Instrumentelle Lackanalytik: 2., überarbeitete Auflage 9783748600404

Oberflächenbeschichtungen sollen schützen und dekorieren - doch woher kommen dabei Beschichtungsfehler, wie Benetzungs-

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German Pages 178 [180] Year 2019

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Instrumentelle Lackanalytik: 2., überarbeitete Auflage
 9783748600404

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Roger Dietrich

Instrumentelle Lackanalytik Das Lehrbuch für Ausbildung und Praxis 2., vollständig überarbeitete Auflage

Umschlagsbild: FSEID, Adobe Stock

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Roger Dietrich Instrumentelle Lackanalytik, 2. vollständig überarbeitete Auflage Hannover: Vincentz Network, 2019 Farbe und Lack Bibliothek ISBN 978-3-74860-040-4 © 2019 Vincentz Network GmbH & Co. KG, Hannover Vincentz Network, Postfach 6247, 30062 Hannover, Germany Das Werk einschließlich seiner Einzelbeiträge aus Abbildungen ist urheberrecht-lich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergeset-zes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmun-gen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchtnamen, Warenzeichen und Handelsnamen in die-sem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen. Das Verlagsverzeichnis schickt Ihnen gern: Vincentz Network, Plathnerstr. 4c, 30175 Hannover, Germany Tel. +49 511 9910-033, Fax +49 511 9910-029 E-mail: [email protected], www.farbeundlack.de Satz: Heidrun Herschel, Wunstorf, Germany

FARBEUNDLACK // BIBLIOTHEK

Roger Dietrich

Instrumentelle Lackanalytik Das Lehrbuch für Ausbildung und Praxis 2., vollständig überarbeitete Auflage

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Auf ein Wort Ich freue mich, dass Sie dieses Buch in die Hand genommen und aufgeschlagen haben und jetzt neugierig sind, was Sie hinter diesen Buchdeckeln erwartet. Ja, ich kann Ihnen versichern, Sie dürfen viel erwarten. Dies ist die zweite Auflage, die gegenüber der ersten mit neuen Techniken und Erfahrungen deutlich erweitert und modernisiert ist und damit spannende neue Möglichkeiten zur Untersuchung von Lacken und Beschichtungen bietet. Sicher kennen Sie die gängigen Mess- und Prüfverfahren, mit denen in jedem Lacklabor Farbe, Glanz und weitere physikalische Eigenschaften von Lack- und Farbfilmen untersucht werden. Damit lässt sich die Frage beantworten: WIE ist eine Beschichtung beschaffen? Gibt es jedoch Abweichungen von festgelegten Sollwerten, dann bleiben diese Messverfahren eine Antwort schuldig, die Frage nach dem WARUM ist das so? Diese Frage greife ich in diesem Buch auf und präsentiere eine Reihe von Messverfahren, die z. T. bereits seit Jahrzehnten existieren, jedoch erstaunlicherweise noch keinen breiten Einzug in die Lackanalytik gehalten haben. Dabei ist Potential der vorgestellten Verfahren unglaublich hoch und noch lange nicht ausgeschöpft. Die Einsatzmöglichkeiten der hier beschriebenen Verfahren wachsen mit den Anforderungen an die zu untersuchenden Proben. So ergibt sich nahezu jeden Monat eine neue Fragestellung, die mit einer Verfahrensentwicklung auf Basis der in diesem Buch vorgestellten Verfahren beantwortet werden kann. Das Buch richtet sich an eine breite Gruppe von Anwendern aus dem Lackbereich. Es soll dem Anwendungstechniker vor Ort eine Hilfestellung beim Einstieg in Problemlösungen sein, und auch dem Laborleiter Anregungen für neue Wege zur Bewältigung seiner Aufgaben geben. Ich wünsche mir, dass Sie dieses Buch als tägliches Nachschlagewerk und Handwerkszeug möglichst oft in der Hand halten und ausgiebig nutzen, um zum Beispiel nachzulesen wie Sie am schnellsten –– die Ursachen von Lackierungsfehlern aufdecken, –– Lackrohstoffe auf unerwünschte Beimengungen oder Ihre –– Lackprodukte oder lackierten Produkte auf ihre Eigenschaften hin. untersuchen. Wenn dieses Handbuch also nach kurzer Zeit mit Randnotizen auf dem Schreibtisch oder Labortisch liegt, freue ich mich auf Ihre Rückmeldung. Im praktischen Teil habe ich mich daher bemüht, die Themen so zu gliedern und aufzuarbeiten, dass sie daraus unmittelbare Handlungsvorschläge entnehmen können, wenn z.B. bei der Lackierung von Produkten Lackkrater auftreten oder Sie wissen wollen, ob und wie sich zwei Lackchargen unterscheiden. Natürlich wird das mit theoretischen Grundlagen in dem gesonderten Kapitel III unterfüttert. Die im praktischen Teil II beschriebenen Problemlösungen sollten es Ihnen idealerweise wie eine Art „Kochrezept“ ermöglichen, mit dem Buch in der Hand unmittelbar zur Tat zu schreiten um Ihre täglichen Herausforderungen anzugehen.

5

Ich verstehe dieses Buch nicht nur als Handbuch, das den derzeitigen Stand der Technik dokumentiert, sondern möchte damit zu Dialogen anregen, aus denen Verbesserungen gängiger Vorgehensweisen und vielleicht sogar neue Entwicklungen erwachsen können. Für Anregungen und Kommentare bin ich daher jederzeit offen und hoffe auf zahlreiche Rückmeldungen, die ich gerne aufgreifen und so schnell wie möglich beantworten werde. Dr. Roger Dietrich [email protected] Osnabrück, August 2018

Inhalt

Inhalt Teil I Allgemeines zur Lackanalytik  1 2

 13

Oberfläche – eine Begriffsdefinition   13  15 Bedeutung moderner Analyseverfahren für die Lackanalytik  

Teil II L ackanalytik in der Anwendung: Der Weg der Erkenntnis 

 17

1

 18 Untersuchung von Lackierungsfehlern   18 1.1 Vom Problem zur Lösung   25 1.2 Untersuchung von Haftungsstörungen   28 1.2.1 Enthaftung durch Substratverunreinigungen  31 1.2.2 Enthaftung durch Migrationsvorgänge   33 1.2.3 Enthaftung durch Delamination 1.2.4 Enthaftung durch Mischungs-, Vernetzungs- und Trocknungsfehler   35  37 1.2.5 Enthaftung durch Applikationsfehler   37 1.2.6 Enthaftung durch falsche Vorbehandlung  1.3 Untersuchung von Kraterbildung und Benetzungsstörungen   40  43 1.3.1 Krater durch Kontaminationen im Lacksystem   45 1.3.2 Krater und Nadelstiche durch Substratverunreinigungen   46 1.3.3 Krater durch Anreicherung von Lackkomponenten   49 1.3.4 Krater durch Luftverunreinigungen   51 1.4 Untersuchung von Blasenbildung  1.5 Verfärbungen, Flecken, Ablagerungen und Schleierbildung auf  53 lackierten Oberflächen    55 1.6 Stippenbildung   61 Bewertung von Messdaten  1.7  61 1.7.1 Auf einem Auge blind   63 1.7.2 Hammer oder Rohrzange   64 1.8 Umsetzung in den Prozess 

2

Rohstoffkontrolle  2.1 Bindemittel 2.1.1 Identitätskontrolle  2.1.2 Nachweis von Spurenverunreinigungen  2.2 Lösemittel  2.3 Pigmente und Füllstoffe 

 67  67  68  70  72  75

7

Inhalt 3

Produktionskontrolle  3.1 Prozessbegleitende Kontrolle bei der Lackherstellung  3.1.1 Untersuchung von Siebrückständen  3.1.2 Fogging-Untersuchungen  3.1.3 Untersuchung von Fertig- und Halbfertigprodukten  3.2 Prozessanalyse in Lackierprozessen  3.2.1 Aerosolanalysen  3.2.2 Betriebsversuche  3.2.3 Beprobung der Lackierluft  3.2.4 Untersuchung von Vorbehandlungsschritten  3.2.5 Untersuchung des Vernetzungsgrad von 2K-Lacken  3.2.6 Untersuchung der Verteilung von Lackadditiven in Mehrschichtsystemen

 78  78  79  85  86  89  92  92  94  95  96  98 

4 Literatur 

 100

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik  

 101

1 2 3

 llgemeine Prinzipien für Analyseverfahren  A Apparative Grundlagen  Headspace-GC-MS  3.1 Headspace  3.2 GC-Trennung  Detektion über Massenspektrometer  3.3

 101  105  105  106  107  108

4 5 6

Lichtmikroskopie  Fluoreszenzmikroskopie  Infrarot-Spektroskopie  6.1 Physikalische Grundlage  6.2 Charakteristische Absorptionen  Apparativer Aufbau  6.3 6.4 Probenpräparation  6.5 Spektrendarstellung  Quantifizierung  6.6

 110  113  113  114  115  117  117  118  119

7

Oberflächen-Infrarot-Spektroskopie  7.1 ATR-Spektroskopie  7.1.1 Physikalische Grundlage  7.1.2 Eindringtiefe  7.1.3 Informationstiefe der Probe  7.1.4 Effektive Schichtdicke  7.1.5 Quantitative Bestimmungen  7.1.6 Nachweisgrenze  7.1.7 Apparatives  7.1.8 Auswertung und Informationsgewinnung  7.1.9 Anwendung von Datenbanken 

 119  120  121  121  123  123  123  124  125  127  127

8

Inhalt 8

Infrarot-Mikroskopie   129   130 8.1 Apparatives   131 8.2 Infrarot-Mikroskopie in Transmission   131 8.3 Infrarot-Mikroskopie in Reflexion    132 8.4 ATR-Mikroskopie   133 8.5 Linescan- und Mapping-Analyse   136 8.6 Stippenbildung als Analysenbeispiel 

9

 138 Sekundärionen-Flugzeitmassen-Spektrometrie (TOF-SIMS)   139 9.1 Physikalische Grundlagen    140 9.2 Apparativer Aufbau   140 9.3 Probenbeschaffenheit und Probenpräparation    142 9.4 Spektrenauswertung   144 9.5 Imaging Mode   145 9.6 Halbquantitative Auswertung   147 9.7 Anwendungen des TOF-SIMS-Verfahrens   147 9.7.1 Untersuchung von Bindemitteln und Lackharzen   147 9.7.2 Kontrolle der Reinheit von Rohstoffen    147 9.7.3 Strukturuntersuchungen  9.7.4 Nachweis von Nebenreaktionen bei der Bindemittelherstellung   148  149 9.7.5 Technische Daten der TOF-SIMS-Analyse 

 149 10 Rasterelektronen-Mikroskopie   149 10.1 Physikalisches Prinzip   149 10.1.1 Sekundärelektronen   151 10.1.2 Rückstreuelektronen   152 10.1.3 Charakteristische Röntgenstrahlung   153 10.1.4 Auflösungsvermögen   153 10.2 Apparativer Aufbau einer Rasterelektronen-Mikroskopie   154 10.3 Probenbeschaffenheit und Probenpräparation   155 10.4 Informationstiefe der Probe 

 156 11 Elektronenstrahl-Mikroanalyse (ESMA)   156 11.1 Physikalische Grundlage   159 11.2 Quantifizierung   160 11.3 Nachweis­grenzen    160 11.4 Zweidimensionale EDX-Analyse (Mapping)   162 11.5 Anwendungen Röntgen-Mikroanalyse 

10

Inhalt

12 Röntgenphotoelektronen-Spektroskopie   162  163 12.1 Physikalisches Prinzip    163 12.2 Informationsgewinnung   167 12.3 Apparativer Aufbau   168 12.4 Laterale Auflösung    168 12.5 Anwendungen   169 12.6 Technische Daten 

 170 13 Leistungsdaten ausgewählter Verfahren 

  171 14 Literatur 

 173 Autor 



 175 Index 

11

Oberfläche – eine Begriffsdefinition

Teil I Allgemeines zur Lackanalytik 1

Oberfläche – eine Begriffsdefinition

Der Begriff der Oberfläche ist bei Licht betrachtet sehr unpräzise. Ein Maler und Lackierer meint in der Regel etwas anderes als ein Lackchemiker oder ein Oberflächenanalytiker, wenn er von der Oberfläche spricht. Während Oberfläche für den Lackierer das ist, was er anfassen und sehen kann meint der Analytiker oftmals nur die obersten Moleküllagen eines Werkstoffes die man mit dem unbewaffneten Auge nicht mehr erkennen kann (s. Abbildung I.1). In der Tat sind es aber häufig diese sehr dünnen Bereiche, die z. B. für die Lackhaftung eine wesentliche Rolle spielen. Für die nachfolgenden Ausführungen soll daher eine verbindliche Definition festgelegt, die es ermöglicht die beschriebenen Phänomene einzuordnen. Die Oberfläche sei eine Rand- oder Grenzschicht, die ein Werkstück von dem umgebenden Medium (Luft, Gas, Flüssigkeit) sowie vom restlichen Festkörper abgrenzt. Der typische Dickenbereich reicht von 1 nm bis 1 µm. Demgegenüber ist als „dünne Schicht“ eine Beschichtung oder ein modifizierter oberflächennaher Bereich mit Schichtdicken bis 10 µm zu verstehen.

Abbildung I.1: AFM (Atomic Force Microscope) Abbildung einer Lackoberfläche in einem Ausschnitt von 60 x 60 µm

Dietrich: Instrumentelle Lackanalytik, 2. Auflage © Copyright 2019 by Vincentz Network, Hannover, Germany

13

Teil I Allgemeines zur Lackanalytik Dieser Oberfläche bzw. deren chemischer und physikalischer Beschaffenheit kommt eine wichtige Rolle zu. Betrachten wir in Gedanken einen Lohnbeschichtungsbetrieb der als Rohware Stahlbleche und Profile geliefert bekommt. Optisch erscheint das Material sauber. Es hat jedoch bis zur Anlieferung im Lackierbetrieb eine ereignisreiche Lebensgeschichte hinter sich. Von der Herstellung über Verpackung, Lagerung und Transport haben sich chemische Substanzen auf der Oberfläche niedergeschlagen die u. U. nur in wenigen Moleküllagen vorliegen. Sichtbar ist diese Verunreinigung nicht. Entscheidend für die Weiterverarbeitung ist jedoch die chemische Zusammensetzung der obersten Moleküllage des Stahls. Es gibt nämlich Trennmittel, von denen reicht eine einzige Moleküllage geschlossen auf der Oberfläche verteilt, um jegliche Haftung zu verhindern. Da diese Schichten in der Regel optisch nicht erkennbar sind, ist der Verarbeiter im wahrsten Sinne des Wortes „blind“ was die Qualität der zu beschichtenden Oberfläche betrifft. Nun kann man präventiv und pauschal der Beschichtung eine Reinigung vorschalten, um sicher zu gehen, dass derartige Verunreinigungen von den zu beschichtenden Werkstoffen verschwinden. Dafür aber muss man sie kennen. Nicht jedes Reinigungsverfahren entfernt jede Verunreinigung gleich gut. Zudem können aus unsachgemäß ausgeführten Reinigungsschritten wiederum Verunreinigungen, wie z. B. Tenside, zurückbleiben, die die Beschichtung ebenso unmöglich machen. Für die andere Seite der Beschichtung (Lack) gilt ähnliches. Nicht jeder Lack haftet auf jedem Substrat. Nicht jeder Lack ist mit sich selbst beliebig reparaturfähig. Es ergeben sich damit für den Beschichter folgende Fragen: –– Wie ist die chemische Beschaffenheit der Oberfläche meines zu beschichtenden Werkstückes? –– Was kann ich tun um diese zu beeinflussen und welche Wirkung hat das? –– Wie ist die Zusammensetzung des Lackes den ich verwende, und wie wirkt der auf die Oberfläche des zu beschichtenden Werkstückes? Diese Fragen können mit einfachen Tests oder klassischen Analysenverfahren gar nicht oder nur unbefriedigend beantwortet werden. Ausschließlich die Verfahren der Oberflächenanalytik bieten die Gewähr, dass diese Fragen umfassend beantwortet werden können. Die andere Seite der Medaille ist die Lackherstellung. Moderne Lacke, insbesondere im Automobilbereich, müssen immer mehr Anforderungen erfüllen, die zum Teil gegenläufig sind. Hier stellt sich nicht nur die Aufgabe, die einzelnen Rohstoffe und Halbfertigprodukte analytisch zu charakterisieren. Auch der Untersuchung von Wechselwirkungen einzelner Lackbestandteile mit der Oberfläche des zu beschichtenden Substrates kommt eine große Bedeutung zu. Als Beispiel sei hier die Abbildung I.2: REM-SE Aufnahme einer Phosphatierung auf Stahl (10 000-fache Vergrößerung) Lackierung von Polymerbauteilen 14

Bedeutung moderner Analyseverfahren für die Lackanalytik genannt. Der Rohstoffhersteller eines Polymers konfektioniert sein Material mit diversen Additiven, Füllstoffen und Blends in Bezug auf Anforderungen wie Entformbarkeit, Schlagzähigkeit, Lichtbeständigkeit, Temperaturfestigkeit. Auf die Lackierbarkeit wird dabei in der Regel keine Rücksicht genommen, denn das ist aus Sicht des Polymerherstellers ein „ferner“ Prozess irgendwo sehr viel später in der Verarbeitungskette und gehört normalerweise nicht in sein „Lastenheft“. Gleichwohl können Additive, die aus dem Polymer an die Oberfläche eines Polymerbauteils wandern, dort mit Lackbestandteilen wechselwirken und zu unerwünschten Nebenwirkungen, wie Benetzungsstörungen oder Enthaftungen, führen. Ein Lackhersteller muss daher das Substrat, für welches er einen Lack entwickelt, genau kennen, um die Lackeigenschaften darauf einstellen zu können. Auch die daraus entstehenden Fragestellungen können nur mit Methoden der Oberflächenanalytik gezielt beantwortet werden.

2

Bedeutung moderner Analyseverfahren für die Lackanalytik

Die Werkstoffprüfung lässt sich in zwei Gruppen einteilen: Da sind zum einen die „klassischen“ Verfahren, mit denen sog. Sekundäreigenschaften untersucht werden. Dabei handelt es sich um makroskopische Zustandsgrößen wie: –– Härte –– Benetzbarkeit –– Reibungsverhalten –– Glanz –– Festigkeit –– … Diese Größen werden durch die sog. Primäreigenschaften bestimmt. Das sind mikroskopische Zustandsgrößen wie: –– Oberflächenchemie –– Topographie –– Kristallstruktur Hierfür braucht es die Verfahren der Oberflächen- und Materialanalytik, die in diesem Buch beschrieben werden. In der Lackanalytik sind eine Vielzahl von „klassischen“ Untersuchungsverfahren eingeführt und in der Routineanwendung Stand der Technik. Das können z. B. nasschemische Verfahren oder physikalisch technische Prüfungen sein. Diese Techniken geben Auskunft über Produkteigenschaften wie Viskosität, Glanz, Haze, Härte, Säurezahl etc. Kurz gesagt, sie geben Auskunft darüber, wie das Produkt beschaffen ist und ob es die Anforderungen erfüllt, die angestrebt werden. Diese eingeführten Techniken versagen aber dann, wenn ein Produkt eben nicht die geforderten Eigenschaften hat und es zu klären gilt, warum diese Eigenschaften nicht erzielt werden. So kann bereits eine Moleküllage eines Trennmittels, wie Polydimethylsiloxan auf einer Oberfläche eine nachfolgende Beschichtung grundlegend verhindern. Absolut handelt es sich dabei aber um eine so geringe Substanzmenge, dass diese mit gängigen Labormethoden nicht erfassbar und charakterisierbar ist. 15

Teil I Allgemeines zur Lackanalytik Oder ungenügende Reinigung einer Lackieranlage kann Stippen in einer Lackschicht verursachen, die nur wenige µm dick sind. Die fehlerverursachende Substanz in einer solchen Stippe zu analysieren, ist mit Standardverfahren nicht möglich. Um jedoch eine Problemlösung herbeizuführen, ist eine exakte Bestimmung dieser Fremdsubstanz in vielen Fällen unabdingbar. In all diesen Fällen, wo das Lacklabor mit den sog. klassischen Verfahren nicht weiter kommt, setzen die Techniken an, die in diesem Buch zur Sprache kommen sollen. Sie helfen also bei der Beantwortung der Frage: Warum treten Fehlfunktionen oder unerwünschte Eigenschaften meines Produktes auf? –– Typische Untersuchungsgegenstände sind dabei z. B. –– Woraus bestehen Fremdstoffe (Kontaminationen) auf Lackoberflächen oder in Nassmustern? –– Wie ist eine Beschichtung in einer bestimmter Tiefe zusammengesetzt? –– Wie sind bestimmte chemische Substanzen miteinander verknüpft? –– Warum enthaftet eine Beschichtung und an welcher Stelle enthaftet sie? Dabei ist zu berücksichtigen, dass es für eine Fragestellung z. B. „Woraus bestehen Pickel in meiner Klarlackoberfläche?“, nicht eine Technik gibt, die in jedem Fall zum Erfolg führt. Vielmehr sind eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, um das oder die für den gegebenen Untersuchungsgegenstand beste(n) Verfahren auszuwählen. Dies sind u. a.: –– Randparameter, die zur Fehlerbildung führten –– Erscheinung des Fehlerbildes selbst –– chemische und physikalische Eigenschaften der zu untersuchenden Beschichtung –– erforderliche Nachweisempfindlichkeit –– … Auf diese und ähnliche Fragestellungen wird in diesem Buch ausführlich eingegangen.

16

Der Weg der Erkenntnis

Teil II Lackanalytik in der Anwendung: Der Weg der Erkenntnis Ein englisches Sprichwort sagt: „Furious activity is no substitute for understanding!“. Um zu verstehen, wie ein Produkt aufgebaut ist, wie es funktioniert oder, wenn es nicht funktioniert, warum das so ist, braucht man Fakten. Fakten sind objektiv belegbare Werte. Um Fakten zu erarbeiten, braucht man Messinstrumente. Auf der anderen Seite lösen Fakten keine Probleme. Dazu ist Kompetenz notwendig, die diese Fakten in den Sachzusammenhang einordnet. Dieses vorliegende Kapitel Teil II ist gedacht als eine Art Handbuch, das die Fragen beantworten soll: Was muss ich tun, wenn: –– ich wissen will welche Zusammensetzung ein Lack, ein Vorprodukt oder ein Rohstoff hat? –– ein unerwarteter Fehler auftritt? Im Folgenden werden Beispiele aus der Praxis dargestellt, die so oder ähnlich jeden Tag passieren können und Lösungswege aufgezeigt. Wichtig ist dabei, dass die im Folgenden beschriebenen Verfahren und Vorgehensweisen nicht normiert und nicht normierbar sind, sondern vielmehr immer für den Einzelfall angepasst werden müssen, so wie jeder Lackfehler ein Einzelfall ist und jedes neue Lackprodukt ein neues analytisches Problem darstellt, bei dem zwar Erfahrungen übertragen werden können, aber trotzdem Verfahrensanpassungen notwendig sind. Abbildung II.1: Blick in eine Pulverlackkabine

Dietrich: Instrumentelle Lackanalytik, 2. Auflage © Copyright 2019 by Vincentz Network, Hannover, Germany

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Teil II Lackanalytik in der Anwendung: Der Weg der Erkenntnis

1

Untersuchung von Lackierungsfehlern

Ein Haupteinsatzgebiet der Verfahren der Lackanalytik sind zweifellos Fehleranalysen. Diese dienen in der Regel dazu, Ursache eines Fehlers (die sog. root cause) aufzudecken. Im Idealfall werden daraus Schlüsse für eine Prozessoptimierung oder -korrektur abgeleitet. In vielen Fällen werden die Ergebnisse jedoch auch genutzt, um einem Lieferanten die Kosten der Reklamation anzuhängen. Sie sind ein wichtiges Werkzeug auf dem Weg zur Problemlösung, allerdings nicht das alleinige Allheilmittel. Die Fehleranalyse umfasst die Suche nach der Ursache von Störungen in der Herstellung der Lacke und der zu lackierenden Güter, ebenso wie von Fehlern bei der Applikation von Lacken. Dabei reicht die Bandbreite der Fehler von Stippenbildung in Lackschichten, Haftungs- und Verlaufsstörungen bis zu Flecken- und Kraterbildung. Oft dreht es sich um die Untersuchung kleinster Probenbereiche (z. B. Stippen) geringster Probenmengen (z. B. kraterverursachende Substanzen in einem Lackkrater) oder dünnster Schichten (z. B. Kontaminationen auf Rohteilen). Hier bieten die Verfahren der Oberflächenanalytik ein reichhaltiges Instrumentarium. Allerdings gehört zu einer erfolgreichen Fehleranalyse nicht nur die richtige Instrumentierung, sondern auch eine geeignete Versuchsplanung, eine dem Problem angemessene Probennahme, eine qualifizierte Auswertung und eine Bewertung im Kontext der vor Ort im Prozess gegebenen Verhältnisse. Auf diese Punkte wird im Folgenden näher eingegangen.

1.1

Vom Problem zur Lösung

Alles beginnt in der Regel mit dem Auftreten von Fehlerbauteilen. Das Ziel ist dann möglichst schnell die Ursache zu finden und Abstellmaßnahmen zu definieren. Doch wie kommt man vom Problem zur Lösung? Oft bricht bei einer derartigen Sachlage operative Hektik aus und in deren Folge werden in schnell einberufenen Meetings mehr oder weniger koordiniert Maßnahmenpläne definiert. Letztere beruhen jedoch häufig auf einem diffusen Bauchgefühl oder Mutmaßungen. Im glücklichsten Fall ist dann das Problem irgendwann beseitigt, allerdings in der Regel, ohne dass klar ist, warum der Fehler abgestellt wurde und wie man ihn in Zukunft vermeidet. Dies ist häufig der Tatsache geschuldet, dass Zeit und Kostendruck den innigen Wunsch gebären, man möge das Problem doch schnell „irgendwie“ abstellen. Der Ruf nach einer systematischen Vorgehensweise bleibt da angesichts von wartenden Kunden und drohendem Lieferstillstand oft ungehört. Und doch ist dies der einzig sinnvolle und nachhaltige Weg. Denn was nutzt eine „zufällige“ Problembehebung aus der man nichts für die Zukunft lernt, wenn das Thema wenige Wochen später wieder aus der Versenkung auftaucht. Man steht wieder da, wo man vor Wochen schon einmal war und fängt ganz von vorne an. Bei der systematischen Fehlersuche und -behebung kann die Analytik nicht nur einen sinnvollen Beitrag liefern, sie ist sogar unabdingbar, um Fakten zu schaffen und diese den irrlichternden Mutmaßungen entgegenzustellen. Aber Vorsicht! Das Labor kann keine Wunder vollbringen, sondern „nur“ wichtige Informationen liefern, mit denen dann die Fehlerquelle oder der Ort der Entstehung eingegrenzt werden kann. Doch wie kommt man zielorientiert zu einer Ursachenfindung und Lösung des Problems? Diese Frage soll im vorliegenden Kapitel näher beleuchtet werden. Dabei soll erläutert werden, wie mit Hilfe des im Werk vorhandenen Wissens, kleinen technischen Hilfsmitteln und 18

Untersuchung von Lackierungsfehlern (wenn nötig) Laboranalysen eine Datenbasis geschaffen werden kann, die es ermöglicht das Problem schnell und vor allen Dingen nachhaltig zu beseitigen. Bei der Ursachenfindung helfen entgegen vielfach verbreiteter Meinung keine Mutmaßungen und Theorien, keine operative Hektik und keine Meetings, sondern nur Fakten und Messdaten, die die Frage beantworten: Was hat den Fehler verursacht? Dazu ist ein systematisches und methodisches Vorgehen notwendig: Verantwortlichkeiten Idealerweise sollte ein sachkundiger Verantwortlicher oder ein sehr kleiner und fester Kreis von Sachkundigen die Untersuchungen vornehmen, koordinieren oder zumindest alle Informationsfäden in der Hand halten. Je mehr Personen parallel an einem Fall arbeiten, umso häufiger kommt es zu Informationsverlusten oder sogar Fehlinformationen, die die Problemlösung erschweren oder sogar unmöglich machen können. Sachkundig meint, dass derjenige der die Untersuchungen und Problembehebung managt, die Anlage kennen sollte und zumindest über Basiswissen über die verwendete Lackchemie verfügen sollte. Faktensammlung Nehmen wir mal an, Sie haben als Verantwortlicher die Aufgabe einer Lackierungsstörung auf den Grund zu gehen. Ihre Mitarbeiter bringen Ihnen fehlerhaft lackierte Bauteile und Sie müssen den ersten Ansatzpunkt zur Problemlösung definieren. Der erste wichtige Punkt ist hier die Sammlung von möglichst vielen Daten über die betroffenen Fehlerteile: –– Wo kommt genau dieses Bauteil her? Aus dem Produktionsprozess vor Ort, aus der Lieferkette, vom Kunden?

Abbildung II.2: Problemlösungsstrategie

19

Teil II Lackanalytik in der Anwendung: Der Weg der Erkenntnis –– Was hat dieses Bauteil „erlebt“? (Es ist dabei nicht ausreichend festzustellen, welchen Werdegang das Produkt „normalerweise“ oder „im Allgemeinen“ erlebt hat, sondern was genau mit diesem einen vorliegenden Teil passiert ist.) –– Wieviel Teile sind insgesamt betroffen? –– Wann begann das Problem? –– Wann und wie wurde es bemerkt? –– Gibt es auch gute Teile aus dem gleichen Prozess? –– Gab es Änderungen des Prozesses oder der Konstruktion? –– Gab es zum Zeitpunkt der Fehlerentstehung irgendwelche vom allgemeinen Prozess abweichenden Bedingungen? –– Gibt es Abhängigkeiten mit best. Chargen, Produktionsschichten, Materialsorten, Werkzeugen etc.? Hier gilt: Man kann niemals zu viele Fragen stellen, nur zu wenige. Man sollte so wachsam und neugierig wie möglich an das Problem herangehen. Diese Punkte sind bei der Bewertung später anfallender Analysenergebnisse ein notwendiger Baustein zur Bewertung der messbaren Fakten. Zu dieser Historie gehört bei einer Probennahme aus dem Prozess z. B. der Ort und der Zeitpunkt der Probennahme sowie der zu diesem Zeitpunkt herrschenden Prozessparameter. Probennahme Überhaupt spielt die Durchführung der Probennahme eine sehr wichtige Rolle für das spätere Ergebnis. Es reicht nicht, irgendein Fehlerbauteil auszugraben und zu untersuchen, um dann zu hoffen, dass die so gewonnenen Erkenntnisse die Unwissenheit hinreichend erleuchten. Die Probennahme muss repräsentativ für die jeweilige Problemstellung sein. Was das im Einzelfall bedeutet, kann kein Produktionsmitarbeiter entscheiden. Dafür bedarf es geschulten Fachpersonals. Des Weiteren ist eine detaillierte Dokumentation (möglichst mit Fotos) notwendig, die den Ort, den Zeitpunkt, die Materialsorte usw. enthält. Probennahmegefäße sollten insbesondere dann, wenn Spurenanalysen anstehen, sauber sein. Sauber bedeutet hier nicht etwa optisch sauber, sondern analytisch nachvollziehbar frei von Reststoffen. Es nutzt beispielsweise wenig, ein zweitverwertetes Glas für die Probennahme aus einer Ringleitung zu verwenden, wenn an der genommenen Probe eine Spurenanalyse auf evtl. Verunreinigungen eines Lackes durchgeführt werden soll. In einem solchen Fall wird man sicher Verunreinigungen finden, nur haben die dann mit dem eigentlichen Problem nichts zu tun. Die Probennahme sollte aber auch zugleich der Beweissicherung dienen, was bedeutet, dass später mutmaßlich zu untersuchende Fehlerstellen z. B. durch Abdeckung vor weiterer Beeinträchtigung wie unbedachter Beschädigung oder Verschmutzung in Schutz genommen werden. Makroskopische Erstbegutachtung Der nächste Schritt des Erkenntnisgewinns besteht in der Regel in der ersten, zunächst makroskopischen, visuellen Begutachtung des Fehlerbauteils vor Ort. Das erste und wichtigste Instrument ist dabei das Auge. Es ist erstaunlich wie empfindlich unser Sehsinn ist. Dies ist bisweilen auch sehr frustrierend, wenn man z. B. eine deutliche Vergilbung eines weißen Lackes zwar visuell deutlich wahrnehmen kann, aber dann feststellt, dass mit keinem Untersuchungsverfahren irgendein Parameter messbar ist, der dafür verantwortlich gemacht werden kann. 20

Untersuchung von Lackierungsfehlern Bei der visuellen Vorbegutachtung gilt es wachsam und neugierig zu sein: –– Wie sehen die Fehlstellen optisch aus? –– Wo tritt der Fehler auf und gibt es lokale Häufungen? –– Gibt es (abgesehen vom Fehler) Unterschiede zu guten Bauteilen? –– Hat das Fehlerteil (abgesehen vom reklamierten Fehler) weitere auffällige Stellen, die auf einen Fehler in der Applikation hindeuten können? –– Wieviel Stellen je Bauteil sind festzustellen? –– Sind wirklich alle Fehler gleich oder verstecken sich z. B. unter dem Oberbegriff „Krater“ verschiedene Arten von Fehlern wie Benetzungsstörungen, Kocher, Nadelstiche etc. Im Idealfall nimmt die Erstbegutachtung derjenige vor, der auch die Gesamtuntersuchung durchführt. Sehr wichtig ist es, darauf zu achten, dass während der Vorbegutachtung der zu untersuchende Bereich nicht berührt und verunreinigt wird. Das bedeutet Anfassen der Untersuchungsfläche, Kratzen und Wischen im Fehlerbereich müssen unterbleiben. Mikroskopische Erstbegutachtung Zur ersten visuellen Beurteilung des Schadens kann, wenn nötig, das erste mikroskopische Hilfsmittel, ein mobiles Mikroskop zum Einsatz kommen, um z. B. zu beurteilen, um welche Fehlerart es sich handelt. So erhält man erstaunlich gute Bilder, die in die oben erwähnte Probendokumentation einfließen können. Es lässt sich beispielsweise prüfen, ob in einem Enthaftungsbereich eines Lackes verdächtige Schleifspuren oder Trocknungsrückstände auf der Oberfläche vorhanden sind, die auf eine unzulängliche Vorbehandlung hindeuten. Mit diesem ersten Hilfsmittel kann man weitere Informationen über den Fehler sammeln, es sind jedoch nur Hinweise, die nicht überschätzt werden dürfen. So kann sich beispielsweise eine Fehlstelle bei mikroskopischer Betrachtung als Blase in der obersten Lackschicht darstellen, während es sich in Wirklichkeit um ein Problem handelt, was bereits in der Grundierung seine eigentliche Ursache hat. Design of Experiment Anhand der o. g. Daten und des Wissens von betriebsinternen Experten kommt man dann zu einer begründeten Vermutung über die mögliche Schadenursache. Hier ist insbesondere die begründete Vermutung scharf abzugrenzen von der wilden Spekulation, die mangels Daten häufig Platz greift. Anhand dieser Theorie kann im nächsten Schritt ein Plan für die Durchführung von Analysen entworfen werden. In diesem sollten Zweck und Umfang der späteren Laboruntersuchungen und die erwarteten Ergebnisse klar definiert sein. Demzufolge stellt die Aussage „Ich habe da einen Krater im Lack! Untersucht das mal!“ keinen hinreichenden Analysenplan dar. Vielmehr muss man die möglichen Ursachen kennen und danach die richtigen Fragen respektive Untersuchungsaufgaben definieren. Im o. g Fall wären das zum Beispiel: –– Gibt es lackbenetzungsstörende Substanzen (LABS) im Krater? –– Ist die Anreicherung eines Füllstoffes nachweisbar? –– Sind Fremdaerosole im Krater nachweisbar? –– Diese Fragestellungen definieren dann in der Regel auch die Art und Anzahl der möglichen Untersuchungsverfahren.

21

Teil II Lackanalytik in der Anwendung: Der Weg der Erkenntnis Die ersten Analysen dienen dazu, eine auf Basis der Daten der Vorbegutachtung und der Faktensammlung entwickelte Theorie über die Ursache des Fehlers zu bestätigen oder zu widerlegen. Die Planung einer Fehleranalyse beginnt mit der Frage: Wie fange ich an? Leider gibt es keine Standardvorgehensweise im Sinne von: Fehlertyp A = Methode A  Lösung Fehlertyp B  = Methode B  Lösung Oft liegt die Ursache eines Problems auch gar nicht an dem Ort an dem das Problem sichtbar wird. So kann beispielsweise eine Benetzungsstörung in einem Klarlack eines dreischichtigen Aufbaus u. U. darin begründet liegen, dass in einem weit entfernten Teil der Anlage z. B. in der Druckluftversorgung ein Bauteil ausgetauscht wurde und durch Fahrlässigkeit oder Unvermögen an dieser Stelle Verunreinigungen eingetragen wurden, die über die Druckluft transportiert werden und erst bei der Klarlackapplikation zu Problemen führen. Oder die Ursache liegt sogar noch weiter weg, z. B. in einem Planungsfehler entstanden aus einer Vereinigung von fehlendem Sachverstand. Wenn beispielsweise derjenige, der eine Druckluftversorgung für die Lackieranlage plant, die Auslegung der Leistung dieser Anlage nur nach monetären Gesichtspunkten ausschreibt, ohne die technischen Erfordernisse zu beachten oder zu kennen, dann wird u. U. kontinuierlich Kompressorenöl durch die Leitungen gedrückt, was dann von keinem Filter zurückgehalten werden kann. In der Folge kann es in unregelmäßigen Abständen und vollständig erratisch zu Lackierungsstörungen kommen. Weitere Untersuchungen: Wenn ein Schadensfall, wie beispielsweise eine Kraterproblematik, auftaucht, dann gibt es immer einfache und leicht verständliche aber leider auch falsche Lösungsansätze. Sehr häufig werden dann vermeintliche Zusammenhänge aus Beobachtungen hergestellt wie „seitdem wir die neue Charge verwenden, treten Krater auf! Die Ursache liegt also in der Qualität der Lackcharge.“ Das ist, wie oben beschrieben, im Grunde richtig solche Beobachtungen mit in die Erwägungen einzubeziehen. Diese Aussage ist nur ein Teil des Prozesses, oft stellt sich dann heraus, dass die neue Charge auch auf einer anderen Anlage lackiert wurde, oder dass die Bauteile, die mit der neuen Charge lackiert wurden, andere sind, als die, die mit der „alten“ Charge lackiert wurden, oder dass ein neuer Lackierroboter eingebaut wurde oder ähnliche Prozessparameter. Solche Schnellschüsse sind von der nachvollziehbaren Sehnsucht geprägt, eine einfache monokausale Ursache dingfest machen zu können und dann schnell das Problem zu beseitigen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es nur sehr selten monokausale Zusammenhänge nach dem Muster „wenn A, dann B“ gibt. In der Realität ist es häufig das Zusammentreffen von mehreren Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen und nur in einer bestimmten Kombination zum Lackierfehler führen. Daher hilft es nur Fakten, zu sammeln, diese zu dokumentieren und erst dann zu bewerten, wenn sie ausreichend valide sind. Die Möglichkeiten dies zu tun und wie diese einzusetzen sind, darüber geben die folgenden Kapitel Auskunft: Wie kommt man von einer begründeten Vermutung zu einer gesicherten Erkenntnis und vermeidet das Eine mit dem Anderen zu verwechseln. Auswahl der geeigneten Messverfahren Nach der Faktensammlung, der Vorbegutachtung und der Erstellung des Analysenplanes erfolgt der wichtige Schritt der Auswahl der geeigneten Messverfahren. Auch in diesem Fall gibt es keine Standardvorgehensweise im Sinne von „wenn dies, dann das“. Oft ist es eine 22

Untersuchung von Lackierungsfehlern Tabelle II.1: Einsatzmöglichkeiten der Oberflächenanalytik bei Lackfehlern Fehlerbild Pickel, Stippe

Mögliche Ursache Einschluss von Fremdpartikeln

Haftungsstörungen Falsches Bindemittel/Härter Verhältnis Trennmittel in der Grenzfläche Öl-, Fett- oder Reinigerrückstände in der Grenzfläche Benetzungsstörung Öl-, Fett- oder Reinigerrückstände in der Grenzfläche Kraterbildung Gelteilchen

Blasenbildung

Flecken und Ablagerungen auf Lackoberflächen

Öl-, Fett- oder Reinigerrückstände in der Grenzfläche Ölhaltige Aerosole Ausgasung des Substrates durch Risse im Grundmaterial Salzrückstände Anhaftendes Wasser Verfahrensfehler Migration von Lackbestandteilen an die Oberfläche Extern aufgebrachte Verunreinigungen

Untersuchungsverfahren REM/EDX IR-Mikroskopie IR (ATR, Transmission) TOF-SIMS TOF-SIMS TOF-SIMS REM/EDX IR-Mikroskopie Mikro-ATR TOF-SIMS TOF-SIMS Metallographischer Querschliff Lichtmikroskopie REM REM/EDX – – ATR-FT-IR

TOF-SIMS

Frage der Erfahrung, mit welcher Technik man sich dem Problem nähert. Hilfreich ist es dabei, sich klar zu machen, welche „Fragen“ die verwendete Technik beantworten soll. Nehmen wir als Beispiel eine Haftungsstörung (s. u.). Natürlich möchte man in so einem Fall die Antwort auf die Frage „was ist die Ursache?“ haben. Doch diese Frage beantwortet keine Analyse. Vielmehr muss die Frage z. B. lauten: „Gibt es haftungsstörende Substanzen in der Grenzfläche, in der die Enthaftung auftritt und wenn ja welche?“ Das ist eine Frage, die mit der apparativen Analytik eindeutig beantwortet werden kann. Das zeigt, dass man schon ein gewisses Vorwissen darüber haben muss, was denn (theoretisch) Haftungsstörungen verursachen kann und wonach man demzufolge suchen muss. Wenn die exakte Fragestellung formuliert ist, dann ergibt sich die Auswahl der sinnvollen Messmethoden normalerweise anhand der Anlagenparameter. Wenn man also, wie beispielsweise oben skizziert, die Frage nach möglichen haftungsstörenden Substanzen stellt und berücksichtigt, dass bereits sehr geringe Mengen bestimmter Substanzen eine Haftungsstörung verursachen kann, dann hat man die Voraussetzungen, die ein geeignetes Messverfahren haben muss. Die Technik muss nämlich –– eine sehr hohe Nachweisempfindlichkeit und –– eine hohe Oberflächenempfindlichkeit aufweisen und –– molekulare Informationen liefern.

23

Teil II Lackanalytik in der Anwendung: Der Weg der Erkenntnis Das bedeutet, bei einer derartigen Fragestellung ist z. B. die Rasterelektronenmikroskopie vollkommen ungeeignet, weil sie zum einen nicht oberflächenempfindlich genug ist und zum anderen nur Elementinformationen liefert. Wenn man also auf einer Oberfläche mit der Rasterelektronenmikroskopie z. B. Silicium nachweist, dann kann man nicht entscheiden, ob es sich dabei um haftungsstörendes Polydimethylsiloxan oder nicht haftungsstörendes Siliciumdioxid handelt. Auswertung und Bewertung der Messdaten Die Auswertung und Bewertung der Messdaten sind zwei Schritte, die strikt zu trennen sind. Beide Schritte können und sollten nur von Fachkundigen durchgeführt werden. Die Auswertung beinhaltet: –– die rein technische Verarbeitung der Daten, –– die Überprüfung der Kalibrierung, –– die Überprüfung auf Plausibilität und Messfehler, –– den Vergleich mit Datenbanken, –– die Korrelation der Messdaten mit Tabellenwerken. Zwar erhält man von modernen Untersuchungsgeräten eine automatische Auswertung, jedoch muss diese von einem Fachmann interpretiert werden. Die moderne instrumentelle Analytik macht es einem leider auch leicht, ein falsches Ergebnis zu erzielen. Ob beispielsweise ein Infrarotspektrum „vernünftig“ ist oder ob ggf. durch präparative Fehler oder bisher unbekannte Materialeigenschaften ein schönes, aber vollkommen sinnfreies Spektrum erzeugt wurde, dass kann nur einer entscheiden, der von der Technik etwas versteht. Auch der Vergleich mit Datenbanken birgt (unkritisch und automatisiert eingesetzt) erhebliche Risiken. Das liegt zum einen daran, dass Datenbankvergleiche zunächst mal rein mathematische Routinen sind. Das Ergebnis wird dann mit einem Hit Quality Index (Wahrscheinlichkeitsindex) ausgegeben, der die mathematische Wahrscheinlichkeit widerspiegelt, dass das gemessene Spektrum mit einem gespeicherten Spektrum übereinstimmt. Eine Überprüfung der Plausibilität erfolgt nicht. Das kann zu sehr skurrilen Ergebnissen führen. Wenn man diese ausgespuckten Wahrscheinlichkeitsindices ohne Prüfung übernimmt und darauf eine Theorie über den Schadenverlauf und seine Behebung aufbaut, ist es nicht unwahrscheinlich, dass man im harmlosen Fall die Ursache nicht findet oder im schlimmsten Fall durch falsche Abstellmaßnahmen großen Schaden anrichtet. Darüber hinaus vergleichen die Algorithmen das gemessene Spektrum nur mit gespeicherten Daten. Datenbanken veralten schnell: z. B. ist ein Bindemittel unter einem Handelsnamen X in die Datenbank eingepflegt, die Herstellerfirma zwischenzeitlich verkauft worden und dadurch der Produktname geändert und dadurch ist der entsprechende Datenbankeintrag wertlos. Außerdem versagen Datenbanken bei der Analyse von Gemischen. Ein Spektrum eines Primers mit hohem Füllstoffgehalt wird dann zum Beispiel als Bariumsulfat „identifiziert“, weil die Signale des Bariumsulfats im Spektrum prominent hervorstechen. Alle anderen Lackbestandteile werden dann von der Datenbank nicht mehr erkannt. Nach der Auswertung der Messdaten erfolgt die Bewertung. Die Bewertung sollte in mehreren Stufen erfolgen und am Schluss die Kernfrage beantworten, ob mit den durchgeführten Analysen alle ausstehenden Fragen beantwortet sind, ob daraus Abstellmaßnahmen abgeleitet werden können oder ob ggf. weitere Untersuchungen nötig sind. Ausführlich wird dies im Kapitel II.3.1 und II.3.2 dieses Buches behandelt. 24

Untersuchung von Lackierungsfehlern In einem nächsten Schritt wird bei der Bewertung der einzelnen Analysenergebnisse geprüft, ob die analytische Fragestellung beantwortet wurde. Bei der Bewertung der Einzelergebnisse im Vergleich mit Ergebnissen aller durchgeführten Analysen ist zu kontrollieren, ob es Widersprüche in den Aussagen der Analysen gibt. Der Abgleich der Ergebnisbewertung mit den vorgelegten Informationen dient dazu, festzustellen, ob der vom Auftraggeber angegebene Lacktyp gefunden wurde oder ob ein anderer Lack eingesetzt wurde, ob die Schichtabfolge den Vorgaben entspricht usw. Der Abgleich der Bewertung mit den Schadenshypothesen ist nach der positiven Beantwortung der ersten Schritte der Schritt, der zur eigentlichen Problemlösung oder bei Unklarheiten zur Definition eines neuen Untersuchungsplanes und ggf. zur Neubewertung der Schadenhypothese führt.

1.2

Untersuchung von Haftungsstörungen

Haftungsstörungen sind großflächige Ablösungen von Teilen oder der ganzen Beschichtung. Für Haftungsstörungen zwischen einem Lack und dem zu lackierenden Objekt gibt es eine Reihe von möglichen Ursachen: –– Substratprobleme (Delamination, Hydrolyse) –– Schichtdickenabweichungen, –– Vernetzungsfehler, –– falsches Mischungsverhältnis, –– Verunreinigungen, –– falsche Haftungsprüfmethoden, –– falsche oder unzureichende Vorbehandlung, –– Abweichungen von den Prozessvorgaben, –– Hydrolyse oder Chemolyse des Beschichtungsmaterials, –– mangelnde Zwischenhaftung zwischen aufeinander folgenden Lackschichten durch Applikationsfehler. Benötigte Informationen Bei großflächigen Enthaftungen von Lackschichten, sowohl vom Substrat als auch von angrenzenden Lackschichten, stellen sich folgende Fragen: –– Was hat sich gegenüber dem Sollzustand in den Grenzflächen geändert hat, so dass es zu einer Enthaftung kommen konnte? –– In welcher Grenzfläche tritt die Enthaftung auf? Daher kommt es in den meisten Fällen darauf an, die betroffenen Grenzflächen und Oberflächen in der obersten Moleküllage hinsichtlich ihrer chemischen Zusammensetzung zu charakterisieren. Je nach Fragestellung und vermuteter Fehlerursache kommen bei einem solchen Schadensbild unterschiedliche Verfahren zum Einsatz. Welche Informationen werden also gebraucht, um der Ursache auf den Grund zu gehen? In erster Linie ist die Zusammensetzung der Grenzfläche in der die Enthaftung erfolgt von Interesse, denn daraus lassen sich Rückschlüsse auf den Ablauf der Fehlerentstehung ziehen. Aber auch die Schichtdicken und die Schichtabfolge ist wichtig, um zu beurteilen, ob die Vorgaben eingehalten wurden oder z. B. eine Reparaturlackierung aufzudecken.

25

Teil II Lackanalytik in der Anwendung: Der Weg der Erkenntnis Präparation Entscheidend für die Ursachenfindung ist, wie erwähnt, die Bestimmung der Zusammensetzung der Grenzfläche in der die Enthaftung auftritt. Ist eine Enthaftung aufgetreten und ein entsprechendes Fehlerbauteil liegt auf dem Tisch, dann ist es oft schon durch viele Hände gegangen. Es wurde u. U. im Fehlerbereich angefasst, gekratzt oder abgewischt. Daher ist es in der Regel wenig sinnvoll, die freiliegende Oberfläche zu untersuchen. Denn bei allen Untersuchungsergebnissen muss man sich hinterher fragen, ob die gefundenen Substanzen zum Problem gehören oder aber durch unsachgemäße Handhabung bei Probennahme und Vorbegutachtung auf die untersuchten Oberflächen gekommen sind. Auch fehlt meistens die Gegenseite, also das Lackstück, was sich abgelöst hat. Vielmehr sollte man versuchen, ein frisches Lackstück abzulösen und so eine „jungfräuliche“ Grenzfläche zu schaffen. Dabei ist darauf zu achten, die beiden Seiten dieser Grenzfläche nicht zu verunreinigen. Das bedeutet, den frisch zu enthaftenden Lackpartikel ausschließlich am Rand und mit einer sauberen Pinzette zu berühren. Untersuchungsverfahren Unabhängig welche der oben genannten Ursachen zu Haftungs- und Benetzungsstörungen führen, lassen sich evtl. vorhandene Störsubstanzen mit Verfahren der Oberflächenanalytik leicht nachweisen. Entscheidend bei der Auswahl des geeigneten Verfahrens sind die gewünschte Nachweisempfindlichkeit sowie die Informationstiefe. In jedem Fall sollte ein Verfahren gewählt werden, das molekulare Informationen liefert. Das bedeutet, die Identifizierung der Störsubstanz mit ihrer chemischen Zusammensetzung muss das Ziel sein. Da-

a

b

c

d

Abbildung II.3: Beispiele für Lackhaftungsstörungen unterschiedlicher Form und Ursache (a. ungenügende Vorbehandlung, b. Delamination durch Spritzgussfehler, c. Hydrolyse des Basispolymers, d. falsches Lacksystem)

26

Untersuchung von Lackierungsfehlern her kommen nur drei Verfahren für diese Problemstellungen in Frage. Es handelt sich um die Verfahren –– TOF-SIMS, –– XPS und –– ATR-FT-IR. In der Praxis hat sich eine Kombination von ATR und TOF-SIMS als Mittel der Wahl erwiesen, um die Grenzflächenchemie im Bereich einer Haftungs- und Benetzungsstörung zu erfassen. Bei der Verwendung des ATR-Verfahrens kann, je nach Größe des zu untersuchenden Bereiches (Durchmesser 180 °C in 8,45 min mit einer Rate von 12 °C/min Crossed-linked Split (25:1), 1 min bei 45 °C, PEG 1 µl, Einlass auf 250 °C erhitzen auf 200 °C mit 5 °C/min

Beispiel: Vergleich von zwei Lackchargen Aufgabe: Zwei Chargen eines Basislackes, die sich in der Applikation unterschiedlich verhal­ ten, sollen hinsichtlich ihrer flüchtigen Bestandteile verglichen werden. Vorgehensweise Ca. 10 bis 20 ml der Lackprobe werden in ein Headspace-Glas eingebracht, so dass dieses zu 1/3 gefüllt ist. Das Glas wird mit einem Septum und einer Kappe gasdicht verschlossen und in den Ofen gegeben. Dort wird das Glas mit der Probe für 30 min auf 80 °C erhitzt. Nach der Kontrolle der Sauberkeit und Gängigkeit wird die Gasspritze mit Luft gefüllt und ebenfalls im Ofen erhitzt. Danach wird die Luft komplett aus der erhitzten Spritze gedrückt und diese sofort durch das Septum in das Headspace-Glas eingeführt. Sie wird komplett mit der Gasphase gefüllt, aus dem Septum herausgezogen und unmittelbar in den Injektor des Gaschromatographen eingeführt, wo sie komplett entleert wird. Instrumentierung: Gaschromatograph HP 5890 (GC-4) Detektor: Massenspektrometer HP 5971 A Injector: HP 7673 Datenanalyse: Die Auswertung der Massenspektren erfolgt unter Verwendung kommerziell erhältlicher Datenbanken. Auswertung der Ergebnisse Grundsätzlich gilt immer, dass Identifizierung vor Quantifizierung geht. Daher wird zunächst ein GCMS-Screening der Headspace-Gasphase mit Hilfe eines Massenspektrometers durchgeführt. Die er­ haltenen Massenspektren wird automatisch mit Da­ tenbanken verglichen und der Grad der (mathema­ tischen!) Übereinstimmung mit den gespeicherten Daten wird als sogenannte „Fit“ in % ausgegeben (s. Tabelle III.3). Die „Fits“ für 1-Butanol, Butylace­ tat, Ethylbenzol, Xylol und Methoxypropylacetat lie­

Tabelle III.3: Ergebnisse der Identifizierung flüchtiger organischer Bestandteile eines Basislackes mit Hilfe des Headspace-GC-MS Screening (i: Fit >90 %: exzellente Übereinstimmung; Fit, >80 % bis 90 % gute Übereinstimmung; Fit < 80 % bedeutet, dass die Zuordnung fraglich ist) Komponente 1-Butanol Essigsäurebutylester Ethylbenzol p/m-Xylol 2-Pentanon, 4-Hydroxy-4-methyl1-Methoxy-2-propylacetat o-Xylol

Fiti 91 % 90 % 91 % 97 % 78 % 93 % 97 %

109

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik Tabelle III.4: Vergleich der Verteilung flüchtiger, organischer Substanzen in zwei Chargen eines Basislackes Komponente 1-Butanol Essigsäurebutylester Ethylbenzol p/m-Xylol 2-Pentanon, 4-hydroxy-4-methyl1-Methoxy-2-propylacetat o-Xylol Nichtidentifizierbare Komponenten

Batch 89 0,7 % 20,4 % 20,4 % 34,3 % 12,0 % 5,8 % 12,0 % 2,0 %

Batch 93 1,4 % 20,4 % 12,3 % 35,6 % 11,8 % 5,4 % 11,6 % 1,6 %

gen mit 91 % bis 97 % im Bereich der exzellenten Übereinstimmung und diese Bestandteile dürfen daher als sicher identifiziert gelten. Der „Fit“ für 4-Hydroxy-4-methyl, 2-Pentanon hin­ gegen liegt mit 78 % in einem Bereich, wo man die Identifizierung als fraglich oder wahlweise als fragwürdig einstufen muss. Das bedeutet, immerhin rund 14 % der flüchtigen Bestand­ teile des Lackes (zusammen mit den schon als „nicht identifiziert bezeichneten Komponen­ ten) sind nicht eindeutig identifiziert. Tabelle III.4 zeigt das Ergebnis des quantitativen Vergleiches der flüchtigen Anteile der zwei untersuchten Lackchargen. Wichtig ist hier die sachgerechte Bewertung der Zahlen­ werte im Hinblick auf die Frage „Gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen den Lack­ chargen?“. Nimmt man zum Beispiel die Werte für o-Xylol mit 11,6 % und 12 % so ist die­ ser Unterschied im Hinblick auf die o. g. Einflussgrößen als normale Schwankungsbreite des Trennverfahrens anzusehen. Gleiches gilt für die Werte für p/m-Xylol. Der Wert für das Ethyl­ benzol mit 20,4 % für Charge 89 und 12,3 % für Charge 93 hingegen ist deutlich und als sig­ nifikanter Unterschied einzustufen. Es bleibt also als Ergebnis dieses Chargenvergleiches, dass der Gehalt an Lösemitteln res­ pektive an Ethylbenzol unterschiedlich ist. Inwieweit das aber den technisch beobachteten Unterschied im Applikationsverhalten begründet, steht auf einem anderen Blatt.

4

Lichtmikroskopie

Der Begriff Mikroskopie leitet sich aus den griechischen Worten „mikros“ (= klein) und „sko­ pein“ (= betrachten) ab. Das menschliche Auge ist nur begrenzt geeignet, sehr kleine Objekte aufzulösen. In der Regel erreichet man eine Vergrößerung durch Annäherung an das Objekt (also eine Erweiterung des Sehwinkels) und/oder durch Akkommodation (Anpassung). Da die deutliche Sehweite bei 250 mm liegt müssen die Strahlen zweier Objekteinzelheiten 0,0167° auseinanderliegen, damit sie getrennt wahrgenommen werden. Das bedeutet, zwei Objektpunkte werden dann vom unbewaffneten Auge gerade noch einzeln wahrgenommen, wenn sie mindestens 73 µm weit auseinander liegen (vorausgesetzt beim Beobachter liegt keine Fehlsichtigkeit vor). Für alle Abstände unter dieser Grenze be­ nötigen wir Hilfsmittel. Die Lichtmikroskopie stellt daher insbesondere in der Fehleranalytik das erste und wich­ tigste Instrument dar, um z. B. Lackfehler wie Stippen, Krater oder Lackablösungen zu begut­ achten. Auf die Theorie der Lichtmikroskopie wird hier nicht näher eingegangen. Diese wird 110

Lichtmikroskopie in den Fachbüchern [3, 4] beschrieben. Ein Spezialverfahren dieser Technik eröffnet in der Scha­ densanalytik interessante Möglichkeiten. Extended Focus Imaging (EFI-)Verfahren Vielfach krankte der Einsatz der Lichtmikroskopie in der Schadensbegutachtung an der geringen Schärfentiefe des Verfahrens. So sind stark strukturierte Proben oder Lackfehler wie Stippen

Abbildung III.9: Mit Laserlack beschichtetes und gelasertes Tastenfeld mit Lackhaftungsstörungen; A = lichtmikroskopische Auflichtaufnahme der Grenze zwischen freigelasertem Symbol und Laserlack, B = EFI-3D-Aufnahme des Bereiches aus Abbildung A

Abbildung III.10: Lichtmikroskopische Auflichtaufnahme eines Lackkraters sowie die daraus errechnete EFI-3D Aufnahme des Bereiches

111

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik

Abbildung III.11: Auflichtmikroskopie-Aufnahme eines Fehlers in einer High Gloss Beschichtung in 200-facher Vergrößerung (oben DIC-Aufnahme, unten Hellfeld-Aufnahme)

l

Abbildung III.12: Prinzip des differentiellen Interferenzkontastes in der Auflichtmikroskopie

112

und Krater nicht gleichzeitig mit hoher Ver­ größerung und guter Schärfentiefe darstell­ bar gewesen. Daher ist man oft in solchen Fällen schon bei vergleichsweise geringen Vergrößerungen auf die Rasterelektronen­ mikroskopie ausgewichen. Das wiederum bedeutet, einen für das eigentliche Prob­ lem der Topographiedarstellung großen Aufwand. Dank der Entwicklung von leistungsfä­ higen Digitalkameras und entsprechender Software kann die physikalisch begrenzte Schärfentiefe heute durch das EFI-Verfah­ ren erheblich ausgeweitet werden. Dabei wird von einem stark strukturierten Ob­ jekt ein Datensatz von x Bildern mit unter­ schiedlichen Schärfenebenen aufgenom­ men. Aus diesem Datensatz errechnet eine spezielle Software der Bildbearbeitung ein tiefenscharfes Bild des gesamten Objektes. Das Softwaremodul EFI (Extended Focus Imaging) extrahiert die scharfen Details ver­ schiedener Fokusebenen einer Bildserie und fasst sie zu einem einzigen Bild mit unendli­ cher Tiefenschärfe zusammen. Damit sind Topographie-Darstellungen extrem rauer Oberflächen und von Lack­ störungen mit sehr großer Tiefenauflösung möglich, so dass in vielen Fällen die Raster­ elektronenmikroskopie als bildgebendes Ver­ fahren überflüssig wird. Auch Schichtdickenund Höhenmessungen am lackierten Objekt sind auf die Art sehr einfach zu erstellen. Differentieller Interferenzkontrast (DIC)Verfahren Für den umgekehrten Fall sehr wenig struktu­ rierter Proben bei denen insbesondere in hö­ herer Vergrößerung mit der einfachen Licht­ mikroskopie kein ausreichender Bildkontrast erzielt werden kann, wird das DIC-Verfahren eingesetzt (DIC oder DIK = Differentieller In­ terferenzkontrast). Dieses Prinzip geht auf eine Erfindung von Georges Nomarski und ein Patent aus den 1950er Jahren zurück [5]. Dabei wird der Strahlengang durch ein sogenannte „Nomarski-Prisma“ in zwei ko­

Fluoreszenzmikroskopie härente Wellenfronten gleicher Amplitude aber senkrecht zueinander orientierten Polarisa­ tionsrichtungen aufgespalten. Diese treffen auf die Probe mit schwachen Oberflächenstruk­ turen und erhalten durch die geringen Höhenunterschiede (s. o.) einen Gangunterschied. Diese Wellenfronten werden nach dem Passieren der Probe wieder zur Interferenz gebracht. Dadurch entsteht ein Reliefkontrast im Resultatbild, der es möglich macht, auch schwache Strukturierungen von Oberflächen wie im obigen Bild gezeigt sichtbar zu machen. Es ent­ steht der Eindruck einer schrägen Objektbeleuchtung. Diese Technik eignet sich besonders zur Darstellung –– sehr flacher Lackkrater, –– von Kratzern, Riefen, Vertiefungen, –– minimalen Oberflächenverwerfungen.

5 Fluoreszenzmikroskopie Eine für die Lackanalytik sehr nützliche Variante der Lichtmikroskopie macht sich die unter­ schiedliche Fluoreszenz verschiedener Materialien bei Beleuchtung mit UV-Licht nutzbar. Das ist insbesondere dann von Interesse, wenn eine unbekannte Fremdkomponente in einem Be­ schichtungssystem lokalisiert werden muss. Statt mit sichtbarem Licht erfolgt die Beleuch­ tung der Probe dabei mit einer Quecksilberdampflampe bei Wellenlängen zwischen 300 nm und 800 nm. Durch diese Anregung werden Moleküle von einem energiearmen Grundzu­ stand in einen energiereicheren angeregten Zustand gehoben. Fällt dieses angeregte Molekül in den Grundzustand zurück wird wenige Nanosekunden nach der Absorption des UV-Licht­ photons ein Photon abgegeben. Das so entstehende Fluoreszenzlicht wird dann wie gewohnt im Lichtmikroskop fokussiert und verarbeitet. So lassen sich beispielsweise in einem schwarz pigmentierten Lack schwarze Fremdeinschlüsse aufspüren, vorausgesetzt sie weisen eine Ab­ weichung im Fluoreszenzverhalten im Vergleich zum umgebenden Lack auf. Auch andere lichtmikroskopisch nicht sichtbare Effekte wie z. B. Fließlinien lassen sich mit der Fluores­ zenzmikroskopie aufdecken (s. Abbildung III.13).

6

Infrarot-Spektroskopie

Die Infrarot-Spektroskopie (IR-Spektrosko­ pie) ist eine Analysemethode, die insbeson­ dere nach der Einführung der modernen Fourier-Transform-Technik zu einer Routine­ methode in der chemischen Analytik gewor­ den ist. Bei der Infrarot-Spektroskopie (IR) handelt es sich um eine spektroskopische Methode zur Strukturbestimmung durch Ab­ sorption von IR-Stahlen an interatomaren Bindungen. Es wird eine Sammlung von Ab­ sorptionsinformationen durchgeführt und diese werden in Form eines Spektrums ana­ lysiert. In einem zweiten Schritt erfolgt dann eine Korrelation der Frequenzen bei denen Absorption von IR-Strahlung auftritt („Peaks“ oder „Signals“ mit Bindungen im Molekül.

Abbildung III.13: Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme eines Querschliffes durch eine Fehlstelle in einem einschichtigen Lacksystem auf PC-ABS-Spritzguss

113

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik

6.1  Physikalische Grundlage Als Sonde zur Messung der Absorptionen wird elektromagnetische Strahlung aus dem infra­ roten Bereich des Spektrums verwendet. IR-Photonen haben Energien zwischen 0,001 und 1,6 eV. Diese Photonen bewirken bei der Be­ strahlung bzw. Durchstrahlung von Materia­ lien eine Anregung von Schwingungen der Moleküle bzw. derer funktionellen Gruppen. Die dazu benötigte Energie wird dabei vom bestrahlten Material absorbiert. Chemische Bindungen in unterschied­ licher Umgebung absorbieren mit un­ terschiedlichen Intensitäten und bei un­ terschiedlichen Frequenzen (chemische Abbildung III.14: Grundprinzip der Verschiebung). Stark vereinfacht kann man IR-Spektroskopie sich das klarmachen, wenn man sich eine chemische Bindung als zwei Punktmassen m1 und m2 vorstellt, die mit einer Feder mit einer Federkonstante k verbunden sind: Diese beiden Punktmassen können ge­ geneinander schwingen, wobei sie dem Hookschen Gesetz folgen. Daraus ergibt sich eine Gleichung mit der unter Berücksichti­ gung der o. g. Vereinfachungen die Frequenz Gleichungen Kapitel III der charakteristischen Schwingung dieser Bindung angenähert werden kann: Gleichung 6.1: 

ν =



���



��

Gleichung 6.1

((( ? sollmit einµ=sein))) m1 m2 /(m1 + m2) (reduzierte Masse) und c der Lichtgeschwindigkeit

Abbildung III.15: Vereinfachtes Modell einer chemischen Bindung aus zwei Atomen (zwei sich nun eine der Massen m1 oder m2 6.2: Punktmassen m1 und m2 verbunden über eineGleichungÄndert Feder mit der Federkonstante k) was gleichbedeutend mit dem �Ersatz eines �

��



= ��� = ��

Gleichung 7.1:

� = �� �

� � ��

Gleichung 7.2:

Abbildung III.16: Valenz- und Biegeschwingung einer CH2-Gruppe

114

Gleichung 7.3:

�� =

��



������� � � ���� )�

Infrarot-Spektroskopie Tabelle III.5: Wellenzahlenbereich des Infrarotlichtes nahes Infrarot, NIR mittleres Infrarot, MIR fernes Infrarot, FIR

Wellenlängenbereich λ = 760 – 2550 nm λ = 2,55 µm – 25µm λ = 0,025 mm – 1 mm

Wellenzahl ν = 13200 – 4000 cm-1 ν = 4000 – 400 cm-1 ν = 400 – 10 cm-1

Atoms durch ein anderes mit einer anderen Atommasse ist, so muss sich dadurch auch die Frequenz der Schwingung ändern. Je nach Art des Materials können in einem Molekül verschiedene Arten von Schwingun­ gen angeregt werden (Streckschwingungen/Biegeschwingungen etc.). Diese Anregung folgt bestimmten Gesetzmäßigkeiten: –– Eine Wechselwirkung einer chemischen Bindung unter Energieaufnahme kann nach die­ sen Gesetzen nur erfolgen, wenn es sich um einen schwingenden Dipol handelt. Total­ symmetrische Moleküle und Bindungen besitzen kein Dipolmoment. Somit sind Nor­ malschwingungen dieser Moleküle oder Bindungen im IR nicht anregbar, sie sind IR-inaktiv. –– Stark polare Moleküle oder funktionelle Gruppen wiederum führen zu intensiven Schwingungsbanden im IR-Spektrum. –– Die Anzahl der möglichen Normalschwingungen eines Moleküls aus N Massepunkten mit 3N Bewegungsfreiheitsgraden ergibt sich bei einem gewinkelten Molekül zu n = 3N - 6, bei einem linearen Molekül zu n = 3N - 5. Je nach Wellenzahlbereich wird unterschieden zwischen nahem, mittlerem und fernem Infra­ rot, (siehe Tabelle III.5) Nach Durchstrahlung des zu untersuchenden Materials wird der transmittierte Teil der Strahlung von einem Detektor bestimmt und aufgezeichnet. Die in Tabelle III.5 genannten Wellenzahlbereiche stehen für unterschiedliche Anwendungsbereiche in der Lackanalytik. Während das nahe Infrarot für die Wareneingangskontrolle und die Qualitätskontrolle ein­ gesetzt wird, ist das mittlere Infrarot von besonderem Interesse, wenn es um die Struktur­ aufklärung von Substanzen geht. Ferninfrarotanalysen spielen in der Lackanalytik keine Rolle.

6.2

Charakteristische Absorptionen

Am wertvollsten für die Strukturbestimmung organischer Moleküle sind im Infrarotspekt­ rum die charakteristischen Streckschwingungen. Der wichtigste Faktor, der die Lage der IRAbsorptionen dieser Streckschwingungen (oder auch Valenzschwingungen) bestimmt, ist die Bindungsordnung und die Art der Atome in der Bindung. Konjugation und Nachbaratome führen im Allgemeinen zu einer schwächeren chemischen Verschiebung. Damit absorbieren gleiche oder ähnliche funktionelle Gruppen typischerweise in einem spezifischen Spektral­ bereich (s. Tabelle III.6). Die möglichen (IR-aktiven) Schwingungen in einem einfachen Molekül seien an dem Bei­ spiel des Lösungsmittels Methanol erläutert.

115

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik Tabelle III.6: Beispiele charakteristischer IR-Absorptionen (Auswahl) Funktionelle Charakteristische Gruppe Absorption [cm-1] Verbindungen Besonderheiten Alkyl 2950 – 2850 Alkane C–H Schwingun­ C–H Stretch (m oder s) gen treten ubiquitär auf und sind daher von gerin­ gem analytischem Wert Alkenyl 3100 – 3010 (m) ungesättigte Absorptionen zwischen C–H Stretch Kohlenwasserstoffe 3000 und 3100 cm-1 sind meistens ein Zeichen für ungesättigte Verbindungen Alkenyl 1680 – 1620 (v) C=C Stretch Aromatisch ~3030 (v) aromatische Kohlenwas­ C–H Stretch serstoffe z.B. Toluol O–H Stretch 3550 – 3200 Alkohole, Polyester, (broad, s) Polyole N–H Stretch 3500 – 3300 (m) Amine, Primäre Amine erzeugen HALS-Lichtschutzmittel zwei charakteristische N-H Streckschwingungen, Sekundäre Amine eine und tertiäre Amine keine C–O Stretch 1000 – 1200 (s) Alkohole, Ester, C–O Streckschwingungen wer­ Polyester, Polyole, Ether den oft überlagert von Schwin­ gungen oxidischer Materialien wie Füllstoffe und Pigmente*

Abbildung III.17: Infrarotspektrum von Methanol

116

Infrarot-Spektroskopie Tabelle III.7: Zuordnung charakteristischer Signale im Infrarotspektrum vom Methanol Klassifizierung Art der Schwingung ν, CHx δ, CH2 ν, OH ν, OC

6.3

IR–Bande [cm-1] 2943 CH Valenzschwingung, „stretching vibration“ 2831 H–C–H Winkeldeformation, Knickschwingung, „bending“ 1448 Valenzschwingung der Hydroxylgruppe, „stretching vibration“ 3316 Valenzschwingung der C–O Gruppe, „stretching vibration“ 1010

Apparativer Aufbau

Die Infrarot-Spektroskopie wird heute in der Regel mit der Technik der Fourier-Transforma­ tion gekoppelt. Das wird durch das Michelson-Interferometer technisch realisiert: Im Spek­ trometer wird die Infrarotstrahlung an einem halbdurchlässigen Spiegel in zwei Teilstrahlen aufgeteilt. Der eine Teilstrahl fällt auf einen festen Spiegel, wird dort reflektiert, fällt wieder auf den halbdurchlässigen Spiegel. Dort trifft er auf den zweiten Teilstrahl der von einem beweglichen Spiegel reflektiert wurde. Beide überlagern sich, treten gemeinsam durch die Probe und erreichen schließlich den Detektor. Das dort empfangene Signal stellt ein Interfe­ rogramm der beiden überlagerten Teilstrahlen dar und enthält die Absorptionsinformatio­ nen der Probe. Durch den mathematischen Prozess der Fourier-Transformation wird daraus ein Spektrum erzeugt, welches die Absorptionen in Abhängigkeit von der Wellenzahl dar­ stellt. Durch Bewegung des Interferometer-Spiegels wird in einem Messdurchgang der kom­ plette Wellenzahlbereich abgefahren. Diese „Scans“ können beliebig nach Bedarf aufaddiert werden, um so das Signal/Rausch-Verhältnis zu verbessern, was zu einer besseren Auflösung bzw. Nachweisempfindlichkeit führt. Die modernen FT-Spektrometer sind so aufgebaut, dass die Probe in einer Probenkammer platziert wird. Diese ermöglicht es neben dem Probenhal­ ter für Transmissionsmessungen wahlweise weitere Messeinheiten als Modul einzusetzen, mit denen dann z. B. ATR-Messungen, IRRAS-Messungen o.ä. durchgeführt werden können. Die Auswertung der Daten erfolgt auf elektronischem Weg mit Hilfe der von diversen Her­ stellern vertriebenen Software, die es auch ermöglicht, in Datenbanken zu suchen oder Spek­ tren miteinander zu vergleichen.

6.4

Probenpräparation

Bei der klassischen Infrarotanalytik im MIR-Bereich wird von der zu messenden Substanz ein verdünntes Präparat in einer geeigneten Matrix als dünne planparallele Schicht erstellt. Diese wird senkrecht zum IR-Strahl angeordnet und von diesem durchstrahlt. Als Matrix werden Substanzen verwendet, die selbst im infraroten Bereich des Spektrums keine oder nur ge­ ringe Absorptionsbanden aufweisen. Am häufigsten werden Kaliumbromid, Polyethylen und Nujol verwendet. Die zu messende Substanz wird im deutlichen Überschuss mit dem Einbett­ material vermischt, innig vermengt (z. B. im Achatmörser) und unter Druck zu einer Tablette verpresst. Diese Tablette wird dann vom IR-Strahl durchstrahlt. Flüssigkeiten (wie z. B. Lösemittel oder verdünnte Bindemittel) werden üblicherweise als Dünnschichtfilm zwischen KBr-Platten präpariert oder in Küvetten mit bekannter Schichtdi­ cke gefüllt. Diese Art der Präparationstechnik findet in der Lackanalytik Anwendung bei: –– der Untersuchung von Lösemitteln und Bindemitteln, 117

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik –– Charakterisierung von Klarlacken, –– Identifizierung von Stippen in Klarlacken, –– Ablagerungen und Ausscheidungen auf Lackoberflächen. Diese Technik ist nicht geeignet für stark pigmentierte oder gefüllte Lacke oder Lackkompo­ nenten. Für solche Proben ist die ATR-Technik, die zu den Reflexionstechniken zählt, hervor­ ragend geeignet.

6.5 Spektrendarstellung Das erhaltene Spektrum ist I(n) ist abhängig von –– der Intensitätscharakteristik der IR-Strahlungsquelle, –– der Transmission durch die optischen Komponenten des Spektrometers, –– der Charakteristik des Detektors, –– der Absorption der Probe.

Abbildung III.18: Prinzip der Infrarot-Spektroskopie

Abbildung III.19: Transmissions- und Absorbanzspektrum eines Mattierungsmittels

118

Oberflächen-Infrarot-Spektroskopie Das Transmissionsspektrum T(ν), welches die gewünschten Informationen über die Probe enthält, sollte jedoch möglichst keine probenfremden Parameter enthalten. Daher wird das bei Durchstrahlung der Probe erhaltene Spektrum I(ν) durch ein Background-Spektrum I0(ν) dividiert, welches alle o. g. nicht probenspezifischen Informationen enthält: T(ν) = I(ν) / I0(ν) Eine andere gebräuchliche Darstellungsform ist das Absorbanz-Spektrum A(ν), das sich aus dem Transmissionsspektrum wie folgt ergibt: A(ν) = log 1 / T(ν)

apitel III

=

ein)))

����



���

Die Absorbanz A, oder auch Extinktion E genannt, ist zur Konzentration und zur durchstrahl­ ten Schichtdicke proportional und kann daher für quantitative Bestimmungen herangezo­ gen werden. �

�6.6 �

Quantifizierung

Voraussetzung für die Anwendung quantitativer Methoden ist ein linearer Zusammenhang zwischen dem gegebenen Probenparameter (Konzentration, Schichtdicke) und den messbaren Größen (Extinktion). Die lineare Abhängigkeit zwischen absorbiertem Licht und Stoffkonzen­ tration wird beim Transmissions-Experiment über das Lambert Beersche Gesetz beschrieben: 

��

�� = ��� = �� �

Gleichung 6.2

Die Größe Eλ nennt man Extinktion (Englisch: absorbance) und α den Extinktionskoeffi­zienten. Die Aufgabe der quantitativen IR-Analyse besteht darin, die Konzentration c mit Hilfe von Eλ anhand einer charakteristischen Absorptionsbande zu bestimmen. Die Schichtdicke d ist � � dabei z. B. über die Länge der durchstrahlten Küvette bestimmt. � = �� � �� Zunächst wird dafür eine Kalibrationsgerade erstellt, in dem man mindestens 10 Maßlö­ sungen der zu bestimmenden Substanz in einem Lösemittel herstellt. Die Infrarot-Spektren dieser Maßlösungen werden gemessen. Dann wird eine charakteristische Absorptionsbande ausgewählt und deren Intensität in allen gemessenen Spektren entweder über die Peak-Höhe oder die Peak-Fläche bestimmt. Diese Werte werden in einem Diagramm gegen die Menge an eingesetzter Substanz �� aufgetragen. Daraus ergibt sich nach linearer Regression eine Kalli­ �� = � und Achsenabschnitt zur Auswertung der Infrarot-Spektren brationsgerade, deren Steigung � � � �� )� �� Substanzmenge verwendet werden [6]. der Lösungen������ mit unbekannter

7

Oberflächen-Infrarot-Spektroskopie

Das Standardverfahren der Absorptions/Transmissionsmessung an planparallelen Schichten (KBr-Pressling, Flüssigkeitszelle usw.) stellt ein zuverlässiges Mittel zur Identifizierung und �� chemischen Charakterisierung auch geringer Substanzmengen dar. Diese Standardmethode �= � ist jedoch nicht oberflächenempfindlich, da die Probe senkrecht durchstrahlt wird. 119

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik In der Lackindustrie werden jedoch häufig Oberflächenphänomene untersucht, die mit der gängigen Methode der Transmissionsmessung nur ungenügend oder gar nicht erfasst wer­ den können. Hier bieten moderne Methoden der Reflexions-Infrarot-Spektroskopie eine Al­ ternative, die es gestattet, dünnste Schichten auf nahezu allen Substraten mit hoher Nach­ weisempfindlichkeit und großer Oberflächensensitivität zu charakterisieren. Dabei wird die Intensität der IR-Strahlung, die von der Probe reflektiert wird, gegen die Wellenlänge (bzw. Wellenzahl) gemessen. Im Gegensatz zu den Transmissionsverfahren spielt hierbei eine Reihe von physikalischen Prozessen und Parametern (Reflexion, Brechung, Polarisation, usw.) eine Rolle, die die Natur der Spektren wesentlich beeinflussen. Die erhaltenen Spektren sind da­ her nicht in jedem Fall trivial interpretierbar. Um die gewünschten chemischen Aussagen ei­ nes Infrarot-Reflexions-Spektrums von physikalischen Effekten (Bandenasymmetrien, Rest­ strahlenbanden, Bandeninversionen usw.) klar zu unterscheiden, ist es daher unerlässlich, das Verhalten von Infrarotstrahlung an den betrachteten Grenzflächen für jedes Verfahren zu beleuchten. Die nachfolgend beschriebenen Verfahren bedienen sich der physikalischen Effekte der externen (IR-Mikroskopie, IRRAS) und internen Reflexion (➝ ATR-FT-IR) von Infrarotstrah­ lung. Bei der Beschreibung dieser Phänomene liegen sowohl die Fortpflanzung des Infrarot­ lichtes in einem optischen Medium als auch die Reflexion und Brechung von Licht an Grenz­ flächen zwischen Medien unterschiedlicher optischer Dichte zugrunde.

7.1

ATR-Spektroskopie

Organische Polymere wie z. B. Lackbindemittel stellen häufig starke Absorber dar. Das be­ deutet, mit der Durchstrahlungstechnik sind diese Proben gar nicht oder nur in sehr dünner Schicht IR-spektroskopisch analysierbar. In diesem Fall hat sich die Verwendung der Internen Reflexion (MIR, ATR, FTR) bewährt. Bei dieser Methode wird die Infrarot-Strahlung durch einen als Lichtleiter dienenden Kristall geführt, der nur an der Oberfläche mit dem Substrat kontaktiert ist. Damit lassen sich auch stark absorbierende Proben ohne Schwierigkeiten charakterisie­ ren. Dies ist insbesondere dann von Vorteil, wenn stark pigmentierte oder wasserbasierte La­ cke zu untersuchen sind. Die theoretischen Arbeiten zu dieser Technik basieren auf Unter­ suchungen von Harrick aus den sechziger Jahren [7]. Im Gegensatz zur klassischen Infrarot-Spektro­ skopie handelt es sich bei dieser Technik um ein Reflexionsverfah­ ren, mit dem nicht das gesamte Probenmaterial, sondern nur oberflächennahe Bereiche durch­ strahlt werden. Dazu wird der zu untersuchende Probenbereich (z. B. eine Lackoberfläche) in Kon­ takt mit der Oberfläche eines Kris­ talls gebracht, der als Lichtleiter für die IR-Strahlung fungiert. An der Kontaktfläche zwischen der Oberfläche des optisch dichteren Abbildung III.20: Grundprinzip der ATR-Spektroskopie 120

Oberflächen-Infrarot-Spektroskopie Materials (Kristall) und der Oberfläche des zu untersuchenden Materials kommt es dann zu einer Wechselwirkung des Infrarotstrahles mit den Bestandteilen der Oberfläche des unter­ suchten Materials.

7.1.1

Physikalische Grundlage

7.1.2

Eindringtiefe

Bringt man eine Probe in intensiven optischen Kontakt mit einem ATR-Kristall, so erzeugt man eine Grenzfläche zwischen zwei Medien mit unterschiedlichem Brechungsindex n1 und n2. Fällt nun ein paralleles Strahlenbündel auf die Grenzfläche zwischen diesen zwei Medien mit den Brechungsindices n1 und n2 (mit n1 > n2), so wird das Strahlenbündel dort teilweise gebrochen bzw. reflektiert. Variiert man den Einfallswinkel q, kommt es beim kritischen Win­ kel θc zur Totalreflexion an der Grenzfläche (s. Abbildung III.21). tel III Dabei tritt ein Teil der Strahlungsenergie als evaneszente Welle mit der Eindringtiefe dp aus dem Medium n1 (Reflexionskristall) in das andere Medium (Probe) ein. Der Strahl wird dadurch um die Distanz D versetzt und tritt wieder in den Kristall ein (s. Abbildung III.22). � � = � Die bei der Totalreflexion in das optisch dünnere Medium (Probe) eindringende Strah­ ��� � lung wird von dieser durch Energieabsorption an Bindungen im Molekül charakteristisch ab­ ))) geschwächt. Unter geeigneten Bedingungen werden Spektren erhalten, die bezüglich Lage der Absorptionsbanden den in Transmission aufgenommenen entsprechen.

��

Wichtig für��die Beurteilung der erhaltenen Spektren ist, wie bei allen Verfahren der Oberflä­ �� = ��� = � chenanalytik, � das Wissen� darüber, aus welchen Bereichen der Probe die Informationen stam­ men, die sich im Spektrum abbilden. Dazu ist es entscheidend, zu beurteilen, wie tief der an­ regende Strahl in die Probenoberfläche eindringt. Die Abnahme des elektrischen Feldes mit der Distanz zum reflektierenden Interface kann, vereinfacht beschrieben werden als 

� = �� �

� � ��

Gleichung 7.1

Dabei bedeutet dp die Eindringtiefe der elektromagnetischen Welle.

�� =

��



������� � � ���� )�

�=

�� �

Abbildung III.21: Interne Reflexion und Interne Totalreflexion

121



g 7.1:

� = �� �

� � ��

�� Teil � III = Theoretische Aspekte der Lackanalytik �

g 7.2:





������� � � ���� )� �� =

��

Sie ist definiert als die Tiefe, bei der die elektrische Feldamplitude den Wert 

g 7.3:

erreicht.

�=

�� �

Gleichung 7.3

�=

�� �

���

g 7.4

=

Gleichung 7.2



������� � � ���� )�



��

g 7.5:

= ����

Abbildung III.22: Prinzip der evaneszenten Welle bei Totalreflexion an der Grenzfläche zwischen ATR-Kristall und Probe

Damit ist die Eindringtiefe ein Maß für die Abnahme des elek­ trischen Feldvektors in Abhän­ gigkeit von der Entfernung vom reflektierenden Interface, nicht jedoch für die wahre Informati­ onstiefe. Trotzdem können aus der Gleichung für die Eindring­ tiefe qualitative Informationen über die Abhängigkeit der Infor­ mationstiefe von den Faktoren Einfallswinkel θ, Wellenlänge λ sowie Brechungsindex n2 und n1 gewonnen werden.

Abbildung III.23: Vergleich des Absorptionsspektrums und des ATR-Spektrums eines Polymers

122

��

�� = ��� = �� �

Oberflächen-Infrarot-Spektroskopie

Gleichung 7.1:





� = �� � �� –– Mit abnehmendem Einfallswinkel der Primärstrahlung steigt die Eindringtiefe an. In der Nähe des kritischen Winkels wird die Eindringtiefe unbegrenzt groß. –– Mit zunehmenden n21 Werten bei gegebenem Einfallswinkel steigt die Eindringtiefe an. Gleichung 7.2: –– Die Eindringtiefe ist linear von der Wellenlänge abhängig steigt also mit zunehmender Wellenlänge an. �� �� =Brechungsindex von� 4,0 und ist für IR-Strahlung Beispielrechnung: Germanium hat einen � � � �� )� -1 �� durchlässig im Bereich 2 bis12 µm (5000 ������ bis 833 cm ). An der Grenzfläche Germanium/ Luft beträgt die Eindringtiefe dp bei 45° Einfallswinkel 120 nm bei 5000 cm-1 und 720 nm bei 833 cm-1 Für die praktische Anwendung kann man sich als Faustregel merken, dass dp ~ 1/4 λ beträgt. Gleichung 7.3:

7.1.3

Informationstiefe der Probe

�� Bei Erreichen der Eindringtiefe dp ist die Feldstärke � = des elektrischen Feldes auf 37 % des � Ausgangswertes an der Grenzfläche abgefallen. Das bedeutet, dass die real erfasste Tiefe (In­ formationstiefe) deutlich größer ist. Bei Vergleichsmessungen an dünnen Polymerschichten wurde gefunden, dass die reale Informationstiefe ds ~ 3dp beträgt.

7.1.4 Schichtdicke GleichungEffektive 7.4 Analog zum Transmissionsfall, für den �=





��

= ����

Gleichung 7.4

mit T = Transmittance, a =Absorptionskoeffizient in cm-1 und d = Probendicke gilt kann bei interner Reflexion die Reflektivität R für eine einzelne Reflexion als Näherung für schwache Absorber formuliert werden als Gleichung 7.5:



ࡾ ൌ ࢋିࢻࢊࢋ

Gleichung 7.5

In dieser Näherungsgleichung ist die Schichtdicke d ersetzt durch die effektive Schichtdicke de. Dabei bezeichnet Gleichung 7.6: de die Schichtdicke, die die gleiche Absorption erzeugt wie bei einer Transmissionsmessung unter senkrechtem Einfallswinkel. ࡾ ൌ ࢋିࢻࢊࢋ ؆ ࡾ ൌ ૚ െ ࢻࢊࢋ Damit ist die effektive Schichtdicke ein Maß für die Stärke der Kopplung des E-Feldes mit der Probe. Aus der Definition der effektiven Schichtdicke geht hervor, dass ein guter optischer Kon­ Gleichung 7.7: takt eine wesentliche Voraussetzung für die Reproduzierbarkeit von ATR-Spektren darstellt. ૜ࡷ Dieser optische Kontakt ist eine Funktion der Probenrauigkeit sowie des Anpressdruckes. ࡺࡳ ൌ  Um quantitative Auswertungen durchführen zu können, ࢙muss dieser Anpressdruck bei allen Vergleichsproben gleich sein. Dies kann durch Verwendung eines Drehmomentschlüssels ge­ währleistet werden. Gleichung 7.8:

7.1.5

Bestimmungen ࡺQuantitative ൌ  ‫ࣂ ܜܗ܋‬ ૛࢚ Aufgrund der hohen Sensitivität eignet sich die ATR (MIR)-Technik sowohl zur qualitativen als auch zur quantitativen Untersuchung von Oberflächenschichten. Dabei werden in der Re­ gel unterschiedliche Ziele verfolgt, die sich aus Elektronen/Intensität den untersuchten Fragestellungen ergeben:  = Gesamtintensität der rückgestreuten des einfallenden Primärstrahles ࢒

(((bitte mit Bruchstrich setzen))) nach Abb. III.54

123 Gleichung 12.1:

Ekin = h - Eb - S - F

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik –– Bestimmung geringer, in mehr oder weniger komplexe Matrices eingebetteter Substanz­ mengen, –– Schichtdickenbestimmungen, –– Tiefenprofilmessungen. Jedoch ist die Durchführung quantitativer Bestimmungen nicht trivial, und es müssen diverse Randbedingungen beachtet werden. Im ATR (MIR)-Fall wirken sich zusätzlich die variablen Parameter –– Brechungsindex, –– Einfallswinkel der Primärstrahlung, –– Wellenlänge, –– Anzahl der Reflexionen, –– Falschlicht, –– Streulicht, –– und Anpressdruck ିࢻࢊࢋ

ࡾൌࢋ auf das Erscheinungsbild des Spektrums und damit auf die Quantifizierbarkeit aus. Die ers­ ten drei Punkte gehen in die effektive Schichtdicke ein. Bei ATR-Quantifizierungen wird die Extinktion über die normierte Reflektivität (Englisch: reflectance) beschrieben: Gleichung 7.6:



7.1.6

ࡾ ൌ ࢋିࢻࢊࢋ ؆ ࡾ ൌ ૚ െ ࢻࢊࢋ

Nachweisgrenze Gleichung 7.7:

Gleichung 7.6

Die Nachweisempfindlichkeit der ATR-Spektroskopie muss ૜ࡷ je nach Aufgabenstellung unter­ ࡺࡳ ൌ  schiedlich formuliert werden. ࢙ Bei in eine Matrix eingebetteten Substanzen und bei der Untersuchung von Substraten oder Substratoberflächen mit Schichtdicken d>>dp hat die effektive Schichtdicke und da­ mit alle Gleichung sie beeinflussenden Parameter entscheidenden Einfluss auf die Nachweisgrenze. Da 7.8: de ein Maß für die Wechselwirkung der anregenden Strahlung mit dem Substrat darstellt, ࢒ ࡺ ൌ  ‫ࣂ ܜܗ܋‬Parameter, die zur Erhöhung von de führen, eine Verbesserung der bewirken alle variablen ૛࢚ Nachweisgrenze. Bei der Bestimmung der Belegungsdichte einer Oberfläche oder allgemein bei Schicht­  = Gesamtintensität der rückgestreuten Elektronen/Intensität des einfallenden Primärstrahles dicken d10 µm. Für die praktische Arbeit ist es jedoch sinnvoller, wenn das Infrarot-Mikroskop über einen Wechselrevolver mit mindestens drei Objektiven verfügt: 1. Ein rein lichtoptisches Objektiv zur groben Vorauswahl und Orientierung auf der Probe. 2. Ein Cassegrain-Objektiv zur Reflexions-/Transflexions- und Transmissionsmessung. 3. Ein ATR-Objektiv zur Oberflächen-Mikroanalyse. Es gibt in jüngster Zeit auch Tendenzen im Gerätebau auf die lichtoptische Betrachtung der Probe durch Okulare und Objektive ganz zu verzichten und stattdessen die Orientierung auf der Probe und die Einstellung des zu untersuchenden Bereiches ausschließlich durch Video­ bilder zu bewerkstelligen. Dies erweist sich jedoch häufig in der Praxis als schwierig, da man mit dem menschlichen Auge viel umfangreichere Kontraste sieht und daher insbesondere die Navigation auf inhomogenen Proben auf die konventionelle Art wesentlich schneller geht. Neben Punktanalyse kann man (vorausgesetzt das IRM ist mit einem computergesteuer­ ten Tisch ausgerüstet) auch Mehrpunktmessungen durchführen. Zum einen können auf einer vorher definierten Spur viele Messungen linear aneinandergereiht werden. Dieser sogenannte Linescan ist hilfreich, wenn man feststellen will, wie sich die chemische Zusammensetzung z. B. in einer Linie durch einen Lackkrater verändert.

Abbildung III.29: Infrarot-Mikroskop mit einem Transflexions-Objektiv und einem ATR-Objektiv

130

Abbildung III.30: Strahlengang durch Spiegeloptiken (Cassegrain-Objektive) für den Transmissions- (links) und den Transflexions-/Reflexionsfall (rechts)

Infrarot-Mikroskopie Reicht diese Information nicht aus, dann kann mit Hilfe des computergesteuerten Tisches auch ein Probenbereich definiert werden, über den dann Punkt für Punkt, Zeile für Zeile ein zweidimensionales Raster von Einzelmessungen gelegt wird (Mapping). Der Infrarot-Strahlengang wird in der Regel aus einem Standard-FT-IR-Spektrometer aus­ gekoppelt und in das Infrarot-Mikroskop eingekoppelt. Nach Durchlaufen der Probe wird der Infrarotstrahl auf einen mit flüssigem N2-gekühlten MCT-Detektor geleitet. Herkömmliche, für die Standardanalytik gebräuchliche DTGS-Detektoren sind in der IR-Mikroskopie nicht ausreichend.

8.2

Infrarot-Mikroskopie in Transmission

Dieser Fall tritt in der praktischen Anwendung bei Lacken relativ selten auf. Damit diese Tech­ nik eingesetzt werden kann, muss das Untersuchungsobjekt mehrere einschränkende Voraus­ setzungen aufweisen. Es muss –– Transparent, –– schwach absorbierend und –– sehr dünn sein. Ist eine der o. a. Voraussetzungen nicht erfüllt, wird in der Regel kein Infrarotspektrum erhal­ ten. Eine typische Anwendung ist die Charakterisierung von Mikrotomschnitten von Mehr­ schichtsystemen. Wird ein Mikrotomschnitt eines Lackaufbaus auf Stahl oder Polymer er­ stellt, können die einzelnen Schichten spektroskopisch am Querschnitt untersucht werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Schichtdicke im Bereich von >10 µm liegt.

8.3

Infrarot-Mikroskopie in Reflexion

Diese Technik wird eingesetzt, wenn dünne, transparente Schichten oder Mikropartikel auf metallischen Substraten zu charakterisieren sind. Auch hierbei ist die Voraussetzung, dass die durchstrahlte Schicht nicht zu stark absorbierend bzw. nicht zu dick sein darf. Das zu untersuchende Präpa­ rat (z. B. ein 5 µm dicker Schnitt durch eine Probe) wird auf ei­ nem, die Infrarotstrahlung reflek­ tierenden Substrat aufgebracht. Das kann z. B. eine Aluminiumfo­ lie, ein spiegelndes Aluminium­ blech, eine vergoldete oder versil­ berte Oberfläche sein. Gemessen wird dabei unter senkrechtem Einfallswinkel der IR-Strahlung. Der Strahlengang wird zunächst auf eine freie nicht beschichtete Stelle des Substrates fokussiert. Dort wird ohne das zu charak­ terisierende Objekt ein Hinter­ grundspektrum aufgenommen. Abbildung III.31: Reflexions-(Trans­flexions) Objektiv Diese Vorgehensweise empfiehlt (Cassegrain Optik) 131

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik sich, um störende physikalische Einflüsse auf die Grundlinie durch den Reflexionsvorgang zu minimieren. Dann wird auf das zu untersuchende Objekt fokussiert und wenn nötig, der Strahlengang noch durch eine variable Blende auf den zu analysierenden Bereich eingegrenzt (maskiert). So können z. B. einzelne Partikel, die in eine komplexe Matrix eingebettet sind, weitgehend ohne störende Einflüsse dieser Matrix spektroskopisch analysiert werden. Der Infrarot-Messstrahl tritt von oben in die Probe ein, durchläuft diese bis zur reflektierenden Grenzschicht mit dem Träger, wird dort reflektiert und durchläuft die Probe ein zweites Mal. Es handelt sich bei diesem Strahlengang also um eine Mischung aus Reflexion und (zweifa­ cher) Transmission. Daher wird dieser Vorgang auch als Transflexion bezeichnet. Die so er­ haltenen Spektren sind trotz alledem nicht immer einfach auszuwerten, weil Einflüsse wie Reflexionen an Schichtgrenzen, Mehrfachreflexionen, Streuungen die Art des Spektrums je nach Probe deutlich beeinflussen und einzelne Banden deutlich verzerren. Es ist daher gele­ gentlich schwierig, zwischen chemischen Einflüssen und diesen physikalischen Einflüssen auf das Spektrum zu unterscheiden. Wird zum Beispiel ein Mikropartikel auf einem metallischen Substrat untersucht, dann tritt der IR-Strahl, der auf diesen Partikel fokussiert wurde, durch dieses Teilchen durch, wird an der Metalloberfläche reflektiert, tritt ein weiteres Mal durch das Teilchen und wird zum Spektrometer gelenkt. Je nach Art des Teilchens kann es dabei zu Teil- oder Totalreflexionen, Beugung oder Streuung an der Partikeloberfläche bzw. beim Durchtritt kommen. Diese Ef­ fekte können die Natur des Spektrums stark beeinflussen. Sehr gut funktioniert diese Technik bei Dünnschnitten durch nicht zu stark absorbierende Lacke, Polymere und bei Bindemittelanalysen.

8.4

ATR-Mikroskopie

Während die beiden vorgenannten Techniken zwingend verlangen, dass die zu untersuchen­ den Probenbereiche nicht zu stark absorbieren bzw. optisch und für IR-Licht transparent sind, trifft dieses für die ATR-Infrarot-Mikroskopie nicht zu. Sie ist genau wie die H-ATR unabhängig von der Schichtdicke des zu untersuchenden Objektes und auch auf stark ab­ sorbierende Proben anwendbar. Die Limitierungen entsprechen denen der herkömmlichen ATR-Spektroskopie.

Abbildung III.32: Strahlengang bei der IR-mikroskopischen Charakterisierung A: einer dünnen Beschichtung, B: eines Mikropartikels, C: eines Einschlusses in einer Beschichtung auf einem reflektierenden Substrat (Messung in Reflexion)

132

Infrarot-Mikroskopie Für die ATR-Mikroskopie wird ein spezielles ATR-Objektiv eingesetzt bei dem die IR-Strah­ lung von der Spiegeloptik in einen sehr kleinen ATR-Kristall eingekoppelt wird, der mit der zu untersuchenden Probenstelle in Kontakt gebracht wird. Dieser besteht aus Material, wel­ ches IR-Strahlung durchlässt (i. d. R. Germanium) und hat die Form eines Kegelstumpfes. Die Deck­ fläche dieses Kegelstumpfes ist naturgemäß kreis­ rund und definiert den Bereich der maximal mit der Probe in Kontakt stehen kann. Diese Kreisfläche hat einen Durchmesser von 100 µm und wird über ei­ nen Drucksensor mit einer definierten Kraft mit der Probe kontaktiert. Germanium hat einen hohen Bre­ chungsindex (4,0) und lässt IR-Strahlung zwischen 870 cm-1 und 5500 cm-1 durch. Auch wenn die Deck­ fläche des Kristalls einen Durchmesser von 100 µm hat, ist die tatsächlich analytisch wirkende Fläche bedingt durch den Brechungsindex des ATR-Kris­ talls geringer. Dadurch und durch Maskierung von Probenbereichen mit Hilfe einer optisch transpa­ renten Schneidenblende können in der Praxis late­ rale Auflösungen von 12 bis 15 µm erreicht werden. Durch den direkten Kontakt zwischen ATR-Kristall und Probe fallen störende optische Effekte wie bei der IR-Mikroskopie in Reflexion oder aufwendige Probenpräparationen wie bei der Transmissions­ messung weg. Demzufolge ist diese Technik vielsei­ tiger einsetzbar. Typische Anwendungsgebiete sind z. B.: Abbildung III.33: ATR-Mikrokopie–– Stippen- und Krateranalyse auch in stark gefüll­ Objektiv (oben) und lichtmikroskopische ten Lacken Aufnahme der „Spitze“ des ATR-Kristalls (unten) –– Partikelanalyse auch in wässriger Umgebung –– Identifizierung von Fasern aller Art –– Untersuchung von Siebrückständen –– Untersuchung von Punktkorrosion –– Identifizierung von Ablagerungen auf Lackober­ flächen

8.5  Linescan- und MappingAnalyse Die Infrarot-Mikroskopie ermöglicht nicht nur die punktgenaue chemische Analyse kleiner Punkte im Mikrometer-Bereich (Beispiele: Mikroeinschlüsse in Lackschichten, Siebrückstände), sondern auch die Darstellung der chemischen Zusammensetzung in einem größeren Bereich über sogenannte „Li­ nescans“- und „Mapping“-Analysen.

Abbildung III.34: Lichtmikroskopische Aufnahme der Deckfläche (Kontaktfläche mit der Probe) an der „Spitze“ des ATR-Kristalls

133

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik

Abbildung III.35: Prinzip der ATR-Mikroskopie als Linescan-Analyse

Abbildung III.36: Prinzip der ATR-Mikroskopie als Mapping-Analyse (hier eines Lackkraters)

134

Infrarot-Mikroskopie Dabei wird zunächst mit niedriger Auflösung ein interessierender Probenbereich mit Hilfe von lichtoptischem Okular ausgewählt (z. B. ein Lackkrater). Dieser Bereich wird anschließend in der Software durch Grenzpunkte fixiert. Innerhalb dieser Grenzpunkte nimmt das Spek­ trometer ein Raster von Einzelbildern auf, die zu einem digitalen Lichtmikroskopie-Bild des zu untersuchenden Probenbereiches zusammengefügt werden. Innerhalb dieses Bereiches wird dann der eigentlich zu analysierende Bereich ausgewählt. Das kann eine Linie von Mess­ punkten der sog. „Linescan“ (z. B. durch einen Krater) sein oder ein zweidimensionales Mess­ feld das sog. „Mapping“ aus X * Y Messpunkten. Beim Linescan wird entlang einer vorher definierten Linie Punkt für Punkt gemessen, wobei von jedem Messpunkt ein vollständiges Spektrum aufgenommen wird. Der dabei entstehende Datensatz kann dann hinterher bezüg­ lich einzelner Linien ausgewertet werden. Gegenüber einer einfachen Punktmessung erhält man dadurch zusätzliche Informationen über die Lokalisation einzelner Substanzen und de­ ren Verteilung entlang der optisch vordefinierten Linie. Noch mehr Informationen erhält man dann, wenn man in X/Y Richtung zeilenweise über eine Fläche rastert. Hat man beispielsweise einen Bereich von 1,2 * 1,2 mm ausgesucht, über den ein Ras­ ter mit einem Punktabstand von 100 µm gelegt wird, welches vom ATR-Objektiv abgefahren wird, dann erhält man einen Datensatz von 12 * 12 = 144 Einzelspektren aus denen die Infor­ mationen über die chemische Zusammensetzung im untersuchten Probenbereich gewonnen werden. Man erstellt damit sozusagen eine chemische Landkarte über den vorher definier­

Abbildung III.37: Graphische Darstellung der Verteilung der Intensität von lackbenetzungsstörenden Substanzen (hier Paraffine) im Krater und außerhalb als 2D-Konturplot in Falschfarbendarstellung, als 3D-Falschfarbenkonturplot und als 3D-Säulendarstellung in Falschfarben

135

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik ten Untersuchungsbereich. Daher wird das Verfahren auch „Chemical Mapping“ genannt und stellt das Gegenstück zum sogenannte „Imaging TOF-SIMS“ (wenn auch mit anderer Emp­ findlichkeit) dar. Es liefert nicht nur die Information, dass eine Substanz an einer Stelle vor­ handen ist, sondern auch wo genau sie zu finden ist. Aus diesem Datensatz wählt man dann ein Spektrum eines interessierenden Bereiches aus und ordnet die Peaks wie gehabt per Da­ tenbankrecherche zu. Erst wenn die Substanzen identifiziert sind, erfolgt die Auswertung der Daten bzgl. der räumlichen Verteilung. Dazu wird ein charakteristischer Peak einer Substanz gewählt (z. B. die Signallinie eines Trennmittels bei 729 cm-1). Dieser Peak wird anschließend für jedes gemessene Einzelspektrum integriert und per Software der Wert der Intensität die­ ser Signallinie über alle Messpunkte des Linescans oder des Mappings graphisch dargestellt. Je nach gewählter Darstellungsart kann dies in Form einer Säulengrafik, eines 2D-Falschfar­ ben codierten Konturplots oder als 3D-Fläche erfolgen.

8.6

Stippenbildung als Analysenbeispiel

Problembeschreibung In einer zweischichtigen Lackierung bestehend aus Basislack und mattem Klarlack treten nach einer Anlagenreinigung vermehrt Stippen in der obersten Lackschicht auf. Analytische Vorgehensweise Zunächst erfolgt eine lichtmikroskopische Untersuchung (s. Abbildung III.38) auf evtl. vor­ handene Fremdeinschlüsse, die sich durch farblichen Kontrast bemerkbar machen. Im vorlie­ genden Beispiel bleibt sie ohne Befund. Danach wird ein Mikrotomschnitt durch eine beliebig ausgewählte Fehlstelle durchge­ führt und dieser Schnitt lichtmikroskopisch erneut auf Fremdkörper untersucht. Auch diese Untersuchung bleibt ohne Befund (s. Abbildung III.39), da rein lichtoptisch keine Fremdkörper oder andere Einschlüsse in der Fehlstelle erkennbar sind. Daraus ergibt sich die Frage, ob die Stippe durch einen Spritznebeltropfen des Klarlackes verursacht wor­ den sein könnte. Diese Frage kann jedoch nur eine chemische Mikroanalyse beantworten. Da­ her wird an einem 5 µm Dünnschnitt eine zweidimensionale Infrarot-Mikroskopie-Analyse (Mapping) durchgeführt. Dazu wird der 5 µm Schnitt über einer Lochblende platziert und

Abbildung III.38: Zweischichtig lackiertes Polymer mit Stippen in der Klarlackschicht (links), lichtmikroskopische Aufnahme einer Stippe (rechts)

136

Infrarot-Mikroskopie in Transmission mit einer Schlitzblendeneinstellung von 20 * 20 µm über ein Rasterfeld von 23 * 12 Messpunkten analysiert. Ergebnis Die Auswertung der Spektren zeigt, dass die Stippe im Wesentlichen aus Klarlack besteht. In­ nerhalb der Stippe ist zusätzlich eine Anreicherung eines Carbamates nachweisbar. Es han­ delt sich dabei um ein (ungewolltes) Reaktionsprodukt des Isocyanates des Klarlackes mit ei­ nem einwertigen Alkohol. Bewertung Im Zuge der Reinigung der Anlage ist es zu einer Reaktion eines als Lösemittel eingesetzten Alkohols mit Isocyanatresten in der Lackieranlage gekommen. Die Reaktionsprodukte wurden nicht vollständig entfernt und beim nächsten Lackiervorgang mit dem Klarlack ausgetragen.

Abbildung III.39: Lichtmikroskopische Aufnahme (Durchlicht) eines 5 µm Schnittes durch eine beliebige Fehlstelle

Abbildung III.40: Lichtmikroskopische Aufnahme (Durchlicht) des 5 µm Schnittes (aufgenommen durch die Messoptik); (die hellgrünen Kreise symbolisieren die Messpunkte, die grünen Vierecke zeigen die Aperturkanten an, die farblich markierten Punkte sind frei gewählte Messpunkte innerhalb der Messmatrix aus denen Spektren ex­ trahiert wurden.

Abbildung III.41: Falschfarbendarstellung der integrierten Intensität einer charakteristischen Signal­ linie des Klarlackes (links) und eines Carbamates (rechts) farbcodiert zwischen Weiß (hohe Intensität) und Dunkelrot bzw. Dunkelblau (niedrige Intensität)

137

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik

9  Sekundärionen-FlugzeitmassenSpektrometrie (TOF-SIMS) Das Prinzip der Sekundärionen-Massenspektrometrie (SIMS) beruht auf der seit 1910 be­ kannten Tatsache [8], dass der Beschuss einer Festkörperoberfläche mit geladenen Teilchen, den Primärionen, die Emission von Sekundärteilchen induziert. Ein Teil dieser zerstäubten (gesputterten) Teilchen ist geladen, dies sind die Sekundärionen (SI). Sie sind charakteristisch für die chemische Zusammensetzung und Struktur der obersten Monolagen des Festkörpers und werden hinsichtlich ihrer Masse analysiert. Die Analyse der Proben erfolgt mit einem hochenergetischen Ionenstrahl (Primärionen­ energie, einige keV) aus Edelgasionenquellen (Ar+) oder Flüssigmetallionenquellen (Ga+). Die dabei gebildeten Sekundärionen stammen überwiegend aus den obersten Monolagen der be­ schossenen Oberfläche. Wählt man die Primärionen-Dosisdichte (PIDD >1013/cm2) so groß, dass es durch den Beschuss zu einem kontinuierlichen Abtrag der Oberfläche kommt, so spricht man von dynamischer SIMS. Dieses zerstörende Verfahren erlaubt die Erstellung von

Abbildung III.42: Schematische Darstellung des SIMS-Prozesses

138

Sekundärionen-Flugzeitmassen-Spektrometrie (TOF-SIMS) Tiefenprofilen der untersuchten Probe, in dem Atomlage nach Atomlage abgetragen wird. Unter Tiefenprofil versteht man eine Messung der Elementkonzentration in Abhängigkeit von der Abtragtiefe. Bei der Untersuchung organischer Proben, wird in der Regel mit statischer SIMS (SSIMS) gearbeitet. Die PIDD wird dabei so niedrig gehalten, dass während der Analyse weniger als 1 % der obersten Monolage abgebaut wird und die Untersuchung als quasi zerstörungsfrei angesehen werden kann. Das bedeutet, dass auch sehr dünne organische Schichten identi­ fiziert werden können, ohne dass diese durch den Beschuss mit den Primärionen zerstört werden.

9.1  Physikalische Grundlagen a) Anregung der Oberfläche Trifft ein Primärion auf die Oberfläche eines Festkörpers, so verliert es seine Energie durch elastische und nicht-elastische Stöße. Dadurch erzeugt der Einschlag des Ions in einem ober­ flächennahen Volumen eine Stoßkaskade, in deren Folge einige Atome der obersten Mono­ lage genug Energie erhalten, um die Oberflächenbindungsenergie zu überwinden und damit den Festkörper zu verlassen. Dies sind in der Hauptsache Sekundärneutralteilchen sowie un­ tergeordnet Sekundärionen (SI). b) Detektion der Sekundärionen Die gebildeten Sekundärionen müssen nun detektiert und hinsichtlich ihrer exakten Masse analysiert werden. Dazu wird nach der Ionenbildung ein Analysator eingesetzt. Dafür gibt es unterschiedliche Grundkonzepte. Neben dem Quadrupol- und dem Sektorfeld-Analy­ sator ist ein weithin gebräuchliches Verfahren die Analyse der Sekundärionen nach dem Flugzeit-Prinzip. Bei der Flugzeit-Sekundärionen-Massenspektrometrie (TOF-SIMS) wird die Masse der desorbierten SI durch Messung der Flugzeit ti bestimmt, die sie für das Zurücklegen einer bekannten Strecke s benötigen. Dazu werden die SI mit Hilfe eines elektrischen Feldes von der Oberfläche abgezogen und auf die gemeinsame Energie E gebracht. Nach den Energiesätzen der Physik ergibt sich dar­ aus, dass Ionen unterschiedlicher Masse eine unterschiedliche Geschwindigkeit haben müs­ sen. Das bedeutet, sie benötigen zum Durchfliegen einer gegebenen Driftstrecke unterschied­ liche Zeiten und kommen so zeitversetzt am Detektor an. Zur Definition des Startzeitpunktes wird der Primärionenstrahl gepulst. Als Stopp-Zeitpunkt dient das Auftreffen der Ionen auf dem Detektor. Die Intensität des Signals wird dann in Abhängigkeit von der Masse aufge­ zeichnet und ergibt das Sekundärionen-Massenspektrum. Das Flugzeit-Prinzip zur Trennung

Abbildung III.43: Flugzeit-Prinzip

139

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik der Sekundärionen zeichnet sich z. B. gegenüber dem Quadrupolverfahren durch eine deut­ lich größere Nachweisempfindlichkeit aus. Diese kann heute bis zu wenigen fmol Substanz­ menge reichen.

9.2

Apparativer Aufbau

Beim TOF-SIMS-Verfahren handelt es sich, wie bei der XPS und der REM, um ein Vakuumver­ fahren. Die zu untersuchende Probe wird nach Abpumpen flüchtiger Bestandteile in der Va­ kuumvorkammer in das eigentliche Messinstrument eingeschleust. Dort erzeugt eine Ionen­ kanone die geladenen Teilchen (z. B. Ar+, Au+) mit denen die Oberfläche angeregt wird. Der Ionenstrahl wird gebündelt und über eine Pulsungseinheit gelenkt. Diese ist nötig, um für die Zeitmessung der Flugzeit der Sekundärionen den Startpunkt zu setzen. Die Pulsung lenkt eine große Anzahl kurzer Ionenpulse auf die Probenoberfläche. Dieser gepulste Ionenstrahl wird fokussiert und rasternd Zeile für Zeile in einem vorher definierten Bereich über die Pro­ benoberfläche geführt. Die in der Probenoberfläche ausgelösten Sekundärionen werden von einem Extraktor von der Oberfläche abgezogen, auf die gleiche Energie gebracht und durch­ laufen, sodann den TOF-Analysator (TOF = Time of Flight = Flugzeit), wo sie entsprechend ih­ rer Masse nach der Flugzeit aufgetrennt werden. Die am Detektor registrierten Signale wer­ den von speziell dafür entwickelten Programmen zu Spektren oder Bildern verarbeitet.

9.3

Probenbeschaffenheit und Probenpräparation

Generell handelt es sich bei dem TOF-SIMS-Verfahren um eine Technik, die mit minimaler Probenpräparation auskommt und nahezu alle Arten von Proben zulässt. Einzig leichtflüch­

Abbildung III.44: Schematische Darstellung des Messaufbaus nach dem Flugzeit-SekundärionenMassenspektrometrie (TOF-SIMS)-Verfahren

140

Sekundärionen-Flugzeitmassen-Spektrometrie (TOF-SIMS) tige Proben können nicht analysiert werden, da das TOF-SIMS-Verfahren eine Vakuumtech­ nik ist. Das bedeutet, die Proben sollten hinlänglich vakuumfest sein. Ausgehärtete Lackschichten, Pigmente, Füllstoffe und andere Feststoffe werden direkt ana­ lysiert. Pulvrige Proben werden dazu auf Klebeband präpariert. Neben der Oberflächenana­ lyse von Feststoffen können je­ doch auch Nassmuster, wie Bin­ demittel und Lackharze, auf ihre Zusammensetzung untersucht werden. Das ist in der Tat eine eher unerwartete Anwendung für das TOF-SIMS-Verfahren, han­ delt es sich doch dabei um eine Oberflächentechnik und nicht um ein Verfahren zur Messung von Volumenbestandteilen. Außer­ dem ist zu beachten, dass im Va­ kuum Nassmuster ausgasen oder ganz abgepumpt werden. In der Tat wurden in den letz­ ten Jahren Präparationstechniken entwickelt, die es erlauben, der­ artige Proben zu charakterisieren und damit gängige Verfahren wie IR-Spektroskopie und GC-MS zu ergänzen oder sogar zu ersetzen. Man bedient man sich zur Untersuchung von Nassmus­ Abbildung III.45: TOF-SIMS-Spektrometer tern eines Tricks. Man nimmt ein geeignet hochreines Material (Sil­ berblech, Aluminiumblech, Sili­ cium) das sogenannte „Target“ dessen Oberfläche gereinigt und anschließend mit dem zu unter­ suchenden Material (z. B. einem Bindemittel) „verunreinigt“ wird. Dazu bringt man eine ultradünne Schicht des zu untersuchenden Materials, z. B. durch „Spin Coa­ ting“, auf. Diese Monolagenprä­ paration ermöglicht die Untersu­ chung von Nassmustern mäßiger Flüchtigkeit. Niedrig siedende Lö­ semittelanteile, z. B. in Nasslack­ proben, können damit natürlich Abbildung III.46: Ausschnitt aus dem TOF-SIM-Spektrum der ebenso wenig erfasst werden. positiv geladenen Sekundärionen vom Polydimethylsiloxan 141

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik

9.4

Spektrenauswertung

Welche Informationen sind nun aus einem SIMS-Spektrum zu erhalten und welcher Weg führt dorthin? Im SIMS-Spektrum wird zwischen Quasimolekülionen und   unterschieden. Als Quasi­ molekülionen werden dabei solche Ionen bezeichnet, die entweder durch Anlagerung an das intakte Molekül (z. B. Ag+ oder Na+) oder durch Abspaltung kleinerer Fragmente (CH3, OH) entstehen. In SIMS-Spektren auftretende Quasimolekülionen sind (M-H)-, (M+H)+, (M+Na)+, (M+K)+, (M+Metall)+. Die Protonierung erfolgt dabei in der Regel an basisch wirkenden Grup­ pen des Moleküls, die Deprotonierung an sauren Gruppen. Es wird von einer Probenstelle in der Regel das Spektrum der negativ geladenen und das Spektrum der positiv geladenen Se­ kundärionen aufgenommen. Die Informationen beider Spektren ergänzen sich. Fragmentionen entstehen durch Zerfall größerer Moleküle und Ionen. Manchmal kön­ nen dabei die aus der EI-Massenspektrometrie bekannten Fragmentierungsreaktionen orga­ nischer Moleküle übertragen werden. Darüber hinaus können Peaks metastabiler Ionen im Spektrum auftauchen. Diese sind in der Regel breit und schlechter aufgelöst als das restliche Spektrum und können daher identifiziert werden. Zahlreiche Arbeiten haben gezeigt, dass neben dem Ionisationsmechanismus auch in­ ter- und intramolekulare Kräfte einen wesentlichen Einfluss auf SIMS-Spektren haben [9, 10]. Starke intermolekulare Kräfte bewirken beispielsweise bei Polymeren eine Verringerung der Transformationswahrscheinlichkeit. Intramolekulare Wechselwirkungen haben hingegen ei­ nen Einfluss auf die Ionenstabilität bzw. die Fragmentierung. Ein weiterer wichtiger Effekt ist die Abhängigkeit der Sekundärionen-Ausbeute von der chemischen Umgebung, der so genannte Matrixeffekt. K. Meyer [11] konnte zeigen, dass dies z. B. zu einer starken Abhängigkeit der SIMS-Spektren vom Oxidationsgrad der Oberfläche führt. Damit kommt der Probenpräparation eine zentrale Bedeutung zu. Der Einfluss der che­ mischen Umgebung zeigt sich ebenso bei der Abhängigkeit der SI-Ausbeuten vom TargetMaterial [12]. Die höchste SI-Ausbeute erhält man, wenn die zu analysierende Substanz als Monolage auf Silber oder Gold präpariert wird. Die dabei auftretende Substratmetall-Katio­ nisierung erlaubt auch die Detektion neutraler Sekundärteilchen als (M+Ag)+ oder (M+Au)+. Bei Polymeren wird eine Abhängigkeit der Art der gebildeten Ionen von der Schichtdi­ cke beobachtet [13]. Während bei Monolagenpräparation auf Edelmetalloberflächen sowohl Fragmentionen im Massenbereich unterhalb von 500 u als auch metallkationisierte Bruch­ stücke des Polymerrückgrates beobachtet werden, verschwinden letztere bei Erhöhung der Schichtdicke. Sowohl Elementionen als auch Molekülionen und Fragmentionen dienen zur Identifizie­ rung chemischer Substanzen. Dies sei am Beispiel der SIMS-Spektren von Polydimethylsilo­ xan (PDMS) demonstriert. CH3 H3C

Si CH3

CH3

CH3 O

O Si

Si CH3

n

CH3

CH3

Polydimethylsiloxan (PDMS) erzeugt in den SIMS-Spektren die in Tabelle III.9 aufgeführten Fragmente. 142

Sekundärionen-Flugzeitmassen-Spektrometrie (TOF-SIMS) Tabelle III.9: Fragmente von PDMS in SIMS-Spektren Spektrum der positiv geladenen Sekundärionen Massenzahl Fragment [28u] Si+ [29u] SiH+ [43u] CH3Si+ [45u] SiOH+ [59 u] CH3OSi+ [73 u] (CH3)3Si+ [117 u] [C3H9OSi2]+ [133 u] [C4H13OSi2]+ [147 u] [C5H15OSi2]+ [191 u] [C5H15O2Si3]+ [207 u] [C5H15O3Si3]+ [221 u [C7H21O2Si3]+ [281 u] [C7H21O4Si4]+ [295 u] [C9H27O3Si4]+

Spektrum der negativ geladenen Sekundärionen Massenzahl Fragment [59 u] [CH3Si–O][60 u] [Si–O2][75 u] [CH3Si–O2][89 u] [(CH3)3Si–O][91 u] [(CH3)2OHSi–O][119 u] [CH3Si–O–SiO2][149 u] [(CH3)3Si–O–SiO2][163 u] [(CH3)3Si–O–Si(CH3)2O][165 u] [(CH3)2OHSi–O–Si(CH3)2O][223 u] [(CH3)3Si–O–Si(CH3)2O–SiO2][237 u] [(CH3)3Si–O–(Si(CH3)2O)2][297 u] [(CH3)3Si–O–(Si(CH3)2O)2SiO2][371 u] [(CH3)3Si–O–(Si(CH3)2O)3SiO2]-

Die Summe dieser Fragmente, das sogenannte Fragmentierungsmuster, dient zur Identifizie­ rung des Polydimethylsiloxans. Darüber hinaus ist es anhand dieser charakteristischen Sig­ nale, den Peaks, im Spektrum möglich zwischen nicht-modifiziertem PDMS und modifizier­ tem PDMS, wie es beispielsweise als Lackadditiv eingesetzt wird, zu unterscheiden. Auch unterschiedliche End- und Seitengruppen des Siloxans können über die TOF-SIMS Spektren unterschieden werden. Wesentlich zur Leistungsfähigkeit des Verfahrens trägt dabei die hohe Massenauflösung des TOF-SIMS-Verfahrens bei. Diese erlaubt es, das exakte Molekulargewicht eines Fragmen­ tes oder eines Molekülions zu bestimmen und so mehrere Substanzen, die Fragmente mit gleichen Nominalmassen erzeugen, eindeutig zu unterscheiden. Mit einer Messung werden simultan alle auf der Oberfläche befindlichen Substanzen detektiert. Es müssen nicht, wie bei anderen Messverfahren, für jedes Element und jede Verbindung Einzelmessungen durchge­ führt werden. Damit liefert die TOF-SIMS-Analyse ein nahezu vollständiges Bild aller auf der Oberfläche befindlichen Substanzen. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Technik um ein Verfahren handelt, mit dem im Vakuum gemessen wird. Somit sind leichtflüchtige Sub­ stanzen nicht erfassbar. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nur die obersten Mole­ küllagen untersucht werden. Die Abhängigkeit der Sekundärionen-Emission von der chemischen Umgebung (Matrixef­ fekt) führt dazu, dass eine Quantifizierung von TOF-SIMS-Spektren in der Regel nicht mög­ lich ist. Lediglich bei chemisch verwandten Systemen bzw. unter Verwendung eines internen Standards konnte bisher in einigen Spezialfällen eine quantitative Bestimmung einzelner Komponenten durchgeführt werden1. Im Einzelnen kann die SIMS-Technik folgende, für den Chemiker verwertbare Informatio­ nen liefern: 1 z. B. Quantitative Bestimmung von Polydimethylsiloxan auf der Oberfläche von Festkörpern

143

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik –– Identifizierung und Charakterisierung von Spurensubstanzen bis in den fmol-Bereich (auch in komplexen Gemischen) –– Identifizierung von Polymeren und Polykondensaten (Bestimmung von Wiederholein­ heiten) –– Bestimmung der chemischen Struktur und Zusammensetzung dünner Schichten bis in den Submonolagenbereich –– Informationen über Wechselwirkungen von Molekülen untereinander Die Informationen darüber, welche charakteristischen Fragmente bzw. Fragmentierungsmus­ ter welcher Substanz oder Substanzklasse zugeordnet werden können, erfordert viel Erfah­ rung und ist nur z. T. durch Vergleich mit Datenbanken zugänglich. Der Umfang der kommer­ ziell erhältlichen Datenbanken ist bisher eher bescheiden [14]. Es ist also auch in diesem Fall, wie bei der IR-Analytik, empfehlenswert, sich eigene Datenbanken durch die Messung von Vergleichssubstanzen aufzubauen. Umfangreiches Datenmaterial liegt auch in Servicelabors vor, die z. T. schon seit mehr als fünfundzwanzig Jahren TOF-SIMS-Analysen als Auftragsana­ lytik incl. Auswertung durchführen [15].

9.5

Imaging Mode

Neben der Erstellung und Auswertung von Spektren bietet das TOF-SIMS-Verfahren eine wei­ tere Möglichkeit der chemischen Analyse. Das ist die Erstellung einer „chemischen Landkarte“ von einem bestimmten Probenbereich, das sogenannte „Imaging“. Das Ziel dabei ist, wie am Beispiel eines Silikontropfens im Zentrum eines Lackkraters dar­ gestellt (s. Abbildung III.47), die Abbildung der atomaren und molekularen Zusammenset­ zung einer Festkörperoberfläche in einem vorher gewählten Gesichtsfeld. Dies wird erreicht, indem der fein fokussierte Primärionenstrahl über die Probenoberfläche gerastert wird und massenaufgelöste Sekundärionenbilder aufgenommen werden. Damit lässt sich nicht nur

Abbildung III.47: Sekundärionen-Image eines Tropfens Polydimethylsiloxan (charakteristische Signale 73 u, 147 u, 207 u) in einem Lackkrater (Gesichtsfeld 100 * 100 µm)

144

Sekundärionen-Flugzeitmassen-Spektrometrie (TOF-SIMS) feststellen, woraus eine Substanz besteht, sondern auch, wo sie exakt lokalisiert ist. Die mini­ male laterale Auflösung beträgt dabei ca. 100 nm die maximale 10 * 10 cm2. Allerdings be­ deutet die Ausnutzung dieser Betriebsart des TOF-SIMS eine deutliche Absenkung der Mas­ senauflösung und/oder der Intensität womit ein Teil der enormen Vorteile des Verfahrens zunichtegemacht werden.

9.6

Halbquantitative Auswertung

Das TOF-SIMS-Verfahren ist nicht im eigentlichen Sinne eine quantitative Analyse. Die Infor­ mationstiefe beträgt nur eine bis zwei Moleküllagen, so dass bereits eine Aussage über die dritte bis n-te Moleküllage darunter schwierig wird. Außerdem ergeben manche Stoffe auch bei hoher Konzentration nur schwache, unspezifische Signale. Andererseits gilt die Faustre­ gel, dass eine höhere Konzentration eines Stoffes im untersuchten Bereich auch eine höhere Intensität zur Folge hat. Vergleicht man daher zwei Oberflächen unter identischen Messbe­ dingungen, so können aus der Intensität der Signale durchaus tendenziell halbquantitative Ableitungen erfolgen, die von analytischem Nutzen sind. Die Abbildung III.48 zeigt das Ergebnis einer Grenzflächenanalyse bei einer Enthaftung zwischen einem Lack und einem PC/PET-Substrat. Dazu wurde aus dem Enthaftungsbereich Lack entnommen und auf der Lackrückseite (also dem Polymer zugewandten Seite) im Ver­ gleich mit der darunter freigelegten Polymeroberfläche analysiert. Die Gegenüberstellung der Spektrenausschnitte im Massenbereich 50 bis 250 amu zeigt Signale des Lackes (Acetat, Bu­ tyrat) sowie des Polymers (PC und PET). Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass die Intensität

Abbildung III.48: Ergebnis der TOF-SIMS-Grenzflächenanalyse einer Enthaftungsstelle (Spektren der negativ geladenen Sekundärionen der Substratoberfläche unter einer Lackenthaftung (oben) und der Lackrückseite des enthafteten Lackes (unten)im Massenbereich von 50 bis 250 amu)

145

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik Tabelle III.10: Ergebnis der Normierung der Integration der Signale charakteristischer Fragmente im Spektrum der negativ geladenen Sekundärionen der Lackrückseite, der darunter freigelegten Polymeroberfläche, eines Vergleichsmusters des Lackes und eines Vergleichsmusters des Polymers Butyrat PET PC BpA PC BpA

Lackrückseite Polymeroberfläche Lack im Volumen Polymer im Volumen 1,9 0,8 14,1 0,0 1,8 1,0 0,0 1,8 0,7 2,0 0,0 1,1 0,2 0,5 0,0 0,1 0,7 2,0 0,0 1,1 0,2 0,5 0,0 0,1

der Signale von PC und PET deutlich unterschiedlich zu sein scheinen. Dieser zunächst opti­ sche Eindruck lässt sich durch eine halbquantitative Auswertung der Signale untermauern. Dabei geht man wie folgt vor: –– Integration der Peak-Fläche von charakteristischen Fragmenten von PET und PC –– Integration der Peak-Fläche von unspezifischen Kohlenwasserstoffsignalen –– Normierung der Peak-Fläche der charakteristischen Signale auf die Peak-Fläche der un­ spezifischen Kohlenwasserstofffragmente Tabelle III.10 und Abbildung III.49 zeigen nun im Vergleich zu einem Referenzmuster des Lackes und des Polymers: –– Das PET-Signal und das PC-Signal des Polymers ist auf beiden Seiten der Grenzfläche vorhanden und unterschiedlich intensiv. –– Das PET-Signal auf der Lackrückseite entspricht dem des Grundpolymers aber das PCSignal ist schwächer. –– Auf der Polymeroberfläche ist das Signal des PCs höher als beim Grundpolymer, dafür aber das PET Signal schwächer. Diese halbquantitative Auswertung offenbart also, dass mit dem Lack eine signifikante Menge des Polymers enthaftet und dabei eine Trennung zwischen den Komponenten PC und PET stattfindet. Die Zahlenwerte in der Tabelle und deren grafische Darstellung ist dimensions­ los. Eine wirkliche Quantifizierung im Sinne von z. B. Gramm pro Quadratzentimeter ist nicht möglich, aber diese Auswertung zeigt, dass man auf diese Art tief in den Enthaftungsmecha­ nismus „hineinschauen“ kann.

Abbildung III.49: Ergebniss der Normierung der Integration der Signale charakteristischer Fragmente im Spektrum der negativ geladenen Sekundärionen der Lackrückseite, der darunter freigelegten Polymeroberfläche, eines Vergleichsmusters des Lackes und eines Vergleichsmusters des Polymers

146

Sekundärionen-Flugzeitmassen-Spektrometrie (TOF-SIMS)

9.7

Anwendungen des TOF-SIMS-Verfahrens

Aufgrund der Verfahrenseigenschaften ist das TOF-SIMS-Verfahren sehr vielseitig einsetz­ bar. Die folgende Liste enthält nur eine Auswahl der möglichen Anwendungen: –– Untersuchung der Zusammensetzung von Bindemitteln, –– Kontrolle der Reinheit von Rohstoffen, –– Nachweis von Spurenverunreinigungen in Rohmaterialien, –– Untersuchung von  n [16], –– Untersuchung der Ursache von Schichtenthaftungen und Kraterbildung bei Lackierun­ gen [17].

9.7.1

Untersuchung von Bindemitteln und Lackharzen

Mit dem TOF-SIMS-Verfahren können Bindemittel, Harz und Nasslackmuster auf folgende Fragestellungen untersucht werden: –– Bestimmung von Haupt- und Nebenkomponenten, –– Strukturanalyse, –– Nachweis von Spurenkontaminationen, –– Nachweis von Nebenreaktionen bei der Bindemittelherstellung, –– Identitätskontrolle von Bindemitteln.

Da das TOF-SIMS-Verfahren auf der einen Seite sehr nachweisempfindlich ist und auf der an­ deren Seite den simultanen Nachweis von Haupt- und Nebenkomponenten in einem Mess­ vorgang erlaubt, kann z. B. die Analyse eines Dünnschichtfilmes eines Nasslackes folgende Informationen liefern: –– Bindemittelkomponenten, –– Additivzusätze, –– Verunreinigungen. Dazu ist nur eine Auftragung des Nasslackes als Dünnschichtfilm notwendig. Weitere Prä­ parationsschritte fallen nicht an. Würde man diese Informationen z. B. mittels GC-MS erhal­ ten wollen, wären je nach Anzahl der Komponenten eine Vielzahl von Analysen nötig. Einige Komponenten wären unter Umständen der Analytik gar nicht zugänglich.

9.7.2

Kontrolle der Reinheit von Rohstoffen

9.7.3

Strukturuntersuchungen

Der Kontrolle der Lackrohstoffe hat eine große Bedeutung. So ist beispielsweise der Nach­ weis der Silikonfreiheit von bestimmten Lacken für die Automobilindustrie nicht möglich, ohne den Nachweis der Silikonfreiheit der dazu verwendeten Rohstoffe. Hier hilft die große Nachweisempfindlichkeit des TOF-SIMS-Verfahrens auch Spurenverunreinigungen zu iden­ tifizieren, die z. B. Krater in der Anwendung verursachen können. Proben von Bindemitteln, Additiven, Füllstoffen und Lösemitteln können vor Ort bei der Lieferung gezogen werden und dann im Labor ohne Aufarbeitung auf geringste Spurenverunreinigungen untersucht werden. Die TOF-SIMS-Analyse ermöglicht nicht nur den Nachweis und die Identifizierung von Lack­ bestandteilen, sondern kann auch Beiträge zur Aufklärung der chemischen Struktur liefern. Zwar reicht die massenspektrometrische Analyse allein nicht aus für eine Strukturaufklä­ rung, jedoch können in Verbindung mit anderen Verfahren (IR, NMR) wichtige Informationen 147

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik erhalten werden, die zur strukturellen Identifizierung von Substanzen nötig sind. Beispiele hierfür sind: –– Seitenkettenmodifizierung von Acrylaten und Siloxanadditiven, –– chemische Reaktionen von HALS mit anderen Lackkomponenten.

9.7.4 Nachweis von Nebenreaktionen bei der Bindemittelherstellung Bei der Innenraumlackierung von Kfz spielt die Ausgasung von leicht- und mittelflüchtigen Komponenten, das sogenannte „Fogging“, eine entscheidende Rolle. Ursache hierfür können

Abbildung III.50: Spektrum der negativ geladenen Sekundärionen eines Dünnschichtfilmes eines Klarlackes (Nachweis und Identifizierung von Bindemittel, Verlaufsadditiven und Lichtschutzaddtiven)

148

Rasterelektronen-Mikroskopie z. B. Reaktionen bei der chemi­ schen Herstellung der Binde­ mittelrohstoffe sein, die zu un­ erwünschten Nebenprodukten führen. Diese sind im Rohstoff gelöst und können nach der Aus­ härtung des Lackes noch über Jahre aus dem Gefüge ausgasen. In diesem Zusammenhang ist es gelungen z. B. niedermolekulare cyclische Ester in wässrigen Po­ lyester-Polyurethan-Dispersionen nachzuweisen und deren Struk­ tur zu untersuchen.

9.7.5  Technische Daten der TOFSIMS-Analyse Aus der Tabelle III.11 können die technischen Daten der TOFSIMS-Analysenmethode entnom­ men werden.

10

Tabelle III.11: Technischen Daten der TOF-SIMS-Analysenmethode Analysenmethode Elementnachweis Massenbereich Verbindungsnachweis Strukturnachweis Informationstiefe Tiefenprofile Tiefenauflösung laterale Auflösung Nachweisgrenzen Quantifizierung sonstige Möglichkeiten Probenform Probengröße Nicht-leitende Proben Zeitaufwand Messung Zeitaufwand pro Analyse (inkl. Auswertung, abhängig vom Grad der Komplexität des Spektrums)

TOF-SIMS alle 1 – 1200 möglich möglich < 1 nm ja ca. 25 nm 1 At % nein – fest 1 – 25 mm möglich 1–5h 1–5h weit entwickelt chemische (molekulare) Zusammensetzung an der Oberfläche im Prinzip möglich mehrere mm, im günstigsten Fall 5µm ausgereift UHV gering

Erst aus diesem Verteilungsbild der o. g. Elemente lassen sich Rückschlüsse auf die Fehlerur­ sache ziehen, die über einfache Punktspektren nicht so offensichtlich wären: –– der Basislack enthält zwei Sorten von Effektpigmenten: Aluminiumflakes und mit Titan(dioxid) beschichtetes Effektpigment, –– die mit Titandioxid beschichteten Effektpigmente agglomerieren in der Fehlstelle, zwi­ schen Basislack und Polymer befindet sich eine sehr dünne chlorhaltige Schicht (u. U. ein chlorhaltiger Primer) –– an der Spitze des Agglomerates aus Effektpigmenten in der Fehlstelle wird eine ChlorAnreicherung nachgewiesen. 161

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik

11.5

Anwendungen Röntgen-Mikroanalyse

Die Röntgen-Mikroanalyse dient hauptsächlich dazu, Bereiche, die im Rasterelektronen-Mi­ kroskop ausgewählt werden, auf ihre Elementzusammensetzung hin zu untersuchen. Damit liegt das Haupteinsatzgebiet in der Schadensanalytik von abgeschiedenen Lackschichten. Das umfasst Themen wie: –– Krateranalysen [19], –– Identifizierung von Stippen in Lackschichten, –– Lackablösungen, –– Untersuchung von Blasen in Lackierungen, –– Schichtdickenmessungen an Mehrschichtsystemen. In der Lackherstellung kann die Rasterelektronen-Mikroskopie bei der Qualitätskontrolle von festen Rohstoffen wie Füllstoffen oder Pigmenten eingesetzt werden. Typische Themen sind hier: –– die Identifizierung von Fremdpartikeln in Füllstoffen –– Untersuchung der Struktur und des Schichtaufbaus von Pigmenten.

12 Röntgenphotoelektronen-Spektroskopie Die Röntgenphotoelektronen-Spektroskopie ist unter dem Begriff XPS oder ESCA in der Lite­ ratur zu finden [20, 21]. Es handelt sich um eine oberflächenempfindliche Methode zum Nach­ weis und zur Charakterisierung von dünnen Schichten durch Messung der Wechselwirkung von elektromagnetischer Strahlung (Röntgenstrahlung) mit einer Probe.

Abbildung III.66: Modell der Photoemission ausgelöst durch Röntgenstrahlung [22]

162

ࡾ ൌ ࢋିࢻࢊࢋ ؆ ࡾ ൌ ૚ െ ࢻࢊࢋ Gleichung 7.7:

12.1

Physikalisches Prinzip

૜ࡷ Röntgenphotoelektronen-Spektroskopie ࡺࡳ ൌ  ࢙

Gleichung 7.8: erfolgt durch monochromatische Röntgenstrahlung. Dadurch kommt Die Anregung der Probe ࢒ es zu einer Ablösung und Valenzelektronen, die als Photoelektronen von den Ato­ ࡺ ൌ  von ‫ܜܗ܋‬Rumpfࣂ ૛࢚ men oder Molekülen emittiert werden. Durch die Bestimmung der kinetischen Energie dieser Photoelektronen können Aussagen über die relativen und absoluten von Energieniveaus der Molekülorbitale sowiePrimärstrahles der  = Gesamtintensität derLagen rückgestreuten Elektronen/Intensität des einfallenden Atomorbitale der Rumpfelektronen getroffen werden. Die kinetische Energie der ausgelös­ (((bitte mitergibt Bruchstrich setzen))) nach der Abb.eingestrahlten III.54 ten Photoelektronen sich aus der Energie Röntgenstrahlung (hν) ver­ mindert um die Bindungsenergie der Elektronen sowie abzüglich einer Spektrometerfunktion und eines Terms für Oberflächenaufladungen [20]: Gleichung 12.1:

 Ekin = h - Eb - S - F

Gleichung 12.1

mit Ekin = kin. Energie der Photoelektronen Gleichung 12.2: Eb = Bindungsenergie  F = Spektrometerfunktion S = Korrekturterm für Oberflächenaufladung Gleichung 12.3:

Das bedeutet, wenn S und F (auch gelegentlich als Austrittsarbeit bezeichnet) bekannt sind, kann aus der Messung der kinetischen Energie der emittierten Photoelektronen die Bindungs­ energie dernElektronen berechnet werden. Diese sind für jedes Element charakteristisch und = 1/Si I darüber hinaus von der chemischen Umgebung abhängig (chemische Verschiebung). Das er­ laubt die Bestimmung von Bindungszustand und Wertigkeit in einem Molekül und damit er­ geben sich Aussagen über die chemische Zusammensetzung. Röntgenstrahlung kann ohne weiteres einige mm und tiefer in Materie eindringen. Dass XPS als Untersuchungsmethode für Oberflächen verwendet wird, hängt wesentlich mit der Austrittstiefe der Photoelektronen zusammen. Diese wiederum hängt von der mittleren freien Weglänge der Elektronen ab. Das ist die mittlere Weglänge, die ein Elektron mit bestimmter Energie zurücklegen kann, ohne durch Stöße mit anderen Teilchen eine Richtungsänderung zu erfahren. Die mittlere freie Weglänge der Elektronen ist abhängig von deren kinetischen Energien ist. Im Bereich von 10 eV bis ca. 1100 eV haben Elektronen eine relative Reichweite von ungefähr 1 bis 3 nm. Das bedeutet, Photoelektronen mit diesen kinetischen Energien die aus Schichten tiefer als 3 nm stammen, können die Probe gar nicht verlassen und damit auch nicht als Photoelektronen detektiert werden. Daraus folgt im Umkehrschluss, die Photoelek­ tronen, die tatsächlich bei einer Messung detektiert werden, stammen hauptsächlich aus den obersten Schichten der Probe.

12.2 Informationsgewinnung Wie im vorhergehenden Kapitel beschrieben, gibt es mehrere Wege der Informationsgewin­ nung aus XPS-Messungen. Dies sind Übersichtsspektren mit denen eine Elementanalyse der obersten Moleküllagen einer Probe durchgeführt werden kann. Grundlage dieser Element­ analyse ist der Umstand, dass keine zwei Atome des Periodensystems den gleichen Satz von Bindungsenergien zeigen. Damit liefert ein Übersichtsspektrum über einen breiten Bereich von Bindungsenergien zunächst einmal qualitative Informationen über die in den obersten Moleküllagen vorhandenen Atome. 163

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik Tabelle III.14: Bindungsenergien verschiedener Verbindungen [24] chemische Bindungs­ Umgebung des energie Kohlenstoffs 283,9 eV –CH2– 285,4 eV

–(C6H6)– / CH3–

286,6 eV 287,7 eV

–CH2O– –C=O–

Zuordnung Alkylgruppen aromatische Gruppen/ Methylgruppen (Poly)ethergruppen Carbonylverbindungen

Abbildung III.67: XPS-Übersichtsspektrum einer Elektrotauchlackierung

Abbildung III.68: C1s-Peak der Elektrotauchlackierung

164

In Abbildung III.67 ist das XPSÜbersichtsspektrum einer Elekt­ rotauchlackierung abgebildet. Es zeigt ein Kohlenstoffsignal (C1s), ein Sauerstoffsignal (O1s) und ein Stickstoffsignal (N1s) des Binde­ mittels sowie Spuren des Zinn-Ka­ talysators (Sn4d, Sn3d5, Sn3d3, Sn3p3). Dieses Übersichtsspekt­ rum liefert allgemeine Informatio­ nen über die Elementzusammen­ setzung der Beschichtung in den obersten Nanometern. Wie das Beispiel zeigt, werden XPS-Peaks nach den emittierenden Energie­ niveaus benannt: O1s, Fe2p, Au4f usw. O1s bedeutet beispielsweise, dass die emittierten Photoelektro­ nen aus dem 1s Orbital des Sau­ erstoffatoms stammen. Dieses XPS-Spektrum ergibt zunächst einmal die Information, dass die untersuchte Elektrotauchla­ ckierung in den obersten Nano­ metern aus Kohlenstoff, Sauer­ stoff, Stickstoff und Zinn besteht. Diese Information erscheint an­ fangs sehr dürftig, denn aus der reinen Elementanalyse können noch keine weitergehenden Aus­ sagen über die tatsächliche che­ mische Zusammensetzung ge­ wonnen werden. Doch die XPS bietet noch wei­ tergehende Möglichkeiten. Über die reine Elementanalyse hin­ ausgehende strukturchemische Informationen können über ein hochauflösendes Spektrum er­ halten werden. Grundlage dafür ist die Änderung des Energiele­ vels mit dem Oxidationszustand bzw. mit der Ladung (chemische Verschiebung). Das bedeutet bei­ spielsweise, dass ein Kohlen­ stoffatom in einer Carbonylver­ bindung (-(C=O)-) eine andere

Röntgenphotoelektronen-Spektroskopie Bindungsenergie aufweist als in einer Alkylgruppe (-H2C-H-). Diese Unterschiede in den Bin­ dungsenergien sind nicht groß, aber messbar. Detail-Scans mit hoher spektraler Auflösung erlauben die Auftrennung von Unterschieden in den Bindungsenergien hervorgerufen durch die chemische Umgebung und damit die Unterscheidung unterschiedlicher chemischer Grup­ pen in einem Molekül [23]. Die Hochauflösung des C1s-Peaks der Elektrotauchlackierung (s. Abbildung III.68) erlaubt die Identifizierung unterschiedlicher Bindungszustände des Kohlenstoffs, die Rückschlüsse auf die chemische Umgebung erlauben. Hier können durch Peak-fit, also durch mathemati­ sche Anpassung von Funktionen an die gemessene Kurve, die in Tabelle III.14 aufgeführten Bindungsenergien identifiziert werden. Damit erschöpfen sich jedoch leider die Möglichkeiten der Identifizierung der chemi­ schen Zusammensetzung. Das bedeutet, eine Aussage darüber, welche Art von Polyethern, Carbonylverbindungen und aromatischen Verbindungen die Bindemittelmatrix der ETL bil­ den, ist nicht möglich. Da kann dann nur noch eine weitere Analyse über das TOF-SIMS Ver­ fahren weiterhelfen. Wesentliche Voraussetzung, um die chemischen Verschiebungen messen zu können, ist die exakte Bestimmung der Energielagen. Diese wird umso schwieriger, je breiter der Peak ist. In der Praxis ergeben sich folgende Probleme bei der exakten Bestimmung der Energielagen. 1. Die natürliche Linienbreite der Röntgenquelle wächst mit steigender Ordnungszahl (Z) des Antikathodenmaterials. Diese beträgt 0,9 eV bei der Verwendung von Aluminium (AlKα), 0,8 eV bei der Verwendung von Magnesium (Mg-Kα) aber schon 3,8 eV bei der Verwendung von Kupfer (Cu-Lα). Wenn also schon die Breite der Energieverteilung der anregenden Röntgenstrahlung mehrere eV beträgt und auf der anderen Seite chemische Verschiebungen von wenigen eV gemessen werden, ist keine exakte Bestimmung mehr möglich. 2. Die natürliche Linienbreite der untersuchten Energieniveaus hängt von der Lebensdauer des Endzustandes ab (Heisenberg: ΔE = h/2π Δt). 3. Gitterschwingungen führen zu einer zusätzlichen Linienverbreiterung. 4. Es kommt zu Linienverbreiterung durch Energieverluste in der Probe. 5. Eine ungleichmäßige Aufladung vor allem isolierender Proben überlagert häufig die zu messenden chemischen Verschiebungen (> 1 eV). Durch Ladungskompensation kann die­ ser Effekt je nach Gerät mal besser mal schlechter ausgeglichen werden. 6. Es treten verschiedene Energiezustände durch Spin-Bahn Kopplungen, Multiplett-Aufspal­ tungen etc. auf. Es besteht also die Möglichkeit mittels hochaufgelöster XPS die Bindungszustände in einem Material zu untersuchen. Eine Strukturanalyse ist jedoch nicht möglich. Wie Tabelle III.15 zeigt, unterscheiden sich z. B. die Bindungsenergien des Kohlenstoffs im Polyethylenglykol und im Polypropylenglykol nicht messbar obwohl es sich um unterschiedliche Verbindungen handelt. Das bedeutet mit der XPS-Analyse kann man feststellen, dass in einem analysierten Bereich Kohlenstoff in einer Glykolverbindung vorliegt. Es ist jedoch nicht möglich, zu unter­ scheiden, ob es sich um PEG oder PPG handelt. Nach der chemischen Identifizierung der oberflächennahen Schichten können mit Hilfe der XPS auch quantitative Informationen erhalten werden [21]. Grundlage dafür ist die Propor­ tionalität der Photoelektronen-Intensität zur Anzahl der emittierenden Atome.

165

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik Tabelle III.15: Bindungsenergien [24] des Kohlenstoffs in unterschiedlicher chemischer Umgebung

ࡾ ൌ ࢋିࢻࢊࢋ

XPS-Peak Chemische Umgebung C1s (–CH2CH2–)n Gleichung 7.6:–) (–CH2CH 2 n –)nࡾ ൌ ૚ െ ࢻࢊࢋ (–CH ࡾ ൌ2C(CH ࢋିࢻࢊ3ࢋ)2؆ (–CH2CH(CH2CH3)–)n (–CH2CH(CH2CH3)–)n Gleichung 7.7:

(–CH2CH(CH2CH(CH3)2)–)n

Bindungs­­energie [eV] 285,78 286,17 285,56 286,16 285,77 286,17

ିࢻࢊࢋ CH2O–)

(–CH ࡾ ൌ2 ࢋ n (–CH2CH2CH2O–)n (–CH2CH2CH2CH2O–)n poly(tetramethylene glycol) Gleichung 7.6: Gleichung 7.8: CH(OCH )–) (–CH 3 ࢋ ؆ ࢒ ࡾ ൌ2 ࢋିࢻࢊ ࡾ nൌ ૚ െ ࢻࢊ

૜ࡷ ࡺࡳ ൌ  286,45 ࢙ 286,44 286,35

Verbindung Polyethylene, high density Polyethylene, high density Polyisobutylen Poly1-butene Poly1-butene Poly 4-methyl-1-pentene Polyethylen glycol Polypropylen glycol

Polyvinylmethylether Poly ૛࢚ (–CH2CH(CH 285,78 2CH(CH3)2)–)n 4-methyl-1-penten Polyhydroxyethyl (–CH2C(CH 286,53 Gleichung 7.7:3)(C(O)OCH2CH2OH)–)n methacrylat  = Gesamtintensität der rückgestreuten Elektronen/Intensität des einfallenden Primärstrahles ૜ࡷ Polyhydroxyethyl (–CH2mit C(CH 285,73 ൌ  3)(C(O)OCHsetzen))) 2CH2OH)–) n (((bitte Bruchstrich nach Abb.ࡺࡳ III.54 methacrylat ࢙ Polylauryl (–CH2C(CH3)(C(O)OCH2((CH2)10)CH3)–)n 286,78 methacrylat

ࡺ ൌ 

‫ࣂ ܜܗ܋‬



286,68

Gleichung Gleichung 12.1: 7.8:

Ekin = h -࢒ Eb - S - F ࡺ ൌ  ‫ࣂ ܜܗ܋‬ ૛࢚ Für eine bezüglich des Analysenvolumens homogene Probe ist die Intensität gemessen als Zählrate gegeben durch Gleichung 12.2:  = Gesamtintensität der rückgestreuten Elektronen/Intensität des einfallenden Primärstrahles  Gleichung 12.2  (((bitte mit Bruchstrich setzen))) nach Abb. III.54

mit

ν = Anzahldichte der Atome des Elementes σ= photoelektrischer Wirkungsquerschnitt für das betreffende Atomorbital Gleichung 12.3: Gleichung 12.1: γ= Effizienz, mit der Elektronen mit normaler Photoelektronen-Energie erhalten werden Ekin = h - EWeglänge b-S-F λ= mittlere freie der Elektronen I n = 1/S i φ = Röntgenstrahlflussdichte θ = Effizienzfaktor Gleichung 12.2: A = untersuchte Probenfläche T = Transmission 

Die Ausdrücke für σ γ λ φ θ A T werden zu einem so genannten atomaren Sensitivitätsfak­ tor Si zusammengefasst. Damit ergibt sich folgender Zusammenhang zwischen der gemes­ Gleichung 12.3: senen Intensität I und der Anzahldichte der Atome n 

n = 1/Si I

Gleichung 12.3

Mit Hilfe der Sensitivitätsfaktoren können quantitative Bestimmungen mit einer Nachweis­ grenze 0,01 bis 0,5 Atom % und einer relativen Genauigkeit von ±10 % durchgeführt werden. 166

Röntgenphotoelektronen-Spektroskopie Tabelle III.16: Ergebnis der quantitativen Analyse einer Elektrotauchlackierung s. Abbildung III.67 (Angaben in Atom %) Zinn 0,1

12.3

Phosphor 0,2

Sauerstoff Stickstoff 6 1,8

Natrium 0

Kohlenstoff 91,7

Schwefel 0,2

Apparativer Aufbau

Wie das TOF-SIMS Verfahren und die Rasterelektronen-Mikroskopie ist die Röntgenpho­ toelektronen-Spektroskopie ein Vakuumverfahren. In einer UHV-Analysenkammer wird die Probe mit Röntgenstrahlung aus einer Röntgenquelle beschossen. Die dabei freigesetzten Photoelektronen werden über Elektronenlinsen abgezogen und fokussiert. Von dort gelangen sie durch Schlitzblenden in den Analysator, dessen Aufgabe es ist, die Elektronen nach ihrer Energie aufzutrennen. Die Elektronen unterschiedlicher Energie werden dann nacheinander vom Detektor erfasst. Das Detektorsignal wird schließlich von einer speziellen Software auf­ genommen und in ein Spektrum umgewandelt. In diesem wird die Anzahl der Zählimpulse in Abhängigkeit von der Bindungsenergie dargestellt. Insbesondere bei der Identifizierung organischer Substanzen ist Energiebreite des Peaks der emittierten Photoelektronen von entscheidender Bedeutung. Ist die Energiebreite ei­ nes Photoelektronen-Peaks größer als die chemische Verschiebung, dann ist eine Identifizie­ rung nicht möglich. Der Röntgenquelle kommt damit eine große Bedeutung bei der Qualität der Messung zu. Ist nämlich bereits die Energiebreite der anregenden Röntgenquelle groß, dann sind auch hochauflösende Messungen mit exakter Bestimmung der Bindungsenergie erschwert. Damit muss das Bestreben sein, in der Röntgenquelle Anodenmaterialien zu wäh­ len, die eine möglichst geringe Halbwertsbreite der anregenden Röntgenlinie aufweisen. Das sind z. B. Aluminium oder Magnesium, deren Halbwertsbreiten bei 0,85 bzw. 0,7 eV liegen. Das wichtigste Bauteil ist jedoch der Analysator. Dieser sorgt dafür, dass die Messgröße „Elektronenenergie“ bestimmt werden kann. Der Analysator besteht je nach Bauart im Prin­ zip aus zwei Platten (CMA) oder Halbkugeln (CHA), die in einem bestimmten Abstand von­ einander angeordnet sind und auf Spannung liegen. In den Spalt zwischen den Platten oder Halbkugeln treten die Elektronen durch eine Blende ein. Die Spannung der Platten oder Halb­ kugeln wird dabei so geschaltet, dass sie eine Gegenspannung zu den Elektronen aufbaut. Diese Gegenspannung wird so variiert, dass nur Elektronen einer be­ stimmten Energie E0 den Analy­ sator passieren können. Elektro­ nen mit einer höheren Energie (E0+dE) oder niedrigeren Energie (E0-dE) werden absorbiert. In der Tat ist es jedoch so, dass eine gewisse Streuung der Energien in jedem gemessen Peak nicht vermieden werden kann. Die Genauigkeit wird dabei durch Abbildung III.69: Schematische Darstellung des Messaufbaus 167

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik die Halbwertsbreite dE des Peaks bestimmt. Diese sollte im gesamten Energiebereich nicht größer als 0,5 eV liegen.

12.4

Laterale Auflösung

Durch die Verwendung von Röntgenstrahlung ist die laterale Auflösung begrenzt. Röntgen­ strahlen lassen sich nicht in der Weise fokussieren wie es bei Elektronen- oder Ionenstrahlen möglich ist. Die normale Analysenfläche beträgt einige mm2. Da die Signalintensität propor­ tional zur analysierten Fläche ansteigt, ist es immer besser eine möglichst große Fläche zu untersuchen. In der Literatur schwanken die Angaben für die Größe des Messfleckes je nach Gerät und Autor zwischen 2 – möglich nein 5 – 8 nm möglich ca. 20 nm keine 0,1 – 1 At. %/Bruchteile einer Moleküllage möglich – fest/vakuumkompatibel 8 – 20 mm Stand der Technik 2h–1d 4h–5d sehr groß weit entwickelt, große Datenbanken chemische (molekulare) Zusammensetzung an der Oberfläche im Prinzip möglich mehrere mm, im günstigsten Fall 5µm ausgereift UHV gering

169

Teil III Theoretische Aspekte der Lackanalytik

13

Leistungsdaten ausgewählter Verfahren

Tabelle III.18: Technische Daten Analysenmethoden im Vergleich Nachweisgrenze (Anteil einer Monolage) Nachweisgrenze (Millionstel vom Volumen) Nachweis von Elementen (Z=Ordnungszahl) Abbildung der Elementverteilung Abbildung der Topographie Nachweis des chemischen Bindungszustandes kleinste erfassbare Informationstiefe größte zugängliche Informationstiefe3 Ortsauflösung Quantifizierung Tiefenprofilanalyse der Elementzusammensetzung Typische Messfläche

AFM einzelne Atome

ESMA –

ATR-FT-IR REM – –

TOF-SIMS 1/1000000

XPS besser 1/100









1000

nein

100 – 1000 Z > 4

nein

nein

alle

Z>2

nein

ja

nein

nein

ja

ja

ja nein

nein nein 1

nein ja

ja nein

nein nein

nein ja

äußerste Atomlage weinige Monolage besser 0,1 nm nein nein

0,2 – 1 µm 2 µm

wenige 100 nm2 einige µm

3 nm

0,5 nm

1 µm

1 µm

~ 2 mm4

3 nm

0,5 – 1 nm 10 nm 5 – 10 nm besser 1 µm ca. 5 µm

ja nein

ja5 nein

nein nein

nein nein

100 µm2 2x2 mm6 0,01 – 2 10000 µm

100 µm2 50 µm2

ja ja 100 µm2

1 nur in Spezialfällen 2 abhängig von den Brechungsindices von ATR-Kristall und Substrat und dem Einfallswinkel 3 Gemeint ist die direkt mit dem Verfahren zugängliche Informationstiefe. Mit zusätzlichen Ätzvorrichtungen, Probenschnitte u. a. sind im Prinzip beliebige Tiefen erreichbar. 4 abhängig von der Kontaktfläche des verwendeten ATR-Kristalls 5 mit Einschränkungen ist eine relative Quantifizierung möglich 6 bei Single Bounce Diamant ATR

170

Literatur

14 Literatur [1] [2]

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171

Autor

Autor Dr. Roger Dietrich studierte Physik an der Universität Biele­ feld und Chemie an der Universität Münster. Dort beschäftigte er sich während seiner Promotion mit der Anwendung und Wei­ terentwicklung praxisrelevanter Verfahren der Oberflächenanaly­ tik für die Charakterisierung technischer Oberflächen sowie der Entwicklung von Beschichtungen zur Modifizierung von Oberflä­ chen. 1993 gründete er zusammen mit zwei weiteren Spezialis­ ten für Oberflächenanalysen die Firma OFG-Analytik GmbH in Münster deren geschäftsführender Gesellschafter er bis heute ist. Die Firma OFG-Analytik GmbH führt unabhängige Serviceanalysen und Gutachten im Be­ reich der Fehler- und Schadenanalytik sowie der Qualitätskontrolle für industrielle und in­ stitutionelle Kunden durch. Das Spezialgebiet des Autors sind Lacke und Beschichtungen. Neben der Durchführung und Bewertung von Analysen führt er seit mehr als 10 Jahren auf Basis der gewonnenen Daten auch Prozessaudits und Beratung in Beschichtungsprozes­ sen durch. Mehrere Jahre arbeitete er als Lehrbeauftragter für Oberflächenanalytik an der „University of Applied Science“ in Münster und hielt eingeladene Vorträge u.a. an der Fach­ schule für Lacktechnik in Stuttgart. Er schult in firmeninternen Seminare führende Akteure der lackherstellenden und lackverarbeitenden Industrie u. a. zum Thema „Fehleranalyse in Beschichtungsprozessen“.

Dietrich: Instrumentelle Lackanalytik, 2. Auflage © Copyright 2019 by Vincentz Network, Hannover, Germany

173

Index

Index A Abdampfrückstand 77 Ablagerung(en) 23, 40, 53, 55, 64, 118, 133 Absorbanz-Spektrum 119 Additivanreicherung 46 Additive 85 Additivzusätze 147 Aerosolanalysen 92 Aerosole 78, 92 Aerosoleinträge 40 Aerosoltargets 92 Agglomeratbildung 79 Analysator 105 Anlagenstörungen 90 Anwendung von Datenbanken 127 Applikationsfehler 37 ATR-Einheiten 125 ATR-Elemente 126 ATR-FT-IR 27 ATR-FT-IR-Screening 86 ATR-FT-IR-Spektroskopie 23, 28, 36  ff., 55, 60, 66, 68, 72, 76, 78 ff., 81, 85, 96, 120, 170 ATR-Kristalle 125 ATR-Mikroskopie 132 ATR-Objektiv 130, 133 ATR-Spektroskopie 120 ATR-Spektroskopie, Auswertung und Informationsgewinnung 127 ATR-Spektroskopie, Informationstiefe 123 ATR-Spektroskopie, physikalische Grundlagen 121 ATR-Spektroskopie, quantitative Bestimmungen 123, 124 Auflichtmikroskopie 112 Auflösungsvermögen 153 Auswertung 24, 127 Automobil-Außenlackierung 154

B Bauteilreinigung 37 Beflammung 40 benetzungsstörende Substanzen 46 Benetzungsstörung(en) 22 ff., 40, 42, 50, 96 Betriebsversuche 92 Bewertung 24 Biegeschwingungen 115

Bindemittel 23, 48, 53, 67, 83 ff., 87, 96 ff., 141, 147 Bindemittelanalysen 132 Bindemittel/Härter-Verhältnis 36 Bindemittelherstellung 147, 148 Bindemittel-Identitätskontrolle 147 Blasen 40, 51, 155,162 Blasenbildung 23, 51 Bragg-Reflexion 158 Brechungsindex 133 BSE-Bild 152

C Carbamat 137 Cassegrain-Objektive 130 charakteristische Röntgenstrahlung 152 chemische Landkarte 135 chemische Verschiebung 114 chromatographische Trennung 106 CO2-Schnee 38

D Delamination 25, 33 Derivatisierung 107 DIC 112 differentieller Interferenzkontrast 112 Dispergierhilfsmittel 31 DOE 93 Druckluft 49, 61 ff., 90ff Druckluftöl 42 Druckluftversorgung 22 Dual Cure-Lacke 35

E EDX 156 EDX-Analyse 48 EDX-Elementanalyse 76 Effektpigmente 168 EFI 112 EFI-3D-Aufnahme 111 EFI-Aufnahme 56 Eindringtiefe 121

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175

Index Einspritzdruck 107 Einspritzgeschwindigkeit 107 Elektronenstrahl 156 Elektronenstrahl-Mikroanalyse 153, 156 Elektronenstrahl-Mikroanalyse, Quantifizierung 159 Elementanalyse 152 Elementionen 142 Enthaftung 21 ff., 37, 39, 68, 96, 145, 147 Entmischungen 79 ESMA 153, 156 evaneszente Welle 121 Experiment 21 Extended Focus Imaging 112 Extinktion 119 Extinktionskoeffizienten 119

F Fasern 133 Fehleranalyse 22 Fehler in der Lackieranlage 45 Feldemissions-Rasterelektronen-Mikroskop 153 Fertigprodukte 87 Flächenanalyse 104 Flecken 53 Flugzeit-Prinzip 139 Flugzeit-Sekundärionenmassenspektrometrie 28, 103, 138 Fluoreszenzmikroskopie 52 fluorhaltige Schmiermittel 38 Fogging 86, 148 Fogging-Niederschlag 85 Fogging-Untersuchungen 85 Fragmentionen 142 Fremdaerosole 21 Fremdlacke 43 Füllstoffe 21, 44, 75, 141 funktionelle Gruppen 115

G Gaschromatographen 107 Gaschromatographie 74 GC-MS-Screening 109 GC-Trennung 107, 108

H Haftungsstörungen 25 Haftungs- und Benetzungsstörungen 26 Halbfertigprodukte 86 HALS 148 H-ATR 127 Headspace-GC-MS 89, 95 Headspace-Temperatur 108

176

Heißlufttrocknung 38 Homogenitätsuntersuchungen 129 Hydrobasis Softlack 33

I Identifizierung von Polymeren 144 Identifizierung von Siebrückständen 129 Imaging Mode 144 Informationstiefe 26, 104, 155 Infrarot-Mikroskop 130 Infrarot-Mikroskopie 129 Infrarot-Spektroskopie 113 Infrarot-Spektroskopie, apparativer Aufbau 117 Infrarot-Spektroskopie, charakteristische Absorptionen 115 Infrarot-Spektroskopie, physikalische Grundlage 114 Infrarot-Spektroskopie, Probenpräparation 117 Injektortemperatur 107 interne Reflexion 120 interne Trennmittel 39 Ionen 102 Ionenstrahl 140 IR-Mikroskopie 27, 41 IRM-Mapping 49 IRRAS 120 Isocyanat 137

K Kabinenluft 49 Kalium-Aluminiumsilikathydrat 76 Keilschnitt 57 Klarlack 148 Kompressorenöl 51 Korona 95 Koronabehandlung 40 Korrosionsschutzlack 46 Krateranalysen 129, 162 Kraterbildung 21 ff., 40 ff., 48, 51, 52, 61, 70, 74, 92, 93, 94 KTL 47

L LABS 21, 49, 50, 61, 63, 91 Lackablösungen 162 lackbenetzungsstörende Substanzen 21, 135 Lackenthaftung 29 Lackhärtung 85 Lackharze 141, 147 Lackherstellung 78 Lackierfähigkeit 96 Lackierluft 94 Lackspritznebel 92

Index Lichtmikroskopie 110 Lichtschutzaddtive 148 Linescan 130, 133 Lösemittel 72 Lösemittelgemische 74 Luftverunreinigungen 49

M Mapping 131, 133 Massenspektrometer 108 Matrixeffekt 143 Melamin 88 Messdaten 24 metallographischer Querschliff 48 Migration 29, 31 Mikrorisse 51 Mikroskopie 43 Mikrotomschnitt 154 Mineralöl 38 MIR-Bereich 117 Mischungsfehler 35 Mischungsverhältnis 25, 36, 96 molekulare Information(en) 26, 27 Molekülionen 142 Montagefehler 89

N Nachweis der Silikonfreiheit 147 Nachweisempfindlichkeit 23, 26, 104 Nadelstiche 45 Nadeltemperatur 107 Nassfilm 87 Nassmuster 85 Nebenreaktionen 148 niedermolekulare Anteile 40 Normierung 146

O Oberfläche 13 Oberflächenempfindlichkeit 23 Oberflächen-Infrarot-Spektroskopie 119 Oberflächen-Mikroanalyse 130 Oligomere 32 Öltröpfchen 46, 92

P Parallelschnitt 57 Partikelanalyse 133 Passivsammler 92 PC-PET 39 PC/PET 145 PDMS 89, 90

perfluorierte Polyether 37 Photonen 102 Pigmente 75, 141 Planungsfehler 89 Polydimethylsiloxan 29, 89, 142 Polyesterbindemittel 88 Polyester-Polyurethan-Dispersionen 149 Polyester-Polyurethan-Lacke 36, 128 Polykondensate 144 Power Wash-Anlage 29, 38, 95 Pressure Loop 107 Primärelektronen 149 Primärionenstrahl 144 Prinzip der Infrarot-Spektroskopie 118 Probennahme 20 Problemlösungsstrategie 19 Produktionskontrolle 78 Protonierung 142 Prozessanalyse 30, 89 Pulverlack 42 Pulverlackierung 45 Pulverlackkrater 49

Q Quadrupolverfahren 140 Quasimolekülionen 142 Querschliff 41

R Rasterabtastung 105, 154 Rasterelektronen-Mikroskopie 41, 149 Rasterelektronen-Mikroskopie, apparativer Aufbau 153 Rasterelektronen-Mikroskopie, Probenbeschaffenheit 154 Rasterelektronen-Mikroskopie, Probenpräparation 154 Reinheit 147 Reinheit von Rohstoffen 147 Reinigungsverfahren 38, 95 REM-EDX 14, 23, 41, 43, 46, 51, 52, 56 ff., 68, 75, 79, 86 ff., 89, 91, 96, 103, 149 ff. Restmonomere 85 Roboter 43 Rohmaterialien 147 Röntgenphotoelektronen-Spektroskopie 28 Röntgenstrahlung 149 Rückstreuelektronen 149, 154

S Salzrückstände 51 saure Reinigung 37 Schaumbildung 51

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Index Schichtabfolge 25 Schichtdicken 25 Schichtdickenabweichungen 25 Schichtdickenbestimmungen 124 Schichtenthaftungen 147 Schleier 55 Schleierbildung 53 Schmierstoffe 78 Seitenkettenmodifizierung 148 Sektorfeld-Analysator 139 Sekundärelektronen 149 Sekundärionen 139 Sekundärionen-Flugzeitmassen-­ Spektrometrie 138 Sekundärneutralteilchen 139 Sekundärstrahlung 103 Siebrückstände 79, 80 Silbertargets 92 Silikonöl(e) 37, 38 Siloxan 143 Sondenstrahlung 101, 102 Spotanalyse 104 Spritzgussfehler 26 Spritznebel 49 Spritznebelunverträglichkeiten 40 Spülmedium 91 Spurenanalysen 129 Spurenkontaminationen 147 Spurensubstanzen 144 Stammlack/Härterverhältnis 97 Stanzöle 38 statischer SIMS 139 Staub 43 Stippe 16, 23, 55 ff., 129, 136, 150 ff., 155 Stippenbildung 55, 136 Streckschwingungen 115 Strukturanalyse 147 Strukturuntersuchung 147 Substratfehler 40, 52 Substratprobleme 25 Substratverunreinigungen 28, 45

T TD GC-MS 62 Thermodesorption 61 Tiefenprofilanalyse 105 Titandioxid 88 TOF-Analysator 140 TOF-SIMS 27, 28, 62, 95, 138 TOF-SIMS-Analyse 89 TOF-SIMS-Analyse, technische Daten 149 TOF-SIMS, Anwendungen 147 TOF-SIMS, apparativer Aufbau 140 TOF-SIMS, halbquantitative Auswertung 145 TOF-SIMS, physikalische Grundlagen 139

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TOF-SIMS, Probenbeschaffenheit und Probenpräparation 140 TOF-SIMS, Spektrenauswertung 142 TOF-SIMS-Spektrometer 141 TOF-SIMS-Verfahren 30, 39, 54, 70, 78, 84, 95, 140 ff. Totalreflexion 122 Transflexion 132 Transflexions-Objektiv 130 Transmissions-Spektrum 119 Trennmittel 14, 32, 38, 136 Trennsäule 74 Trennung 74 Trockenfilm 88, 89 Trocknungsfehler 35 Trocknungstemperatur 35

U Umgebungsluft 92 Unterwanderung 51

V Vakuumtechnik 153 Vakuumverfahren 140 Verfärbungen 53 Vernetzung 35 Vernetzungsfehler 25 Vernetzungsgrad 96 Verteilung von Lackadditiven 98 Verunreinigungen 25, 147 VOC 105 Vorbehandlung 25, 26, 37 Vorbehandlungsschritte 55, 95

W Wartungsfehler 89 Wasch-Anlage 38 WDX 156 wellenlängendispersives Röntgenspektrometer 158

X XPS 27, 28

Z Zerstäuberluft 94 Ziehöle 38 Zwischenhaftung 25

Rolf Döring, Director of Coatings Analytical Services, BASF Coatings, Münster Das Lehrbuch zeigt in anschaulicher Weise den Aufklärungsweg von der Feststellung eines Beschichtungsfehlers bis zur Identifikation der Ursache. Die Darlegung der prinzipiellen Vorgehensweisen zur Ursachenermittlung und die zahlreichen Fallbeispiele liefern die Grundlage für eigene Lösungsstrategien. Besonderes Augenmerk wird auf die Identifikation von Kontaminationen gelegt, die zu Benetzungsund Haftungsstörungen führen. Ausführliche Erläuterungen zu den Messprinzipien und die Bewertung der Vor- und Nachteile sowie Grenzen der Methoden runden das Lehrbuch ab. Das Lehrbuch ist allen empfohlen, die sich mit der Aufklärung von Benetzungs- und Haftungsstörungen bei Lackierungen auseinandersetzen.