestalt von Traumbildern oder Eidola, die sich in der Unterwelt, nicht jedoch am Grab aufhalten. Die Phantasien des Hektor über seine eigene zukünftige ‘Grabschrift’ in der Form derRede derNachgeborenen geben die Worte undWünsche eines Lebenden wieder. Das Paradoxon eines toten Sprechers in einer Inschrift ist also auch vor demHintergrund griechischer Jenseitsvorstellungen nicht völlig aufzulösen.70 67 Vgl. BÜHLER 1934, S. 126 unddie zusammenfassende Beschreibung auf S. 149: „ Das Zeigfeld der Sprache im direkten Sprechverkehr ist das hier-jetzt-ich-System der subjektiven Orientierung; Sender undEmpfänger leben wachend stets in dieser Orientierung undverstehenausihr die Gesten undLeithilfen derdemonstratio adoculos. Unddie Deixis amPhan. tasma [...] nützt [...] dasselbe Zeigfeld unddieselben Zeigwörter“ 68 ZurRezeptionshaltung der ‘Aktualisierung’, derÜbertragung eines mitZeigwörtern operierenden Textes in einen neuen, aber nicht wesentlich anderen Kontext, aufdendie Verweise 20. Siehe ferner die überaus präzise immer noch passen, vgl. RÖSLER 1983, S. 16 und 18– 41, bes. S. 30 zum Leser von ‘lokostatischen’ Texten, Abhandlung von EHLICH 1994, S. 18– Für sie alle ist charakteristisch, daß die rezeptive Teildimension der d. h. Inschriften: „ sprachlichen Handlung dadurch initiiert wird, daß in sich lokomobile Leser als potentielle Leser in denvisuellen Horizont desschriftlichen Textes treten unddieMöglichkeit derLektüre aktualisieren.“

69 Vgl. etwa E. WÜST, ‘Unterwelt’, in: RE IX A, 1, 1967, Sp. 672– 683, bes. 673. 70 Zur Sprachlosigkeit der Toten vgl. J. N. BREMMER, The Early Greek Concept of the Soul, Princeton 1983, S. 84f. mit Anm. 35, und bes. Hesiod Scut. 131 sowie Thgn. 1, 567ff. ῆ ρἔνερ γ ο ὰ ρ ϑ νγ γ ὸ ς YOUNG: δ η ε ςὀλ , ν/ γ ϑ ο ελ ίϑ τ ο έ σ ς/ ἄφ σ μ α ιὥ α ὴ νκείσο ςψ υ χ η ·ἔμ νἔ δ ὲ ε π ᾽ἐσϑ τ ιοὐ ςδ α ι. Weitere Stellen μ ο λ νφ ά ὸ ςἠ ίο νὄψ τ ο ιο λ ὸ λ ε ίψ δ ω ςἐὼ ᾽ἐρα undHinweise auf orientalische Vorbilder bei M. L. WEST, The East Face of Helicon. West Asiatic Elements in Greek Poetry andMyth, Oxford 1997, S. 160 mit Anm. 149. Diese Vorstellungen spiegeln sich etwa auch in derphilosophischen Wahrnehmungslehre des Parme-

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Griechisches Epigramm undRezeptionsästhetik

DieAbwesenheit des ‘Ich’imgriechischen Grabepigramm bringt also einProblem für die Einheit des Sprechakts mit sich, das –in der BÜHLERschen Terminologie –die Lokalisierung der durch die Zeigwörter hier-jetzt-ich definierten O rigo’des Zeigfeldes betrifft.71 Diese Unklarheit –ist das ‘Ich’vielleicht eher im ‘Medium, dem‘sprechenden’ Stein, oder doch in einer ‘Stimme aus der Tiefe’zu finden –entsteht, wie die neuere Forschung gezeigt hat, durch die Übertragung

einer mündlichen Sprechhandlung in die Schriftlichkeit. Ob sie den Verfassern der vorhellenistischen Epigramme schon bewußt war, wird eine der Fragen sein, die in dervorliegenden Arbeit behandelt werden sollen.72Zuvor jedoch wollen wireinige dersystematischen Überlegungen in denBlick nehmen, die die allgemeine Theorie des sprachlichen Handelns zum Phänomen der Transposition mündlicher Sprechakte in das Medium der Schrift vorgelegt hat.73 Insbesondere sollen dabei wieder diejenigen Elemente Beachtung finden, diedenAusgangspunkt fürdiespätere Literarisierung des Epigramms bilden: das Verhältnis von Autor und Leser und die Verwendung fiktiver Sprecherrollen. Schrift ist nach K. EHLICH ein „ Verfahren zur Herstellung der Dauerhaftigkeit ,74 das historisch und systematisch auf das konkurriesprachlicher Handlungen“ rende Verfahren dermitgedächtnisstützenden ‘Formen’operierenden, mündlichen ‘Vertextung’ folgt. Die schriftliche Vertextung bedeutet die ‘Zerdehnung’ oder ‘Dissoziation’ der in sich homogenen Sprechsituation. Diese „ zerfällt in zwei Bereiche, in denen jeweils einer der Aktanten [scil. der Sender oder Empfänger] im Mittelpunkt steht“ . Diese ‘Zerdehnung’ ist imEpigramm eine zeitliche undin geringerem Umfang eine räumliche. Die Versinschrift wendet sich anzukünftige, im Augenblick ihrer Abfassung natürlich abwesende Leser. Ihr fehlt zudem ein im Moment der Aktualisierung präsenter Autor. Wieverändert sich sprachliches Handeln durch die Verschriftlichung der Kommunikation? Ehlich unterscheidet hier Konsequenzen der Verschriftlichung in kleineren Handlungseinheiten (‘Prozeduren’) wie der Adressatenlenkung und der Deixis von den „ illokutive(n) Konsequenzen“ , die die Zweckhaftigkeit des sprachlichen Handelns betreffen. Von entscheidender Bedeutung sind darüber hinaus die „ Transformation des Sprechers zumAutor“unddie„Transformationen (sic) vomHörer zumLeser“ . Beginnen wir mit demBereich der unmittelbaren Einflußnahme auf denLeser (‘Lenkfeld’). Die Dissoziierung von Sprecher undHörer fordert auf der Seite des Sprechers eine

15): Ein Toter kann Kälte und Schweigen, nides (Fr. 28 A 46, DIELS / KRANZ I 226, 13– nicht aberLicht, Wärme undStimme wahrnehmen, vgl. hierzu Ax1986, S. 63. 71 Zur Origo vgl. BÜHLER 1934, S. 102ff.; RÖSLER 1983, S. 14f. Zum Problem der Lokalisierung im schriftlichen Text und allgemein zum folgenden s. EHLICH 1994, bes. 22f.: „ Welchem Teil der zerdehnten Sprechsituation ist die Origo zuzuordnen, demdes Sprechers / . Schreibers, demdes Hörers / Lesers oder demausbeiden ablösbaren Text selbst?“ 72 In diesem Zusammenhang scheint die Beobachtung STANZELs 1995, S. 111 interessant, daß in derjüngeren Romantheorie die Fiktivität des Ich-Erzählers (also die Nicht-Identität mit demAutor) früher als diedesErzählers in der3. Person erkannt wurde, mitdemmaneine größere Objektivität undweniger eigenständige Persönlichkeit assoziierte. 73 Die erwähnte zusammenfassende Darstellung bei EHLICH 1994, S. 18– 41 geht zugleich 41). systematisch undhistorisch vor(weitere Literatur ebd.S. 39– 74 EHLICH 1994, S. 19.

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undterminologische Grundlagen

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,75 vom Leser wieverstärkte Antizipation des Verstehensprozesses des Lesers“ „ derum dasverstärkte Bemühen umdas Verstehen. Insofern eine Lesergruppe Zugang zum verschriftlichten Text gewinnen kann, wird dieser eine „mittlere Verständlichkeitsstruktur“anstreben. DasVerstehen desTextes wirdferner durch graphisch-semiotische Strukturen (Worttrennung, Verwendung von Überschriften etc.) erleichtert. Kennzeichnend für dasLenkfeld ist die „indirekte Direktheit“der Kommunikation: Es bilden sich beispielsweise „ schriftspezifische Grußformeln“ jene Unmittelbarkeit der Sprechsituation artiaus, denen die Funktion zukommt, „ fiziell zu evozieren, die durch die Verschriftlichung eo ipso verloren gegangen 76Umnurdiesen letzten Punkt aufzugreifen: Die Erfindung von Grußformeln ist.“ undAnredevarianten ‘andenWanderer’, derzumInnehalten veranlaßt werden soll, ist eines der auffälligsten Merkmale desgriechischen Epigramms.77 Über die Veränderungen derverschriftlichten Sprechhandlung im ‘Zeigfeld’der Sprache, Deixis amPhantasma unddie Schwierigkeit derLokalisierung des ‘Zeigers’, haben wirin dem Abschnitt über Deixis schon gesprochen. Die schriftliche Niederlegung des Sprechakts beinhaltet hier aber noch einen weiteren Aspekt, deninsbesondere der dreidimensionale Schriftträger eines Epigramms zuverdeutlichen vermag. DerText des Epigramms wird Teil des gemeinsamen Wahrnehmungsraums, der ‘Zeiger’ kann auf seine visuellen oder haptischen Qualitäten oder auch auf seine räumliche Erstreckung verweisen. Wenn Schrift oder Bild besonders kunstvoll gestaltet sind, ist derAppell andenLeser einer Inschrift als Betrachter besonders wirkungsvoll. Die illokutiven Konsequenzen der Verschriftlichung eines ‘typisch epigramma-

tischen’ Sprechakts lassen sich am besten am Beispiel des dedikatorischen Epigramms verdeutlichen. Weihepigramme dokumentieren die Einhaltung eines Ge) löbnisses, sie belegen, daß eine Sprechhandlung (z. B. „ ich habe dir geweiht ...“ ausgeführt worden ist, und halten dies für zukünftige Gegenwarten präsent. Zu demgenannten Zweck derFixierung einer vergangenen Handlung kann eine zweite Intention hinzukommen, die die zukünftigen Handlungen des Senders oder des Empfängers betrifft. So finden wir in Weihinschriften Versprechungen des Typs wenn du mir diesen Wunsch erfüllst, werde ich dir dies und das geben ...“ „ . Diese Ausweitungen sprachlicher Handlungsmöglichkeiten ergeben sich aus der Verdauerung der Sprechhandlung im schriftlichen Text. Einmal aufgeschrieben, kann die Sprechhandlung ihre Wirkung gleichsam fixieren. Der religiöse Kontext derWeihepigramme, deren textinterne fiktive Adressaten oft Götter sind, legt zudem die Vermutung nahe, daßdie Sprechakte desWeihens undVersprechens als unbedingt verbindlich und wirkmächtig angesehen wurden. Das gilt auch für inschriftliche apotropäische Flüche, die ein Denkmal oder Grab samt demdarauf inskribierten Text dauerhaft vor derZerstörung schützen sollen.78

75 EHLICH 1994, S. 22. 76 EHLICH 1994, ebd. 77 Vgl. bes. PEEK 1955, Gruppe B IV (GV 1209–1599). 78 Vgl. EHLICH 1994, S. 31f. (zuschon imalten Orient belegten traditionssichernden Flüchen in Inschriften), undJ. ASSMANN, Altorientalische Fluchinschriften unddas Problem performativer Schriftlichkeit. Vertrag und Monument als Allegorien des Lesens, in: H. U. 255. GUMBRECHT / K. L. PFEIFFER (Hgg.), Schrift, München 1993, S. 233–

22

Griechisches Epigramm

undRezeptionsästhetik

Die Transformationen des Sprechers zum Autor und des Hörers zum Leser sind in der literaturgeschichtlichen Forschung zur Antike im Zusammenhang der

Problematik vonMündlichkeit undSchriftlichkeit einigermaßen ausführlich behandelt worden.79 Eine Zwischenstufe auf demWeg des Sprechers zumAutor, der zusammenfassend als ein Prozeß der Autonomisierung undIndividualisierung der Rolle beschrieben werden kann, bildet deranonyme Schreiber, der imFall derEpigramme bis zurEntstehung desBuchepigramms dieRegel bleibt. Die zunehmende Individualisierung derAutorrolle imantiken Griechenland istjedoch nicht allein ein Phänomen des Übergangs zur Schriftlichkeit, sondern mehr noch die Folge des damit einhergehenden Qualitätssprungs der Literatur. In dem Moment, wo eine Versinschrift als individuelles, künstlerisches Erzeugnis wahrgenommen wird –dies stellt innerhalb der epigrammatischen Massenware in der Tat etwas Bemerkenswertes dar– , kann auch der Verfasser genannt werden. Wenn wir uns aber, wie in der vorliegenden Arbeit, weitergehend mit demÜbergang zur BuchundLeseliteratur befassen, so werden wir mit einer tiefergehenden Veränderung konfrontiert. Denn literarische Epigramme fordern einen ‘literarischen’ Leser, der nicht nureine einigermaßen ansprechende Präsentation vonInformationen, sondern aucheine intellektuelle Herausforderung erwartet:

... eine Funktion von literarischen Texten ist es, Mehrdeutigkeiten zu beto„ nenundsie Leserinnen bewußt zu machen; Ambiguitäten werden zumKennzeichen des Textes erhoben, statt –wie in derAlltagskommunikation –einen Vertragsbruch darzustellen. So entautomatisiert undthematisiert der literarische Text Bewußtseinsvorgänge, die üblicherweise vorbewußt bleiben, und 80 hebt sie indasBewußtsein vonLeserin oder Leser.“ Damit ändert sich auch die Rolle des Autors: Das Eingehen auf die Verstehensmöglichkeiten seiner Leserschaft unddas Spiel mit denLeseerwartungen werdenzuseiner charakteristischen Aufgabe.8 1Eine solche Definition desliterarischen Lesens undder ihr entsprechenden Textstrategien –insbesondere das Bewußtmachen vonErwartungen –paßt, wie wirgesehen haben, auf dasEpigramm des Kallimachos, in demder sprechende Hahn demLeser die eigenen Rezeptionsgewohnheiten vor Augen führt. Somit haben wir die Entwicklung des griechischen Epigramms von einem auf den Stein übertragenen versifizierten Sprechakt zu einer poetischen Gattung für literarisch erfahrene Leser umrissen. Für unsere Untersuchung bleibt die Aufgabe, die historisch verschiedenen Rezeptionssituationen des Epigramms soweit wie möglich zu rekonstruieren unddie daraus resultierenden Veränderungen der Appellstruktur zu beschreiben. Neben der Analyse der Sprechakte selbst soll unsere Leitfrage die Frage nach der Einbeziehung des Lesers, nach der Entwicklung und Ausgestaltung der Leserrolle sein.

79 Vgl. RÖSLER 1994 (mit Bibliographie).

80 81

GROSS 1994,

S. 31 zurBeziehung

eines Textes. EHLICH

1994, S. 35.

zwischen

demkognitiven

Leseablauf

undderPoetizität

Methodische

undterminologische

Grundlagen

23

Die Untersuchung über ‘Kallimachos und die Tradition des Epigramms’ umfaßt drei Teile. Im ersten Hauptabschnitt wird anhand einer Auswahl voninschriftlich und literarisch überlieferten Versinschriften die Entwicklung der poetischen Techniken des Leserappells vom 8. bis zum beginnenden 3. Jahrhundert v. Chr.

skizziert. Dabei ist derjeweilige kulturgeschichtliche Hintergrund der gewählten Darstellungsformen, derEinfluß anderer Gattungen undder allmähliche Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit der literarischen Kommunikation zu berücksichtigen. Der zweite Teil der Arbeit ist den Epigrammen des Kallimachos gewidmet. Hier wird zu zeigen sein, welche poetischen Formen der Dichter aus demälteren Epigramm übernimmt undwie der konkrete Rahmen, auf densich Steinepigramme beziehen, in dasBuchepigramm integriert undan die Bedürfnisse des literarischen Lesers adaptiert wird. Das Hauptinteresse gilt aber auch hier den Sprecherrollen undinsbesondere demfiktiven Leser, nicht zuletzt, weil die in der alexandrinischen Dichtung entwickelten Formen der poetischen Rede vorbildhaft für die spätere griechische undlateinische Dichtung geworden sind. Der dritte Hauptteil schließlich gibt einen Ausblick auf die Aitia unddie Jamben des Kallimachos. Hierbei wird es umdie Ausstrahlung der epigrammatischen Technik auf andere poetische Unternehmungen desselben Dichters undihre Implikationen fürdasVerhältnis vonAutor undLeser gehen.

*** Die inschriftlich überlieferten Epigramme des8. bis 4. Jahrhunderts v. Chr. wer2), die hellenistischen den gewöhnlich nach der Edition von HANSEN (CEG 1– Steinepigramme nach PEEKs ‘Griechischen Versinschriften’ (GV) oder Griechischen Grabgedichten (GG) wiedergegeben, nötigenfalls mit Hinweisen auf neuere Editionen. Die in der Anthologia Palatina und der Anthologia Planudea gesammelten Epigramme werden aus praktischen Gründen mit dieser Quellenangabe zitiert (Anth. Pal. bzw. Anth. Plan.). Ihr Text wirdjedoch der neueren Ausgabe von Gow undPAGE1965 entnommen, sofern die Epigramme hierin Aufnahme fanden. Für die Werke des Kallimachos, auch die Epigramme, bleibt jedoch die bahnbrechende Edition von PFEIFFER 1, 2. Aufl. 1965, und2, 1953, oftmals die erste Wahl. Die Übersetzungen der Epigramme habe ich, sofern nicht anders angegeben, selbst angefertigt. Nurnoch in Einzelfällen konnte dieneue Sammlung der ‘Steinepigrammeaus demgriechischen Osten’, deren vier erste Bände MERKELBACH undSTAUBERzwischen 1998 und2002 publiziert haben, in die Untersuchung miteinbezogen werden.

A. DAS GRIECHISCHE EPIGRAMM UNDSEINE LESER VON DER ARCHAIK BIS ZUM HELLENISMUS 1. INSCHRIFTLICHE DICHTUNG IN ‘MÜNDLICHER’ KULTUR

1.1. Traditionen derMündlichkeit Untersuchungen zurEntstehung desgriechischen Epigramms sehen sich einem mittlerweile nur zu bekannten Paradoxon gegenüber: Die griechische Literatur ist in ihren Anfängen mündlich gewesen.1 Die Eigenheiten der frühesten erhaltenen literarischen Zeugnisse, der homerischen und der hesiodeischen Epik sowie der Einzellieddichtung aus den unterschiedlichen Lokaltraditionen Griechenlands, weisenaufeine längere Vorgeschichte dermündlichen Komposition undÜberlieferung innerhalb derbekannten Gattungen. Diegebundene Formderhexametrischen Rezitationsliteratur, wie sie die frühgriechischen Epen darstellen, ermöglichte den Aöden nicht nur die rasche Improvisation während des Vortrags, sondern erfüllte wohl auch eine mnemotechnische Funktion, diedieursprünglich mündliche Tradierung längerer Gedichte erleichterte. Auch die charakteristischen epischen Formeln gelten als Indiz für eine mündliche Vorstufe der Literatur, in der poetische Darbietungen ohne die Stütze der Schrift abgehalten wurden. Die Ausbildung einer frühen griechischen Schriftkultur seit dem8. Jahrhundert bedeutete fürdiese Literatur vor allem eine Steigerung der künstlerischen Qualität. Die poetische Sprache der Griechen, die sich besonders unter demEinfluß von Ilias und Odyssee herausbildete, legt jedoch von der tiefen Verwurzelung in einer mündlichen Kultur Zeugnis ab. Die poetische Konvention verbot geradezu die Erwähnung des neuen Mediums der Schrift;2 nur indirekt läßt sich zeigen, daß die Konzeption des bleibenden Autorruhms und des individuellen Werkes den Gebrauch des Schreibmaterials für die Dichtung längst voraussetzt.3 Die Hochschätzung der mündlichen Dichtung durch die Griechen beruht auf der Funktion von Dichtung als eines kommunikativen Ereignisses, an dem neben demSänger eine Gruppe von Zuhörern beteiligt war, die besonders den aktuellen undlebendigen Charakter derAufführung undnicht zuletzt auch die Präsenz eines autoritativen Erzählers schätzte. Für das Ansehen des Dichters waren zunächst weder Buchmarkt noch Kritiker zuständig, sondern die ‘tagespolitische’ Relevanz der Unterhaltungskunst.4 Der Dichter mußte eine aktuelle Befindlichkeit seines

1

2 3

4

Vgl. U. ECKER, Grabmal und Epigramm. Studien zur frühgriechischen Sepulkraldichtung, Stuttgart 1990 (Palingenesia 29), S. 9– 11. E. PÖHLMANN, Mündlichkeit undSchriftlichkeit gestern undheute, WJA N. F. 14, 1988, S. 20, hier S. 11f. 7– E. STEIN, Autorbewußtsein in der frühen griechischen Literatur, Tübingen 1990 (ScriptOralia 17). In Od. 12, 184– 192 verführen die Sirenen ἱεῖσ νOdysseus mit ihrem Wisο α ιὄ ιμ π ακά λ λ sen über seine unmittelbare Vergangenheit: ἴδ ο β υ λ υ ο ὶπ ν ο η τ μ α ιἐ ε νδ έ ν π ὶχϑ ᾽ὅ σ σ αγ

26

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

Publikums treffen. So unterstreichen frühgriechische Dichter den performativen Charakter ihrer Äußerungen durch Bezugnahmen auf einen mündlichen kommunikativen Rahmen, denAktionsraum der Gruppe. Der epische Dichter zeigt sich dem Publikum im Gespräch mit seiner göttlichen Informantin, der Muse, so daß seine Worte verbürgte Wirklichkeiten wiederzugeben scheinen. Hesiod verankert sein ρ α γ έ ιin derzeitgenössischen Realität, indem er, wohl in α κ ρ α Lehrgedicht Ἔ ὶἡμ Anlehnung an orientalische Vorbilder,5 die Form einer mahnenden Unterweisung an den Bruder wählt, sich dabei aber auch der göttlichen Unterstützung versichert. Diese einfachen Formen der innertextlichen Evozierung einer Aufführungssituation in der frühesten griechischen Dichtung hängen noch nicht mit der Erscheinung zusammen, die Aristoteles später die mimetische Funktion der Dichtung nennt, daß nämlich Dichtung als eine menschliche (nicht göttliche) Äußerungsform ihrem Wesennach Nachahmung vonWirklichkeit sei.6 In der Vorstellung derfrühen Dichter ging es nicht darum, Wirklichkeit nachzuahmen, sondern –dies zeigt der Anspruch auf Wahrheit –in einer durch höhere Instanzen beglaubigten Form repräsentierend wiederzugeben. Die Funktion der poetischen Sprache war nicht die phantasievolle Imitation, sondern die überhöhende Darstellung der Wirklichkeit, wie sie der Autorität des Dichters selbst und seinem Publikum plausibel war. Erst mit dem Aufkommen der Kunstkritik hat sich diese griechische Konzeption von Sprache und Literatur in demSinne gewandelt, daßeinAutor für denRealitätsbezug desTextes verantwortlich wurde undseine schöpferische Phantasie zumpositiv konnotierten Thema werden konnte.7 Fürdiefrühen Dichter wardasVorhandensein eines realen Bezugsrahmens, in demsich sowohl sie selbst als auch ihre Zuhörer bewegten, eine Selbstverständlichkeit. Die textlichen Bezugnahmen auf denkommunikativen Rahmen in der griechischen Dichtung, die sich aus demStreben ihrer Schöpfer nach Wirklichkeitsnähe undEinbettung in die bekannte Realität herleiten lassen, sind zunächst vor allem anhand der griechischen Monodie erforscht worden. Dort finden sich die ersten literarischen Bezugnahmen auf den lebensweltlichen Kontext der Aristokratie des 7. und 6. Jahrhunderts, aber auch auf die Gelegenheit des Vortrags selbst. Das

(191). Dieses ‘panhellenische Wissen’ist kennzeichnend fürdasInteresse eines Publiῃ τ ε ίρ kums mit vielen überregionalen Beziehungen, wie es Aristokraten und Händler darstellen. Über die Bedeutung des Vortrags vgl. z. B. KRUMMEN 1990, S. 4; KÄPPEL 1992, S. 17ff.; B. ZIMMERMANN, Dithyrambos.

Geschichte einer Gattung, Göttingen 1992 (Hypomnemata 98),

S. 11undallgemein J. HERINGTON, Poetry into Drama. Early Tragedy andthe Greek Poetic Tradition, Berkeley / LosAngeles 1985 (Sather Classical Lectures 49). ZurRolle derMündlichkeit in der griechischen Kultur sei hier nur auf R. THOMAS, Literacy and Orality in Ancient Greece, Cambridge 1992 sowie auf die Beiträge in I. WORTHINGTON (Hg.), Voice into Text. Orality and Literacy in Ancient Greece, (Mnemosyne Suppl. 157), Leiden 1996

verwiesen.

5

6 7

Vgl. M. L. WEST, Hesiod. Works and Days. Edited with Prolegomena and Commentary, Oxford 1978, S. 25– 40 undWEST 1997, S. 306f. M. FUHRMANN, Die Dichtungstheorie derAntike. Aristoteles –Horaz –Longin’. Eine Ein‘ 24. führung, Darmstadt 21992, S. 16– Xenophanes, Eleg. B 1, V. 22 WEST = Fr. 21 B 1, V. 22 DIELS / KRANZ überliefert bei ν . ω έρ τ ρ ο Athen. 11, 462 f, spricht bekanntlich vondenπ ατ π μ ατ ῶ ν λ ά σ

Inschriftliche Dichtung

27

in ‘mündlicher’Kultur

P ragmatische’ und O kkasionelle’ der griechischen Dichtung ist auch für die ‘ betont worden.8 Vor allem auf diese nicht-epischen früh‘ Chorlyrik immer wieder griechischen Dichtungsarten trifft es zu, daß die mündliche Aufführungssituation als integrativer Bestandteil des Gesamtkunstwerkes empfunden wurde. Anders jedoch, als es dieidealisierende Darstellung der Aödenvorträge in denhomerischen Epen vielleicht suggeriert, handelt es sich bei den überlieferten frühgriechischen Dichtungen stets um schriftlich präparierte Texte. Der Dichter bereitet sich auf einen ihm bekannten Aufführungskontext vor. Die Bezugnahme auf den außertextlichen Rahmen dient derstärkeren Einbeziehung seines Publikums. Der beschriebene ‘mündliche’ Hintergrund der griechischen Kultur –die Notwendigkeit einer realen O kkasion’ und einer realen Zuhörerschaft –hat die For‘ These gebracht, daß eine Literaturform, deren Merkmal schung zu der plausiblen die endgültige Fixierung auf dem starren Stein war, zunächst mit Mißtrauen bedacht9 oder weniger ernst genommen10 wurde. Ist das Epigramm also im Hinblick auf den Publikumsbezug die Ausnahme von den mündlichen Regeln, die den Sprechakt der archaischen Dichtung auszeichnen?11 Die Positionen, die die Forschung dazu eingenommen hat, könnten eine solche Vermutung bestätigen. Als Ausgangspunkt für unsere Überlegungen soll hier eine kurze Betrachtung der problematischen Definitionen des Epigramms dienen, in denen die Medien der Kommunikation –insbesondere ‘Schrift’oder ‘Stein’–eine zentrale Stelle behaupten.

1.2. Definitionen

Das griechische Epigramm hat bisher vor allem dann die Aufmerksamkeit der Literaturwissenschaft auf sich gezogen, wenn nach demUrsprung undeigentümlichen Charakter der griechischen Literatur gefragt wurde, gehören doch Versinschriften zu den ältesten überlieferten Schriftzeugnissen überhaupt, die wir aus Griechenland besitzen.12 DasInteresse anderliterarischen Gattung desEpigramms wird dabei vonder Einschätzung der archaischen Kultur Griechenlands durch den 8

Zur Einzellieddichtung RÖSLER 1980 und 1983 sowie B. GENTILI, Die pragmatischen As17; zur Chorlyrik KRUMpekte der archaischen griechischen Dichtung, A&A 36, 1990, S. 1– MEN1990; KÄPPEL 1992; ZIMMERMANN 1992. 9 R. SCODEL, Inscription, Absence and Memory. Epic and Early Epitaph, SIFC 3. ser. 10, 76, hier S. 65f. 1992, S. 57– . S. auch HESS 10 GUTZWILLER 1998, S. 2 sieht das alte Epigramm im „rank of minor arts“ 1989, S. 3f.: „ Offensichtlich sindaber die Abweichungen vonderallgemeinen Sprachnorm. Als erstes wäre die pragmatische Abweichung zu nennen. Das Grabepigramm ist auf eine ganz ganz spezifische Sprechsituation beschränkt: der Grabstein auf dem Grabmal speziell schließlich wird die Norm der Mündlichkeit des sprachlichen Ausdrucks durchbro-

[...]

chen“; M.

FANTUZZI,

L’Epigramma, in: M. FANTUZZI / R. HUNTER (Hgg.), Muse e modelli.

481 La poesia ellenistica da Alessandro magno ad Augusto, Roma / Bari 2002, S. 389– scrittura eccezionale“(ebd. S. 389). Marco FANTUZZI (Florenz) definiert dasEpigramm als „ übersandte mirvorab sein Manuskript, wofür ich ihmvielmals danken möchte. 11 SCODEL 1992, S. 58. 12 L. H. JEFFERY / A. W. JOHNSTON, The Local Scripts of Archaic Greece. A Study of the Origin of the Greek Alphabet and its Development from the eighth to the fifth Centuries B. C., 21. Oxford 21990 (11961), S. 15–

28

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

jeweiligen Forscher geprägt, insbesondere in bezug auf die Bedeutung, die der Übernahme undVerbreitung derSchrift bei derEntstehung dieser Kultur zugemessen wird. Aber auch die kultur- und medienkritische Bewertung des Phänomens ‘Schrift’spielt dabei eine Rolle. Zwei Tendenzen lassen sich in diesem Sinne deutlich unterscheiden. Die eine Richtung betont die praktische Funktion der mündlichen Elemente bei der Entstehung der ältesten Inschriften. Sie wurde besonders durch WILAMOWITZ verbreitet, derausdermetrischen Struktur eine genuine Funktion vonEpigrammen als Merkversen13 ableitet. Diese Position läßt sich weiterverfolgen über RAUBITSCHEK 1968, dessen These vondenaus Totenklagen entwickelten Grabepigrammen 1989 vonJ. W. DAYaufgegriffen wurde.14 DAYanalysiert die strukturellen Ähnlichkeiten zwischen demmündlich vorgetragenen Enkomium undder archaischen Grabschrift. Ein Repräsentant der anderen Richtung ist dagegen H. HÄUSLE 1979, für dendas Epigramm als eine Dichtungsart gilt, deren Spezifikum die Schriftlichkeit ist:

Die Inschrift hat ihr Sein nur in ihren sie konstituierenden Buchstaben; „ 15 ist sie nicht mehrdas, wassie ist.“

außerhalb dieser

Er zeigt sich dabei abhängig voneiner alten Meinung, nach der die Schriftlichkeit der Versinschriften vor allem in ihrer Materialgebundenheit bestehe.16 Dies ist

13

WILAMOWITZ 1924, Bd. 1, S. 119, 123, so auch noch die Definition von G. HIGHET in: OCD 21970, S. 392– 394 s. v., hier S. 392: „Epigram means ‘inscription’. Since verse inscriptions were more memorable than prose, the word came to denote a poetic inscription.“ Anderen zufolge sollten Epigramme allerdings nicht auswendig behalten werden, sondern mitihrer Versform denLeser beeindrucken, vgl. W.PEEK, Griechische Grabgedichte. Griechisch unddeutsch, Berlin 1960, S. 10f., ähnlich ECKER 1990, S. 48. 14 A.E. RAUBITSCHEK, DasDenkmal-Epigramm, in: L’Épigramme grecque, Vandœ uvres / Ge36; J. W. DAY, Rituals in Stone. Early Greek Grave Epigrams andMonunève 1968, S. 1– ments, JHS 111, 1989, S. 16– 28; DERS., Epigram and Reader. Generic Force as (Re-) Activation of Ritual, in: M.DEPEW / D. OBBINK (Hgg.), Matrices of Genre. Authors, Canons, and Society, Cambridge / Mass. 2000, S. 37– 57; vgl. auch G. B. WALSH, Callimachean Passages. The Rhetoric of Epitaph in Epigram, Arethusa 24, 1991, S. 77– 103. 15 H. HÄUSLE, Einfache undfrühe Formen des griechischen Epigramms, Innsbruck 1979, S. 45. Ebd. S. 31 erläutert HÄUSLE seinen Literaturbegriff: „ DerLiteratur imeigentlichen Sinnekannjedoch all daszugerechnet werden, wasallein durch die Elemente derBuchstaben oderwelcher Schriftzeichen immer sein Leben hatundvomVollzug derSprache abgelöst, d. h. literarisiert ist.“Nach dieser Definition zählt etwa die frühgriechische Lyrik nicht primär zurLiteratur (S. 34f.), wurde sogar „gegen ihre Natur“(S. 35) dazu. Unklar ist, worin dieses metaphysische Leben der Schriftzeichen ohne Sprache bestehen soll. Nach DEMS., Ζ Ο Ω –Ὑ Φ ΙΣ Τ Α Ν Ο ΙΕ ΙΝ Α Π Ι. Eine Studie derfrühgriechischen inschriftlichen Ich-Rede derGegenstände, in: R. MUTH/ G. PFOHL (Hgg.), Serta Philologica Aenipontana 3, Innsbruck 139 (= HÄUSLE 1979b) verdankt es sich aber wohl einer volkstümlichen Vor1979, S. 23– stellung vonBuchstabenmagie. 16 So etwa H. HOMMEL, Der Ursprung des Epigramms, RhM 88, 1939, S. 139– 206, bes. S. 195: „ ... ergab sich naturnotwendig ausdemZweck undMaterial eine gewisse Kürze, die dasEpigramm deutlich unterschieden hatvondenmündlich überlieferten oderdannaufvergänglicheren Stoff geschriebenen Formen desEpos undderElegie“ .

[...]

Inschriftliche Dichtung in ‘mündlicher’Kultur

29

insofern richtig, als auch der antike Begriff des Epigramms17 das Merkmal der Inschriftlichkeit als unterscheidende Differenz hervorhebt. Schriftlichkeit ist jedoch mehr als ein mediales Phänomen. Untersuchungen seit WEBER 1917 haben gezeigt, daß die mediale Schriftlichkeit der Versepigramme nicht notwendig von Anfang an mit einer schriftlichen Konzeption des Kommunikationsvorgangs identisch sein muß.18 Eine einseitige Betonung der Schriftlichkeit und insbesondere ihres materiellen Aspekts vernachlässigt beinahe zwangsläufig die mündlichen Elemente des epigrammatischen Sprechakts. Für die Bestimmung des schriftlichen Anteils wichtiger ist die Frage, inwiefern Versinschriften Literatur für Leser darstellen undinwieweit der Autor in seiner Konzeption die Abwesenheit seines Publikums im Moment der Abfassung seines Textes (und umgekehrt dasFehlen seiner Person im Augenblick derRezeption) berücksichtigt. Die Ursache für die Verwirrung in der Forschung über Definition undBegriff μ α μ ρ , wörtlich: ‘das Aufgezeichnete’, liegt in der teilweise einseitigen α des ἐπ ίγ Fixierung auf das äußere Merkmal der Inschriftlichkeit.19 Ähnliche –neuzeitlicher Kultur- und Medienkritik entsprungene –Vorurteile treffen auch das Buchepigramm als schriftliche unddamit ‘tote’ Kunstform, wie wir noch sehen werden. Mit R. REITZENSTEIN gesprochen ist „ das Epigramm ... in der Tat keine besondere Dichtungsart, weder nach seinem Stoff, noch nach seiner Form“ .20 J. GEFFCKEN forderte gar„ denBegriff desGenos für dasEpigramm wenigstens in seiner älteren undauch noch in seiner besten Erscheinungsform auszuschalten.“21Die Schwierig-

17 Zuerst bei Hdt. 5, 59, 4; 7, 228, 6f. 557, bes. S. 555ff. 18 L. WEBER, Steinepigramm und Buchepigramm, Hermes 57, 1917, S. 536– zudenMerkmalen des Buchepigramms, woran sich RÖSLER 1983, S. 27 undAnm. 44 anschließt. S. auch A. KÖHNKEN, Gattungstypik in kallimacheischen Weihepigrammen, in: J. DALFEN / G. PETERSMANN / F. F. SCHWARZ (Hgg.), Religio Graeco-Romana. Festschrift für

W. Pötscher, Graz / Horn 1993 (Grazer Beiträge Suppl.bd. 5), S. 119–130. –Speziell zum archaischen Epigramm vgl. ECKER 1990, S. 45ff. Insgesamt ist zu betonen, daß der mündliche Aspekt derVersinschriften nicht in ihrer Herkunft ausdemmündlichen Ritual besteht, sondern als eine künstlerische Darstellungsabsicht zuinterpretieren ist, die eine mündliche Kommunikation imitiert. Inschriften als Zeugnisse für „ the oral character of Greek society“ interpretiert T. LINDERS, Inscriptions andOrality, Symb. Osl. 67, 1992, 27– 40. 19 Negativ bewertet wird die Raum- und Materialgebundenheit des Epigramms bei Th. BIRT, Das antike Buchwesen in seinem Verhältnis zur Literatur, Berlin 1882; vgl. LAUSBERG 1982, S. 80, 97; SCODEL 1992, S. 58. 20 R. REITZENSTEIN, ‘Epigramm’, RE VI, 1, 1907, Sp. 71–111, hier Sp. 77 und ähnlich schon REITZENSTEIN 1893, S. 105: „ Die Aufschrift ist an sich keine bestimmte Dichtungsart, weder ein fester Inhaltskreis noch ein bestimmtes Metrum ist ihr eigen ... es dient, wiedereinfachen Erklärung eines Grabmals oder Weihegeschenks, ebenso auch einen Weisheitsspruch, eine Allen nützliche Lehre demVorübergehenden insGedächtnis zurufen, undtritt dadurch indirekt zu der paraenetischen Gelage-Elegie in nähere Verwandtschaft. Die schlichte Sprache undKunst zeigt, dass zunächst das Interesse sich überwiegend dem Inhalt zuwen98. det.“Vgl. dagegen LAUSBERG 1982, S. 95– 21 J. GEFFCKEN, Studien zum griechischen Epigramm, Neue Jahrbücher für das Klassische 107, gekürzt wieder in: G. PFOHL (Hg.), Das Epigramm. Zur GeAltertum 20, 1917, S. 88– schichte einer inschriftlichen und literarischen Gattung, Darmstadt 1969, S. 21– 46, hier: S. 23. Dies hatjedoch die Antike zumindest seit dem3. Jh. v. Chr. anders gesehen, s. jetzt M. PUELMA, Ἐ μ α–epigramma. Aspekte einer Wortgeschichte, MH53, 1996, S. 123– μ ρ α π ίγ

30

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

keit einer allgemeinen Definition allein schon für das antike Epigramm entsteht aber nicht nur durch die sprachliche Nähe zu anderen Gattungen, sondern auch durch die Fortentwicklung und Literarisierung des griechischen Epigramms seit dem4. Jahrhundert unddie im Zuge dieser Veränderung gewandelte Bedeutung des Etikettes.22 μ (lat. epigramma) umfaßt inhaltlich verschiedene α μ ρ α Derantike Begriff ἐπ ίγ Inschriftenklassen undihre literarischen Derivate. Er begegnet bereits bei Herodot

zur Bezeichnung für metrische undnichtmetrische Inschriften allgemein.23 Unklar ist jedoch, wann er allein auf Versinschriften, insbesondere auf die in elegischen Distichen abgefassten, beschränkt wurde.24 Ein Ion von Samos bezeichnet in einer delphischen Weihung ausder2. Hälfte des4. Jahrhunderts seine Distichen noch als εῖα ,25 bei Demosthenes erscheint eine Gedenkinschrift unter dem Namen ἐλεγ μ α .26Der Begriff ist also noch nicht auf eine poetische Form festgelegt. μ α ρ ίγ ἐπ Die Verwendung der Bezeichnung für eine Dichtungsart geht, wie M. L. WEST vermutet, erst auf die alexandrinische Literaturklassifizierung zurück.27 Im 3. Jahrhundert läßt sich auch die Berufsbezeichnung des Epigrammdichters nachweisen.28 Dies magdurch die Überlieferung bedingt sein; jedoch ist es wohl kein Zufall, daßdieBezeichnung imZusammenhang mitdenPionieren derliterarischen Gattung auftaucht, die ihr durch die Zuspitzung ihrer charakteristischen Strukturmerkmale dasProfil einer anerkannten Kategorie vonDichtung geben.

GUTZWILLER 1998, S. 3 Anm. 8. –Vgl. auch HESS 1989, S. 2 zu modernen Definitionsverweigerungen1’hinsichtlich desEpigramms. ‘Die Lexika formulieren dementsprechend, z. B. SEELBACH 1988, S. 157: „ In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet dasWort ‘Epigramm’eine Aufschrift, insbesondere eine ; so Aufschrift in Versform, wiesiez. B. aufeinem Graboder Weihgeschenk zulesen ist ...“ auch M. L. WEST, Studies in Greek Elegy and Iambus, Berlin / New York 1974 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte 14), S. 19– 21, zitiert bei CAMERON 1993,

139, korrigierend

22

S. 1.

23 ImZusammenhang mitdemStifter oderHersteller eines Kunstwerkes beiHdt. 5, 59; 7, 228; vgl. Thuk. 6, 54, 7 und 59, 3. Als Synonym für eine Inschrift bei Eur. Tro. 1191, für eine Grabinschrift GV 1909 [IG XIV, 1746], V. 1 u. a., vgl. LSJ s. v. Im Lateinischen bezeichnet das Lehnwort epigramma sowohl eine Inschrift (z. B. Cic. Verr. 2, 4, 127; Petron. Satyr. 115; Vitr. 8, 3, 21) odereinen Grabstein (Nep. Paus. 1, 3) als auch ein Buchepigramm (vgl. Cic. Arch. 25; Tusc. 1, 84 zu einem Epigramm des Kallimachos sowie Quint. Inst. 1, 5, 20

zudenEpigrammen desCatull). CAMERON 1993, S. 1. Bei Thuk. 1, 132, 2 wird das Versepigramm durch die Wendung ἐ ιπ γ ρ ά ψ α σ ϑ α ι... ἐλεγ bestimmt. ε ν ῖο μ ρ μ γ έ α ε ὰ ἐλ ν 25 CEG2, 819; vgl. Lykurg 142: τ μ ῖα ε εγ τ ατο ε ὰ η ἐπ ιγ ίο ν ις ῖςμ . K. BARTOL, 30 und Greek Elegy andIambus. Studies in Ancient Literary Sources, Poznan 1993, S. 18– 119sammelt (nichtinschriftliche) Belege zuἔλεγ S. 103– ο ς , ἐλεγ ε ν ῖο , ἐλεγ ε ία . 24

26 Demosth. 20, 112. 27 WEST 1974, S. 20f. μ μ α ρ 28 ἐπ α τ ιγ ο π ο ιό ςbei Philodem Poet. 5, 38, 9 MANGONI undbei Diog. Laert. 6, 14, der in

seinen Viten zahlreiche Epigramme anführt; zueinem inschriftlichen Beleg schon im3. Jh. (Poseidippos) vgl. CAMERON 1993, S. 371; GUTZWILLER 1998, S. 151 mit Anm. 69. Nur ρ μ ά α γ φ μ το ο ρ schwach belegt ist dagegen ἐ α ς , vgl. LSJ s.v. π ιγ

Inschriftliche Dichtung in ‘mündlicher’Kultur

31

μ α bezeichnete Dichμ ρ α ίγ Seit demspäteren 4. Jahrhundert verliert diemitἐπ tung die Besonderheit, sich als schriftlich von anderer Literatur abzuheben, die sie auch in der halboralen Kultur mit schriftlicher Konzeption und mündlicher performance von Dichtung noch auszeichnete. Sie wird zumProdukt eines professionellen Wettkampfs der Dichter. DerTerminus ‘Epigramm’für ein kurzes Gedicht,

das losgelöst aus dem inschriftlichen Zusammenhang zur Unterhaltung rezitiert wird, findet sich bei Hieronymos von Rhodos, einem Peripatetiker des 3. Jahrhunderts, undetwa ein Jahrhundert später bei demalexandrinischen Grammatiker Kallistratos.29 In eine ganz andere Richtung hat sich der moderne Begriff des Epigramms entwickelt. Seine Ursprünge liegen in der Renaissance, die ihre Vorstellung undDefinition in erster Linie andennachchristlichen lateinischen Epigrammen undihren stilistischen Merkmalen ausbildete, auch wenn sich die Geschichte der stilistischen Normen ohne weiteres bisinalexandrinische Zeit zurückverfolgen läßt. Kürze und Pointiertheit bilden für die Epigrammtheorie der Neuzeit die wesentlichen Merkmale.30 Folgenreich ist aber vor allem die Definition des Epigramms geworden, die LESSING 1771, ausgehend von dem durch LOGAU31 eingebürgerten Begriff des ‘Sinngedichts’, gegeben hat.32 Obwohl diese Bezeichnung auf den ersten Blick nichts mit demProblem der Schriftlichkeit zutunhat, lohnt eingenaueres Hinsehen. LESSING zieht eine Parallele zwischen den ihm bekannten antiken Aufschriften und den ‘Epigramm’ genannten Kurzgedichten seiner eigenen Zeit, denen ein logischer Aufbau gemeinsam sei. Beide wecken die „ Erwartung“des Lesers, die anschließend durch einen „Aufschluß“befriedigt werde. Das Sinngedicht sei demnach ein Gedicht, in welchem, nach Art der eigentlichen Aufschrift, unsere Auf„ merksamkeit undNeugierde auf irgend einen einzelnen Gegenstand erregt und mehroderweniger hingehalten werden, umsiemiteins zubefriedigen“ .3

J. G. HERDER hat in seinen 1785 und 1786 erschienenen Ausführungen deutlich werden lassen, daß ein Epigramm sich auch auf einen lediglich gedachten Gegenstand beziehen kann. Er definiert es als:

29 Athen. 13, 604 f (ἐ μ ); Kallistratos bei Athen. 3, 125 c. Auch sonst verwendet der μ ρ α π α ίγ Verfasser derDeipnosophistai ‘Epigramm’in diesem (sympotischen) Sinne. 30 LAUSBERG 1982, S. 78ff. Daran ändert nichts, daß diese Charakteristika vorübergehend 58. –Für den Beabgewertet oder bestritten wurden, vgl. ebd. S. 83 undHESS 1989, S. 47– deutungswandel des Begriffs bis über LESSING hinaus vgl. auch G. VONWILPERT, Sachwör87; 244 (‘Epigramm’); LAUSBERG 1982, S. 78– terbuch der Literatur, Stuttgart 71989, S. 242– R. RAISER, Über das Epigramm, Stuttgart 1950. 31 Zu LOGAU, der Geschichte des Epigramms unddenentsprechenden Epigrammtheorien des 17. Jh. vgl. jetzt S. ADLER, Literarische Formen politischer Philosophie. Das Epigramm des 54. 17. und 18. Jahrhunderts, Würzburg 1998, bes. S. 27– 32 LAUSBERG 1982, S. 84– 86. Die folgenden Zitate sind entnommen aus: G. E. LESSING, Zerstreute Anmerkungen über das Epigramm undeinige der vornehmsten Epigrammatisten 315. [1771], in: Sämtliche Schriften, hg. v. K. LACHMANN, Bd. 11, Stuttgart 31895, S. 214– 33 LESSING 1771 / 1895, S. 217; LAUSBERG 1982, S. 85.

32

Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

diepoetische Exposition eines gegenwärtigen oderalsgegenwärtig gedachten „ Gegenstandes zuirgend einem genommenen Ziel derLehre oder derEmpfin.34

dung“

Diese für das 18. Jahrhundert charakteristischen Versuche der Rückführung des literarischen Epigramms auf die für das Denkmal bestimmte griechische Versinschrift spiegelt sich noch in der ambivalenten Beschreibung des hellenistischen Buchepigramms, die WILAMOWITZ 1924 gibt: „Bindung und Beschränkung bringt auch das Epigramm, denn es wird nie ganz verleugnen, daßes aus der Aufschrift unddemSpruche entstanden ist. Daher drängt es auf die Kürze unddie Pointe. Es bleibt, wenn nicht auf ein 35 Monument irgendwelcher Art [...], doch auf einen Moment berechnet.“

Hinter denDefinitionen vonLESSING undHERDER verbirgt sich eine wichtige Beobachtung, die schon bei WILAMOWITZ undauch in der Folge zu wenig gewürdigt wurde, da mandas Epigramm entweder mit Blick auf gattungstraditionelle stilistische Normen (‘Kürze’) zukategorisieren versuchte oder aber bei der notorischen ‘Medienfrage’ stehenblieb. Der Vorteil der genannten Definitionen ist ihre Orientierung auf den Rezipienten und die Hervorhebung eines Zusammenhangs zwischen Objektbezogenheit des Epigramms und Leserappell. Griechische Epigramme unterscheiden sich vonanderen poetischen Gattungen durch ihren charakteristischen Bezug auf ein Lesepublikum, undsie haben eine längere Tradition des Leserbezugs entwickelt. Für die Stimulation des Lesers spielt es keine entscheidende Rolle, obderGegenstand desEpigramms einrealer oder nureinimaginierter ist, since „

the true criterion is the poetic form andnot the medium of preserva-

tion.“36

34 Die beiden wichtigen Beiträge HERDERs zur Epigrammtheorie von 1785 und 1786 finden sich in: J. G. HERDER, Sämtliche Werke, hg. v. B. SUPHAN, Bd. 15, Berlin 1888, S. 205– 221 392, die hier angeführte Definition ebd. S. 344 (dazu vgl. LAUSBERG 1982, S. sowie 335–

86f.; PEEK1960, S. 3f.; P. LAURENS, L’abeille dans l’ambre. Célébration de l’épigramme de l’époque alexandrine à la fin dela Renaissance, Paris 1989 [Collection d’études anciennes 59], S. 13f.); HERDERs Epigrammdefinition in der Abhandlung von 1785 („ Anmerkungen über dieAnthologie derGriechen, besonders über dasgriechische Epigramm“ ) lautet: „die Exposition eines Bildes oder einer Empfindung über einen einzelnen Gegenstand, derdem Anschauenden interessant war unddurch diese Darstellung auch einem anderen, gleichgestimmten oder gleichgesinnten Wesen interessant werden soll“(ebd. S. 211). DenBeitrag 5. LESSINGs undHERDERs zurEpigrammforschung würdigt auch PEEK1960, S. 1– 35 WILAMOWITZ 1924, Bd. 1, S. 150. Im folgenden stellt er fest, daß Epigramme nicht lyrisch seien, dasGefühl stets „ vondemVerstande gemeistert werde“ . Gegen eine lyrische AuffassungdesEpigramms wendet sich, voneiner ähnlichen ‘romantischen’Kritik amRationalismusgeleitet, auch E. STAIGER, Grundbegriffe der Poetik, Zürich / Freiburg 71966 (11946), S. 159: „ Die meisten Epigramme jedoch verbreiten keine Stimmung. Sie zeichnen sich durch eine kalte Helle ausundsprechen nicht dieSeele, sondern denGeist an.“ 36

WEST 1974, S. 2.

Inschriftliche Dichtung

in ‘mündlicher’Kultur

33

Die poetische Form des Epigramms, insofern sie durch denAppell an denLeser mitbestimmt wird, kann als ein ‘schriftliches’ Merkmal gelten, das auch im Buchepigramm zu finden ist, undnicht, wie manimmer wieder glaubte, die raumbedingte Beschränkung auf die kleine Form. Zumeinen gibt es seit demFrühhellenismus Epigramme von beträchtlicher Länge,37 zum anderen überwindet die Form der Anthologie mit ihren Epigrammvariationen die räumliche Beschränkung auf ihre Weise –indem sie den Leser zum Vergleich der einzelnen, um ein Thema gruppierten Gedichte anregt. Halten wir zunächst fest: Es gibt sicherlich Merkmale, die es rechtfertigen, von einer Gattung des Epigramms zu sprechen, es gibt eine Kunstform, die von der subliterarischen Spielart mitgeprägt wird, und es gibt etwa mit dem Liebesepigramm eigene Entwicklungen, die von diesem Ursprung wegführen. Aber auch dies geschieht erst allmählich, undauch hier hat dasDenkmalepigramm seine Rolle gespielt.

1.3. DasEpigramm undseine Leser: EinÜberblick Eine umfassende literaturgeschichtlich akzentuierte Darstellung des griechischen Epigramms derAntike vondenAnfängen bis in die römische Kaiserzeit fehlt bisher. Die Erforschung des griechischen Versepigramms hatte zudem wenigstens vorübergehend, vielleicht als eine Folge der Erstellung der ersten großen Sammlungen imZeitalter desPositivismus denOptimismus eingebüßt, mitdemdie beiden schon erwähnten, wichtigsten Vorläufer einer modernen Poetik des Epigramms, G. E. LESSING undJ. G. HERDER, noch ihre Wesensbestimmungen dieser Form des Kurzgedichtes getroffen hatten.38 So schrieb auch R. REITZENSTEIN 1907 in der Realenzyklopädie, dembis dahin bedeutendsten Versuch einer historischen Darstellung der literarischen Entwicklung des Epigramms:

37

CAMERON 1993, S. 13 mit Verweis auf die Angaben des P. Vindob. G 40611 zum Umfang derin ihmaufgelisteten Epigramme, vgl. GUTZWILLER 1998, S. 23. 38 Aufderanderen Seite haben Epigrammsammlungen unddie darin angewandte Disposition desMaterials auch dessen wissenschaftliche Erforschung geprägt. Das System inhaltlicher ‘Klassen’der Prosainschriften (vgl. etwa G. PFOHL, Elemente der griechischen Epigraphik, Darmstadt 1968, S. 46, vielleicht zu stark in den Vordergrund gerückt bei HÄUSLE 1979a, S. 46ff.) wurde bei PEEK1955 (GV) miteiner Ordnung nach Anredeformen verbunden, innerhalb derer das chronologische Prinzip herrscht. PEEKist damit bis in jüngste Zeit grundlegend für alle literaturwissenschaftlichen Untersuchungen geworden, vgl. zuletzt DÍAZDE CERIO 1998. –Zur Geschichte des griechischen Epigramms generell vgl. REITZENSTEIN 1893 und 1907; WILAMOWITZ 1913 und 1924, Bd. 1, 119ff. und Bd. 2, 102ff.; H. BECKBY 42; R. KEYDELL, (Hg.), Anthologia Graeca, Bd. 1, München 1957, S. 9– 99; PEEK1960, S. 1–

‘Epigramm’, RAC V, 1962, Sp. 539– 577; E. DEGANI, ‘Epigramm’, in: Der Neue Pauly 3, 1114; knapp WEST 1974, S. 19– 21; ferner LAUSBERG 1982 (das In1997, Sp. 1108– haltsverzeichnis bietet eine gute Übersicht über die Artdeszugrundegelegten Materials); G. 5. Jh. v. Chr., KAPELLER, Grabinschriftliche Motive. Eine Studie von Epigrammen des 7.– Phil. Diss. Innsbruck 1987; für die alexandrinische und spätere Zeit SEELBACH 1988, S. 157ff.; LAURENS 1989; CAMERON 1993; GUTZWILLER 1998; FANTUZZI 2002.

34

Dasgriechische Epigramm undseine Leser Eine Geschichte des Epigramms zu geben, ist zur Zeit noch unmöglich. „ Selbst der Versuch, über die Hauptfragen zu orientieren, wird eine vomCharakter dieser Enzyklopädie abweichende Form annehmen müssen. Weder herrscht über den Begriff genügende Klarheit, noch ist der Bestand leicht zu überschauen, noch läßt sich über die Hauptprobleme eine Einigung der For39 scher innächster Zeit erwarten ...“

Die methodische

Zurückhaltung, die sich als Konsequenz aus dieser Einsicht galt schon als Topos der Epigrammforschung, und dies nicht ohne Grund.40 Dabei rechtfertigt vor allem die Menge undVielfalt des regional weit verstreuten Materials –der zweite von REITZENSTEIN genannte Grund für seinen Verzicht auf den Versuch einer Gesamtdarstellung –auch heute noch den vorsichtigeren Weg über Einzeluntersuchungen, wenngleich neue Editionen das Studium der Epigramme gegenüber demBeginn des Jahrhunderts wesentlich erleichtern.41 In jüngster Zeit haben jedoch die Arbeiten von A. CAMERON und K. GUTZWILLER zur Entstehung derAnthologia Graeca, die sich auch auf neue Papyrusfunde stützen können, wichtige Bausteine zumGesamtbild beigetragen.42 Über die großen Züge der Entwicklung des griechischen Epigramms von der Archaik bis zumHellenismus –denim Rahmen dieser Arbeit interessierenden Zeit REITZENSTEINs ergibt,

39

1907, Sp. 71; ähnlich lautet der erste Satz bei GEFFCKEN 1917 / 1969, S. 21: . GEFFCKEN setzt Eine Geschichte des griechischen Epigramms ist noch nicht geschrieben“ „ demREITZENSTEINschen Skeptizismus allerdings ein eigenes großes Vorhaben entgegen, ohne dies einlösen zukönnen. 40 So LAUSBERG 1982, S. 11 („ Eine wirklich umfassende und eingehende Geschichte der Gat) und S. 512 mit Anm. 1; vgl. auch BECKBY 1, 1957, S. tung im Altertum steht noch aus.“ 10, der dort einen Überblick geben möchte, „soweit das jetzt schon möglich ist“ , sowie ADLER 1998, S. 28 Anm. 43. 41 Nach G. KAIBEL, Epigrammata Graeca ex lapidibus conlecta, Berlin 1878 (NDHildesheim 1965), J. GEFFCKEN, Griechische Epigramme, Heidelberg 1916 (vor allem für den damaligen Schulgebrauch gedacht) und P. FRIEDLÄNDER / H. B. HOFFLEIT, Epigrammata. Greek Inscriptions in Verse. From the Beginnings to the Persian Wars, Berkeley / Los Angeles 1948 sind heute folgende Sammlungen hilfreich: PEEK 1955 (GV); PEEK 1960 (GG); E. BERNAND, Inscriptions métriques de l’Égypte gréco-romaine. Recherches sur la poésie épigrammatique des Grecs en Égypte, Paris 1969; P. A. HANSEN, Carmina Epigraphica Graeca (CEG), Bd. 1: V, Berlin / New York 1983 und Bd. 2: saec. IV, ebd. 1989 (mit Addenda und saec. VIII– Corrigenda zu Bd. 1) sowie R. MERKELBACH / J. STAUBER (Hgg.), Steinepigramme aus dem griechischen Osten, Bd. 1: Die Westküste Kleinasiens von Knidos bis Ilion, Stuttgart / Leipzig 1998, Bd. 2: Die Nordküste Kleinasiens (Marmarameer und Pontos), München / Leipzig 2001, Bd. 3: Der„ Ferne Osten“unddasLandesinnere bis zumTauros, ebd. 2001, Bd. 4: Die Südküste Kleinasiens, Syrien und Palaestina, ebd. 2002. Hilfreiche Interpretationen undKlassifizierungen bieten M. GUARDUCCI, Epigrafia greca, 4 Bde., Rom 1967– 1978, passim undLAZZARINI 1976. –Weitere Hinweise zu Editionen und epigraphischer Literatur in: Guide de l’épigraphiste. Bibliographie choisie des épigraphies antiques et médiévales, hg. v. F. BÉRARD / D. FEISSEL / P. PETITMENGIN / D. ROUSSET / M. SÈVE, Paris 32000 (ergänzt durch Suppléments, die von der Homepage der École Normale Supérieure bezogen werden können); vgl. für die ältere Literatur auch: G. PFOHL, Bibliographie der griechischen Vers-Inschriften, Hildesheim 1964. 46. 42 CAMERON 1993, S. 7–12 (Übersicht über die Papyri); GUTZWILLER 1998, S. 15– REITZENSTEIN

Inschriftliche Dichtung in ‘mündlicher’ Kultur

35

raum –herrscht in der Forschung weitgehend Einigkeit. Eine Einteilung in drei große chronologische Abschnitte hat sich dabei bewährt: dasexperimentierfreudige archaische Epigramm vom8. bis ins frühe 5. Jahrhundert, die von Simonides und der Elegie geprägten klassischen Kurzgedichte mit ihren Nachfolgern im 4. Jahrhundert und schließlich das hellenistische Kurzgedicht der professionellen Epigrammatiker ab demEnde des4. Jahrhunderts, das neue Themen undStimmungen ineine alte Formintegriert. Im folgenden soll es um einen Teilaspekt der Literaturgeschichte des Epigramms gehen. Gefragt werden soll nach dem Beitrag des Epigramms zu einer innerhalb eines mündlich geprägten kulturellen Umfeldes entstehenden Lesekultur. Hierfür werden in einem diachronen Querschnitt einige besonders markante Beispiele ausgewählt, an denen sich Charakteristika der Appellstruktur zeigen lassen, die für das hellenistische Epigramm bestimmend geworden sind. Die Frage, wie sich derneue Stellenwert des Lesens vonDichtung bei denalexandrinischen Rezipienten von Literatur in den Texten selbst spiegelt, soll durch eine Konfrontation desMaterials mit der ältesten griechischen Lesedichtung angegangen werden. Archaische und klassische Versinschriften, die auf Grabmonumenten, WeihgeschenkenundVasen erhalten sind, zeigen, wie die Epigrammdichter mitjeweils unterschiedlichen Mitteln auf das Problem der Abwesenheit eines direkten Adressaten antworten. Sie stellen zudem den reichen Formenschatz zur Verfügung, aus dem sich die hellenistischen Dichter später bedienen. Die Formen der Publikumsadresse haben, wie auch die Techniken der Versifikation, ihr Vorbild in der mündlichen Aufführungstradition der frühgriechischen Dichtung.43 Auch Sprache und Gedankenwelt der frühesten metrischen Grabsprüche und Weihinschriften zeigen sich eng mit der Diktion und der Ideenwelt der ‘großen Dichtung’, die man von mündlichen Vorführungen kannte, verbunden.44 Auf der anderen Seite wird der Einfluß der vom lebendigen Umgang der Gesprächspartner miteinander bestimmten Alltagskommunikation gerade im Epigramm spürbar. Trotz dieser Herleitung der poetischen Formen, Inhalte undAnredestrukturen aus den Traditionen der Mündlichkeit läßt sich aber schon in frühen Inschriften ein Bewußtsein für die Andersartigkeit der Verständigung mit einem lesenden Rezipienten nachweisen. Der schriftliche Text bedarf des Lesers zu seiner Realisation. DanundieBestimmung eines antiken Gedichts gerade in derVerwirklichung des Sprechakts durch dieperformance lag,45 ist der Leser unentbehrlicher Kommunikationspartner. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Hörer einer poetischen performance unddemLeser einer Inschrift besteht in der Freiwilligkeit

43 Es ist umstritten, obdieältesten Epigramme vonHomer beeinflußt sind oder ob umgekehrt beiHomer eine solche Gedichtform bereits vorausgesetzt wird. Imletzten Fall gingen die Inschriften aufeine gemeinsame, vorhomerische epische Tradition zurück, vgl. FRIEDLÄNDER / HOFFLEIT 1948, S. 7; ECKER 1990, S. 12ff.; SCODEL 1992, S. 60ff. 44 Vgl. z. B. ECKER 1990, S. 56 Anm. 93 zu CEG 1, 132. PEEK 1960, S. 12f. betont die funktionsbedingten Unterschiede zum Epos und zur Elegie. So werden homerische Formeln nicht einfach übernommen, auch ist die Sprechhaltung eine andere als die der Elegie; s. 90. auch B. GENTILI, Epigramma ed Elegia, in: L’Épigramme grecque 1968, S. 39– 45 Vgl. besonders B. GENTILI, Poesia e pubblico nella Grecia antica. Da Omero al V secolo. Roma / Bari 1984; HERINGTON 1985; RÖSLER 1980.

36

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

der Lektüre: Niemand wird von der Tafel des Alkinoos aufstehen, wenn Demodokos singt, doch nicht jeder Passant bleibt stehen, um sich mit der Botschaft eines beliebigen Grabsteines zubefassen.46 Dennoch kann derWunsch, Leser zukontrollieren,47 als ein Grund für die ausgeprägte Appellstruktur des griechischen Epigramms betrachtet werden. Der Autor imaginiert im Moment des Abfassens der

im Sinne einer face-to-face-Situation, d. h. einer Sprechhandlung, anderderpotentielle Leser derSchrift teilnimmt. Die Entwicklung des griechischen Epigramms zu einer literarischen Form, die wir ambesten imFall des Grabepigramms fassen können, verlief auf zwei parallelen Bahnen: Die eine Linie ist gekennzeichnet durch die Emanzipation des Epigramms aus seinem pragmatischen48 Kontext unddurch seine Aufnahme in Anthologien undEpigrammbücher.49 Auf der anderen Seite nimmt das Steinepigramm, das auch in einer Zeit der zunehmend gebräuchlicher werdenden Buchdichtung weiterhin seine Funktion als Grab- oder Weihinschrift erfüllt, Merkmale ‘höherer’ poetischer Gattungen an, so daß der Unterschied zwischen Steinepigramm und Buchgedicht im Laufe der Zeit mehr undmehr verwischt wird. Hier sollen vor allem die Folgen des Funktionswandels untersucht werden, der mit der Entstehung desBuchepigramms verbunden ist. Funktionale Veränderungen lassen sich in jeder der Hauptphasen der Epigrammgeschichte an demgewandelten Rezipientenkreis unddemdadurch bedingten unterschiedlichen Publikumsbezug ablesen. Der von den Schlüsselbegriffen Krieg und Ruhm geprägte Inhalt archaischer Grabinschriften verrät den Code der aristokratischen Gesellschaft.50 Eine entscheidende Rolle für die Verbreitung des individuellen Ruhms (κ λ έ ο ) kommt dabei dem Denkmal und dem Augenblick ς seiner ‘performance’, seiner angemessenen Aktualisierung durch die dazu befähigtenLeser zu.51 Ein starker Akzent liegt auf derkünstlerischen Gestaltung desmögVerse deren sprachliche Realisation

46 ZumAnbringungsort archaischer Inschriften, meist auf der Basis undselten in Augenhöhe, s. C. W. CLAIRMONT, Gravestone and Epigram. Greek Memorials from the Archaic and Classical Period, Mainz 1970, S. 7f. undjetzt P. BING, The un-read muse. Inscribed Epigramandits readers inantiquity, in: Harder / Regtuit / Wakker 2002, S. 39– 66. 73 undSCODEL 1992, S. 63 (zu den kurzen Reden über die Gefallenen 47 SVENBRO 1988, S. 53– in Aischyl. Ag. 444f.): „They combine the essential formal characteristics of epitaph, its brevity, with its central concern, what others will say and howtheir speech can be con48

49 50

51

trolled.“

1990, S. 1ff. bezeichnet mit ‘pragmatisch’ das Verhältnis der archaischen griechischen Dichtung zurzeitgenössischen Realität. Ihre Bilderwelt ist weder unabhängig vonder sichtbaren Welt, noch führt sie zurWahrnehmung einer fiktiven Welt. Zurjüngeren Kon11 troverse um Realität und Imagination in der frühgriechischen Dichtung vgl. ebd. S. 8– und KRUMMEN 1990, S. 28. Siehe jetzt auch G. ARRIGHETTI / F. MONTANARI (Hgg.), La componente autobiografica nella poesia greca e latina fra realtà e artificio letterario. Atti del 17 maggio 1991, Pisa 1993. convegno Pisa, 16– 53. Zur Collectio Simonidea s. CAMERON 1993, S. 1f.; GUTZWILLER 1998, S. 50– Vgl. hierzu bes. A. STECHER, Inschriftliche Grabgedichte auf Krieger und Athleten. Eine Studie zugriechischen Wertprädikationen, Innsbruck 1981 (Commentationes Aenipontanae GENTILI

27).

73 SVENBRO 1988, S. 64: „ ; vgl. DERS., S. 53– Le lecteur ... distribuera le kléos aux passants“ passim. GUTZWILLER 1998, S. 3 Anm. 6 wendet sich gegen die Ansicht SVENBROs, man habe sich dieLektüre vonarchaischen Epigrammen als die performance eines Vorlesers vor

Inschriftliche Dichtung in ‘mündlicher’Kultur

37

lichst aufwendigen undimposanten Monuments, dasLeser undBetrachter anzieht. Das Publikum der demokratischen Polis Athen dagegen wird oftmals als Gemeinschaft angesprochen. Der Bezug der Texte orientiert sich nunweniger an der synchronen Wirklichkeit des individuellen Lesers52, an dem Denkmal, das er bewundern könnte, als an denallgemeinen Wertbegriffen der Gemeinschaft, die das Verhältnis des Einzelnen zur Polis regeln.53 Prägend wirken hier nicht zuletzt die Epigramme der öffentlichen Staatsdenkmäler.54 Andie Stelle des individuellen Denkmals als demehemaligen Mittelpunkt der inschriftlichen Nachricht undder eigentlichen Leserattraktion tritt folglich der Diskurs der Polis: Bürgertugenden undpopulärphilosophische Reflexion sind beliebte Inhalte der Grabbilder und -texte. Die zunehmend diskursive Gestaltung der Epigramme, die sich am deutlichsten in der Dramatisierung der Formen zeigt, hat ihr poetisches Vorbild in der Tragödie,55 spiegelt aber natürlich auch die Allgegenwart der Rhetorik wider. Seit dem4. Jahrhundert ist es dann neben der Welt der bürgerlichen Werte vor allem das Thema der Familie, umdas die Kommunikation kreist.56 Ehegatten erscheinen auch als textinterne Sprecher- und Leserfiguren. In den privaten Denkmälern werden die Empfindungen der Betroffenen zum Ausdruck gebracht. Die Protagonisten der Grabepigramme setzen demunentrinnbaren Schicksal ihre innere Größe und ihre moralischen Qualitäten entgegen.57 Insgesamt tritt das Individuum als Subjekt des mitgeteilten Geschehens undals Subjekt der Kommunikation stärker hervor. In bezugaufdie Sprechhaltung derEpigramme läßt sich beobachten, wiesich diepersonale Perspektive in Form vonMonolog undDialog mehr undmehr durchsetzt.58

52

53

54 55

56 57

58

einer Zuhörergruppe vorzustellen; vgl. ferner SCODEL 1992, S. 65ff.; G. MARGINESU, in una iscrizione funeraria da Camiro (DGEEP 273), Annali di Archeologia e Η Χ Σ Λ Ε 138. Storia Antica, n. s. 8, 2001, S. 135– RÖSLER 1983, S. 8. Eine differenzierte Darstellung des Verhältnisses von Individuum und Polis bietet C. BREUER, Reliefs und Epigramme griechischer Privatgrabmäler. Zeugnisse bürgerlichen Selbstverständnisses vom4. bis 2. Jahrhundert v. Chr., Köln / Weimar / Wien 1995. Eine Abwertung desindividuellen Denkmals finden wirbereits im 5. Jh. etwa bei Thuk. 2, 43, 3: ρἐπ ὰ ιφ ν α ρ νπ νγ ῶ ῶ ὴτά ν δ ᾶ ἀ σ φ ο αγ . ZudenQuellen undDiskussionen umdie ‘Grabς luxusverbote’ vgl. jetzt J. ENGELS, Funerum sepulchrorumque magnificentia. BegräbnisundGrabluxusgesetze in der griechisch-römischen Welt mit einigen Ausblicken auf Einschränkungen desfuneralen undsepulkralen Luxus imMittelalter undin derNeuzeit, Stuttgart 1998 (Hermes Einzelschriften 78) sowie schon R. STUPPERICH, Staatsbegräbnis undPri263 unddie 86, 253– vatgrabmal im klassischen Athen, Phil. Diss. Münster 1977, S. 71– Literaturhinweise bei BREUER 1995, S. 32 Anm. 97. Vgl. PEEK 1960 (GG), S. 18– 35. ZIMMERMANN 1992, S. 128 zeigt am Beispiel des Dithyrambos die Popularität ‘mimetischer’ Formen seit derWende vom5. zum4. Jh., mitderen Einführung in die Gattung dieDichter hofften, konkurrenzfähig zubleiben. BREUER 1995, S. 81– 100 und 109. Zur Kategorie der Innerlichkeit in der Literatur s. GENTILI 1990, S. 1f. KAPELLER 1987, S. 200f. zeigt, daßPersonen in Sprecherrollen nicht vonBeginn anverwendetwerden. DerTote als Sprecher erscheint seit Mitte des6. Jh., ebenso die Anrede an den Wanderer. Hinterbliebene Angehörige als Sprecher unddamit eine neue Lokalisierung der origo“ „ des Sprechakts treten zuerst im5. Jh auf.

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Dasgriechische Epigramm undseine Leser

DerAutor eines Epigramms, dersein Werk mit seinem Namen signiert, wird in Einzelfällen seit derausgehenden Archaik zueiner Größe, diefür die Qualität und Hochschätzung eines Epigrammes vonBedeutung ist. Im hellenistischen Buchepigramm eignet sich derprofessionelle Dichter dieüberlieferte FormdesKurzgedichtes zumZwecke der persönlichen Aussage an.59 Der individuelle Stil erlaubt es ihm zugleich, demLeser ein eigenes Profil als Epigrammatiker zu präsentieren. Es ist der Dichter selbst, der nun das Interesse des ‘Kunden’ undLesers auf sich und seine intellektuelle Kompetenz zieht. Wie schon zur Zeit des Simonides ahmen anonyme Verfasser vonEpigrammen die professionelle Dichtung nach. DemPrivileg, daß sich jemand ein ‘gelehrtes’ Epigramm auf einem Grabstein leisten kann, kommt damit ein ähnlicher symbolischer Status zu wie dem vorzeigbaren Besitz einer prächtigen Stele inarchaischer Zeit. 1.4. DasLesen vonInschriften undEpigrammen in der Sicht dergriechischen Literatur

Die vorangegangene Skizze einer Literaturgeschichte des griechischen Grabepigramms hat gezeigt, daß wir es mit verschiedenen Formen des Lesens undmit ganz unterschiedlichen Lesererwartungen zu tun haben. Anhand der überlieferten Steinepigramme schließt man aus den in ihnen behandelten Themen wie dem ο ς-Motiv, aus denAnredeformen an den ‘Wanderer’undgegebenenfalls auch έ λ κ ausderbildlichen Darstellung desGrabreliefs, welche Vorstellungen Auftraggeber undVerfasser sich über die Wirkweise eines Epigramms machen. Schilderungen einer Rezeptionssituation mit ihren verschiedenen Aspekten bieten dagegen die in eine längere Erzählung integrierten literarischen Darstellungen von Lesesituationen. Indem die Verfasser solcher Texte die Absicht des Epigrammautors undden Effekt der Inschrift auf ihre Leser thematisieren, geben sie ein detaillierteres Bild dessonst nurangedeuteten imaginierten Kontexts. Autoren unterschiedlicher literarischer Gattungen haben inschriftlich fixierte Sprechakte und von Inschriften provozierte Handlungen der Figuren im Rahmen größerer narrativer Komplexe dargestellt. Die homerische Bellerophontes-Erzäh211) bietet nicht nur den ersten Beleg für die ‘zusammenklapplung (Ilias 6, 152– bare Schreibtafel’ im griechischen Kulturraum,60 sondern auch die früheste 180). Das gelesene Stück ist motivisch geseAndeutung einer Lesesituation (169– hen ein ‘Urias-Brief’, der, nach demWillen der Verfasserin, seinem Überbringer 59 Vgl. WILAMOWITZ 1924, Bd. 1, S. 132ff. und S. 150f. Diese Darstellung des Epigramms ist allerdings vondervöllig anderen, neuzeitlichen Konzeption des ‘Sinngedichts’ beeinflußt.

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G. PADUANO, Chi dice „io“nell’epigramma ellenistico?, in: ARRIGHETTI / MONTANARI 1993, 140, hier S. 130f. gibt mit Recht zu bedenken, daß das ‘Persönliche’ in den ÄußeS. 129– rungen eines hellenistischen Epigrammdichters in der Regel auf der Ebene der Poetiken, Programme undApologien zusuchen sei. W.BURKERT, Die orientalisierende Epoche in dergriechischen Religion undLiteratur, Heidelberg 1984 (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philos.Hist. Kl., 1984, 1), S. 32f.; E. WIRBELAUER, Eine Frage von Telekommunikation? Die Grie7. Jahrhundert v. Chr., in: R. ROLLINGER / Chr. ULF(Hgg.), chen und ihre Schrift im 9.– Griechische Archaik. Interne Entwicklungen –Externe Impulse, Berlin 2004, S. 187– 206.

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denTod bringen soll, undzwar durch die Hand des Adressaten. Der Brief, Stellvertreter eines persönlichen Boten, ist hier notwendig, umdie entscheidende Intrige ins Werk zu setzen, denn der Überbringer der Botschaft darf naturgemäß den Inhalt nicht kennen. Dennoch sind Bote und Text der Botschaft eng miteinander μ ρ ο ά(168), ϑ μ α verbunden. Die Charakterisierung des Inhalts als σ γ υ τ αλυ ή φ ά(169) zeigt an, wie die verschiedenen Teilaspekte der gesamten ϑ λ λ ο απ ρ ό Sprechhandlung aufdie Zeichen selbst projiziert werden: Die Schriftzeichen an sich sindja ‘neutral’, schmerzlich undtodbringend nurin der Intention der Verfasserin. Die geistige Aufnahme der Inschrift auf der Tafel, die durch den Sehsinn vermittelt wird,61 ruft unmittelbares Handeln beim Leser hervor, auch wenn die Intrige gegen denBoten amEnde mißlingt. Die Zeichen übernehmen die Intention des Senders, wie es auch ein mündlicher Bote täte. Dieser fungiert gewissermaßen als beschriftetes Objekt (mit der Aufschrift ‘töte mich’), eine Vorstellung, die Herodot umsetzt, wenn er einen mit Schriftzeichen tätowierten Sklaven Botendienste verrichten In denSieben gegen Theben desAischylos (467 v. Chr.) sind die gegnerischen Anführer gegen die sieben Tore der Stadt vorgerückt, umsich den Belagerten in ihrer Zurüstung für die entscheidende Schlacht zu präsentieren. Ein Bote beschreibt demEteokles die Schilde derFeinde, in deren mitBeischriften versehenen 652).63 Schildzeichen der Kampfesmut der Angreifer versinnbildlicht wird (375– Nach diesem Botenbericht trägt der Schild des Kapaneus neben demBild (σ μ ) α ῆ ή σ ω ρ π ό eines Fackelschwingers die Aufschrift: ‘Π λ ιν’.64Ein eitler Prahler sei er, lautet der Kommentar des Eteokles dazu. Der nächste Kämpfer droht mit Schrift undBild in derselben Weise. Sein Schild zeigt einen Krieger, der die Befestigungsanlagen erklimmt. Die diesmal in indirekter Rede wiedergegebene Beischrift fixiert sein Versprechen, nicht einmal der Kriegsgott könne ihn hier herunterwerfen

läßt.62

(468f.):

ᾷ μ δ ὲχοὐ μ ά ρ α τ τ ω ο νἐ νξυλ ςγ β α ῖς λ Β ο α , μ ὡ η γ ά δ τ ὐ ω ςο ά ω λ ρ ςσ ν ο ιπ φ . νἌ υρ ᾽ἂ ᾽ἐκβ Auch dieser ruft mit Buchstabensilben,65 daß nicht einmal Ares ihn von der Befestigung herunterwerfen könnte.

61 δεῖξ α ι(170), ἰδέσ ϑ α ι(176). Die homerischen

Ausdrücke für den Vorgang des Erkennens hat H. J. LESHER, Perceiving and Knowing in the Iliad and Odyssey, Phronesis 26, 1981, S. 24, bes. S. 8ff. untersucht. 2– 62 Hdt. 5, 35. 63 Die Bilder undInschriften sind für die entsprechende Stelle in derTragödie erfunden. Als

Vorbild könnten

demDichter Schilde

gedient haben,

diein Heiligtümern

ausgestellt waren,

vgl. H.PHILIPP, Tektonon Daidala. Derbildende Künstler undsein Werk imvorplatonischen Schrifttum, Berlin 1968, S. 26f.; SVENBRO 1988, S. 195f. 64 Sept. 432– 434, vgl. bes. 434: χ Durch golή σ ρ ω π ό .’(„ λ ιν ρ υ σ ο μ α ιν‘Π ῖςδ σ μ ρ ά ὲφ ν ε ῖγ ω dene Buchstaben tönt er: Ich werde die Stadt anzünden.’ ). 65 ξυλ ήbezeichnet hier‘wie in Suppl. 457 (σ β λ α υ β λ ὰ λ α ) eine zusammenfassende ς έπ λ ω ν “π Einheit einzelner Elemente. Hier sind es Buchstaben, die zusammengefaßt’ einen Klang ‘ in dem der Kulturheros und 3 NAUCK (= Stob. 2, 4, 8), wiedergeben; vgl. Eur. Fr. 578, 1–

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Die größte Provokation der sieben Belagerer jedoch enthält der zweifigurige Schild desPolyneikes, derneben einem Krieger die durch die Inschrift so bezeich) zeigt. Die ihr in denMund gelegte η ίκ nete Personifikation der Gerechtigkeit (Δ Beischrift behauptet, daß sie ihren Schützling in seine Vaterstadt heimführen werde

648): (642–

γ ὲ η ςεὔκ υ νσ κ λ ά ο κ ο ἔ ιδ ὲκαινοπ ς χ ε μ η η έν χ α ν ο μ ν μ ρ ο εμ α π σ ῆ εσ ντ διπ λ ῦ ο ὴ νἰδ ῖ·ν ε ρ α τ ρἄ η σ γ ν δ ε τ ὰ υ ή λ χ α τ ν ο ρ υ σ χ · ή τ ιςσω η ρ ό ν ν ω έ φ ν γ υ ο υμ ςἡ γ ε ιγ ἄ μ α τ α μ ρ ά γ η σ ιν ,ὡ ὰ ηδ ςτ ρ α ίφ ίκ Δ ᾽ἄ ᾽εἶν α τ ά ιν γ ε ι· ‘Κ λ λ έ ξ ω δ ό ,κ ε ν δ α ὶπ ό τ ρ α δ ν ᾽ἄ ’. μ ά τ ν ω ῴ νδω τ α ρ ο φ ά ς τ ισ ᾽ἐπ τρ α ἕ ιπ ε ξ

Er hält einen neugefertigten, gutgerundeten Schild, auf denein doppeltes Zeichen aufgearbeitet ist. In Gold getrieben ist nämlich ein schwerbewaffneter Mann zusehen; ihnfuhrt eine Frau, ihnklug geleitend. Dike behauptet sie zu sein, wie auch die Buchstaben sagen: ‘Ich werde diesen Mann hier heimführen, under wird die väterliche Stadt erhalten unddieRückkehr in das Haus.’ ή λ ρ υ ) α σ τ ο Auch in künstlerischer Hinsicht ist der kostbare goldgetriebene (χ ς Schild ein Höhepunkt in der Reihe. Die anderen Vier der Sieben gegen Theben tragen keine Inschriften auf demSchild, der Seher Amphiaraos, als derbesonnenste undstärkste der Gegner (568f.), verzichtet sogar auf das Schildzeichen, denn er wolle, so der Kommentar des Boten, der Eteokles von der Erscheinung der Angreifer berichtet, „ .66 Dieselbe nicht als der beste erscheinen, sondern bester sein“ Bewertung desBild- undWortschmucks der Schilde kehrt in denironischen Worten wieder, mit denen Eteokles auf das großspurige Auftreten seines Bruders rea661): giert (659–

τ ά χ μ ϑ μ α σ ε τ η ο ό ὐ π ᾽ὅ ίσ ᾽εἰσ π ο ιτελ ε ῖ, ε ἴν ινκα μ τ α τ ά μ α ρ ά ιχρυσότευ ξ ε γ κ τ α ἐ π ᾽ἀ σ ίδ π ο ςφ λ ύ ο ν τ ρ ν . α εν ῶ σ ὺ ν φ ῳ ο φ ίτ Bald werden wir wissen, wohin sein Schildzeichen ihn bringt, ob ihn die goldgetriebenen Buchstaben heimbringen, die auf dem Schild tönen mit dem Wahnsinn der Sinne.

Eteokles durchschaut die Schrift auf dem Schild seines Bruders selbst als ρ γ μ μ ά α τ α φ λ ύ ο ν τ α (660f.). Er lehnt damit nicht nureine bestimmte Artkriegerischer Selbstdarstellung ab, sondern konfrontiert denerhobenen Anspruch auf einen

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ς α σ ώ μ α κ ᾽ὀρϑ ελ ή ῆ ρ τ ὰ ςγ ά ή η ςφ ςderSchrift Palamedes vonsich sagt: τ ρ ῶ τ ο π ϑ ςεὑρετ μ ό ν μ α ο τ μ ι ᾽εἰδέν α ρ ά ς , / ἄφ ιγ ω ν ώ π ο ισ αφ ρ ή ϑ ε ω ν ν ν νἀ τ ρ ασ ο β υ ῦ ὰ λ λ ςτιϑ α ε ῖς/ ἐξη Das Heilmittel gegen das Vergessen erfand ich allein, indem ich die Menschen die ... („ ). Buchstaben lehrte, ohne Stimme tönende Silben setzend ...“ ρδοκ γ ὰ Sept. 592: ο ὐ ι. ε ε ῖνἄρισ έλ τ ο ιϑ α ςἀ λ λ ᾽εἷν

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Sieg nüchtern mit der Realität derUngewißheit des Ausgangs. Mankann dies auch alsKritik ander ‘rhetorischen’Kriegsführung desPolyneikes verstehen.67 Schrift undBild werden im Fall der ‘Schildrhetorik’ in ihrer Funktion als Träger einer Botschaft parallelisiert –der Charakter des Schildträgers soll in beidem offenbar werden –undzugleich als zwei getrennte Darstellungsformen unterschie520: den. Das Bild allein als Träger einer gleichartigen Botschaft erscheint in 511– DemAngreifer Hippomedon (487), dessen Schild denTyphon zeigt, wird vonseiten der Stadt Hyperbios entgegengestellt, der das Bild des gerechten Zeus im Wappen führt. Schrift alleine erscheint jedoch nicht, sie gibt in allen drei Fällen Worte der daneben dargestellten Personen wieder. Das Zeigfeld der sprachlichen Äußerung liegt also aufderEbene derbildlichen Darstellung, so bezieht sich τ ε ν δ ό in647 zuerst auf dasBild desKriegers, dendieFigur derDike führt. Eine Doppeldeutigkeit ist aber natürlich beabsichtigt: Dieindemselben Vers genannte π ό λ ιςist nicht imBild, sondern gehört zur Wirklichkeit der Rahmengeschichte vonder Belagerung Thebens.

In demBericht des Boten erscheinen Bilder undInschriften wie lebendig. Es wird deutlich, daß beide sowohl mit der Person, die sich ihrer als kommunikative Zeichen bedient, als auch mit der aktuellen Situation, in der sich die Person befindet, untrennbar verbunden sind: Bild undWort beziehen sich, wie die Verwendung

desFutur zeigt, aufdieunmittelbar bevorstehenden Handlungen wie dasErstürmen eines Bollwerkes oder das Anzünden der Stadt. Der dichterischen Fiktion nach sind die Inschriften auf den Schilden der Sieben gegen Theben Beischriften zu den Schildzeichen.68Sie tragen aber keine zeitlose allgemeine Botschaft oder Interpretation des Bildes, sondern beziehen sich auf die vonAischylos dargestellte historische Situation, also auf die Gegenwart dertextinternen Leser. Die Epigramme auf denSchilden dienen hier weder der Verdauerung eines Sprechakts noch der Überbrückung zeit-räumlicher Distanzen zwischen Sender und Empfänger oder doch nurin demSinne, daßder Bote Eteokles vonder Erscheinung der Angreifer präziser berichten kann. Die Funktion der bildlichen und textlichen Schildzeichen liegt eher in der Verstärkung der Aussage undHandlungsweise der Angreifer –charakteristischerweise aber ohne Erfolg, wie die Reaktion des Eteokles beweist. Die schriftliche Kommunikation ist nur eine verstärkte mündliche Sprechhandlung. Dazu paßt die Darstellung des Leseakts: Die Rezipienten sehen das Bild undhören die Inschrift, sie hören sie sogar laut und störend (β ).69 Daß die – τα ν ο ο ύ λ ᾷ ,φ variierend mit verschiedenen Bezeichnungen belegte –Schrift gehört wird, heißt für die Wahrnehmung der Leser, daß sie gewissermaßen aneinem mündlichen Äu-

67 In den Versen Sept. 592 und 659– 661 wird deutlich, daß ein solcher Gebrauch der Schrift als prahlerisch undanmaßend empfunden wird. VondenInschriften gilt, wasEteokles geradezu „aufgeklärt“(PHILIPP 1968, S. 27) in Sept. 397f. über die Wirkung der Bilder sagt: ρ ᾽ἐγ ὐ ὸ νἀ έ ν σ ὲ δ α ώ νμ ιμ δ ο ᾽ἑλ μ ςοὔ ντρ ,/ο ᾽ἂ Den τ κ ό σ ιν μ κ α τ α(„ ο π ο ν ή γ ε ιὰ ίγ ιτ τ α ὰ σ Schmuck eines Mannes könnte ich nicht fürchten, / und Schildzeichen verursachen keine ). Wunden“

68 Δ ίκ η δ ᾽ἄ ρ ᾽εἶν α ίφ η σ ιν inSept. 646 könnte aufeine Namensbeischrift 69 Vgl. Eur. Hipp. 877: β ο ᾶ ο ᾶ ιδέλ ιβ τ ο ςἄ λ α σ τ α .

verweisen.

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ßerungsakt (phonetischer Akt nach AUSTIN)70 teilnehmen. Folgerichtig versteht Eteokles auchPolyneikes alsdeneigentlichen Sender desfiktiven Dike-Sprechakts, er hört ihn, under ‘hört’die Intention in der L autstärke’des Texts. Die Betonung ρ υ σ ό τ ε υ κ ) der‘ Schrift dagegen dient der Verringeτ α des materiellen Aspekts (χ rung der scheinbaren Unmittelbarkeit: Irrwitzig schwätzende Goldbuchstaben habenetwas Lächerliches. So können wir sagen, daßderGebrauch vonBildern undTexten die Intention desjeweiligen Senders verstärkt, indem die Schildzeichen räumlich undzeitlich auf eine bestimmte Situation, dieBedrohung der Stadt unddamit die Ängste der Rezipienten, Bezug nehmen. Dies ist ihr stärkster Appell. Die fiktiven Stimmen der Figuren wirken imersten Moment, werden aber vonAmphiaraos undEteokles als nichtwirklich durchschaut. Die Verfasser allerdings rechnen mit einer unmittelbaren Schreckwirkung. Daß diese nicht eintritt, lenkt die Zuschauer des Aischylos auf denbekannten Ausgang desKampfes undauf die moralische Bewertung durch den Autor derSieben gegen Theben. Die zentrale Rolle des Boten als eines Übermittlers von Geschriebenem bei

Aischylos erinnert

an eine Gruppe von literarisch

Briefe die Funktion eines Boten übernehmen,

eingeführten Inschriften,

die als

ja häufig auch in Konkurrenz zum

personalen Boten stehen. Seit der metaphorischen Verknüpfung von Botenrolle, Brief und Liedern in Pindars Ol. 6, 90f. SNELL / MAEHLER (ἐ γ ε λ σ ο ρἄγ σ ς ὶγ ὰ ρ α φ ὀ ρἀγ ὴ τ ω νσ κ υ ϑ υ λ τ ὺ ά κ λ ςκρα αΜ ϑ ) ο ισ ν ,γ ᾶ ν ᾶ ιδ ο νἀ ω τ κ ς , ἠϋκόμ ό έγ wird diese Bildlichkeit insbesondere vondenathenischen Tragikern undKomikern wiederholt.71 Bei Euripides spricht der Brief (δ έ λ τ ο ) in einer alltagsnahen Szene ς wieeinBote oder ‘singt’–ineiner eher lyrischen Partie –einKlagelied.72 Abgesehenvonder intriganten Verwendung eines Briefes imHippolytos werden Briefe73 indenbeiden euripideischen Iphigenien relevant fürdenVerlauf derHandlung. Die Inszenierung des Briefes als eines mündlichen Sprechakts in der taurischen Iphigenie erzielt eine einzigartige Wirkung, da der vermeintlich abwesende Adressat

70

1990, S. 727. Man könnte ferner an die antike Gebräuchlichkeit des lauten Lesens undan dieBedeutung desSprechakts fürdieakustischen Wahrnehmungstheorien denken, s. oben S. 6f. undAnm. 18.Damit in Einklang stehen Beobachtungen moderner Linguisten, daß„ die Schriftzeichen stärker mitauditiven Signalen assoziiert [werden] als mitden , vgl. LEWANDOWSKI 1990, Bd. 2, S. 655 (‘Lesen’). bezeichneten Objekten“ 71 Vgl. Aristoph. Thesm. 765ff., wo es von einem Brief heißt: φ ν γ λ ο ε ε ίν ,τ ν(ἂ έρ ᾽ο ὐ ) ἄγ ν μ π έ α ιμ ᾽ἐ ψ π ᾽α ὐ τ ό ν ; (768f.). Der gefangene Mnesilochos beschriftet unter Schwierigkeiten (dafür nicht vorgesehene) ἀ γ μ α ά λ τ α ε ε τ , dieer dann wieBoten ausschickt: βάσκετ᾽ , ἐπ είγ δ ο ύ ς(783f.). Die Stelle persifliert ausdrücklich den euripideischen Palameϑὁ σ α α π ά ςκ des, in demdie Funktion derSchrift unter anderem als die eines Boten bestimmt wird (Fr. ᾽ 590 NAUCK). 578– Dieses Fragment, in demPalamedes spricht, ist im übrigen von einer außerordentlichen Schriftbegeisterung getragen, vgl. oben Anm.65. 72 Vgl. besonders die Briefe im Hippolytos und in der Iphigenie bei den Taurern, hier etwa ἷο ] Hipp. 865: ἴδ νο ν ἷο ω ν[ἐ τ νεἶδ ίλ ο έ ο ιϑ ξ α ιδέλ έλ τ εμ ι, oder Hipp. 879f.: ο ε δ ο ςἥ γ ρ α 800: ε φ ἰδ α ῖςμ ὴφ μ ο ς ά τ έ ιςἔτυ λ μ ο γ ε ό ν ςφ γ ο ντλάμ ϑ ε ω ν , s. ferner auchIph. A. 794– ὰ ρ α νπ κ α ο υ π ςἤνεγ ᾽ἐ ῦ ϑ ο ιτ ςἀνϑρώ ά δ ὡ ε ν ςἔτυχ , ... ε ρ ινμ ίσ ἴτ νδέλτ ᾽ἐ ο ιςΠ ιε νἄλλ ω ὸ ς . ZuIph. T.vgl. unten Anm.74ff. ιρ α κ 73 Vgl. auch denBrief desHerakles an Deianeira in Soph. Trach. 154ff. BUSSMANN

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Orestes an der Besprechung mit dem Boten teilnimmt, was schließlich die Anagnorisis einleitet. Die Rolle der Schrift und die Rolle ihres Überbringers werden dabei ausführlich diskutiert.74 Die Überlegungen des späten 5. Jahrhunderts sollen hierjedoch nicht näher erörtert werden, daunsdiedifferenzierte Schriftmetaphorik derTragiker imhellenistischen Epigramm wiederbegegnen wird.75 Festzuhalten ist an dieser Stelle die Verbindung von Inschrift und Botenrolle und die auch bei Euripides nachweisbare rhetorikkritische Tendenz, die den Aspekt des Handelns gegenüber demdes Lesens undSchreibens im Sprechakt höher bewertet.76 DasLesen nicht nurvonInschriften, sondern auch vonBriefen undOrakeln ist in derἱσ ρ τ ςἀ ίη ο π ό δ ε ιξ ιςHerodots fast immer in einen funktionalen Zusammenhang eingeordnet, in dem das Schriftstück lediglich die direkte oder mündlich durch einen Boten vermittelte Nachricht ersetzt, deren Inhalt eine für das weitere Handeln derbeteiligten Personen relevante Anweisung ist. Verfasser undRezipient rücken auch dadurch wiein einem mündlichen Gespräch nahe aneinander, daßauf der einen Seite Schrift undgesprochene Sprache, auf der anderen Seite Rezeption undHören gleichgesetzt werden, schriftliche Kommunikation auf der deskriptiven Ebene nicht von mündlicher getrennt wird.77 Die erwähnten Schriftstücke überbrücken häufig nur eine räumliche, nicht aber eine zeitliche Distanz in dem Sinne, daßsie mit Veränderungen gegenüber derZeit ihrer Abfassung rechnen. Die Verbindung von Schrift undIntrige an mehreren Stellen78 erinnert an die homerische Bellerophontes-Geschichte, aber auch andiemißlungene Kriegslist desPolyneikes. Hier soll es besonders umeinige der vonHerodot erwähnten Inschriften gehen, die nicht nur zitiert werden, sondern die uns über das Verhältnis ihrer Textstruktur zum erzählten Rezeptionskontext Auskunft geben können, anders: deren intendierte oder tatsächlich stattfindende Rezeption im Herodottext besonders ausführlich geschildert wird. 5) berichtet von der babylonischen Königin Nitokris, die Herodot (1, 187, 1– Inschriften aufihrem Grab anbringen läßt, mitdenen sie später Dareios täuscht. An derAußenseite desGrabes steht die listige Aufforderung, ein ärmerer König als sie 74 Iph. T. 639ff., 755ff.; Iph. A. 115ff., 322ff. 75 S. unten S. 105f. 76 Vgl. Iph. T. 793f.: δέχ ᾽ο ὐ ρ μ μ ρ τ ῶ ά ο α ε νπ α τ μ ι· π ὴ ὶςδ ω ρ νδιαπ δ α ο ν ὴ νἡ ὲγ τ υ χ ὰ ς/ τ ςδέλτο ᾷ ρ ν , κα λ γ ό ο μ ιςα ά ρ μ τ κ έ ; ν η ρ ω νὑπ τ ιν δ ή μ α ίσ γ σ α ο ι, Iph. A. 322: τή τ ᾽ὁ ν ἱρ ω 77 Bei Hdt. 1, 124 und 125, 1f. wird berichtet, wie Kyros einen Brief erhält. Der Vorgang des Lesens wird wiedas Anhören einer Rede geschildert: ε β ν ὼ β λ ίο ν... λ υ α ρ νδ ὼ ὸβ ὲ... τ ὑ · ... Ἀ μ α τ μ αἔλ γ ετά ρ ά ε δ ε κ ο ρ ο ύ σ γ α ε τ ς... Dieselbe Darο .τ ὰδ ςτα τ αὁΚ ὲγ ῦ ἐπ ελ έ ῦ 3. ZudenInschriften bei Herodot vgl. S. stellungsart verwendet Herodot nochmals: 8, 22, 1– 305 (= WEST 1985b), zu WEST, Herodotus’epigraphical interests, CQ N.S. 35, 1985, S. 278– den orientalischen Inspirationen L. PORCIANI, La forma proemiale. Storiografia e pubblico nel mondo antico, Pisa 1997. 78 Bei Hdt. 1, 123, 4–125, 1 wirdein Brief in einem Hasen versteckt; 1, 125, 2 wird ein Brief gefälscht; 3, 128, 2– 4 wird mit Briefen manipuliert; 6, 4, 1 werden Briefe veruntreut; 7, 6, 3f. wird ein falsches Orakel untergeschoben; 7, 239, 3f. wird eine Geheimschrift erfunden (ebenso 5, 35, 3f.: τ ὰ δ μ α μ ὲστίγ ιν α ή τ ε... ἀ αἐσ ); 8, 128, 1f. wird ein Brief mit π ό σ ιν τ α σ einem Pfeil verschossen. Weitere erstaunliche Anwendungen der Schrift

sich anführen.

bei Herodot ließen

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Dasgriechische Epigramm undseine Leser

selbst möge sich Geld aus ihrem Grab nehmen. Als Dareios der Verlockung nachgibt, erlebt ereine Überraschung (1, 187, 5):

μ ρ ά α τ ὲ νο αμ ὔ ,τ α ὶγ νκ ὸ ὸ νδ ρ ὲν ε κ ρ εχρήμ νεὗ ἀ ν ο ίξ ο φ ντά α ὸ ςδ ὲτ μ α τ α λ γ έ ο ν μ η ρ τ ‘ σ ε ὴ τ ο μ ρ α ἰ ἄ κ π ε ό λ ά ν τ τ ω χ η κ · ςτ ἰσ ά εἔ α ὶα α δ ε ςχρ ’. ῆ ή κ α δ ςἀνέῳ ς ,ο ὐ ρ νϑ κἂ νν ε ε ῶ γ κ ς Alser aber das Grab öffnete, fander zwar kein Geld, aber denLeichnam und Buchstaben, diefolgendes sagten: ‘Wenndunicht unersättlich anGeldwärest undschändlich gewinnsüchtig, dann hättest dunicht die Ruhestätte vonToten geöffnet.’

Die Pointe dieser inschriftlichen Mitteilung entsteht durch eine beinahe schon unfaire Manipulation desLesers: DieVerfasserin steuert mitderersten Inschrift die Befindlichkeit des Lesers undschafft so selbst einen Rahmen, in demder zweite Text seine höchste Wirksamkeit erzielt. Diese Inschrift ersetzt perfekt die Gegenwart der Sprecherin, denn sie versetzt sich wie eine innere Stimme in denLeser, derinderFolge gar nicht anders kann, als sein unmittelbar voraufgegangenes Handeln zu überdenken. Ein besonderer Triumph mußfür die Autorin darin bestanden haben, daß ihr diese rhetorische Manipulation des Lesers noch post mortem gelingt. Auch hier ist im übrigen die beabsichtigte Wirkung –darin liegt eine Ähnlichkeit zu der besprochenen aischyleischen Passage –die Demoralisierung des Gegners, der sich überführt sieht. Vergleichbar ist darüber hinaus die zumindest ambivalente Bewertung dieser epigrammatischen Manipulation eines Lesers durch Herodot als einer ἀ π .79 ά τη Diefolgenden literarischen Erwähnungen vonInschriften verdeutlichen, daß es auch in anderen Fällen ein moralischer Impetus des Autors ist, der ihn veranlaßt, sich in die Situation der potentiellen Leser zuversetzen. Dasgilt etwa auch für die Statueninschrift auf demsteinernen Bild eines ägyptischen Königs, die Herodot im Rahmen des ägyptischen λ γ ο ό ς , dener vondendortigen Priestern erfahren haben will, wiedergibt. Diesem König hatte Hephaistos Feldmäuse als Helfer im Krieg geschickt, die die Köcher der Feinde zernagt hatten; folglich hielt sein mit einer Inschrift versehenes Bildnis imTempel eine Maus in derHand (Hdt. 2, 141, 6): κ α ὶν ῦ νοὗ τ ο ὺ η α ιλ ε σ κ εἐ ςὁβ ςἕστ ντ ῷ ἱρ ῷ τ ο ῦἩ ο ιν φ α υλ ίϑ τ ο ίσ , ς μ μ ά ρ γ τ ῆ α νδ ω ω ὶτ ιὰ ν π ντά ῦ νἐ ςχ , λέγ ὸ ω ειρ χ ςμ δ ἔ · ἐ ε ν ω έ ιςὁρ έτ μ ςἐ ὴ ςἔσ β ’. τ ω ὐ σ ε ε ‘ Undauch jetzt noch steht dieser König im Heiligtum des Hephaistos, aus Stein, under hat auf derHandeine Maus undsagt durch Buchstaben folgendes: ‘Schaue auf mich undsei gottesfürchtig.’ 79 Hdt. 1, 187, 1: ἡδ ὲα α ὐ σ ή τ ίλ σ α η ε ηβ τ ιακ ο ὴα χ ν . Wie α ὕ α τ ὶἀπ ν η ντοιή ά δ ετιν ὰἐμ τ bei Aischylos sollen die Buchstaben denLeser dadurch erschrecken, daß sie in einem bestimmten Augenblick zu ihm sprechen. Bei Herodot allerdings sollen sie ihn –nach dem Willen derfiktiven Verfasserin –über ihre emotionale Wirkung hinaus zueiner rationalen, moralischen Einsicht führen.

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Es handelt sich um ein Denkmal, das seinem Leser ethische Unterweisung erteilt, indem es die Lehren aus einem vorangegangenen Ereignis zieht, das als bekannt vorausgesetzt wird. Es scheint jedenfalls, als müsse der Betrachter selbst die Leerstelle ausfüllen unddie logischen Verbindungen herstellen. Dies ist, anders als imFall der Schilde des Aischylos, ein Zusammenspiel vonBild, mündlicher Überlieferung und Schrift, das den aktiven undden wissenden Leser fordert, und das denintellektuellen Erfahrungen des Herodot entsprochen haben mag. In demAusdruck β α σ ιλ ὺ ε ςλ ίϑ ιν ο ςscheinen Bildnis desKönigs undhistorische Person, also der eigentliche Auftraggeber der Inschrift, zusammenzufließen.80 Es handelt sich hierjedoch weniger umdie Reste eines mythischen, personifizierenden Denkens als um ein rhetorisches Mittel, das die Perspektive des Lesers und Betrachters mit einbezieht. Dieser soll vor allem durch die Präsenz der Statue unddurch die bewegende Moral ‘großer König wird vonkleiner Maus gerettet’beeindruckt werden. 3 –eine propagandistische Inschrift Themistokles läßt –nach Herodot 8, 22, 1– an denFelsen bei denTrinkwasserstellen der Ionier anbringen, umnach Meinung desHerodot einen Keil zwischen diese undXerxes zutreiben (Hdt. 8, 22, 1): η ρ ςἐπ ε ύ ρ ο ὶτ έ ε ισ τ οπ ντο λ νἐ το ε κ ὰπ ν ω ῖσ Θ ι ό αὕδα εμ τ τ α ιμ , ἐντάμ μ α τ α μ ,τ ῃἐ ρ ά ὰἼω π ὸ ρ ὶτ ν ε έ ςἐπ ρ α ιγ λ ελ ίϑ ο ισ ϑ ε ό τ ν τ ε ῇὑσ ςτ ίῃἡμ · μ έξ α νἐπ ελ μ τ ιο ρ ε α ίσ ά μ τ α τ ν ο .τ ὰ δ ά δ εἔλεγ ὲγ ρ τ ε Ἀ

[...]

Themistokles reiste zu denTrinkwasserstellen undschnitt in die Steine Buchstaben, welche die Ionier lasen, als sie am nächsten Tag zum Artemision kamen. Die Buchstaben aber sagten folgendes:

[...]

Der Inhalt der Inschrift ist eine kurze Mahnrede, die die Ionier daran erinnert, daß sie als Griechen eigentlich auf der anderen Seite zu kämpfen hätten. Ihre Schriftlichkeit ermöglicht Themistokles eine heimliche Verbreitung seiner Botμ schaft (λ μ ρ α ά ϑ τ α ν τ ό ατ α ὰγ , 22, 3). Der Text ‘spricht’ in dem Moment, in demer sein Publikum erreicht. Wieeine Rede entfaltet er seinen Sinn nurinnerhalb eines bestimmten historischen Kontextes. Das für Herodot charakteristische intrigante Moment bei der Verwendung von schriftlichen Botschaften besteht hier in dembesonderen Ort undZeitpunkt der Anbringung und, wie bei Nitokris, in der Vorwegnahme derBefindlichkeit ihrer Leser. DieFormen derÜbermittlung inschriftlich fixierter Nachrichten orientieren sich auch bei Herodot an der Vorstellung einer mündlichen Kommunikationssituation, undstets ist die Inschrift Teil einer Handlung. Die Tendenz dieser Inschriften erinnert an die Aufstellung der Hermen durch den Tyrannen Hipparchos, deren erzieherische Absicht Sokrates in demgleichna80 Indenzeitgenössischen

Steinepigrammen unterscheiden

die sprechenden

Gegenstände sehr

1208 (Gruppe B III: „ Bewohl zwischen Statue unddargestellter Person, vgl. etwa GV 1171– sondere Formen der Ich-Rede“ ). Herodot dagegen erzählt aus dem Blickwinkel des Betrachters, dessen erste Leistung in der Identifizierung der Statue besteht. Als ein bewußtes Stilmittel begegnet dieses Verschmelzen von Person undGegenstand wieder in den hellenistischen Epigrammen und insbesondere bei Kallimachos, s. unten S. 117f., 230ff., 257 mit Anm. 118.

46

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

e).81 Hipparchos, der sogar die bemigen platonischen Dialog erläutert (228 d– rühmten delphischen Inschriften zu übertrumpfen versucht habe, soll seine Epigramme selbst verfaßt haben (228 d 5– 7):

μ τ α ατ μ α τ ακ ῆ α ς ὶἐπ είγ ιδ τ ῦπ ο να ὑ ο ιή ε ῖο ς 82 ε τ ὸ α ὐ ἰςἐλεγ ςἐντείνα ρ α ψ ν . ε γ ία έ φ ςἐπ ο σ

Er selbst brachte seine Gedichte in das elegische Versmaß undließ sie als einenBeweis seiner Weisheit aufschreiben.

Die überall an den Straßen nach Athen aufgestellten Hermen dienten ihm zur Unterweisung derLandbevölkerung; in erster Linie ging esjedoch, wennmanPlaton glauben will, umdie monumentale Selbstdarstellung desHerrschers (228 e):83 μ α ν ώ ε ῦ σ κ τ ε ν ο ιγ γ α ςκ ὶγ ρ ιό ν τ ε ωκ α... π τ α ν ωκ α α ά ςἄ ὶ ἀνα ἵν ὶκ β ά ν ν ο τ ρ νκ ε ῶ α ὶτ ὶἐ ὰ ςα π μ ῦτ ῆ ὐ τ ο λ α νἀγ ςσοφ νἐ ῶ ία κτ ο ιτ ςφ ε ῷ μ εν ο ι. η λ ο ιπ σ ό ὰ π α υϑ ιδ ε

... damit sie ... in beiden Richtungen vorbeigehend lesend undGeschmack an seiner Weisheit findend von den Äckern kämen undauch in bezug auf das übrige gebildet würden.

Den Inhalt des Hexameters bildete eine Entfernungsangabe, die bei Platon überlieferten Pentameter enthalten eine schlichte Paränese (Hipparch. 229 a 4 und

b 1):

μ ῆ μ ν α τ ό δ ᾽Ἱπ π ρ ·στεῖχ χ ά ο υ εδίκ α ια ρ ον φ ῶ ν .

Dies hier ist einDenkmal desHipparchos. Gehe inrechter Gesinnung. μ ῆ μ ν ατ ὴφ ό ίλ δ᾽Ἱπ ο νἐξα π ρ ά χ ο υμ π ά τ α .

·

Dies hier ist ein Denkmal desHipparchos. Täusche keinen Freund.

DieVerbindung vonWegweiser undInschrift erinnert andie oben amBeispiel der homerischen Wendemarke besprochene, doppelte pragmatische Funktion des Denkmals. Denkmäler sind immer Wegweiser (‘landmarks’), provozieren aber auch Sprechakte und eignen sich als steinerne ‘Boten’, da ihnen ohnehin schon

81

141; dort werden auch die zugehörigen / HOFFLEIT 1948, Nr. 149, S. 139– Steinfragmente besprochen, die die platonische Überlieferung stützen, vgl. HERINGTON 1985, S. 93. Zumpädagogischen Impetus des klassischen Epigramms vgl. BECKBY 1, 1957,

FRIEDLÄNDER

S. 14. 82 Zuἐν τ ε ίν ε ν ιν/ τό ο ςvgl. Hdt. 5, 60, 1: ἐ γ ε ῳ ῳ ι. νἑξαμ ρ τ λ ν ό έ έ τ 83 HERINGTON 1985, S. 250 mit Anm. 64 weist darauf hin, daß das π ε ινals Begründung ύ ε ιδ α für die Aufstellung nicht aus der Zeit des Hipparchos, sondern erst aus der des Dialogs stammen kann. Zur Echtheitsproblematik des Hipparchos selbst vgl. P. FRIEDLÄNDER, Pla116. ton, Bd. 2, Berlin 31964, S. 108–

Inschriftliche Dichtung in ‘mündlicher’Kultur

Aufmerksamkeit geschenkt wird. Moralisierende Aufforderungen

47

an den Betrach-

ter, die an die Rede des bei Herodot erwähnten Bildes gemahnen (ἐ μ έτ ις ςἐ ὴ ρ ςἔσ έ ω ὁ νεὐσεβ τ ω , 2, 141, 6), kennen wir auch aus Grabepigrammen.84 Interessant ist aber auch, daßdie Verwendung des elegeion im4. Jahrhundert offenbar

alsZeichen vonBildung betrachtet wurde. Dieliterarischen Darstellungen vonInschriften zeigen denschriftlichen Text als eine andie neuen Bedingungen derKommunikation angepaßte, mündliche Sprechhandlung, die durch die Übertragung auf das Medium in ihrer Wirkung verstärkt wird. Analog zur bildlichen Darstellung, die oft gemeinsam mit der Inschrift aufρ μ μ ά α τ αin Stellvertreterschaft für denUrheber der Nachricht, tritt,85 stehen die γ der sich in die Gegenwart des Lesers versetzt undäußerst geschickt antizipiert. Sie ‘besitzen’ daher auch Stimme undBedeutung, agieren wie die Teilnehmer eines alltäglichen Sprechaktes. Die mitunter als kluge List charakterisierte Antizipation derLeserreaktion soll nach demWillen des Senders ebendiese Reaktion hervorrufen, eine Strategie, die, wiebeim aischyleischen Sturm auf Theben, auch mißlingen kann. Unterstützend wirken bildlich oder verbal dargestellte Figuren als ‘Sprecher’, auch der Ort der Anbringung ist von entscheidender Bedeutung. Inschriften ‘sprechen’ nicht aus großer Ferne, sie haben unmittelbar mit erwarteten und bekannten Handlungen der Kommunikationsteilnehmer zu tun. Ihre Appellstruktur erklärt sich ausdiesem pragmatischen Kontext. Darüber hinaus spiegeln diese Beispiele aus dem5. Jahrhundert die Entstehung einer –neben Alltagskommunikation und poetischer performance in Fest oder Ritus – dritten Tradition der Mündlichkeit’ wieder: die immer mehr zu einer ‘ ηperfektionierte τ έ χ ν Rezipientenmanipulation der griechischen Rhetoren unddie wachsende Skepsis gegenüber möglichem Mißbrauch vonRede undSchrift. 1.5. Mündlichkeit undSchriftlichkeit in den ältesten griechischen Epigrammen

Die ältesten Beispiele griechischer Versinschriften finden sich auf geometrischer Keramik.86 Es handelt sich folglich umeine Epigrammklasse, die in denälteren Ansätzen zu einer Literaturgeschichte des Epigramms, die sich an den Sammlungen von Steinepigrammen ausrichtete, kaum berücksichtigt wurde. Für unsere Frage nach denAuswirkungen derTraditionen derMündlichkeit aufdasVerhältnis 84 Vgl. GV 1209– 1599 (Gruppe B IV), wocharakteristische 85

86

Formen der Anrede an denBetrachter des Denkmals zusammengestellt sind, darunter besonders CEG 1, 13 (= IG I3, μ ρ ᾽ἀ ε ν 1194bis; GV1226), V. 4: τ π ο ά ϑ ο ινεσ γ α δ ϑ α ᾽ἀ εἐπ υ τ ῦ ό ν . μ γ ρ ᾶ |ὶπ Diese Analogie vonBild undText setzt sich fort, wenngleich sich das Verhältnis ändert, vgl. G. NEUMANN, ZumVerhältnis von Grabdenkmal und Grabinschrift, in: Wort undBild. Symposion des Fachbereichs Altertums- und Kulturwissenschaften zum 500jährigen Jubiläum der Eberhard-Karls-Universität Tübingen 1977, hg. v. H. BRUNNER, R. KANNICHT und 235, hier S. 220. Weitere Diskussionen über das VerK. SCHWAGER, München 1979, S. 219– hältnis der beiden Medien finden sich in S. GOLDHILL / R. OSBORNE (Hgg.), Art andText in Ancient Greek Culture, Cambridge 1994 undbei L. GIULIANI, Laokoon in der Höhle des Po47. lyphem. Zureinfachen Form des Erzählens in Bild undText, Poetica 28, 1996, S. 1– Vgl. jetzt das von C. O. PAVESE, La iscrizione sulla kotyle di Nestor da Pithekoussai, ZPE 23 zusammengestellte Material sowie WIRBELAUER 2004, S. 197f. 114, 1996, S. 1–

48

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

vonText undLeser ist sie dennoch wichtig. Zwei derbekanntesten undaufgrund ihres Erhaltungszustandes instruktivsten Beispiele wollen wirhier näher betrachten: ‘Dipylonkanne’und‘Nestorbecher’. Die enge Verbindung zwischen demTräger derInschrift undeiner mitihmzusammenhängenden Handlung ist dasHauptmerkmal dergeritzten Aufschrift aufder geometrischen Oinochoe, diein einem Grab in derNähe desathenischen Dipylontores gefunden wurde. Der gesicherte Beginn der Inschrift lautet 7 (CEG 1, 432):8 ν τ ρ ο νἀταλότα χ ε σ τ ο νπ ά ςν ίζ α π α ν τ ῦ ι... ὀ ε hὸ

Wernunvonallen Tänzern amausgelassensten tanzt ...

WasdieFortsetzung desSatzes angeht, ist nureinigermaßen sicher, daßer ein Demonstrativum (τ ο ῦ ) enthält, das sich auf denGegenstand bezieht. δ τ ε οoder τό B. B. Powell schildert die denkbare mündliche performance und den Anlaß des hier fixierten Sprechakts auffolgende Weise: 730, anaoidos waspresent at such an I suggest that inAthens too, inc. 740– „ eristic dance, and composed the Dipylon verse. Perhaps he played for the dancers too. Certainly he announced the prize for the dance in hexametric 88 verse, andsome of his very words survive, inscribed ontheprize.“

9

Ob sich mündliche Dichtung selbst so unmittelbar auf denbeschriebenen GefäßenundSteinen niederschlug, mußfür unsfreilich spekulativ bleiben. Wir wissen auch nicht, ob der Verfasser des Textes im Augenblick der Niederschrift eine mündliche Kommunikation imaginierte –oder einfach mitschrieb. Die Inschrift selbst beinhaltet einen Hinweis auf die Funktion der Vase als Preisgefäß in einem Tanzagon.8 Sie berichtet jedoch nicht in der Vergangenheitsform vondemerrungenen Sieg desbesten Tänzers, sondern versetzt jeden Leser –ob mit Absicht oder nicht –in denAugenblick (ν )90der entscheidenden Situation hinein. Es handelt ῦ ν sich um die wohl unveränderte Wiedergabe eines mündlichen Ausspruches aus einem pragmatischen Zusammenhang. Dabei beleuchtet derInhalt desVerses einen Aspekt ausdemLeben desBesitzers, derseinen sozialen Status auch μ ρ ῆ τ ς ε τ ὰ ἑ ο dokumentiert: Gehörte er doch zu denTeilnehmern eines Festes, auf demes solche Preise zugewinnen gab. 87 Vgl. JEFFERY / JOHNSTON 1990, S. 68, 401, Pl. 1, 1; M. GUARDUCCI, L’Epigrafia greca dalle origini al tardo impero, Rom 1987, 41f. Nr. 1; H. R. IMMERWAHR, Attic Script. A Survey, Oxford 1990, 7 Nr. 1; WIRBELAUER 2004; nach GUARDUCCI, Bd. 1, 1967, S. 135f. ist die Inschrift bis π α ίζ ε ιhexametrisch, nach B. B. POWELL, TheDipylon Oinochoe andthe Spread 86, hier S. 69 sogar ein „perfect hexameter“ of Literacy, Kadmos 27, 1988, S. 65– . 88 POWELL 1988, S. 76f. 89 Vgl. die Tänze in Od. 8, 370ff.; 23, 143ff.; zur Verbindung von Tanz undBehendigkeit im Kampf s. Il. 16,608ff. Denkbar wäre aber auch eine erotische Konnotation, vgl. dietheraischen Felsinschriften IG XII, 3, 536, 540, 543 und546 (Ergänzung KAIBEL). 90 Injüngeren Epigrammen bezieht sich ν ῦ νstets auf die Rezeptionssituation, meist im Gegensatz zum Leben eines Grabinhabers, vgl. CEG 1, 89, 102, 131, 159, 378, 403. Hier jedoch ist nureine einzige Situation abgebildet, in dereine immer gültige rühmende Feststellung (Präsens) getroffen wird.

Inschriftliche Dichtung

in ‘mündlicher’Kultur

49

Wieaber verträgt sich derinGefäßform, Sprache undThematik zumAusdruck gebrachte Anspruch mit dem äußeren Erscheinungsbild der Buchstaben, deren Herkunft aus der materialbedingten Ritztechnik orientalischer Schriften sich noch erkennen läßt?91 Vasenverzierungen, die aus Abecedarien bestehen, haben gezeigt, daß allein schon die Verwendung der neuen Schrifttechnik in einer bestimmten Phase ihrer Etablierung als bewundernswürdig galt, so daßwirdies für eine mögliche Erklärung nehmen können.92 Ein weiteres sehr altes Zeugnis für dengriechischen Hexameter in Form eines 710 v. Chr.)93 findet sich auf einer 1954 in Pithekussai (Ischia) Graffitto (720– gefundenen geometrischen Kotyle. Sehr viel sorgfältiger beschrieben94 als die Dipylon-Oinochoe, entstammt derBecher ebenfalls einem sepulkralen Kontext:

̣

̣ .| ι] εὔπ ο τ[ο ] π ν ρ ρ ο Ν ιο τ έσ ό ν έ τ ς ε[μ ο ̣ ὐτίκ ςδ δ ᾽ἂ επ ντο ρ ί̣ [-] α ίε η hὸ ιπ σ ο τ ν| α κ εν ο ά ]ν ο ρ δίτες .95 φ οἈ ε[φ τ ισ λ λ ι κα ε σ έ ιρ ςhα ο ρ ε hίμ Ich bin das Trinkgefäß des Nestor, aus demmangut trinken kann. Wer aber ausdiesem Trinkgefäß96 trinkt, denjenigen wirdsogleich dasVerlangen ergreifen nach derschönbekränzten Aphrodite.

Der erste, iambische Vers97 enthält mit ziemlicher Sicherheit eine Besitzerangabe,98 die in das Lob des Gegenstandes übergeht. Dessen Qualitäten werden in den beiden folgenden Hexametern erläutert. In thematischer Hinsicht stimmt die Inschrift mitanderen frühen Beispielen überein, die denPreis des Gegenstands zum 91 Vgl. die Abbildung und Umschrift bei JEFFERY / JOHNSTON 1990, S. 401. 92 Beispiele bei JEFFERY / JOHNSTON 1990, S. 44, 69, 116f. (u. a.). 93 So PAVESE 1996, 2. Etwas früher („ ) datiert HANSEN: Die bei CEG 1, 454 verse720“ 735– hentlich falsche Datierung ist korrigiert in ZPE 58, 1985, S. 234 und CEG 2, S. 304. JEFFERY (JEFFERY / JOHNSTON 1990, S. 235) bekräftigt, daß der Becher ‘nicht nach 700’datiert werden kann.

94 Fürdie Anordnung dereinzelnen Verse injeweils einer eigenen Zeile möchte WEST1997, S. 26 mitAnm. 105mesopotamische Vorbilder ausmachen. 95 Text hier nach dervorzüglichen Aufarbeitung des gesamten Befundes unddes Vergleichsι) beμ materials durch PAVESE 1996. Die Ergänzung der ersten lacuna zu ε ι(HANSEN: ειμ ruht aufeiner vonPAVESE vorgenommenen Autopsie. Die Problematik derlacuna in Vers 1 unddie daraus entstandenen unterschiedlichen Interpretationen können hier nicht im ein-

96 97 98

zelnen behandelt werden; für ε ίsprechen sich u. a. bereits W. SCHADEWALDT, Nachtrag. ἰμ Homer und der Becher von Ischia, in: DERS., Von Homers Welt und Werk. Aufsätze und 416, 488f., hier Anm. 1 auf S. Auslegungen zur Homerischen Frage, Stuttgart 41965, S. 413– 488, HANSEN 1983 und JEFFERY / JOHNSTON 1990 aus; die Ergänzungsvorschläge sind gesammelt bei P. A. HANSEN, Glotta 41, 1976, S. 25– 44 undjetzt bei PAVESE 1996, S. 8; die 71; siehe auch C. F. Russo, Cherchez l’Olympiade ältere Literatur bei HÄUSLE 1979a, S. 68– chez Homère, in: ARRIGHETTI / MONTANARI 1993, S. 93–99; PAVESE 1996, S. 20–23. Übersetzung der üblichen Ergänzung τ ό δ ρ ε... π ί[ο]. PAVESE 1996, S. 16 hält auch η ο τ ι] imSinne von‘ausdemTrinkgefäß dieses (Mannes)’für möglich. ρ ι[ο τ ο δ ε... π η ο τ So schon SCHADEWALDT 1965, S. 413f.; jetzt auch PAVESE 1996, S. 10. Wieüblich an erster Position undim Genitiv, vgl. P. KRETSCHMER, Die griechischen Vaseninschriften. Ihrer Sprache nach untersucht, Gütersloh 1894, S. 3f.; PAVESE 1996, S. 12f. (auch zurVerwendung heroischer Namen fürhistorische Personen).

50

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

Zentrum ihrer Aussage machen. Auch für die Verwendung einer poetischen Sprache zur Beschreibung des Gegenstands, sei es in Anlehnung an die mündliche Dichtung, sei es als Zitat, lassen sich Belege anführen.99 Die Form desEpigramms zeigt, daß es nicht nur um ein neutrale schriftliche Kennzeichnung des Gefäßes geht, sondern daß der Verfasser einen bestimmten zeitlichen Moment seiner Verwendung zufixieren beabsichtigt. Sowohl dasPräsens ε ίals auch dasdeiktische ἰμ Pronomen τ ό δ εkennzeichnen die Verse als einen Ausspruch,100 dessen Urheber sich imaginär in denAugenblick versetzt, in demein potentieller Benutzer denBecher in die Hände nimmt, um zu trinken und damit eine bestimmte Wirkung zu erzielen. In ebendiesem Augenblick wird die Inschrift zu ihm ‘sprechen’. Das Epigramm enthält insofern ein mit der nicht-epischen, sympotischen Dichtung der ar101 chaischen Zeit vergleichbares situatives Element, das durch die Deiktika unmittelbar zumAusdruck kommt. Läßt sich aber auch ein sinnvoller Bezug zur Funktion des Gefäßes als einer Grabbeigabe –und zwar einer Beigabe für einen zehn- bis vierzehnjährigen Jungen102 –angeben? Zwar ist für uns nicht direkt erkennbar, ob die Aufschrift, die nach demBrand in dasGefäß geritzt wurde, noch zu Lebzeiten des Besitzers auf demBecher angebracht wurde. Die von C. O. PAVESE beigebrachten Parallelen undauchdiesenkrechten Ritzlinien aufdemGefäß sprechen aber füreine tatsächliche, praktische Verwendung beim Symposion. Ein Kotylenfragment aus Eretria, 710 v. Chr. datiert wird, wendet sich miteiner ähnlichen Formulierung dasauf720– offensichtlich an eine weibliche Begleiterin beim Gelage.103 Das in demEpigramm explizit angesprochene gemeinsame Trinken geschieht unter Freunden undLiebhabern. Nestor selbst mußdaher entweder einamGelage teilnehmender π ο ῖςκα ό ς λ oder aber dessen Liebhaber oder Vater gewesen sein, will manannehmen, derjugendliche Grabinhaber sei noch nicht imfür solche Aktivitäten angemessenen Alter gewesen. Kotyle undEpigramm könnten also ein Geschenk für zukünftige Symposien, aber auch eine Erinnerung an vergangene Gelage unddamit natürlich auch einen Hinweis aufdensozialen Rang desVerstorbenen sein. Wieaber ist der Sprechakt zu verstehen? Werist angeredet, wer spricht? Wie verhält sich der Gegenstand zur Gruppe derZecher? Die iambische Besitzanzeige wendet sich anjeden einzelnen Betrachter undBenutzer des Gefäßes einschließlich seines Besitzers. Sie garantiert aber auch, daß der Becher seinen Weg immer zu

99 Obundinwieweit

dieser Vers aufden‘Nestorbecher’ inIl.

637 anspielt, wiebereits 11, 632–

1965, S. 415 meinte, wird heute unterschiedlich beurteilt; siehe die ausführ13; vgl. jetzt auch A. SNODGRASS, Homer and the liche Diskussion bei PAVESE 1996, S. 10– artists. Text andPicture in Early Greek Art, Cambridge 1998, S. 52f. undFANTUZZI 2002, S. 392f. –Ein Beispiel für berühmte Dichtung auf einem Gebrauchsgefäß wird bei H. Rix, Ein 48 Hipponax-Vers auf einer Tonlampe aus Olbia / Pontos?, WJA N. F. 17, 1991, S. 41– beschrieben. Die engsten Parallelen zumbeschrifteten Becher aus Pithekussai versammelt PAVESE 1996, S. 6f.; vgl. jetzt auch WIRBELAUER 2004. ̣ Kombination der Ich-Rede mit τ 100 Andere Beispiele füṛ die ό δ εsind CEG 1, 72 = IG I3, 1260: ρ ί|[τ ?]) und CEG 1, 130. ο ί ρ ὶ μ Κ σ ό δ᾽εἰ ατ |τ εμ ο(IG: Κ 101 Anders SCODEL 1992, S. 57 und60. 102 PAVESE 1996, S. 1. 23. δ 103 ἡ ᾽ἂ ντο[δ ε , s. PAVESE 1996, S. 14f., zurDeutung des Symposion-Kontexts ebd. S. 13– SCHADEWALDT

Inschriftliche Dichtung in ‘mündlicher’Kultur

51

Nestor zurückfindet. Die beiden Hexameter zielen auf die festliche Gruppe der Zecher als ihr Publikum, dennzumindest die Anwesenheit eines ἐ ή ςundeines ρ α σ τ μ ρ ε ώ ν ἐ ο ςsind in demPreis der aphrodisischen Qualitäten des Bechers vorausgesetzt. Der iterative Relativsatz bekräftigt, daß der Zauber des Bechers unbedingt immer wirkt; zu bedenken ist aber auch, daß der schriftliche Hinweis ‘wer immer daraus trinkt’ gerade den einzelnen Symposionsteilnehmer, demder Becher vielleicht sogar schweigend gereicht wird, besonders ansprechen muß. Die Besitzerinschrift undderepische Preis desGefäßes stehen daher in engem Zusammenhang.104 Denn der Becher ‘agiert’anstelle seines Besitzers undhilft diesem bei seiner Liebesintrige oder –denkt mansich die Situation mit lautem Lesen undöffentlichem Gedankenaustausch derZecher über dieInschrift –dochbeiseinem Liebeswerben. Der epischen Diktion fast zum Trotz geht es dem Verfasser der Nestor-Inschrift vielleicht weniger umeinen Beitrag zumliterarischen Diskurs der Gruppe als umein ganz konkretes Verhalten der am Sprechakt beteiligten Personen: um das gemeinsame Trinken undLieben. Diese Praxisnähe des Epigramms zeigt sich besonders imzweiten Teil der Inschrift, indem die Unwiderstehlichkeit des Trunks ausdiesem Becher einfach behauptet wird. Eine starke Reaktion des Lesers darauf ist zu erwarten. DerHumor, derindemSpiel mitdemmagischen Beschwörungsritual und vielleicht auch in der Anspielung auf die Ilias liegt, wird die Stimmung beimGelage sicherlich gehoben haben.105

1.6. Zusammenfassung

Die

bisher betrachteten frühgriechischen Zeugnisse inschriftlicher Dichtung

sind ebenso wie die literarischen Darstellungen von Lesesituationen in hohem

Maße von den Handlungsmustern einer der Mündlichkeit verpflichteten Gesellschaft beeinflußt. Auch die Vorstellung von der Möglichkeit einer direkten, unmit-

telbaren Einflußnahme desjeweiligen ‘Senders’ auf den ‘Empfänger’, die in den antiken Texten immer wieder thematisiert wird, entstammt demErfahrungsbereich der mündlichen Kommunikation. Es gibt hingegen keinen Hinweis darauf, daß die Wirkweise der besprochenen metrischen oder nichtmetrischen Inschriften mit einer besonderen ‘Existenzform’ der Worte in der Schriftlichkeit, die die moderne Forschung beschäftigt hat, oder gar mit einer Form von Buchstabenmagie in Verbindung gebracht wurde. Inschriften unterstreichen die Bedeutung einer Handlung oder eines Objekts. Ein Gegenstand gewinnt durch den Schmuck der Buchstabenzeichen anWert; eine Handlung –wieder Angriff des Polyneikes auf Theben oder das Trinken aus demBecher des Nestor –wird durch eine schriftliche Aussage eindrucksvoll unterstützt undästhetisch aufgewertet, wenn sie in poetischer Form erscheint. Das Medium der Schrift wird zunächst in bezug auf seine Möglichkeiten der Verdauerung vonSprechakten genutzt. So erlaubt die aneinen Gegenstand wiedie ‘Dipylonkanne’ gebundene schriftliche Fixierung eines ursprünglich situationsbedingten Ausspruchs den Teilnehmern des Wettbewerbs, sich auch später an das 104 Anders PAVESE 1996, S. 10. 105 S. oben S. 50 Anm. 99 undFANTUZZI 2002, S. 393.

52

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

einmalige Ereignis zu erinnern. Sie magaber auch die eine oder andere Unterhaltung desBesitzers mitanderen Betrachtern desgewonnenen Preises angeregt haben. Die Inschrift des Nestorbechers dagegen zielt zumindest implizit bereits auf eine Wiederholung der in ihr dargestellten Sprech- undTrinkhandlung, so wie sich auch die Symposiasten mehr als einmal versammelt haben dürften. Auch wennder anonyme, der Gruppe aber wohl bekannte Dichter des Trinkspruchs die Verse erst

anläßlich eines bestimmten Symposions auf das Gefäß geritzt haben sollte, so hat er doch ein hervorragendes Gespür nicht nur für die besondere Situation, sondern auch für die Möglichkeiten ihrer Prolongierung undWiederholung bewiesen, die mitderVerschriftlichung derVerse einhergingen. Vonhier ist es nurnoch einkleiner Schritt zur bewußten Vorwegnahme undrhetorischen Einflußnahme auf imaginäre zukünftige Rezeptionssitutionen. Ortsgebundene, lokostatische’ Steininschriften, deren Publikum über den ‘ Gruppe hinausgeht, müssen stets auch zukünftige, unbeRahmen derjeweiligen kannte Leser ansprechen. Die Verfasser solcher Inschriften werden sich aber erst allmählich der Schwierigkeiten bewußt, die durch die zeitliche undräumliche Dissoziierung desSprechakts inderSchriftlichkeit bedingt sind. Die literarischen Darstellungen der Lektüre inschriftlicher Botschaften von Homer bis Herodot geben einen Hinweis auf die Entwicklung der Formen schriftlicher Kommunikation mitHilfe von Steininschriften. Sie zeigen, wie aus der –für eine mündlich geprägte Kultur naheliegenden –einfachen Übertragung einer alltäglichen Redesituation in die schriftliche Kommunikation eine regelrechte Strategie der fingierten Mündlichkeit werden kann, die auch auf das Epigramm wirken wird. Diese bewußt inszenierte Mündlichkeit ist eine ‘proleptische’Fiktion, die durch die imaginäre Antizipation der Leseumstände im Text –erinnert sei an die ‘listigen’Inschriften bei Herodot –an das prospektive Lesepublikum appelliert. Solche Strategien zur Herstellung von Lesernähe werden uns auch im folgenden beschäftigen, denn die anonymen Adressaten des Dichters von Steinepigrammen stehen diesem räumlich undzeitlich ferner als beispielsweise die Gruppe der Symposiasten dem Verfasser einer Becheraufschrift. Insbesondere Grabepigramme richten sich anLeser künftiger Generationen. Sie sind es, diedemVerstorbenen ein Weiterleben in der Erinnerung ermöglichen und seinen Ruhm, sein κ λ έ ο , ς verbreiten. Das Interesse für den zukünftigen Leser ist daher notwendigerweise einer der Ausgangspunkte für den Verfasser eines Grabepigramms, der eine bestimmte Wirkung erzielen will.

Inschriftliche Dichtung

in ‘mündlicher’Kultur

53

2. DIE APPELLSTRUKTUR DER EPIGRAMME

η , κλ μ έ 2.1. Μ ο ςunddieZeigerfunktion desgriechischen Grabepigramms ή ν Der Epigrammautor

überwindet

das Problem der Abwesenheit seines Publi-

kums durch das Imaginieren einer direkten Kommunikation. Diese Inszenierung eines mündlichen Sprechakts ist jedoch nicht allein der Allgegenwart mündlicher Traditionen zu verdanken. Sie hängt auch mit den Inhalten der Steinepigramme zusammen. Betrachten wir daher zunächst einige der gängigen Themen, über die sich Dichter undLeser vonGrabepigrammen der archaischen undklassischen Zeit verständigen.

ριό|ν ὶπ ε τ ο α ετ χ α ίρ ν|κατάκειμαι106heißt es lapidar in ὸ ν α ὲϑ ὸδ ,:ἐ ς ε γ τ Vers 1 einer frühklassischen Grabschrift. Leben undTod, Gegenwart undVergangenheit sowie ihre Verbindung durch die Erinnerung der Nachgeborenen sind die Grundthemen der griechischen Grabepigramme.107 Das Andenken an die Toten in einem durch feste Elemente definierten äußeren Rahmen ist Teil der Lebenswelt

derarchaischen

Zeit.108 Der zu diesem Rahmen gehörende Aspekt

der Erinnerung

wird im7. Buch derIlias in einer Rede des Hektor beschrieben, die dieser vor dem geplanten Zweikampf mit einem griechischen Helden hält. Er stellt sich dabei vor,

wie die Erinnerung der Nachgeborenen an einen ruhmreichen Kampf durch das 91): sichtbare Denkmal ausgelöst wird (Il. 7, 87– π ν ω νἀνϑρώ ό ν ω , ῃ σ ικ ὶὀψ α ιγ ιςεἴπ τ έτ κ α ίπ ο η ῒπ ν ή ο ϊδ λ υ κ λ ιπ λ νἐπ έ ω ὶοἴν ο π απ ο ν ό ν τ η μ ῶ α π ά λ ῆ ντ ς α ό ικα τ α τ ν ὲ δ εϑ , εσ ὸ ρ ςμ δ ν ἀ · το ‘ν τ ε ν ο τ ύ τ ν ο ισ ο α τ εφ τ α π έκ κ α α ίδ ιμ ρ ὅ ςἝ ρ κ .’ τ ω ᾽ἀ ὥ ςπ τ ο έτ ιςἐρ έ ὸδ ε νκλ ι·τ έ ο ὸ τ ςο ο ὔπ ᾽ἐμ ε ῖτ α ι. ᾽ὀλ

Undes wird irgendwann einer sagen vondenspätgeborenen Menschen, der mit demvielrudrigen Schiff auf demweinfarbenen Meer fährt: ‘Dies ist das Grab eines schon lange gestorbenen Mannes, deneinst als den Besten der 106 CEG 1, 108, 1 (Eretria, ca. 450?): „Seid gegrüßt, die ihr vorübergeht, während ich tot hier

; zurantithetischen Struktur unten liege“

s. unten S. 55.

107 R. LATTIMORE, Themes in Greek andLatin Epitaphs, Urbana / Illinois 1942 (Illinois Studies in Language and Literature 28); G. PFOHL, ‘Grabinschrift I (griechisch)’, RAC XII, 1983, 50; L. SPINA, La forma breve 514, hier 470; DAY1989, S. 16f.; ECKER 1990, S. 45– Sp. 467– deldolore. Ricerche sugli epigrammi funerari greci, Amsterdam 2000 (Lexis Suppl. 8). 108 DAY1989, S. 17 undAnm. 4. ZudenFormen desTotengedenkens vgl. auch R. GARLAND, 120 („ ), der auch Visiting the Tomb“ The Greek Wayof Death, London 1985, bes. S. 104– die klassische und hellenistische Zeit behandelt; D. C. KURTZ / J. BOARDMAN, Thanatos. Tod und Jenseits bei den Griechen, Mainz 1985 (engl. London 1971); R. GARLAND / J. SCHEID, ‘death, attitudes to’ , in: The Oxford Classical Dictionary, Oxford 31996, S. 433f.; I. MORRIS, Burial and the ancient society. The rise of the Greek city-state, Cambridge u.a. 1987; DERS., Death-ritual and social structure 1995, S. 298ff.

SOURVINOU-INWOOD

in

classical antiquity, Cambridge 1992;

54

Dasgriechische strahlende Hektor getötet hat.’

Epigramm

undseine Leser

So wird einst

einer sagen. Mein Ruhm aber

wirdniemals vergehen.

Die Blickrichtung der ὀψ ο ν ο ι, die Hektor hier in Gedanken einnimmt, beίγ gegnet an einer anderen, in der Einleitung zu dieser Arbeit schon besprochenen Stelle, anderdie Iliashelden selbst dasDenkmal einer früheren Generation betrachten (Il. 23, 331f.):109

ἤ τ ε υσ ρ μ β ο ῆ α τ ο ῖοπ ά λ α ικατατεϑνηῶ τ ο ς , ἢ τ όγ ενύ σ σ α τ έ τ υ ρ κ ώ τ ϑ π οἐ ρ ν ν ω ω ἀ ν ρ . ο τ π ὶπ έ Entweder ist es dasGrab eines schon lange gestorbenen Mannes, oder es war als Wendemarke geschaffen bei früheren Menschen.

Aufdiese vomAnblick des Denkmals ausgelöste Reflexion kann der Dichter einer realen Aufschrift natürlich Einfluß nehmen. Noch deutlicher steht für Aischylos derInterpret undRezipient desZeichens ‘Grabhügel’ imMittelpunkt, unddies 820): umso mehr, als nicht jedes Denkmal eine Inschrift trägt (Pers. 818– ϑ ῖν ε ρ ν ςνεκ ῶ δ γ ν ο ῇ ὲκ ῳ ρ α ὶτριτοσπ ό μ τ α ῶ ν σ μ μ ινβρο ν α ο ῦ σ ιν ὄ η α σ ν ἄ φ ω ρ ο ὴφ ν ε ῖν . η τ ρ ὸ ὡ νὄ ν τ φ ν α ε υϑ χ ὐ χὑπ έρ ςο

Die Grabhügel der Toten werden auch in der dritten nachgeborenen Generation den Augen der Menschen ohne Stimme bedeuten, daß ein Sterblicher nicht überheblich werden soll inseinem Denken.

Die Ähnlichkeit zwischen der homerischen Passage im 7. Buch der Ilias und einigen frühen korkyräischen Steininschriften ist schon früher beobachtet unddiskutiert worden.110 Hier soll nurauf eine charakteristische Übereinstimmung mit den Steinepigrammen insgesamt hingewiesen werden. Der gedankliche Wechsel Hektors zumStandpunkt des zukünftigen Betrachters des σ μ αseines Gegners entῆ spricht den erhaltenen Steinepigrammen, insofern auch diese stets die Gegenwart des Lesers als zeitlichen Bezugspunkt haben. Anschaulich wird dies im Fall eines episierenden Einzeilers, der ein deiktisches Pronomen verwendet (CEG 1, 132):111

Δειν ία τ ό δ ε[σ ᾶ σ επ|ό ε νὄλ ], τ ὸ α έ ν α ι[δ ]. |μ ο ς ςἀ τ ν Dies hier ist dasGrabmal desDeinias, denverdarb dasMeer ohne Rücksicht.

109 Insofern das Denkmal ohne Inschrift ist, bleibt eine Unsicherheit hinsichtlich seiner Funktion, SCODEL 1992, S. 66; s.oben S. 16f. 110 WILAMOWITZ 1924, Bd. 1, S. 123; H.-M. LUMPP, Die Arniadas-Inschrift aus Korkyra. Homerisches imEpigramm –Epigrammatisches in Homer, Forschungen undFortschritte 37, 7, 215; RAUBITSCHEK 1968, S. 5f.; LAUSBERG 1982, S. 102 und Anm. 4 auf S. 1963, S. 212– 532 mit Bibliographie; ECKER 1990, S. 39f.; I. J. F. DEJONG, The Voice of Anonymity. tis84 (= DEJONG1987b); zur Arniadas-Inschrift Speeches in the Iliad, Eranos 85, 1987, S. 69– s. jetzt IG IX, 12, 880 (mit ausführlichen Literaturhinweisen). 111 Korinth, ca. 650?

Die Appellstruktur’der Epigramme

55



Das Thema ‘Tod auf demMeer’knüpft an eine vielen Lesern gemeinsame Eran. Die Gefahren der Seefahrt sind für Griechen allgegenwärtig undThema auchderLiteratur. Doch ist dasMeer zugleich einer derwichtigsten Verkehrs- und Kommunikationswege. Daher ist in denhomerischen Epen anmehreren Stellen von Grabmälern die Rede, diegut sichtbar für dievorbeifahrenden Schiffe anderKüste errichtet werden. Wie sich der eingangs zitierte Epigrammvers an den vorübereilenden Fußgänger richtet, so orientieren sich auch die Bauten am Meer auf die Reisenden, die eine Kunde weitertragen. In diesem Sinne berichtet Agamemnon in 84 vondemgemeinsamen Grabmal des Achill undseines Freundes PaOd. 24, 80– fahrung

troklos:112

β ν ο μ ιδ μ ῖσ φ ο γ μ ο ύ τ ν α τ ὐ α νκ μ ᾽α ᾽ἔπ ε ιτ έ ύ ἀ α ὶἀμ α νἱερ γ ε ίω ρ ὸ νἈ ςστρα μ ε τ η ὸ τ χ ε ύ α μ ν ά ω ςα ἰχ ῃ ύ ,ἐ ὐ ο ο χ ρ σ π ἀ κ τ , ὶπ λ ῳ α τ ῇἔ ιπ π ε η ν σ τ π ῖἙ ό λ λ ὴ ὥ α ν ςἐ ςκ ντηλεφ ε κπ ο ν τ ρ ό ινἀ ά φ σ ινε ν ἴη δ γ ά α γ ε σ τ ο ικ ῖςο ν α ῦ ἳν ὶο ετ ἳμ ό π ισ ϑ νἔσ τ ι. ε ν α ο Undumeuch schütteten wir dann einen großen unduntadeligen Grabhügel, das heilige Heer der argeiischen Lanzenkämpfer, an der vorspringenden Küste, inderEbene desHellespont, damit es denMenschen weithin sichtbar vom Meer aussei; denen, dienunleben, unddenen, diespäter leben werden.

Der vonAkeratos gestiftete Turm auf Thasos wendet sich in einem denGrabinschriften sehr ähnlichen Stifterepigramm mit einem Gruß an die vorbeikommenden Seeleute (CEG 1, 162):113 τ ρ οε ά η [Ἀ ]κ ρ ίδ [ἰ]μ ο α σ ]ιη , [ρ μ α οΦ τ ῆ ν ὶμ ̣ρ α ιδ π ονα ᾽ἐ κ ε ῖμ ]κ υσ [τ ᾽[ἄ ]ά ν ρ ιο ή οσω τ ]μ |[ϑ η υ σ ν ίντ [ὶ] να α εκ ισ ινἀ ]. ε τ[ε τη ύ λ λ ὰ χ α ίρ

·

Ich bin das Mal114 des Akeratos, Sohn des Phrasierides, ich stehe oben über demAnkerplatz als Rettung für Schiffe undSeeleute. Seidgegrüßt!

Daß die Schiffer vom Meer aus die Schrift vielleicht gar nicht entziffern können, stört denVerfasser ebensowenig, wie Hektor in Ilias 7, 89f. das Fehlen einer eindeutigen Zuweisbarkeit seines τ β ο μ ςdurch eine Inschrift bemängelt. Vielleicht ύ genügte schon dieherausragende Lage desBauwerks, damit derTurm, eine topographische Landmarke, bekannt wurde. Auffällig ist in jedem Fall die explizite Ausrichtung desDenkmals aufdievomErbauer oder Epigrammautor imaginierten Betrachter und Leser. Zusätzlich zu den selbstverständlichen Funktionen des Denkmals wie der Erinnerung aneinen Toten undan denStifter des Mals werden auch seine praktischen Aufgaben in den Vordergrund gestellt. Das Epigramm auf einer Stele ist also kein isolierter Text, sondern ein Zeiger, der einerseits ganz ὶ 112 Vgl. Il. 7, 87ff.; Od. 11, 75f.; dort bittet Elpenor Odysseus: σ π λ ιῆ ςἐ ο ιχ ιπ ο ε ῦ α μ άτ έμ ῆ ν ρ δ ϑ ὸ ιν ὶϑ η ι; zu denOdysseestelα λ ς ά α ,/ἀ ϑ σ σ ςδυστή ϑ υ έσ ν ιπ ο ιο ισ ν ο ,κ μ έ α ὶἐσ σ ο len s. ECKER 1990, S. 27 und 36.

490?; JEFFERY / JOHNSTON 1990, S. 301f. (Nr. 67), S. 307. 113 Ca. 500– 232. 114 Das μ ν μ ᾶ αdes Akeratos mußnicht unbedingt ein Grab sein, vgl. ECKER 1990, S. 229–

56

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

praktisch

als Landmarke,

andererseits ideell

η ) oder Zukunft (κ μ ή (μ ν λ έ ) dienen kann. ο ς 2.2.

Bezugnahmen

Das Zeigen und Verweisen

als Wegweiser in die Vergangenheit

aufdieSzenerie derRezeption

innerhalb

der epigrammatischen

Sprechhandlung

soll imfolgenden näher beleuchtet werden. Wirunterscheiden dabei zwischen den

direkten Bezugnahmen aufdenunbelebten Rahmen derRezeptionssituation, insbesondere auf das Denkmal unddenOrt seiner Errichtung, denteils expliziten, teils impliziten Appellen andasgemeinsame, verinnerlichte Wertesystem, unddemverbalen ‘Zeigen’ auf die Kommunikationspartner in den verschiedenen Formen der direkten Anrede. Die Besonderheit des Sprechakts –eines Dialogs zwischen einem Lebenden undeinem Toten bzw. dessen beschriftetem Stellvertreter –und auch die Kürze des griechischen Grabepigramms fordern die Antithese als eine Grundform geradezu heraus. Archaische Epigramme formulieren den Gegensatz zwischen der Sterblichkeit desKörpers undderUnsterblichkeit dermeist rühmlichen Kunde über den Toten.115 Eine Variation des Motivs bietet auch die älteste bislang bekannte Stoichedoninschrift (CEG 1, 24 = IG I3, 1261):116

ι|α μ α σ ο έσ . |κ εία λ ρ ικ ς α σ εκεκλ ί, ἰε ρ α Φ ό εμ ο|π μ ο|λ τ ῦ ο τ ά ν ν εο ἀ τ ὶγ ϑ ὰ μ . σ α ρ ο χ α ᾽ὄνο α Grabmal der Phrasikleia. Mädchen werde ich immer genannt werden, anstelle derHochzeit vondenGöttern diesen Namen erlost habe.

da ich

Die Statue über derInschrift zeigt Phrasikleia in derTracht einer Braut.117 Das Verhältnis vonLeben undTod, so derHintergrund dieses antithetischen Denkens,

115 DerGegensatz

zwischen Sterblichkeit undUnsterblichkeit spielt schon bei Homer eine bedeutende Rolle, vgl. G. E. R. LLOYD, Polarity andAnalogy. TwoTypes of Argumentation in 94 zu „polar expressions“bei Homer, S. 42 Early Greek Thought, Cambridge 1966, S. 90–

zudenGegensatzpaaren Licht / Dunkel undLeben / Tod, S. 169– 171 zu denverschiedenen Typen von Polarität. Die Zeitlichkeit des Körpers wird in Epigrammen durch das Motiv der mors immatura unterstrichen, vgl. E. GRIESSMAIR, Das Motiv der mors immatura in den griechischen metrischen Grabinschriften, Innsbruck 1966 (Commentationes Aenipontanae 17).

116 Attika, ca. 540?, vgl. ECKER 1990, S. 195. Ausderumfangreichen Literatur seien hier nur genannt: N. M. KONTOLEON, Aspects de la Grèce préclassique, Paris 1970, S. 59ff.; 32; E. KARAKASI, Die prachtvolle ErscheiNEUMANN 1979, S. 227; SVENBRO 1988, S. 13– nungderPhrasikleia. ZurPolychromie derKorenstatue. Ein Rekonstruktionsversuch, Antike 517 (mit Photographien der Statue). Welt 28 / 6, 1997, S. 509– 117 κ ρ εbezeichnet hier dieunverheiratete junge Frau, ECKER 1990, S. 198; zurSymbolik der ό 31 und SOURVINOU-INWOOD 1995, S. 249f. – Tracht der Phrasikleia SVENBRO 1988, S. 23– μ Zuἀ ο ιοvgl. Hom. HymnAphr. 29: Dort handelt es sich umein κα ρ α ά ν ςdes τ ὶγ λ έ νγ ὸ Zeus anHestia.

Die ‘Appellstruktur’ der Epigramme

57

wird als ein Ausgleich gesehen,118 über den die Götter Macht besitzen. Anstelle der demLeben geschuldeten Hochzeit als der höchsten Ehre für eine Frau wird die Verstorbene ihren Ruhm (κ ε κ μ λ έ σ α ι) als unsterbliches σῆμα119im Brautgewand ο erhalten. Bild undSchrift sorgen dafür, daß manauf diese Weise von ihr sprechen wird. Die Welt der Lebenden ist durch den ästhetischen Appell der Statue und durch die Beteiligung des Lesers an der Aufgabe der κ έο λ ς-Verbreitung in das Schicksal der Phrasikleia einbezogen. Σ σ μ ρ α ικ αΦ λ ε ία ε ςerscheint vielleicht nur alseindezenter Hinweis aufeine Szenerie. Manmußsich aber die bunte Pracht der Grabanlage, zu der auch die κ ρ ο ο ῦ ς-Statue vonPhrasikleias Bruder gehörte, vergegenwärtigen, um die Wirkung zu verstehen: Wenn dies nur das Sema und die Entschädigung der Götter ist, wie glanzvoll mußdann das Leben des Mädchens gewesen sein undwieprächtig wäre es nochgeworden?

Sehr viel menschlicher als im Phrasikleia-Epigramm erscheint die Darstellung des Gegensatzes von Leben und Tod in einem Grabgedicht des 5. Jh. (CEG 1, 153):120

ὼ γ ρ Π ικ ὸ α ίολ α ςἐ υν ίϑ οἐνϑ ι| α ά ὶγ τ δ ν εκεῖμ ἀ μ η ν μ ό σ υ ν ο νΒίττ η ς η ρ τ ,μ ὶδα ρ κ υ τ ὸ νἄ χ ο ς . Anstelle einer Frau stehe ich hier, aus parischem Stein, Denkmal der Bitte, für dieMutter eintränenreicher Schmerz.

Hier wird der lebendigen Seinsweise eines Menschen (γ ρ εin α υ ν ό ικ ό ς , vgl. κ CEG 1, 24) dasDenkmal ausleblosem, wenngleich kostbarem Stein gegenübergestellt, das, anders als im Falle der Phrasikleia, gerade keinen tröstenden Ersatz darstellt, sondern einδ ρ υ α τ κ ὸ νἄχος.121So unterschiedlich die Interpretation des Gegensatzes im einzelnen ausfällt, sie nimmt ihren Ausgangspunkt immer vom Denkmal (σ μ αoder λ ῆ ίϑ ο ς ) her, das Blickfang für dengerade Vorübereilenden, Garant der zukünftigen Kunde oder auch Erinnerungsmal vergangener Leistungen sein kann. Der Zeigegestus der Sprachhandlung verweist daher auf die Statue der Phrasikleia unddie Statue derBitte. Bereits LESSING hat in seinen einflußreichen „ Zerstreuten Anmerkungen“die rezeptionsästhetische Bedeutung des „sinnlichen Gegenstandes“beschrieben, der das Interesse des potentiellen Lesers wecken soll.122 Das erklärt, warum Epigrammtexte immer wieder selbst aufdasDenkmal oder seine Örtlichkeit verweisen.

118 Sieben Beispiele für die Verwendung von ἀ ν τ ίfinden sich in CEG 1 (meist in der Bedeutung ‘zum Ausgleich für, als Dank für’), achtzehn weitere in CEG 2. 119 ZumBegriff σ μ ῆ αvgl. ECKER S. 11; ihrzufolge ist das σ μ αprospektiv denToten vergeῆ genwärtigend, dasμ μ αfindet ῆ / μν μ α μ ῆ ῆ αretrospektiv an ihnerinnernd; Literatur zuσ ν sich bei NEUMANN 1979, S. 220 mit Anm. 6. 120 Amorgos, ca. 450? 121 Vgl. CEG 1, 11 (= IG I3, 1154), V. 4: ἵκ ε ᾽ἄ οund CEG 1, 97 (= IG I3, ν έ τ χ ο ιμ ϑ ςφ γ γ η ὰ ρ|ἀ μ ή 1295bis), V. 3: μ ν ε ρ υ ὶδ τ α ὸ κ νἔχ α σ α . 122 S. KÖHNKEN 1993, S. 119.

58

Dasgriechische

Es geht dabei

nicht allein

Epigramm

undseine Leser

umdie Freude amZuschauen undZuhören,123

sondern

auch ganz konkret umdenAnreiz zurLektüre. Die textliche Bezugnahme auf denjeweils gegebenen Rahmen der Rezeption, die wiroben als eine Appellstruktur charakterisiert hatten, beginnt also nicht zufäl-

lig mit dem ‘Zeiger’ selbst, dem Denkmalsgegenstand. Diese Hinweise auf den außertextlichen Rahmen schaffen in der Vorstellung des Lesers ein bestimmtes Bild, dasdurch die Anrede oder Nennung vonPersonen, die demGegenstand verbunden sind oder mit ihm in Beziehung treten könnten, verfeinert wird. Im Text genannte Stifter, Angehörige oder Passanten, die den Text lesen wollen, gehören somit ebenfalls zudiesem imaginierten Rahmen derKommunikation. Die einzelnen Formen der Bezugnahme auf das Sichtfeld und den Handlungsraum des Lesers werden wir nunweiterverfolgen. 2.2.1. Präsentation desDenkmals

Der Ausgangspunkt der frühesten Inschriften ist also die sprachliche Erklärung eines visuell erfaßten Gegenstandes in Hinblick auf seine Funktion; ein Merkmal, welches die Epigraphik mit dem Begriff ‘Beischrift’ erfaßt, wodurch eine gewisse Unterordnung der sprachlichen Botschaft unter das Objekt bezeichnet ist.124 Das Grabmal kündet von menschlichen Handlungen, die mit der Errichtung des Bauwerks zu tun haben. Im Epigramm kommt oft ein schlichter, konstatierender Sprachstil hinzu, der diesen Eindruck von Objektorientierung verstärkt. Diese Sichtweise von der Funktion des μ μ μ α αoder σ ῆ , die mit seiner Beständigkeit ν ῆ verknüpft ist, macht es verständlich, daß neben dem Verstorbenen das Denkmal selbst im Mittelpunkt früher hexametrischer Epigramme steht.125 Die einfachste Formeines solchen Epigramms ist dieKennzeichnung desGegenstandes durch ein Appellativum sowie derHinweis aufseinen Aufstellungsort durch die Verwendung des deiktischen τόδε.126 In unserem ersten Beispiel berichtet das Denkmal selbst vonseiner Erbauung (CEG 1, 152):127 ̣ μ ν α , |Π ά ϊδ η Δ μ ᾶ ρτό ςὁπ τ α ὲ γ ν δ ᾽ο υ εν].128 ευhσ τ ἶ [oν?ἔ

123 Vgl. hierzu auch C. SEGAL, Zuschauer undZuhörer, in: J.-P. VERNANT, DerMensch in der griechischen Antike, Frankfurt / NewYork / Paris 1993 (ital. Rom 1991), S. 219– 254, bes. 222 („ Sehen, Denkmal undErinnerung“ 219– ). 124 Ebenso gewinnt die bildliche Botschaft erst mit dem Aufkommen der figürlichen Grabreliefs oder Grabstatuen eine eigenständige Bedeutung; für Homer wardagegen daseinfache Zeiβ ο ηsowie RAUBITSCHEK ή λ ςundστ chen des Grabs ausreichend, vgl. die Belege für τύμ

1968, S. 6f. 125 Bis um560 v. Chr. sind fast alle Epigramme hexametrisch, WEST 1974, S. 2. 285). 126 Vgl. PEEK, Typus B I 1 und2 (GV52–136 und 137– 650? 127 Amorgos, ca. 700– 128 Es handelt sich umeine Felsinschrift. Zur Konjektur ἔτευ νsiehe PEEK, GV 1413 und ξ ε HANSEN in CEG 1, S. 84; HANSEN, ebd. weist mit Recht die älteren Versuche, statt μ α νeinen Dativ auf -ιoder -τ ι zu lesen, aus epigraphischen und philologischen ά ϊδ η Δ Gründen zurück.

59

Die ‘Appellstruktur’derEpigramme Deidamas (berge

hiergebaut (?).

ich/ halte ichhier fest?), derVater Pygmas hat dieses Haus

Ein ähnliches Motiv verwendet CEG 1, 71 (= IG I3, 1263):129 ρἐπ · π [ὲ α τ έϑ ] ϑανότ Dies hier ist das Grabmal des [– ]kleides. Der Vater hat es über dem Toten

errichtet (?).

Wie sehr das Denkmal imMittelpunkt steht, zeigt CEG 1, 139.131 Seine Errichtung erscheint fast wichtiger als die Kunde vom Toten, was in diesem Fall ver-

ständlich ist, dadieFreunde Pflichten gewürdigt wissen wollen:

derFamilie

übernehmen

unddies wohl auch

Ϝ ίσ ο νπ μ ν ο α ᾶ ίεσ ι], τ [ν δ εμ ό εϑ ό α ν ιτ ε λ έ α ρ ιτ ξ Π [τ ο ι|σ ]ο ῖρ οδ ᾽ἑτα τ ῦ ρ έ τ ε α α σ τ ν εν ο ς ά χ νβ α έ μ χ α ᾶ ν|ἐξετέλ ο ρ ]. ε [ν μ α ά εσ νκἐπ ο ]ϑ [α γ ᾽ὰ τ ν νἀ ο γ έρ

Für den toten Praxiteles hat dieses Grabmal hier Vison gemacht. Dieses Denkmal aber haben die Freunde aufgeschüttet, schwer stöhnend, ein Werk für seine guten Taten, undhaben es aneinem Tag vollendet.

Vondenkurzen Hinweisen aufdieErscheinung desGrabes undderBeschreibung der Umstände, unter denen es errichtet wurde, ist es nicht weit zumLob des Denkmals als eines künstlerischen Werkes (CEG 1, 26 = IG I3, 1265):132 α : κὰ|δ εμ ισ τ ίο᾽σ χ ρ ό δ τ ᾽Ἀ ε ε ίλ φ ς ςφ ,: ελ τ ῦ ὲτο ε ο|σ ς: δ ᾽ἐπ ὐ κ οί|ε Ε ίδ μ ν ό ,: λ νκα ε σ ε κ εΦ :δ ᾽ἐ π ὐ ᾽α τ ο ι: ϑ |α ο ίδιμ ο σ φ ό ε|ν τέλ ς. σ Dies hier ist dasGrabmal desArchias undseiner Schwester. Eukosmides aber hat dies schön gemacht; die Stele hat dertüchtige Phaidimos darauf gesetzt.

Das ist allerdings schon eine sehr direkte Art undWeise der Rezeptionssteuerung.133

2.2.2. Deiktischer Verweis auf die Topographie

DenVerweisen auf denGegenstand, demsich derLeser gegenüberfindet, treten Bezüge auf dastopographische Umfeld desDenkmals zur Seite. Auch hier bedienen sich die Dichter sowohl derentsprechenden Appellativa ‘Weg’, ‘Erde’u.ä. 129 Attika, ca. 500? 130 Vgl. CEG 1, 23 = IG I3, 1203bis (Attika, ca. 550– 525?): Σ ιά δ εμ οτ ό δ εσ α– εμ ––]. 131 Troizen, ca. 500? 132 Attika, ca. 540– 530?; HANSEN notiert nach Ε ὐ κ οnoch Platz für einen Buchstaben am Zeilenende. Φ ο σ ο φ α ό ίδιμ ςist imSinne vonΦ ο α ίδιμ ό ςσο φ ςzuverstehen, vgl. IG I3z. St. 133 S. auch ECKER 1990, S. 120ff. (zu CEG 1, 139) und S. 138– 149 (zu den ersten Künstler-

[

signaturen).



60

Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

als auch deiktischer Pronomina oder Adverbien (ἐ ). Einen solchen, ϑ ν ά ε δ ; τῇ ε δ vomStandpunkt des Lesers aus hinreichend eindeutigen adverbialen Verweis enthält etwa CEG 1, 40 (= IG I3, 1243):134 ̣ α τὀ ά δ εσεμ α μ οἐνϑ τ ά ρ λ ὸ έ ο α ικ ςΔ ιδ π ςπ α | τ ισ |σ ]. ρ [ς ·τ α ο ὸ|γ ν τ ν ό α ςἐσ τ ν ὶϑ έ Π ε ισ ιά α χ ε ε κ έϑ ςκα τ ργ ὰ

Das Grabmal des Damasistratos, Sohn des Epikles, hat Peisianax hier hingestellt. Denndasist dieEhrengabe fürdenToten.

εbeinhaltet nicht eigentlich eine Information, es fungiert als bloßer δ ά ϑ ν Ἐ . imSinne von‘Schau, hier ...’ ZumDenkmal selbst oder doch zu seiner unmittelbaren Umgebung gehört die Erde derGrabanlage, die in manchen Epigrammen genannt wird. In CEG 1, 69 (= IG I3, 1234)135 wirdderVerweis aufdiesen Teil desSichtfelds miteiner vertikalen Zeiger

‘Lenkung’derBlickrichtung

desLesers verbunden:

[Ἀ ]λ κ α ίμ χ ν , ε λ σ υ φ ὲκ]|α τ εχ[υ νσ ᾽ ό ῖ ἐκά , εὔ α σ δ ο γ χ ὰ τ σ ό ρ ο [ν α κ]|α φ νhέ ᾶ σ α ν ,π ό υ τ ιν ὶπ . ν έ ον χ ᾽ἀρετ |τ



Alkimachos, dich, denruhmreichen, hatdieaufgeschüttete Erde unten verborgen, denklugen undtreuen, derjede Tugend besaß.

Verschiedene Bestimmungen zur Angabe des Orts –deiktische Pronomina, Appellativa unddasPraefix κ α in tmesi –kombiniert derVerfasser vonCEG 1, τ ά

76 (= IG I3, 1517):136

ίλ ο |ν κ ε 137Φ ῖτ α ι·|τό ἐνϑάδ|ε ν δ εκ|α ν(sic), ῖ ἐ|κ α γ ε φ σ ὰ υ τ λ ά ν α υ τ ίλ ο ν , |hὸ ῦ α κ ο ιπ ε δ έ . χ ᾽ἀ|γ ά δ ϑ υ α α σ φ |ρ

|



Hier liegt Philon. Denhat die Erde unten verborgen, einen Seemann, was seinerSeele wenig Gutes gegeben hat.

Daes sich bei demToten umeinen Seemann handelt, signalisiert der Verweis aufdieErde auch, daßPhilon dergefürchtete Todauf demMeer erspart geblieben ist.

AufdieKoordinaten derTopographie nehmen auch Präpositionen Bezug, denn fürdassprechende Denkmal wiefür seinen Betrachter gibt es immer einObenund Unten (CEG 1, 113):138 520?; vgl. auch PEEK, GG, S. 8. 134 Attika, ca. 530– 135 Attika, ca. 500?; zu den einzelnen Bestandteilen einer griechischen Grabanlage vgl. B. 397, bes. 373ff. sowie K. STÄHLER, ‘Grabbau’, KÖTTING, ‘Grab’, RAC XII, 1983, Sp. 366– 408, ferner MORRIS 1992, S. 128ff. 429, hier 399– RACXII, 1983, Sp. 397– ό νδ έ(= 136 Eretria (attische Schrift), ca. 500– 480?; mit älteren Ausgaben auch IG I3, 1517: τ ). ZumVerständnis s. HANSEN, CEG 1, S. 45f. ή τ ό νδ 137 HANSEN, CEG 1, S. 45 vermutet, daß hier der Steinmetz irrtümlich das sehr viel gebräuchlichere ἐ ) eingemeißelt hat. ε δ ϑ ν ά δ εstatt des metrisch richtigen τειδ ε(= τῇ 480? 138 Böotien, ca. 500–

Die ‘Appellstruktur’derEpigramme

61

̣ λιγ μ ν μ ᾶ ᾽ἐ π έ|δ ᾽Ὀ ρἐ|π τ ὲ α ι{ι} μ α εϑανόν|τ ᾽ὁπ κ ε ι έϑ ϑ Ὀ σ ίλ ο ς ,ο ν|ἀπ ε ἱ |π φ ο ο ςϑεκ ϑ . ς ο έν ϑ εν ίμ Als Grabmal hat mich der Vater über demtoten Oligedas aufgestellt, Osthilos, demer durch seinen Tod Leid verursachte.

ιϑ έν α ι, Hier spielt derEpigrammdichter mit einer doppelten Bedeutung von τ daser einmal konkret fürdie Aufstellung desGrabes, einmal abstrakt für das Verursachen von Leid verwendet. Diese Verzahnung der faktischen Ebene mit der Ebene der subjektiven Bedeutung für denAngehörigen wird durch die Alliteration / βauch phonetisch unterstützt. /φ derKonsonanten τ/ ϑ undπ Mit einer komplexen antithetischen Struktur arbeitet dasetwas später datierte Gedicht CEG 1, 98:139

̣

ρ|ὄμ νπ ῦ ῆ ι|δεὈ ὲ τ᾽ἀ ρ μ ε τ κ α α οτ φ είλ σ ά ςμ , ς ο σ η ν ὀ σ τ έ α δἀν|ϑ ρ ο δ ςὅ ε ῶ ό ςχ ν φ εμ ᾽ἀ χει. ὶςἔ ᾽ Oneso hat hier das Feuer denAugen entzogen, die Knochen Das Fleisch der aber hält ringsum dieser blumengeschmückte Ort.

Auf den ersten Blick werden hier nur Verbrennung und Bestattung als zwei Teile desBestattungsrituals gegenübergestellt. Darüber hinaus aber hatderDichter noch weitere Antithesen von Unsichtbarem und Sichtbarem, Totem undLebendigem, konstruiert. Das Motiv der Blumen auf demGrab140 –dessen weitesten Ausschmückungen wir nicht zufällig imBuchepigramm wiederbegegnen werden –bedeutet schon eine Loslösung vomrealen Rahmen derLesesituation, denn es bezieht sich aufnichts, wasdort immer zusehen ist, sondern aufdentemporären Schmuck. Wenngleich die Imagination ihren Ausgangspunkt am Grabdenkmal selbst nimmt, ist diese Gestaltung eines idealen Zustands der Stätte schon eine weitergehende Form derLiterarisierung, vondereinWegzurEkphrasis führt. Neben denVerweisen auf die unmittelbare Umgebung des Denkmals sind Bezugnahmen auf seinen Standort vor der Stadt oder an anderen bemerkenswerten Plätzen die häufigste Form, in der der Text auf Elemente der Kontexttopograpie rekurriert. Besonders häufig ist das ‘Motiv des Weges’, das auch in CEG 1, 16 (= IG I3, 1197)141 begegnet: 139 Athen, in der Nähe desDipylon gefunden, um400? 140 Vgl. PEEK, GG, S. 34 undNr. 58, 147, V. 4, 341, 462, V. 6, 463, V. 25; Anth. Pal. 7, 22f.; 7, 31; 7, 321 u. a. DasMotiv hält sich auch injüngeren Stein- undBuchepigrammen, vgl. GV 840 (Demetrias, Thessalien, 3. / 2. Jh.), GV 1409 (Nîmes, 2. Jh. n. Chr.?), GV 1970 = IGUR 1148 (Rom, Kaiserzeit); GV 2005 (Carales, Sardinien, 1. / 2. Jh. n. Chr.). –Im Buchepigramm entwickelt sich das Gegenbild des vernachlässigten, dornenbewachsenen Grabes, z. B. Anth. Pal. 7, 315, dasauf das Steinepigramm zurückwirkt, vgl. GV1409, V. ὴκα ή ν ὸ , μ κ ρ η 1f.: ἄ τ ῳ ή τ ο μ ἐ ὴβά π ν έ ὶ τύμ|β ςα ὐ ν χ ϑ ε ο ιτ απ ο λ λ ὰγ ονεοδμ ῳ ,/ μ ρ ν(= GG341, V. 1f.: Blumen mögen sprießen in Fülle aufdeinem frischen Grabe; ο ίπ υ α ἰγ nicht struppiger Dornstrauch, nicht garstiger Ziegenbrand ... [Übersetzung ebd. S. 199]). 141 Attika, ca. 550?; zumNamen s. LGPN 2, S. 68 und TRAILL, PAA 210195; die Ergänzung ρ ό ο ν φ ο ό ςἀ ν δρ ς , akzeptiert bei IG I3, 1197) scheint etwas frei und des 2. Hexameters (σ ϑ wirddaher hier nicht übernommen; ἀγα οbezieht sich aber mit Sicherheit auf denToten.

62

Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

μ α – |– –– ρ ο χ έν ε ό δ εσ[ε ςτ Ἀ ] ν ο ϑ ρ ο ρ οκ ό ςἀ ]. α ν ς ὶ[σ φ δ ό ὺ γ σ ε ςho|δ τ σ ἔ ᾽ἐν oῖἀγα Archeneos hat dieses᾽(Grabmal?) ... aufgestellt nahe am Wege, (das Grabmal?) desguten und(klugen Mannes).

Auchdies ist dieGeschichte einer Bestattung, genauer: ihres letzten Teils, der Errichtung eines Grabmals. Während jedoch die homerischen Helden die Grabmäler ihrer herausragenden Kämpfer am Strand errichten,142 um die Kunde in ganz Griechenland zu verbreiten, mußhier die Straße demselben Zweck dienen. Einen öffentlichen Ort hat auch Kosina für das Grab des Hysematas gewählt (CEG 1, 136):143 ο σ ίν α ά τ νϑ hυ ο ιο α μ σ εμ ό ρ δ ]|έ ο ςhιπ α[π α ψ λ ά μ α κ α ὶ|[ἐ ις ο ᾶ ν ρ αἀ|[γ ,π έν , μ ο ]ν λ ῖςμ ο ν δ [ό ἄ ]ο ]ϑ σ α β α νὀλ έσ α ν τ α ν ννε|α ε ο , ]ίμ ϑ ι[φ ο λ ο νhέ έμ ὰ νπ ρ ἐ α νκ ὶσ|ο ο ι. ρ ία ικ ό λ ο φ σ ό|φ εϑλ ,ἀ α νhα ν ὸ φ ο ρ

(A)

(B)

(A)Ich, Kosina, habeHysematas, einen guten Mann, naheamHippodrom begraben, vielen Zukünftigen zurErinnerung; (B) als einen, der, imKrieg gefallen, seine frische Jugend verlor, klug, waffentragend undweise für sein Alter.144

CEG2, 597145 variiert dasMotiv vomGrab amWegesrand: μ α| α π ν ῆ ό , ξέν ρ ά ίχ ω ε νἀ τρ τ νσ ε ῖα ,φ οσ ε ζ ε α ἰπ ὴ ή τ ω ν ν ἔλ εν ιπ ,ο ο ν| ε ν ἳγ ν τ εκασιγ π έ [ὧ ]ν [Ἱ ρ ]έ ω ν ο ἔμ λ μ ε α νπ τ ο ύ α σ ςβ ίλ ε ιαἈ ο| · δα ή ρ γ α ιὑπ ὸ λ λ ιπ ρ ῶ α ιϑ μ ὸ ν υ ἀ π ρ ο ο λ π ιπ ώ ν .



Wenn duden steilen Pfad betrittst, Fremder, betrachte das Grabmal der fünf Brüder, die die Familie verließen. Vonihnen kamHieron als letzter ins Reich des Hades, nachdem er in hellstrahlendem Alter das Leben zurückließ.

520) und CEG 1, 74 = IG I3, 1278 Vgl. ferner CEG 1, 39 = IG I3, 1255 (Attika, ca. 530– (Attika, ca. 500– 480?); zumMotiv desWeges s. ECKER 1990, S. 176f. 142 Das Denkmal mit dem bereits behandelten Epigramm CEG 1, 162 (vgl. oben S. 55 mit Anm. 114) verbindet mit seiner prominenten Lage einen praktischen Zweck als Wegweiser fürdie Schiffer. Zurliterarischen Entwicklung desMotivs vomGrab amMeer in der griechischen und lateinischen Dichtung außerhalb des Epigramms vgl. T. E. V. PEARCE, The 115. Tomb bythe Sea. The History of a Motif, Latomus 42, 1983, S. 110– 500?; zu den öffentlichen Räumen in der archaischen Polis s. T. HÖLSCHER, 143 Argos, ca. 525– Öffentliche Räume in frühen griechischen Städten, Heidelberg 1998 (Schriften der Philos.hist. Klasse derHeidelberger Akademie derWiss. 7). Eine Wettkampfstätte fürLauf-Agone, wennauchkein Hippodrom, gehört schon zurodysseischen Phäakenstadt, ebd. S. 27. 144 Text undÜbersetzung desEpigramms sind nicht unproblematisch. PEEK, GV,S. 79 zuNr. 305 stellt dielacuna in Vers 1 als ϑ α ςwieder herundvermutet das Subjekt in ]έ λ π [ν α ψ ά ι. Gegen eine solche Form als Nom. Pl. wendet sich HANSEN, CEG 1, S. 74. Für uns ία ικ λ hα kommt es hierjedoch nuraufdieBeschreibung derÖrtlichkeit an. 320. Die Wirkung dieser Inschrift wird durch den Gleichklang 145 Attika, Rhamnus, ca. 330– ρ ῶ ι ... -λ α ν... λιπ ἔλ ιπ ο νnoch verstärkt. ώ ιπ

Die ‘Appellstruktur’ derEpigramme

63

Dieersten beiden Verse beziehen sich nicht einfach nuraufdiebesondere Lage des Denkmals. Sie berücksichtigen auch die Situation des Lesers, genauer: die Steilheit des Weges unddamit die Umstände, die die Bereitschaft zur Lektüre beoder aber befördern könnten. Diesen Beispielen von Steinepigrammen ausdemspäten 6. undfrühen 5. Jahrhundert ist eine gemeinsame Perspektive zu eigen: Sie wenden sich vom Standort desDenkmals als demUrsprung desräumlichen Koordinatensystems (der BÜHLERschen O rigo’ des Zeigfelds) ausgehend an ihren Betrachter und Leser.146 Durch ‘ auf den raum-zeitlichen Rahmen, der Denkmal und Rezipient die Bezugnahme während der Lektüre verbindet, wecken sie die Aufmerksamkeit des Lesers und setzen so die Verbreitung ihrer ‘Kunde’ in Gang. Die Ort undDenkmal beschreibenden Elemente imText sind keine Erklärungen, denn sie beziehen sich auf Dinge, diederBetrachter sieht. Sie dienen der Vergegenwärtigung der Rezeptionssituation underinnern denLeser an seine Aufgabe innerhalb der Gemeinschaft. DenkmalundAufstellungsort gehören fürdiese Gruppe derLeser mitzurBotschaft. Der Situationsbezug derEpigramme ist schließlich auch an einem differenzierten Gebrauch derTempora zubeobachten. Vonder dominierenden Gegenwart aus werden Vergangenheit und Zukunft definiert. Im Vergangenheitstempus werden TodundBestattung, seltener dasLeben des Verstorbenen geschildert.147 In einzelnenFällen deutet sich an, daß dasZeigfeld des vomDichter in Vorwegnahme gestalteten Sprechakts fiktionale Elemente aufnehmen kann, die die reale Situation amGrab zwar nicht verfalschen, aber dochbeschönigen können. hindern

2.3. Emotionale undmoralische Appelle

Eine Veränderung, die das griechische Epigramm besonders seit klassischer Zeit erfährt, besteht darin, daß das Denkmal allmählich aus demthematischen Zentrum desTextes rückt. Wichtiger als dasMahnmal unddie Erinnerung andenToten wird den Epigrammdichtern die Interpretation des Todesfalls. Allgemeinen Reflexionen undReferenzen auf den‘kulturellen Kontext’vor allem der Bürgertugenden wird auch in privaten Inschriften mehr Platz eingeräumt. Diese sind nunfür

die Gegenwart des Rezipienten von größerem Interesse als die Verbreitung des Namens eines Verstorbenen. Dieser Prozeß beginnt jedoch schon in archaischer Zeit. Bereits in demrelativ frühen Tetichos-Epigramm (CEG 1, 13 = IG I3, 1194bis)148 erschöpft sich derBezug auf denOrt des Denkmals nicht mehr in der bloßen Bezeichnung der Stelle. DieBewegung despotentiellen Lesers, dasVorbeigehen, wird so genau wiemöglich nachvollzogen. Jeder (männliche) Passant ist in der Anredeformel inbegriffen. DerLeser wirdaber auchzumSprechen aufgefordert, woran sich einAppell andas moralische Empfinden schließt: 146 Auch PHILIPP 1968, S. 25 stellt mit KAROUZOS fest, daß bei der Betrachtungsweise der Werke derbildenden Kunst „ der Standpunkt unddie Sehweise der Menschen immer mehr in denVordergrund rücken“ .

147 Z. B. CEG 1, 12 und43 (= IG I3, 1178 und 1213). 550? 148 Attika, ca. 575–

64

Dasgriechische Epigramm undseine Leser [ε ρεἴτ σ εἀ ]ςτ ἴτ τ εχσέν ό ο ιςἀ ὲ ν ς|ἄ ν ὸ ϑ λ ἐ ν ε ϑ ο λ ο , ρ ίτ α νοἰκτίρα νπ ο ιχ ὸ ϑ ρ έτ Τ γ α δ ν ᾽ἀ |ς ἄ ι|φ μ ο λ ο έ ν π ρ ὰ ν ἐ ν α έσ λ , νεα ὀ ν . ν α hέ ο ε |τ β ϑ εν ίμ μ ν . τ α ῦ τ μ ε ν ο ινεσ ϑ ό ϑ εἐπ α γ γ ρ ά ᾽ἀ ᾽ἀ ρ υ ᾶ π ο δ π |ὶ

ObeinStädter, obeinFremder, vonanderswo kommend, Tetichos beklagend, einen guten Mann, soll ervorbeigehen; einen, derimKrieg gefallen ist undder seine frische Jugend verloren hat. Darüber trauernd wendet euch zueiner gu-

tenTat.

Die Rede des Steines geht, so kann mansich vorstellen, vondemOrt seiner Aufstellung an der Ausfallstraße der Stadt aus, auf der die Reisenden in beiden Richtungen verkehren. Mit diesem Standort in der Öffentlichkeit wird aber eine erzieherische Absicht verbunden, die denAdressaten undsein Handeln ins Zentrum stellt.149 Auf ganz schlichte Weise, mit einem Wunsch für das Wohlergehen des Lesers, verfährt so auch der Sprecher eines böotischen Grabes (CEG 1, 110):150 ·|τ ιο σ ᾶ ρ ο . λ α ία λ α τ Κ ίϑ ὺδ , [ὀ ᾽ ο δ ὐπ ο ] |π ρ ἰγ ᾽ε |Α α DesKallias, Sohn desAigisthos. Duaber maches gut, Vorbeikommender.

Der Dichter eines etwas jüngeren Epigramms verbindet die Vorstellung der lernfreudigen Weltoffenheit, die mit der Odysseereminiszenz in V. 1 assoziiert σ τ ο ίund werden kann, mitderGastfreundschaft desVerstorbenen.151 Trauernde Ἀ ιsind nicht einfach nurpotentielle Passanten, sondern von seinem Schicksal ο ίν ε ξ betroffene Freunde. DasMotiv desWeges ist hier zueinem Lob desReichtums an auswärtigen Beziehungen undderGastfreundschaft variiert (CEG 1, 123):152 ̣ Γά σ σ τρο|ν ο ςτόδ|ε α μ ᾶ οξ|έ σ ο|[ῖ λ λ ιλ ] ά |φ ς μ ολ οὃσ π ν |α |ς ῖ|ς το σ ἀ ὶξε|ί α κ ιςδο|κ ο ν . νἀνία|ν εϑαν|ὸ Dies hier ist dasGrabmal desgastfreundlichen Gastron, dersehr vielen Städtern undFremden mitseinem TodKummer bereitete.

DerBezug zurLesesituation ist hier lockerer als imTetichos-Epigramm, auch wenn ‘Städter undFremde’ ebenso die Gruppe der Freunde wie die der Leser (Passanten in beide Richtungen) anspricht. Die Entwicklung solcher epigrammatischen Formeln undMotive zeigt sich im Vergleich der bisher besprochenen Bei-

149 S. oben S. 43ff. zu den ‘erzieherischen’ Inschriften bei Herodot und S. 46f. zu den Hipparchosstelen; ferner ECKER 1990,

S. 169f. zurAnrede in CEG 1, 28 (dazu s. unten S. 66).

150 Haliartos, Böotien, ca. 500? 3: ... ὃ 151 Vgl. Od. 1, 1– ο η... / π π λ γ ω νἴδ λ ςμ λ ϑ χ νδ ά νἄ ῶ λ ά ε α ε απ τ ο ᾽ἀνϑρώ σ λ λ ὰ/ π ιλ ό ; zuφ ν ν γ ο ω ε ξ ς(hier kein Name) vgl. HANSEN, CEG1, S. 67. ν ἔ ο ό α ὶν κ 425?; charakteristisch für dieEntwicklung desEpigramms ist eine Ten152 Thessalien, ca. 450– denz zugeschlossenen Formen, diebesonders durch Endakzentuierung erreicht wird. So ist hier derGedichtschluß auch deremotionale Höhepunkt desEpigramms, vgl. die Beobach104. tungen vonLAURENS 1989, S. 101–

Die Appellstruktur’der Epigramme

65



spiele mit einem Epigramm, 1, 167):153

das ein halbes Jahrhundert später entstanden ist (CEG

υ|ν ο(sic) γ τ [ς ] το ὸ νπ|ά ῆ ὸ ικ δ α ςὁ ν δ ετ ὸσ|ῆ ἐσ λ ή τ α α μ ρ λ · ν|Ἀ ς ο ιμ εω ϑ ρ ]η ςἐσ|[τ ν ίη ό ]ì καταπ σ φ α π |[έ σ γ α ϑ ῆ ςΕὐω |[π η ί]δ ςτό ῆ δ εμν|[ῆ γ ςδ α ]μ ᾽ἀ|[ν ὀρ τ] ἀ ἐπ έσ ῆ τ α ὐ ά ρ α ν η σ ε , τοπ ν . η |τ ιςἔ ιτ ο |κ



Dies Grabmal einer edlen Frau hier andieser belebten Straße gehört dertoten Aspasia. Für ihre gute Sinnesart154 hat ihr Euopides dieses Grabmal aufgestellt, dessen Gattin sie war.

Der Beginn des Epigramms zeigt schon in der Akkumulation der Pronomina eine Fortentwicklung des einfachen deiktischen Bezugs auf Ort und Gegenstand. Die Beschreibung des Weges als ὁ δ ὸ ς... λ ρ εω ο φ ό ςverweist sicherlich auch auf

den Wunsch, möglichst viele Passanten möchten das Grabmal betrachten.155 Auf diese erweiterte Vorstellung des sichtbaren σ μ αfolgt die Erläuterung seiner ῆ Funktion als μ μ αfür den Ehemann. Mit der Erinnerung an das harmonische ῆ ν Verhältnis der Eheleute werden –für das Epigramm –neue Emotionen geweckt. Alsinteressierte Leser(innen) wären nunmehr auchFrauen denkbar.156 Die Einbeziehung des Lesers wird in diesen Epigrammen nicht nur durch die Referenz auf die sichtbaren Bestandteile des Denkmals und seines Umfelds, sondern auch durch deren Deutung im Sinne gemeinsamer, zeitspezifischer Wertvorstellungen geleistet. Eine Orientierung auf denRezipienten ist also nicht nurin den Epigrammen mit expliziter Anrede an den Passanten zu beobachten.157 Dies sind sicher nochganz einfache Mittel, denEpigrammleser anzusprechen, undsie dürften die Verfasser der Inschriften literarisch auch nur wenig gefordert haben. Aber genau hier liegen die Anknüpfungspunkte für die ambitionierten Epigrammautoren derhellenistischen Zeit.

2.4.

Appelle durch konkrete Handlungsanweisungen

andenLeser

Die meisten Epigramme beinhalten also einen emotionalen oder moralischen mit dessen Hilfe die Handlungsweise des Lesers beeinflußt werden soll, auch wenn dies nicht immer so explizit wieimTetichos-Epigramm ausgesprochen wird. Imfolgenden sollen einige besonders direkt formulierte Anweisungen an den Appell,

153 Chios, ca. 400? 154 ὀρ ήist hier positiv, vgl. dagegen die misogyne Äußerung des Semonides 7, V. 11 WEST, γ ὴ νδ über dieausdemFuchs entstandene Frau: ὀρ γ νἔχ ᾽ἄ ι. ε λ λ ο τ ίη λ ο λ ᾽ἀ 155 Vgl. Il. 15, 681ff. (... π ο/ ν τ ή ρ σ α ο α η τ ὶἄ ρ τ ο ο σ α νκ τ υδίη ι/ λ φ ό ϑὁδό α νπ ο λ έ ε έἑϑ ςτ ν ρτ ῶ π ὲ α ν υ ῖκ δ ε ὲγ ) unddieobenangeführte Passage ausHerodot ρ ε ς ςἠ ν έ ἀ · (1, 187, 1): ὑ ᾽τεσ μ ά λ ισ τ α λ εω ρ φ ό ω νπ υ λ έ ω ν τ ο ῦἄστε . ε ο υ τ κ ά σ α ο ῇ κ α ςτά φ ο ν ἑ ω υ τ 156 ZudenDenkmälern undVersinschriften für Frauen in Attika vgl. BREUER 1995, S. 48f., 81. 1599 (Gruppe B IV). In der Chronologie steht in der PEEKschen Typologie 157 Vgl. GV 1209– 1185), die schon im 7. Jh. beginnt, die Ich-Rede des Denkmals (Gruppe B III 1, GV 1171– ganz oben. Formen derAnrede andenBetrachter (Gruppe B IV) finden sich seit dem6. Jh. DieEntwicklung gehtvomDenkmal zumBetrachter alsdemMittelpunkt desEpigramms.

66

Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

Rezipienten betrachtet werden. Mit am häufigsten begegnet dabei die Aufforderung, zumDenkmal hinzuschauen. Wir hatten bereits festgestellt, daß das Lob des Denkmals zwar einerseits Ausdruck des Repräsentationswillens der Stifter ist, andererseits aber mit Bezug auf einen möglichen Betrachter gesprochen wird. Man kann die explizite Aufforderung, das Kunstwerk zu betrachten, mit der homerischen Art undWeise der Kunstbeschreibung in Verbindung bringen.158 Das Motiv des Sehens begegnet etwa in einem Hexameter, derunter einem Grabrelief angebracht ist (CEG 1, 150):159

̣ ̣

ρἐπ ν ή ο ·ἀ λ λ σ ε νho Ν ά χ σ ιο Ἀ λ χ σ ο ίη ᾽ἐσ ς ]. ίδ [ϑ ε ε σ Alxenor

ausNaxos hatesgemacht. Schaut hin!

Mit einer Künstlersignatur ist die Aufforderung zumSchauen in CEG 1, 18 (=

IG I3,1251) 9– 10

verbunden:160 7 litt. nonplusquam6–

] .ι. [() – ] |μ [– – ε ιδ α ὸ ίλ ςπ εφ ςννννν(ν ν ε κ ε ) |κα έϑ τ σ α ά νἰδ ν|αὐ ὸ ε ο λ κ α ς ἐργ ιμ ίδ α ρΦ . ο |τ ὰ τ ... hat mich für die liebe Tochter ... hingestellt, Phaidimos aber hates gefertigt.

schön anzuschauen.

Über die Einladung, Bild und Schrift zu betrachten, deutlich hinaus geht der häufige Appell an die Pietät des Lesers. So begegnet in zahlreichen Epigrammen die Aufforderung zur aktiven Klage, die ein Mitempfinden nicht nur einfordert, sondern auch weckt. In CEG 1, 28 (= IG I3, 1204)161 ist die angemessene emotionale Reaktion desPassanten mitdemSehen verknüpft: ρ ο π ϑ εhὸ ἄ ν σ τ είχ ε[ι]ς καϑοδὸ , ο ν ιν εν ο αμ λ ὶνἄ σ α ρ |νφ ι|κ σ τ εϑ ν᾽σεμ ο σ ο ν ο ρ ά α ς ἰδόν.162 ὶοἴκτιρ Θ α Mensch, derdudenWegentlanggehst, anderes imSinn bedenkend, bleib stehenundklage, wenndudasGrabmal desThrason siehst.

158 ϑ α μ ῦ αἰδ έ σ ϑ α ι, Il. 5, 725; 10, 439; 18, 377, nach SNELL ein „staunendes Ansehen“ , s. hierzu PHILIPP 1968, S. 8, zur Odyssee ebd. S. 9–11; ECKER 1990, S. 149– 161; SEGAL 1993, S. 220; im Epigramm ferner CEG 1, 46 = IG I3, 1215, V. 1 (vgl. ECKER 1990, S. 149) u. CEG 425?): ϑ α μ υ α 1, 124, V. 2 (Thessalien, ca. 450– σ τ ρ ὸ ο νπ σ ῆ ιδ ν . –Hierin liegt ein Anknüpfungspunkt für spätere Epigrammdichter, denen es ummehr als umbloße sprachliche Umsetzung des Bildes geht: die Möglichkeit einer ausführlicheren, stimmungsvollen Ekphrasis. 159 Naxos, beginnendes 5. Jh.; dasdazugehörige Epigramm aufderBasis istverloren. 540; diebisaufeinunsicher gelesenes ιzerstörte erste Zeile kann hier außer 160 Attika, ca. 550– Betracht bleiben; sie ist imübrigen nicht bestätigt worden vondenEditoren inIG I3, 1251. 530?; vgl. auch die Hinweise bei IG I3, 1204. 161 Attika, ca. 540– 162 Vgl. CEG 1, 27 (= IG I3, 1240) sowie ebd. 51, 68 (= IG I3, 1219, 1277) und 117. Die Vor-

stellung vomvorübergehenden Leser bildet jeweils denAusgangspunkt derMahnung. Den verständAppell an das Mensch-Sein des Angeredeten bezeichnet ECKER 1990, S. 172 als „ ; s. auch LAUSBERG 1982, S. 117. nisvoll entgegenkommende Ansprache“

67

Die ‘Appellstruktur’ der Epigramme

̣ die vomanErklärung für ̣ ̣ onymen Betrachter eingeforderte Trauer dazugeliefert: ... ἐπ α ε ὶκ ὶ |σ ι ε ν έ ὲμ ϑ ά ν α τ ο ς . DerSprecher desEpigramms rechnet also stets damit, daßderReisende ‘anderes im Sinn hat’, undträgt auf diese Weise der zeitlichen Dissoziierung des Sprechakts durch die Inschriftlichkeit Rechnung. Dies ist eine geradezu ‘rhetorische’ Vorwegnahme des Denkens undder Befindlichkeit des Rezipienten undein frühes Zeugnis für die beginnende Reflexion über Leserpsychologie. Eine direkte Anknüpfung andasGrabritual derἐκ ρ άunddamit eine andere φ ο Variante des Appells an das soziale undreligiöse Pflichtgefühl ist CEG 1, 159:164 In CEG 1, 34 (= IG I3, 1208)163 wird eine weitere

ρ[ε [ὅ ]σ α ὴπ τ ιςμ χ ν ν εϑαν|ό α σ]|έ τ ᾽ὅ ]ύ ᾽ἐ[χ νμ |τ ό ρ ε α φ ν τ , ᾽ὀ[λ ν νμ ο]|φ ῦ ]|α μ · μν[ῆ ρ ν ά σ ε]|ο ϑ [ά ω υ δ ὲΤηλεφ . ς

Werimmer nicht dabei war, als sie michtot heraustrugen, soll michjetzt beklagen. Grabmal desTelephanes. Hier soll derLeser –dieFormulierung in V. 1 bezieht einmal mehr die meisten Passanten ein –durch die Erwähnung seiner Pflichten einem Toten gegenüber zur erwünschten Reaktion veranlaßt werden. In einem anderen, verinnerlichten Sinne wird das Motiv des Trauerns undKlagens in denjüngeren Grabepigrammen verwendet, für die hier exemplarisch CEG 1, 97 = IG I3, 1295bis (Attika, ausgehendes 5. Jh.) stehen soll:

ῆ εχάρι|ν π ισ τ ςἡ ία α ε ςτ δ ο η τ ίρ ςἑτα τ ό ιλ φ | ν δ η ντή λ ή ᾽ἐ|π ασ τ λ λ υ ϑ ὔ Ε ι| ω φ ετά έϑ κ η γ γ η ρ|ἀ μ ή ὰ ν ·μ η ι, Β σ ῶ τ ιό ρ νἔχ τ υ ὸ ὶδα ε ο κ σ α| ἡ λ ικ ία ςτ ῆ ςσ ῆ ςκλαί|ε η έν ς . ιμ ϑ φ ο π ιἀ Als Dank für die süße Treue und Liebe hat die Freundin Euthylla diese Stele

auf dein Grab gestellt,

Biote. Immer

in tränenreicher

Erinnerung beweint

sie

deine verlorene Jugend.

In diesem Epigramm spricht eine klagende Freundin der Verstorbenen. Sie selbst verkörpert Erinnerung (μ η ) undTrauer. Die Äußerlichkeiten der Grabμ ή ν anlage spielen, anders als etwa noch in CEG 1, 167, demGrab amWege, das Aspasia vonihrem Gemahl erhielt, keine eigenständige Rolle mehr. Stattdessen kommuniziert die Auftraggeberin Euthylla direkt mit der toten Gefährtin. Es scheint fast, als blieben andere Leser außen vor. Derfremde Passant wird sich jedoch gerade durch die imEpigramm ausgedrückte Beziehung der beiden Frauen angezogen und berührt fühlen. So enthält das Gedicht doch einen starken emotionalen Appell. Den möglichen Ursachen für einen solchen Wandel des Motivs der Trauer soll weiter unten noch nachgegangen werden. Zuvor jedoch gilt es, die neben den bisher analysierten rhetorischen Strategien wichtigste Appellstruktur des vorhellẹ

̣

163 Attika, ca. 530; die Editoren vonIG I3, 1208 lesen [ἐ ]π [ε ]ὶstatt ἐπ ε ὶ. 164 Thasos, ca. 500; DAY 1989, S. 27f. weist darauf hin, daß Totenklage und Klage des Lesers vor demGrab in CEG 1, 159 schon durch das Zeitverhältnis deutlich unterschieden sind. DieTrauer amGrab istalso keinwirkliches Ritual.

68

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

nistischen Epigramms genauer in denBlick zunehmen: die Gestaltung akte durch dieEinführung fiktiver Sprecher- undLeserrollen.

der Sprech-

2.5. Formen desVerweisens aufdieAktanten imepigrammatischen Sprechakt

Die strukturelle Vielfalt des griechischen Epigramms erschließt sich nach wie vor ambesten aus der systematischen Übersicht bei W. PEEK im einzig erschienenen, denGrabinschriften gewidmeten 1. Band der Griechischen Versinschriften:165 A. StaatsVonden Formen „privater Denkmäler“(B; im Unterschied zu „ 51]) sind die folgenden für unsere Untersuchung besonders Gräber“[GV 1– wichtig: „Formen der Vorstellung des Toten (des Denkmals) (B I = GV52– 629), „Formen des Berichtes über denTodesfall (die Bestattung, die Lebens1170), „Besondere Formen der Ich-Rede“(B III umstände)“(B II = GV630– = GV 1171–1208), „Besondere Formen der Anrede: Gruß, Ansprache, Auf1599) und„ Dialogforderung, Zuspruch, Rat, Warnung“(B IV = GV 1209– 1887). Diese Formgruppen spiegeln im Großen Gedichte“(B VI = GV 1831– undGanzen auch dieChronologie derFormentwicklung wider.166 Nicht alle dervonPEEKunterschiedenen Epigrammtypen mit ihren zahlreichen Subtypen undVarianten können indiesem Rahmen ausführlich besprochen werden. Beispiele aus den Gruppen I undII haben wir bereits unter dem Gesichtspunkt textlicher Bezugnahmen auf denaußertextlichen Zusammenhang betrachtet. Auch im Fall der nunzu untersuchenden Anredestrukturen soll in erster Linie nach der kommunikativen Funktion bestimmter epigrammatischer Redeformen, also: nach ihrer möglichen Verwendung als Appellstrukturen, gefragt werden. Die Gliederung der„Form“ , die für PEEKmiteiner jeweils besonderen Denkweise verbunden ist, folgt im wesentlichen zwei Prinzipien: der Anordnung nach denModi des Zeigens (1) undnach der Verwendung unterschiedlicher Stimmen (2). Letztere werden nachderVerwendung von 1., 2. oder 3. Person unterschieden (Gruppe III, IV, I), wobei eine Entwicklung hinzu komplexeren, auch kombinierten Formen der Rede besonders in der 1. und2. Person zubemerken ist. Für eine literarische Untersuchung wäre zudem die auktoriale oder personale Perspektive

165 PEEK 1955, S. XIX– XXII. Zum Verständnis der Grundformen des Epigramms vgl. auch Thepoet suppresses his ownpersonality; verbs in the first person reguWEST 1974, S. 2: „ larly have the inscribed object or the deceased party as their subject, while those in the

second person apply towhoever reads theinscription.“ 166 Vgl. dazu PEEK 1955, S. XVII: „ ... undüberdies hoffe ich auf solche Weise doch auch so etwas wieeinen geistigen Kosmos geschaffen zuhaben, eine innere Ordnung, in welcher der Begriff Form’weit genug gefaßt ist, umhinter Äußerem auchanderes erscheinen zulassen: ‘ Entfaltung undLeben in geprägter Form; die immer noch ausstehende GeEntstehung, schichte desgriechischen Epigramms, dieganz wesentlich eine Geschichte seiner Form sein 1830) muß, wird sich nun leichter schreiben lassen.“–Die in PEEKs Gruppe B V (GV 1600– zusammengefaßten weiteren „ Denk- und Aussageformen“sowie die übrigen Gruppen B 2095) können wir weitgehend vernachlässigen; sie umfassen zumeist X (GV 1888– VII–

kaiserzeitliche Epigramme.

69

Die ‘Appellstruktur’ der Epigramme

der Sprecher zu berücksichtigen, denn das Spiel mit den fiktiven Stimmen bietet vielfältige Möglichkeiten. Die besonderen Formen der poetischen Darstellung in deninschriftlichen Gedichten, denen mandasBemühen umeine lebendige Kommunikation mit demLesepublikum anmerkt, haben sicherlich dazu beigetragen, daßdas Steinepigramm bei aller Schlichtheit literarische Nachfolger finden konnte. Die Leichtigkeit, mit der die Epigramme ihre Materialgebundenheit überwinden, lebendig werden undvor allem in der Ich-Rede scheinbar eine Art Bewußtheit ihrer Individualität äußern, hat die Forschung immer wieder fasziniert.167 Ein vielbehandeltes Epigramm, aus demvielleicht schon antike Leser einen allzu selbstbewußten Anspruch des Sprechers gelesen haben,168 ist in unterschiedlicher Form undLänge an verschiedenen Stellen derLiteratur überliefert.169 Die Version derAnth. Pal. (7, 153) lautet:

ί, Μ ρ ϑ έν ο α τ ικεῖμ ςεἰμ ίδ α ῆ π α α δ ι. Χ α λ κ ὶσήμ ᾽ἐ π ή ῃ λ , ῃκ ρ μ ὰ τ εϑ α α κ ὶδέν ρ ε α δ εν ά ρτ τ ω ἔ σ δ νὕ ᾽ἂ ῳ υ έν ο β σ α π ο ύ μ λ α λ τ εμ υ κ δ ῷ ῦτῇ ὶτύ ο ἐ π τ α ὐ σ ῦ ι, Μ ιο ίδ ρ α τ ιτῇ δ ετέϑ ςὅ α π ω α π τ α έ ι. λ ε γ γ ἀ Eine eherne Jungfrau binich; ichstehe aufdemGrab desMidas. Solange Wasser fließt undhohe Bäume blühen, werde ich hier auf seinem vielbeweinten

Grab bleiben unddenVorbeigehenden künden, daß Midas hier begraben ist.

Nicht nurdie Behauptung der Unvergänglichkeit, die bei Simonides Anstoß erregte, sondern auch die Form der Ich-Rede, mit der sich zuerst die Statue, vielleicht eine Sphinx,170 vorstellt, bevor ganz amEnde der Grabeigentümer genannt wird, könnten den Anschein einer sprechenden Persönlichkeit erwecken. Dies ist vermutlich der Grund, warum das Epigramm seit dem4. Jahrhundert auf Symposien mündlich zirkulierte, wobei mandie einzelnen Verse in unterschiedlicher Reihenfolge zitieren konnte, ohne denSinn zu entstellen.171 Die hinsichtlich eines vermeintlichen Ich-Bewußtseins durchaus vergleichbare Sprechattitüde einer bei 167 So besonders HÄUSLE 1979b. 168 Dion Chrys. 37, 38: ὁδ ὴ ὲπ ςἄλ ο τ α ιη σ λ μ ς ω απ ιή ο μ ςἐκόμ π α ρ α ζ ε νὁτο τ οτ ὸἐπ ῦ ίγ (Simonides Fr. 57 BERGK). WEBER 1917, S. 537f. bezieht diese Kritik, die er auf Simonides

zurückführt, allerdings nicht auf dasKleobulos zugeschriebene Epigramm, sondern auf das Unvergänglichkeitsmotiv allgemein. –ZumMotiv der Bildkritik vgl. auch NEUMANN 1979. 169 Textvarianten und Testimonien sind in GV, S. 344f., Nr. 1171, 1171a, 1171b abgedruckt. Hauptzeuge ist für PEEKdie Vita Hom. Herod. 11, deren Autor behauptet, das nach Ansicht η ῦ ςτ ο λ τ ικ ῦ νἐ α ὶν ῆ π ὶτ ςστή derEinwohner vonKymevonHomer verfaßte Gedicht sei ἔ μ ή μ ν α τ ο ρ γ α ςἐπ π έ τ ιγ α ι, weshalb derHerausgeber einsteinernes Original des7. / 6. Jh. aus Phrygien oderderAiolis annimmt. Dasist freilich spekulativ. Andere Versionen finden sich im Certamen Hom. et Hes. 15 (= GV 1171a), ähnlich bei Diog. Laert. 1, 89f.; Plat. Phaidr. 264 c (= GV 1171b), von dem Anth. Pal. 7, 153 geringfügig abweicht. Vgl. noch G. MARKWALD, Die homerischen Epigramme. Sprachliche und inhaltliche Untersuchungen, Meisenheim / Glan 1986 (Beiträge zur Klassischen Philologie 165), S. 34ff.

170 WEBER 1917, S. 543f. 171 GUTZWILLER 1998, S. 48 und 116 Anm. 3. Nach WEBER 1917, S. 540 gehört nur die erste Zeile zu einem frühen Steinepigramm. Dagegen FRIEDLÄNDER Anm. 6 sowie RAUBITSCHEK 1968, S. 13f.

/ HOFFLEIT

1948,

S. 9 und

70

Das griechische Epigramm undseine Leser

Photios zitierten olympischen Weihung der Kypseliden zeigt aber, daß sich hinter demStolz des Denkmals das Selbstbewußtsein seines Besitzers, hier einer erfolgreichen Herrscherdynastie, verbirgt (Photios s. v. Κ υ ψ ελ ν ιδ νἀ ῶ μ υ λ νὈ ά αἐ μ η ϑ π ίαι):172

ή λ ρ α ύ τ σ ε ρ ο ικολ γ ό ὼ χ ο σ ςσφ σ ό ςεἰμ ὴ υ ἐ ς ε , ἰμ γ εν ε ά . υ η ψ ε λ ιδ ᾶ ν ἐξ ςε ἴηΚ λ ώ

Wenn ichnicht eine goldgetriebene Statue bin, dann soll das Kypselidengeschlecht ausgelöscht sein.

In beiden Epigrammen behauptet eine Statue ihre Existenz und brilliert dazu mit einer rhetorisch-logischen Finesse. Wie der ‘Nestorbecher’ aus Pithekussai verspricht das Objekt eben etwas Besonderes. In den meisten Versinschriften jedoch ist das ‘Ich’des sprechenden Denkmals nicht als denkende oder fühlende Persönlichkeit charakterisiert, seine Aktivität erschöpft sich in der Sprecherrolle. DieGefahr eines interpretatorischen Mißverständnisses ist hier amehesten zuvermeiden, wennmandas ‘Ich’als einen Rollenträger in der Sprechhandlung begreift, genauer: als eine äußerst wirksame Art undWeise, mit einem Leser in Beziehung zu treten.173 Auch in der Typologie der Griechischen Versinschriften (GV) erscheint die Ich-Rede ihrer Funktion entsprechend als eine einfache Form der Vorstellung des ) μ α μ Denkmals, die zunächst nach Analogie der Inschriften des Musters μ α(σ ῆ ῆ ν τ ό δ ᾽ἐσ ο τ ίντ ῦδείν ο ςgebildet ist. Schon im 7. / 6. Jahrhundert entwickelt sich daraus eine eigene Form der Selbstvorstellung des Monuments.174 Als das älteste Beispiel einer Grabinschrift mit einer Ich-Rede des Gegenstandes, in dem die 1. Person konsequent beachtet wird, gilt GV 51a = SEG 14, 565:175

λ α Γ ύοεἰμ ὶμνῆ|μ ·ἔ|ϑ οΛ α τ ε ίν π τ ε ω ἱΒρέντ|ε εο ν δ έμ α σ ε ε ῖδ . α ς π ω IchbindasGrabmal desGlaukos, Sohn desLeptines. Errichtet haben mich die Söhne des Brentes. 172 Das Anathem wird auch bei Plat. Phaidr. 236 b 3f. erwähnt. Zum Text vgl. D. L. PAGE, Further Greek Epigrams, Cambridge 1981 (im folgenden: FGE), Nr. 92 auf S. 397f. Zur Form des Epigramms vgl. ‘Simonides’ Ep. 110 BERGK = 83 FGE, das allerdings im modus irrealis steht. Ein negierter Kondizionalsatz ist in Epigrammen sonst nicht belegt, vgl. GV, S. 505ff.; ε γ ὴἐ ἰμ ώ findet sich in klassischer Zeit sonst nur noch bei Thgn. 1, 871 YOUNG in einer vergleichbaren ‘Schwurformel’.

173 Vgl. o. dieEinleitung, S. 18f. mitAnm.63 undMARIN 1992, S. 151miteinem interessanten wirkungsästhetischen Vergleich zwischen einem Porträt in Vorderansicht und einem inschriftlichen ego; zwei Arten, einen Betrachter in eine ‘Ich-Du-Relation’ zu involvieren, s. dazuauch dieÜberlegungen bei E. BENVENISTE, La nature despronoms, in: For Roman Ja37. kobson. Essays on the Occasion of His Sixtieth Birthday, The Hague 1956, S. 34– 1185 (Gruppe B III 1). Damit sind die ersten Voraussetzungen zur Entste174 Vgl. GV 1171– hung des Dialogepigramms geschaffen. 164 (mit Abb. 45); RAUBI175 Thasos, Ende 7. Jh.; SEG 18, 338; GUARDUCCI 1, 1967, S. 162– TSCHEK 1968, S. 12; JEFFERY / JOHNSTON 1990, S. 301, 307 Nr. 61 sowie 465; zur Aufnahmein GVvgl. denKommentar vonGUARDUCCI, ebd, S. 162: „ noncomprendo –edanche al. tri sonodelmioparere –perquale ragione l’epigrafe venga dalPEEKconsiderata metrica“

Die Appellstruktur’der Epigramme

71



Es war auch diese Inschrift, die RAUBITSCHEK schon 1968 zu der Feststellung veranlaßte, daß gerade die Struktur der Ich-Rede im Zusammenhang mit der besonderen kommunikativen Situation der Epigramme zu sehen ist.176 Wenn wir daran denken, wie Epigramme aus der durch den Verfasser imaginierten Situation des Betrachters heraus konstruiert sind, wird deutlich, daß auch die Ich-Rede ein leserorientiertes Element ist. In der Situation des Lesens ist es ja in der Tat zuerst das Denkmal, das ‘spricht’, undnicht der Tote. Die Forschung hat unterschiedliche Erklärungsmodelle entwickelt, um das Phänomen derIch-Rede zuerfassen. Dabei kann mandie eher literaturgeschichtlichen Untersuchungen zur monologischen Rede177 von einer mentalitätsgeschichtlichen Forschungsrichtung unterscheiden. Letzterer ging es vor allem umdie Frage, ob die mit Hilfe der Inschrift ‘sprechenden’ Gegenstände von ihren Betrachtern tatsächlich als lebendig wahrgenommen wurden.178 Sprechende Gegenstände wie der Nestorbecher gehören von Beginn an zur Geschichte desEpigramms. So ist es auch zuerst dasDenkmal oder Grab, ein unbelebtes Objekt, nicht der tote Grabinhaber selbst, der in Sepulkralepigrammen spricht. Sprechende Unterweltsbewohner sind dagegen erst seit dem5. Jahrhundert belegt.179 Es scheint also, als sei hier ein bewährtes Stilmittel zur schriftlichen Inszenierung von Sprechakten im Laufe der Zeit ausgeweitet worden. Man kann auch voneiner zunehmenden Personalisierung sprechen, sofern damit das Stilmittel der Prosopopoiia, die Einführung eines personalen Sprechers, undnicht etwa eine RAUBITSCHEK 1968, S. 17 (nach Ch. KAROUZOS, Aristodikos. Zur Geschichte der spätar38): „ Die Säule spricht chaisch-attischen Plastik und der Grabstatue, Stuttgart 1961, S. 33– nicht, sie lässt sich lesen, sie vermittelt demBeschauer etwas, dasihmsonst nicht mitgeteilt werden kann, dasEpigramm wird zumTeil desDenkmals undwird daher so ausgedrückt, wiees demKünstler natürlich scheint.“S. auch LAUSBERG 1982, S. 103 undAnm. 9 auf S. 532 unddie vorzüglichen Beobachtungen bei SVENBRO 1988, S. 37f., nach demdie Ich-Rede die Anwesenheit desObjektes vordemLeser unddie Abwesenheit des Autors markiert. In ähnlichem Sinne ordnet FANTUZZI 2002, S. 424 die Ich-Rede des „ ‘io’epigrafico“der typisch mündlichen, dialogischen Situation vordemDenkmal zu. 177 Vgl. die Literatur bei E. LEFÈVRE, ‘Monologo’, in: F. DELLA CORTE (Hg.), Enciclopedia 570, hier S. 568. Virgiliana, Rom 1987, S. 568– 178 Nach M. BURZACHECHI, Oggetti parlanti nelle epigrafi greche, Epigraphica 24, 1962, S. 3– 54wurde dieVorstellung lebender undeoipso sprechender Steine vonGöttersteinen aufalle Stelen übertragen. Eine Auseinandersetzung mit dieser These findet sich bei SVENBRO 1988, S. 37, 40, 46 Anm. 65, besonders S. 50f. und HÄUSLE 1979b, der S. 128f. allerdings nicht genügend zwischen volkstümlichem Glauben und literarischem Topos unterscheidet (zur 162). Zur inschriftlichen Ich-Rede vgl. ferner T. B. L. Kritik s. auch PORCIANI 1997, S. 160– 21; J. EBERT, WEBSTER, Personification as a Mode of Greek Thought, JWI 17, 1954, S. 10– Griechische Epigramme auf Sieger bei gymnischen und hippischen Agonen, Berlin 1972 (Abhandlungen derSächsischen Akademie der Wissenschaften zuLeipzig 63, 2), S. 21; R. 12; DAY 1989, S. 24ff.; A. C. CASSIO, I KASSEL, Dialoge mit Statuen, ZPE 51, 1983, S. 1– Distici del Polyandrion di Ambracia e l’ Io anonimo’ nell’epigramma greco, SMEA 33, 117, bes. 108ff.; H. PELLICCIA, 1994, S. 101– ‘ Mind, body, and speech in Homer and Pindar, Göttingen 1995 (Hypomnemata 107), S. 52f. Anm.85. 179 Vgl. CEG 1, 108, CEG 1, 24 und die PEEKsche Gliederung in GV. Nach W. PEEK, Grabepigramm ausSelinus, ZPE23, 1976, S. 93f. wurde dieFormin Athen erfunden.

176

72

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

Art p rimitiven’Denkens gemeint ist.180 KASSEL undPELLICCIA verweisen auf die ‘ der griechischen Literatur zumThema der sprechenden Gegenstände.181 Aussagen Es zeigt sich, daßinnerhalb desliterarischen Diskurses vonHomer ansowohl Tiere als auch künstliche Statuen undauch die Toten in derUnterwelt gerade nicht über Sprache verfügen. Ausnahmen wiedie Roboter desHephaist bestätigen die Regel. Bei Bildwerken heißt 182 es immer klar, daß sie wie lebendig erscheinen oder wie sprechend erscheinen, und die im Epos vorübergehend an Tiere verliehene Fähigkeit zu sprechen wird klar vonderjenigen der Menschen, denen sie eigentlich zukommt, abgegrenzt.183 Es fällt daher schwer, die Ich-Rede in den erhaltenen Epigrammen als denAusdruck einer animistischen Denkweise zuverstehen. Dagegen soll hier dieThese vertreten werden, daßdasepigraphische ‘Ich’des sprechenden Gegenstands sich derganz selbstverständlichen Inszenierung derEpigramme als mündlicher Sprechakte verdankt. Ausschlaggebend ist, daß ein personifizierter Sprecher dem potentiellen Leser gegenübersteht, wenn dieser die Inschrift liest. So wird ein direkter Kommunikationsweg suggeriert. Das epigraphische ‘Ich’ ist somit seiner ursprünglichen Funktion nach ein ‘Zeigewort’ (Deiktikon), das zu der Inszenierung der Sprechhandlung als „ aktuelles Sprechdrama“(BÜHLER) amDenkmalsort gehört. Diese Inszenierung ist durch die Abwesenheit desSenders, dieDissoziierung desSprechakts, bedingt, soll diese verschleiern. Es bleibt allerdings die Frage, ob fiktive Sprecherrollen bewußt als rhetorisches Stilmittel eingesetzt wurden. Wurde die darstellungslogische Problematik eines Sprechers, der‘ichbin ...’ b ehauptet undimselben Zugdieeigene Materialität betont –ein offensichtliches Paradoxon –als solche wahrgenommen? Die frühenEpigramme sprechen eine andere Sprache,184 so daß mandiese Ich-Rede der Gegenstände mit PELLICCIA der Ebene einer ‘unbewußten Metapher’185zuordnen möchte.

180 Von ‘direkter Personifikation’ spricht im Anschluß an HÄUSLE auch ECKER 1990, S. 114, vgl. PELLICCIA 1995, S. 23f. –Zur‘Personalisierung’in derErzähltheorie s. o. S. 14 und37. 181 KASSEL 1983, PELLICCIA 1995, bes. S. 52f. Anm. 85 mit Parallelen zwischen Epigrammen undProsaliteratur. DerForschungsansatz dieser Autoren unterscheidet sich damit grundlegend vonder religionspsychologisch argumentierenden Studie HÄUSLEs (1979b). Ein Verdienst HÄUSLEs ist dagegen derVerweis auforientalische Vorbilder (bes. S. 72ff.), vgl. dazu ferner PORCIANI 1997.

Beidiesen Inschriften isteine bewußte Trennung zwischen Darzustel182 Gegen PHILIPP 1968 („ lendem undDargestelltem nicht spürbar ... Dennoch wußten die Griechen natürlich, daß diese Darstellungen auseinem toten Material gefertigt waren. Aberdies Wissen warfür ihr Verhältnis zur bildlichen Darstellung ohne Bedeutung –anders als in der nachfolgenden Phase“[Zitat S. 2]) wendet sich KASSEL 1983, S. 10. 108. 183 PELLICCIA 1995, S. 103– 184 Ganzselbstverständlich erfolgt dieZuteilung derRedegabe in CEG 1, 401(ca. 600) aneine ὶ α Basis, die zugleich auf ihr kostbares Material verweist ([τ ιὰ ςκ ρ μ δ ]ο ὶἀ ν αὐτ ολ ίϑ οἐ ). Vgl. auchdieübrigen vonBURZACHECHI 1962 gesammelten Beispiele. ς έλ α τ ὸσφ 185 PELLICCIA 1995, S. 52 Anm. 85, vgl. auch S. 33f.

Die Appellstruktur’der Epigramme

73



Die für das Epigramm charakteristische Einbeziehung des Lesers und die Funktion der Ich-Rede kann die Inschrift auf einer kleinen, dreiseitigen Grabpyramide ausSinope nocheinmal verdeutlichen (CEG 1, 174):186 τ ό δ ε|σ α ι. μ μ ῆ ό ὸ ςἠ ρ ς|Ν ρ |ϑυγα|τ ο ς|τοΚ υ α δ ά

(A)

ρι|ὼ π α ν| ο εκἀ|π νστῆ|ϑ ίτ τιρ οίκ ηκ α ὶτό|δ ή λ σ ϑ υ|γ τ μ α ῆ ό εσ , τρ α ·ς ἣ ρ π ο|λ η β ςἄν|ϑ ιπ ο σ ᾽ἥ ο ς ε ή τρόϑ π α ς . ομονο|γ τ ε λ εν ὤ |ν

(B)

ϑ ίτ ῆ εκ|ἀ ν|[σ ρ ιὼ π α οίκτιρο|ν π ]τ ηκ|α ή λ σ τ ικῆ εσῆμ δ εν ρϑ ὶτό α π |α , ·|ς ἣ π ρ ο λ ιπ ο σ ᾽ἥβ|η ϑ ο ςἄ ν ς π α τρόϑ ομονογεν|ή . τ ς ε λ ὤ ν |ε

(C)

Ichhier bindasGrabmal derTochter desNadys, desKarers.

(A)

Wenn duvorbeigehst, bleib stehen undklage: Stele undGrabmal ist dies einer Tochter,

(B)

Wennduvorbeigehst, bleib stehen undklage. Stele undGrabmal ist dies einer Jungfrau, die vorzeitig die Blüte derJugend verließ

(C)

dievorzeitig die Blüte derJugend verließ undstarb, alseinzige Tochter desVaters.

undstarb, als einzige Tochter desVaters.

Das Denkmal (σ μ α ) vertritt den Autor als den Urheber des Textes, der sich ῆ ineiner imaginierten Gesprächssituation andenvorübergehenden Leser wendet. So weist τ ό δ εin dem auf der Hauptseite des Denkmals angebrachten Vers auf den sichtbaren Gegenstand, ε ί identifiziert Gegenstand und Sprecher aus der vorἰμ weggenommenen Sicht des Betrachters. Die 2. Person des Imperativs (σ ῆ ϑ ί τ κ ἀ π ο ίκ ) auf (B) und(C) führt das Gegenüber eines imaginierten Lesers ein, ο ν τ ιρ knüpft jedoch auch dabei eng an die Realität an: In welche Richtung sich der vorübergehende Leser auch wendet, er wird zumAnhalten undTrauern aufgefordert. Jede Seite desDenkmals spricht denpotentiellen Leser in derdemAugenblick angemessenen Weise an. AufderHauptseite über demRelief findet sich die wichtigste Erklärung über denInhaber der Stätte. Die Nebenseiten, an die der Wanderer durch Herumgehen umdas Denkmal gelangt, fordern ihn zumandächtigen Stehenbleiben auf. Mit denjeweils letzten beiden Versen löst sich der Text von der äußeren Situation, indem er dem Leser den Grund zur Klage erklärt. Der Text führt auf diese Weise die äußere Situation fort, wendet sich als Denkmal zuerst direkt demLeser zuundappelliert andessen Mitgefühl, wobei vorausgesetzt wird, daß dieser der Aufforderung, stehenzubleiben, gefolgt ist. In seiner Allgemeinheit ist derGedanke desvorzeitigen Todes ganz auf die Bedürfnisse des Lesers zugeschnitten, den nicht der individuelle Tod, sondern der allgemeine, menschliche 450; CLAIRMONT 1970, S. 33f. Nr. 10, s. jetzt MERKELBACH / STAUBER 10 / 06 / 01. 186 Ca. 475–

74

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

Aspekt derAussage interessiert. So deutet sich diese Inschrift ausder Situation des Lesers vor demDenkmal. Sie benutzt dazu eine imaginierte Sprecherfigur (‘Ich’) undein vorgestelltes Gegenüber (‘Du’), deren Rede undimplizit geforderte Reaktion auf das Gehörte denInhalt des Epigramms bilden. Der Text ist somit situationsbezogen, leserorientiert undfunktional, aber auchbewegend. Der kommunikative Aspekt solcher Epigrammtexte, die demtatsächlichen Leser mittels deiktischer Hinweise auf denrealen Rahmen derRezeption eine unmittelbare, mündliche Gesprächssituation suggerieren und ihn in diese hineinziehen, ̣ macht es verständlich, warum die Epigrammdichter neben einfachen Formen der τ ά λ α Ich-Rede wieἐ γ κ|ἐ ὸhέ τ σ α ι(CEG 1, 144 = IG IX, 12, 878) undσ ο μ ὶτύ π 881), die nur ᾽ἐ π ὶτύ|μ νά ε Ξ ι(CEG 1, 146= IG IX, 12, ο ἰμ ρ ςε ίξ ιό hε εο ῦΜ ο ςτ ᾽ auf performative Verben wie verba dicendi zurückdas Denkmal erklären, gerne greifen, die denillokutiven Akt bezeichnen.187 So werden 1. Person undperformatives Verb inCEG 1, 173 miteinander verbunden:188

̣κ ̣ ε τ ]η [– –ἕσ α ,λ γ ω έ δ [ω ]| ς ᾽ὅ λ τ ιτῆ λ επ ο [– –κεῖτ]α ιΛ ].́ ε[ω ρ έω ό γ α π λ ο ο ςὁΜ ξ ... stehe ich (?), ich sage aber, daß fern der Stadt Sohn desMolpagores.

...

liegt

(?) Leoxos, der

Durch die Benennung derFunktion desDenkmals, desλ γ ε ιν , bezieht sich der έ Verfasser desTextes auf denLeser derInschrift, denn nurfür diesen entfaltet das Denkmal Aktivität, indem es zu ihm ‘spricht’. Eine Variation des Epigrammtypus 8 mit verbum dicendi 9findet sich auf einem attischen Weihgeschenk (CEG 1, 195):1

μ α| λ α γ λ δ Ἀ ε εΔ ρ ε ιτ ό ᾽ἄ }ϑ κ έ{σ ιὸ ό ν χ ςμ ᾽ἀ ςκό α ίμ |κ εὐ|χ [ι]. α ρ ὸ οδ ὲπ ι ἐν α τ α ςhῦ τ ε νἐσϑλ χ ὲ ύ λ ε ο ο ςἐπ ν ίο ιρ α ςΧ Alkimachos hat mich, dieses Bildnis, der Tochter des Zeus aufgestellt. Ruhm erbittet (hiermit) der Sohn desedlen Vaters Chairion.

DasBildnis selbst (ἄ γ μ α α ) gibt sich durch die Verwendung der 1. Person als λ Sprecher zu erkennen. Es berichtet von der Rede eines anderen, des Alkimachos. Das Denkmal vermittelt also nur die Botschaft des abwesenden Stifters an den Leser. Hervorzuheben ist jedoch, daß die Bitte des Alkimachos ‘mündlich’ durch 187 T. LEWANDOWSKI, Linguistisches Wörterbuch, Heidelberg / Wiesbaden 51990, S. 787 übersetzt die auf AUSTIN zurückgehende Definition desperformative verb: „ Ein Verb, das den ich sage (hiermit)“... , also z. B. „ Satz gleichzeitig als ausgeführte Handlung kennzeichnet“ Bereits S. GOLDHILL, A Footnote in the History of Greek Epitaphs: Simonides 146 BERGK, 197, hier S. 195 und Anm. 27 vergleicht diese Verwendung von Phoenix 42, 1988, S. 189– ε ινmit der „illocutionary utterance“der Sprechakttheorie. Diese Vorstellung einer λ έγ mündlichen Wissensvermittlung erklärt auch die Wiedergabe von Inschriften als Reden bei Herodot, s. o. S. 43ff. Beispiele fürφ μ in denEpigrammen derAnthologia werίundλ γ ω η έ denbei LAURENS 1989, S. 105f. als eine poetische Rahmentechnik besprochen. 89 Nr.44. 188 Olbia, 490– 480; vgl.jetzt DUBOIS 1996, S. 86– 510?); ἐπ 500? (IG I3, 618: 520– ε χ ύ ε τ α ιbezeichnet das Aussprechen eines 189 Attika, ca. 525– Gebetes oderGelübdes.

Die ‘Appellstruktur’derEpigramme

75

das sprechende Bild übermittelt wird. Da die in diesem Fall an die Gottheit –die mansich als ideellen Leser vorzustellen hat –gerichtete Bitte zugleich auch Gegenstand der Aussage ist, kann mandiesem Satz zugleich konstatierenden undperformativen Charakter zuschreiben. Die schriftliche Niederlegung dieses indirekt vermittelten Sprechakts hat zur Folge, daß der Wunsch des Alkimachos bei seiner göttlichen Adressatin stets präsent bleibt. Aus den Anredeformen der Epigramme schon vor dem 5. Jahrhundert geht hervor, daß der –menschliche oder göttliche –Betrachter des Denkmals in seiner Eigenschaft als potentieller Leser von Anfang an als möglicher Adressat mitgedacht ist. Die Gegenwart des Rezipienten bildet jeweils den Ausgangspunkt für die Vorstellung des Epigrammdichters, der im Moment der Abfassung seines Textes diezukünftige mündliche Situation seiner Vermittlung präfiguriert. Betrachten wir am Ende unserer systematischen Überlegungen noch einmal deneuboiischen Versepitaph ausderMitte des 5. Jahrhunderts, dessen erste Zeile χ α ίρ ε τ ριό|ν ετ ο ὶπ α γ ν|κα ὸδ ν ὸ α ε τ ς ὲϑ ,ἐ α ιzuBeginn dieses Kapitels ειμ κ ά τ zitiert wurde (CEG

1, 108):190

ριό|ν α ὶπ ο ετ τ ε ν|κα γ ν ὸδ ὸ α ι. ίρ ὲϑ α χ α τ ε , ἐ ς ειμ κ ά τ α ι, ἀν|ὲ ρ δεῦ νἀνάνεμ ίςτεδ ετέϑαπ|π ρτ ἰὸ |ο ι α τ ο ε ᾽Αἰγ|ί π σ ίϑ ε ςδ ν ν ε ·· ο ςἀ ᾽ὄν|υ ς ,Μ α εν μ ξ ᾽ἐπέ|ϑ μ ν ε ιμ ο ρΤιμ|α έ τ ε ε κ α ίμ κ εμ εφ ίλ ε ρ τ έ μ ο ιἐ π ᾽ἀκροτ|ά ̣ τύ ν ,| μ ο α τ νἀ κ ε ά ιστέλ ο τ ̣α ̣ τιςἐ ρ ιο σ ιδια|μ ε ρ ῖπ · απ μ τ α ρ ά ὲ ν τ α ςἄ ε hά μ ρ α έ τ εμἔσστ ε σ εφίλ|ο ι. ν τ ό ν ὶϑ α ιδ α ὶπ π Τ ιἐ |ι

Seid gegrüßt,᾽die ihrvorübergeht, während ichtot hier unten liege. Kommher undlies191, welcher Mann hier begraben liegt: ein Fremder aus Aigina, der Name ist Mnesitheos. Undmir hat ein Grabmal errichtet die liebe Mutter Timarete, ganz oben auf dem Grab eine unermüdliche Stele, die den Vorbeigehenden immerzu alle Tage sagen wird: Timarete hat mich über ihrem lieben, toten Sohn errichtet.

In diesem recht ausführlichen Epigramm werden einzelne Funktionen der Grabstele undihres Textes thematisiert. Darin entspricht es einer Tendenz zur Differenzierung der dargestellten Sprechsituation, die in der Entwicklung des Epigramms insgesamt zu beobachten ist. CEG 1, 108 zeigt eine besonders komplexe Sprechhandlung. Der Text beginnt mit einem Gruß des Toten an den Leser und einer imperativischen Aufforderung zurLektüre. DieFormulierung einer indirekten Frage durch denSprecher (also immer noch denGrabinhaber), die eigentlich (auf dersemantischen Ebene) eine Frage desLesers ist, markiert denÜbergang vonder einen zur anderen Sprecherrolle: Der folgende, dritte Vers stellt möglicherweise denAkt des (lauten) Lesens dar. Denkbar wäre allerdings auch, daß „ ein Fremder ausAigina, derNameist Mnesitheos“vom1. Sprecher vorgelesen wird. Worauf es ankommt, ist das vom Dichter inszenierte Zusammenfallen der Gedanken von 190 S. obenS. 53 mitAnm. 106; zumText undzumVerständnis vgl. HANSEN 1989, S. 301. 191 ἀ μ α τ μ ᾽ἐ ν ν αδ ρ ά α μ ν έ ε ι meint ‘Lesen’ und ‘Hören’, vgl. Gow zu Theokr. 18, 47f.: γ ε υμ Ε ι.’ νεἰμ ό ν α τ λ έ υ ρ ά ςφ ί ‘σέβ ε τ ῃΔ ψ α ρ τ γ ι, ὡ ισ ν ν ρ ε ω ιώ ντ ίμ ςπ γ ε α ις/ ἀ φ λ ο ιῷ ’· ‘ ·

76

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

Sprecher undHörer / Leser. Imvierten Vers spricht eindeutig wieder der Verstorbene undliefert denkonventionellen Bericht von der Aufstellung des aktuell sichtbaren Grabmals. Dazu gehört derHinweis auf die mitder Stele verbundene kommunikative Funktion. Die direkte Rede der Stele, die den Schluß des Epigramms bildet, wiederholt eine schon vom Grabinhaber ausgesprochene Information und klingt auch sonst nicht ganz logisch. Was das Denkmal zu ‘sagen’hat, wäre streng

genommen genau derText desEpigramms. Direkte Ansprache andenLeser, gemeinsames Lesen undRede desSteins sind drei verschiedene Formen der Rede. Die Inszenierung des Sprechakts benötigt damit ebensoviel RaumwiedieBotschaft selbst. Wozuaber wirddiepragmatische, kommunikative Dimension eines Denkmals so sehr in den Vordergrund gestellt? Offensichtlich handelt es sich umeine für dasEpigramm charakteristische Form des Verweises auf die Realität außerhalb des Textes. DasEpigramm gibt sich als Appell zu erkennen, es ‘zeigt’auf seine Funktion undschwört denLeser auf dessen wichtige Rolle als Augen- undOhrenzeuge ein. Leben, Tod, Erinnerung –die Grundthemen des Grabdenkmals spiegeln sich auch in demmetaphorischen Gegensatz vonder Sprachlosigkeit des Todes undder ‘Stimme’der Inschrift, mit demverschiedene Gedichte spielen. Der Verfasser des Textes imaginiert eine Rede oder einen Dialog mitdemLeser, während dieser das Denkmal betrachtet. Explizit formuliert wirddies inCEG 1, 286 (= IG I3, 533):192

π ᾶ σ ινἴσ μ α ιhό ιςἐ[ρ ο τ ίν σ ᾽ἀνϑρόποι|ς ι ᾶ ]τ κ ο |ρ π |ο hυ ν τι|φ hό . ν ε τ ε ςδεκά ν ά κ ε ςμ ν έϑ ᾽ἀ ᾽ἀνδ|ρ ονἈ

·

|

Allen Menschen antworte ich auf gleiche Weise –werauch immer fragt wervondenMenschen michaufgestellt hat: Antiphanes als Zehnten.

– ,

Die Sprache der Inschrift meint aber auch deren Fähigkeit zur ‘Kommunikation’mitdemLeser, derdieBuchstaben während desüblichen lauten Lesens zum S prechen’ bringt. Diese in Analogie zu mündlichen Gesprächssituationen hineinprojizierte Fähigkeit des Steingedichts zur Kommunikation und zur lebendigen ‘ Vermittlung vielfältiger Gedanken erscheint als ein wesentlicher Grund dafür, warum das Epigramm zu einer literarischen Gattung aufsteigen konnte. Derartige Wendungen in denEpigrammen sind somit nicht nurReflexionen über ihre Funktion, sondern sie überschreiten die Grenze des Mediums Schrift und können so als einVersuch interpretiert werden, denNachteil derörtlichen Fixierung zu kompensieren. Das Epigramm will eine quasi lebendige, d. h. mündliche Kommunikation amDenkmal herstellen, die ausFrage undAntwort besteht. Die Entwicklung von derreinen Präsentation undErklärung desDenkmals hinzum‘Dialog’mitdemLeser, der sich formal in den komplizierten Anredestrukturen, inhaltlich im Eindringenvonallgemeiner Reflexion und‘kulturellen Referenzen’ in denText zeigt, bildete denAnknüpfungspunkt fürdieweitere Literarisierung desEpigramms.

480?; zumvermeintlichen Doppelpunkt am Ende von V. 1 s. IG 192 Athen, Akropolis, ca. 490– I3, 533.

Die Appellstruktur’derEpigramme

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3. BESONDERHEITEN FIKTIVER SPRECHERROLLEN IM EPIGRAMM

Die bisher betrachteten griechischen Steinepigramme wurden im Hinblick auf ihre Appellfunktion untersucht. Dabei ging es vor allem um die Frage, in welcher Beziehung ihre Form zu dieser besonderen Funktion steht. Als eine charakteristische Funktion des Steinepigramms erschien dabei verbales Zeigen, als eine in diesemSinne besonders wirkungsvolle Form die Inszenierung eines imaginär mündlichen Sprechakts. Die zuletzt betrachteten Strukturmerkmale mancher Versinschriften, Ich-Rede des Gegenstands undGebrauch performativer Verben, zeigten sich dabei als eine Variante der Präsentation des Denkmals, die die Rolle des Betrachters undLesers betont. Im folgenden sollen zwei Formtypen des Steinepigramms besprochen werden, die ihren Leser nicht durch die Verwendung desverbalen Zeigegestus involvieren, sondern durch die Zuteilung einer fiktiven Sprecherrolle: die Epigramme aus der Sicht eines „ anonymous first person mourner“193unddie Dialogepigramme. Für die Entstehung beider Formen spielt der literarische Diskurs eine wichtige Rolle. Im Fall der Epigramme mit anonymem Sprecher ist dies die Redeform der Elegie undder homerischen Hymnen, im Fall der Dialogepigramme das Drama. Dennoch ist die Entstehung dieser Typen nicht allein aus der Transposition der ‘großen’Gattungen inein neues Medium zuerklären. Auch die an den ‘sprechenden’ Gegenständen erprobten Techniken, die auf die vorgestellte Rezeptionssituation reagieren, fließen mitein.

3.1. Der ‘anonyme Trauernde’

InGrabepigrammen spricht gewöhnlich dasDenkmal –oder sein Inhaber –zu seinem imaginierten Leser undstellt diesem sich selbst undden Toten vor. Auch μ ῆ ν die Inschriften des Typus ‘σ ατ μ α/ μ ό ῆ δ ετ ο ῦδείν ο υ...’ hat man wohl zu Recht in Analogie zu denEpigrammen mit Ich-Rede des Gegenstands als vondem Denkmal selbst ‘gesprochen’erklärt. In einigen Epigrammen aber konzentriert sich die Darstellung des Sprechakts auf einen anderen Ausschnitt der fingierten kommunikativen Handlung. Sie zeigen einen Sprecher, der schon auf die Mitteilung des Denkmals reagiert, so daß die Präsentation sich allein in der vomDichter imaginierten Rezeption durch denBetrachter undLeser vollzieht. So setzt der Verfasser eines Grabgedichtes aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts die Betrachter des Denkmals mitdenimaginierten Sprechern desDistichons gleich (CEG 1, 161):194 193 Zum„anonymous first person mourner“s. CEG 2, S. 5; A. MATTHAIOU, Δ ὲ ς ϊκ α ρ χ ύ οἀ 34; D. M. LEWIS, Bowie onElegy. A Footnote, ε ς Ο 4, 1986, S. 31– ,Η Ο Ρ Σ ιε ςστῆλ β μ ιτ ύ ἐπ JHS 107, 1987, S. 188; P. A. HANSEN, An Olympic Victor by the Name of „-kles“ , Kadmos 163, hier S. 160 zum„anonymus lamentator ... (= spectator / lector)“in 13, 1974, S. 156– CEG 1, 43 = IG I3, 1213 (vgl. HANSEN in CEG 2, S. 5); CASSIO 1994, S. 107. 490? 194 Thasos, Stadt, 500–

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Dasgriechische Epigramm undseine Leser

ἦ κ α λ ὸ ν τ μ ῆ α ὸμ ν [π α ]|τ ι] | η σ [η ν ό σ εϑ α ρἔστ ὴ ρ[ἔ τ ]|ι γ ὰ ]. ϑ α μ [ε ὐ ό σ φ ο ἐσ ν Λ εα ιο σ α η ῶ ζ έτ ρ ·

Wirklich schön hat das Denkmal aufgestellt der Vater seiner toten Learete: Denn nicht mehr lebend werden wirsie erblicken.

Die vomErbauer des Denkmals

gewünschte Reaktion

des Betrachters, Stau-

α λ ό ), ist auf diese Weise in das Epigramm integriert nen undBewunderung (ἦκ ν undfordert denrealen Leser auf, es demimaginierten Betrachter gleichzutun. Die spontane Emotion beim Anblick desDenkmals wird in derFolge so mit einem Gedanken verknüpft,

als werde demBetrachter ein Zusammenhang in diesem Mo-

). Es handelt sich umeine Umkehrung der gewöhnlichen ρ ment bewußt (ο ά ὐγ Perspektive. In derRegel preist derGrabinhaber selbst die Schönheit des Denkmals (κ α λ ὸ νἰδέσϑαι195), umdamit eine implizite oder direkte Aufforderung zumHinsehen undLesen zu verbinden. Hier dagegen beginnt das Epigramm mit der im Betrachter hervorgerufenen idealen Reaktion. Dieselbe Verknüpfung vonAnschauung, Emotion undReflexion des Betrachters begegnet schon in einem sehr alten attischen Grabepigramm. Hier allerdings äußert derBetrachter an Stelle eines Lobs für dasGrabmal undseinen Stifter eine Klage, durch die er sich persönlich betroffen zeigt (CEG 2, 470 = 1, 16a):196

οτό|δ ίδ ε οπ νἀν|ι λ κ έ ν ο ο τ α ρ ι ὐ μ α Α ο σ ε̣ σεμ ο ο |ρ κ α ὶϑα|ν [ .]|α α υ τ ιτ ο τ ά . [....]. Wenn ichdieses Grabmal desjungen Autokleides sehe, schmerzt es mich, und

demTod(?) ...

Auch diese Form können wirals die Umkehrung eines in Grabepigrammen geläufigen Imperativs beschreiben, mitdereine erwünschte Reaktion desRezipienten vorgegeben wird.197 Wersind diese anonymen Sprecher? Dieneuere Forschung hat wahrscheinlich machen können, daß die Stimme in diesen Epigrammen, die Bewunderung, Lob undKlagen äußert, der Stimme eines Angehörigen oder Freundes nachgebildet ist, der für die Gruppe der Betroffenen eine feierliche Totenklage spricht.198 Die Vorstellung ist schon deshalb plausibel, weil nur ein Mitglied dieser 195 S. o. S. 59, 66 mit Anm. 158. 196 Attika, Nikaia beimPiräus, ca. 550– 540?; etwas abweichend amEnde: IG I3, 1273bis. 368, Nr. 1223– 197 Vgl. PEEK, GV, S. 360– 1247 („ Der Betrachter wird zu Mitleid oder Klage III. Jh. n. Chr.“ ). Für CEG 1, 51: ο ρ ον )π ο ἴκ ιρ ρ σ ο τ aufgefordert. VI. Jh. v. Chr.– ]| ο [ν .– π α ιδ ὸ ν ϑ έ α ςτό γ δ εσεμ α|ϑ μ ικ ο τ ν ςΣ ό ν α ᾽(sic) ἀ π λ ύ ἔ ] |hό νὄλεσε|ν [ο ο ϑ ίλ εφ ςτ Ich klage, wenn ich dieses Grabmal des toten Jungen sehe, des Smikythos, und(mit mir) der, dereinen Freund verlor, diegute Hoffnung (mit abweichenden Lesungen: IG I3, 1219; Athen, ca. 510?) nehmen HANSEN, CEG 1, S. 34 undCASSIO 1994, S. 107 entgegen älteren Lesungen einen anonymen Trauernden als Sprecher an. 198 In Übereinstimmung mit der von DAY1989 geäußerten These, solche Epigramme seien , will CASSIO 1994, S. 109 ausderExistenz desanonymen Trauernden auf „rituals in stone“ die bisher schlecht bezeugte threnodische Elegie schließen. Der Sprechakt der Epigramme sei demderKlageelegie oderauch demdesHymnus nachgebildet, umeine zeremonielle Atmosphäre herzustellen. Die Vermutung hateiniges fürsich, zumal es sich bei demvonCAS-

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Fiktive Sprecherrollen

Gruppe das entsprechende Wissen über den Toten und die Bestattung besitzen kann. Durch die Verschriftlichung des Sprechakts kann jedoch jeder Leser der Klage seine Stimme leihen. Wir können vielleicht sagen, daß neben der fiktiven Sprecherrolle des Trauernden auch der Passant, also jeder potentielle Leser, als impliziter Leser inderpoetischen Formsolcher Epigramme enthalten ist. Der iambische Trimeter für Myrhine (CEG 1, 49 =IG I3, 1248)199 macht allerdings deutlich, daß der Gestus des Klagens nicht zwangsläufig mit der Rolle der Besucher amGrab verbunden sein muß, dennhier trauert dasDenkmal selbst:

[ο σ ν ό ὶ|[σ ο α ε ιϑ ἴ]μ ρ ε ίν ςεἰμ ς α . Μ υ ε]μ

Wehmir, ichbindasGrabmal dertoten Myrhine. Beispiele für die Rolle des anonymen Trauernden, die durch ein Verb desKlagens in der 1. Ps. spezifiziert wird, fehlen im 5. und4. Jahrhundert.200 Die Stimme dieses Sprechers vor demGrab, oft mit einer Apostrophe an denGrabinhaber verknüpft, bleibt jedoch erhalten. Aus der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts stammt etwa ein Grabepigramm aus Ägypten (CEG 2, 718):

ρ ο (κεφ ϑὧ|δὑπ α ςἔ γ λ ἄνω ἣ 201 ο ισ ὴ ω ἴμ ό κ ε ιτ α ι| ν |ὴ μ ο φ ίλ οψυχὴ εὀδυρομ|έ τ ά μ η η . ν ῶ Δ σ |ν



Wehmir, bei deinem Haupt, das noch vor der Zeit hier unten undLeib desDemophilos beklagt.

liegt

undSeele

Ein anonymer Sprecher beklagt hier von Mitleid ergriffen das Haupt des Toten, das, wieer sagt, seinerseits Seele undKörper des Verstorbenen betrauert. Die indirekt wiedergegebene Rede des Toten wird eingerahmt durch eine zweite Stim-

me. Einen Vorläufer finden wir auf einer schwarzfigurigen Lutrophore, genauer: neben der Darstellung eines Lutrophorengrabmals und seiner Besucherinnen zwischen den Henkeln der Vase (CEG 1, 438):202

sio angeführten Hauptzeugen, demarchaischen Polyandrion in Ambrakia (SEG 41, 540A, V. 1: Ἄ ν ρ δ α ς[τ ]ο ᾽[ἐ ύ σ ]λ δ μ ο ὺ α ι...; V. 9: ... ἴσ ρ ο ςὀλ φ ο ύ τ ε ,π λ ο α ῖτ ει) umein öffentliches Grabmal handelt; vgl. zu diesem Neufund auch SEG 44, 463; 45, 661 sowie G. B. D’ALESSIO, Sull’epigramma dall’polyandrion di Ambracia, ZPE 106, 1995, S. 22– 26. –Die Vorbildhaftigkeit der Elegie ist jedoch nicht die einzige Erklärungsmöglichkeit für diesen epigrammatischen Sprechakt. Zur Klageelegie und ihrem Verhältnis zumEpigramm vgl. noch D. L. PAGE, Die elegischen Distichen in Euripides’Andromache [1936], in: G. PFOHL (Hg.), Die griechische Elegie, Darmstadt 1972 (Wege der Forschung 129), S. 392– 421. 199 Attika, 520– 500?. Zur Ergänzung des ersten Wortes durch JEFFERY und BOUSQUET vgl. HANSEN, CEG 1, S. 34; sie istjetzt akzeptiert bei IG I3, 1248. 200 CASSIO 1994, S. 112f.; CASSIO vermutet in Anlehnung an PEEK, in Athen habe sich stattdessendie Rede desToten als eigene Form entwickelt. ImHellenismus habe mandann auseinemantiathenischen Impuls heraus diealte FormderKlageepigramme wiederentdeckt. 201 Dagegen noch BERNAND 1969, 235f. Nr. 56 entsprechend dem Stein: σ εΦ ; α ήγ λ η ν |ή Konjektur undVerständnis MERKELBACHs sind heute akzeptiert, vgl. CEG2, S. 151. 202 Attika, Lutrophore aus Pikrodaphnai, ca. 500. Vgl. ἀ ν ρ ε κ δ ν ῶ νκ η ν ύ ω α(Il. 11, 500), ν ρ ά ν η α(Od. 10, 521) unddie zahlreichen Belege der Tragödie für die Verwenη ν μ ρ εν ὰκ ἀ ά

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Dasgriechische Epigramm undseine Leser ̣ ̣̣ ]έ ι. ν ο ιοκάρεκα[λ α ιμ ϑ [ο φ ρ ὸ εκεῖμ δ ςἀπ ά ν δ ἀ νἐνϑ ]ὸ

Alseines toten Mannes

schönes Haupt liege

ichhier.

Hier steuert das‘Denkmal’noch selbst durch verbales Zeigen unddurch diedirekte Anrede andiegemalten unddierealen Betrachter(innen) denRezeptionsvorgang. Durch diezweifache Klage in CEG 2, 718 –vonseiten des anonymen Trauernden unddesHaupts, dasSeele undKörper desVerstorbenen beweint –wird auf deranderen Seite aber auchdasPathos, deremotionale Appell, verdoppelt. Die Rede eines Grabbesuchers finden wir auch in denEpigrammen, in denen der Tote in Form einer einfachen Apostrophe vorgestellt wird.203 Deutlicher wird seine Rolle jedoch in denFällen, in denen seine Einführung als mittrauernder Sprecher persönlich motiviert ist (CEG 2, 631):204

ή σ ὲ ν ν ομ δ ρ π ὶςδ , |Κ ὴ α τ εΦ ο ίν κ ίου ξ ερ ἱέ ,| ̣ ο ,| ρ ά λ κ ι᾽ἕξ ν ε έ ιὰ ςἩ τ ν ο Π ι|ἄ ε ιμ ϑ ο ςφ χ ἣ μ [π ο ϑ ρ σ χ ὶφ ε γ ίλ ο| [ά έ]ω ν νἐ ω ν|ϑ ίν α ε τ᾽ἐπ ο ]. ὄπ ς ά λ γ α η ν| ρ|[σ ὰ μ γ α σ ά μ φ σ ινἠ ]ύ ὴ εϑ ἦμ ]μ η σ ό [λ [....]α νδρο ς.

᾽· Umdich wird deine Vaterstadt Herakleia am Pontos lange, Kerkinos, Sohn desPhoxios, Schmerz empfinden, dadugestorben bist. Voll Sehnsucht nach ihr starbst du in den Händen der Freunde. Niemals werden wir das Lob vergessen. Denn wahrlich, dein Wesen habe ich bewundert [– ]andros.

Indiesem Gedicht sind es weder derzufällige Leser noch einoffiziell abgestellter Trauernder, die denToten anreden, sondern einFreund, der an denVerstorbenengewandt vondenGründen erzählt, ausdenen er dasGrab errichtet hat. Ausgehend vomOrt desGrabes, dasfür denVerstorbenen in derFremde errichtet wordenist, berichtet der Sprecher vonderRolle derφ ι, die Kerkinos dieTotenehο ίλ ren erwiesen. Auf die hymnische Formel ὄπ ε ϑ αfolgt mit ἦ η ᾽ἐπ ]μ σ ό α ίν ο[λ ο τ μ ά λ αγ ὰ ρ| [σ μφ ὴ ]ύ γ η σ α νeine Aussage in der 1. Person, deren ινἠ μ σ ά Perspektive subjektiv undpersonal ist. Das Grabgedicht für Konallis (früher: Komallis) schildert die Klagen der Verwandten amGrab der Frau aus der Sicht eines anonymen Mittrauernden (CEG 2, 686, jetzt: MERKELBACH / STAUBER 01 / 20 / 32):205

dung pars pro toto, z. B. Ο ἰδ ίπ ρ ο υκ α(Soph. Oid. T. 40, 1207), s. dazu J.-P. VERNANT, ά Mortals andImmortals. TheBody of theDivine [1986], in: DERS., Mortals andImmortals. 49, hier 30f.; vgl. ferner Anth. Collected Essays, hg. v. F. I. ZEITLIN, Princeton 1991, S. 27– ή Pal. 7, 3: Ἐ ώ ω νκοσμ νἡρ ν ϑ ῶ ά δ ὴ ετ νκεφ νἱερ ὴ ὴ νκ α α τ ε ι/ ἀνδρ λ ῖακαλύπ α τ ὰγ ρ ο ν η undHANSEN in CEG2, S. 151(zuCEG2, 718). μ ρ α ,ϑ ε ῖο τ νὍ ο

203 So z. B. in CEG2, 719, 721. 350?; KAIBEL 1878, S. 194 erklärt zu Nr. 488: „Unus ex ami204 Böotien (Tanagra?), ca. 400– cis, cuius nomen infra scriptum fuit, cippum ponendum carmenque inscribendum curavit.“ 205 Milet, 4. Jh., Übersetzung undDatierung bei MERKELBACH / STAUBER 01 / 20 / 32, dort wird auch die Neulesung des Namens durch P. HERRMANN mitgeteilt; immer noch wichtig: P. 121. HERRMANN, Grabepigramme von der Milesischen Halbinsel, Hermes 86, 1958, S. 117– μ μ ο ω ς hier 117f., auch mitweiteren Parallelen fürdie Charakterisierung eines Toten als ἄ imEpigramm; zurAnrede anein‘Du’s. auchCEG2, 573(Attika, nachca. 350?).

Fiktive Sprecherrollen

̣

81

̣

,Κ η ν τ α ι| η ά χ ςἀ κ ν έ ιμ ϑ ν α λ λ ίς ο φ π ο ,ἀ εῖο ῖ, σ α ἰα μ ά ρϑἁ η τ ρ μ ίδ ιό σ ις ε λ ό έ α κ ο επ υ ςτ ,| η γ εν έ ω νπ λ ίζ χ α ι τ εσυγ ε π ᾶ σ ά ϑ νστεν ὸ ιν δ ςσ ύ ᾽ἁ ᾽ υπ μ δρ τ ε ό ν ο ιχαίτ ιϑ ετά ρ α ο φ ο υ| ςτο ῦ δ επ ά ἦ γ ρδα ὰ ίδ α λ ά τ γ εἔρ α ο ῖνκ χ ερ α ν| ρ ὶσώ ο ν μ ο α κ φ ό σ ἤ σ η κ σ α ς μ ,μ ῶ ο ςδ ᾽οὔ τ ιςἐπ ν ῆ π ἐ ίσ ι. · ο Wehe, deinen Tod, Konallis, beklagen deine unglückliche Mutter unddein junger Gemahl; unddie ganze Zahl der Verwandten stöhnt vielfach undrauft sich die Haare vor diesem Grabmal. Wahrlich, kunstvolle Werke der Hände schufst duundeinen bescheidenen Lebenswandel pflegtest du, undkein Tadel traf dich.

Der verbale Zeigegestus des το ῦ δ ρ επ ο ιϑ ά ετά φ υknüpft an die sichtbare ο Realität des Lesers im Augenblick der Rezeption an. Der Sprecher führt in seiner Rede selbst vor, waser vondenVerwandten berichtet: ihre Klage amGrab. Allein der Ausruf α ἰα ῖzu Beginn des Epigramms läßt überhaupt erkennen, daß es sich umeinen dramatisierten Text undeine Rede aus der personalen Perspektive handelt. Dadurch aber, daßdassprechende Subjekt selbst anonym bleibt, kann sich der Leser mit ihmidentifizieren. DemAutor gelingt durch diese Pathossteigerung die emotionale Einbindung des Rezipienten in die Gruppe derKlagenden.206 Der imaginierte ‘anonymous mourner’des Konallis-Epigramms reagiert in der Weise, die der auch Verfasser eines anderen Gedichtes (CEG 2, 648)207 mit eher aukiorialer Perspektive suggeriert, wenngleich dieses Epigramm zunächst mit dem alten Stilmittel des Zeigens operiert: ρ ε , ξέν ο ρ υ| α σ ,κ ε ὶΜ σ ῦ εν ε ιν ε κ ό κ νλ λ α ρ Ἀ ύ ό ο ςκ α β α ςτ ρ νσ α ν ,ἥ ὰ ισ τ δ έρ ν εα ρ ά ἶσ ά| α λ υγ ιμ Τ ὔ να ὰ τ ν μ ε ε ν ο α σ τ ο ρ τ ο νσ α ιμ υν ό ι|· ξ τ ᾶ είμ ςἀ ςἀ λ κἀ ε έ κ ν α ντῶ ὐ ῶ ο ϑ ιμ ιδ ςφ ετά φ ω ικ ρ ισ τ ν έ α . Sieh die Tochter der Alkinoe, Fremder, unddes Menekorros, Timandre, der ein bitteres Geschick die Jugend raubte. Ihre immer in Erinnerung bleibende Tugend ehrend haben die Verwandten nicht ruhmlos dieTote in diesem Grab bestattet.

In denjenigen Epigrammen, die die geschilderten Emotionen nicht mehr als vomAnblick desDenkmals selbst ausgehend betrachten, besteht die Tendenz, Gedanken undGefühle desSprechers amEnde zuverstärken, so daßdasGedicht mit einer Klimax endet. Hier entfernt sich die Klage vomRituellen undwird zu einer ausgefeilten poetischen Technik des Epigrammdichters. Besonders kunstvoll geschieht dies in dempoetischen Epitaph für Arata (CEG 2, 680):208 206 Zuα ἰα ῖ ἰα ῖam Versanfang vgl. CEG 2, 709 (MERKELBACH / STAUBER 01 / 12 / 23), V. 6: α ῆ ν . Hier ist der Sprecher allerdings das Denkmal. Zum έ ν ο υ ςὑ ὸγ π ω ςοἰχομ τ ο ὺ ςἀδίκ interrogativen bzw. affirmativen ἠγ ρs. J. D. DENNISTON, The Greek Particles, Oxford ά 21954, S. 284f.; α ἰα ῖ ist besonders in der Tragödie belegt (z. B. Soph. Trach. 968, Ant. 1267 u. v. a.), amhäufigsten bei Euripides (z. B. Alc. 215 u. v. a.). 207 Pharsalos, Thessalien, 4.– 3. Jh.? 208 Ptolemais, Kyrenaika, 4. Jh.?; zumfeierlichen Ton undzurKlimax vgl. auch CEG 2, 633.

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Dasgriechische Epigramm undseine Leser ρ ά τ τ ε[υ ρ ά αΚ Ἀ α λ λ ικ ] |Ἑ ς ις ῖτ . ερ π σ

I

ρ ο νὃ γ έ ε δ ν μ έ ω ίδ ςδ υμ ο μ ο ιὰ ϑ ρ π ςεὐσέλ ά ν [π ]ο [τ α ]| π λ τ α ῖςπ α ε ίρ ᾶ ε ο ρ ςπ τ μ ν υ κ τ ὸ ιε α ο οσ κ π ῦ ςὕ ,| ρ ρ νἴδ ε τ ε| ρ ὰ ε ά τ ιν ά ἆ αἈ τ ς , εἴγ α νἀ α λ λ ςἄ γ ε ςἀ ϊό ν ; α νἄγα γ ία α τ ά ν δ εὑ ὸλ υ π ̣ ι̣ τ ̣ π ρ α νσ ὰ νἙ σ π ερ [ίδ ά τ ρ α ό ιδ α π β νἁ [ο ]ὐ κ έ τ ὰ η ι| ᾽ ]ὄ ψ α ισ ρ έ ὲτέκ ν ἐσ τ δ ν ω ι οὐ δ ὲτ ὸ ὐ ,ο ιν σ ό π ν ὸ ςσ ά λ α δ α ν ίμ ,| ῶ . ἦμ ε ντ ὰ ν νεὐ ρ ώ φ ιδ σ ε ία ιςν υμ σ τ ̣ ω νσ ο [Ἀ ά ὰ ίτ ιν τ ]ρ α ρά , κρυερ νἀ ᾽ἔδειξ ε ν .

̣

Wohlberuderten Kahnes greiser Gebieter, derdu in finsterer Nacht denTotenfluß hinüber undherüber rastlos durchquerst, sahst dudenneine Tugend größer als dieAratas, wenn dununauchdiese hinübergebracht hast andendunklen Strand? Heimat Hesperis wiedersehen,

III

I

Arata, Tochter des Kallikrates, aus Hesperis

Niemehrwirst dudeine

II

dieStadt schmucker

II

III

Mädchen, noch deinen Gatten, dendu(deiner) beraubt hast, noch wirst dudeinem Kinde dashochzeitliche Bett bereiten. Wahrlich, ein Daimon, Arata, hatdireinen bitteren Fluch gezeigt.209

denwirkungsvollen Abschluß miteiner WieinCEG2, 631 wählt derVerfasser ̣ ρά exclamatio. Das letzte Wort –ἀ ν–mit dem das Schicksal der unglücklichen Arete zusammengefaßt wird, zeigt, wie durchdacht das Epigramm komponiert ist. Der anonyme Autor hat sich vomKlang des Namens Arata inspirieren lassen und seine Assoziationen passend zur Situation einer Totenklage an die Begriffe von ρ ήund ἀ ά , Tugend und schicksalhaftem Unglück, geknüpft.210 Obgleich der τ ε ρ ἀ Sprecher sich in der ersten Strophe an denunheimlichen Fährmann der Unterwelt Charon wendet, dessen Namen er episierend umschreibt, undin der zweiten Strophe dann Arata direkt anspricht, stört dieser Adressatenwechsel keineswegs die einheitliche Wirkung desGedichts. Diese verdankt sich nicht nurdemruhig dahinfließenden Rhythmus der Verse, demEnjambement, den Assonanzen undder gelungenen Rhetorik der Klage, sondern auch der eindrucksvollen Schilderung einer Szenerie in der Unterwelt. Dies unddie Lebendigkeit der direkten Rede machen dasGedicht zueinem derschönsten aufStein überlieferten Epigramme. Die anonymen Trauernden zeigen sich in unterschiedlicher Gestalt. Sie sind Betrachter desDenkmals, offiziell bestellte Epitaphienredner, Freunde oder Angehörige des Toten. Das Motiv der Klage öffnet einem subjektiven, persönlicheren Modus desSprechens einen Weg, denbesonders jüngere Epigramme zugefühlvolleren Darstellungen nutzen. Mit demMonolog der Tragödie haben manche dieser 209 Übersetzung vonPEEK, GG,S. 259. 210 Vonder Kunst des Epigrammdichters zeugen die zahlreichen Klangeffekte, insbesondere mitBlick auf denNamen derToten in V.̣ 4f., ̣ vgl. aber auch die Alliteration in V. 2 sowie denGleichklang in Ἑ ρ [ίδ σ ] –ἐστέρισ π α ε α ςin V. 5f., derdenVerlust derHeimat betont.

Fiktive Sprecherrollen

83

Epigramme die häufige Anrufung als eine Form der Selbstäußerung gemeinsam.211 Sie zeigen damit eine Tendenz zum Selbstgespräch,212 ohne daß sie je wirklich ‘einsame Rede’werden. Die panegyrischen Elemente in der Klage umden Toten sind imHinblick auf eine größere Öffentlichkeit komponiert. Das Gegenüber dieser Sprecher, deren Part derLesende übernimmt, ist dabei nicht, wieiminneren Monolog, daseigene Ich, sondern dasDudesToten oder dasWirderGruppe.

3.2. Dialoge Neben den Verwandten des Verstorbenen, die das Grab besuchen, um ihre Spenden darzubringen, gehören die ξ ε ῖν ο ιzurGruppe der präsumtiven Leser. Das älteste bisher bekannte Dialogepigramm zeigt einen Wortwechsel zwischen der Grabwächterin, einer vermutlich steinernen Sphinx, undeinem unbekannten ξ ο ῖν ε ς (CEG 1, 120).213 Im Unterschied zu den Verwandten des Toten besitzt der zufällige Passant keinerlei Wissen über diesen. So fragt er zunächst, umwessen Grab es sich hier handelt, underhält in den letzten beiden, leider zerstörten Versen aller Wahrscheinlichkeit nach denNamen (womöglich auch die Heimat) des Toten zur Antwort. Der Dialog ist die dramatische Inszenierung einer typisch epigrammatischen, zweigeteilten Sprechhandlung: Ein Fremder fragt sich, wer da liegt –das Denkmal antwortet in Stellvertreterschaft des Toten. Die Inszenierung geschieht mit Hilfe dramatischer Techniken, insbesondere der Einführung fiktiver Sprecherrollen. Die Figur des anonymen Lesers modelliert den impliziten Leser des Epigramms; er steht hier für ein größeres, nicht näher bestimmbares Publikum, mit dessen Hilfe dieKunde vomNamen desToten bewahrt undverbreitet werden soll. Für den Leser enthalten Epigramme eine Mischung aus Bekanntem undUnbekanntem. Er weiß, daß das Gedicht auf einer Stele denNamen unddas Lob eines Toten verkündet, die konkreten Einzelheiten kennt er nicht. So sind Epigramme ihrer Konzeption nach immer auch Antworten aufgedachte, vomAutor vorhersehbare Fragen. Sie erfüllen dadurch auchformal ihre Aufgabe, dieneben demPreisen

211 Vgl. W. SCHADEWALDT,

Monolog undSelbstgespräch. Untersuchungen zurFormgeschichte der griechischen Tragödie, Berlin 1926, S. 55 zu Aischylos undSophokles, s. auch S. 178ff. Bei Soph. El. 807 heißt es etwa: ὦ τ ά λ α ιν ρ ώὢ έ ᾽ἐγ σ Ὀ τ αφ ιλ τ α ε σ λ ς ώ ᾽ἀπ ά ςμ ϑ, ὥ ᾽ SCHADEWALDT ϑ α ν ώ ; Der Sprecher wendet sich an einen ·Toten oder Entfernten. ν untersucht dabei besonders das Verhältnis vonratio undAffekt. 212 Vgl. SCHADEWALDT 1926, S. 189: „Unter eigentlichem Selbstgespräch wird diejenige Form

derSelbstäußerung verstanden, in derdie handelnde Person imGegenüber mitdemeigenen Ich Empfindungen undGedanken kundgibt.“ 213 Demetrias, Thessalien, ca. 450?; s. auch KASSEL 1983, S. 11 und SOURVINOU-INWOOD 1995, 273. Aufeine Wiedergabe des genauen Wortlautes kann hier aufgrund des fragmenS. 271– ̣ tarischen Zustandes verzichtet φ ίξ... werden. Die dialogische Struktur ist jedoch durch σ φ υ ]λ ά σ ε ιςin V. 1 und ξ εῖ[ν εin V. 3 wahrscheinlich (vgl. aber GUTZWILLER 1998, S. 100 Anm. 130). Zuden Dialogepigrammen s. ferner W. RASCHE, De Anthologiae Graecae epigrammatis quae colloquii formam habent, Phil. Diss. Münster 1910, ergänzend und korrigierend dazu KASSEL 1983, S. 10 und Anm. 45; H. J. ROSE, The Speaking Stone, ClRev 37, 1923, S. 162f. Dialogepigramme sind bei PEEK, GV 1831– 1887 gesammelt. PEEK, wie immermitBlick aufdiegesamte Entwicklung, unterscheidet Dialoge zwischen demWanderer unddemDenkmal, demWanderer unddemToten, demHinterbliebenen unddemToten.

84

Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

in derWeitergabe einer Information besteht. Explizit erscheint Epigrammen stillschweigend vorausgesetzte Frage des Lesers dicht des4. Jahrhunderts (CEG 2, 545):214

die in denmeisten

in einem

Grabge-

ἡ ν ρ ὸ , κ α ν τ ς|ἔ{ι}χ α ύ νκ α ὶσά ὲ ῖδ μ α |δ π ν ὼ ϑ έ α ιχ τ ὀ σ ε ν .ν ν ο έ ω ν|οἴχετ μ α δ ὲεὐσεβ λ ὴ ά | ιε ἰςϑ α χ ψ υ ῖς είτ α ῖς υπ εογ τ ε ο χ ,Θ ό μ η α ο υμ ζ ε ἰδ ὲὄν Θ ν |ω α ηβ Θ ήνα|ι μ α ι) κλειν|α νκ ε ὰ ε εν . ο ς ϑ |ῖ ςγ νἈ ῖςἐ

In bezug auf Knochen undFleisch hat die Erde den süßen Jungen, die Seele aber ging fort in das Gemach der Glückseligen215 –Wenn du den Namen suchst: Theogeiton, Sohn des Thymochos, thebanischer Herkunft; ich liege hier imberühmten Athen.

In diesem Gedicht nimmt der Tote als der imaginierte Sprecher der Inschrift die Frage des Passanten, so wie sie der Wanderer an die Sphinx gerichtet hatte, μ vorweg (ε ἰδ αζη τ ε ὲὄν ῖς ). Ein Sprecherwechsel innerhalb des Epigramms, ο d. h. die Einführung eines zweiten Sprechers, macht aus dieser Form ein Dialoggedicht (CEG 1, 429; vgl. MERKELBACH / STAUBER 01 / 12 / 05):216 ̣

]| α μ ή λ ε α σ σ ὴτεχ αλ ν ίϑ γ α ὐ δ ο ετ ,λ έ ίςτ δ᾽ἄ[γ ό ̣γ α σ ε νἈ ]. | σ π ό λ τῆ μ ς λ α ΐ[σ ὸ ν λ ἐπ ω ν α ο ςβω ν εις ρ [ο ύ ?] | τ η ςυ μ ύ α ν α Π ιο λ ἴμ λ ς ἱὸ ώ β ,ε ᾽ἐπ σ α ςΚ ν δ η ντή ἐξ τ ά ν ν , δεκ ε ᾽ἀ ειπ ι]. ε[ῶ έϑ εϑ κ η Kunstvolle Stimme des Steins, sag, wer dieses Bild hier aufstellte, den Altar desApollon schmückend. Panamyes, der Sohn des Kasbollis, wenn dumich drängst (?) es herauszusagen, weihte diesen Zehnten hier demGott.

DasEpigramm beginnt mit derFrage desLesers undentspricht insofern besser derzeitlichen Logik der Situation als dasvorangegangene Beispiel. Darauf folgt in V. 3 die Antwort desDenkmals. Der Sprecher versucht dabei, dasVerhalten des ̣ Lesers zu bestimmen (ε ἴμ ᾽ἐπ [ο ῖςin μ αζητε ύ τρ ν ε ο ις ὲὄν ?] |ἐξειπ ἰδ ν , vgl. ε ε CEG 2, 545, V. 3). Diese eingeschobenen Bedingungsssätze unterscheiden die beiden Epigramme von der Selbstverständlichkeit der Kommunikation im Sphinx-Gedicht CEG 1, 120. Besonders das letzte, seit WILAMOWITZ / KARO noch in das 1. Viertel des 5. Jahrhunderts datierte Epigramm nimmt in seinem Aufbau Züge vorweg, die sonst eher mit derEpigrammdichtung des 4. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden. So trennt es, imUnterschied zudemanerster Stelle besprochenen Dialog des 214 Attika, ca. 350? 215 Zur Entrückung undHeroisierung der Toten vgl. SOURVINOU-INWOOD 1995, S. 194ff.; N. HIMMELMANN, ‘Aufruf zumTotengedächtnis’. Zur religiösen Motivation attischer Grabre30. liefs, Antike Welt 30 / 1, 1999, S. 21– 216 Halikarnassos, ca. 475?; zuerst veröffentlicht von U. v. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF / G. 160. Die von HANSEN 192, hier 157– KARO, AusHalikarnassos, MDAI(A) 45, 1920, S. 157– undhier favorisierte Ergänzung in V. 3 geht aufWILAMOWITZ zurück, doch ändert der Vorschlag von A. MAIURI, Nuove ̣ iscrizioni dalla Caria, ASAA 4/5, 1921/22 (ersch. 1924), S. 488, hier S. 461f.: μ 461– εκ[ελ εύ ε ις ], übernommen vonLAZZARINI 1976, Nr. 688, S. 273 (vgl. ebd. 129f.) undjetzt vonMERKELBACH / STAUBER 1998, nichts an derAussage.

Fiktive Sprecherrollen

85

μ γ ) undeinem nicht identiα α λ Wanderers mit der Sphinx, zwischen demBild (ἄ ) derInschrift. Dieses sehr direkte Verweisen auf ή schen, abstrakten Sprecher (α ὐ δ diekommunikative Funktion derBeischrift geht sogar noch weiter als in denbisherigen Beispielen. Der imaginierte Leser apostrophiert die „ kunstvolle Stimme des Steines“,217 also nicht das Bild des Gottes, das nach den Spuren in der Marmorbasis zu schließen wohl aus Bronze gefertigt war. Die in dieser Zeit singuläre Meή ε tapher der α σ σ ὴτεχν αλ ίϑ ὐ δ οschreibt die Stimme also ausdrücklich der Basis zu, die die Inschrift trägt.218 DasEpitheton τεχ ή ε σ σ α kann nurmeinen, daßdiese ν Stimme Menschenwerk undvon hervorragender Qualität, also ein Gedicht ist.219 Stimme undStein bezeichnen die beiden Aspekte der Schrift aus der Sicht des Lesers, dersie entziffert, denakustischen unddenvisuellen, λ γ ινverweist aufihre ε έ Fähigkeit, Inhalte zu kommunizieren. Die Vorstellung, daß von der Inschrift eine demmündlichen Boten vergleichbare Aktivität ausgeht, die das Vermitteln von Bedeutung meint undmitλ γ ε έ ινbezeichnet werden kann, gleicht derDarstellung von Inschriften und ihrer Funktion bei Herodot.220 Auffällig ist hier, welch geringe Rolle demKunstwerk selbst imText zugemessen wird, welch großer Part aber den ̣ Bemühungen um eine Kommunikation mit dem Leser (ε ᾽ἐπ ἴμ ύ ν ε [ο ις τρ ?] ἐ ξ ειπ ε ν ). Das Epigramm CEG 1, 429, formal betrachtet die dramatisierte Variation eines Epigramms mit verbum dicendi, kann als eine rationalistische Rezeption der ehemals unbewußte Metapher des sprechenden Denkmals verstanden werden. Die etwas umständliche, aber auch geistreiche ‘mise en scène’ des Dialogs mit einem Stein scheint sich speziell an den intellektuellen Leser zu wenden, was in einem Apollonheiligtum nicht unpassend erscheint. WILAMOWITZ / KARO 1920, S. 159. Nach SVENBRO 1988, S. 65– 73 sei hier (schon sehr abstrakt) die Stimme desLesers gemeint; erst durch denVortrag mitlauter Stimme werde der Stein zum‘Sprechen’gebracht. 218 Vgl. CEG 1, 401, [τ]οαὐτολ ί. –MAIURI 1924, S. 461f. liest zu Beginn von CEG 1, ίϑ οἐμ ὴτεχνήεσ 429: α ὐ λ σ αλ ίϑ ο..., womit dann nicht die ‘Stimme’der Marmorbasis, sondern einweiterer Gegenstand, einaufwendig gepflasterter Tempelhof, gemeint wäre. Dies macht angesichts der Konvention sprechender Denkmäler zwar einen gewissen Sinn, wenngleich ein sprechender Hof doch etwas eigenwillig scheint. MERKELBACH / STAUBER 1998, S. 47 äußern sich nicht zu dieser Diskrepanz ihres Textes zum ebenfalls abgebildeten MAIURIFaksimile. 219 τεχν ή ε ις , -ε σ σ αverweist auf die τέχ ηdes bildenden Künstlers; in Od. 8, 296f. sind ν τ ε ςdieFesseln, indenen Hephaistos Ares undAphrodite fängt. Od.7, 109f. ὶτεχνήεν ο μ δ ε σ υ ν α ῖκ ε belegt eine aktive Verwendung (γ ς... τεχνῆ σ σ α ι). Die Arbeit des Bildhauers ηmöglicherweise in CEG 1, 230 = IG I3, 766, vgl. auch die έ χ ν bezeichnet das Substantiv τ Ergänzungsvorschläge für CEG 1, 192 = IG I3, 627. In denEpigrammen des 4. Jahrhunderts steht τ fürganz verschiedene Fertigkeiten, indenen sich derVerstorbene ausgezeichnet η έ χ ν hat. Vielleicht handelt es sich hier umeine Übertragung auf denBereich des Dichtens. – Nur noch entfernt verwandt ist das kaiserzeitliche Epigramm aus Sakkara (BERNAND 1969, Nr.68 = GV1843): Dortverleiht derheroisierte Tote seinem Grabwächter, einem steinernen ο ν ο α ι/ ῆ ίμ ςα Löwen, die Fähigkeit zur Sprache (V. 3f.: ... Φ ή ὐ δ ε ιςπ ω ν ό νἔπ ϑ ε ; –Δ λ ε ο ν ϑ ίο ο υ ὸ χ .); vgl. ferner MERKELBACH / STAUBER 14 / 07 / 02 = GV 1835 (Ikoο π ςὑ ν δρ ἀ ρ ν α ά ή ξ α ε σ ὐ σ α δ . nion, Kaiserzeit): λ 220 S. oben S. 44f. zurBezeichnung derKommunikation durch Inschriften als λέγ μ ρ ά γ ν ω δ ιὰ μ α τ αsowie S. 74 Anm. 187.

217

86

Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

Die erwähnten Beispiele sind zusammen mit dem vielleicht doch simonideischen Epigramm Anth. Plan. 23221 bisher die einzigen bekannten vorhellenistischen Dialoginschriften. Ein anderer, jüngerer Typus des Dialogepigramms schildert das Gespräch zwischen demPassanten unddem Stein nicht als Vermittlung vonWissen, sondern als moralische Belehrung (GV 1537 = GG 424):222 μ α ι; ἔννεπ ο μ είβ ε ,λ ᾶ ρ α ε .– α τ ά ρ ο νπ φ α μ π ίδ ο Λ α ςἦ ν ο έ α ς . ν α ᾶ ία ί, ξέν ςὁσ ςε α ὶγ ἰςτέκ α κ ν ,τ ε ϑ ῖσ ε ο λ ὰ ι, ν ο λ ω α κ οπ ε χ ὶἐπ ύ ε ίρ ἀ λ λ ο ιχα ιμ ᾽ἴϑ ῳ δ εἀλ ρ α χ . ό μ ϑ έ ο λ α ν λ ξ υ ὰ ε ῖνμ σ ντοιᾷ ὺ Gehe ich wirklich amGrabmal der Lampis vorbei, sag an, Stein. Ja, Fremder, derfrommen gegen Kinder undEltern. Aber geh, lebwohl undbitte dieGötter vielmals, mit einer solchen Gattin zusammen ins gemeinsame Haus zu kommen.

Hier ist der Sprecher vonV. 1 kein anonymer Trauernder, sondern der Leser 3 imAktdesLesens. 2 ΙΔ DieBuchstaben Λ Α haterbereits entziffert.2 Μ Π Ο Σ Subjektiv undgeradezu stimmungsvoll präsentieren sich die seit dem4. Jahrhundert belegten sepulkralen Dialogepigramme, indenen dieGesprächspartner des Verstorbenen Angehörige derFamilie sind (CEG 2, 530):224 χ α ετά ῖρ ά δ ϑ εκεῖτ ὴ φ ἐν η ·χρηστ|ὴ ο ς α ςΜ ε λ ίτ γ υ ν ι·ν ·ν ή σ η ιμ ν φ ιλ ο ν ρ α τ ίσ τ αὈ ῦ τ ρ α ϑ σ κ α δ ν νἄ σ ὸ ῦ α τ νἦ ο |ο ιλ ιφ τ ν |ἀ –| ή .ν γ υ ὴ ν σ ρ ο τ ρχρη α ῦ νπ γ τ ο ιγ ε ῖ|ϑ ὰ ο ϑ α ϑ σ ε ,ἦ νσ ά ο σ ν ῦ α ίλ τ α τ κ α εφ ὶσ ὺχα ῖρ ν ῶ ,ἀ λ λ ὰ ᾽ἀνδρ ι. ὺ ε ο ίλ ςφ ὺ ςἐμ |το

Sei gegrüßt, Grabmal der Melite. Eine gute Frau liegt hier. Deinen liebenden Mann Onesimos deinerseits liebend, warst dudie beste. So sehnt er sich auch nach dir als einer Toten, denn duwarst eine gute Frau. Sei auch dugegrüßt, liebster Mann, undliebe dieMeinen. φ ιλ ίαundπ ό ϑ ο ςder Familie sind das Thema des Gedichtes, durch das der Leser angerührt werden soll. Dabei imaginiert der Verfasser des Epigramms eine ganz konkrete Situation vor dem Grab, dessen Inhaber dem dort ankommenden Betrachter schon bekannt ist. Es handelt sich nicht umdennamenlosen Wanderer, sondern um den Ehemann der Verstorbenen. Dieser benutzt die 3. Person, um nicht dieAufmerksamkeit vonMelite auf sich selbst zulenken. Ganz unzweifelhaft wirddieIdentität desSprechers jedoch erst inderletzten Zeile, inderMelite ihrem Ehemann antwortet, nachdem dieser sich vondemGrab zudervermeintlich Abwesenden gewendet hat.225 Der reale Leser kann denSprecher allerdings erahnen, da

221 ‘Simonides’31 FGE; KASSEL 1983, S. 10f. 222 Pherai, Thessalien, Anfang 3. Jh.; eine metrische Übersetzung gibt PEEKin GG, S. 345. 223 Für einen Wanderer, der nicht lesen kann unddaher auf die Hilfe eines σ ν υ ο ο ρ ς δ ο ιπ ό 8 (Kreta, 1. Jh. n. Chr.); zurFrage in Vers 1 vgl. unten angewiesen ist, vgl. GV1882, V. 1– S. 211. 2. 340. Weitere Dialoge zwischen Ehepartnern: GG436– 440, 2. Jh. v. Chr.– 224 Attika, ca. 365– Jh. n. Chr. ή betont. γ υ ν ὴ σ τ 225 DerWechsel zur2. Person wirddurch dieWiederholung desLobsχρη

87

Fiktive Sprecherrollen

die Rede wie die eines liebevollen Gatten klingt. Einen anderen Dialog, scheinbar ohne Beteiligung desLesers, enthält CEG 62, 512:2 2 ̣

ο ρ τ ά ς|Φ ο χ ς|Σ α δ ο κ έμ ύ . λ η ε ς υ λ Τ ο υ π ή τ ις| σ α ο υσ ρ ίτ ὰ π ᾶ λ ν σ ιπ ο ᾶ α ςπ ᾽ἀρετ ειμ ἀ ν ὸ τ ὢ ν| ο τ α τ ό ιν ϑ ε ο π α ρ ν ο ν ἔ ιν χ τ α νἔπ ο δ ὸ ν ᾽ἄ λ ειν κ φ οδ ρ ,| ῆ ᾽ἐ τ ε π ὶδεξ ιά ,μ ν α υ ικ ί. –τά εγ ιτ ε ίλ ὶφ ισ π α ισ α ῆ ν ο ςφ ε ιλ κ ε ῖμ ία ς . όμ ςο ειπ ὐ λ κἀπ ο

ια ε ό λ ρ κ Ἱε υ|ἐ ο δ ιά ψ Ὀ . υ ἴο ξΟ Telemachos, SohndesSpudokrates

O du,derduwegen

ausPhlya

deiner unvergeßlichen Tugend

bei allen Bürgern

rühmli-

ches Lob bekommst, ein Mann, sehnlichst geliebt vondenKindern undder lieben Frau. –Zur Rechten, Mutter, deines Grabes liege ich, deiner Liebe nicht entbehrend.

Hierokleia, Tochter

desOpsiades, ausOion.

Zunächst hat mandenEindruck, als trete hier einanonymer Trauernder imNamenaller Bürger als Sprecher auf. Doch gerade andemPunkt seines epitaphios logos, an demer Vater undMutter des Verstorbenen erwähnen müßte undan dem mannoch immer gespannt ist, wie der Redner seine weit ausholende exclamatio wohl zu Ende fuhren will, unterbricht ihn die Stimme des Toten. Dieser wendet sich an die zu seiner Rechten liegende Mutter unddankt ihr für die ihmerwiesene Liebe. Nunist klar, daß es sich von Anfang an um ein Zwiegespräch zwischen Mutter und Sohn gehandelt hat. Dialoggedichte wie CEG 2, 530 und 512 zeigen, daß das Grab ein Ort verbaler zwischenmenschlicher Handlungen ist. Betont werden dabei zwei Aspekte: die Innigkeit des Dialogs amGrabe einer Angehörigen unddie Mittlerfunktion des Denkmals selbst zwischen denbeiden Welten, also diejenigen Gedanken, die auch die δ ε ίω ιςderEheleute aufdemunter der Inschrift ξ σ angebrachten symbolisch vorführt.2 7 Relief desersten Beispiels 2 Die Einbeziehung des Lesers in Dialogepigrammen erfolgt auf verschiedene Weise, je nachdem, umwelche Gesprächspartner es sich handelt. Für alle Gedichte dieser Form gilt jedoch: Der Aspekt der Künstlichkeit, der kreative Eigenanteil des Dichters an der Inszenierung des Sprechakts ist gegenüber den schlichteren Formender verschriftlichten Rede erheblich gestiegen. Durch die dramatische Form der Dialogepigramme wird der Leser einmal –in der Rolle des fragenden Wanderers –selbst auf die ‘Bühne’ geholt, ein anderes Mal zum‘Zuschauer’ eines Gesprächs zwischen Angehörigen gemacht. Im einen Fall findet er die für ihn selbst passende Rolle imText vor, imanderen Fall wirder durch denanrührenden Dialog derFamilienmitglieder zurinneren Anteilnahme bewegt.

365 (GV 1386 = GG 86), vgl. auch GG 102. Zur Familie vgl. jetzt LGPN 2, 226 Piräus, ca. 390– S. 232, 427 sowie TRAILL, PAA531830. 227 Vgl. die Abbildung des Steins mit CEG 2, 530 bei CLAIRMONT 1970, tab. 19, 39.

88

Das griechische Epigramm undseine Leser

Die Selbstverständlichkeit der Fiktion ist in beiden Formen des Dialogepigramms dadurch beeinträchtigt, daß der ‘Betrug’ der nur fingierten Mündlichkeit dem Autor natürlich bewußt ist.228 Das Gefühl einer zunehmenden Distanz zwischen Autor undLeser, das sich hierin auszudrücken scheint, wird auf zwei verschiedene Arten kompensiert: Aufder einen Seite besteht eine Tendenz zur rationalistischen Objektivierung gerade durch dieThematisierung derRezeptionsbedingungen, die den intellektuellen, aufgeklärten Leser anspricht (man denke an die griechische Tradition des Mißtrauens gegenüber allzu plumpen Manipulationsversuchen mit Hilfe der Schriftlichkeit); hierzu gehört die Differenzierung der Sprecherrollen unddie Betonung derehemals unbewußten Metapher des ‘sprechenden Gegenstands’. Auf der anderen Seite werden die Gefühlswerte der Situation betont, in derderHinterbliebene mitdemToten vermittels des Denkmals kommuniziert. Die poetischen Möglichkeiten der fiktiven Sprecherrollen werden in jeder denkbaren Richtung erprobt, wenn mansich davon einen intensiveren Kontakt mit demLeser verspricht.

Die Paradoxie einer bis zur Sprechfähigkeit verlebendigten Statue 228 Vgl. KASSEL 1983, S. 11: „ musste im Dialoggedicht schärfer hervortreten als in denlängst konventionell gewordenen Zu‘Lesen alsVertrag’s. obenS. 1 mitAnm. 1. Selbstvorstellungen derMonumente.“–

Fiktive Sprecherrollen

89

4. DAS INSCHRIFTLICHE EPIGRAMM UND SEINE LESER IM 5. UND 4. JH. Der Wunsch, auf ein möglichst großes Publikum zu wirken, ist vielen Epigrammen des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. gemeinsam. Ein von den Athenern gestifteter Altar, der in einem der am meisten frequentierten Heiligtümer Griechenlands, demBezirk des Apollon auf Delos, stand, wendet sich in geläufiger Weise andaszweifache Publikum derfremden undeinheimischen Besucher (CEG 2, 742 1, 179a):229 ̣ ̣=

μ ὸ ν[Ἀ νβω ]ο τ λ ν ]λ ω ό [ό ς ν π τ ο[ῦ ιἈ ν α ]ῆ α ϑ μ ά η ϑ ̣τ ̣ εἀ ̣ ̣ ς – ?ἐ ̣α ν ν ο ιῶ ς κ α ὶἈ Π ί]ο |π ο ία [α ν η ϑ [λ ϑ ὼ ν ]ἀ ]ῆ [π ὸγ πᾶ ή λ ιο . τ ω ς·ἴσ η ςἢΔ λ λ ςἄ ς[δ᾽]ἐ [ο ν– – –]. Κ λ εο τ έ λ ε ο ςδ ᾽ἔργ Diesen Altar hat(die Stadt) Athen als Weihgeschenk desHeilers Apollon und der Athene ... (?) gemacht. Jeder, der aus einem anderen Land kommt oder Delier ist, soll es wissen. EinWerk desKleoteles ...

Der textinterne Sprecher übernimmt selbstverständlich die lokale Perspektive. Er wendet sich mit demalten Motiv der Kundgabe an ‘Einheimische undFremde’ an die Gruppe seiner Leser, die Besucher des τέμ ε ν ο ς . Seit dem 2. Viertel des 5. Jahrhunderts wird in öffentlichen und privaten Denkmalinschriften neben den Passanten, also denganz konkret vorgestellten Lesern der Inschrift, die Gemeinschaft der β ρ ο τ ο ίals der Adressat der Botschaft genannt.230 So begegnet die Verbindung beider Begriffe –Reisende und Sterbliche –auf einem marmornen Wegweiser (CEG 1, 442):231 [–

]ἔ ]ρ σ ο εβ τ[ο τησ[έμμ μ ε ῖ̣ ς η η ῖο νἀ ν λ ]μ ϑ ὲς|

μ η α ίν [– ] σ ε [ν μ ]έτρ[ο ν ]ὁ δ ο ρ ιπ ία ·| ο ς [ἔ ρτ σ ]ὸμ τ ὰ ε ίνγ τα χ ρ σ μ ὸ ὺϑ π ε μ ῶ ςδώ ὸ ν| β δ ω ε κ α σ σ [– τ]ε ρ α ά κ ο ν τ έ ν ο γ λ ιμ ςσ ᾽ἐ τ ά δ ιο ι.

... stellte mich den Sterblichen als wahres Denkmal auf ... zu künden das Maß der Wegstrecke: Es ist nämlich die Strecke zumZwölfgötteraltar [... ]undvierzig Stadien vomHafen. ρ ο τ ο ίwiemitἄνϑρ ο π ὸ Hier sind mit β εhὸ σ ϑοδ τ ε[ι]ς κα ε ίχ in CEG 1, |ν 28 Menschen auf demWeg, genauer: auf demWeg vomHafen von Agora zur ᾽ 229 ZuText undDatierung (um425?) vgl. IG I3, 1468bis. 230 Das früheste Beispiel scheint CEG 1, 399 zu sein, das auf 472 datiert ist: Ε ο μ ς... / υ ϑ ὔ σ ν ε ῖςἐσ δ ντή εβροτο ρ ᾶ ν ο . Das Wort ist in Epos undTragödie gebräuchαδἔστη ν ό εἰκ ρ ο τ ο ί lich, vgl. LSJ s. v. (z. B. Il. 5, 304: ο ρ ἷο ο τ ιν ο ίε ῦ νβ ἰσ ι). Bei Soph. Ant. 850f. wird β ᾽ zuνεκ ρ ο imGegensatz ίverwendet. Dieser Bezeichnung desPublikums in CEG1, 399entρ ω π ϑ ο ιin CEG 2, 492 und595. Ein Vorläufer ist CEG 1, 28. ν spricht ἄ 231 Athen, ca. 440– 430? (heute verloren); eine andere Textrekonstruktion bietet IG I3, 1092bis.

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Dasgriechische Epigramm undseine Leser

ρ ο τ ο ίaufeine Athen, gemeint.232 DieEpigramme des4. Jahrhunderts verwenden β weniger konkrete Weise. Auch hier bezeichnet der Begriff die Gemeinschaft der Adressaten, umzu verdeutlichen, daß der Inhalt der Inschrift jeden potentiellen Leser betrifft. Er wirdjedoch zunehmend von der aktuellen Situation des Lesers oder Betrachters und von seinen konkreten Handlungen vor dem Denkmal abgetrennt und in einen generelleren, populärphilosophischen Kontext gestellt. Eine solche Betonung des Universalen zeigt sich bereits in dem Denkmal für Kallistrate (CEG 2, 520, V. 4f.):233

η σ ρ ρ τοὶπ ο ι, χ ισ ε τοὶδιὰπαντός, | έτ ιἡμ ο ίλ ὦ φ ·κοιν ρῥ μ α ῖς χ γ ε τ ε ὰ τ ῆ ό .| α δ ίρ ὸ ν ὶβροτο τ ᾽ἐσ O unsere Freunde, gut undtreu alle Zeit, seid gegrüßt. Denn ein gemeinsames Wort ist dies fürdieSterblichen. Knüpft die allgemeine Reflexion hier noch an denüblichen Gruß des Lesers α ίρ ε τ εist sowohl derGruß desToten andieFreunde als vordemDenkmal an–χ auch dervonjedem Leser vor demGrabmal geforderte Sprechakt234 –so verselb5):235 ständigt sie sich in anderen Beispielen völlig (CEG 2, 600, V. 2–

ῖν| ε τ ῶ ντ υμ νχρησ γ ᾶ ω νἐπ ιϑ ντιμ ᾽ἔρ ῶ ε ε ἰτ ὰϑ α ι| ῖν ε σ ο ρ ιπ ]ν τ εφ ο ντ ισ [ό εφ ίλ ο ίλ υν σ ιό α ὸδικ κ α ὶτ σ ι, | α ῖςκ τ εβροτο ή α ω ὶἀνενκλή ςβιοτεῦ τ ε ρ δ ό ἀ α ξ ̣τ τ ω ς .| ίσ σ α φ η ο ρ ρ τ χ ίδ ῦ ὺτα ν τ α σ η σ α , ἀπ π ά ᾽ἔσχ ε ν ,Μ ς WenndasEhren derGötter unddas Streben nach guten Taten undGerechtigkeit undfreundschaftliche Verbundenheit mitFreunden RuhmundTugend für dieSterblichen ist undeintadelloser Lebenswandel, dann hattest dudasalles, Mnesiarchides, ohne Einschränkung.

Die Aussage dieses Epigramms ist ganz unabhängig von der äußeren Rezeptionssituation, auch wenn die sozialen Tugenden des Mnesarchides gerühmt werden. Nurdie Anrede an denzuerst in derNamensinschrift über demEpigramm genannten Toten impliziert einen Leser. Der Verfasser formuliert allgemeine Gesetzmäßigkeiten, in die sich dasindividuelle Schicksal einbinden läßt. Aufeinen universelμ lenν ο ό ςberuft sich derDichter vonCEG2, 487236 ganz explizit: μ π ννό ω ο . | ν ςἐ|σ νἀνϑρώ π ν ε ά ν τ ω α ϑ ο π ὸἀ ὸ ςτ ὶκοιν τ ιΘ η ε α ϑ ά δ εκεῖτ ο ἐν ίτ ςπ α ῖς|Τελ α τ ά ςΤεγε|ά ε ο τ ο ν ςΤεγ ω έσ η ρ έ τ ικ α ό ρ ὸ α ικ υν ς|χρησ ςΝ . ς τ η ῆ εγ ςγ τ κ α ὶμ ετἀ|μ γ ὼ ι όντ δ ε ρ . έγ ω ς τ χ α ίρε ,ἐ άτ α υλ φ ἱπ ὰ εο |τ ο ρ ο τ ῖς . μ ῆ α τ ο ῖςπ ινβ ῆ ᾶ σ ῆ 232 Vgl. auch Aischyl. Prom. 841: τ ςσ ςπ ρ ν ία ε ο ςμ 360. 233 Attika, ca. 370– ε-Gruß imGrabepigramm vgl. PFOHL 1983, Sp. 486 undbesonders SOURVINOU234 Zumχα ῖρ 216. INWOOD 1995, S. 180– ις ο ρ π ώ , mit der Ruhm oder Glück in der Geνἀ ϑ ν 235 Attika, 4. Jh.?; häufig ist die Formel ἐ meinschaft derMenschen bezeichnet wird, z. B. in CEG 2, 493, 546, 581. 236 Attika, Anfang d. 4. Jh. (CEG 2, S. 16: Auctor satis ignarus rei metricae fuit.)

im5. und4. Jahrhundert

91

Es ist ein allen Menschen gemeinsames Gesetz, sterben zu müssen. Hier liegt Theoites, einTegeate voneinem Tegeaten, Sohn desTeleson undderMutter Nikarete, einer wahrlich guten Frau. Seid gegrüßt, ihr Vorbeikommenden, ich aber behüte das Meinige (das Grab).

Die Wendung hin zumLeser geschieht zuerst über die Feststellung eines anthropologischen Gesetzes,237 das diesen mit einschließt. Der situationsbezogene Gruß steht hier, anders als in demarchaischen Epigramm CEG 1, 108, amEnde. Er ist nicht Begrüßung, sondern Abschied vomLeser. Das Mittel der Generalisierung eignet sich aber auch dazu, die individuelle Tüchtigkeit eines Verstorbenen positiv herauszustreichen, sofern der generelle Tenor pessimistisch ist (CEG 2,

525):238

ο υ λ είδ ο υ κ Θ α ρ κ έ υ λ Γ ὴ ν κ α ρ ὶσώ ο ν ν υ α λ ῦ ν α φ φ α ικ ί, ἐσϑ ι| ὶγ ιςἐσ τ ν ά ὁσπ ή ν ὴ να ὐ , δοκίμ τ ω τ ςτο ῦ δ ρ γ α Γ . λ υ κ χ ε ᾽ἔτυ έ Glykera des Thukleides

Was selten einer Frau zuteil wird, edel undzugleich besonnen zu sein, das hat ruhmreich seine Glykera erlangt.

Der Aufbau vieler Gedichte spiegelt ein bestimmtes Ethos wider: Anstatt, wie Zeit, den einzelnen Toten durch das Lob des Denkmais und die Kunde seines Ruhms hervorzuheben, betonen die Epigramme Abstraktes, insbesondere ethische Werte.239 DasGrabmal wird dagegen entweder geradezu verleugnet oder doch wenigstens als gegenüber den sozialen Tugenden unwesentlich hingestellt.240 So behauptet das folgende Epigramm, die σ ρ ηder Grabinhaο ω σ φ ύ ν berin lebe außerhalb des Grabes weiter (CEG 2, 479):241

in archaischer

237 Der Gedanke an sich begegnet schon bei Homer (z. B. Il. 6, 146–149; 12, 326f.), von einem ο μ ςspricht in anderem Zusammenhang Platon, Leg. 645 a 2, 885 a 7, vgl. auch ό ὸ ιν ςν ο κ μ ο ό ςin Leg. 644 d 3. die Definition des ν 238 Attika, ca. 360? –Daß es sich nicht um ein misogynes Klischee handelt, zeigt CEG 2, 532, V. 3, wodasselbe voneinem Manngesagt wird: ο ὗσπ ὶτυχεν ρ ν ά ιςἀ . ν δ

besonderen Zugdes Grabepigramms im 4. Jahrhundert, der der Gedankenwelt der Tragödie nahezustehen scheint, betont schon PEEK 1960, S. 31f.: „ Der innere Wert eines Menschen wird abgesetzt vomäußeren Schein“ . Das Thema wird bereits bei Aischylos in den Sieben gegen Theben (s. o. S. 40) behandelt. Als weiteres Indiz für diese Verinnerη , οἶκ ή λ ο τ ςöfter dasabstraktere γ ῆ lichung kann gelten, daßEpigramme nunanstelle vonσ oder τά ο φ ςverwenden (etwa zehnmal so häufig). Geradezu inflationär werden dieEpitheta η σ τ ό γ α ρ ό ς , ἐσϑλ ς χ ,ἀ νeingesetzt. ω ρ ϑ φ ςundσώ ό 240 DerGedanke, daßdas Grab nurdenLeib verbirgt, zeigt sich oft in der Verwendung von τ ε ιν(CEG 2, 479), κεύϑ ε ιν α τ α κ α λ ύ π τ ε ιν(CEG 2, 571, 611), κατακρύπ Verben wie κ (CEG 2, 475, 685, 709, 716, 737, 739) undκρύπ τ ε ιv, das in CEG 2 dreizehnmal belegt ist. Ineinen Gegensatz dazuwerden dann ‘unsichtbare’Tugenden desVerstorbenen gesetzt. 241 Attika, Anfang des 4. Jh.s? IG I2, 13071 lesen in V. 2 (am Ende der 2. Zeile): ο [ὐ ]. Zur Interpretation vgl. auch A. STECHER / G. PFOHL, Das Grabepigramm für Chrysanthe, Serta Philologica Aenipontana 2, Innsbruck 1972 (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft

239 Diesen

20. 17), S. 13–

92

Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

ῆ κ α χ τ ε ι, τ έ ν δ η φ τ έ ὴ ν ὸ ν σ ω , μ ὲ ἐν ςγ ν μ ύ α σ ο ῶ σ |ρ ν ὴ ὀ|κα η νσ ,τ ὴ ετά φ ο υ ψ . ϑ ς ρ ν ά ρ σ υ έ κ τ Χ DenKörper hält dieErde imInnern, deine Besonnenheit aber, Chrysanthe, dieses Grab nicht verborgen.

hat

Ein anderes Grabgedicht greift auf von Pindar undEuripides bekanntes dankengut zurück undphilosophiert über die Seele (CEG 2, 535):242

Ge-

ρ ν ὴ ὐ Ε χ φ ιά λ ο υ ςδιαν|ο υψ χ ο ά ερ υμ α ὶὑπ |κ ς ία ο β ς|ὅ α αδ ὲτύν μ ὸ ρ ςἔχ|ε . ῶ ε δ ι, σ ἰϑ ρὑγ ὴ

DieSeele desEurymachos unddashochfliegende Denken Äther, denKörper aber dieses Grab hier.

hatderbewegliche

Pindar (Nem. 8, 40ff. SNELL / MAEHLER) berichtet über Megas, denverstorbeφ ο ο ίund nenVater seines Auftraggebers Deinias ausAigina, daßer imKreis derσ ιzum„beweglichen Äther“gelangt sei. UmdieTugend desGerechtigkeitsδ ίκ α ιο sinnes geht es auch in CEG 2, 549,243 in dem ein Denkmal als Symbol dieser

menschlichen Qualität präsentiert wird:

μ ὲ ν μ ν α ϑ ἐ ά δ σ ῶ ισ ε [ς ᾽ἔχ ό ν ν ν τ ο ,Δ ίφ ό ϑ α ], | α ῖα ιλ ε ,γ μ ν μ ῆ α δ ὲσ ῆ ςἔλιπ ε ςπ ᾶ σ η ιδικα ν ς σ ύ ιο . Deinen Körper zwar, Diphilos, hat hier nach deinem Tod Erinnerung andeine Gerechtigkeit aber hast duallen hinterlassen.

die Erde,

Hier werden die Begriffe K örper’und‘Erde’auf der einen Seite, ‘Denkmal’ ‘ spielt mit dem Doppelsinn von μ oder ‘Erinnerung’ –der Autor μ α–und ῆ ν ‘Gerechtigkeit’ aufderanderen Seite einander zugeordnet, unddies imSinne einer wertenden Klimax, die aufδ ικ α ιο η σ ύ ςzuläuft. Erinnerung andie Gerechtigkeit ν beiallen“meint eine unauslöschliche Erinnerung. „ Bleiben wir noch einen Moment bei diesem Motiv. Der Gegensatz zwischen sterblichem Leib undἀ ϑ ά ν μ α τ ῆ αist wohl schon seit demPolyandrion für ν ο νμ die 432 v. Chr. bei Poteidaia gefallenen Athener geläufig.244 Während die Erinnerung dort aber noch an das Denkmal gekoppelt wird, verselbständigt sich in dem 242 Piräus, vor ca. 350?; vgl. Eur. Suppl. 531ff. (424 v. Chr.), Fr. 839, 8ff. NAUCK; s. auch Epicharm Fr. 245 KAIBEL. α ἰϑ ρ ό ςbegegnet ebenfalls bei Euripides (Ion 796) undauch ρὑγ ὴ schon bei Pindar Nem. 8, 41f. SNELL/ MAEHLER. Das direkte Vorbild allerdings ist wohl das Epigramm aufdemPolyandrion fürdiebeiPoteidaia imJahr 432v. Chr. gefallenen Athener (CEG 1, 10 = IG I3, 1179 [GV20; GG 12], V. 6: α α τ [α μ ό οσ τ ἰϑ α σ χ δ ε έ ὰ χ υ φ ςὑπ μ σ ὲ ρμ ὲ ]). ν ό δ ὲχϑ 243 Piräus, ca. 350? 244 CEG 1, 10 = IG I3, 1179, vgl. auch die von PEEK, GV20 dokumentierten Ergänzungsvorschläge fürV. 1,dievonHANSEN nicht wiederholt wurden. Eine nochmals abweichende Formulierung bietet PEEK, GG 12, V. 1: ἀ ᾽ἐπ μ ], ϑ ά ν ῆ ν α τ ό ν νμ εϑ α α [ν ο έϑ κ ιμ α ῦ ῖτ σ ιπ ο λ η zumMotivischen vgl. PEEK, GG,S. 23f. undS. 294f.; ἀ μ werden auch in ε ῖα η ϑ ν ά ν α τ αμ CEG2, 721 erwähnt.

93

im 5. und4. Jahrhundert

fast 100 Jahre jüngeren Epigramm auf die Gefallenen von Chaironeia die Kunde mit Hilfe eines göttlichen Boten (CEG 2, 467):245

], | ν ο η [ῖςπ ο τ ν α επ ῖμ ίσ ν κ ο π εδα νϑ τ ο ίω [ὦ ν ρ ]ε α ν ,π ό Χ ̣ω γ [ἄ γ ε λ ]ο ε ετ ρ ν ν π ο έ ᾶ [ιγ ῦπ σ α ςἡμ ϑ ], | ν έω ]| ραν μ ν ε ο ιἙ λ λ ά δ α ώ χ ώ [ὡ ςἱερ νσ ώ ιζ ὰ ε]ι[ρ ινπ ε ν μ ε ν δ α π ἐ έ δ ο ις ]. ισ κ ο ή νκλ ειν ο ν τ ῖςϑ ῶ ιω ο [Β

O Zeit, überjegliches beidenSterblichen wachender

Daimon, werde allen

ein

Bote über unsere Leiden, daßwir bei demVersuch, das heilige Griechenland zu retten, auf demruhmreichen Boden der Böoter gestorben sind.246

Die Sprecher desGedichts, dasoffensichtlich mitAnklängen andasberühmte, Simonides zugeschriebene Thermopylen-Epigramm247 arbeitet, wenden sich anders ᾽ als in demVorbild nicht an den ‘Wanderer’ als Leser undBoten (ὦ ε , ἄγγ ιξ ε ῖν ο ν ίο ις...). Der ‘Chor’der Gefallenen abstrahiert vonder konkreλ ο νΛ α κ ε δ α ιμ tenLesesituation undstellt sich diepersonifizierte undvergöttlichte ‘Zeit’als überregionale Verbreiterin der Kunde vor, die nicht allein in eine Stadt, sondern zu allen Menschen –also auchzuallen mitAthen gegen Philipp Verbündeten –gelangensoll (ἄ γ γ ε λ ο ςπ ᾶ έν σ ιγ ου 248). Da sich das Monument in Athen undnicht am Ort des erzählten Geschehens befindet, kann eine deiktische Formel wie κείμ ε ϑ α τ ῇ δ εkeine Verwendung finden. Anihrer Stelle wird der Ort der eigentlichen Bestattung namentlich genannt (Β ο ιω τ ν... ἐ ῶ νδα π έ δ ο ις ). Kein ‘universaler Leser’, die göttliche Personifikation der Zeit soll die fiktive Rolle desBoten übernehmen. Sie wacht über alle menschlichen Dinge249 unddamit auch über Erzählungen undNachrichten, die ihren Wegin alle Gegenden Griechenlands nehmen. Der implizite Adressat dieses Epigramms ist also ein vom Ort der sprechenden Stimme räumlich undzeitlich entfernt gedachter. Die Figur desBotengottes ‘Zeit’gibt zugleich demidealen Leser Gestalt, der den Text gleich einem pindarischen Siegeslied über räumliche undzeitliche Grenzen hinweg weiterträgt. 245 Athen, Olympieion, 338 v. Chr. = Anth. Pal. 7, 245 (hiernach die Ergänzungen); möglicherweise waren noch andere Epigramme aufdemzerstörten Monument, vgl. CEG2, S. 2f. 246 DasPräsens ϑνή σ μ κ ε νmacht deutlich, daßdieHandlung zwar derVergangenheit angeο hört, jedoch in die Gegenwart des Sprechers hineinwirkt. Die präsentische Form von ή σ ϑ ν κ ε ινbegegnet auch in anderen Epigrammen des 4. Jh., wenngleich seltener als das Imperfekt; zur Bedeutung (‘gestorben sein’) vgl. R. KÜHNER / B. GERTH, Ausführliche 137. Grammatik der griechischen Sprache Bd. 2, 1, S. 135– 247 ‘Simonides’ 21 FGE, S. 225f., zitiert bei Hdt. 7, 228, 2 (ἀ γ έ λ ε γ ιν ) undLykurg 109 (ἄ γ ε ιγ ), der als Begründung für die Aufstellung angibt, alle Griechen hätten es als Zeugnis λ ο ν sehen sollen.

γ 248 ἄ γ ε λ γ ο ν : CEG 2, 853; ἀγ έλ λ ειν : CEG 2, 591, V. 4; 815; 823. In CEG 1, 83 (= IG I3, 1353; Mitte 5. Jh. v. Chr.), V. 9 gibt es dagegen universellen Ruhm in der Unterwelt: ἐ ς α π β α ινμ ᾶ σ ϑ α ι. Ἀ ίδ ακατέ ὸ έ σ τ ςἰδ ισ ρ |κ α 249 ἐπ ίσ κ ο π ο ςheißt Pallas Athene als Schutzgöttin Athens bei Solon, Fr. 4, 3f. WEST, vgl. Aristoph. Equ. 1172f.; aber auch andere Götter haben diese mit ἐ π ίσ κ ο π ο ςbezeichnete Wächterfunktion über bestimmte Bereiche, so z. B. die Chariten bei Pindar Ol. 14, 4 SNELL / MAEHLER oder Zeus bei Aischyl. Suppl. 381ff.

94

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

In privaten Denkmälern des 4. Jahrhunderts wird häufig explizit an das allgemein-menschliche Empfinden appelliert, so auch in dem Epigramm auf der Stele derHegilla (CEG 2, 590):250 ἡ λ ικ ία μ μ ὴ ντα ὲ νἐμ η ύ νδ τ ε ῖπ ά ν τ α ςἀκοῦσα ι ά λ ίο υαὐγ ς .·| νἡ ο ιλίπ τ π ω ιἔτ ε έμ α ὶπ τ ο σ ῶ ικ εἰκ ε ῖς μ νἡμ ε νἣ η ν εἴχ ο ν τ ρ ο σ ύ ο ο υ ὺ φ ςκ α ὶσω ςδ ὲτρόπ ν . ρ ὶτοῦτω ρ ισ τ π ν ε ε ιςοἶδ ἄ ῖν ό σ ο ε ρ ςπ ᾽εἰπ ε έτ μ ἡ Dieses mein Alter sollen alle hören: Im fünfundzwanzigsten Jahr verließ ich die Strahlen der Sonne. Welchen Charakter undwelche Klugheit ich besaß, darüber weiß meinGatte ambesten zusprechen.

Nicht der zufällige Leser wird angeredet, sondern die größtmögliche Gruppe vonMenschen (δ ε ῖπ ν ά τ α ςἀ σ κ ο α ῦ ι). Oft betonen Epigramme das Leid der Angehörigen oder Mitbürger (λ ε ίπ ω π ᾶ σ ι ... π ο ϑ έν ς);251 hier wird der Gatte der Verstorbenen als Zeuge für deren bewunderungswürdigen Charakter undvomTodeMitbetroffener genannt. Dies ist insofern interessant, als die Rede dertoten Hegilla sich auf eine weitere Autorität stützt, um ihre Behauptung glaubhaft zu maρ ό π ο ιgeht, chen. DerVerweis aufeinen Zeugen, wennes umdiecharakterlichen τ ist denattischen Bürgern von Gerichts- undPrüfungsverfahren her vertraut.252 Das Zeugen-Motiv benutzt auch der Verfasser einer anderen (heute verlorenen) attischen Stele (CEG 2, 623):253

μ ρ ά τ υρ ιο εςἠέλ ςκ δ ρἠ ὲπ η ή ρσ τ α ὴ ό α ὶμ τ ς , ῆ ῆ λ ςεὐκολ τ έ ω ςσ α ν ,τ ι. ν ία Π α ςβ[ιότ]ω Zeugen sind die Sonne, deine Mutter Anständigkeit imLeben.

unddein Vater, Pantaleon, für deine

DasMotiv dermündlichen Kunde (ἀ γ ε λ γ ία ) unddasAnrufen vonAutoritäten als Zeugen belegen einen Wandel im Adressatenkreis der Epigrammtexte. Der Sprecher wendet sich in seiner Vorstellung nicht mehr an denunmittelbar vor Ort stehenden Leser, um ihm das Denkmal zu erläutern. Er bezieht sich, bisweilen schon unabhängig vomkonkreten Trauerritus, auf die rationalen undemotionalen Erwartungen des Rezipienten vor dem allgemeinen Wertehorizont seiner Zeit. Allgemein-menschliche Erfahrungen unddie Bezugnahme auf die politische oder 325; vgl. noch CEG 2, 732. 250 Athen, ca. 350– 251 CEG 2, 574 (Eleusis; nach ca. 350?); vgl. CEG 2, 527 u. a. 252 Mankönnte hier undbei anderen Epigrammen besonders andie Dokimasieverfahren denken, bei denen es nach J. BLEICKEN, Die athenische Demokratie, Paderborn 21994, S. 273f. umdas ganze Leben, die ganze Person des Prüflings ging, ohne daß zwischen privatem und öffentlichem Bereich getrennt wurde, vgl. Lys. 16, 9: ἐ νδ ὲτ α α σ ία ιςδίκ ῖςδοκιμ ν ιο α γ ο νδιδόν ίο υλό α ι. Derapologetische Logos desAngeklagten beginnt ο ὸ ῦβ τ ςτ ν ιπ α α ε ἶν dort mitseinem korrekten Verhalten anderen Familienmitgliedern gegenüber. ρ in CEG 2, 882 (Istrien, ρ έ τ ω υ α 253 Piräus, 4. Jh.?; zur Wortwahl vgl. den Gebrauch von μ ρ ά τ υ ςin CEG 2, 627, 798. Die Richtung paßt zu der DeuAnfang des 4. Jh.s?) und von μ ρ ρ τ α ιο ύ ν , s. oben S. 93 Anm. 247. tung des Thermopylen-Epigramms durch Lykurg als μ

im 5. und4. Jahrhundert

95

soziale Gruppe, im 4. Jahrhundert besonders auf die Familie, gehören zu den wichtigsten Themen desEpigrammdichters. DerLeser wiederum erwartet nunmehr auch dieDarstellung undVermittlung bestimmter Stimmungsqualitäten. Die Trauer der Hinterbliebenen, von der zahlreiche Grabepigramme sprechen, ermöglicht dem Rezipienten das Nacherleben der vielleicht aus eigener Erfahrung bekannten Gefühle beim Betrachten desDenkmals. Insofern sind auch scheinbar private Grabgedichte aufdieGemeinschaft bezogen. Der Horizont der Leser umfaßt neben den Wertvorstellungen der Gemeinschaft auch dasWissen über Konventionen kommunikativen Verhaltens in derzeitgenössischen Öffentlichkeit, insbesondere über die Gattungen und Formen der Rede über eine Person. Zu der Bildung in rebus politicis kommt in zunehmendem Maße auch die Kenntnis literarisch-philosophischen Gedankenguts hinzu. Dabei geht vielleicht dergrößte Einfluß vondenin ähnlicher Weise öffentlich wirksamen Gattungen wie Trauerrede und Drama aus, die den Zusammenhang von Einzelschicksal undpolitisch-sozialer Gemeinschaft thematisieren.

96

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

5. STEINEPIGRAMM UNDBUCHEPIGRAMM 5.1. DieEntstehung desBuchepigramms

Die literarische

Überlieferung

vonGrab-, Weih- undLiebesepigrammen in ei-

gens angelegten Sammlungen beginnt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, mit demWerk der ersten namentlich bekannten Verfasser von Epigrammbüchern seit demEnde des4. Jahrhunderts.254 Dasich dieGedichte dieser Epigrammatiker ganz

offensichtlich auf dieTradition derfürdenStein komponierten Versinschriften beziehen, hat sich dieFrage nach demVerhältnis vonStein- undBuchepigramm geradezu vonselbst aufgedrängt. Erst injüngerer Zeit ist mandabei aber vonderFrage, ob ein Epigramm ‘fiktiv’ist, zu einer Untersuchung der Rolle des Lesers und derRezeptionsgewohnheiten desPublikums im4. und3. Jahrhundert gekommen. Der Übergang einer für die mündliche Aufführung konzipierten Literaturform zurLesedichtung ist mitambesten fürdiegriechische Tragödie bezeugt. Hier war das große öffentliche Interesse der Polis Anlaß für die Zusammenführung der Texte in einer maßgeblichen Ausgabe.255 Eine bekannte Aristophanesstelle belegt jedoch, daß die Tragikertexte schon früher, vermutlich in Einzelausgaben, nach ihrer Inszenierung auch privat gelesen wurden. Sie galten, wie später Aristoteles bezeugt, auch in Buchform als rezipierbar undsind somit ein frühes Beispiel einer Lesedichtung, wenngleich dasLesen gegenüber derAufführung die sekundäre Art undWeise derRezeption blieb.256 Die offensichtlich auch bei Lesern undVorlesern beliebte dramatische Form wird, wieetwa Herondas oder Theokrit bezeugen, ohne weiteres in die Buchdichtung integriert. Die Inszenierung mündlicher Sprechakte für denBuchkontext steht demLesevergnügen also offensichtlich nicht entgegen. Wie aber soll man sich den Prozeß vorstellen, in dem aus einer größtenteils privaten, teilweise wenig anspruchsvollen Dichtungsform wie derVersinschrift die Literaturgattung wurde, dieREITZENSTEIN als dasBuchepigramm definiert:

Ich verstehe darunter ein imwesentlichen für das Buch, bezw. für den Vor„ trag (denn beides ist in älterer Zeit oft noch verbunden) bestimmtes und für 94; WILAMOWITZ 1924, 1, S. 128f.; SEELBACH 1988, S. 163– 1907, Sp. 84– 174; CAMERON 1993, S. 2f.; GUTZWILLER 1998, S. 52f.; ARGENTIERI 1998. 255 Zumsogenannten ‘Staatsexemplar’vgl. R. PFEIFFER, Geschichte derKlassischen Philologie. VondenAnfängen bis zumEnde desHellenismus, München 21978, S. 109; E. PÖHLMANN, Einführung in die Überlieferungsgeschichte und in die Textkritik der antiken Literatur, Bd. 1: Altertum, Darmstadt 1994, S. 24f. 256 Der aristophanische Dionysos (Ran. 52ff.) liest zu seiner Unterhaltung die Andromeda des Euripides. Zu Lesetexten s. ferner Aristot. Rhet. 1413 b 11ff. unddie ausführliche Diskussion bei O. ZWIERLEIN, Die Rezitationsdramen Senecas. Mit einem kritisch-exegetischen 146; U. v. Anhang, Meisenheim 1966 (Beiträge zur Klassischen Philologie 20), bes. S. 138– WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Euripides, Herakles. Bd. 1: Einleitung in die griechische 220 (Kap. III: Die Geschichte desTragikertextes); Tragödie [1895], Darmstadt 1959, S. 121– 25; ZIMMERMANN 1992, S. 133ff. PÖHLMANN 1994, S. 23– 254

REITZENSTEIN

Steinepigramm undBuchepigramm

97

ihn vollauf genügendes Gedicht. Ob es daneben auch einmal auf Stein geschrieben undfür einen bestimmten Anlaß gedichtet war, oder ob die in ihm erwähnten Persönlichkeiten gelebt haben, ist nicht entscheidend, wird sich 257 übrigens auch in vielen Fällen unserer Beurteilung entziehen.“

Die qualitativen Voraussetzungen für die Aufnahme in eine Papyrusrolle, die eine vonZeit undOrt unabhängige Lektüre ermöglichte, mußte das Epigramm im Unterschied zumDrama allerdings erst noch erwerben. Die Kriterien für die –um

diese Qualität mit einem Begriff zu bezeichnen –Literarität, die REITZENSTEIN in diesem Zusammenhang nennt, sind die Zulässigkeit eines fiktiven Rahmens und eine gewisse Geschlossenheit der künstlerischen Form.258 Das Epigramm wird so derElegie oder demsympotischen Liedgleichwertig, ja es kann sogar andie Stelle der alten Gelagedichtung treten. Die Epigrammforschung bemüht sich seit langem, die praktischen Ursachen undtheoretischen Möglichkeiten für die Literarisierung der Steingedichte gerade im 5./4. Jahrhundert zu klären.259 Bedingung für die Aufnahme eines Gedichtes in einBuch ist zuerst, daßmanes als einerhaltens- undlesenswertes Kunstwerk empfindet.260 Begünstigt wird diese Aufwertung des Epigramms dadurch, daß die inschriftlichen Gedichte des 5. Jahrhunderts, insbesondere die öffentlichkeitswirksamenStaatsgräber, Verbindungen zur threnodischen Elegie undzur Tragödie aufweisen.261 Das irgendwann im 5. Jahrhundert gleichsam kanonisch gewordene Distichon ermöglicht die Geschlossenheit der Form, die behandelten philosophischen Themen sprechen, wie im letzten Abschnitt gezeigt, ein weiteres Publikum an. So bedingen sich der gestiegene Anspruch der politisch undliterarisch gebildeten Leser unddie wachsende öffentliche undprivate Bedeutung derEpigrammdichter gegenseitig undführen schließlich zueiner höheren Wertschätzung derVersinschrift. Für die Anerkennung des Epigramms als eines Kunstwerkes ist die Zuschreibung an einen nach Möglichkeit namhaften Dichter von großem Vorteil.262 Die erste, vielleicht für spätere Sammler vorbildhafte Zuweisung eines Steinepigramms an einen Dichter, Simonides von Keos, ergibt sich wiederum aus der Begegnung des Epigramms mit der ‘großen’Literatur. So zeigen zuerst die Historiker ein Interesse am Genos der Inschriften undan ihren Verfassern. Herodot erwähnt, daß einbekanntes Epigramm aufeinem historischen Monument vondemkeischen Ele-

257 REITZENSTEIN 1907, Sp. 81. 258 LAUSBERG 1982, S. 91– 95. 259 REITZENSTEIN 1893, S. 104, 121 und DERS. 1907, Sp. 79–81; LAUSBERG 1982, S. 96f.; 3. Das Phänomen der Literarisierung wird SEELBACH 1988, S. 158f.; CAMERON 1993, S. 1– vonZIMMERMANN 1992, S. 137 als ein Prozeß beschrieben, in dessen Verlauf die soziale (im Falle desDithyrambos sogar institutionalisierte) Funktion vonDichtung durch dieReflexion derDichter über die Möglichkeiten der Gattung ersetzt wird. Das soll nicht bedeuten, daß das archaische Epigramm noch keine Literatur war, vgl. dazu die einleuchtenden Bemerkungen bei LAUSBERG 1982, S. 96 undbes. Anm. 4 auf S. 530. 260 WEST 1974, S. 19f.; LAUSBERG 1982, S. 96; GUTZWILLER 1998, S. 3– 6, 52f. 261 PEEK 1960, S. 31; CASSIO 1994, S. 110ff. 262 REITZENSTEIN 1907, Sp. 80f.; WEST 1974, S. 20.

98

Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

giker stamme.263 Im 5. Jahrhundert blieb die Anonymität der Verfasser jedoch die Regel, undauch bei Herodot wird nicht deutlich, woher er seine Nachricht über die Verfasserschaft bezieht.264 Die nichtliterarische Überlieferung der Steinepigramme kennt einen Autornamen jedoch erst gegen 400 v. Chr.265 Weitere frühe Spuren eines proto-wissenschaftlichen Interesses an Steinepigrammen finden sich in der Folge bei Platon undbei den Rednern, die berühmte oder durch ihren zentralen Aufstellungsort bekannte Beispiele266 in ihrer jeweiligen eigenen Argumentation als Autoritäten heranziehen. Der Rhetor Aischines hat möglicherweise als einer der ersten eine Epigrammsammlung besessen.267 Ob dies aber schon Sammlungen imengeren Sinne waren, antiquarische Kompilationen, die nicht primär der rhetorischen oder schriftstellerischen Vorarbeit dienten, sondern demErhalt des überlieferten Materials umseiner selbst willen, mußeher fraglich bleiben. Ein solches Interesse am sprachlichen Kunstwerk unddie dadurch motivierten Sammlertätigkeiten sind ansonsten eher erst für die aristotelische Zeit bezeugt.268 So scheint auch das Sammeln und literarische Bearbeiten von Steinepigrammen entgegen früheren Annahmen269 erst ab der2. Hälfte des4. Jahrhunderts denkbar.

263

Herodot (7, 228, 3 = ‘Simonides’6 FGE = Ep. 94 BERGK) zitiert ein Epigramm des Simonides auf den Seher Megistias; hierzu H. T. WADE-GERY, Classical Epigramms and Epitaphs. A Study of the Kimonian Age, JHS 53, 1933, S. 71–104, hier S. 73 undPAGEFGE, S. 120, 195f.; CAMERON 1993, 1f. Zwischen Herodot undMeleagros gibt es dann nur noch zwei di-

für Zuschreibungen von Epigrammen an Simonides, bei Aristot. Rhet. 1367 b 19 und bei Aristophanes von Byzanz (überliefert bei Eustathios, Comm. ad Od. 14, 350), vgl. PAGEFGE, S. 122. μ α μ ρ σ ά 264 Hdt. 7, 228, 4: ἐπ ιμ έ νν υ νκ ιγ ῃ σ ι, ἔ λ α ὶστή ἢτ ὸτ ν μ ά , τ α ο ιο ξ ω ῦμ μ ςἐπ ρ α ίγ ή ·τ ικ φ μ τ ὸδ σ ν α ύ έ ν ο ε γ ν α ισ τ ιο ὲτ ίσφ τ ά ο τ μ ςεἰσ ίε ε ςο ω ἱἐπ ο η Σ ς ςΜ ικ ῦμ Ἀ ς ιμ ο ν ε σ ίδ ρ έπ ε ό ρ ά ὁΛ εω π ὰξειν ςἐσ α τ ψ τ ικ α νὁἐπ . Es gibtjedoch keinen Grund, die Zuweiς ιγ ίη sung an denkeischen Dichter zubezweifeln. Die beiden anderen Epigramme werden erst später Simonides zugeschrieben, s. LAUSBERG 1982, S. 126. Nach WEST 1985b, S. 289 warendiese Gedichte schon vorHerodot Teile der‘oral tradition’überdiePerserkriege. 265 In CEG 2, 819 (Lakonien, kurz nach 405; s. WEST 1974, S. 20 Anm. 30; GUTZWILLER 1998, rekte Belege

S. 48), V. 5 und13 nennt sich ein IonvonSamos als Verfasser. Sein Gedicht bezeichnet er γ ε als ἐλ ῖο ν ε , vgl. auch (nur wenig jünger): CEG 2, 700 (MERKELBACH / STAUBER 01/01/97; Knidos), V. 3; CEG 2, 889 (Letoon bei Xanthos), V. 8. BERNAND 1969, Nr. 35 (GV 1150, GG 164; Apollonopolis Magna, 2. Jh. v. Chr.) bietet am Ende die Signatur: Ἡ η ρ α ρ ώ δ ςἔγ χ ε ιν(V. 13: τεῦξ ), das in CEG 2, 548, . Ion dagegen beschreibt seine Tätigkeit mit τεύ ν ε ε ψ μ η ε ν V. 9: μ ῖο ν φ ιλ ία ςτεῦ φ ν –] derErbauer desDenkmals benutzt. ξ ετά [ο 266 ZuEpigrammen bei Demosthenes undAischines (z. B. 3, 184) vgl. WADE-GERY 1933, S. 95; zudenEpigrammen bei Platon s. o. S. 46, 69 Anm. 169; GUTZWILLER 1998, S. 47f. 88– 267 WADE-GERY 1933, S. 94. 268 PFEIFFER 1978, S. 111f.; die Sprachforschungen der Sophisten verfolgten immer einen bestimmten Zweck, PFEIFFER a. a. O. S. 67. 269 Nach J. GEFFCKEN / G. HERBIG, Ν ά ξ ο ς , Glotta 9, 1918, S. 97–109, hier S. 100 gab es ein Epigrammbuch schon vorPlaton, ähnlich schon WEBER 1917, S. 540; WADE-GERY 1933, S. 94 und S. 80 Anm. 35; GEFFCKEN 1917, S. 35 spricht von Epigrammsammlungen in Büchern zuBeginn des 4. Jh. undvon vorplatonischen, in Büchern niedergelegten EpigramMitte 3. Jh., vgl. PFEIFFER 1978, S. 188f., men. –Philochoros, ein Atthidograph (Mitte 4.– μ α τ μ αkompiliert haben, jedoch „primarily political than Anm. 177), soll Ἀ ρ τ ά τ ικ ὰἐπ ιγ

Steinepigramm

Nicht

undBuchepigramm

99

nurbei derZuschreibung vonEpigrammen anbekannte Namen, sondern

auch bei der Erstellung erster Sammlungen hat manimmer wieder Simonides eine ή ρ ς ῶ τ ο ςεὑρετ zentrale Rolle zugewiesen.270 Verschiedene Indizien ließen ihnals π

des Epigrammbuchs geeignet erscheinen: die Erwähnung seiner Autorschaft eines Steingedichtes bei Herodot (7, 228, 3f.) undsein mehr legendenhafter Ruf als Auftragsdichter von Epitaphien undals Gedächtniskünstler.271 Die Quellenlage gestattetjedoch nicht mehrals Vermutungen über seine tatsächliche Bedeutung: Das einzige, indirekte Zeugnis für die Herstellung eines Epigrammbuchs oder gar eigens zu diesem Zweck verfaßter Buchepigramme durch Simonides stellt die Überlieferung zahlreicher ihmzugewiesener Epigramme in derAnthologia Palatina dar, deren Echtheit in vielen Fällen wohl zu Recht angezweifelt wird.272 Die Rolle des Simonides als eines Vorläufers der Epigrammatiker des frühen 3. Jahrhunderts kann also aufgrund dieser schwierigen Überlieferungslage nicht völlig geklärt werden. Entscheidend ist aber wohl gewesen, daß er als erster, durch seine Leistungen in denbereits etablierten Gattungen bekannter Dichter auch iminschriftlichen Genos größere Bedeutung erlangte, selbst wenn er kein eigenes Buch herausgegeben habensollte. Amweitesten ist indieser Frage PAGEgegangen: There is no evidence that any particular author’s epigrams were collected „ andpublished before the Hellenistic period; andSimonides is noexception to the rule.“273

Denkbar ist natürlich, daß es private Sammlungen berühmter Inschriften gab, die ohne einen Verfassernamen zirkulierten, oder daß Epigramme mit anderen elegischen Gedichten zusammen publiziert wurden. WasdieForm dieser Sammlungen

270

literary“(CAMERON 1993, S. 5). Zu den Kompilationen des 4. und 3. Jh. siehe auch KREVANS 1984, S. 3f., 57f.; ARGENTIERI 1998, der hier von ‘Syllogai’spricht. So besonders bei M. BOAS, De epigrammatis Simonideis, Diss. Phil. Amsterdam 1905, der eine Sammlung amEnde des4. Jh. annimmt, in derberühmte Epigramme demSimonides zugesprochen wurden, dazu CAMERON 1993, S. 1f.; PAGEFGE, S. 120; SCHMID / STÄHLIN I,

1, 1929, S. 510f. Anm. 10;

WILAMOWITZ

1913, S. 211ff.; GENTILI 1968, S. 41f.; GUTZ-

53. Die Urteile über die Echtheit dersimonideischen Epigramme könS. 50– nenaber zumgegenwärtigen Zeitpunkt nicht als endgültig betrachtet werden, vgl. CASSIO WILLER

1998,

1994, S. 108 und 116. –Zur Überlieferung der griechischen Elegiker im 4. Jh. s. WILAMOWITZ 1900, S. 14f.; PÖHLMANN 1994, S. 13f. –Zu Dichtung und Leben des Simonides vgl. auch WEST 1974, S. 20f.; ZIMMERMANN 1992, S. 113f. undJ. H. MOLYNEUX, Simonides. A historical study, Wauconda / Illinois 1992. 271 H. FRÄNKEL, Dichtung undPhilosophie des frühen Griechentums. Eine Geschichte der griechischen Epik, Lyrik undProsa bis zur Mitte desfünften Jahrhunderts, München 21962, S. 66; 494 undAnm. 16; S. GOLDMANN, Statt Totenklage Gedächtnis, Poetica 21, 1989, S. 43– zur Bekanntheit des Simonides SCHMID / STÄHLIN I, 1, 1929, S. 522f. 272 Zur ‘simonideischen Frage’vgl. besonders BOAS 1905, der etliche Gedichte für hellenistisch hält und mit dem Simonides-Imitatoren Mnasalkes in Verbindung bringt; dazu WILA206; 211; in neuerer Zeit PAGEFGE, S. 119– 123. MOWITZ 1913, S. 204– 273 PAGEFGE, S. 120; ähnlich GUTZWILLER 1998, S. 5. Wenn CAMERON 1995, S. 87 mit seiner Interpretation desAntimachosfragments recht hat, sowäre ein Elegienbuch amEnde des5. Jh. sicher bezeugt.

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Dasgriechische Epigramm undseine Leser

angeht, ist manjedoch auf Spekulationen angewiesen,274 undes ist möglich, daß noch Platon Gedichte wiedasMidas-Epigramm aus demKopf zitierte. Auf etwas sichererem Boden bewegen wir uns tatsächlich erst mit den ersten für namentlich bekannte Autoren bezeugten Epigrammbüchern derZeit um400 v. Chr. Es läßt sich daher auch nicht entscheiden, ob berühmte Dichter, die denAuftrag für ein Monument erhielten, oder die vonden Steinen inspirierten Sammler letzten Endes als ‘Erfinder’ des Buchepigramms betrachtet werden dürfen. REITZENSTEIN 1893 und WEBER 1917 haben hierzu ein modellhaftes Szenario entwickelt, dasandie Sammlertätigkeit desHerodot, mehr aber noch andiejüngeren

chasseurs d’inscriptions“275 erinnert. Zuerst seien Sammler umhergezogen und „ hätten die überlieferten Gedichte vom Stein abgeschrieben; diese seien dann für höhere Ansprüche überarbeitet unddurch die Tradierung verändert undverfeinert worden. Schließlich habe mandann die so bekannt gewordene Gattung des Epigramms in eigens hergestellten Büchern künstlich nachgeahmt, weshalb das Buchepigramm einerseits eine direkte historische Fortentwicklung ausder Steininschrift darstelle, vonderes daher auchformal abhängig sei, andererseits aber nurMimesis einer ‘realen’ Gattung.276 Nach diesem Modell einer Gattungsentstehung durch Mimesis wären die später sogenannten ‘epideiktischen’277Epigramme, die sich von der Intention einer Nachahmung des Steinepigramms explizit absetzen, gewisserρ ίτ νἀ ῆ ο π ὸτ η ςἀ ϑ maßen τ ε ία λ ςgegenüber denSteininschriften. Das an verschiedenen Varianten literarisch überlieferter Epigramme entwickelte Modell hat einen wichtigen Grundgedanken in der Erforschung der Epigrammgeschichte etabliert. Die Entstehung des hellenistischen Buchepigramms ist bedingt durch die Loslösung des Steinepigramms aus seinem festen, ‘lokostatischen’Kontext, durch seine Emanzipation vomStein unddieFähigkeit, auch andere Gedanken als dieKunde vonEhre undTodaufzunehmen. Sein Eindringen indie mündliche Rezitationskultur des Symposions schließlich bedeutete eine Art der Institutionalisierung des Epigramms in intellektuellen Kreisen, von der ein direkter WegzurBuchproduktion führte.278 Die Einführung eines generellen Kriteriums für Stein- oder Buchdichtung hat sich indes bislang nicht bewährt.279 Das immer wieder als ‘buchtypisch’ angeführte

274 WILAMOWITZ 1913, S. 210f. vermutet etwa für eine Edition des Simonides eine ähnliche Formwiedieder Theognidea, zubeiden Sammlungen vgl.jetzt auch GUTZWILLER 1998, S. 5f.

275 LAURENS 1989, S. 34 bezeichnet so Philochoros,

Polemon (dieser trug den Spitznamen η λ ο κ ό π α σ τ ς, PFEIFFER 1978, S. 34; CAMERON 1993, S. 5) und Pausanias. Der ebenfalls zitierte Cicero (Tusc. 5, 23), dermitein paar Versen imKopf dasGrab des Archimedes bei Syrakus fand, scheint dasEpigramm aber nicht abgeschrieben zuhaben. 276 Eine Schwierigkeit dieses ausBeobachtungen anverschiedenen Varianten eines literarisch überlieferten Epigramms erschlossenen Modells liegt jedoch darin, daßÜberarbeitung und Variation auch inrein fiktiven Buchepigrammen möglich scheinen. 277 ε ἰςἐπ ίδ ε ιξ , Anth. Pal. 11, 312, V. 5, ca. 60 n. Chr.; REITZENSTEIN 1907, Sp. 94f. ιν 278 CAMERON 1995, S. 72, 76–85 im Rückgriff auf REITZENSTEIN 1893, vgl. GUTZWILLER 1998,

S. 4f. mit Anm. 12. 279 Vgl. CAMERON 1995, S. 180: „Commentators on the epitaphs preserved in the Anthology like todebate which are‘real’andwhich ‘literary’, asthough a distinction could bemadeon the basis of their form or tone alone.“Für GUTZWILLER 1998, S. 7 besteht die „literariness“

Steinepigramm

101

undBuchepigramm

Merkmal der Fiktivität im Sinne einer nachgeahmten Wirklichkeit, oft mit Künstlichkeit gleichgesetzt, übersieht die Konvention der fiktiven Mündlichkeit im Steinepigramm, die sich dort schon aus der schriftlichen Inszenierung von Sprechakten entwickelt hat.280 In diesem Sinne hat bereits WILAMOWITZ vor der ‘Künstlichkeit’ mancher Steingedichte gewarnt, die sie vom Buchgedicht nicht mehr unterscheid-

barmachen.281

Eine exakte ‘Geburtsstunde’ des Buchepigramms ist somit nicht mehr rekonstruierbar. Die äußeren Voraussetzungen für eine Literarisierung des Epigramms, diezuseiner ersten Blüte imspäten 4. Jahrhundert führen, gehen vielfach schon auf das 5. Jahrhundert zurück. Der Einfluß von Elegie und Drama bringt eine neue Qualität öffentlicher undprivater Epigramme hervor. Es gibt ein historisches oder juristisches Interesse amZeugniswert vonInschriften, eine Erweiterung des literarischen Repertoires auf demSymposion undnicht zuletzt den sich entwickelnden Seit dem4. Jahrhundert werden mehrere ‘Konkurrenzgedichte’ oder Parallelepigramme’ neben- oder untereinander auf einen Stein geschrieben, die ‘ vielleicht auchTeil derFamilientradition waren. Literarische Blütenlese unddieErstellung von Sammelausgaben sind die Folge dieses allgemeinen Anstiegs der epigrammatischen Produktion.283

Buchmarkt.282

5.2. Sprecherrollen undverba dicendi iminschriftlichen Epigramm des 4. und3. Jh. Die bisherige Untersuchung der Appellstruktur der Steinepigramme hat gezeigt, wie der Leser der Inschrift in die Inszenierung284 des Sprechaktes mit einbezogen wird, sei es durch das deiktische Verweisen auf denKontext, sei es durch die Einführung von Sprecherrollen für Gegenstände, Grabinhaber, anonyme TraudesBuchepigramms in derArtdesKontexts, derfolglich fürjedes einzelne Epigramm aus Text undbiographischer Überlieferung über den Verfasser zu rekonstruieren ist, vgl. ihre Definition von„context“aufS. IXf. 280 Vgl. etwa die berechtigte Kritik von GUTZWILLER 1998, S. 115f. an der Verwechslung von realem undnachgeahmtem Sprechakt beiREITZENSTEIN. 281 Nach WILAMOWITZ 1913, S. 210f. ist ein Epigramm nicht fiktiv, wenn es eine sekundäre Funktion erfüllt, so etwa als auseinem Grabepigramm abgeleitetes Kondolenzgedicht, vgl. DERS. 1924, 1, S. 120f. Für WILAMOWITZ ist der Grad der Realitätsnähe entscheidend. KlärendLAUSBERG 1982, S. 96f. (Zitat S. 97): „ Eine scharfe Trennung zwischen inschriftlichen undliterarischen Epigrammen ist demnach weder sinnvoll noch möglich. Literarisch überlieferte Epigramme inschriftlichen Typskönnen vonvornherein als literarische Epigramme konzipiert sein, sie können aber auch zunächst für den Stein bestimmt gewesen sein und ebenwegen ihrer auch füreinen literarischen Leser interessanten Qualitäten in eine literari. sche Sammlung übernommen sein“ 282 S. z. B. PFEIFFER 1978, S. 50f. undPÖHLMANN 1994, S. 18f. 283 Vgl. etwa die Grundhaltung des Sokrates bei Xen. Mem. 1, 6, 14: κ ὺ ρ ο ς η σ α υ α ὶτο ὺ ςϑ ρ ά ν τ ε ψ α λ ς ... ίο ιςγ ιβ ν , ο ῶ ὓ ι σοφ νβ λ α τ ῶ νἀνδρ ςἐκεῖν νἐ ῶ νπ ά ο ι κατέλιπ ο ι, dazu PÖHLMANN 1994, S. 13f. μ α ο χ ρ δ ιέ 284 W. H. RACE, HowGreek Poems begin, in: F. M. DUNN/ Th. COLE (Hgg.), Beginnings in Classical Literature, Cambridge 1992,

S. 13spricht voneiner „supposed

. scene“

102

Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

ernde undBesucher des Denkmals. Letztere werden entweder in der Rolle des staunenden Betrachters oder aber –dies ist wohl diejüngere Variante –als aktiver Frager undLeser präsentiert. Die epigrammatische Eigenart despermanenten Zeigens, dieHaltung derἀ π ό δ ε ιξ ιςwieinCEG 1, 84,285 äußert sich auch in denzahl-

reichen Verweisen auf die kommunikative Funktion von Stele undEpigramm, die mitHilfe vonverba dicendi formuliert werden. Veränderungen in der Inszenierung inschriftlicher Sprechakte, die ein neues Verhältnis zumAdressaten widerspiegeln, finden sich sowohl in der Verwendung der Sprecherrollen als auch im Gebrauch dieser performativen Verben. Imfolgenden sollen einige Varianten derDarstellung undBezeichnung derSprecher undihrer Stimme betrachtet werden. Eine überraschende Abweichung vonder Konvention der Leseradresse bietet derBeginn eines bekannten Weihepigramms ausAstypalaia (CEG 6 2,8865):2

ο έ ,π λ ῖτ ν ά δ α α ιεἰπ τ τ ν ῶ ιξέν ω ά ,τ δ ε| ίςἔκτ υμ ισ εγ ρ ά ν α ντ κ εἀ έν α ο ρ μ ν δ ε έν α δ ά τ εὑψ ο ίκ ,| ρ α κ α ὶὁξεῖν ὄ φ ρ ο ιο μ ά τ νἹπ υ ἱὸ ν| ςΔ ία α π ῆ ιἐ π ῶ νἄ ᾽ἀλλοδpπ α ἰν σ τ μ εν ε ο α ν ισ ό ς .| ρτα ῦ ὰ τ α ο ὗ τ ο ε ςγ ἷσ εϑ μ ω ε ο σ ο ν| ίτ εκόσ ῖςἥρ ρ ο υτέχ ϑ λ ο φ ό ἀ ν α ςἀ ν τ ιδ ρ ιτ ιδ α . ο ὺ ςχά

Sag dem Fremden, Bürger, wer dieses Gymnasion und die immerfließende Quelle unddie hochbelaubten Bäume gestiftet hat, damit auch der Fremde Damatrios, den Sohn des Hippias, lobt, wenn er in andere Städte kommt. Denn dieser hat dieses denGöttern undHeroen als Schmuck gestiftet, Dank zurückerstattend fürdiekampfpreiserringende Kunst.

Die übliche Anrede an deneinheimischen oder fremden Ankömmling vor dem Denkmal287 ist einer Aufforderung nur an einen Teil dieser potentiellen Besuchergruppe gewichen: Dereine Teil derGruppe soll demanderen berichten, damit die-

ser im ‘Schneeballsystem’ zur maximalen Verbreitung der Kunde motiviert wird. Die Bestellung eines Boten ist der Epigrammtradition angemessen, neu aber die Adresse andenPoliten alsVermittler. Derimaginäre Sprechakt wird also künstlich aufgespalten, die Übermittlung der Botschaft von der primären Kommunikationssituation vor der Inschrift losgelöst. Zugleich vermeidet der Epigrammdichter die schwächere Logik der metaphorischen Ich-Rede des Denkmals, indem er einen Wissenden, denkundigen Bürger derStadt, zumSprecher bestimmt. Blickt man auf die Verwendung von verba dicendi in Grab- und Weihepigrammen des4. Jahrhunderts, kann man–mitaller Vorsicht angesichts derformalen Vielfalt des archaischen undfrühklassischen Epigramms –eine gewisse Erweiterung des Repertoires feststellen. Die größte Gruppe wird nach wie vor von den Ausdrücken gebildet, die die Wortfelder ‘klagen’ und ‘geloben’ umschreiben. Daneben gibt es aber eine Vorliebe für Ausdrücke mit offiziellem Charakter wie 285 Attische Marmorstele, ca. 440– 430 (IG I3, 1315: 420–410), V. 1f.: μ μ η ρ ῆ αΜ σ ν ν γ α α ς ό ρ ο ό ςτ δ εκεῖτ ὐ χ ά τ ο ὼ κ α ὶΝ ικ δ α ρ ι·/ α α δ ὲο ε ῖξ π ὐ ά α ι ἀφ ο α... ο ν ἶσ ςα οδαίμ τ ε έλ 286 Astypalaia, Ende4. Jh. oder3. Jh.? · 287 Das konventionellere ὦ ξ έ ν ε(z. B. CEG 2, 878, V. 6) hat vielleicht als Vorbild für den ῷ Versanfang τ ῳ ε έ ν ξ ἰπ έgedient.

Steinepigramm

undBuchepigramm

103

ρ α ύ σ σ ε ι ... τρόπ ια α γ ρ ε ινundκηρύσσειν.288 Die Wendung κ ύ ε γ έ λ γ ο ἀ λ ε ιν ,ἀ markiert in CEG 2, 632, V. 6 eine kurze direkte Rede des Siegesmals, die hier durch diese Bezugnahme auf die Intention der Stifter offiziell autorisiert erscheint. Funktional Vergleichbares finden wir auch in privaten Epigrammen. So erscheint vor der in größeren Buchstaben verfaßten Namensinschrift auf der Grabstele des Praxinos ausAigina folgendes Epigramm (CEG 2, 532):289

̣

[ε ι] | μ ρ ε ύ [τ ὸ νκ ν ὄ ]μ ντὀ ρ γ ο ὸ δ ο α ὲ οπ εἀ ὶἐμ τ α ςἥ αμ ηκ α α τρ ὶπ ά νπ ή [σ ]λ τ ]| [ν ο χ γ σ ω νἕν α ἔ ε κ δ ὲἔρ ν ῶ ισ τ ]τ ο [Π ίσ ςἐπ . ία ω ν ν ν ε ,ο ὶτυχ ὗσπ ρ ά ν ιςἀ δ ν ·υμ Meinen Namen unddenmeines Vaters verkündet diese Stele undmeine Vaterstadt. Wegen treuer Taten hatte ich den Beinamen ‘der Treue’, was selten einem Mann zuteil wird.

Das Epigramm erklärt den Beinamen des Verstorbenen, um so seine Tugend

zu ehren. Im übrigen

informiert

es nicht

eigentlich, sondern thematisiert, seinem

als eine Einleitung entspechend, demLeser schon Bekanntes: die Tatsache, daß die Stele die wichtigen Namen enthält. Die Einführung der Stele als einer zweiten, mit ἀ ρ ε ύ ε γ ο ινfunktional spezifizierten Sprecherrolle,290 der dann die Verkündigung desNamens in denMundgelegt wird, verleiht demSprechakt einen Charakter

förmlichen, offiziösen Charakter. In einem gewissen Gegensatz zu diesen Formelvarianten offizieller Sprechakte steht das Paradoxon der ‘sprechenden Steine’. So zeigt die Zweiteilung des Weihepigramms auf einer knidischen Hermenbasis (CEG 2, 861, jetzt: MERKELBACH / 3) den Unterschied zwischen dem fiktiven Sprecher STAUBER 01 / 01 / 01, V. 1– unddemStein als dem‘offiziellen’Träger derBotschaft, zwischen metaphorischer Stimme undpraktischer Bedeutung derInschrift:291

ρ ιτ ν λ ᾶ ο π π ο εο σ τ α Ἐ π ὶΝ τ μ ν ᾶ ν| ἀ α φ ικ ό ο ·ἀ ρ δ ίτ τ ε .| μ α ο λ ρ ε λ ιπ ρ ᾶ φ ε δ ὰ ς ά χ ςἈ α ρ ίρ Ἑ ο ἵτιν ε ςδ ρ ο ὴπ ρ σ ρ τ ο α α ά ᾽ο ῦ φ σ ἱπ α|σ τ α ι, γ ε ῖ ν α ημ (Es folgen die 15Namen derπ ρ ο σ τ ά τ α ι). ·

Im Jahre der (unten genannten) Vorsteher der Neapoliten kam ich, Hermes, als Beisitzer für Aphrodite an. Seid also gegrüßt! Wer aber die Vorsteher waren, wirddiehier angefügte Schrift anzeigen: ...

288 Zuἀγ σ : ε ιν γ έλ λ ε ινundἄγγ ε λ ρ ε ύ : CEG 2, 532, 852; κηρύσ ο ε ιν ο γ ςs. oben Anm. 248; ἀ CEG 2, 578, V. 11, 632, V. 6, 823, 827, V. 3; κ ρ υ ῆ ξ : CEG 2, 844, V. 8, 845. 289 Piräus, vorca. 350?; zuο ὗσπ ά ν ιςἀ ρ ὶτυχ ν ε vgl. CEG2, 525, s. o. S. 91 mitAnm.238. ν δ 290 Zuἀ υ κ α γ π ω ρ νκήρ ο ε έμ ύ ε ινim Sinne von ‘proclaim’vgl. LSJ s. v. undHdt. 6, 97, 1 (π ἠ γ ό ρ ε υ έσ φ ιτά δ ), zum metaphorischen Gebrauch (z. B. mit ν ε μ ο ό ςals Subjekt) bei den Rednern des4. Jh. LSJ ebd. 291 Knidos, 4. Jh; zumVerständnis der‘Datierung’in V. 1 (Ν ε ο ι= Bewohner einer von α π ίτ λ ο 15 ‘Vorstehern’ verwalteten ‘Neustadt’ bei Knidos) sowie zur Botenrolle des Hermes im Epigramm (mit kleinasiatischen Parallelen) vgl. MERKELBACH / STAUBER 1998, S. 4.

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Dasgriechische Epigramm undseine Leser

DerSprecher Hermes begrüßt diePassanten. Seine Gegenwart ist derzeitliche μ α ν ε ῖ). μ α η ν ,σ ικ φ ό Bezugspunkt des Sprechakts zwischen Aorist und Futur (ἀ Als denÜbermittler einer zweiten, vielleicht wichtigeren Botschaft nennt derselbe ρ ο ) bezeichnenderweise herα ῦ σ α Sprecher die Schrift, deren hilfreiche Präsenz (π ν α ρ ή α , vgl. γράμματα293, ἀ φ vorgehoben wird.292 Die Nennung der Schrift (γ 294) unddie Vermeidung vonλ ράφ γ ε ω έγ ινbedeutet auch hier eine Abstraktion gegenüber einer konkret vorgestellten ‘Stimme’des Steines: Liest vielleicht Hermes die Namensliste vor? Für die Ankündigung dieser Liste hat der Verfasser konsequenterweise die prosaische Form gewählt. Die Varianten der Einleitungen mit verbum dicendi konzentrieren die Aufmerksamkeit des potentiellen Lesers auf die folgende Inschrift undverleihen der fiktiven Stimme des ersten Sprechers den Anschein offizieller Autorität. Solche ‘metalinguistischen’ 295 Verweise auf die Funktion der Schrift, die die Fiktion eines personalen Sprechers durchbrechen, bieten aber auch einen Anreiz zur weiteren poetischen Ausgestaltung undMetaphernbildung. Dasathenische Grabepigramm fürNikias ausEretria, dessen Namen undHerkunft die Überschrift nennt, berichtet von der Anbringung der Schrift auf dem ρ ω ι) durch dieEhefrau (GV632):296 ε σ τ ῶ ιπ έ τ kunstvoll geglätteten Stein (ξ μ α ρ τ α ό δ ρἕ ῆ δ α ιχ ικεῖτ ϑ ο ε ᾶ σ εν ν κ ᾽ἐ ὰ γ α μ ν ῶ ί, σ έν · ο υ ϑ ιμ φ ρ κ α ϊὴ τ ε ιπ υ υκρύπ ίο ε ρ Ὠ τ ὸ ν δ ν ρ τ κ ώ ο τ α ς ίν ο ύ ν α σ ιπ α ῖδ α δ ε δ ο τ ιπ α π ᾽ἔ ὶγ ᾽ἐ π γ α υ ς . α λ ε νπ τ έρ φ έβ τ ία ο η κ ςοἷσ ςἀμ ιδ Ἅ ἡ δ ᾽ὁσ ία νστέρξ α σ α λ μ έ ιν χ ο υ ρ ιν ε ὔ ςΚ ύ π τ α οἄμ ξ μ μ α χ κ μ ῶ α ρ ὶἐ νξεσ ά ρ ω ι. ᾽ἐτύπ ω σ επ έ τ τ ῶ ιγ η λ ο δ ῖδ μ ρ ὸ α π β ο α ό νϑὅ τ ο ςἐμ , ὁδῖτα ς ᾽οὔν ι ετύμ δ μ ο . · υ γ λ α λ ἀ ᾽ἀ ετέρ ετρίβ ᾽ἴτ ιτ ο ύ ϑ ῆ ςτ ν ᾽ἐξα ᾽

Dieses Grabmal steht auf leerer Erde, denn den Körper verbirgt Oreios, der Scheiterhaufen desToten. Dennoch auf Knien umherspähenden Sohn hat Hadeserblickt, (und) dawarf er ihmdie dunklen Flügel um.Die aber die eheliche Kypris ehrte, gelobte uns ein Grabmal undschlug die Schrift in den geglätteten Stein: Es enthüllt dieses Grab denNamen des Vaters undmeinen, (ihr) Wanderer. Aber geht zueinem guten Ziel undvollendet denWeg.

Die sepulkrale Topik ist bekannt, auch die Anrede unddie moralische Ermunterung des Lesers. Neu ist die Betonung des artifiziellen Charakters der Schrift, deren metaphorische Aktivität unter Verzicht auf den phonetischen Aspekt mit η λ ο ῦ ν(eröffnen, enthüllen) bezeichnet wird. Noch deutlicher nimmt ein Grabδ

ρ ὴ α ρ μ π ο α ν φ α ρ ῦ η ε ε 292 Zuγ σ ῖvgl. Hdt. 5, 35, 2; zuπ α α ῖν σ α ιvgl. ferner CEG 1, 84 = IG I3, ρ αδεῖξ 1315, V. 2: α ὐ τ ὼ δ ὐπ ά ὲο ι. α 293 CEG2, 892. 294 CEG 2, 894, V. 18. 295 SPINA 1993, S. 169f.

296 Athen, Anfang 3. Jh.; GEFFCKEN 1916, Nr. 147; vgl. Anyte 4 Gow/ PAGE (Anth. Pal. 7, 724), V. 3: π ρ ο ςἀ έ ε τ ίδ ε ι.

Steinepigramm

undBuchepigramm

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gedicht aus Smyrna aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. (MERKELBACH / STAUBER 05 / 01 / 42)297 Bezug aufdieFiktivität derepigrammatischen Sprecherrollen:

ῶ λ ο τ ε ιΤμ ε ισ ςν ά τ α ιν νκρύπ ύ μ ὲ π ]σ τ έ α [ὀ ᾽ὄχϑ α ις κ ω τ ὰ δ υ μ ίο , ὀγ α κ εκό ν ρ ις έβ Ἑ ὲἀ ιβ φ μ ·ξεσ ρ ή α τ ὰ δ κ λ ς εφ ὲπ α ϑ έ τ ύπ ερ [τ α ]η ϑ ι ύ ε ρ ε εἀ ο γ ν έ α γ ομ σ [τ τόμ ]ὸ α νν τ έ νἀφϑόγ κ ι υ εγ ϑ ιφ ω γ ̣ έο ν τ ε ϑ τ ο α ά έο μ υπ φ ο ςἑτα ο ι· τ ο οδ ῖρ ῦ τ ἱκενέω μ ρ ύ η ν ςἀ γ χ ιά λ ο ιςχεῦ Σ ν α ἐ π σ ιν . ᾽ἀ ϊό

Die Knochen des Hermias birgt der Tmolos unter demäußersten Rand und mächtiger Sand umgibt ihn, weithin sichtbar; der geglättete Stein oben verkündet denToten, sprechend mit sprachlosem Mund. Dieses leere Grab aber haben die ihn vermissenden Gefährten ihm am Strand von Smyrna aufgeschüttet. Hier formuliert der Epigrammdichter das Paradoxon der Metapher des sprechenden Steins. Ein Stein, so wird betont, spricht nur zum Schein, „ mit sprachlosemMund“,298mitanderen Worten: er tönt nicht, er bedeutet. Diese Differenzierung zwischen der Fähigkeit, einen Sinn aufzuzeigen, unddemphonetischen Akt des Sprechens, der stimmlichen Umsetzung graphischer Zeichen, basiert auf der Unterscheidung zwischen einem visuellen undeinem auditiven Aspekt der Wahrnehmung vonSchrift, wieer beimLesen erfahren wird. Die metaphorische Verwendung der Sprache der Inschrift auf dem Stein greift auf die Bildlichkeit zurück, die wir vor allem in der attischen Tragödie finden. Zwar haben wir ein Verb wie ἀ ρ ε ύ γ ε ο ινschon in CEG 2, 532, auf der anderen Seite begegnen aber σ μ α ίν η ε ινfürdieAktivität derSchrift, ξεσ τ ό ςzurBeschreibung der Schreibunterlage und schließlich das Motiv des Sprechens ohne Stimme oder Sprache mehrfach im Aus der unbewußten Metapher redebegabter Gegenstände und der offiziellen Verwendung performativer Verben bei Proklamationen entstehen bisweilen unmotivierte Sprecherwechsel,300 in anderen Fällen absichtliche Kombinationen unterschiedlicher Formen derRede. Im3. Jahrhundert ist die Metapher des ohne Stimmesprechendes Steins dann ein auf literarische Vorbilder zurückgreifendes poeti-

Drama.299

297 GV 1745; IK 23, 512. 298 Weitere Beispiele für das Motiv in hellenistischen griechischen undin lateinischen Grab63. epigrammen finden sich bei HÄUSLE 1980, S. 60– 299 Aischyl. Suppl. 180: ὁ ρ ῶ κ ό ν ιν ,ἄ ν ε ν α υ λ δ ο ῶ νἄγγ ε ρ ῖν ο νσ ςνεκ ρ α τ τ ο ῦ, Pers. 818f.: ϑ η ς μ ... ἄφ μ α ῶ σ ὲ νἐκσῴ α ν ν η ο , Euripides, Iph.·T. 762f.: ὴ νμ σ ν ῦ ινὀμ ω ασ σ ινβροτ γ ρ α φ ή ν ,α ὐ τ 3 NAUCK (aus dem Palameὴφ ρ μ ά ρ μ έ σ ν ε α γ ι σιγ γ α ε ῶ σ γ , Fr. 578, 1– ατἀ des): τ ὰ τ ῆ ελ ςγ ή ᾽ὀρϑώ ὶς/ β ε μ ὰ σ α ςτιϑ α ό ν ςμ κ ή τ ρ η ν ο ε α σ α λ ςφ υ λ ς ά ω ν ν α ϑ φ ω , / ἄφ 74. μ ρ α μ ρ ώ τεἰδέν π ά ο ρ νἀ ϑ ο ν ισ ιγ η ἐ ῦ ξ ι. Vgl. dazu oben S. 42f. mit Anm. 71– α 300 Vgl. etwa IG I3 1508 (S/G3 2), Weihinschrift des Phanodikos in ionischem und attischem ᾽ Dialekt (Φ α α ν ο δ ίκ ρ μ ὶ ... κρητῆ αδ ὲ... ἔδω οἐ γ ὸκρατερ ὶ ... κ ἀ κ ε ν... / Φ α ν ο οεἰμ δ ίκ ) aus Sigeion, ca. 550 (nach IG I3), als Beispiel für „fetishistic interpretation“der κ α ... ἔδο Ich-Rede in derForschung angeführt vonPELLICCIA 1995, S. 52 Anm. 85.

106

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

sches Konzept, das wir in MERKELBACH / STAUBER 05 / 01 / 42 und in dem nun zu vergleichenden BERNAND 1969, Nr. 63301 je anders umgesetzt finden:

β ο μ Ὁ τ ςο ύ ὐ μ κἄ ο σ α ς ρ ο ,ἁ δ έτ ς ο ιπ έ τ μ α ν ε ῖτ ίςκ η ο α ς ὶτίν ν τ σ ν ό α α τ ὸ ν κ α τϑ μ ισ χ ο ά σ α ς λ ά λ νβέβακενἀ α ίδ ἐ ςἈ γ ό ν )ω ,ὦ φ ί λ τ ὸνεκρα(γ γ ό ν υ ι ν ω ἐ π δ έ , ᾽ · · ρ ις α μ α διπ τ ύ χ ιςκ ο ό κ ο λ α π τ ὸ ν μ ά ρ ἄ ιγ ε ρ ϑ ρμ ὲ νΕἰρηνα ὴ ῖο π α τ ,ἁ δ ς έτ ρ ο ὶς ιπ α τ ̣ν ̣ο τἐ μ ις φ υ ο ὸ ,τ ς έμ ᾽ἀγορεύε Μ ᾽ κβρέφ ̣ δ ̣ὔ ̣ο · φ α ῦ λ ο ν [...]Ι Λ ιτὸ Σ ο ὐσυνείπ ε τ ο Ο ,ὧ ᾽ μ α ο μ ν ε . ῖρ [,ὡ τ ν ὰ ρ α ςἐπ έ δ

- - - - -]

Das Grab ist nicht bedeutungslos, undder Stein wird denToten nennen, als werundwessen Sohn er in denHades ging. Doch beuge am Boden mir das totengeleitende Knie, mein Freund, und sieh die gemeißelte Inschrift mit beiden Augen: DerVater ist Eirenaios; die Vaterstadt Memphis, mit Namen wirder vonKindheit an .... genannt, er, dendasSchlechte nicht begleitete,. ... dasSchicksal, alses ihneinholte.

Im Gegensatz zu MERKELBACH / STAUBER 05 / 01 / 42 wird in diesem Epigramm keinerlei Bezug aufdenäußeren Rahmen derRezeption, auf dasAussehen des Denkmals oder denOrt seiner Aufstellung, genommen. Der Blick des Lesers wird vom Grabhügel erst auf den Stein, dann aber gleich auf die Schrift gelenkt, wobei der Autor mit der Doppelbedeutung von ἄ μ σ ο α ς(‘unbedeutend’ oder ohne Schriftzeichen’) spielt. Der Grabstein präsentiert sich als Lesestück! Die Bedeutung des Steins erkennt der Leser mit den Augen, und nur die Nähe ‘ herstellende Anrede andenWanderer ὦ ) läßt erkennen, daßderGrabinhaber (ε φ ίλ der fiktive Sprecher ist. Der Appell an den Sehsinn und die intellektuelle Auffassungsgabe des fiktiven Lesers bedeutet aber, daß auch dieser in Aktion tritt, zumAkt des Lesens schreitet. Hier geht der traditionelle fiktive Sprechakt des Grabinhabers ineine Darstellung desLeseakts über.

301 Alexandria, 3. / 2. Jh. Die früheren Editionen, auch GV 1620, sind nun durch BERNAND 259 ersetzt, dadieser auch unpublizierte frühe Abschriften dieses seit seiner 1969, S. 255– Verwahrung weiter beschädigten Steins dokumentiert. V. 3: Der genaue Sinn des nach BERNAND eindeutig auf dem Stein zu lesenden Ν Ε Κ Ρ Α Π wird bei BERNAND 1969, S. Ν Ω Ο Γ )ω χ ά α ὸνεκρα(γ 257f. ausführlich diskutiert. Dieauch vonihmakzeptierte Lösung (σ σ ςτ γ ὸ ν... γ ) meint jedenfalls, ό ν υ–„fléchis-moi sur le sol le genou qui te porte vers le mort“ daßderWanderer anhalten soll. Die Ergänzungen derletzten beiden Versanfänge (V. 8f.) durch PEEK(GV1620) weist BERNAND 1969, S. 259 als unbegründet zurück, sie sind daher hier nicht übernommen.

Steinepigramm

undBuchepigramm

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6. DAS LITERARISCHE EPIGRAMM DES HELLENISMUS

DasEnde des4. Jahrhunderts markiert einen tiefen Einschnitt in derGeschichte derLiteraturform Epigramm. Haben wirbisher vonderLiterarisierung des Epi-

gramms gesprochen, der Beeinflussung der Formensprache durch andere GattungenundderAufwertung derLeserrolle, so gilt esjetzt, einen noch gravierenderen Wandel des Rezeptionskontexts in Rechnung zu stellen. Epigramme werden für Bücher undfür dasKonkurrieren mitanderer Buchliteratur geschrieben, sie behandeln alle nurdenkbaren Gegenstände, auch solche, die nichts mehr mit Denkmalskunst oder Todesvorstellungen zu tun haben. Der Autor des Buchs zeichnet nunmehr für dessen Inhalt verantwortlich, zumal ihmeinTeil seiner Leser ebenso bekannt sein dürfte wie er ihnen. Die Entstehung des Buchepigramms und der allgemeine Aufschwung derBildung imfrühen Hellenismus haben eine beinahe unübersehbare Fülle vonFormen undVarianten derüberlieferten Epigrammschemata hervorgebracht.302 Die inschriftlichen Gedichte der Zeit zeigen sich von den am Ende des 4. Jahrhunderts entstandenen Buchepigrammen beeinflußt, die nun die entscheidende Rolle in der formalen Weiterentwicklung der Gattung übernehmen.303 Seit REITZENSTEIN unterscheidet manzwei ‘Schulen’304von Epigrammatikern. Als Hauptvertreter der dorisch-peloponnesischen Richtung gelten in der ersten Generation Anyte von Tegea undLeonidas von Tarent. Asklepiades von Samos, als ei-

302 Zum hellenistischen Steinepigramm PEEK 1960, S. 34– 42; S. SCHMIDT, Hellenistische Grabreliefs. Typologische und chronologische Beobachtungen, Köln / Wien 1991, S. 117– 145; BERNAND 1969; MERKELBACH / STAUBER 1998ff. Die meisten Untersuchungen zum hellenistischen Epigramm beschäftigen sich mit dem inschriftlichen Epigramm nur in Hinblick auf sein Verhältnis zum Buchepigramm der Anthologia, s. LAUSBERG 1982, S. 145ff. 51. Einen Überblick über die Formen bietet auch hier PEEK. GV, undLAURENS 1989, S. 33–

S. XIX-XXII. 303 Bisweilen werden für das Buch geschriebene Kunstepigramme sekundär inschriftlich, so etwaAnth. Pal. 6, 13 (Leonidas) in Pompeji (s. SEELBACH 1988, S. 168) undKallimachos Ep. 42 in Rom. Die nicht zahlreichen Epigramme berühmter hellenistischer Dichter, für die Inschriftlichkeit belegt ist, sind bei LAURENS 1989, S. 35f. gesammelt, s. ferner GUTZWILLER 1998, S. 7, 229f. und241 sowie P. BING, Between Literature andthe Monuments, in: M. A. HARDER / R. F. REGTUIT / G. C. WAKKER (Hgg.), Genre in Hellenistic Poetry, Groningen

43. Umdie Entwicklung einer Methode des Ver1998 (Hellenistica Groningana 3), S. 21– gleichs in beiden Medien überlieferter Epigramme bemüht sich grundsätzlich G. PFOHL, Das anonyme Epigramm. Methoden der Erschließung poetischer Inschriften, dargestellt am 112. Modell der griechischen Grabinschriften, Euphrosyne 4, 1970, S. 73– 304 Der Begriff der Schule bei REITZENSTEIN 1893, S. 121ff., bes. S. 123 (vgl. auch S. 153f.) hängt mit der dort vorgetragenen These zusammen. Es geht dabei umMöglichkeiten der gegenseitigen Beeinflussung derDichter, die einer derbeiden Stilrichtungen zugeordnet wer162; E. DEGANI, L’epigramma, in: R. BIANCHI denkönnen. S. auch SEELBACH 1988, S. 160– BANDINELLI (Hg.), La cultura ellenistica. Filosofia, scienza, letteratura, Milano 1977, S. 289 undDERS., ‘Epigramm’, in: Der Neue Pauly 3, 1997, Sp. 1108– 299, hier S. 270– 266– 1114, hier Sp. 1110f.; dagegen aber GUTZWILLER 1998, S. 53 Anm. 21.

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Dasgriechische Epigramm undseine Leser

ner der ersten professionellen Epigrammdichter überhaupt, wird als der Archeget der ionisch-alexandrinischen Epigrammatik betrachtet. In seiner unmittelbaren Nachfolge stehen Poseidippos von Pella, Hedylos und Kallimachos. Die Unterscheidung ist jedoch weniger geographisch zu verstehen. Sie hängt vielmehr mit charakteristischen Inhalten zusammen. Während sich die erstgenannte, ‘dorische’ Stilrichtung noch enger an die traditionellen Motive undFormen der Aufschrift anlehnt,305 gilt die Erfindung des aus der Gelagedichtung hergeleiteten erotischen Epigramms als die wichtigste Schöpfung der Epigrammatiker im alexandrinischen Umfeld. Doch auch diese Klassifizierung trägt nurzumTeil: Dengrößten Part zumindest der überlieferten Epigramme des Kallimachos bilden trotz seiner Zuordnung zu der zweiten Gruppe nicht die sympotischen Liebesgedichte nach Art der Ionier, sondern verschiedene Formen von Grab- undWeihepigrammen. Als Vorläufer dieser kallimacheischen Epigramme können daher auch die um300 v. Chr. entstandenen Gedichtformen derpeloponnesischen Epigrammatiker wieAnyte von Tegea oder Simias vonRhodos gelten,306 wenngleich diese mit ihrer Betonung des Emotionalen meist einen anderen Charakter haben. Konservativer inBezug aufformaleNeuerungen, bilden sieeine Gelenkstelle zwischen Stein- undBuchepigramm. Dashellenistische Epigramm hatinderersten Hälfte des3. Jahrhunderts einen Höhepunkt seiner formalen Entwicklung erreicht, zumal die elegischen Kurzgedichte des 2. und 1. Jahrhunderts häufig auf die Errungenschaften der frühhellenistischen Epigrammatiker zurückgreifen. Die Untersuchung derformalen undinhaltlichen Entwicklungen des hellenistischen Epigramms im Umfeld des Kallimachos soll daher ihren Ausgangspunkt besonders vondenfrüh datierten Dichterinnen und Dichtern nehmen, wobei insbesondere vondenSteinepigrammen als denpopulären S piegeln’derliterarischen Entwicklungen auchjüngere Beispiele hinzugenommen werden. Sie können als einGradmesser dienen, wennes umdieFrage geht, welche ‘ Anforderungen an das Bildungsniveau eines normalen’ Lesers gestellt wurden. Auch hier können nureinzelne Aspekte ausder‘Vielzahl der Erscheinungen herausgegriffen werden, die die Eigenheiten der im Zusammenhang der hellenistischen Schriftkultur entstandenen Epigramme deutlich werden lassen. Da uns im folgendenKapitel dieRezeption desSteinepigramms undseiner Appellstruktur beiKallimachos interessieren wird, soll hier zunächst wieder allgemein nach demimpliziten Leser der Epigramme des 3. Jahrhunderts undnach der Inszenierung der Sprechhandlungen gefragt werden.

Eines der wesentlichen Merkmale des hellenistischen Epigramms ist sein Appell an die literaturgeschichtliche Gelehrsamkeit, wobei hier nicht nur das in die poetische Form eingeflossene Wissen der Dichter-Philologen gemeint ist, sondern auchderAnspruch, dendieGedichte andieBildung ihrer Leser stellen.307 Mit dem 305 REITZENSTEIN 1893, S. 180. 306 Leonidas ist etwas jünger, Erinna nicht sicher datiert, s. SEELBACH 1988, S. 166und159; zu Problemen derDatierung Erinnas undderEchtheit derdrei unter ihrem Namen in derAnthologia überlieferten Epigramme vgl. Gow/ PAGE1965, 2, S. 281f., die zu einem zeitlichen Ansatz im 3. Jh. neigen, undPAGE 1981, S. 128 und 155. 307 Vgl. SEELBACH 1988, S. 162: „ Es läßt einerseits das gebildete Interesse seiner Zeit für Literatur, Kunst undGeschichte erkennen undandrerseits ihre kulturelle Übersättigung unddie damit verbundene Hinwendung zurNatur, zurWelt desKindes, zumLeben einfacher Leute

Dasliterarische Epigramm desHellenismus

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Auftreten namentlich gezeichneter Epigrammbücher308 istjedes Epigramm zugleich ein poetischer Ausweis für die Kompetenz seines Verfassers. Zu den Kenntnissen, die sein Leser und Interpret besitzt, gehört nunmehr auch das Wissen über den Autor undrealen Sender hinter derdargestellten Sprechhandlung. Der Epigrammdichter hat somit die Möglichkeit, den traditionellen Sprecherrollen eine weitere Perspektive hinzuzufügen: Zu den textinternen Rollen des Denkmals oder Lesers als des imaginären Sprechers eines Epigramms kann die Person des Dichters als Rolle eingeführt werden. Dabei ist es demAutor freigestellt, ob er sich lediglich im auktorialen Modus als ‘allwissender Erzähler’ oder –was hier wesentlich näher liegt als imFall desanonymen Epigramms –als personales Subjekt vonGedanken undEmpfindungen präsentiert. Ausdiesem Zuwachs an potentiellen Sprechhaltungenergeben sich auch zahlreiche kompositionelle Möglichkeiten. So kann sich der reale, textexterne Autor hinter die scheinbare Objektivität des sprechenden Denkmals zurückziehen oder umgekehrt durch planvolle Hinweise im Text ein eigenes Urteil einfließen lassen, wie dies etwa in den fiktiven Dichterepitaphien geschieht.309 Eine weitere Möglichkeit, die direkte programmatische Stellungnahme in der Maske des Dichters, kommt aus der Gelage- oder Trauerelegie.310 Gerade die Überblendung verschiedener Perspektiven und die Notwendigkeit, die verschiedenen Stimmen zu analysieren, machen das Buchepigramm für seine Leser reizvoll. Wichtig ist es aber festzuhalten, daßauch die Sprecherfiguren in hellenistischen Epigrammen Rollen darstellen. Wir unterscheiden dabei die traditionell epigrammatischen Formen der Rede von Gegenständen, Grabinhabern, anonymen Trauernden, Lesern sowie dieAutorenrede.

undzudenSzenen desAlltags.“DieHinwendung hellenistischer Dichter zuneuen Themen hatjedoch nichts mit allgemeiner „kulturelle(r) Übersättigung“zutun, sondern entspricht im Gegenteil ihrem gesteigerten Interesse amästhetischen Genuß, den sie auch auf neue Formen undInhalte ausdehnten. 308 Diese sind gesammelt bei P. M. FRASER, Ptolemaic Alexandria, Bd. 1– 3, Oxford 1972, hier Bd. 2, S. 859 Anm. 405 und CAMERON 1993, S. 3; GUTZWILLER 1998, S. 15ff. Poseidippos wird in einer Proxenieinschrift von 263 / 262 als Epigrammdichter geehrt, FRASER 1972, 2, S. 796 Anm.44 undoben S. 30 Anm.28. Kommentare zuEpigrammbüchern gehen bis ins 12. späte 3. Jh. v. Chr. zurück, vgl. PARSONS 1977, S. 1– 309 Mitdiesem Typus einer fingierten Grabschrift werden entweder berühmte alte oder befreundete zeitgenössische Dichter geehrt, s. M. GABATHULER, Hellenistische Epigramme auf Dichter, Phil. Diss. St. Gallen 1937; P. BING, Theocritus’ Epigrams on the Statues of 123 (= BING 1988b). Ancient Poets, A&A 34, 1988, S. 117– 310 WEST 1974, S. 2: „ the poet speaks in his ownperson, usually to a specific addressee andin the context of a particular occasion or state of affairs. Often the situation is such that only an ; ebd. S. 20: „the poet’s personal oral communication would be in place, nota written one“ situation usually formed the framework, but the substance was supplied by general reflections ...“D iese elegische Sprechhaltung erscheint nach PEEK GG, S. 33 außerhalb der Gattung zuerst imSteinepigramm des4. Jh.

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Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

6.1. Bildungsstolz undInschriftenkritik

Die Bedeutung der literarischen Bildung im Hellenismus ist bekannt undin vielen Texten belegt.311 Auffällig ist der Anspruch auf literarische Bildung des Lesers vorallem dann, wenner auch in Steinepigrammen, die sich anein allgemeines und auf den ersten Blick beliebiges Publikum richten, zum Ausdruck kommt. So wendet sich ein Grabgedicht des 2. Jahrhunderts v. Chr. ganz ausdrücklich an den 4):312 musisch gebildeten Leser (BERNAND 1969, Nr. 34 = GV 1312, V. 1– ,| δ ε ετήν τ ε ρ ε ν ο υ δ ς|ὁ ε ἰκ κ ό λ ο ιἄ είβ α ὶβ νδιαμ ὸ δ μ ο ι, | η ό λ ν ο α ν τ εμ ν|φ ςο ε ἴω β ίμ ο ὶπ α κ έρ ]ις|τεϑ ,| ο ν α τ μ ιςκα [ά έ μ ίο ε σ ο ,Μ υ μ ᾽ὁδῖτ σ ύ λ ὰ ἀ λ α ρ ’Ἀ λ η ίν ς μ ῆ ι. ή σ α ᾽ἄ ιϑ π ς| σ δ ἴσ χ εκ α ὐ ὶα

‘ Wennauch ihr Rinderhirten diesen Weghier entlangkommt, undihr Schafhirten eure Schafherden weidet, so halte doch du, durch musische Übungen gebildeter Wanderer,

an,sprich: „Grabmal derAline“undgehweiter.

Das erste Distichon gibt einen Hinweis auf die Lage des Grabmals in idyllischen Termini,313 umdann einen Gegensatz zwischen ländlichen undmusisch gebildeten, also wohl städtischen Besuchern amGrab zu konstruieren. In hellenistischen Steingedichten aus verschiedenen griechischen Regionen zählt das Lob der Bildung desToten, diegerne durch dieErwähnung derMusen geadelt wird, zuden enkomiastischen Topoi der inschriftlichen Epitaphien. Für den Verfasser von GV 945, V. 5f.314 gehört die Beschäftigung mit den Musenkünsten zur Blütezeit des Lebens, aus der der Verstorbene durch einen vorzeitigen Tod gerissen wurde: β ε ία ιςϑ η τ ά λ ρ ιδ λ ω ν Δ ιο ν ύ σ ιο ἄ ᾽ἐφ α ῖς μ ςἀ κ ϑ λ ο υ νε ὶσ ε λ ίσ α ινΜ ο υ κ ν . σ ἰςἈ α ίδ νἤ ῶ Gerade als ich, Dionysios, imschönsten Ephebenalter Buchseiten derMusen, kamichzumHades.

warundmitten in den

Während diese Inschrift dasTalent eines jungen Dichters –oder wenigstens die Beschäftigung eines jungen Mannes mit der Dichtkunst –rühmt,315 preist MERKELBACH / STAUBER 03 / 05 / 02 dieBuchgelehrsamkeit eines alten Mannes:316

311 Vgl. etwa H. FUNKE, ‘Schule’, in: H. H. SCHMITT / E. VOGT, Kleines Wörterbuch des Hellenismus, Wiesbaden 1988, S. 617f. (mit Literatur); ZANKER 1995, S. 186ff. 312 Alexandria oder Umgebung; deutsche Übersetzung: GG 176. Zur Rolle der Bildung im hellenistischen Steinepigramm s. auch SCHMIDT 1991, S. 133f. 313 Zuβ ο υ κ ό η λ λ ο μ ι ο ν ο ό ιἄνδρ ε ς(nicht bei Homer undHesiod) vgl. Theokr. 25, 151; zu μ ῆ λ μ dieVersenden inTheokr. 1, 109; 3, 46 miteiner Formvonμ α ε ν ύ ε ο ιν . Dassubstantiviη λ μ ο ο ν sche μ ό ςfindet sich inbukolischem Zusammenhang beiEur. Cycl. 660. 314 Chios, 2. Jh. v. Chr. (= GG 157). 315 Vgl. die Übersetzung PEEKs in GG, S. 109 für ϑ ά νσ die ersten Seiten λ λ ω ε λ ν(„ ίσ ιΜ ο υ σ ῶ ). σ ε λ ίςheißt ‘Spalte’ in Anth. Pal. 6, 227, 4 (Krinagoim Buch meiner Lieder begonnen“ ras), aber auch ‘Seite’, so bei Poseidippos, vgl. LSJ s. v. Die Verbindung von Schreibstoff ). ᾶ ν κ ισ ο υ τ ά λ α Μ undMusen gibt esbereits beiPindar Ol. 6, 91 SNELL / MAEHLER (σ 316 Text (in Verbesserung von GV764) undÜbersetzung ebd.; Kolophon/Notion, 1. Jh. v. Chr.

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Dasliterarische Epigramm desHellenismus

ν ὸ ν ελ ε δω ςμ β ρ λ νἀ ο ίη φ τ ο υ β ᾽ἱσ η ο ςπ ύ λ σ ά νπ τ ὸ λ ίδ ε μ νσ α ν β ε ο υ , νἀ ά ρ έ σ ιδ ο ο π νδρεψ ό λ ω π ν γ ο ρ νσ τ έ λόφ όρ α ν γ α ξ ντ Γ ίη α α ν τ ν ο φ ὸ σ ε ο μ ρ ῳ ό τ νΚ ὸ ρ ΐδ λ η ο ε τ ω α ίο νΛ υτριπ ό δ ω ϑ α π α έρ ίη ςδ ὲ ·εὐσ εβ ν ις ό ικ ε τ ιςκρύπ ο νκόλπ ὶςἐ π ο ρ κ Κ ε ηφ β νἔ ρ ο ε ἵν ε κ ῶ νεὐσ ω νχ ε έ εβ ϑ . ο ς εν ίμ Denin allem Wissen kundigen Mann, der viele Bücher nutzte, denAlten, der ausdenSeiten derDichter pflückte, derdieWeisheit (und Poesie) in seinem Sinn liebte, dengroßgesinnten Gorgos, denDiener amDreifuß des Klarischen Leto-Sohnes, birgt des Kekrops Erde in ihrem Schoß; infolge seiner Frömmigkeit ister, als erstarb, zumOrtderFrommen gegangen.

Dieälteste griechische Tradition poetischen Schaffens erscheint in einem

ande-

4):317 ren späthellenistischen Steingedicht (GV 1729, V. 1–

̣

̣

ἦ ϑ ο ρ ή ε ς ρ α ιο ]φ μ [ιγ ο ν νὉ μ ὲ [ο δ ]τ ὶν έσ π ο [π ίδ ε ιλ ]ρ ςφ ν γ ο ν σ ε λ ίσ ιν ιςἔκλα ἐ υχρυσέα α μ ίο ὐ Ε ῆ τ μ ινἀ ε ίσ ρ ε ο ν ι·, α ό φ ίδ οσα α ἰνἈ α ὶε σ ε ῦδ ὲκ είμ ν η σ τ ο νγ ρ ά μ μ αλ α λ ε ῦ σ α π έ η ρ . τ Ἴ ν α χ, ἀ Früher riefen᾽die Schreibgriffel des Homer die ergebene Gesinnung des Eumaios in goldenen Spalten aus; deinen klugen Verstand, Inachos, auch wenn Du im Hades bist, wird der Stein besingen, der eine unvergeßliche Schrift spricht.

In durchaus unbescheidener Weise stellt derAutor sein eigenes Steinepigramm für dentreuen Diener (φ ιλ ο δ έ σ π ο ) auf die gleiche Stufe mit denhomerischen τ ν ο Spalten“über Eumaios. Die beständige Klugheit dieses Dieners mag zudem an „ denodysseischen Teiresias erinnern, der als einziger noch imHades Verstand besitzt.318 Homer gilt ihmals ein Symbol für Unvergänglichkeit, diehier mitderMaε λ ίς , die Spalte in der Papyrusrolle, steht daterialität der Schrift assoziiert ist.319 Σ beipars pro toto für das Buch.320 Bezeichnend für den Stellenwert der Literatur ist die Aufwertung des Epigramms gegenüber demMonument. Der Stein singt wie Homer einἀ μ α η μ σ ρ ν , er ist weniger einDenkmal als einBuch, Träger ά ε γ τ ίμ ο ν eines homergleichen Preisgesangs. Aus der Anrede an Inachos in der 2. Person wird deutlich, daß der fiktive Sprecher des Epigramms als anonymer Lobredner vorgestellt ist. Seine Bildung demonstriert derVerfasser auchimletzten Vers desEpigramms. Die alte Metapher des sprechenden Denkmals ist insofern verändert, als hier der Stein ‘Lob singen’ wird, indem er eine Schrift (effiziertes Objekt) ‘spricht’: Hier 317 Kos, 2. / 1.Jh. (= GG 207). 318 Od. 10, 492– 495; die gepriesenen Eigenschaften des Dieners passen jedenfalls gut zu den Figuren derOdyssee. 319 Den χ ρ α α μ κ α τ ρ μ τ ὰγ ά αwird in GV 1625, Rhodos, 1. Jh. v. Chr. (= GG 217) und GV 1418, Kos, 2. Jh. v. Chr. (= GG233) besondere Gültigkeit zugemessen. 320 Zurmetonymischen Verwendung vonσ ε λ ίςundallgemein zurBuchmetaphorik in derhellenistischen Dichtung vgl. oben Anm. 315 und BING 1988a, S. 15, 35f.

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Dasgriechische Epigramm undseine Leser

zeigt sich erneut derEinfluß derin der‘hohen’Literatur vorgeprägten Metaphern. Schrift undErinnerung werden bei den drei großen Tragikern assoziiert,321 aber auch Schrift, Sprache undGesang.322 Die hier für die Hochschätzung der literarischen Bildung im hellenistischen Epigramm angeführten Beispiele des 2. und 1. Jahrhunderts sind bereits eine Auswirkung der frühhellenistischen Buchkultur und ihrer Dichtung.323 Der anonyme Autor des Steinepigramms für Inachos verwendet eine durch Poseidippos von Pella, derzuBeginn des 3. Jahrhunderts in Alexandria wirkte, bekannt gewordene Metapher. In der ihm zugeschriebenen Alterselegie324 erscheinen die Musen als γ ρ α ψ μ ά ε ν α ιδέλ έ τ α ιςσελίσιν,325während sein Epigramm aufDoriω νἐ νχρυσ das Bild der φ μ γ ϑ ό ε γ ν ε α ι σ ε λ ίδ ε ςverwendet. Bei Poseidippos symbolicha326 sieren diesprechenden Kolumnen dieUnvergänglichkeit einer großen Dichtung, im Falle des Doricha-Gedichtes der sapphischen Lyrik. Dasjüngere Epigramm verbindet die beiden Metaphern der schreibenden Musenkunst undder singenden Buchstaben. Simias vonRhodos ist der Verfasser eines der Form nach kanonischen Grabepigramms auf (nicht: für) den Tragödiendichter Sophokles, das an die Stelle des klassischen Gegensatzes des sterblichen Körpers undder unsterblichen Seele eine neue Antithese setzt (Anth. Pal. 7, 21, V. 1, 5f.):327 φ ο ο κ ῖδ α τ α λ Σ α ν Σ έλ ψ έ α ,π ο α νσ ο ῖςμ Τ ὸ φ ίλ ὲχορ λ υ ο ,

ο β έρ ο ς ,ἀ νμ ςἔχ ο λ μ λ ικ ε ῆ α ςὀλίγ ρ ὶγ τ ύ ισ σ ᾽ὁπ ὸ ε ς α ε τ α ιἐ νσ ε λ ίσ ιν ἰὼ . νἀ ιςδέρκ ο ϑ ν τ α ά 321 Aischyl. Suppl. 178f.: κ η μ α ὶτἀ π ϑ ὶχ σ ρ ο έρ ο υν ῦ νπ ία νλ β ἰν ε ῖν/ α α ῶ φ ᾽ υ λ ά ξ α μ ι ϑἅ ρ μ ά ή φ ο ο υσ ηδελτουμ ν νἐγγ σ ὺμ ἔ π έν ινδέλ α ; Prom. 789: ἣ ς τ ο ιςφ ρ εν ῶ ; Eum. 273– ν ̣ βροτ ᾽ 275 (lyr.): μ γ α έ η ρἍ ςγ ὰ ιδ ςἐσ τ ὶνεὔϑ υ ῶ ν ο νἔνερ ς ϑ εχϑον ό ς , δελτογρ ά ῳ δ φ ὲ [σ ; –Sophokles Trach. 683: χ π ά ν τ ῳ τ Δ ιό π ρ ᾽ἐπ ω ε ν ί; Fr. 281 RADT: δέλ ᾷφ α λ ῆ κ ςὅπ ω ς ; Fr. 597 RADT: ϑ ν ή ο ῦδ ρ α φ ν ιπ τ ο νἐ δ ύ σ ᾽ἐ κδέλ τ υγ ο νφ ρ ε ν ὸ ςδέλ τ ο ισ ιτο ὺ ο ς ὺ ςἐμ 6 NAUCK: ... κἄ π ε ιτ γ ο υ ; –Euripides Fr. 506, 2– ς ᾽ἐ λ ό νΔ ιὸ ςδέλ τ ο ρ υπ τ ά υ ιν φ ε χ α ῖς/ γ η τ ο ν ῖςδικ ιν/ ϑ ν τ άν τ ιν ῆ ν αδ ά ᾽α ά ,Ζ ὐ τ ᾽εἰσορῶ ζ ε ιν ;ο ὐ δ ᾽ὁπ ᾶ ιὸ ςἂ νοὐρα ν ς ὸ ς/ Δ γ ρ ά φ ο ν τ ο ςτ ρ τ ία ὰ μ α ῶ νἁ ςβροτ ς/ ἐξαρκέσειε ν... 322 Vgl. z. B. Eur. Hipp. 877ff., Fr. 60 AUSTIN. 323 So erklärt sich das beliebte Motiv der unvergänglichen Bildung, vgl. KREVANS 1984, S. 5: Finally, the possibility that poetry waswritten as well as oral suppressed the occasional „ nature of thelyric andpermitted it to participate in thebookbyemphasizing preservation for posterity over performance for a small circle of listeners.“–ZumLob der σ ε λ ίςs. noch Anth. Pal. 7, 117, V. 5f. = Zenodotus 1 Gow/ PAGE, von ca. 320: ε ἰδ ὲπ ρ ά τ αΦ ο ίν ισ α σ , ρ α π τ ο ᾽ο ὗγ ὰ ς ,ἀ φ μ ο νἙ ς/ κεῖν λ λ ὰ ν ςἔχ κ δ ε ισελ ά α ὶὁΚ ν ο ϑ ό τ ίςὁφ ;ἠ ς ίδ α . 324 SH 705; BING 1988a, S. 15; zumMotiv des sprechenden Buchs noch ebd. S. 28f. und33. 325 SH705, 6; vgl. Eur. Iph. A. 797f.: ἐ νδέλ ο τ ιςΠ ρ ίσ ινμ ιε ῦ ϑ ο ι. 326 Posidippus 17 Gow/ PAGE, V. 6 (= Athen. 13, 596 d); BING 1988a, S. 33. 327 Simias 4 Gow/ PAGE, V. 1, 5f., umca. 300 v. Chr. DasPublikum des Sophokles besteht hier nicht mehr ausZuschauern, sondern ausLesern, denn δ έρ κ ε τ α ιbezieht sich auf denLeser 61; KREVANS 1984, S. 87f.: „ In the fourth und seine Imagination, vgl. BING 1988a, S. 59– century, texts hadalready begun to acknowledge that they existed in writing. But in the third century wefind an obsession with the appearance of word on papyrus, the visual aspect of thetext“(87). Anders, aberohnesich aufKREVANS zubeziehen, CAMERON 1995, S. 32ff.

Dasliterarische Epigramm desHellenismus

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Dich, Sophokles, derduin Chören sangst, denSohn des Sophillos, ... hält ein Grab undein kleiner Teil Erde, aber die gewaltige Zeit sieht ihn in unsterblichen Spalten.

Als ein ‘gelehrtes’ Epigramm beweist es auf der einen Seite die perfekte Beherrschung desformalen Vokabulars eines klassischen Epigramms, indem es einen Gegensatz zwischen unsterblicher Kunde und der räumlichen und zeitlichen Begrenzung des Graborts formuliert. Auf der anderen Seite verbindet es damit fast unmerklich ein neues Thema. Der Sprecher wendet sich an Sophokles, als stehe er an dessen Grab. Doch nicht die Stele ist seine fiktive Kommunikationspartnerin, sondern dasBuch. So ist es wohl eines derersten fiktiven Sepulkralepigramme auf einen Dichter der Vergangenheit, das explizit die schriftliche Form seines Werks zumGegenstand macht. Ein anderer Umgang mit der Metapher der sprechenden Inschrift zeigt sich in einem Epigramm, das in derAnthologia Palatina demStoiker Arat zugeschrieben wird (Anth. Pal. 12, 129):328

υ ο ϑ ῆ ρ ίν λ ό ε ῖο ςἌρ ἱδ γ κ λ ικα ς ,α ὲΚ ο ο ιλ ε γ ςΦ ρ Ἀ ῶ σ ιτά φ ο ι· ὸβο τ ὐ τα ν ρ έ ω γ α ὶΜ λ α α ε ῆ ικ σ τ γ έ γ ρ α π τ α ικ μ φ ρ ια α ά ῶ νἈ ρ ο έ ιλοετρ ὶμ υ χ · α ϑ μ ε λ ό λ ειπ ,ἀ ιλ σ ό ὡ λ ς ᾽†ὀ α ςκα μ μ ά ρ ο λ ι†γ ίγ ρ ε ν ε ύ υ ςἀ ρ ς τ λ ιη ρ λ ὰ Π ά ιμ α ρ ιἐπ έ ρπ τ τ ὰ δ ῷ γ ὐ ᾽ο α ὐ τ ὸ τ ρ ο ισ ό σ ε ρ ςἰδ ς . ώ ν υδ ε ὶπ , ἑτέρ ο τ ᾽ἐσ Der Argeier Philokles ist in Argos schön, unddie Stelen undGräber von Korinth undMegara rufen dasselbe; geschrieben steht auch bis zu den Bädern des Amphiaraos, daß er schön ist. Unddoch, wir stehen nur an Inschriften nach.329 Denn für diesen hier sind nicht Steine die Zeugen, sondern der Priener, derihnselbst sah: Er ist demanderen überlegen.

Wie viele inschriftliche Epigramme ist dies nicht nurein Gedicht auf eine Person, sondern auch eine poetische Äußerung zu denFormen der inschriftlichen und nichtinschriftlichen Kommunikation über diese Person. Anbedeutenden Stätten der Peloponnes undAttikas, so der Sprecher, liest mandie Lieblingsinschrift „ γ ῖο ε ς ρ Ἀ ῆ ςκαλ Φ ιλ ο λ κ ό “auf Gräbern undStelen, ja es scheint sich umeine Route von ς Argos bis ins nördliche Attika zu handeln, die denRuhm des Philokles (ein sprechender Name) transportiert. Die Aufdringlichkeit der ‘publicity’ für den κ ό ς α λ wird durch die bekannte Metapher der rufenden Schrift verdeutlicht (β ι σ ο ῶ 328 Aratus 1 Gow/ PAGE; derhier zitierte Text in V. 4 nachdieser Ausgabe, vgl. Gow/ PAGE2, S. 105f. Die wichtigste ältere Interpretation dieses äußerst schwierigen Epigramms stammt 178; Gow/ PAGE 1965, 2, S. 105 schließen sich vorsichtig von REITZENSTEIN 1893, S. 172– ). Siehe jetzt aber P. BING, Theun-read muse. Inscribed seems thebest sofar proposed“ an(„ Epigram and its readers in antiquity, in: HARDER / REGTUIT / WAKKER 2002, S. 39–66, bes.

47f.

329 DerSinn vonγ ρ μ μ ά α σ ιλειπ μ ε ϑ αmußetwa ‘wirwerden vonInschriften ausgestochen’ ό oder ‘wirbleiben mit unseren vergleichsweise wenigen Buchstaben dahinter zurück’ sein. REITZENSTEIN

μ α σ ι. ο μ λ ίγ ιςγ ρ ά 1893, S. 173f. konjiziert ὀ

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Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

ι), die hier ganz sicher in einer schriftkritischen Tradition steht.330 Die Schönο φ τ ά ῷ δ ), von demder zweite Teil des heit des nicht namentlich genannten Knaben (τ ε

Gedichts handelt, bezeugen dagegen nicht Inschriften auf Steinen undauch nicht dasvorliegende Epigramm, sondern ‘derPriener’,331derals Augenzeuge einbesserer Gewährsmann ist, auch wenn er mit seiner Aussage alleine dasteht.332 Dadurch wirdderNutzen derSchrift relativiert: Mitihrer Hilfe inaller Munde zusein, ist im Fall der Schönheit keine Garantie für eine hohe Qualität. Der mit Hilfe der Inschriftlichkeit erreichbare Ruhmwird imGegensatz zuroptimistischen Präsentation derSchrift beiPoseidippos zurückgewiesen. DasAnrufen vonAugenzeugen –aufgrund eines Mißtrauens gegenüber demalleinigen Beleg durch Schriftstücke –ist ein Topos des Steinepigramms des 4. Jahrhunderts.333 Tugend kann nicht nur behauptet, sie mußpersönlich attestiert werden. So handelt es sich hier umeinLiebesgedicht, das, anders als diemeisten, seine Inspiration zunächst nicht aus demsymposialen Rahmen der Gelagedichtung bezieht, sondern aus der Tradition der Inschriften. Wie aber soll mansich dengedachten Rahmen vorstellen, in den hinein sich der Sprecher äußert? Nach REITZENSTEIN334 spricht diepersona des Dichters gleichsam vor einer Statue des Knaben, aufdie, wieso häufig in Steininschriften, nurmitdemdeiktischen Pronomenτ ῷ δ εverwiesen würde. DasEpigramm wäre somit eine Art Siegerepigramm ineinem Schönheitswettbewerb. Das abschließende konstatierende ἑτέ ρ ο υδ ᾽ἐσ ρ τ ρ ισ ὶπ ο σ ό τ ε ς ε , eine Stellungnahme wohl zugunsten desPrieners undgegen dieanonymen Grafittischreiber, läßt schließlich eine Programmatik in der Äußerung des Epigrammdichters deutlich werden, diewiederum derelegischen Sprechattitüde gleicht. Diegroße Öffentlichkeit lehnt er bei der Urteilsfindung über ästhetische Fragen ab.335 Die Welt des Steinepigramms undihrer Formeln dient ihmdazu, über bekannte lebende Personenundüber seine eigenen poetologischen Überzeugungen zusprechen. 330 S. oben S. 41f. und Anm. 69 zu Aischylos undEuripides. Kritik an öffentlichen Inschriften übt auch Kallimachos in Ep. Fr. 393, vgl. dazu PFEIFFER 1, 1965, S. 323. –Zum ‘Ruf’ der Stelen vgl. auch das christliche Epigramm BERNAND 1969, Nr. 60 (GV 1635), V. 1f.: Π ρ ίν β ε ε ιν σ ελέγ ,τ ,ὦ μ ίςἢτίν τ ο ύ ςἐνϑ ά δ ή εκεῖτ ηßoά λ α ι, / ἡστ ᾳπ ᾶ σ μ ιπ ρ χ ερ ο έ α ν ο ις... („ Bevor dusagst: „ O Grab, werliegt hier undvonwelchen Eltern“ , ruft die Stele allen Vor), welches im übrigen mit einer epigrammtypischen Antizipation des beikommenden zu ...“ Rezipientenverhaltens aufwartet.

331 Nach Gow/ PAGE1965, 2, S. 106 ist dies ein Eigenname, nach REITZENSTEIN 1893, S. 176f. einDichter ausPriene. 332 Zu μ ρ α τ ρ υ ε ῖνim Epigramm s. CEG 2, 882; μ ρ ά τ υ ςCEG 2, 623 (= GV 1498), 627, 798; Kall. Ep. 54. 333 S. oben S. 94f. 334 REITZENSTEIN 1893, S. 175. erinnert andasästhetische Programm in Kallimachos’Echoepigramm (Ep. 28) auf den öffentlichen Liebhaber Lysanias. Nach REITZENSTEIN 1893, S. 173f. ist das Epigramm des Arat nicht eigentlich ein Liebesgedicht, sondern bewerte das kurze Gedicht (ὀ λ ίγ ρ γ α μ μ ά α τ ) eines anderen Dichters, derdenRuhmdesPhilokles trotz vieler Inschrifα tenverdunkelt habe. Verständlich sei dasganze nurin einem „Liederstreit“(S. 177) in urZumGebrauch desKomsprünglich mehreren Gedichten, derKontext fehle heute jedoch. – parativs inEpigramm undElegie vgl. unten S. 179Anm. 181.

335 DieHaltung

Dasliterarische Epigramm desHellenismus

115

6.2. Der Akt des Lesens 6.2.1. Inschriften Unser bisheriger Überblick über die Geschichte des griechischen Epigramms undseiner Leser hat gezeigt, wie sich die Inszenierung des Sprechakts im Laufe derEntwicklung verändert: Ausder Antizipation der Lesesituation, aus denFormender fingierten direkten Rede zwischen Denkmal undLeser, aus der Vorliebe für die pragmatischen Aspekte der Kommunikation, die sich in der Botenrolle der Inschrift undin der Metaphorik des stimmlosen Sprechens gezeigt hat, aus all diesen typischen Elementen des Sprechakts im Steinepigramm entsteht allmählich eine

neue Leserrolle. Epigramme bilden denAktdesLesens nach, zeigen Bewußtseinsvorgänge des Rezipienten undbieten so demrealen Leser eine Möglichkeit zur Identifikation. Ein frühhellenistisches Grabepigramm aus Thessalien spricht seinen Leser auf folgende Weise an (GV 1342):336 η ν σ , ὁδῖτ ο α α ,κ ὶεὐ|φ μ ω λ ςἀνα ν έ ι| ώ φ ή σ α ο ξ ρ π γ ρ μ μ ά α τ α ρ Π ω μ τ ά ο χ ο υ|σ μ χ εν ό ρ ο μ ε[ρ α π α ]. ς ῆ Sprich deinen Gruß, Wanderer, undlies ehrfürchtig schweigend die Buchstaben, wenn duamGrabmal des Protomachos vorbeigehst.

Das Distichon unter der Überschrift, die den Grabinhaber Π ο χ μ ς α ρ ω τ ό β μ δ α ίο ο Ἑ υangibt, unterscheidet zwei aufeinanderfolgende Handlungen, die der an der Stele vorüberkommende Reisende ausführen soll. Der Aufforderung zum üblichen χ ε-Gruß mit lauter Stimme, demπ α ῖρ ρ οσ φ ω ν εῖν,337 folgt als bewußter Gegensatz die Ermahnung zumandächtigen, stillen Lesen.338 Die Buchstaben sol-

lenschweigend zurKenntnis

genommen werden, womit

demAugenblick derLek-

türe einbesonderes Gewicht zugemessen wird. Es fehlt jeder Hinweis auf dasMotiv derVerbreitung derKunde. Der Leser soll zu eigenem Nachdenken, nicht zum Weitererzählen angeregt werden. Dies steht in direktem Gegensatz zu demin Epigrammen häufiger vorkommenden κ λ έ ο ς-Motiv: Gedichte, in denen es um die

Verbreitung des Ruhms geht, verweisen häufig auf die ‘Sprachfähigkeit’ des Steins, eine Stimme, diezusammen mitdenvorüberziehenden Lesern auf Wanderὐ μ ή φ ω ςἀ ν α λ schaft geht.339 Die als ε έ μ α μ ρ τ αbezeichnete Tätigkeit verξ ά α ιγ weist nicht nuraufdentechnischen Aspekt desLesens, sondern auch auf eine reli-

336 Demetrias, 3. Jh. (= GG 119). 337 π ρ ο σ φ ω ν ε ῖνbedeutet ‘mitNamen ansprechen’bei Aischyl. Suppl. 236 undEur. Tro. 942. ὴκ μ μ ακλ ; stilles ε ρ α ὶστό η είε ιν ῖνχ ZumSchweigen vgl. auch Aristoph. Equ. 1316: εὐφ Lesen ist bei Eur. Iph. T. 762f. vorausgesetzt, vgl. oben Anm. 299. 338 WALSH 1991, S. 79f. Anm. 9. Vgl. BERNAND 1969, Nr. 27 = GV 1887 (Saqqarah, 3./4. Jh.), ίςμ ά κ ροὕ α τ ω ςἐσ 10: Τ ί, τ τ ίς ίςδ ᾽ὅ ρ ;φ ή ή δ ᾽ἀ σ V. 7– ε ν ιτ ιςὁδειτ ριόντ ά ω νπ ν/ τ ω α ο υ έν ς ρ ιγ ·/ Ὁ ῇτ β ιο ὼ ντ εσ σ γ ε εκ ς ὺκεύϑ ιγ ,ὅ ιδ ά ν δ εἐ α δ α ὶο ω ὄ λ ὐλ α έ ο υ σ ξ ις ε ; / Τό ·λ η ν ο ,Κ ς ό ά σ ιο π ώ λ . υρ κ ερ ςμ λ υ ν ο ςγ ἔρ 339 Vgl. oben S. 56f., 75f., 84f. undbes. 102ff.

116

Dasgriechische Epigramm undseine Leser

giöse Haltung. Ungewöhnlich ist jedoch die Verbindung dieser Haltung mit der Lektüre.340 Daßdieser in denEpigrammen mitLeserrede vorgebildete Aspekt der Leserrolle von hellenistischen Epigrammatikern herausgegriffen wird, ist gewiß kein Zufall. Auchwenndaslaute Lesen bis in die Spätantike die primäre Form derRezeption vonGeschriebenem darstellt, zeigen gerade die Grabepigramme, daßman auch einen inneren Aspekt des Lesens kennt, der der Verlautbarung nicht bedarf Neben der Rezitation mit lauter Stimme gibt es also eine zweite, mehr nach innen gerichtete Form des Lesens, die anscheinend ebenfalls positiv bewertet wird. Ist derstille Leser in demzitierten Epigramm ein ‘privater’oder ‘einsamer’Leser, der amLesen Vergnügen findet undnurfür sich selbst liest? Dies läßt sich aus dem Text eines Epigrammes noch nicht entscheiden. Anzunehmen ist jedoch, daß die Absicht eines Autors, auchfürgenußorientierte Leser zuschreiben, unddieBereitschaft des Rezipienten zu stiller Lektüre mit der Ausbildung einer dominanten Schriftkultur Hand in Hand gehen.341 Bevor wir nun zu den literarischen Schilderungen des Lesens im Buchepigramm kommen, sei noch kurz auf einen inschriftlichen Akt des Nicht-Lesens verwiesen, der auf seine Weise die Bedeutung des Lesens im Hellenismus unter-

streicht:

λ ὰο ὔ τ επ ο τ ὲ ν ῶ ς–ἀ μ α τ μ ατα αἀναγ τ ῦ ρ ά ν α ιά σ α ,ὦ Π νσ ύ ὅ τ α ξ ,τ ὰγ η ν ά ς εο φ ὲΝ τ ο επ τ ὔ ι, ο ε σ ώ ν μ γ α τ α μ τ ο ρ ῦ ν ά τ α α ἀ ,̣ ὦ ν Π α γ α σ ιά σ ύ ὰ ξ ,τ ῦ τ α α α , ἐνϑ ν ξ ιά σ α τ α α ι δίκ α ω , ὦΠ νἐπ [.]δ ύ ω ο ίσ ρσ ε ι, ἀ λ ιρ σ ε π σ ᾽ὥ ι.342 α ϑ έσ εν γ ν η δ ὲ ἀ λ ίϑ ιο ι, α τ ςκ ὔ ε ῖο ω ὶμ κ α α ὶΝ εο νκ φ ά ν ε α ἀ λ ίϑ ιο μ α τ ) einem Toten, in diesem Fall Die Fluchtafel wird wie ein Brief (γ μ α ρ ά demPasianax, mitins Grab gegeben, undso wiedieser die Tafel nicht lesen kann, so soll auch derProzeß desNeophanes gegen denBriefschreiber nichtig sein. Das Paradoxon der brieflichen Anrede an einen Nichtleser wird vom Verfasser formuliert, ohne daß ihmBedenken hinsichtlich der Wirksamkeit seiner Rede gekommen zusein scheinen. ImGegenteil: Die magische Wirkung dieses Analogiezaubers beruht ja gerade auf demFehlschlag der ‘Korrespondenz’, und dieser wird umso deutlicher, je genauer dieäußerlichen Regeln derKommunikation beachtet werden. Der kurze Text ist ein Zeugnis nicht nurfür die Verbreitung des Lesens im hellenistischen Griechenland, sondern auch für das Verständnis des Lesens als einer Handlung.

340 Belege fürἀναλέγ ι(‘durchlesen’, z. B. Kall. ϑ α ε σ γ ε ιν(‘sammeln, aufnehmen’) undἀναλ έ Ep. 23) finden sich hinreichend in LSJ s. v. 341 Die Ursprünge dieser Entwicklung liegen schon im 4. Jh., s. WILAMOWITZ 1900, S. 14; KREVANS 1984, S. 52f.: „ Nevertheless, a change in the balance between the written and the oral side of poetry hasdefinitely taken place, even for the lyric poetry traditional associated with music.“(S. 53); PÖHLMANN 1988, S. 13f. 342 Arkadische Fluchtafel aus Blei, Text nach SEG 37, 351.

Dasliterarische Epigramm desHellenismus

117

6.2.2. Buchepigramme

Der Akt des Schauens beim Betrachten eines Denkmals bildet schon in manchen Epigrammen der klassischen Zeit die Szenerie einer Sprechhandlung, die sich α μ α ι-Motiv’undden deiktischen α αἰδέσϑ λ ὸ νἰδ ῦ ε ῖν/ ϑ ausdemarchaischen ‘κ Verweisen auf das Monument heraus entwickelt hat.343 Auch zahlreiche hellenistische Epigramme befassen sich mit den Aktivitäten des Betrachters und Lesers, wobei manvor allem zwei mentale Kategorien unterscheiden kann: dietraditionell

mitder Bewunderung des Gegenstandes verbundene sinnliche Wahrnehmung und dieintellektuelle Interpretation derBedeutung vonSchrift undBild. Diesen Bereichen entsprechen auch verschiedene Leserrollen. Die Wahrnehmung desDenkmals zuBeginn eines Epigramms verwendet etwa Nossis (1. Hälfte des 3. Jh.) in einem Gedicht, dessen Rahmen die Ankunft von Frauen an einem Aphroditetempel schildert (Anth. Pal. 9, 332):344 ϑ μ ε α α ὸ νἰδώ τ ὶν τ ο ιπ α α ῖσ ίτ δ ς ο ο ρ ϑ ᾶ ςἈ λ φ Ἐ α ςὡ ρ ςχ υ σ τ ὸβρέτ ῷ δ α ιδ α λ ό ε ντελ έσ ι. ε Gekommen zumTempel wollen wirFrauen dasBild derAphrodite sehen, wie es kunstfertig aus Gold geschaffen ist.

Noch pointierter mit dem visuellen Aspekt der Rezeption beschäftigt sich das Epigramm derselben Autorin auf eine Grabstatue (Anth. Pal. 6, 354):345 β ιϑ α ίδ εΣ ϑ ν ῶ μ ε ο α ςεἴδετ α ὶτηλ ιἔμ α κ ὰ τ ω ν Γ ᾷ κ ᾳ γ α ὶμ . ε α ρ λ φ ειο ο σ ύ ν νμ δ ἅ ὼ ᾽εἰκ είλ ντ ὰ τ ότ ν ιχ α υ εμ ο να ς ιν ὐ τ ό ϑ ιτή νπ ὰ ·τ ϑ ο ά ε ῆ ν .χ μ ο ιςπ α ίρ ᾽ὁρ γ π ο ύ ν ἔλ ο α λ ι. λ ά α κ ά α ιρ ,μ Erkennbar schon vonweitem scheint dieses Bild hier der Sabaithis zu sein an Gestalt und Größe. Schau: Die Klugheit und Lieblichkeit jener meine ich ebenhier zusehen. Sei vielmals gegrüßt, glückliche Frau.

Eine dernaheliegenden Aktivitäten desBetrachters undLesers ist dasFeststellen der Ähnlichkeit zwischen dem Bild und der bezeichneten Person.346 Das Ziel der Betrachtung ist neben der Bewunderung des Kunstwerkes die Wiederherstellung einer Nähe zu der Toten durch ihr Bild, so wie es auch ein Epigramm der Anyte beschreibt (Anth. Pal. 7, 649):347 343 Diese Form epigrammatischer Darbietung bleibt bis in christliche Zeit ̣ ̣ beliebt, vgl. etwa ν οἀ α μ γ ῦ έ ισ αμ τ ο νὁρ ; ῶτ IGUR 413, 1f. (2. Jh.): ϑ ν έϑ ε κ η ετοῦτ ο δ ς|ἐνϑ ίςὁξέν ά 344 Nossis 4 Gow/ PAGE, V. 1f. DasThema der·Frauen, dieKunstwerke betrachten, hier ganz subtil durch das Femininum ἐ ϑ λ ο ῖσ α ι angedeutet, haben auch Herondas, Mim. 4 und

86 gestaltet. Theokr. 15, 78– 345 Nossis 9 Gow/ PAGE; vgl. noch Anth. Pal. 6, 353; 9, 604 und605. 346 Vgl. auch U. Eco, Semiotik. Entwurf einer Theorie des Zeichens, München 21991 (engl. 1976), S. 366ff. zumLesen ästhetischer Texte. 347 Anyte 8 Gow/ PAGE; –π ρ ο σ φ ϑ ϑ γ ε ιin V. 4 spielt auf einen bräutlichen Kontext an, s. σ α έγ D. GEOGHEGAN, Anyte. The Epigrams. A Critical Edition with Commentary, Rom 1979 (zu

118

Das griechische Epigramm undseine Leser

ν ῶ νϑὑμ εν α ίω ν μ ο υσεμ ο έ ςϑαλά ιεὐλεχ ο ίτ τ ν Ἀ μ ά ρσ η τ τ ᾶ σ ετά φ ῳ ῳ ρ ίν τ α μ ῷ δ᾽ἔπ ρ α ιμ ᾽ ρ ο ντ ετε νκ έτ , ὸ ν ϑ α ε α ρ ν ικ ὶκά λ ο ισ λ ὰ νμ ο π α ςἔχ γ κ τ ὰ δ . ρ σ ν α ί, π ο τιφ έ ϑ ε Θ ε ϑ ιμ α οκ ε ὶφ λ ᾽ἔπ Statt einer glücklichen Hochzeit und feierlichen Hochzeitsliedern hat die Mutter auf dieses marmorne Grab eine Jungfrau aufgestellt, diedein Maßund deine Schönheit hat, Thersis, ansprechbar bist duauch als Tote geworden.

Die Schönheit des Bildes erleichtert die gedankliche Kommunikation, die mit ρ demπ ο σ φ ω ν ε ῖνdesBesuchers einsetzen muß.348 DasEvozieren vonBildern im Gedicht, sei es nunfür einen Stein bestimmt oder nicht, ist kennzeichnend für die peloponnesischen Dichter undDichterinnen der von REITZENSTEIN so genannten „ Schule“ . Als eine Besonderheit sind vor allem die Landschaftsschilderungen bekannt geworden, ekphrastische Elemente begegnen aber auch in denGedichten auf Gegenstände oder Tiere. In allen diesen Epigrammen wird deutlich, daß es sich um Bilder handelt, dieandieImagination desLesers appellieren.349 Ein gutes Bild ist nach antikem Kunstideal dem lebendigen Modell so ähnlich wie möglich.350 Mit diesem Topos spielt ein Epigramm des Asklepiades (oder Poseidippos, Anth. Plan. 68):351

α · μ ς ρ ὴΒερενίκ ρ ιδ ϑ ο α μ ε Κ ύ π έ ςἅ δ ᾽ἰδώ νφ ᾽εἰκώ ᾳ φ ῇτ . ρ ν ιςὁμ α ο ιο τ έ δ ισ τ ά έ τ ο π ζ ω ·ρ Ein Bild der Kypris ist dieses –halt, laß sehen, ob nicht der Berenike. Ich frage mich, welcher vonbeiden manes ähnlicher nennen würde.

Der Dichter versetzt sich in die Rolle des Betrachters eines Bildes, das offensichtlich nicht inschriftlich bezeichnet ist, undversucht es nach seinem Aussehen zu identifizieren. Wie in denälteren, vonfiktiven Lesern gesprochenen Epigrammen schildert das Gedicht eine erwünschte Reaktion. Das Lob für die Königin als das eigentliche Ziel des Epigramms besteht in der scheinbaren Verwechselung mit der Göttin der Schönheit.352 Die Betrachtung an sich ist als eine intellektuelle Tätigkeit Nr. 8 auf S. 89– 95), S. 94. Parallelen zu diesem Trostmotiv finden sich bei LATTIMORE 1942, S. 244; s. o. S. 57. 348 Vgl. GV 1342 und schon CEG 1, 441 (Athen, Felsinschrift am Musenhügel, 5. Jh.?): ν τ ίν ο ο Ἀ ν |τερπ ὲ νἰδε ςκα λ ὸ ςμ σ ειπ ὸ ν ορ }ν ςδ ὲπ {ο ν(sic), wobei nach HANSEN ε ειπ |σ π σ ορ ειπ ρ ο σ ειπ ε νzuverstehen ist. Anders: IG I3, 1403. alsπ ν ε ειπ |σ 349 Zur Involvierung des Betrachters vonKunstwerken im Hellenismus vgl. P. ZANKER, Eine

fürdie Sinne. Zurhellenistischen Bilderwelt desDionysos undderAphrodite, Berlin 1998; bes. S. 10 mitAnm. 5 zurRolle desergänzenden Betrachters, derals Adressat gerade für die frühhellenistische Kunst charakteristisch ist. 350 KASSEL 1983; Für die Kunstvorstellung des Hellenismus s. BIANCHI BANDINELLI 1977; B. H. FOWLER, The Hellenistic Aesthetic, Bristol 1989; F. MANAKIDOU, Beschreibung von Kunstwerken in der hellenistischen Dichtung. Ein Beitrag zur hellenistischen Poetik, Stuttgart 1993 (Beiträge zur Altertumskunde 36); ZANKER 1998. Kunst

351 Asclepiades 39 Gow/ PAGE. 352 Die richtige Überschrift hatAnth. Plan. (A) ε ἰςεἰκ η ς . ίκ ν αΒερεν ό

Dasliterarische Epigramm desHellenismus

119

geschildert, bei der es nicht in erster Linie um Stimmungswerte, sondern um ein rationales Unterscheiden geht. Hierin besteht einwesentlicher Unterschied zu den angeführten ‘peloponnesischen’ Beispielen, derjedoch nicht weiter erstaunlich ist, da sich der Dichter selbst in der ‘rationalen’ Rolle vorstellen will. Beide Arten der Rezeption, die analytisch-rationale unddie spontan-emotionale, ereignen sich nicht nurimAktdes Schauens, sondern auch beim Lesen. Ein Zeugnis für die intellektuelle Aktivität des Epigrammlesers, die über das ästhetische Interesse anderBildbetrachtung hinausgeht, bietet dasvieldiskutierte353 Grabgedicht, dasunter demNamen desHerakleitos vonHalikarnassos, eines Zeitgenossen des Kallimachos, überliefert ist (Anth. Pal. 7, 465):354

ν ω α π τ π κ ο ετώ ίσ ς λ α ὶστά ,ἐ τ π ςδ ρ ὲμ ιςἀ ν Ἁ κ ό ιϑ α λ ε ῖςστέφ ύ λ λ ιφ ω α νἡμ τ ν ι. ν ο α σ είο γ ρ μ μ ά α δ ρ ια ίν κ α ν τ ε ς , ν ε μ , ὁδοιπ ρ ε ρ ο νἴδω ,π ό έ τ ισ π ὰ ερ ρ τ έλ λ ε υ λ ε ινὀσ τ έ α φ α ο τ . ὶτίν ς ‘ξ ε ’, Ἀ ῖν ρ ετ μ η ιά ςεἰμ ιπ ν ϑ λ ο ρ ο ν ο ςἦ ·Ε φ ὔ ρ ν αΚ ίδ ο ς τ ά ν μ α , ·ὠ δ ρ ο εν ε ἰςλ ίν χ ο μ ςγ ό ς έ ω ο ὐ κἄ ·νο γ ό ν η δ ο ὶπ ρ τ ο ο ῦτίκ ὲ νλίπ υ σ α δ τ ὸμ ο νἀ ν δ ισ σ ὰ δ ᾽ὁμ ή ρ γ ω ς ,ἓ ν δ ᾽ἀπ μ ό γ μ ν σ α ω υ ν νπ ά ο ιο ό σ ς ᾽. Die Erde ist eben umgegraben, auf der Front der Stele schwingen halbverblühte Blätterkränze. Die Schrift wollen wir entziffern, Wanderer, und den Stein betrachten, wessen flache Knochen er zu schützen behauptet: Fremder, ‘ Ehebett. ich bin Aretemias, meine Heimat ist Knidos. Ich kamin Euphronos’ Nicht unteilhaftig war ich derGeburtsschmerzen; zwei Kinder zugleich gebärend ließ ich das eine demMann als Geleiter im Alter, das andere führe ich fort als Erinnerung andenGatten.

Die konventionelle Aufforderung an den Passanten, das Denkmal zu betrachten, wird imersten Teil des Epigramms poetisch ausgestaltet. Der Appell an den Rezipienten geschieht zumeinen über das imaginierte gemeinsame Sichtfeld, zum anderen durch die direkte Aufforderung zur Lektüre. Beide Motive, die Erwähnung von Erde undBlumen amGrab unddie explizite Ermunterung zur Lektüre, begegnen in Steinepigrammen seit dem5. Jahrhundert. Eine Variante stellt jedoch der Sprecher in der 1. Person Plural dar, der sich in die Aufforderung mit einschließt undso gleichsam an der folgenden Lektüre teilnimmt.355 Das ‘Wir’im Epi-

gramm besteht üblicherweiser aus dem‘anonymous mourner’ undseinem fiktiven Publikum, hier aber agieren zwei Leser, als hätte sich der ‘anonymous mourner’ mitdemklassischen ‘Wanderer’zusammengetan. DerSprecher derersten Verse ist also nicht der Anführer eines öffentlichen Klagerituals, seine Hinwendung an den

353 R. WEIßHÄUPL, Die Grabgedichte der griechischen Anthologie, Wien 1889 (Abhandlungen des Archäologisch-Epigraphischen Seminars der Universität Wien 7), S. 88; WEBER 1917, 557; WILAMOWITZ 1924, 2, S. 122f.; Gow / PAGE 1965, 2, S. 304f.; R. HUNTER, S. 555– Callimachus andHeraclitus, Materiali e discussioni per l’analisi dei testi classici 28, 1992, 252. S. 113–123, hier S. 113–119; GUTZWILLER 1998, S. 250– 354 Heraclitus 1 Gow/ PAGE. 355 Vgl. auch das ‘Wir’in Anth. Pal. 9, 332 = Nossis 4 Gow/ PAGEundbei Kallimachos, Ep. 17, dazu CASSIO 1994, S. 108.

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Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

Besucher unddie geschickte Art, seine Aufmerksamkeit auf das Denkmal zu richaneinen Periegeten oder Kommentator357 denken, jedenfalls aneinen Beobachter undErklärer, derdasMonument präzise undmit atmosphärischem Feingefühl zubeschreiben weiß. So liegt die Interpretation HUNTERs durchausnahe, derin derRolle des Sprechers Eigenschaften desDichters selbst erkennenwill.358 Er ist aufjeden Fall einzusätzlicher Vermittler undAnimateur, der die Rezeption desfiktiven undempirischen Lesers beeinflußt. Trotz der klaren Zweiteilung ist das Gedicht kein Dialogepigramm der klassischen Form aus Frage und Antwort. Es besteht eine eindeutige Hierarchie zwischen denimaginären Gesprächspartnern: Der Stein ‘spricht’ erst in demAugenblick, dasein Gegenüber dieSchrift ‘unterscheidet’. Auffällig ist dierationalistische Distanz, mit der der Sprecher das Denkmal betrachtet. Die Erwähnung von Schrift undAnblick des Steines, sein vergänglicher Schmuck, mehr aber noch dasEvozieren der darunterliegenden Knochen läuft der Vorstellung einer Anwesenheit oder garVerlebendigung derToten durch dasDenkmal, aufdiedieBeschreibungen der Nossis abzielen, geradewegs zuwider. Hier handelt es sich umdie rationale Art der Bildbetrachtung und Lektüre. Ebenso sachlich ‘antwortet’ die Stimme aus dem Grab, die sich ganz andasklassische epigrammatische Formular hält.359 Eine mehr als kommunikative Nähe derfiktiven Interlokutoren ist nicht festzustellen. Die Struktur desGedichts ist ganz aufeinen AktdesLesens hinangelegt. Der erste Teil gilt derPräsentation derLeserrolle, wodurch derzweite Teil erst als Lesevorgang erkennbar wird. Der Epigrammatiker Herakleitos zeigt einen souveränen Umgang in der Gestaltung einer typisch epigrammatischen Szenerie, doch bleibt die schwierige Frage, welche dichterische Absicht sich hinter der dritten Sprecherstimme verbirgt. R. HUNTER hatplausibel machen können, daßdereigentliche Witz des Epigramms in einer Verschmelzung der Form der Sepulkralinschrift mit der Sprache des sympotischen Epigramms besteht,360 der Sprecher des ersten

ten,356 lassen vielmehr

356 Der Hinweis auf die gerade erst erfolgte

357

Bestattung weckt die Neugier. Diese wiederum motiviert zur Lektüre. Anders verstehen WEIßHÄUPL 1889, S. 88 und WEBER 1917, S. 556 γ ρ μ μ ά αδιακρίναν τ ε ςals das Betrachten einer über der Schrift angebrachten Malerei, s. . aber HUNTER 1992, S. 115: „making out the writing“ Für HUNTER 1992 bedeutet der Adhortativ zugleich die Aufforderung an denLeser, das Epigramm zu interpretieren. In motivischer Hinsicht entspricht die Einführung eines Animateurs demTopos der ‘zu unterbindenden Hindernisse’, die vonder Lektüre abhalten könn-

ten.

Stimme wird vonHUNTER 1992, S. 116 als „ poetic voice“bezeichnet (zustimmend 1998, S. 251), WILAMOWITZ 1924, 2, S. 122 sieht in ihr „genau dieselbe unbestimmte Person ... wiein denkallimacheischen Hymnen.“ 557 dazu verleitet hat, im zweiten Teil des Epi359 Ein Umstand, der WEBER 1917, S. 555– gramms eine echte Inschrift zuvermuten; vgl. oben S. 100. 360 HUNTER 1992; WEIBHÄUPL 1889 und WEBER 1917, a. a. O. versuchen anhand eines Vergleichs mit der ‘epideiktischen’ Nachahmung des Gedichts bei Antipatros von Sidon (um 100), Anth. Pal. 7, 464 = Antipater of Sidon 53 Gow/ PAGE, den Nachweis, daß die 170– Form desGedichts auf ein kopiertes Steinepigramm zurückzuführen sei. WILAMOWITZ 1924, 2, S. 123 möchte dasEpigramm als ein Trostgedicht für denGatten der Verstorbenen verstehen und so den Realitätsbezug retten. Das Fehlen jeglicher zusätzlicher außertextlicher Quellen läßt wiebei sovielen Epigrammen auch hier RaumfürSpekulationen.

358 Diese

GUTZWILLER

Dasliterarische

Epigramm

desHellenismus

121

Teils also die in der Gelagedichtung übliche poetische Stimme des Dichters darstellt. Die Aufforderung zur Lektüre wäre demnach eine Aufforderung an intellektuelle Kollegen, das Epigramm analytisch zu interpretieren. Sicher ist aufjeden Fall, daß in diesem Epigramm der Akt des Lesens selbst Gegenstand der poetischen Gestaltung ist. Stimmt die HUNTERsche These, so ist das Lesen hier ein intellektuelles Spiel mitdereigenen Identität. DemInteresse amAkt des Lesens entspricht auf der anderen Seite ein Interesse ander Semantik des Denkmals. Kurze Hinweise auf die Funktion des Denkmals sind seit archaischer Zeit bekannt. Seit dem3. Jahrhundert ermuntern die Verfasser von Epitaphien jedoch nicht nur zur intellektuellen Aktivität, sondern liefern oft auch die Deutung einzelner auf demDenkmal dargestellter Symbole mit. Dies geschieht etwa bei Perses vonTheben (Anth. Pal. 7, 445, V. 3f.):361

ῳ β ... ο ἱδἐ μ ὶτύ π μ α ν υ τ α ὶτέχ ν α μ ο ιπ ςδουροτό ε έ κ ε ις . ᾽λ denden

... die auf demGrabmal (dargestellten) holzschneiÄxte sind Künder derKunst.

Wie im älteren Steinepigramm thematisieren die Verfasser selbst die Funktionsweise von Denkmal, Bild und Schrift. Die symbolische Zeichensprache wird dabei als besonderer intellektueller Reiz undals Lesevergnügen betrachtet.362 Im 7. Buch derAnthologia ist eine Reihe vonfiktiven Grabepigrammen zusammengestellt, deren Inhalt das Erraten solcher Symbole darstellt.363 Dabei geht es in den meisten Fällen umdie Deutung von Bildern, etwa allegorischer Tierdarstellungen, in einigen Beispielen aber auch umSchrift- oder Sprachrätsel.364 Was die Struktur der Gedichte angeht, lassen sich wiederum zwei Gruppen unterscheiden. In einigen Gedichten spricht das Grabmal selbst underläutert demBetrachter die Bedeutung seiner äußeren Erscheinung. In denübrigen spiegelt sich dasDenkmal in denGedanken eines fiktiven Betrachters. Das Epigramm stellt dann denProzeß des Ratens selbst dar. Das älteste Epigramm der Sammlung, das auf eine allegorische Darstellung Bezug nimmt undsomit auch als Vorbild für die anderen betrachtet werden kann, ist unter demNamen des Leonidas von Tarent (Mitte des 3. Jh.?) überliefert (Anth. Pal. 7, 422):365 361 Perses 5 Gow/ PAGE, V. 3f. (ca. 320 v. Chr.). 362 Zur Allegorie und Symbolik auf hellenistischen Inschriftensteinen vgl. SCHMIDT 1991, S. 141 und H. VONHESBERG, Bildsyntax und Erzählweise in der hellenistischen Flächen139– 365, hier S. 315f., nach dem der intellektuelle Aspekt der kunst, JDAI 103, 1988, S. 309– allegorischen undsymbolischen Reliefs, die gleichzeitig mit denentsprechenden Epigrammenauftreten (besonders ab der zweiten Hälfte des 3. Jh.), darin besteht, daß das symbolische Bild wieein Text zumLesen undzurAbstraktion zwingt. Die Bildsyntax (Elemente, dieein Einzelbild konstituieren undverantwortlich fürihre Lesbarkeit sind) zerfällt in Teile, dieerst assoziativ verstandesmäßig kombiniert werden müssen. 363 Gedichte, in denen ein Leser die Bedeutung des Denkmals durch Nachdenken herausfindet, 430 eine Sequenz. bilden in Anth. Pal. 7, 422– 364 Vgl. etwa Anth. Pal. 7, 429 = Alcaeus 16 Gow/ PAGE, s. unten S. 123f. 365 Leonidas ofTarentum 22 (35) Gow/ PAGE; zurDatierung s. ebd. 2, S. 308.

122

Das griechische Epigramm undseine Leser ρ α ῶ τ ε ν ,χ ῖο ν ὁ τ ίσ υ ισ τρ ε ϑ ά ,Π μ σ ο ε ε Τ ίστοχασώ ς γ λ υπ τ ὸ β νὑ ο υκείμ ρτύμ π γ ν ε ὲ ο νἀ ά α σ τρ λ ο ν ; ἦ ῥ ῥὅ γ α ε ὴ ν ν ὅ τ ιΧ ρ ·ἤ ῖο ά ικ εγ ς ; ἔο τ ίκ α α ς τ ιπ ἦ σ ϑ ά τ ις ,ο νδ᾽, ὠ ὐλ ίη γ α ό β λ ο ς ; τ ο ϑ εισ λ ,π έ ᾽δ ἢτ ὰ μ ὲ νο ὐ δ ῳ η ὲσύνεγ ή γ τ υ ὲκα β ς ,ἐ ς ρ τ νἀ έσ κ . μ ν ε γ ίσ α γ η ο ρ σ επ δ , τῷ ω έ ί, δοκ α ;ν Χ ίῳ

Was sollen wir für dich folgern, Peisistratos, wenn wir einen Chier als Wurf oben auf demGrabmal eingemeißelt liegen sehen? Wohl, daß duaus Chios warst? So scheint es. Oder daß duein Spieler warst, der nicht gerade, mein Guter, dengroßen Wurf getan hat? Oder trifft es das auch nicht, sondern an ungemischtem Chierwein starbst du?Ja, ichglaube, so haben wires getroffen.

DerSprecher hataufeinem Grabmal denNamen Peisistratos gelesen undwunλ υ π ) hinzugefügte Darstellung eines Astragals, τ ν ό dert sich nunüber diein Stein (γ der den„Chier“ , den schlechtesten Wurf,366 zeigt. Er vermutet einen symbolischen Bezug zudemToten undkommt zuerst aufdasNaheliegendste, daßderMannaus Chios stammte. Doch läßt er sich von seinen Assoziationen weitertreiben und überlegt, ob der Verstorbene vielleicht ein Spieler war, der dann wohl nicht allzu großen Erfolg hatte. Dieser Gedanke wird jedoch als nicht naheliegend (ο ὐ δ ὲ γ υ ) verworfen. DerWürfel sei als Hinweis aufdieTodesursache zuversteγ ς ε σ ύν hen, daPeisistratos wohl demchiischen Wein zu sehr zugesprochen habe. Damit, stellt der Sprecher zufrieden fest, sei er der Sache wohl am nächsten gekommen γ ίσ μ (τ α γ ε ῷ ρ ). η ν δ ο επ σ DasGedicht ist als ein Scherz zuverstehen. Denn anders, als es Leonidas behauptet, ist dieser letzte Gedanke alles andere als naheliegend: Wer würde schon auf seinem Grabstein andeuten, daß er einem solchen Laster anhing? Aus unverhohlener Freude über die eigene Klugheit undüber die menschlichen Schwächen desanderen erklärt dieser ‘Rätsellöser’dasFernere zumNaheliegenden. Eine andere Pointe wählt Antipatros von Sidon (ca. 170– 100)367 in seiner Nachahmung dieses Epigramms. Neun verschiedene Würfe des Astragals werden in demvierzehnzeiligen Grabgedicht symbolisch gedeutet. Bereits der Rahmen, der denBetrachter/Leser andasGrab heranführt, ist gegenüber demGedicht des Leonidas erweitert (Anth. Pal. 7, 427, V. 1– 3):368

ρ .ἀ ν ῖν έ υ λ ε κ λ ὰ ρ δ έ δ φ έ κ λ α ο Ἁ σ τ ά α τ ίν ω ᾽ἴδ ᾽ἐρ

γ ρ μ μ ά αμ ὲ νο ὐ δ έ νπ ο α υτμ ϑ ὲνὕπ ϑ ελ ερ ίϑ ο υ , ἐν ν έ α δ α τ ό η ς... γ ά υ λ ο ςπ επ τ α ᾽ἀ τρ σ

366 Vgl. Anth. Pal. 7, 427. 367 Von ihm stammen die meisten Gedichte dieser Art. Meleagros hat dementsprechend in Anth. Pal. 7, 428 einen symbolischen Rätselepitaph auf Antipatros verfaßt. ZurInterpretation vonAntipatros vgl. GUTZWILLER 1998, S. 236, wonach der Dichter einen „process of reading as interpretation, functioning as a symbol for the interpretative reading of the cultural past“vorführt, vgl. S. 275f. 368 Antipater of Sidon 32 Gow/ PAGE; der Konjektur ἔχ ε ι] ἐρ ε ῖ, die Gow/ PAGE1965, 1, 22 HERWERDEN übernehmen, wirdhier in Abweichung vonBECKBY 2, 1957 gefolgt. vonVAN

Dasliterarische Epigramm desHellenismus

123

Die Stele –schau nur, welchen Toten sie nennt. Doch ich sehe nirgends eine Inschrift, dieoben in denStein geschnitten ist, sondern neungefallene Würfel Antipatros hebt als Begründung für das Rätselraten hervor, daß das symbolische Bild hier die Inschrift ganz ersetzt; umso größer erscheint die Leistung des rätsellösenden Betrachters. Das Epigramm endet, auch hierin anders als das des Leonidas, miteiner ernsten Moral (Anth. Pal. 7, 427, V. 13f.):

ν έ ϑ ε φ υ ν ὸ ρ ιτ α κ α ὸκυβ ὶτ ὖτ ὡ νἄ κ έ ςε ο νν ο ϑ ν ε ίμ μ α δ ι᾽ἀφ ν ε π ῦ . ν ω λ ά γ ιςἀστρα έτ ἶπ ε ϑ ν ω τ κ έγ Wie geschickt denTod des Jungen, willkürlich wie das gewürfelte Leben, jemanddurch sprachlose Würfel gesagt hat. Trotz dieser Unterschiede in Ausführlichkeit undTon kann manin beiden Fällendavon sprechen, daßsich inderLeserrolle Dichter undintellektuelle Elite selbst spiegeln. Es geht auch gar nicht mehr umeine verrätselte Aussage über denToten, sondern umdas Spiel mit denEigenheiten des Epigramms undvielleicht auch um milden Spott über dieEitelkeit derVerfasser undLeser vonRätselepigrammen. Der fiktive Betrachter oder Leser in diesen Gedichten ist nicht mehr neutral, wie der anonyme Leser, der uns schon in früheren Grabepigrammen als Sprecher begegnet ist. Wie dieser dient er zwar als Projektionsfläche für die Erwartungen des Autors hinsichtlich einer ‘idealen Rezeption’. Er zeigt sich dabei aber als kritischer Geist. Diese Eigenheiten des fiktiven Rezipienten lassen Rückschlüsse auf den impliziten Leser der Epigramme des Antipatros zu: Es handelt sich um intellektuell eigenständige Subjekte, die die Qualität von Dichtung bewerten und die es gewohnt sind zu vergleichen. Alkaios vonMessene (ca. 200 v. Chr.) ist der Verfasser eines weiteren Grabepigramms der Rätselserie in der Anthologia. Auch hier ist der Protagonist ein gelehrter Betrachter (Anth. Pal. 7, 429).369

μ ὸ νὅ ϑ υ τ α ὰ τ ικ μ α ο ρ ινἁ υχ ά ρ π ο η α δ ῖτ ίζ ις Δ μ ρ μ ο α δ ισ σ ά κ ιφ ῦ ε ν γ ά λ ῖμ ο ν έλ γ ο ρ χ ο επ ς έτ ίλ α ιςκεκολαμ ιςσμ π ο τύ ο λ α μ έν γ ν υ ο ί ρ ν ικ α α .ἆ ᾷ χ ϑ ο τ ν ᾳ ὶκευϑ Χ ιλ ιὰ ομ έ ν ςἦ μ νὄν α ; ο γ έλ λ ε ικορυφ ρἀγ μ ὰ ε ν ο ό μ . ο ύ ς ογ ςε τ ρ τ ο ῦ ἰςἓ ιϑ ν ἀ ἢτ ὸμ ὲ νε ἰςὀρ ϑ ὰ νἀτρα π ὸ νο ο λ ὐ ε ν , κἔμ ν ν α ὸ ίο υ σ ἁ δ α ρ ίο ν ἔπ τ τ ᾽οἰκτρ λ ε οΦ ό ιδ ίς δ ε ; ᾽ἠ ρ γ ὸ ίφ ο ςγ υ ν ῦ ν Σ φ ιγ ςΟ . ἰδίπ ν μ α ο ρ α σ ά ςἐφ μ α τ ύ π ο μ ιο ναἴνιγ ὼ ῖοκα ο ισ σ , ὸ δ τ κ ε ὑ ςο ἰν α γ ο νξυνετο ὲ ςμ φ έγ ῖς ,ἀ ο . ς ν ο ιςδ υ έτ ξ ᾽ἔρεβ 369 Alcaeus 16 Gow/ PAGE. Hier wirdjedoch demin derAnthologia Palatina überlieferten und von BECKBY 2, 1957 beibehaltenen Wortlaut gefolgt. Zum Verständnis vgl. VONHESBERG 1988, S. 319f.; im Unterschied zu späteren mit Symbolen arbeitenden Epigrammen undReliefs wird hier nureine einzige Aussage, nicht ein Bündel von Eigenschaften, symbolisch umschrieben; zur Frage, ob es neben Alkaios von Messene (um 200 v. Chr.) auch einen gleichnamigen Epigrammatiker ausMytilene gab, s. Gow/ PAGE1965, 2, 6f.

124

Das griechische Epigramm undseine Leser

Ichfrage mich inmeinem Sinn, weshalb deramWegegelegene Stein zweimal Phinurals Inschrift hat, mitsteinschneidenden Messern geschlagen. Warder Name der in der Erde ruhenden Frau Chilias? Denn das bedeutet die zusammenaddierte Zahl. Oderkamichnicht aufdenrichtigen Weg, unddie Bewohnerin dieses unglücklichen Grabes war Pheidis? Jetzt habe ich, ein Oidipus, das Rätsel der Sphinx gelöst. Gelobt sei, der das Rätsel des doppelten Zeichens gefertigt hat, klar für die Verständigen, für die Unverständigen dunkel.

DerSprecher überlegt, warum derStein amWege370 allein dieBuchstaben Φ Φ als Inschrift trägt, under errät, daß das doppelte Phi denNamen Φ ε ιδ ίςdarstellen soll. Dies steht insofern in der Tradition des Grabepigramms, als zumNamen pas-

sende Gegenstände schon früher aufdenStelen abgebildet werden konnten.371 Das Epigramm feiert jedoch anstelle der verstorbenen Pheidis die Klugheit des Rätsellösers. Derübertriebene Anspruch desfiktiven Lesers, einem Oidipus zu gleichen, undgar die Verwendung einer Mysterienmetaphorik im letzten Distichon im Zusammenhang mit einem schlichten Buchstabenrätsel lassen auch dieses Epigramm alseine Parodie aufüberzogenen Bildungsdünkel erscheinen. Die zitierten Epigramme sind Meisterstücke aber auch der Leserlenkung. Sie inszenieren Sprechakte, die durch das Fehlen des Kontexts ganz offensichtlich fiktiv sind. Im Mittelpunkt steht die Leserrolle: Die sprechenden Leser oder interpretierenden Betrachter scheinen ihr Tun außerordentlich zu genießen. Dies gilt jedoch gleichzeitig auch für die Verfasser vonEpigrammen. In einem mehrteiligen, langen Weihepigramm anOsiris aus dem2. / 3. Jahrhundert, das in verschiedenen Metren gehalten ist, gibt der Verfasser in beinahe zwanzig katalektischen Jamben eine Anleitung zumLesen, mit der der Betrachter ein in ebendiesem Epigramm enthaltenes Akrostichon enträtseln kann.372 Der Usus des Gesprächs imEpigramm über dasEpigramm findet also auch ininschriftlichen Gedichten Anwendung.

6.3. Spiel mitderLesererwartung imhellenistischen Autorenepigramm

ZudenEpigrammen, dieüber einen Ort hinausgehende Bekanntheit erlangten, zählen neben denGedichten auföffentlichen Staatsgräbern auchdieEpigramme auf berühmte Poeten, die diese vielleicht sogar selber verfaßt haben.373 Die Charakterisierung einer bekannten Persönlichkeit wird so zum Thema literarischer Epigramme. Arat benutzt die Anredestruktur des Sepulkralepigramms mit einem anonymen Trauernden füreinen Scherz aufeinen Freund (Anth. Pal. 11, 437):374 370 π ρ α ο δ ῖτ ις/ ... π ρ ο έ ςkehrt dienormale Sichtweise um:VordenAugen desDichters zieτ hendie Stelen amWegesrand vorbei. DasThema desReisens unddes ‘Rätsels amWegesrand’bringt denSprecher aufOidipus. 371 VONHESBERG 1988, S. 319.

372 BERNAND1969, Nr. 108 (Stele desMoschion). 373 Z. B. Aischylos 2 FGE, S. 131f. Um 400 v. Chr. hat Simias von Rhodos zwei Epigramme auf Sophokles geschrieben (Anth. Pal. 7, 21f.). 374 Aratus 2 Gow/ PAGE; vgl. das Spiel mit der Form des Grabepigramms bei ‘Simonides’ 75 FGE, S. 295 (wodieZuschreibung bezweifelt wird). Dies ist allerdings wohl derBeginn ei-

Dasliterarische

Epigramm

desHellenismus

125

ικά ισ α ρ τ ι έ α τ νπ η ςἐ ϑ ,ὃ ν ο ιμ τ ιό Δ ω ζ Α ἰά ῆ τ ρ νπ α έ ω α κ . ισ α ν ὶἄ γ α ω ὶνβ λ φ α λ έγ ρ Γ α Ich beklage Diotimos, derauf Felsen sitzt unddenKindern der Gargarer AlphaundBeta erklärt. Leonidas vonTarent läßt dasGedenken zumTrinken umschlagen (Anth. Pal.

derung

aneinen klugen Mann in eine Auffor7, 452):375

μ ή η μ ν ςΕ β ο ὐ ύ λ ο ιοσα π ρ ιό α ν τ ρ ό ν ο ο ε φ ς ς ,ᾦ , νκ ὴ μ νἈ ε η ίδ ς ὸ ιν ω . π ίν ο ιμ ςπ ιλ ᾶ σ

·

Zur Erinnerung an den verständigen Eubulos, ihr Wanderer, wollen wir trinken. Allen ist Hades dergemeinsame Hafen.

Manmeint zunächst, hier müsse wieso oft einGrabstein diePassanten ansprechen, der zur Erinnerung aufgestellt worden sei. Mit demüberraschenden Adhorμ ε νwird aber deutlich, daß die Situation eine ganz andere ist. „Wir tativ π ίν ω wollen auf den verständigen Eubulos trinken, denn das Leben ist kurz genug“ lautet nunder Sinn des Distichons in Anlehnung an einen alten Trinkspruch. Der Name Eubulos bedeutet nichts anderes als den‘guten Rat’, denzubeherzigen der Sprecher mahnt. Es ist kaum vorstellbar, daß ein solcher Rat vor demGrab eines Freundes gesprochen wird. Der Kontext ist durch das Verb eindeutig als ein symposialer gekennzeichnet. DieAnrede ὦ ρ π ιόν α τ ε ςundderVerweis aufden‘Hafen des Hades’sind daher nurmetaphorisch zu verstehen.376 Die Gemeinsamkeit des Gedichtes des Leonidas mit zahlreichen um 300 v. Chr. entstandenen Liebesepigrammen besteht in der Rolle des Sprechers, der sich auf einem Gelage zu befinden scheint. Im Gegensatz zur frühgriechischen Gelagedichtung verzichtet das Epigramm jedoch völlig auf weitere Hinweise bezüglich dieses Rahmens. Es evoziert vielmehr den Kontext einer anderen literarischen Gattung. Die Form des Grabspruches ist nicht mehr durch äußere Zusammenhänge bedingt, sondern ist selbst Teil der Botschaft, die in dem Gedicht transportiert werden soll. Dieselbe Technik des verkehrten’ Grabgedichts, das nicht die Totenklage an‘ stimmt, sondern mit demHinweis auf denTod zumGenuß des Lebens ermuntert, verwendet Asklepiades von Samos (Anth. Pal. 5, 85):377 ·κ α ς ὶτ ίη εν ϑ ρἐ ίπ ρ λ έ ν ;ο η ὰ ο ν ῃπ ςἍ ὐγ α Φ ε ίδ ιδ σ ε ιςτ η σ ῦ . ϑ ο ἐ λ ιλ ν ρ ὸ φ ν ᾽εὑρή έο α τ ,κ ό ρ ιδ ν ὰ π ο τ ὰ Κ π ύ ς ερ ,ἐ τ νδ ὰ νζω ἐ ιτ ο ι ῖσ τ ᾽Ἀ ν ο χ έρ ρϑ έν ε ,κ ,π α τ έ α ο δ μ ε ϑ ε κ α ὶσπ ισ ιή ὀ σ α . ό

375 376

377

nerlängeren Trostelegie. ZuAnklängen andasGrabepigramm vgl. P. SCHUBERT, A propos 503. d’uneépigramme d’Aratos sur Diotimos, Hermes 127, 1999, S. 501– η ); eine ähnμ ν Leonidas of Tarentum 67 (15) Gow/ PAGE(mit derKonjektur μ η ή μ ν ς ή ]μ ν lich verkehrte Moral zeigt dasparodistische ‘Simonides’37 FGE. Es handelt sich umdas Bild der Lebensreise; ähnlich vermutet HUNTER 1992, S. 116 in der Anrede ὁ εindemEpigramm desHerakleitos dieMetapher derpoetischen Reise. ρ δοιπ ό Asclepiades 2 Gow/ PAGE.

126

Dasgriechische

Epigramm

undseine Leser

Dubewahrst deine Keuschheit. Undwozu? ImHades nämlich wirst dudeinen Liebhaber nicht finden, Mädchen. Bei denLebenden sind die Freuden der Kypris, imAcheron werden wirals Knochen undAsche liegen, Jungfrau.

Das Gedicht wendet sich an ein Mädchen, das durch denHinweis auf die eigene Vergänglichkeit vomDichter zur Liebe überredet werden soll. Das Bild des Todes, drastisch gekennzeichnet durch denHinweis aufKnochen undAsche, entspricht den Darstellungen in Grabepigrammen. An die Stelle des dort beliebten Hinweises auf die Unsterblichkeit des Ruhms (oder auf die für Mädchen konventionelle Hades-Hochzeit) setzt der Dichter hier jedoch die Mahnung, jetzt zu leben.378

Dieangeführten Epigramme zeigen eine Verschmelzung vonprogrammatischer Stimme des Dichters unddenFormen des Steinepigramms, diejedem zeitgenössischen Leser oder Hörer offensichtlich gewesen sein muß. Die Formen des Steinepigramms werden so doppeldeutig: Aus demKontext herausgelöst, für den sie eigentlich geschaffen wurden, werden sie zumSpielzeug des Dichters. Der Rezipient sieht sich in der traditionellen Rolle des fiktiven Epigrammlesers und wird durch die unerwarteten Wendungen des Dichters überrascht. Hellenistische Autoren kommunizieren mit ihren Lesern, indem sie ihnen Leserrollen anbieten oder aber gerade entziehen, wenn, wiebei Leonidas (Anth. Pal. 7, 452), die imaginierte Lesesituation am Grab in eine sympotische Szenerie umschlägt.379 Die Voraussetzung für die Produktion undRezeption solcher Verse ist aber die Kenntnis der poetischen Traditionen desSteinepigramms.

378 ... undzu dichten: vgl. Athen. 11, 472 f = Hedylos 5 Gow/ PAGE; Hedylos 6 Gow/ PAGE, ρ ιςὥ σ V. 5f.: ὣ τ ε ,φ ςδἐπ ι/ ἡχά ίλ ο ε μ π ς ,κ ά ιλ ά α ὶγρ φ εκ έϑ υ ; dazu undzu den ε α ὶμ Vorbildern BING 1988a, S. 21. –ZurHades-Hochzeit s. oben S. 56f. ᾽F. THOMAS, ‘Melodious tears’. Sepulchral Epigram andGeneric Mobility, in: 379 Vgl. auch R.

M. A. HARDER / R. F. REGTUIT / G. C. WAKKER, Genre in Hellenistic Poetry, Groningen 214 zu einem asklepiadeischen 223, hier 208– 1998 (Hellenistica Groningana 3), S. 205–

Epigramm auf eine Hetäre (Anth. Pal. 7, 217 = Asclepiades 41 Gow/ PAGE), das sowohl als Grab- als auch als ein erotisches Epigramm gelesen werden kann: „ ... Asclepiades 34, in ω χ which the original typologies stand as seperate options, depending onour reading of ἔ

...“(S. 214).

B. AUTOR UND LESER IN DEN EPIGRAMMEN DES KALLIMACHOS 1. EINLEITUNG: EPIGRAMMBÜCHER UNDBUCHEPIGRAMME

Es würde weit über denRahmen dieser Arbeit hinausgehen, wenn wir versuchen wollten, die gesamte Tradition des griechischen Steinepigramms in Hinblick

aufFormen derAnrede undrhetorische Strukturen durch Hellenismus undKaiser-

zeit hindurch undin denunterschiedlichen Regionen der antiken Welt erschöpfend zubehandeln. Nachdem wirauch bisher nureine Auswahl vonTexten untersuchen konnten, soll nunim folgenden eine für die Literarisierung der Gattung entscheidende Epoche, das 3. Jahrhundert v. Chr., am Beispiel eines Epigrammkorpus näherbeleuchtet werden, dasmitdemNamen eines einzelnen Autors verbunden werdenkann. Gegenstand unserer Untersuchung sollen auch hier die poetischen Gestaltungen epigrammatischer Sprechhandlungen sein. Es geht dabei vor allem um die Frage, wie die Inszenierung von alltagsnahen Sprechakten durch fiktive Sprecher in einer fiktiven Szenerie, die zur Appellstruktur des älteren Epigramms ge-

hört, voneinem der hellenistischen Pioniere der Gattung rezipiert undliterarisiert wird. Bei keinem anderen der uns bekannten Dichter des frühen 3. Jahrhunderts steht die Präsentation des Materials, das ‘Wie’der poetischen Darbietung, so sehr im Vordergrund wie bei Kallimachos von Kyrene.1 So bieten sich gerade seine Dichtungen für eine genaue Betrachtung der Rezeption epigrammspezifischer Formender ‘mise en scène’an. Eine Untersuchung über die leserorientierte Gattung desEpigramms bietet zudem eine besondere Möglichkeit, demimpliziten Leser bei Kallimachos aufdie Spur zukommen. Wie undwo auch immer die Epigramme des Kallimachos ursprünglich vorgetragen oder gelesen wurden: Ohne eine Analyse der vonihmgestalteten textinternen Leserrollen bleibt dasBild, daswirunsvonseinem Publikum, denrealen, historischen Rezipienten, machen, unvollständig. Die Frage nach demspezifisch kallimacheischen Modus der epigrammatischen Darstellung ist stets imZusammenhang mitderFrage nach demkonkreten Medium seiner Dichtung –Stein oder Papyrusrolle –behandelt worden. Sind die Epigramme für ‘reale’Monumente, für Gelagevorträge oder von vorneherein für ‘das Buch’konzipiert worden? Welchen Einfluß hat die Entscheidung dieser Frage auf die Interpretation? Mögliche Antworten sollen imfolgenden anhand eines kurzen Überblicks über diefür unsere Untersuchung wichtigen Ergebnisse undDiskussionen der Forschung vorgestellt werden, bevor wir dann zur Betrachtung einzelner Epigramme übergehen.

1

309; GUTZA. HARDER, Untrodden paths. Where do they lead?, HSPh 93, 1990, S. 287– 1998, S. 186f.; zur Schlüsselstellung des Kallimachos s. auch oben S. 2ff., 108.

WILLER

128

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

1.1. DasEpigrammbuch desKallimachos

VondenSchulkindern späterer Generationen rezitiert undzumGegenstand des Lehrervortrags zuwerden ist dasundankbare Schicksal eines berühmten Dichters, daseinFreund undKollege desKallimachos auf scherzhafte Weise in Form eines ἰά Grabepigramms beklagt.2 Mitdemincipit α ο ν... übernimmt Arat daω ζ Δ ιμ τ ιό rindieRolle eines ‘anonymous mourner’. Dennoch ist dasselbe auch denEpigrammendesKallimachos ausKyrene widerfahren, wiewirdurch Athenaios wissen:3 μ ν ιγ μ α ά ώ χ ο υἀναγ ρ τ σ ά α κ ,ὧ ιμ ω ρἐ νἐπ ὰΚ λ ὶτ α ν νπ λ ισ ὰ α ιγ τ ο ῦ τ ογ ϑ α ε ῖν... νμ ο υ τ εζή ο τ , ἐπ α ικ ὶτοῦ τ σ ἐ

Clemens von Alexandria spricht von denAitia und ähnlichen ὑ π ότ εφ ιλ ο έ ν μ α α τω δ , die inderSchule erklärt wurῶ ςεἰρημ ναἰνιγ ῶ τ νὑ φ ω π ότ επ ο ιη σ ό den,4 was selbstverständlich das Vorhandensein von Editionen voraussetzt. Für Athenaios scheinen die Epigramme desKallimachos eine feste Einheit zu bilden.5 Daß einBuch mitEpigrammen des Kallimachos existiert hat, wird von der Forschung mittlerweile akzeptiert, wenngleich wir keine direkten Zeugnisse darüber besitzen, ob er selbst oder ein späterer Grammatiker die Ausgabe veranstaltet hat.6

2 3

Aratus 2 Gow/ PAGE= Anth. Pal. 11, 437, vgl. das Rezitieren der Schulkinder in Kallimachos Ep. 48 = 26 Gow/ PAGE. Zum ‘Schullehrermotiv’, einer Form des Spotts unter Intellektuellen auf Konkurrenten undKollegen, vgl. CAMERON 1995, S. 1– 6. Athen. 15, 669 c = Test. 41 PFEIFFER. Welche Herausforderung Kallimachos als Epigrammdichter für seine Nachahmer bis in die Spätantike darstellte, zeigt Test. 24 PFEIFFER (Suda, s. v. Μ ρ ια α ν ), nach demMarianos im6. Jh. n. Chr. eine Übersetzung Ἐπ ό ς μ ρ α ιγ μ ά τ ω νἐ νἰά ο ιςanfertigte. –Nach Martial 4, 23 (= Test. 75 PFEIFFER) ist Kallimachos β μ dererste, d. h. derbeste Epigrammdichter; Plin. Epist. 4, 3, 3, (= Test. 77 PFEIFFER) rühmt

die griechischen Epigramme seines Briefpartners

4

5

6

durch einen sicherlich übertriebenen Vergleich mit denen des Kallimachos. Zur Wertschätzung des Dichters in der Antike insgesamt s. auch H. HERTER, Kallimachos, RE Suppl. 5, 1931, Sp. 386– 452, hier Sp. 430. Clem. Al. Strom. 5, 8, 50 STÄHLIN / FRÜCHTEL / TREU = Test. 26 PFEIFFER: γ μ ν ά υ σ ιονεἰς μ η μ ρ α γ σ ινγ α τ ή ἐ ικ ξ ῶ νἐκκεῖτ α ιπ ισ α . Spätestens amEnde des2. Jh. n. Chr. also lag ίν eine kommentierte Ausgabe derEpigramme vor, vermutlich aber schon früher, vgl. Suda, s. v. Ἀ ρ χ ίβ ιο ς μ ,Ἀ μ α τ π ρ ικ α ο ό ,τ ν λ λ ω ίο υ ,γ ς νΚ ῶ α λ μ λ ρ μ ά ιμ ά χ α τ ο ω υἐπ νἐξήγ η σ ιν ιγ (= Test. 44 PFEIFFER). Mit Hedylos (Test. 45 PFEIFFER) ist der Name eines weiteren Kommentators derEpigramme desKallimachos überliefert. ZurDatierung desArchibios in claudische Zeit vgl. H.HERTER, Literatur zurhellenistischen Dichtung ausdenJahren 1921 218, hier S. 105 und 185. Hedylos ist bis 1935, Bursians Jahresbericht 255, 1937, S. 63– sicher nicht deralexandrinische Epigrammatiker. S. auch Athen. 7, 327 a (PFEIFFER zuFr. 394). Andere Zeugnisse formulieren ähnlich, z. B. Diog. Laert. 1, 79: Κ μ α μ χ ο ρ α ίμ ά α λ λ σ ςἐ ιν ντο ῖςἐπ ; Photios = Suda, s. v. ὑμ ιγ ε ῖς ,ὦ ρ γ ε α μ ῖς μ ρ Μ ε α χ ο α α τ , ... ὡ ντο ίο ςἐ ῖςἘ ιγ ις ίμ π λ λ α ςκ α ὶΚ , s. PFEIFFER zu Ep. 25 (= 11 Gow / PAGE), Clem. Al. Strom. 5, 10 STÄHLIN / FRÜCHTEL / TREU: Κ α λ λ α χ ίμ ο ςἐντ οῖς ρ μ ά φ α ει, s. PFEIFFER zu Ep. 46; vgl. dazu auch schon REITZENSTEIN 1893, S. μ σ ινγ ρ ά Ἐ π ιγ 88 undA. HAUVETTE, Les épigrammes de Callimaque. Étude critique et littéraire, accom357, hier S. 302f. pagnée d’unetraduction, REG 20, 1907, S. 295– PFEIFFER 2, 1953, S. XCII; vgl. schon O. SCHNEIDER, Callimachea, 2 Bde., Leipzig 1870– 1873, Bd. 2, S. 220; Gow/ PAGE 1965, 2, S. 153 mit dem Verweis auf das Problem einer fehlenden papyrologischen Überlieferung der kallimacheischen Epigramme; ARGENTIERI 1998, S. 6. Zu denanderen Gedichten s. jetzt denKatalog von D. MARCOTTE / P. MERTENS,

Epigrammbücher

undBuchepigramme

129

Es ist jedoch nicht

unwahrscheinlich, daß der Verfasser unserer ersten beiden zumindest teilweise erhaltenen poetischen Bücher7 auch beabsichtigte, die nicht zwingend nur in einer bestimmten Periode seines Lebens entstandenen epigrammatischen Gedichte zueinem Buch zusammenzustellen undzu veröffentlichen.8 Meleagros vonGadara jedenfalls nahmim 1. Jh. v. Chr. die Epigramme desKallimachos oder einen Teil davon inseinen Σ τ έ φ ν α ο ςauf,9 wodurch die64 Kallimachos zugewiesenen Kurzgedichte bewahrt wurden, von denen trotz der Bewunderung, die spätere Autoren attestieren, zahlreiche Epigramme nur noch in der Anthologia überliefert sind.10 Die vonGow/ PAGE(1965, 2, S. 153) vorgenommene Gruppierung nach den inderKaiserzeit kanonischen epigrammatischen Sujets inerotische, dedikatorische, sepulkrale und epideiktische Epigramme erscheint nach heutiger Sicht als eine mögliche Einteilung eines Epigrammbuchs.11 Das Verfahren entspricht zudem auch

bereits der Vorgehensweise derKompilatoren vonAnthologien. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, daß das antike Gedichtbuch, sofern es die Werke eines Autors Les papyrus de Callimaque, in: Miscellanea Papyrologica. In occasione del bicentenario dell’edizione della Charta Borgiana, a cura di M. CAPASSO / G. MESSERI SAVORELLI / R. 427. ZuEpigrammsammlunPINTAUDI, Florenz 1990 (Papyrologica Florentina 19), S. 409– gen im Hellenismus vgl. FRASER 1972, 1, S. 607f. Einen Papyrus aus dem2. Jh. v. Chr. mit zwei Epigrammen desPoseidippos, derbestätigt, daßes Sammlungen deralexandrinischen Epigrammdichter unter demNamen des Autors schon vor Meleagros gab, kennt bereits 304; vgl. jetzt aber auch H. HARRAUER, Epigrammi ncipit aufeinem HAUVETTE 1907, S. 302– Papyrus aus dem 3. Jh. v. Chr. P. Vindob. G 40611. Ein Vorbericht, in: Proceedings of the 53, demzufolge man XVIth International Congress of Papyrology, Chico, Calif. 1981, S. 49– mitdenZeugnissen bis ins 3. Jh. v. Chr. zurückkommt, undG. WEBER, Dichtung undhöfische Gesellschaft. Die Rezeption vonZeitgeschichte am Hofder ersten drei Ptolemäer, Stuttgart 1993 (Hermes Einzelschriften 62), S. 118, Anm. 2; s. außerdem oben S. 34 Anm. 42. 7 Als solche gelten Aitia undJamben, KREVANS 1984, S. 8; BING 1995, S. 121 mit Anm. 19. 8 Nach WILAMOWITZ’ (1924, 1, S. 171) freilich spekulativer Annahme war dieses in der Jugendzeit verfaßte Buch die Grundlage derKarriere desKallimachos. GUTZWILLER 1998, S. 183f. (mit Anm. 4) und S. 185 bringt ein Epigrammbuch des Kallimachos mit einer „ final derspäten 240iger Jahre inZusammenhang. Damit ist zugleich gesagt, daßes sich edition“ umeine vonKallimachos autorisierte Edition handelte, aus der dann Meleagros schöpfte, 305. vgl. schon HAUVETTE 1907, S. 302– 9 Anth. Pal. 4, 1, 21f. (= Test. 51 PFEIFFER). 10 Zu den bei anderen Autoren erhaltenen Fragmenten (PFEIFFER 393– 402) vgl. Gow/ PAGE 1965, 2, S. 153. Insgesamt läßt sich die Situation etwa so zusammenfassen: Füretwas mehr als ein Drittel derEpigramme existiert eine Sekundärüberlieferung (die früheste bei Strabo 14, 638 [Ep. 6], dann Athenaios, demeinzigen Zeugnis für Ep. 5, undDiog. Laert. [Ep. 1 u. 2]), meist werden aber nureinige Verse zitiert. Aufbesonderes Interesse stießen die Epigramme bei späteren Metrikern oder Grammatikern, unddieAnthologia benutzte für einige eine metrische Epigrammsammlung. Römische Übertragungen gibt es bei Vergil Catal. 11, 1– 4 (Ep. 61), Horaz Sat. 1, 2, 105–108 (Ep. 31) und Q. Lutatius Catulus 1, FPL p. 43 87 v. Chr., Ep. 41), dessen Ruf als Epigrammdichter Gellius 19, 9, 14 beMOREL (ca. 150– zeugt. Ep. 42 ist –freilich fragmentarisch –aufderWandeines Hauses auf demEsquilin in Romerhalten. 11 Die Verwendung der rhetorischen Kategorie ‘epideiktisch’ scheint mir für Kallimachos alZurhistorischen Genese derReihenfolge derGedichte in denmolerdings nicht glücklich. – dernen Ausgaben, die voneiner thematischen Anordnung nichts mehr erkennen läßt, vgl. Gow/ PAGE1965, 2, S. 153.

130

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

präsentiert, auch nach anderen Gesichtspunkten (wie Metrik oder Adressaten) gegliedert werden konnte.12 Alseinprogrammatisches Einleitungsgedicht böte sich μ ατ χ ϑ α ὸκυκλ ίρ ω τ ίη ο ὸπ ν ικ ό einEpigramm wieEp. 28 (= 2 Gow/ PAGE) Ἐ an,13 auch wenn es nur ‘elegische’ Themen –Liebe undDichtung –vorstellt; ein sphragisartiges Epigramm ist mit Ep. 21 (= 29 Gow / PAGE) oder Ep. 35 (= 30 Gow / PAGE) erhalten.14 Beweisen läßt sich hier jedoch nichts. Für die Interpretation der Gedichte hat die Anordnung der Epigramme in einem eigenen Buch oder einer kombinierten Werkausgabe15 in den meisten Fällen keine große Rolle gespielt. Erst GUTZWILLER 1998 versucht, diesen Ansatz konsequent durchzuführen. Sie sieht einen Einfluß frühhellenistischer Epigrammbücher im Aufbau vonAitia undJamben desKallimachos, eine Beobachtung, aufderen Grundlage sie die unterschiedlichen Sprecherstimmen zum übergeordneten Strukturprinzip des Epigrammbuchs machen will.16 Da uns das Buch des Kallimachos nicht erhalten undhöchstwahrscheinlich auch die Zahl seiner Epigramme nicht vollständig überliefert ist, halten wir uns in demfolgenden Durchgang durch die von Versinschriftenbeeinflußten Dichtungen desAlexandriners andenText dereinzelnen Gedichte selbst undan die Fälle, in denen Kallimachos auf die traditionellen Sprecherrollen desarchaischen undklassischen Epigramms zurückgreift.

1.2. DieEpigramme desKallimachos inderForschung 1.2.1. Steine, Bücher, Symposien

Daß die philologische Beschäftigung mit den Epigrammen des Kallimachos bis zurückreicht, bezeugen die erwähnten Nachrichten über ihre Kom-

in die Antike

mentierung durch Archibios undHedylos. Abgesehen von denzahlreichen Nachahmungen durch jüngere Epigrammatiker, fürdieeine eigene Untersuchung bislang

12 KREVANS 1984, S. 12f. 13 Vgl. Horaz Carm. 3, 1, 1: odi profanum vulgus et arceo, dasjedoch auch vom Beginn der Aitia beeinflußt sein kann. Das Verhältnis der römischen zur hellenistischen Dichtung un354 (Bibliographie: S. 360f.) und CAMERON 1995, S. tersuchen HUTCHINSON 1988, S. 277– 454f. Speziell zum Epigramm s. E. FLORES (Hg.), Dall’epigramma ellenistico all’elegia romana. Atti del Convegno della S. I. S. A. C. (Napoli 27 nov. 1981), Neapel 1984; THOMAS 223. Den Aufbau hellenistischer und römischer Gedichtbücher unter techni1998, S. 214– schen Aspekten behandelt J. VANSICKLE, The Book-Roll and Some Conventions of the Poetic Book, Arethusa 13, 1980, S. 5– 42. GUTZWILLER 1998, S. 218 vermutet in Ep. 28 das Einleitungsgedicht zur ‘erotischen Sektion’des Epigrammbuchs, während ihr „ canditate for thefirst poemin Callimachus’Epigrammata“Ep. 1 ist (S. 224). 14 Zubeiden Gedichten, die vermutlich aufeinander bezogen sind, vgl. PFEIFFER 2, 1953, S. 86 zu Ep. 21, [5]-[6]; Gow / PAGE 1965, 2, S. 186ff.; S. A. WHITE, Callimachus Battiades (Epigr. 35), CPh 94, 1999, S. 168– 181. 15 Vgl. ASPER, M., Onomata allotria. ZurGenese, Struktur undFunktion poetologischer Metaphern beiKallimachos, Stuttgart 1997 (Hermes Einzelschriften 75), S. 59f. 189. Die Anordnung nach Sprecherstimmen erinnert an 16 GUTZWILLER 1998, S. 38ff., 183– die literaturgeschichtliche Perspektive des Sammlers W. PEEK, der in GV, S. XVII die Klassifizierung nach demε ἶδ ο ςvorschlägt. DieTradition desSteinepigramms selbst legt ein solches Vorgehen nahe, sofern der‘Komponist’desBuchs sich dieser Tradition bewußt ist.

Epigrammbücher undBuchepigramme

131

fehlt, läßt sich bei Meleagros im 1. Jahrhundert v. Chr. der Beginn einer ästhetischen Würdigung derEpigramme desKallimachos nochgenauer festmachen:17

ν η τ τ ο ρ ο ν έ λ , ἴoνμ α γ ν ύ ,ἡ ύτ μ ά εμ δ ἐ νδ α Δ α ρ ᾽ά ο ιτ ς έλ ά χ υστυφ ο εσ τ νἀ ε λ ὸ ίμ ο ε ῦμ ιμ λ λ Κ α (hinein tat er) Damagetos, dasdunkle Veilchen, limachos, immer voll vonsaurem Honig.

unddie süße Myrte des Kal-

Da die sinnliche Qualität vonDichtung in derRegel mit der Süße reinen Honigs assoziiert wurde, ist die Metapher des Meleagros keinesfalls eindeutig positiv.18 Vielleicht sollte die Formulierung auch andeuten, daß die Wahrnehmungen

undMeinungen der späteren Leser des Kallimachos durchaus geteilt waren. Den 19kallimacheischer Epigramme finden Gow/ PAGEin der Pointiert„sauren Honig“ heit einer strikten Wortökonomie oder auch in demKontrast zwischen formaler Glattheit undinhaltlicher Schärfe.20 Was die ästhetische Bewertung der Epigramme angeht, so ist diese bis auf die antike Kritik zurückreichende ambivalente Haltung auch in der neueren Forschung nicht selten anzutreffen.21 Sie spiegelt sich ebenso schon in der zusammenfassenden Charakteristik der Epigramme des Kallimachos

bei WILAMOWITZ: Geistreich, witzig, geschmackvoll und fein ist diese Poesie, sie sucht die „ Pointe undweiß sie zu finden. Gefühl fehlt durchaus nicht ganz; ... aber es

17 Anth. Pal. 4, 1, 21f. = Meleager 1 Gow/ PAGE, V. 21f.; zur Verwendung von μ ρ τ νin ύ ο ähnlichem Sinne vgl. Pindar Isthm. 4 (3), 88 SNELL / MAEHLER undAristoph. Ran. 330. 18 ASPER 1997, S. 201 Anm. 294. Allerdings waren Mischungen von Essig und Honig ein hippokratisches Heilmittel (z. B. De morb. 2, 43f. L., 3, 16 L., De aff. 10, 8 L.) und insofern letzen Endes doch willkommen. DerGeschmack desunvermischten Honigs warGegenstand philosophischer Überlegungen bei denSkeptikern undin deralten Stoa, vgl. Demokrit Fr. 68 A 134 (DIELS / KRANZ): ἐ ύ λ υ κ κτ ρ ντοῖσ ὸ εδ ὲγ ο δ νπ ικ ὲ ῦτ έ λ ι τοῖσ δ εμ ὸμ ; zur alten Stoa ν ρ ό μ ικ ό τ επ ή η ρ κ νΔ ιτ ὲ ή τ λ εγ ο υ ιὁμ ιμ ε σ θ α κ α φ α ίν ύα ςἔ ημ τ ὸείν ὐ φ vgl. Clem. Al. Strom. 8, 9 STÄHLIN / FRÜCHTEL / TREU.

19 στυφ ε λ ό ςheißt nach LSJ s. v. „adstringent, sour, acid“ , sofern es um Geschmackliches geht, vgl. Anth. Pal. 9, 561 (Philippos), V. 6 über einen sauren Wein: ... σ νἐξ ν ή χ ο ε έ λ φ ε τ υ . ν γ α ό σ τ α 20 Das erste Urteil („ astringent economy of words“ ) findet sich in Gow/ PAGE 1965, 2, S. 151, das zweite ebd. S. 600 z. St.: στυφ ο ς„perhaps means that Callimaλ ιτ ε λ ε έ ο σ τ ῦμ ὸ ν... μ chus’s verses runsmoothly butthat their content tends tobe harsh or obscure“ . Vorläufer für die ambivalente Beurteilung sind vielleicht die sogenannten Kallimacheer undAntikallimacheer des2. Jh. v. Chr., vgl. dasSchmähepigramm aufdenξ ὸ ο ῦ ιν ςν ςdesKallimachos λ ύ (Anth. Pal. 11, 275 = Apollonius of Rhodes? 1 FGE, S. 17f.). Das neoromantische Unbehagen an der nicht-lyrischen, objektbezogenen Form des Epigramms schließt sich hier bereitwillig an.Zupositiven Urteilen überdiekallimacheischen Epigramme in derAntike vgl. GUTZWILLER 1998, S. 183; CAMERON 1995, S. 28. 21 Vgl. denÜberblick über die moderne Kritik bei L. Coco, Epigrammi. Premessa di E. DEcommento, saggio introduttivo e bibliografia a cura di L. Coco, Mandu46, indemimmer wieder derVorwurf derDunkelheit oderder ria/ Bari / Roma 1988, S. 42–

GANI. Traduzione,

kalten Rationalität auftaucht, s. etwa M. FERNÁNDEZ GALIANO, Léxico de los Himnos de , Calímaco 1, Madrid 1978, S. 162, nach dem Kallimachos zwar „ magnifico en lo formal“ aber „poco atractivo en lo spiritual“sei.

132

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

liegt immer eine Wolke derkühlen Verständigkeit davor. 22 erinnert.“

mansich anVoltaire

Garnicht

selten fühlt

Diewissenschaftliche Beschäftigung mitdenEpigrammen desKallimachos jenseits derkunstästhetischen Würdigungen wurde allerdings die meiste Zeit vonder Kontroverse umden‘Sitz imLeben’dominiert, die auch die Epigrammforschung imallgemeinen beherrschte.23 REITZENSTEIN hatdasProblem imRahmen seiner Interpretation vonEp. 21 (= 29 Gow / PAGE), das zwei so unterschiedliche Funktionen wie Totengedächtnis undGelagespruch ineiner Gedichtform verbindet, zusammenfassend formuliert: Ichbinüberzeugt, daßdieviele Arbeit, dieseit Hecker darauf verwendet ist, „ die hellenistischen Epigramme als wirkliche Inschriften zuerweisen undihre Stellung auf den Monumenten zu bestimmen, der literarischen Verwertung undWürdigung mehr geschadet als genützt hat. Für das Buch oder denVortrag ... sindsie imwesentlichen berechnet.“24

in seinem folgenreichen Buch „Epigramm undSkolion“von 1893 sieht imalexandrinischen Epigramm das Ergebnis desZusammenfließens vonaltem Epigramm undElegie25 zueiner neuen, dieehemaligen Gattungsgrenzen ignorierenden Form der Gelageunterhaltung. Die Epigramme des Kallimachos seien von daher insgesamt als sympotische π ν ια α ίγ , als kurze Improvisationen beim Umtrunk der Symposiasten, zu verstehen. Der gemeinsame Nenner der verschiedenen Arten der von Kallimachos überlieferten Epigramme liegt nach REITZENSTEIN darin, daß es sich bei ihnen umein „ freies Phantasiespiel mit einer Bereits

REITZENSTEIN

26handelt. So sei es demDichter möglich gewesen, erotische, hergebrachten Form“ sympotische undepigrammatische Gedichte imengeren Sinne in einem Buch unter μ α μ τ α zuveröffentlichen.27 demgemeinsamen Titel Ἐ ρ ά π ιγ 22

WILAMOWITZ

1, 1924, S. 177; vgl. schon SCHMID / STÄHLIN II, 1, 1920, S. 134: „Witz, geist-

. reiches Formenspiel“

23 Vgl. G. KAIBEL, Zu den Epigrammen des Kallimachos, Hermes 31, 1896, S. 264– 270, hier S. 264; HAUVETTE 1907, S. 297 und 307; WILAMOWITZ 1924, 1, S. 175; E. CAHEN, Callimaque et sonœ uvre poétique, Paris 1929, S. 431f.; HERTER 1931 undDERS., ‘Kallimachos’, 266; A. KÖRTE / P. HÄNDEL, Die hellenistische Dichtung, RE Suppl. 13, 1973, Sp. 184– Stuttgart 21960, S. 318ff.; A. LESKY, Geschichte der griechischen Literatur, Bern / München 31971, S. 798; H. HERTER, ‘Kallimachos’ , in: SCHMITT / VOGT1988, S. 319– 323, bes. S. 320 („ mancher Wirklichkeitsbezug“ ). Die Literatur zu den Epigrammen ist gesammelt bei 190 und L. LEHNUS, Bibliografia Callimachea 1489– 1988, Genova HERTER 1937, S. 184– 310. 1989, S.282– 24

25

26

27

REITZENSTEIN 1907, Sp. 83, 11ff. Einzelne Arten desalexandrinischen Epigramms entstehen nachREITZENSTEIN 1893, S. 92– 94 ausverschiedenen Formen der mündlichen Unterhaltung beim Symposion: Genrebilder aus Komödienrezitationen, skoptische Epigramme aus Spottliedern und fiktive Grabepigramme ausdensympotischen γ ρ ῖφ ο ς-Spielen, s. auchoben S. 96f. REITZENSTEIN 1893, S. 102. REITZENSTEIN 1893, S. 88. DieREITZENSTEINsche These ist vorallem für die wichtige Arbeit vonG. GIANGRANDE, Sympotic Literature andEpigram, in: L’Épigramme grecque 1968, S. 177 zur Entstehung des hellenistischen Buchepigramms Vorbild gewesen, vgl. dort S. 93 93–

Anm. 1.

Epigrammbücher undBuchepigramme

133

Schon 1899 versucht dagegen WILAMOWITZ, die Epigramme des Kallimachos wieder fester in der epigraphischen Wirklichkeit zu verankern.28 Ausgehend von denbekannten, in denHandschriften als carmina figurata überlieferten Gedichten unddemkallimacheischen Weihepigramm auf einen Köcher, dessen Form einen ursprünglich begrenzten Untergrund suggeriert, erklärt er die meisten Epigramme für ‘echte’Aufschriften.29 Auf eine ausführlichere unddurchaus ausgewogene AusHellenistischen einandersetzung mit REITZENSTEIN läßt er sich 1924 in seiner „ Dichtung“ein. WILAMOWITZ kritisiert hier vor allem die Extension der REITZENSTEINschen These, nach der „ .30 Zwar gelte auch für alles nur Schein wäre“ Kallimachos, daßGedichte mitzurRezitation bestimmten Versmaßen die lyrische Gelagepoesie ersetzen, mandürfe diesjedoch nicht auf alle Epigramme ausdehnen unddieMöglichkeit einer echten Aufschrift prinzipiell leugnen. DerVersuch, denWirklichkeitsbezug derkallimacheischen Epigramme zudefinieren, orientiert sich bei WILAMOWITZ an einer biographischen Interpretationslinie.31 Hier wirkt vor allem die hauptsächlich aus derSuda bekannte Tradition der Vita hinein, nach der Kallimachos seine Laufbahn als armer Vorstadtlehrer begonnenhabe. Allerdings besteht der begründete Verdacht, daß diese Tradition ihrerseits bereits ausdenkallimacheischen Epigrammen interpretierend geschöpft hat.32 Auch gegen die Vorstellung, daß wir in den Epigrammen tatsächlich die poetische 33vor uns Aufarbeitung der „ Zeit seiner nicht leichten und doch lustigen Jugend“ haben, gibt es ernsthafte Einwände.34 WILAMOWITZ’ Vermutung, daß Kallimachos neben „ uneigentlichen“Liebesepigrammen gegen Honorar auch „ wirkliche Aufschriften“verfaßte, die zumTeil anderenorts, etwa an den Thermopylen oder in

28

29 30

31

WILAMOWITZ 1899, S. 51ff. („ nurausdenMonumenten werden diese Gedichte verständlich werden“, S. 59); dazu REITZENSTEIN 1907, Sp. 83. In WILAMOWITZ 1924, 1, S. 120 wird die These wiederholt. WILAMOWITZ (ebd. S. 223) führt eine neue Kategorie ein, indem er gemalte Monumente in illustrierten Büchern als reale Bezugspunkte mancher hellenistischen Epigramme vermutet. Vehement zustimmend CAMERON 1995, S. 32– 37, demzufolge es keine echten Figurengedichte vorderKaiserzeit unddamit auch keine besondere Begeisterung für denvisuellen Aspekt schriftlicher Dichtung im Hellenismus, wie ihn BING 1988a betont, gegeben habe. WILAMOWITZ 1924, 1, S. 120f.; WILAMOWITZ plädiert schließlich für eine Entscheidung im Einzelfall, ohne das methodische Problem damit grundsätzlich lösen zukönnen. WILAMOWITZ 1924, 1, S. 171: „ VomLeben undTreiben desjungen Kallimachos geben seine Epigramme, so wenig unsauch geblieben sind, ein Bild, daswohl das Wesentliche erkennen läßt.“Zu derbiographischen Interpretationsweise besonders in WILAMOWITZ’ Pindarbuch von 1922 undihrem zeitgeschichtlichen Hintergrund vgl. bes. KRUMMEN 1990, S.

16. Was in 15f., aber auch schon das Kapitel Persönlichkeit’ in WILAMOWITZ 1913, S. 3– ‘ individuellen Persönlichkeit ist, gilt als weniger werteinem Gedicht nicht Ausdruck einer voll. –Zur Methode vgl. auch SCHMID / STÄHLIN II, 1, 1920, S. 125ff., bes. 125f. Anm. 5 und S. 134. 32 M. R. LEFKOWITZ, The Lives of the Greek Poets, Baltimore 1981, S. 120– 128. Eine Kritik an demdort vorgetragenen Skeptizismus äußert GENTILI 1990, S. 15f.; vgl. CAMERON 1995, S. 1ff., 185ff. sowie 194 zuLEFKOWITZ 1981. 33 WILAMOWITZ 1924, 1, S. 171. Für eindeutig spätere Epigramme des Dichters postuliert WILAMOWITZ (ebd. S. 175) eine spätere Ausgabe. 34 CAMERON 1995, S. 3– 9.

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Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

Delos, aufgestellt werden sollten, ist gleichfalls spekulativ.35 Biographische und historische Interpretation, die sich gegen ein Verständnis dieser Dichtung als Schein“richten, werden von WILAMOWITZ auch in seinen Phantasiespiel“und„ „ Einzelinterpretationen kallimacheischer Epigramme bemüht. Sie zeigen sich dort in denErklärungen des Philologen, die häufig auf einen außertextlichen, quasi-historischen Rahmen rekurrieren.36 Die Suche nach denRealien in denEpigrammen desKallimachos ist in Nachfolge von WILAMOWITZ etwa auch von MEILLIER betrieben worden.37 Nach MEILLIER handelt es sich bei den Epigrammen meist um in einem konkreten KonCe sont donc desdocuments précieux pour text entstandene Gelegenheitspoesie: „ 38Keine andere Gattung sei so l’étude des relations entre l’écrivain et son public.“ 39den Erwartungen sehr geeignet wie das Epigramm, als eine „poésie de métier“ desPublikums zuentsprechen. DasProblem derUnterscheidung zwischen fiktiven und echten’Epigrammen versucht MEILLIER mit Hilfe einer Reflexion über ihren ‘ literarischen undzugleich rituellen Charakter zu lösen, die den Unterschied zwischen Stein- und Buchgedicht nivelliert.40 Die Produktion eines herausragenden Dichters sei in beiden Medien, Buch undStein, gleichermaßen geschätzt worden. DieVerwendung desselben formalen Vokabulars seinicht dadurch bedingt, daßdie Dichter ihr literarisches Spiel damit trieben, sondern daß sie sich von denselben rituellen Handlungen inspirieren ließen. „ Le ‘jeu littéraire’reste donc tributaire des formules consacrées, et n’est pas sans relation avec les conditions matérielles et morales de la vie sociale“ .41Vor diesem eher religionssoziologischen Hintergrund seien die meisten Epigramme und ihr Realitätsbezug ernst zu nehmen, denn das epigrammatische Spiel gehöre selbst zur historischen Realität. Diese sehr grundsätzlichen Überlegungen helfen jedoch, wie MEILLIER selbst an dieser Stelle auch bemerkt, bei der Interpretation einzelner Epigramme kaum weiter. Der Streit umdenRealitätsbezug rührt nicht nurvon der unterschiedlichen Bewertung des ‘Spielerischen’ in der hellenistischen Dichtung, sondern auch von derUnkenntnis über dentatsächlichen historischen Rahmen her, vor demdie einzelnen Epigramme zu sehen sind. Selbst wenn einName historisch belegt ist, kann daraus nicht notwendig abgeleitet werden, daß ein Epigramm eine für den Stein bestimmte Auftragsarbeit ist. Imkonkreten Fall bleibt demInterpreten nur, ein be-

35 S. 175f. undAnm. 6. Unstimmigkeiten in dengeographischen

Angaben erklärt WILAMOWITZ damit, daß der Dichter den Ort eben nicht kannte. Woher weiß WILAMOWITZ, daß Kallimachos nur wenige solcher Auftragsarbeiten „ in sein Buch aufnahm“(WILAMOWITZ 1924, 1, S. 175)? Ähnlich SCHMID / STÄHLIN II, 1, 1920, S. 126. 36 WILAMOWITZ 1924, 2, S. 114–129. Beispiele auf S. 118, 120 („ Fabrikmädel“als Protagonistinnen eines Grabepigramms), 124. Esliegt WILAMOWITZ daran, dieEpigramme nicht als undlebensfern erscheinen zulassen (S. 129). AuchdieNamen imEpigramm hält frostig“ „ er –anders als REITZENSTEIN –meist nicht für fiktiv. 37 C. MEILLIER, Callimaque et son temps, Paris 1979, S. 29ff. Wie WILAMOWITZ ist er überzeugt, daßKallimachos selbst eine Sammlung seiner Epigramme veröffentlichte. 38 MEILLIER 1979, S. 29. 39 MEILLIER 1979, S. 30. 40 Ebd.: „ Ladistinction, nécessaire, entre épigrammes réelles et fictives nepeut masquer le fait qu’il s’agit dansuncascomme dans l’autre deproductions littéraires.“ 41 MEILLIER 1979, S. 30.

Epigrammbücher undBuchepigramme

135

stimmtes Medium mit seinem Publikum zu postulieren. Während sich jedoch das personale Denken bei WILAMOWITZ an den individuellen Namen und Gestalten orientiert, versuchte manin derFolge eher, Gruppen undKreise potentieller Rezipienten zu unterscheiden, so etwa die elitären Leser im Umfeld der Königshöfe vomweniger gebildeten Massenpublikum, wiees dieFestivalbesucher dertheokritischen Adoniazusen, aber auch dieLeser deranonymen Steinepigramme darstellen könnten. Über die genaue Grenzlinie zwischen dem höfisch gebildeten und dem Massenpublikum besteht allerdings in derForschung noch keine Einigkeit.42 Zwischen den beiden von REITZENSTEIN (1893 und 1907) und WILAMOWITZ (1905 und 1924) vorgegebenen Eckpositionen steht die quasi-monographische, allein denEpigrammen desKallimachos gewidmete Arbeit vonHAUVETTE (1907). Auch für ihn stellt sich, ganz im Tenor seiner Zeit, die wesentliche Frage, wie weit ein Gedicht vom realen Leben entfernt ist.43 Insgesamt vorsichtiger als REITZENSTEIN (1893) undWILAMOWITZ, unterzieht er die Epigramme einer ausführlicheren literarhistorischen Untersuchung undkommt wie REITZENSTEIN imgleichen Jahr zudemErgebnis, daßaufgrund derzahlreichen innerliterarischen Beziehungen derGedichte nurwenige dieser Stücke wirklich für Denkmäler verfaßt sind.44 ImZusammenhang mitdemnotorischen Problem desWirklichkeitsbezuges der kallimacheischen Epigramme ist auch die Frage nach der geistigen Einheit in der Vielfalt ihrer Themen undFormen von der Forschung thematisiert worden. Diese Einheit hat man zunächst vor allem auf der ideologischen Ebene gesucht. Mit 45mancher HERTER haben auch andere Forscher einen gewissen „ ethischen Ernst“ Gedichte konstatiert, wobei ein apologetischer Unterton unverkennbar ist. Man versuchte daher immer wieder, die Epigramme nach ihrer Realitätsnähe und Seriosität inGruppen mehr oder weniger ‘ernster’poetischer Äußerungen einzuteilen undin der Folge auf die echte undehrliche Weltanschauung des Kallimachos zu schließen.46 In seiner gegen REITZENSTEIN gerichteten Argumentation führt BUM

42

70, bes. 49ff. Neben den Einblicken, die neue Papyrusfunde in das 1995, S. 24– hellenistische Leseverhalten bieten, ist die prosopographische Untersuchung desalexandrinischen Publikums von WEBER 1993, S. 122– 154 grundlegend für alle weiteren Forschungen. Hilfreiche Überlegungen finden sich außerdem bei P. PARSONS, Identities in Diversity, in: A. W. BULLOCH / E. S. GRUEN / A. A. LONG / A. STEWART (Hgg.), Images and Ideologies. Self-Definition in the Hellenistic World, Berkeley / Los Angeles / London 1993, S. 170; C. RIEDWEG, Reflexe hellenistischer Dichtungstheorie im griechischen Epigramm, 152– Illinois Classical Studies 19, 1994, S. 123– 150, bes. S. 124 mit Anm. 7; P. BING, Aratus and his audiences, Materiali e Discussioni 31, 1993, S. 99– 109. Gegen eine dogmatische Fixierung aufein reines Elitepublikum als demAdressaten der Texte des Kallimachos wendet sich mitguten Argumenten SCHMITZ 1999, vgl.jetzt auch M. ASPER, Gruppen undDichter: ZuProgrammatik undAdressatenbezug bei Kallimachos, A&A47, 2001, S. 84–116. HAUVETTE 1907, S. 297 und307. CAMERON

43 44 Ebd. S. 324.

45 46

Sp. 256. Dazu gehört auch die Authentizität desvomDichter geschilderten Gefühls, vgl. WILAMOWITZ 1924, 1, S. 177; LESKY 1971, S. 798. Vgl. etwa in der Nachfolge von WILAMOWITZ KÖRTE / HÄNDEL 1960, S. 318ff. Auch hier geht es noch umeinen Versuch derAufwertung desliterarischen Epigramms. Nach CAHEN 1948, S. 108f. ist die „réalité“der Epigramme bereits gegeben, wenn ein Gedicht „ a été rédigée à propos d’unemort oud’uneoffrande“ . Die Ähnlichkeit derbei KAIBEL 1878 ge-

HERTER 1973,

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

wirkliche(n) Auf1940, ein WILAMOWITZ-Anhänger, eine Trennung zwischen „ , „Einkleidungen in Aufschriftform“und „rein literarische(n) Epigramschriften“ me(n)“ein, ohne daßdabei jedoch sichere Kriterien deutlich werden.47 Bei diesem Versuch, ‘echte’ und ‘unechte’ Aufschriften anhand der in ihnen ausgedrückten Weltanschauung zuunterscheiden, zeigt sich dasDilemma desForschers. Wasdie gedankliche Einheit der kallimacheischen Epigramme angeht, so äußert sich in ihnen nach BUMletzten Endes nurdie Zwiespältigkeit in der Seele des Menschen der hellenistischen Zeit.48 Wenn Kallimachos für „Leute aus demVolke“‘echte’Inschriften verfaßte, habe er sich aufdenBoden ihrer Anschauungen gestellt; ansonsten sei er als Privatmann ein pessimistischer Rationalist.49 Haben wir also ‘two voices’ bei Kallimachos? Die Fragwürdigkeit einer solchen Annahme ist evident, wennmanallein schon bedenkt, daßwirdie Personennamen in denmeisten Fällen gar nicht identifizieren können. Generell ist dieFrage nach dem‘Ernst’eines Epigramms vonderFrage nach demMedium oder derRezeptionsform zu unterscheiden. Auch Buchepigramme haben Inhalte undFunktionen, die für einen einzelnen Leser oder auch für eine Gruppe selbst dann von großer Bedeutung sein können, wennwirdiese heute nicht gleich erkennen.50 Eine oft erwähnte These der älteren Forschung zur Entstehung des Buchepigramms besteht in der Annahme, daß es entscheidende strukturelle Unterschiede gebe, wie sie besonders WEBER 1917 in der Art undWeise beobachtet hat, wie Stein- undBuchepigramme auf diejeweilige Situation ihrer Rezeption Rücksicht

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jeux d’esprit“mache es plausibel, sammelten Steinepigramme mit demkallimacheischen „ daßdergrößte Teil seiner Gedichte „véracité“besitze. Sichtbar wird vielmehr die Unmöglichkeit einer solchen Einteilung. Die Vorstellung der echten Aufschriften bei Kallimachos basiert aufWILAMOWITZ’Theorie derAuftragsarbeiten (vgl. z. B. diegenaue Übereinstimmung vonF. BUM,DieEpigramme desKallimachos, Phil. Diss. Wien 1940, S. 64, mit WILAMOWITZ 1924, 2, S. 175). Der effektvolle Schluß und der poetische Ausdruck eines Augenblicks in Epigrammen sympotischen Inhalts bedeutet nach BUMbereits eine „Einkleidung“in Aufschriftform. Rein literarisch seien dagegen die programmatischen Gedichte. Imganzen ist die Arbeit vonBUMgegenüber WILAMOWITZ wenig selbständig. –Als problematisch haben sich Gliederungsversuche nach mehr oder weniger ‘echten’ Epigrammen auch in der Ausgabe von GEFFCKEN 1916 erwiesen, die Steinepigramme mitliterarisch Überliefertem kombiniert. DiebeiHerodot (5, 59ff.) erwähnten alten Inschriften erscheinen dort unter „Schwindelhaftes“ . REITZENSTEIN 1893, S. 136 bezeichnet 202) als „lügenhafte(s) Epigramm“ Anth. Pal. 7, 347 (vgl. ‘Simonides’ 10 FGE, S. 200– .

48 BUM1940, S. 94. 49 BUM1940, S. 88ff., ähnlich schon WILAMOWITZ 1924, 1, S. 177. Auch hier zeigt sich das negative Urteil über denkünstlerischen Ausdruck hellenistischen Lebensgefühls, vgl. dagegen R. PFEIFFER, The Future of Studies in the Field of Hellenistic Poetry, JHS 75, 1955, S. 69–73; A. W.

BULLOCH, E. S. GRUEN / A. A. LONG / A. STEWART (Hgg.), Images and Ideologies. Self-definition in the Hellenistic World, Berkeley / Los Angeles / London 1993, darin 170; CAMERON 1995, 129 undPARSONS, S. 152– bes. A. W. BULLOCH, Introduction, S. 127–

S. 24ff.

50 Die Probleme der älteren

Forschung resultieren auch aus einer negativen Bewertung der Schrift. Für WILAMOWITZ ist die Buchdichtung nicht lebendig, vgl. U. v. WILAMOWITZMOELLENDORFF, Die Textgeschichte der griechischen Lyriker, Berlin 1900, S. 14, 18 sowie oben S. 29. Zu den modernen Vorurteilen gegenüber einer Lesedichtung vgl. jetzt auch CAMERON 1995, S. 39f.

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nehmen.51 Das Steinepigramm kann auf Informationen verzichten, die demLeser durch seinen Standort zumZeitpunkt der Lektüre schon bekannt sind. Wie diese Sparsamkeit für die Inszenierung eines Sprechakts in einer bestimmten Situation eingesetzt wird, zeigt eine Statueninschrift zu Ehren der rhamnusischen Göttin Nemesis (CEG 1, 320 = IG I3, 1021), die man als einen Paradefall epigramma-

tischer Deixis bezeichnen könnte: η ςἀνέϑηκ|ε σ ικ λ είδ Λ υ ν οὑ ίδ ρ ή δ ν α χ π ρ |]|α νἘ ςἀπ[|π ὸ τ ό ν δ εϑᾶ ιτῆι|δ τ ᾽(ἔχ ο . εν ό δ ς ,ἣ ε ιτέμ ε

ε

Lysikleides, der Sohn des Epandrides, hat als Opfergabe diesen der Göttin hier aufgestellt, derdieses Heiligtum hiergehört.

Der Hexameter nennt uns den Stifternamen und erklärt die Funktion des Denkmals. Der Name der Göttin unddes Heiligtums dagegen wird nicht erwähnt, auch der geweihte Gegenstand selbst wird nicht bezeichnet. Es fehlen also genau diejenigen Angaben, die sich demBetrachter vonselbst erschließen unddie fürihn sichtbar sind. Der zweite Vers des Distichons erscheint somit beinahe inhaltsleer, wirdaber vomLeser, derdielogischen Verbindungen zurvisiblen Realität herstellt, ohne weiteres verstanden.52 Derzweite Vers ist auchperformance, eine komplexe Handlung verbalen Zeigens, diedenAktdes Schauens undLesens lenkt. Ohne die Kenntnis des Ortes ist diese Sprechhandlung allerdings sinnlos. Wenngleich dieBeobachtungen WEBERs zudiesem Unterschied vonStein- und Buchgedicht durch die Entwicklung immer längerer ekphrastischer Partien imEpigramm, dieeinen imaginären Kontext ausmalen, scheinbar bestätigt werden, so läßt sich daraus doch kein eindeutiges Kriterium für eine ‘saubere’Trennung ermitteln. Schon eine separate Überschrift über einem Weihepigramm wie demdes Lysikleideswürde genügen, denananderem Ortfehlenden Rahmen derLektüre vorstellbar zu machen. Zudem hat manbeobachtet, daß die hellenistischen Epigrammdichter gerade dieperformativen Aspekte derimälteren Epigramm gestalteten Sprechakte wie Sprecherrollen und Zeigegestus imitieren, sei es zur Demonstration der kulturhistorischen Kompetenz, sei es zum Zweck der Persiflage.53 Die 51 Vgl. schon KAIBEL 1896, S. 264f. Unterstützt wird WEBER 1917 von RÖSLER 1983, S. 27: DasSteinepigramm „vermag vorauszusetzen, wasmananOrt undStelle sehen underkennenkonnte undwassich dort vonselbst verstand; letzteres scil. dasBuchepigramm muß verbal entfalten, wasvorzustellen ist.“Ähnlich schon LESSING, vgl. RÖSLER 1983, S. 27 mit Anm. 44 undKÖHNKEN 1993, S. 119f. Nicht unberechtigt ist der Einwand bei BING 1998, S. 29f. Anm. 32, derbetont, daßhellenistische Epigrammdichter gerade diese Unbestimmtheit desEpigramms fürein„Ergänzungsspiel“mitdemLeser aufgreifen. 52 LAZZARINI 1976, S. 77 zu Nr. 643 erklärt das Fehlen des Namens der Nemesis mit den metrischen Zwängen desEpigramms. 53 Zu den Sprecherrollen schon KASSEL 1983, S. 11: „ Den hellenistischen Dichtern konnte dieser Effekt (scil. die Paradoxie einer bis zur Sprechfähigkeit verlebendigten Statue) nur willkommen sein, undauch die nichtdialogische Selbstvorstellung haben sie dadurch aufgefrischt, dass sie dieMaterialität unddenArtefaktcharakter derGötterbilder geflissentlich hervorhoben.“ZurDeixis s. oben S. 15ff. sowie BING 1998, S. 29, 35.

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ausgeprägten Eigenheiten desalten Epigramms kamen diesem hellenistischen Hang η σ ιςtraditioneller Formen entgegen.54 ίμ zur μ Gerade dieKontroverse umdieEpigramme desKallimachos hat in derLiteraturgeschichte des Epigramms zu einer Diskussion um ‘das Literarische’ geführt, die man vielleicht als das methodisch interessanteste Problem dieser positivistischen Phase der Forschungsdiskussion bezeichnen kann. Indem die Forschung 55als ein wesentliches Merknunmehr die „ striking lability with regard to medium“ mal der Gattung des frühhellenistischen Epigramms akzeptiert, fragt sie nicht länger nach vermeintlich sicheren Kriterien für Inschriftlichkeit. Die allmähliche Anpassung dieser Literatur an ein Lesepublikum sollte auch nicht als ein Prozeß des Verfalls, sondern eher als eine Form produktiver Weiterentwicklung undLiterarisierung betrachtet werden. So gilt es, die Vielfalt möglicher Kontexte in der Vielfalt derhellenistischen Kultur in denBlick zunehmen, ohne daßimEinzelfall stets entschieden werden könnte, inwelchen Rahmen einText gehörte.

1.2.2. Epigramme für Hörer undLeser Nachdem sich diejüngere Forschung zu denEpigrammen des Kallimachos besonders seit Erscheinen derAusgabe vonPFEIFFER 1953 zunächst wieder eher der Beschäftigung mit dentextlichen undinterpretatorischen Problemen der einzelnen Gedichte zugewandt hatte,56 ist die vonREITZENSTEIN ausgelöste Debatte umden historischen Rahmen ihrer Produktion undRezeption inneuerer Zeit wieder aufgelebt. REITZENSTEIN selbst hat bereits in seinem RE-Artikel von 1907 die 1893 vorgetragene Ansicht modifiziert, es handele sich bei denmit Autorennamen überlieferten Gedichten prinzipiell umsympotische π imSinne vonGelageimproviν ια α ίγ sationen. ImEinzelfall könne mannicht entscheiden, ob ein Gedicht nicht auch für die Anbringung auf einem Monument gedichtet worden sei.57 Die künstlerische

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REITZENSTEIN 1907, Sp. 84 glaubt, verschiedene Realitätsebenen trennen zu können: Das künstliche „ Rätselspiel“derhellenistischen Figurengedichte sei „ in dieser Ausbildung aber . –Zur positiven Bewertung nicht im Leben, sondern in der μ η σ ίμ ιςdes Lebens passend“ der Nachahmung bei den Alexandrinern vgl. jedoch Theokr. 7, 44: π ᾽άλαθείς ᾳ π νἐ ᾶ μ έ ν ν π επ λ ο α σ ἐ κΔ ο ; Kallimachos Hymn. 1, 65. ιὸ ς ςἔρν BING 1998, S. 29. Vgl. dort auch S. 29– 40 mit Beispielen für Epigramme des Typs quasi-inscriptional“(in derTerminologie vonBINGnach HUTCHINSON inscriptional“bzw. „ „ 1988, S. 20f.), dieinverschiedenen Medien undVerwendungen erscheinen. Dies gilt besonders fürdiewertvollen Beiträge vonK. J. MCKAY, AnExperiment in Hellenistic Epigram, Journal of the Australasian Universities Language andLiterature Associa199 und DERS., Callimachea [1969], in: Kallimachos 1975, S. 341– tion 22, 1964, S. 191– 353; GIANGRANDE, 1962– III); F. CHAMOUX, Über ein Epigramm des Kal1985 (= SMA I– 318 (zuerst: Sur une épigramme de Callilimachos (Ep. 54), in: Kallimachos 1975, S. 312– 263); E. LIVREA, Tre epigrammi funerari Callimamaque [ep. 54], REG 80, 1967, S. 258– 324 und DERS., L’epitafio callimacheo per Batto, Hermes chei, Hermes 118, 1990, S. 314– 298. Eher literarästhetisch orientiert sind die Untersuchungen von J. 120, 1992, S. 291– 80; E. A. SCHMIDT, InterFERGUSON, The Epigrams of Callimachus, G&R 22, 1970, S. 64– pretationen kallimacheischer Epigramme, Hermes 104, 1976, S. 146– 155; L. BRAUN, L’arte 70. di Callimaco negli epigrammi funerari, Studi Classici e Orientali 35, 1986, S. 57– REITZENSTEIN 1907, Sp. 81ff. gesteht ein, daß er den Begriff des Buch-Epigramms übereilt definiert habe. Aufderanderen Seite sei aber auch die bereits erwähnte Bestimmung von

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Freiheit in der Verwendung traditioneller literarischer Formen imHellenismus,58 so der methodische Grundsatz, lasse nicht mehr von der Form unmittelbar auf die Verwendung eines Gedichtes schließen. Zentral bleibt jedoch für REITZENSTEIN die These, daßdiewesentliche Bestimmung derfrühhellenistischen Epigramme, wiesie diebuchmäßige Verbreiunsinderliterarischen Überlieferung präsentiert werden, „ tung“oder der Vortrag, nicht aber die Steinaufschrift ist.59 Insbesondere die Bezüge zwischen densogenannten Technopaignia undGedichten anderer Gattungen, etwa zwischen dertheokritischen Syrinx unddem7. Eidyllion, lassen ihnzu dem Schluß gelangen, daß die Form der ‘Aufschrift’ ebenfalls längst zu einer literarischen, demBuchgedicht angepaßten Formgeworden ist.60 Andie REITZENSTEINsche These schließen sich zwei neuere Arbeiten mit unterschiedlicher Zielrichtung an. A. CAMERONs historisch-realistische Interpretation (1995) betont aufdereinen Seite dieRolle derSymposien undihrer performances fürProduktion undRezeption hellenistischer Kurzdichtung, zu derer auch die kallimacheischen Hymnen und Jamben zählt.61 Auf der anderen Seite plädiert CAMERON im Fall der nichterotischen Epigramme mit WILAMOWITZ dafür, daß Kallimachos diese als echte Aufschriften konzipierte.62 Für Bücher dagegen seien Epigramme wegen ihrer Abhängigkeit vom visuellen Kontext denkbar ungeeignet.63 Die hellenistische Vorliebe für Rezitationsmetren erkläre sich daher, daß das Interesse auf praktische Aufführbarkeit gerichtet war, nicht aber aus demNiedergang der Aufführungskultur zugunsten einer Dominanz des neuen Mediums ‘Buch’.64Zum Lesen bestimmt waren nach CAMERON in dieser Zeit nur längere Epen.65 Es ist daher kaum verwunderlich, daß die Tradition des Steinepigramms

S. 264f. unzureichend. Als Beispiel dient dort Kallimachos Ep. 15 auf Timonoe. Ein Gedicht könne nicht zumSteinepigramm erklärt werden, nurweil es alle notwen-

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digen Angaben zudenNamen enthalte. Heute pflegt man auf die „ Gattungsmischung“oder „ generic-mobilty“zu verweisen, vgl. hier die Argumentation bei BING 1998, S. 31f. REITZENSTEIN 1907, Sp. 83f. Sie erfüllen damit dasjenige Kriterium füreine entwickelte literarische Kultur, dasmanmit ‘Intertextualität’ bezeichnet, nach O. LORENZ, Kleines Lexikon literarischer Grundbegriffe, Begriff für Verweisungsbezüge zwischen sprachlichen ÄußerunMünchen 1992, S. 54 ein „ gen ..., die gezielt dassemantische Potential früherer Texte nutzen undso die Textgrenzen . erweitern“

1995, S. 71ff.; zu den Hymnen undJamben ebd. S. 63– 67 (Jamben), 91f., 166 (Hymnen). Als nicht unbedingt zwingend erscheint mir allerdings der Schluß von der Betonung desHörens in denTexten desKallimachos auf denVorrang des (textexternen) Hörpublikums (S. 38), vgl. dazu MEYER 1993b. 38. So habe Kallimachos das Epigramm auf den Köcher (Ep. 37 CAMERON 1995, S. 32– PFEIFFER) für einen realen Köcher, dasKreophylos-Epigramm (Ep. 6 PFEIFFER) füreine reale Kreophylos-Ausgabe geschrieben (S. 400f.). CAMERON 1995, S. 76f. Das Euainetos-Epigramm (Ep. 56 PFEIFFER) etwa sei für ein lokales Symposion gedacht gewesen, womanwußte, werundwasdamit genau gemeint war(S. 93). Erst aus der Diversifikation der Gattung in den ersten Deziennen des 3. Jh. ergebe sich überhaupt dieMöglichkeit, Epigramme inBüchern zuveröffentlichen (S. 77f.). CAMERON

1995, S. 148f. 1995, S. 301. Hellenistische Dichter schrieben demnach eher Gebrauchsdichtung fürverschiedene Anlässe unddiese wiederum eher für dieperformance als für dasLesen (S. CAMERON

CAMERON

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fürdie Interpretation despoetischen Stils desKallimachos bei A. CAMERON keine große Rolle spielt.66 Die von ihmvielfach betonte Besonderheit des prominenten Hervortretens einer subjektiven Erzählerstimme in den Gedichten des Kyreners leitet er aus der Parteilichkeit und nicht-epischen Subjektivität der alten Elegie her.67

Auf der anderen Seite sieht K. GUTZWILLER (1998) den Schlüssel zum Verständnis dereinzelnen Epigramme desKallimachos undseiner Zeitgenossen nurim Zusammenhang desvomAutor selbst edierten Epigrammbuchs.68 Epigramme wurden demnach nicht nur sekundär in Bücher aufgenommen, sondern in manchen Fällen vonvorneherein für Bücher verfaßt.69 Die imVergleich zumSteinepigramm durchaus bestehende Unbestimmtheit des konkreten Kontexts im Buchepigramm ist von denDichtern sogar gewollt. Es geht ihnen umdie Präsentation eines einheitlichen Stils undeiner einheitlichen philosophischen Intention, aus der sich der Leser die Person des Dichters konstruieren kann.70 GUTZWILLER geht davon aus, daß seit dem4. Jahrhundert das sekundäre Publikum vonLesern ebenso wichtig 286f.). Selbst inschriftlichem Götter- und Herrscherlob sei immer eine öffentliche Aufführung vorausgegangen (S. 294 mit Anm. 178). MitdemLeser argumentiert CAMERON allerdings im Fall des langen Kataloggedichts derAitia (S. 352f.). 66 CAMERON betont mit REITZENSTEIN die schon für das 5. Jh. belegte Verbindung von enkomiastischer Elegie undGrabepigramm (S. 289f.). WasKallimachos betrifft, so sei er derEr-

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finder des päderastischen, Leonidas dagegen der Pionier des anathematischen (quasi-inschriftlichen) Epigramms (S. 299); Kallimachos setze ferner die Tradition des Steinepigramms fort, indem er Chorepinikion undagonistisches Epigramm miteinander verschmolzenhabe (S. 150), undmankönne Jamb. 9 undFr. 114als erweiterte Epigramme verstehen (S. 145). Diese Aussagen treffen zwar zu,berücksichtigen jedoch nurunzureichend die minutiöse Kenntnis desepigrammatischen Stils, dieKallimachos auch darüber hinaus beweist. CAMERON 1995, S. 314f. (u. a. zur 1. Ps. P1.bei Tyrtaios undMimneros), vgl. S. 315 zu den Aitia überhaupt („ Callimachus did everything he could ... to push the person of the narrator from the frame into the narrative itself“ ) undS. 351 zumvorwitzigen Sprecher in derKy77: „ dippe, vgl. S. 353 zuFr. 75, 53– thepoet insistently projects himself into his ownnarrative“sowie S. 367f. (die Präsenz des Erzählers bei Hesiod werde vonKallimachos positiv bewertet). Kennzeichen von Kallimachos’ elegischem Stil sind nach CAMERON neben der Wahl der Vorbilder im Bereich derpersönlichen Elegie (anstelle des unpersönlichen Epos) die Verwendung der 1. Person unddie dramatische Apostrophe (S. 439f., vgl. auch S. 445 und451). Zur„extended apostrophe“in Fr. 102 undzum„extended dialogue“mit einer Statue in Fr. 114 s. ebd. S. 353. GUTZWILLER 1998, S. 4– 8. Grundlage ihrer Interpretation ist somit eine plausible Annahme für einen Bereich (das hellenistische Buch), in dembisher eher mit Wahrscheinlichkeiten argumentiert wurde, vgl. BING 1995, S. 121Anm. 19: „ Wecannot sayfor sure wether Callimachus collected his epigrams into a book. But given the poet’s well-known role in editing his Aitiαand Iambi ..., and given the likelihood that his two sepulchral epigrams, 21 PFEIFFER and 35 PFEIFFER, were intended to be read together ..., I think it probable that he didindeed puttogether such a book“ . Gegen daszweite Argument wendet sich vehement CAMERON 1995, S.78f., gegen ein Epigrammbuch vor Poseidippos (also auch gegen ein 80. Epigrammbuch desKallimachos) ebd. S. 76– GUTZWILLER 1998, S. 4 Anm. 12 gegen die These derEntstehung vonEpigrammen aus Gelageliedern bei REITZENSTEIN und CAMERON. GUTZWILLER 1998, S. 11, 28– 30, 52f.

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wird wie dasprimäre Publikum derZuschauer undHörer.71 Die textinternen Sprecherstimmen spielen auch in dieser Untersuchung, die im Unterschied zu CAMERONsBuch speziell demEpigramm gewidmet ist, eine entscheidende Rolle.72 Eine

zentrale These dieser jüngsten Monographie zumgriechischen Epigramm ab dem Hellenismus besteht darin, daß Kallimachos demBuchleser die Fiktivität der quasiinschriftlichen Epigramme bewußt vor Augen stellen will.73 Die ironische Enttarnung derFiktivität ermögliche es demEpigrammleser, die Person desAutors Kallimachos hinter dem fiktiven Sprechakt zu erkennen.74 Als eine Folge der konsequenten Interpretation derEpigramme als Buchgedichte, diedemKallimachosleser in einer nach GUTZWILLER auch heute noch annähernd rekonstruierbaren Sequenz präsentiert wurden, spielt dasSteinepigramm für dieCharakteristik despoetischen Stils eine untergeordnete Rolle –in derRegel dient es GUTZWILLER als Folie für einenkallimacheischen „reversal of epitaphic convention“.75Die Tradition des Steinepigramms muß ihrzufolge also umgestürzt oder dekonstruiert werden, um die Stimme des Autors hörbar zu machen. Entscheidende Fragen für die Bedeutung des Steinepigramms in der kallimacheischen Dichtung bleiben also: ‘Funktionieren’ die Epigramme des Kallimachos anders oder mit anderen Mitteln als die traditionellen Steinepigramme mit ihrer geradezu extrovertierten Appellstruktur?76 Ändert sich das Verhältnis von Autor undLeser merklich? Der Unterschied zwischen ‘alter’und‘neuer’Fiktivität imEpigramm –daß auch die Sprecher im archaischen undklassischen Epigramm Fiktionen sind, die anfangs als unbewußte Metaphern fraglos akzeptiert wurden, haben wirobengezeigt –ist nicht so leicht auszumachen, wiees bisweilen scheinen könnte undvonderForschung zu denMerkmalen des Buchepigramms hervorgekehrt wurde. Das Problem zeigt sich etwa in GUTZWILLERs Interpretation der Metapher des sprechenden Gegenstands in einem dedikatorischen Epigramm des Kallimachos:

71 GUTZWILLER 1998, S. 45ff. 72 Ausgangspunkt sind hierbei aber auch für GUTZWILLER 1998, S. 185–188 die Erzähltechniken in denAitien undJamben. Zur möglichen Ordnung des kallimacheischen Buchs nach Sprecherstimmen s. ebd. S. 39, zur durchgehenden Manipulation der Sprecherstimmen bei Kallimachos ebd. S. 187f.; vgl. ferner GUTZWILLERs gute Beobachtungen zur Verwendung derepigrammatischen Sprecher bei denunmittelbaren Vorläufern desKallimachos ebd. S. 59 (Anyte), S. 86f. (Erinna undNossis) undbesonders S. 128 und 149 zur Imitation der anonymen Stimme des Epigramms durch Stimme des Dichters undzur Antwort eines text-

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beiAsklepiades. 132f.: „ I suggest that Callimachus, by transferring these dedications fromstone tobookandbypersonalizing hisobjects with individualized character, essentially reverses the situation, making evident to the book reader the absence, orfictive existence, of the object that speaks (Hervorhebung D.M.) and bringing to the reader’s attention the presence (in absence) of the epigrammatist through his self-conscious manipulation of the written word.“Vgl. auch schon MEYER 1993a. internen Hörers

GUTZWILLER 1998,

1998, S. 200.

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GUTZWILLER 1998,

WALSHs

S. 176.

1998, S. 196 mit Anm. 31 wird dies in den Interpretationen G. B. zuwenig berücksichtigt.

76 Nach GUTZWILLER

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As the hymns often remind the reader of their distance from actual ritual by „ dramatizing their owncult settings, so here 24 [GOW/ PAGE= 54 PFEIFFER] calls attention to its fictiveness, to its necessary existence only in a book, by expressly stating what an inscribed epigram need never state, that its 77 η σ ί... ὁπ α ίν ).“ „voice“emanates froma written tablet (φ ξ Steinepigramme geben jedoch etliche redundante statements’ ab, die seman‘ veranschaulichen. tisch völlig überflüssig sind, dafür aber denAktderperformance μ ί η Wiewirimersten Teil dieser Arbeit gesehen haben, ist dieVerwendung vonφ und ähnlichen performativen Verben mit der Funktion des Steinepigramms und auch mit seiner formalen Tradition auf engste verbunden.78 Auffällig –oft möchte mangeradezu sagen: ungeschickt –präsentierte fiktive Gegenstände undSprecherrollen sind geradezu typisch für das Steinepigramm. Dennoch wird die metrische Inschrift vonihren Lesern nicht als fiktionaler Text ohne Wahrheitsanspruch rezipiert,79 noch beinhaltet die Verwendung fiktiver Elemente bereits eine AufforderungzurDekonstruktion. Die Untersuchung der vorhellenistischen Epigramme hat gezeigt, daß scheinbar‘realistische’Bezugnahmen aufsinnlich erfahrbare, konkrete Dinge derUmwelt derInszenierung einer performance unddamit auch derOrientierung undLenkung des Lesers dienen können. So wird in archaischen Epigrammen aus der Kombination der deiktischen Verweise auf das Zeigfeld der Sprechhandlung mit fiktiven Sprecherrollen eine für den Leser interessante, dialogisch-mündliche Rezeptionssituation kreiert, die wieeine kleine Szene vor demDenkmal abläuft. Es ist jedoch unbestritten, daßsich die Vorstellung eines Hörers oder Lesers vondenursprünglich durch die Wirklichkeit vorgegebenen Daten in gewissem Grad zu lösen vermag. Der Autor kann die Gedanken seiner Rezipienten also auch durch Bezugnahmen auf eine subtil evozierte imaginäre Realität lenken. Diese ‘Deixis am Phantasma’ 8 0 im Epigramm geschieht entweder dadurch, daß der Autor eine in Zukunft so ähnlich stattfindende Rezeptionssituation präfiguriert oder –imFall des Buchepigramms –daß er solche Vortrags- oder Lesekontexte ganz in der Imagination des Lesers erzeugt.81 Da sich Autoren sowohl der inschriftlichen Stein- als auch der quasi-inschriftlichen Buchepigramme im Augenblick der Abfassung von realen Lesesituationen inspirieren lassen, können sich ihre Produkte durchaus gleichen, zumal sie denselben Erfahrungshorizont mitihren Lesern teilen. 77

GUTZWILLER

1998, S. 192 (Hervorhebung D. M.).

78 S. oben S. 74f. mit Anm. 187; vgl. z. B. CEG 1, 439 ... τό ν ρ α . κ ο σ τ ίν... τὄ σ ε δ ]φ ε 51, 79 Vgl. etwa L. RÜHLING, Fiktionalität undPoetizität, in: ARNOLD / DETERING 1996, S. 25– bes. 29, wonach die Erwähnung fiktiver Gegenstände in einem Text, in unserem Fall die Erwähnung einer sprechenden Tafel, noch kein hinreichendes Merkmal für dessen Fiktionalität darstellt. Wichtiger wäreesfürunszuwissen, obderAutor dasDargestellte fürwahr

hält (RÜHLING S. 35). 80 S. oben S. 19. 81 Mit dieser Entwicklung von der situationsgebundenen zur situationsungebundenen ‘Mimesis’hat sich M. R. FALIVENE, La mimesi in Callimaco: Inni II, IV, V, VI, QUCC n. s. 128 befaßt, hier bes. S. 108. Ihmzufolge ist die Mimesis in der alexan36, 3, 1990, S. 103– , deren Ziel das „mimare in scrittura mimesi di secondo grado“ drinischen Dichtung eine „ unaperformance orale“oder das„imitare testi-in-atti“ist.

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Im folgenden Kapitel soll daher nicht versucht werden, den ‘Sitz’ der Epiim Leben des Kallimachos aus seinen Epigrammen selbst zu rekonstruieren Wirkönnen aber wohl davon ausgehen, daß es Kallimachos in erster Linie – mit REITZENSTEIN gesprochen –auf eine μ η σ ιςdes Lebens unddarüber hinaus ίμ η σ ιςder im Leben verankerten poetischen Traditionen ankam. So auf eine μ ίμ wird das implizite Publikum der Epigramme des Kallimachos vor allem aus den literarisch gebildeten Hörern undLesern bestanden haben, denen wir als fiktive Sprecher undLeser in denGedichten seiner Zeitgenossen schon begegnet sind. Ob diese sich demimaginären Spiel der Epigrammatik aus Anlaß eines Symposions hingaben oder die Lektüre der Gedichte für sich allein genossen, ob sie von den Gedichten persönlich unbetroffen waren oder gar namentlich in einer echten kallimacheischen Grab- oder Weihinschrift genannt wurden –entscheidend ist, daß ihnen das Rezipieren vonEpigrammen so bedeutend schien, daß sie die Gedichte auch in Büchern lasen unddiese so in die Überlieferung eingehen konnten. Vor diesem doppelten Hintergrund, der Tradition der Inszenierung fiktiver Sprechakte imgriechischen Epigramm einerseits unddembesonderen Interesse an der Verfeinerung derWahrnehmungsfähigkeiten aufallen Gebieten derKunst imHellenismus andererseits, sollen nun die performativen Elemente der Darstellung in den Epigrammen desKallimachos untersucht werden.82 gramme

82 Die

Sprecherrollen in den quasi-inschriftlichen Epigrammen des Kallimachos sind im Hinblick auf ihre Vorbilder besonders von G. B. WALSH, Surprised by Self. Audible Thought 21, WALSH 1991, MEYER 1993a sowie KÖHNKEN in Hellenistic Poetry, CPh 85, 1990, S. 1– 226 1993 untersucht worden. Vgl. jetzt ferner BING 1995 und GUTZWILLER 1998, S. 188– passim. Die Vorbildhaftigkeit des Steinepigramms wird nirgends so intensiv herausgearbeitet wieindergleichzeitig mitdieser Arbeit entstandenen Studie vonFANTUZZI 2002. Neben denSprecherrollen in dendramatisierten Epigrammen ausderTradition der„Dialoghi con le statue“(ebd. S. 413ff.) untersucht er auch das Fortwirken der Konvention der „Tombe senza nome“ (ebd. S. 398ff.; s. auchschon: DERS., Convenzioni epigrafiche e modeepigrammatiche. L’esempio delle tombe senza nome, in: R. PRETAGOSTINI [Hg.], Laletteratura ellenistica. Problemi e prospettive di ricerca. Atti del colloquio internazionale. Università di 30 aprile 1997, Rom 2000 [Quaderni dei seminari romani di Roma ‘Tor Vergata’, 29– 182). –Die für dasThema zentralen Thesen derForscher werden cultura greca 1], S. 163– im Zusammenhang mit der Interpretation derjeweiligen Epigramme des Kallimachos im einzelnen behandelt werden.

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

2. GEGENSTÄNDE UNDSPRECHERROLLEN

2.1.

Gliederung

desepigrammatischen Werks

Bevor nuneine Auswahl aus den63 in der Ausgabe PFEIFFERs gesammelten Epigrammen desKallimachos einzeln imHinblick aufihre Darstellungstechnik und diefiktive Inszenierung derKommunikationssituation untersucht wird, soll einkurzer Überblick über das erhaltene epigrammatische Werk des Dichters gegeben werden. Nicht alle Epigramme können hier ausführlich interpretiert werden.83 Die Textprobleme etlicher Kallimachos-Epigramme, dazu ihre formale und inhaltliche Komplexität erschweren dasErkennen vonGemeinsamkeiten innerhalb einer Vielfalt vonMetren undRedetypen. Dievollständig –oder beinahe vollständig –erhaltenen Epigramme desKallimachos lassen sich mitzwei Ausnahmen dendrei durch ihren Gegenstand unterschiedenen, zur Zeit des Kallimachos wichtigsten Epigrammtypen zuordnen: demGrabepigramm, demWeihepigramm und demerotischen Epigramm. Zumdedikatorischen Epigramm lassen sich hier auch die Siegerepigramme rechnen, dadie Verkündung von Siegen in diversen Agonen in der Regel mit der Errichtung von Weihgeschenken und -inschriften verbunden ist.84 Der Dichter orientiert sich also eng an den Funktionen des inschriftlichen Epigramms. Er erzeugt eine Nähe zurursprünglichen Situation einer performance, die sich mutatis mutandis auch für die erotischen Kurzgedichte feststellen läßt: Fast in allen Fällen suggerieren diese Szenerien undSprechhandlungen der Gelagepoesie, richten sich also zumindest in der Vorstellung nach einem funktionsbestimmten Regelwerk derKommunikation. Daßdieses bisweilen eine freiere Auslegung durch denDichter erfährt, werden wirindenEinzelinterpretationen Diegrößte Gruppe unter denEpigrammen desKallimachos bilden die etwa 25 metrischen Sepulkralinschriften.86 Dazukommen 21 Gedichte auf Siege, Stiftungen undreligiöse Weihungen sowie 12 erotische Gedichte. Diebei PFEIFFER gesammeltenFragmente vonEpigrammen zeigen außerdem, daßdieListe nicht komplett ist. Das häufigste Metrum ist das elegische Distichon, insbesondere in den dedikatori-

sehen.85

83 Ein ausführlicher

84 85

86

Kommentar zu den Epigrammen des Kallimachos ist noch bei GUTZ1998, S. 188 Anm. 15 als Desideratum vermerkt. Vgl. T. FUHRER, Callimachus’Epinician Poems, in: Harder / Regtuit / Wakker 1993, S. 79– 18. 97, hier S. 93 zuSH 254; Ebert 1972, S. 9–11, 16– Ordnet mandieEpigramme nach demGegenstand derfiktiven Sprechhandlung ohne Rücksicht auf weitere mögliche Verständnisebenen wie implizite Dichtungstheorie oder philosophische Diskurse, bleiben nurzwei Epigramme extra genus. Ep. 1 zeigt allerdings eine lose Verbindung zudenThemen undzurelegischen Sprechhaltung einiger der sympotisch-erotischen Epigramme, Ep. 59 ist ein ‘negatives Siegerepigramm’. GUTZWILLER 1998, S. 188 , dienicht in diedrei sieht eine eigene Gruppe vonEpigrammen „ largely onliterary themes“ Hauptgruppen passen. Hiernicht berücksichtigt werden dieunechten Ep. [36] und[63]. Zudiesen zählt meines Erachtens auch dasvonWILAMOWITZ für unecht erklärte Ep. 3, für dessen Echtheit jetzt auch G. GIANGRANDE, Dueepigrammi dell’Anthologia Palatina (Call. 66 eintritt. 7. 318; Meleagr. 5. 144), Giornale Italiano di filologia 50, 1998, S. 63– WILLER

DieInszenierung desSprechakts

145

schen Epigrammen experimentiert Kallimachos aber auch mit anderen, bis dahin fürdasEpigramm verwendeten Metren. Diefolgenden tabellarischen Übersichten sollen dasAugenmerk aufdieGestaltung der fiktiven Sprechakte –also nicht auf die tatsächlichen Aufführungssituationenkallimacheischer Epigramme –lenken. Hierbei müssen natürlich Unterschiede zwischen den quasi-inschriftlichen unddenquasi-mündlichen erotischen Epigrammen berücksichtigt werden. Während die gleichsam monumentalen Grab- und Weihgedichte auf einen zwar standardisierten, aber auch sehr reichen Fundus an Redeformen zurückgreifen können, dendie literarische Tradition bis zum3. Jahrhundert bietet, sind derfiktive Rahmen desSymposions unddie Art derfür ihnbestimmten poetischen Äußerungen dadurch begrenzter, daßdas poetische ‘Ich’des Dichters als Sprecher unddie Gruppe der Freunde undKollegen als (textinterner) Adressatenkreis festgelegt sind. Ein Blick in die Tabelle zeigt zudem, daß die geschilderte Szenerie hier häufig ziemlich vage bleibt. Ausdiesem Grund wollen wir imFall derersten beiden Epigrammgruppen auch die einzelnen Elemente derfiktiven Sprechhandlungen betrachten. Es sind dies besonders die Sprecherrollen und die verschiedenen Arten und Wege, wie Informationen an den Leser vermittelt werden, die wirimAnschluß andie Übersicht genauer untersuchen wollen. Die folgende, an dentypischen Strukturen der bisher betrachteten Epigramme entwickelte Gliederung soll daher der synoptischen Zusammenstellung der Grabund Weihepigramme des Kallimachos und der in ihnen dargestellten, fiktiven Sprechhandlungen zugrundegeiegt werden: nicht

Nr PF. (G./P.)

Formelemente desSprechakts

Spre- Adres-

cher sat(en)

Illokutive(r) GegenAkt(e) stand

Ort;Zeit inschriftl. Vorbild (Form / Motivik)

Zu den Formen des Sprechakts zählen wir die für das Epigramm grundlegendenRedeweisen des Monologs unddes Dialogs, je nachdem, ob jemand auf die Äußerung eines ersten Sprechers antwortet oder nicht. Dabei können, wie ausden Spalten 2 und 3 hervorgeht, unterschiedliche Sprecher einzelne Partien übernehmen. Nicht immer sind die Rollen völlig eindeutig verteilt, worin allerdings nicht unbedingt eine Unsicherheit desTextes oder seiner Interpreten, sondern manchmal auch eine bewußte Strategie des Dichters zu sehen ist.87 Nicht nur im Dialogepi-

gramm, auch innerhalb eines monologischen Rahmens können verschiedene Sprecher zu Wort kommen. Dies geschieht durch das von Kallimachos häufig verwendete Darstellungsmittel der ‘Rede in derRede’, wenn etwa der Sprecher die Rede eines anderen zitiert oder wenn die epigrammatische Sprecherrolle selbst in verschiedene Aspekte wie Auftraggeber, Denkmal und Inschrift aufgespalten wird, wie dies auch in Steinepigrammen unter Zuhilfenahme einleitender verba dicendi regelmäßig geschieht.88 Oratio obliqua undoratio recta werden dabei gleicherma-

87 So richtig FANTUZZI 2002, S. 426, zuEp. 58, 1: τ ; ..., s. unten S. 206ff. γ έ η ίς , ξέν υ α ο ν ςὦ 88 Umderfiktiven Mündlichkeit derEpigramme Rechnung zutragen, ziehen wirdenBegriff der ‘Rede in der Rede’der Bezeichnung dieser Rahmentechnik als „inscription dans l’in110 vor. Der Begriff ‘Rede’ umfaßt alle Äußerunscription“durch LAURENS 1989, S. 107– geneiner ‘zweiten Stimme’, obsienunalsdieRedeeiner Person oderaber alsdiemetaphoο ν...). ς... λέξ ω ὶστίχ α rische Redeeiner Inschrift eingeführt wird(vgl. Ep. 11, 1: ... ὃ κ

146

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

ßen verwendet. Eine ähnlich verlebendigende Wirkung wie diese beiden Formen derRede haben dieeingestreuten Apostrophen aneingedachtes Gegenüber. Nicht immer bieten sie demEpigrammleser wirklich eine Orientierung hinsichtlich der Situation (wer spricht zu wem?). Die apostrophierte Person ist nicht unbedingt anwesend vorzustellen, sondern zeigt die Richtung an, in die die Gedanken eines Sprechers gehen. Eine für denEpigrammautor ebenso grundlegende Entscheidung über die Art der Darstellung wie bei der Wahl zwischen Monolog undDialog bedie Möglichkeiten der Perspektivierung des Textes. Die Attitüde des fiktiven Sprechers ist entweder eher personal (hier: P ersonenrede’), wenn für den Leser Subjekt (eine persona) erkennbar wird, daß hier ein bestimmtes psychologisches ‘ spricht, oder aber eher auktorial (hier: ‘Bericht’), wenneinanscheinend allwissender, nüchterner Berichterstatter die Rolle des Sprechers übernimmt.89 Beide Darbietungsformen –die eher subjektive unddie eher objektive, die ursprünglich in verschiedenen Epochen der Epigrammgeschichte prominent waren –erzielen verschiedene Effekte beim Leser undwerden von demhellenistischen Dichter bewußt zitiert. Die Perspektivierung eines Epigramms mußaber durchaus nicht von der ersten Zeile an erkennbar sein: So kann eine scheinbar auktoriale Feststellung sich indemMoment als personale Perspektive erweisen, in dem–etwa durch die Verwendung eines Prädikats in der 1. Person Singular amEnde desEpigramms90 –ein individueller Sprecher erkennbar wird. In Epigrammen geschieht dies häufig auch durch emotionale Äußerungen inFormvonexclamationes. ImRahmen des epigrammatischen Sprechakts können verschiedene illokutive Akte (Wahrheitsbehauptungen, Aufforderungen, Beschimpfungen, Drohungen, Tröstungen undTrauer ...) realisiert werden. Expliziert werden diese Akte –oder Funktionen derepigrammatischen Rede –durch performative Verben undSätze.91 Die fiktiven Sprecher undAdressaten derinschriftlichen oder quasi-inschriftlichen Epigramme des Kallimachos gleichen denen der Steininschriften. Sie werden entweder voneiner stereotypen funktionalen Rolle, demanonymen Trauernden / Betrachter / Leser oder dem‘Gegenstand’(Grabmal / Weihegabe / Inschrift), oder aber von einer stärker individualisierten persona, einem Freund / Verwandten / namentlich bekannten Grabinhaber verkörpert. Jedes Epigramm hat einen Gegenstand, der den Inhalt der im Sprechakt zu vermittelnden Nachricht darstellt. Dabei werden zusätzlich zu den wichtigsten Fakten, demTod eines Menschen oder der Erfüllung eines Gelübdes, auch Emotionen, Reflexionen und subjektive Urteile transportiert. Während erstere meist schon durch die Erwähnung der existentiellen Ereignisse, von denen Epigramme berichten, hervorgerufen werden, wird letzteren ein besonderer Raum, oft in der zweiten Hälfte desEpigramms, zugestanden. In Grabepigrammen geht es dabei in der Regel umdenJenseits- oder Unterweltsglauben, denTod an sich, in Weihepigrammen umdenkünstlerischen undmateriellen Wert desdedicatum. 89 Uns interessiert vor allem, ob der Blickwinkel des Sprechers durch Voreingenommenheit odermangelndes Wissen eingeschränkt erscheint, vgl. obendieEinleitung, S. 14f. 90 Vgl. ἐπ έ χ ω in Ep. 12, 4, s. unten S. 178f. 91 Vgl. Ep. 18, 5: „ Ich verkünde (hiermit) daswahre Wort: ...“für ein gängiges performatives Verb (κ ρ η Duhast mich (hiermit) als Weihgeschenk ...“für einen ύ σ ) undEp. 5, 1f.: „ σ ω performativen Satz; zudenverba dicendi s. oben S. 101ff.

trifft

DieInszenierung desSprechakts

147

O rt’und ‘Zeit’ definieren die imaginäre Szenerie. Diese bleibt in den Epi‘ grammen des Kallimachos imGegensatz zu dem, wasals communis opinio bezüglich desBuchepigramms galt, oft auffällig vage. Deiktische Pronomina werden eher selten eingesetzt. Die ausführliche Ekphrasis des Grabes fehlt ganz. Für die Kommunikation mit den Toten genügt die Unterscheidung von oben’ und ‘unten’, topisch ist, in während die Anrede an den ‘Vorübergehenden’ in demselben Maße ‘ demmanbei derVorstellung desWeges weniger andiereale Straße durch dieNekropole als vielmehr schon andieMetapher desLebensweges denkt.92 Unter der Rubrik ‘inschriftliches Vorbild’ werden schließlich einige Hinweise zur Herkunft der Formen undMotive aus dem Steinepigramm gegeben, die die Nähe der kallimacheischen Epigramme zur inschriftlichen Tradition ahnen lassen. Wasdie Epigramme des Kallimachos dennoch vondenVorbildern unterscheidet, kann nurim Rahmen einer Einzelanalyse herausgearbeitet werden. Vollständigkeit ist inkeiner derListen erstrebt. Dietabellarische Übersicht über die erotischen Epigramme soll nicht nurdazu dienen, das Bild des epigrammatischen Werkes des Kallimachos abzurunden, sondern auch den Vergleich mit der poetischen Darstellungskunst in den quasi-inschriftlichen Gedichten erleichtern. Fiktiver Sprecher der in der Regel als sympotisch gekennzeichneten Epigramme ist die poetische persona des Dichters selbst, auchwennsich dieser –anders alsinden G rabepigrammen’–nirgends namentlich zu erkennen gibt. Adressaten undSzenerie‘ sind in den meisten Liebesepigrammen recht unbestimmt, zumai nicht immer klar ist, ob die Anwesenheit des apostrophierten Geliebten, Freundes oder Gottes für die Realisierung des Sprechakts nötig ist, oder ob es sich vielmehr umein Selbstgespräch, einen verinnerlichten Dialog der Seele mit sich selbst’, handelt.93 Dies hätte für die Interpretation des Sprechakts ‘ weitreichende Konsequenzen. Die Apostrophe an denFreund oder Geliebten wäre danninWahrheit eine Apostrophe aneinen Abwesenden, vielleicht denEmpfänger eines ihmgewidmeten undzugesandten Epigramms. Wirmüssen zumindest mit der Möglichkeit rechnen, daß Kallimachos diese Ambivalenz der Situation, ihren zwischen demRealen unddemnurGedachten, zwischen demBlick nach außenundderWendung nach innen schwankenden Status, bewußt inszeniert hat. DasEpigramm als eine monologisch dargebotene, personalisierte Wiedergabe vonGedanken in actu, die G. B. WALSH 1990 treffend undanschaulich als ‘audible thought’ bezeichnet hat, ist eine Form der Rede, deren Vorbild in denjenigen inschriftlichen Epigrammen zufinden ist, deren fiktiver Sprechakt in denÄußerungen des Betrachters undLesers imMoment derRezeption besteht. Diese Epigramme zeichnen Reaktionen eines idealen Betrachters / Lesers vor, ähnlich wie auch der psychologisch charakterisierte Sprecher der Liebesepigramme auf bestimmte Situationen undArgumente reagiert, die in seinen Äußerungen gleichsam gespiegelt werden. 99 und 92 ZurMetapher des Weges bei Kallimachos in diesem Sinne s. ASPER 1997, S. 94– oben S. 125zuLeonidas. 93 Die Voraussetzung fürdiese platonische Definition (Soph. 263 E) desdiskursiven Denkens, eine ‘Spaltung’derSeele in verschiedene Teile, formuliert Kallimachos ausdrücklich in Ep. ε μ υψ ισ 41 (Ἥ ύμ υ ῆ χ ς...); vgl. zudiesem jetzt G. GIANGRANDE, Callimacho e la vendita 418; zum Selbstgespräch s. oben S. 83. all’asta, Siculorum Gymnasium 51, 1998, S. 415–

148

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

2.2. Tabellarische Übersichten zudenEpigrammen desKallimachos Tabellarische Übersicht I: Grabepigramme Nr.

Formelemente

des

PF. (G./P.) Sprechakts 2 (34) Monolog; Personenrede;

Sprecher

Adressat(en)

Freund desToten DerTote (Herakleitos) / Dichter (τ ίς )

Illokutìver Akt

Trauer; Trost;

Lob

Bericht übereine Rede; Apostrophe

3 (52) 4 (51)

9 (41) 10 (33)

11 (35)

12 (43)

13 (31)

14 (44)

Grabinhaber (Timon)

Monolog; Personenrede Monolog; Personenrede

‘anonymous mourner’oder Grabinhaber ‘anonymous mourner’

Monolog; Personenrede;

Grabmal; Grabinschrift

Rede in derRede

(ὁσ τ ίχ ο ) ς

Monolog; Personenrede; Direkter Appell Dialog mitzwei Adressaten

Grabmal

Anonymer Leser; Timon; Grabinhaber anonymer Leser (Timon) Anonymer Leser

Beschimpfung (des Lesers);

Gruß Frage; Beschimpfung (des Lesers)

Lob; Trost

Anonymer Leser

Lob; Trost;

Anonymer Leser

Anonymer Leser

Spott (?) Vorstellung (des Grabs unddesToten)

Auftrag

(aneinen

Boten) Anonymer Leser; Grabinhaber; Grabmal; anonymer Leser Grabinhaber

Monolog; Personenrede; Apostrophe Monolog? Personenrede

Anonymer Freund

16 (37)

Monolog; Personenrede

‘anonymous

17 (45)

Monolog; Personenrede

18 (38)

Monolog; Personenrede; performativer Satz

15 (40)

Anonymer Leser

Monolog; Personenrede; Apostrophe Dialog

(1. Ps. Pl.) Anonymer Leser (Freund?)



Grabinhaberin; anonymer Leser; Gruppe Grabinhaberin

Frage; Klage; Trost; Wahrheitsbehauptung Klage

Klage

Anonymer Leser

Klage

‘anonymous mourner’

Anonymer Leser

Klage

Grabmal β (τ ο μ ύ ) ς

Anonymer Leser

Ratschlag

mourner

(1. Ps. Pl.)

149

DieInszenierung desSprechakts

Ort; Zeit

Gegenstand

ToddesHerakleitos Halikarnassos; Freundschaft; Unsterblichkeit

aus

Unbestimmter

Inschriftliches Vorbild (Form Motivik)

Ort

(π ο ); υ jüngste Vergangenheit

χ α ῖ φ ε-Gruß

AmGrabmal (π ρ ά ελ ) ϑ ε

Hades

AmGrabmal

Toddes Saon, Sohn des AmGrabmal Dikon, ausAkanthos; (τ ῇ ) δ ε Jenseitsglaube

ToddesTimarchos, SohndesPausanias, ausPtolemais ToddesTheris, Sohn desAristaios, ausKreta

...’;

13 (31)

‘anonymous mourner’; Bericht überdasBegräbnis; Klage derVerwandten Fragen andenStein; AktdesLesens; ‘sprechende’Inschrift; Klage derVerwandten ‘anonymous mourner’; mors immatura; π ό ϑ ο ςeiner ganzen Stadt; Jenseitsglaube

14 (44)

‘anonymous mourner’; Kenotaph für Schiffbrüchige

17 (45)

TodderTimonoe,

AmGrabmal (σ ή ) ῃ τ λ

AmGrabmal (ὑ π ὸσ ο ί, τ ίτ ὰ

ϑ ιζ χ ν ό

AmGrabmal

Samos

(ἐ ν ϑ ά ) δ ε

Toddes Sopolis, Sohn desDiokleides,

AmKenotaph (σ μ ) ῆ α

ausNaxos beiAigina aufdemMeer

9 (41)

Informativer Dialog mitdem Leser; Jenseitsvorstellungen



AmGrabmal;

aufdemMeer Toddesἔμ ρ ο ςLykos π ο

4 (51)

11 (35)

TodundBegräbnis der des

TodderKrethis aus

‘Hier ruht ...’; ‘Nenne (sage) ...’; Jenseitsvorstellungen

3 (52)

Bericht überdasLeben desToten; sprechendes Denkmal: verbum dicendi; Beschreibung des Denkmals (‘klein, aber ...’) Auftrag andenBoten mitder Todesnachricht

) ϑ ε ν έρ

ausMethymna

Imperativische Anrede anden Passanten; χ α ε-Gruß ῖρ Dialog mitUnterweltsbewohner

AmGrabmal

(ἐ πἐμ ) ί ο

Kyrene; Jenseitsglaube

desEuthymenes,

Unsterblichkeit; Freundschaft

Wenn dufragst / suchst Jenseitsvorstellungen ‘

AmGrabmal (ἐ π έ χ ω ) ,ὼ ε δ

Gattin

andenToten;

Bote mitTodesnachricht;

Nr. PF. (G./P) 2 (34)

AmGrabmal

ToddesKritias, Sohn des Hippakos undder Didyme, aus Kyzikos ToddesCharidas, Sohn desArimmas, aus

Charmis, Tochter Diophon

Anrede

/

μ ύ AmKenotaph (τ - Ich-Rede desDenkmals; verbum dicendi; β ο ς ), amMeer?

Kenotaph für Schiffbrüchige

10 (33)

12 (43)

15 (40)

16 (37)

18 (38)

150

Nr.

Autor

Formelemente

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

des

PF. (G./P.) Sprechakts 19 (46) Monolog; Bericht in der Vergangenheitsform 20 (32) Monolog; Personenrede

Sprecher

Adressat(en)

Illokutiver

Akt Anonymer Leser

Klage

‘anonymous mourner’ Anonymer Leser (Freund?; 1.Ps. Pl.)

Klage

Unbestimmt (Grabmal?)

21 (29)

Monolog; Personenrede; Apostrophe

22 (36)

Monolog; Personenrede

(1. Ps. Pl.)

Monolog; Bericht in der Vergan-

Unbestimmt (Grabmal?)

Anonymer Leser

Grabinhaber

Chthonische Gottheiten; anonymer Leser Anonymer Leser

Bitte;

Grabinhaberin

Ein anonymer männlicher (!) Leser (ὦ ) ρ ε ν

Klage; Lob; Gruß

Grabmal?

Anonymer Leser

Dank;

23 (53)

Grabinhaber

Anonymer Leser

Lob

Anonymer Hirte

Andere Hirten

Lob; Aufforderung

Klage? Spott?

genheitsform;

Rede inderRede 26 (47)

58 (50)

Monolog; Personenrede; Apostrophe Monolog; Personenrede; Apostrophe Monolog; Personenrede; Apostrophe; χ ε-Gruß α ῖρ Monolog; Bericht inderVergangenheitsform Dialog

60 (39)

Monolog

61 (42)

Dialog

35 (30)

40 (48)

50 (49)

Grabinhaber oder Grabmal?

Lob Lob

Lob Anonymer Leser; Grabinhaber

Anonymer Inhaber eines Kenotaphs; anonymer Leser Anonymer Leser

Grabinhaber oder Grabmal? ‘anonymous mourner’ Grabinhaber; (Freund desGrabinha- anonymer Leser bers, derDichter?); Grabinhaber

Frage; Klage Mitteilung

Frage; Trost

151

DieInszenierung desSprechakts

Gegenstand

Ort;

TodundBegräbnis des

Zeit AmGrabmal (ἐ ν ϑ ά δ ) ε

zwölfjährigen Nikoteles durch den Vater Philippos

Tod des Melanippos und Selbstmord der Basilo, Kinder

Unbestimmt

Todeines Anonymus,

dessen Vater undSohn Kallimachos heißen, aus Kyrene

Grabmal (σ μ ); α ῆ unbestimmter Zeitpunkt nach

Tod undVerehrung des

Unbestimmt

desAristippos, ausKyrene

Inschriftliches Vorbild (Form Motivik) Bericht überdasBegräbnis;

/

Nr. F. (G./P.)

19 (46)

mors immatura ‘anonymous mourner’; Bericht über denTod; Klage derFamilie, derFreunde undeiner ganzen Stadt Anrede andenLeser: ‘Wisse ...’; Lob derFamilie

20 (32)

21 (29)

demTod aller kretischen Hirten Astakides

23 (53)

sit tibi terra levis

26 (47)

Selbstmord desKleombrotos ausAmbrakia

Unbestimmt

Leben undTod des Mikylos

AmGrabmal (γ α ῖα )

Toddes Sohnes des Battos

AmGrabmal μ (σ ῆ α )

LobdesToten

Tod der anonymen Priesterin Am Grabmal fürDemeter, dieKabiren und (κ ό ν ις ); Kybele jetzt (ν ῦ ) ν

-Gruß; ε χ α ῖρ LobderToten

Todderphrygischen Amme Aischra undAufstellung eines

Unbestimmt (amGrabmal?)

Grabbildes durch Mikkos TodundBestattung eines namenlosen Schiffbrüchigen durch Leontichos Toddes Kimon, Sohn des Hippaios, aus Elis

μ (σ ῆ α )

ToddesMenekrates und

AmGrabmal

Todesursache

AmGrabmal (τ ά φ ο ) ς AmGrabmal

22 (36)

Bericht über einen Todesfall; Anrede anTrauernde; LobdesToten Bericht übereinen Todesfall

Anrede

Anrede

andenPassanten;

35 (30)

andenLeser;

40 (48)

Bericht überdieErrichtung des Denkmals; unvergänglicher RuhmdesBilds Dialog mit demfragenden Leser; Anrede andenξ ν έ ο ; ς Schiffbruch Anrede andenPassanten: ‘Wisse .’

..

50 (49)

58 (50) 60 (39)

;

‘anonymous mourner’; exclamatio; Dialog mitdemGrabinhaber; Jenseitsglaube

61 (42)

152

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

Tabellarische Übersicht Nr. Formelemente des PF.(G./P.) Sprechakts 5 (14) Monolog; Personenrede; Bericht in Vergangenheitsform; Apostrophe; performativer Satz (σ ὺ ) μ χ α ε ἔ ις ε... ἄνϑ ε ν ῦ νμ 6 (55) Monolog; Personenrede; Apostrophe; exclamatio 7 (57) Monolog; Bericht / Appell (an den Gott);

8 (58)

24 (60)

27 (56)

33 (21)

Apostrophe Monolog; Personenrede; Rede inderRede; Apostrophen Monolog; Personenrede

Monolog; Personenrede; Apostrophe Monolog;

II:

Weihepigramme

Sprecher

Adressat(en)

Muschel

ArsinoeAphrodite Zephyritis

Illokutive(r) Akt(e)

Weihung; Ehrung;

Bitte;

Lob

Buch des

Anonymer Leser

Anonymer Preisredner

Bakchos

Anonymer Dichter (‘Autor’?)

Dionysos

Lob; Vorhersage

Bildliche Darstel- Anonymer Belungeines Heros trachter der Darstellung Betrachter und Leser desBuchs (‘Autor’?) Die Inschrift?

Lob (des Gegenstands); Entschuldigung

Kreophylos

Anonymer Betrachter und Leser desBuchs Artemis

Bitte

Selbstvorstellung; Rechtfertigung

Lob; Gruß Bitte

Bericht; Apostrophen

34 (22)

37 (17)

Dialog; Personenrede; Bericht;

desHerakles)

Apostrophe Monolog; Personenrede;

Die Inschrift?

Bericht;

Rede inderRede

Buchenast (Keule Herakles (durch Epitheta umschrieben)

EinFürsprecher? DerWeihende

Sarapis

Frage; Bestätigung (Annahme des Geschenks) Dank;

Bitte

38 (20)

Monolog; Bericht

Die Inschrift?

Unbestimmt

Dank; Bitte (?)

39 (19)

Monolog; Bericht

Die Inschrift?

Unbestimmt

Bestätigung

EinFürsprecher?

EinFürsprecher?

153

DieInszenierung desSprechakts

Ort; Zeit

Gegenstand Weihung derMuschel an Arsinoe-Aphrodite Zephyritis durch Selenaia, Tochter des Kleinias, ausSmyrna

Inschriftliches Vorbild (Form

/ Motivik)

VordemDenkmal; Moment

derWei-

hung

Zuschreibung an Kreophylos ausSamos, Inhalt undWertdesBuchs

VordemBuch

Unvollendete Siegesweihung; Hilfe des Bakchos; Prophezeiung über künftigen Erfolg des Theaitetos

Unbestimmt

AnDionysos gerichtete Bitte eines Dichters umeinen Sieg

Unbestimmt

Vorstellung

desHeros Aietion

von Amphipolis; Aition für die Art derDarstellung Zuschreibung eines Buchs Arat; Wert desBuchs Weihung einer Statue für Artemis durch Phileratis; Wohlergehen

an

Ich-Rede desGegenstands; Anrede andieGöttin; Bericht über die Umstände der Weihung; verbaler Vollzug der Weihung

Rede desgeweihten Gegen-

Nr. PF. (G./P.) 5 (14)

6 (55)

stands; Künstlersignatur Anrede

an die Gottheit:

7 (57)

Ruhm des Siegers

Anrede undBitte Gottheit

an die

Vor demBild, am Rededesgeweihten GegenTor (ἐ ρ π ο ὶπ ) stands; ϑ ῳ ρ ύ Geschichte

Vor demBuch

VorderStatue (τ ό δ᾽ἄ γ μ ) α α λ

8 (58)

24 (60)

derWeihung

Bewundernde Rede desBetrachters eines Kunstwerks; Anrede andasWerk Anrede an die Gottheit; Geschichte derWeihung; Äußerung desWunsches;

27 (56)

33 (21)

do ut des Weihung einer Keule an Herakles durch denKreter Archinos

Im Heiligtum

Informatives Dialogepigramm; Geschichte der Weihung

34 (22)

Weihung vonBogen und Köcher anSarapis durch Menitas

ImHeiligtum

Bericht überdie Geschichte derWeihung; verbaler Vollzug der

37 (17)

Weihung eines Bildes und Unbestimmt eines Brustbandes anAphrodite durch Simon Weihung desZehnten anDemeter Pylaia undKoredurch Timodemos; Erfüllung eines Gelübdes; Baugeschichte des Tempels

ImHeiligtum von Antela (τ ο ν... ο τ ῦ η τ ὸ νὃ ὸ ν... νν κ τ λ .)

Weihung Feststellung deserfolgten Weiheakts in der Inschrift Feststellung des erfüllten Gelübdes in der Inschrift; Nennung desHeiligtums

38 (20) 39 (19)

154

Nr.

Autor

Formelemente

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

des

PF. (G./P.) Sprechakts 47 (28) Monolog; Bericht;

48 (26)

Sprecher

DieInschrift? EinFürsprecher?

indirekte Rede in derRede Tragische Maske Monolog; Personenrede; desDionysos

RedeinderRede

49 (27)

Monolog; Personenrede; Apostrophe

51 (15)

Monolog; Personenrede

Illokutive(r) Akt(e) DieFestgemeinde Bestätigung; Zeugenanruf (ὦ λ α ο ί) (Festgemeinde) Anonymer BeKlage trachter

Adressat(en)

Be-

Dank; Erklärung

Komische Maske des Pamphilos

Anonymer trachter (ξ έ ν ) ε

Anonymer

Unbestimmt

Lob

Eileithyia

Dank;

Betrachter

der

Statue

53 (23)

Monolog; Personenrede; Apostrophe

DieBittende

Gelübde (Versprechen);

Bitte

54 (24)

55 (16)

56 (25)

Monolog; Unbestimmt; Personenrede; dieTafel mitder Apostrophe; Inschrift (ὁ indirekte Rede inder α π ίν ) ξ Rede; performativer Satz (φ η σ ὶ ) ν ρ ίη ρ τ υ α ιμ ρ α ϑ έξ ε σ π α Lampe Monolog; Personenrede; direkte Rede in der Rede

Monolog; Personenrede; indirekte Rede inder

Bestätigung; Wahrheitsbehauptung; Zeugenanruf

Asklepios

Anonymer trachter

Be-

Selbstlob

Einbronzener Hahn; der Stifter

Anonymer trachter

Be-

Dank; Zeugenanruf; Wahrheitsbehauptung

Rede

57 (18)

Monolog; Bericht

Unbestimmt

Unbestimmt

Dank; Bestätigung

62 (61)

Monolog;

Unbestimmt

DieZiegen auf demBerg Kyn-

Dank; Ermunterung;

thos

Lob

Apostrophe

155

DieInszenierung desSprechakts

Gegenstand

Ort; Zeit

Inschriftliches Vorbild (Form / Motivik)

Nr.

PF.(G./P.) ImHeiligtum von Feststellung des erfüllten Ge- 47 (28) Weihung eines Salzfasses lübdes in derInschrift; durch Eudemos an die Kabiren; Samothrake Nennung desHeiligtums Erfüllung eines Gelübdes 48 (26) Weihung einer Dionysosmaske InderSchule (τ , Private Stiftungen inErfülε ῇ δ lungeines Gelübdes; durch Simos, Sohn desMikkos, π ή π ρ ἐ ίω ν α α ιδ dionysische Agone alsGegengabe fürgutes Lernen; κοο ) ς Tragödie im Schulunterricht Weihung einer Pamphilosmas- Vor der Maske 49 (27) Anrede andenBetrachter: ‘Nenne (sage) ...’; ke durch Agoranax ausRhodos füreinen Sieg; Siegerepigramme; schlechtes Aussehen derMaske dionysische Agone; Lob des Kunstwerks;

(Vergleich)

Monument Weihung einer Statue der Berenike gutes Aussehen der Statue

(Vergleich) Tempelgabe derLykainis für Eileithyia für die Geburt einer Tochter, Versprechen einer weiteren fürdieGeburt eines Sohns Weihung desAkeson an Asklepios für die Heilung seiner FrauDemodike; fortdauernde Gültigkeit der Gelöbniserfüllung

Kallistion, Tochter desKritias, weiht nacheinem Gelübde Sarapis eine Lampe fürdie Tochter Apellis; Helligkeit der Lampe

Im Heiligtum; kurz nach der Geburt (τ ό δ ) εν ν ῦ

ImHeiligtum

51 (15)

Anrede andieGottheit; Erfüllung eines Gelübdes; Dank an die Gottheit

53 (23)

‘Wisse...’;

54 (24)

Anrede an die Gottheit; ‘sprechender’Gegenstand; verbum dicendi; verbaler Vollzug der Weihung Monument alsZeugnis; Erfüllung eines Gelübdes

ImHeiligtum; ) ρ ε σ π ε abends (Ἕ

Weihung eines Bronzehahns ImHeiligtum durch Euainetos, Sohndes Phaidros, Sohn des Philoxenos, andieDioskuren füreinen Sieg

Aufstellung einer Statue der Aischylis, Tochter des Thales, imHeiligtum der Isis Inachia; Gelübde derMutter Eirene DerKreter Echemmas weiht seinen Bogen derArtemis von Delos

alsZeugnis

Vor der Statue; Bericht über eine Weihung; kurz nach derAnfer- LobdesKunstwerks ausdem tigung undWeihung MunddesBetrachters

ImHeiligtum

ImHeiligtum;

nachderWeihung (κ ε ῖτ α ιν ῦ νδ ) έ

Ich-Rede desGegenstands; verbum dicendi im Futur; Reaktion desBetrachters im Epigramm; Schönheit derGabe; Erfüllung des Gelübdes ‘Sprechender’Gegenstand; verbum dicendi; verbaler Vollzug derWeihung Anrufung vonZeugen; Erfüllung eines Gelübdes; Siegerepigramm Bericht über die Weihung; Erfüllung eines Gelübdes; Nennung desHeiligtums Weihungen

vonBerufsgerät

55 (16)

56 (25)

57 (18)

62 (61)

156

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

Tabellarische Übersicht III: Erotische Epigramme Nr. PF. (G/P.) 25 (11)

Besondere Formen

derRede

Illokutive(r) Akt(e)

Bericht inderVergangenheitsform; Zitat eines Sprichworts in indirekter Rede

Widerlegung; Wahrheitsbeteuerung; Situationsschilderung Schmähung; Zurückweisung; Urteil

28 (2)

Äußerung in der 1. Ps. Sg.; Anrede anLysanias (κ α λ ό ); ς Zitat der ‘Antwort’desEchos

29 (5)

Anrede anTrinkgefährten; Apostrophe an Acheloos; Vorwegnahme eines Einwands

Aufforderung; Selbstermunterung; Trinkspruch (κ α λ ) ό ς

30 (12)

Anrede aneinen ‘Gezeichneten’; ‘audible thought’;

Klage;

31 (1)

32 (7) 41 (4) 42 (8)

in direkter Rede

Parallelen zumBetrachter/Leser imGrabepigramm Ansprache andenGeliebten; ίςalsmöglicher Einwand direkte Redeeines τ Ansprache an Menippos; Vorwegnahme einer Äußerung desMenippos oderReaktion darauf ‘audible thought’; direkte Rede: Ansprache andiepotentiellen Liebhaber Ansprache andenGeliebten

Situationsanalyse; Trost? Erklärung (des eigenen Verhaltens) Rechtfertigung Verteidigung; Ermahnung

Klage

Liebeserklärung; Rechtfertigung

‘audible thought’; Reaktion aufeinpotentiell skeptisches Gegenüber (ε ἶδ ε ς ,ο μ κἀ ο –eine innere ὐ π ὸῥυσ ῦεἰκ ά ζ ω Stimme?); ὰ exclamatio (μ δ α ίμ ο ν α ) ς ‘audible thought’; Ansprache andenehemaligen Geliebten; Ansprache anMenexenos

Situationsschilderung; Erklärung / Rechtfertigung; Wahrheitsbeteuerung; Trost?

45 (10)

Bericht;

Selbstlob; Selbstbestätigung

46 (3)

exclamationes; Bericht;

43 (13)

44 (9)

52 (6)

direkte Rede inderRede; Apostrophe andenpersönlichen Hermes

(= Erfolg)

Apostrophe an Philippos; programmatische Äußerung (δ ο κ έ ); ω direkte RedeinderRede: Ansprache anEros ‘audible thought’; Anrede anZeus; exclamatio; Aposiopese (ο ρ κ ὐ ὰλέγ α έ κ τ ιμ ω )

Situationsschilderung; Äußerung einer Befürchtung

Ermunterung; Ratschlag

Rechtfertigung; Ermunterung

157

DieInszenierung desSprechakts

Derleere Liebesschwur desKallignotos gegenüber derBraut lonis; homoerotische Liebe Zurückweisung deskyklischen Gedichts, dervielbegangenen Straße, desöffentlichen Brunnens und desöffentlichen Liebhabers Lysanias Aufforderung, trinken

aufdieSchönheit desDiokles zu

Entdeckung derLiebeskrankheit Kleonikos wegen Euxitheos

desThessaliers

Hasenjagd als Gleichnis für die Liebe zumschwer erreichbaren Epikydes

Ermahnung

Liebe

desgeldgierigen Liebhabers

Menippos

als Verlust derhalben Seele

ο μ κ ςzuArchinos unter demEinfluß ῶ

vonWein

Unbestimmte Gegenwart

derLiebeskrankheit eines ξεῖν ο ς

PF. (G./P.) 25 (11)

Gegenwart desGeliebten (Symposion)

28 (2)

Symposion

29 (5)

Gegenwart desKleonikos (Symposion)

30 (12)

Gegenwart

des Epikydes

31 (1)

Gegenwart

desMenippos

32 (7)

Unbestimmt

41 (4)

Nach demκ ο μ ς ; ῶ

42 (8)

Gegenwart

Entdeckung

Nr.

Ort, Zeit

Gegenstand, Themen

desArchinos

Nachdemgemeinsamen

43 (13)

Symposion

vorverborgener Liebe

Gegenwart desehemaligen Geliebten unddes Menexenos

44 (9)

Die gelungene undrichtig vorhergesehene Rückeroberung desMenekrates

Unbestimmt

45 (10)

Dichtung undHunger als Heilmittel gegen die Knabenliebe, Polyphem als Vorbild

Unbestimmt

46 (3)

Verteidigung derLiebe zudemdunkelhäutigen Theokritos; Liebe desZeus zuGanymedes

Unbestimmt

52 (6)

Angst

158

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos Anhang: Epigramme extra genus

Nr. Besondere Formen derRede PF.(G./P.) 1 (54) DieFrage eines Ratsuchenden ist

59 (59)

Illokutiver

Ratschlag gleichsam vorausgesetzt; Bericht mitEinschüben indirekter Rede Schlußapostrophe andenRatsuchenden oder Freund Makarismos; Glücklichpreisung; Anrede anLeukares Klage; Vorwurf

Dieinihrer Echtheit bestrittenen rücksichtigt.

Gegenstand

Akt Wahl der richtigen Braut durch Dion; Weisheit (PittakosAnekdote)

DieAufführung eines Dramasführt zumVerlust eines Freundes; Freundschaft undPylades

vonOrestes

Ep. [36] (62) und[63] (63) sindhier nicht be-

DieInszenierung desSprechakts

159

3. DIE INSZENIERUNG DES SPRECHAKTS IN DEN EPIGRAMMEN DES KALLIMACHOS

Vor demHintergrund der Gattungsgeschichte des Epigramms bis zumBeginn des 3. Jahrhunderts wird deutlich, daß die Struktur der epigrammatischen Rede in den Grab- undWeihgedichten des Kallimachos von den typischen Mustern der metrischen Inschrift ausgeht. Epigramme in Form eines Berichts, die Ich-Rede eines Grabinhabers oder Weihgegenstands, die Anrede an den ‘Wanderer’, die Rede des Betrachters oder Lesers sowie der informative Dialog eines Fragers’mit ‘ einem ‘Wissenden’sind dieformalen Vorbilder desKallimachos. Neuhinzu kommt die in den erotischen Epigrammen zur Regel gemachte Möglichkeit, die Rolle des Sprechers mitderpersona desDichters zubekleiden. ‘Bericht’ist nicht nureine typische Form desEpigramms, sondern, imeigentlichen Sinne, eine Perspektive des Textes.94 Sprecher und Adressat treten hier so wenig wie möglich hervor, so daß ein starker Eindruck von Objektivität und von Distanz zum Berichteten ebenso wie zum Leser entsteht. Berichtet wird in der 3. Person Singular, fiktiver Sprecher ist das Monument, auch wenn die Sprecherrolle dezent imHintergrund bleibt. Dieser seit dem6. Jahrhundert belegte Darstellungstyp hat aufgrund seiner wiederkehrenden Formeln undihres quasi-offiziellen Charakters eine ‘inschriftliche Ausstrahlung’, ohne daß die kommunikative Funktion derInschrift imEpigramm besonders betont würde. Bei weitem extrovertierter geben sich in dieser Hinsicht Epigramme, die ihr Gegenüber explizit mit einbeziehenundaufdiese Weise ihre Appellstruktur offenbaren. Dies geschieht auch in den Epigrammen des Kallimachos durch eine Form der personalen Deixis, also entwederdurch die Anrede andasGegenüber desBetrachters oder Lesers oder durch die Rede in der 1. Person (Ich-Rede), die demAdressaten das Subjekt der Äußerung vor Augen stellt. Beide Möglichkeiten, Apostrophe an ein Gegenüber und Ich-Rede, können natürlich kombiniert werden. Epigramme, in denen ein Adressat benannt oder ein sprechendes Subjekt eingeführt wird, tendieren zur personalen Perspektive, auch wenn diese nicht aus der Dramatisierung des Sprechakts folgt.95 In jedem Fall aber führen Epigramme mit expliziter Personenrede ein größeres Repertoire an Sprecher- undLeserrollen vor.

3.1. ‘Bericht’ Während etliche Epigramme des Kallimachos nurkurze narrative Partien enthalten, indenen einanonymer Sprecher demimaginären Leser denEntstehungshin96erklärt, gibt es nurwenige, γ ε λ ία γ α ς ι᾽ἀπ tergrund desjeweiligen Monumentes δ

94 Vgl. PEEK 1955 (GV), S. XX zu den Arten der „Formen des Berichtes über den Todesfall 4, mit Beispie(die Bestattung, die Lebensumstände)“sowie GV630–1170 (Gruppe B II 1– lenvom5. Jh. v. Chr. bis zum3. Jh. n. Chr.). Dieaufgelisteten Formen wiederum sind aus 629: Formen derVorstellung desToten [des Denkmals]) denTypen derGruppe B I (GV52– μ α τ ῆ ᾽ἐσ ιundähnliches). ό α εκεῖτ ά δ ν δ τ ίν..., ἐνϑ entwickelt (μ 95 Vgl. z. B. Ep. 60, s. unten S. 162f. 96 Vgl. Plat. Rep. 394 a– d zur poetischen Darstellung δ ή σ ε ω ιμ ιὰμ ςim Unterschied zur Präsentation δ τ γ ῦ ο ε , s. auch Aristot. Poet. 6 (1449 b 25), dazu ι ἀπ λ ία ο γ ιη ο ὐ ῦτ ο τ ῦπ ςα α



160

Autor

in denen

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

diese Darbietungsform

des scheinbar teilnahmslosen Berichtens von An-

fang bis Ende durchgehalten wird. Die folgenden Beispiele zeigen verschiedene kallimacheische Variationen dieser der auktorialen Erzählhaltung nahestehenden Formepigrammatischer Präsentation (Ep. 19):

ρἀ π ὴ τ α π α ῖδ ν π α ητ ὸ ιπ π έϑ ο ίλ ς εΦ τ κ έ εκ η δ ω Δ ὴ νἐλ π ίδ α ικ η ,Ν ν ο τ . έ λ λ λ ο δ ά ε ,τ ϑ νπ ὴ ἐν Seinen zwölfjährigen Sohn barg der Vater Philippos hier, seine große Hoffnung, Nikoteles.

In diesem vonderForschung

vielfach positiv gewürdigten Epigramm97 nimmt Kallimachos auf die klassische Form derjenigen Grabepigramme Bezug, in denen vonderBestattung eines Familienmitgliedes durch Angehörige, hier eines Sohnes ϑ ά δ εverweist aufeinen nicht näher bestimmten ν durch denVater, berichtet wird. ἐ Ort, an demder Sprecher sich befindet. Jeder Epigrammleser weiß jedoch, daß δ εfür das Sepulkralgedicht ἐ ν ϑ ά δ εoder dasin anderen Epigrammen geläufige τῇ charakteristisch sind undsich auf denOrt derBestattung beziehen müssen. Die Kunst des Gedichts liegt in seiner raffinierten Schlichtheit. Gerade durch den Verzicht auf Pathos und Ausführlichkeit entfaltet es seine Wirkung. Kallimachos arbeitet mit demKontrast zwischen der scheinbar sachlichen Konstatierung derErfüllung einer religiösen Pflicht, derBestattung, undder starken Emotion des Grabstifters, die nur aus der Apposition τ νπ ὴ ὴ νἐλπ ο λ λ ίδ αhervorscheint. Zugleich mit demSohn hat Philippos auch seine Hoffnung begraben.98 Anstelle einer solchen Apposition finden wir in Steinepigrammen eher denRelativsatz im Pentameter oder, indenfrühesten Grabinschriften, in einem zweiten Hexameter. Apposition, Hyperbaton undEnjambement lassen dieses Epigramm besonders lapidarisch erscheinen. Eine weitere, gegenüber dem inschriftlichen Muster leichte Veränderung macht aber deutlich, daßderscheinbare Bericht mehr als die objektivierende Wiedergabe vonFakten beinhaltet. Anstelle derinschriftlichen Formel ἀ ν έϑ ε(ὁ κ η ), in der häufig der Stolz des Stifters von Grab oder Statue mitschwingt, δ εῖν ο ς verwendet der Sprecher das pessimistische ἀ π έϑ η κ ε , das sich zeugmatisch auf das Objekt π α ῖδ π ίδ α bezieht. Dazu paßt das schlichte ἐ α undauf die Apposition ἐλ ν ϑ ά δ ε , dasvoneinem LobdesMonuments weit entfernt ist. DerNameΝ η ς ικ ο τ έ λ etwa ZIMMERMANN 1992, S. 65 Anm. 6. Die literarische Tradition des Epigramms allerγ ε λ ο γ ςursprünglich nicht demDichter, sondern –in Analogie dings schreibt dieRolle desἄ zummündlichen Boten –demMonument zu. 97 WILAMOWITZ 2, 1924, S. 119; BUM1940, S. 32f.; B. A. VANGRONINGEN, La poésie verbale grecque, Amsterdam 1953 (Medelingen Ak., N. R. 16, 4), S. 72f.; Gow/ PAGE 1965, 2, S. 199; G. LUCK, Witz undSentiment imgriechischen Epigramm, in: L’Épigramme grecque 411, hier S. 393; FERGUSON 1970, S. 66, 69, 76; FRASER 1972, 1, S. 576f.; 1968, S. 389– SCHMIDT 1976; LAUSBERG 1982, S. 164, auch 149; BRAUN 1986, S. 67. 98 Da ἀπ έϑ εin Bezug aufbeide Objekte ein ungewöhnliches Verb ist, besteht in der Forη κ schung keine Einigkeit darüber, auf welches davon sich das Prädikat mehr bezieht, vgl. WILAMOWITZ 1924 und Gow / PAGE 1965 a. a. O.; WILAMOWITZ macht jedoch deutlich, daß gerade darin die Poesie des Epigramms besteht; zustimmend SCHMIDT 1976, S. 149. Ein ιϑ έν α ι findet sich schon in einem GrabepiSpiel mit verschiedenen Bedeutungen von τ gramm vomAnfang des5. Jh. (CEG 1, 113), s. obenS. 60f.

DieInszenierung desSprechakts

161

(‘Siegvollender’) steht –vergegenwärtigt mansein Ende –im Einklang mit der pessimistischen Grundstimmung desEpigramms. Der fließende Rhythmus des Distichons zeigt sich beim Rezitieren. FERGUSON 1970 hat besonders auf die bewußte Verteilung der Konsonanten undden Reim zwischen den beiden Teilen des Pentameters hingewiesen.99 Dieselbe „ exquisite Schlichtheit“betont FERGUSON zu Recht auch für das Grabgedicht auf Saon (Ep. 9 = 41 GOW / PAGE):100

ν νὕπ ὸ ν ο ϑ ιο ν ο ν ςἱερ ίκ ω κ ά ςἈ νὁΔ ω ά εΣ δ Τ ῇ γ ετο ῄ ὴ σ λ έ κ ε ινμ ὺ γ ν α ϑ ο ι·ϑ α ςἀ ύ τ ᾶ . ς ιμ κ ο Saon, der Sohn des Dikon, aus Akanthos, schläft hier denheiligen Schlaf – daßsiesterben, dassagnicht vondenGuten.

Die objektivierende Rede in der 3. Person101 suggeriert hier zunächst eine feierliche Distanz zumEpigrammleser, derumseine Meinung zudemautoritativ festgestellten Urteil des Sprechers über die ἀ ήdes Saon nicht gefragt ist. Die ρ ε τ Kontrolle des Sprechers über die Wahrnehmung des Rezipienten läßt sich aber noch weiter verfolgen. Nachdem mandasGedicht glücklicherweise vondemVorwurf derBanalität des zugrundeliegenden Motivs befreit hat,102 erscheint die Verwandtschaft der künstlerischen Konzeption mit derjenigen des Nikoteles-Epigramms umso deutlicher. Auch hier finden wir einen einzigen zentralen Gedanken, umden sich die Teile des Epigramms anordnen. Wie in demersten Gedicht wird derTodeines Menschen dabei nicht nurmitgeteilt, sondern durch die Art derMitteilung auch interpretiert: Hier ist es das durch Haupt- undNebenzäsur herausgehobene ϑ ῄ σ κ ε ιν ν . ImUnterschied zu unserem ersten Beispiel nimmt der Sprechakt aber eine Wendung ins allgemeine, indem der Sprecher sich belehrend an den potentiellen Leser richtet. Die Interpretation des Todes geschieht durch die Vorwegnahme und Korrektur einer konventionellen Denkart, wobei der rhetorisch geschulte Sprecher die Erwartungshaltung seines Rezipienten antizipiert.103 Das im verallgemeinernden Präsens formulierte μ γ ὴλ εnach der Pentameterzäsur des έ Saon-Epigramms ist allerdings zu jedem imaginären Leser gesprochen, nicht zu einem konkret vorzustellenden Passanten, anders gesagt: Es handelt sich hier wohl nicht umdieNachahmung eines mündlichen Sprechakts amGrab miteinem anwe99

S. 66 und76. Zu δω δ ε ν... Ν η κ έ η ν τ ικ , einem weiteren „gioco di ο τ έλ ma suggestivo“vgl. Coco 1988, S. 98; zu Vorbildern s. oben S. 82 A. 210. 100 FERGUSON 1970, S. 67. Für HAUVETTE 1907 ist die Beschränkung auf das Nötigste allerdings irrtümlich ein Indiz für eine Verwendung auf dem Stein; vgl. auch WILAMOWITZ 1924, 1, S. 176, dem der Inhalt für Kallimachos nicht skeptisch genug erscheint. Ähnlich (wie oft WILAMOWITZ folgend) BUM1940, S. 26. 101 Vgl. KÖHNKEN 1993, S. 127 zur Sprechhaltung vonEp. 47. 102 Vgl. Coco 1988, S. 81; LAUSBERG 1982, S. 152f. Das Epigramm wurde später inschriftlich rezipiert (GV376), wobei dieÄnderungen dieHarmonie stören. 103 Dies ist imjüngeren, vonderRhetorik beeinflußten Steinepigramm durchaus üblich, vgl. b: „Eine Deutung des Denkmals wird abgewiesen / 1830 (Gruppe B V 8 a– PEEK, GV 1802– ); beide Gruppen Die Negation wird auf Schicksal oder Lebensführung desToten bezogen“ sind seit dem4. Jh. belegt. FERGUSON

1970,

suoni complicato

162

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

sendgedachten Gegenüber,104 sondern eher umdieDarbietung eines rhetorisch argumentierenden Monologs. Dieser richtet sich andenErwartungshorizont des gewöhnlichen’ Epigrammlesers, der in der zweiten Gedichthälfte ein der Typologie ‘ ᾶ ι α τ ε ῖτ α ιanstelle vonκοιμ des Sepulkralepigramms entsprechendes Verb wie κ undeinen Hinweis aufdenToderwartet hätte.105 Beide Epigramme sind auf Personen, nicht auf ein Grabmal konzentriert. Wie BRAUN 1986 beobachtet hat, geht mitdemÜbergang vondenFakten zuihrer Interpretation zudem eine emotionale Steigerung einher, mankann sogar von einer ‘inneren Bewegung’ sprechen.106 Durch die planvolle Ordnung der Wörter und Satzteile, die mit Hyperbata undEnjambements regelrechte Spannungsbögen erzeugt, wird der Akt des Lesens zu einem ästhetischen Erlebnis. Dasdritte rein erzählende Distichon, einfiktives Weihepigramm, zeichnet sich durch seine Fülle vonNamen aus, ohne daß damit jedoch eine ereignisreiche Geschichte verbunden würde. Die Vergangenheit als möglicher Inhalt eines Berichts spielt für das Verständnis des Epigramms offenbar keine Rolle. Im Mittelpunkt stehen dieNamen der Stifter unddie Weihgabe selbst, wiees für dasdedikatorische Epigramm charakteristisch ist (Ep. 57 = 18 GOW/ PAGE):107 η Θ κ ε νἐ νἼ ά λ ε σ ω ιδ ο π τ ῖς ςἡ α ςἕσ ίη χ α Ἰν ρ η ὸ τ η ςὑπ ςμ ν ο χ . σ ε σ ίῃ ὶςΕἰρή λ υ χ ἰσ Α

Im Heiligtum der Inachostochter Isis steht die Tochter aufgrund eines Gelübdes derMutter Eirene.

des Thales, Aischylis,

In wenigen Worten werden diverse familiäre Beziehungen angesprochen: Isis wird als dieTochter desInachos108 bezeichnet, undauch imFalle derdargestellten Aischylis legt der Dichter auf die Nennung der Namen beider Eltern besonderen Wert, sie rahmen denNamen der Tochter ein. Die Kürze des Ausdrucks läßt sich mit denbisher besprochenen Epigrammen vergleichen.109 Die Tochter steht aufgrund eines Gelübdes

der Mutter im Tempel der Göttin. Nur durch die besondere

104 Die nähere Betrachtung derin dervorigen Anm. genannten Epigramme würde zeigen, daß der mündliche Sprechakt am Grab Vorbild für diese Epigrammform ist. Die Verwendung vonscheinbar dialogischen Elementen innerhalb rhetorischer Argumentationen ist aber viel ὴ zugeläufig, umhier ausμ γ λ εaufeinen Sprechakt amGrabmal zuschließen. έ 105 CEG 2 verzeichnet im Index allein 48 Stellen für die verschiedenen Formen von κ ε ῖσ ι, ϑ α ᾶ ϑ α ι in den von HANSEN gesammelten Steinepigrammen des 4. Jh. überσ während κ ιμ ο haupt nicht erscheint.

106 S. 66. Vgl. die Beobachtungen von LAUSBERG 1982, S. 490, die die Spannung in Ep. 19 als erzähltechnisches Mittel analysiert.

107 Nach GUTZWILLER 1998, S. 191f. handelt es sich überhaupt umein Epigramm des „conven-

. tional type“

108 ZuIsis vgl. FRASER 1972, 1, S. 195f. Die Bezeichnung als Inachos-Tochter verweist auf eine Gleichsetzung derIsis mitdergriechischen Io. 109 LAUSBERG 1982, S. 175 stellt heraus, daß die künstlerische Herausforderung der Form eines zweizeiligen Weihepigramms gerade in dieser subtilen Schlichtheit besteht; s. auch FERGUSON1970, S. 68f.

DieInszenierung desSprechakts

163

110wird deutlich, daß es sich um inschriftliche Konnotation des Prädikats ἕσ τηκεν eine Statue handeln muß. Diebeabsichtigte Doppeldeutigkeit erinnert andasZeugmaimNikoteles-Epigramm undandietypisch epigrammatische Ineinssetzung von Objektebene undDeutungsebene.111 Mit vergleichbarer Einfühlsamkeit sind die Figuren in demGrabepigramm für die Amme Aischra gezeichnet, in demdie Beziehungen zwischen dem Stifter und der Inhaberin auf ähnliche Weise für die Sprechhaltung von Bedeutung sind (Ep. 50 = 49 GOW/ PAGE):

νΑ γ ίη ἴσ ρ ρ υ χ νΦ η ὴ ῖς ο ά λ νγ λ α Τ νἐσϑ ϑ ὸ ,π γ α ινἐ σ ᾶ ν ,ἀ Μ ίκ κ ο ρ ὴ η ο νοὖ ςκ α μ ε κ σ ι ὶζω α νἐγ ό η νἀ ν ν έ ιμ ι ϑ ϑ α σ κ α ὶφ ν έ ο μ ισ ινὁρᾶ έϑ ο σ σ ε , ἐπ ν ε κ η ἡ γ ρ η ῢ ςμ α σ τ ῶ ν ὡ ςἀπ έ χ ε ιχά ρ ιτ α . ς DiePhrygierin Aischra, diegute Amme, versorgte Mikkos imAlter mitallem Guten, solange sie noch lebte, undnach ihrem Tode hat er sie aufgestellt, den kommenden Menschen zusehen, daßdie Alte denDank für ihre Brüste erhal-

tenhat.

Eine Statue der Amme, vonMikkos, dem‘Kleinen’, errichtet, bildet denBezugspunkt des unpersönlichen Sprechers. Auch hier wird die Statue der toten Aischra nicht als solche bezeichnet. Eine gleichsam naive Sicht vermittelt denEindruck, sie selbst sei in der Nekropole aufgestellt worden, was sachlich nicht korrekt ist, der subjektiven Wahrnehmung des Mikkos aber am besten entspricht.112 Dieepigrammatischen Verben ἀ ν ιsuggerieren eine Szenerie. ϑ α σ ᾶ ρ έϑ undὁ ν ε κ η Von dieser imaginären Gegenwart der Statue aus gesehen ergeben sich im Epigramm weitere Zeitstufen, die der Sprecher in seinem sorgfältigen Bericht aufeinander folgen läßt: die Vergangenheit von der Kindheit des Mikkos bis zumTod der alt gewordenen Amme, die Gegenwart des Sprechers unddie Zukunft, in der die Besucher des Grabes das Bild der Aischra betrachten können. Hier geht es dem Sprecher darum, in wenigen Versen eine möglichst überzeugende Begründung für die Errichtung des Denkmals zu präsentieren, die in erster Linie in der Länge des gemeinsamen Lebens von Grabinhaberin undGrabstifter, dann aber auch in der Dankbarkeit des Mikkos besteht.113 110 Vgl. etwa die Belege im Index vonCEG2, S. 328. Unüblich ist der intransitive Gebrauch μ α ιindiesem Sinne, vergleichbar vielleicht nurἀφ μ νin CEG2, 861 = MERα vonἵστα ικ ό KELBACH / STAUBER 01 / 01 / 01, V. 1, s. oben S.

103.

111 FRASER 1972, 1, S. 581f. nimmt an, daß es sich um eine Kinderstatue handelt. Bei der Ineinssetzung vonLebewesen undStatue verwendet Kallimachos dieselbe metaphorische Darstellungsform wie Herodot in der Beschreibung des ‘durch die Inschrift sprechenden’ Königsbildes. In Inschriften dagegen wird ein Bild häufig auch als Bild benannt; dies gilt auch fürdieekphrastischen Epigramme derNossis undderAnyte aufStatuen undKunstwerke. 112 Ganz anders gibt sich MERKELBACH / STAUBER 04 / 21 / 03 (GV 1331; Lydien, Hermostal, . ν β ώ ο ο ίϑ ς ς ,λ , εἰκ η , τύμ ϑὅπ λ 2. Jh. n. Chr.), V. 5: τοῦ ·στήλ γ ο ν α έ γ ν ο τ εὢ 113 Imletzten Vers erinnert Kallimachos an eine Formel, mit der manche inschriftlichen Eh᾽ rendekrete schließen, vgl. FRASER 1972, 1, S. 578. Dieser Geschäftston klingt auch in Ep. 54, 1 an (τ έ ο ὸχρ ςὡ ςἀπ έ χ εις ), s. GOW/ PAGE1965, 2, S. 180 zu V. 1 = 1157; s. unten S. 216f.

164

Autor

Das

Ausmaß

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

seines

Pflichtbewußtseins

wird durch

das

μ ἐ σ ϑ α π έ ν ι(V. 3)114 deutlich. Eine gewisse Spannung ο ε ισ σ ινὁρᾶ σ ο

episierende –nicht zu-

letzt aufgrund des überaus feierlichen Tons in einem Epigramm ohne Träger bedeutender Namen –entsteht allerdings dadurch, daßausgerechnet eine alte Sklavin α(= die Häßliche) derNachwelt zumAnschauen erhalten ρ mit demNamen Α χ ἴσ werden soll! Ohne weitere Kenntnisse über den Kontext des Mikkos-Epigramms läßt sich kaum entscheiden, ob Kallimachos mit diesem doch wohl intendierten Widerspruch auf einen ironischen oder auf einen rührenden Effekt zielte.115 Sicher ist nur, daß die Wirkung des Epigramms auf Grund einer Abweichung von den gängigen Idealen zustande kommt. Alsein satirisches Epigramm miteinem philosophiekritischen Hintergrund hat manin der Regel Ep. 23 (= 53 GOW/ PAGE) verstanden:

ρ α η κ ιώ β ς τ ρ ο μ τ ο ε β ςὡ ῖρ μ ιεχα ἴπ α λ Ε ςἭ ό ε λ ᾽Κ ἥ λ α τ ᾽ἀ φ η ᾽ὑψ λ ο ῦτείχ ε ο ν , ςε η ἰςἈ ΐδ ο ν τ υκα λ α ά ὰ κ ν λ Π ό ,ἀ λ ά ν ο τ ω νἰδ ὲ νϑ δ ὼ ἄ ς νοὐ ιο ξ μ μ ρ ά ῆ μ εν ςγ λ ο εξ χ ᾽ἀνα . υ ς ά ὶψ ρ ε ὸπ ντ ἓ ‘Sonne, leb wohl!’ sagte Kleombrotos aus Ambrakia und sprang von einer hohen Mauer indenHades hinab. Nichts hatte ergesehen, wases wert warzu sterben, aber daseine Buch Platons überdieSeele hatte ergelesen.

Der Bericht betrifft hier die Umstände eines Todesfalls. Wieder wird die Präsentation der Fakten voneiner erläuternden Stimme geleistet, die dennoch unpersönlich bleibt. DieForm desEpigramms ist hinsichtlich ihrer inschriftlichen Vorbilder, ähnlich wie das Saon-Epigramm, dem„ausschließenden Typus“zuzuordnen, bei dem eine mögliche Deutung abgelehnt wird.116 Auch inschriftliche Grabgedichte auf Selbstmörder sind belegt.117 Dieberühmte Chronik eines Selbstmordes inEp. 23 PFEIFFER warinder späteren moralisierenden Literatur der Antike ein beliebter Gegenstand der philosophischen Interpretation.118 Gegen ein wortwörtliches Verständnis des Epigramms als 114 Vgl. Il. 7, 87; Od. 4, 756; 11, 76; 24, 83f. Inschriftlich ist das Motiv ̣ ̣ ̣ ̣ ̣ in CEG 2, 636 auf einer β ἰκ α ν ό κ αΒεμ ίδ αμήτηρ[ἐπ böotischen Basis des 4./3. Jh. erhalten: ε έϑ ,/ εΦ κ υ λ ω ώ τ ]η μ [τ α ή α ] ἐπ ν έ μ ε π έν ν σ α ιδ ιμ ο ϑ ὸ ο σ υμ ο ςἀπ ο φ ις(ἐ π μ ε σ έν σ σ ο ο ιςversehentlich CEG2, S. 110). Ähnlich: CEG 1, 10 (Ergänzung KAIBEL), 207 (ergänzt), 264 (vgl. jetzt IG I3, 1179, 635, 811); s. ferner die Epigramme bei Hdt. 6, 77, 2; Aischin. 3, 184. Theokr. 17, 137 (vgl. noch 12, 11) meint mitφ ο ις έν ϑ , daßer denRuhm desPtolemaios undder α ιἐσσομ μ ο ξ έγ anderen Halbgötter denzukünftigen Menschen verkünden wird. 115 Wenn manmit GOW/ PAGE1965, 2, S. 201 undFRASER 1972, 1, S. 578 annehmen will, es handele sich umeine echte Stiftung miteinem Relief, kommt natürlich nurdiezweite Möglichkeit in Frage. 1830 (Gruppe B V 8). Danach gehören Epigramme mit der Struktur 116 Vgl. PEEK, GV 1802– –ἀ λ λ zudenmehreren Epigrammen gemeinsamen Denk- undAussageformen. ά ο ὐ κ

117 Vgl. MERKELBACH / STAUBER 01 / 15 / 04 (Mylasa, Kaiserzeit).

118 Kleombrotos wird mit demFreund des Kyrenaikers Aristippos identifiziert, der beim Tod des Sokrates nicht zugegen war(Plat. Phaid. 59 c). Zu Cicero Tusc. 1, 84 undspäteren Nachahmern s. GOW/ PAGE1965, 2, S. 204; Coco 1988, S. 107f.; L. SPINA, Cleombroto. La 39; G. D. fortuna di un suicidio (Callimaco, Ep. 23 PFEIFFER), Vichiana 18, 1989, S. 12– WILLIAMS, Cleombrotus of Ambracia. Interpretations of a Suicide from Callimachus to

DieInszenierung desSprechakts

165

einer Todesbotschaft oder Totenklage spricht schon die Tatsache, daß der Selbstmord in demplatonischen Buch über die Seele, dasder Sprecher als Todesursache anführt, abgelehnt wird.119 Selbst wenn Kleombrotos den Freitod aufgrund einer von Platon übernommenen Jenseitsvorstellung gewählt hätte, wäre dieses Epigramm ein schlechter Freundesdienst für einen philosophisch Gebildeten. Besonders erstaunlich ist aber, daßdieLektüre eines Buchs unmittelbar tödlich sein kann. DerSprecher sagt nicht, daßKleombrotos starb, weil er andie Unsterblichkeit der Seele glaubte, sondern weil er einBuch desPlaton über die Seele gelesen hatte.120 Betont wird diese überraschende Wendung am Schluß des Epigramms durch das Urteil ἄ νοὐ δ ξ ὲ ιο νἰδ ὼ νϑ α ν κ ό ν(Ep. 23, V. 3), mit demder Sprecher ο υκα ά τ die Unangemessenheit derReaktion desKleombrotos konstatiert. In Ep. 20 (= 32 GOW/ PAGE) dagegen ist für Basilo ein persönliches Unglück, der Tod des Bruders, einAnlaß zumSuizid, derdergewöhnlichen Erwartung eher entspricht.121 Vielleicht ging es Kallimachos hier umdieKritik aneiner oberflächlichen Bildung, die, in Kombination mit einem pseudo-philosophischen Rigorismus, zu solch fatalen Entschlüssen wie demdes Kleombrotos verleiten konnte. Neben dieser ‘Entzauberung’ des Selbstmords durch das Urteil des Sprechers besteht eine unerwartete Wendung des Epigramms in ebendieser Thematisierung einer hellenistischen Obsession: demLesen. Insbesondere geht es umdie unmittelbaren Auswirkungen derBeschäftigung mitLiteratur auf die Seele.122 Die Phantasie einer eigenen ‘Bücherwelt’ ist den Alexandrinern nicht fremd. Ein Epigramm des Poseidippos von Pella auf einen von der Liebe geplagten poeta doctus schildert, wie sich eine Seele in denBüchern verliert (Anth. Pal. 12, 98):123

σ α Π ο ϑ α ό ςδή ςἐ ντέττιγ ῶ π σ υ ο ᾽ἀ κ ά ϑ ν α ις νΜ ῶ Τ ίζ κ ο ιμ ινἐϑ ε έλ ρὑ ε ιπ π ὸπ α ρ ῦ λ ὰβ ε υ λ ώ ν ·

169; GUTZWILLER 1998, S. 205f. Nach der gängigen InterAgathias, CQ 45, 1995, S. 154– pretation äußert derDichter hier seinen „ Hohn, daßdie Verkündigung der Unsterblichkeit (WILAMOWITZ 1924, 1, S. 177). der Seele solche Folgen hat“ 119 Plat. Phaid. 61 c– d. Zu den Versuchen, den Selbstmord aus Platons Phaidon zu rechtfertigen, s. Coco 1988, S. 107f. Daßes sich umdiesen undkeinen anderen Dialog Platons handelt, auf den Kallimachos anspielt, zeigt WILAMOWITZ 1924, 1, S. 177 (vgl. BUM 1940, S.

35f.). 120 γ ρ μ μ ά αin den verschiedenen Bedeutungen bei Kallimachos erklärt PFEIFFER 1, 1965, S. 354f. zuFr. 468. 121 ζώ ρἀδελφ ε ὰ ινγ ε ὸ νἐ ὐ ρ η ὶϑ ε , Ep. 20, 3f. ZuEp. 20 insgesamt vgl. F. ῖσ νπ κἔτλ α/ ο υ ZUCKER, Kallimachos ep. 20, Maia 11, 1959, S. 87f.; A. AMBÜHL, Zwischen Tragödie und Roman: Kallimachos’ Epigramm auf den Selbstmord der Basilo (20 PF. = 32 GOW-PAGE = AP 7.517), in: M. A. HARDER / R. F. REGTUIT / G. C. WAKKER (Hgg.), Hellenistic Epigrams. Proceedings of th Fifth Groningen Workshop on Hellenistic poetry, Leuven 2002 26. (Hellenistica Groningana 6), S. 1– 122 Einseitig erscheint mir der Schluß von A. SZASTYNSKA-SIEMION, The Alexandrian epigrammatist’s idea of the literary work, Eos 74, 1986, S. 217– 227, hier S. 225: „Although we mayattempt toconsider theimportance ofpoetry forthereaders, theAlexandrian poets were univocal in their opinion that poetry wasmuch more useful for its creator than for the rea-

der. Sucha feature is typical Alexandrian.“ 123 Posidippus 6 GOW/ PAGE; dazu vgl. REITZENSTEIN 1893, S. 163 Anm. 1; GOW/ PAGE 1965, 2, S. 486f.; BING 1988a, S. 37.

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Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

ἡ δ ὲπ ρ ὶνἐ β λ ο ιςπ ύ ηἄ μ νβ έ ν η λ επ λ ο ν ᾽ἀϑερίζει124 η μ . έ φ ν ο εμ ν ο ιμ α ίμ δ ῷ ρ ιη ν ἀ ὴ χ υ ψ Der Gott des Verlangens will, daß die Zikade der Musen auf Dornen gebundenzurRuhe geht, Feuer wirft er ihr unter die Seite; aber die Seele, diesich vormals in Büchern herumgemüht hat, achtet anderes gering undschimpft auf denlästigen Gott.

Die Forschung zumEpigramm ist sich nicht einig, ob die Musenzikade dem Drängen desGottes nachgibt.125 Doch scheint die Beschäftigung mit den Büchern eine Auswirkung aufdenZustand derSeele zuhaben. Vielleicht ist auchhier wiein Kallimachos Ep. 46 ein Gegensatz zwischen literarischer σ ο ίαund erotischem φ Leiden gemeint. In denletzten Versen vonEp. 23 geht es, wie hier bei Poseidippos, umdas Schicksal einer Seele. Der Ursprung des Motivs liegt hier aber in den epigrammatischen Vorbildern des4. Jahrhunderts, dieaufdemGegensatz zwischen sterblichem Leib und unsterblicher Seele aufbauen: Kleombrotos springt in den Tod, weil er infolge einer unverständigen Platonlektüre eine letztlich trivial-philosophische Unsterblichkeit der Seele, wie sie in gewöhnlichen Grabinschriften behauptet wird, für erwiesen hält.126 Das Kleombrotos-Epigramm verwendet dieselbe poetische Technik einer äußerst konzisen Ausdrucksweise wie die zu Beginn analysierten Distichen.127 Eine knappe ‘Rede in der Rede’zitiert zudem ultima verba desTodessüchtigen.128 Der lapidare Abschied desKleombrotos unddie partizipialen Verkürzungen imBericht über seinen Tod veranschaulichen wirksam den logischen Kurzschluß des Todesspringers. In Ep. 37 (= 17 GOW/ PAGE) verwendet Kallimachos einen auktorialen Sprecher in der 3. Ps. Sg. nurzur Hinführung auf eine Oratio recta, die mit einem verbumdicendi eingeleitet wird:

Ὁ Λ ύ κ τ α ς ιο ίτ ςΜ εν τ ὰ τ ό α ξ τ α ν ῦ τ ώ ειπ ᾽ἐπ ι ο τ ς α ρ έ κ , ῆ τ ·‘ ε κ η ἔϑ ν η , ρ μ ικ δ ίδ ρ α ω έ τ ὶφ α ρ α π ι·το ὺ Σ ά ύ ς ςδ ᾽ὀϊστο ι.’ α ρ ῖτ ε π σ χ ο υ σ ινἙ ἔ 124 BECKBY übernimmt die Konjektur von WILAMOWITZ und REITZENSTEIN und emendiert ίζ ϑ λ ια ρ λ ιMss.), GOW/ PAGElesen ἄ ἄ ίζ λ ε τ ερ ϑ λ λ ρ ε α ίζ ι(ἄ ᾽ἀ ϑ ε ε ι, GUTZWILLER 1998, λ λ S. 160f. und Anm. 91 entscheidet sich mit AUBRETON (Budé) für ἄ αϑ ίζ ερ now ε ι („ gathers other harvests byreproving painful misfortune“ ). 125 S. GUTZWILLER 1998 (wie vorige Anm.). 126 Κ ρ β λ ο ε τ μ ο ρ ό λ β ο ςträgt denunsterblichen Ruhm (κ έ τ ) bereits im Namen. Zum ο ο ν ςἄμ 1777 (ab dem4. Jh.). Thema der Unsterblichkeit der Seele im Steinepigramm vgl. GV 1754– 127 LAURENS 1989, S. 99 macht auf die Kompositionsprinzipien des Gedichts aufmerksam, die durch dreifache Partizipialkonstruktionen eine unauflösbare logische Einheit hervorbringen. 128 ZuMotiv des Selbstmords undder ultima verba im Epigramm des 3. Jh. s. auch Anth. Pal. 7, 731 = Leonidas of Tarentum 78 (93) GOW/ PAGE; zuultima verba im Steinepigramm vgl. 1208 (abdem3. Jh.). Dort aber stehen sie nieamAnfang eines Epigramms. GV1204–

Die Inszenierung des Sprechakts

167

Menitas aus Lyktos hat diese Waffen mit den Worten geweiht: ‘Da, den Bogengebe ich dir unddenKöcher, Sarapis; die Pfeile allerdings haben die Hesperiten.’ 129

Zusammen mit den beiden in den Ausgaben folgenden dedikatorischen Epigrammen (Ep. 38 und39 = 20 und 19 GOW/ PAGE) gehören die Verse zu einer Gruppe von Gedichten, in denen Kallimachos mit verschiedenen Metren experimentiert, hier mit demkatalektischen iambischen Dimeter. Ob das Epigramm aufgrund dieser Form auf einem realen Köcher gestanden hat, läßt sich nicht entscheiden.130 Der kurze Bericht des epigrammatischen Textes protokolliert gewissenhaft denmündlichen Ausspruch des kretischen Bogenschützen Menitas, den dieser im Moment derDedikation andenGott Sarapis gerichtet hat. Die Pointe desGedichts ist dieFeststellung dieses zweiten, personalen Sprechers, Menitas, die Pfeile könne er Sarapis nicht weihen, da er sie –wie sich von selbst versteht: erfolgreich –auf dieFeinde abgeschossen habe. Epigramme sind Umwandlungen der personalen, direkten Rede eines Augenblicks in einen objektgebundenen, für die Nachwelt fixierten Text. Während der verschriftlichte verbale Akt im Grabepigramm die Realisierung des γ ρ α ς έ ϑ α ν ό ν τ ω νbestätigt, einer ausvielfältigen undzeitraubenden Ritualen zusammengesetzten Handlung, bezieht sich derSpruch desWeihenden in derRegel aufeinen einzelnen Akt in einem bestimmten Moment: die durch die Rede besiegelte Schenkung derGabe andenGott. In diesem Sinne ist dasWeihepigramm tatsächlich eine Sprechhandlung, diefürbeide Seiten Konsequenzen zeitigt. Wohl auch ausdiesem Grund wählt Kallimachos für Ep. 37 die kombinierte Form eines Berichts zur Einleitung einer direkten Rede. Dieformale Eigenheit desMenitas-Epigramms besteht somit ineiner Aufteilung derInformation aufeine (platonisch gesprochen) ‘diegetische’undeine ‘mimetische’ Partie. Fingierte Mündlichkeit dagegen dient der Verlebendigung des Textes undder Suggestion vonUnmittelbarkeit, mit der schon die Verfasser anonymer Steinepigramme ihre Leser auf ihr Anliegen aufmerksam 132(V. 2) in einem ἐπ machen.131 Die Verwendung von ἐπ ρ μ μ αund ίγ α ειπ εῖν 133verweisen auf eine bewußte Inszenierung ebenso die altepische Interjektion τῆ

129 Das Epigramm bezieht sich auf die Eroberung von Hesperis; s. FRASER 1972, 1, S. 582 und bes. 2, Anm. 221 auf S. 826f. 130 Zudembei Anakreon belegten Metrum s. PFEIFFER z. St. Ausder Kürze der Verse kann

jedoch nicht abgeleitet werden, dasEpigramm sei füreinen konkreten Gegenstand bestimmt gewesen, wie WILAMOWITZ vermutet hat (2, S. 120; s. auch FRASER 1972, 1, S. 582). Vielleicht wollte Kallimachos nurdenAnschein erwecken, es könnte auf einem Köcher gestanthe elaboraden haben. FRASER a. a. O. hält die Aufschrift für natürlich und authentisch: „ . DieKürze allerdings gehört zumliterarition seems hardly sufficient fora derivative piece“ schen Epigramm gerade dann, wenn die Hauptfigur ein Kreter ist; zu diesem Typus s. KÖHNKEN 1993, S. 121 Anm. 7 und 123 Anm. 18. 131 Zur „indirekten Direktheit“der Kommunikation in Inschriften vgl. EHLICH 1994, S. 22, 30; s. obendieEinleitung, S. 21. 132 Vgl. Hdt. 7, 147, 1; 8, 49, 2: ἐπ ε ο ινἔπ . Das Verb bezeichς έγ ιλ ε ινλόγ ο ; 4, 162, 5: ἐπ ν ιλ έγ netspeziell diemündliche Rede, dieeine Handlung begleitet. 133 ‘Da!’, bei Homer immer mit einem folgenden Imperativ verschiedener Verben, z. B τ ῆ , σ π εῖσ νin Il. 24, 287 u. a. (vgl. LSJ s. v.). Eine andere Verwendung sehen wir bei Kalliο ῆläßt sich als ‘Da, nimm!’vermachos hier undin Ep. 31, 4. Es folgt kein Imperativ, undτ

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Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

einer feierlich-altertümlichen Mündlichkeit bei Kallimachos. Voraussetzung dafür Auseinandersetzung mit demMedium ‘Schrift’. Kallimachos zeigt hier seine Souveränität imUmgang mit einer Gattung, zu deren AufgabenundKonventionen es gehört, daßMündliches in Schriftliches verwandelt wird undumgekehrt. Hier wird eine Inschrift in einen mündlichen Sprechakt zurückübersetzt, derals ein sehr spontanes undpragmatisches Verhalten desStifters stilisiert ist. Trotz dieser Einlage einer direkten Rede ist dasEpigramm von lapidarer Kürze. In wenigen Worten werden durch die Erwähnung eines schlichten Gebrauchsgegenstandes Heldentaten angedeutet. Auch dies ist eine epigrammatische Aussageweise, wobei es demEpigrammdichter zukommt, Gegenstände durch die Gestaltung der Rede zum Sprechen zu bringen. Die auktoriale Einleitung unterstreicht denformell-feierlichen Ton. Daseinzige erotische Epigramm desKallimachos, indemdieRede inder3. Ps. Sg. mit auktorialer Perspektive durchgehalten wird,134 besteht aus den folgenden Distichen auf denLiebesschwur desKallignotos (Ep. 25 = 11 GOW/ PAGE):

ist eine ebenso bewußte

η ς τ ο π ή ᾽ἐκείν ιμ ίδ ν ςἸω ο τ ω ν ίγ λ λ α εΚ σ ο μ Ὤ η ν . ή ίλ τ εφ μ ή τ εφ ν ο ίλ νκρέσσ α ο ἕ ινμ ε ξ ι τ ω νἀ μ γ οσ ε ο υ σ η ϑ λ ὰ λ ινἀ λ έ λ ὤ έ νἔρ τ ο α ὺ ςἐ ρ κ ο υ μ ὅ ς ὴ δ ν ύ ε ν ι ο ὔ α τ . ν ω τ ά ν ᾽ ἐ α ϑ ς ἀ · ν ῦ ν δ ρ ὲ νἀ σ ᾽ὁμ εν η ικ ς ῷ ίν α λ ὲτα ῆ ςδ ί, τ ρ ϑ υ ιπ α τ ε έρ μ η ν ύ φ ςὡ ό μ . ρ ς γ έ ςΜ α ω νο ε γ ο δ ιϑ ὐ ρ ὐλό ςο ᾽ἀ Kallignotos derIonis, daßer nie, nieeinen besseren Freund –noch –haben werde als sie. Dasschwor er. Aber mansagt zuRecht, daß Liebesschwüre nicht in Götterohren gelangen. Jetzt brennt er für einen Knaben; von demunglücklichen Mädchen ist, wie von den Megarern, nicht mehr dieRede, undsie zählt nichts.

Es schwor

eine Freundin

Auch hier wird eine Abfolge vonEreignissen erzählt, die zumTeil in der Vergangenheit (ὤ μ ο σ ε ), zumTeil inderGegenwart (ν ῦ ) spielen. Die Rolle des Spreν chers erklärt sichjedoch nicht, wie in Grab- oder Weihepigrammen, aus demZusammenhang mit dem Gegenstand undder Aufgabe des Sprechers, diesen zu erklären. Die Beziehung des Erzählers zu seinem Gegenstand bleibt vielmehr im Unbestimmten. Er erscheint als ein anteilnehmender Beobachter und Kommentator derSituation, dersich ankeinbestimmtes Gegenüber wendet. Ein Nebenthema desEpigramms auf dengebrochenen Liebesschwur des Kallignotos ist das Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen: Götter hören nicht die Schwüre von Verliebten, undIonis hat dieAufmerksamkeit ihres Liebhabers verloren. Die Rolle η ) undironischer ς φ η α ςνύμ λ α ίν des Sprechers schwankt zwischen Mitgefühl (τ Distanz. Letztere zeigt sich in demZitat eines Sprichworts in V. 3f.135 undin der Anspielung auf ein berühmtes delphisches Orakel (V. 6). Aus der Suda-Überliefe-

ῆvoneistehen. Vielleicht liegt derUrsprung einer späteren Grammatikererklärung, die τ nemVerbableitet undmitλ β έgleichsetzt, bereits ineiner hellenistischen Debatte. α 134 Vgl. sonst nurdiebeiden Epigramme 46 und1(extra genus). 135 Daß die Götter keine Schwüre von Verliebten hören, wissen wir auch aus Plat. Symp. 183 b, Phileb. 65 c; Tibull 3, 6, 49f.

DieInszenierung desSprechakts

169

rung geht hervor, daßMegarer oder andere Griechen angefragt hatten, τίν ν ε ἶε ςε ρ ε ίτ κ τ υ ο νἙλλήνων,136 unddarauf die vernichtende Antwort erhielten, sie ςτ ῶ selbst kämen ganz amEnde. So mußauch Ionis gefragt haben, ob Kallignotos einenbesseren Freund (oder Freundin), κ ρ έ σ α(V. 2), habe. Sie hätte wohl besσ ν ο ser gar nicht gefragt. Auch wenn das Kallignotos-Epigramm durch Stimme und Perspektive alseine undramatisch-distanzierte Inszenierung erscheint, wird es doch durch das indirekte Zitieren von Äußerungen anderer belebt. Ein unaufdringliches

personales Element liegt zudem in der Verwendung eines wertenden Adjektivs und demzutage tretenden Pessimismus. Die Herausforderung für den Leser besteht darin, einen Zusammenhang zwischen Ionis unddenMegarern zu finden, der Reiz inderÜbertragung desOrakelworts aufeine erotische Situation. Das ekphrastische Epigramm auf eine Statue der Berenike wird, wie manche inschriftlichen Weihepigramme, aus einer bestimmten Situation heraus, hier kurz nach der offiziellen Dedikation, gesprochen (Ep. 51 = 15 GOW/ PAGE):

α ις ία ρ ιτ ρμ ισ ὶτήν ε ε ρ ·π τ ὰ ά α ἱΧ ςα ο ῖςτρ τ ὶγ α ς σ σ Τ έ ρ τ ρ ιπ ο τ ἦ ο ε π ύ ισ λ τ ιμ ηκ ἄ ά ινοτ σ ϑ ε ῖ. ρ ινἀ ίζ σ ᾶ νπ η ν ἐ λ ο ίω ε ὐ α ςΒερενίκ α , ὐ δ ρο ἇ ε τ ςἄ ᾽α ιτ ρ ὐ τ ε ε α ὶτ α ρ ὶΧ ιτ . ά ς ςΧ ά Vier sind dieChariten. Denn zudendrei anderen wurde jüngst noch eine hinzugeschaffen, undsie duftet noch vonMyrrhensalbe. Glückselig (ist) die unter allen hervorstrahiende Berenike, ohne diedieChariten nicht Chariten sind.

Das Epigramm, das vorgibt, ein ganz außerordentliches Kunstwerk zu beschreiben, preist auf diese Weise zugleich die Schönheit der Königin Berenike.137 So nimmt manan, daß das Epigramm –wenn auch nicht als eine Inschrift für eine echte bronzene Statuengruppe –so doch möglicherweise ausAnlaß derErrichtung eines solchen Kunstwerks verfaßt wurde.138 Die besondere Wirkung des Epigramms entsteht durch die Vermenschlichung der Figur, die in einem Epigramm zugleich als Plastik (π ο τ ε π λ ) und als lebendiges Individuum geschildert η ά σ ϑ wird. Berenike ist Königin, Grazie undStatue zugleich. Letztere macht ihre Schönheit allen sichtbar, ein demepigrammatischen κ ν ὸ ν ω τ νἰδέσ ϑ α ι- oder auch γ α λ ὸ 136 Suda, s. v. ὑμ ε ῖςὦ Μ γ ε ρ α ε ῖς . Dasselbe

Orakelwort gab ferner Auskunft über die besten Pferde, Frauen undMänner in Griechenland, vgl. das Grabepigramm BERNAND 1969, Nr. 49 (GV 1845, vgl. u. S. 190 Anm. 232); zum‘elegischen Komparativ s. u. S. 179 Anm. 181. 137 Nach GOW/ PAGE 1965, 2, S. 171 ist vermutlich die Frau des Ptolemaios III. Euergetes gemeint; s. aber WEBER 1993, S. 253 Anm. 6. DerPreis derSchönheit hatdazu geführt, daß dasEpigramm irrtümlich unter dieLiebesepigramme im5. Buch derAnthologia aufgenommen wurde. Der richtige Ort wäre nach GOW/ PAGE 1965, a. a. O. eher Buch 9 mit den Epideiktika. Zurgängigen Interpretation MEILLIER 1979, S. 149f., 239 und WEBER 1993, S. 268, besonders auch Anm. 1 und2. μ ρ ο ισ ύ ιist demnach eine Anspielung aufeine Vorliebe derBerenike. Manche hielten Ep. 51 allerdings fürein Gedicht nuraufdie Person derBerenike selbst; vgl. Coco 1988, S. 162, der sich zu Recht gegen diese vereinfachende Auffassung wendet. 138 WEBER 1993, S. 268. Die Annahme, daß die gefeierte Berenikestatue neben einer Gruppe derdrei Grazien aufgestellt wurde, ist verführerisch, aber zumVerständnis desEpigramms nicht notwendig.

170

Autor

undLeser in denEpigrammen desKallimachos

μ α γ α λ -Topos verwandtes Motiv.139 Eine Gemeinsamkeit zwischen Statue und ἄ göttlicher Erscheinung der Königin Berenike besteht vielleicht in der Vorliebe für duftende Salben.140

Der Sprechakt aus auktorial berichtender Perspektive gibt eine „Momentaufer kommt ganz offensichtlich aus demMund des Betrachters. DerBericht über dieAufstellung derStatue indenersten beiden Zeilen erweist sich inderzweiten Hälfte desEpigramms als hymnisch übersteigerte Preisrede. Derfiktive Sprecher beweist im Augenblick des Schauens intellektuellen Witz. So täuscht der erste Anschein, hier handele es sich umeine objektiv-distanzierte Tatsachen141wieder, nahme“

schilderung.

3.2.

Anrede

andenPassanten inGrabepigrammen

Die Sprecherrollen in den sepulkralen Epigrammen sind durch Gattungskonventionen sehr viel genauer bestimmt als der Part des unpersönlichen Kommentators in unserem letzten Epigrammbeispiel. Leicht zu erkennen ist der Rekurs auf die Formtradition des Steinepigramms in einem berühmten Epigramm, das Kallimachos auf sich selbst verfaßt hat (Ep. 35 = 30 GOW/ PAGE): μ α ν ρ ή ὰ ῆ φ ε σ έρ ιςπ Β α τ τ ιά δ ε ω π α ιδ νἀ ο ό ὲ δ α ὖμ ςε εἰδ ό τ ο ς ι. ὖδ ,ε α γ σ ε λ ά γ ια υ ῳ σ κ α ίρ ἴν ᾽ο

AmGrabmal desBattiaden gehst duvorbei, dersich gutaufGesang gutauchaufdaspassende Scherzen beimWein.

verstand,

Die 2. Person Singular führt denWanderer vor der Stadt als fiktiven Adressatenein, der Sprecher, dendieKonvention imGrabmal oder imGrabinhaber vermuμ αeine Szenerie in der Nekropole. Das Gedicht gehört ῆ ten läßt, evoziert mit σ der communis opinio zufolge in einen Zusammenhang mit demEpigramm des Dichters für seinen Vater (Ep. 21= 29 GOW/ PAGE), das an derselben metrischen Position die sonst unbekannte Wendung π ) benutzt.142 ρ (ς ε ιςπ δ ό α μ αφ έ ρ ῆ ὰσ α 139 W. SCHMID, Ἀ ρ ίζη λ ο ςΒερεν ίκ α(Callim. epigr. 51 WILAMOWITZ), Philologus 78, 1923, S. 179 vergleicht Il.2, 318f.: τ 176– ρ ά ὸ ᾶ α νγ νμ ῆ ὲ κ νἀ ρ ε ρἔφ ·/ λ νϑ ε ίζ ό ε ς ,ὅ η ςπ λ ο νϑ ε ν η μ ιν ἔϑ η κ ε... (Damachte sie [scil. dieSchlange] klar erkennbar derGott, dersieerscheinen ließ / Denn zu Stein machte sie ... [SCHADEWALDT]). Vgl. auch MERKELBACH / STAUBER ̣ 01 / 01 / 13 (Knidos, 2. Jh. v. Chr.), V. 2: [τ μ α..., das α λ νἄγ ν ω τ ὸ ιγ ω ρ π ὶλ α ο φ ό ῶ ιδ ]εἐ sich auf demStandbild eines Kriegshelden findet. 140 GOW/ PAGE1965, 2, S. 172weisen darauf hin, daßdasSalben vonStatuen anläßlich einer Weihung nicht bezeugt, Wohlgeruch jedoch ein übliches göttliches Attribut ist (z. B. Hom. Hymn. Herm. 231). Bei Theokr. 15, 114 wird aber auch das Bild des Adonis mit Salbe geehrt, vielleicht weil es den Toten darstellt. Vgl. auch A. HUG, ‘Salben’, RE I A, 2, 1920, 1866. Zuröfter mitV. 2 in Zusammenhang gebrachten Vorliebe derKönigin für Sp. 1851– Salben s. oben Anm. 137undWEBER 1993, S. 268 Anm.2. 141 WEBER 1993, S. 268. Vgl. die Schilderung des temporären Blumenschmucks in demfiktiven Grabepigramm desHerakleitos, Anth. Pal. 7, 465 = Heraclitus 1 GOW/ PAGE, s. o. S. 119. 142 Nach WILAMOWITZ 1924, 1, S. 175 stand Ep. 21 im Epigrammbuch des Kallimachos nach Ep. 35. Die umgekehrte Reihenfolge hält PFEIFFER, S. 86 zu Ep. 21 für möglich; vgl. GOW/ PAGE 1965, 2, S. 186. Sicherlich gehören beide Epigramme wie die inschriftlichen ‘Parallel-

DieInszenierung desSprechakts

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Kallimachos scheint es nicht als makaber empfunden zuhaben, einoffensichtlich an dieFormdesGrabepigramms angelehntes Gedicht aufsich selbst zuverfassen, freilich in episierender Umschreibung seines Namens als Battiade.143 Deminhaltlichen Typus nach gehört es damit in eine Reihe vonEpigrammen, die der Charakterisierung vonPersönlichkeiten, gerne auch vonbekannten Dichtern, dienen.144 Manhat das Epigramm bisher vor allem unter dem Gesichtspunkt seiner poetologischen Aussage untersucht. Seit REITZENSTEIN sieht manden wichtigsten Punkt des Distichons in der Gegenüberstellung vonernster undheiterer Poesie145 undin der Definition der Gelagedichtung als eines Spiels nach demPrinzip der Autonomie der Kunst.146 In unserer Untersuchung soll es jedoch nicht so sehr ummögliche weltanschauliche oder poetologische Implikationen desEpigramms gehen, sondern um die Rezeption des Steinepigramms unddie Technik der Leserlenkung. Zunächst: Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß das Epigramm tatsächlich für das Grab des Kallimachos gedacht war.147 Die Wahrscheinlichkeit spricht eher dagegen. Auffällig ist, daß die Aussage des zweiten Teils, die Charakteristik des ‘Toten’, in keinem Zusammenhang zuderfast pompösen Vorstellung des σ μ αsteht. Überhaupt erῆ zielt dasEpigramm einen großen Teil seiner Wirkung gerade ausdem, wases verschweigt: NurdasPatronymikon desGrabinhabers wirdgenannt, es fehlen Hinweise auf die Herkunft unddie bürgerliche Existenz im allgemeinen. Kallimachos in derRolle dessprechenden Grabmals wendet sich aneinen Leser, derihnkennt.148 Thema des ‘Grabepigramms’ ist das Leben des Dichters Kallimachos, verkleidet in die Form einer Todesbotschaft an seine Leser. Im Gegensatz aber zuEp. 2 aufdenToddesbefreundeten Dichters Herakleitos vonHalikarnassos ist in diesem Epitaph keine Rede vomNachruhm oder von der Unsterblichkeit des hinterlassenenpoetischen Werks. Die Vorstellung desGrabmals löst vielmehr eine Erinnerung an die kommunikativen Fähigkeiten des Lebenden149 aus, an die ernsthaften und weniger ernsthaften Vorführungen seiner Kunst. Man könnte sich daher gut mit gedichte’zueinander. S. ferner auch HERTER 1931, Sp. 433; FRASER 1972, 2, Anm. 185 auf S. 821; LIVREA 1992, S. 293 Anm. 6; GUTZWILLER 1998, S. 212f. mit Anm. 62; WHITE έρ ε ιςπ 1999. –Zuφ ό δ αs. unten Anm. 176. 143 Zur Wahl des Namens s. WHITE 1999, vgl. LAUSBERG 1982, S. 271. 144 GABATHULER 1937, S. 54; HAUVETTE 1907, S. 309f.; Coco 1988, S. 113. 145 REITZENSTEIN 1893, S. 87 bezieht das ε γ ε λ ά σ α ιauf das vonihmals ιασυγ ᾽ο ἴν ῳ ίρ κ α ὖδ wichtigste Neuschöpfung der frühellenistischen Dichtung betrachtete „ sympotische Epigramm“. Gegen REITZENSTEIN wendet LAUSBERG 1982, S. 272 ein, daß Kallimachos selbst sein Dichten als Einheit gesehen habe. In V. 2 gehe es außerdem garnicht umdieDichtung ansich, sondern umdasLeben desDichters. Vorbilder dafür gibt es in denSelbstdarstellungenarchaischer Dichter, vgl. A.KÖHNKEN, Schlußpointe undSelbstdistanz bei Kallimachos, 441, hier S. 441. Ebenfalls mit KÖHNKEN gegen REITZENSTEIN Hermes 101, 1973, S. 425– wendet sich ASPER 1997, S. 210 Anm. 6. 146 Coco 1988, S. 133. 147 Das Schweigen der antiken Quellen zum Leben des Kallimachos spricht aber eher dagegen. Selbst WILAMOWITZ 1924, 1, S. 175 hält das Epigramm für zu bescheiden, um eine echte Aufschrift abzugeben. 148 Vgl. die stolze Anrede an denLeser „εἰδ “in Ep. 21, 3. ν ε κ μ ω φ ε ίη ᾽ἄ ςδ 149 Vgl. denimpliziten Gegensatz vonstummem Todundredefreudigem Leben in Ep. 16 auf Krethis sowie ferner die Verbindung vonSprechen undLeben im Steinepigramm MERKELλ ά λ ο ςἐ BACH/ STAUBER 05 / 01 / 50 (GV 1179; Smyrna, 2. Jh. v. Chr.): ἁ νζω ι. ο ῖσ

172

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

das Epigramm sei in Hinblick auf eine vorliegende EpidesKallimachos geschrieben, also gewissermaßen eine Stifteraufμ α μ τ αoder eines anderen Werks des Kalliρ ά π ιγ schrift auf ein Exemplar der Ἐ machos.150 Die Anrede andenWanderer wäre danneine Anrede andenLeser eines eines ε ἰδ ς α ώ μ ῆ Kallimachosbuchs. Halten wiraber auchfest, daßes sich umdasσ handelt, auf das der Leser trifft, unddaß mit demThema ‘Wissen’ ein Leitmotiv derkallimacheischen Dichtungen anklingt. Eine ganz andere Stimmung alsin demlebensbejahenden Ep. 35 liegt inEp. 60 (= 39 GOw/ PAGE) vor, dassich ebenfalls direkt aneinen Passanten wendet:

WILAMOWITZ vorstellen,

grammsammlung

μ ω ν α ο Ο Κ ε ἵτ ῆ ίμ ρ ιν τ έρπ ς ε εσ ιοπ , ίο ε λ α ςἈ μ εν ο χ ι. ό ρ ερ α π α ῖδ α υπ ίο π α νἹπ ὸ ετ τ ἴσ DieihramGrabmal desKimon ausElis vorbeizieht, Wißt, daß ihr amSohn desHippaios vorübergeht.

Das scheinbar so schlichte Grabgedicht auf Kimon aus Elis, das mit Rücksicht auf seinen Inhaber in einem dorisierenden Dialekt abgefaßt ist,151 hat sehr unterschiedliche Beurteilungen erfahren. Die ursprüngliche Auffassung, es handle sich aufgrund der Kürze, die nur notwendige Informationen biete, umeine echte Aufschrift, kann auch mit diesem Argument nicht bewiesen werden.152 Beim näheren Hinsehen unterscheidet sich das Epigramm vondengängigen Distichen der einfachen Form. Ungewöhnlich ist bereits die Wiederholung, die in der Verwendung von π ρ π ε έρ α τ εund π μ ρ χ ρ ε ν ό ε ο α ι innerhalb eines Verspaares liegt.153 Sie verleiht demDistichon einen spontanen’ Charakter, da das Aufgreifen eines Wortes oder Gedankens an mündliches Improvisieren erinnert. Auffällig ist aber auch der ‘ pluralische Imperativ ἴσ τ ε . Während wir in Steinepigrammen etliche Varianten Belehrung“155einer Leserentsprechender Verben im Singular finden,154 ist die „ gruppe nicht üblich. Der einzelne Leser fühlt sich so eher weniger angesprochen. WILAMOWITZ 1924, 1, S. 175. Zu weitgehend ist aber sicher der Schluß, es müsse sich um eine „spätere Ausgabe“handeln. WILAMOWITZ istja der nicht beweisbaren Ansicht, daserste Epigrammbuch müsse dasfrüheste Werk desDichters unddie Grundlage seines Erfolgs gewesen sein. Passend wäre es als Schlußgedicht einer Buchausgabe derEpigramme, wie GABATHULER 1937, S. 55f. und ähnlich GUTZWILLER 1998, S. 212f. vermuten; skeptisch gibt sich dagegen CAMERON 1995, S. 78f. 151 Gow/ PAGE 1965, 2, S. 195. 152 BUM1940, S. 59; HAUVETTE 1907, S. 323. Es könnte ebensogut darum gehen, denEindruck einer echten Inschrift wie etwa BERNAND 1969, Nr. 92 = GV 112 (Alexandria, 3. Jh.) zu erzeugen, s. LAUSBERG 1982, Anm. 4 auf S. 542. GUTZWILLER 1998, S. 209 erklärt das Epigramm etwas spekulativ als eine bewußt schlicht gehaltene Folie, vor der der Buchleser danndiefolgenden, komplizierteren Gedichte kontrastierend habe lesen sollen. 153 BRAUN 1986, S. 68. MCKAY 1972, S. 190 nimmt an dieser Doppelung Anstoß. Dagegen wendet sich SCHMIDT 1976, S. 150 Anm. 6, der darin ein bewußt eingesetztes Stilmittel

150

sieht;

zur Technik des Wiederholens undWiederaufgreifens eines Verbs bei Kallimachos

vgl. ferner auch Ep. 10 und 12; LAURENS 1989, S. 74; LAUSBERG 1982, S. 151f. 154 Z. B. CEG 2, 673 (Tenos, 4. Jh.?) = GV 1284 sowie die übrigen Epigramme im Typus ‘Wisse, ...’(GV1284– 1301 = Gruppe B IV 1 c β ). 155 SCHMIDT 1976, S. 150; anders ist dies imFall dermoralischen Belehrung.

DieInszenierung desSprechakts

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DieFormulierung desEpigramms läßt dieTatsache, daßderVerstorbene ein Sohn des Hippaios war, als denHauptinhalt der Belehrung durch den Stein erscheinen, wohingegen sein eigener Name im Relativsatz als scheinbar bekannt vorausgesetzt wird.156 E. A. SCHMIDT undnach ihmL. BRAUN haben darin den entscheidenden Punkt in der Sprechhaltung desEpigramms erkannt. Es geht hier nicht umeine triviale Formel, sondern umdie Emotionen des Vaters, der so als der hauptsächlich vom Tode des Kimon Betroffene gezeichnet wird. Das Thema dieses Grabepigramms ist also ähnlich wie im Saon-Epigramm eine Beziehung von Vater und Sohn unddie Bedeutung eines menschlichen Verlustes, anders: Nicht die Mitteilung einer Nachricht, sondern die Interpretation einer Situation macht denGehalt

dieses Epigramms aus, scheinbare Formelhaftigkeit wird zu einer glaubwürdigen, spontanen Rede.157 Das Grabepigramm des Kimon zeigt, wie Kallimachos die traditionellen, durch den Rahmen der Rezeption bedingten Gattungsmerkmale des Epigramms nicht einfach durch eine neue Form des Gedichts ersetzt, sondern die vorhandenen Ausdrucksmöglichkeiten durch Akzentverschiebungen erweitert. Diesekaummerkliche Abweichung vomMuster ist imKimon-Epigramm dieabundante Anrede an den Passanten mit der Doppelung des Wanderermotivs. Der Leser würde auch durch eine einfache Namensaufschrift das Gewünschte zur Kenntnis nehmen. Die abundante Redeweise des kallimacheischen Epigramms unddie Betonung des Aspekts der Unterweisung („ Wißt ...“ ) lenken die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Art derDarstellung selbst. Dies läßt denVerdacht aufkommen, daß es hier ein alexandrinischer Dichter geradezu darauf angelegt hat, typische Elemente undStrukturen einer alten Gebrauchsdichtung sichtbar werden zulassen. Die Doppelung eines Verbs unddie Form einer Belehrung des fiktiven Adressaten teilt das Kimon-Epigramm mit demkallimacheischen Grabgedicht auf Timarchos (Ep. 10 = 33 Gow/ PAGE):

ρ α π ο νἌ ϊδ ,ὄ φ ρ χ ς ο νἐ α ῃ Τ ίμ ίζ νδ Ἢ ύ α ι η ϑ ἤτ ιπ ε ρ ὶψ υ ῆ χ ά ςἢπ λ ιπ ῶ ςἔσ ε ι, α ΐδ α ο ρ ό ςυ ῆ ἱέ λ εμ α π τ ς ςΠ ο α δ ίζ υ λ τ ιφ ϑ α ε σ ε ιςδ ·δή έ ω ν νἐ . ν ίο τ ὸ νεύσεβ ᾽α α υ ὐ α υ σ Π Wenn duTimarchos suchst imHades, umetwas über die Seele zu erfahren oder wieduweiterleben wirst, dann suche nach demSohn des Pausanias, aus

derPhyle Ptolemais: Duwirst ihnunter denFrommen finden.

Auch hier geschieht die Unterweisung dadurch, daß der textinterne Sprecher eine Handlungsweise des potentiellen Lesers aufgreift –in Ep. 60 das Vorübergehen, hier dasFragen –undineinem zweiten Schritt darauf antwortet.

Das Grabgedicht auf Timarchos gehört zu den am meisten diskutierten Epigrammen des Kallimachos, da es einige vielversprechende Hinweise auf den von vielen gesuchten ‘Sitz imLeben’des Kallimachos zuenthalten scheint. Der AlexS. 68. Der Relativsatz, jedoch nie mit ο ἵτιν ε ςeingeleitet, ist schon vor Kallimachos eine seltene Variante desEpigrammbeginns, vgl. CEG 1, 159und349. 157 „Kallimachos ... versteht es, durch Aufbau undAnordnung in ein ED (= Einzeldistichon), dasäußerlich gesehen ebenfalls nicht mehr als dieelementaren Personalien enthält, implizit einen tiefen Gefühlston hineinzulegen ...“( LAUSBERG 1982, S. 150f.). 156

BRAUN 1986,

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

andriner Timarchos, Protagonist in Ep. 10, scheint ein Fachmann für Fragen über das Jenseits zu sein. Schon WILAMOWITZ suchte daher nach einem zeitgenössiῆ ςgeschrieben habe, und kam so auf den bei schen Philosophen, der Π ρ ὶψ χ υ ε Diogenes Laertios 8 Die sich aus erwähnten alexandrinischen Kyniker dieser Identifizierung ergebenden chronologischen Probleme hat LIVREA zu behebenversucht.159 Daraus ergibt sich für ihndie Möglichkeit einer skeptischen Interpretation: Der kynische Philosoph, so die Aussage des als sprechendes Grabmal maskierten Autors Kallimachos, sei nach seinem Tode nur noch als Name in der Bürgerliste seiner Phyle zufinden, sein Fortleben bestehe nurinderWeiterexistenz seiner Bücher. GUTZWILLER sieht in der bürokratischen Phylenangabe zudem eine Anspielung auf die den kallimacheischen Literaturinventaren beigefügten Kurzbiographien der Autoren.160 WILAMOWITZ wiederum hielt das Epigramm für eine der von ihmpostulierten Auftragsarbeiten. Sein weitergehender Versuch, in demEpigramm die Weltanschauung desAutors zufassen, stieß hier allerdings an seine Grenzen: DaKallimachos zwar einRationalist sei, mit Philosophie imeigentlichen Sinne jedoch nichts zu tun habe, sei das Ziel des Epigramms lediglich die Befriedigung derHinterbliebenen.161 Die Forschung hat sicher mit Recht darauf verwiesen, daß das TimarchosEpigramm nicht das einzige Epigramm des Kallimachos ist, das die Unterweltsthematik in einem kühl-rationalen Ton behandelt, eine Attitüde, die man mit LIVREA als „ elegante scetticismo di ascendenza cinico-cirenaica“162bezeichnen könnte. Die geschickte undneuartige Kombination typischer Formen undMotive desGrabepigramms hatdieunterschiedlichen Lesungen vonEp. 10inderModerne ermöglicht, je nachdem, ob mandie Form des Sprechakts eher fürtraditionell oder aber für eine Maske des Dichters hielt, denAkzent eher auf die Konvention oder auf die Originalität legte.163 Betrachten wir die epigrammatische Darstellung also etwas genauer. Der Sprecher des Epigramms wendet sich in direkter Rede an ein Gegenüber inder2. Person, das, so wirdintypisch epigrammatischer Weise unterstellt, etwas über einen Toten wissen will. Die angeredete Person ist also der imaginäre Leser einer Grabinschrift, den wir aus den dialogischen Epigrammen seit dem5. Jahrhundert als aktiven Fragesteller kennen. Überraschenderweise zielt die

Timarchos.15

158 Diog. Laert. 6, 95; WILAMOWITZ 1924, 1, S. 176 mit Anm. 2; vgl. dazu FRASER 1972, 2, S. 696f., Anm. 25 und26; MEILLIER 1979, S. 197– 199. HAUVETTE 1907, S. 312f., Gow/ PAGE 1965, 2, S. 190f. und Coco 1988, S. 82 sammeln die in der Forschung vorgeschlagenen Philosophen, unter denen sich Kyniker, Epikureer undPythagoreer befinden. 318 setzt den Tod des bei Diog. Laert. erwähnten Kynikers auf ca. 159 LIVREA 1990, S. 314– 240 v. Chr. 160 GUTZWILLER 1998, S. 204f. 161 WILAMOWITZ 1924, 1, S. 177. Warum aber sollte Kallimachos Epigramme veröffentlicht haben, deren Inhalt er nicht teilte? Schwierigkeiten mit der persönlichen Auffassung des Kallimachos hatauchHAUVETTE 1907, S. 312. Er erinnert andieparodistischen Gedichte Ep. 13 und23, weshalb erauchdasvorliegende Ep. 10nicht alseine ‘echte’Aufschrift betrachtet. 162 LIVREA 1990, S. 318. Zu solchen religionskritischen Tendenzen im Hellenismus und auch schon vorKallimachos, nach denen ‘Seele’nichts als ein leeres Wort bedeute, s. auch den Artikel T otenkult undJenseitsglaube’, in: SCHMITT / VOGT 1988, S. 720. ‘ 163 GUTZWILLER 1998, S. 204 argumentiert gegen Gow/ PAGE 1965, 2, S. 190, die in Ep. 10 ein sehen, einfaches „laudatory epigram“

mitder‘Stimme desDichters’.

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vorweggenommene Frage des potentiellen Lesers jedoch nicht auf Namen und Herkunft des Toten, sondern auf das Leben nach demTode: ὄ ρ απ φ ι ύ ι/ ἤτ α η ϑ ά λ ιπ ρ ῆ ῶ ςἢπ π ὶψ ε ςἔσεαι.164 Aufder anderen Seite begegnet der Hinweis, χ υ daßdasSchicksal desGrabinhabers auch für dieZukunft des Lesers eine gewisse Bedeutung hat, schon infrühen Steinepigrammen.165 Hier aber werden die für eine Inschrift wichtigsten Informationen, Name undHeimat des Toten, demspezifiziertenInteresse desLesers in demSinn nachgeordnet, daßdasEigeninteresse desLesers überhaupt erst Anlaß der epigrammatischen Mitteilung ist. Die darauf folgende Aufforderung „suche / frage“nach dem Sohn des Pausanias (δ ίζε ϑ α ι) entspricht komplementär demImperativ „wißt, daß ihr am Sohn σ des Hippaios vorbeigeht (ἴσ τ ε...) in der Anrede an den Leser des Kimon-Epigramms (Ep. 60). Hier liegt also eine Kombination der epigrammatischen Redeformen „ Wenn dufragst ...“und„Wisse ...“v or.166 Worin genau besteht aber die Aktivität des Lesers, der so präzise Auskünfte erhält? Anscheinend stellt Kallimachos den Weg des Passanten als eine Art Katabasis, einen Gang zumHades, vor, woderfiktive Leser seine Fragen andenToten richten kann.167 Das Grabmal fungiert gewissermaßen als einWegweiser in die Unterwelt. Die Lokalität des Gespräches zwischen Timarchos undseinem potentiellen Besucher imHades wird als derOrt derFrommen angegeben. Auch hier werden Variationen derkonventionellen grabepigrammatischen Aussageweise präsentiert: das Motiv der Sehnsucht (π όϑος)168 nach einem in denHades entschwundenen Menschen undder informative Dialog mit demGrabinhaber. Für Kallimachos charakteristisch ist nun, daß die Inszenierung des Sprechakts viel konkreter ausgelegt wird als in denvon der Gattungtradition überlieferten Vorbildern. Das typisch epigrammatische Paradoxon einer an sich unmöglichen Unterhaltung desfiktiven Lesers mit Gegenständen oder längst verstorbenen Grabinhabern tritt so erst zutage: Kallimachos legt gleichsam denFinger in die logische Wunde. Zunächst ist der fiktive Frager ein durchaus gebildeter Leser miteinem echten Interesse anFragen ‘π ρ ῆ ὶψ ε υ χ ς ᾽. Darin gleicht er dem Platonleser Kleombrotos in Ep. 23.169 Konkret sind auch die Auskünfte über dieAdresse desTimarchos imHades, einEffekt, derdurch einen Gleichklang verstärkt wird: Unverkennbar ist derReimvonἌ ϊδ ο μ α ςundΠ ΐδ τ ο ο λ ε ςnach der Zäsur im ersten undzweiten Hexameter sowie von ψ ῆ η ςim ersten ςundφ χ υ ύ λ Pentameter undzweiten Hexameter. Der abstrakten, traditionellen Rede von der

164 π ά λ ιἔσ ε α ιbedeutet hier „wieduüberleben / weiterleben wirst“ , vgl. Gow/ PAGE 1965, 2, ̣ S. 190f.; MERKELBACH / STAUBER 05 / 01 / 63 (GV 1133; Smyrna, 2. Jh. n. Chr.?): εἰ π λ ιν ά ) ἔ[χ , ρ ό ν|] / ε ῖν ϑ ε ε ιο ὐ ν ινἐλ κἐ ὶ δη λ ο π ά ι, ὕπ ἰ δ᾽ο α ϑ ς(σ ὐ ινπ κἔσ τ σ έ εν σ ἔ ̣ ι̣ γ ̣ τ ν [ιο unter derDarstellung eines schlafenden Knaben. ςύπ ν ο ς .], einGrabepigramm αἰω ᾽ 165 Vgl. z. B. CEG 1, 34 („ ), s. o. S. 67. ... daauch dich derToderwartet“ 1341 (Gruppe B IV 1 c β/ δ 1301 und 1330– 166 Vgl. GV 1284– ), wobei die Belege für den Typusδ :„ Dufragst ... (wenn duwissen willst ...), so höre ...“erst im 1. Jh. v. Chr. beginnen. 167 Vgl. den Frager Odysseus in Od. 11, 57f., 140–144 und 210ff.; SPINA 1993, S. 167. Verhaltensregeln undWegweisungen für die Unterwelt geben auch die orphischen Täfelchen, s. ASPER 1997, S. 84f.; G. PUGLIESE CARRATELLI, Le lamine d’oro orfiche. Istruzioni per il viaggio oltremondano degli iniziati greci, Milano 2001. 168 Vgl. die Belege in CEG 2, S. 340 unter π ϑ ο ειν ό ϑ ο ,π ς ,π έ ω ϑ ο ό . ς 169 Vgl. auch denPlatonleser bei GV2018 = MERKELBACH / STAUBER 01 / 20 / 25 (Milet, 2. Jh.

v. Chr.).

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

Unterwelt wird jeweils ein konkreter Begriff der Lebenswelt entgegengestellt.170 Soll aber dieser Gleichklang so gedeutet werden, daß einer religiös-naiven Sicht der Existenz im Jenseits als einer besseren Fortsetzung des oberirdischen Lebens eine kritische, ‘säkularisierte’ Betrachtungsweise ironisch entgegengesetzt wird? DerHinweis auf dieNennung derPhyle genügt hier nicht, immerhin ist diese Angabe in attischen Grabepigrammen zurGenüge belegt.171 Der Schlüssel zumVerständnis kann nurin einem externen Argument –in unserem Fall der Identität des Timarchos undderHaltung desKallimachos seiner Person gegenüber –liegen. Ist dieZuspitzung derDarstellung imSinne einer Konkretisierung desSprechakts, die Paradoxes ans Licht bringt, ein wichtiges Indiz für die Gesamtinterpretation? Haben wirhier einironisches Epigramm vor uns, daseinen unreflektierten Jenseitsglauben mitSkepsis betrachtet, oder nurein modernes’? Daszweite Epigramm, dasKallimachos ‘seiner eigenen Familie gewidmet hat, ρ μ ε α φ ιςπ ρ έ ὰ σ ῆ ganz offensichtlich mitdem ό δ α α unddasdurch dieWendung π Epitaph Ep. 35 zusammen gelesen werden soll, variiert in seiner Anrede an den imaginären Passanten ebenfalls dasThema ‘Wissen’(Ep. 21):

μ α φ ε έρ ιςπ ῆ ά χ ε ο υμ ρ ό λ ὰ δ λ ιμ σ α α ,Κ π α ὸ ν Ὅ σ τ ιςἐμ η ν . ν η α ίο υπ εν έ τ α ῖδ ά τ ρ εκ α ὶγ ἴσ ϑ ιΚ υ εἰδ ε ίη ρ ςδ ο ν ίδ ω λ τ ςὅπ νὁμ επ α ε κ τ ο ω νκ μ φ έ ᾽ἄ ἦ ρ ξ ε ν , ὁδ ε ι ᾽ἤ σ ρ ε η έ β ν α σ σ κ σ κ ν ν ί . ο α ς α · [ο ὐν έμ εσ ις ·Μ ο ρὅσ ῦ ὰ σ μ ιγ α τ ο α ιπ υ α ςἴδ ῖδ ν α ο ὄμ ς ίο ρ υ ιβ †π ο λ ιο ὺ ςο ὐ κἀπ χ έϑ ν τ ε οφ † ἄ

ίλ ο υ ς .]172

DerDuanmeinem Malvorbeigehst, wisse, daßich derSohn undVater eines Kallimachos aus Kyrene bin. Dumüßtest beide kennen: Der eine befehligte einst dieWaffen desVaterlandes, derandere aber sang stärker als derNeid.

[...]

Auch hier geht es umdas Fortleben nach demTod, doch nicht im Sinne einer

in der Unterwelt, sondern als Teil des kollektiven Gedächtnisses. Doch nurein Individuum, der Ruhm einer ganzen Familie wird in denbeiden Distichen gefeiert. Der Inhaber des σ μ α ῆ , der hier zugleich der Sprecher ist, ist Sohn

Existenz nicht

170 Eine solche pointierte Konfrontation der bekannten zeitgenössischen Welt mit demReich derImagination ist typisch kallimacheisch. Sokommt auchHipponax im 1.Jambus ausdem Hades, aufdessen mythische Geographie er in seiner Redeanspielt (Fr. 191, 34), undbegibt sich zueinem Heiligtum deshellenistischen Alexandria, s. unten S. 247ff. ςΚ 171 Vgl. exempli gratia CEG2, 523, V. 2: Κ ε ρ κ ο π υλῆ ίδο α λ α χ λ ςΜ ο ίμ ελ ςφ ιτ ε ύ . ς 172 Einige Forscher emendieren (ὄ μ ῳ α τ ὴλ μ ι... /) μ entsprechend dem(fast) gleichlautenό ξ denFr. 1, 37f. aus dem 1. Aitienbuch; s. dazujetzt GUTZWILLER 1998, S. 211f. Dann müßte manannehmen, daßKallimachos dasDistichon bewußt in diesem Epigramm zitiert, umauf diefrühere (?) Dichtung zuverweisen. DieVermutungen derForschung, dasEpigramm haZweck am Ende einer kallimacheischen Werkausgabe gestanden, sind zwar plausibel, aber dennoch spekulativ. Nach CAMERON 1995, S. 78f. wurde dasEpigramm erst vonMeleager ineinen solchen Buchkontext undinZusammenhang mitdemEpigramm auf ‘Battiades’gebracht. ο , GUTZWILLER S. 202) erinnert an die epiε Nowonder“ σ ις(„ ὐνέμ grammatische Anredetopik in CEG2, 596 (μ η ϑ ε ὶςἀνϑρώ α π ) undAnth. Pal. ω νϑαυμ ζ τ ω έ ὴϑ ε ι ...). Eine Bestätigung der Überlieβ μ 7, 425 = Antipater of Sidon 30 Gow/ PAGE(μ ά ferung ist das allerdings nicht.

be zu diesem

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177

undVater eines Kallimachos ausKyrene, also wohl Battos, derVater desDichters. Daßdieser Nameselbst indemGedicht nicht erscheint, magdaran liegen, daßes in einem anderen Epigramm davor oder danach genannt war, oder daß es nicht nötig war, etwas ohnehin Bekanntes zuverkünden. OhnedenNamen macht injedem Fall die Umschreibung mitdemNamen von Vater undSohn mehr Sinn. FANTUZZI verweist zudem auf die Praxis in inschriftlichen Epigrammen besonders des 4. Jahrhunderts, denNamen des Grabinhabers in einer Überschrift anzugeben. In demauf die Angabe folgenden Gedicht werden diese Informationen dann nicht mehr benötigt.173 Ob es einen derartigen ‘Kontext’ für das Epigramm gegeben hat oder ob, wie in den ‘Rätselepigrammen’, der Leser kombinieren undergänzen sollte, läßt sich nicht mit letzter Sicherheit entscheiden. Mankann jedoch mit Recht sagen, daßes sich mehrumeinEpigramm aufKallimachos alsumeinen poetischen Nachruf auf den Vater handelt: Endet das Gedicht doch mit demLob der Leistung des Sohnes!

. ρ μ α... / εἰδό τ ο ρ α ὰσ ῆ τ ς(Ε τ ιά δ ε ω π α Wiein dembereits besprochenen Β 35, s. o. S. 170ff.) wird demfiktiven Leser ein ganz besonderes Interesse undWissenunterstellt. Hier heißt es sogar explizit, derLeser werde wohl beide Träger des Namens Kallimachos kennen. Während sich der eine Kallimachos militärisch-politischen Ruhm erwarb, sicherte sich der andere durch seine Dichtung ein Nachleben β α σ κ α ν ίη , derNeid, steht fürdiejenigen Kräfte, diedasAnsehen unddamit auch denNachruhm eines Dichters verdunkeln können. Als eine Eigenschaft des Hades selbst erscheint sie bei Erinna und in dem Epigramm des Leonidas auf dieselbe Dichterin.174 DieAnrede

andenPassanten greift zwar denTopos desGrabes amWegesrand auf, derja schon früh mit demGedanken der Verbreitung einer Kunde verbunden ist, doch richtet sie sich offensichtlich an ein bestimmtes, mit der Geschichte des

Landes undmitKallimachos vertrautes Lesepublikum. Worin besteht die Rolle des ‘Wanderers’? Es scheint, als solle er denRuhmdesDichters weniger verbreiten als schlichtweg bestätigen. ε ἰδ ςevoziert einen AktdesErinnerns, derdie Vorausε ίη setzung für die richtige Identifizierung der beiden Genannten ist. So macht der Sprecher denanonymen Leser zuseinem Verbündeten. In derHaltung des Sprechers gibt es einen Unterschied zu denbisher besprochenen Epigrammen, die Kallimachos umdie Struktur der Passantenanrede herum komponiert hat. Der Sprecher wendet sich nicht nuran sein konkret vorgestelltes Gegenüber, er läßt auch in der Verwendung der Ich-Rede (ἐ ε μ , V. α ;μ μ ν... σ ὸ ῆ 1) einen personalisierten Sprecher –den Grabinhaber –auftreten. Dies lenkt die Aufmerksamkeit desLesers aufdenT oten’undverleiht denWorten die Autorität ‘ in diesem Epigramm können wir die koneiner sprechenden Persönlichkeit. Auch kret-realistische Inszenierung des Sprechakts beobachten, selbst wenn dies in poetischer Sprache geschieht. So ist nicht nur die Wendung an denLeser didaktisch 173 FANTUZZI 2002, S. 404f. 174 Erinna 2 Gow/ PAGE= Anth. Pal. 7, 712; Leonidas of Tarentum 98 (24) Gow/ PAGE = Anth. Pal. 7, 13.DasMotiv desuntadeligen Rufs gibt es im4. Jh. in mehreren Epigrammen, μ ο ῶ ςin CEG 2, 686, V. 6. FERGUSON 1970, S. 66 vermutet in dem Epigramm vgl. z. B. μ ein Spiel mit demkämpferischen Namen des Dichters. Dagegen wendet sich LAUSBERG 1982, Anm. 3 auf S. 545.

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

wirkungsvoll angelegt, auch die in denEpigrammen bis zum3. Jahrhundert singu175gleicht einer Wiederbelebung der poetisch ausgeläre Wendung φ ρ ε ιςπ έ ό δα laugten Wandererformel.176 Neben derIch-Rede desToten inKombination mitderAdresse andenWanderer, die das Epigramm auf den Vater mustergültig vorführt, kennt Kallimachos in seinen Grabepigrammen aber auch denTypus derIch-Rede des Grabdenkmals. Sie findet sich ineinem Epigramm, dasnoch einmal dasMotiv desWeges variiert (Ep. 12 = 43 GOW/ PAGE):

Κ ύ ε νἢ ῖν νἔλϑ ὸ νεὑρ ο κ ο α ικ ν π ζ ο ό ςἹπ ςπ ῃ ς , ὀλίγ ή γ . εν ε ρἡ η νἀ ὰ κ α ὶΔ ιδύμ ὴ ιγ ὔ τ ςο ν α φ ε ῖςἔπ ο ἐρ ν ρ π ὲ ς α ὸ ν , ἔμ δ ὲλ ιη έ ν ἀ ιν φ κ α ίσ ξ α ι ·μ ν . ίη ιτ ρ δ νὧ το ω Κ ω χ έ νκείν ὸ ᾽ἐπ ιτ τ ῦ ϑ, ὅ



Wenn dunach Kyzikos kommst, wird es wenig Mühe machen, Hippakos zu finden undDidyme: Unbedeutend ist dieFamilie ja nicht. Auch wennduihnen ein betrübliches Wort sagen wirst, sag es dennoch: Ich habe hier ihren Sohn, Kritias.

Im Aufbau ist das Epigramm verwandt mit deninschriftlichen Beispielen, die denLeser zurÜbernahme einer Botenrolle ermuntern.177 Hier nunbefindet sich das Grabmal offenbar nicht inderHeimat desToten. So wird dieAnrede andenLeser mitderAufforderung verbunden, dieNachricht vomToddesKritias denEltern zu überbringen, ein Motiv, das aus dem Simonides zugeschriebenen ThermopylenEpigramm bekannt ist.178 Anders als in dem berühmten Vorläufer gibt hier aber 175 Vgl. BERNAND 1969, Nr. 38 (GV 1990), V. 5: Ξ ε ῖν ε ,σ ὺδ ᾽ὃ ςπ ρ α ὰτό )ιςπ ν (ε δ εφ έρ ό δ α ς ἠ ρ μ έ αχῶ ρ ο ν(Hassaia?, Ägypten, 2. / 1. Jh.), sicher unter demEinfluß desKallimachos, sowie Anth. Pal. 9, 826 = ‘Platon’22a FGE, V. 5: ε η ὔ κ λ ο νδ᾽ἴϑ υ ν εφ ω νπ ό έρ δ α . 176 Vgl. Kall. Hymn. 4, 103: ἄ ψδἐ νπ ό δ ίη σ λ σ α α ε ὶΘ π ςἔτρεπ ε . Vorbildhaft sind die Formulierung in Epos undklassischem Drama (π ο σ ὶϑ έ η ε ιν/ π δ ᾶ νetc. bei Homer, immer im ᾽ besonders Soph. Ant. 224: κοῦ Dativ Pl., vgl. LSJ s. v. π ο ῦ ), vgl. ς φ ο νἐξ ρ α ό ςπ ; Trach. δ ά α 549: ύπ ε κ τρ έ π ε ιπ ό δ ; Phil. 291: ἐξέλ α κ ω νπ ό ; Aristoph. Vesp. 1163: ἀπ δ α ά β ιβ ο ζ ω ντ ν ὸ ; Thesm. 659: κοῦ μ π ό δ α φ νἐξορ ᾶ ο νπ ό δ ; Thesm. 1100: π α ό δ ατίϑ μ ι; Ran. 478: η ή σ ω π ό μ ρ δ δ η ῶ αu. a.; –ὀ ρ υ ν ὁ ςἔφ ρ ετ ε ὸ νπ ό δ αim Corpus Fabularum Aesopicarum 257, 1 meint allerdings einen lahmenden Esel. 177 Vgl. CEG 2, 865, V. 1: τ ῶ ι ξέν ω ιεἰπ έ ,π ο λ ῖτ α... unddas literarisch überlieferte Thermopylen-Epigramm des Simonides (22b FGE), dazu BRAUN 1986, S. 63f. Die wissenschaftliche Literatur setzt sich vorallem mitderFrage des Verhältnisses zuanderen, mitEp. 12 etwa gleichzeitig entstandenen Epigrammen auseinander, dieeine Botschaft andieEltern thematisieren, s. REITZENSTEIN 1893, S. 160; WILAMOWITZ 1924, 1, S. 147 Anm. 4, derAnth. Pal. 7, 500 = Asclepiades 31 Gow/ PAGEals Muster für das Gedicht betrachtet, ebenso Gow/ PAGE 1965, 2, S. 197; S. L. TARÁN, The Art of Variation in the Hellenistic Epigram, Leiden 1979 (Columbia Studies in the Classical Tradition 9), S. 322ff.; Coco 1988, S. 85; GurzWILLER 1998, S. 203f. –HAUVETTE 1907, S. 322f. hält die Gedichte für unabhängige literarische Variationen übereingängiges Thema derGattung. DerZusammenhang vonGrabmal undBotenfunktion wird aber auch sonst im Steinepigramm betont, vgl. etwa CEG 2, 823: ρ γ ό Χ έλ γ μ ν ε [ἀ ε λ Μ λ ]ω ο η υ , ... / ἄγγ ν ίο ν ε , oder CEG2, 467: ὦ ν ε ίκ ο σ ς... γ σ [η ῦ . 178 S. vorige Anmerkung; κ ε ίν νsteht anderselben metrischen Position wieimPentameter des ω ϑ ε α ,τ ο ε ίμ ῖςκείν ν...) desSimonides 22bFGE. ω Thermopylen-Epigramms (κ

DieInszenierung desSprechakts

179

nicht der Inhaber des Grabes den Auftrag „ of conveying the message“,179 sondern, wie erst am Schluß des Epigramms deutlich wird, das Denkmal selber. Der Gegenstand kommuniziert mit demLeser undbezieht ihnin seine Reflexionen mit ein, indemer mögliche Hindernisse beim Überbringen derNachricht berücksichtigt. Der Dramatisierung dieses Rahmens, demimaginären Auftrag an den Leser, wird weϑὅ sentlich mehr Platz eingeräumt als der eigentlichen, in demmit το τ ιeingeleiῦ teten, letzten Vers enthaltenen Todesnachricht. Anders als im Thermopylen-Epi᾽Wirkung der gramm des ‘Simonides’wird derBote selbst, sein Wegundauch die Nachricht mitbedacht. Wie so oft stellt Kallimachos gerade die konkrete Situation des Sprechers undden Effekt der Mitteilung genauer und ausführlicher dar, als man für nötig halten würde. Sorgfältig sind auch die Tempora unterschieden (ἐ ρ ε ῖς ), und die räumliche Distanz zur Heimat spiegelt sich in dem Pronomen ρ ὸ ν... ἔπος,180 das wie im Fall vonEp. ν ιη κ ε ίν ω ν . Das gedämpfte Pathos in ἀ 25, 5 (τ η α ς ) nur durch ein einziges Adjektv vermittelt wird, verbindet das λ ίν α Epigramm mit anderen Grabgedichten des Kallimachos, deren emotionaler Gehalt in denbetonten Verwandschaftsbezeichnungen und-beziehungen aufscheint. Diese zukünftige undvomfiktiven Sprecher vorgezeichnete ‘Rede in der Rede’zeigt sich zudem von einer Odysseestelle inspiriert, die möglicherweise Gegenstand alexan-

drinischer philogischer Diskussion war.181 Die Rede des Grabmals –oder der Erde amGrab –ist zu Beginn nicht als solche zu erkennen. Erst im letzten Vers offenbart sich mit ἐπ χ έ ω ein personaler Sprecher. Dies kommt insofern überraschend, als manimὅ ι-Satz einanderes Subτ jekt, nämlich ‘Kritias’ erwartet hätte. Die merkwürdig unbeteiligte, fast formelle Attitüde des Sprechers, die das Problem der Übermittlung der Nachricht in den Vordergrund rückt, läßt Kritias als fern undunerreichbar erscheinen.1 2 8 In insgesamt 6 der25 kallimacheischen Epigramme aufVerstorbene findet sich eine direkte Anrede an einen Passanten. Unser letztes Beispiel, Ep. 3 (52 GOW/ PAGE= Anth. Pal. 7, 318), gehört in die Reihe der literarischen Epigramme auf Timon, den

Misanthropen:183

1979, S. 132. 1979, S. 135ff.; vgl. Ep. 32. 191: α 181 Od. 2, 188– ἴκ ενεώ ρ τ νἄν ο ε ρ δ απ μ α ε ν ο ρ λ φ α ς ά ιάτ επ α ο λ λ εεἰδ άτ ὼ ς/ π ὐ ῃ τ μ ρῆ ξ α ι ρ έ νο ρ ρ ύ ν ςχαλ ρ ῶ ῷ ἱπ τ έσ ,/α νἀν τ ο νἔ επ ιν ο ε ε τ ιη ίν ο α σ τα ινἐπ σ σ ι, / π ε ἐπ έ δἔμ α ιεἵν ιδυνήσετ ε κ ατῶ ν η δ ; der irreguläre Komparativ wird bei Athen. 10, ὔτ ςο ε π 424 d undEustathios, Comm. ad Od. 2, 190 diskutiert; zu ἀ ρ ν ό ια ςbei Kallimachos s. noch

179 180

TARÁN

TARÁN

᾽ 43, 1, regulärer Ep.

Komparativ in 14, 4. Komparative undSuperlative finden sich erwartungsgemäß auch in denprogrammatischen Aussagen derElegie, vgl. z. B. Thgn. 1, 124,

210, 258, 332b, 812 und2, 1356 YOUNG. 182 GUTZWILLER 1998, S. 204 sieht indemunerwarteten Sprecher einen „ironic touch“undeine von Kallimachos vielleicht bewußt wahrgenommene Möglichkeit, sich von seinem Vorgänger Asklepiades (Anth. Pal. 7, 500 = Asclepiades 31 Gow/ PAGE) abzusetzen. Eine gewisse Offenheit derInterpretation ergibt sich allerdings daraus, daßweder einGrabmal noch in einem nichtχ έ ω derTodals Inhalt des Gedichts explizit genannt werden. So könnte ἐπ sepulkralen Kontext auch bedeuten, daßKritias vonetwas ganz anderem, vielleicht einem Liebhaber, aufgehalten wird. Meleager (Anth. Pal. 7, 461 = Meleager 124 Gow/ PAGE, V. 2), derbezeichnenderweise eindeutig formuliert, spricht nicht unbedingt dagegen. 183 GUTZWILLER 1998, S. 197f.

180

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

ε ῃ ρ , κα ,ἀ ρ λ ςμ λ κ ὸ ε ν κ έ α ὰ λ ϑ π ε ιν εἴπ ε ά ίρ α χ ὴ Μ ὴ ε λ σ ν .184 τ ὶτ ὲγ ὸμ ᾶ σ μ ε ο ιν ἐ ὶχα ίρ ν ο ἐ ἶσ Sagnicht denfreudigen Gruß, übler Bursche, sondern gehweiter, gleiche Freude ist’s fürmich, wenndugarnichts zulachen hast.

Das Epigramm unterscheidet sich von den bisher betrachteten durch eine krasse Abweichung vonderTradition des Steinepigramms, die ganz offensichtlich gerade in derVerkehrung derKonventionen Derfiktive Sprecher wehrt sich gegen seine traditionelle Funktion, eine Kommunikation in Gang zu setzen. DasEpigramm ruft damit beimimpliziten Leser genau dievergnügte Reaktion hervor, diesich derfiktive griesgrämige Grabinhaber verbittet. Ein Allgemeinplatz der antiken Ethnographie –die Kommunikationsprobleme derwortkargen Kreter –motiviert dagegen die auf denersten Blick vergleichbare Variation derLeserapostrophe in demK reter-Epigramm’ 186 desPoseidippos (XV ‘ 24–27 BASTIANINI / GALLAZZI):

besteht.185

μ σ τ α ὸ ρ ᾽ἰα ςἔ ύ ε ιν , τ ίπ ὐ ίμ ᾽ο δ ;τ κἠά ᾽ὦ τ ε ᾽ἔστη μ ε ἢ δ ν ο α γ π ο π ιτ ό ὼ ό ; ίςἐ κ ς α ὶπ ό ϑ ε ν εἰρ ·Μ μ ν χ α ε ω ο ρ ιό ιΦ ίτ ιλ ῆ ςεἰμ ά ετ ρ ὰ σ ίχ ε τ σ υπ α ο έμ μ ω ή νὡ ρ ςἂ ρ νἐπ ὶξ ο ή ιγ . ς ς ν ε ίη , ὀλ ρ Κ

Warum seid ihr hier zu mir gekommen? Warum habt ihr mich nicht in Ruhe schlafen gelassen und mußtet fragen, wer ich bin undwoher undvon wo? Geht hinzumeinem Grabmal: Menoitios binich, Sohn desPhilarchos, Kreter, wortkarg, weil ichhier inderFremde bin.

In diesen

beiden letzten Epigrammen

mit Leserbeschimpfung ist die spieleri-

sche Absicht des Epigrammautors unverkennbar, ohne daß manschon von einer tiefgründigen Reflexion über dieGesetze derGattung sprechen könnte.

3.3.

andenBetrachter inWeihepigrammen an denLeser undPassanten für die Funktionsweise des

Anrede

So wie die Anrede Grabepigramms charakteristisch ist, das auf den mündlich verbreiteten Nachruhm eines Grabinhabers spekuliert, erfüllt auch die Wendung an den Betrachter im Weihepigramm eine ganz bestimmte kommunikative Funktion. Das Publikum der Betrachter undLeser ist Zeuge einer religiösen Handlung, es bestätigt durch seine Bewunderung den Wert des gestifteten und beschrifteten Gegenstands, von dem wiederum der Erfolg des Stifters beim beschenkten Gott abhängt. Der dedikatorische Sprechakt hat daher ein doppeltes Publikum: die Gottheit, der eine Gabe überreicht wird, unddiepotentiellen Betrachter, Leser undZeugen derSchenkung. Ausdieser Konstellation ergeben sich verschiedene Möglichkeiten fürdiepoetische Inszenierung fiktiver Sprechakte. Der Epigrammdichter kann den Sprechakt des 184 π ε λ ᾶ νGRAEFE, JACOBS, GOW/ PAGE; zurDiskussion derKonjektur s. unten Anm.298. 185 WALSH 1991, S. 81; GUTZWILLER 1998, S. 197f. sieht eine Funktion des Epigramms darin, aufdieFiktivität desSprechakts zuverweisen. 186 Vgl. Kallimachos, Ep. 11, s. unten S. 191ff.

181

DieInszenierung desSprechakts

Stifters imAugenblick derDedikation oder aber dieRezeption durch dasPublikum der ‘Zeugen’ in Form der monologischen oder dialogischen Rede gestalten. Die fiktive Anrede andenanonymen Betrachter imEpigramm fixiert also eine idealtypische Handlungssituation, die zeitlich nach der eigentlichen Weihung liegt. Der vorangegangene Akt der Weihung selbst wird imfiktiven Dialog mit der Gottheit vollzogen.187 Zum Typus Anrede an den Betrachter’ gehört ein Epigramm des Kallimachos auf die Stiftung ‘ einer Lampe für Sarapis, die, als fiktive Sprecherin

des Gedichts, die visuelle Rezeption

ihres Gegenübers steuert, indem spektakuläres Aussehen hinweist (Ep. 55 = 16Gow/ PAGE):188

sie auf ihr

ᾳ Κ α λ λ ίσ τ ν ιο ε ύ ἴκ ο σ ιμ ξ α ω ις ν π ίτ α εΚ μ Τ ῷ ρ ιτ ίο υλ ύ χ ν ο ν π λ ο ύ σ ιο νἁ Κ ἔϑ ε , ῷ εϑ κ η ·ἐ ίδ ο λ ιδ ὸ λ ρ ὶπ α ε ς π ςδ η ςἈ ε π α ν γ έ μ γ ε ὐ ὰ φ ᾽ἐμ έ α ξ ε ρ ,π ῶ ςἔπ ε π ε σ ε σ ;’ ς · Ἕ ις ε σ ά ςφ α σ ή ρ ϑ ἀ ‘

Dem Gott von Kanopos hat mich Kallistion, Tochter des Kritias, geweiht, reich ausgestattet mitzwanzig Dochten, weil sie es für ihr Kind Apellis gelobt hatte. Wenn dumeine Lichter siehst, wirst dusagen: ‘Abendstern, wiekonntest duherunterfallen?’

Es handelt sich, soviel erfahren wiraus demGedicht selbst, umdie Weihgabe einer Mutter für ihre Tochter Apellis.189 Die Schilderung aus der Sicht des Betrachters kann manals eine Variation desalten κ α λ ὸ ν -ἰδ ε ῖν -Motivs verstehen, mitderenHilfe die Kunst des Denkmals angepriesen werden soll.190 In unserem Fall lobt sich das Denkmal selbst, andere Epigramme wechseln den Standpunkt des Sprechers undlassen denBewunderer etwa mit „ ἦκα μ λ α...“191zu Wort ὸ ντ ν ῆ ὸμ kommen. Aber auch das ‘sprechende’ Denkmal nimmt einzelne Aspekte der Rezeptionssituation in seine Rede mitauf, umso denLeser zubeeinflussen. Die Pointe desGedichts besteht, wieKÖHNKEN 1993 gezeigt hat, in derIdentifizierung der geweihten Lampe mit dembesonders hell strahlenden Abendstern, welcher beim Entzünden des Lichts gleichsam auf die Erde gefallen zu sein scheint.192 Erst in der Vorstellung eines schauenden Gegenübers kann sich der Glanz derLampe mitdenzwanzig Dochten entfalten. Es handelt sich dabei jedoch, 187 Vgl. Ep. 5, Ep. 34 undEp. 54. 188 Zu Ep. 55 s. jetzt die vorzügliche Analyse von KÖHNKEN 1993, S. 124f., auf der auch GUTZWILLER 1998, S. 192f. beruht. ZumGegenstand vgl. FRASER 1972, 1, S. 583f. 189 Der Gott von Kanopos, Sarapis (KÖHNKEN 1993, S. 124 Anm. 20), war etwa zuständig für Heilungen, vgl. Gow/ PAGE 1965, 2, S. 173f. zur Stelle. Kallimachos legt offensichtlich keinenWert aufdenAnlaß derWeihung. Nichtsdestoweniger hat manimmer wieder versucht,

einMotiv fürdieStiftung zukonstruieren. Diese Versuche stellt Coco 1988, S. 170zusammen. –Eine Diskussion, obes sich umSarapis (so WILAMOWITZ 1924, 2, S. 255) oder Ado-

nis handelt, gibt FRASER 1972, 2, Anm. 236 auf S. 829 wieder. 190 Vgl. z. B. CEG 1, 18, 46, 441 (= IG I3, 1251, 1215, 1403); Kallimachos Ep. 50 (ὁ ρ ᾶ σ ϑ α ι). 191 CEG 1, 161. 192 KÖHNKEN 1993, S. 124f. entscheidet damit die von Gow/ PAGE 1965, 2, S. 174 gestellte Frage, ob Vers 4b nicht dasVerdunkeln desAbendsternes durch die Helligkeit derLampe meinen könnte. Die Frage desBetrachters könnte aber auch ein orientalisches Vorbild haben, vgl. STONEMAN 1992, S. 104 Anm. 33.

182

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

wieKÖHNKEN richtig bemerkt, umeinen „präsumtiven Betrachter“,193 dessen Verή σ ε ιςsuggeriert, daßdieser Betrachter halten vorweggenommen wird. DasFutur φ als eine unmittelbare Folge seiner Wahrnehmung mit der überraschten Frage ;“reagiert. Die Technik der ‘Rede in der Rede’ dient der ς ε σ ῶ ε ςἔπ ε ,π ρ ε π σ Ἕ „ Charakterisierung vonGegenstand undBetrachter. Der idealisierte Rezipient führt eine Reaktion vor, die ein beliebiger Betrachter der Lampe vielleicht nicht zeigen würde. DerVergleich erscheint pathetisch undübertrieben. Dies führt auf dereinen Seite dazu, daßsich derEpigrammleser dasgroßartige Licht vorzustellen versucht, aufderanderen Seite aber auch zueinem –vielleicht unbewußten –Protest gegen einen solchen Anspruch. Die auf diese Weise bewirkte Psychologisierung des Sprechakts kann als ein „Spiel mit der Sprecherrolle des Weihgegenstandes“ bezeichnet werden.194

Um die Reaktion eines potentiellen Betrachters geht es auch in dem zweiten Beispiel füreine explizite Anrede imWeihepigramm (Ep. 49 = 27 Gow/ PAGE): ε , ξέν ελέγ μ ικ ρ ν ά α ὸ ε νὄν κ , κω τ ό τ ςμ γ ο ω Τ ῆ ς ςἈ ρ α τ ο ρ ῦῬ τ υ ά ο η δ ςμ ίο γ κ ε υ ῖσ ϑ α ινίκ ἀ ισ έν ο ν υδ υμ , ἥμ τ ιδεδα ω ᾽ὀπ τ νἔρ μ ν φ ιλ ,ο ῇ ο ὐ κἐ Π ά ιςἼ εν ο ν ιδ χ σ ο ο ν ύ . ςεἰδόμ ἰσ χ ά δ ικ α ὶλ Sag, Fremder, daß ich als einwahrhaft ‘komischer Zeuge’geweiht bin für den Sieg desAgoranax ausRhodos, einPamphilos, nicht ineiner Liebe verbrannt, aber zur Hälfte einer geschmorten Trockenfeige und den Lampen der Isis gleichend.

Der fiktive Sprecher dieses Gedichts verkörpert in doppelter Hinsicht eine Rolle: Hier äußert sich Pamphilos, der als jugendlicher Liebhaber aus einigen Komödien derNeabekannt ist.195 Mannimmt daher an, derStifter Agoranax müsse in dieser Rolle denSieg in einem Schauspieleragon davongetragen undanschließend seine Maske einem Gott –vielleicht dem Dionysos –geweiht haben.196 Ein origineller, leicht erkennbarer Effekt desEpigramms bestünde dannindemGegensatz zwischen demPart des schönen jungen Mannes unddemabgenutzten Aussehen derMaske.197 Der Vergleich in V. 4 läßt zudem vermuten, daßdieWeihgabe eher

klein ausgefallen ist. Nicht völlig geklärt ist in der Forschung die Bedeutung des ρ τ υ ς(V. 1f.), welches sich aufdieFunktion dieses besonderen Weihά μ ικ ὸ ςμ κ ω 193 KÖHNKEN 1993, S. 125.

1993, S. 124, vgl. GUTZWILLER 1998, S. 192f.: „ I suggest that Callimachus, by transferring these dedications from stone to book andby personalizing his objects with individualized character, essentially reverses thesituation, making evident tothebook reader the absence, orfictive existence, of theobject that speaks andbringing to the reader’s attention the presence (in absence) of the epigrammatist through his self-conscious manipulation of the written word.“ 195 ZuPamphilos in derNeuen Komödie vgl. Coco 1988, S. 160. 196 Gow/ PAGE 1965, 2, S. 183ff. 197 Auseiner unbekannten Komödie desMenander stammt Fr. 744 KASSEL / AUSTIN = 631 μ ν ο ν μ ο ῦ ι, Π φ ιλ ε η ρ ᾶ ά , σαφ KOCK: ο υδ ο χ ῶ σ ο ᾽ἀ ν , ἑτέρ ς υ ὐ σ α ὰ κ ϑ κ ὰ ε ῦτ ὶςἐ ο τ φ ὑ ᾽α ι, dasmanals einen Hinweis darauf verstehen könnte, daßsich Pamphilos in der α τ τ ο ςὀψ ε Komödie seines eigenen guten Aussehens bewußt war.

194

KÖHNKEN

DieInszenierung desSprechakts

183

geschenks beziehen muß. Cicero bezeugt eine sprichwortartige Verwendung des ‘komischen Zeugen’,198in demmanentweder den„ Vertraute(n) im Stück“199oder einen überraschend auftauchenden Gewährsmann gesehen hat.200 Auf jeden Fall scheint er ein Zeuge zweiten Ranges unddamit leicht fragwürdig zu sein. Kalliρ τ υ ά machos spielt offenbar mitderdoppelten Bedeutung vonμ ς , dasdieFunktion einer Komödienfigur oder aber einer Weihegabe als eines ‘Dokuments’ für die Erfüllung eines Gelübdes bezeichnen kann.201 Ein Spiel mit der Mehrdeutigkeit des Begriffs scheint schon bei der despektierlichen Anführung des κ μ ικ ρ τ υ ὸ ά ω ς ςμ durch Timaios in einem polemischen Zusammenhang vorzuliegen.202 Die Struktur des Epigramms gleicht insofern dem Kallistion-Gedicht, als auch hier eine Beschreibung desGegenstandes einen Teil derAussage, ja sogar dieüberraschende Wende undPointe darstellt. Der fiktive Sprechakt, der demEpigramm FormundRahmen gibt, besteht inderAnrede aneinen anonymen ξέ ο ν ςundin der γ εeingeleiteten Aufforderung, diepersona des Sprechers in einer geελ durch μ έ nau bestimmten Weise wahrzunehmen und zu interpretieren.203 Die Rede legt es darauf an, Gedanken desin derKomödie bewanderten Betrachters beim Lesen des Namens Pamphilos zu antizipieren undzu korrigieren. Ein epigrammatisches Vorbild für diesen mitderNegation einer Deutung agierenden Typus der Leserlenkung findet sich in metrischen Versinschriften des Aussagetyps ο ’.204 Die ὐ κ–ἀλλά ‘ Pointe besteht darin, daß die Identifizierung des schönen, jungen Pamphilos durch die Aufschrift aufgrund des jämmerlichen Zustands der Gabe wahrlich nötig ist, undsollte der ‘komische Zeuge’wirklich nur ein Zeuge von minderem Wert sein, so würde dies in der halbzerfressenen Maske treffend gespiegelt. Das Aussehen der Maske wird im Text so genau beschrieben, daß GUTZWILLER wohl zu Recht davon ausgeht, daß die Darstellung in Ep. 49 auf ein imaginäres Evozieren desinWahrheit nicht vorhandenen Gegenstandes beim Epigrammleser zielt.205 Auffällig ist auch, daß für deneigenartigen Anblick der Maske zwar 198 Cic. Ad fam. 2, 13, 2: mea vero officia ei non defuisse tu es testis, quoi iam κ μ ικ ω ὸ ς μ ρ ά τ υ ς , utopinor, accedit Phania, vgl. Gow/ PAGE1965, 2, S. 183. 199 BECKBY 1, 1957, S. 673 zuAnth. Pal. 6, 311. 200 GOW/ PAGE 1965, 2, S. 183; FRASER 1972, 2, Anm. 245 auf S. 831. 201 Eine Parallele findet sich in Ep. 54, in dem ein π ίν α ξausdrücklich zum Zwecke des νgeweiht worden ist. FRASER 1972, 1, S. 585 meint, daß Kalliρ ίη ρ τ υ α ρ έξ ιμ ϑ α π α ε σ machos dieMaske (wie auchdieLampe inEp. 55) selbst gesehen habe. 202 Timaios FGrHist 566 F 35b = Polybios 12, 13, 3: κ ρ απ ρ ρ μ τ υ ο ικ ά σ επ ω ό ντιν αμ ισ π α μ ο ν . Hier aber meint der ‘komische Zeuge’ auch den Komödiendichter. υ ν ν ο μ ε ςἀνώ σ ά DasZitieren der Komiker ist bei Prosaschriftstellern späterer Zeit sehr beliebt, vgl. etwa ρ ρ τ ε α υ ῖνδ ὲτο Philochoros FGrHist 328 F 171 (= Athen. 11, 464 f): μ ύ τ ο ιςκ ὶ α μ ικ νκω ητ ὸ ό ν . Nach FRASER (wie vorige Anm.) wird Agoranax in Ep. 49 als τ ρ ά κ ε ερ Φ

einschlechter

Schauspieler verspottet.

203 Vgl. auch εἰδόμ ε ν ο νals Spiegelung des identifizierenden Wahrnehmungsvorgangs. Es handelt sich wohl nicht umeine Maske mitzweiverschiedenen Hälften, wieA. W.MAIR, Callimachus. Hymns and Epigrams, Cambridge, Mass. / London 1955 (11921), S. 173 meinte, sondern umein zur Hälfte beschädigtes Stück, vgl. Gow/ PAGE 1965, 2, S. 183 zur Stelle. 1301 (Gruppe B IV 1 c β ). ελέγ ’vgl. GV 1284– ε Zumepigrammatischen Anredetypus ‘μ 204 PEEKGV 1802–1809 (Gruppe B V 8 a), s. oben S. 164 Anm. 116. 205 GUTZWILLER 1998, S. 193. Ebenso überflüssig wäre wohl εἴκ ύ ο σ ιμ ξ ιςin Ep. 55, gehörte α dies zueiner realen Lampe.

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Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

Umschreibungen, aber keine Erklärungen geliefert werden. DasEpigramm schließt mitderKonstatierung deskomischen Defekts. In den beiden vorgestellten kallimacheischen Weihepigrammen bestimmt die fiktive Kommunikation mitdemBetrachter undLeser jeweils die Struktur des Gedichts. In demeinen Fall wird eine ideale Rezeption in wörtlicher Rede vorgeführt, indemanderen eine Interpretation durch potentielle Betrachter desObjekts abgelehnt. ImZusammenhang dieser typisch epigrammatischen Manipulation desLesers präsentiert derEpigrammdichter Informationen zumAussehen der geweihten Gaben, dieer durch unerwartete Vergleiche veranschaulicht. Diegekonnte rhetorische Vereinnahmung desLesers durch den‘sprechenden Gegenstand’bewirkt, daßdieser als ein psychologisches Subjekt erscheint, das mit stringenter Argumentation und einem gewissen Einfühlungsvermögen aufwarten kann. Von entscheidender Bedeutung für die Wirkung beim Leser ist dabei die Selbstdarstellung desjeweiligenWeihgegenstands durch dengewählten Vergleich: DieÜbertreibung indemeinen, die Herabsetzung in demanderen Fall wecken Sympathie mit einem ‘Sprecher’, der sich größer machen will, als er wohl eigentlich ist, der also eine komische Rolle verkörpert. Die Epigramme scheinen also auch daraufhin angelegt zu sein, daß der reale Leser sich von der Rolle des fiktiven Rezipienten intellektuell abheben und sein Vergnügen darin finden kann, die Techniken der epigrammatischen Inszenierung vonSprechakten gleichsam vonaußen zubetrachten. Dieses Verhältnis vonfiktivem Leser (Betrachter) undrealem Leser, in demes umdas Spiel von Identifizierung undDistanzierung geht, machen sich die kaiserzeitlichen epideiktischen Epigrammatiker für manche Pointen zunutze, die manals Weiterführung des von Kallimachos eingeschlagenen Weges verstehen kann. So kehrt die Anrede an denBetrachter in einem anonymen Epigramm unter anderen arithmetischen Aufgaben undRätselspielen wieder, die einen Teil des 14. Buches derAnthologia ausmachen (Anth. Pal. 14, 56):

λ ε ρ φ ὲ νβ ά ο ισ ὺμ σ .σ ὼ έ γ ιδέδορκ ῃ ὶἐ α ς ,κ α ς , νμ Ἄ ᾽ἐσίδ ρ ρἔ ο λ ις ὰ ε ·ο φ ά β ὐγ λ χ λ λ ὐβ ἀ ω έφ ο ὼ γ ρ α α . ᾽ἐ ρὑπ ὰ ρ ·σ ο χ ν ῆ α ὶγ ω ά ε φ ω ι ςδίχ έ ῃ λ , λα ς έλ νδ ᾽ἐϑ ἂ η νχ είλ ά ε τ ή ο ὶδ ὲμ , ἐμ μ φ ω ν ᾽ἀνοιγ ε ό ν α .

Wenndumichansiehst, sehe auch ichdich an. Dublickst mich mitAugen an, ich dich aber nicht: Ich habe ja keine Augen. Wenn du willst, rede ich ohne Stimme. Denn duhast eine Stimme, miraber öffnen sich die Lippen vergeblich.

Zuerraten ist indiesem Rätselgedicht derSprecher, dersich aneinen nicht näher bestimmten Betrachter wendet. Man könnte meinen, das Epigramm beziehe ω ῆ ν αsprechenden ςδ ίχ sich wie viele seiner Vorläufer auf die Metapher des φ Kunstgegenstandes und seiner Inschrift. Der epigrammatischen Tradition zufolge benötigt mandie Augen des Betrachters zur Würdigung eines Kunstwerks, seine Stimme zurLektüre einer Beischrift, damit beides lebendig werden kann.206 Doch 206 KASSEL 1983. Eine Untersuchung überdieEntwicklung desMotivs vom3. Jh. v. Chr. bis zu ρ α γ φ α ία λ ω Plutarch, bei demdie Simonides zugeschriebene Definition vonDichtung als ζ σ ιςσιω ίη ο π αüberliefert ist (Mor. 346 F, vgl. LSJ s. v. ῶ σ αundvonMalerei als π λ ο σ ῦ

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sagt uns der in der Handschrift überlieferte Titel des Gedichts, daß es sich hier um einganz besonderes Objekt, umeinen Spiegel, handelt. Das Spiegelbild gleicht der kommunikativen Struktur der Epigrammtexte in zweifacher Hinsicht. Es täuscht eine Beziehung zu seinem Leser und Betrachter vor, die nur scheinbar nach den Regeln menschlicher sozialer Kommunikation funktioniert. Die Illusion von Nähe ist umso größer, je mehr sich der Betrachter in demBild, der Leser wiederum im Text desEpigramms wiederfindet.207

3.4. Monologische Ich-Rede vonGegenständen undGrabinhabern Die imaginäre Ich-Du-Beziehung zwischen Spiegelbild undBetrachter, die das anonyme literarische Rätselepigramm wie eine Beziehung zwischen sprechendem Denkmal undLeser formuliert, führt uns weiter zu den Hauptakteuren der epigrammatischen Gestaltungen von Sprechakten: zur Darstellung der fiktiven Sprecher. Dabei ist es keineswegs notwendig, daßeine Personalisierung der Sprecherfigurmit derexpliziten Anrede aneinkonkret vorgestelltes Gegenüber –einen Leser oder Betrachter –verbunden wird. Grundsätzlich bietet die traditonelle Rhetorik des klassischen Epigramms zwei Möglichkeiten dermonologischen Rede mitpersonaler Perspektive. Amhäufigsten begegnet die Ich-Rede eines Gegenstandes, diewirin Kombination mitder Anrede andenBetrachter oder Leser inGrab- undWeihepigrammen schon gestreift haben. Eine unbetonte Form der Ich-Rede stellt die bloße Verwendung der 1. Person Singular oder Plural dar. Besonders hervorgehoben werden kann der Sprecher in der 1. Person aber durch den selbstbezüglichen Verweis, den das Pronomen ἐ γ ώ und seine deklinierten Formen enthalten. Die zweite Möglichkeit des personalen Monologisierens besteht in der Vertauschung der Rollen, wie sie zuerst im Fall des ‘anonymous mourner’ der Steinepigramme vorgeführt wird. Hier spricht in der Vorstellung des Epigrammautors der Betrachter und potentielle Adressat von Denkmal undInschrift selbst denText. Der Reiz dieser Epigrammform besteht in einer besonderen konzeptionellen Herausforderung: Wiemotiviert der Dichter das Wissen eines Sprechers, dessen Rolle gewöhnlich darin besteht, sich geduldig belehren zu lassen? Eine Lösung besteht darin, den sprechenden Leser im Akt des Lesens undBelehrtwerdens darzustellen undseine Reaktionen in direkter Rede zu zeigen. Der Monolog des Lesers ist kein einsamer Monolog im strengen Sinne, sondern nur die eine Seite eines imaginären Dialogs mit dem Überbringer der Nachricht über Tododer Dedikation. Kallimacheische Realisierungen beider Arten des personalisierten Monologs, Ich-Rede des Gegenstands undRede des mehr oder weniger ‘informierten’ Betrachters, sollen im folgenden anhand charakteristischer Beispiele betrachtet werden.

), steht noch aus. ZumSpiegelbild in dergriechischen Literatur undKunst s. aber L. ω λ έ λ α Die Bedeutung des Spiegelbilds als ikonographisches Motiv in der antiken Kunst, Tübingen 1990 (Tübinger Studien zur Archäologie undKunstgeschichte 10). 207 S. oben S. 11ff., 117ff. Dies gilt vor allem für Epigramme mit monologischer Rede des Lesers, s. unten S. 200ff. BALENSIEFEN,

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Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

β ο ς , enthält Diebetonte Ich-Rede eines personalisierten Objekts, hier eines τύμ das Epigramm für ein Kenotaph, wie es für auf demMeer verschollene Seeleute vorgesehen war (Ep. 18 = 38 Gow / PAGE):208

ῳ ῆ τ ν ὶγ ςἔϑ ν ε νΛ Ν ά α π ό ο ύ κ ς λ λ κἐ ὶπ ὐ ,ἀ ιο ν ξ ςο ᾽ἐ ν η , μ α ὴ νεἶδ κ α ν ὶψ έν α ῦ νἅ χ υ νἀ ε υμ λ π λ ο ρ ῇ ϑ η ε ν ὅ τ γ ίν μ ρ ο ὲ νἐ νὑ ἰγ ςΑ ὠ ·χ λ ο ε π ε ᾽ἔπ ἔμ ρ ν ό ε γ ὼ κ δ ς ,ἐ β ν ο ω χ ςἔ μ μ α τ λ ω ύ ᾽ἄλ ςοὖν ο ῃ σ σ ά λ γ η ϑ ε α εϑ ε ά λ ῦ α ν ςἔπ ω π ο ·‘φ σ σ ύ ρ ςτό δ ε η κ ρ ε ινἘ γ .’ ίφ ν ω ω ν έν ,ν μ ίσ α υ τ ίλ ε , δυομ υμ σ auf demLand starb Lykos, derNaxier, auf demMeer saher zugleich sein Schiff undsein Leben verloren gehen, als er als Händler vonAigina fuhr; er liegt als Toter imWasser; ich aber, dasGrabmal, trage nurseinen Namen undverkünde dieses allzuwahre Wort: ‘Vermeide, dich mitdemMeer einzulassen, Seemann, wenndieBöckchen (amHimmel) sinken.’

Nicht

Erst im zweiten Pentameter, im Anschluß an den kurzen narrativen Bericht über denToddesLykos,209 wirddeutlich, werderSprecher desTextes ist. Dermit ) eingeleitete zweite Teil des Epigramms stellt eine Reflexion des sprechen(έ δ ὼ γ ἐ β ο ςüber seine Funktion als Kenotaph dar und präsentiert abschließend den τύμ eine Sentenz. Charakteristisch für den Sprechakt in Ep. 18 ist die Problematisierung der Sprecherrolle des Kenotaphs. Das Grab enthält nach eigener Aussage nicht, wieerwartet, einen Toten, wozu dassyntaktisch übergeordnete ἔ χ ω νpassen würde, sondern nur seinen Namen.210 Das aus Leonidas bekannte und vielleicht vondort übernommene Motiv des ‘lügenden Steines’,211derdie Anwesenheit einer Person in einer Grabstätte vortäuscht, bedeutet eine Infragestellung der Autorität des Denkmals. Dieser Eindruck wird hier dadurch verstärkt, daß –anders als im Epigramm des Leonidas von Tarent –nicht der Verschollene, sondern der Grabhügel selbst denSprecher gibt. Falsche undwahre Behauptung sind in denFormu-

1273: Ἑ 208 Vgl. Ep. 17, 47, 58 sowie Eur. Hec. 1270– κ .: ϑ α ν ο ῦ ϑ ᾽ἐν σ ᾽ἢζ ά αδ δ᾽ἐκπ ω ῶ σ σ ή λ ῆ ρ φ ςἐπ ῳ ο ή δ κ ὸ .: μ νμ ή ε μ σ ῳ ᾽ὀν τ α β ασ ι... / Ἑ δ ο λ ε κ κ ῷ · τύμ α σ ῦ ο ν α .: ϑ ο ;/Π β ίο ν † † ῆ ῖς ;/Π ο ςἐρε ῆ .: κυ ςἐμ τ ιτ ν ; zudiesem Motiv s. ὸ α ρ η μ , να υ ςτα τ ίλ λ α ο ίν α ιςτέκμ ςσῆ PEARCE 1983, s. ferner oben S. 62 mit Anm. 142. 209 Die epigrammatische Kürze entsteht hier durch das Zeugma ν ὴ α ὶψ ν... μ ακ υ χ α ῦ νἅ η ν . Dabei entspricht sowohl die Verbindung von Konkretem undAbstraktem μ ν έ ἀ π ο λ λ υ als auch diejenige vonobjektivem Bericht undseiner Deutung, die in dieser Kombination vonWorten liegt, demkallimacheischen Stil, vgl. Ep. 19. 210 Vgl. die Parallelen bei Gow/ PAGE 1965, 2, S. 195, die sich gegen die auch in der Überset, Bd. nurdemNamen nacheinGrab“ zungBECKBYs übernommene Interpretation HECKERs („ μ inderBedeutung ‘nureinName’vgl. Od.4, 710 undTheokr. α 2, S. 163) wenden. Zuὀν ο / οὔνο ) verweist Kallimachos besonders oft, s. Ep. 5, 6; μ α μ α ν 16, 97. AufdenNamen (ὀ ο 7, 3; 15,2; 17,4. Zuἔ χ ω imSinne von‘einen Toten festhalten’vgl. unten S. 189. γ ὲ νπ ὼμ τ ῳ ν ό ἀ 211 Anth. Pal. 7, 273 = Leonidas of Tarentum 62 Gow / PAGE, V. 5f.: κ ; s. Coco 1988, S. ο / οἴχημ ς ίϑ ιλ α τ ι, ψ σ η ε μ ο τ α ε ύ σ τ ςδ ᾽οὗ ςἐπ ρ ικύ σ ύ ν ο μ ε ςἰχϑ ύ ε δ ιν ῦ νδ ν ὲ νἐ ᾽ὁμ 95f. –Vgl. aber auch Anth. Pal. 7, 496 = ‘Simonides’ 68 FGE, V. 5f.: ν ο ι, dasdemSiφ ιτά σ ῶ δ εβο ὶτῇ ν ε ο ε κ ν / να υ τ ιλ ίη ρ ρ ε ῖα ὸ ν α ςνέκ υ υ ρ ε ς ,ο ἱδ ὲβ ῳ κ π ό ν τ monides zugeschrieben wird, vondemjedoch nicht sicher bestimmt werden kann, obes voroder nachkallimacheisch ist (HAUVETTE 1907, S. 320f.), vgl. Gow/ PAGE 1965, 2, S. 199.

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ρ ύ β lierungen ἄ ο σ η σ η ϑ ω π ςἔχ ω νundκ ε α ν ά ςἔπος212einλ μ λ λ ω ατύμ ςοὔν ο ander gegenübergestellt. Als Ersatz für die Anwesenheit des Toten bietet der fiktive Sprecher des Epigramms eine durch κηρύσσω 213eingeleitete wahre Vorhersage, dieunabhängig vomDenkmal Gültigkeit besitzt. DieGefährlichkeit desMeeres zu einer bestimmten Jahreszeit, durch das sinkende Gestirn symbolisiert, ist ein gemeinhin akzeptierter Topos.214 Verba dicendi in Steinepigrammen leiten gewöhnlich die Mitteilung über denNamen des Besitzers der Grabstätte ein. So ist die Wendung zu einer allgemeinen Schlußfolgerung hier eine bewußte Abweichung vomMuster. Es ist daher konsequent, daß der τύμ β ο ςdes Lykos nicht denanonymenLeser, denπ ρ ιώ νoder ξέν α ο ς , sondern denseefahrenden Schicksalsgenossen des Händlers avisiert.215 Es ist denkbar, das Kallimachos durch die Wahl dieser Anrede andenSeemann dasBild eines Grabs amMeer andeuten will. Derstrukturgebende Sprechakt inEp. 18 ist eine Reflexion desSprechers über seine eigene Funktion als κ ε ν ὸ ςτά φ ο ς . Der notorische Verweis auf das eigene Tunist im Steinepigramm zwar vorgebildet, hier aber als ein wirklich glaubwürdiger Gedankengang eines wissenden Subjekts gestaltet. Die literarische Weiterentwicklung dieser Personalisierung der Sprecherrolle zeigt ein Epigramm des 1. Jahrhunderts n. Chr., das Honestos von Byzanz offenbar als eine Variation über das kallimacheische Gedicht schrieb. Honestos legt darin den Akzent noch deutlicher aufdasMotiv desKenotaphs undseine ‘Aktivitäten’(Anth. Pal. 7, 274): ρ ύ σ σ ὴ η ω ο ν Τ κ λ ιμ έ ο μ α κ ςε ἰςἅ Ο ν ο ὔ ρ λ α ικ π ῃ σ η κ μ ,π επ ν τ ο τ έ ν π ά ῦπ ο ο τ ρ υ έ κ ς . ὶν ᾽ἄ ᾽ἐσ τ γ ὴ νἰχϑ ο ηφ ά ύ ε ὲπ ισ δ σ ς ερ , ἡδ νδ ὸ ᾽ἤ ῖ, τ ἰα α μ ρ μ α ά γ ρ τ ο γ ρ η ὼ ν τ ο ε ὸμ π έτ ά ςἐ τ ϑ υ ν ὲ ἔ χ ω .

DenNamen desTimokles

verkünde

ich, überallhin auf das Meer blickend, wo

denn der Leichnam ist. Ach, ihn haben schon die Fische gefressen; ich aber, einüberflüssiger Stein, trage eine vergeblich gemeißelte Inschrift.

Der kaiserzeitliche Autor dieses Epigramms verstärkt das personale Element der Subjektivität, dasin der Ich-Rede angelegt ist, indem er das Denkmal suchend übers Meer schauen und schließlich sogar klagen läßt. Der Sprecher des kallimacheischen Epigramms dagegen demonstriert sein Wissen. Auf einer imaginären Skala der Perspektivierung steht er demauktorialen Sprecher näher als dempersonalen. Honestos variiert die Begriffe, mit denen die Funktion des ‘Denkmals’ beschrieben wird. Anstelle des kallimacheischen ο ρ μ ύ α... ἔ η σ σ χ ω ω ὔ ν ο und κ 212 Diesen Gebrauch von ἔπ ο ςals ‘wahre Vorhersage’ gibt es schon in Od. 19, 565; zu η λ ν α π α ή ϑ ςs. Aischyl. Sept. 722, Plat. Rep. 583 b. 213 κ ρ η ύ σ σ ε ινzur Einleitung einer direkten Rede im Epigramm findet sich auch in CEG 2, 632 (371 v. Chr.); Subjekt sind hier geweihte Beutewaffen. 214 Zeitgenössische Parallelen führen Gow/ PAGE 1965, 2, S. 195 an. HAUVETTE 1907, S. 320 spekuliert darüber, ob der letzte Vers eine Anspielung auf Arat (Phain. 158) beinhalten 1669 (Gruppe B V 3). könnte. Zu Sentenzen im Epigramm vgl. PEEKGV 1636– 215 S. ν α υ τ ίλ εin V.6. Inanderen Epigrammen desKallimachos ergibt sich dieEinschränkung derAdressatengruppe ausanderen Gründen: Ausdrücklich andenmännlichen Leser wendet sich die Priesterin der weiblichen Gottheiten in Ep. 40; in Ep. 47 wird die spezielle Festgemeinde dessamothrakischen Kabirenheiligtums apostrophiert, s. oben S. 152ff. (Tabelle II).

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

ὸ ρ ύ σ σ ω und τ η μ ακ ο η ϑ ε π ςἔπ α ο ςheißt es bei ihm konventioneller οὔν ν λ ά μ ά η μ ρ τ μ νγ ατορευ ά ϑ ὲ νἔ χ ω . Während Kallimachos in Ep. 18 in erster Linie ‘audible thought’ auf die Bühne der epigrammatischen Inszenierung bringt, legt ο ) der ς έ τρ Honestos mehr Wert auf Emotionalität undkonkrete Beschaffenheit (π sprechenden Figur. Kallimachos läßt inseinen Denkmalepigrammen, auchindenen, deren Pointe in der Gestaltung der Leserrolle liegt, das Adynaton der stimmlos sprechenden Buchstaben oder Schrift bestehen, obwohl die Tradition des Epigramms Möglichkeiten zurAbmilderung oder Auflösung 6 bereithielt.2 1 liegt in dem kalli1 Eine durch ein dreifaches Signal betonte 7 Ich-Rede2 macheischen Epigramm aufeine privat aufgestellte Figur oder ein8Relief 1 vor,2 die einen thrakischen Reitergott als Wächter des Hauses zeigt (Ep. 24 = 60 Gow / PAGE):

ω ε ίτ λ ο ιπ φ ο μ ςἈμ ίω ν ϑ ο ω ρ ἰετ α τ ςἐπ ίσ ςΑ Ἥ ρ μ ὸ ικ ρ ρ ο ςἐ ικ ῷ π ὶπ μ α ιμ υ ϑ ἵδρ ῳ ρ ύ ρ ὶ†ἰπ ο νἔχ ῦ ν ο ω ε νξίφ ίω ι ·ἀ ν δ λ ο α ὶμ φ ινκ ο νὄ ὸ ξ ς ω ϑ ϑ ε υμ ὶςπ ε ῳ μ ρ κ ίσ . τ ο α ν ὲπ κ α ζ ἀ ὸ Als Heros219 des Aietion aus Amphipolis, als Wächter, bin ich aufgestellt, klein in derkleinen Vorhalle, undhalte nureine gekrümmte Schlange undein Schwert. Weil er einem Reiter220 zürnte, hat er auch mich zu Fußbei sich einquartiert.221

Wenn, wie Gow/ PAGEvermuten, der Kult solcher Heroen undGötter π ὸ ρ π ύ λ α ιςundderBrauch, ihre Bilder aufzustellen, älter sind als dieerhaltenen römischen Beispiele, bezieht sich dasEpigramm aufeinen Bildtypus, derdemLeser des Kallimachos-Epigramms bekannt gewesen sein muß. Es beschreibt underklärt eine Eigenheit, die das individuelle Bild von dengewöhnlichen Exemplaren unterschei-

216 Vgl. S. 202ff. zu Ep. 15. Anders ist dies in jüngeren Epigrammen, die den Gegensatz zwischen der Materialität des fiktiven Denkmals und seiner kommunikativen Funktion auf vielfältige Weise direkt ansprechen: Anth. Pal. 6, 269, 1f.: π τ᾽ ό α ῖδ ε ν ο ατ ς , ἄ φ ω ῖσ ςἐο ω ν α ι, / φ ἶτ ὰ ,α ιςἐρητ ν ω έ νἀ π μ ἐν κ α ά τ α νκατϑεμ ; Anth. Pal. 7, 481, 1: έ ν ρ απ ν ὸπ ο δ ῶ ρ α ύ ϑ ἁ σ τ ο ά λ αβ υ σ αλέγ ε ιτά ε δ μ άτ ε ; Anth. Pal. 7, 262, 1: α μ ῆ α μ ,τ ίσ ρ ά ή ὐ σ ιτ ε δ ὸγ κ α ὶτ ίςὑ π τ ὐ ᾽α ; Anth. Pal. 7, 428, 19: τ ῷ ὸδ ᾽οὔν μ α ο π ρ έ ο τ ςἀ ε ι; Umdeutungen liegen ε ίδ vorinAnth. Pal. 14, 45, 3 (φ ϑ μ α ιο γ ο ὐλαλ έ νwird vonder Schreibtinte gesagt) und ω έγ Anth. Pal. 11, 218, 3 (κ α γ τ λ ά ω σ σ ᾽ἐπ μ α ό τ ε ή α ιτ , eine nur auf den ersten Blick ὰπ ο uneindeutige Obszönität).

217 Vgl. die Ich-Rede in ἵδρ μ α υ ι, ἔχ ω ν ,κ μ ἀ έ(V. 2, 3, 4).

218 Gow/ PAGE1965, 2, S. 212 nennen vergleichbare thrakische Reliefs aus römischer Zeit, s. auch FRASER 1972, 1, S. 583 undAnm. 226. DasEpigramm konnte zuerst vonP. ROUSSEL, 274 in Interprétation d’une épigramme de Callimaque (ep. 24), REG 34, 1921, S. 266– weiten Teilen geklärt werden, s. HERTER 1937, S. 185; FRASER 1972, 2, S. 828 schließt sich an. 219 Heros (auch Heron) ist die Bezeichnung desGottes, s. FRASER 1972, 1, S. 583; WEBER 1993, S. 341 Anm. 7. 220 Das Ende von V. 3 verwendet vielleicht mit ἀ ρ ν ὶδ δ einen terminus technicus, ᾽ἐφ ῳ π ίπ FRASER 1972, 2, 827f. Anm. 225. 221 FRASER 1972, 1, S. 583 verteidigt diese Pointe gegenüber WILAMOWITZ 1924, 2, S. 127, Anm. 1.

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det unddenBetrachter überraschen muß. Der Heros reitet nicht, noch führt er ein Pferd amZügel, sondern hält statt des Reittieres lediglich (μ ο ῦ ν ο νἔχ ω ) Schlanν ge undSchwert.222 Die Darstellung solcher Eigentümlichkeiten imEpigramm folgt zwei Tendenzen. Entweder wird, wieimFalle derüberaus strahlenden Lampe des Kallistion-Epigramms, eine besonders lobenswerte Qualität gepriesen; oder aber – einsolches Epigramm ist unsindemGedicht aufdieMaske desPamphilos begegnet –ein Defekt des Gegenstandes oder eine den Erwartungen des Betrachters zuwiderlaufende Eigenschaft erscheint als erklärungsbedürftig und wird daher besonders hervorgehoben. Dann ist es häufig gerade die Bescheidenheit, in die der Sprecher seinen Stolz legt. Die Identifizierung des Sprechers mit demDenkmalsobjekt in der Ich-Rede ist ein Mittel, denAkzent des Gedichts vondenbeteiligten Personen auf denGegenstand selbst zu verschieben, der so zudem den Anschein persönlich verbürgter, authentischer Rede erweckt.223 InEp. 24 herrscht dieTendenz derBescheidenheit vor, nicht nur, weil derHeros desAietion aufdasihmsonst wohl zustehende Pferd verzichtet, sondern auch, ρ μ ικ ὸ weil er ausdrücklich μ ρ ςἐ ρ ῷ ο π ικ ὶπ ϑ steht. Der Preis der Weihgabe ῳ ρ ύ oder desVerstorbenen alsdaszentrale Thema derEpigramme läßt die Stifter inder Regel eher die Schönheit und Größe des Gegenstands betonen.224 Kallimachos wählt bisweilen bewußt kleine Gegenstände für seine Weihepigramme. Verwiesen sei hier nurauf die Muschel in Ep. 5 (= 14 Gow/ PAGE) undauf das bescheidene Salzfäßchen inEp. 47 (= 28 Gow/ PAGE). Ebenso hat er einen Teil seiner fiktiven Epitaphien auf imwörtlichen undimübertragenen Sinne ‘kleine Leute’ verfaßt.225 ρ ό ικ AufMikylos, der einen von μ ςabgeleiteten Namen trägt,226 unddie Bescheidenheit ebendieses Grabinhabers bezieht sich Ep. 26 (= 47 Gow/ PAGE):

ίο νο νβ ο ὔ τ ετ νὀλίγ ῶ ιδειν ρ ικ ό νἀ ὸσμ ν π ο Ε ἷχ ῥ νοὐ ν έ ω δ έ α έ ικ .Γ τ δ ὔ α ᾽ἀ ῖα νο φ ω ζ ίλ η , ή τ εσ ὺκο ν ῄ ε σ α ,μ ν ἐπ ρ ὸ η ύ φ η ν ο ιπ ο λ ςε ἴτ ύ ικ Μ γ ίν ε ή τ ομ ᾽ἄ λ λ ο ιδα ο ν ε ίμ ςο ἵμ ᾽ἔχετ ε .

Ich lebte ein bescheidenes Leben in kleinen

Verhältnissen und habe nichts Schlimmes getan noch jemandem Unrecht zugefügt. Liebe Erde, wenn ich, Mikylos, etwas Schlechtes gutgeheißen habe, brauchst dumirnicht leicht zu werden undauch ihranderen Götter nicht, dieihrmichhier haltet.

222 ἀ π ὸκ ο ιν ο ῦ , WILAMOWITZ 1924, 2, S. 127, vgl. oben S. 160. 223 Die Unbeweglichkeit und Verläßlichkeit des Heros wird durch ἐπ μ α ι– ίσ μ τ ο α ϑ ς–ἵδρυ κ ίσ οbesonders betont. ῳ α τ ρ π α ρ 224 Einzige Ausnahme ist CEG 1, 309 (= IG I3, 1017), V. 2: hε α κ λ έ μ ε [ι] σ ρ ικ ν[τ ὸ όν]|δ ε 480?, ausderGegend von ν , eine heute verlorene Basis mitKapitell, ca. 500– ρ ό π ο λ ο ϑ ε ο ιπ ικ ρ ὰΜ ρ υ τ ) und CEG 2, 662, V. ώ Phaleron in Attika. Vgl. ansonsten aber CEG 2, 713 (μ ὴ νο ). Ein beliebtes Adjektiv ist dagegen μ η ν ὐ κὀλίγ 3f. (π α ρ ν–ἀρετ ῖδ ό μ ικ γ α α σ έ ς , vgl. die zahlreichen Indexeinträge in CEG 1, S. 282 und2, S. 332. ZumMotiv des ‘kleinen Grabes / großen Ruhmes’s. PFOHL 1983, Sp.475.

225 Ep. 11, 26, 50. 226 Gow/ PAGE 1965, 2, S. 200.

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

Die Interpretation desMikylos-Epigramms ist, wie die Deutung vieler anderer kallimacheischer Epigramme, ganz von der Kontroverse umden ‘Sitz im Leben’ des Kallimachos gekennzeichnet.227 Der Epitaph auf einen „poor but honest man“ 228 ist jedoch zunächst auch ohne die Annahme eines besonderen biographischen Hintergrunds verständlich. Mikylos beruft sich auf den Topos des ‘sit tibi terra levis’ undbittet die Erde, die zugleich in ihrer physikalischen Gestalt wie auch als vergöttlichtes Wesen angeredet wird, und die übrigen Götter der Unterwelt,229 daßgerade so, wie er in Tat undGedanken bescheiden gelebt habe, auch sie behutsam mitihmumgehen mögen. DerAufbau derRede geschieht durch eine Analogie zwischen derBescheidenheit deräußeren Verhältnisse unddemAnspruch auf moralische Integrität.230 Wer in kleinen Verhältnissen lebte, kann auch kein großes Unrecht begehen: Daher möge auch die Erde nicht ‘groß’ auf ihmlasten. Entsprechend schlicht ist auch das Epigramm. An dem Gedicht auf Mikylos fällt dennoch eine gewisse Unbestimmtheit auf. Wenn das Leben des Mikylos darauf hinausläuft, daß er niemandem lästig wurde, dann könnte eine Pointe des Epigramms in einer bewußten Ambivalenz von ε ῄ ν ρ ε σ ὸ αgelegen haνἐπ η ἴτ ιπ ο ν ben, die denAdressaten des Kallimachos verständlich war. Die Formulierung erscheint so offen, daßsie aufverschiedene Situationen undBereiche anwendbar ist, darunter auchdenderLiteraturkritik.231 Ganz anders dagegen präsentiert sich das Steinepigramm auf demGrab eines Smikros, das den Gegensatz zwischen der Statur des Namensträgers und seiner Tugend ausspielt unddamit den landläufigen Vorstellungen sepulkraler Topik si3a):232 cher eher entspricht als das Gedicht des Kallimachos (GV 101, V. 1– 572, WILAMOWITZ 1924, 1, S. 227 Während G. KAIBEL, Sepulcralia, Hermes 35, 1900, S. 567– 176, CAHEN 1929, S. 217, O. Kern, Δ ο ν ε ι, Archiv für Religionswissenschaft 30, ςἄ ο α ίμ λ λ 205 undBUM1940, S. 38 das Epigramm für eine wirkliche Auftragsarbeit aus 1933, S. 203– der Frühzeit des Dichters halten, gilt es für HAUVETTE 1907, S. 318 undGow/ PAGE 1965,

2, S. 200 vorsichtiger als „presumably

fictitious epitaph“ .

228 Gow / PAGE 1965, a. a. O. Zum Topos vgl. die Geschichte des Atheners Tellos und des Kroisos beiHdt. 1, 30f. Derarkadische Bauer Aglaos vonPsophis, dendasdelphische Ora-

kel als glücklicheren

Menschen als denKönig bezeichnete, ist ein weiteres Beispiel fürdie Beliebtheit des Motivs, vgl. Plin. Nat. hist. 7, 151; Val. Max. 7, 1, 2. 229 DieKonstruktion ist wieder zeugmatisch; Gow/ PAGE1965 vergleichen zuἄ λ λ ο ιδαίμ ο ε ν ς Aischyl. Pers. 641: Γ ᾶτ εκ α ὶἄ λ ό ν λ ε ο ιχϑ εμ ν ο ίω ; zuUnterweltsvorstellungen des νἁγ ς Kallimachos WILAMOWITZ 1924, 1, S. 176; HERTER 1937, S. 185; GUTZWILLER 1998, S. 211. ZuEp. 26 vgl. ferner unten S. 219f. 204– 1726 (Gruppe B V 6 a: „Koordinierender 230 Vgl. die inschriftlichen Vorbilder bei GV1702– ). Typus: Verhältnisse desToten werden zudenen desLebenden inBeziehung gesetzt“ 231 Mit ἐπ α ιν ε ῖνbezeichnet Platon, Ion 536 d und541 e, die öffentlichen Vorträge des RhapsodenzumPreis desDichters Homer. Ob sich Mikylos allerdings dadurch verdient gemacht hat, daß er keine schlechten Elogien vortrug oder sich in seinem Urteil über Literatur zurückhielt, läßt sich ausdemText nicht erweisen. Hellenistische Anekdoten überverärgerte Zuhörer bei langweiligen Rezitationen sammelt CAMERON 1995, S. 51f. Zu V. 3 vgl. auch Ep. 8, 5, wounredliches Denken mit schlechtem Dichten gleichgesetzt wird. 232 CIRB 118 mit geringfügigen Differenzen; vgl. auch BERNAND 1969, Nr. 49 (GV 1845), V. ,π ,| ν ό λ ε ν ειῶ ω λ η 3f.: Ὦ ,ϑ ν γ ῶ ε ή ρ η ικ ά , λέγ σ ,μ λ τ ε ιςδ ν/ |ἀνδρ ο τ ισ ρ ᾽|ὅ ὸ τ ςἄ ν α ιπ τ η ς(Ägypten, Kaiserzeit). τ έ σ ν ἄ ϑ ο [ς ὅ σ ο χ , ὑ]π

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μ α ,ὃ ρ ο μ ίκ υσῆ ςπ τ ιν(ἔη ίσ Σ ν|μ ιτ ὸδίκ α γ ,ὧ ν| ς ιο α έ η μ γ ρ ικ ν γ ώ ή τ οἐ σ τ σ ύ ε ω ν κφ | ῥιζό ἐ ε ς ϑ ,| ν| ... α ίδ ιπ α α σ ευσ ῦ ο Μ μ τ ὸ

·

Dies ist das Grabmal des Smikros, der groß war in seiner Zuverlässigkeit, demdas Gerechte vonNatur aus fest im Sinn eingewurzelt war, dendie Musengebildet haben ... Während die Präsentation des Motivs von Kleinheit undGröße im Steinepigramm miteinfacheren Strukturen derAussage wieAnalogie undAntithese einhergeht, mit formalen Stereotypen also, die PEEK als „ koordinierenden Typus“oder ausschließenden Typus“kategorisiert,233 erweisen sich die kallimacheischen Ar„ gumentationen mitdergeringen Dimension als origineller undvielschichtiger. Solche Quantitätsdiskussionen sind geradezu ein kallimacheisches Leitmotiv.234 So läßt sich hier dasBeispiel eines Epigramms in der Form der Ich-Rede anschließen, das anstelle der moralischen Implikationen von Kleinheit oder Größe die Tugend derkurzen Rede zuseinem Hauptgegenstand macht (Ep. 11= 35 GOW/ PAGE):

ρ ὰ α κ λ ο έ ςο ὐμ ὶστίχ μ ο α ὁξεῖν ν ςἦ ξ ο ω ν ο , ὃκ τ ς ν Σ ύ ‘Θ ρ ῆ ιςἈ ρ ισ ’ἐ ή πἐ τ ρ ς α ίο υΚ . ς ό ιχ ὶδολ ο μ ᾽ der Vers, umauch nur kurz zu saWortkarg warder Fremde, weshalb auch gen: ‘Theris, SohndesAristaios, Kreter’, aufmir(doch) einlanger ist. DasEpigramm liest sich wie eine semantische Studie zumWortfeld ‘Kleinheit’ ρ ό ικ ρ ςundμ α κ ό undzu diversen Synonymen zu μ ς . Die nurselten belegte Verwendung von σ μ ύ ν ο τ ο ςfür eine Person hat der Forschung Schwierigkeiten gemacht.235 So scheint insbesondere die Interpretation von GOW/ PAGE 1965, hier spreche eine beschriftete Grabstatue deskleingewachsenen Theris, auf der nurwenigPlatz fürdieInschrift sei, einen guten Sinn zuergeben, doch hat sich diese Ansicht nicht durchgesetzt.236 Wenn auch dasvergleichbare Kreter-Epigramm des Po233 PEEK, GV, S. XXI– XXII. 234 Vgl. jetzt ASPER 1997, S. 135ff., bes. S. 137f. 235 σ ύ ν τ μ ο ο ς‘zusammengeschnitten, konzise’, bezieht sich meistens auf einen kurzen Weg (vgl. die zahlreichen Belege bei Hdt. u. a., die LSJ s. v. anführen) oder aber auf die knappe Rede (ebd. 2.). S. ferner PFEIFFER 2, 1953, S. 83 z. St.; HERTER 1937, S. 186. PFEIFFER verweist auf Aischin. 2, 51, 1, woderRedner selbst so bezeichnet wird; vgl. jetzt auch SHFr. 339 A 11: κ ρσύντομ α ὰ ὶγ ό ςτ ιςκ α ὶο ὐ/ [... In demPapyrusfragment könnte aber auch ῦ ϑ ο ςdasdazugehörige Substantiv sein. DerZusammenhang ist poetologisch. σ τ ίχ ο ςoder μ 236 Die ältere Forschung findet sich bei HAUVETTE 1907, S. 315– 317 zusammengefaßt. WILAμ ο ύ ν τ ςkönne hier nur ‘wortkarg’ heißen, woο MOWITZ 1924, 2, S. 121 war der Ansicht, σ gegen sich GOW / PAGE1965, 2, S. 192 wenden, vgl. auch Coco 1988, S. 84. GUTZWILLER 200 verteidigt dieInterpretation vonWILAMOWITZ mitHinweis auf die neue 1998, S. 198– Parallele bei Poseidipp (XV 24–27 BASTIANINI / GALLAZZI), s. auch M. GRONEWALD, Der neue Poseidippos und Kallimachos Epigramm 35, ZPE 99, 1993, S. 28f.; E. VOUTIRAS, Wortkarge Söldner? Ein Interpretationsvorschlag zumneuen Poseidippos, ZPE 104, 1994, 30; zur Wortkargheit der Kreter s. schon LAUSBERG 1982, S. 22 und 31, hier S. 28– S. 27– Anm. 17, S. 175. Der Witz des Kallimachos-Epigramms könnte aber auch gerade in einer μ ο ύ ν τ ςbestehen. WILAMOWITZ vereinfacht den Sinn, damit das EpiAmbivalenz von σ ο

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Autor

undLeser in denEpigrammen desKallimachos

μ ω ή νdenFall nicht entρ ρ ο λ ιγ seidippos mitdemeindeutig charakterisierenden ὀ scheiden kann, so scheint doch der Sprachgebrauch für eine Verwendung von ο μ ςimSinne von‘wortkarg’undgegen dieBedeutung ‘kurz gewachsen’zu το ν σ ύ ο λ ιχ ό ς(‘lang’) ist mehrdeutig: Es kann sowohl lokale als auch sprechen. Auch δ temporale Bedeutung haben, also entweder eine Strecke oder einen Zeitraum speο ιχ λ ό ςdie räumliche Ausdehnung eines inschriftlichen zifizieren. Hier bezeichnet δ Verses, der gesprochen doch eigentlich kurz ist. Der Sinn des Epigramms muß demnach etwa folgender sein: Derfiktive Sprecher derInschrift –oder wenigstens fiktiven Inschrift –übernimmt von ‘seinem’Grabinhaber einen neuen, etwas überraschenden Maßstab dafür, wasals eine kurze Rede zugelten hat. Er kommt dabei zuderFeststellung, daßfürdasGrab eines Kreters jeder Vers undjede Inschrift zu lang ist, will mandemCharakter des Inhabers entsprechen. Ist dieses Verständnis des Epigramms richtig, rückt das Theris-Epigramm in die Nähe der sich funktional beinahe selbst aufhebenden Timon-Epigramme, die ihr Format dafür nutzen, das Mißvergnügen an der epigrammatischen Kommunikation zu äußern. Das Paradoxon inEp. 11–daßein Sprecher gerade in demBemühen, wenig zusagen, umständlich wird –entwickelt Kallimachos aus einer epigrammtypischen Abundanz: der Ich-Rede eines Gegenstands, der wiederum (mit einem verbum dicendi) einen π ᾽ἐμ ο ίverweist auf eine Stele Teil seiner selbst als zweiten Sprecher einführt.237 ἐ oder Statue, σ ο τ ίχ ς... λέξ νauf die zitierte Namensinschrift, möglicherweise ω auch auf dasganze Epigramm.238 Der fiktive Sprecher ‘spaltet’ sich somit in zwei Aspekte –Denkmal undInschrift –auf, eine Aussageform, die mit der personalen Auffassung der Sprecherrolle eigentlich unvereinbar ist. Daß sich das Prinzip der Kürze im literarischen Epigramm zu einer ästhetischen Norm entwickelt, ist bekannt. Das Steinepigramm jedoch bleibt seiner Abhängigkeit von anderen literarischen Gattungen zum Trotz konsequent umständlich, wie ein kaiserzeitliches, demkallimacheischen Theris-Epigramm verwandtes 14 = V. 1– Beispiel zeigt (MERKELBACH / STAUBER 04 / 05 / 06, Z. 10– 4):239 μ ήμ εμ α ρ κ ο ῖςἐπ έ ε σ ῃ σ ιν π ἐ λ π ο ὶστή ῳ β , ὶτύμ |τ η ή σ τ εἐ νδολ ὦ τ μ έ ν α κ ίχ κ οσ ο ις|ἐλέγ ις ο · ν ὄν ο ρ ρἦ ν μ ό ν τό ά ο π γ ψ ε α ιτ · ὰ λ ε λ ἀ ο ιἐγ τ ὐ όμ ᾽α |μ ῳΔ ρ ο ]τ ς ὡ ό ιμ .| ςἄ κ νβι[ό ᾽ἐκλῄ|ζ ]μ νἐ ᾽ ,ἦ [έ ετ · Schmückt mich nicht, ihr Kinder, am Grab mit langen poetischen Worten auf dem Grabstein in langatmigen Elegien, sondern schreibt gramm als echte Grabschrift tauglich erscheint. Kallimachos s. ASPER 1997, S. 138 Anm. 19.

ZurBedeutung desQuantitätsarguments bei

ὴτεχνή ὐ δ 237 Vgl. bes. CEG 1, 429 = MERKELBACH / STAUBER 01 / 12 / 05: α ε σ σ , αλ υ ο ίϑ γ ε..., aber auch die Doppelung der Sprecherrolle in CEG 1, 108 oder 173. λ έ τ 238 σ ίχ ο ςkann sowohl den Vers, z. B. bei Aristoph. Ran. 1239, als auch (allerdings injüngerenTexten) dieProsazeile bezeichnen, vgl. LSJ s. v. Dieebd. erwähnte Inschrift ausKoptos (Qift), 2. Jh. n. Chr. (?): Ἴ , /|χ ν ή ι ίδ χ φ ὐ υ ε γ λ α δ ὠ ά ν ιδ δ σ ᾶ ισ ιτή ᾽ἀνέ|ϑ ο ισ ςδορκ μ κ ᾽Ἀ η γ λ ά ο ςimSinne von‘Epigramm’(BERNAND |ψ α ν|αὐ νστίχ ο ὸ ςτ , verwendet στίχ υ ὸ ςἔφ τ 1969, Nr. 105), s. dort auch S. 404f. mit Anm. 13. ; Übersetzung ebd. 239 Thyateira, „hohe, vielleicht sogar späte Kaiserzeit“

DieInszenierung desSprechakts

193

nurdenNamen ein, denich hatte; also: Wie ihr mich gerufen habt, war ). ich imLeben: Dokimos (= „Bewährt“

ImVergleich zu diesem inschriftlichen Gedicht setzt dasEpigramm des Kallimachos dieVorstellung vonKürze allerdings besser um.Wieaber ist dieparadoxe Inszenierung der Sprecherrolle in Ep. 11 zu verstehen? Nach GUTZWILLER 1998 verweist die demonstrativ als Fiktion vorgeführte und dadurch gleichsam dekonstruierte Sprecherrolle auf die tatsächliche Bestimmung des Buchepigramms, das eine Aussage des Autors präsentiert. Auch die Klage des fiktiven Sprechers über die Länge des Distichons ist danach auf die Buchform des Epigramms bezogen. Entscheidend für die Argumentation ist aber der bewußte Bruch der fiktiven Illusion.240 Eine Schwierigkeit bei dieser Interpretation der Sprecherrollen liegt darin, daßauch dasSteinepigramm alles andere als eine perfekte Illusion bietet. Das Paradoxon, das Kallimachos vorführt, ist kein ganz neues, sondern nur ein zugespitztes. So ist eine gewisse Vorsicht geboten, wennes darum geht, ausderGestaltung der Sprecherrollen unmittelbar auf eine poetologische Aussage des Epigrammatikers zuschließen. Es scheint miraber sehr wahrscheinlich, daßEp. 11 in scherzhafter Manier auf eine alexandrinische Diskussion imKreis derDichter über die ‘kleine Form’imBereich ihrer Profession reagiert.241 Auch von daher könnte sich das Faible fürdieDarstellung kleiner Gegenstände indenEpigrammen erklären. Die Verschmelzung konventioneller epigrammatischer Themen mit anderen Aussageebenen kehrt in einem Epigramm des Kallimachos wieder, dessen Gegenstand dieWeihung einer Maske desDionysos ist (Ep. 48 = 26 GOW/ PAGE): ο ὲΣ ὺ ῖμ ςὁΜ ςἐμ α μ ίκ οδιδο κ ο ὐ ῖτ υ Ε ϑ νᾐτε ίη τ α ῖςΜ ·α ύ ο ἱδ σ α ὲΓλ ις α ῦ κ ο ςὅ κ ω ςἔδο σ α ν γ ὼ δ᾽ἀ γ ν ρ .ἐ ο α δ έ ῶ ν υμ ο ὰτ ῇ τ᾽ὀλίγ δ ν εκεχη ἀ ν ώ ς ίο υδιπ μ λ ο ν ό ὁτραγ ικ ιτ α ο ῦΣ α ό ῖμ ς κ ε ρ π ίω α ιδ γ ν ·ο ο ἱδ Δ ή α υ ιό κ ν σ ὲλ ο υ ο σ ο ιν έ ς ςἐπ ’, τοὐ μ ὸ νὄν ο ρἐμ ί. ε ια ο μ ς ό κ α λ ὸ ρ ςὁπ ἱε ‘ Umgutes Lernen bat Simos, Sohn des Mikkos, als er mich den Musen gab. Sie aber gaben wie Glaukos für eine kleine eine große Gabe. Undich, ich bin hier aufgestellt, gähnend zweimal so groß wie der samische, der tragische Dionysos, undmußaufdieKinder hören. Sie aber sagen: „ heilig dieLocke“– ich höre es schon imTraum. Trotz seiner relativen Länge erweist sich die Inszenierung der Sprecherrollen als außerordentlich abwechslungsreich. Die Aussage wird in Form einer Ich-Rede des Gegenstands entwickelt, die allerdings mehr als die ursprüngliche Selbstvorstellung eines Kunstobjekts beinhaltet. Auf einen Bericht in Vergangenheitsform über die Umstände, die zur Weihung gerade dieses Objekts führten, folgt eine Schilderung deraugenblicklichen Situation. DerDichter wählt für seinen Sprechakt 240 GUTZWILLER 1998, S. 198– 200. 241 Vgl. MEYER 1993a, S. 173– 175; GUTZWILLER 1998, S. 200 Anm. 42. Eine andere Frage ist, ob Kallimachos hier zugunsten der kleinen Form Stellung bezieht; LAUSBERG 1982, S. 37 und 74 will zeigen, wie hier Kürze selbst zumThema eines kurzen Epigramms gemacht wird. Skeptisch ASPER 1997, S. 138 Anm. 19.

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Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

also nicht denAugenblick der Weihung, sondern denspäteren Zeitpunkt, an dem

einpotentieller Betrachter dasObjekt bestaunt. WieinEp. 18 markiert dasbetonte γ ὼ δέ 242 denÜbergang zur Darstellung der Gegenwart. DarüPersonalpronomen ἐ ber hinaus werden weitere Akteure in Sprecherrollen vorgeführt: Simos mit seiner ν ὰτῇ ε δ Bitte andieMusen unddieKinder in derfiktiven Szenerie derWeihung (ἀ ι). Überraschenderweise findet sich der Sprecher des Epigramms am α ... κεῖμ Ende selbst in derRolle eines Zuhörers. Die zitierte ‘Rede in der Rede’kommt hier nicht aus demmetaphorischen Mund des inschriftlichen Mediums, sondern aus der Szenerie. Erst in V. 5 wird deutlich, umwelchen Sprecher undwelche Szenerie es sich indiesem Epigramm handelt. Ein Schulknabe bittet hier dieMusen umGelehrγ α έ samkeit, diemitdempassenden Schulbeispiel desIliashelden Glaukos als ein μ ρ ο νbezeichnet wird.243 Alseinbeziehungsreiches Weihgeschenk hat Simos den δ ῶ Göttinnen eine Maske des tragischen Dionysos geschenkt, deren eigentümliches und daher erklärungsbedürftiges Merkmal in einem besonders weit geöffneten simply a witty explanation ηνώ Mundbesteht (κ ς).244 Insofern ist dasEpigramm „ εχ of a particular type of mask“.245Die Maske des Dionysos nimmt als Zuhörerin an einem Schulunterricht teil, indemdieKinder Verse ausdenBakchen desEuripides rezitieren. Die Sprecherin zeigt sich besonders gerührt, daß sie amOrt ihrer Weihung einen jambischen Vers zuhören bekommt, denDionysos in denBakchen zu ρ ὸ ς Pentheus spricht, als dieser ihmdie langen Haare abzuschneiden droht.246 In ἱε μ ο ςsind die ersten beiden Längen aufgelöst, so daß sich der Jambos mit ὁπ λ ό κ α leicht veränderter Prosodie in einen Pentameter einfügen läßt, wenn auch umden Preis der Nichtbeachtung der üblichen Kürze vor muta cumliquida. Wenn Kalliμ ο ὸ νὄν ρἐμ ίfortε ια ὐ mit το φ ω machos zudem statt mit τ έ ῷ ϑ ε ῷ δ ᾽α ὐ τ ντρ ὸ fährt,247 so kann man darin wohl auch einen spöttischen Umgang mit dem Rhythmuseiner manierierten metrischen Struktur

sehen.248

242 Vgl. auch Ep. 55, 4f.: ἐ η... ςδ᾽ἐ γ μ ὰφέγ 236. Glaukos tauscht dort mit Diomedes goldene gegen eherne Waffen, weil ihn 243 Il. 6, 234– nachAussage desDichters ZeusderSinne beraubt hatte. 244 KAIBEL 1896, S. 298 bemerkt, daßes sich wohl kaum umein großes Kunstwerk handelt. Zumberühmten Dionysos vonSamos s. FRASER 1972, 2, S. 830f. 245 CAMERON 1995, S. 62, GOW/ PAGE 2, S. 182. Die Tatsache, daß ein Schuljunge als Weihender auftritt, schließt aber nicht, wieCAMERON meint, dasVorhandensein anderer Bedeutungsebenen vonvornherein aus. 246 Eur. Bacch. 494. μ 247 τοὐ ὸ νὄν ε ο ια ρἐμ ί, sofern es Ep. 32, 2 entspricht (τ μ ο ὐ ὸ νὄν ), steht für etwas, das ο ν ε ιρ man schon oft gehört hat undwie im Schlaf kennt, vgl. FRASER 1972, 2, S. 830 Anm. 241, ρein ursprünglich WILAMOWITZ 1924, 2, S. 118. KAIBEL 1896, S. 269f. stellt fest, daß ὄ ν εια positives Wort ist (‘Nutzen, Freude’). Es wirdoft miteinem Dativ kombiniert. Wennes hier ) steht, dasin Ep. 32, 2 negativ ρ statt ὄ ο νimSinne von‘dream’(LSJ z. St. s. v. ὄνεια ν ιρ ε gemeint ist, könnte es sich umeine beabsichtigte Ambivalenz, also etwa im Sinne eines zweifelhaften Vergnügens, handeln.

248 DieimPentameter gelesenen Längen bilden vielleicht dasSchleppen derKinder beim EinübenderJamben nach. ZuAuflösungen in denmeist streng gehandhabten Hexametern und Distichen des Kallimachos vgl. C. M. J. SICKING, Kallimachos, Epigramm XXI PFEIFFER, 159 und C. Mnemosyne 23, 1970, S. 188f.; M. L. WEST, Greek Metre, Oxford 1982, S. 152– M.J. SICKING, Griechische Verslehre, München 1993 (Handbuch derAltertumswissenschaft 87 (zumHexameter undelegischen Distichon). Eine Anspielung auf 2. Abt., 4), bes. S. 72–

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Die Inszenierung des Sprechakts

μ α ϑ ὐ Die ‘große Gabe’ der ε ίαbesteht allerdings nicht in einer göttlichen Inspiration des Simos undseiner Mitschüler durch die Musen, sondern in demenervierenden Rezitieren und Auswendiglernen von Euripidesversen. WILAMOWITZ 1924 diskutiert das Gedicht im Zusammenhang mit anderen S chulepigrammen’, insbesondere einem fiktiven Siegerepigramm desAsklepiades, das ‘ enge Bezüge zu Kallimachos Ep. 48 aufweist (Anth. Pal. 6, 308 = 27 GOW/ PAGE):249 ή σ α Ν ικ ςτ μ ο ρ α ν α ε ὺ μ ψ τ ςπ ρ ά α ῖδ α ᾽ἔγ γ ςἐπ λ ὰ α ὶκ ε , ν ε β ο ρ δ ώ κ ν ο τ ςὀγ ν α γ ν ά λ α ο υ Κ ό α ςἔλ σ τρ ᾽ἀ ινΜ ρ η τ ύ α ο σ μ α ά ιςτ ρ ὲχ μ ικ κ ἀ ὸ ν ὧ ά εΧ ν δ ὸ κ ω ῆ κ ῳ ϑ έμ επ β η νϑ ύ β ρ ρ α τ ο ε σ π ύ ιδ ρ ίω ν . α Nachdem er die Kinder besiegt hatte, weil er so schön schrieb, hat Konnaros achtzig Würfel bekommen, und mich, den komischen Chares, den Alten, den Musen zumDank hier imLärmderKinder aufgestellt.

Hier kommt derkomische Effekt derimaginierten Szenerie durch dieKonfronη β ύ ςmitdenlärmenden Kindern zustande. Bei Kallimachos wird τ ρ ε σ desπ derZusammenhang noch enger, da der geweihte Gegenstand von der besonderen ArtdesLärms, demgemeinsamen Rezitieren, persönlich betroffen ist. Der Sprecher des Epigramms identifiziert sich nicht nurmit einem geweihten Gegenstand, einer Maske, sondern zugleich auch mitdempersonifizierten Gott der Tragödie und seiner literarischen Epiphanie in einer Bühnenrolle, dem Dionysos tation

der Bakchen des Euripides –einer Rolle, derer er wie ein professioneller Schauspieler beinahe schon überdrüssig ist. Die Sprecherrolle imEpigramm besteht also eigentlich aus einer Vielzahl von literarischen Rollen. Das alltagsnahe epigrammatische ‘Ich’der Weihgabe bietet dabei die Möglichkeit, einen Kontrast zu den Prägungen der Dionysosfigur durch die ‘höheren Aufgaben’ in Religion undLiteratur herzustellen. Auch hier wirkt die Technik der epigrammatischen Verkleinerung eines Gegenstands, die durch einen Defekt in der sonst idealisierten Szenerie zustande kommt: Die Maske langweilt sich amOrt ihrer Aufstellung. Das Thema der kurzen Rede und ihrer Bewertung beschäftigt Kallimachos in einem anderen fiktiven Siegerepigramm. Diesmal aber spricht einDichter, dernicht namentlich genannt wird und für den sich eine Identifizierung mit Kallimachos selbst anzubieten scheint (Ep. 8 = 58 GOW/ PAGE):250

tragische Rezitationen sieht

R. F. THOMAS, NewComedy,

Callimachus

andRoman

Poetry,

206. HSPh 83, 1979, S. 179– 249 WILAMOWITZ 1924, 2, S. 117f. Text nach GOW/ PAGEohne die überflüssige Konjektur in V. 4. Ob das Epigramm des Kallimachos Erfahrungen aus seiner angeblichen Lehrerzeit wiedergibt, darf bezweifelt werden. FRASER 1972, 1, S. 585 bleibt seiner Linie treu, wenn er vermutet, daß der Dichter durch eine reale Maske zu dem fiktiven Epigramm inspiriert wurde.

250 Ein Problem besteht für die Interpreten darin, daß sich von der in der Suda erwähnten Tätigkeit des Dramenschreibers Kallimachos fast keine Spuren erhalten haben, s. GOW/ PAGE 1965, 2, S. 210f., FRASER 1972, 1, S. 593. Gegen diesen Skeptizismus wendet sich CAMERON 1995, S. 60 mit MEILLIER 1979, S. 358 Anm. 48.

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

ή σ ῇ σ τ ο ν τ ιπ ρ ε σ ,κ ο υ ις ν ιη τ ή ιό α λ ὰ ,Δ π ρ ικ Μ ῆ ῥ σ ις ·ὁμ ὲ ν‘νικ ῶφ ρ ν , ό τ ο η α τ σ α κ ὶτ ὸμ τ α ι ῃ ςἐνδέ ιςἔρη σ τ ύ ν ε ς ,ἤ ν ὴπ ὺμ ὲσ δ ᾧ ’ξιο ‘π ῶ ςἔβ α λ .’ ε α ν η μ ε ς ;’φ σ ί ‘σ ν ό γ ιγ ρ ὰτ ὰ η κ λ ρ ίξ η μ μ ιτ ὰ ὴ α ν τ ἔν ο δ γ έν ο τ ι ι κ α τ ο μ ερ ῦ τ ο τ ῷ · . β ίη ρ ὶδ᾽ α ο χ υ σ υ α λ λ τ ο ὖ π ο ·ἐμ ς α ν ,ὦ ξ , ἡβ

Kurz ist dieRede, Dionysos, wennes demDichter wohl ergeht: ‘Sieg!’sagt er längstenfalls. Wemduaber nicht günstig gesonnen bist, der sagt, wenn einer fragt: ‘Wiehast dues getroffen?’ ‘Hart ist das Schicksal.’ Diese Rede möge

demzuteil

werden,

derauf nicht Rechtes

sinnt,

miraber, o Herr, die Kurzsil-

bigkeit.

Schon dasSchülerepigramm zeigt einen freien Umgang mitForm undMotivik des dedikatorischen Epigramms. Das agonistische Epigramm mit der zweifachen Apostrophe desanonymen Dichters anDionysos gleicht einem Gebet umzukünftigenErfolg undist somit weit voneiner unmittelbaren Imitation eines Denkmalepigramms entfernt. Möglicherweise ist dasEpigramm ein Kommentar zu einem Er, direkt erwähnt wird dieses aber nicht. eignis –demSieg eines anderen Dichters – Die Art derDarstellung paßt zur Vorliebe desKallimachos, Geschehnisse imSpiegel vongeistigen undemotionalen Reaktionen anklingen zu lassen. Mit dieser Reflexion verbunden ist eine weitere originelle Begründung für die Bevorzugung der kurzen Rede.251 WieEp. 26 undEp. 48 ist dieses Gedicht über Frömmigkeit, Moral undReden der Dichter zugleich selbst ein praktischer Beitrag zumThema der kurzen Rede. Daß der Sprecher gerade mit dem längsten Wort des Epigramms ρ α χ ) umKürze bittet, zeigt wohl auf humorvolle Weise, daß er υ (β σ β υ ίη λ λ α selbst dasaufgestellte Ideal wenigstens indieser Hinsicht nochnicht erreicht hat.

Die Vorführung eines Gedankengangs durch den Sprecher in der 1. Person verbindet dasGebet an Dionysos umdenSieg impoetischen Wettbewerb mit der Darstellung des Sprechakts inEp. 56 (= 25 GOW/ PAGE):252 σ α ε γ ςΕ εστή ω ρἔγ ὐ α ίν ὰ ε ο ὶνὅμ τ ὐγ ς(ο σ η Φ γ ιγ ν ώ ςἰδ σ κ ω )ν ίκ η ίη ῆ ς ςἀ ν τ ετ ίμ γ κ ε ϑ ῖσ α ιχά λ κ ε ιο ἀ νἀ σ ι· ῃ λ ρ έκ α ρ Τ τ ίδ υ ο ν δ α ρ π ισ τ ε ύ ω Φ α ο ίδ υπ α ιδ ὶΦ ιλ ο . ω ίδ ε ξ εν

Es sagt mein Stifter Euainetos –ich selber nämlich weiß es nicht –ich sei für meinen eigenen Sieg aufgestellt, ein Hahn aus Erz, für die Tyndariden; ich glaube demSohn des Phaidros, Sohn des Philoxenos.253 Ähnlich wie imKenotaphepigramm (Ep. 18) geht es hier umein Wahrheitsproblem desDenkmals. Derfiktive Sprecher desEpigramms, einbronzener Hahn,

251 Vgl. HUTCHINSON 1988, S. 83: „Callimachus is associating brevity with poetical success, but

hewhimsically

reverses

theconnection: hepretends toprayforbrevity

because

it is thefruit,

notthe cause, of triumph.“Gegen eine poetologische Deutung wendet sich ASPER 1997, S. 138. ZumFrömmigkeitsmotiv in V. 5f. vgl. auch Fr. 384, 46. 252 ZudemEpigramm s. zuletzt HUTCHINSON 1988, S. 71f., MEYER 1993a, S. 166f., KÖHNKEN 1993, S. 128f., GUTZWILLER 1998, S. 193 undFANTUZZI 2002, S. 424f. 253 Übersetzung vonKÖHNKEN 1993, S. 128.

DieInszenierung desSprechakts

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reflektiert über die Glaubwürdigkeit der inschriftlichen Botschaft, die auf ihm selbst oder auf seiner Basis angebracht vorzustellen ist. Der Bronzevogel ist zwar der γ εbetont personale Sprecher, indieser Rolle desVermittlers aber, wieer ω durch ἔγ selbst bemerkt, nicht der wissende Urheber undZeuge für die Richtigkeit des beη σ ίν haupteten Sieges. φ , eines dertypisch inschriftlichen verba dicendi, mitdenen oft die Rede des als Bote fungierenden Denkmals eingeleitet wird,254 bezieht sich ὐ hier umgekehrt aufdenabwesenden Auftraggeber Euainetos. Sogleich folgt mitο γ ὰ ρἔγ ιγ ν ώ γ ω ε/ γ σ κ ω eine Begründung für diesen Rollentausch. Man kann den Einwurf zwar in Übereinstimmung mit der Logik der Sprecherrolle derart verstehen, daßderHahndenSieg selbst nicht gesehen hatundsich daher aufdenZeugen beruft. Doch wer hätte das von einer epigrammatischen Sprecherrolle erwartet? Derfiktive Sprecher des Steinepigramms CEG 1, 195 (= IG I3, 618), eine Statue, undder reale Stifter Alkimachos haben dieses Problem nicht miteinander. Hier ist ganz selbstverständlich, daßderfiktive Sprecher desEpigramms nureine Verkleidung für denSprechakt des Auftraggebers ist: Ἀ λ α χ ό ν έ{σ ςμ ᾽ἀ α μ κ εΔ ε ίμ }ϑ ιὸ ρ ε ιτ ό λ |κ δ ςκό α γ ᾽ἄ | [ι]. α ρ ὸ ςhῦ ὲπ α τ οδ ι(ἐν εὐ|χ α τ ε χ ύ νἐσϑλ ε ὲ ν ο λ ςἐπ ο ίο ιρ α ςΧ Alkimachos hat mich, dieses Bildnis, derTochter des Zeus aufgestellt. Ruhm erbittet hiermit derSohn desedlen Vaters Chairion.

Eine paradoxe Pointe imEpigramm des Kallimachos mußalso auch darin liegen, daß sich der Hahn in seiner epigrammatischen Sprecherrolle zwar als sprechendes unddenkendes Individuum, zurgleichen Zeit aber als lebloses Bronzeobjekt präsentiert, daskaumimBesitz kognitiver Fähigkeiten sein kann.255 Der Inhalt seiner Rede wird imselben Moment durch sein Handeln widerlegt. Der Wunsch, die Kostbarkeit des Materials durch den Hinweis χ λ νins rechte Licht zu ά κ ε ιο

setzen, führt dazu, daß der Epigrammleser auf das Paradoxon einer sprechenden Bronze erst aufmerksam wird. Ganz anders dagegen erscheint der Verweis auf das Material in demjüngeren, rhodischen Steinepigramm, das ebenfalls die Form der Ich-Rede verwendet (GV 1001, V. 1– 4):256

̣

̣ισ σ ίο ο ις ν α ν ύ κ ,ε ὖδ ο ινἐσ ο υ ]σ έ δρ λ [Φ ῶ νἸη ὶγ ςἐ ᾽ἐπ ̣ ητρ ὸ [μ ςἔφ ν η υ ]ν μ ά σ α ν ιδ ν ρ ο ᾽εὐ φ ισώ ω χ ό λ ,ἀ ̣ τ ν , [χ ιό δ ο β λ ά κ ]ε η νχεύ ς υ ό λ ρ ὶπ ο α τ σ ᾽ἔσ σ ὶμ ςπ ε · · [ε ὐ ]δ α ιτ ρ ς ῆ β ο υ ὼ νχ ςἀ ά ν ςἀρετ τ ιλ ο κ ίμ α DasLicht erblickte ichunter denen ausIalissos, gutbinich aufdenKnien der Mutter gediehen, zueiner züchtigen Gattin lagerte ichmich; ausErzgegossen GOLDHILL 1988, S. 195, vgl. CEG ̣ 1, 270, V. 4; 439, V. 1; CEG 2, 673 (Marmorbasis aus ινἀ έν ε ο ν τ ὶγ ς ]α ]ᾶ σ ί([π Tenos, 4. Jh.?), σ ιLATICHEW, BCH 7, 1883, S. 251f.)̣ μ ̣ V. 3f.: [φ γ κ α τ ν . α ο λ είπ εν νἁζόμ ο ῆ λ ε ςχό ι|[σ ]Γ [γ ο τ η ν ίκ ι, ἀ α σ ]ῆ τ ιο ςἣ σ ὶκτή α κ ω ρἔ χ ὰ ὐγ 255 Der 2. Vers des o. S. 184f. vorgeführten Epigramms auf den Spiegel (... ο β λ έφ ρ α α , Anth. Pal. 14, 56, 2b) ist eine späte Variante dieser kallimacheischen Technik, gerade dieHindernisse derKommunikation zubetonen. HUTCHINSON 1988, S. 72 vergleicht ρἔ Ep. 4, 1 (ο ὰ τ ὐγ ᾽ἐσ σ ί) zudiesem Vers; weitere Beispiele werden hier noch folgen. 256 Rhodos, um 100 v. Chr.

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Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

trat ich hin, gießend umdie Füße das Blei, für dieTüchtigkeit wohlansehnlichen Dank erhaltend; ...257 Wenngleich auch hier die Biographie eines lebendigen Menschen in die Darstellung einer leblosen Statue übergeht und mit ihr die Sprecherrolle auf den stimmlosen Gegenstand, so vermeidet der Dichter doch jede Unklarheit, die Mensch undStatue in eine Konkurrenz hinsichtlich der Stimme des Sprechers brin-

gen könnte.

Kallimachos führt die Metapher des sprechenden Gegenstands dadurch ad absurdum, daß er den Sprecher seine Aufgabe überkorrekt erfüllen läßt. Die BotenundZeugenrolle des Denkmals wird ganz ernst genommen undin eine mündliche Beglaubigungskette rückübersetzt. Der Bronzehahn selbst ‘weiß’zwar nichts von , will esjedoch vondiesem gehört demSieg desEuainetos –er warja nicht dabei – haben, denn er schließt damit, daß er selbst dem Zeugen Glauben schenkt (π ιστεύω).258 In keinem der bisher betrachteten Epigramme des Kallimachos wird diePersonalisierung eines gegenständlichen Sprechers so weit getrieben wieinEp. 56. Die Konstatierung eigenen Nichtwissens als ein ο ἶδ αο ῶ ὐ κεἰδ ςversieht den Bronzehahn mit geradezu philosophischer Einsicht. Sie begründet aber auch ein anderes Verhältnis zumEpigrammleser. Die vertraute, selbstverständliche Metapher des sprechenden Gegenstands imEpigramm gewinnt ein personales Eigenleben. Diese Tatsache bewirkt zumeinen, daß die Figur des Sprechers gegenüber demSprecher imSteinepigramm stärker wahrgenommen wird. Auch iminschriftlichen Epigramm dient die Inszenierung eines ‘Ich’der Erzeugung einer imaginären Nähe zumlesenden Gegenüber. Diese Appellfunktion der fiktiven Sprecherrolle wird durch diePersonalisierung verstärkt. Zumanderen aber ist es die Art der kallimacheischen Sprecher im Epigramm, die ein bestimmtes Leseverhalten provoziert. Ein Sprecher wie der Bronzehahn wendet sich nicht an ein gleichsam naives, sondern aneinnachdenklich distanziertes Gegenüber: andenRezipienten fiktiona-

ler Literatur. Ep. 56 ist also auch,

zumindest was die originelle Thematisierung der kommunikativen Funktion betrifft, ein Epigramm über das (Weih-)Epigramm. Mankann es zwar nicht im engeren Sinne ein poetologisches Gedicht nennen, in demder Dichter inpropria persona poetische Normen kritisiert oder aufstellt. Doch könnte manbestimmte Epigramme des Kallimachos, darunter Ep. 56 (= 25 GOW/ PAGE), als ‘autothematisch’259 bezeichnen. Zu den selbstbezüglichen Merkmalen dieser Epigramme gehört, daßsie eine ausdenBedingungen derGattung desEpigramms entwickelte Aitiologie der kleinen Form bieten, unddaß die klassische Rolle des allwissenden Sprechers aufscherzhafte Weise inFrage gestellt wird.

257 Übersetzung vonSCHMIDT 1991, S. 137; sehrerwägenswert istjedoch dieWiederherstellung . ]ν η ρ φ ά ῖσ δἐ ο τ ὖδἐ ῖς/ [τ π ο ν υ ο vonV. 1f. durch A. WILHELM, vgl. SEG 30, 1005: ... ε ὶγ ο ς τ η νἀ ίον ε υ δ ο ίμ 1, 65: ψ 258 ZumMotiv des Ohrenzeugen bei Kallimachos vgl. auch Hymn. ᾽ ᾽ ή ν . KÖHNKEN 1993, S. 129 hat sehr überzeugend die Pindaranspieυ κ ο νἀ ιε ο π ίϑ ε νπ ἅκ ε lung gezeigt, dieinderVerwendung derNamen vonZeugen liegt, mitdenen derHahnseine Aussage stützen will. Zum‘Zeugenmotiv’imSteinepigramm vgl. aber oben S. 94.

259 SZASTZYNSKA-SIEMION 1986, S. 217–227.

DieInszenierung desSprechakts

199

Einen späten, extremen Nachfahren hat die sich selbst in Frage stellende IchRede des Denkmalsgegenstands in einem ‘Grabepigramm’ des Lukillios. Manerwartet zunächst eine ähnliche Problematisierung der Glaubwürdigkeit des Sprechers, doch wird nicht das ‘Ich’des Gegenstands, sondern der Inhalt der Rede als eine Fiktion entlarvt (Anth. Pal. 11, 312):260 Ο ὐ δ η α , ε ν ὸ ρ ο δ ῖτ κ τ ο ά ό ςἐνϑ δ εν ν ντεϑ ς α ῦ ,ὦ π η κ ὴ ν ετά φ ο ςᾠ μ τ κ ο δ ό ο ιη ο κ ρ ςὁπ ά Μ μ μ ο ν ό σ α τ ιχ μ ο ν ὧ δ ρ α ρ α · ψ ρ ά ίγ α ςἐπ ᾽ἐχά ξ ε κ α ὶγ ‘κ λ α ύ σ α τ εδω δ εκ ηΜ έ τ ά νἐ ο ξ ιμ .’ ξἘ υ ο έσ φ γ ώ α Μ ο τ ιν ά νε ἰςδ ν ο ἐ ιμ ξ ᾽ἐπ ρεἶδ ίδ ιξ ε ὰ ιν ο ὐ δ ὲγ ω . ρ ῦκλ α ο ιο τ ίε ο ιλέγ τ σ ιν ῖςπ α ιη π ο ·ῦ

Hier hat das Grabmal von niemandem, der gestorben ist, o Wanderer, der

Dichter Markos errichtet, undein einzeiliges Epigramm geschrieben undauf folgende Weise eingeritzt: ‘Beweint den zwölfjährigen Maximos aus Ephesos.’ Ich habe nämlich gar keinen Maximos zu Gesicht bekommen: Zum RuhmdesDichters nursage ichdenVorüberkommenden, daßsie weinen sol-

len.

Hier richtet sich eine scherzhafte Kritik des Dichters gegen die Epigonalität des epideiktischen Buchepigramms, in dem immer noch zum Schein das Grabmal spricht. Gerade die fiktiven Sprecher des Epigramms, so hat sich bisher gezeigt, bieten dem literarischen Epigrammautor eine hervorragende Rollenmaske für die Darstellung vonmancherlei Themen, die ihnundseine Leser beschäftigen. Die Erfindung dieses bewußten Spiels mitderFiktionalität der Sprecherrollen geht jedoch auf Kallimachos zurück, der sie in früheren, inschriftlichen Denkmalepigrammen in derFormeiner unbewußten Metapher vorfand. Der mehr oder weniger ernste Spott über Dichterkollegen, für den das Epigramm des Lukillios ein Beispiel ist, erfährt eine wirkungsvolle Zuspitzung, wenn er, wie in Kallimachos’ Ep. 6 (= 55 GOW/ PAGE), in Gestalt eines sprechenden Buches vorgeführt wird. Dabei verbindet Kallimachos die Form des Epigramms auf einen Dichter mit der epigrammatischen Ich-Rede des Gegenstands.261 Das Buch des Kreophylos, die epische Ο ἰχ α λ ία ςἅ λ ω σ ις , stellt sich und seinen Schöpfer selbst mit Namen vor:

ῳ ν ίο ο μ ό π νἀ ν μ υπ ο τ ε ῖο ο ιδ ὲϑ ό ὶδ ό Τ ο ῦΣ ςεἰμ α σ σ ν ὅ ο τ υ ρ , δ ν υ , κλ ο ίω ε ε μ έν ϑ ὔ ᾽ἔπ ᾽Ε α δ ε α ξ μ ρ α ε ι ιο ν δ ή ὲκα λ ε ῦ μ εια ν νἸόλ ὴ ,Ὁ ϑ ὶξα κ α ν γ ρ μ μ ά ·Κ α ρ εω φ ύ λ ῳ ,Ζ γ . α ε ῦφ ίλ έ ε , το ομ ῦ τ

IchbindieArbeit des Samiers, dereinst imHause dengöttlichen Sänger aufich rühme Eurytos, was ihmalles widerfuhr, unddie blonde Iole; eine

nahm;

260 Eine holperige Erklärung zur epigrammatischen Fiktion findet sich im Epigramm für den η ή λ λ τ christlichen Rechtsanwalt Gaios (MERKELBACH / STAUBER 16 / 06/ 01= GV 1905): σ ώ , vgl. auchHÄUSLE 1980, S. 60 Anm. 138. ρἐγ ὰ ·ο ὐγ ο ίϑ ς ὶλ α τ α λ ε ῖκ ῦ τ α λ α 261 Vgl. auch BING 1988a, S. 30, RIEDWEG 1994, S. 127f. Die fiktive Buchaufschrift ist eine Neuschöpfung des Frühhellenismus, BINGebd. S. 30ff.

200

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

Homerische Schrift werde etwas Großes.

ich genannt; für Kreophylos, lieber Zeus, ist dies

ἰχ α λ ία ς Das Epigramm, in demes unter anderem umdie Zuschreibung der Ο ἅ λ ω σ ιςgeht, gibt sich als titulus auf einer Buchrolle, dessen Zweck die Angabe vonAutor undInhalt desWerkes ist. Sie preist sich ihrem potentiellen Leser an,262 indem sie erklärt, zwar nicht homerisch, aber doch etwas relativ ‘Großes’ zu ό ν ο ς , sein.263 Der fiktive Sprechakt ist die Rede eines Buches, das zugleich als π γ ρ μ μ ά αund als psychologisches Subjekt eingeführt wird. Daß eine Inschrift spricht, ist in der Gattung des Epigramms nicht ungewöhnlich, wohl aber, daß ein ganzes Buch als Sprecher auftritt. Als solches wendet es sich überraschenderweise nicht direkt andenLeser, sondern anZeus, vor demes sich für die nicht ganz korrekte Zuschreibung an Homer entschuldigt.264 Diese Personifizierung eines Gegenstands, mit dem ein Dichter wie Kallimachos beinahe tagtäglichen Umgang pflegte, zeichnet aber auch dasBild eines innigen Verhältnisses der Benutzer von Literatur zu ‘ihren’ Werken. Dieser Eindruck entsteht zumindest durch die pointierte Verwendung der dramatisch undindividuell in Szene gesetzten epigrammatischen Sprecherrollen, die durch einen kleinen Defekt noch sympathischer werden.

3.5. Monologische Rede desLesers

Die monologische Rede des imaginären Betrachters oder Lesers ist das Gegenstück zurIch-Rede desDenkmals, insofern hier dieandere Seite derKommunikation mit dembeschrifteten Monument vorgeführt wird: die Seite der als sprechend eingeführten Empfängers derBotschaft. Dergenaue Standort des Sprechers imMoment der Sprechhandlung ist nicht mitdenKoordinaten desDenkmals identisch, sondern liegt vordemDenkmal. DieRede desRezipienten als eine Form des Epigramms, die mit der Apostrophe an das Monument oder an den Grabinhaber verbunden sein kann, ist diejüngere Variante eines Sprechakts aus der potentiell personalen Perspektive einer bestimmten Sprecherfigur. Ihre Entstehung hängt, wie wir gesehen haben, einerseits mit der unterschwellig dialogischen Struktur des in262 Zumepisierenden κ ρ ε α λ ό ε λ ῖν/ κα ε ῖσ ϑ α ι/ κλ ε ίζ ινauch imEpigramm s. CEG 1, 24 (κ ε ερ κ ν ώ ὲ ημ π α ι|α μ ο σ έ ό λ δ ε κ εσᾶ κ ί), 116 ([... τ ἰε έσ ι), 142; CEG 2, 592 (Κ λ ε α κ κ α τ ]μ |[ε ), 717, 873. η ν μ γ ᾽ἐκα γ λ ύ ω ο ἔ 263 WILAMOWITZ 1924, 1, S. 124f. hält den Schluß des Epigramms für einen Eid auf Kreophylos’unverdientes Glück (so auch HUTCHINSON 1988, S. 72; vgl. GOW/ PAGE 1965, 2, 207f.). W.BURKERT, Die Leistung eines Kreophylos. Kreophyleer, Homeriden unddie archaische 85 hält dagegen, daß Kallimachos sich nicht auf Ironie Heraklesepik, MH 29, 1972, S. 74– oder Anerkennung festlegt. Die Leistung des Kreophylos besteht darin, daß mansein Gedicht für homerisch hält. Damit entscheidet Kallimachos die Frage der Autorschaft. Zu poetologischen Interpretationen s. ferner A.BARIGAZZI, Amore e poetica inCallimaco, RFIC 194, hier S. 193f., G. GIANGRANDE, Callimachus, poetry, love and irony 101, 1973, S. 186– 25], hier S. 111f., dazu kritisch 125 [= SMA III, S. 11– (E. 6, 28), QUCC 19, 1975, S. 111– γ έ α ςnicht poetologisch). ASPER 1997, S. 141f. (μ 264 ASPER 1997, S. 141f. (vgl. S. 196f.) kann plausibel machen, daß Zeus hier für Homer selbst steht. Er sieht zudem eine Parallele zurerstmaligen Personifikation vonWerken undWerks12. Die Vorliebe für individuell gestaltete Sprecherrollen vertiteln in Kallimachos, Fr. 1, 9– bindet dieEpigramme mitdenanderen Werken desKallimachos.

DieInszenierung desSprechakts

201

schriftlichen Epigramms überhaupt, andererseits mit der Einführung der Sprecherrolle eines ‘anonymous mourner’im5. und4. Jahrhundert zusammen. AuchindenEpigrammen desKallimachos ist dieSprecherrolle desBetrachters oder Lesers seltener belegt als die Ich-Rede des Denkmals. Sie stellt jedoch eine der poetischen Möglichkeiten dar, Epigramme zuähnlichen Themen in Form verschiedener Sprechakte zu inszenieren. Ep. 17 auf den schiffbrüchigen Sopolis ist insofern die formale Umkehrung desKenotaphepigramms fürdenauf See verschollenen Lykos (Ep. 18):

ρἂ ὰ νἡμ ὐγ ε ·ο ῖς ὶνέε ο α έν η δ ο ν τ οϑ ς ᾽ἐγ εμ λ ε Ὤ φ μ ε ν . ἐσ τ έν ο λ ιν ο π α ῖδ α ώ π Δ ω Σ ιο ε λ κ είδ ν ε ὲ τ α ε ινέκ ν δ ἰνἁ ν ᾽ὁμ υ ῦ λ έρ ο υφ ίπ ς ,ἀ τ ν ὶδ υ ο ᾽ἐκείν μ ρ μ α χ ε ερ μ π α ό ϑ α ῆ α νσ κ ν ὸ . ο α ὶκεν ε ὔ ο es doch keine schnellen Schiffe gegeben! Denn dann würden wir nicht Sopolis, denSohndesDiokleides, beklagen. Nunaber wirder imMeerals ein Leichnam umhergetragen, statt an ihmgehen wirnuraneinem Namen undan einem leeren Grabmal vorbei. Hätte

Besonders deutlich wird diese Perspektivumkehr bei einer Standardsituation, wenn mandas letzte Distichon vonEp. 17 mit denVersen 3– 5 vonEp. 18 vergleicht, diewirhier noch einmal anführen wollen:

ρ ῇ γ μ ὲ νἐ νὑ ὠ ... χ (scil. φ έρ ε τ α ρ ό ι) ν ε κ ς γ ὼ ,ἐ δ β ο μ ᾽ἄ λ λ ω μ ςἔ α ν τ χ ω ύ ςοὔν ο · η ϑ ε δ ε ν λ ο σ ω π α ά ςἔπ ύ σ ςτό ρ η κ Beide Epigramme variieren das Motiv des Kenotaphs, des leeren Grabes, dessen Anblick den Sprecher daran erinnert, wie weit entfernt sich der auf demMeer

verschollene Leichnam vonseiner vorgesehenen Ruhestätte befindet. InEp. 17beklagen die anonymen Passanten die Abwesenheit des Toten mit der Feststellung, daßsie nuraneinem Namen undaneinem leeren Grabmal vorbeigehen. In Ep. 18, 4ff. beklagt dasDenkmal selbst, daßes denWanderern nureinen Namen, aber keineechte Grabstätte zeigen kann. Beide Sprecher, die Passanten unddasDenkmal, räsonnieren über dastraurige Faktum desleeren Seemannsgrabs inForm einer Sentenz. Dereine Sprecher beginnt dasEpigramm miteiner Anspielung auf die ersten Verse dereuripideischen Medea,265 derandere endet miteiner generellen Warnung andieSeefahrer, dieastronomische Allgemeinbildung verrät. InEp. 17 gibt eine Gruppe Trauernder denPart des Sprechers, genauer: Der mitἐσ μ τ ε νinder 1. Ps. Pl. klagende Sprecher gibt sich als Teil einer Gruppe έν ο zu 6 erkennen.2 6 Daßes sich nicht umdie Angehörigen des Sopolis handelt, sondern umanonyme Betrachter oder Leser desKenotaphs, wirderst mitdemletzten Wort deutlich: π μ ρ χ ρ ό ε ε ϑ αkönnen nurdie W anderer’, diezufälligen Passanten vor α ‘ einem Grabmal amWegvonsich behaupten. Daßsich die Sprecher auf diese kon-

265 Eur.Med. 1ff.: εἴϑὤ ια ὴ δ π ϑ α ισκά τ ῦ ά σ ο . ο ςμ φ λ τ ςκ φ ε λ ᾽Ἀργ 266 Vgl. GUTZWILLER 1998, S. 202f. mit Anm. 44: „ ... the effect of including the epigrammatist within

. a community᾽ of mourners“

202

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

νangedeutet. ῦ krete Szenerie beziehen, wird zuvor bereits durch das situative ν Ihre Trauer richtet sich in Übereinstimmung mit der Wandererrolle nicht nur auf denVerlust des Sopolis, sondern auch auf die Hinfälligkeit des Lebens im allgemeinen. Diese distanziertere Sprecherrolle ergibt sich, wie WALSH 1990 richtig erkannt hat, aus der Kombination der beiden traditionellen Sprecherfiguren: der Person des‘anonymous mourner’undderklassischen Rezipientenrolle desPassanten.267 Die originelle Verbindung von elegischem Gruppengefühl und einsamem ‘Wanderer’macht denbesonderen Reiz vonEp. 17 aus.268 Ep. 15 nimmt unter denEpigrammen des Kallimachos, auch im Hinblick auf die Intellektualität seines Verfassers, eine ganz besondere Position ein. Es ist das einzige Gedicht, dessen imaginierter Sprechakt einen AktdesLesens wiedergibt.269 Dieser Leseakt besteht jedoch nicht in einem passiven, gedankenlosen Ablesen, sondern zum größten Teil aus durch die Situation der Lektüre angestoßenen Reflexionen undEmotionen. Die Rolle des überaus wißbegierigen Lesers kommt damit der Charakterisierung anderer personalisierter Sprecher in den Dichtungen desKallimachos nahe. Doch betrachten wir zuerst denText: ίςδ η .’τ ν ο ό ᾽ἐσ ο ν ὰ δ α ν , σ α ίμ ν ω ί; μ γ Τιμ ς ,ο ὔσ έ ἐπ ν ᾽ἂ ‘ ο μ ϑ α έ ὴ Τ ῆ ν ιμ ὄ ν ο ο ρ ὸ υπ ε ἰμ ςἐπ α τ ή ν ϑ υμ μ ί α γ ,τ ῃ ὴ η κ α α έ π ό ή ὶΜ φ λ λ ις ε . ἦμ σ τ ρ νἀ ν ο ιᾶ σ ῆ ϑ α χ ισ σ ό ὸ νπ ινΕ ὐ . η ν ϑ έ υμ T imonoe.’ Undwerbist du? Bei denGöttern, ich hätte dich nicht wiederer‘kannt, wennnicht derNamedeines Vaters, Timotheos, aufderStele wäre und Methymna, deine Stadt. Wahrlich, großes Leid, sage ich, beschwert deinen Gatten Euthymenes.

Derlange währende Forschungsstreit über die Frage einer möglichen inschriftlichen Existenz desTimonoe-Epigramms soll hier nurkurz berührt werden. Inzwei Richtungen hat manversucht, inschriftlich überlieferte Steinepigramme mitEp. 15 in Verbindung zu bringen. Die Annahme, daß das Gedicht für das Grabmal einer Kallimachos persönlich bekannten Frau aus Kyrene bestimmt gewesen sei, beruht auf der unbeweisbaren Hypothese, die Rolle des Sprechers sei mit Kallimachos gleichzusetzen.270 Einen Zusammenhang mit der zeitgenössischen Wirklichkeit po267

WALSH 1990, S. 83. CASSIO 1994, S. 114 spricht im Zusammenhang seiner Untersuchung überdenanonymen Trauernden vorallem imarchaischen undimhellenistischen Epigramm

von der rituellen Atmosphäre, die durch den Sprecher in der 1. Ps. Pl. erzeugt wird. Seiner Meinung nach spricht in Kallimachos, Ep. 17die Gruppe derFreunde desSopolis (ebd. S. 108).

268 Agathias Scholastikos (6. Jh. n. Chr.) hat in Anth. Pal. 7, 589, V. 7f. eine Variation des ᾽ ο ὶδ ιο ς ν ,ἀ τ ν ςτάφ ό Motivs des letzten Distichons komponiert: κ νκατέχ ιχϑ ε ὲ α ὶτ νμ ὸ ε ϑ αist sehr . DasPrädikat δερκόμ ϑ α μ ε μ ρ α τ α α φ κ δ ερ ό ίδ μ α κ α ω ὶγ νχρώ ο υ/ οὔν ο είν κ ἐ viel unspezifischer undnicht aufdieRolle desWanderers bezogen. ); MEYER letteratura in progress“ 269 Vgl. WALSH 1991, S. 94; SPINA 1992, S. 166, Anm. 12 („ , dramatizes the act of reading an inscription“ 1993a, S. 165f.; GUTZWILLER 1998, S. 207f. („ unasorta di messa in scena dell’atto della lettura e ebd. S. 208); FANTUZZI 2002, S. 427: „ ; ZANKER 2004, S. 80ff. dell’agnizione“ 270 Vgl. GOW/ PAGE1965, 2, S. 195f.

DieInszenierung desSprechakts stulieren aber auch diejenigen,

diedasEpigramm fürvoneiner realen

203 Steininschrift

Θ Ο Υ Θ Υ TIMONOH Τ Ο Ε Μ Ε Μ Ν inspiriert halten.271 Solche VermutunΑ ΙΜ ΙΗ genwerden jedoch überflüssig, wenn manbedenkt, daß sich Kallimachos in allen quasi-inschriftlichen Epigrammen als äußerst bewandert in den Konventionen des inschriftlichen Epigramms erweist und dies auch demonstriert. Ein beabsichtigter Effekt des Gedichtes scheint mirgerade darin zu bestehen, daß sich der Leser des Epigramms allein aus den Worten des fiktiven Lesers eine Vorstellung von dem realiter nicht vorhandenen Grabmal machen kann, wobei es demDichter nicht auf die genaue Schilderung des Monuments, sondern auf die präzise Wiedergabe der Kommunikationssituation ankommt. ἐ ῃenthält zugleich den λ π μ ῆ νὄν α/ στή ο einzigen Bezug auf die Szenerie, sieht manvon demdezenten Hinweis auf eine Darstellung ab, die in ἐπ γ ν ω νenthalten ist. Wie oft bei Kallimachos ist das Monuέ ment auf irgendeine Weise defizitär. Ep. 15 gehört zusammen mit denbeiden Ke-

notaphepigrammen (Ep. 17 undEp. 18) und dem Gedicht auf die kurze Grabinschrift des Kreters Theris (Ep. 11) in eine Reihe von kallimacheischen Epigrammen, die die Funktion desDenkmals als Träger eines Namens (ὄ μ ) α μ α/ οὔνο ν ο thematisieren. In allen diesen Epigrammen genügt die Erwähnung der Namensinschrift als Hinweis auf densteinern vorzustellenden Träger der Buchstaben. Auch hier ist meiner Ansicht nach nicht das beschriftete Objekt, das Bild der Timonoe, sondern vielmehr die von diesem ausgelöste intellektuelle Aktivität das zentrale Thema des Epigramms.272 Der fiktive Sprecher des Epigramms hat Anteil an beiden traditionell vorgegebenen Rollen: demanonymen Trauernden unddemzunächst unbeteiligten Passanten. Auf der einen Seite ist er ein Bekannter der Verstorbenen undihres Mannes, aus der Sicht der Grabinhaberin also kein ganz zufälliger Betrachter. Dazu paßt das aus öffentlichen Inschriften bekannte Klagemotiv.273 Dieser elegische Sprecher macht sich zumSprachrohr anderer, vomTod des Grabinhabers betroffener Bürger. Andererseits aber spricht der vonKallimachos dargestellte Leser nicht vor einerGruppe, sondern wendet sich andieTote: Er ist allein vor demGrab. In dieser Funktion ist er nichts anderes als schlicht der Leser einer Inschrift. Das Epigramm besteht von Anfang bis Ende in einem sich fortentwickelnden Lesermonolog im personalen Modus. Es beginnt mitderRealisierung desLeseakts, auf die eine Reflexion über die Lektüre selbst undihr Gelingen undschließlich über die ‘realen’ Konsequenzen des Gelesenen folgt. Der Akt des Lesens wird psychologisch glaub-

271

1889, S. 95 glaubt, der Text sei in Verbindung mit einem Relief zu sehen, vgl. S. 264; REITZENSTEIN 1907, Sp. 81 hält das Epigramm für die Buch-Bearbeitung einer Prosaaufschrift. Dagegen erklärt es WILAMOWITZ 1924, 2, S. 119 als ein „Kondo. FRASER 1972, 1, S. 851 hält es für möglich, daß Ep. 15 auf eine Inschrift zulenzgedicht“ rückgeht. Als Beweis gilt (bei HERTER 1937, S. 186) das formal ähnliche GV 1845 (BERNAND1969, Nr. 49), obgleich es sich umein kaiserzeitliches Epigramm handelt; vgl. noch . A. ANGELINI, Callimaco, Epigrammi, Turin 1990, S. 147: „Probabilmente unepitafio reale“ 272 Anders LIVREA 1990, dervermutet, daß hier auf typisch kyrenäische anikonische Grabreliefs 97. angespielt sei; vgl. dagegen dieo. gen. Interpretationen undbes. WALSH 1991, S. 95– 273 So stellt schon der offizielle ‘anonymous mourner’ des ambrakischen Gefallenen-Epigramms fest: „ π ρ ίδ α τ τ ᾽ἀ ᾽ἱμ ὰ ερ νπ ν έ ν ϑ ο ςἔϑ “(CASSIO 1994, S. 103, V. 6 = ε λ τ ετό λ α SEG 41, 540A, V. 6). WEIßHÄUPL

KAIBEL 1896,

204

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

haft geschildert. Dazu gehört, daßderLeser, wie in einigen Steinepigrammen, bestimmte Hindernisse überwinden muß, diederLektüre imWege stehen könnten.274 Erleichtert stellt der Sprecher des Timonoe-Epigramms fest, daß Name, Vatersname undHeimatort zur Identifizierung der Toten vorhanden sind. Eine andere, psychologisch ebenso überzeugende Begründung findet der Epigrammdichter dafür, daßderLeser in seiner Reaktion auch denNamen desEhegatten erwähnt, der zur Grabinschrift einer Frau gehört. Der Name des Euthymenes ist im fiktiven Sprechakt vonEp. 15 einTeil derKlage, mitderderanonyme Leser abschließend reagiert. Derfiktive Sprecher inEp. 15bietet aber auch dasBild eines ‘idealen’Lesers, der fragt, bis er alles erfahren hat. Die kompositorische Revolution des epigrammatischen Sprechakts besteht darin, daßdieser Frager durch seinen Wissensdurst – undnicht durch eine ritualisierte Klage –die Form der Inschrift bestimmt. Daß es ihmgelingt, denWissensdrang zubefriedigen, scheint diesem Leser sehr zugefallen. Der Frager erhält seine Antworten ohne die Vermittlung eines weiteren metaphorischen Sprechers durch die selbständige Interpretation der Zeichen. Kallimachos zeigt hier ein Grabepigramm, das die Bedingungen einer schriftlichen Kommunikation innerhalb der Fiktion realistisch schildert. Insofern gleicht es Ep. 56, in demder sprechende Gegenstand als ein Teil des Mediums die Verantworν ώ σ κ ω abιγ tung für denInhalt der inschriftlichen Botschaft mit ο γ εγ ω ρἔγ ὰ ὐγ lehnt.275

Der mentale Prozeß, den Kallimachos in Ep. 15 darstellt, ist aristotelisch gesprochen eine ἀ γ ρ ν ν ώ α ισ ις , einUmschlag vonUnkenntnis inKenntnis, derdurch bestimmte Wiedererkennungszeichen ausgelöst wird.276 Zudemliterarischen Motiv der episch-dramatischen W iedererkennung’, das in der griechischen Dichtungstheorie diskutiert wird, paßt ‘ das speziell auf die Wiedererkennung von Menschen bezogene ἐπ ν ιγ ώ ιγ σ κ ε ινin Ep. 15, 1.277 Dieser intellektuelle Hintergrund der Leserdarstellung könnte Ep. 15 andenAnfang einer Reihe hellenistischer oderjünge274 Vgl. z. B. denLeser in CEG 1, 28, V. 1, der „anderes im Sinn“haben könnte, oder den Steilhang in CEG2, 597: zwei mögliche Hindernisse fürdasZustandekommen derKommunikation.

275 Vgl. hier auch die interessanten Beobachtungen zum „lecteur interposé“und zum vonA.HURST, Apollonios deRhodes. Manière et cohérence. Contriépigramme livresque“ „

bution à l’étude de l’esthétique alexandrine, Rom 1967, S. 30f. (zu Kall. Ep. 15). 276 Poetik 11, 1452 a 29ff.: ἀνα ἰς ία ο ν ςε ι, ἐ γ ε ξἀγ ν ίν α ρ μ ώ ισ η ιςδ μ σ α ο ὶτοὔν έ ,ὥ ρκ α σ π ε γ ν ῶ σ ινμ ετ β α ο ή λ , ἢε ν ἰςφ ία ιλ νἢδυστυχ ία νἢε ία ἰςἔχϑ ρ ὸ ςεὐτυχ νπ , τ ῶ ρ α ν ὰ ὶτ μ α έ ακ χ ν ρ ισ υ ω ν... εἰσ ψ ὡ ὸ ςἄ ρ ρπ ὶνμ ὲ ὰ νο ὖ ὶγ ε νκ ·κ α ις ρ ίσ α ὶἄλ ω ν λ γ α ιἀνα ιν τ νἔσ ε γ α ρ χ ό ν έπ υ τ τ ὴπ α†ἐσ τ ὶνὥ σ ρεἴρη π ε τ β ιςἢμ α α γ έτ ισυμ ίν α ρ ε ι†κ έπ ἰπ ὶε α ρ ίσ γ ν α ω ι... („ DieWiedererkennung ist, wieschon dieBezeichnung andeutet, einUmα ν ἀ schlag von Unkenntnis in Kenntnis, mit der Folge, daß Freundschaft oder Feindschaft eintritt, je nachdem die Beteiligten zu Glück oder Unglück bestimmt sind [...]. Es gibt auch andere Arten derWiedererkennung, z. B. vonleblosen Gegenständen, undzwarvonbeliebigen. DieWiedererkennung kann sich auchdarauf beziehen, objemand etwas getan hatoder nicht getan hat“ ; Übersetzung vonM. FUHRMANN). ν ώ ιγ ιγ σ 277 ἐπ κ ε ινkommt bei der Wiedererkennung desOdysseus durch Laertes im 24. Buch ὴ εμ ρσ η τ ή ω ςμ derOdyssee vor(Od. 24, 217), vgl. Soph. El. 1296f. (Orestes): οὕ ᾽ὅπ ω τ ςδ ν ώ σ π ιγ ε τ α α ρ ι/ φ ιδ ῷ ρ π ο σ ώ π ῳ ...



DieInszenierung desSprechakts

205

rer Schilderungen epigrammatischer Leserrollen stellen, wie sie vor allem in den Rätselepigrammen vorliegen.278 In diesen Gedichten ging es allerdings, wie wir gesehen haben, umdie Verspottung intellektueller Eitelkeit. Ein regelrecht anti-intellektueller Leser –undenkbar für Kallimachos –erscheint als Sprecher eines Epigramms beiNumenios vonTarsos:279 μ μ α ρ ; ά έλ ε ι, ε ιμ ο ρ ὰγ ρ ιό ἰπ α ςἐσ ύ ο ρ τ ίμ ι. τ ςκ ῦ Κ γ ο ὐ ιν κἀνα ώ σ κ β λ τ λ ω ὸ νκα ό έ ν π ω . ,ἀ λ λ ὰ

= Herrscher ist er! Was schert mich das fehlende ZeiLes’ichdenSchönen vielleicht oderbetrachte ichihn?

Kyros! Ein Kyrios chen?

DenMonolog eines Lesers finden wir schließlich auch inEp. 27 (= 56 Gow/ PAGE= Anth. Pal. 9, 507). Der Sprecher hat sich soeben mit denPhainomena des Arat befaßt und drückt seine Zustimmung zur Art der Komposition mit einem χ α ῖρ ε-Gruß an dasBuch aus, wie er ansonsten Göttern, vergöttlichten Herrschern oder heroisierten Toten dargebracht wird:280 ὐτ ὸ νἀ ο ιδ ῶ ν ο α κ α μ ὶὁτρόπ δ ό ς·281ο ισ υτ ε ο δ ᾽ἄ ιό σ Ἡ ὴτ ελ ὸμ ρ ιχ ό μ τ α ω τ έ ν λ ν ο λ ν ᾽ὀκ α τ ,ἀ χ ο ἔσ ·χαίρ ε τ ελεπ ά ο τ τ λ ξ α α ί ε ὁΣ εμ ο ὺ ν ςἀπ ω έ ἐπ τ ν ῶ ή ῥ σ ιε ς ,Ἀ ή ρ τ ο υσ β μ ο ύ λ ο νἀ ρ γ υ π ν ίη ς . Von Hesiods Art ist dieser Gesang. Nicht den höchsten Sänger, aber sicher das süßeste unter den Epen formte der Mann aus Soloi nach. Seid gegrüßt, feine Worte, Zeichen der Schlaflosigkeit desArat.

Es gibt

zunächst kein eindeutiges Indiz dafür, daß sich das Epigramm, wie oder gegen den poetischen Stil des Apollonios von Rhodos richtet. Sicher ist nur, daß es eine Stellungnahme für die Phainomena des Arat durch einen ehrenhaften Vergleich mit dem

WILAMOWITZ glaubte,282 dezidiert gegen Homerimitatoren

278 S. oben S. 121ff. 279 Anth. Pal. 12, 28, 1. / 2. Jh. n. Chr.? (Übersetzung vonH. BECKBY). 280 Vgl. Theokr. 1, 144; 17, 135f.; 22, 214; Kallimachos, Fr. 112, 7f. sowie die Grußadressen εundseinen Adῖρ an die Götter nach homerischem Vorbild in allen sechs Hymnen. Zuχα 216, bes. 195ff., 199– 207 mit vielen epiressaten s. auch SOURVINOU-INWOOD 1995, S. 180– grammatischen Beispielen.

281 Für das in derAnthologia überlieferte, in Inschriften zur Besitzanzeige übliche τ ό δ εspricht sich RIEDWEG 1994, S. 127 (mit Anm. 23) aus. Vonihmstammt auch die Übersetzung des

biszumKolon. PFEIFFER undGow/ PAGEfolgen derKonjektur BLOMFIELDs: τ ότ. 282 Vgl.᾽die Referate der älteren Forschung bei HERTER 1937, S. 188, Gow / PAGE 1965, 2, ersten Verses

208f. und Coco 1988, S. 16 sowie

FRASER 1972, 2, S. 840 Anm. 303 und 1, S. 592. Nach σ χ α τ νden höchsten Dichter und damit Homer. Er ο 1924, 1, S. 206 meint ἔ ο ιδ νin V. 1 bei, s. aber Gow/ PAGE1965, a. a. O. Ein weiteres ό behält ferner dieLesung ἀ Problem desEpigramms –oder seiner Interpreten –besteht in dervonPFEIFFER mitguten β ο ρ λ υ μ ο π νἀγ ν ίη ύ ςin V. 4 (statt Argumenten vonRUHNKEN übernommenen Konjektur σ ρ ), vgl. dazu u. a. G. LOHSE, ύ υ ν γ τ ν ο ν ο π ίη ςἀ des in der Anthologie überlieferten σ 381, (Zu Kallimachos Epigr. 27, 4), Hermes 95, 1967, S. 379– ΙΗ Ν Π Υ Α ΓΡ Σ Ο Ν Ο Τ Ν Υ Σ THOMAS 1979, SZASTYNKA-SIEMION 1986, S. 221, CAMERON 1992. WILAMOWITZ

206

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

frühgriechischen Dichter Hesiod beinhaltet.283 Das Arat-Epigramm des Kallimachos ist bis injüngste Zeit ausführlich undkontrovers behandelt worden.284 Wir wollen daher an dieser Stelle nureinen kurzen Blick auf die poetische Gestaltung derfiktiven Sprecherrolle werfen. Einzigartig ist inEp. 27 die metaphorische Anή σ ιε ς . Ein Grund dafür liegt sicherlich in dem sprache an die mündliche Rede: ῥ ή τ ρ ο υ ή . Diefeinen gesprochenen Worte werden ineiner Apσ ιε ς–Ἀ Wortspiel ῥ position als ein Werk bezeichnet, das durch die schöpferischen Nachtwachen des Sternenbeobachters Arat, also unter großen Mühen, entstanden ist. Diese Kennν ό ο ςzurCharakterisierung desdichterischen Werks im zeichnung entspricht demπ Kreophylos-Epigramm. Das fiktive Titulusepigramm, das mit den Künstlerinschriften undauf diese Art auch indirekt mit demdedikatorischen Epigramm verwandt ist, wirdvoneinem Rezipienten undBewunderer gesprochen. Doch ist es indiesem Fall nicht so sehr dieIndividualisierung derSprecherrolle, diedemEpigramm einen besonderen Ton verleiht, sondern mehr noch die Personifikation des fiktiven σ ιε ςzugrundeliegt.285 Adressaten, diedemAusdruck λ ε π τ α ί/ ῥή

3.6. Dialoge

Die Beziehung vonLeser undDenkmal ist schon in denältesten griechischen Epigrammen als eine ArtDialog konzipiert, damansich dieWissensvermittlung in schriftlicher Form nur in Analogie zur mündlichen Kommunikation mit ihren personalen Aktanten vorstellen konnte. Obwohl der Austausch von Informationen zwischen denbeiden Partnern einseitig ist, taucht die Figur eines fragenden ξ ε ῖν ο ς schon in einem Epigramm aus der Mitte des 5. Jahrhunderts auf.286 Dieser ist zunächst allerdings nicht viel mehralsderwillkommene, personifizierte Anlaß fürden fiktiven Sprecher desEpigramms, seine Erklärungen zumDenkmal abzugeben. Eineganz andere Leserrolle haben wirzuletzt indemkallimacheischen Timonoe-Epigramm gesehen: Hier ist derLeser imBesitz zwar nicht desganzen Wissens, aber doch eines bedeutenden Teils. Die Neudefinition der Sprecherrollen gehört zu den besonderen Merkmalen derEpigramme des Kallimachos. Vor diesem Hintergrund ist auch ein Grabepigramm des Alexandriners zu sehen, das nunzumdritten Mal das Thema des in die Fremde verschlagenen Schiffbrüchigen variiert (Ep. 58 = 50 Gow/ PAGE= Anth. Pal. 7, 277): ιχ τ ν ο δ ά εν ε γ ό έ ε ρ ;Λ ό κ ν ςἐνϑ Τ ίς , ξέν α υη ν ο ςὦ εδ σ ὲτῷ ῶ ν δ ε ἐ ,χ ετά π ο ῳ ρ ῦ λ φ ια ε ὗ ᾽αἰγ 283 E. REITZENSTEIN, Zur Stiltheorie des Kallimachos, in: E. FRAENKEL u. a. (Hgg.), Festschrift 60, hier S. 42ff. verweist auf eine in den R. REITZENSTEIN, Leipzig / Berlin 1931, S. 23– Aratscholien belegte antike Diskussion darüber, ob der Dichter der Phainomena eher Homer oderHesiod nachgeahmt habe. 379, der in ο 133; CAMERON 1995, S. 374– ᾽ἀ ὐτ ο ιδ όγ 284 RIEDWEG 1994, S. 126– ο ν ῦἔσ χ ο τ α ändert und das Epigramm mit KAIBEL 1894 so versteht, daß Arat den Dichter Hesiod (CAMERON behält ἀ ο νin V. 1) nicht bis ins letzte imitiert habe. ASPER 1997, S. 122 ιδ ό / ἔσχα τ νmeine ο ὸ ν ν ἀ ο ιδ ῶ Anm.66 schließt sich dagegen HERTER undWILAMOWITZ an(τ Homer). 285 Zudieser anthropomorph vorgestellten Personifikation s. ausführlich ASPER 1997, S. 189.

286 CEG 1, 120; s. dazu oben S. 83 mitAnm. 213.

DieInszenierung desSprechakts

207

ρ νἑὸ ο η νβίο νο ό ὐ τ ρα ς ίκ ύ α ὰ σ ρ ςἐπ ὲγ δ ὐ κ δ α ἥ σ υ χ ο ν δ ,α ἰϑ ᾽ἶσ υ ίῃ α α λ α σ ρ ῖ. σ ε ο π ο ·ϑ Wer, fremder Schiffbrüchiger ...? Leontichos hat hier den Leichnam gefunden, am Strand; bestattet hat er ihn in diesem Grab, wobei er sein eigenes, todgeweihtes Leben beweinte. Denn er selbst kommt nicht zur Ruhe, einem Seevogel287 gleich lebt eraufdemMeer.

In diesem Epigramm findet ein überraschender Tausch der Rollen statt. Der Finder des fremden Leichnams beweint nicht denToten, sondern sein eigenes, gefährdetes Leben. Wie in Ep. 17 undEp. 18 bildet das Schicksal eines Schiffbrüchigen nur den Anlaß zu einer heftigen Ablehnung der Seefahrt im allgemeinen.288 Auch die Gestaltung der Sprecherrollen bietet Unerwartetes. Die Frage zu Beginn des Textes wird nicht mit einem Prädikat zu Ende geführt undauch nicht beantwortet. Das Fragepronomen τ ίςund die Anrede an einen ξέν ο ςlassen zunächst vermuten, daß hier ein Wanderer nach dem unbekannten Besitzer des Grabmals fragt. Da dieser jedoch ein fremder, namenloser Schiffbrüchiger ist, könnte eine solche Frage gar nicht sinnvoll beantwortet werden. Dies vermutet jedenfalls FANTUZZI, der daher ältere Konjekturen in V. 1 oder 2 zurückweist, die den anonymen Toten als Dialogpartner des Fragers einführen wollten.289 Seiner Ansicht nachgeht es Kallimachos umdieInszenierung einer Doppeldeutigkeit, dadieFrage des ersten Satzes auch als „ Wer hat dich bestattet?“verstanden werden könnte. WennEp. 58 also gar kein Dialogepigramm imengeren Sinne ist, werist dann der Sprecher vonder Mitte des ersten Verses an? Die Form des ‘Berichts’ in der 3. Person läßt ebendies im Unbestimmten. Auch hier entsteht durch Kombination zweier konventioneller epigrammatischer Sprechakte –derFrage andenGrabinha-

ber unddemBericht über eine Bestattung –eine ganz neue Form. Die Frage des ‘Wanderers’ oder anonymen Lesers wird, wie BING gesehen hat, in einem ganz

287 Zu diesem Vogel s. auch Od. 5, 337, Aristot. Hist. an. 542 b 17, Kall. Hymn. 4, 12; mit der Schiffahrt wird er auch bei Pausanias 1, 5, 3 und Lykophron 230 verbunden. Zum Eisvogel in Grabepigrammen vgl. dieHinweise bei MERKELBACH / STAUBER 01 / 12/ 20; 05 / 01 / 44 und55. 288 Zu dieser Einstellung vgl. schon Hesiod Erg. 101 (π α ργ ῖακα ὰ ὲ νγ κ ν ῶ ,π ὲ λ λ ε ε ίημ ίηδ 687: ... ο μο γ μ ε/ αἴνη ῷ ϑ υ ϑ ά λ ) undbes. 682– ρἐ ω α σ ιν(scil. τ σ ὔμ α ὰ ) ἔγ ὸ νπ ν λ ό ο ὐγ α κ μ τ ῷ ό κ · χαλεπ ε χ ς ρ α μ ισ έ ν ο ςἐστίν/ ἁρπ ῶ ςκ γ ο ιςκα λ .᾽·Weitere Grabepiτ νκ κ ό εφ ύ gramme für Schiffbrüchige: · CEG 1, 132; 143 = IG IX, 12, 882; CEG 2, 526 (in Form eines Dialogs zwischen den Ehegatten), 664; GV633 = COUILLOUD 1974, Nr. 475 (gewaltsamer Tod nach Schiffbruch); GV 1129 = IK 2, 304; GV 1232; 1501; MERKELBACH / STAUBER 03 / 07 / 17; 08 / 01 / 31 und33; 10 / 06 / 13. 289 FANTUZZI 2002, S. 426. Die Interpunktion nach τ ϑ ασ ε(SCHNEIίςund die Konjektur ἔν ρ έσ᾽(VOLGER und STADTMÜLὗ DER) in V. 1 sowie die Wiederherstellungsversuche mit ε ᾽(AGAR, WALTZ, BECKBY und Gow/ PAGE) in V. 2 sind Eingriffe in den ρ εμ ὗ LER) undε

Text, die denSprechakt im Sinne einer konsequenten Anrede an denToten oder aber im Sinne eines Dialogepigramms mitdemToten als zweitem Sprecher vereinheitlichen wollen. ίς(V. 1)beantwortet. Dieerste Lösung wirft dasProblem auf, woher der SowäredieFrage Τ Sprecher sein Wissen haben soll oderwarum er, wenner Leontichos ist, nicht in der 1. Ps. antwortet. Die zweite Möglichkeit, daß doch der Tote in der 1. Ps. redet, kann nicht erklären, warum dieser dann seinen Namen nicht nennt. ̣ ̣ –Vgl. IGUR 413, 1f. (2. Jh. n. Chr.): γ ισ τ ο έ νὁρ ῶτ ϑ α μ αμ ῦ . S. 117 Anm. 343). ν οἀ ίςὁξέν ; (s. ο ν ο ς|ἐνϑ ε κ έϑ ετοῦτ δ ά η

·

208

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

ίς , anderen Sinne beantwortet, als manerwartet.290 Es geht tatsächlich umdas τ also darum, obderTote oder Leontichos hier zubeklagen ist. NachAnsicht einiger Interpreten zeigt das Epigramm denDialog eines fiktiven Autors Leontichos mit sich selbst. Er beginnt einen Epigrammtext undsieht dannplötzlich dieParallele zu seinem eigenen Leben.291 Die Darstellung des Sprechakts suggeriert jedoch zunächst etwas anderes: Auf die Frage eines Lesers antwortet der Stifter des Denkmals, auch wenn er sich nicht wie sonst üblich namentlich zu erkennen gibt. Daß hier aber gar keine echte Kommunikation zustande kommt, zeigt sich erst auf den zweiten Blick. Wenn wir das Epigramm auf diese Weise als ‘audible thought’ lesen, so zeigt es eine außergewöhnliche Freiheit imUmgang mit der epigramman, tischen Form. Die zweite, ebenso plausibel scheinende Möglichkeit besteht dari ᾽zu übernehmen. Dann aber ρ εμ mit Gow/ PAGEdie ansprechende Konjektur ε ὗ mußder Interpret sich damit abfinden, daß der Sprecher des zweiten Epigrammteils die Frage des ersten Sprechers absichtlich nicht in dem von diesem intendiertenSinne beantwortet. Während das Leontichos-Epigramm in Form eines Grabgedichtes eine recht ernste Reflexion vorführt, einmemento mori auch für denLeser des Buchgedichts, präsentieren andere Distichen einen eher komischen Dialog. Dazu gehört auch Ep. 4 (= 51 Gow/ PAGE) desKallimachos aufdenMenschenhasser Timon vonAthen, das einige der charakteristischen Elemente des epigrammatischen Sprechakts und seiner dialogischen Konzeption ironisiert: ρἔ τ ὰ ρ ό ν ; ὐγ ᾽ἐσ ο σ ω φ ά , ἐχϑ ί), τ ν(ο ς ίτ ο Τ ίμ ι, σ τ ο κ ό ςἢ ‘τ ὸσ κ ό τ ο ·ὑμ έ ρπ γ ς ω ὰ ν ῃ .’ λ είο ν ε ΐδ ςε ἰνἈ Timon (denn dubist ja nicht mehr), wasist dirverhaßt, Finsternis oder Licht? DieFinsternis, dennvoneuch sindmehrimHades.

Der imaginäre Betrachter des Timon-Grabes stellt zunächst fest, daß der Adressat seiner Frage nicht mehr existiert, wasjedoch paradoxerweise kein Hindernis für den Dialog, sondern gerade der Anlaß des Wortwechsels ist.292 In jedem anderenGrabepigramm wäre diese Feststellung überflüssig, denn bereits die Anrede an einen (menschlichen) Namen macht dieGattung des Sepulkralepigramms kenntlich. Nicht einmal für denBuchleser ist dieser Hinweis sinnvoll. In Ep. 4 möchte der Fragende vondem‘Bewohner’desGrabs wissen, waswohl einnotorischer Misanthrop zuseiner Lage in derUnterwelt zusagen hat. AlsAntwort erwartet mannun wohl amehesten, daßdieser dasmenschenfeindliche Dunkel genießt. Überraschenderweise ist Timon imHades aber noch unglücklicher als auf der Erde: Trifft er 290 BING 1995, S. 125. ... so the reader of 50 gradually reco291 BING 1995, S. 124–126, GUTZWILLER 1998, S. 208f.: „ gnizes that theopening query about the identity of thedeceased represents Leontichus’own dialogue with himself as hemuses ontheidentity of theshipwrecked corpse hehasjust buried.“ 292 DerEingang desGedichtes erinnert an die Technik desTimonoe-Epigramms (Ep. 15), in demderLeser als erstes denNamen desVerstorbenen feststellt unddann seine Gedanken daran anknüpft. ZumAufbau vgl. LAUSBERG 1982, S. 259 undHUTCHINSON 1988, S. 72, zu

den Sprecherrollen GUTZWILLER 1998, S. 197f.

DieInszenierung desSprechakts

209

dort doch noch mehr der ihmso sehr verhaßten Menschen an –eine Antwort, die zugleich eine Beschimpfung desLesers DasGedicht parodiert somit aucheinen Gedanken, derausdemPhilemon (4. / 3. Jh.) zugeschriebenen Epigramm zumLob des Euripides bekannt ist (Anth. Pal. ist.293

9, 450):

η κ ιν ό ε ία ισ ϑ ο ἱτεϑ ν τ ε η ς ῖςἀ λ Ei τα ν ο ινεἶχ η ,ἄ σ ρ ν ε δ α ϑ ς ἴσ ,ὥ ε ςφ ς σ ίντιν α , νἄ η ν ,ὥ σ μ τ γ ρ ά η ξ η ιπ ν ᾽ἰδ ῖνΕ . ε ὐ ίδ ἀ π

Wennes wahrwäre, daßdieToten eine Wahrnehmung haben, ihr Männer, wie manche sagen, dann würde ich mich aufhängen, umdenEuripides zusehen.294

FürTimon ist es dasSchlimmste, daßer überhaupt jemanden imHades getroffenhat. WiedieEp. 10, 13 und23 handelt auch dieses vonderUnterwelt an sich undvon der Enttäuschung bestimmter auf sie bezogener Erwartungen. So wird auch die naive Vorstellung des Fragers, das menschliche Miteinander im Hades funktioniere nach dengleichen Regeln wie das oberweltliche Leben, ins Lachhafte verkehrt. Dasselbe gilt fürdieabsurde Darstellung destoten Sprechers, derwieein lebendiger Gesprächspartner angeredet wird, scheinbar ohne daß dem fiktiven

Frager die Unmöglichkeit der Situation bewußt wird. Das Epigramm zeigt einen unüberwindbaren Gegensatz zwischen Timon und demRest derWelt, einerlei, oboben aufoder unten inderErde. Obwohl nureiner fragt, antwortet Timon gleich allen. Ὑ μ ε ῖςsind für denMisanthropen alle anderen Menschen, vondenen ihnseine Verachtung stärker trennt als derUnterschied zwischen Leben und Tod. Ähnlich heißt es in einem etwas jüngeren der acht in der Anthologia überlieferten Epigramme auf den Menschenhasser, er sei nicht einmal imHades als ein echter Toter anerkannt (Anth. Pal. 7, 315, 6):295 ή σ γ ν ιό ῃ ὐ δ ,ο ίδ ιν ν ςεἰμ ᾽Ἀ έ ω κ υ Τ ίμ . ς Timon binich, nicht einmal

imHades einechter Toter.

Einer seiner charakteristischen Wesenszüge ist also, daß er nirgends dazugehört. Unter denTimon-Epigrammen derAnthologia ist das Epigramm des Kallimachos daseinzige in derForm eines Dialoges. Dies ist nicht überraschend, denn Timon gilt gewiß nicht –dies zeigt auch die Knappheit seiner Antwort in Kallimachos’Ep. 4 –als einleutseliger Gesprächspartner. Die eine Gruppe derTimon293 π λ είο ν ε ς(= die Toten) ist ein bekannter Euphemismus, vgl. Aristoph. Eccl. 1073; Anth. νὁ ὴ ὸζω π ἀ ῳ π δ᾽εἶπ α ὐκόμ ςο Pal. 11, 42, 6 (Krinagoras) und 7, 731, 5f. (Leonidas): ώ ἠ λ ν , Gow/ PAGE, S. 203. ZuTimon in der ϑ ςπ ε εμ οκ τ τ ο α λ ικ σ νἦ ε ε ν ό ω σ ίη π α λ α ιό ς/ ὤ Alten undMittleren Komödie vgl. GUTZWILLER 1998, S. 197 mit Anm. 33. Weitere Timon320, 577 zufinden. Epigramme sindAnth. Pal. 7, 313– 294 Vgl. Aristoph. Ran. 66f. DieJamben desPhilemon müssen kein Epigramm sein, auch wenn sie in derAnthologia überliefert sind. LAUSBERG 1982, S. 259 meint nicht ohne gute Anhaltspunkte, Ep. 4 parodiere dieWorte Achills in derodysseischen Nekyia, einen berühmten Vergleich zwischen dermenschlichen Existenz aufderErde undinderUnterwelt. 295 Zenodot vonEphesos (Zenodotus 3 Gow/ PAGE) oderRhianos zugeschrieben.

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

in kurzen

Gedichte bringt diese Eigenschaft

monologischen Distichen des Timon unbekannten Ptolemaios

zumAusdruck, so etwa das Epigramm eines ansonsten (Anth. Pal. 7, 314):

·π ῄ μ λ α ν τ ὅ ιϑ ὴ σ ὶμ ν κ Μ ὴ π νεἰμ ε ό ϑ ε δ ιν η ᾽οὔνο ά ῃ ςμ ϑ μ χ έν νἐρ ο η ο υ λ ή ςἐϑ έλ νσ τ τ ὴ ω ο . ρ ὺ ςπ α ᾽ἐμ

Du sollst nicht erfahren, woher ich bin, undauch nicht meinen Namen; nur, daßichwill, daßdieanmeinem Stein Vorbeikommenden sterben. Hegesippos, ungefähr einZeitgenosse desKallimachos, läßt denCharakter des toten Timon durch die Ekphrasis seines Grabes deutlich werden (Anth. Pal. 7, 320):296

Ὀ ξ ε ῖα ῃ ρ ιπ π ὶτ ν ε ὸ τ ά φ τ ν ά ν ο εἰσ ὶν ϑ ἄ ν κ α α ι ά ψ ε ιςτο ὺ ρ ςπ ·βλ ό ο δ α σ ν π ςἢ κ α ὶσκόλοπ ε ς · ς ίῃ ρ ω ισ π ρ ο ω ε ά ϑ έ λ ν ,ἀ λ νμ ϑ ω ςἐνοικ λ ὰ π ε ά Τ ίμ ν ό ο ν ρ ε ϑ λ εμ . ά λ άπ ώ α ολ ςπ ινεἴπ ἰμ ζ ε ο

·

Scharfe Disteln sind überall umdas Grab undDornen; duwirst dir die Füße verletzen, wenn du herantrittst. Hierin wohne ich, Timon der Misanthrop. Dochgehweiter, sag, daßduvielmals klagst, gehnurweiter.

Eine solche Beschreibung des Grabplatzes stellt das alte epigrammatische Motiv desblumengeschmückten Grabes anlieblichem Ort auf denKopf.297 Die Schilderung des strenggenommen temporären Bewuchses geht über die vorsichtigen Verweise der inschriftlichen Epigramme auf die Lokalität weit hinaus. Sie steht außerdem in einem krassen Widerspruch zurFunktion eines beschrifteten Grabsteines. Wäre das Grab tatsächlich so überwachsen, wie der fiktive Sprecher behauptet, dannkönnte mandieInschrift wahrscheinlich garnicht lesen. Ebendies ist auch gemeint. Es handelt sich um echtes Lektürehindernis. Allen Timon-Epigrammen gemeinsam ist die negative Umdeutung typischer Motive derfiktiven epigrammatischen Rahmensituation. Passend zumCharakter desGrabinhabers wird dabei alles, wassonst derEhre desToten dient, in sein Gegenteil verkehrt: Die Aufforderung, an das Grab heranzutreten, wird zu einer Warnung vor dem abweisenden Ort, Gruß undKlage werden zurückgewiesen, der Passant soll ambesten gar nicht erst denNamen desToten erfahren, er soll sogar aufalle Weise amKommunizieren mit demToten gehindert werden.298 Die Negierung wird einerseits auf derinhaltlichen 296

Hegesippus 8 Gow/ PAGE; zu den unterschiedlichen Zuteilungen an Hegesipp oder Kallimachos s. Gow/ PAGE 1965, 2, S. 303f.; zumdornenbewehrten Grab vgl. Anth. Pal. 7, 315,

s. oben S. 61 Anm. 140. 297 Vgl. CEG 1, 98 und 462; die letztgenannte Inschrift wurde von W. BLÜMEL erstmals vollständig ediert (IK 41, 501), s. jetzt MERKELBACH / STAUBER 01 / 01 / 12. 298 Derideale Betrachter oder Leser ist hier derjenige, dergarnicht kommt. Vgl. Kallimachos ὴχ α ε ίρ ινεἴπ ῃ Ep. 3 PFEIFFER = 52 Gow/ PAGE: μ ςμ ε... / ἶσ ὴ ο ινἐ ο ε νἐμ σ τ ὶτ ὶχ α ίρ ὸμ ε λ ᾶ ν . Die Konjektur π ε λ ᾶ νvon GRAEFE und σ ε λ ὲπ ᾶ ν . Die Handschriften überliefern γ JACOBS verteidigen Gow/ PAGE 1965, 2, S. 203, mit der Begründung, der Pentameter benö). gehvorüber undgrüße mich nicht“ ρ ϑ ε(„ ε λ ά tige einen Bezug zudemvorangehenden π

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211

undmotivischen Ebene desEpigramms, andererseits auch auf der Ebene der personalisierten Sprecherrollen betrieben. Die Menschenfeindlichkeit des Timon wird dabei in der Regel durch die Abwehr potentieller Leser ausgedrückt. Die einzige Ausnahme bildet das Dialogepigramm des Kallimachos (Ep. 4). Hier kommt ein verbaler Austausch zustande, deranonyme Frager erhält seine Abfuhr jedoch in der Antwort desMisanthropen. In der konsequenten Negierung der überlieferten Inhalte undFunktionen des epigrammatischen Sprechakts zeigen sich die Kenntnisse der hellenistischen Dichter, wasdieKonventionen inschriftlicher Epigramme betrifft. Aufdiesem Bewußtsein fürdieMerkmale derGattung basieren dieentscheidenden Pointen. Die Frustration des Fragers ist zwar nicht mehr Gegenstand des Timon-Epigramms, dafür aber Teil der Leserrolle eines weiteren Epigramms zu Jenseitsvorstellungen. DasEpigramm auf Charidas ausKyrene gehört zu denammeisten diskutierten Dialogepigrammen desKallimachos (Ep. 13 = 31 Gow/ PAGE):

ἰτ ῥὑ μ ὸ νἈ ρ α ίδ α ρ ςἀναπ π τ ίμ α ύ ε ὸσ ο ι; ‘ε α ὶΧ α Ἦ τ η ο ν ῦΚ ρ α γ ίο υπ υ ε ις α ῖδ α λ έ ο ί.’ ,ὑ π ᾽ἐμ ᾽ρίδ ο λ ὺσκότος.’α α ϑ ,τ ε ; ‘π ὦ Χ α ἱδ ίτ έρ ν ὰ ᾽ἄ ν ο δ ιτ ο ί; ‘ψ ε ῦ δ ο ς .’ὁδ ὲΠ λ ο ύ ῦϑ .’ἀ τ ο ω ν ; ‘μ ς ϑ μ ε α . π ω λ ό ‘ο ὗ τ ο ςἐμ ὸ ςλό γ μ ο ινἀ η ϑ ιν ό λ ςὔμ ς ·ε ἰδ ὲτ ὸ δ νἡ ύ ν β ο ύ λ ε ι, Π ε λ λ α ο ίο ῦ υβ γ έ α ςμ ςε ἰνἈ ΐδ ῃ .’

Ruht wirklich Charidas unter dir? –Wenn dudenSohn desArimmas aus Kyrene meinst, unter mir. –O Charidas, wie ist’s da unten? –‘Große Finsternis.’ –Unddie Rückwege? –‘Lüge.’–Aber Pluton? –‘Legende’. –Wir sind verloren! –‘Dies ist meine wahre Rede für euch; wenn duaber die angenehme willst: Füreinen Pellaier gibt’s imHades einen großen Ochsen.’

Der Dialog stellt eine Unterredung zwischen einem anonymen Passanten, Mitglied der Oberwelt, und zwei verschiedenen Antwortgebern dar. Zunächst wendet sich der Fragende an denGrabstein, auf demer offensichtlich gerade den Namen des Verstorbenen gelesen hat. Das Epigramm beginnt mit der erstaunten Reaktion des Lesers auf die Schrift: Er mußdenToten also kennen.299 Da ihmder Stein die Identität des Grabinhabers bestätigt, wendet er sich an ebendiesen Chari᾽ π das, dessen Anwesenheit unter dem Stein durch das eindringliche ὑ π ὸσ ο ί–ὑ μ ο ίbetont wird. Hier undin einigen anderen Epigrammen, vondenen wirzuletzt ἐ dasTimon-Epigramm betrachtet haben, nimmt Kallimachos dievondenanonymen Dichtern inschriftlicher Grabepigramme geschaffene Verkleidung der Botschaft insofern ernst, als er denDialog mitdemToten alseine realistische Szenerie gestal-

299

Damit wäre auch ein Bezug zumEpigramm des Hegesippos hergestellt. Notwendig wird die Änderung des Textes dadurch allerdings nicht, vgl. auch GIANGRANDE 1998b. Vgl. Ep. 15, 1: Τιμ ίςδ ί; ... G. CAPOVILLA, Callimaco, Rom 1967 (Studia σ ᾽ἐσ .’τ η ό ν ο ῥ α Philologica 10),‘Bd. 2, S. 400f. (wiederabgedruckt bei Coco 1988, S. 197) untersucht ἦ gibt es allerbeiKallimachos als Ausdruck vonPathos undIronie. Epigrammanfänge mitἦ ρ αin GV 1537 (= GG dings schon in CEG 1, 161, 430 (= IG I3, 502) undCEG 2, 633, mit ἦ 424), jedoch nicht ineiner Frage, sondern als Ausruf desanonymen Betrachters oder Lesers (s. oben S. 86). Es dient derPersonalisierung der Sprecherrolle undist in erster Linie ein Ausdruck von Überraschung (vgl. WALSH 1990, S. 13f.).

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

tet. Dies geschieht auch hier durch die neuartige Kombination fiktiver epigrammatischer Sprechakte, diein derTradition desSteinepigramms zunächst getrennt vorkommen. In diesem Fall werden derDialog desWanderers mit demDenkmal und die Anrede des Grabinhabers an denPassanten miteinander verbunden.300 Das Ergebnis ist die ausführliche Vorführung einer „ impossible conversation“.301 Die Frage, obderTote unter demStein liegt, ist zunächst nicht spektakulär: Es könnte sichja auch umeinen Kenotaph handeln. DenFrager aber treibt einanderes Interesse um.Dasdeiktische ‘unten’versteht er alsBezugnahme aufdenHades, undso ρ ϑ ε ; gleich demFrager des Timon-Epigramms nach ίτ έ ὰν erkundigt er sich mit τ den dortigen Lebensumständen. Die Auskünfte des Charidas sind allerdings zum Verzweifeln, und entsprechend desillusioniert ist auch die Reaktion des Fragers (ἀ μ ε ϑ π αV. 4). Die Unterwelt ist finster,302 ohne Wiederkehr303 und ohne ω λ ό eigene Götter. Das letzte Distichon enthält die Antwort desCharidas auf die Reaktion desAuskunftsuchenden in der Form einer Redensart (V. 5f.), über deren genaue Bedeutung verschiedene Hypothesen aufgestellt wurden. Von ihrer Interpretation hängt ab, ob der Schluß desEpigramms einen Trost oder eine weitere Enttäuschung für seine Leser bereithält. Charidas tritt als Sachverständiger für die 304zusamμ ιν Unterwelt auf. Sein Wissen macht ihn den pauschalisierend mit ὔμ mengefaßten Lebenden überlegen. Wiediehesiodeischen Musen ist er in derPosiγ ο ςbeinhaltet tion, einen wahren oder falschen λ γ ο ςzuerzählen.305 Derwahre λό ό dieLeugnung aller angenehmen Vorstellungen über dasJenseits. Worin die ‘süße’, aber unwahre Rede besteht, hängt vondemheute nicht mehr eindeutig zu verstehenden Genitiv Π ε λ λ α ίο υab. Eine überzeugende Erklärung geht auf KAIBEL zurück,306 der auf eine Redensart verweist, derzufolge manimHades für eine kleine Münze –nach KAIBEL eine Münze ausPella –einen großen Ochsen billig erwerben könne. Die Anhänger dieser Interpretation können mit Recht auf Kallimachos Fr. 191, 2 verweisen, in demder aus der Unterwelt heraufsteigende Hipponax den Hades

als den Ort bezeichnet, an dem man einen

Ochsen

für wenig

kaufen

die Verbindung der beiden Stellen hat sich GIANGRANDE vor alο ὺ ςἐ π ὶ lemdurch denHinweis auf Aischylos Ag.36 ausgesprochen.308 Dort wird β könne.307 Gegen

300 Vgl. GV 1831–1847, 926–1170, 1193–1208, 1209–1599 (Gruppen B VI 1, II 3, III 3, IV). 301 GUTZWILLER 1998, S. 210.

302 Vgl. σ κ ό τ ο ςin Ep. 4, 1. 303 Vgl. schon Dareios inderPersern desAischylos: ὑμ γ ὺ ςἑστῶ η τ ν ε ε ῖτ υ/ ςτά φ ο ρ ᾽ἐγ ε ῖςδ ὲϑ κεὐέξο ὐ ᾽ο γ ο ῖςὀρϑιάζον ὶδ τ ϑ έμ ἐσ ό ο τ ῶ κ α ις/ οἰκτρ ε ὶψυχαγω ςκαλεῖσ ν/ ςγ ο δ ν ιέ α ι(V. 686– εϑ ὶνἢμ είν ο υ ς᾽ ε β ε ῖνἀμ ἰκ α ο ω τ ,χ ν ς ά α ϑ τ ὰ ο ν χ ὸ ω επ λ λ ςτ ε ο ὶ/ λ ἄ ςϑ ·ἰσ 690).

304 V. 5, vgl. Ep. 4, 2. η λ 305 Vgl. Hesiod Theog. 27 undOd. 19, 203 (Odysseus belügt Penelope). ZumTopos ἀ ϑ ς– ὲ ἡ δ ύvgl. GOW/ PAGE 1965, 2, S. 188f. undHdt. 7, 101, 3; Aischin. 3, 127. 306 KAIBEL 1896, S. 265f. Ihm sind viele gefolgt, so auch PFEIFFER 2, 1953, S. 84 zur Stelle; vgl. GOW/ PAGE 1965, 2, S. 189. 307 S. PFEIFFER a. a. O. 389 = 308 G. GIANGRANDE, Callimaque et le Β Ο Υ Σ Μ Ε Γ Α aux Enfers, REG 82, 1969, S. 380– Σ 36 (= GIANGRANDE 1969b) undDERS., L’Épigramme XIII PFEIFFER de CalSMA III, S. 27– 42 (= 62 = SMA III, S. 37– limaque. Maintien de mon interprétation, REG 85, 1972, S. 57–

DieInszenierung desSprechakts

213

γ λ ώ σ γ έ ῃμ α σ ς(‘eingroßer Ochse auf derZunge’), allem Anschein nach eine bildliche Umschreibung für die Verpflichtung zu schweigen, etwa im Sinne von ‘die Lippen sind versiegelt’, verwendet. Eine mögliche Interpretation des letzten Distichons wäre demnach: Dies ist meine wahre Rede für euch, wenn du aber eine angenehme Lüge hören willst, dann ist im Hades nur Schweigen.309 Daß hier aber auch eine Anspielung aufdieWährung der Unterwelt vorliegt, wieKAIBEL meinte, wird vonLIVREA zu Recht bekräftigt. Er stellt zudem die Frage nach demphilosophisch-weltanschaulichen Hintergrund des Charidas-Epigramms, in demmanmittlerweile ein „statement of Cynic or Sceptic nihilism“sieht.310 LIVREA kommt zu demplausiblen Ergebnis, daß das letzte Distichon vonEp. 13 in zweifacher Hinsicht zu verstehen ist: Die angenehme Lüge über die Unterwelt sei die Mär vom billigen Einkauf eines Ochsen, denmanmiteiner Pellaios’genannten Münzen erwerben könne. Diese Münze meine den Obolos,‘ der nach griechischer Bestattungssitte auf dieZunge des Toten gelegt wurde. In Wahrheit jedoch, so die Botschaft desCharidas, erwerbe mansich damit nurdenO chsen auf derZunge’, also ‘ dasewige Schweigen.311 Da Charidas offenbar demfiktiven Sprecher in Ep. 13 gut bekannt ist, gehörte er vielleicht zu einer bestimmten Gruppe von Intellektuellen, möglicherweise auch zumUmfeld des Kallimachos. So könnte die hier vertretene skeptische Weltsicht wieimFall desTimarchos-Epigramms charakteristisch für dasDenken einer historischen Person dieses Namens gewesen sein.312 Sehr wahrscheinlich ist jedenfalls, daß Kallimachos eine bestimmte Sicht des Lebens nach dem Tode darstellen wollte, die den auch anderweitig bezeugten pessimistischen Unterweltsphilosophien seiner Zeit nahesteht.313 Die Dialogsituation erinnert womöglich nicht zufällig an die kynische Diatribe, in der ein fictus interlocutor das Gespräch mit seinen

1972b); auch Gow/ PAGE 1965, a. a. O. halten die Aischylosstelle für einen möglichen Einwand gegen die Interpretation KAIBELs. 309 DieThese GIANGRANDEs wurde vorallem wegen derKonjektur Π ε λ λ α ν ίο υabgelehnt, für die er keine Belege anführen kann. Nach GIANGRANDE liegt in Ep. 13 eine Anspielung auf denPoseidon Pellanios vor, derin Kyrene als chthonische Gottheit verehrt worden sei; dagegen wendet sich ausführlich LIVREA 1990, S. 320f. Π ε λ λ α ῖο ςist für ihn eine kleine Ledermünze, wiesie in Kyrene gebräuchlich gewesen sein soll, oder eine scherzhafte Neubil323). dung, mitderaufdenkyrenäischen Hedonismus verwiesen werde (bes. S. 321– 310 GUTZWILLER 1998, S. 210. Dies erscheint mir sinnvoller als das Verständnis GIANGRANDEs, demzufolge es sich umAnspielungen auf lokale Kulte handele. 311 LIVREA 1990, S. 323. Aber auch dann handelt es sich wohl nur umein partielles Schweigen, denn immerhin führt Charidas seine Reden noch ausdemGrab heraus. 312 Gow/ PAGE1965, 2, S. 188 nennen dies als eine Möglichkeit, vgl.jetzt auch GUTZWILLER 1998, S.210. 313 LIVREA 1990, S. 323f. K. ABEL, Art. ‘Kynismus’, in: SCHMITT / VOGT 1988, S. 398 schildert die Grundhaltung dieser Philosophen gegenüber den von ihnen als „Absurditäten der ῦ φ ο ς(ABEL, S. Volksreligion“wahrgenommenen Phänomenen. Der kynische Begriff des τ 397 und400 zu Krates) spielt vielleicht bei Kallimachos Fr. 203, 40 eine Rolle. Zur kyni. UnterRING, „ Spielereien mitverdecktem Ernst gemischt“ schen Literaturform vgl. K. DŌ haltsame Formen literarischer Wissensvermittlung beiDiogenes vonSinope unddenfrühen 352, 346f. Kynikern, in: KULLMANN / ALTHOFF 1993, S. 337– GIANGRANDE

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

Einwürfen voranbringt.314 Inhaltlich zu vergleichen ist vielleicht auch die Nekyia desMenippos vonGadara (ebenfalls 1. Hälfte des3. Jh.), eine ArtPredigt über die Torheit dertraditionellen Jenseitsvorstellungen.315 Den Umgang des Kallimachos mit philosophischen Themen zeigt auch das Fragment eines ganz anders strukturierten Epigramms, das möglicherweise ähnliπ ά λ ιπ ) in einem ρ ϑ ε ῶ ςἔσ ίτ ν ὰ έ ε α ι) undEp. 13, 3 (τ cheTopoi wieEp. 10, 2 (ἢ leider nicht mehr rekonstruierbaren, erzählenden Rahmen behandelte (Fr. 393):316

μ ο α ὐ τ ὸ ς ςὁΜ ῶ ’, ρ ό ν ο ιςὁ ο ν ντοίχ ςἐσ τ ὶσοφ ό ρ α φ ε ἐ Κ ς γ ἔ ἠ ν ίδ εκ ο ἰκόρα κ ε έ ω ςτεγ ν π ι‘κ ο ῖα ῆ π τ α ι’ σ υν ‘ἔ

’. α ρ μ εϑ ώ ῶ η κ σ ό ε ν α ὶ‘κ ςα ιγ σ ινκ ὖ ϑ υ ο ζ

... derTadel selbst schrieb aufdieWände ‘Kronos ist weise’. Sieh, auch die Raben auf denDächern krähen: ‘Was ist die Folgerung?’ und: ‘Wie werden wirnachher sein?’ 317 Es scheint, als ärgere sich der Sprecher dieses Epigramms über denEinfluß des Philosophen Kronos, dereinerseits jeden Kritiker ineinen Bewunderer verwandelt, andererseits selbst die Sprache derTiere durch logische undeschatologische Künsteleien verdorben hat. Wäre dies die Ansicht des Kallimachos, so könnte man vielleicht daraus folgern, daß er die geschilderte Art des Philosophierens als eine Konkurrenz zu seiner eigenen dichterischen Tätigkeit empfand. Denn die Frage, aufwelche Weise manetwas wissen kann, unddaslogische Folgern undVerknüpfen sind auch eine Eigenheit der Dichtung –darunter auch der Epigramme –des Kallimachos. Ob er sich aber einen solchen Nachhall in der breiten Öffentlichkeit, für die Wände undDächer hier wohl stehen, wünschte, mag manbezweifeln. Er hätte esjedenfalls nicht zugegeben. Eingelungenes dialogisches Experiment desKallimachos ist ferner Ep. 34 (= 22 Gow/ PAGE), das Epigramm auf die Weihung einer Eichenkeule an Herakles: γ χ γ ε ιν ,λ ο νὄ ν εο τ ά ή ίνμ Τ κ τ ό ν ν α σ υο ζ ο ν ε ,φ ᾽ὦ ρ χ ῖν ο ῆ ή κ ε‘τίς ;’Ἀ ο . ‘π ς ῖο ρ ς . ‘δέχ μ α ι.’ ο ς ;’ὁΚ ϑ 314 Vgl. ABEL, a. a. O., S. 401 zumfiktiven Gesprächspartner in der Diatribe des Bion von Borysthenes (1. Hälfte des 3. Jh.): „ ... ein blutleerer Schemen, dessen Einwürfe das vorwärtstreibende Element der Gedankenbewegung sind und der Predigt den Anstrich der unmittelbaren Auseinandersetzung mit demPublikum geben.“Es handelt sich nicht umeinenCharakter, sondern umeine funktionale Rolle. 315 LESKY 1971, S. 756; DÖRING 1993, S. 350f.; R. HELM, Lukian undMenipp, Leipzig / Berlin 1906, s. dazu aber DÖRING 1993, S. 350 Anm. 17. 316 Callimachus 64 Gow/ PAGE; überliefert bei Diog. Laert. 2, 111 (Vita Eucl. Megar.). 317 „quomodo posthac erimus“(PFEIFFER 1, 1965, S. 323). ZumText desFragments s. ferner REITZENSTEIN 1893, S. 177, zurInterpretation (Spott aufdenPhilosophen Diodoros Kronos) denPFEIFFERschen Kommentar sowie FRASER 1972, 1, 356 und757. ZurVerwendung logischer Termini auch in der Dichtungstheorie, meist aber mitjüngeren Beispielen, vgl. C. IMBERT, Stoic Logic and Alexandrian Poetics, in: M. SCHOFIELD / M. BURNYEAT / BARNES (Hgg.), Doubt

216. S. 182–

J.

and Dogmatism. Studies in Hellenistic Epistemology, Oxford 1980,

DieInszenierung desSprechakts

215

Dir hat mich, Herr Löwenwürger, Ebertöter, den Sproß der Eiche, geweiht – ‘Wer?’–Archinos. –‘Welcher?’–Der Kreter. –‘Akzeptiert.’318 Gegen eine Interpretation des kallimacheischen Gedichtes, die von einer ‘Realitätsannahme’ ausgeht, hat sich A. KÖHNKEN überzeugend ausgesprochen.319 Auch Ep. 34 ist ein literarisches Epigramm mit einer scherzhaften Umdeutung der konventionellen fiktiven Rahmensituation. Mit demTimon-Epigramm vergleichbar ist besonders die Anpassung einer epigrammatischen Sprechsituation an denCharakter des Sprechers. Obwohl die Rollen beinahe nirgends so traditionell festgelegt sind wie in dedikatorischen Epigrammen, erzeugt die Personalisierung der Perspektive einen ganz neuen Ton. In Ep. 4 undauch inEp. 34 erweist sich etwa der eine derbeiden Dialogpartner als auffallend einsilbig, undauch die Gedichte selbst

sind kurz undlapidar.320

Nach dergängigen undplausiblen Interpretation unterbricht der in Ep. 34 angeredete Herakles die weit ausholende und einschmeichelnde Rede des Weihgeschenks, auch wenn er namentlich nicht genannt ist. Der erste Vers enthält allein drei Adjektive, davon zwei zusammengesetzte Epitheta, die Herakles als einen 321nicht weiter interessieren undvon demwesentlichen Geschäft Mann der Tat“ „ imHeiligtum, derAnnahme vonWeihgaben, nurabzuhalten scheinen.3 2 2 Der Dialog in Ep. 34, der durch die geschickte Positionierung der Personalpronomina τ εin V. 1 vorbereitet wird, entwickelt sich zwischen einem Geίνμ genstand, derpoetisch als ‘Eichenzweig’ verbrämten Keule, unddembeschenkten Gott. DerAorist ϑ ῆ κ εzeigt an, daßderSprecher glaubt, derAktderWeihung sei gerade vollzogen –da unterbricht ihn der Gott. Im Unterschied zu demDialogepigramm auf den Misanthropen Timon besteht das Archinos-Gedicht nicht nur aus Frage und Antwort in der ‘natürlichen’ Reihenfolge. Dedikatorische Epigramme halten den Moment der Weihung fest –im Augenblick des Aktes selbst oder im Rückblick –‚sie apostrophieren denGott, geben aber niemals seine Reaktion zu erkennen. Das wäre wohl auch anmaßend. Vorbildhaft für diese ansonsten unübliche Dialogisierung des Weihepigramms sind dedikatorische Inschriften mit der IchRede desGegenstands in Kombination mit der Apostrophe an denGott (CEG 1, 190 = IG I3, 608):323

̣ ̣

σ ο [ε ], ϑ ε ά ό ίμ ,τ δ᾽̣ ἄ μ α ν ἀ γ γ ο ν| α [λ [ςἔρ ο ρ ϑ υ ν ά έϑ λ ε εΜ κ ]ε μ ε ν ο χ σ ά ε ὐ ςδε[κ γ . ά λ ο hε ιὸ ὶΔ ιδ α ςμ νπ ]ε τ ά

318 Übersetzung vonKÖHNKEN 1993, S. 121. φ γ ιν ή ο ςὄ ζ ο ςist eine epische

Umschreibung der Keule des Herakles (Gow / PAGE 1965, 2, S. 179), vgl. das epische φ γ ιν ή ο ςἄ ξ νin Il. 5, ω

838.

319

123 wendet sich besonders gegen die –nicht beweisbare –Erklä1993, S. 121– rung von LUCK 1968, S. 392f., derText suggeriere einen Dialog zwischen einem Bittsteller

KÖHNKEN

undeinem ptolemäischen Beamten, aber auch gegen die ernste Auslegung von SCHMIDT 1976, derSinn desEpigramms sei, daßes aufdenStifter undnicht aufdie Gabe ankomme. Parodie des Gattungstypus“(ebd. S. 123). KÖHNKEN spricht stattdessen voneiner „ 320 Vgl. auch das Lob der Kürze in Ep. 11 auf denKreter Theris. 321 KÖHNKEN 1993, S. 123. 322 Zumgeschäftlich-prosaischen Ton vgl. Ep. 24 undEp. 54. 323 Athen, Akropolis ca. 530– 520?

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

Dir, Göttin, hat mich das Bildnis hier, Melanthyros aufgestellt; eine Arbeit, dieerals Zehnten derTochter desgroßen Zeus gelobt hatte.

Die Statue spricht Athene imAuftrag desMelanthyros an. Kallimachos dagegen personalisiert auch das göttliche Gegenüber des klassischen Weiheakts und führt dieHandlung derDedikation als eindialogisches Geschehen vor. In der Dialogsituation übernimmt Herakles dieRolle desFragenden, die ursprünglich für das Grabepigramm charakteristisch ist. DerTypologie desDenkmalepigramms zufolge wäre dies eigentlich dieRolle desLesers. Ep. 34 verbindet nicht nurehemals nicht zusammengehörige Elemente des Steinepigramms: WieinEp. 58 wird derstandardisierte, inschriftliche Sprechakt voneiner spontanen Reaktion durchkreuzt. Nach KÖHNKEN liegt die eigentliche Pointe des Epigramms darin, daß der Gott die Gabe erst dann annimmt, als er erfährt, daß ihr Stifter ein Kreter ist.324 Kreter sind nicht nur für ihre kriegerische, handgreifliche Tüchtigkeit berühmt, sondern auch, wie wir am Beispiel von Ep. 11 gesehen haben, für ihre lapidare Kürze. Vielleicht ist Herakles mitdemWeihgeschenk einverstanden, als er erfährt, daßder Weihende eine vonihmselbst geschätzte Tugend besitzt. Die Vorstellung der Weihung als einer dialogischen Sprechhandlung eines menschlichen undeines göttlichen Akteurs findet sich auch in Ep. 54 (= 24 Gow/ PAGE):

υν α ικ έ ο ό ρ ὸγ ς ςὡ Τ ὸχρ π ιέ ,τ ὸπ η ις έ χ ε ςἀπ σ λ κ ,Ἀ η μ ο δ ίκ ςἈ η κ έ σ ω νὤ ο φ ε λ ε νεὐξάμ εν Δ ς , γ ιγ ν ώ σ κε ινἢ ς,325 ιτῇ ινἀπ α ίμ αλ νδ ρ α κ ῃ† ᾽ἆ ά ϑ

ν ὁπ ρ ίη ίν ρ τ η α ρ σ έ υ α ὶ·π α φ ξ . ϑ α ιμ ξ ε σ

Daßdudie Schuld erstattet

bekommen hast, Asklepios, diedir für seine Frau Demodike Akeson aufgrund eines Gelübdes schuldete, das wisse; wenn dues aber vergißt undsie einforderst, sagt dieTafel, daß sie dafür Zeugnis ablegen wird.

Kallimachos zeigt auch hier zwei verschiedene, miteinander verschränkte fiktive Sprechakte. Die Anrede an Asklepios bildet dabei denformalen Rahmen des

ganzen Epigramms. Zunächst scheint der Stifter Akeson selbst den Sprecher des fiktiven Sprechakts abzugeben, auch wenn er dieRede in der 1. Person vermeidet. InV. 3f. schließt sich eine ‘Rede inderRede’an, indem –inForm eines Kondizionalgefüges –auf die Möglichkeit einer zukünftigen Unterredung zwischen der Inschrift unddemHeilgott verwiesen wird.326 Als Sender der Botschaft tritt hier das

324 Die Kreter

stünden demnach allgemein

Anm. 18.

für eine besondere Leistungsfähigkeit, S. 123 und

denverschiedenen vorgeschlagenen Emendationen zutreffen ιν(STADTὶςμ ὶδ α 1998, S. 190 (mit Anm. 19) übernimmt κ MÜLLER). Denkbar wäre aber auch die Hinzufügung eines accusativus rei (PORSON, PFEIFFER) oderErgänzungen inderArt vonπ ά ιν(MAIR). λ ικ α ίμ 326 Zur Interpretation s. MCKAY 1969, S. 350 undFRASER 1972, 2, S. 834, Anm. 261. Dieser hält dasEpigramm für möglicherweise inschriftlich. DieGötterkritik sei nicht allzu ernst zu 318; SCHMIDT 1976, S. 147f.; HUTCHINnehmen. S. ferner CHAMOUX 1967 / 1975, S. 312– 171; GUTZWILLER 1998, S. 191f. Zu Asklepios vgl. SON1988, S. 72; MEYER 1993a, S. 168–

325 Eine Entscheidung ist kaum möglich.

zwischen

GUTZWILLER

Die Inszenierung des Sprechakts

217

‘Denkmal’indenVordergrund. Möglicherweise wendet sich Akeson, dessen Name darauf verweisen könnte, daßer ebenfalls einprofessioneller Heiler ist, absichtlich indistanziert-unpersönlichem Tonandengöttlichen Geschäftspartner, umihmden π ίν α ξals unerwarteten Zeugen für die Unterhandlung zu präsentieren. Die Tafel selbst ist wohl kaum die versprochene Gabe, sondern deren bürokratisches Bei-

werk. Kallimachos führt einen epigrammatischen Sprechakt in der Krise vor: Wie in Ep. 34 ist dieRolle desgegenständlichen Sprechers durch eine gewisse Besorgtheit gekennzeichnet, die Übermittlung derNachricht könne mißlingen. Auch in Ep. 56, in demeinbronzener Hahnseine Aufgabe geradezu rührend ernst nimmt undsich mit einer Wahrheitsformel absichert, übertreibt Kallimachos in der Präsentation seiner Sprecherfiguren. Wie wir sahen, geschieht dies durch die Psychologisierung der ursprünglich funktionalen Rollen. So kommt es, daß der Sprecher in Ep. 54 glaubt, der Gott könnte dieZahlung desAkeson vergessen, undes sei seine (Akesons) Aufgabe, ihndaran zuerinnern. Mankann darin eine rationalistische Distanz des Epigrammautors zu gewissen Formen griechischer Religiosität sehen.327 Als typisch kallimacheisch können wir mittlerweile die Infragestellung traditionell epigrammatischer Sprechhandlungen ansehen, wobei es wieder umFragen des Glaubens undWissens geht. Diese Betonung eines intellektuellen Aspekts wieauch das Insistieren auf den Formen des Sprechens verbinden das Akeson-Epigramm mit einer Reihe anderer Epigramme desKallimachos.

3.7. Diepersona des Dichters

Fürdie Zeitgenossen des Kallimachos ist die Person des Dichters hinter seinen Epigrammen deutlicher sichtbar gewesen als für den heutigen Leser. Das intendierte Publikum im intellektuellen Umfeld des ptolemäischen Alexandria dürfte meistens auchgewußt haben, wersich hinter denPersonennamen in denEpigrammenverbirgt, sei es, daß sie historische Personen, sei es, daß sie literarische Figuren meinten. Aber auch die Charakterzeichnung mancher Sprecherrolle mag auf ganz bestimmte Personen –einschließlich der des Dichters –gezielt haben. Es scheint mirdaher plausibel, daßKallimachos indie Sprecherrollen Erfahrungen und Beobachtungen einfließen ließ, die seiner eigenen Intellektualität entsprachen oder aber fremde Denk- undSprachweisen charakterisieren sollten. Nungibt es aber neben diesen epigrammatischen Sprecherrollen auch andere textinterne Figuren oder personale Rollen, durch die derDichter mitdemPublikum kommuniziert. Die wichtigste undhäufigste dieser Rollen ist natürlich das poetische ‘Ich’, das insbesondere durch die nicht-epischen Dichtungsgattungen der archaischen undklassischen Zeit vorgeprägt ist. Während manbereits im Fall manch eines quasi-inschriftlichen Epigramms spekulieren kann, ob nicht eine Kreuzung der Gattungen in Form einer Kontamination der Sprecherrollen vorliegt,328 ist in den nützlichen Artikel von B. 897. 1984, S.861– 327 GUTZWILLER 1998, S. 192.

HOLTZMANN,

‘Asklepios’, LIMC II, 1, Zürich / München

328 Zuderauf KROLL zurückgehenden Diskussion umdasKonzept der ‘Kreuzung der Gattungen’in der hellenistischen Literatur undbesonders im Fall des Kallimachos vgl. FUHRER

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undLeser indenEpigrammen desKallimachos

den Liebesepigrammen die persona des Dichters in der Regel Hauptaktant der Sprechhandlung (und oft nicht nurdieser). ZudenGemeinsamkeiten dieser Epigramme mitden‘anathematischen’ ist Entscheidendes schon gesagt worden, weshalb wir unshier auf die Vorführung weniger Beispiele beschränken wollen.329 Einen neuen Typus der privaten Rede bei Kallimachos, aber auchbeianderen alexandrinischen Dichtern, hatWALSH 1991 als audible thought“herausgearbeitet.330 Er zeigt, wie besonders seit Euripides, der „ gerne aufdenmentalen Prozeß hinter denWorten verweist, dieEinheitlichkeit des γ ο inneren λ ςverlorengeht.331 Die Gedanken bewegen sich freier in verschiedene ό Richtungen und können selbst den Sprecher überraschen. Der Grund für diese ό μ ς υ Entwicklung besteht nach WALSH darin, daß das Selbstgespräch mit dem ϑ nicht mehr vor der präsumtiven Öffentlichkeit eines mündlichen Darbietungen lauschenden Publikums stattfindet. Die‘private Rede’benötigt diefiktive Szenerie nur als einen Anstoß fürihre eigene gedankliche Bewegung.332 Nureines derLiebesepigramme nimmt Bezug aufvisuelle Details einer konkret vorzustellenden Szenerie, ohne daßdiese zumAnlaß einer Reflexion werden, die danndeneigentlichen Gegenstand desEpigramms bildet. In demin seiner Echtheit bestrittenen Ep. [63] (= 63 Gow / PAGE)333 auf die Geliebte Konopion spricht der ρ ο ῖς... π Liebhaber ψ υ χ ρ ρ ο ὰπ α ϑ ις , während das Mädchen im Hause ο ρ ύ schläft. DieNachbarn erbarmen sich (γ ε υ ι) desausgeschlossenen σ ίτο ν ε ςοἰκτείρο Liebhabers, nicht aber die hartherzige Konopion. Der Liebhaber klagt und beschimpft das Mädchen. Das zweite Paraklausithyron, das unter demNamen des Kallimachos überliefert ist, steht der Aussageweise der bisher betrachteten Epigramme in derTat näher (Ep. 42 = 8 Gow/ PAGE): S. 89f. Sie diskutiert

unter anderem denFall derhellenistischen Siegerepigramme, in der Chorlyrik undanderer ‘alter’ Gattungen verwendet werden. S. außerdemM. FANTUZZI, Il sistema letterario della poesia Alessandrina nel III sec. a. C., in:

1993,

denen Elemente

73, bes. 43 und 50 (= FANTUZZI 1993a). CAMBIANO / CANFORA / LANZA I, 2, 1993, S. 31– 329 Vgl. insbesondere WALSH 1991; GUTZWILLER 1998, S. 213–223; FANTUZZI 2002, S. 448–

463. 330 Seine Beispiele sind hier die Epigramme 2 („ , WALSH 1991, S. 4) image of private discourse“ ), ferner 28 a disposition owned anddisowned, endowed with its ownpersonality“ und31 („ („ a voice that does and does not issue from the speaker, from his knowledge and will“ ) und 41 („ wefind twosouls or perhaps one“ ), vgl. WALSH 1991, S. 21. 331 WALSH 1991, S.9–11.

332 In dieser

333

dynamischen Darstellung derGedanken liegt derwichtigste Unterschied zueiner Situationsschilderung wie in Sapphos Fr. 31 LOBEL / PAGE, WALSH 1991, S. 6f. Hier wird demPublikum ein fertiger Gedanke nahegebracht undnicht, wiebei Kallimachos, privat reflektiert. Die Collectio Planudea weist das Gedicht Rufinus zu, vgl. PFEIFFER 2, 1953, S. 99, der das Epigramm demKallimachos nicht so sehr wegen desfür ihnungewöhnlichen Themas, der Liebe zueiner Frau, sondern mehr noch wegen desTones nicht sicher zuweisen mag. Die Echtheit haben hingegen F. ZUCKER, Zu hellenistischen Dichtern. 1. Kallimachos, Ep. [63] (64) PFEIFFER, Philologus 98, 1954, S. 94– 97, LUCK 1956 und MCKAY 1964 verteidigt. Nach LUCKist dieZuteilung andenKallimacheer Rufinus erst durch eine gelehrte Konjektur entstanden. D. H. GARRISON, Mild Frenzy. A Reading of the Hellenistic Love Epigram, Wiesbaden 1978 (Hermes Einzelschriften 41), S. 63f. übergeht dieganze Frage.

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υ ο φ , έμ ρ ίαμ ρ χ ῖν υ μ σ ᾽ α α ,μ , ἐπ εκ ν ,Ἀ ώ ώ νἑκ ὲ Ei μ κ ρ οπ ω ,τ έτ ἰδ ε ὴ νπ ε ια νἥ νἔ α . ω κ ᾽ἄ ν ρ ω η τ ο γ τ ῶ α κ ςκ ναὐ ὶἜ ςμ α σ ν ὲ α ρ ,ὧ νὁμ ᾽ἠνά κ Ἄ ν , ὁδ ε κ . ν ἷλ ε ἐᾶ ρ ο π τ ν ὐ έ ια ε ᾽ο κε νπ ἴα τ ὴ η σ ό α ὐ κἐβ ,τ τ ίν ο νδο ίςἢ ὼ ϑ ς λ ,ἀ λ ἐλ α σ η ᾽ἐφ ίλ νε τ νφ ιή λ ὴ ἰτο ῦ τ μ . ω έ ικ ᾽ δ η ,ἀ τ δ ᾽ἔσ ίκ ᾽ἀ

᾽ · Bin ich freiwillig zudirgeschwärmt, Archinos, schilt mich tausendmal, wenn ich aber unfreiwillig komme, dann lasse dieunnötige Hast auf sich beruhen. Ungemischter Wein undEros zwangen mich, vondenen dereine mich zog, der andere die unnötige Hast nicht lassen ließ. Gekommen rief ich nicht: Wer oder wessen Sohn ich bin, sondern küßte nurdie Schwelle. Wenn das ein Unrecht ist, so tue ich Unrecht.

μ ο ςeines Verliebten, offenbar derpersona des Auchhier ist dernächtliche κ ῶ Dichters, Anlaß des Epigramms. Doch wird die Situation als eine bereits vergangene betrachtet, der Sprecher und Hauptakteur des Schwärmens reflektiert über Folgen und Ursachen seines Tuns. Ob der umworbene Archinos allerdings überhaupt Vorwürfe erhoben hat, bleibt unklar. Es scheint eher, als rechtfertige der leicht verunsicherte Schwärmer sein Handeln vor sich selbst. Die Pointe besteht, wiebesonders GIANGRANDE betont hat, ineinem überraschenden antiklimaktischen Schluß: Vers 2 läßt viel ‘Schlimmeres’ erwarten als das schüchterne Küssen der Türschwelle.334 In römischer Zeit hat einvielleicht erfolgloser exclusus amator das Epigramm an die Wand eines Hauses auf demEsquilin geschrieben.335 Das Vokabular der Selbstreflexion in Ep. 42 verweist, wie schon KAIBEL gezeigt hat, auf stoische Lehren bezüglich des rationalen Umgangs mit den eigenen Erregungszuständen und Leidenschaften.336 Die Selbstdarstellung des um die Richtigkeit des Handelns besorgten Sprechers erinnert an die apologetische Attitüde des Mikylos in Ep. 26: ο ὔ τ ετ ιδειν ό ν/ ῥέζ νο ω ὔ τ ᾽ἀ ακτλ.337 Während wir ν δικ έ νοὐδ έ ω dort aber keinen eindeutigen Hinweis darauf erhalten, welche Untaten Mikylos

334 GIANGRANDE 1968, S. 127. 335 S. KAIBEL 1878, Nr. 1111, S. 502; davor schon in Hermes 10, 1876, S. 1ff., s. PFEIFFER 2, 1953, S. 92; Gow/ PAGE1965, 2, S. 162. 336 KAIBEL 1896, S. 267, insbesondere zu π ρ ο π έ τ ε ια , daher auch GUTZWILLER 1998, S. 217f. mit Anm. 70; vgl. ferner WILAMOWITZ 1924, 2, S. 128, Anm. 1, FRASER 1972, 2, S. 837f. ε ςsind aber auch ein bei γ Anm. 280 sowie DERS. 1, S. 589. ἄ αundἄ ο ιἄνδρ ικ δ ικ δ ρ α ἔ T heognis’ und Solon beliebtes elegisches Thema, vgl. z. B. Thgn. 1, 29; 744; 749; 948 ‘YOUNG, ferner die ἄ δ ικ ο ιπ α ῖδ ε ςin Thgn. 2, 1282f. YOUNG undFr. inc. sed. 2, 1223 ρ ν γ ῆ ὐ ᾽ ν , ὀρ ,Κ ύ δ έ YOUNG: ο ςἀ ρ ικ δ ο ν..., in demes ebenfalls umdie Beherrschung ώ τ ε ία λ des Euhemeros. ιβ αβ ικ δ der Affekte geht. Vgl. außerdem Kallimachos Fr. 191, 11: ἄ

337 ImZusammenhang mitdenLiebesepigrammen könnte die etwas unbestimmte Szenerie in ε λ λ ο ιδαίμον ε ςο ᾽ἔχετ ε Ep. 26, 4 (ἄ , vgl. die erotischen Epigramme Ep. 30, 3f. σ ἵμ ὰδαίμ ο ν μ α ) einen ganz anderen Sinn bekommen. ὸ ιundEp. 43, 5 μ ε ς ςἔχ ν/ οὑ ω δ α ίμ Die demutsvolle Haltung des Sprechers in Ep. 42 betont vor allem GARRISON 1978, S. 64. ZuKallimachos alsFeind desunruhigen Lebens vgl. auchEp. 58, zurAblehnung desLärms 198. ASPER 1997, S. 193–

220

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

denn hätte begehen können, geht es in Ep. 42 offensichtlich umdie rationale Kontrolle dererotischen Passion.338 Diese Kontrolle erlangt der Sprecher eines anderen Epigramms durch dasgenaue Beobachten eines alter ego (Ep. 30 = 12 Gow/ PAGE= Anth. Pal. 12, 71): Θ ε σ σ α λ ικ ὲΚ λ εό τ ν ν ὰ ὸ ικ ὀ τ ν λ ά ν λ α ,ο ετά ὐμ α ν ξ ύ ἥ λ ιο ν ,ο ὐ κἔγ ν ·σχέτλ ω ν γ ν ο α ιε ,π έ ο ῦγ ς ; ά σ εδα ὀ ίμ ω σ ν τ έ α σ ε ·ἦῥ ο ο ν ἔ ικ ῦ ν τ ιτρίχ ς ο ὶμ α ρ μ ο υ ε ; οϑ ε μ δ τ ὸ ῇ π ε ςἔχ ίῃ ο ὑ ε ι, χαλ ᾽ἤν ρἐλ π ρ α ϑ σ ὰ ε ,κ ώ α ν ὶσ ὺγ ή νΕ ν ω υν ό εσ ὐ ε ἔγ ςσ ξ ίϑ ρ ρ β λ μ ο φ ο τ ε π η ι έ ᾽ ε , ἔ ς ἀ ς ϑ . χ ό μ ν τ ὸ ν κ α λ ό , ὦ ·

OhThessalier

Kleonikos,

duArmer,

Armer!

Bei der strahlenden

Sonne,

ich

habe dich fast nicht erkannt. Unglücklicher, wohin bist dugekommen? Knochen nur undHaare sind dir geblieben. Hatdich etwa derDaimon ergriffen, derauch mich erfaßt hat? Hast dudies schlimme Schicksal erlitten? Ich verstehe. Euxitheos hat auch dich geraubt. Auch duhast, als dukamst, denschö-

nenKnaben, duElender, mitbeiden

Augen angeschaut.

DasEpigramm beginnt wieeinGrabgedicht, in demder ‘Wanderer’einen Namenaufeinem Grab erkennt unddenbefreundeten Toten beklagt. Wie in Ep. 15 auf Timonoe beginnt der Sprecher mit der Identifizierung seines Gegenübers, indemer seinen Namen ausspricht. Undebenso bekennt er dieser angeredeten Person, daßer sie beinahe nicht erkannt hätte. Während aber derGrund fürdiese Krise des Erkenntnisvorgangs in Ep. 15 imDunkeln bleibt undvielleicht nur der Psychologisierung der Sprecherrolle dient, nennt der Sprecher vonEp. 30 die Ursache: Der Thessalier Kleonikos hat sich verändert undsieht nunaus wie ein Toter. Der Griff des Liebesdaimons wird implizit mit demder Totengötter verglichen.339 Die Hervorhebung derkognitiven Leistung durch dasdoppelte ἔ γ ν ω νzeugt voneinem gewissen Stolz despersonalen Sprechers, die Situation richtig interpretiert zu haben.340 Diese Entdeckung einer rationalen Deutung gleicht, wie die Analogie zu Ep. 15 zeigt, einer metaphorischen ‘Lektüre’: Hier allerdings werden nicht die Zeichen und Wörter einer Inschrift, sondern die körperlichen Symptome für die

psychische Befindlichkeit eines Menschen interpretierend ‘gelesen’. FürdieDarstellung dieser kognitiven Vorgänge benötigt Kallimachos nicht nur das Vorbild der selbstbezüglichen Thematisierungen des Sprechakts im inschriftlichen Epigramm, sondern auch eine differenzierte Rhetorik. DieFiktion einer kommunikativen Situation unddieminutiöse Beobachtung vonSprechern prägen seine erotischen Epigramme nicht weniger als diequasi-inschriftlichen. Treffend bemerkt hierzu GARRISON:

338 ImAnschluß an GARRISON 1978 sieht FANTUZZI 2002, S. 458 in derEntschuldigung für irrationales Verhalten ein durchgehendes Motiv derkallimacheischen Liebesepigramme, das ihn insbesondere von Asklepiades unterscheidet (vgl. GUTZWILLER 1998, S. 217f.). Apologetischen Zwecken dient unter anderem derWeingenuß. DieHaltung richtet sich auch gegendenAnspruch insbesondere derstoischen Philosophie –vondemsie sich aber nicht un, der wahrhaft Intellektuelle dürfe nicht die Selbstkontrolle verlieren. abhängig zeigt – 339 Ep. 26, 4: ἄ λ λ ο ιδαίμ ο ν ε ςο ἵμ ᾽ἔχετ ε . 340 Soauch FANTUZZI 2002, S. 449, vgl. denganz ähnlichen Gedankengang inEp. 43 und61.

Die Inszenierung desSprechakts

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All but one of Callimachus’ epigrams take the form of an address to some„ one, and the person addressed is usually identified by name. He freely uses expletives, interrogatives, interjections, andoratio recta to establish a natural andlifelike atmosphere for his conversational monologues. His style is more garrulous too reflected inthe length of his epigrams ...“341

Die Erinnerung aneine solche kommunikative Situation –vonKallimachos als ηbezeichnet –spielt ineinem Epigramm eine bedeutende Rolle, das manzuλ έ σ χ gleich auch als dasberühmteste Beispiel einer privaten, monologischen Rede bei Kallimachos betrachten kann (Ep. 2 = 34 GOW/ PAGE= Anth. Pal. 7, 80): ρ υ ρ ο ν κ ,ἐ εδά ό ςδ έμ νμ ὸ ε ειτ λ , τε ά κ ρ ,Ἡ έτις ἶπ Ε ἤ γ α γ ε νἐμ ι ν δ η ο ή ρ ϑ σ ν τ φ ε ό ιςἀμ ᾽ὁσ σ ά κ ἥ λ ιο νἐ νλ έ ῃ σ κ α τ υ , μ ε ε ν ο .ἀ σ νπ δ ύ ὰ έ λ ὺμ σ λ α ·χ , ιή α λ δ α ισπ ο η σ ε ῦ , τετράπ ν ρ α ικ λ ᾽Ἁ ῖν ε ξ η σ ό ν ε δ ινὁπ ν ς ά τ ν ω ινἀ ,ᾗ ὶζώ σ υ ο α ε ὲτ α ἱδ ὴ β ςἈ η α ρ π α λ κ τ ςο ε ίδ ὐ ῖ. α κἐ ἁ π ῖρ ὶχε Jemand hatmir, Herakleitos, vondeinem Todberichtet undmich zumWeinen gebracht; ich erinnerte mich, wieoft wir beide die Sonne imGespräch untergehen ließen. Du,mein Freund ausHalikarnassos, bist längst schon irgendwo Asche, deine Nachtigallen aber leben, aufdiederalles hinwegraffende Hades seine Handnicht legen wird.

Das vieldiskutierte Epigramm342 auf Herakleitos von Halikarnassos und seine Gedichte, das wie andere Grabgedichte im 7. Buch der Anthologia überliefert ist, hatzwar oberflächlich gesehen dasThema, nicht aber die Sprechhaltung eines Sepulkralepigramms.343 Der Sprecher berichtet demToten vondemMoment, an dem ihn die Nachricht vomTod des Freundes in derFremde auf mündlichem Wege erreicht hat. Dies ist die Umkehrung des bekannten epigrammatischen Botenmotivs, das Kallimachos in einem seiner quasi-inschriftlichen Grabgedichte verwendet.344 Anders als indenEpigrammen, deren fingierte Kommunikationssituation voreinem Denkmal stattfindet, von demaus die Botschaft in alle Welt geschickt wird, spielen Vermittlung undInhalt der Nachricht an sich eine untergeordnete Rolle. Was zählt, 341 GARRISON

1978, S. 68f. DerLängenvergleich bezieht sich auf Asklepiades von Samos, der ähnliche Themen in kürzeren Epigrammen behandelt. GARRISON meint, es gehe Kallimachos umdie soziale, freundliche Atmosphäre desSymposions. Die Gedanken desfiktiven Sprechers kreisen allerdings in diesem undauch in anderen Liebesepigrammen vor allem umihnselbst oderdemonstrieren seine intellektuelle Überlegenheit. AuchdasAussehen des Kleonikos läßt keine gemütliche Stimmung aufkommen. 342 Das Epigramm hat etliche hervorragende Interpreten gefunden, vgl. z. B. WILAMOWITZ 1924, 1, S. 121f.; J. G. MACQUEEN, Death and immortality. A study of the Heraclitus epi4; HUNTER 1992, S. 56; WALSH 1990, S. 1– gram of Callimachus, Ramus 11, 1982, S. 48– 123; GUTZWILLER 1998, S. 206f. 119– 343 Etwas mißverständlich formuliert GUTZWILLER 1998, S. 207: „ ... the unique format of this epitaph, a speech act directed to the deceased himself ...“ . Das Einzigartige ist nicht die An1563 = Gruppe B IV 2), sondern die nicht durch rede an den Toten (vgl. PEEK, GV 1384– einen Schiffbruch oder ähnliches begründete Abwesenheit des Herakleitos im imaginären Augenblick des Sprechakts. 344 Vgl. Ep. 12 (Κ ύ ζικ νἢ ο νἔλ ῃ ς...), dazu TARÁN 1979, S 132ff. ϑ

222

Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

ist die andauernde Erinnerung an denabwesenden Freund, derzweimal direkt angesprochen wird (V. 1 und4). Der anonyme Bote löst die Gedanken aus, vondeη ν ή σ ϑ , V. 2). Auchdies ist ein μ ν nendereinsame Sprecher demFreund erzählt (ἐ grabinschriftlicher Topos, denn das Verbreiten der Kunde zur Erinnerung der μ Überlebenden ist auch die Funktion eines μ α.345Kallimachos stellt dieses Moν ῆ tivjedoch zumersten MalausderSicht eines sich Erinnernden dar, derdenToten kennt. Die Vergegenwärtigung des Herakleitos macht demSprecher schmerzlich bewußt, wiegroß die räumliche undzeitliche Distanz in Wirklichkeit ist, die ihnvon ο υ , V. demFreund trennt. Er weiß nicht genau, wo sich dieser gerade befindet (π 3), noch, wie lange er schon tot ist (τ ά π α ε τρ λ α ι, V. 4). Die Melancholie der Verse erinnert andasEpigramm aufdenschiffbrüchigen Sopolis, vondemes heißt: ρ τ ε ι νέ α κ υ νε ὲ ς(Ep. 17, 3).346 Doch endet Ep. 2 ἰνἁ λ ίπ έ ο υφ ν νδ ᾽ὁμ ῦ hoffnungsvoller als dasGedicht auf demverwaisten Kenotaph. Zwar ist Herakleitos inWirklichkeit nicht mehrals Asche, dochleben seine Gedichte weiter. Ausder fingierten Gesprächssituation an einem Grabmal, an demder Hinterbliebene undderTote miteinander in einen zumindest symbolischen Kontakt treten können, ist hier ein ganz in die Vorstellung des Dichters verlegtes, inneres Gespräch mitdemFreund undmitsich selbst geworden. DasEpigramm verzichtet auf die Illusion eines realistisch inszenierten Dialogs mit demVerstorbenen. Obwohl dasdiskursive Element nicht fehlt –Adresse anHerakleitos, Einführung eines Boten, Ich-Rede –stellt das Epigramm keine fiktive Kommunikation, sondern einen Sprechakt mit einem wahrhaft einsamen Sprecher dar. Diese Einsamkeit wird 347 durch die Gegenüberstellung mit den λ έσ χ α ι der Freunde zu Lebzeiten des Herakleitos intensiviert.

4. ZUSAMMENFASSUNG

ImAnschluß an die Vorstellung derForschungsdiskussionen zu denEpigrammendesKallimachos, die unsere Frage nach der Inszenierung der fiktiven Sprechhandlungen betreffen, haben wir die Gedichte zunächst nach Form undInhalt geordnet. In einer synoptischen Zusammenschau der erhaltenen Epigramme wurde deutlich, wie eng die inhaltliche undformale Beziehung der Epigramme des Kallimachos zuihren Vorläufern oder auch zuzeitgleichen Gegenstücken ist, diefür die inschriftliche Verwendung gedichtet waren. Die einzige offensichtliche Ausnahme stellen, abgesehen vondenbeiden extra genus sortierten Beispielen (Ep. 1 und59), die erotischen Epigramme dar, die in der Tat als eine Neuerung des frühen Hellenismus betrachtet werden können. Doch hat sich ebenso gezeigt, daß die Konventionen des inschriftlichen Epigramms nureines der Muster sind, durch das die 345 Vgl. etwa die im Index von CEG 2, S. 333f. aufgeführten zahlreichen Belege für μ μ ῆ αund ν μ α ῆ ν verwandte Ausdrücke in Steinepigrammen des4. Jh. sowie ECKER 1990, S. 220 zu μ

imarchaischen Epigramm.

346 Vgl. HUNTER 1992, S. 120. 347 Zueinem Grabmal ausdem6. Jh. v. Chr., dassich selbst als λ η , als Ort deraristokratiέ σ χ schen Begegnung unddes Gesprächs, bezeichnet, vgl. MARGINESU 2001.

DieInszenierung desSprechakts

223

Inszenierung des epigrammatischen Sprechakts bei Kallimachos geprägt wird. So scheinen einerseits alltägliche Sprechhandlungen wie der geschäftlich-bürokratische Umgang in manchen Weihepigrammen, andererseits auch literarische und philosophische Diskurse auf die Art der Rede unddas Auftreten der Sprecher im Epigramm einzuwirken. Auch mündlich geführte Debatten imKreis der Intellektuellen haben ihre Spuren hinterlassen. Oft fehlt jedoch das Vergleichsmaterial, um dengenauen Ort dieser Redeformen und-inhalte zu bestimmen. Unsere Untersuchung stützte sich auch aus diesem Grund zunächst auf das überlieferte Material dergriechischen Versinschriften. So wurden die einzelnen Formen derepigrammatischen Präsentation bei Kallimachos imVerhältnis zu ihren inschriftlichen Vorgängern betrachtet unddort, wo es möglich schien, in eine motivische Reihe auch mit jüngeren Epigrammen eingeordnet. Die Annahme, Kallimachos habe für ein Buch oder gar für bestimmte Sequenzen in diesem Buch gedichtet, ist zwar begründet, wurde aber nicht zurGrundlage unserer Interpretation gemacht. Zwei Ergebnisse wollen wir hier besonders festhalten: Erstens das Bemühen desKallimachos, Ereignisse undSituationen imSpiegel vongedachter undgesprochener Rede zu zeigen, was eine Fülle von fiktiven Sprechern undEinschüben in Form direkter und indirekter Rede innerhalb des rahmengebenden äußeren oder ‘primären’ Sprechakts zur Folge hat. Belehrung und Demonstration von Wissen stehen dabei für die fiktiven Sprecher auffällig im Vordergrund, und dies auch in eher banalen Zusammenhängen. Damit verbindet sich eine zweite Eigenheit insbesondere derkallimacheischen Epigramme. DerDichter personalisiert dieRollen der fiktiven Sprecher in einem bis dahin unüblichen Ausmaß. Das zeigt sich schon in derVerteilung desWissens. Deranonyme Wanderer desSteinepigramms kanndort nurauf das sichtbare Denkmal reagieren, bei Kallimachos wird er im Akt des Lesens gezeigt, wobei er eigene Kenntnisse und Gedanken selbständig ergänzt. Die Personalisierung der Sprecherrollen bedeutet aber auch, daß die sich zu Wort meldenden Figuren als psychologische Subjekte vorgeführt werden, die –auch dies scheint mir ein Merkmal der Dichtung des Kallimachos zu sein –entweder eine gewisse rationale Distanz zu ihrer Rolle aufweisen oder aber ein besonderes Selbstbewußtsein demonstrieren. Hierin gleichen sich die traditionell epigrammatischen Sprecherrollen unddiepersona des Dichters undLiebhabers in den erotischen Epigrammen. Die neuere Forschung zu denEpigrammen des Kallimachos hat zu Recht betont, daßdiese Gestaltung der Sprecherrollen die Aufmerksamkeit des Lesers darauf lenkt, daßes sich dabei umFiktionen handelt, zumal diewortwörtliche Auffassung ihrer Rolle zu einigen Paradoxa führt, die demLeser nicht verborgen bleiben können. Dies betrifft vor allem denWahrheitsanspruch der ‘sprechenden’ Inschriften. Dochist dieArtderepigrammatischen Präsentation nicht injedem Fall so neu, wiees vielleicht scheinen mag. Dieoriginellen Effekte entstehen oft schon ausder Kombination vonDarbietungsformen, die in derÜberlieferung der Steinepigramme bereits vorliegen. So können Epigramme mit einem ‘anonymous mourner’ als Sprecher oder auch die Dialoge zwischen Angehörigen in Grabgedichten des 4. Jahrhunderts als Vorbilder für die Personalisierung der vormals unpersönlich vorzustellenden Sprecherrollen bezeichnet werden.

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Autor

undLeser indenEpigrammen desKallimachos

Die Vielstimmigkeit der kallimacheischen Epigramme ist sicher nicht aus der Absicht desVerfassers zuerklären, sich dieverschiedenen Stimmen gegenseitig dekonstruieren zu lassen, umso die Absurditäten einer traditionellen Gebrauchsliteratur zu brandmarken. Die imaginären Sprecher geben vielmehr jedem Leser das Gefühl, aneiner lebendigen Konversation teilzuhaben. Sie wecken Sympathie, provozieren Widerspruch undgeben Rätsel auf DieLiterarisierung desEpigramms bei Kallimachos besteht nicht in der Zerstörung alter Formen, sondern in ihrer kreativenAnpassung aneinLesepublikum. In diesem Zusammenhang ist es nicht überraschend, daßsich die Appellstruktur der inschriftlichen Vorbilder in einigen Gedichten des Kallimachos in eine innere Struktur, genauer: in eine Form des rhetorisch geschulten diskursiven Denkens verwandelt zu haben scheint. Beispielhaft vorgeführt wird dies in der epigrammatischen Leserrede. Der Leser internalisiert den epigrammatischen Dialog undvollführt denAkt des Lesens als einen Akt desforschenden Denkens.

C. EPIGRAMMATISCHE SPRECHERROLLEN IN DEN ELEGISCHEN UNDJAMBISCHEN GEDICHTEN DES KALLIMACHOS 1. EPIGRAMMATISCHE SPRECHERROLLEN IN DENELEGISCHEN GEDICHTEN Auch wenn der Aufbau einer vonKallimachos konzipierten Buchausgabe seineseigenen poetischen Werks nach wie vor kontrovers ist,1 so ist doch eines unbestreitbar: Auch diese im Verhältnis zu denEpigrammen umfangreicheren Kompositionen zeichnen sich durch eine Vielfalt vonFormen der poetischen Präsentation aus, die sich einerseits in dem‘zusammengesetzten’ Charakter der ausvielen Einzelepisoden bestehenden Bücher, andererseits in ihrer metrischen und stilistischen polyeideia nachweisen läßt. Dazu paßt, daßauch in derWahl der imaginären Sprechakte, in denen das Material dargeboten wird, das Prinzip der Abwechslung vorherrscht. Hier zeigt sich, daß die Tradition der epigrammatischen Sprecherrolleninspirierend gewirkt hat, zumal sie mit der Ich-Rede des Gegenstands eine lebendige, personale Form der Rede bietet, die demStil des Kallimachos offenbar sehr entgegenkam.2 ImFall deraitiologischen Elegien besteht nicht nureine formale, sondern auch eine inhaltliche Verwandtschaft. Besonders Epigramme auf geweihte Gegenstände, die vonder Ursache einer besonderen Stiftung oder einer Eigenheit des Denkmals berichten, sind zugleich auch aitiologische Gedichte.3 Eine weitere Gemeinsamkeit läßt sich zudem auf derEbene des illokutiven Akts ausmachen: Der Zweck der meisten Epigramme undder in denAitia versammelten Elegien besteht in einer Art desPreisens.4 Sprechende Statuen in denJamben sind nur eine komische Variante desselben Themas.

Dieformale Integration desEpigramms in eine derbeiden Gattungen kann auf zweierlei Weise vonstatten gehen. So können diefürEpigramme charakteristischen 1

2

3 4

292 und ASPER 1997, S. 60f., 146, 230– Zum Aufbau der Aitia s. KREVANS 1984, S. 138– Forschungsübersicht ebd. Anm. 152. Die Diskussion wurde jüngst belebt durch die These CAMERONs 1995, Kallimachos habe keine eigene Sammelausgabe seiner Werke veranstaltet, in der die Aitia den Anfang bilden sollten und für die derAitienprolog nachträglich gedichtet worden sei, vgl. CAMERON 1995, S. 104ff. (Forschungsübersicht), bes. S. 112f. Für die 173, s. dazujetzt Zugehörigkeit dersogenannten μ ηzumBuch derJamben ebd. S. 163– έ λ 52. R. HUNTER, (B)ionic man: Callimachus’iambic programme, PCPhS 43, 1997, S. 41– 98; GUTZWILLER 1998, S. 86f., bes. 86: „ HARDER 1998, S. 96– ... the source for Callima-

chus’ animation of inanimate objects is the epigrammatic tradition, the giving of voice to Zumpersonalen Erzählstil desKallimachos s. auch CAMERON 1995, S. 439, 445 und stone.“ 451, derallerdings aufdieVorbildfunktion derElegie verweist. 252 behandelt denZusammenfall von Epigramm undEle188, 250– KREVANS 1984, S. 185– gie nach der Etablierung des Buchepigramms in der hellenistischen Dichtung am Beispiel derAitia des Kallimachos. the basic Vgl. HARDER 1998, S. 101 zur Funktion der „generic games“in den Aitia: „ function of the genres under consideration (scil. sepulkrales unddedikatorisches Epigramm sowie Enkomion) wasto a certain extent honorific ...“ .

226

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

Formen der Anrede, etwa die Ich-Rede eines Gegenstandes in derLocke der Berenike, die Struktur eines ganzen Gedichtes bestimmen. Diese Gestaltung bewirkt, daß das Gedicht auch als ein ausgeweitetes Weihepigramm interpretiert werden könnte. Die zweite Möglichkeit besteht in der Integration eines Epigramms in die Erzählsituation einer Elegie durch seine direkte oder indirekte Wiedergabe innerhalb eines narrativen Rahmens, also durch eine Form der ‘Rede in der Rede’. Bei Kallimachos finden sich Beispiele fürbeide Arten der ‘Gattungskreuzung’, die wir imfolgenden –getrennt nach deneinzelnen Formen des fiktiven Sprechakts –untersuchen wollen. Hierbei soll es insbesondere umdieRezeption derinschriftlichen Sprecherrollen in einem größeren literarischen Zusammenhang undumdie Frage nach demtypisch kallimacheischen Modus der Präsentation gehen.

1.1. Rede ausderUnterwelt? (Fr. 64)

In demSepulcrum Simonidis überschriebenen Fragment aus demdritten Buch der Aitia erzählt der keische Dichter offenbar in eigener Person die Geschichte 12): seines Grabmals (Fr. 64, 1– Ο ὐ δ α τ ό ιν ρ σ ν ο κ α νὁκ κ ὸ ά μ ρ ο ιΚ ]ν τ κ ό ᾽ἄ ό α ο νἀ[ν ]δ σ ς ̣ι ̣ νη]ϑ β ο ά ρ ςἐπ εμ σ ικ α ι υτύμ ε ὶςὁσ ίο κ ̣ ̣ ὸπ ρἐμ ρ η ο ιπ ό ο μ α ,τ λ όμ ]α υ ν εσῆ τ ο νκ ό κ α ὶγ]ὰ ·ςἔχ[ε κ ρ α γ α ν τ ῖν ο ιΞείνι[ο ]ν ν] Ἀ ῆ Ζ ι, ο εν μ ό ζ ἁ ρκα ὴ κ ̣ρ ό ν ιψ νἀ ς ε ε ,ε ἴτ ιν τ . . . κ]α νἤ ὖ ᾽ο ᾽ἀ κ ο ύ ε ι[ς ̣ ό̣ λ ̣ ιο ό · π τ ν γ εμ νἡ ιο α λ ςσ έτ χ ]α νικ Φ οί᾽ ̣ δ ὴ ]δ ῳ νλ γ ίϑ ε νἐμ π ύρ ο νο τ μ α λ ε ὐ κ έ ᾽ἐγ ρ μ ὲτ α ά ὸγ ξ ̣έ ᾐ δ σ ϑητ ὸλέγ ο ντ ]εΛ ό ν[μ ε ω ρ έπ π ε ο ς ρ α ό ν τ νἱερ ὸ ,ὃ δ ή ν ϊο ἄ ϑ αι Κ ςτ ὰ ρ κ ε ῖσ π ισ ε σ ά ̣ ν ρ η ῶ νπ τ μ ο ςὃ ή ρ η α ςἐφ ν ..κ σ μ ν α ά ὶ] μ , ο ὐ δ μέ α ύ ᾽ὑ εσ δ ε λ ε υ ε ν ς κ ε ,Π ο λ εμ ,ο ά [ϑ ο ς ]ρ έ τρ ἵμ , ὑπ υ μ έλ λ ο ]ν τ ο ςπ ίπ τ ε ιν ἐκ τ ὸ ςἔϑ ε σ ϑ έκ ο τ ε Nicht einmal Kamarina würde wohl ein so großes Übel verhängen wiedas von derStelle bewegte Grab eines heiligen Mannes; dennauch mein Denkmal, das mir die Akragantiner vor der Stadt errichteten, den Zeus des Gastrechts ehrend, hat einmal ein schlechter Mann niedergerissen –duhast vielleicht von Phoinix, demschrecklichen Führer der Stadt, gehört. In einen Turm vermauerte er meinen Stein und scheute nicht die Inschrift, die sagt, daß ich hier liege, derSohndesLeoprepes, einheiliger MannausKeos, derichGewaltiges ... (?)5 undzuerst die Erinnerung ersann, undauch euch, Polydeukes, fürchtete er (scil. Phoinix) nicht, dieihrmich ausdemHause ...

DerBeginn derElegie in Vers 1 ist gesichert.6 Der fiktive Sprecher erscheint allerdings erst in V. 3. Ein offenbar verärgerter Simonides spricht in der 1. Person β ο ς μ ,7 den sich der Akragantiner Phoinix zuüber den Grabfrevel an seinem τύ 5 6

7

π ρ ε ισ σ άbezieht sich vermutlich auf die Weisheit des Simonides, s. PFEIFFER 1, 1965, S. 67 zur Stelle undBING 1988a, S. 68 Anm. 30. PFEIFFER 1, 1965, S. 66. β ο τ μ μ ύ ςundσ ῆ α sind in zahlreichen Epigrammen undauch schon bei Homer belegt, vgl. μ z. B. Il. 7, 86: σ άτ ῆ εο ἱχεύω σ ιν . Das Thema der–zuvermeidenden –Grabschändung

Elegische Dichtungen

227

schulden kommen ließ, als er das Denkmal des Dichters in eine Mauer verbaute, ohne sich umdenberühmten Grabinhaber zu kümmern. Besonders tadelnswert ist ρἱερ ὴ ό dies, weil doch die Inschrift auf dem Stein den Eigentümer als ἀ ν ςausμ α ) wird in oratio obliqua wiedergegeben, wobei eine μ wies. Diese Inschrift (γ ρ ά epigrammatische Formder Selbstvorstellung des Sprechers bewahrt wird (V. 8ff.).

Das indirekte Grabepigramm identifiziert den Sprecher durch das Patronymikon unddieAngabe derHeimat, zudem durch zwei fürdasEpigramm charakteristische Relativsätze, die den Verstorbenen preisen. Die epigrammatische Form verweist μ ατ ῆ ό δ ετ ο ῦδεῖν ο auf das Muster einer Inschrift in der 3. Person (σ ς..., ὃ ς ρ ά σ α τ ο...), doch wird die Rede durch die Integration in denäußeren Sprechἐ φ η ν..., V. 10). So preist Simonides sich in seinem μ ρ α σ ά ςἐφ akt personalisiert (ὃ Gedicht selbst; ein Effekt, der, wie wir noch sehen werden, dem Charakter des Sprechers angemessen ist. Die Fortführung der übergeordneten Erzählung von der Grabschändung durch Phoinix leitet zu einer im Leben des Simonides weiter zurückliegenden Begebenheit über.8 AndieGeschichte desGrabfrevels, derindem Abbruch einer ganzen sepulkralen Anlage bestand,9 fügt sich gut die berühmte Legende vomEinsturz des Skopadenhauses –zwei Katastrophen, die der Sprecher gewissermaßen überstanden hat. Der Übergang von der ‘Rede’ der Inschrift zu dieser zweiten Episode wird durch die Apostrophe an die Dioskuren betont. Wir haben es also nicht nur mit der Kontaminierung zweier Sprechhaltungen –einer moralisierenden, elegischen und einer informativen, epigrammatischen Rede – , sondern noch mit einer dritten Aussageform, der Anrede an die Gottheit, ̣ ̣ zu tun. Auf diese folgte in V. 15 mit dem Beginn des Gebets an die Götter (ὤ ν α κ ε ς...) schon dernächste Wechsel inderFolge derSprechhandlungen. Bis zur Apostrophe an die Zeussöhne in V. 11 richtet sich die postume Rede des Simonides an ein gedachtes Gegenüber (V. 5: ε ᾽ἀ ἴτ κ ο ιν ύ ε ι[ς ), das jedoch anders als in Grabepigrammen, in denen die Stimme eines Unterweltsbewohners spricht, nicht als amGrabe anwesend betrachtet werden kann, denn schließlich ist

das Denkmal ja zerstört worden.10 Dies rechtfertigt auch die Beschreibung seiner ursprünglichen undseiner derzeitigen Lage. Die Ich-Rede der Elegie in Fr. 64 erinnert an die Rede aus der Unterwelt, wie sie Kallimachos auch in seinen fiktiven Grabepigrammen verwendet. Sie geht jedoch nicht mehr von einem Denkmal aus, 8 9

1376. in Steinepigrammen seit dem1. Jh. v. Chr., vgl. hierzu GV1370– Vgl. κ ο τ έin V. 3 und 12. Mögliche Quellen für die Geschichten, auf die Kallimachos hier anspielt, sind bei PFEIFFER 1, 1965, S. 67 zu V. 6 gesammelt. Zum unbestimmten Ort der Sprecherstimme vgl. 70; M. A. HARDER, ‘Generic Games’in KREVANS 1984, S. 240 und 250; BING 1988a, S. 67–

erscheint

Callimachus’ Aetia, in: M. A. HARDER / R. F. REGTUIT / G. C. WAKKER (Hgg.), Genre in 113, hier S. 97; nach Hellenistic Poetry, Groningen 1998 (Hellenistica Groningana 3), S. 95– GUTZWILLER 1998, S. 186 ist das Subjekt des Aitions der fiktive Sprecher des Textes. Allerdings ging es imweiteren Zusammenhang nicht umSimonides, sondern umAitia dersizilischen Städte. 10 GABATHULER 1937, S. 63 verweist darauf, daß der Elegie Fr. 64 im Unterschied zu einem Epigramm Gegenwartsbezug undAktualität fehlen. Er diskutiert dasFragment jedoch unter seinen Epigrammen, daes inderKallimachos-Ausgabe vonSCHNEIDER 2, 1873, Fr. 71 noch als ein Epigrammfragment betrachtet wurde. Richtig ist die Einordnung bei WILAMOWITZ 1924, 1, S. 180 Anm. 1.

228

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

daß als existent betrachtet wird, sondern nurnoch von der Erinnerung daran, die auf indirekte Weise durch die Aitia bewahrt wird.11 Daß die Person des Sprechers vonwelchem OrtdesHades auchimmer seine Stimme kommt –hier wichselbst – tiger undvor allem wissender ist als ihre Gedenkinschrift, hat noch einen weiteren Grund. Die literarische Form desGrabepigramms, aufdie die Verse 7ff. anspielen, steht in besonderer Beziehung zu Simonides, der selbst als Urheber zahlreicher η Epigramme bekannt war.12 So rühmt er sich in V. 10 als Erfinder der μ μ , der ή ν Technik des Erinnerns, die als Mnemotechnik nicht nur in der Rhetorik, sondern auch beim offiziellen Gedenken an die Toten von Nutzen war.13 Genau diese Fähigkeit ist es, die einEpigramm, daser auf sich selbst verfaßt haben soll, feiert. Es ηals Gedächtnis und μ ή ν spielt zudem mit der doppelten Bedeutung von μ Nachruhm (Ep. 146 BERGK = 89 WEST): μ ή μ η ν νδ ᾽οὔτιν μ ιΣ η η ίδ ν ιἰσοφ ά ω ιμ φ ρ ίζ α ε ιν ρ έπ ε ο ς . π εω ὶΛ ιδ α ιπ ε γ τ δω ν έ κ τα ο ὀ

In der Erinnerung, sage ich, kommt keiner zigjährigen, demSohndesLeoprepes.

demSimonides gleich, demacht-

Aristides, der das Distichon überliefert hat, versteht die Verse interessanterweise als einEigenlob des Simonides, daser zitiert, umsich seinerseits gegen den Vorwurf des Eigenlobs zu immunisieren.14 Wenn auch das Epigramm möglicherweise eher derSimonideslegende alsderSelbstwahrnehmung deskeischen Dichters zuzuschreiben ist, so besteht doch eine Pointe darin, daß Simonides für seine μ ηgarkein μ ή μ ν μ ν ῆ α benötigt. DieGestaltung desSprechakts inFr. 64 als einer Rede desVerstorbenen nach demVorbild desGrabepigramms bietet jedenfalls eine gute Gelegenheit, Simonides als einen Quell des Wissens undder Erinnerung darzustellen und den ‘heiligen Mann’ als einen Gelehrten zu porträtieren, dessen Ruhmkeines Monumentes mehrbedarf.

11 Vgl. hierzu BING 1988a, S. 67f.: „Simonides does not appear to have risen from the dead, yetneither does hespeak through themedium of histombstone. Themedium seems rather to beCallimachus whoimpersonates thedead man, allowing himto borrow his voice in order tospeak notfrom, butabout histombstone ...“ . 12 C. M. BOWRA, Early Greek Elegists, Cambridge 21960 (Harvard 11935), S. 174– 193 und 1961, S. 321f.; BING 1988a, S. 68f. Kallimachos erwähnt Simonides noch einmal in Fr. 222.

ZuKallimachos undSimonides vgl. jetzt R. HUNTER, The Poet Unleaved. Simonides and Callimachus, in: D. BOEDEKER / D. SIDER (Hgg.), The NewSimonides. Contexts of Praise 254. andDesire, NewYork / Oxford 2001, S. 242–

13 GOLDMANN 1989, S. 52. 14 Seinem Zeugnis folgt GOLDHILL 1988, der die Echtheit des Epigramms vorsichtig verteidigt. DasSelbstlob desSimonides habe einen charakteristischen selbstironischen Ton, derin den Anspielungen auf das klassische Formular des Epigramms bestehe, vgl. ebd. S. 189ff. (Literaturbericht zumDistichon des ‘Simonides’ ebd. S. 189 in Anm. 2) undS. 196: „ The poem is not merely self-praise, but self-praise that proceeds through self-mocking of parodic

ZuIronie undAnspielungen bei Simonides s. GENTILI 1968, S. 41. Hinweise auf citation.“ ηanerster Position undφ μ ή ν μ η ί, vgl. dieFormdesGrabepigramms sind nach GOLDHILL μ 194 argumentiert gegen VANBUREN, daß Kallimachos Ep. 15, 3. GOLDHILL 1988, S. 192– μ ή ν μ ηhier dasselbe wie μν μ αbedeuten könne. Obdie sogenannte simonideische Ironie ῆ aber nicht doch hellenistischen Ursprungs ist, scheint mir noch nicht ausgemacht.

Elegische Dichtungen

229

1.2. Dialoge mit Statuen (Fr. 114, 1– 9, Fr. 7, 9–14)

Das sehr zerstörte Fr. 114, das vielleicht ebenfalls aus dem dritten Buch der Aitia stammt, zeigt die Reste eines Dialogs zwischen einem Fragenden undeiner 9): höchst merkwürdigen Statue desDelischen Apollon (Fr. 114, 1– ̣

̣

̣

]κ [.].[. .].α [ ικ λ ̣γ ώ ν ιε ε[ π ῖρ ο λ υ ]η , χα ̣ ι̣ ς.̣ ο ρ π ὸ α ]ιδ ὶπ ςἐπ ϑ ο ρ ύ σ ύγ ε η [ α ή λ ;] ‘ν ί, Δ ιο ς ἦ π ̣ ὐ ̣τ ̣ νἐμ ̣α α ]ν ὶ, ’μ ὰ ;’‘ν ὸ ν ὸ έ.’ ‘τ κ λ ̣ ς̣ ἦ [ ρ α ύ ;] ‘ν σ ίχ ε ο εα φ α ]ζ μ αμ ῶ έφ ε τ α ι νστ[ρ ο ’έ ‘σ ϑ ρ ὶΚ ν ιετ[ό ύ ιςχ ε ε ὲ νἔ]χ σ κ α ιῇμ ξ ο ν , α ρ ιτ ν ὰ ὰ ς ]σ ςΧ ά ῇ ;’ ς ἰδα τ ὰ ςδ ὶδεξιτερ π ᾽ἐ

... vieleckiger, seigegrüßt ... ... aufderSchwelle desKnaben. ... ‘Ja, delisch.’ ‘Bist duwirklich ... ... ‘Ja, beimirselbst.’ ... ‘Ja, golden.’ ... ... umgibt dich einGürtel inderMitte ... undhältst duinderlinken Hand, Kynthios, denBogen,

aufderrechten aber deine

bezaubernden Chariten?

Aus den wenigen Versen geht hervor, daß das elegische Fragment die Sprechsituation eines dialogischen Denkmalepigramms verwendet.15 Zwei kurze undeine lange Frage sind inFr. 114 bis V. 9 zumindest teilweise erhalten, darauf 17 die Antwort des Gottes. Der fiktive Fragende muß sich der Stafolgt in V. 10– tue gegenüber befinden, denn er grüßt sie direkt und bezieht sich dabei auf das, waser imAugenblick der Unterredung vor sich sieht. Die Szenerie klingt sowohl inderErwähnung des Standorts ἐ 16als auch in derBeschreibung des ρ ο π ὶπ ϑ οις ρ ύ Gottes an. Warum dieser mit π γ ώ ο λ ν ιε(V. 2) bezeichnet wird, ist nicht ganz υ klar.17 Dahinter könnte sich aber dasMotiv für die Neugier des Fragenden verbergen, der sich offensichtlich wundert undvomAuskunftgeber mehrfach überzeugt werden muß. Vergleichbar ist hier aber auch die Rückfrage des epigrammatischen ‘Wanderers’in Ep. 13, 1: ῥὑ ε ύ τ ρ α α ίδ α ι; ... ςἀναπ π ὸσ ο ὶΧ α Ἦ Ruht᾽wirklich Charidas unter dir?’ ...

15 So PFEIFFER 1, 1965, S. 127 zu V. 4–17 (mit Blick auf Ep. 13, 34 und 61) undjetzt auch G. B. D’ALESSIO, Apollo Delio, i Cabiri Milesi e le cavalle di Tracia. Osservazioni su Callima21, hier 8–13 (mit Blick auf Posidippus 19 GOW/ 115 Pf., ZPE 106, 1995, S. 5– co Frr. 114– PAGE= Anth. Plan. 275). Zu einer vorsichtigen Interpretation s. ferner PFEIFFER 1952 / 28); FRASER 1972, 2, S. 1026 Anm. 114, S. 1085 Anm. 428; 65 (= S. 26– 1960, S. 63– 12; HARDER 1998, S. 99. KASSEL 1983, S. 7– 16 Vgl. Ep. 24, 2. Gemeint ist: ‘vordemTempel’, s. MANAKIDOU 1993, S. 229 undAnm. 26. 17 Vgl. PFEIFFER 1, 1965, S. 127 zu V. 2.

230

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

PFEIFFER, der bezweifelt, daß der Fragende überhaupt die sonst in denAitia possibly a dominierende persona des Dichters ist, glaubt, es handele sich um „ stranger coming to the sacred island, perhaps a pilgrim or a merchant or an ‘antiquarian’ “.18 Diese Figur entspräche genau der Rolle eines Epigrammlesers, doch ist es natürlich nicht auszuschließen, daß sich imFall dieses Aitions diepersona desDichters ineine ursprünglich epigrammatische Rolle begeben hat. Der Dialog mit demGott beabsichtigt offenbar ein Spiel mit der Personifikation: Ist dieser vieleckige Apollon anthropomorph, ein Kunstwerk oder noch eine andere Art der göttlichen Erscheinung? Dieses Spiel erreicht mit demSchwur bei sich selbst in V. 5 einen vorübergehenden Höhepunkt. Erzielt wird derEffekt zum einen durch diepersonale Perspektive dessprechenden Gegenstands, zumanderen durch die Hinweise auf sein Aussehen, die demBetrachter die Identifizierung mit dermenschengestaltigen Erscheinungsform desGottes schwierig erscheinen lassen. Die Art der Pointe erinnert an die kallimacheischen Weihepigramme, insbesondere an diejenigen, die doch sehr merkwürdige Gegenstände vor Augen führen.19 Der Zusammenhang vonFr. 114 legt nahe, daßes sich hier umeine poetische Strategie der Buchdichtung handelt, die an die bildliche Vorstellungskraft, insbesondere an daspersonifizierende Denken desLesers appelliert. Die Vorstellung, daß Apollon vieleckiger Klotz, bildliche Statue, sprechendes Subjekt und weiteres mehr zur selben Zeit ist, kann dannamehesten nachvollzogen werden, wennmandie Statue garnicht vorAugen hat. Auchin denersten beiden Büchern derAitia werden Informationen in derArt eines Dialogs präsentiert, den–in diesen Fällen eindeutig –diepersona des Dich2120 wendet sich ters mit verschiedenen Göttinnen führt. In denFrr. 3 und7, 19– der Sprecher an die Musen, umdie Ursachen bestimmter Riten zu erfahren. In Fr. 14 sind dieChariten sein Gegenüber:21 7, 9– ̣ ̣ ̣ ̣

ς ἀ π ὸκόλπ ν ο [̣ ε ]ὡ ς ο ]ε ςἀνείμ υ ̣ ο λ ϑ ε τ̣εβ υ λ ο μ μ η έν τ ρ η ὸ ς ςἘ , λ ε ιϑ υ ςἤ ίη ητ εκ λ κ ά β ῳ λ ρ α ὶαἰό δ λ α ν ὲΠ ά ἐ εύ δ ε α ι σ ᾽ἔχου ̣ ᾽ὀστλ ̣ ί̣ γ ̣γ ̣ω ῥ έ ε ι, π νδ ιφ α λ νἄ ε ἰὲ ᾽α ̣ έγ ἔλ λ τ α ενῦ ή σ α ιψ σ ισ ι δ ἐν ϑ ο ελ ιπ ώ σα ς ,̣ ἐλ ν χ ε ῖρ ]α μο ςἐ . ς σι νἔτο ω ν έ ὺμ λ υ ο οιπ μ α , ἵν ῖς





... wieihr ohne Gewänder auf Wunsch Eleithyias denSchoß der Mutter verließet; in Paros aber (steht ihr) mitschönen, bunten Kleidern, vondenLocken fließt aber immer Öl herab; kommt nun, streicht mit denglänzenden Händen

übermeine Elegien, damit siemirviele Jahre bleiben.

18

65, bes. 63 undAnm. 25. Vgl. HARDER 1998, S. 99 („ unidenti1952 / 1960, S. 63– ). KASSEL 1983, S. 9 meint wohl zu Unrecht, die Szene zeige den auf den fied character“

PFEIFFER

Helikon entrückten Dichter

imGespräch mitApollon.

19 Vgl. Ep. 24 (ein Reiterheros ohne Pferd), 48 (eine weit gähnende Maske), 49 (eine halb verkohlte Maske),

55(eine monströse

Lampe).

20 Die Antwort der Musen erfolgt in V. 23f., vgl. auch Fr. 31b (PFEIFFER 2, 1953, S. 108), Fr. 43, 56f. 21 ZumGespräch desDichters mitdenMusen unddenChariten s. A. M. HARDER, Aspects of 110, hier thestructure of Callimachus’Aetia, in: HARDER / REGTUIT / WAKKER 1993, S. 99– 106. 100–

231

Elegische Dichtungen

Hier sind zunächst die Göttinnen selbst, dann aber auch, wie in Ep. 51, ihre Bildnisstatuen angesprochen. In demGebet des Dichters an die imaginären Chariten(V. 13f.) werden diese wieder inBewegung versetzt unddamit lebendig. In Fr. 114, V. 5 antwortet der Gott demFragenden nicht nurmit einer einfachen Bestätigung, sondern mit einem Schwur: ‘ν α ὰτ ὶ, μ ὸ να ὸ νἐμ τ ὐ .’Er verέ wendet dazu eine gängige Schwurformel, doch kommt das letzte Wort recht unerwartet: Apollon schwört bei sich selbst!22 Daß Schwüre von Göttern besondere Glaubwürdigkeit besitzen, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Aber bei welchem Apollon schwört der Gott? Demvieleckigen, demanthropomorphen Bogenträger oder einem abstrakten göttlichen Walten? Während sich der auskunftgebende fiktive Sprecher dieser Elegie seines Wissens anscheinend sehr sicher ist, bleibt der reale Leser imunklaren. Aufdiese Weise wird er dazu animiert, seine ganze Vorstellungskraft, aber auch seine Bildung zuaktivieren.

1.3. Monologische Anrede aneinGötterbild (Fr. 100, Fr. 103) Neben Fr. 114 sind in denAitia noch weitere Fragmente erhalten, in denen Götterstatuen zum Ausgangspunkt einer aitiologischen Erzählung gemacht werden.23 Fr. 100 aus dem4. Aitienbuch bietet nicht die Rede eines Bildes, sondern ausderumgekehrten Perspektive die Anrede eines Betrachters andie Bildnisstatue dersamischen Hera (V. 1ff.):

ο ν γ νἔρ ιο μ λ έ κ Σ ἐύ ν μ ό ω π λ ο ὔ λ ὶτεϑ ,ἀ π ν ᾽ἐ ο ο ξ η ν ιὸ α νγ λ υ φ δ ά ν ω νἄ ϑ α σ σ α ν ίς · ο ο ξ ςἦ ν τ οϑ ε η ο ·κ ή ὺ ρἱδρύο ν α ς ςτό τ ὰ ε ρἈ ὧ εγ ϑ δ ὰ ὶγ ῳ ὸ Δ α ν α ν ςλιτ δ ὸ ίν Λ ν ἐ ἔϑ ν ἕ δ ο ς ε κ η Duwarst noch nicht dasgutgeglättete Werk des Skelmis, sondern nach altem Brauch ein vomSchnitzmesser ungeglättetes Brett. Denn so errichteten sie

damals die Götter. Denn auch das schlichte Bild der Athene Danaos auf ...

in Lindos stellte

Zu Beginn der Elegie fehlen wenige Verse, in denen eine direkte Anrede des Sprechers an dasBild gestanden haben könnte.24 Das gegenwärtige –diesmal sehr zufriedenstellende –Aussehen der Statue erinnert denSprecher an ihre urtümlichrustikale Vorgängerin. Anstatt das vorhandene Kunstwerk zu loben, demonstriert er sein Wissen über die Götterbilder der griechischen Frühzeit. Die vertrauliche 22 Vgl. die Epigramme desKallimachos, in denen sprechende Gegenstände auf sich selbst als Sprecher verweisen, besonders imZusammenhang mitdemMotiv derWahrheitsbeteuerung

(z. B. Ep. 49, 54 und56). PFEIFFER 1952 / 1960, S. 63 sowie ebenda Anm. 26a (Nachtrag zu 1952) kennt für diese Form des Schwurs bei sich selbst keine Vorbilder, verweist aber auf ὴτ ὸ νΠ ο σ Aristoph. Av. 1614, wo Poseidon ν ε ιδ ῶschwört; weitere Parallelen aus der Komödie hat KASSEL 1983, S. 9 gesammelt. 23 In Fr. 101 (Ἥ ῃτ ρ ρ ῇΣ ε ὶμ μ ὲ ντρίχ α ίῃπ α ςἄμ π ε λ ο ε ι) ist allerdings keine Sprechςἕρπ situation mehr erhalten, siehe hierzu FRASER 1972, 2, S. 1020 Anm. 96; zurBeschreibung 225. derBildwerke beiKallimachos generell MANAKIDOU 1993, hier S. 222– 24 Vermutlich ist nur ein Distichon verloren, vgl. PFEIFFER 1, 1965, S. 104 zum Anfang des Aitions.

232

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

an das Du personalisiert das Bild, dasjedoch nicht Subjekt des Satzes ist. Der Sprecher stellt dieGöttin dar, als habe sie selbst, nicht ihre bildlichen Darstellungen durch die Menschen, sich im Laufe der Zeit von einem ungehobelten

Wendung

Brett zueinem Kunstwerk verändert. Die Anrede „ Duwarst einBrett ...“an eine Göttin wirkt wie eine Persiflage auf denhymnischen Du-Stil.25 Diese Thematisierung desKunstcharakters gehört nicht in denHymnus, sondern insEpigramm. Die Kreuzung hymnischer undepigrammatischer Anredeformen hathier, woes sich zudemumkeinen sehr erhabenen Gegenstand handelt, eine eigentümliche Wirkung. Manfragt sich, warum gerade Kallimachos für seinen Sprecher eine Sicht des Götterbilds wählt, der die Aufgeklärtheit selbst des Xenophanes fehlt. Die Kritik des Anthropomorphismus durch den Kolophonier ist in diesem Zusammenhang aufschlußreich:26

εν ν ϑ ᾶ α σ ιϑ εο τ ἀ λ λ ο ὶδοκ έ ο υ σ ιγ ύ ς , ἱβρο ᾽ο ή ντ εδέμ ῆ τ α α χ ε ιν ἔ ν η νδ φ ω ρ ςτ ε . τ έ τ νσφ ε ὴ ᾽ἐσϑ

Aber die Menschen glauben, daß die Götter geboren werden, daß sie ihre Kleider, Stimme

undihren Körper hätten.

Dasdarauf bei DIELS / KRANZ folgende Fragment des Xenophanes verspottet dieNaivität derMenschen, diesich auchBildwerke derGötter nach ihrem eigenen Aussehen herstellen.27 Ebendiese schon im 6. Jahrhundert kritisierten Elemente einer nichtintellektuellen Gottesvorstellung nutzt Kallimachos für sein poetisches Spiel mitdenSprecherrollen der Statuen undihrer Betrachter. Er betont Kleidung 9) undverleiht den Götterbildern schließlich sogar undKörpergestalt (Fr. 114, 7– Stimme, umsie in einen Dialog zu verwickeln.28 Die antiquarische Gelehrsamkeit, dieimeinen Fall eine Götterstatue, imanderen Fall ihrBetrachter beweist, steht in einem für den hellenistischen Leser sicher auffälligen Kontrast zu der gänzlich unintellektuellen Auffassung des Sprechakts als eines direkten Dialogs mit den Göttern. Das Ganze ist natürlich eine Demonstration der Gelehrsamkeit des Dichters selbst, jedoch auch eine Präsentation, die durch Humor die Sympathie des Lesers zuwecken weiß. Zugleich entsteht derEindruck einer Vertrautheit vonGottheit undMensch unddamit auch einer spontanen Nähe zu dendargebotenen kulturhistorischen Stoffen. InFr. 103ist eine Anrede

andenattischen Hafen-Heros

9 Androgeos erhalten:2

β ιςἀ ν , ἐπ ν α ε μ ὶτό δ εκύρ είδ ρ ύ ὰ τ π ε ω ρ α κ ι ςὦ Ἥ 110. In Fr. 112, 7– 9 wird diese Form der Darstellung mit 25 S. dazu HARDER 1998, S. 107– ε-Gruß kombiniert (S. 108), wofür es auch einige epigrammatische Beispiele gibt. ῖρ demχα 26 Xenophan. Fr. 21 B 14 D. / K. = Clem. Al. Strom. 5, 109, 2 STÄHLIN / FRÜCHTEL / TREU. 27 Xenophan. Fr. 21 B 15 D. / K. = Clem. Al. Strom. 5, 109, 3 STAHLIN / FRÜCHTEL / TREU. 28 Ganz anders wird dagegen das Verhältnis von Bild und Dargestelltem in den Fr. 84f. auf ̣ Sprecher denLokrer Euthykles undseine öffentliche Ehrenstatue gestaltet. Hier trennt der ἰκ ὴ ό να ν ]α zwischen Bild undPerson (Fr. 85, 9f.): ε σ ὐ τ ι τ α σ , /]ά ]ις λ ό ε[π κ η ̣ὴΛοκρὶςἔϑ [. Ebenso differenziert Ep. 38, 2 ειπ νdamit ist das Material Erz gemeint ἐπ ῖο α μ σ ε Τ ε (ε ἰκ ό ν ᾽αὑτῆ ) zwischen demMaterial undderDargestellten. ς 29 Vgl. PFEIFFER 1, 1965, S. 107; HARDER 1998, S. 97.

233

Elegische Dichtungen

O Heros beidenHinterschiffen, dadasBild30 folgendes

singt

...

Daderkomplette Kontext fehlt, kann manhier nicht einmal entscheiden, ob es sich umeine monologische oderumeine dialogische Sprechsituation gehandelt hat. Anscheinend werden aber einpersonal vorgestellter Heros undeine sprachbegabte bildliche Darstellung

Sprecher auch inFr.

in einem

Atemzug genannt. Vielleicht haben personalisierte

103 eine Rolle gespielt.

1.4. Inschriftliche Liebesbotschaften (Fr. 67, Dieg. Z, Aristainetos 1, 10) Innerhalb der elegischen Erzählung vonKydippe undAkontios im dritten Buch 75) sind zwei Passagen rekonstruierbar, die einen epigrammatiderAitia (Fr. 67– schen Charakter gehabt haben müssen. Im Unterschied zu denbisherigen Beispielen handelt es sich dabei jedoch nicht umdie Integration des epigrammatischen Sprechakts derGrab- undWeihinschriften in einen narrativen Kontext, sondern um dasZitieren inschriftlicher Liebesbotschaften, diedasMotiv derκα λ ό ς-Inschriften variieren. Diese, die in der Regel kurz undin Prosa formuliert sind, werden erst durch die Übernahme in die elegische Erzählung zuVersepigrammen. Aus den Fragmenten der Diegesis Z undaus Aristainetos, demEpistolographendes 5. Jh. n. Chr.,31 erfährt manvoneiner List, die derverliebte Akontios mit

Hilfe eines beschrifteten Apfels

bewerkstelligt:32

η ρ κ ά γ ο ν α φ η ῆ λ ο νἀ γ νἐκλ εξ π ν ςλό ιο μ ε ά ο τ ε ν ςα ώ ςμ ά ιγ δ ὐ τ ῷ υ π ερ ... Κ η η ῆ ρ α π ρ ντ α ὸτ ῶ ίν ςπ ςϑ ερ ό α ίσ κ υ ιε λ ςπ ὲκ δ ο δ ῶ ν . ... ἡδ ᾳ κ α ὶλ ά ρ ϑ ηκ μ α ὶ το α ὴ σ ίν ω σ νἀνεγ ῖςὄμ ιπ ιϑ κ ε ν ερ ρ μ α έο ν φ έ υ σ ατ μ α ισ ὴ νγ κ ο τ ιδιερχομ έ η ν ὰτ μ ινἈ ρ ὴ τ νἌ ε κ · ‘μ ο ν τ μ α ι. ἔ μ ο ῦ δ ε νὧ γ α α σ υ ο χ ίῳ ἔ νε γ ἰκ ν ο ο κ α ὶἀ κ ντ ο ιό εκ ύ σ τ ικ νλό α ὶν ὸ νὅρ ό τ ὸ ν’ἐρω ϑ ὸ ντ ο η μ ν έ , ... να ἰδ ο υ ε ιψ ρ έρ ἀ π

Dupflücktest

einen Kydonischen Apfel, schriebst umihn herum eine listige Rede undrolltest ihnheimlich vor die Füße der Dienerin das Mädchen aber nahm ihnundlas, mitdenAugen entlanglaufend, die Schrift, die so lautete: ‘Bei Artemis, ich werde Akontios heiraten’. Noch während sie den Eid ablas, wenn auch als einen ungewollten undfalschen Liebesschwur, warf sie ihn scil. denApfel) voller Scham fort,

[...]

[...]

Die aus einer

gemeinsamen Quelle

von Diegesis und Aristainetos

übernom-

mene Version derApfelaufschrift inForm eines Schwurs paßt nicht in dasMetrum der Elegie. Möglicherweise haben die antiken Kommentatoren eine in die Elegie

integrierte indirekte Wiedergabe derAufschrift, diewieinFr. 64 durch einverbum dicendi eingeleitet gewesen sein könnte, in eine Oratio recta umgewandelt. In der

30 Zuκύρ β ιςvgl. PFEIFFER (wievorige Anm.). 31 Beide Quellen sind bei PFEIFFER 1, 1965, S. 71 abgedruckt. Die Geschichte mußFr. 72 vorausgegangen sein.

32 Aristainetos 1, 10, 26f., 36– 40 MAZAL. Zur Interpretation des Apfelsymbols vgl. E. ZAFFAGNO, Il giuramento scritto sulla mela, Materiali e contributi per la storia della 119. narrativa 1, 1976, S. 111–

234

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

Kydippe des Kallimachos hat dann vielleicht ein metrisches Apfel-Epigramm gestanden.33 Die Darstellung der Apfellektüre bei Aristainetos zeigt, da die Liebeswerbung heimlich geschieht, möglicherweise ein leises Lesen.34 Daß dies bei Kallimachos auch so war, ist damit jedoch nicht gesagt. Das ausgiebige Spiel, das er ansonsten mit den verwirrenden Effekten metaphorisch ‘sprechender’ Inschriften undGegenstände treibt, spricht eher dagegen. Die Pointe besteht hier darin, daß dieLeserin derInschrift nicht weiß, daßdasvermeintliche ‘Ich’der ‘sprechenden’ Inschrift in Wahrheit sie selbst ist. Diese Technik (τ η ν , Fr. 67, 3) der Leserbeχ ν έ einflussung hat Akontios, wiees zuBeginn derEpisode heißt, vonEros selbst gelernt (Fr. 67, 1ff.). Ob Kallimachos hier die Möglichkeit zu einem solchen Spiel mit den Sprecherrollen tatsächlich genutzt hat oder nurin irgendeiner Form auf eine bekannte Episode anspielte, mußabervorerst offenbleiben. Die Apfelbotschaft an Kydippe ist jedoch nicht das letzte Beispiel einer In75 zur Sprache kommt. In der Version schrift, die in dererotischen Elegie Frr. 67– des Aristainetos zieht sich der unglückliche Akontios wie ein verliebter theokritischer Hirte in die Einsamkeit der Natur zurück und spricht dort mit den Bäumen:35

‘ε ἴϑ ε ,ὦ δ ρ έν α δ ή ,κ ιτ , ὅπ ο οκ ω η α έν α τ ὶν ο ὶφ ω ν ε ςἂ νεἴπ ῦ μ ῖνγ ςὑ ἢγ ο ῦ ντοσ α ῦ τ ακ α τ ὰτ κ ε ῶ νἐγ νφ ιῶ ο κ λ ο “ μ μ ρ .’ ά ο μ έ α φ ιτ έρ μ εγ λ α ·ν ·ατα μ όν ο ν„Κ ηκαλή π υδίπ

O wennihrdoch, ihrBäume, Verstand undStimme hättet, damit ihrnursagen könntet: „Kydippe ist schön.“... oder dochwenigstens so viele Buchstaben in dieRinde geschnitten trüget. Ein Vergleich der Stelle mit dem Distichon, das die Aristophanesscholien aus derKydippe desKallimachos zitieren, zeigt, daßder spätantike Autor die bei Kallimachos in Form einer Oratio obliqua in denVers eingefügte Inschrift in diesem Fall tatsächlich inProsa undindiedirekte Rede zurückübersetzt hat:36 ο ιτ ε ό σ τ σ ν α φ α έρ έ ὴ φ λ ἀ λ λ ο ιο ῖσ ικεκομμ ὶδ ν ᾽ἐ γ ρ μ μ ά α τ α ,Κ υ δίπ η ν ὅ π σ σ ή . ν υ σ ικαλ ᾽ἐρέο Aber in dieRinden geschnitten mögt ihr soviele Buchstaben tragen, wiesagen werden, daß Kydippe schön ist. 33 Von Kallimachos inspiriert ist wahrscheinlich Anth. Pal. 5, 80 (= ‘Plato’ 5 FGE), auch wenn es unter demNamen Platons überliefert undaus Kydippe Xanthippe geworden ist: ά λ λ ε ιμ γ ὼκ εφ ὺ ·κ α ὶσ ἀ ιλ η ῶ νσ π ν ϑ α ίπ έτ ᾽ἐπ ις . ἀ ίν ε λ υ ν λ σ ,/ Ξ ο ώβ νἐγ ῆ λ ο Μ μ ρ α α ιν μ ό ε ϑ α Daß . die Motive dersogenannten platonischen Epigramme eher hellenistisch · 84, gezeigt. sind, hat W. LUDWIG, Platons Liebesepigramme [1963], in: PFOHL 1969, S. 56– 435, hier 34 Sojedenfalls B. M. W. KNOX, Silent Reading in Antiquity, GRBS 9, 1968, S. 421– 45. 430f. Vgl. aber S. BUSCH, Lautes undleises Lesen in der Antike, RhMus 145, 2002, S. 1– 35 Text nach PFEIFFER 1, 1965, S. 76 (Apparat zuFr. 73). 36 Fr. 73. Die Rekonstruktion vonProsainschriften auch aus denEpigrammen desKallimachos hat die Interpreten aller Epochen gereizt. Genau darin liegt wohl auch das von Kallimachos beabsichtigte Leserverhalten.

Elegische Dichtungen

235

Daß Akontios der textinterne Sprecher war, ist sehr wahrscheinlich. Aus Aristainetos wird zudem deutlich, in welcher Szenerie er sich befindet. Auch hier redet Akontios in der Situation eines einsamen Sprechers die Bäume an, undvielleicht hat schon Kallimachos wie Aristainetos dabei verschiedene Baumarten erwähnt.3 7 Beide Autoren lassen Akontios im Wunschmodus sprechen. Während sich der Akontios des Kallimachos aber wünscht, die Bäume möchten eine ‘sprechende’ Inschrift tragen, undsich damit eng an die traditionelle mündliche Beschreibung der schriftlichen Kommunikation hält,38 zergliedert Aristainetos den Sprechakt in eine mündliche undeine schriftliche Komponente. Er läßt die angeredeten –und damit personalisierten –Bäume zuSprechern werden undnimmt imGegenzug den γ ρ ά μ μ α τ αdie Stimme. DasQuantitätsargument (‘soviele Buchstaben, wie sagen werden ...’) erinnert andie Darstellung derNamensinschrift des Theris-Epigramms (Ep. 11: σ ρ ὰ τ α λ ίχ κ έ ο ο ςο ὶδολ ὐμ ᾽ἐμ ξ ιχ ό ω ν/ ... ἐ ), indemdieRede desinς π schriftlichen Verses undder Träger der Inschrift zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dies ist mit Sicherheit nicht poetologisch im engeren Sinne zu deuten, zeigt aber eine gewisse Obsession desjeweiligen fiktiven Sprechers, wasdenAkt des Schreibens undvielleicht auch denAkt des Lesens betrifft. Der Akontios des Kallimachos wünscht sich, daß die Bäume eine κ α λ ό ς-Inschrift trügen, doch zählt er in Gedanken die Buchstaben und nicht den Wald von Inschriften, umden es doch eigentlich geht. Auch in dieser mentalen Strukturierung, diedenUmweg über unerwartete Argumente liebt, gleicht der Sprechakt des Aitienverses der Präsentation von Gedankengängen in den kallimacheischen Epigrammen.39 1.5. Monologische Ich-Rede von Gegenständen (Fr. 110, Fr. 97)

In derLocke der Berenike (Coma Berenices, Aitia IV, Fr. 110)4 0 berichtet ein geweihter Gegenstand in der 1. Person vondenUmständen seiner Weihung. Die 37 Zuφ η γ ο ῖςὑπ ο κ α μ ν ε ο ϑ ή τ ε λ ςἢπ έ α ις(Aristainetos 1, 10, 57 MAZAL, s. PFEIFFER 1, 1965,

S. 76) vgl. Kallimachos Hymn. 3, 120 und6, 27 (π ) sowie Ait. Fr. 186, 15; Jamb. 5, η τ ελ έ γ η ό Fr. 195, 32; Hymn. 3, 239 (φ ). Baumarten –sowohl die wilden als auch die kultivierten ς 85 (die Bäume des Sorten –werden überhaupt recht häufig erwähnt, vgl. u. a. Hymn. 4, 79– Helikon); Hymn. 6, 27f. (der heilige Hain der Demeter); Jamb. 4 (der Streit von Lorbeer und Olive), hier bes. Fr. 194, 13, 65 und96. 38 Vgl. Fr. 64, 7f.: τ μ ρ μ ὸγ ά α/ ... τ ὸλ ρ ὰλ έξ γ α κ . ο ν έ ν , Ep. 11, 1: σ ω ο τ ίχ ὐμ ςο 39 Vgl. Theokr. 18, 47f.: γ ῃ ρ μ μ ά α τ αδ ις/ ἀννείμ ντ ιώ ρ ρ ᾽ἐ ά ψ ετ α ι, ὡ α γ νφ ςπ λ ιῷ γ ο ε β έ ε υ ᾽μ Ἑ ι.’Hier liegt die Pointe darin, daß man den Leser ί ‘σ ρ ισ τ ν α νεἰμ λ έ τ ό Δ ω ςφ υ

40

läßt. Die Stelle zeigt im übrigen die Integration einer Inschrift in den dorisch sprechen · · ᾽ ιςnahtlos zuder Sprechhaltung eines Epiντ ρ ιώ Hexameter, wobei derDichter mitὡ ςπ α gramms überleitet. S. ferner Anth. Pal. 12, 129 und 130, 3f. (ο η ς ᾽ἐλά τ υ ὸ ὐ δ ςο ὐδρ ρ ω ς ᾽Ἔ χ ε μ τ ῇἴσ ᾽ἐ λ νἐ λ ’]· ἀ ό λ ς ῦ τ ᾽ἔπ ο ς[scil. ‘κα ᾽ἐ π ο ὶ τοίχ υ/ το δ ὐ ε νο μ ρ ά α χ α ξ ἐ λ ό ς-Graffiti, das die Schrift), ein Kallimachos rezipierendes Epigramm über κα ρ α δ κ ίᾳ kritik des5. und4. Jahrhunderts wiederaufzunehmen scheint. Zur Rekonstruktion des Inhalts vgl. R. PFEIFFER, ΒΕΡ Σ[1932], in: Ο Μ Α Κ Ο Λ Η ΣΠ ΙΚ Ν Ε 152; H. HERTER, Die Haaröle der Berenike [1971], in: KalliKallimachos 1975, S. 100– 206; S. WEST, Venus Observed? A Note on Callimachus, fr. 110, CQ machos 1975, S. 186– 66 (= WEST 1985a); zu den historischen Zusammenhängen WEBER N. S. 35, 1985, S. 61–

315. 1993, S.266, 313–

236

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

Anredestruktur ist einerseits durch die lateinische Übersetzung des Kallimachosν λ ε textes durch Catull,41 andererseits durch dasin V. 7 erhaltene μ ε ψ νἔβ ω ν εΚ ό gesichert, das sich auf den Hofastronomen Ptolemaios’III. bezieht, der die vergöttlichte Locke, die Berenike für ihren Gatten im Arsinoe-Aphrodite-Tempel weihte, zuerst amHimmel gesehen haben soll.42 DerVergleich vonFr. 110 mitder Version des Catull en détail hat ergeben, daß Kallimachos die Rede in der 1. Person unddie Apostrophe wesentlich häufiger benutzt, als es die verschiedenen Umsetzungen des Catull in die 3. Person vermuten lassen könnten.43 Die Vielfalt der Redeformen und ihre Herkunft aus verschiedenen Gattungen, insbesondere

aber ausdemEpigramm, hatHARDER 1998 zusammengefaßt:44

to hover between epigrammatic explanation encomiastic address of Berenice in ‘Du-Stil’ andreflection which maycontain occasional apostrophe.“

Thus the narrative voice seems „

onbehalf of a reader / spectator,

[...]

Der epigrammatischen Sprechhaltung vergleichbar ist die Rede der von Sean Arsinoe-Aphrodite geweihten Muschel in demausführlich berichtenden Ep. 5 (= 14 GOW/ PAGE).45 Auch dieses Gedicht beinhaltet die phantastische Reise eines Gegenstands, hier der selbständigen S chiffahrt’ einer Muschel, zumOrt der Bestimmung.46 In ähnlicher Weise erzählt die ‘ Locke in Fr. 110, 51ff. von ihrer allerdings unfreiwilligen Reise vomKapZephyrion zudenGöttern undSternen. Die 64 derLocke enthalten eine Selbstvorstellung der Sprecherin, die einer epiV. 61– grammatischen Präsentation voreinem Publikum vonBetrachtern gleicht: lenaia

̣

̣

φ ά εσ ]ιν ἐ νπ ο λ έ ε σ σ ρ ινἀ [ὰ γ μ έν α ω ι ίϑ λ λ ιο ςἀ μ ̣γ ̣ ὶΒ ]ε ν κ α ίκ ερ ε ιο ςκα λ ὸ μ [ο ὼ π λ ό ςἐ κ α , ς ̣ εν ὕ δ α σ ι] λ επ ρ μ ό νμ α [ν ο υ ό ᾽ἀ ά τ ο ϑ α υ ςἀ ν ιό ν τ α ρι]ς χ ρ α ίο Κ ύπ ἐ νἀ ιςἄ ρ ο ν[ἔ σ τ . ν ο έ εν κ η ϑ

41

Catull.

66; zumVerhältnis derbeiden Dichtungen

324.

zueinander

s. HUTCHINSON

1988,

S. 322–

42 Ein epigrammatisches Motiv zitiert V. 51: ἄρ ν ιπ ο α ϑ ο μ έε κ σ εκό η τ νμ ό μ τ ]ε ό τ ι [ν ἀ δ ε[λ φ ε α ί(‘als soeben erst Abgeschnittene betrauerten mich meine Haar-Schwestern’); so finden sich in CEG 2 für das 4. Jahrhundert acht Belege für π ο ϑ ε ῖνals Klage der Hinterbliebenen. Möglicherweise endete dieElegie miteinem χ α ε-Gruß anBerenike (vgl. PFEIFῖρ FER1, 1965, S. 122 z. St.), derausEpigrammen, aber auch aus Hymnen bekannt ist, vgl.

43

HARDER

1998, S. 108. 1932 / 1975,

S. 112: „ Dietraditionelle FormdesExemplum in derepischen Rede istalso ineinbewegtes, lebhaftes, antithetisches Spiel vonAnrede undFragen aufgelockert; derÜbersetzer hatunsdiese, unsja ausvielen anderen Beispielen bekannte Feinheit kalli-

PFEIFFER

macheischen Stils verwischt.“

44 HARDER 1998, S. 99. 45 ZuEp. 5 vgl. G. GIANGRANDE, Three Alexandrian epigrams, API 167, Call. E. 5, AP 12, 91, in: Papers of the Liverpool Latin Seminar 1976, Classical Latin poetry, Medieval Latin poetry, Greek poetry, Liverpool 1977, S. 253– 288 und K. J. GUTZ270 = SMA I, S. 271– WILLER, The Nautilus, theHalcyon, andSelenaia. Callimachus’s Epigram 5 PFEIFFER = 14 G.-P., ClAnt 11, 1992, S. 194– 209, wodie Anspielungen auf das biologische Vokabular des Aristoteles diskutiert werden, undWEBER 1993, S. 257f. Eine genauere Datierung ist, wie bei allen Epigrammen desKallimachos, nicht möglich. 46 Vgl. Fr. 110, 51– 67.

Elegische Dichtungen

237

... sondern daßichunter dieVielzahl derLichter gezählt werde, ich, dieschöne Locke derBerenike, feucht vonWasser hat mich Kypris unter die Unsterblichen versetzt als einen neuen Stern unter alte. Mit der Sprechhaltung derMuschel inEp. 5 hat die Rede der Locke schließlich dieleicht bedauernde Reflexion über ihren einstigen undjetzigen Zustand gemeinsam.47 Dieser Aspekt ist allerdings in Fr. 110 stärker herausgearbeitet, in demdie Klage der Locke umdie Entfernung vonihrer ‘Herrin’als ein Kompliment für die Königin Berenike undihr Haar zu verstehen ist. Die Personalisierung der Sprecherperspektive istjedoch keine injeder Hinsicht realistische Psychologisierung. In ρἄπ ν ο υ ὰ ςauf denObjektcharakter des dedicatum und ὶγ Ep. 5, 9 verweist ε ἰμ damit auf das Paradoxon der Sprecherfiktion. Diesen für den Leser irritierenden Effekt verwendet Kallimachos auch in seinem pseudosepulkralen Epigramm auf Timon,48 umeine absurde Dialogsituation –ein T oter’ informiert einen ‘Wande‘ rer’über das Schicksal nach demTod–zupersiflieren. Die Geschichte einer Vergöttlichung ausdemMunde desbetroffenen Subjekts inFr. 110 bietet demDichter Gelegenheit, einen Kontrast zwischen dererwarteten Einheit derSprecherrolle und der in sich widerspruchsvollen ‘pluralen’ Identität einer Personifikation zu inszenieren. In der neueren Forschung hat mandies bisweilen als „ Künstlichkeit“und bewußte Brechung der Perspektive interpretiert, die eine Distanz zur offiziellen ideologischen ‘Doktrin’ offenbare.49 Die Frage ähnelt damit der Diskussion über eine mögliche kritische Distanznahme des Kallimachos hinsichtlich allgemein verbreiteter religiöser Vorstellungen in seinen ‘inschriftlichen’ Epigrammen. Die Annahme, daß sich hinter der Gestaltung der fiktiven Sprecherrollen in den Dichtungen des Kallimachos eine solche Strategie der Distanzierung verbirgt, entspricht vielleicht demheutigen Empfinden. Es gilt jedoch zu bedenken, daß die ‘Künstlichkeit’des Sprechakts –zumindest was das Epigramm betrifft –kein neues Element in derTradition dergriechischen Dichtung darstellt. Das Spiel mit denFacetten der Personifikation, auch dieextreme Personalisierung, die sich besonders in derfür ein veritables Opfer psychologisch plausiblen Klage der Locke zeigt,50 ist nur eine Steigerung typisch epigrammatischer Effekte, die ähnlich offenbar auch schon in der attischen Komödie genutzt wurden. Für den Leser eines solchen Gedichts ist diese Art der Präsentation, die in besonderer Weise an die Vorstellungskraft des Rezipienten appelliert, ästhetisch überaus reizvoll.

47 Vgl. besonders Ep. 5, 9f.: μ ῃ η ιἐ σ ο δ ινἔ μ έμ νϑ α λ ϑὡ ά ρἄ π υ ὰ ρ ς ὶγ ο ς(ε ἰμ ςπ ά ̣ )̣ /̣ ̣ νο ο ῆ ν ςundFr. 110, 75– υ ό ςὤ λ κ ε νἁ ̣̣ τ ̣ ̣ οὐ̣ τά ο εφ ινοτερ δ α η τ ίκ ιτοσσήν τ ο έρει δε μ ̣ 78: ᾽ιξόμ εν [ο ς ςἄ ,/ἧ π ο ρ ,π ῆ [ϑ ]ε ν ρ υ φ ίη α ςοὐκέτιϑ ω κ ο λ λ χ ά η ς/ ἀ]σ ε ίν κ ἐ ]ν ο [σ σ ὅ χάριν μ ὲ ν νὅ υ α ικ ά ,γ ε τ ίω νδ νἔτ ᾽ἦ ᾽ο ι, π νsowie die ρ ὐ ω κἀπ α/ λιτ ο λ λ κ έ λ α ὰπ ύ ω υ έπ σ αμ 61, allerdings vonPFEIFFER ergänzt) und μ α ι(V. 59– έν ω ρ αδ φ ὲ ] ... [γ Parallele zwischen ὄ Ep. 5, 7.

48 Ep. 4, 1: ο ᾽ἐσ ρἔ ὰ τ σ ί. Ein typisch epigrammatischer Verweis auf denKunstcharakter ὐγ des Gegenstands ist in Ep. 5, 8 die Einbeziehung des potentiellen Betrachters, die durch νimpliziert ist (zudiesem Motiv vgl. z. B. MERKELBACH / STAUBER 01/ 01 / 13, ο τ ίσ επ κ π ερ ). μ α γ α λ ν ω νἄ τ ὸ V. 2: γ 49 WEBER 1993, S. 267 im Anschluß an E. R. SCHWINGE, Künstlichkeit vonKunst. Zur Geschichtlichkeit deralexandrinischen Poesie, München 1986, S. 70. 50 Vgl. auchdieFrage in V. 47: τ μ ο ιῥέξω κ α ό λ ίπ ; ν μ ε

238

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

̣

Über Fr. 97: Τ η ν ρ ῶ σ ντείχ υ μ αΠ ισ γ ικ ε εγ λ ὸ α νε ἶχ σ έμ ῖαläßt sich auch α

mit Hilfe der Diegesis wenig ermitteln.51 Falls es umdie Errichtung der Mauer ging, so wäre Fr. 97 möglicherweise eine in die Aitia integrierte, ausführliche Bauinschrift, indereine Mauer ihre Geschichte inder 1. Person erzählt. 4) 1.6. Epigrammatische Sprechakte in Siegesliedern (Fr. 384, 44–52, SH 254, 1–

DieParallelen zwischen derLocke der Berenike unddemWeihepigramm sind das verwandte Thema der Stiftung eines Gegenstandes begründet, auch wennderOrt des Sprechakts des ‘Epigramms’innerhalb derAitia inkonkret bleibt. Eine solche inhaltliche Verwandtschaft zumdedikatorischen Epigramm liegt auch imFall derbeiden erhaltenen Enkomien desKallimachos vor, demSieg des Sosibios (Σ ω ίο η σ ιβ , Fr. 384) unddemSieg der Berenike (Victoria Berenices, υΝ ίκ SH254).52 Beide Gedichte kombinieren denAufbau despindarischen Preislieds mit Formen oder Motiven des elegischen Weih- undSiegerepigramms.53 In denVersen 49 des Epinikions für Sosibios erwähnt Kallimachos zwei Weihgeschenke im 44– Rahmen einer Aufzählung der Siege des Empfängers. Zunächst geht es umeinen 46):54 Sieg des Sosibios im Diaulos (Fr. 384, 44– durch

β ο ν ρ ν λ ω ὁξεῖν υμ ά μ ή φ ο ο τ έ ς ·οὐκ ο ιγ ς ἀ έ τ ςἐπ η ή μ μ ρ ε νΕ υ ν σ ς .᾽ σ ό τ ο ὐ ρ α ίῳ α ῖδ νἩ α π ςἐ ή ν . ό φ ο νἀ ω ν ρὁμ ο ιδ ὴ ιςἀ ῳ δ ώ σ ε ιτ ν ν μ έ α ὣ ςφ Beider warderFremde teilhaftig; nicht mehrnackt werden wirdieTöchter der Eurynome im Heraion hinstellen. Einen gleichlautenden Gesang wird einer demjenigen geben, derso redet.

Andieser ersten Stelle wird eine Weihgabe des Sosibios genannt, die vermutlich ein Relief oder eine Statuengruppe der bekleideten Chariten darstellte.55 Die Lücke vor V. 44 ist die Ursache dafür, daßwirdenSprecher der Verse (φ ῳ μ , έ ν α V. 46) nicht mehr kennen. Plausibel erscheint die Erklärung vonWILAMOWITZ und anderen, daß hier vielleicht ein argivischer Priester der Hera spricht, für den der ; 51 „Von den Tyrrhenern hatte mich, die pelasgische Mauer, das (kekropische?) Land ...“ PFEIFFER 1, 1965, S. 102f. Vgl. Dieg. IV, 3f. zu den Aktivitäten der Pelasger in Athen: κ ὶ α τ ο ῦπ ο ϑ ιη έν τ ο ᾽αὐ ςὑ π τ ντείχο ῶ υ ς . GUTZWILLER 1998, S. 187 undHARDER 1998, S. 97 erwähnen das Fragment nurals ein weiteres Beispiel für eine epigrammatische ‘Stimme’, deren Herkunft allerdings unklar sei. 52 Die Elegie ist zugleich das Proömium zum 3. Buch derAitia, vgl. LLOYD-JONES / PARSONS in SH, S. 100 (mit der Forschungsdiskussion zur Rekonstruktion des Aufbaus derAitia) und S. 110. 53 Zur Verwandtschaft mit demEpigramm s. besonders FUHRER 1992, S. 100 (Victoria Berenices) und190 (Σ ). Dasentsprechende epigrammatische Vergleichsmaterial ίο ω η υΝ σ ιβ ίκ ist dort undin einem Anhang auf S. 243f. zusammengestellt. 168; 54 FUHRER 1992, S. 168 und 189, zu den beiden Weihungen im einzelnen ebd. S. 161– WEBER 1993, S. 249f., 324. 55 FUHRER 1992, S. 161 und Anm. 616. Zur Einkleidung der Chariten vgl. auch Fr. 7, 9–14. Typisch kallimacheisch ist dieGleichsetzung vonStatue undGottheit selbst.

Elegische Dichtungen

239

Stifter Sosibios einξ εῖν ο ςist.56 In derdirekten Rede läge damit eine charakteristische Personalisierung derSprecherperspektive vor. DieEinführung mehrerer Sprecher ermöglicht Kallimachos auchdieApostrophe anverschiedene fiktive Adressa41. Wenngleich Aktanten und Lokaliten, insbesondere an Ptolemaios I. in V. 39– sierung des fiktiven Sprechakts in den zitierten Versen nicht mehr mit letzter Sicherheit geklärt werden können, so wird doch deutlich, daß die Preisrede des An46 nicht nurandenhymnischen Preisredner, sondern auch andie onymus in V. 44– epigrammatische Sprecherrolle desbewundernden Betrachters angelehnt ist. Ein direktes Epigrammzitat benutzt Kallimachos dagegen für die Darstellung einer zweiten Weihgabe, die der Sprecher selbst gesehen haben will (Fr. 384, V. 50): 47–

̣ ώ , νἐγ ὸ ὲ νἐ νἱρ τ ο λ υ ο ῦ τ ομ νἔκ ω λ ξἄλ ρπ ο δ ὶκά ε τϑ τ ό , ὃπ ς ὰ οΝ τ ὐ είλ νἴδ να ο ὴ ο υ εμ όγ ῖν ε κ · ν μ ο εια τ ςἅ α λ ω ίκ ἰςἐπ νε ίῳ ίη σ ,Κ α ‘Κ υπ ρ ό ϑ εΣ ίδ ο ν ιόςμ γ ε ν ϑ ἐν ά δ εγ αῦ λο εκατήγα ς...’ Weihgeschenk habe ich vonanderen gehört, jenes aber habe ich selbst gesehen, daseranderäußersten Mündung desNils hinstellte, als er mit seinem Festzug zumKasischen Meer kam: ‘VonKypros brachte mich hierher 57 ein sidonisches Schiff

Vondiesem

[...]

49 die persona des Epinikiendichters von den Während in den Versen 47– durch Sosibios geweihten Denkmälern berichtet, beginnt ab V. 50 eine epigrammatische Ich-Rede des Weihgegenstands, der offenbar importiert wurde undwie die Locke der Berenike oder die Muschel in Ep. 5 voneiner Reise zu berichten weiß. Diese Reiseschilderungen sind die ‘Biographie’ des geweihten Gegenstands. Die direkte Wiedergabe des Epigramms beginnt allerdings unvermittelt, der Sprecherwechsel wird nicht angekündigt. Es scheint, als zitiere der Sprecher die Inschrift, die er sich anläßlich eines Besuchs vor Ort notiert oder gemerkt hat. Dieselben mnemonischen Fähigkeiten beweist der fiktive Sprecher offenbar auch in den V. 7f., die ebenfalls eine direkte Rede einleiten: ιν ὸ μ ν ερ δ η ρ νπ ὶχεῖλ ὸ ᾽ὡ σ ρἐμ ο ε σ ε ίπ ε ςἀ ΐσ σ ε ι · εχ λ ϑ ὲ νἐ π τ ο ῦ τ ᾽ἔπ ο δ ε ίῃ ᾽ἀγγελίῃ ςἡ

Als wäre es heute, kommt mir das Wort von denLippen, das auf die süße Nachricht hingesprochen wurde: ... Wenn es hier umdie imaginäre mündliche (Wieder-)Aufführung eines Siegeslieds geht, so können die V. 47– 49 als die Einleitung zu einer Epigrammrezitation verstanden werden. 56

57

WILAMOWITZ 1924, 2, S. 91, vgl. FUHRER 1992, S. 164 und Anm. 630. Zu überlegen wäre ις ) wieu. a. inJamb. 1, Fr. vielleicht aber auch, obes sich umeinen anonymen Sprecher (τ 191, 78 handeln könnte. Übersetzung nach FUHRER 1992, S. 249; zur Interpungierung und zur Interpretation von μ ο ς , dasmanauch als ‘imLande weilend’verstanden hat, s. dort S. 166 undAnm. ἐ π ίκ ω 639. Zurkasischen Nilmündung vgl. WEBER 1993, S. 397 mit Anm. 4.

240

Epigrammatische Sprecherrollen

Die mögliche Beeinflussung

durch

beiKallimachos

das hellenistische Siegerepigramm ist im

Fall des zweiten kallimacheischen Epinikions, der Victoria Berenices (SH 254– 268), in der Forschung umstritten.58 Das Epinikion des Kallimachos, so das Ergebnis derUntersuchung vonFUHRER 1992, wirdin denVersen 1ff. als eine Weihgabe an die Götter präsentiert, so daß das Gedicht selbst „sozusagen eine Ver-

59darstellt. Dagegen schmelzung von Weihepigramm undgeweihtem Kunstwerk“ text-as-a-written monument“ ), die betont HARDER denBuchcharakter derElegie („ durch die Assoziation mit der Locke der Berenike auf den Zusammenhang der Aitia unddamit auf einen Text, nicht aber aufeinMonument verweise.60 Wenn wir denBeginn des elegischen Preislieds betrachten, so fällt zunächst dasFehlen einer 3): epigrammatischen Sprecherfiktion insAuge (SH254, 1– ιο η ιτ ιχ νἕδν νὀφ ο α ω είλ , ̣ ρίσ έ εκ ίτ ν α η ὶΝ εμ Ζ ή μ ]τ φ α ν ύ , κα[σ ιγ , ν αϑ να ὸ ἷμ ω νἱερ ̣ν ̣ εῶ ἡ μ [ε ]τ . [ν ίκ ἐπ ιν ω ν νἵπ ω ιο π .[. . ο . . . .] . ε ρ ε DemZeus undNemea schulde ich ein Geschenk der Dankbarkeit, Nymphe, heiliges Blut derGeschwistergötter, unsere (Weih-?)gabe für denSieg deiner Pferde.61

Gleich dempindarischen Sprecher inOl. 10, 1ff.62 bietet der Dichter seine Verse als eine Gabe dar, hierjedoch als ein Geschenk an dennemeischen Zeus.63 Die Erwähnung desOrtes läßt in derTat aneine Weihung denken, doch gibt derText ansonsten keine Hinweise darauf, ob er als Epigramm verstanden sein will. Schriftmetaphorik undBezugnahmen auf dieperformance sind zudem ein fester Bestand4 zeigt, einen teil der pindarischen Epinikien, wie ein kurzer Blick auf Ol. 10, 1– Text, der demgebildeten alexandrinischen Leser neben vielen anderen als Folie für dasVerständnis der Victoria Berenices gedient haben dürfte:

π ν ν ω ιο ίκ τ ο ι νἀνάγ έμ α λ υμ νὈ Τ ὸ ρ ά τ ο υπ χ ρ ε τ α ρ σ ε ῖδ ν α ,π ό ό ϑ ιφ ς Ἀ ρα ρ α ὰ λ ὐ υ π μ κ ὺγ τ τ γ α έλ ι·γ ῷ έ ο ςὀφ ᾶ μ ςγ είλ ω ἐ ν ἐπ ιλ έλ α ϑὦ ῖσ ο Μ ᾽...

᾽·

58 Gegen FUHRER 1992, S. 100–103, 136 sowie 232– 234 wendet sich jetzt HARDER 1998, S. 101. 59 FUHRER 1992, S. 102. 60 HARDER 1998, S. 99–101, Zitat S. 101, vgl. die Kritik an FUHRER 1992, S. 101: „ The poem’s epinician beginning andoverall structure, however, seem to meto exclude perception as anagonistic epigram, eventhough there maybesome points of contact between this

poemandcertain specific victory epigrams.“ 61 Übersetzung FUHRER 1992, S. 234. 62 Vgl. auch Pyth. 4, 3. 63 Zur motivischen Tradition der Gleichsetzung von Dichtung und Opfergabe s. ASPER 1997, S. 158, Anm. 113. Dasseltener imSingular belegte ἕδν ο νimSinne von‘Brautgabe’wird bei Pindar Ol. 9, 10 SNELL / MAEHLER metonymisch für den Vorsprung der Pferde des Pelops gebraucht, durch dendieser Hippodameia gewann. Insofern ist es auch für denkalliπ ιν ικ ιν macheischen Zusammenhang passend. Zum pindarischen Tenor vgl. ferner ἐ ίο ισ ιδ ἀ ο α ῖςin Nem. 4, 78 SNELL / MAEHLER.

Elegische Dichtungen

241

Lest mir nach, wo der Olympiasieger, Archestratos’ Sohn, in meinem Sinn geschrieben steht! Ein süßes Lied nämlich schulde ich ihm–undhabe es vergessen! Muse, ...64

So ist mit der Gabe des Kallimachos wohl tatsächlich eher eine schriftliche Preiselegie alseinmonumentales Epigramm assoziiert. Dieinhaltliche undformale Integration epigrammatischer Elemente in eine längere elegische Dichtung geschieht also auf ganz unterschiedliche Art undWeise. Eine wesentliche Wirkung der fiktiven Sprecherrollen besteht in der Erzeugung eines leichten, bisweilen scherzhaften Tons. Dieser kommt besonders durch die Psychologisierung derRollen unddurch denungezwungenen Umgang der fiktiven Sprecher mit dengöttlichen Personifikationen zustande. DenDialog zwischen der Statue des Apollon unddemFragenden in Fr. 114 könnte manfast als eine Epigrammparodie, als die „ Nachahmung einer Form bei gleichzeitiger Veränderung 65bezeichnen, deren Zweck zwar nicht die„ironische Entlarvung“ , aber desInhalts“ doch insoweit eine rationale Weiterentwicklung der Vorlage ist, als sie die Herkunft derverwendeten Formen ausderTradition durch übertreibende Nachahmung bewußt macht. Es ist dies eine Dichtung, die humorvolle Unterhaltung und intellektuelle Anreize zugleich bietet. ImFall derSiegeslieder, dieals ganze stärker von den ernsten Motiven des Epinikions geprägt sind, möchte man nicht von parodistischen oder komödienhaften Elementen sprechen. Trotz dieser Unterschiedlichkeit des Tons aber haben die genannten Elegien doch die Einführung selbstbewußter, oft überraschender Sprecherrollen gemeinsam. Diese beleben den Text undsuggerieren, wievor allem dasBeispiel desvoneinem Augenzeugen beschriebenen und sich selbst äußernden Weihgeschenks zeigt, die Authentizität personal verbürgter Überlieferungen.6 6 1.7. Anrede an das Publikum (Fr. 57, 1f. = SH 264, 1f.)

Die Funktion der Sprecherrollen für die Leser der Gedichte läßt sich an einem weiteren Beispiel noch verdeutlichen. In Fr. 57 (= SH 264) der Victoria Berenices berichtet der Erzähler von dem Gespräch zwischen Herakles und Molorchos, in demes umdenmythischen Ursprung der nemeischen Spiele ging. Das Fragment beginnt mit der Aufforderung an die fiktive Zuhörerschaft, sich denFortgang der Erzählung selbst dazuzudenken:

· ῇ ρ ά σ σ ῆ κ ο α α ὐ τ ὸ ιτ μ ςἀοιδ ο ιδ ιφ ο ςἐπ , τά ομ π ᾽ἄ ̣ ξερέω · ῆ δ [σ σ α ῳ φ ]ε ὅ σ έ ν ,τ ά δ ᾽ἀνειρομ ᾽ἐ ι, ε σ ή σ α ὶμ ιτ ὲ νἄ νἐ ὼ ὰμ λ λ νδ]α απ α [ρ ,τ ν ο γ έρ α τ τ ἄ ‘ ν .. [ ῦ ν δ ο ιπ άμ ὲτ ε ῃΠ ύ α σ λ λ ὰ [ς ......]

64 Übersetzung von D. BREMER; zur Metapher des schriftlichen ‘Archivs im Kopf s. oben S. 112 Anm. 321. 65 Vgl. die Definitionen bei LORENZ 1992, S. 83 Art. ‘Parodie’undVONWILPERT 1989, S. 660. 66 Vgl. Anth. Pal. 12, 129, 6 (s. oben S. 113) undFr. 384, 48: ἴδ να ο τ ό ὐ ς , s. HERTER 1971 / 1975, S. 187. Es gilt dasPrinzip, daßderjenige, deres ambesten wissen muß, auch denPart des Sprechenden übernimmt. Dieselbe Erklärung findet sich bei FUHRER 1992, S. 189, zur η . Ν ίκ υ ίο ιβ Einführung derIch-Rede desAdressaten inderΣ σ ω

242

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

... mager sich selbst dazudenken, demGesang aber die Länge abschneiden. Was er aber dem Fragenden antwortete, das werde ich heraussagen: ‘Altes Väterchen, dasandere wirst dubeim Mahl erfahren, jetzt aber wirst duhören, ...’ wasmirPallas

Die mythische Erzählung wird innerhalb desEpinikions in Form eines Dialogs zwischen dem fragenden Molorchos und seinem Gast wiedergegeben. Ein dritter Sprecher, der als der organisierende Erzähler des Ganzen auftritt, verbindet die Episode mitdemrestlichen Gesang. WievonderForschung mehrfach betont, handelt es sich hier undanähnlichen Stellen beiKallimachos umeine Anspielung undsubtile Neudeutung derbekannten pindarischen Abbruchsformel.67 Mit dieser Formel verbindet Pindar nicht nur bisweilen eine moralische Bewertung des bis dahin Referierten, sie hat auch eine wichtige erzähltechnische Funktion, diein derStraffung undÜberleitung zu einem neuen Programmpunkt innerhalb desEpinikions besteht. Derartige Einschaltungen des Erzählers in den Gang der Geschichte gelten allgemein als Indizien für das Verhältnis desAutors zumPublikum, insbesondere alsGradmesser ihrer Nähe oder Distanz DieWendung ansPublikum zuBeginn eines Hauptabschnitts mitderAbsicht, die Aufmerksamkeit desHörerkreises zuerhalten, gilt, ebenso wie antizipierende Vorgriffe undWahrheitsbeteuerungen, ursprünglich als ein Charakteristikum der mündlichen Vortragsdichtung.69 Derartige aus der Vortragsliteratur übernommene Wendungen, die in der Leseliteratur Mündlichkeit fingieren, lassen die Figur des Erzählers lebendig erscheinen. Sein Vortragsstil reizt zumVergleich mitanderen, vonKallimachos inszenierten Präsentationen vonDichtung. Hier läßt das Thema der Länge einer poetischen Rede an das Leitmotiv der physischen, moralischen undrhetorischen Kürze in den Epigrammen des Kallimachos denken, in denen originelle Begründungen für denangeblichen Zwang zur ‘Abkürzung’ der Rede vorgeführt werden.70 In SH 264 läßt Kallimachos den Sprecher anders argumentieren als etwa inEp. 11 (ὃ κ ρ ὰλέξ α ν...). Der Sprecher ω α ὶστίχ κ ο ὐμ ςο der Victoria Berenices zieht die Bedingungen der fiktiven mündlichen Erzählsituation, nicht das äußerliche Merkmal der Schriftlichkeit eines Textes, als

zueinander.68

67 T. FUHRER, A Pindaric Feature in the Poetry of Callimachus, AJP 109, 1988, S. 53– 68 und 125; BING 1995, S. 124f.; HARDER 1998, S. 100 mit Anm. 15. 75, 121– DIES. 1992, S. 71– 68 Vgl. H. R. JAUß, Untersuchungen zur mittelalterlichen Tierdichtung, Tübingen 1959 (Bei164 (über Vortragsliteratur hefte zur Zeitschrift für Romanistische Philologie 100), S. 142– undLeseliteratur), bes. S. 145f.; HARDER, 1990. In demzuletzt genannten Artikel werden dievonI. J. F. DEJONG, Narrators andFocalizers, Amsterdam 1987 (= DEJONG1987a) an denhomerischen Epengewonnenen narratologischen Beobachtungen aufdieAitia desKallimachos angewandt. Zumvergleichbaren Fall derStrukturierung derKatalogdichtung durch Verben desWissens undSagens vgl. HARDER 1998, S. 102Anm.21. 69 JAUB1959, S. 146. Aber auch in der Vortragsdichtung sind diese Formeln, zumindest bei Dichtern vonderQualität eines Pindar, nicht nurfunktional, sieenthalten z. B. auch moralischeUrteile. 70 Vielleicht ist hier auch μ ῆ κ ο ῆ ςἀ ιδ ο ςzulesen, vgl. dazuSH, S. 116f. DerSinn desTextes ’bedeutet konkret ‘etwas abschneiden’, in ω würde dadurch aber kaumverändert. ἀ ν έμ τ ο π der medizinischen Terminologie sogar‘ ‘etwas amputieren’ (vgl. LSJ s. v.). Auf die Rede übertragen wird das Verb bei Plat. Leg. 653 c, woes im Sinne von ‘etwas bei der Untersuchung abtrennen’verwendet wird.

Elegische Dichtungen

243

Begründung für die erforderliche Abkürzung heran. Es handelt sich also um eine ‘hymnische’anstelle einer ‘epigrammatischen’ Argumentation. Fürdenmündlichen Vortragsstil charakteristisch ist auch der Appell des Dichters an das gemeinsame Wissen, derHörer wird als ein„privilegierter Mitwisser“behandelt.71 DerErzähler verläßt sich darauf, daßderZuhörer denFortgang desMythos, aufdener anspielt, auswendig kennt undselbst rekapitulieren könnte. Diese einzigartige Aufforderung zuraktiven Beteiligung desRezipienten steht jedoch imGrunde imWiderspruch zu den Intentionen eines mündlich vortragenden Sängers, der das selbständige gedankliche Abschweifen der Zuhörer ja gerade verhindern müßte. Ebenso ist die Kürze nicht notwendigerweise das Ziel eines episierenden Sängers undMythenerzählers. Das ‘Selbst-Dazudenken’ formuliert vielmehr Erfahrungen undBedürfnisse eines gebildeten Lesers, wie sie Kallimachos etwa in Ep. 2 und 15 in Szene gesetzt hat, unddie Kürze hat er selbst als Merkmal seiner Dichtung eingeführt. So richtet sich die Adresse in SH 264, 1f. in erster Linie gar nicht an das fiktive Publikum vonHörern desPreisredners, sondern –wennauch implizit –andie Leser desKallimachos.72 Diese wissen, daßderDichter nicht wirklich vonsich sagen will, daß ihm das Singen zu lange dauere, sondern daß es wohl eher um die Vermeidung allzu bekannter Themen in der Dichtung geht. Kallimachos spricht hier zwar nicht direkt, aber doch durch einen Mittelsmann zu seinem Leser73 über seine narrative Strategie. Auf ähnliche Weise vermitteln auch die Sprecher in den dramatisierten Epigrammen Anliegen desDichters.

71 JAUB 1959, S. 151; HARDER 1990, S. 298 zum„shared knowledge“bei Homer und in Kallimachos’Aitia undJamben. 72 Sojetzt auch BING 1995, S. 125: „This invitation to the reader is, so far as I can see, unparalleled in earlier literature, andit remained so until the time of Augustus. Indeed, the Der first really comparable instances appear in Lucian!“Vgl. ferner ASPER 1997, S. 137: „ Rezipient wirdzumVollstrecker produktionsästhetischer Normen deklariert, dieeinzuhalten wohl eher die Sache des Autors wäre [...]“. Dieselbe überraschende Zuweisung von Eigenschaften undHandlungen desDichters andiefiktiven Aktanten imdargestellten Sprechakt, insbesondere wasGelehrsamkeit undReflexion betrifft, läßt sich auch andenSprecherrollen derkallimacheischen Epigramme beobachten. 73 Vereinfacht formuliert FRASER 1972, 1, S. 725: „ The poet speaks directly to the reader.“Zur Rolle eines „‘fictional delegate’ of the historical author“vgl. HARDER 1990, S. 289; zum vermittelnden Kommunikationssystem s. oben S. 13mitAnm.40.

244

Epigrammatische Sprecherrollen bei Kallimachos

2. EPIGRAMMATISCHE SPRECHERROLLEN IN DENJAMBEN

Fürdieliteraturwissenschaftlichen Diskussionen umdieEigenheiten derpoetischen Darbietungen des Kallimachos spielten dieJamben lange Zeit eine eher untergeordnete Rolle, wofür nicht zuletzt ihr wenig ermunternder Überlieferungszustand verantwortlich gewesen sein mag.74 Insbesondere betrifft dies die Klärung vonStruktur undFunktion derfiktiven Sprechhandlungen, diemanbisher meist am Beispiel der in den sogenannten mimetischen Hymnen dargebotenen kultischen performances untersucht hat.75 Gerade in denJamben findet manjedoch eine beachtliche Zahl vonfiktiven Erzählsituationen undSprecherrollen, deren Ähnlichkeit mitdenDarstellungstechniken derEpigramme etwa schon vonDAWSON beobachtet wurde.76 In den Jamben des Kallimachos, für die eine Ausgabe durch den Dichter bezeugt ist und die damit sicher als Buchdichtung konzipiert sind,77 74 Zumfolgenden vgl.

insbesondere die Kommentare und Monographien von M. PUELMA Lucilius undKallimachos. ZurGeschichte einer Gattung der hellenistisch-römi357; C. M. DAWSON, The Iambi of Cal367, bes. 310– schen Poesie, Frankfurt 1949, S. 206– 168; D. L. CLAYMAN, Callimachus. A Hellenistic Poet’s Laboratory, YC1S 11, 1950, S. 1– limachus’ Iambi, Leiden 1980 (Mnemosyne Suppl. 59); A. KERKHECKER, Callimachus’ Book ofIambi, Oxford 1999 (Diese wichtige Neuedition derJamben, diebisweilen substanXXIV, konnte hier nur tiell von der Edition PFEIFFERs abweicht, vgl. KERKHECKER, S. XXI– noch sporadisch herangezogen werden.); s. ferner auch G. SERRAO, La poetica di ‘nuovo stile’. Dalla mimesi aristotelica alla poetica della verità, in: BIANCHI BANDINELLI 1977, S. 253 (= SERRAO 1977b), hier S. 229– 56; CAMERON 1995. 233; HUTCHINSON 1988, S. 50– 200– 173. Fragen der Erzähltechnik und Gattungskonzeption diskutieren bes. M. DEPEW. S. 141– β ε ῖο νκαλ μ ε ῖτ α ιν ῦ ν Ἰα . Genre, Occasion andImitation in Callimachus, frr. 191 and203 330; M. R. FALIVENE, Callimaco serio-comico: il priPFEIFFER, TAPhA 122, 1992, S. 313– moGiambo (fr. 191PFEIFFER), in: R. PRETAGOSTINI (Hg.), Tradizione e innovazione nella cultura greca da Omero all’età ellenistica. Scritti in onore di Bruno Gentili, Rom 1993, S. 925; HUNTER 1997; D. KONSTAN, The Dynamics of Imitation. Callimachus’ First 911– 142. –Zum Aufbau des JambenIambic, in: HARDER / REGTUIT / WAKKER 1998, S. 133– 149; A. ARDIZZONI, Überlegungen zur Strukbuchs s. CLAYMAN 1980, S. 48f. sowie S. 142– 175; tur des Buches der ‘Jamben’ von Kallimachos [1963], in: Kallimachos 1975, S. 167– KREVANS 1984, S. 290–292; KERKHECKER 1999, S. 282– 290. 75 Zu den Hymnen vgl. u. a. HARDER 1992, S. 384 Anm. 2; C. CALAME, Legendary narration and poetic procedure in Callimachus’ Hymn to Apollo, in: HARDER / REGTUIT / WAKKER 55, hier S. 48f. Anm. 19. Das mimetische Potential der Jamben diskutiert W. 1993, S. 37– ALBERT, Das mimetische Gedicht in der Antike, Frankfurt a. M. 1988 (Beiträge zur Klassischen Philologie 190), S. 79f. und82 (zusammengefaßt auf S. 87) zuJamb. 1 sowie S. 63f. zuJamb. 4 (Fr. 194, 61, 63). Behandelt werden jedoch nur die Stellen, an denen eine Szenerieveränderung erwähnt wird, die für den Autor zur Definition des mimetischen Ge‘ 9. Die anderen dichts’gehört, s. dazu aber die Kritik bei HARDER 1992, S. 385f. mit Anm. Jamben kommen bei ALBERT nicht vor. 76 DAWSON 1950, S. 82f., 95, 104. 77 KREVANS 1984, S. 212f.; den Rahmen bilden jeweils die programmatischen Gedichte Jamb. 1 und 13, vgl. auch PUELMA 1949, S. 322f. und die in der vorletzten Anmerkung zitierten Autoren sowie HUNTER 1997, S. 41; GUTZWILLER 1998, S. 187f.; KERKHECKER 1999, S. PIWONKA,

287. 282–

Jambische Dichtungen

245

herrscht das Prinzip der bunten Vielfalt poetischer Formen, das in Jamb. 1 und Jamb. 13 auch theoretisch gerechtfertigt wird. Der 13. Jambus enthielt einen Dialog zwischen derpersona des Dichters und

einem anonymen Kritiker. Das Verfahren gleicht der Inszenierung von Kritik und Erwiderung im Aitienprolog, nur daß der Gegner hier direkt zu Wort kommt.78 AusderDiegesis ist zu ersehen, daß sich der angegriffene Dichter gegen denVorwurf der π ο λ είδ ε υ ια , der Mischung vonMetren undDialekten verteidigt, indem er sich auf „ beruft. Dieser Dichter, bei demes sich umIon von denTragiker Ion“ Chios (1. Hälfte des 5. Jh.) handeln könnte, war mit ansehnlichen Leistungen in verschiedenen poetischen Gattungen –darunter auch demEpigramm –hervorgetreten.79 Einer der gegen Kallimachos gerichteten Vorwürfe lautet, er hätte nicht die Dichtersprache griechischer Regionen verwenden dürfen, in denen er selbst nie gewesen sei,80 er maße sich fremde Sprecherrollen an undlasse dabei die Konsequenz undEinheitlichkeit der Sprechhaltung vermissen. Kallimachos, der sich im ersten Vers des in hipponakteischen Choliamben gehaltenen Gedichts auf Apollon unddie Musen beruft, vertritt das gegensätzliche Konzept einer freien Wahl der Formen, daszugleich einKonzept derBuchdichtung ist. Unabhängig vonderHerkunft eines Dichters sei es danach jedem gestattet, Versmaß undGattung frei zu wählen, dennwersollte einem dasverbieten?81 Besondere Beachtung verdienen die 18, in denen der Kritiker sein Mißfallen hinsichtlich der Gestaltung der Verse 15– Sprechakte durch die ‘neuen’Dichter formuliert:82

78

79

HUNTER 1997, S. 41; ASPER 1997, S. 164f.; KERKHECKER 1999, S. 251, 254– 257 (mit Alternativen zum PFEIFFERschen Text). Das Zeugnis dafür ist das Scholion (RV) zu Aristoph. Pax 835 (Fr. 36 A 2 DIELS / KRANZ), 47 meint allerdings, dieser Ion allein sei s. PFEIFFER 1, 1965, S. 205. HUNTER 1997, S. 41– zuunbedeutend gewesen. Seine ansprechende Vermutung lautet, Kallimachos habe zugleich aufdenStammvater derIoner undaufdenplatonischen Ionanspielen wollen (vgl. bes. 46f.). Vielleicht folgte auch Apollonios demPrinzip derGattungsmischung undschrieb einen propemptischen Jambus, vgl. PFEIFFER 1, 1965, S. 190 zu V. 26– 36. –Zum Lob Ions bei Kallimachos vgl. ferner PUELMA 1949, S. 233; DAWSON 1950, S. 131; CLAYMAN 1980, S. 46, 49

und57. ̣ 80 Vgl. Fr. 203, 11–18 unddie besser erhaltenen φ ε σ ονἐλϑ 66: ο ὼ νο ὔ ὔ τ᾽ τ᾽ Ἔ Verse in 64– ̣ ρο ἱτ ρ έ ὰμ τ αμ έλ λ ο ὴ ν ὰχ ω λ ὰτίκτ τ ε ς/ τ ε ινμ είξ μ φ α ε ς ,/Ἔ σ ν ο ,ὅ ϑ ε νπ ε υμ ισ ωσ Ἴ μ α ι; zumText s. jetzt aber auch KERKHECKER 1999, S. 253, zurDeutung ἀ α τ ν ο ύ ϑ α ςἐν ῶ 342, CLAYMAN 1980, S. 45 und besonders BING 1988a, S. 38 und PUELMA 1949, S. 338– 330; zur π ο λ υ ε ίδ ε ιαvgl. außerdem FUHRER Anm. 60 auf S. 38f., DEPEW 1992, S. 324– 1992, S. 21 Anm. 47. DaßderVorwurf desKritikers anachronistisch ist, betont ASPER 1997, S. 220 Anm. 63. ̣ ̣ 203, 30–33: τ 81 Vgl. Fr. ̣υ ίςεἶπ ε να τ [ ....]λε.. ρ. ̣ / σὺπεντάμετρασυντίϑει, ῷ ο ]ν μ ὲ ,/σ ὺδ νοὐδείς κ ; / δο λ ὰ κ α ὶ ω έ ,ἀ λ ὲτραγ ῳ δ ε[ῖν ω σ ]ἐ κϑ ε νἐκληρώ ῶ σ ὺδᾑ[ρ α ι(‘Wer hat gesagt, ... du aber verfertige Pentameter, du das heroische Maß, du ε ψ ..κ .δ τ ο ᾽ den Göttern erlost, Tragödien zu dichten; ich glaube niemand, sondern ...’), s. hast von hierzu HUTCHINSON 1988, S. 55f. 82 Text mit Neulesungen bei KERKHECKER 1999, S. 253ff. –Zuἐπ ν vgl. Plat. Phaidr. 262 ιπ έ ω α ς . Im Sinn einer έρ ὸγ οτ τ ντο ῦ τ ῆ α ῖνεἶε φ ι ... ἐπ μ ο ρ ν ε ιπ επ υ κ νπ ό τ ε ῶ ςἂ νἡ σ υ ο d: Μ göttlichen Inspiration wird auch ἐπ ίπ ν ο ιαverwendet, vgl. LSJ s. v.; HUNTER 1997, S. 46 c. zumplatonischen Vorbild imIon534b–

̣

[....].

246

Epigrammatische Sprecherrollen

̣ ̣̣ ̣ ̣ ̣ ̣ ̣ ̣ ̣ ἀ λ .[ ̣π ̣ ευ λ ἢπ ν ᾽ε ιϑμ ἴτ ν ρ α α σ τ έ ὶγ σ ὸ

beiKallimachos

ε ἴτ᾽ο λϑἀ νἐπῆ ὖ ρ χ νε ἴτ᾽ἀ ῖο π α ι.|[..]. [, ᾿α ̣ ̣ τ ο ῦ τ π [έ ᾽ἐμ ]π λ εκ τ α ικ ὶλ α α λ ε υ σ [ |[..].. ᾽ ικ|τ ρ ισ τ ὶκ Ἰα σ τ ὶκ ν . α ὸσύμμ α ὶτ ὶΔ ω ο

Aber wenn (sie?) dasHerz oder denMagen etwas ..., kommt ihnen etwas Altes oder etwas ... unter, so wirddies eingeflochten, undsie reden Ionisch, Dorisch oder diegemischte Sprache.

Auch die polemischen Verse 30f. spielen auf denNiedergang der poetischen Inspiration an, indem sie die Künstlichkeit undWillkür der ‘modernen’ Gattungskreuzungen tadeln. Wenn ein solcher Dichter, so der Vorwurf in denhier zitierten Versen 15ff., auf ein veraltetes Wort stößt, flicht er es in seinen Text ein83 und übernimmt auch den poetischen Dialekt seines Vorgängers, ohne sich um die gegenüber demVorbild veränderten Rahmenbedingungen für Produktion undRezeption zu kümmern. Der Kritiker ignoriert dabei –natürlich in polemischer Absicht –dielängst etablierte Differenzierung zwischen derStimme desDichters und der fiktiven Sprecherrolle, die der Darstellungsebene angehört. Nach Ansicht des Kritikers reden die Dichter nicht authentisch, wenn sie Sprache der Alten nachahmenoder gar zu einem neuen Dialekt ‘vermischen’: also eigentlich immer dann, wenn sie nicht inpropria persona undin einer engumgrenzten ‘Dichterrolle’ auftreten. Diese Kritik trifft letzten Endes das Konzept der Buchdichtung, deren Autoren eben nicht mehr darauf angewiesen sind, aus Anlaß einer bestimmten Situation aneinem bestimmten Ort zu einem bestimmten Publikum zu sprechen. Insbesondere Kallimachos befleißigt sich stattdessen der verschiedensten Techniken, um eine glaubwürdige undästhetisch wie intellektuell ansprechende Vermittlung seiner Themen zu inszenieren. Diese Verantwortung des von den Gattungskonventionen wenigstens teilweise befreiten Dichters hatinsbesondere DEPEW herausgearbeitet: The challenge to the contemporary poet, who, as Callimachus implies, can„ not possess the culture-specific authority to compose in traditional genres, is to posess sufficient τέχ ηto recreate, selfconsciously and fictionally, the ν conditions

for their utterance.“84

In seinen Jamben verwendet Kallimachos Inhalte, Strukturmuster und Sprechhaltungen, die traditionell in anderen Gattungen beheimatet gewesen sind.85 Die Form des Epigramms, seine spezifische Anredestruktur, die den Gesamtaufbau mitbestimmt, ist gleich für drei Jamben prägend gewesen. DieJamben 7, 9 und 11 verwenden epigrammatische Sprecherrollen. Neben diesen relativ sicheren Belegen für die Rezeption des inschriftlichen Epigramms in der Jambendichtung des Kallị̣ ̣

83 84

85

̣

ῆ ἐ ZurMetapher desWebens vonWorten undihrem Bedeutungswanπ λϑK ERKHECKER. – del zueinem negativen Bild bei Plat. Leg. 669 d vgl. CLAYMAN 1980, S. 45 Anm. 74. ᾽ DEPEW 1992, S. 327. Vgl. jetzt auch HUNTER 1997, S. 43: „ ... the recreation of archaic poetic forms should not be ... the search for ‘historical authenticity’ ... but rather a flexible frame in which the various resources of the literary heritage could be used to produce a living poetry.“ DAWSON 1950, S. 138: „ series of attempts to put newwine into old bottles andold wine into newbottles“ , s. ferner FUHRER 1992, S. 208.

247

Jambische Dichtungen

machos sollen im folgenden aber auch motivische Parallelen berücksichtigt werden.

und darstellungstechnische

2.1. Rede aus der Unterwelt? (Fr. 191, Fr. 201)

Der archaische Jambendichter Hipponax von Ephesos als die „authorizing des kallimacheischen Jambenbuchs steht in Jamb. 1 (= Fr. 191) voraus demHades wieder auf, umeinem Kreis alexandrinischer Dichterübergehend “ philologen eine strenge Mahnrede zu halten. Diese direkt wiedergegebene Rede bildet denfiktiven Sprechakt desGedichts, auch wenndieAnrede andasPublikum durch Apostrophen und die Einführung weiterer Sprecher, darunter auch einer ‘sprechenden’ Inschrift, unterbrochen wird. Doch zunächst stellt sich der Redner 3): selbst vor (Fr. 191, 1– ‘voice’ 86

]ὐ γ ρἀ ὰ λ λ ·[ο π ώ ν α κ ω κ ᾽ἥ τ υ ϑἹπ α σ ύ ς Ἀ κ ο ή ν ῦ β ο κ σ ο ο κ λ υπ ο ρ λ υ ύ ιπ σ ιν , υβ ο κ ὅ ν ῶ ἐ κτ ᾽β ο ν μ νἴα ω φ έρ Hört Hipponax –denn ich komme nirgendwo anders herals vondort, einen Ochsen füreinen Kreuzer kauft; miteinem Jambus ...

woman

Eine zeitgenössische Szenerie vor dem alexandrinischen Sarapistempel des Parmenion,87 an dem die Philologen der Metropole versammelt sind, bildet die imaginäre Bühne für denvehementen Auftritt des alten Jambographen (Fr. 191, 9– 11):

υ ε ν ὸ ςἱρ ρὸτείχ ὸπ ἐ ςτ ε , έ ε τ λ |ἁ ςδεῦ γ χ ά α ιΠ ιον ὁπ α λ ά λ σ α ά ν α νπ ςΖ ᾶ ο ὗτὸ γ έρ ω νλ α λ ά ζ νἄ ω δ λ β ία ικ ιβ ή α χ ψ ε ι. Hierher zudemHeiligtum vorderMauer kommt in Scharen, woderAlte, der den vormaligen Zeus von Panchaia erfand, lallend unfromme Bücher be-

schmiert.

Die Invektive gegen denschwatzhaften Alten zielt aufEuhemeros, derzuKallimachos᾽Zeiten bereits verstorben war. Manhat daher gemeint, daß die Erwähnung des Geschmähten, der um 300 v. Chr. noch vor der Errichtung des Sarapeions in Alexandria lebte, andieser Stelle aufeine bekannte Philosophenstatue im Heiligtum zu beziehen ist.88 Eine Sitzstatue etwa könnte eine Buchrolle auf den Knien halten. Der fiktive Sprecher beschreibt die offenbar im Schreiben begriffene 86 HUNTER 1997, S. 41. Zur Art undWeise seines Auftritts vgl. KERKHECKER 1999, S. 18– 20. 87 Zur Identifizierung undLokalisierung des Heiligtums vgl. Dieg. VI, 3f. (PFEIFFER 2, 1953, S. 163) und CLAYMAN 1980, S. 11 und Anm. 2; WEBER 1993, S. 280 und 289 Anm. 3; 25. KERKHECKER 1999, S. 22– 88 S. CLAYMAN 1980, S. 11 Anm. 2. Der Grund für diese Hypothese liegt in den chronologischen Problemen. DaEuhemeros schon um300 lebte, müßte mandie aktuelle Handlung des 1.Jambus in dieFrühzeit desKallimachos legen. Dies paßt aber nicht zudermehrfach geäußerten Annahme, daßes sich umeinrelativ spätes Gedicht handelt.

248

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

Figur wieeinen lebenden ‘Kollegen’. Kallimachos selbst dagegen greift –soviel wir wissen –inJamb. 1 keinen seiner Zeitgenossen namentlich an. Darin unterscheidet er sich vonseinem archaischen Vorgänger.89 Daß derhier heraufbeschworene Hipponax selbst auf eine Statue losgeht, fügt sich in dasBild seines Charakters. Auchwährend derRede desSprechers droht diesem dieunvermeidliche Rückῆ σ ιςbetont (Fr. 191, kehr in denHades, eine Tatsache, die er zu Beginn seiner ῥ

36): 31–

σ ιν . γ εν έ ϑ σ ω ὴ σ ω π νῥῆ ετ ὴ α ϑ ὶγρ|ά σ |κ ε φ ὴ νἄ ρ α ρΒαϑυκλῆ κ ξ ὐμ ω , ὴ ν ρκ ἀ |ς Ἀ ς–ο |ά ̣λ ὴσ|ί ὦ εμ σ τ ῷ ρο ὐ δ ι|ν α μ ὰ ό τ ς ὐ ᾽α ὶγ α ,κ ε μέ ε ῖν ιν δ ν ο σ έ ρμ ὰ εγ ]ῖ|μ ·] |δ[ε ζ[ω ά λ ο χ σ α γ ῶ νπ ά ω ν λ α ιςεὐδα ιτ ίμ ο[ν τ ]ο φ ε ]ε ῦφ έρ χ ς–τ ῦἈ γ έν ε τ ο ἐ Seid still und schreibt die Rede auf! Bathykles, ein Arkader –ich werde sie nicht lang machen, mein Bester. Verzieh nicht das Gesicht! Ich habe auch selbst nicht viel Zeit, denn ichmußja, wehe, mitten imAcheron herumwirbeln – , einer vondenAlten, wargesegnet ...

DemDichter Hipponax also ist die kurzfristige ἄ ν ο δ ο ςausder Unterwelt gelungen. Um die gegensätzlichen Vorstellungen, die sich die Zeitgenossen des Kallimachos über denAufenthalt imHades machten, insbesondere umdie euphemistische oder aber desillusionierende Behandlung des Themas,90 geht es auch in Ep. 13. Vergleichbar ist dieHaltung des Sprechers dieses fiktiven Grabepigramms mit der des 1. Jambus insofern, als sich die Stimme des Unterwelterfahrenen als besonders wissend in Angelegenheiten desJenseits präsentiert. Diebewußt hervorgehobene Absurdität eines ‘toten’ Sprechers wiederum erinnert an Ep. 4 und 5.91 Hier wird daraus eine weitere originelle Variante einer Begründung für die Notwendigkeit der kurzen Rede.92 Sie kommt dem Philologenpublikum auch insofern entgegen, alses dieWorte mitschreiben soll. Dasangeredete Publikum deralexandrinischen Philologen ist es, dasdieFigur des Hipponax als einen ‘fictional delegate’ des Kallimachos erscheinen läßt.93 Im 89 BING 1988a, S. 65f. Kallimachos hat nicht die Drastik undObszönität desalten Hipponax. Sein Vorgehen entspricht nach BINGeher demπ ρ γ ῳ α α α δ τρ ε ῖνderattischen Komödie. Das Drama könnte auch sonst vorbildhaft sein. In Eur. Hec. 1ff. erscheint etwa derSchatten des

Polydoros, s. PFEIFFER 1, 1965, S. 160. 90 Vgl. Fr. 191, 1f. und34f. 91 Vgl. Ep. 4, 1: Τίμ ω ρἔ ν(ο ὰ τ ὐγ ρἄπ ν ὰ ο ᾽ἐσ υ ὶγ σ ). Zur ί) ... sowie Ep. 5, 9: ... (ε ς ἰμ 210; ALBERT 1988, S. Sprechhaltung des 1. Jambus s. im übrigen PUELMA 1949, S. 208– 924. Auf Vor917 und 921– 323; FALIVENE 1993, bes. S. 915– 79f.; DEPEW 1992, S. 317– bilder fürdieUnterredung mitdemberühmten, toten Dichter verweist KERKHECKER 1999, S. 17,bes. 14f. (inEpitaphien), s. ferner obenS. 209. 11– 35. 92 Vgl. die Parenthese in V. 32– 25. Zu Hipponax / Kallimachos s. BING 1988a, S. 67f.; 93 Zum Publikum vgl. bes. V. 16– Il poeta non ci descriverà una parDEPEW 1992, S. 320. Vgl. auch FALIVENE 1993, S. 925: „ ticolare diatriba alla quale gli siacapitato diassistere presso il Serapeo diParmenione, mala imitera, perfingere l’i nvettiva di unnuovo Ipponatte, venuto a rampognare i colleghi / avversari

alessandrini: anch’essi undato dell’esperienza

di Callimaco, ma‘traslati’in figure

Jambische Dichtungen

249

1.Jambus ist es also nicht so sehr die Form wieeine spezielle Thematik –humorvoll präsentierte Informationen ausderUnterwelt durch einen Berufenen –die eine

zudenEpigrammen herstellt. In größerer Nähe zu dentraditionellen

Verbindung

Formen der Anrede imGrabepigramm befindet sich allerdings der Sprecher des 11. Jambus, von demnur der erste Vers (bis auf zwei Silben) erhalten ist (Fr. 201):94

ε μ άμ υ ν νὙ ᾶ ,ὃ ᾶ ψ ὸ ὸσ λ ςτ ὐτ λ ᾽ο Ἀ BeimHypsas, nein!, derduanmeinem Grab (vorübergehst?) ...

Der Beginn desJambus

gleicht einer epigrammatischen Anrede

des Toten an

denWanderer, wie sie seit dem5. Jahrhundert v. Chr. in metrischen Inschriften belegt ist. In Fr. 201 spricht, wie aus derDiegesis ersichtlich, ein Konnidas aus Selinus –der Hypsas ist ein Fluß der Gegend –und berichtet von einer Begebenheit nach seinem Tod. Diese Geschichte wiederum ist das Aition zu einem Sprichwort. So gehen Selbstvorstellung und Biographie des Sprechers in eine allgemeinere Thematik über. Derepigrammatische Relativsatz mitderAnrede andenanonymen Betrachter oder Leser des dorischen σ μ αverweist auf eine imaginär-sepulkrale ᾶ Szenerie. Der fiktive Kontext des Sprechakts ist hier demThema des Gedichts angepaßt, indemes umeinTestament geht undderToddesProtagonisten ja vorausgesetzt ist.95 Einen vergleichbaren Sprecherpart gibt vielleicht Simonides inAit. Fr. 64, derdortpost mortem diehistorischen Ereignisse umseine Grabstätte unddamit auch Geschehnisse nach der Bestattung berichtet. Der entrüstete Ausruf des Sprechers in Fr. 201, nach PFEIFFER „more Callimacheo“eingelehrter undder fiktiven Situation angeglichener Schwur beim Fluß der Heimatstadt, kann als ein Hinweis auf einen insgesamt komischen Tondieser Rede ausdemGrabmal verstanden werden.96

che li rappresentano senza nominarli, che li imitano ‘soltanto’. S. aber die ansprechende Vermutung vonKERKHECKER 1999, S. 34, wonach Kallimachos “ zumvonHipponax angereCallimachus, it seems, includes himself among thevictims deten Publikum zurechnen ist: „ of this poem.“Dieser Kallimachos entspräche demjenigen, dersich in denEpigrammen mit Unterweltsthematik unterweisen (undvonTimon beschimpfen) läßt. 94 PUELMA 1949, S. 285 bezeichnet das Gedicht als ein „iambisches’ Epigramm in der Ver‘ kleidung eines Epitaphion“, vgl. KERKHECKER 1999, S. 215.

95 Dergenaue Ort derGrabstätte warmöglicherweise wiein denelegischen Buchepigrammen imText selbst angegeben. PFEIFFER denkt sich dasGrab amFluß; anders DAWSON 1950, S. 103, HOWALD / STAIGER 1955, S. 357 undCLAYMAN 1980, S. 40, die den Relativsatz nicht aufdenHypsas, sondern aufdenangeredeten Passanten beziehen.

96

1, 1965, S. 199, vgl. Ait. Fr. 7, 34; Jamb. 4, Fr. 194, 106. Die von PFEIFFER angeführten Parallelen für ‘(ἀ ) ο ) + Gott’ stammen aus der Komödie undTragödie λ λ (ν ὐτό (Aristoph. Lys. 986; Soph. Ant. 758; El. 1063; Eur. Ion 870). Ep. 14 oder 17 beginnen zwar miteinem Ausruf, gehören jedoch in die Kategorie dermiteinem Sprichwort, das sich auf ; ν ιο ρ ο ν α ατ ὔ ίςδ ίμ νΑ ὸ ετ ᾽ε ἰδ ὖο denTod an sich bezieht, eingeleiteten Epigramme (Δ [Ep. 14, 1]), s. ferner S. KOSTER, Die Invektive in dergriechischen undrömischen Literatur, Meisenheim 1980 (Beiträge zur Klassischen Philologie 99), S. 93f.; KERKHECKER 1999, S. PFEIFFER

217. 213–

250

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

InFr. 201 verwendet derDichter also dieErzählsituation, wennauch nicht das Metrum eines Grabepigramms. DieWahl desfiktiven Sprechers erfolgt in Abstimmung mit dem Thema, das auf diese Weise durch einen glaubhaften Sprecher vermittelt wird. Daß es sich dabei ‘nur’umdie Fiktion eines Sprechers handelt, ρ μ – ά ρ τ ο νοὐ υ δ ὲ νἀ ε ίδ ω scheint Kallimachos nicht zustören. WennFr. 612 –ἀ η ε ν υ ,ἀ δ ο ίμ ίον τ oder Hymn. 1, 65 –ψ ή ν–ein Pläο ςἅκ νπ ε ο νἀ ε ιε ο π κ υ ίϑ doyer für Glaubwürdigkeit in diesem Sinne, also für die Glaubwürdigkeit einer Fiktion darstellen, so wäre damit nurgesagt, daßderDichter einin sich stimmiges Sprechen undHandeln seiner Figuren inszeniert, nicht aber, daßer selbst stets die ‘Wahrheit’ spricht. Ein wichtiges Kriterium für diese Plausibilität sind aber persoίν ρ ρ ε α τ υ ςwie der π ξin Ep. 54 oder der Hahn in nalisierte Sprecherrollen, ‘μ ά Ep. 56, in deren fiktiv mündlicher ’Rede Gedankengänge und kommunikative Handlungen offengelegt werden. Die Fiktion eines ‘toten Sprechers’, der noch in seinem Grab ansprechbar undimBesitz vonWissen ist, kann sich zudem auf eine lange Tradition berufen: auf die Inszenierung des Sprechakts unddie Metaphorik des sprechenden Gegenstands im inschriftlichen Epigramm, die gerade zu Beginn des3. Jahrhunderts dasInteresse zahlreicher Buchdichter fand. 2.2. Sprechende Gegenstände (Fr. 191, 76f., Fr. 197, Fr. 194, Fr. 192) Kehren wir zurück zum 1. Jambus undzu der gleichnishaften Erzählung, die dort Hipponax einer corona alexandrinischer Gelehrter diktiert. Der Arkader Ba-

thykles vermacht aufseinem Sterbebett demjenigen derSieben Weisen einen goldenenPokal, derunter ihnen derBeste (ἄ ρ ισ ) sei.97 Sein Sohn Amphalkes erklärt ο τ ς 68), der den Pokal an Bias weitergibt. zunächst Thales die Absicht des Vaters (66– Jeder der Kandidaten, die sich so erst als wirklich weise herausstellen, reicht den Becher weiter, bis dieser seine Runde wieder bei Thales beendet. Der Milesier, der ihnauchalserster erhalten undweitergegeben hatte, stiftet denPreis daraufhin mit folgender Inschrift demDidymäischen Apollon (Fr. 191, 76f.): ‘Θ ά λ η ςμ ετ μ ῷ εδ ε ῦ ν τ ιΝ είλ μ ο υ ή ε ω δ δ ίδ ω σ ι, το β νἀριστῇον ὼ .’ ῦ οδ ὶςλα τ ‘Thales gibt mich demHerrn über das Volk desNeleus, nachdem diesen Siegespreis bekommen hat.’

er zweimal

DieLücke vorV. 76 läßt nicht mehr erkennen, ob undwiedie ‘Rede’desBechers eingeleitet war. Kallimachos erfindet für denPokal des Bathykles ein auf den ersten Blick echt wirkendes, Ionisch sprechendes’ Epigramm. Die Form des Epi‘ undseine Leistung. Ohne dieKenntnis der gramms verlangt einLobaufdenStifter ganzen Geschichte wäre das Epigramm allerdings mißverständlich. Daß der Geε , genstand im Epigramm nicht genannt, sondern nur auf ihn gezeigt wird (μ ο ςaber, derdasWeih), ist nochgute epigrammatische Tradition. Demξεῖν τ ο ῦ τ ο geschenk betrachtet, wird ein wesentlicher Teil der Geschichte vorenthalten. Die Pointe, die darin besteht, daß Thales den Preis für den Weisesten der Weisen 50. 97 Dieg. VI, 6–10 undFr. 191, 47–

Jambische Dichtungen

251

zweimal nicht behielt, sondern selbst weitergab, ginge damit verloren.98 Die IchRede des zeugnisablegenden Gegenstands aber hat in Fr. 191, 76f. den Anschein eines echten Epigramms –nureben choliambisch undimPräsens. 3, demBeginn des7. Jambus, verwendet Kallimachos eine durch InFr. 197, 1– die epigrammatische Ich-Rede vorgegebene Struktur für denAufbau des ithyphallischen Gedichts, von demwir durch die Diegesis wissen, daß es demJambenbuch angehört haben muß:99

......

α ῖο ερ ς ,Α μ ᾶ ε ό ςὁΠερφ νϑ ίω , ἰν ς ρ Ἑ ̣ τ α μ ίχ μ ῶ α ι φυγ μ ἔ ] πά · ς [ο ν ο τ κ έ τ ο π νἱπ ο γ ερ ρ

Hermes Perpheraios, Gott deschreiners Nebenwerk ...

der Ainier, bin ich, des lanzenscheuen ... Pfer-

Dasaltertümliche Standbild des Hermes Perpheraios imthrakischen Ainos erzählt eine aitiologische Kultlegende zur Erklärung des Beinamens,100 in der es selbst die Hauptrolle spielt. Sprechende Hermen sind nicht nurin Inschriften, sondern auch als Bühnenfiguren belegt, so auch bei dem Komiker Platon (Fr. 204 KASSEL / AUSTIN = 188 KOCK):101 (A.)

(B.)

ο ὗ τ ο ς ,τ ίςε γ ετα .τ χ ύ ἶ; λ έ ίσιγ ᾷ ς ;ο ὐ κἐρε ῖς ; γ εΔ ῆ ω α ὴ ιδ μ ςἔγ ά λ ω υφ νἔχ ο ν ρ ω ν Ἑ ο ή τ μ λ α ςἐλ υ ϑ α ό τ ίζ δ ὐ να α ω ο ςβ ιν λ ύ ξ

Duda, werbist du? Sag schnell! Willst dunicht sprechen? –Der Hermes des binich, stimmbegabt, hölzern, ichbinvonselbst hierhergegangen.

Daidalos

Auch in einem komischen Fragment des Phrynichos, das nach seiner Überlieferung bei Plutarch (Alkibiades 20, 6f.) mit demHermokopidenfrevel in Verbindung gebracht werden muß, scheint eine Statue des Gottes zu sprechen (Fr. 61 KASSEL / AUSTIN = 58 KOCK):

98 δοῦ ν α ι(67), δίδ μ ω ι(68), δό σ ις(71) undδῶ ρ ο ν(75) sind Schlüsselwörter der Passage, die das Epigramm in V. 77 aufgreift. Zur gleichsam sokratischen Weisheit des Thales s. HUN44, der die Rolle des Apollon, TER 1997, S. 49f.; vgl. aber auch KERKHECKER 1999, S. 39– desGottes derwahren Weisheit, hervorhebt. Die Weihung anApollon steht in derbei Diog. Laert. 1,29 zitierten prosaischen Version derThalesinschrift auch imText imVordergrund, 99

s. KERKHECKER 1999, S. 42 Anm. 196. PFEIFFER 1, 1965, S. 193 und DERS. 1934,

39. Die Ich-Rede ist auch durch V. 17 und S. 23– gesichert. Zu den epigrammatischen Strukturelementen und zur Gestaltung der 196. Sprecherrolle s. jetzt auch KERKHECKER 1999, S. 182– 100 Der Beiname des Gottes wird in der Geschichte von π ϑ α ι abgeleitet, vgl. σ ε έρ ιφ ερ ]νin Dieg. VIII, 18. ZumHermes Perpheraios undden in diesem Zusammenω ιφ έρ π ε[ρ hang erwähnten altertümlichen Xoana vgl. G. SIEBERT, ‘Hermes’, in: LIMC V, 1, Zürich / 386, hier S. 294f.; MANAKIDOU 1993, S. 257f. und schon PUELMA München 1990, S. 285–

V. 43ff.

1949, S. 287f. 101 PFEIFFER 1, 1965, S. 192; KERKHECKER 1999, S. 195 Anm. 63.

252

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

ῆ ὦ φ ίλ μ ,κ τ α ϑἙ α ὶφ ρ υ λ ά σ σ ν ο ὴ υμ π ὼ σ ε ρ ο ν ῃ ὴ ρ α κ ύ κ ν π σ α ὑ τ ὸ α α ρ ῃ ὶπ ά λ σ α χ ςδιαβο ᾽κλ β ο ῃ υ ῳ ε ίδ Δ λ ρ ιο έ ῳ . ν ομ κ ν ᾶ α έ κ ἑτ ό ν τ ιδρ

(Ε Ρ Μ .) φ υ λ ά ι μ α μ ξ ο α ιΤ ο λ ύ ο ρο γ ὰ ὐ χ ὶβ ῳ ρ ε ύ κ ή μ ν υ ρ τ α δ ο ῦ ν α ιτ ῷ π μ ν α α λ α ῳ ν ξ έ ίῳ

·

O liebster Hermes, paß auf, daß du nicht fällst unddich selbst auf die Seite legst undAnlaß zur Verleumdung gibst einem anderen Diokleides, der auf Schaden sinnt. –Ich passe auf. Denn demTeukros, demmörderischen Fremden, will ichkeinen Denunziantenlohn geben.

R. KASSEL, derdasMaterial zuden sprechenden’Hermen gesammelt hat, bezweifelt allerdings, daß die Bühnenhermen ‘ dort wirklich mit Hilfe von Schauspielern zumSprechen gebracht

wurden:102

... denken wirunslieber bei ihm(scil. Phrynichos) einen Hermes, vondem „ sein Dialogpartner under selbst soreden, alswäreer seine eigene Statue.“103 Die schillernde Identität dieses ‘als ob’setzt Kallimachos in seinen Buchgedichten infiktive Sprecher- undHörerrollen um,diesich teils demformalen Repertoire des Epigramms,104 teils dem spielerischen Umgang mit der Personifikation vonGöttern in derKomödie verdanken. Beispiele dafür haben wirinFr. 114 und 14, aber auch inFr. 100 gesehen. Ausdiesen elegischen Fragmenten beFr. 7, 9– kannt ist dasvomDichter beabsichtigte paradoxe Zusammentreffen einer personalisierten Sprecherfigur mit demexpliziten Hinweis auf ihren artifiziellen Charakter. In Fr. 197 wird der Effekt durch denVerweis auf einen wertmindernden Defekt der Statue verstärkt: Ein π γ ο νselbst eines bekannten Künstlers zu sein, beρ ερ ά deutet eine Herabstufung gegenüber dem Hauptwerk. Auch einige Weihgegenstände in denEpigrammen des Kallimachos müssen solche ‘Schmälerungen’ ihres

102

KASSEL 1983, S. 5– 7 meint, das ‘Ich’des Hermes in Fr. 204 KASSEL / AUSTIN = 188 KOCK müsse nicht zwangsläufig voneiner Statue geäußert worden sein. In Fr. 61 KASSEL / AUSTIN

= 58 KOCKhandele es sich umeinen

derzwar wieeine Statue angeredet werde, 72 im Rahmen seiner 1995, S. 70– Untersuchung des„ Informal andComic Usage“ derMetapher dessprechenden Gegenstands. PELLICCIA, ebd. S. 71 Anm. 117 plädiert interessanterweise gegen HUTCHINSON 1988, S. 33 mitAnm. 15dafür, daßKallimachos auch inHymn. 5 aneine Statue derAthena als GegenHermes,

aber keine sein müsse. Zustimmend jetzt

über der Sprecherstimme denkt.

PELLICCIA

103 KASSEL 1983, S. 7. Diese Folgerung ergibt sich fürKASSEL ausdemVergleich mitder Inszenierung ‘sprechender’ Hermen bei Aristoph. Nub. 1478– ρ ν ὰτ ὴ α 1485 undPlut. 1153 (π ). σ ε ϑ έμ νἱδρύσα ἷο α φ ο ρ τ σ ν α ρ ϑ ύ 104 PFEIFFER 1, 1965, S. 192 führt zum Vergleich mit demKallimachosfragment eine Inschrift ausMagnesia amMäander an, die, wenn auch weniger originell, dieselben Elemente enthalte (wie Ich-Rede und Künstlerangabe), s. O. KERN, Die Inschriften von Magnesia am Mäander, Berlin 1900, S. 136 Nr. 203: Ἑ ο ς/ ο ςἐκεῖν τ ῆ μ ο ςοὗ ρ ίδ κ ςεἰμ λ ὶΤύ α χ ω νἐ κΧ ίλ τ ο χ ό ν ᾽ἐπ Ἀ ςμ ο σ ίη επ ο λ ίτ α ν ό ιςπ . DerHerausgeber datiert dieInschrift auf ᾶ σ ιχορηγ einer Marmorbasis inFormeines Dreifußes indas3. Jh. v. Chr., auchwenneinHermes Tychon zudieser Zeit sonst nicht belegt ist, s. KERNebd., KERN1933b undPFEIFFER z. St.

Jambische Dichtungen

253

Wertes hinnehmen.105 Diese augenzwinkernde Bescheidenheit dürfte die Sympathie desLesers mitdemsprechenden Objekt erst recht geweckt haben. In derErzählung über die Auffindung der Statue durch die Fischer von Ainos undihren Versuch, das ungehobelte Brett wieder loszuwerden, läßt der Papyrus noch erkennen, daß auch die Ainier den Hermes ansprechen, als sei er nicht ein unbelebter Gegenstand (V. 45f.):

̣̣ ν[...]νε α [ ο ἱδεἶπ μ ὴτ ᾽α ὐ τ ιςἔν ϑ [ῃ .᾽ ς ᾽ύγ

Sie aber sagten ... kommdunicht wieder ...

Wenn mandavon ausgeht, daß auch in diesen Versen noch die Statue selbst spricht, handelt es sich umdas Zitat einer wörtlichen Rede. Hinweise für einen echten Dialog mitdemBildnis gibt es inFr. 197 nicht. Die Vorliebe des Kallimachos für sprechende’ Gegenstände auch außerhalb den 4. Jambus bestätigt zu werden. epigrammatischer Strukturen scheint durch ‘ Hier sind die Wortführer keine Denkmäler, die sich an ihre Betrachter wenden, sondern zwei sich streitende Bäume. Lorbeer undÖlbaum sind nicht nursprachbegabt, sondern besitzen auch ϑ μ ό ς υ , der besonders hervortritt, als sich ein Dornbusch an der Gartenmauer ungebeten in den Zwist um den nützlicheren Baum λ ρο ε ὐ κἄπ ὰ ξ ε ω ϑ ν(ἦ ετ νγ ν ῶ einmischt.106 Die Einleitung zu seiner Rede: ἔ δεν ν)107 enthält eine Begründung dafür, warum der dornige Strauch die anδρέω deren Bäume denn habe hören können. Diese erscheint nurauf denersten Blick als überflüssig. Durch sie wird deutlich, daß der Dornbusch gewissermaßen einer anderen Klasse angehört unddaßer sich ineinen Kreis erlesener Gewächse hineingedrängt hat. DieEinführung einer Begründung andieser Stelle führt aber auch dazu, daß man die Stimmigkeit der fiktiven Szenerie genauer betrachtet, denn Kallimachos tutja so, als sei ein Gespräch unter Bäumen nur eine Frage ihres Standorts. Auf die logischen Probleme einer anthropomorphen Personalisierung von Bäumen aufmerksam geworden,108 wird sich derLeser nunumso mehr amüsieren, wenn der Lorbeer den armen Dornbusch ὑ ρ ὰ π ο δ ρ ο ξο ἷατα ςanschaut, worin ῦ wohl, wie die episierende Sprache an dieser Stelle anzeigt, eine gewisse Überheblichkeit zumAusdruck kommt (Fr. 194, 101f.):1 09

η δ φ ο ά ν ρ ρ ὰ ςἡ ρ δ α ῦ ο ξο τ τ ν δ ἷα ᾽ὑπ ὴ ᾽ἆ δ ὶτ ά α εκ ψ λ ε ν ε ᾽εἶπ ἔβ

· 105 Vgl. Ep. 6, 19, 48, 49. 106 V. 93–102; zu sprechenden Bäumen in der Volksliteratur s. STONEMAN 1992, S. 105f. 107 V. 97. 85: ... ἐμ α ὶϑ ε α ὶεἴπ α τ εΜ ι, ο ῦ σ α 108 Vgl. dieFrage desSprechers anApollon inHymn. 4, 82– / ἦῥἐτ α ύ ς μ τ εδρ φ ο υ ,ὅ ύ α σ ιν νχ ιμ ὲ ίρ α ν ίκ μ φ α αΝ ι; / ‘Ν ύ ύ ε ν ςἡ έν ο τ οτό τ εδρ νἐγ ε ὸ .’ η κ έ τ ιφ λ α λ ύ υ σ ὶμ εδρ τ ,ὅ ίο υ σ ιν λ α ὖκ ᾽α ο ιδ α ρ μ φ ςἀ β ύ μ ὄ ι, / Ν ε έξ 109 Vgl.᾽z. B. τ ᾽ὑπ ηπ ρ ό ρ ο ρ αἰδ σ ό έ δ ὸ ψ νδ δ ὼ α ᾽ἄ νπ ύ ςὠ κ ε ὺ ςin Il. 1, 148. Eine λ χ ιλ ςἈ schöne Deutung desZorns unddeszornigen Sprechers trait) gibt KERKHECKER 1999, S. 111–115.

bei Kallimachos (eine ArtSelbstpor-

254

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

Dasahihngrimmig wieeinStier derLorbeer anundsagte folgendes: ... Hier wird der bildlichen Vorstellungskraft des Lesers einiges abverlangt, und gerade darin besteht derCharme dieses Textes. Die sprechenden Bäume undTiere sind aus der Gattung der Fabel schon vor demHellenismus bekannt.110 Kallimachos greift darauf in seinem 2., ‘äsopischen’ Jambus zurück. In den erhaltenen Fragmenten berichten nacheinander ein Fuchs undderDichter Äsop, warum die verschiedenen Unterarten derPoeten mitunterschiedlichen Stimmen reden. Ursprünglich hätten Menschen und Tiere dieselbe Sprache gehabt, bis Zeus, wohl umdie Frechheit des Fuchses zu bestrafen, die Sprache der Tiere auf die Menschen übertrug. Der Beginn des 2. Jambus lautet

3): (Fr. 192, 1–

ν ό η ν ότ τ τ επ ό τ υ ο ς ,ᾧ νκεῖν Ἦ ςοὑνια ῃ κ α ὔ τ ὶτ ο υ να ω ὸτετράπ ς κ α σ ὶτο λ ά σ α ὐ νϑ ή ϑ ε ιο μ ς ἐφ ρ ο λ ὸ η ςὁΠ ϑὡ ςὁπ ε ϑ γ έγ Es warin᾽jenem Jahr, als diegeflügelte Art unddieimMeer undebenso die wiederTonklumpen desPrometheus ...

vierfüßige sprach

Als ein sprechender Gegenstand erscheint hier der despektierlich als ‘Tonklumpen des Prometheus’ bezeichnete Mensch. In der anschließenden Invek15) steht das λ tive gegen die Geschwätzigkeit (Fr. 192, 12– α λ ε ῖνwie in Fr. 203, 17 für die Sprache der Dichter.111 In der Phantasie des Dichters Kallimachos treten also nicht nur sprach- undvernunftbegabte Gegenstände als fiktive Interlokutoren auf. Umgekehrt können auch die Menschen selbst zusprechenden ‘Gegenständen’ werden, zu Statuen oder Tonklumpen mit der Stimme von Tieren. Die ‘mise en scène’ sprechender Objekte ist eine besonders anschauliche Art undWeise, über das ‘Wie’der Kommunikation zu reflektieren. 2.3. Anrede an Gegenstände undPersonen (Fr. 199, Fr. 195, Fr. 196) Spärlich sind auch die erhaltenen Reste des 9. Jambus (Fr. 199). Aus derDiegesis wird deutlich, daß der Aufbau des Gedichtes demjenigen eines Dialogepi-

110 Zur Geschichte der Fabel undihrer Rolle in der Dichtung des Kallimachos vgl. PUELMA 227 (über den 2. Jambus des Kallimachos); HUTCHINSON 1988, S. 1949, S. 212 und 221– 51f.; G.-J. VANDIJK, Ainoi, Logoi, Mythoi: Fables in Archaic, Classical, and Hellenistic Greek Literature; with a Study of the Theory and Terminology of the Genre, Leiden / Köln 250 zu Kallimachos Fr. 192 undFr. 194. 1997 (Mnemosyne Suppl. 166), bes. S. 230– 111 CLAYMAN 1980, S. 19 erinnert an die Charakterisierung der Poeten durch den Vergleich mit Tieren in Fr. 191undandeneigenen Wunsch desDichters, wiedieZikade zusingen (Aitia 34). S. jetzt auch A. AMBÜHL, Callimachus and the Arcadian Asses. The Aetia I, Fr. 1, 30– 213. Bei Homer Prologue and a Lemma in the London Scholion, ZPE 105, 1995, S. 209– sprechen Tiere in derRegel nicht, vgl. PELLICCIA 1995, S. 103f.; allerdings werden die – negativ bewerteten –irrationalen Teile derSeele vonHomer bis zuPlaton unddarüber hin30. ZurRolle der Akustik (also nicht des Sprechens, ausals Tiere bezeichnet, s. ebd. S. 28– sondern des Tönens) bei Kallimachos vgl. z. B. PFEIFFER 1954 / 1975; MEYER 1993b, S. 198. 331f. (zur Schilderung einer Morgenstimmung in Fr. 260, 62– 69); ASPER 1997, S. 193–

Jambische Dichtungen

255

gramms entsprochen haben muß, das mit der Frage eines Passanten an eine Hermesstatue beginnt. Da die Diegesis uns eine Kurzfassung des verlorenen Sprechakts bieten kann, sei ihre Inhaltsangabe hier zitiert:

μ αἐ ν α λ ο μ ῦἄγ ρ νἙ ὼ ιδ ο υπ α ά δ ὴ τ ὸ ρ επ η ς ἰδ ο ῦ ς εὐπ τ ςἐρασ ιλ Φ ἐν τ ετ τ . ὁδ η ά ν μ δ α έ α έν ο ν ιδ ιλ ρ νΦ ίῳ ,π ν υ ὸ ϑ ιὰτ ὴδ ά ν τ ε τ α ιμ ισ α π λ α ϑ ι, νἐν τ α νεἶν γ ο ε ε τ σ ϑ ά η ν α ρ ν ω ὸ ιΤ σ νλό υ ὸ ςκ ινἄ ικ σ τ η σ α υ ὶκ φ α τ ὰμ η τ ά . δ α ν ιλ ν Φ ὸ τ ῖντ ὐ νφ ὸ ιλ ε ὲα δ κ ῷ α ὶκ π ἐ Der Liebhaber eines schönen Knaben namens Philetades sah in der Palaistra ein Bildnis des Hermes mit einem aufgerichteten Phallos undfragte, ob dies nicht wegen Philetades so sei. Der aber sagte, er sei tyrrhenischer Abkunft und aus einem mystischen Grund ithyphallisch, zu einem schlechten Ende aber liebe er denPhiletades.112

DieFrage desLiebhabers, mitderderJambus beginnt, warwohl derkürzeste Teil des Gedichts, die Antwort der Statue ein längerer ‘biographischer’ Bericht über die Herkunft des Bildnistyps. Am Ende wird die hoffnungsvolle Frage des anonymen Betrachters enttäuscht, die mit der Apostrophe an den Gott einsetzt. (Fr. 199, 1f.): ̣

̣ ν ι[ο ν ἴχ

ὸνεῦρ ο ιτ μ ᾶ ,τ ίτ ιό ε ρ λ α ν εν , ,ὦ ο Γ Ἑ νκ α ν ή ο ὐπ ; ο τ π ὑ ν ὰ τ τ π ο ᾽ dein Glied, Hermes, warum richtet sich

denFüßen?

o Bartträger, zum Bart undnicht zu

Die dialogische Struktur mit Frage undAntwort ist charakteristisch schon für inschriftliche Epigramme, indenen einDenkmal erklärt werden soll. Dabei wirddie Beschreibung desBildes in die fiktive Rede der Gesprächspartner integriert, so daß manvon einer dramatisierten Ekphrasis sprechen könnte. Zu all den deskriptiven undaitiologischen Elementen kommt hier jedoch ein besonderes erotisches Interesse des Fragers hinzu. Die Diegesis zeigt an, daß es sich umkeinen beliebigen Betrachter, sondern um einen bestimmten –dem Dichter vielleicht bekannten – ρ ή α σ ἐ ςhandelt.113 So umkleidet die epigrammatische Form in Wahrheit nicht nur τ ein Aition, sondern auch einen Ratschlag in Liebesangelegenheiten. Eine Ähnlichkeit desJambus zu den erotischen Epigrammen des Kallimachos zeigt sich in dem Blick selbst, mitdemderFrager die Statue betrachtet: Er identifiziert sich mitdem personal wahrgenommenen Bild seines Gegenübers unddeutet dessen physische Symptome anhand der eigenen Erfahrungen. Darin gleicht er dem sympotischen Sprecher inEp. 30, derdieAuswirkungen der Verliebtheit amKörper desKleonikos wiedererkennt. 112 Dieg. VIII, 33– 40, PFEIFFER 1, 1965, S. 196. Zum ithyphallischen Hermes auf Samothrake undseiner tyrrhenisch-pelasgischen Herkunft vgl. Hdt. 2, 51 sowie PFEIFFER 1, 1965, S. 196 undS. 463 zuFr. 723; KERKHECKER 1999, S. 205f. Anm. 49. 113 Dazu paßt, daßHermes neben seinen vielen anderen Funktionen auch Gott der Liebe sein kann, vgl. dazu SIEBERT 1990, S. 288. PUELMA 1949, S. 265f. betont die Beziehungen zum hellenistischen Liebesepigramm.

256

Epigrammatische Sprecherrollen bei Kallimachos

Charakteristisch für denAufbau des 9. Jambus ist die Verbindung vonFormelementen des Denkmalepigramms, Aitiologie und erotischer Thematik innerhalb eines jambischen Trimeters.114 Die Dialogsituation verbindet die subjektive Sprechhaltung des Jambus mit der objektiveren des epigrammatischen Informationsgesprächs in denAitien (Fr. 7, 19– 21; Fr. 114). Derepodische 5. Jambus (Fr. 195) beginnt mitderAnrede an einen Fremden, die sich als einweiterer Ratschlag herausstellt:

– ρἕ ν β τ ὴ ιτ ο υ ῶ νἱρ λ ῶ ν ὰ υμ |̣ γ ε–σ Ὦ ίν ε ξ ἄ π ὸκαρδ|[̣ ίη κ ο υ ετἀ , ] ς ̣α ῆ τ|[α β λ φ α νἄ ω ίμ εδ ίσ ε π ἐ ] ν . |[ ] χ ὡ ςὀνήιστο ο ὐ O Fremder –denn zudenheiligen Dingen gehört das Raten –höre, was von Herzen kommt. Denn ein Gott hat dich ABC lehren lassen? nicht als den nützlichsten ... Obwohl dieAnrede Ὦ ξ ε ῖν εandieklassische Apostrophe andenWanderer in Grabepigrammen wiedemberühmten Thermopylen-Epigramm des Simonides erinnert, ist der Aufbau des 5. Jambus nicht epigrammatisch zu nennen. Hier geht es wohl nicht so sehr umdie Einbeziehung einer potentiellen Lesergruppe, sondern eher umdie Vermeidung eines bestimmten Eigennamens. In den Invektiven des Hipponax wird der Gegner mit seinem eigenen oder mit einem Schimpfnamen direkt angegriffen. Manhat denBeginn des 5. kallimacheischen Jambus mitFr. 118 ξ ε ῖν (WEST) verglichen, das Ὦ εnimmt daΣ ά ν ν ᾽ , ... beginnt.115 Die Anrede Ὦ gegen Rücksicht darauf, daß auch andere den Jambus lesen konnten.116 So hätte Kallimachos die Mahnung des Hipponax in Jamb. 1, sich nicht auf das Philologengezänk einzulassen, hier vielleicht aufdiese Weise beherzigt. Leider erlaubt unsdas kurze Fragment keine näheren Einblicke. Eine Variante desfiktiven Rahmengesprächs stellt die Rede andenFreund im 6. Jambus (Fr. 196) dar.117 Wieder sind wir auf die Diegesis angewiesen, aus der allein manerfährt, daß der Sprecher nach Art eines Propemptikon demzur Abreise rüstenden Gnorimos die Statue des Olympischen Zeus beschreibt. Da der Freund ausdrücklich κ α τ ὰϑ π ίο έ υΔ α ντ ο ῦὈ λ υμ ιό ς(Dieg. VII, 26f.) verreist, erhält er in demAbschiedsgedicht eine detaillierte Schilderung des Aussehens der Statue, diemitdenwichtigsten Informationen einsetzt:

̣ ̣̣ ̣ ̣ εύ Ἀλ εῖο ςὁΖ ία ιδ ε ὲΦ δ α ν χ έ τ ,ἁ ς

. 1980, S. 40 sieht diesen Jambus wie Jamb. 7 als „extended epigram“ 1988, S. 52 undAnm.55weist darauf hin, daßHermes vorKallimachos schon einThema dergriechischen Fabel ist undzudem beiHipponax auffallend oftangeredet wird. Wieder sind esvielfältige Quellen, ausdenen dieInhalte zusammenfließen. 115 Vgl. CLAYMAN 1980, S. 51f. 116 Zur Bedeutung von ξεῖν ο ςund zum eher freundschaftlichen Ton der Anrede s. KERKHECKER 1999, S. 127 und143. 242; KERKHECKER 296; MANAKIDOU 1993, S. 238– 117 ZuJamb. 6 vgl. PUELMA 1949, S. 293– 181. DAWSON 1950, S. 72, hält das Gedicht für mißlungen. 1999, S. 147–

114

CLAYMAN

HUTCHINSON

257

Jambische Dichtungen

Elier ist derZeus, das Kunstwerk aber vonPheidias

...

ImVerlauf derBeschreibung, beidergenaue Maße angegeben werden, scheint der Blick des Sprechenden von unten, der Basis, nach oben zu den an der Lehne des Thrones über demHaupt des Zeus angebrachten Figuren der Horen zu wandern. Auffällig ist die Nüchternheit des Berichts, der das Gedicht von den eher euphorischen Epigrammen auf Kunstwerke unterscheidet. Abweichend vomüblichen Schema der preisenden Darstellung künstlerisch hochwertiger Statuen wird nicht die Lebendigkeit der Figur, sondern μ ῆ κ ο ςὕ ψ ο ο ά τ λ ςπ ςder Statuenbasis η π , wie es in derDiegesis heißt, betont.118 Die Frage nach den ν ά ηἡδα κ α ὶὅ σ Kosten verbindet der Sprecher der Jamben mit einer Wendung an das fiktive Gegenüber, in der er durch eine vorweggenommene Frage ein dringendes Interesse 47): seines Zuhörers insinuiert (Fr. 196, 45– –λίχ ν ο ρ ςἐσ ὰ σ ὶ[γ μ α τ [ὸ ω ]δ ίμ ισ α ν νἀ ᾽ὦ υπ ε υ ϑ ι– ϑ α έσ κ α όμ ὶτ ὲ ν[ο ]ὐ[λ γ ισ ]ο τ ὸ νο ὐ δ. [.]ε[ . . . .] ~ [.] . μ die Kosten nun–denn begierig bist du, auch das vonmir zu erfahren –sind nicht zuberechnen noch (?) ...

Die Art dieses Einschubs erinnert an eine Strukturierung katalogartiger Passagen, die Kallimachos in ähnlicher Form auch in denAitia, Fr. 43, 84f., verwendet, diesmal aber aus demMunde des fragenden ‘Dichters’ selbst: ἐ ᾽ἐ π γ ὶκ ὸ ὼ δ α ὶ[τ ελ ον.119Vorbildhaft ist aber auch die Vorwegnahme einer Frage ]ϑ υ π έσ ϑ α ι/ ἤ]ϑ

des Passanten, mit der das Epigramm seine Leser in die fingierte Gesprächssitua-

tion hineinzuziehen versucht.120 Zuletzt wird in demselben epodischen Versmaß die Inschrift des Künstlers Pheidias ausAthen –oder dochwenigstens ihrInhalt –angegeben. Diein denstark zerstörten Versen enthaltenen Angaben stimmen mitderbei Pausanias überlieferten Inschrift auf der Zeusstatue überein. Dort heißt es (Paus. 5, 10, 2):

little poetic inspiration“walDAWSON 1950, S. 72 in Jamb. 6 „ 1980, S. 35 meint dagegen, daßes sich umeine keineswegs übelwollende Parodie ernster technischer Lehrdichtung handele; von der Nüchternheit überrascht zeigt sich auch MANAKIDOU 1993, S. 241f. Die Rolle defizitärer oder reduzierter Gegenstände sowie dasdurchgehende Spiel mitpersonifizierten Gottheiten in anderen Gedichten des Kallimachos geben m. E. KERKHECKER 1999, S. 150 recht, der den ausgesprochen komischen Effekt für beabsichtigt hält: „ The playful identification of god and statue lies at the heart of Iambus VI. The statue is ‘the god himself’ (37f). A common manner of speaking – pushed, bya literal-minded speaker, to hilarious extremes of comic absurdity. Thegodis renotjust toanimage, theprogramme of its iconography, theskill ofexecution, butto duced – the most banal qualities of any physical object ...“ . 119 PFEIFFER 1, 1965, S. 191. Zu Verben des Wissens in der Katalogdichtung s. HARDER 1998, 209. ZumMetrum und zum S. 102 Anm. 21. Als Beispiel dient dort u. a. Eur. Iph. A. 192– Stil der Passage vgl. KERKHECKER 1999, S. 161f. 1341 (Gruppe B IV 1 c δ 120 Vgl. PEEK, GV 1330– ) sowie Kallimachos Ep. 10.

118 Dies ist der Grund, weshalb

ten sieht.

CLAYMAN

258

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

μ ά ἐ σ τ μ ινἐ ρ α ς α μ σ ε ν ντ ο ά μ γ ὸἄ α α νδ ία ε α ἶν ικ νἐργ λ α ίγ ιδ ὲτ ὶἐπ ὸ ε Φ ε ιδ ία μ ςΧ ρ α τ μ ρ α υ ρ ίδ ία ο υυ νὑ π ὸτ ο ῦΔ μ μ έ ρ ν ιὸ α ο ἱὸ γ ντο ῖςπ ε σ ςγ ο ί ‘Φ ς .’ ε σ ίη ο ᾽ἐπ ςμ α ῖό ν η ϑ Ἀ · Pheidias soll der Verfertiger des Bildes sein, undzumBeweis dient eine Inschrift zu Füßen des Zeus: P heidias, Sohn des Charmides, Athener, hat mich gemacht.’ ‘

DieReste, dievomentsprechenden Jambentext desKallimachos noch erhalten sind, klingen nicht nach einer eingeschobenen, direkten Rede in epigrammatischer Form. Es scheint eher, ̣ als fahre der Sprecher in seiner Erklärung der Statue fort, ρ bis er sich mit ἀ χ π έ ε υ , von seinem Freund verabschiedet. Als ‘epi,„ geh fort“ grammatisch’kann mandaher nurdenSprechakt als ganzen bezeichnen, undauch nurinsoweit, als sich derSprecher aneinen potentiellen Betrachter richtet. Der 6. Jambus vereinigt Strukturelemente vonEpigramm undPropemptikon. Äußerer Anlaß desGedichts ist dieReise eines Freundes, denInhalt jedoch bildet die exakte Ekphrasis eines Denkmals für einen präsumtiven Passanten. Die monologische Sprechhaltung kombiniert die persönliche Anrede an denFreund mit der Rolle des epigrammatischen Informanten, die dort in der Regel dembetrachteten Gegenstand selbst zukommt. Im letzten Wort, ἀ χ υ ε , fallen beide Rollen ρ π έ zusammen: Wie ein Monument seinen Leser oder Betrachter verabschiedet, so schickt der‘Dichter’seinen Freund aufdieReise. Ἕ ν–also eine ähnliω ίρ εχα ρ π che Formulierung wie ἀ χ π ε έρ υ–ist auch der Schluß eines kallimacheischen Epigrammes, mit demdas Denkmal seinen Betrachter, das Gedicht seinen Leser entläßt.121

̣

121 Ep. 40, 6. Aufdie Parallele verweist PFEIFFER 1, 1965, S. 191, s. auch PUELMA 1949, S. 293. Abschieds- oder EntPUELMA 1949, S. 313 bezeichnet den letzten Vers des 6. Jambus als „ lassungsformel“mit demKolorit derKomödie.

Jambische Dichtungen

259

3. ZUSAMMENFASSUNG

In denAitia undJamben, aber auch in der Elegie auf den Sieg des Sosibios (Fr. 384) verwendet Kallimachos Anredeformen undMotive, die in der Tradition des inschriftlichen Epigramms stehen. Die rhetorischen Figuren des griechischen Grab- undWeihepigramms fließen dabei nicht etwa beiläufig undunauffällig in die vonKallimachos geschaffene neue Form der Dichtung ein. Kallimachos sorgt dafür, daßdieHerkunft derseine Texte strukturierenden Elemente demliterarisch interessierten Leser deutlich wird. Die Aufmerksamkeit des Lesers wird vor allem dadurch geweckt, daß die etwas künstlichen undmanchmal unfreiwillig komischen Merkmale, die die Gattung des Epigramms von Beginn an auszeichnen, in den Vordergrund gerückt odergarnochzugespitzt werden. Anverschiedenen Stellen der aus so unterschiedlichen poetischen Traditionen schöpfenden Dichtung des Kallimachos, im aitiologischen Sammelgedicht, im elegischen Epinikion und im Jambenbuch mit seiner metrischen und thematischen Vielfalt, begegnen immer wieder auchepigrammatische Elemente. In denAitia (Fr. 64), in derΣ ω ίο σ ιβ υΝ η undim 1. Jambus werden Inschriften in direkter Rede ίκ zitiert, in denAitienfragmenten Frr. 100 und 114 sowie in derLocke der Berenike (Aitia Fr. 110), aber auch in denJamben 7 und9 –umnurdie in unserem Zusammenhang wichtigsten der erhaltenen Fragmente zu nennen –läßt die Inszenierung des fiktiven Sprechakts vonBeginn an keinen Zweifel, daß es sich umAdaptionen epigrammatischer Sprecherrollen handelt. Epigramme undaitiologische Dichtungen haben das ‘historische’ Interesse an derBiographie einer Person oder derGeschichte eines Gegenstands, deranbedeutende menschliche oder göttliche Handlungen erinnert, gemeinsam. So entwickelt derErzähler Kallimachos aus der poetischen Präsentation eines Götterbilds heraus zahlreiche bekannte undunbekannte Details dermythischen undkultischen Tradition, die mit diesem verbunden sind. Die ‘Biographie’ eines Gegenstands imRahmeneiner Dedikation, zu der auch die Schilderung verschiedener geographischer Stationen des Objekts gehört, ermöglicht zudem eine imaginäre Reise durch Griechenland (Ep. 5, Aitia Fr. 110) undeinen Exkurs in die geographische Gelehrsamkeit. Dieses geographisch-aitiologische Interesse des Dichters ist, wie das Beispiel der Geschichte des Hermes Perpheraios aus demJambenbuch zeigt, keineswegs auf die Epigramme unddieAitia beschränkt. Es erklärt zudem, warum es häufig Motive des dedikatorischen Epigramms sind, die in den Dichtungen des Kallimachos außerhalb des Epigrammbuchs wiederbegegnen. Die traditionelle Sprechhandlung eines Grabepigamms dagegen, in dermitGrabinhabern und‘Wanderern’ ein bestimmtes Personal auftritt, wird nur in Aitia Fr. 64 undim 11. Jambus verwendet. Auch wenn unsgroße Teile dieser Werke fehlen, kann mandoch sagen, daß sich der Einfluß des klassischen Grabepigramms vor allem dort zeigt, wo es umdie Selbstvorstellung einer Person geht. Auch Dialoge mit Denkmälern aus

260

Epigrammatische Sprecherrollen

beiKallimachos

Stein, Holz oder Bronze haben die anonymen Autoren sepulkraler Versinschriften vorgeprägt. DasFormenrepertoire desinschriftlichen Epigramms zeichnet sich durch einige sehr spezifische Gestaltungen der fiktiven Rede aus, die Kallimachos selbst zur Strukturierung seiner Epigramme, aber auch in seinen elegischen undjambischen Adaptionen epigrammatischer Texte verwendet. Charakteristisch für dasEpigramm ist zumeinen dieimaginierte Rede einer vonNatur aussprach- undleblosen Sache, worunter manGefäße, Statuen undGrabstätten oder deren längst entschwundene Inhaber fassen kann (Aitia Fr. 64, Fr. 110). Diese Rede richtet sich in der Regel an einanonymes Gegenüber imimaginären Gesichtsfeld dessprechenden Objekts. Auf deranderen Seite fand derDichter ausKyrene indenVersinschriften aber auch die FormderRede desfiktiven Betrachters oder Lesers eines sinnlich wahrnehmbaren undzudeutenden Gegenstands. Ein solcher Wechsel des Sprecherstandorts scheint auch bei den unmittelbaren Vorgängern undZeitgenossen des Kallimachos, den Dichtern undDichterinnen der frühhellenistischen literarischen Epigramme, beliebt gewesen zu sein. Für die Gestaltung dieser Rolle eines Sprechers, der sich dem imaginären Gegenstand scheinbar gegenüber befindet, bietet der rhetorische Formenschatz des Epigramms wiederum reiche Variationsmöglichkeiten. Bei Kallimachos erklärt der textinterne Adressat den Gegenstand, indem er für den textexternen Leser informative Fragen stellt oder aber seiner begründeten Bewunderung (manchmal auch seinem Befremden) Ausdruck verleiht (Jamb. 9). Auch schlichte Neugier ist eine für diese Rolle charakteristische Haltung. Die Erklärung des Gegenstands wirkt dann sehr subjektiv undpersönlich, sie läßt den Leser an möglichen Empfindungen und Reflexionen über das Wahrgenommene teilhaben (z. B. Aitia Fr. 100). Denkmal und Adressat sind auch bei Kallimachos in einer Frage-Antwort-Relation aufeinander bezogen. Die Rolle dessprechenden Gegenstands unddieRolle dessprechenden Betrachters können daher wieimklassischen Epigramm zueinem fiktiven Dialog kombiniert werden (Aitia Fr. 114), wodurch eine besonders vertrauliche Gesprächssituation, etwa eine Nähe zwischen Gottheit undMensch, suggeriert wird. Den offiziellen Charakter von Grabmälern undWeihgegenständen wiederum erkennt derLeser daran, daßdiese voneinem Sprecher vorgestellt werden, derTeil einer Gruppe ist. Er spricht vor einer imaginären Fest- oder Trauergemeinde, vor denBesuchern eines Heiligtums oder vor denBürgern einer Stadt (Fr. 384, 44– 46). Charakteristisch für eine solche, aus dem schon im 6. Jahrhundert belegten ‘anonymous mourner’ entstandene undin Analogie zu ähnlichen Sprecherrollen in anderen Gattungen fortentwickelte Rede ist die Verwendung der 1. Person Plural. AuchderFestredner spricht ausderPerspektive desBetrachters, dervondenMonumenten undvonInschriften berichtet, diedarauf angebracht sind. Wirkönnen also in denuntersuchten Texten anonyme Adressaten, Betrachter, die von dem Gegenstand ‘angesprochen’ werden, und solche, die mit ihm dialogisch ‘kommunizieren’, unterscheiden. Die einzelnen Situationen undSprechakte, indenen sie sich befinden, mögen dabei eher privater Natur oder voneiner offiziellen, feierlichen Stimmung geprägt sein. Vor allem aber durch die psychologische

Zusammenfassung

261

Verfeinerung der Sprecherrollen unddurch ihre neuartige Kombination gelingt es Kallimachos, eine Vielfalt origineller Szenerien zugestalten. Die Verwendung personaler, psychologisch ausgestalteter Sprecherrollen und der häufige Wechsel der Sprecher bieten gerade in längeren Gedichten mehrere Vorteile. Sie helfen demDichter dabei, Gelehrsamkeit zu vermitteln, ohne in Monotonie zuverfallen, undsie geben demLeser Gelegenheit, sich mit einer Rolle zu identifizieren oder auch ablehnend Stellung zu beziehen. Aufdiese Weise wird er zunächst ineine einzelne Szene unddannineine ganze Erzählung ‘hineingezogen’. Eine für dentextexternen Leser besonders attraktive Rolle ist die des wißbegierigen und intelligenten Fragers’. Die Verwunderung eines solchen ‘Fragers’ über ‘ das merkwürdige Aussehen einer Statue (Aitia Fr. 100, Fr. 114, Jamb. 9) kann jeder Leser unmittelbar nachvollziehen. Zugleich aber wird ihm nicht verborgen bleiben, daß die Rolle des Fragers’ oder des textinternen anonymen Adressaten ‘ eines Gegenstands, der Auskunft zu antiquarischen sujets gibt, auch Züge des Dichters selbst trägt. Erkennt derLeser in dieser Rolle sich selbst ebenso wie den Dichter, entsteht auch eine Nähe zwischen diesen beiden. Die Art undWeise, in der der Eindruck erzeugt wird, daß manbeim Lesen mit einem Abwesenden in Verbindung tritt, erinnert andieAppelltechniken undandasvermittelnde Kommunikationssystem desklassischen Steinepigramms. Die Interpretation dertraditionellen Sprecherrollen desEpigramms durch Kallimachos unterscheidet sich jedoch in einem wesentlichen Punkt von ihren inschriftlichen Vorbildern. Der ‘sprechende’ Gegenstand oder Betrachter im anonymeninschriftlichen Epigramm ist, wie imersten Teil dieser Arbeit gezeigt wurde, ursprünglich als eine funktionale Rolle zu betrachten. Seine Aufgabe besteht im Zeigen undin der Herstellung vonAkzeptanz für das Gezeigte. So dient der durch denEpigrammtext in Szene gesetzte Sprechakt dervorwegnehmenden Gestaltung einer möglichen und erwünschten Kommunikation vor einem Denkmal. Die verwendeten Sprecher sind daher Stereotype wie ‘die Stele’oder ‘der Wanderer’, ein Identifikationsangebot an den textexternen, historischen Leser. Ziel ist es, die Botschaft desDenkmals in dasGespräch undindieErinnerung eingehen zu lassen. Mit der Zeit aber scheint die Akzeptanz insbesondere der Rolle des ‘sprechenden’ Denkmals für die gebildeteren Leser problematisch geworden zu sein: ‘Spreμ α τ μ α chende’Konkurrenz wiederGrabinhaber, derBetrachter oder gar die γ ρ ά selbst anstelle der Stele treten imGrabepigramm auf denPlan undpräzisieren das kommunikative Geschehen. In CEG 1, 108 (5. Jh.) etwa agieren, wie wir gesehen haben, mehrere fiktive Sprecher mit diversen Funktionsbereichen nebeneinander. Zumindest dieambitionierteren Autoren vonEpigrammen scheinen nunzurKenntnis zu nehmen, daß die Unmittelbarkeit der quasi-mündlichen Rede des Epigramms eine Fiktion ist, diezwangsläufig miteiner gewissen Künstlichkeit derdargestellten Situation einhergeht. So haben wir die komplizierte Sprechhandlung mancher Versinschriften damit zu erklären versucht, daß ihre Autoren um eine rationale Klärung der Situation –Werist nunwirklich der Sender der Botschaft undwem gehört die metaphorische ‘Stimme des Steins’? –bemüht sind. Da sich die grundlegenden Paradoxa derschriftlichen Kommunikation jedoch auch so nicht auflösen lassen, tritt das Artifizielle in manchen dieser Texte nun erst recht hervor. Ein

262

Epigrammatische Sprecherrollen bei Kallimachos

vergleichbares Bemühen umeine authentischere Darstellung des Sprechakts führt besonders im4. Jahrhundert zu einer Personalisierung der Sprecherrollen, die sich vorallem indenmonologischen unddialogischen Grabgedichten zeigt, in denen die vom Todesfall persönlich betroffenen Angehörigen miteinander kommunizieren. Hierbei entstehen einige konzeptionell durchaus gelungene Epigramme. Bei Kallimachos nunwerden beide Tendenzen, dieRationalisierung derRollen undauch die Personalisierung der Sprecherperspektive, aufgegriffen und nicht selten auf die Spitze getrieben. ‘Personal’ werden nicht die psychologisch glaubwürdigen Sprecherrollen wiedie sich amGrabmal unterredenden Ehegatten ausgestaltet, sondern gerade die Fiktionen von Sprechern, deren Rolle nur als funktional verstanden werden kann. So reden’ bei Kallimachos Gegenstände wie tönerne Lampen und ‘ Masken, Schreibtafeln, Bronzefiguren, hölzerne undsteinerne Statuen undReliefs, zeigen sich dabei aber im Besitz von geradezu menschlicher Emotion und Vernunft. Gleichzeitig wird ihre konkrete Gegenständlichkeit durch den Verweis auf einen materiellen Defekt oder eineigentümliches Aussehen betont, dasParadox des sprachlosen Sprechers also gerade nicht verschleiert. Daß Kallimachos das fiktionale Potential der epigrammatischen Inszenierung von Sprechakten bewußt und, wie es scheint, mit einem gewissen Vergnügen an denkomischen undabsurden Effekten nutzt, läßt er an manchen Stellen deutlich erkennen. Beispiele dafür sind etwa Ep. 56, die doppelte Beglaubigung einer Weihung, Ep. 54 mit einem Sprecher, der weiß, daß er nichts weiß, oder auch das Götterbild inAitia Fr. 114, 5, das bei sich selbst schwört, umden Frager’von der Wahrheit seiner Aussage zu überzeugen. So wird ausgerechnet ‘eine rhetorischlogische Schwäche des Steinepigramms zum Ausgangspunkt für die Gestaltung eines Themas, dasKallimachos undseine Leser interessiert haben muß. Aufwelche Weise gelangen wiranunser Wissen, welchen Zeugniswert können wirdenTexten, Objekten und Gewährsleuten beimessen? In welcher Form können wir unser Wissenan andere vermitteln? Der Vergleich der kallimacheischen Epigrammdichtung mit den längeren Fragmenten aus seinen Aitia undJamben hat gezeigt, daß es ebendieses Thema ist, das den Dichter beschäftigt haben muß, unddaß die Rezeption dergriechischen Versinschrift bei Kallimachos in diesem Kontext zu verstehen

ist.

Besonders dort, wo er Personifikationen von Göttern und ihre Statuen gleichzeitig auftreten läßt (Aitia Fr. 114, Fr. 100, Jamb. 7, Jamb. 9, Hymn. 5), spricht derDichter die Vorstellungskraft seiner Leser an. Die kleinen Defekte der Gegenstände und die psychologische Charakterisierung der Sprecher – sie erscheinen vor allem neugierig, pedantisch, manchmal auch wehleidig oder überheblich –appellieren an die Emotionen. Aber auch die analytischen und logischen Kompetenzen der Rezipienten sind gefordert, wenn Kallimachos paradoxe Sprechhandlungen inszeniert. Darstellungen vonLesesituationen sind bei Kallimachos, wie in der gesamten antiken Literatur, relativ selten. Einen Sprecher imAkt des Denkens oder Lesens können wirjedoch in Ep. 30 undin Ep. 15 ‘beobachten’. Die vonKallimachos in denfiktiven Sprechakten der quasi-inschriftlichen, aber auch der erotischen Epigramme sichtbar gemachten Gedankengänge ergeben zusammen mitdenelegischen

Zusammenfassung

263

undjambischen Adaptionen ein überraschend klares Bild eines impliziten Lesers. Dieser Leser richtet –wie der epigrammatische ‘Wanderer’–Fragen an sein Gegenüber, zieht aber auch selbständige Schlüsse aus demWahrgenommenen und reflektiert zugleich über die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis. Gelingt die Aneignung neuen Wissens, bereitet ihmdies ebensosehr Vergnügen wie demjenigen, der dieses Wissen vermittelt hat. Dieser nurscheinbar naive, in Wirklichkeit aber überaus erfahrene lector doctus, demwirals ‘Leser imText’imLaufe der Untersuchung bei Kallimachos immer wieder begegnet sind, und der mit Ironie, Humor, aber auch Sympathie gezeichnet wird, trägt sicherlich die Züge eines bestimmten Lesers –des Kallimachos selbst.

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REGISTER 1. ANTIKE AUTOREN Suppl.

Aischines

2, 51, 1 3, 127 3, 184

191 A. 23 212 A. 305 98 A. 266, 164 A. 114

Aischylos

112 A. 321 105 A. 299 115 A. 337 93 A. 249 39 A. 65

178f.

180 236 381ff. 457

Ag.

36

212

Fr. 281 RADT

Eum.

112 A. 321

Ep.

Aikaios

818f.

190 A. 229 105 A. 299

820 818–

54

275 273– Pers.

641

Prom.

789 841

112 A. 321 90 A. 232

Sept.

652 375–

39ff.

397f.

41 A. 67 39 39 41 40 40f. u. A. 67 41 A. 68

434 432– 468f.

520 511– 568f.

592 646 648 642– 661 659– 722

40, 40f. u. A. 67 187 A. 212

2 FGE

112 A. 321

124 A. 373

v. Messene

16 GOW/ PAGE

121 A. 364, 123 u. A. 369

Anthologia Palatina

4, 1, 21f. 5, 80

5,85 6, 13 6, 227 6, 269 6, 308 6, 311 6, 353 6, 354 7, 3 7, 13 7, 21 7, 21f. 7, 22f. 7, 31 7, 80 7, 117

129 A. 9, 131 A. 17 u. 20 234 A. 33 125f. u. A. 377 107 A. 303 110 A. 313 188 A. 216 195 183 A. 199 117 A. 345 117 u. A. 345 80A. 202 177 A. 174

112 u. A. 327 124 A. 373

61A. 140 61A. 140 221f.

112 A. 323

302 7, 153 7, 217 7, 245 7, 262 7, 273 7, 274 7, 277 320 7, 313– 7, 314 7, 315 7, 318 7, 320 7, 321 7, 347 7. 422 430 7, 422– 7, 425 7, 427 7, 428 7, 429 7, 445 7, 452 7, 461 7, 464 7, 465 7, 481 7, 496 7, 500 7, 577 7, 589 7, 649 7, 712 7, 724 7, 731 9, 332 9, 450 9, 507 9, 561 9, 604 9, 605 9, 826

Register

69f.

126 A. 379 93 A. 245 188 A. 216 186 A. 211 187f.

206 209 A. 293 210 61 A. 140, 209f.

179 210

61 A. 140 136 A. 47 121f. u. A. 365 121 A. 363 176 A. 172

11, 42 11, 218 11, 275 11, 312 11, 437 12, 28 12, 71 12, 98 12, 129 12, 130 14, 45 14, 56

209 A. 293 188 A. 216 131 A. 20 2 A. 5, 100 A. 277, 199 124f. u. A. 374, 128 A. 2 205 A. 279 220 165f.

113, 235 A. 39, 241 A. 66 235 A. 39 188 A. 216 184f., 197 A. 255

Anthologia Planudea

86 118 u. A. 351 229 A. 15

23 68 275

122f.

122 A. 367, 188 A. 216 121 A. 364, 123, 176 A. 172 121 u. A. 361 125 u. A. 375, 126 179 A. 182 120 A. 360 119, 170 A. 141 188 A. 216 186 A. 211 178 A. 177, 179 A. 182 209 A. 293 202 A. 268 117f. u. A. 347 177 A. 174 104 A. 296 166 A. 128, 209 A. 293 117, 119 A. 355 209 205 131 A. 19 117 A. 345 117 A. 345 178 A. 175

Antipater v. Sidon 30 Gow/ PAGE 32 Gow / PAGE

53 Gow/ PAGE

176 A. 172 122 A. 368 120 A. 360

Anyte

4 Gow / PAGE

104 A. 296

8 Gow / PAGE

115f. u. A. 347

Apollonios

v. Rhodos (?)

1 FGE

131 A. 20

Arat v. Soloi Phain.

1ff.

205f.

158

187 A. 214

Ep.

1 Gow/ PAGE 2 Gow / PAGE

113 A. 328 124 A. 374

Aristainetos 1, 10, 26ff. MAZAL

1, 10, 57 MAZAL

233f. u. A. 32 235 A. 37

303

Antike Autoren

Poet.

Aristophanes

Av. 1614

231 A. 22

6, 1449 b 25 11, 1452 a 29ff.

159f. A. 96

204 A. 276

Eccl. 1073

209 A. 293

Rhet.

1367 b 20 1413 b 11ff.

Equ. 1172f.

1316

93 A. 249 115 A. 337

Asklepiades 2 Gow / PAGE

Lys.

986

249 A. 96

98 A. 263 96 A. 256

31 Gow/ PAGE 39 Gow/ PAGE 41 Gow/ PAGE

125 A. 377 178 A. 177, 179 A. 182 118 A. 351 126 A. 379

Nub.

1485 1478–

252 A. 103

Plut.

1153

Ran. 52ff. 66f. 330 478 1239

Athenaios

3, 125 c 7, 327 a 252 A. 103

96 A. 256 209 A. 294 131 A. 17 178 A. 176 192 A. 238

11,

462

f

11,

464

f

11,

472

f

10, 424 d 13, 596 d 13, 604 f 15, 669 c

31 128 A. 5 26 A. 7 183 A. 202 126 A. 378 179 A. 181 112 A. 326 31 128 u. A. 3

Catull

66

Thesm.

765ff. 768f.

783f.

659 1100

42 A. 71 42 A. 71 42 A. 71 178 A. 176 178 A. 176

1163

Certamen Hom. et Hes.

15

69 A. 169

Cicero

Adfam. 2, 13, 2

Vesp.

236 A. 41

183 A. 198

178 A. 176 Arch.

Schol. Pax 835

245 A. 79

Aristoteles

an. 542 b 17

25

30 A. 23

Tusc.

Hist.

207 A. 287

1, 84 5, 23

30 A. 23, 164 A. 118 100 A. 275

304

Register

Erinna

Verr.

2, 4, 127 Clemens

30 A. 23

v. Alexandria 128 A. 4 128 A. 5 232 A. 26 232 A. 27 131 A. 18

Corpus Fabularum Aesopicarum

257, 1

178 A. 176

Corpus Hippocraticum

De aff. 10, 8 L.

Euripides

131 A. 18

215

494

Demokrit

Fr. 68 A 134 DIELS/KRANZ 131 A. 18 Demosthenes

20, 112

30 u. A. 26

660

1, 29 1, 79f. 1, 89f. 2, 111 6, 14 6, 95

1ff.

1273 1270–

Dion Chrysostomos 37, 38 69 A. 168 Epicharm

Fr. 245 KAIBEL

92 A. 242

248 A. 89 186 A. 208

Hipp.

865 879f.

41 A. 69 112 A. 322 42 A. 72 42 A. 72

Ion 796 870

92 A. 242 249 A. 96

Iph. A.

209 192–

251 A. 98 128 A. 5 69 A. 169 214 A. 316 30 A. 28 174 A. 158

110 A. 313

Hec.

115ff. Diogenes Laertios

194 A. 246

Cycl.

877ff.

131 A. 18 131 A. 18

81 A. 206

Bacch.

877

De morb. 2, 43f. L. 3, 16 L.

177 A. 174

Alc.

Strom.

5, 8, 50 5, 10 5, 109, 2 5, 109, 3 8, 9

2 GOW/ PAGE

322 322ff.

800 794– 797f.

43 A. 74 257 A. 119 43 A. 76 43 A. 74 42 A. 72 112 A. 325

Iph. T.

639ff. 755ff.

762f.

793f.

43 A. 74 43 A. 74 105 A. 299, 115 A. 337 43 A. 76

Med.

1ff.

201 A. 265

305

Antike Autoren

Suppl.

53 1ff.

92 A. 242

Tro.

942 1191

115 A. 337 30 A. 23

Fr. 60 AUSTIN

112 A. 322

506, 2–6 NAUCK

112 A. 321 39 A. 65, 105 A. 299 42 A. 71 92 A. 242

3 NAUCK 578, 1– 590 NAUCK 578– 839, 8ff. NAUCK Eustathios

Komm.

zuOd.

2, 190 14, 350

179 A. 181 98 A. 263

Gellius

19, 9, 14

129 A. 10

Hedylos 5 Gow / PAGE

126 A. 378

6 Gow / PAGE

126 A. 378

4, 162, 5 5, 35, 2 5, 35, 3f. 5, 59 5, 59ff. 5, 59, 4 5, 60, 1 6, 4, 1 6, 77, 2 6, 97, 1 7, 6, 3f. 7, 101, 3 7, 147, 1 7, 228 7, 228, 2 7, 228, 3 7, 228, 3f. 7, 228, 4 7, 228, 6f. 7, 239, 3f. 3 8, 22, 1– 8, 49, 2 8, 128, 1f.

167 A. 132 104 A. 292

43 A. 78 30 A. 23 136 A. 47 29 A. 17 46 A. 82 43 A. 78 164 A. 114 103 A. 290 43 A. 78 212 A. 305 167 A. 132 30 A. 23 93 A. 247 98 A. 263 99 A. 270 98 A. 264 29 A. 17 41 A 78 43 A. 77, 45 167 A. 132 43 A. 78

Herondas

Mini.

4

117 A. 344

Hegesipp 8 Gow / PAGE

210 A. 296

Hesiod

Erg. 1ff.

Heraklit 1 Gow / PAGE

119 A. 354, 170 A. 141

101 687 682–

190 A. 228 43 A. 78 7 A. 18, 43 A. 77

Scut.

43 A. 77

Theog.

43 A. 78 65 A. 155 43f. u. A. 79

27 Hipponax

44ff.

118 WEST

26 u. A. 5 207 A. 288 207 A. 288

Hcrodot

1, 30f. 1, 123, 4–125, 1 1, 124, 1 1, 125, 1f. 1, 125, 2 1, 187, 1 5 1, 187, 1– 2, 141,6 3, 128, 2– 4

43 A. 78

131

19 A. 70

212 A. 305

256

306

Register

192 12, 184– 19, 203

Homer

Ilias 1, 148 2, 318f. 5, 304 5, 725 5, 838 6, 146–149 211 6, 152– 6, 169–180 236 6, 234– 7, 86 7, 87 91 7, 87– 7, 89f. 10, 439 11, 500 637 11, 632– 12, 326f. 15, 681f. 16, 608ff. 18, 377 23, 331f. 24, 287

253 A. 109 170 A. 139 89 A. 230 66 A. 158 215 A. 318 91 A. 237 38 38f. 194 A. 243 226 A. 7 164 A. 114 16 A. 56, 19, 53f., 55 A. 112 55 66 A. 158 79 A. 202 50 A. 99 91 A. 237 65 A. 155 48 A. 89 66 A. 158 16f. u. A. 57, 54 167 A. 133

19, 565 23, 143ff. 84 24, 80– 24, 83f. 24, 217

25f. u. A. 4 212 A. 305 187 A. 212

48 A. 89 16 A. 56, 55 164 A. 114 204 A. 277

Hom. Hymn. Aphr. 29

56 A. 117

Herm.

231

170 A. 231

Horaz

Carm.

3, 1, 1

130 A. 13

Sat.

108 1, 2, 105–

129 A. 10

Ion v. Chios Fr. 36 A 2 DIELS / KRANZ 245 A. 79 Kallimachos (PFEIFFER)

Ait. Odyssee

3 1, 1– 191 2, 188– 4, 710 4, 756 5, 337 7, 109f. 8, 296f. 8, 370ff. 495 10, 492– 10, 521 11,57f. 11,

75f.

11, 76 144 11, 140– 11, 210ff.

64 A. 151 179 A. 181 186 A. 210 164 A. 114 207 A. 287 85 A. 219 85 A. 219 48 A. 89 111 A. 318 79 A. 202 175 A. 167 16 A. 56, 55 A. 112 164 A. 114 175 A. 167 175 A. 167

I Fr. 1, 9–12 34 I Fr. 1, 30– I Fr. 1, 37f. I Fr. 3 I Fr. 7, 9–14 21 I Fr. 7, 19– I Fr. 7, 34 I Fr. 31b II Fr. 43, 56f. II Fr. 43, 84f. 268 III SH254– III SH254, 1ff. III Fr. 57 = SH 264 III Fr. 64

200 A. 264 254 A. 111 176 A. 172 230 230f., 238 A. 55, 252 230, 256 249 A. 96 230 A. 20 230 A. 20 257 240 144 A. 84, 238, 240 16 A. 54, 241ff. 226ff., 233, 235 A. 38, 249, 259f.

75 III Fr. 67–

233ff.

307

Antike Autoren

III Dieg. Z 1ff.

III Fr. 72 III Fr. 73 III Fr. 75, 53– 77 III Fr. 84f. III Fr. 85, 9f. IV Fr. 97 IV Dieg. IV, 3f. IV Fr. 100 IV Fr. 101 IV Fr. 102 IV Fr. 103 IV Fr. 110 IV Fr. 112, 7f. Fr. 114

9 Fr. 114, 7– Fr. 186, 15

233 233 A. 32 234f.

140 A. 67 232 A. 28 232 A. 28 238 238 A. 51 231f., 252, 259ff. 231 A. 23 140 A. 67 232f. 226, 235ff., 259f. 205 A. 280 140 A. 66 u. 67, 229ff., 241, 252, 256, 259ff. 232 235 A. 37

Ep. (in Klammern: Zählung Gow/ PAGE) 1 (54) 129 A. 10, 130 A. 13, 144 A. 85, 158f., 168 A. 134, 222 2 (34) 129 A. 10, 148f., 171, 221f., 243 3 (52) 144 A. 86, 148f., 179f., 210f. A. 298 4 (51) 148f., 197 A. 255, 208f., 211, 212 A. 302 u. 304, 215, 237, 248 u. A. 91, 253 5 (14) 129 A. 10, 146 A. 91, 152f., 181 A. 187, 186 A. 210, 189, 236f, 239, 248 u. A. 91, 259 6 (55) 129 A. 10, 139 A. 62, 152f., 199f.

7 (57) 8 (58) 9 (41) 10 (33)

11 (35)

152f., 186 A. 210 152f., 190 A. 231, 195f. 148f., 161f., 164 148f., 172ff., 209, 214,

257 A. 120 145 A. 88, 148f., 180 A. 186, 189 A. 225, 191ff.,

12 (43) 13 (31)

14 (44)

15 (40)

203, 215 A. 320, 216, 235 u. A. 38, 243 146 A. 90, 148f., 172 A. 153, 178f., 221 A. 344 148f., 174 A. 161, 209, 211f., 229 u. A. 15, 248 148f., 179 A. 181, 249 A. 96 139 A. 57, 148f., 186 A. 210, 188 A. 216, 202ff., 208 A. 292, 211 A. 299, 220, 228 A. 14, 243,262

16 (37) 17 (45)

148f., 171 A. 149 119 A. 355, 148f., 186 A. 210, 201ff., 207, 222, 249 A. 96

18 (38)

146 A. 91, 148f., 186ff., 194, 201, 203, 207

19 (46)

150f., 160f., 162 A. 106, 186 A. 209, 253

20 (32) 21 (29)

150f., 165 u. A. 121

130, 132, 140 A. 68, 150f., 170, 171 A. 148, 176ff., 194 A. 248

22 (36)

150f.

23 (53)

116

A. 340,

150f.,

164ff., 174f., 209

24 (60)

25 (11) 26 (47)

27 (56) 28 (2)

152f., 188f., 215 A. 322, 229f. A. 16 u. 19 128 A. 5, 156f., 168f., 179 150f., 189f., 196, 206, 219f. 128 A. 5, 152f., 205f. 114 A. 335, 130 u. A. 13, 156f., 200 A. 263

29 (5)

156f.

30 (12)

156f., 219 A. 337, 220,

31 (1) 32 (7)

33 (21)

256, 262 129 A. 10, 156f., 167 A. 133 156f., 179 A. 180, 194 A. 247 152f.

308 , (22) 34

Register

.

152f., 181 A. 187, 214f., 217, 229 A. 15

60 (39)

150f., 159 A. 95, 172f

35 (30)

130, 140 A. 68, 150f., 170ff., 176f., 191 A. 236

61 (42)

175 129 A. 10, 150f., 220 A. 340, 229 A. 15

[36] (62) 37 (17) 38 (20) 39 (19)

144 A. 85, 158 139 A. 62, 152f., 166f. 152f., 167, 232 A. 28 152f., 167

62 (61) [63] (63)

40 (48)

150f., 187 A. 215, 258 A. 121 129 A. 10, 147 A. 93,

41 (4)

Fr. 393 (64) Fr. 394 (65) Hymn.

156f. 107 A. 303, 114 A. 332, 129 A. 10, 156f., 218ff.

1

43 (13)

156f., 179 A. 181, 219 A. 337, 220 A. 340

2

44 (9) 45 (10) 46 (3)

156f.

42 (8)

47 (28) 48 (26) 49 (27)

156f. 128 A. 5, 156f., 166, 168 A. 134 154f., 161 A. 101, 187 A. 215, 189 128 A. 2, 154f., 193ff., 230 A. 19, 253 154f., 182ff., 230 A. 19,

231 A. 22, 253

154f.

144 A. 85, 158, 218 u. A. 333 114 A. 330, 214 128 A. 5

1, 65

3 3, 120 3, 239 4 4, 12 85 4, 79– 85 4, 82– 4, 103 5

205 A. 280 138 A. 54, 198 A. 258, 250 205 A. 280 205 A. 280 235 A. 37 235 A. 37 205 A. 280 207 A. 287 235 A. 37 253 A. 108 178 A. 176 205 A. 280, 252 A. 102, 262 205 A. 280 235 A. 37

50 (49)

150f.,

51 (15)

154f., 169f., 231

52 (6) 53 (23) 54 (24)

156f.

Iamb.

154f.

1 Fr. 191

244f., 247ff., 254 A. 111, 256, 259

10 Dieg. VI, 6–

250 A. 97 212 219 A. 337 176 A. 170 250 A. 97

163f., 181 A. 190, 189 A. 225

114 A. 332, 142, 154f., 163 A. 113, 181 A. 187, 183 A. 201, 215 A. 322, 216f., 231 A. 22, 250,

262

55 (16) 56 (25)

154f., 181ff., 194 A. 242, 230 A. 19 1f., 22, 139 A. 63, 154f., 196ff., 217, 231 A. 22, 250, 262

57 (18) 58 (50)

145 A. 87, 150f., 206f.,

59 (59)

219 A. 337 144 A. 85, 158f., 222

154f.,

162f.

6

6,27

1 Fr. 191, 2 1 Fr. 191, 11 1 Fr. 191, 34 50 1 Fr. 191, 47– 1 Fr. 191, 76f. 1 Fr. 191, 78 2 Fr. 192 4 Fr. 194 4 Fr. 194, 61 4 Fr. 194, 63 4 Fr. 194, 106

250f.

239 A. 56 250, 254 235 A. 37, 250, 253f. 244 A. 75 244 A. 75 249 A. 96

309

Antike Autoren

5 Fr. 195 5 Fr. 195, 32 6 Fr. 196 Dieg. VII, 26f.

6 Fr. 196, 59– 62 7 Fr. 197 Dieg. VIII, 18

40 Dieg. VIII, 33– 9 Fr. 199 11

Fr. 201

13 Fr. 203 13 Fr. 203, 17 13 Fr. 203, 40

Fr. 222 Fr. 384, 44ff. 384, 46 384, 48 468 612 723

254, 256 235 A. 37 254, 256ff. 256 4 246, 250ff., 256 A. 114, 259, 262 251 A. 100 255 A. 112 140 A. 66, 246, 254ff., 259ff. 246f., 249f., 259 244 A. 77, 245f. 254 213 A. 313 228 A. 12

238ff., 259f.

196 A. 251

241 A. 66 165 A. 120 250 255 A. 112

Test.

24 26 41 44 45 51 75 77 Leonidas

128 A. 3 128 A. 4 128 A. 3 128 A. 4 128 A. 4

129 A. 9 128 A. 3 128 A. 3

v. Tarent

22 (35) Gow / PAGE 121 A. 365 67 (15) Gow/ PAGE 125 A. 375 78 (93) Gow / PAGE 166 A. 128 98 (24) Gow/ PAGE 177 A. 174

Lykophron

207 A. 287

230 Lykurg

93 A. 247 30 A. 25

109 142 Lysias

94 A. 252

16, 9 Martial

4, 23

128 A. 3

Meleager 1, 21f. GOW / PAGE

124 GOW / PAGE

131 179 A. 182

Menander 744 KASSEL / AUSTIN = 631 KOCK

182 A. 197 Nepos

Paus.

30 A. 23

1, 3 Nossis 4 Gow / PAGE 9 Gow / PAGE

117 A. 344, 119 A. 355 117 A. 345

Parmenides

Fr. 28 A 46 DIELS / KRANZ 19f. A. 70 Pausanias

1,5,3

207 A. 287

5, 10, 2

257f.

Perses

v. Theben

5 Gow/ PAGE

121 A. 361

Petron

Lutatius Catulus

Satyr.

1, FPL p. 43 MOREL 129 A. 10

115

30A. 23

310

Register

Philochoros FGrHist

328 F 171 183 A. 202

Philodem

Poet.

5, 38, 9

91 A. 237 91 A. 237 242 A. 70 246 A. 83 91 A. 237

644 d 3 645 a 2 653 c 669 d 885 a 7

30 A. 28 Phaid.

Photios

s. v. Κ 70 . υ ψ ελ ίδ νκτλ ῶ )

R

;HLER) / MAEH Pindar (SNELL E L Isthm.

4 (3), 88

131 A. 17

Nem.

4, 78 8, 40ff.

240 A. 63 92 u. A. 242

59 c d 61 c–

164 A. 118

165 A. 119

Phaidr.

262 d 263 b 3f. 264 c

245 A. 82 70 A. 172 69 A. 169

Phileb.

65 c

168 A. 135

Rep.

Ol. 6, 90f.

6, 91 9, 10 4 10, 1– 14, 4

d 394 a– 583 b

42 110 A. 315 240 A. 63

Soph.

240f.

263 e

159 A. 96 187 A. 212

147 A. 93

93 A. 249 Symp.

183 b

Pyth.

4, 3

240 A. 62

168 A. 135

Platon

Platon’ ‘ 5 FGE

Hipparch.

22a FGE

e 228 d– 7 228 d 5– 228 e 229 a 4 229 b 1

45ff.

46 46 46f. 46f.

Platon, Komödiendichter

61 KASSEL / AUSTIN = 58 KOCK

204 KASSEL / AUSTIN Plinius

Ion c 534 b– 536 d 541 e

234 A. 33 178 A. 175

= 188 KOCK 251f.

d. Ä.

Nat. hist.

245 A. 82 190 A. 231 190 A. 231

7, 151 Plinius

190 A. 228

d.J.

Epist.

Leg.

4,3,3

251f.

128 A. 3

311

Antike Autoren

75 FGE 83 FGE Fr. 57 BERGK

Plutarch

Alkibiades

251

20, 6f. Mor.

Solon

346 F

184 A. 206

Fr. 4, 3f. WEST

183 A. 202

Ant.

Polybios

93 A. 249

Sophokles

12, 13, 3 Poseidipp

124 A. 374 70 A. 172 69 A. 168

224 758

v. Pella

6 Gow/ PAGE 17GOW/ PAGE

165 A. 123 112 A. 326

19 GOW / PAGE

229 A. 15

705 SH

112 A. 324 u. 325

XV 24–27 BASTIANINI / GALLAZZI

850f. 1267

180, 191

A. 236

El. 807 1063 1296f.

178 A. 176 249 A. 96 89 A. 230 81 A. 206

83 A. 211 249 A. 96 204 A. 277

Quintilian

Inst.

Oid. T.

1, 5, 20

30 A. 23

1207

Sappho

Fr. 31 LOBEL / PAGE 218 A. 332

7, 11 WEST

65 A. 154

4 GOW / PAGE

112 A. 327

/ ‘Simonides’

Ep. 94 BERGK 98 A. 263 Ep. 110 BERGK 70 A. 172 Ep. 146 BERGK = 89 WEST228 6 FGE 98 A. 263 10 FGE 136 A. 47 21 FGE 93 A. 247 22 FGE 178 A. 177 u. 178 31 FGE 86 A. 221 37 FGE 125 A. 375 68 FGE 186 A. 211

178 A. 176

Trach.

549 683 968

42 A. 73 178 A. 176 112 A. 321 81 A. 206

Fr. 597 RADT

112 A. 321

154ff.

Simias

79 A. 202 79 A. 202

Phil.

291

Semonides

Simonides

40

Suda

ιο s. v. Ἀ ρ ςκ χ ίβ τ λ . 128 A. 4 s. v. Μ ρ ια ν ό ς 128 A. 3 α ρ γ ε ῖς s. v. ὑμ α ε ,ὦ ῖς128 A. 5, Μ ε 169 A. 136

312

Register

Tibull

Theognis

1, 29 YOUNG 1, 124 YOUNG 1, 210 YOUNG 1, 258 YOUNG 1, 332b YOUNG 1, 567ff. YOUNG 1, 744 YOUNG 1, 749 YOUNG 1, 812 YOUNG 1, 871 YOUNG 1, 948 YOUNG 2, 1223 YOUNG 2, 1282f. YOUNG 2, 1356 YOUNG

219 A. 336 179 A. 181 179 A. 181 179 A. 181 179 A. 181 19 A. 70 219 A. 336 219 A. 336 179 A. 181 70 A. 172 219 A. 336 219 A. 336 219 A. 336 179 A. 181

15, 114 16, 97 17, 135f. 17, 137 18, 47f. 22, 214

25, 151

110 A. 313 205 A. 280 110 A. 313 138 A. 54 164 A. 114 117 A. 344 170 A. 140 186 A. 210 205 A. 280 164 A. 114 75 A. 191, 235 A. 39 205 A. 280 110 A. 313

Thukydides

1, 132, 2 2, 43, 3 6, 54, 7 6, 59, 3

168 A. 135

Timaios

FGrHist 566 F 35b 183 A. 202

Val. Max.

7, 1, 2

190 A. 228

Vergil Catal.

4 11, 1–

129 A. 10

Vita Hom. Herod.

11

69 A. 169

Vitruv

Theokrit

1, 109 1, 114 3, 46 7, 44 12, 11 86 15, 78–

3, 6, 49f.

30 A. 24 37 A. 53 30 A. 23 30 A. 23

8, 3, 21

30 A. 23

Xenophanes

Fr. 21 B 1, 22 D. / K. = Eleg. B 1, 22 WEST 26 A. 7 232 A. 26 Fr. 21 B 14 DIELS / KRANZ Fr. 21 B 15 DIELS / KRANZ Xenophon

Mem.

1, 6, 14

101 A. 283

Zenodot 1 GOW / PAGE

112 A. 323

3 Gow/ PAGE

209 A. 295

232 A. 27

313

Inschriften undPapyri

2. INSCHRIFTEN UND PAPYRI BERNAND 1969

27 34 35 38 49

56 60 63 68 92 105 108 CEG 1, 10

1, 11 1, 12 1, 13 1, 16 1, 18 1, 23 1, 24 1, 26 1, 27

1, 28

1, 34 1, 39 1, 40 1, 43 1, 46 1, 49 1, 51 1, 68 1, 69 1, 71

115 A. 338 110

98 A. 265 178 A. 175 169 A. 136, 190 A. 232, 203 A. 271 79 A. 201 114 A. 330 106

85 A. 219 172 A. 152 192 A. 238 124 A. 372

92 A. 242 u. 244, 164 A. 114 57 A. 121 63 A. 147 47 A. 84, 63ff. 61f. 66, 181 A. 190 59 A. 130 56f., 200 A. 262 59 66 A. 162 64 A. 149, 66f., 89 u. A. 230, 204 A. 274 67, 175 A. 165 61 A. 141 60 63 A. 147, 77 A. 193 66 A. 158, 181 A. 190 79 66 A. 162, 78 A. 197 66 A. 162 60 59

1, 72 1, 74 1, 76 1, 83 1, 84 1, 89 1, 97 1, 98 1, 102 1, 108

1, 110 1, 113 1, 116 1, 117 1, 120 1, 123 1, 124 1, 130 1, 131 1, 132 1, 136 1, 139 1, 142 1, 143 1, 144 1, 146 1, 150 1, 152 1, 153 1, 159 1, 161

1, 162 1, 167 1, 173 1, 174 1, 190

50 A. 100 62 A. 141 60 93 A. 248 102, 104 A. 292 48 A. 90 57 A. 121,67 61, 210 A. 297 48 A. 90 53, 71 A. 179, 75f., 91, 192 A. 237, 261 64 60f., 160 A. 98 200 A. 262 66 A. 162 83f., 205 A. 120 64f. 66 A. 158 50 A. 100 48 A. 90 54f., 207 A. 288 62 59 200 A. 262 207 A. 288 74 74 66 58f. 57 48 A. 90, 67, 173 A. 156 77f., 181 A. 191, 211 A. 299 55f., 62 A. 142 67 74, 192 A. 237 73f.

215f.

314 1, 192 1, 195 1, 207 1, 230 1, 264 1, 270 1, 286 1, 309 1, 320 1, 349 1, 378 1, 399 1, 401 1, 403 1, 429 1, 430 1, 432 1, 438 1, 439 1, 441 1, 442 1, 454 1, 462 2, 467 2, 470=1, 16a 2, 475 2, 479 2, 487 2, 492 2, 493 2, 512 2, 520 2, 523 2, 525 2, 526 2, 527 2, 530 2, 532

Register

85 A. 219 74f., 197

164 A. 114 85 A. 219 164 A. 114 197 A. 254 6f. u. A. 18, 13, 76 189 A. 224 16 u. A. 55, 18, 137 173 A. 156 48 A. 90 89 A. 230 72 A. 184, 85 A. 218 48 A. 90 84f., 192 A. 237 211 A. 299

48f. 79f. 142 A. 78, 197 A. 254 118 A. 348, 181 A. 190 89f. 49ff. 210 A. 297 92f., 178 A. 177

78 91 A. 240 91f. 90f.

89 A. 230 90 A. 235 87 90 176 A. 171 91, 103 A. 288 207 A. 288 94 A. 251 86f.

91 A. 238, 103 u. A. 288f., 105

2, 535 2, 545 2, 546

92 84 90 A. 235

2, 548 2, 549 2, 571 2, 573 2, 574 2, 577 2, 581 2, 590 2, 591 2, 592 2, 595 2, 596 2, 597 2, 600 2, 611 2, 623 2, 627 2, 631 2, 632 2, 633 2, 636 2, 648 2, 662 2, 664 2, 673 2, 680 2, 685 2, 686 2, 700 2, 709 2, 713 2, 716 2, 717 2, 718 2, 719 2, 721 2, 732 2, 737 2, 739 2, 742=1, 179a 2, 798

98 A. 265 92 91 A. 240 80 A. 205 94 A. 251 91 A. 238 90 A. 235 94 93 A. 248 200 A. 262 89 A. 230 176 A. 172 62f., 204 A. 274 90 91 A. 240 94, 114 A. 332 94 A. 253, 114 A. 332 80 u. A. 204, 82 103 u. A. 288, 187 A. 213 81 A. 208, 211 A. 299 164 A. 114 81 189 A. 224 207 A. 288 172 A. 154, 197 A. 254 81f. 91 A. 240 80f., 177 A. 174 98 A. 265 81 A. 206, 91 A. 240 189 A. 224 91 A. 240 200 A. 262 79f. 80 A. 203 80 A. 203, 92 A. 244 94 A. 250 91 A. 240 91 A. 240

89 94 A. 253, 114 A. 332

315

Inschriften undPapyri

2, 815 2, 819 2, 823 2, 827 2, 844 2, 845 2, 852 2, 853 2, 861 2, 865 2, 873 2, 878 2, 882 2, 889 2, 892 2, 894

93 A. 248 30 A. 25, 98 A. 265 93 A. 248, 178 A. 177 103 A. 288 103 A. 288 103 A. 288 103 A. 288 93 A. 248 103, 163 A. 110 102, 178 A. 177 200 A. 262 102 A. 287 94 A. 253, 114 A. 332 98 A. 265 104 A. 293 104 A. 294

CIRB

118

190 A. 232

COUILLOUD 1974

475

207 A. 288

DUBOIS 1996

44

74 A. 188

FRIEDLÄNDER / HOFFLEIT 1948

149

GG 12 58 86 102 119 134 147

157 164 176 207 217 233

46 A. 81

92 A. 242 u. 244 61 A. 140 87 A. 226 87 A. 226 115 A. 336 110 A. 316 61 A. 140 110 A. 314 98 A. 265 110 A. 312 111 A. 317 111 A. 319 111 A. 319

341 424 436–440 462 463 GV 51 1– 20 51a 52–136 629 52– 1208 52– 101 112 285 137– 305 376 630–1170 632 633 764 840 926–1147 926–1170

61 A. 140 86, 211 A. 299 86 A. 224 61 A. 140 61 A. 140

68 92 A. 242 u. 244 70 58 A. 126 68, 159 A. 94 14 A. 43 190f.

172 A. 152 58 A. 126 62 A. 144 161 A. 102 68, 159 A. 94 104 u A 296 207 A. 288 110 A. 316 61 A. 140 14 A. 46, 18 212 A. 300

945

110

1001 1129 1133 1150

197f. u. A. 256

u. A. 314

1247 1223–

207 A. 288 175 A. 164 98 A. 265 65 A. 157, 70 A. 174 1 A. 2, 45 A. 80, 68 69 A. 169 69 A. 169 69 A. 169 171 A. 149 212 A. 300 166 A. 128 21 A. 77, 47 A. 84, 65 A. 157, 68, 212 A. 300 78 A. 197

1226

47 A. 84

1185 1171– 1208 1171–

1171 1171a 1171b

1179

1208 1193–

1208 1204– 1599 1209–

316 1232

1301 1284– 1284

1312

1341 1330– 1331 1342 1376 1370–

1563 1384– 1386 1409

1413 1418 1498

1501 1537 1830 1600–

1620

1625 1635 1669 1636– 1726 1702–

Register

207 A. 288 172 A. 154, 175 A. 166, 183 A. 203 172 A. 154 110 u. A. 312 175 A. 166, 257 A. 120 163 A. 112 115, 118 A. 348 226f. A. 7 221 A. 343 87 A. 226 61 A. 140 58 A. 128 111 A. 319 114 A. 332 207 A. 288 86, 211 A. 299 68 A. 166 106 A. 301 111 A. 319 114 A. 330 187 A. 214 190 A. 230

1729

111

1745

105 A. 297 166 A. 126 183 A. 204 161 A. 103, 164 A. 116 212 A. 300 68, 83 A. 213 85 A. 219 85 A. 219 169 A. 136, 190 A. 232,

1777 1754– 1809 1802– 1830 1802–

1847 1831– 1887 1831–

1835

1843

1845

1882 1887

2095 1888– 1905 1906

1970

1985 1990

u. A. 317

203 A. 271 86 A. 223 115 A. 338 68 199 A. 260 30 A. 23 61 A. 140 207 A. 288 178 A. 175

2005 2018

61 A. 140 175 A. 169

IG I2, 13071 I3, 502 I3, 533 I3, 608 I3, 618 I3, 627 I3, 635

I3, 766 I3, 811 I3, 1017 I3, 1021

I3, 1092bis I3, 1154 I3, 1178 I3, 1179 I3, 1194bis I3, 1197

I3, 1203bis I3, 1204 I3, 1208

I3, 1213 I3, 1215 I3, 1219 I3, 1234 I3, 1240 I3, 1243 I3, 1248 I3, 1251 I3, 1255 I3, 1260 I3, 1261 I3, 1263 I3, 1265 I3, 1273bis I3, 1277 I3, 1278 I3, 1295bis

91 A. 241 211 A. 299 76 215f.

74 A. 189, 197 85 A. 219 164 A. 114 85 A. 219 164 A. 114 189 A. 224 16 A. 55, 18, 137 89 A. 231 57 A. 121 63 A. 147 92 A. 242 u. 244, 164 A. 114 47 A. 84, 63 61 u. A. 141 59 A. 130 66 67 u. A. 163 63 A. 147, 77 A. 193 66 A. 158, 181 A. 190 66 A. 162, 78 A. 197 60 66 A. 162 60 79 66, 181 A. 190 61 A. 141 50 A. 100 56f. 59 59 78 A. 196 66 A. 162 62 A. 141 57 A. 121, 67

Inschriften

I3, 1315 I3, 1353 I3, 1403

I3, 1468bis I3, 1508 I3, 1517

IX, 12, 878 IX, 12, 880 IX, 12, 881 IX, 12,882 XII, 3, 536 XII, 3, 540 XII, 3, 543 XII, 3, 546 XIV, 1746

102 A. 285, 104 A. 292 93 A. 248 118 A. 348, 181 A. 190 89 A. 229 105 A. 300 60 74 54 A. 110 74 207 A. 288 48 A. 89 48 A. 89 48 A. 89 48 A. 89 30 A. 23

IGUR 1148

117 A. 343, 207 A. 289 61 A. 140

IK 2, 304 23, 512 41, 501

207 A. 288 105 A. 297 210 A. 297

413

KAIBEL 1878

488 1111

80 A. 204 219 A. 335

KERN 1900

203

252 A. 104

LAZZARINI 1976

643 688

137 A. 52 84 A. 216

MERKELBACH / STAUBER

01 / 01/ 01

01/01/12 01/01/13

103f., 163 A. 110 210 A. 297 170 A. 139, 237 A. 48

317

undPapyri 01 / 01 / 97 01 / 12 / 05 01 / 12 / 20 01 / 12 / 23

01/15/04 01/20/25

98 A. 265 84f., 192 A. 237

207 A. 287 81 A. 206, 91 A. 240 164 A. 117 175 A. 169

03 /05 /02

110f.

03/07/17 04/05/06 04/21/03 05/01/42 05/01/44 05/01/50 05/01/55 05/01/63 08/01/31 08/01/33 10/06/01 10/06/13 14/07/02

207 A. 288 192f.

163 A. 112 105f.

16/06 /01

207 A. 287 171 A. 149 207 A. 287 175 A. 164 207 A. 288 207 A. 288 73 A. 186 207 A. 288 85 A. 219 199 A. 260

P. Vindob. G 40611

33 A. 37, 129 A. 6

SEG 14, 565 18, 338 30, 1005 37, 351 41, 540A 44, 463 45, 661

70f. 70 A. 175 198 A, 257 116 A. 342 78f. A. 198, 203 A. 273 78f. A. 198 78f. A. 198

SH Fr. 339 A 11 191 A. 235 s. auch unter Kallimachos, Poseidipp SIG3

2

105 A. 300

318

Register

3. NAMEN Acheloos

156

Achill Adonis

17 A. 56, 55, 209 A. 294, 253 A. 109 170 A. 140, 181 A. 189

Agamemnon

55

Agathias Scholastikos 202 A. 268

4, 107f., 117, 141 A. 72, 163 A. 111 155, 181 Apellis Aphrodite 49, 85 A. 219, 103, 117. 118 A. 349, 152f., 236. s. auch Kypris 84ff., 89, 111, 229ff., Apollon 241, 245, 250, 251 A. 98 Apollonios v. Rhodos 205, 245 Arat v. Soloi 113, 114 A. 335, 124. 128 A. 2, 153, 187 A.

Anyte

v. Tegea

Aisopos (Äsop)

190 A. 228 155, 182, 183 A. 202 153, 188f. 64 98, 191 A. 235 151, 163f. 155, 162 39ff., 44 A. 79, 45, 47, 54, 83 A. 211, 212f. 254

Akeratos

55

Akeson

155, 216f.

Archimedes

Aline

110

Archinos (1)

Aglaos Agoranax

Aietion Aigisthos

Aischines Aischra

Aischylis Aischylos

Archestratos

214, 205f. 81f. 61 A. 141, 62 240f.

Archias

59

Archibios

Arata

Archeneos

v. Messene 123 Alkaios v. Mytilene (?) 123 A. 369

Archinos (2)

Ares

128 A. 4, 130 100 A. 275 153, 214f. 157, 219 39, 85 A. 219

Alkimachos (1)

60

Aretemias

119

Alkimachos (2)

74f., 197

Arimmas

149, 211

Alkinoe

81

Aristainetos

233ff.

149, 191 228 151 164 A. 118

Alkaios

Alkinoos

36

Aristaios

Akontios

233ff.

Aristides

66 192 A. 238 Amphalkes 250 Amphiaraos 40, 42, 113 167 A. 130 Anakreon Androgeos 232 252 A. 104 Antilochos Antimachos 99 A. 273 Antinoos 118 A. 348 Antipatros v. Sidon 120, 122 Alxenor

Aristippos

Amisoisas

Aristippos

Antiphanes

76

(1) (2)

Aristophanes, Komödiendichter 209 A. 293f.,

234, 249 A. 96, 252 A. 103 Aristophanes v. Byzanz 98 A. 263 Aristoteles 26, 96, 204, 236 A. 45 Arniadas 54 A. 110 Arsinoe 152f., 236 Artemis 45, 152f., 155, 233 Asklepiades v. Samos 2, 4, 107, 118, 125, 126 A. 379, 179 A. 182, 195

319

Namen

Asklepios

154f., 216f.

Dareios I.

Aspasia

65 151 128 89, 93 A. 249, 216, 231, 252 A. 102 243 A. 72 249 A. 96 78

Deianeira

Astakides

Athenaios Athene Augustus

Aurios Autokleides

43f., 212 A. 303 42 A. 73

58f.

Deidamas

Deinias

(1)

Deinias (2) Demeter

54 92 151

Demeter Pylaia

153

Demodike

155, 216

Demodokos

Bakchos

152f.

Basilo

151, 165

Demosthenes

Bathykles

248, 250

Didyme

36 7 A. 18, 131 A. 18 79 30, 98 A. 266 149, 178

Demokrit

Battos. Vater des Kallimachos 138 A. 56, 151, 171f., 177 Bellerophontes

Bembakis

Berenike

38, 43 164 A. 114 118, 155, 169f., 226, 235ff., 259

Bias 250 Bion v. Borysihenes 214 A. 314 Biote 67 Bitte 57 Brentes

70

Catull

Charmis

30 A. 23, 236 74, 197 195 149, 211ff., 229f. 258 149

Chilias

123f.

Chronos Chrysanthe

93 92

Cicero

100 A. 275, 183

Chairion Chares Charidas

Charmides

Clemens v. Alexandria 128, 131 A. 18 Daidalos

251

Damagetos

131 60 102 231

Damasistratos

Damatrios

Danaos

Demophilos

Dike

40ff.

Dikon

149, 161

Diodoros Kronos

214 mit A. 317 251 A. 98 252 149, 201

Diogenes Laertios Diokleides

Diokleides

Diokles Diomedes

Dion Dionysos

(1) (2)

157 194 A. 243 158 118 A. 349, 152ff., 182, 193ff.

Diphilos

110 149 155, 227 125, 128 92

Dokimos

192f.

Doricha

112

Echemmas

155

Dionysios

Diophon

Dioskuroi

Diotimos

Eileithyia (Eleithyia) 154f., 230

Eirenaios

106

Eirene

155, 162

s. Eileithyia 17 A. 56, 55 A. 112 Elpenor Eleithyia,

Epandrides

Epikles Epikydes

137 60 157

320

Register

108 A. 306, 141 A. 72, 177 A. 174 156, 219, 235 A. 39

Herakleitos

Eteokles

39ff.

Herakles

Euainetos

139 A. 63, 155, 196ff. 155 219 A. 336, 247 59

Erinna

Eros

Eudemos

Euhemeros Eukosmides

Eumaios Euopides

Euphronos

Euripides

Eurymachos Eurynome

Eurytos

Euthykles

Euthylla Euthymenes Euthymos

Euxitheos

111 65 119 42f., 92, 194f., 201, 209, 248 A. 89, 249 A. 96,257 A. 119

v. Halikarnassos

119f., 125, 148f., 170 A. 141, 171,

221f.

42 A. 73, 152f., 189 A. 224, 214ff., 241 103f., 156, 251ff., 255, 256 A. 114, 259 105 98 A. 265 6f., 43ff., 47, 52, 64 A. 149, 74 A. 187, 85, 97f., 100, 136, 163 A. 111 96, 117 A. 344 25f., 110 A. 313, 140 A. 67, 205f., 207 A. 288, 212 A. 305 56 A. 117

Hermes

Hermias Herodes Herodot

Herondas

Hesiod

92 238 199 232 A. 28 67 149, 202, 204 89 A. 230 157, 220

Hestia

87 62

Hierokleia Hieron Hieronymos

v. Rhodos 31

Hippaios

151, 172f.

Hippakos

149, 178 45f., 64 A. 149

Hipparchos

Gaios Ganymedes

Gastron

Ges

199 A. 260 157

Hippias

64 197 A. 254

Hippomedon

Glaukos (1), hom. Held 193f. Glaukos (2)

70f.

Glykera

91 256

Gnorimos

Hippodameia Hipponax

Homer

102 240 A. 63

41 v. Ephesos 50, 176 A. 170, 245, 247ff., 256 52, 79f. A. 202, 110 A. 313, 111, 190 A. 231, 284, 200, 205f. A. 282– 243,

254

Hades

62, 93 A. 248, 104, 106, 110ff., 125f., 149, 173, 175ff., 208f., 211ff.,

Hebdomaios Hedylos

Hegesippos

Hegilla Hektor

Hephaistos

Hera

221, 228, 247f. 115 108, 130 210f. 94 17 A. 56, 19, 53ff. 44, 72, 85 A. 219 231, 238

111,

A.

auch: Register

kenAutoren v. Byzanz 187f. 129 A. 10, 130 A. 13 Horaz 115 A. 338 Horigenes 41 Hyberbios 249 Hypsas Honestos

Hysematas

62

Inachos

111f., 155, 162 162 A. 108 199

Io Iole

s.

der anti-

321

Namen

190 A. 228

245 30, 98 A. 265

Kronos,

Ionis

157, 168f.

Kybele

Isis

155, 162, 182, 192 A.

Kydippe

151 140 A. 67, 233f.

238

Kypris (Aphrodite)

104, 118, 125f., 236f.

Kyros

43 A. 77, 205

Laertes

204 A. 277 86

Ion(v. Chios?) Ion v. Samos

s. Diodoros Kronos

157, 168f.

Kallignotos

Kallimachos v. Kyrene passim, s. Register derantiken Autoren Kallimachos

Kroisos

(2)

151

Kallias

176 A. 171 64

Kallikrates

82

Kallimachos (3)

Lampis

78

Learete Leonidas

v. Tarent 4, 107, 108 A. 306, 121ff., 125f., 140 A. 66, 147 A. 92, 166 A. 128, 177, 186, 209 A. 293

Kallistion

155, 181, 183

Kallistrate

Leontichos

151, 206ff.

Leoprepes

Kasbollis

90 31 39 84

Kekrops

111, 238

Leto

226, 228 74 70 111

Kerkinos

80

Leukares

Kerkope

200 A. 262

Lukian

Kimon

151, 172f.

Lukillios

Kleinias

153

Lutatius Catulus

Kleobulos

69 A. 168

Lykainis

Kleombrotos

151, 164ff., 175

Lykophron

Kleonikos

157, 220, 256

Lykos

Kleoteles

89

Lykurg

Kallistratos Kapaneus

Konallis (früher: Komallis) 80f. Konnaros

195

Konnidas

Krinagoras

249 236 218 153 62 213 A. 313 139 A. 62, 153, 199f., 206 149, 171 A. 149 209 A. 293

Kritias (1)

149, 178f.

Kritias (2)

155, 181 50 A. 100

Konon Konopion

Kore Kosina

Krates Kreophylos

Krethis

Kritos (?)

Leoxos Leptines

Lysanias

Lysikleides

158 243 A. 72 2 A. 5, 199 129 A. 10 155 207 A. 287 149, 186f., 201 93 A. 247 114 A. 335, 156f. 16, 137

Maximos

199 199

Medea

201

Megas

92

Markos

98 A. 263 151 Melanippos 215f. Melanthyros Meleagros v. Gadara 98 A. 263, 122 A. 367, 129, 131, 176 A. 172, 179 A. 182 Melite 86 Menander, Komödiendichter 182 A. 197 Megistias

Menekorros

81

322

Register

151

Oidipus

123f.

Menekrates (2)

157

Oligedas

Menexenos

156f.

Onesimos Oneso

61 86 61

Opsiades

87

Orestes

43, 83 A. 211, 158, 204 A. 277 124 61

Menekrates

Menippos

(1)

v. Gadara 214

Menippos (2)

156f.

Menitas

153,

Menoitios

180

Meixis Midas

74 69, 100

Mikkos (1)

151, 163f.

Mikkos (2)

155, 193

Palamedes

39f. A. 65, 42 A. 71

151, 189f., 219 140 A. 67 99 A. 272 102 A. 285

Pallas

241f.

Pamphilos

154f., 182f., 189

Panamyes

84

Pantaleon

94

90

Parmenides

42 A. 71 75 241 74 214 124 A. 372 79 189 A. 224

Parmenion

Pasianax

19f. A. 70 247, 248 A. 93 116

Patroklos

55

Mikylos Mimnermos

Mnasalkes Mnesagora

Mnesiarchides

Mnesilochos Mnesitheos

Molorchos Molpagores

Momos

Moschion Myrhine Myrto

166f.

73 Neleus 250 Nemesis v. Rhamnus 16, 137

Nadys

Neophanes

116

Nestor

47ff., 51f., 70f.

Nikarete

90f. 104 102 A. 285 151, 160f., 163 43ff. 4, 117, 141 A. 72, 163

Nikias

Nikochares

Nikoteles Nitokris Nossis

v. Lokroi

Numenios

A. 111 v. Tarsos 205

Osiris Osthilos

Pausanias Periegetes 100 A. 275, 207 A. 287.

(2)

Pausanias

Peisianax

60

Peisistratos

Pheidias

122 240 A. 63 212 A. 305 121 59, 66 155, 196 79 A. 201 183 A. 198 105 A. 300 4, 257f.

Pheidis

123f.

Philarchos

180 209 153 255 93

Pelops Penelope

Perses

v. Theben

Phaidimos Phaidros

Phalene

Phania Phanodikos

Philemon

Phileratis Philetades

Philipp II. Odysseus

25 A. 4, 55 A. 112, 175 A. 167, 204 A. 277, 212 A. 305

257 149, 173, 175

Philippos

(2)

Philippos (3)

151, 160 157

323

Namen

98 A. 269, 100 A. 275, 183 A. 202

Philochoros

Rufinus

209 A. 295 218 A. 333

Rhianos

Philokles

113f.

Philon

60

Sabaithis

117

Philoxenos

155, 196

Saon

Phoinix

226f.

Sappho

Phoxios

80 55

Sarapis

149, 161, 164, 173 218 A. 332 152f., 155, 166f., 181, 247, 248 A. 93

Phrasikleia

56f.

Selenaia

153

Phrynichos

251f.

Semiades

Phrasierides

Phyloto

Seneca

59 A. 130 6 A. 15

Pindar

Simias v. Rhodos

108, 112, 124 A. 373

Simon

164 A. 114 42, 92f., 240, 242 Pittakos 158 46, 98, 100, 147 A. 93, Platon 164ff., 175, 234 A. 33, 242 A. 70, 245 A. 82, 246 A. 83, 254 A. 111 Platon, Komödiendichter 251 Plutarch v. Chaironeia 184 A. 206, 251 Pluton 211 100 A. 275 Polemon. Polydeukes 226 Polydoros 248 A. 89 40ff., 51 Polyneikes 157

Polyphem Poseidippos

v. Pella 30 A. 28, 108, 109 A. 308, 110 A. 315, 112, 114, 118, 140 A. 68, 165, 180, 191f.

Poseidon

213 A. 309, 231 A. 22

Pothos

165f.

Praxinos

103

Praxiteles

59

Prieneus

113f. u. A. 331

Prometheus

254

Protomachos

115 239 164 A. 114 169 A. 137, 236 210 58f. 158

Ptolemaios I.

Ptolemaios II. Ptolemaios III.

Ptolemaios (4) Pygmas Pylades

Skelmis

153 3, 36 A. 49, 69, 93, 97ff., 178f., 184 A. 206, 186 A. 211, 226ff., 256 155, 193, 195 231

Smikros

190f.

Smikythos

78 A. 197 45, 101 A. 283, 164 A. 118 219 A. 336

Simonides

Simos

Sokrates

Solon Sophillos

112f.

Sophokles

83 A. 211, 112f., 124 A. 373, 249 A. 96 149, 201f., 222 238f., 241 A. 66, 259 87

Sopolis Sosibios Spudokrates

Telemachos

87

Telephanes

67

Teleson

Tellos

90f. 190 A. 228

Tetichos

63ff.

Teukros

252

Thales

155, 162, 250, 251 A. 98

Theaitetos

153 45 84 219 A. 336 90f.

Themistokles Theogeiton

Theognis

Theoites

324

Register

Theokrit v. Syrakus 96, 109 A. 309, 117 A. Theokritos

(2)

Theris Thersis Thrason Thukleides

Thymochos

344, 205 A. 280 157 149, 191f., 203, 215, 235 118 66

91 84

Tyrtaios

Vison Xanthippe

81

74

Xerxes

45

Timarchos

149, 173ff., 213

75

Zenodot

Timodemos

153 187

Zeus

Timon Timonoe

Timotheos

148, 179, 192, 208ff., 215, 237 138f. A. 57, 149, 202ff., 206, 208 A. 292, 220 202f.

234 A. 33 232

Xenvares

Timarete

Timokles

129 A. 10 59

Vergil

Xenophanes

v.Tauromenion 183

Timaios

Timandre

41 140 A. 67

Typhon

v. Ephesos 209 A. 295 4, 41, 56 A. 117, 74, 93 A. 249, 156f., 194 A. 243, 197, 200, 215f., 226f., 240, 247, 254, 256ff.

]kleides [–

59

4. BEGRIFFE Abbruchsformel 16, 242

/ἄ δ ικ ο ς219 u. A. 336 ῖν ικ ε ἀ δ Aitiologie, aitiologisch

4, 198, 225, 231,

251, 255f., 259 Aition 153, 227 A. 9, 230,

231 A. 24, 249,

255

/ Alltagsnähe 10, 22, 35, 42, 47, 52, 109 A. 307, 127, 195, 223 anonymous (first person) mourner 77, 78 A. 197, 81, 119, 124, 128, 148ff., 185, 201f., 223, 260 Alltagskommunikation

Anrede

/ Apostrophe

– , an dasHaupt 79 – , an dasPublikum 187 A. 215, 241ff., 247 – , an denBetrachter 47 A. 84, 65 A. 157, 80, 155, 159, 180ff.

, an den Leser 104, 151, 159, 171 A. 148, – 172, 175, 178, 180, 185, 249

– , an den Toten / an Unbelebtes 79f., 90, 111, 149, 207 A. 289, 221 A. 343, 237 A. 48, 249

– , andenWanderer / Passanten 21, 37 A. 58, 38, 65, 102, 106, 125, 147ff., 159, 170ff., 212, 249, 256 , an den ξ έ ν ο ς 151, 207, 256 A. 116 – – , andie Stimme desSteins 85 , anein ‘Du’80 A. 205, 232 – – , anein Werk 153 – , an eine Gottheit 153, 155f., 196, 215f., 227, 231ff., 255 – , an Gegenstände 200, 254ff. – , an Symposiasten / Freunde 147, 156, 158, 258

– , anTrauernde 151 – , extended apostrophe 140 A. 67

325

Begriffe

– , Formen / Strukturen der 4, 33 A. 38, 35,

56, 58, 63, 68, 75f., 124, 127, 176 A. 172, 183 A. 203, 208, 226, 239, 259 – , häufiger Gebrauch bei Kallimachos 140 A. 67, 146, 159, 236 – , Kreuzung / Kombination von Anredeformen232 Anthologie 33, 36, 96, 101, 129, s. auch Epigrammsammlung

Antizipation

/ Präfiguration / Vorwegnahme

8, 19, 21, 44f., 47, 51f., 63, 67, 73, 75, 84, 114 A. 330, 115, 142, 156, 161, 175, 182f., 242, 257, 261 Antwort / Antworten 7, 9, 13, 76, 86, 127, 141 A. 20, 145, 156, 169, 173, 204, 207ff., 215, 229ff., 242, 255, 260 Apfel 233f.

8, 21, 23, 32f., 42, 52, 56f., 63ff., 73, 76f., 80, 94, 106, 108, 118f., 148, 152, 198, 230, 237, 243, 261f.

Appell

Appellstruktur 8ff., 13, 15f., 22, 35f.,

47,

52ff., 58, 67f., 101, 108, 127, 141, 159, 224, s. auch Epigramm: Appellstruktur,

A. 82, 147, 156, 188,

208, 218ff. / performance 5, 25ff., 31, 35f., 47f., 96, 112 A. 323, 137, 139, 140 A. 65, 142, 144f., 158, 239f., 244

Aufführung

Autor

– , abwesend 20, 29, 53, 71 A. 176 – , als Frager 4f., 230 – , anonym 13, 82, 112, 260 – , Autorbewußtsein 14, 25 – , Autor-Leser-Beziehung 7f., 12, 20, 23, 29, 88, 109, 123ff., 141ff., 242 – , empirischer / realer 13, 22, 38, 109 – , fiktiver 13, 203 – , für sein Werk verantwortlich 26, 38, 98ff., 107, 124ff., 138ff.

– , Rolle des4, 12, 16, 22, 109, 174 – , vomSprecher zumAutor 20ff., 26, 246 / Unterweisung 15, 26, 45f., 86, 161, 172f., 185, 223, 248 A. 93, s. auch

Belehrung

Moral, Wissen

s. Sehen Betrachter 11, 16f., 21, 37, 45ff., 50ff., 63, 66f., 71ff., 77ff., 102, 112 A. 327, 137, 146f., 152ff., 180ff., 200ff., 230ff., 237 A. 48, 249ff., 260f. – , Einbeziehung des 117ff. – , mit Leser vergleichbar 11, 184f. Betrachten,

Bild / Statue – , Ähnlichkeit mit demDargestellten 118ff., 232

– , als lebendig erscheinend 41, 71f., 88 A. 228, 137 u. A. 53, 169, 184, 231, 257 – , Bild und Epigramm 4, 11, 21, 37ff., 57f., 121ff., 133 A. 28 , Bild undSchrift 39ff., 44f., 47, 117f., 121 – – , scheinbar sprechend 72, 74f., 163 A. 111, 187, 230ff., 251ff., 255ff.

– , Spiegelbild 184f. – , Verhältnis zum Betrachter 11 u. A. 28, 184f.

– , s. auch Kunstwerk,

Rezeptionsästhetik audible thought 143

Bericht 13f., 68, 76, 146ff., 159ff., 186, 193, 207, 221, 225, 235ff., 255ff.

Personifizierung

Bildung 47, 95, 107f., 110ff., 124, 165, 201,

231 Bote 39ff., 46, 85, 93, 102, 103 A. 291, 115, 148f., 160 A. 96, 178f., 197, 221f. Brief 38f., 42f., 116 Buchepigramm,

s. Epigramm

Bukolik 110

ε , s. Gruß χ α ῖρ Defekt

ambeschriebenen

Gegenstand 184,

189, 195, 200, 230, 252, 257 A. 118, 262 Deixis, deiktisch 11, 15ff., 20f., 50, 54, 58ff.,

72, 74, 93, 101, 114, 117, 137, 159, 212 – , amPhantasma 18f., 21, 142 – , s. auch Sprechakt: Zeigfeld, Zeichen Denken

/ Gedankenbewegung

– , im Epigramm 54, 66f., 70, 75, 78, 81, 83 A. 212, 92, 109, 115, 118, 121f., 146f., 187, 190, 196f., 202, 213, 214 A. 314, 218, 221 A. 341, 222ff., 230, 262

326

– , in anderen

Register Gedichten

des Kallimachos

235, 241ff. Denkmal

– , als Metapher 92 – , als sprechend dargestellt 18, 60, 70f., 74, 76f., 85, 102, 109, 111, 149, 178f., 181, 189, 198f., 201 – , als Wegweiser 46, 89 – , als Zeiger 58, 80

– , Autorität / Sprecherrolle in Frage

gestellt 186f., 197ff., 261 – , Dialog mit dem Leser 76, 84, 115, 206ff.,

260

– , Funktionen des 46, 55, 74, 121, 137, 187 – , nicht lebendig 57, 70 – , Zerstörung des 21, 226f. –, s. μ ν ῆ μ α ,σ ῆ μ α

/ Steinepigramm – , als Spiegel der literarischen Entwicklung Denkmalepigramm

108, 110ff.

– , literarisch überarbeitet 100, 120 A. 359, vgl. 69 A. 171 – , rhetorisch-logische Schwäche 262 – , unfreiwillig komisch 259

– , s. auchEpigramm: δ ε ξ ίω σ ις87

Grab-/Weihepigramm

181, 185, 200, 206ff., 223f., 229ff., 237, 242, 245, 255, 259f. – , der Seele mit sich selbst 147

– , extended dialogue 140 A. 104 – , im Drama 13ff., 77

– , imWeihepigramm

217ff., 226ff., 245ff.

– , im Epigramm 38, 109 A. 309, 110ff., 128, 140, 171ff., 195ff., 206 – , undPublikum 26ff., 134 A. 42, 217, 242 Dichtung, pragmatische Aspekte der 26f. Dichtungstheorie, antike 26, 37 A. 59, 114, 125 A. 376, 171, 191 A. 235, 193, 196 A. 251, 198, 200 A. 263, 204, 214 A. 317, 235, 245f. Dipylonkanne 48f., 51 Dithyrambos 37 A. 55, 97 A. 259 Dokimasie 94 A. 252 Drama / dramatische Form , Komödie 42, 132 A. 25, 154, 182ff., 195, – 208, 225, 231 A. 22, 237, 241, 249, 251f., 258, 262 , Tragödie 37, 39ff., 79 A. 202, 81 A. 206, – 82, 83 A. 211, 89 A. 230, 91 A. 239, 96f., 105, 112, 193ff., 245, 249 A. 96 – , undEpigramm 13, 83, 85, 87, 95, 97, 101, 105, 178 A. 176, 204

– , vonLesern geschätzt 96 – , s. auch Dialog, Sprechdrama Dramatisierung, 7f., 13, 37, 81, 85, 142f.,

Dialog 5ff., 13, 37, 56, 68, 70 A. 174, 71 A. 176, 76f., 83ff., 142, 145ff., 159, 174f.,

unüblich

215

, informativ 83f., 149, 153, 159, 175 – – , komischer 208

, mit Gottheit 181, 214ff., 229ff., 252 – – , mit Statuen 71 A. 178, 83f., 229ff., 241, 251ff., 259 – , vermittelnde Funktion 13ff. – , zwischen Angehörigen 86f., 223

– , s. Denkmal, Lesen: alsDialog Diatribe 213f.,

Dichter

– , als Sprecher 109, 114, 119ff., 126, 141 A. 72, 145, 147ff., 159, 174, 195f., 198,

248 A. 93

159, 179, 202 A. 269, 243, 255, s. auch

Dialog, Sprechakt Dramentheorie

13

ῥ ἠῥ α86, 122, 211 A. 299, 220 α/ ἠ Ekphrasis 61, 66 A. 158, 118, 137, 147, 169,

210, 255, 258 Elegie 2ff., 109, 124f. A. 374 – , elegischer Stil des Kallimachos 140 A. 67,

225 A. 1 – , elegisches Versmaß 30, 46f., 108, 144, 233 – , enkomiastische 140 A. 66 – , erotische 2f., 234 , Themen der 4, 130, 219 A. 336 – – , threnodische 78f. A. 198, 97, 109 – , und Epigramm 28 A. 16, 35, 77, 97ff., 101, 109 A. 310, 114, 132, 140, 168 A. 136, 179 A. 181, 192, 202f., 225ff.

327

Begriffe Enkomion 28, 110, 140 238, s. Elegie, Lob

A. 66, 225 A. 4,

ἐ π ειπ ε ῖν167

ἐ π ε σ ϑ μ ισ ινὁρᾶ ν ο α έ σ ι163f. σ ο Epideixis, epideiktisch

2, 100, 120 A. 360,

129, 137, 142, 147, 169, 184, 199 Epigramm (literaturgeschichtlich)

– , als Auftragsdichtung 133f., 174, 190 A. 227 – , alsἐλεγ ε ῖο ν bezeichnet 30, 46f., 98 – , als Gattung 1ff., 27ff., 33, 76, 96, 99f., 107, 125, 138f., 159, 198, 259 – , als Geschenk 50, 147 – , als Kurzbiographie 174, 190, 198, 239, 249, 255, 259, vgl. 36 A. 48 – , als Merkvers 28 – , Appellstruktur 8, 13, 35f., 53ff., 58, 68, 101ff., 127, 141, 159, 224 , auf Dichter 109, 112f., 124, 171 – – , auf kleine Gegenstände / Personen 189ff., 193, 195 – , aus Totenklage entstanden 28, 78 A. 198 – , Buchepigramm 2f., 5, 9f., 13, 22f., 32f., 36, 38, 61 A. 140, 96ff., 107ff., 116ff., 127ff., 136ff., 141f., 147, 193, 249 A. 95 , Definitionen 9, 27ff., 96f., 138 A. 57 – – , epideiktisches 2, 100, 120 A. 360, 129, 184, 199

– , erotisches / Liebes- 2f., 33, 96, 108, 114 A. 335, 125, 126 A. 379, 133, 145, 147, 156f., 159, 165f., 168, 218ff., 222f., 255,

262

– , Formtypen / Formeln 68f., 74, 77, 107, 113ff., 120, 124, 126f., 170, 216 – , Grabepigramm 2, 14, 18ff., 28, 36ff., 52ff., 65, 71, 77ff., 90ff., 96ff., 102ff., 108, 110ff., 116, 120ff., 126, 128, 146ff., 156, 160ff., 167f., 170ff., 206ff., 216, 220f., 227f., 248ff., 256, 259, 261 – , leserorientiert 9ff., 25ff., 32f., 55, 65, 71, 74, 127

– , literarisches 1ff., 10, 14f., 20ff., 32, 36, 76, 97ff., 101 A. 279 u. 281, 107ff., 124, 138, 179, 260 – , Negation / Negierung 70 A. 172, 161 A. 103, 183, 210f., vgl. 164f.

– , nicht als literarisch zu bezeichnen 10, 27 A. 10, 97 A. 259 – , nicht lyrisch 32 A. 35, 131 A. 20 – , objektbezogen 3f., 31f., 58, 131 A. 20

– , öffentlich / auf Staatsdenkmälern 37, 89,

92 A. 242, 93, 97, 101, 103, 124, 203 A. 273 –, Parallelepigramme 101, 170 A. 142 – , pragmatische Aspekte 36, 46ff., 76, 115, 168

– , Realitätsbezug 3, 76, 96f., 100f., 113, 115, 120 A. 360, 127, 132ff.,, 138f., 142f. 167, 171, 173, 202 – , sekundär inschriftlich 107 A. 303, 161 A. 102

– , sich selbst thematisierend 76, 113, 121, 124, 142, 159, 180, 187, 198f., 204, 217, 220, 231 A. 22

– , Siegerepigramm / agonistisches

Epigramm

114, 140 A. 66, 144, 155, 195f., 218 A. 328, 238ff.

– , undandere

Gattungen

23, 30, 77, 95, 107,

132, 139, 140 A. 66, 192, 217f., 225ff., 236, 244ff. –, undHomer 35 A. 43, 54, 69 A. 169

– , undProsainschrift 203 A. 271, 234 A. 36 , Weihepigramm 2, 14, 18f., 21, 55, 96, – 102f., 108, 124, 133, 137, 145f., 152ff., 162, 167ff., 172, 180ff., 189, 193ff., 214f., 223, 225f., 230, 238, 250, 259 – , s. auchDenkmalepigramm. Elegie Epigramm (Stil)

– , Alliteration 61, 82 – , Antithese 53 A. 106, 56f., 112 – , bürokratisch / förmlich 103, 217, 222 – , Deiktika 18f., 50, 54, 58ff., 72, 74, 93, 101, 114, 117, 142, 147, 212 – , Endakzentuier 64 A. 152, 81, 146

ung

, exclamatio 82f., 87, 146, 151f., 156, 249 –

– , Klangeffekte 61, 62 A. 135, 82, 161 u. A. 99, 175f. , Klimax 81, 92, 219 – , Länge / Kürze 3, 28 A. 16, 32f., 75, 114 – A. 335, 162, 167 A. 130, 168, 186 A. 209, 191ff., 196, 216, 221, 242 , Lebendigkeit 69, 76, 82, 167, 224 –

328

Register

– , löst Empfindung aus 65ff., 80ff., 146, 179 – , Pointe / Überraschung 32, 44, 122, 131, 165, 167, 181, 183f., 188, 190, 197, 211, 216, 219, 228, 230, 234, 250 , Rede in der Rede 145, 148ff., 159, 166, – 179, 182, 194, 216, 226, s. auch Sprecherrolle: Aufspaltung

/ Doppelung

– , Reim 161, 175 , Relativsatz 51, 160, 173, 227, 249 – , schlicht / lapidar 58, 160, 168, 190 – – , Tempora / Zeitstufen 48 A. 90, 50, 63, 93 A. 246, 163 , verba dicendi 74, 101ff., 145, 146 A. 91, – 155, 166, 187, 233, s. auch performative Verben

– , visuelle Effekte 5 u. A. 13, vgl. 133 A. 29 – , Wiederholung /Doppelung des Verbs 172f. , Wortspiel 61, 92, 106, 160 A. 98, 177 A. – 174, 183f., 190, 205f., 228, vgl. 82, 122 – , Zeugma 160, 163, 186 A. 209, 190 A. 229 – , s. auch Anrede, Bericht, Dialog, Monolog Epigrammbuch 5ff., 16, 96ff., 107 A. 303, 117ff., 129f., 132, 148, 172 A. 150, 223, 225 A. 3, 259, s. auch Buchepigramm

Epigrammdichter 2ff., 30f., 35, 38, 46, 63, 65, 74f., 95ff., 102, 108ff., 128 A. 3, s. auch Autor – , namentlich bekannt 96f., 117ff., 124ff.

, S chulen’2 A. 4, 107f. – ‘ Epigrammsammlung

, antik 3, 36, 96ff., 100f., 121, 128ff., 172, – s. auch Anthologie, Epigrammbuch – , modern 23, 33f., 47, 144, 172

9, 31ff., vgl. 57f. Epitaph 27 A. 9, 28 A. 14, 75, 81f., 87, 99, 109f., 121, 171, 176, 189f., 248 A. 91, 249 A. 94 Erinnern / Erinnerung 9f., 18, 45, 50, 52f., 55, 57, 58 A. 123, 62f., 65, 67, 76, 81, 92, 112, 119, 125, 171, 177, 217, 221ff., 226ff., 261 Erkennbarkeit / γ ν ω τ ὸ γ νἄ μ α α λ -Topos 117, 169f., 237 A. 48 Epigrammtheorie

Erkennen

– , als Wiedererkennung 204, 220, 255, 261

– , antike Vorstellungen 39u.A.61, 263 – , imSinne vonLesen 106, 220 Erzählen / Erzählung 1, 14, 38, 43, 47 A. 85,

93, 121 A. 362, 141 A. 72, 162, 168, 214, 226ff., 238ff., 250ff., 261, s. auch Bericht

Erzähler 4, 13ff., 25, 109, 140, 160, 168. 222, 241ff., 259

, allwissend 14, 109, 146, 198 –

– , s. auch Perspektive, Sprecher, Stimme Erzähltheorie / Narratologie 4, 14 fictus interlocutor 213, 214 A. 314, 254 Fiktivität, s. Autor: fiktiver, Epigramm: Realitätsbezug, Hörer: fiktiver, Leser: fiktiver, Mündlichkeit: fingierte, Sprache: Fiktionsspiel, Sprechakt: fiktiver, Sprecher: fiktiver, Sprecherfiktion

Fluch 21, 82, 116 Frage / Frager 4f., 75, 148ff., 159, 174f.,

204, 206ff., 229, 236 A. 43, 257, 260ff. 7, 9, 13, 76, 83f., 87, 120, 159, 215, 229, 241, 255, 260

Frage-Antwort-Relation

Gattung,

s. Epigramm

(literaturgeschichtlich)

Gattungsmischung / generic mobility 132,

217f., 225 A. 4, 226, 245 A. 79, 246

Gebet

74 A. 189, 196, 227, 231

Gedankenbewegung,

s. Denken

74 A. 189, 102, 104, 146, 153ff., 162, 181, 183, 216

Gelübde

α ς

ω 60,167 ν

γ ρ ϑανόν έ τ

γ ν ω τ ὸ ν γ μ ἄ α λ α -Topos,

s. Erkennbarkeit

Grab

– , amMeer 55, 62 A. 142 – , am Weg62, 64, 67 – , Bezeichnungen 91 A. 239, 226 A. 7 , Erde 59f., 119, 179 – – , Grabschändung 21, 44, 226f. – , Grabschmuck, Blumen 58, 61, 85, 119, 170, 210 – , ohne Inschrift 123 – , s. Grabepigramm, μ μ ν ῆ α μ ,σ ῆ α Grabluxus

37 A.53

Grabrede,

s. Epitaph

329

Begriffe

Gruß (χ α ῖρ ε ) 10, 21, 55, 68, 75, 90f., 115, 148ff., 180, 205, 210, 232 A. 25, 236 A.

42, s. auch Anrede

Hadesbraut

56f.

Hören

– , als Rezipieren / Verstehen 41ff., 75 A. 191, 94, 105, 242, 253

– , antike

Vorstellungen

6

– , Betonung des 139 A. 61 – , Einheit vonSprechen undHören 9 – , Freude am 58 – , Nichthören 168 – , vonRezitationen 193ff. – , Vorrang vordemSehen 5 A. 13 – , s. auch Lärm, Rezeption Hörer

– , aktiver 4 – , als dringend interessiert dargestellt 257 – , als privilegierter Mitwisser dargestellt 243 – , empirischer 13 – , fiktiver 13, 241ff.

– , metaphorisch fürLeser 7 – , vomHörer zumLeser 20ff., 35 – , vonRezitationen 138ff., 190 A. 231, 194 Hörergruppe 5f., 25ff., 37 A. 51, 241f. Hörerrolle 252 Humor 51, 196, 241, 249, 263

– , Ehreninschriften 3, 109 A. 308, 163 A. 113, 232 A. 28 – , Felsinschriften 45, 48 A. 128, 118 A. 348 – , Fluchinschriften 21, 116 , Grabinschriften 2, 7, 10, 18f., 28, 35f, – 54ff., 68, 70, 73ff., 90ff., 103ff., 110ff.,

115ff., s.auchEpigramm: Grabepigramm – , in literarischen Texten 97f.

– , in Sprechakt zurückübersetzt 168 – , Inschriftenkritik 110ff. – , καλ ό ς -Inschriften 50, 233ff. mit A. 39 – , Künstlerinschriften 4, 59, 66, 99, 257, vgl. auch 153, 206 , Vaseninschriften 16, 35, 47ff., 52f., 79f. – – , Weihinschriften 1, 3, 16, 21, 29f., 35f., 70, 74, 84, 96, 102f., 105 A. 300, 124, s. auch Epigramm: Weihepigramm

– , s. auchEpigramm 3, 40, 141, 164, 168, 176, 179 A. 182, 200 A. 263, 208, 211 A. 299, 241, 263

Ironie

ἱσ ϑ ά ν α ι163 Jambus

– , als Versmaß 124, 194 – , undEpigramm 209 A. 294, 244ff. Jenseitsvorstellungen 19, 52f. u. A. 108, 146,

149, 151, 165, 174, 176, 211ff., 214, 248 κ ε ϑ α ι162 mit A. 105 ῖσ Kenotaph 149f., 186f., 196, 201, 203, 212,

‘Ich’als Zeigwort 18ff., 71 A. 176 Ich-Du-Relation 70 A. 173, 185

4, 14ff., 28 A. 15, 50 A. 100, 65 A. 157, 68ff., 102, 105 A. 300, 149ff., 159, 177f., 185ff., 225ff., 234ff.

Ich-Rede

Innerlichkeit / Verinnerlichung 37 A. 57, 67,

91 A. 239, 147

Inschriften

– , als lokostatische Texte 19 A. 68, 52, 100 – , als Teil einer Handlung 43, 45 – , Anbringungsort 36 A. 46 – , Beischrift 39ff., 44, 58, 85, 184 – , Besitzerinschriften 51 – , Editionen 23, 34

222

ρ ύ σ η σ ε ιν102 A. 288, 103, 146 A. 91, κ 186ff.,

201

κ λ έ ο ς , s. Ruhm Kommunikation

– , antike Vorstellungen 6ff., 29, 206 – , durch Inschriften 2, 7, 27, 37, 41ff., 52, 72, 76, 113 – , Fehlschlagen der 116, 208 – , im Epigramm thematisiert 85, 113, 188 A. 216, 198, 203f., 250ff. – , indirekt / vermittelt 102, 243 A. 73, 261 – , indirekte Direktheit 21, 167 A. 131 – , literarische 12, 23

330

Register

– , schriftliche 17 A. 60, 41ff., 52, 235, 261 – , Verschriftlichung 20ff., 7, 29, 47 – , s. auch Mündlichkeit Kommunikationsfunktion / kommunikative Funktion 13, 15f., 68, 74, 76, 102, 159,

180

/ -hindernisse

Kommunikationsprobleme

180, 197 A. 255, 204 A. 274 Kommunikationssituation

6f., 71

– , vomAutor erinnert 221f. – , vomAutor imaginiert / fingiert 53, 58, 77, 144, 220f., 261 – , vomLeser inszeniert 6 A. 16 Kommunikationssystem 13f.,

Komödie,

243 A. 73, 261

s. Drama

66, 85, 117f., 153, 155, 163 A. 111, 169, 184, 194 A. 244, 230ff., 257,

Kunstwerk

257 – , sprachliches 97f. Lärm / Tönen 40ff., 114 A. 330, 195, 219 A. 337, 254 A. 111 Landmarke,

s. Wegweiser

Leerstellen 11, 15f., 45, s. auch Rezeptionsästhetik

η221f. λ έ σ χ Lesen / Lektüre

– , Akt des Lesens 5ff., 10ff., 41f., 75, 86, 115ff., 137, 149, 162, 185, 202ff., 235, 262 – , als Aktualisierung 19, 36 – , als Dialog 5, 7f., 13ff., 56, 71 A. 176 u. 178, 76ff., 83ff., 142, 159, 185, 200, 206ff., 224 – , als Vertrag 1 A. 1, 22 – , Anleitung zumLesen 124 – , antike Vorstellungen 6f., 38ff., 203f. – , einsames / privates 6, 116, 143 – , Freiwilligkeit 12, 35f.

– , gemeinsames Lesen 76, 86 A. 223, 120f. – , lautes 6, 42 A. 70, 51, 75f., 85 A. 217, 116 , leises 5, 109, 115f., 234 –

– , Leseerfahrung 1, 5ff., 22, 45, 105, 142, 243, 263 – , Lesehindernisse 63, 67, 120 A. 357, 204, 208, 210 – , Lesekultur / literarische Kultur 35, 112, 138, 139 A. 60 – , Lesevergnügen 96, 116, 121, 184, 263

– , metaphorisch 220 – , unmittelbare Auswirkung 20f., 39, 42, 47, 51, 165ff.

– , Vorlesen 6f., 75, 96 Leser

– , abwesend 20, 29, 35, 42, 53, 86, 147 , aktiver 4, 6, 9ff., 45, 102, 117, 119, 121, – 174f., 203, 231, 243 – , als Frager dargestellt 5, 84, 87, 102, 151, 208, 261 – , als Hörer dargestellt 6f., 41ff., 242f.

, als Projektionsfläche des Autors 123 – – , als wißbegierig dargestellt 202, 261 – , als Zeuge 76, 180f. – , antike Leserpsychologie 6f., 67, 203f. – , Beschimpfung / Verspottung des 123, 146, 148, 180, 209ff., 248 A. 93 – , Buchleser 5f., 140f., 208 – , Einbeziehung des 9ff., 18, 22, 45, 65, 73, 77, 87, 101, 159, 179, 256f. – , einsamer 116 – , empirischer / realer 12f., 19, 78, 86, 115, 120, 127, 184, 203, 231 , fiktiver 12f., 23, 106, 118, 120, 123ff., – 143, 175, 177, 184, 203, 260, s. auch Leserrolle

– , Frauen als Leserinnen 65 u. A. 156, 67, 79f. , Freiheit des 12 A. 37 – – , gebildeter 22, 46, 97, 108 A. 137, 110, 135, 143, 165, 175, 240, 243, 261 , idealer 12f., 93, 123, 147, 204 – – , impliziter 12, 79, 83, 108, 120, 123, 127, 180, 263 – , intellektueller 85, 88, 118f., 121ff., 184, 203ff., 217, 223

331

Begriffe

– , Lesererwartung 9, 22, 31, 38, 94f., 124ff., 134, 161f., 165, 209, s. auch Rezeptionsgewohnheiten

– , Lesergruppe 21, 63f., 83, 89, 94, 134ff., 172, 187 A. 215, 203, 256 – , Leserlenkung 10ff., 15f., 20, 142, 171, 183 – , Leserrolle 7 A. 18, 11ff., 77ff., 87, 96, 107, 109, 115ff., 120ff., 184ff., 201ff., 211, 216, 230, 261, s. auchfiktiver Leser

– , Lesertypologie 12 – , Manipulation / Beeinflussung 16, 43f., 47, 65, 88, 107, 128, 181, 184, 234 – , Nichtleser 116 – , vomHörer zumLeser 20, 22 – , wissend / informiert 45, 95, 109, 177, 223, 243 Liebe 51, 67, 86f., 126, 130, 156ff., 165, 168, 182, 217ff., 233ff., 255 Lieblingsinschriften, s. Inschriften: κ α λ ό ς Inschriften Literarisierung 13, 16, 20, 28 A. 15, 30, 61,

76, 97, 101, 107, 127, 138, 224 Lob / Preis 49, 51, 59, 66, 78, 80, 83, 87, 91, 102, 110f., 118, 140 A. 65, 148, 150ff., 169f., 177, 181, 189, 190 A. 231, 209, 215 A. 320, 224f., 227f., 238ff., 250, 257, s. auch Enkomion Magie / Zauber 28 A. 15, 51, 116 Meer,

s. Seefahrt

/ Ambivalenz 41, 126, 163, 147, 183, 190, 191 A. 236, 192, 194 A. 247, 228 – , als Merkmal vonLiteratur 22 Metapher, metaphorisch 6 A. 18, 42f., 76, 85, 102ff., 111ff., 125, 141, 184, 194, 198, 204, 206, 220 – , Boten- / Briefmetapher 42 – , Buchmetaphorik 111 A. 32 – , Lebensweg 147 Mehrdeutigkeit

– , Mysterienmetaphorik 124 – , unbewußte 72, 85, 88, 105, 141, 199 – , s. auch Schrift, Sprache, Sprechen, Stimme

47 A. 87, 58 A. 125, 60 A. 137, 70 A. 175, 90 A. 236, 129 A. 10, 130, 170, 178 A. 178, 194, 225 Mimesis, mimetisch 26, 37 A. 55, 100, 142 A. 81, 167, 244 – , imUnterschied zudiegetisch 167 – , s. auch Epigramm: Realitätsbezug Metrik 28, 30, 35,

μ ν μ ῆ α46, 55, 70, 77, 90 A. 232,

92, 101 A.

285, 159, 228

– , im Unterschied zu σ μ ῆ α57 A. 119, 58, 65 Mnemotechnik 25, 228, vgl. 239 μ μ ῶ ο ς , s. Tadel Monolog 37, 71, 82, 145ff., 162, 181, 184 A. 207, 185ff., 200ff., 221f., 231ff., 235ff.,

258, 262

– , innerer 83 Moral 37, 42, 44f., 47, 63ff., 86, 104, 123, 125 A. 375, 164, 172 A. 155, 190f., 196,

227, 242 mors immatura, s. Tod Motive in Epigrammen, s. Bote, Erkennbarkeit, Liebe, π ό ϑ ο ς , Reise, Seefahrt, Sehen, Weg, Wissen, Zeuge

Mündlichkeit 5ff., 25ff.

– , derdargestellten

Kommunikation 7f., 13, 26, 35, 41ff., 48ff., 76, 206, 235 – , der Wissensvermittlung 73 A. 187, 198

, fingierte / fiktive 8, 52, 74f., 87, 101, 145 – A. 88, 167f., 242f., 250, 261

, im Epigramm 28f., 35, 47ff., 53, 71 A. – 176, 72ff., 162 A. 104, 172 – , Inszenierung von52f., 72, 75, 77, 96, 168

, und Schriftlichkeit 22f., 47ff., 168 – Mysterien 124, 175 A. 167

Name

– , als zentrale

Botschaft des Epigramms 14, 103f., 162, vgl. 115 A. 337, 117, 202ff.

– , Auskunft verweigert 210 – , im Gegensatz zur lebenden

Person 174,

186, 201

– , inspiriert Dichter 82 – , sprechender 113, 124f., 160, 164, 177, 189f., 193, 217

332

Register

Narratologie,

– , s. auchHören, Lesen, Sehen Rezeptionsästhetik 1ff., 9ff., 57, s.

s. Erzähltheorie

Nestorbecher 48ff.,

70f.

auch

Leerstellen, Leser Rezeptionsgewohnheiten

π α ῖςκα ό λ ς50, 113 Paradoxon

Parodie 124, 125 A. 375, 137, 174 A. 161,

– , als Vorläufer 2 A. 5, 11

15 A. 47, 19, 72, 88 A. 228, 103, 105, 116, 175f., 192f., 197, 208, 223

209, 215 A. 319, 232, 237, 241, 257 A. 118 performative Verben 10, 21 A. 78, 74f. u. A. 187, 102, 105, 142, 146f. u. A. 91, 148, 152, s. auch verba dicendi Persiflage,

s. Parodie

Personalisierung 14, 37, 71f.,

141 A. 73,

147, 198, 215f., 227, 237

40, 45, 71 A. 178, 72, 93, 195, 200, 206, 230, 237, 241, 252, 257 A. 118, 262 Perspektive 14f., 159, 215, 237 – , auktorial 14f., 81, 168, 170

Personifizierung, -fikation

– , neutral 15 – , personal 14f., 37, 68, 80ff., 146, 159, 169, 185, 200, 215f., 230, 237ff., 262 π ό ϑ ο ο ϑ ε ῖν80, 86f., 105, 149, 165, 175 ς/π u. A. 168, 236 A. 42 Präfiguration, s. Antizipation Preis,

s. Lob, Enkomion

ρ π ο σ φ ϑ ϑ σ α ε ι117f. u. A. 347 γ έγ

22, 96

s. Betrachter, Hörer, Leser

Rezipient,

Rhetorik 11, 37, 43ff., 47, 161f. moderner Wirkungsästhetik

– , Rhetorikkritik 43, 47 – , undEpigramm 37, 45, 52, 67, 70, 72, 82. 98, 127, 161f., 184f., 220, 224 Ruhm

– , κλ έ ο ς36, 38, 56f., 60, 74ff., 81, 84f., 90f., 93, 102ff., 113ff., 126, 151, 153, 164 A. 114, 166 A. 126, 176f., 180, 189 A. 224, 197, 199 , des Dichters 25, 110, 124, 128, 171, 177, – 199, 227f. Schrift

– , als Bote dargestellt 39, 43, 115 , als Metapher 43, 240, 241 A. 64 – – , als Rede / Stimme dargestellt 7 A. 18, 39ff., 47, 85, 111, 113, 119f., 261 – , als stumme Rede 42f., 105, 115f. – , im Epos nicht erwähnt 25 – , positiv bewertet 42 A. 71, 49, 114 – , undBild 39ff., 45, 47, 57, 66, 117, 120 A. 356, 121

Rätsel 121f., 138 A. 54, 177, 184f., 205

Reise 89, 124f., 236, 239, 258f. Rezeption

/ Wahrnehmung

– , antike Vorstellungen 5f., 7 A. 18, 8 A. 19, 19 A. 71, 41, 42 A. 70, 209 – , Fähigkeiten im Hellenismus verfeinert 143 , fiktiver Texte 1, 8 A. 19, 36 A. 48, 120 – – , gesteuert / kontrolliert 52, 56ff., 77ff., 80f., 136, 161, 171, 181ff. dargestellt

/ inszeniert

28ff., 47ff. 56ff.,

80f., 88, 117, 142, 147, 181, 200ff. – , literarische Darstellungen von 38, 43ff.,

53f.

– , quasi-pragmatische 8 A. 19

Schriftlichkeit

– , als Merkmal des Epigramms 5, 10, 19ff.,

– , inderForschung

, ideale 123, 184 –

– , imEpigramm

– , undDichtung 5, 25ff., 133 A. 51 – , undIntrige / List 43ff., 88 – , undWissensvermittlung 206 – , Verweise auf die Funktion von 42 A. 71, 103ff., 119, vgl. 216 Schriftkultur 6 A. 16, 7, 12, 25ff., 108, 116

negativ bewertet 28f.,

136 A. 50

– , mediale / äußerliche 29, 242 – , Mißtrauen gegenüber der / Kritik an der 40f., 47, 88, 114, 235 A. 39

333

Begriffe

– , Übergänge

zwischen Mündlichkeit

und

20ff., 51ff., 168 Schrifträtsel 121

Schriftzeichen / Buchstaben 7, 16, 28, 39ff., 44f., 49, 51, 76, 86, 103, 112f., 115, 203, 234f.

– , Buchstabenmagie 28 A. 15, 51, vgl. 116 – , Buchstabenrätsel 124 , mit auditiven Signalen assoziiert 42 A. 70 –

– , übernehmen Intention desVerfassers 39 – , s. Sprechende: Buchstaben Schwur

70 A. 172, 157, 168, 230f., 233, 249,

262 Seefahrt 53ff.,

60, 149, 186f., 201, 207

Seele 60, 79f., 84, 92, 112, 147 u. A. 93, 157, 164ff., 166 A. 126, 173f., 254 A.

111

/ Schauen 39, 41, 44, 60, 63 A. 146, 66, 78, 87, 93 A. 247, 106, 117ff., 122f., 137, 163f., 170, 184f., 197, 209, 220, 239, 253 – , Freude am 58 – , Motiv des 66 – , schauende Gegenstände 184, 187 – , visuelle Aspekte der Rezeption 105, 117, 181 – , visuelle Aspekte der Schrift / des Gegenstands 19 A. 68, 21, 58, 85, 112 A. 327, 139, 218 Sehen

– , s. auch Betrachter, Bild,

Epigramm: visu-

elle Effekte Sehraum,

s. Wahrnehmungsraum

Selbstgespräch 83 u. A. 211f., 147, 218 Selbstmord 151, 164ff.

μ ῆ σ α16f., 39f., 53f., 57f., 62, 65, 70, 73, 77, 104, 115, 149, 151, 170ff., 176ff., 180, 186 A. 208, 191, 201, 226f., s. auch μ ν μ ῆ α

– , bei Toten nicht vorhanden 19 A. 70, 72, 76 – , der Inschrift / des Steins 76, 85 A. 219, 105, 115

– , derTiere 214, 254 – , Fiktionsspiel der 18 – , Funktionen von8ff. – , metaphorisch für den Akt des Lesens 76, 105, 111f, 115 – , metaphorisch für poetischen Dialekt 245f., 254 , metaphorisch für Schrift 43, 76, 103 A. – 290, 104f., 111f. – , Sprachfähigkeit 87 A. 228, 115, 137 A. 53, 233

– , Sprachrätsel 121 – , Zeichensprache 121

– , s. Sprechen,

Sprecher, Stimme

Sprechakt / Sprechhandlung

– , als AktdesLesens inszeniert 202 – , Brief inFormeines 42f. – , dedikatorischer 167, 180, 216 – , Dissoziierung des20, 52, 67, 72 – , Dramatisierung des 159 – , Einheit des 9, 13, 20 – , epigrammatischer 21f., 29, 36ff., 56, 68ff., 78f. A. 198, 83, 115, 127, 137, 146ff., 185, 204, 207ff., 223, 233, 238ff., 258f. – , fiktiver 1 A. 2, 8, 42, 63, 77, 101 A. 281, 106, 141ff., 183, 222ff., 239 – , illokutiver Akt 10, 20f., 74 u. A. 187, 145ff., 225 – , im Epigramm thematisiert 1f., 220 – , in der Krise / in Frage gestellt 217 – , Inszenierung des 53, 72ff., 87, 96, 101ff.,

Sprache

115ff., 124, 127, 143, 159ff., 175ff., 184, 201, 222f., 250, 258ff. – , Künstlichkeit des237 – , perlokutiver Akt 10 , Origo 37 A. 58, 63 – – , phonetischer Akt 42, 105

– , Alltagssprache 10

– , Psychologisierung /

Sinngedicht 31, 38 A. 59 Spott 123, 128 A. 2, 132 A. 25, 148, 150,

183 A. 202, 199, 205, 214 A. 317, 232

– , antike 268

Vorstellungen

6 A. 17, 26, 98 u. A.

Personalisierung

182, 200

– , Verdauerung des21, 41, 51

des

334

Register

– , Verschriftlichung des 10, 20ff., 38, 48, 51f., 75 – , Zeigfeld 17ff., 41, 63, 142 – , s. Deixis, performative Verben Sprechakttheorie 8ff., 10 A. 26, 74 A. 187 Sprechdrama

18,72

Sprechen

– , als unbewußte Metapher 72, 85, 105, 141 – , bei leblosen Sprechern 14f., 18f., 71, 76, 88 A. 228, 115 –durch Symbole 122f. – , gleichbedeutend mit ‘leben’ 171 A. 149 – , nurLebenden möglich 76 – , ohne Stimme 105, 123, 184 Sprechende / Sprachbegabte ή85 A. 218 ,α λ ὖ – – , Bäume 253f. u. A. 106 – , Buchstaben 6, 44ff., 188, 261 – , Bücher 112 A. 324, 199f. – , Daimon (heroisierter Toter) 85 A. 219 – , Denkmäler 60, 70, 81 A. 206, 85 u. A. 218, 109, 111, 149, 181, 185, 261 –Gegenstände 1, 7, 45 A. 80, 70ff., 85, 141,

155, 184, 197f., 204, 230, 233f., 250ff., 260ff.

– , Grabinhaber / Verstorbene 19, 37 A. 58, 71, 105, 177, 209, 248ff., s. auch Tod , Grabmäler 171, 174, 186 –

– , Hermen 251ff. – , Inschriften 113, 149, 223, 234f. 247

– , Kolumnen 112 , Löwe 85 A. 219 –

– , Menschen als sprechende

Gegenstände 254 – , Sphinx 69 – , Statuen / Bildwerke 1, 4, 7, 22, 72, 75, 162f., 163 A. 111, 197f., 225, 230, 253f. , Steine 20, 71 A. 178, 85f., 105, 188, 225 – A. 2 – , Stimme 93 , Tafel 142 A. 79 – , Tiere 72, 254 –

Sprecher

– , abwesend 18f., 44

– , als wißbegierig dargestellt 202 – , auktorialer 166, 187 , Autorität des 104, 223, 231 A. 22 – – , fiktiver 12ff., 20, 68, 127, 141ff., 170, 179, 185, 192f., 196ff., 206, 223, 226 – ,fictional delegate des Autors 248 – , nicht mit Kallimachos gleichzusetzen 202

, personaler 71, 104, 109, 167, 179, 197f., – 220, 230 – , scheinbare Individualität des 1ff., 69ff. u. A. 176, 74 – , sprachloser 262 – , Sprecherwechsel 84, 86f., 239, 261 – , Sympathie mitdem 184, 200 – , textinterner 1, 7f., 37, 141, 173, 217, 235 – , trägt Züge des Autors 119ff., 140 A. 67, 243 A. 72, 253 A. 109, 262f.

– , Verhältnis zumLeser / Rezipienten 67,

75, 161, 174, 177, 181, 183, 217, 242 – , wissend / informiert 102, 146 A. 89, 159, 185, 187, 198, 212, 223, 228, 231, 241 A. 66, 242 A. 68, 248, 250, 257 A. 119, 262 – , zuerraten 184 – , s. auch Dichter, Sprechende / Sprachbegabte, Sprecherrolle

Sprecherfiktion 14, 141, 199 A. 260, 223,

237, 240, 250

37 A. 58, 47, 130, 137, 143 A. 82, 159, 168, 182, 192ff., 225ff., 243ff. – , Aufspaltung / Doppelung 192f., 195, vgl. Sprecherrolle 20ff.,

103f.

– , besonders betont 1f., 4, 185, 198 – , Einheit 237 – , Funktion 180, 187, 197f., 241

– , kontaminiert / kombiniert 195, 203, 217, 260 – , Neudefinition 206ff.

– , Personalisierung / personalisiert 185, 187, 198, 211, 215ff., 223, 237ff., 250ff., 262 – , Problematisierung 186, 197ff., 261 – , Psychologisierung 217, 220ff., 241, 261

, Spiel mit der 182, 199, 234 –

335

Begriffe

/ Sentenz 156, 168, 183, 186, 187 A. 214, 201, 249 Stimme (Person des Erzählers) 14ff., 68f., 78f., 87, 102ff., 109, 120ff., 141 A. 72 – , als Strukturprinzip bei Kallimachos 130, 141 A. 72 – , stark hervortretend 140f., 231 A. 22 – , s. auchBericht, Erzähler, Ich-Rede Sprichwort

Stimme (Laut)

42, 47, 54, 79, 115f., 184,

232, 234f. , antike Vorstellungen 6 A. 17, 20 A. 70 – – , innere 44, 156 – , metaphorisch für poetischen Dialekt 254 – , metaphorisch für Schrift 47, 54, 76, 84f., 103ff., 114 A. 330, 184, 235, 261

– , s. Hören,

Sprache, Sprechen, Sprechende Sprachbegabte, Sprecher

Symposion

/

/ Gelage

– , sympotische Dichtung 50, 97, 108f. – , und Epigramm 3, 29 A. 20, 31 A. 29, 50ff., 69, 100f., 108f., 114, 120f., 125f, 130ff., 140 A. 69, 144f., 157, 171, 221 A. 341, 255 Tadel (μ μ ο ῶ ) 80 A. 205, 81, 90, 177 A. ς

174, 214

Variation 33, 56, 68, 74, 85, 100 A. 276, 160, 175, 178 A. 177, 180f., 187, 202 A.

268, 260 verba dicendi,

s. Epigramm (Stil) s. Innerlichkeit

Verinnerlichung, Vorwegnahme,

s. Antizipation

Wahrnehmungsfeld / -raum 17 A. 60, 18, 21, s. auch Sprechakt, Zeigfeld

Weg 55, 59, 61, 63ff., 67, 104, 110, 124, 147, 175, 177ff., 201 Wegweiser 17,

46, 56, 62 A. 142, 89, 175,

vgl. 104 Wissen

– , Darstellung der Wissenstradierung 5 A. 13, 74 A. 187, 86, 159, 206, 213 A. 313 – , Darstellung von Wissensdrang 174f., 204. 208 – , im Sinne von Bildung 111 – , Leitmotiv bei Kallimachos 172, 176f., 214, 217 – Nichtwissen 1f., 14, 197f. – , Reflexion über Bedingungen des 214, 217. 262f.

–, ‘Wisse ...’ als Anredeform 89, 151, 155. 172 A. 154, 175f., 216

η85 A. 219, 256 τ έ χ ν Tod – , auf dem Meer 55, 60, 206f. – , in der Fremde 14, 80, 180, 206f., 221 – , ultima verba 166

– , Wissensvermehrung

– , vorzeitiger / mors immatura 56 A. 115, 73, 79, 110, 149, 151 , s. auch Jenseitsvorstellungen –

Zeichen, 8, 14, 17f., 39ff., 54, 58 A. 124, 105, 121, 204f., 220, s. auch Deixis, Schriftzeichen, Wegweiser

Tragödie,

s. Drama

Überraschung,

s. Pointe

Unterweisung,

s. Belehrung

Unvergänglichkeit 69, 111f., 151,

Ruhm

durch Lesen

5, 263

ς62, 64, 75, 81, 83, 86, 89, 102, 119, ο ν έ ξ 151, 180. 182, 191, 206f., 238, 252, 256

Zeiger, Zeigerfunktion,

s. Deixis

Zeit (Personifikation) 93, 113 Zeitstufen

/ zeitliche Logik 84, 147,

149ff.,

163, 181, 194

s. auch

/ Zeugnis 76, 94f., 101, 113f., 154f., 180ff., 197f., 216f., 241, 251

Zeuge

HERMES-EINZELSCHRIFTEN Herausgegeben

vonSiegmar Döpp, Karl-Joachim Hölkeskamp, Wolfgang Kullmann

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flavische Geschichtsbild. 2. Aufl. 1961. VIII, 105 S., kt. 0231-6 Josef-Hans Kühn: System- und Methodenprobleme im Corpus Hippocraticum (vergriffen) 0232-4 Walter Schmid: Über dieklassische Theorie und Praxis des antiken Prosarhyth0233-2 mus. (vergriffen) Winfried Bühler: Die Europa des Moschos. Text, Übersetzung undKommentar. 0234-0 1960. VII, 247 S., kt. Wolfgang Kullmann: Die Quellen der Ilias (Troischer Sagenkreis). 1960. XIV, 407 0235-9 S., kt. Hermann Tränkle: Die Sprachkunst des Properz und die Tradition der lateinischen Dichtersprache. 1960. VII, 190S., kt.

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85. Markus Altmeyer: Unzeitgemäßes Denken bei Sophokles. 2001. 330 S., kt 7963-7

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93. Doris Meyer: Inszeniertes Lesevergnügen. Dasinschriftliche Epigramm undseine Rezeption beiKallimachos. 2005. XI, 335S., kt.

8660-9

FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART ISSN 0341-0064

Griechische Denkmalepigramme oder Versinschriften sind die älteste Literatur des Abendlandes, die zu Lesern spricht. Ihre Nähe zur Alltagskommunikation und zur historischen Realität inspirierte auch die fiktionale Literatur des Hellenismus, insbesondere den alexandrinischen Dichtergelehrten Kallimachos, dessen epigramma tisches Werk hier im Zusammenhang einer Kulturgeschichte des Lesens interpretiert wird.

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ISBN 3-515-08660-9

9 783515 086608