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German Pages [261] Year 2019
Handlungsfeld der Öffentlichen Theologie
Peter Noss
Theologische Anstöße
Inklusion in Sport und Kirche
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Theologische Anstöße
Herausgegeben von Michael Beintker, Johannes Eurich, Günter Thomas, Christiane Tietz und Michael Welker
Band 9 Peter Noss Inklusion in Sport und Kirche
Peter Noss
Inklusion in Sport und Kirche Handlungsfeld der Öffentlichen Theologie
Vandenhoeck & Ruprecht
Diese Veröffentlichung wurde als Dissertation im Jahr 2018 unter dem Titel »Sport als gesellschaftsdiakonisches Handlungsfeld – Inklusion als Thema Öffentlicher Theologie« im Fach Diakoniewissenschaft an der Fakultät für Verhaltens- und Empirische Kulturwissenschaften der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlaggestaltung: Stellbrink graphik design, Bielefeld Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2567-9643 ISBN 978-3-7887-3411-4
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommer 2018 von der Fakultät für Verhaltens- und empirische Kulturwissenschaften der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg unter dem Titel »Sport als gesellschaftsdiakonisches Handlungsfeld – Inklusion als Thema Öffentlicher Theologie« als Dissertationsschrift angenommen. Vor allem Prof. Dr. Johannes Eurich gilt mein Dank, der das Vorhaben intensiv betreut und unterstützt hat. Prof. Dr. Heinz Schmidt hat dankenswerterweise die Zweitkorrektur übernommen und einige wertvolle Hinweise gegeben. Ich danke aber auch Prof. Dr. Traugott Jähnichen, Prof. Dr. Okko Herlyn (Bochum) und Prof. Dr. Michael Krüger (Münster) für das Gespräch und wichtige Anregungen bei der Entstehung des Projektes. Ein herzlicher Dank geht auch an Wolfgang und Erika Hering für die Korrekturen am Text. Sport ist für viele Menschen weltweit ein integraler Bestandteil ihres Lebens geworden – im organisierten Bereich in den Vereinen oder im Bereich privater Initiative, im Leistungs- wie im Breitensport. Auch die passive Beteiligung an Sportereignissen durch die Medien gehört dazu. Der Gedanke der Inklusion ist im organisierten Sport angekommen. Sportgroßereignisse haben inzwischen global verbindende Elemente etwa über die sozialen Netzwerke, die Grenzen zu den interaktiven Spielwelten sind fließend. »Sport für alle« und »Sport von allen« scheint aus dieser Perspektive weitgehend selbstverständlich zu werden. Doch die Lage ist komplizierter: Noch immer sind Menschen aus verschiedenen Gründen von der Teilhabe am Sport ausgeschlossen, es fehlt in vielen Ländern besonders im Breitensportbereich an einer entsprechenden Infrastruktur, von den möglichst friedlichen Umständen ganz zu schweigen. Sport ist in prekären Situationen entweder Luxus oder eine Chance für eine Karriere, bevorzugt in den Sportarten Fußball, Kampfsport oder Leichtathletik. Aber auch in Deutschland sind die Bedingungen nicht so, dass die Idee eines »Sport für alle« den Status der (ethischen) Forderung schon überwunden hätte. Mein Interesse am Thema ist entstanden aus der Zusammenschau verschiedener Aspekte. Zum einen sind mir durch die systematisch-theologischen Überlegungen von Heinz-Eduard Tödt, Wolfgang Huber und Heinrich Bedford-Strohm die Relevanz von Fragen der Menschenrechte, einer Öffentlichen Theologie, zu einer »Option für die Armen« seit Anfang der 1990er Jahre klar geworden. Zum anderen habe ich seit der Jahrtausendwende begonnen, mich mit dem Verhältnis von Kirche, Theologie und Sport auseinanderzusetzen. Und schließlich war ich durch familiäre Zusammenhänge schon früh auf die Frage von Integration von Menschen mit Behinderungen gestoßen. Die Veröffentlichung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) 2006 motivierten mich zu einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema, die
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Vorwort
in der Veröffentlichung eines Aufsatzes mündeten. Doch schien mir in diesem Feld noch weiteres Potenzial zu liegen, insbesondere fehlte mir eine systematisch-theologische Grundlegung. Diese fand ich durch die Beschäftigung mit der Theologie Jürgen Moltmanns, der nicht nur eine der in der UN-BRK formulierten Idee der Inklusion kompatible Theologie mit eschatologischer Ausrichtung formuliert, sondern ebenfalls aus eigenem familiären Zusammenhang von der Situation von Menschen mit Behinderungen Kenntnis hat. Außerdem hatte er in einigen frühen Veröffentlichungen den Bereich des Sports im Blick. Alle diese und weitere Bestandteile sind in der vorliegenden Arbeit enthalten und bilden ein hoffentlich ausgewogenes Werkstück, das dem geneigten Lesepublikum gefällt. Sie will zum weiteren Diskurs anregen, denn die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft ist mir wichtig. Wir müssen unsere Welt denen in Verantwortung übergeben, die sie nach uns beleben: unseren Kindern, auch meinen, denen ich diese Arbeit widme: Maximilian, Frieda, Aaron und Liv. Mein wichtigster Dank für Alles gebührt darum zum besten Schluss meiner Frau, Dr. Stefanie Brauer-Noss. Frankfurt im Januar 2019
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Thematische Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.1 Inklusion als Thema Öffentlicher Theologie . . . . . . . . . . 14 2.2 Sport als Reflexionsfeld Öffentlicher Theologie . . . . . . . . 15 3. Herausforderungen für Öffentliche Theologie im Blick auf Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.1 Der Umgang mit dem Fremden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.2 Migration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.3 Armut und soziale Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3.4 Disability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4. Aufbau der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
II. Öffentliche Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Von der politischen zur öffentlichen Theologie . . . . . . . . . . . 30 2. Sozialethische Grundsituation im Blick auf den Sport . . . . . . 37
III. Menschenrechte als Thema Öffentlicher Theologie . . . . . . . . 40 1. Die Entwicklung des Menschenrechts-Diskurses bis zur UN-Behindertenrechtserklärung 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Die UN-Behindertenrechtskonvention: »Inklusion« als neuer Leitbegriff für das Thema der Menschenrechte . . . . . . 43 3. Menschenrechte als Thema der Öffentlichen Theologie . . . . 47
IV. Soziologische Ansätze zu Exklusion und Inklusion . . . . . . . . . 53 1. Herkunft und Bedeutung der Begriffe »Exklusion« und »Inklusion« in der Soziologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Die Begriffsentwicklung von Inklusion und Exklusion bei Niklas Luhmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Die Funktion der Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. Inklusion und Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 5. Die Funktion des Sports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
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V.
Inhalt
Sportwissenschaftliche Überlegungen zum Themenfeld »Inklusion« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Von der »Integration« zur »Inklusion« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Das Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport (FIBS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Sportwissenschaftliche Expertise im Auftrag des DOSB . . . . 77 4. Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaften (DVS) . . . . . 82
VI. Theologische Ansätze zur Inklusion im Blick auf den Sport . . 86 1. 2. 3. 4. 5.
Die Theologie des Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Krankheit – Behinderung – Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Inklusion als Begriff für Öffentliche Theologie und Kirche . . 100 Ekklesiologische Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Konsequenzen für die theologische Ethik . . . . . . . . . . . . . . . 107 5.1 Der Öffentliche Auftrag der Kirche – Kirche als intermediäre Institution . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5.2 Option für die Armen – Option der Anderen . . . . . . . . . 110 5.3. Migration und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 6. Von der Exklusion zur Umarmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
VII. Rekonstruktion der Theologie Jürgen Moltmanns als einer Theologie der Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Die »Theologie der Hoffnung« als Basis für ein inklusives Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Die »Kirche in der Kraft des Geistes« als Raum des inklusiven Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 4. Die Überwindung der Behinderung von Behinderten als Beispiel für das Prinzip der Anerkennung des Anderen . . . 136 5. Kirche, Israel und die anderen Religionen: Exklusivität als Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 6. Hermeneutische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 7. Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
VIII. Kirchen- und sportpolitische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1. Kirchenpolitische Verlautbarungen zur Inklusion . . . . . . . . . 145 1.1 The World Council of Churches: A Church of All and For All (2003) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 1.2 Die Deutschen Bischöfe: »unBehindert Leben und Glauben teilen« (2003) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Inhalt
9 1.3 Evangelische Kirche im Rheinland: »Da kann ja jede(r ) kommen. Inklusion und kirchliche Praxis« (2013) . . . . . . 155 1.4 Evangelische Kirche von Kurhessen und Waldeck: Die Pflicht zur Inklusion und die Tugend der Barmherzigkeit (2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1.5 Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland: Inklusion leben in Kirche und Gesellschaft (2014) . . . . . 165 1.6 Weitere Kirchliche Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Evangelische Kirche in Hessen und Nassau: »Inklusion fängt bei der Sprache an« . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Evangelische Kirche von Kurhessen und Waldeck: »Grenzen überwinden, Teilhabe erfahren« . . . . . . . . . . . . . 171 Nordkirche: »Netzwerk Kirche Inklusiv« . . . . . . . . . . . . . . 172 Evangelische Kirche von Westfalen: »Mitgedacht« . . . . . . . . 172 Evangelisch Lutherische Kirche in Bayern . . . . . . . . . . . . . 172 Evangelische Kirche in Bremen: »Nehmt einander an« . . . . 173 Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg / Schlesische Oberlausitz: »Inklusive Bildung« . . . . . . . . . . . 173 Evangelische Landeskirchen in Württemberg und Baden: »Eckpunkte Inklusion« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Evangelische Kirche Mitteldeutschland (EKM) . . . . . . . . . 174 Evangelische Landeskirche Anhalts: »Inklusion ist kein Sparmodell« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig . . . . 175 Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers . . . . . . . . 175 Evangelische Kirche der Pfalz: »Inklusive Gemeindekultur« 176 Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens: »Einander beschenken« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Diakonisches Werk (DW): »Inklusion verwirklichen!« . . . . 176 Evangelisch Freikirchliche Gemeinden (Baptisten): »Vielfalt ist möglich« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Bund freier Evangelischer Gemeinden in Deutschland (FEG): »Leitprinzip Liebe« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Stellungnahmen und Projekte im Arbeitsfeld »Kirche und Sport« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1.7 Zusammenfassende Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Sportpolitische Ansätze zur Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2.1 »Inklusion« als Thema in den Organisationen des Sports 184 2.2 Das Thema »Inklusion« im Dachverband des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2.3 Das Thema »Inklusion« bei den Sportverbänden für Menschen mit Behinderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2.3.1 Der Behindertensportverband (DBS) . . . . . . . . . . . . 197 2.3.2 Special Olympics Deutschland (SOD) . . . . . . . . . . . 200
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Inhalt
2.4 Die Sonderstellung des Deutschen GehörlosenSportverbandes (DGS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2.5 »Inklusion« als Thema im Landessportbund NordrheinWestfalen (LSB NRW) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2.6 Inklusion als Thema im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2.7 »Inklusion« als Thema der Deutsche Jugendkraft (DJK) . . 211
IX. Sport als Herausforderung für Öffentliche Theologie: Das Inklusions-Potenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Grenzen und Chancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Die sportpolitischen Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Die kirchenpolitischen Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Das neue Verständnis von Körper und Person . . . . . . . . . . . 227 Die christlich-eschatologische Interpretation Jürgen Moltmanns als Schlüssel zum Verständnis von »Inklusion« . . 228 7. Die Utopie der Inklusion: Umarmung als Grenzübergang . . . 232
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Verzeichnis der Broschüren und Internettexte . . . . . . . . . . . . . . . 250 Weitere Internetseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
Thesenpapier: Gelebte Toleranz – Integration und Inklusion als Herausforderungen für Kirche und Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 I. Die bunte Gnade Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 II. Inklusion und Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 III. Gelebte Toleranz:
Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Mt 25,35 . . . . . . . . . . . . . . . . 259
Grenzübergang »In einer Umarmung ist der Gastgeber Gast und der Gast Gastgeber. Auch wenn ein Selbst vielleicht mehr empfängt oder gibt als das andere, muss jeder den Raum des anderen betreten, die Gegenwart des anderen in sich selbst spüren und seine eigene Gegenwart spüren lassen. Ohne solche Gegenseitigkeit gibt es keine Umarmung. … Damit ein solches freies und gegenseitiges Geben stattfinden kann, ist zunächst zu Gegenseitigkeit auch eine sachte Berührung nötig. Ich schließe die Arme vielleicht nicht zu fest um den anderen, um ihn nicht zu erdrücken und zu assimilieren, damit die Umarmung nicht zur verdeckten Machtausübung gerät, die zur Exklusion führt. Eine Umarmung würde zu einem ›Schwitzkasten‹ entgleisen. Ebenso muss ich auch die eigenen Grenzen fest stehen lassen, Widerstand bieten, sonst gerate ich in einen zerstörerischen Akt der Selbstaufgabe. … In einer Umarmung wird die Identität des anderen sowohl gewahrt als auch verwandelt und die Andersartigkeit des anderen wird als Andersartigkeit sowohl bekräftigt als auch zum Teil in die sich wandelnde Identität des Selbst einbezogen.«1
I. Einleitung 1.
Thematische Ausrichtung
Die Menschenrechte sind das zentrale Thema Öffentlicher Theologie.2 Sie sind das Fundament des Miteinanders in Staaten und Gesellschaften, die in den Vereinten Nationen die Weltgemeinschaft bilden. Die 1948 verabschiedete Erklärung der Menschenrechte war die Grundlage für eine ganze Reihe weiterer Resolutionen, die unmittelbar an sie anknüpfen, darunter die UNBehindertenrechtskonvention von 2005. Diese ist bisher jedoch noch nicht dezidiert Gegenstand einer größeren Untersuchung im Feld der Öffentlichen Theologie gewesen. Ebenso ist der Sport als Thema nur sporadisch in ihren Fokus gerückt.3 Die vorliegende Untersuchung will diese Lücken schließen und damit zugleich einen Beitrag liefern zur Relevanz Öffentlicher Theologie in der Gegenwart. 1 Miroslav Volf, Von der Ausgrenzung zur Umarmung. Versöhnendes Handeln als Ausdruck christlicher Identität, Marburg 2012, S. 185 f. 2 Das zeigt sich nicht zuletzt durch die Arbeiten von Heinz Eduard Tödt, Wolfgang Huber und Wolfgang Vögele, die diese Verknüpfung von Anfang an hergestellt haben. Vgl. dazu Kap. III. in diesem Band. 3 Wolfgang Huber hat sich allerdings vielfach zu sportethischen Fragen geäußert, doch nicht explizit im Rahmen Öffentlicher Theologie. Vgl. dazu Kap. VI. in diesem Band.
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Einleitung
Exklusion, so lautete die Prognose von Niklas Luhmann, wird das zentrale Problem in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts sein. Wenn Inklusion die Teilhabe von Personen an Kommunikation ist, bedeutet Exklusion den Ausschluss davon: »Von Exklusion sprechen wir …, wenn ein System annimmt, sich gegenüber … Personen Indifferenz, Rücksichtslosigkeit, Ablehnung leisten zu können«.4 Das Funktionssystem der Religion als eines der Systeme der modernen, funktional differenzierten Gesellschaft hat dabei aufgrund seiner besonderen Stellung gegenüber allen anderen Systemen (Sport, Wirtschaft, Wissenschaft, Recht, Politik etc.) einzigartige Möglichkeiten, den Exklusionseffekten der Moderne entgegenzuwirken.5 Wenn diese Annahme stimmt, ist zu prüfen, welcher Art die besondere Stellung der Religion, genauer des Christentums bzw. der Kirche sein und wie diese in theologischer Perspektive begründet werden kann. Daher muss zunächst geklärt werden, was die gesellschaftlichen Spielregeln für Exklusion und Inklusion sind und in welchen Systemen sie stattfinden. Wie ist der Diskurs um das Themenfeld »Exklusion / Inklusion« seit Luhmanns Entdeckung geführt worden? Sind diese Begriffe für die Theologie kompatibel? Gibt es theologische Ansatzpunkte und Grundlagen? Durch die Verabschiedung der Menschenrechtserklärung für die Rechte der Menschen mit Behinderung durch die Vereinten Nationen im Jahre 2006 (UN-BRK)6 (und die Ratifizierung in Deutschland im März 2009) ist ein Debatte beschleunigt worden, deren Leitbegriff die »Inklusion« ist. Damit ist eine gesellschaftlich wirksame Grundperspektive bezeichnet, die ihren Ursprung in der Idee der »Menschenrechte« überhaupt hat.7 Diese Debatte scheint bisweilen abgelöst von dem, was die Soziologie seit Luhmann diskursiv entwickelt hat. Eine Rückbindung an den wissenschaftlichen Diskurs ist geboten, um Missverständnissen vorbeugen und belastbare Fortschritte erzielen zu können.8 4 Niklas Luhmann, Die Religion der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 2000, 233. »Inklusion erreicht, wer kommunizieren kann, was kommunizieren kann…« (Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1990, 346). Dabei ist das, was kommuniziert werden kann jeweils abhängig davon, was soziale Systeme erwarten und wer kommunizieren kann und darf, ist also abhängig von den Zugangsbedingungen. Vgl. dazu auch: Georg Kneer / Armin Nassehi, Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. Eine Einführung, München 4 2000, S. 155–166. 5 Niklas Luhmann (2000), S. 144 f. Vgl. Ders., Differentiation of Society, in: Canadian Journal of Sociology 2:1,1977, 29–53; Die Überlegungen von Luhmann gehen zurück auf die Ideen von Talcott Parsons, Theoretical Orientations on Modern Societies, in: Ders. Politics and Social Structure, New York, 1969, S. 34–57. 6 UNO, Convention on the Rights of Persons wirth Disabilities, New York 2006. Im Internet unter www.un.org/disabilities/(Convention). 7 Diesen Gedanken verfolgt u. a. auch Theresia Degener, Inklusion als Menschenrecht, Neukirchen-Vluyn 2016. 8 Vgl. zur begrifflichen und inhaltlichen Bestimmung zuletzt: Wolfhard Schweiker, Prinzip Inklusion. Grundlagen einer interdisziplinären Metatheorie in religionspädagogischer Perspektive, Göttingen 2017.
Thematische Ausrichtung
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Der Begriff der »Inklusion« wird noch immer einseitig und unterschiedlich verstanden, bewertet und strategisch eingesetzt.9 Er hat, ähnlich wie der Begriff der »Integration«10, normativ-politische oder wissenschaftlich-analy tische Anwendungsweisen. Einen Beitrag zur Klärung auf der Grundlage soziologischer und systematisch-theologischer Forschung zu leisten, hat sich diese Studie zur Aufgabe gemacht. Lässt sich aus einer zunächst deskriptiven Terminologie in Bezug auf gesellschaftliche Prozesse unmittelbar eine ethische Forderung z. B. für den Bereich des Sports ableiten? Welche exklusiven und inklusiven Faktoren spielen dabei eine Rolle? Was muss beachtet werden, um die richtigen Schlussfolgerungen ziehen zu können? Welchen Beitrag zum Diskurs bietet die Theologie? In welchem konkreten gesellschaftlichen Funktionsbereich kann sie den Exklusionseffekten entgegenwirken, so dass sie der »story of progressive ›inclusion‹«11 in der modernen Demokratie entsprechen kann? Und schließlich: Ist der Begriff der »Inklusion« selbstverständlich als eine positive, ethisch vereinnahmte Kategorie zu verstehen? Wenn ein weiterer Funktionsbereich neben den von Luhmann ursprünglich bezeichneten in den letzten Jahrzehnten in seiner gesellschaftlichen Bedeutung an Raum gewonnen hat, dann ist dies – neben den Systemen der Medizin und der (Massen-) Medien – der Bereich des Sports.12 Der organisierte Sport wirkt vielfältig in die moderne Gesellschaft hinein, beeinflusst die Kommunikation und das Lebensgefühl, prägt ethische und moralische Gewissheiten und Werte. Der Sportbereich, so Eilert Herms, »wird genau in demjenigen Funktionsbereich von Gesellschaft wirksam, in dem auch der spezifische Beitrag religiöser Kommunikation angesiedelt ist«.13 Hier stellt sich die Frage, inwiefern das Funktionssystem Sport mit dem der Religion konkurriert oder aber korrespondiert: Bestreitet der Sport der Religion die singuläre Sonderstellung? Hat 9 Bereits die Übersetzung des in der UN-Convention ins Deutsche verwendeten Begriffs manifestierte – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – das Missverständnis, Inklusion sei mit Integration gleichzusetzen, indem sie entsprechend übersetzte. Es ist zudem auffällig, dass es in der Debatte um Inklusion in Deutschland eine Konzentration auf das Thema »Behinderung« gibt, obwohl er ein viel größeres Bedeutungsspektrum hat. Vgl. dazu Ulf Liedke / Harald Wagner u. a., Inklusion. Lehr- und Arbeitsbuch für professionelles Handeln in Kirche und Gesellschaft, Stuttgart 2016, Vorwort, S. 7. 10 Vgl. den Beitrag zum Thema im Kontext des Sports: Bernd Bröskamp / Thomas Alkemeyer, Art. »Integration / Fremdheit«, in: Ommo Grupe / Dietmar Mieth (Hg.), Lexikon der Ethik im Sport, S. 265–269. 11 Miroslav Volf, Exclusion & Embrace. A Theological Exploration of Identity, Otherness and Reconsiliation, Nashville 1996, S. 58. 12 Karl-Heinrich Bette, Systemtheorie und Sport. Frankfurt a. M. 1999; Ders., Sportsoziologie, Bielefeld 2010; Klaus Cachay / Ansgar Thiel, Soziologie des Sports. Zur Ausdifferenzierung und Entwicklungsdynamik des Sports der modernen Gesellschaft, Weinheim und München 2000; Uwe Schimank, Die Entwicklung des Sports zu einem gesellschaftlichen Teilsystem, in: Renate Mayntz (Hg.), Differenzierung und Verselbstständigung, Frankfurt a. M. / New York, S. 181–232; Rudolf Stichweh, Sport-Ausdifferenzierung, Funktion, Code, in: Sportwissenschaft 20/1990, S. 373–389. 13 Eilert Herms, Sport. Partner der Kirche und Thema der Theologie, Bielefeld 1993, S. 11.
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Einleitung
das System der Religion auch gemeinsam mit bzw. gegenüber dem Funktionsbereich des Sports Möglichkeiten, dabei zu helfen, den dort wirksamen Exklusionsphänomenen entgegenzuwirken? 2. Begründung 2.1
Inklusion als Thema Öffentlicher Theologie
Eine erste Leitthese ist: »Exklusion und Inklusion« bzw. die gesellschaftlichkommunikativen Prozesse, die damit beschrieben werden, sind ein originär (jüdisch-) christlich theologisches Thema, Kern des Selbstverständnisses einer gesellschaftsdiakonisch ausgerichteten Kirche und eine Herausforderung für eine Öffentliche Theologie.14 In verschiedenen Feldern der soziologischen, sportwissenschaftlichen und theologischen Forschung ist »Inklusion« als ein spezifisches Thema der Menschenrechte insgesamt zu einem Schlüsselbegriff geworden, der sozialethischen Diskursen eine neue Dynamik verleiht: im Blick auf die Bildung, in Bezug auf die Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen, bei der Frage von Armut und Reichtum, hinsichtlich der Ökumene sowie der »Integration« von Migranten und im Miteinander mit Menschen unterschiedlichster kultureller und religiöser Prägung angesichts einer Vielfalt im globalen Horizont. Dies alles sind Themen, mit denen sich die Öffentliche Theologie auseinandersetzen muss. Wenn, wie auch Johannes Eurich und Andreas Lob-Hüdepohl in ihrem Band »Inklusive Kirche« feststellen, die »Inklusion« ein originärer Topos der Theologie ist, müssen sich durch die Relektüre dogmatischer Entwürfe seit der Reformation Grundlinien eines solchen Verständnisses rekonstruieren lassen.15 Damit wäre ein Anknüpfungspunkt dafür geschaffen, die in der Soziologie gereiften Erkenntnisse für die Öffentliche Theologie und das mit ihr verbundene Reflexionsfeld des Sports fruchtbar zu machen. Kirche und Sport sind nicht nur wesentlich wichtige funktionale Systeme, sondern auch Großorganisationen in einer Gesellschaft, in der sie Wirksamkeit entfalten und in der sie zusammenwirken können und müssen.16 Es liegt deshalb nahe, das Gespräch gerade an dieser Stelle im Grenzbereich von Kirche / Theologie und Sport / Sportwissenschaften zu suchen und zu führen.
14 Vgl. Isolde Karle, Funktionale Differenzierung und Exklusion als Herausforderung und Chance für Religion und Kirche, in: Soziale Systeme 7/1, 2001, S. 100–117. 15 Im Vorwort zu dem von ihnen herausgegebenen Band »Inklusive Kirche« haben Johannes Eurich und Andreas Lob-Hüdepol daran erinnert, dass »der Inklusionsgedanke eigentlich ein genuiner Topos christlicher Rede« ist. Johannes Eurich / Andreas Lob-Hüdepohl (Hg.), Inklusive Kirche, (Behinderung – Theologie – Kirche. Beiträge zu diakonisch-caritativen Disability Studies 1), Stuttgart 2011, S. 7. 16 Vgl. auch zum folgenden: Eilert Herms, Die Zukunft des Sports und die Zukunft der Kirche, in: Ders., Sport (1993), S. 47–69.
Begründung
15
Anhand konkreter Beispiele aus den Bereichen Kirche und Sport soll überprüft werden, inwieweit ein mit »Inklusion« begründetes ethisches Konzept umsetzbar ist.17 Die Kirche hat, wie auch der Sport, nicht nur in Deutschland, Anteil an öffentlichen Diskursen und Debatten: durch die öffentlichen Gottesdienste und die Verkündigung des Evangeliums, die gesellschaftliche Diakonie, durch Präsenz in den Medien etc. Dies ist theologisch begründet durch den universalen Heilswillen Gottes: »Nicht ein einzelnes Volk, ein einzelner Staat oder eine bestimmte Gesellschaftsform, sondern die Menschheit als ganze muss für die Kirche den Bezugsrahmen darstellen, in dem sie sie ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit gestaltet.«18 Eine zweite These lautet daher: Für die Öffentliche Theologie und die Kirche ist das Verständnis von Inklusion / Exklusion von zentraler Bedeutung – in ekklesiologischer, (sozial-)ethischer und praktisch-theologischer Hinsicht. 2.2
Sport als Reflexionsfeld Öffentlicher Theologie
Ethymologisch ist das Wort »Sport« von lateinischen »disportare« ableitbar und bedeutet so einerseits soviel wie »Vergnügen«, »Zerstreuung« oder auch »Erholung«.19 Die in der Antike gebäuchlichen Begriffe »ludus« und »exercitia corporalia« hingegen heben die Aspekte von Anstrengung, Askese und Kampf hervor. Der im deutschen Sprachraum ebenfalls lange Zeit gebräuchliche Begriff der »Leibesübungen« als Oberbegriff für die Bereiche Sport, Turnen, Gymnastik, Spiel, Leibeserziehung etc. ist heute kaum noch gebräuchlich, der Begriff »Sport« hat sich als umfassende Bezeichnung international durchgesetzt. Vom »Spiel« lässt sich der Begriff nicht klar abgrenzen, besonders wenn es sich um Spiele mit körperlichen Bewegungen handelt.20 Der spielerische Charakter des Sports steht in Korrelation zur Leistung im Sport: durch den Wettkampf besteht die Gefahr, dass das Bedürfnis nach dem Spielerischen und die Freude daran verloren gehen. Die ursprüngliche Verwurzelung des Sportes im Kult bzw. in der Religion, wie es in der Antike selbstverständlich war und von Pierre de Coubertin bei der Renaissance der Olympischen Idee Ende des 19. Jahrhunderts wieder in eine 17 Vgl. schon die Ausführung von Karl Kardinal Lehmann, Geleitwort, in: Dietmar Mieth / Norbert Müller / Christoph Hübenthal (Hg.), Kirche und Sport und Christentum. Eine anthropologische, theologische und pastorale Herausforderung, Ostfildern 2008, 7 f.: Kirche und Sport erkennen die unverfügbare Würde des Menschen an und betonen seine ursprüngliche Einheit von Leib und Seele, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Ohne diese Einheit könnten ethische Fragen nicht die je besondere Bedeutung für den Sport haben.« 18 Wolfgang Huber, Kirche und Öffentlichkeit, Stuttgart 1973, S. 48. 19 Vgl. dazu: Franz Enz, Sport im Aufgabenfeld der Kirche, München 1970, S. 5 ff. 20 Zum Begriff »Spiel« vgl. Elke Sofie Frohn / H.-Georg von Lützenkirchen, Art. »Spiel«, in: Metzler Lexikon Religion, Bd. 4, S. 350–355. Das Schach-Spiel ist ein Beispiel für einen Grenzbereich zwischen Spiel und Sport. Ähnlich wie der Sport war auch das Spiel im Christentum lange Zeit als unnütz und schädlich angesehen.
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Einleitung
zentrale Rolle gerückt wurde21, ist heute nur noch in säkularer bzw. verfremdeter Form zu finden. Im Prinzip hat sich der Sport vom Kult gelöst – erliegt jedoch immer wieder der Gefahr, Religion als Mittel zum Zweck zu gebrauchen und sich selbst einen Kult-Status anzueignen.22 Eilert Herms hat zurecht betont, dass die religiöse Bedeutung des Sports »sich aus seinem anthropologischen Sinn als spezifisches Element der Kultur menschlicher Leibhaftigkeit« ergibt.23 Weil unser körperliches Verhalten mit unserem Selbstverhältnis und unserem Verhältnis zum Grund des Lebens korrespondiert, ist nach seiner Auffassung auch alle Leibeskultur, also auch der Sport, von religiöser, kultischer Bedeutung.24 Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass Sportpraktiken in allen Bereichen zum Kult falscher Götter (Egoismus, Nationalismus, Materialismus) werden. Dietrich Kurz spricht im Zusammenhang mit dem Körperkult von der »Tyrannei des perfekten Körpers« auch in den Bereichen von Fitness, Body-Building.25 Ebenso kann der Sport in ein reines »Leistungsprinzip« umschlagen, bei dem allein der Wert des Stärkeren im Vordergrund steht.26 In der medialen Aufbereitung von sportlichen Großereignissen wird dies oft überdeutlich.27 Sport ist – positiv betrachtet – die Vorführung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten, von Kraft und Geschick in einer Öffentlichkeit, an der Mitspieler, Gegner und Zuschauer beteiligt sein können. Als besonderer Höhepunkt gilt für den Breiten- wie den Leistungssport das öffentliche Fest, als Turn- oder Sportfest, ein Marathon, nationale, kontinentale oder globale Meisterschaften sowie die Feier der Olympischen und Paralympischen Spiele. Nicht zuletzt die Aspekte der Bildung und der Entwicklung der Persönlichkeit sind im Sport von hoher Bedeutung, was auch für die hier zu erörternden Fragen ertragreich ist. De Coubertin, der Ideengeber und Initiator der modernen Olympischen Idee, war zuerst und zugleich ein Bildungstheoretiker höchsten Ranges, dessen Ideen bis heute Relevanz beanspruchen können: auf der intellektuellen Ebene etwa bedurfte es eines ethisch orientierenden Ideals auf der Höhe der Zeit: das Ideal sozialer Gerechtigkeit, »im liberalen Sinne verstanden als jedermanns Recht auf den Genuß der Erfolge, die durch geschickten Einsatz der jeweils naturgegebenen Kräfte unter strikter Beachtung gegebener Regeln erzielt wurden«.28 Im Zusammenhang unserer Fragestellung 21 E. Herms, Der religiöse Sinn der olympischen Idee, in: Ders., Sport, S. 25–46. 22 Vgl. Jürgen Moltmann, Olympia zwischen Politik und Religion, in: Sport, Concilium. Internationale Zeitschrift für Theologie 25 (1989), S. 432–437. 23 E. Herms, Sport und Religion, S. 486; vgl. dazu auch E. Herms, Sport, S. 13–24. 24 E. Herms, Sport und Religion, S. 494. 25 Dietrich Kurz, Körper und Sinn, S. 164 f. 26 Ulrich Bach, Getrenntes wird versöhnt, S. 9: »Wir Menschen aber sind so veranlagt, dass uns Stärke und Können stolz machen, wir reden uns gern ein, durch Kraft und Können besser (und den Absichten Gottes näher) zu sein als die, die weniger stark sind, die weniger können. Wir wollen also ständig ›sortieren‹.« 27 Vgl. Peter Noss, Art. »Sport: sozialethisch / wirtschaftlich«, in: ESL 2016, Sp. 1468–1470. 28 E. Herms, Sport, S. 29.
Begründung
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lässt sich dieser Gedanke in den inklusiven Begriff der Teilhabe übersetzen. Wolfgang Huber hat in seiner Analyse über den Sport als Kultur dem Sport – wie auch der Arbeit – drei Dimensionen verbunden29: − in seiner naturalen Dimension ist er ein Bewegungshandeln in der Natur, bei dem der Mensch von den Bedingungen der eigenen Körperlichkeit Gebrauch machen kann, und dient der Integrität (Leistung); − in seiner personalen Dimension dient der Sport der Entfaltung persönlicher Würde und ist zugleich Ausdruck von Kreativität (Erfolg); − in der sozialen Dimension ist der Sport ein Feld von Begegnung als Konkurrenz und Kooperation (Wettkampf ). Die persönliche Integrität und die damit verbundene Leistung sind für jeden Menschen eine notwendige Bedingung für das Leben. Sie ist aber nicht nur von ihm selbst, sondern von den Menschen in seiner Umgebung abhängig und beeinflusst, verbindet sich also sofort mit den beiden anderen Dimensionen. Jeder Mensch ist ja umgekehrt daran beteiligt, ob und wie die Integrität des Anderen bewahrt werden kann. In den sozialen Systemen müssen Menschen die intersubjektive Situation leibhaft gestalten und sie müssen sich zugleich durch Symbole über die gemeinsamen Ziele verständigen.30 Alle sportliche Interaktion ist als eine ethische zu bewerten, die allerdings weniger zum Ausdruck bringt, als faktisch in ihr enthalten ist. Die Würde des Anderen und meine eigene hängen zusammen und münden daher im gemeinsamen sportlichen Spiel nicht in Destruktion, sondern in Kreativität und Kooperation. Das wird zwar im Vollzug des Sports bzw. des sportlichen Wettkampfes nicht explizit, ist aber auf den drei Ebenen der Beteiligung vorhanden: beim Sportler, bei den Mitspielern und beim Zuschauer (der nicht direkt an der Interaktion beteiligt ist).31 Als Sportlerin oder Sportler ist der Mensch Teil eines sozialen Interaktionsfeldes, in dem verschiedene Rollen verteilt sind, von denen sie / er eine ausfüllt: als Athlet, dessen Leistung von Kampf- bzw. Schiedsrichtern und Zuschauern wahrgenommen und hinsichtlich der Leistung beurteilt wird. Die Sportvereine und -verbände haben ihrerseits einen der Kirche vergleichbaren öffentlichen Auftrag, sie wirken auf verschiedenen Ebenen an Bildung, Erziehung und der Vermittlung ethischer Normen und Werte mit. Globale wie regionale Sportereignisse finden zahllose Zuschauer. In Deutschland ist der Sport in seinen Vereinen, Verbänden und im Bereich des Individualsports längst ein erheblicher Faktor von Wirtschaft und Freizeit geworden, die Vermittlung von Werten und Normen ist von hoher Bedeutung. Das im Dezember 2016 von der Bundesregierung verabschiedete »Gesetz zur Stärkung der 29 Wolfgang Huber, Sport als Kult – Sport als Kultur, in: Ommo Grupe / Ders. (Hg.), Zwischen Kirchturm und Arena, Stuttgart 2000, S. 15–28, S. 20 f. 30 Eilert Herms, Sport und Religion, S. 47. 31 Vgl. ebd., S. 56 f.
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Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG)«32 als eine der Konsequenzen der Ratifizierung der UN-BRK ist dabei ein Thema im Feld des Rechts bei der Auseinandersetzung mit der Relevanz von Inklusion in Staat und Gesellschaft auch im Blick auf den Sport. Die Sportfakultäten an den Universitäten beschäftigen sich deshalb seit geraumer Zeit mit ethischen Fragen (»Sportethik«), die auch für die Verbände wichtige Arbeit leisten. Sie haben allerdings keine originäre Lehre bzw. Lehrbasis, vielmehr sind sie auf Erkenntnisse angewiesen, die außerhalb ihrer selbst liegen: in der Soziologie, der Medizin, der Psychologie und insbesondere in der Theologie.33 Es liegt auf der Hand, die Tragfähigkeit des Modells von Exklusion / Inklusion in diesem Dialogfeld anzuwenden und zu fragen, was in den Bereichen des organisierten Sports und in den Sportwissenschaften zum Thema gesagt wird. Dass Kirche und Sport geeignete Dialogpartner sind, war und ist eine Entdeckung des 20. Jahrhunderts. Der YMCA bzw. CVJM war zwar nicht zuletzt eine christliche Sportbewegung (wie auch der DJK – »Deutsche Jugend Kraft« auf katholischer Seite), lange aber stand ein problematisches Verständnis von Körper in der Kirche einer grundsätzlich anderen Bewertung des Sports als einem wichtigen gesellschaftlichen Faktor entgegen. Seit 1945 hat sich die Sicht der Kirche auf den Sport in Deutschland sukzessive verändert. Während auf katholischer Seite die Initiative zu Kontaktgesprächen durch den DJK-Verbandsvertreter Prälat Ludwig Wolker mit dem Deutschen Sportbund (DSB) die ersten Jahre prägte34, war es auf evangelischer Seite die Akademie Bad Boll mit ihrem Leiter Eberhard Müller, die mit ihren regelmäßigen Tagungen unter Beteiligung des Sports eine Richtungsänderung bewirken konnte.35 Eine Konsultation von Deutschem Sportbund, der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz 1964 in Bad Boll und die daran anschließenden Briefwechsel zwischen dem Vorsitzenden des DSB, Willi Daume, dem EKD
32 Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016, abrufbar unter http:// www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Meldungen/2016/bundesteilhabegesetz. pdf?__blob=publicationFile&v=7. 33 Vgl. das bis heute gültige Standardwerk von Ommo Grupe / Dietmar Mieth (Hg.), Lexikon der Ethik im Sport, Schorndorf 1998. 34 Vgl. Franz Lotz, Kirche und Sport, in: Deutscher Sportbund (Hg.), Kirche und Sport, Frankfurt 1968, S. 7–16. Friedhelm Kreis, Bewegt sein: Kirche und Sport in Nordrhein-Westfalen, in: Peter Noss / Thomas Erne, Protestantische Transformationen im Ruhrgebiet – unterwegs im Experiment, Essen 2014, S. 177–194. Neben Wolker nennt Lotz außerdem: Dr. Stangl (Eichenkreuz), Prälat Mosterts (DJK), Pfarrer Karl Zeiß, Pfarrer Martin Hörrmann und Prälat Bokler. 35 Vgl. Rüdiger Schloz, Zwischen »Unverhältnis« und Partnerschaft. Fünfzig Jahre Kirche und Sport, in: Ommo Grupe / Wolfgang Huber (Hg.), Zwischen Kirchturm und Arena, Stuttgart 2000, S. 53–71.
Herausforderungen für Öffentliche Theologie im Blick auf Inklusion
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Präses Kurt Scharf und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Julius Döpfner, waren ein wichtiger Meilenstein auf dem »Weg des Zueinanderfindens«.36 Es kam zur Gründung von Arbeitskreisen auf verschiedenen Ebenen, in der Regel in Zusammenarbeit mit den Landessportbünden. Die Begegnungen auf Spitzenebene finden bis heute regelmäßig statt – etwa beim Bildungskongress in Berlin 2012, bei dem die Inklusions-Thematik eine Rolle spielte. Bis heute finden jährliche Studienkurse in Sils Maria / CH statt, an denen Vertreter aus den Bereichen Sport und Kirche teilnehmen: 2013 war das Thema »Gelebte Toleranz. Integration und Inklusion als Herausforderungen für Kirche und Sport«37. Dies alles sind originäre Reflexionsfelder Öffentlicher Theologie. 3.
Herausforderungen für Öffentliche Theologie im Blick auf Inklusion
Neben dem Sport gibt es weitere gesellschaftsdiakonische Themenbereiche, die von der Öffentlichen Theologie beachtet werden müssen. Dazu gehören der Umgang mit dem Fremden bzw. Anderen, das Feld der Migrationsforschung und die Frage Sozialer Gerechtigkeit. Dort gewonnene Erkenntnisse sind auch für die Fragestellungen dieser Untersuchung von Bedeutung. 3.1
Der Umgang mit dem Fremden
In einer modernen und globalisierten Gesellschaft, die von Vielfalt und Wandel, von Diversität und Pluralität geprägt ist, hat die Begegnung mit dem Fremden, mit Anderen eine zentrale Bedeutung. Vielfalt nötigt in jedem Fall einerseits zu individuellen und institutionellen Entscheidungen, die inklusiv oder exklusiv sein können und müssen. Lange Zeit ist theologisch von der katholischen Seite bis hin zu den Vertretern der sog. Dialektischen Theologie ein strikter Exklusivismus vertreten worden (»extra ecclesiam nulla salus«)38, doch schon bei Ernst Troeltsch und Karl Barth lassen sich Übergänge zu einem Inklusivismus finden, die zwar die Exklusivität der eigenen christlichen Religion betonen, andererseits aber einräumen, dass auch in anderen Religionen Wahrheit und Heil zu finden sein könnten. Brigitte Fuchs hat in ihrer Studie gezeigt, 36 Ommo Grupe / Wolfgang Huber (Hg.), Vorwort, in: Dies. (Hg.), Zwischen Kirchturm und Arena. Evangelische Kirche und Sport, Stuttgart 2000, S. 10. 37 Vgl. Arbeitskreis Kirche und Sport in der EKD (Hg.), Gelebte Toleranz. Integration und Inklusion als Herausforderungen für Kirche und Sport. Eine Dokumentation. 43. Studienkurs des Arbeitskreises Kirche und Sport in der Evangelischen Kirche in Deutschland, 24. Februar bis 3. März 2013, Hannover 2013. Vgl. die Seite www.kirche-und-sport.de. 38 Vgl. dazu Brigitte Fuchs, Eigener Glaube – Fremder Glaube. Reflexionen zu einer Theologie der Begegnung in einer pluralistischen Gesellschaft (Tübinger Perspektiven zur Pastoraltheologie und Religionspädagogik 6), Münster 2001, S. 282 ff.
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dass beide Modelle deshalb problematisch sind, weil sie nicht selbstreflexiv, sondern determinierend sind. So »kann man das exklusive Modell unter die Kategorie ›Minderqualifizierung des Fremden‹ einordnen, das inklusive Modell unter die Kategorie ›Integration des Fremden‹«.39 Auch das Modell einer »pluralistischen Religionstheologie« (John Hick u. a.) begründet zwar einen Paradigmenwechsel im Sinne einer Gleichwertigkeit aller Religionen, bleibt aber letztlich exklusivistisch: Die Öffnung der Grenzen der Wahrnehmung ist aus systemtheoretischer Perspektive eben doch begrenzt.40 Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob es eine theologische Haltung gibt, die über die Alternative von Inklusivität und Exklusivität hinausgeht. Fuchs favorisiert eine »kenotische Grundhaltung, die dem Anderen ein Freiraum für sein Selbstsein und für seine Art der Äußerung dieses Selbstseins eröffnet«41. Letztendlich bedeutet dies, sich auf eine sozialethische Grundhaltung ein zulassen, um die Not aller zu lindern. Die Studie von Brigitte Fuchs behandelt die Frage von Inklusion / Exklusion anhand des Verhältnisses der christlichen Theologie gegenüber dem Phänomen religiöser Diversität. Offen bleibt die Frage, wie sich diese Perspektive theologisch bzw. ekklesiologisch einholen und fruchtbar machen lässt. 3.2 Migration Hans-Ulrich Dallmann hat in seiner Studie Inklusion und Exklusion anhand von Migration untersucht.42 Wie in der Studie von Fuchs geht es auch hier um die Frage des Umgangs mit Fremden: »Migration verlangt eine Reflexion der Unterscheidung von Inklusion und Exklusion, der Differenz zwischen ›wir‹ und ›den anderen‹«.43 Dallmann beschreibt sehr ausführlich die Wirklichkeit der Migration und die ursächlichen Faktoren von Exklusion und Inklusion und legt dabei den Finger in die Wunde von Theologie und Kirche, die, so Dallmann, permanent »selbst Grenzziehungen verwenden«.44 Biblisch-theologisch bedeutet dies, dass »Fremdenliebe und Identitätssicherung« komplementär aufeinander bezogen sind. Das alttestamentliche Gebot der Fremdenliebe (Lev. 19, 18) präzisiere das allgemeine Gebot der Nächstenliebe in konkreten 39 Ebd., 285. 40 Ebd., 290. Vgl. R. Bernhardt (Hg.), Horizontüberschreitungen. Die pluralistische Theologie der Religionen, Gütersloh 1991. 41 B. Fuchs, Eigener Glaube, S. 309. 42 Hans-Ulrich Dallmann, Das Recht verschieden zu sein. Eine sozialethische Studie zu Inklusion und Exklusion im Kontext von Migration (Öffentliche Theologie 13), Gütersloh 2002. Vgl. dazu auch: Jürgen Boeckh, Migration und soziale Ausgrenzung, in: Ernst-Ulrich Huster / Jürgen Boeckh / Hildegard Mogge-Grotjahn (Hg.), Handbuch Armut und Soziale Ausgrenzung, Wiesbaden 2008, S. 362–380. 43 H.-U. Dallmann, Das Recht, S. 15. Dallmann beklagt, dass es nur sehr wenige Beiträge zur ethischen Debatte gibt. 44 Ebd., S. 18.
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Situationen.45 Im Neuen Testament findet Dallmann das paradoxe Konzept von »Öffnung durch Schließung«46: »Aus der Einsicht in die eigene besondere Identität folgt die Anerkennung der besonderen Identität anderer Gruppen. Dies gilt um so mehr, wenn die Gesellschaft, in der die Kirche lebt, in großen Teilen von ihr und ihrer Tradition bestimmt ist.«47 Die Ökumene, also das Zusammenwirken der christlichen Konfessionen, bezeichnet Dallmann als das »ureigene Feld der Kirche (…), in dem sie Erfahrungen mit Inklusion und Exklusion aufarbeiten und Wege der Überwindung der Unterschiede finden« könne.48 Dallmanns Studie weist in eine Richtung, in die auch die vorliegende Studie zielt. Exklusion ist fatal insofern ein Defizit ein weiteres nach sich ziehen kann bzw. ein Kreislauf von Benachteiligungen entsteht.49 So ist es wahrscheinlich, dass einem Migranten ohne Pass auch die Teilnahme an anderen sozialen Systemen, etwa des Sports, verwehrt wird. Besonders einschneidend und beschränkend wirkt hier die individuelle Zurechnung von Exklusion.50 Die Teilnahme eines sog. Flüchtlings-Teams an den Olympischen Spielen 2016 bestätigt dies, denn es handelt sich hierbei um die Teil-Integration einer ausgewählten Gruppe, während die Mehrheit weiter exkludiert bleibt (und trotz möglicher Leistungspotenziale noch nicht einmal die Chance besitzt, an einem Auswahl- bzw. Qualifizierungsverfahren teilzunehmen). Den Aspekt der Bildung in migrationsgesellschaftlicher Perspektive auf die Inklusion nimmt u. a. Paul Mecheril in den Blick.51 Er macht darauf aufmerksam, dass der durch die UN-BRK angestoßene Inklusionskurs selbstverständlich auch die Gesellschaft als Migrationsgesellschaft insgesamt betrifft und sie langfristig verändern muss: »Inklusion verweist visionär auf die pädagogische Notwendigkeit, Lern- und Bildungsdispositionen von Schüler / innen vermittelnde, gesellschaftliche Differenzverhältnisse organisatorisch, didaktisch und handlungsbezogen, schulstrukturell wie – kulturell so zu beachten und thematisieren, dass gesellschaftliche Ungleichheit nicht reproduziert, sondern in Bildungseinrichtung und mittels Bildungsprozessen gemindert werden.«52 Es gehe darum, »gesellschaftliche Verhältnisse … so zu verändern, dass den demokratischen Grundwerten politischer Teilhabe und sozialer Gerechtigkeit Rech45 Ebd., S. 530. 46 Ebd., S. 534. 47 Ebd., S. 532. 48 Ebd., S. 586. 49 Vgl. Niklas Luhmann (2000), S. 243; S. 303 f. 50 Vgl. exemplarisch den Artikel von Tim Neshitov (»Der Tod der Läuferin«) über die Leichtathletin Samia Yusuf Omar, Teilnehmerin bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking, die im Frühjahr 2012 versuchte, mit einem Flüchtlingsboot nach Europa zu gelangen, um an den Olympischen Spielen in London teilnehmen zu können, und dabei im Mittelmeer ertrank. SZ Nr. 210, Dienstag, 11. September 2012, S. 3. 51 Paul Mecheril, Inklusion als migrationsgesellschaftliche Perspektive – zwischen Trugbild und Anspruch, in: Ulf Liedke / Harald Wagner u. a. (Hg.), Inklusion, S. 106–119. 52 Ebd., S. 109.
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nung getragen wird.«53 Diese Formulierung spielt darauf an, dass verschiedene Bereiche möglicher Exklusion / Inklusion miteinander verwoben sind. 3.3
Armut und soziale Frage
Exklusion und Perspektiven der Inklusion im Blick auf soziale Gerechtigkeit / Armut beschreiben die Beiträge in dem von Ernst-Ulrich Huster, Jürgen Boeckh und Hildegard Mogge-Grotjahn herausgegebenen »Handbuch Armut und Soziale Ausgrenzung«.54 Sie bieten eine weit gefächerte Bestandsaufnahme und Analysen und wollen zu veränderter Praxis inspirieren. Armut, so Traugott Jähnichen, lasse sich beschreiben als soziale Ausgrenzung und mangelnde Teilhabe. Im Anschluss an die Sozialtheorie von Pierre Bourdieu ist dies durch Exklusionsfaktoren bedingt wie der Ausgrenzung aus Kontaktnetzen, Mangel an Kompetenzen und materiellen Ressourcen. Demgegenüber bietet sich biblisch-theologisch »ein Ethos der Solidarität« oder der Barmherzigkeit an. Armut kann als Folge ökonomischer Ausbeutung verstanden werden, sozial-ethisch liegt die Option der Überwindung von Armut in der Perspektive des »Vorrangs für die Armen«.55 In ihrem Beitrag zur »Gesellschaftlichen Einund Ausgrenzung« schreibt Hildegard Mogge-Grotjahn: »Ohne eine Vergewisserung über die gesellschaftstheoretischen Voraussetzungen von Analysen zur sozialen Ungleichheit, Armut und Ausgrenzung ist die Entwicklung von politischen Handlungsstrategien ebenso wenig möglich wie die Entwicklung von Konzepten und Methoden der Sozialen Arbeit mit von Armut und / oder sozialer Ausgrenzung betroffenen Personen und Personengruppen.«56 Die »Option für die Armen« bedeutet im ursprünglichen Sinn dieser Rede wendung, sich in die Perspektive der Betroffenen zu begeben und diese zu verstehen, miteinander nach Lösungen zu suchen. Biblisch-theologisch lassen sich Anknüpfungspunkte finden, um aus dem »Kreislauf der Benachteiligungen« herauszufinden. 3.4 Disability Im Bereich der sog. Disability-Forschung sind in den vergangenen Jahren einige wichtige Studien veröffentlicht worden. Dieser Bereich ist für die hier vorliegende Untersuchung besonders relevant. Pionier auf diesem Gebiet ist Ulrich Bach gewesen, der in seinen Untersuchungen bereits den notwendigen 53 Ebd., S. 110. 54 Ernst-Ulrich Huster / Jürgen Boeckh / Hildegard Mogge-Grotjahn (Hg.), Handbuch Armut und Soziale Ausgrenzung, Wiesbaden 2008, 2. erweiterte Auflage 2012. 55 Traugott Jähnichen, Der Wert der Armut, vgl. auch: Heinrich Bedford-Strohm, Vorrang für die Armen, Gütersloh 1993. 56 Hildegard Mogge-Grotjahn, Gesellschaftliche Ein- und Ausgrenzung. Der soziologische Diskurs, in: E.-U. Huster / J. Boeckh / H. Mogge-Grotjahn (Hg.), Handbuch, a. a. O., S. 39–52, S. 51.
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Paradigmenwechsel im Blick auf die Inklusion vorweggenommen hat, ohne den Begriff dafür zu verwenden.57 Dazu kam es erst in der Folge der Veröffentlichung der UN-BRK. Bachs Anliegen war, die Gleichwertigkeit im Sinne der Gottebenbildlichkeit aller Menschen theologisch und besonders ekklesiologisch in den Blick zu nehmen und darauf hinzuwirken, dies für alle Bereiche kirchlicher und diakonischer Arbeit zur Grundlage zu machen. In dem von Johannes Eurich und Andreas Lob-Hüdepohl herausgegebenen und bereits zitierten Band »Inklusive Kirche«58 liegt der Fokus auf dem Aspekt des Umgangs mit Menschen mit Behinderung. Die erklärte Absicht der Herausgeber dieses ersten Bandes der Reihe »Beiträge zu diakonisch-caritativen Disability-Studies« ist vor allem, das Themenfeld in Diakonie und Caritas mit Menschen mit Behinderungen zu beleuchten. Die unter drei Aspekten gegliederten Beiträge ermöglichen eine Fülle ganz unterschiedlicher Zugänge: 1. zu der Frage, wie »Behinderung« im Wandel der Zeiten verstanden wurde, 2. zur (biblisch-)theologischen Reflexion über das Bezugsfeld »Behinderung und Inklusion« und schließlich 3. die potentielle inklusive Praxis und die Reflexion in gesellschaftsdiakonisch ausgerichteter Kirche und Diakonie. Georg Theunissen spricht in Bezug auf die UN-Charta von einem »Empowerment-Konzept«, durch das die Rechte auf Inklusion, auf persönliche Wahl und eigene Entscheidung aller endlich in den Vordergrund gerückt wird. Dabei soll jedoch die (individuelle) Selbstbestimmung nicht absolut gesetzt, sondern sozial eingebettet werden, damit die Anderen und die Umwelt nicht aus dem Blick geraten: nur so ist eine für alle gleichberechtigte Teilhabe zu gewährleisten und Exklusion zu vermeiden. Diese Argumentation ist auch deshalb schlüssig, weil, wie Heiner Bielefeldt in seinem Beitrag hervorhebt, die UN-Konvention den Universalismus der Menschenrechte insgesamt stärkt. Hier kommt eine zentrale theologische Dimension hinzu, wenn die Menschenwürde im Sinne von Gottesebenbildlichkeit und »Brüderlichkeit« als implizite Prämissen betont wird. Sabine Schäper weist darauf hin, dass mit der UN-Charta ein Schlüssel zur Entfaltung der universalen Menschenrechte in Umlauf gebracht ist – hier kann Kirche zur selbstkritisch tätigen »Inklusionsagentur« werden. Das Menschenbild darf nicht »behindert« sein, so übereinstimmend Dietmar Mieth und Simone Bell-D’Avis. Exemplarisch werden in weiteren Beiträgen Situationen von Gottesdienst, Konfirmandenarbeit, Schule und ein Wohnprojekt vorgestellt. Die Analyse des Feldes der weltweiten Entwicklungszusammenarbeit 57 Ulrich Bach, Ich bin einmalig – du auch, Berlin 1990; Ders., Getrenntes wird versöhnt. Wider den Sozialrassismus in Theologie und Kirche, Neukirchen-Vluyn 1991; Ders., Option für die Einheit des Gottes-Volkes. Kontexttheologische Überlegungen aus der Perspektive behinderter Menschen, in: PthI 18 (1998), S. 81–100. Ders., Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz. Bausteine einer Theologie nach Hadamar, Neukirchen-Vluyn 2006. In der Arbeit von Anne Krauß zur Theologie Ulrich Bachs findet sich neben einer breiten Darstellung seines Ansatzes auch eine umfangreiche Bibliographie. Anne Krauß, Barrierefreie Theologie. Das Werk Ulrich Bach vorgestellt und weitergedacht. (Behinderung – Theologie – Kirche Bd. 8.) Stuttgart 2014. 58 Johannes Eurich / Andreas Lob-Hüdepohl (2011).
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von Gabriele Weigt zeigt, dass Armut und Mangelernährung Hauptursachen für langfristige körperliche Beeinträchtigungen und für die Entstehung von handicaps sind. »Inklusion« also ist ein Projekt auf Dauer und bedeutet, auf einen grundlegenden globalen Wandel hinzuarbeiten. Ein zweiter Band in dieser von Eurich und Lob-Hüdepohl herausgegebenen Reihe beschäftigt sich explizit mit dem »Sport im Spiegel der UN-Behindertenrechtskonvention« und bietet damit einen ersten wichtigen Zugang zum Schnittfeld »Kirche und Sport« im Zusammenhang des Themenfeldes »Inklusion / Exklusion«.59 Nach Darstellung der Herausgeber hat eine inklusive Gesellschaft so zu sein, »dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, vom Gesetz gleich zu behandeln sind und ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz und gleiche Vorteile durch das Gesetz haben.«60 Dies bedeutet, dass alle Akteure in der Gesellschaft Exklusion minimieren und Inklusion fördern sollten. Dabei hat der Sport insofern eine spezifische Aufgabe, als er sich über seine Rolle als Akteur in der Gesellschaft Rechenschaft ablegen (Sven Güldenpfennig) und neue Wege bei der Entwicklung von Bedingungen ebnen muss, um Teilhabemöglichkeiten für Alle zu fördern. Dabei braucht er die Hilfestellung anderer Akteure aus Politik und Religion. Zugleich hat er seine ureigenen sportlichen Maßstäbe neben den christlichen zu beachten (Michael Krüger / Bernd Wedemeyer-Kolwe). Vor allem Ulf Liedke und Ralph Kunz haben auf dem Gebiet der DisabilityStudien Pionierarbeit geleistet.61 Die Autoren haben 2013 ein »Handbuch Inklusion in der Kirchengemeinde« herausgegeben.62 Sehr gelungen ist die genaue begriffliche Klärung, die Ralph Kunz in seinem Beitrag vornimmt: Inklusion (und Exklusion) ist nach seiner gut begründeten Ansicht zum einen beschreibender Begriff aus der Soziologie, zum anderen wird er ethisch normativ verwendet. Beide Seiten des Begriffes sind hilfreich für die Praxis – ein korrekter Gebrauch ist wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden. Sein Blick auf die im Vergleich zur Diskussion in Europa weitaus intensiver und länger geführte Inklusions-Debatte in Nordamerika ist ebenso erhellend wie sein Versuch, Gottesdienst als eine »Lebensform« von Gemeinde zu beschreiben. Damit bietet er einen gut nachvollziehbaren Ansatzpunkt für kirchliche Reflexionsprozesse an. Es scheint angesichts der weit verbreiteten Abkopplung 59 Florian Kiuppis / Stefan Kurzke-Maasmeier (Hg.), Sport im Spiegel der UN-Behindertenrechtskonvention. Interdisziplinäre Zugänge und politische Positionen (Behinderung – Theologie – Kirche. Beiträge zu diakonisch-caritativen Disability Studies 3), Stuttgart 2012. 60 So Artikel 5 der UN-BRK, zitiert nach F. Kiuppis / St. Kurzke-Maasmeier (2012), Einleitung, S. 36. 61 Vgl. das von Ulf Liedke und Ralph Kunz redaktionelle betreute Heft der Zeitschrift »Pastoraltheologie« von 2012 zum Thema »Inklusion« und die darin enthaltenen Aufsätze: Ulf Liedke, Menschen.Leben. Vielfalt. Inklusion als Gabe und Aufgabe für Kirchgemeinden, in: Pastoraltheologie Jg. 101, 2012, S. 71–86; Ralph Kunz, Inklusive Gottesdienste. Eine Vision und Mission der Gemeinde, ebd., S. 87–101. 62 Ralph Kunz / Ulf Liedke (Hg.), Handbuch Inklusion in der Kirchengemeinde, Göttingen 2013.
Herausforderungen für Öffentliche Theologie im Blick auf Inklusion
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der Kirchen und Gemeinden von der Theologie besonders wichtig, das Potenzial des Gottesdienstes für Inklusion (wieder) zu entdecken.63 Nachvollziehbar und anschaulich wird das Thema etwa anhand des Beitrags über die Pädagogik, der von Ines Boban / Andreas Hinz beigesteuert wird – Tenor: Inklusive Ansätze (Kooperatives Lernen, Lernen in Offenheit und Vielfalt) sind eine Utopie, der sich die Gesellschaft nur sehr langsam nähert, allen Lippenbekenntnissen zum Trotz.64 Gerade die Beschäftigung mit der Pädagogik zeigt deutlich, dass es einen Paradigmenwechsel braucht, um angemessene Zugangsweisen zu erschließen. Dass die Institutionen der Kirche der Inklusion im Wege stehen, zeigen die Beiträge von Oliver Merz und Martina Holder-Franz zu Menschen mit Behinderung im Pfarramt65: gerade in diesem Punkt könnte sich die Zukunft inklusiver Kirche erweisen. Und der inklusive Konfirmandenunterricht muss als unhinterfragbares Element des kirchlichen Selbstverständnisses gelten – auch wenn die Realität oft anders aussieht.66 In diesem und in weiteren Beiträgen wird Bezug genommen auf den »Index für Inklusion«, ein Frage- und LeitInstrument (»Ist jedes Kind willkommen?«), das Einrichtungen (der Bildung) bei der inklusiven Ausgestaltung helfen kann. Einige sehr vorbildhafte Beispiele gibt es bereits: die »Integrative Schule Frankfurt« oder die »Evangelische Grundschule Karlsruhe«.67 Kirchenräume können als Orte der Inklusion, besonders im Wechselspiel von Gottesdienst und Diakonie, bezeichnet werden.68 Aus der Gemeinwesenarbeit sind solche Erfahrungen von Teilhabe am Ort bereits bekannt. Auf dieser Linie bewegt sich auch Ralph Kunz, der den Aspekt der Gastfreundschaft und den Gedanken einer »Gemeinde als Herberge« (Jan Hendriks) in Erinnerung ruft. »Inklusion«, so wird bei der Lektüre des Bandes deutlich, hat einen hohen Anspruch und ist ein selbstreflexiver Prozess mit einer utopischen Perspektive. Diese Sicht entlastet von Schnellschüssen und Resignation, fordert jedoch ein grundlegendes Umdenken und entspricht dem Bild vom bereits angebrochenen, aber noch nicht vollendeten »Reich Gottes« in der Welt, an dem es sich lohnt, mitzubauen. Ulf Liedke hat darüber hinaus gemeinsam mit Harald Wagner u. a. 2016 einen weiteren Band veröffentlicht, in dem die theologischen Dimensionen 63 Ralph Kunz, Inklusive Gemeinde. Die christliche Gemeinde im Horizont ihrer gesellschaftlichen Verortung, in: ebd., S. 53–84. 64 Ines Boban / Andreas Hinz, Inklusive Pädagogik, in: ebd., S. 113–146. 65 Oliver Merz, Leben und Arbeiten mit Behinderung im Pfarramt, in: ebd., S. 179–192; Martina Holder-Franz, Menschen mit Behinderung im Pfarramt in eigener Sache, in: ebd., S. 193–206. 66 Wolfhard Schweiker, Gemeindezentrum – Konfirmandenarbeit, in: ebd., S. 293–320. 67 Anita Müller-Friese, Schule, in: ebd., S. 265–292. 68 Christoph Sigrist, Kirchenraum, in: ebd., S. 209–236, entwickelt seinen Ansatz mit Bezug auf das Theoriemodell von Pierre Bourdieu.
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Einleitung
und Herausforderungen in den verschiedenen Bereichen skizziert werden.69 Nach der Zusammenschau der sozialwissenschaftlichen Grundlagen durch die Herausgeber werden u. a. biblisch-theologische70 und systematisch-theologische Aspekte71 herausgearbeitet. Die Studien zeigen insgesamt die Vielfalt der zu berücksichtigen Aspekte u. a. aus theologischer, diakonisch-praktischer, sozialethischer, gemeindetheologischer, soziologischer, rechtlicher und pädagogischer, Perspektive, an die in dieser Studie angeknüpft werden kann.72 4.
Aufbau der Studie
Die hier vorgelegte Untersuchung will in einem ersten Teil die bereits angedeutete Relevanz des Sports als wichtiges Reflexionsfeld Öffentlicher Theologie herausarbeiten. Dazu ist es notwendig, zunächst den Diskurs zur Öffentlichen Theologie selbst aufzunehmen und das Feld zu eröffnen (Kap. I). In einem zweiten Teil wird dann das Thema »Inklusion« in den größeren Zusammenhang des Menschenrechts-Diskurses gestellt (Kap. II.). In einem dritten Teil wird eine differenzierte Herleitung und kritische Verwendung des Begriffspaares »Inklusion / Exklusion« für das theologische Selbstverständnis vorgenommen. Dabei soll zunächst der soziologische Kontext betrachtet werden, der eine wesentliche Quelle der Terminologie darstellt (Kap. IV.). Anschließend werden die sportwissenschaftlichen Grundlagen zum Thema erörtert (V.). In einem nächsten Schritt soll dann eine theologische Begründung vorgenommen werden (Kap. VI.). Dazu werden zunächst die theologischen Ansätze vorgestellt, die für das Thema der Inklusion von grundlegender Bedeutung sind: die erneute begriffliche Klärung im Bereich der Theologie, Überlegungen zu Menschenbild, Körperverständnis und Anthropologie im Kontext von Menschen mit Behinderungen, ekklesiologische Fragen, die Idee der Öffentlichkeit und Intermediarität von Kirche, Aspekte von Migration, Armut und Versöhnung. 69 U. Liedke / H. Wagner u. a., Inklusion, a. a. O. 70 Martin Leutzsch, Biblisch-theologische Perspektiven auf Heterogenität, Inklusion und Exklusion, in: Ulf Liedke / Harald Wagner u. a., Inklusion. Lehr- und Arbeitsbuch für professionelles Handeln in Kirche und Gesellschaft, Stuttgart 2016, S. 54–70. 71 Ulf Liedke, »Gott ist die bunte Vielfalt für mich«. Inklusion in systematisch-theologischer Perspektive, in: ebd., S. 71–88. 72 Dies erscheint umso wichtiger, als dass die Fragen von »Behinderung« bzw. Inklusion / Exklusion zwar Themen der Theologie sind, jedoch in der Regel nicht im Zusammenhang des Themas »Sport« aufgegriffen werden (Florian Kiuppis / Stefan Kurzke-Maasmeier, Einleitung, in: Dies. (2012), 27 f. Der vom Autor für den Band verfasste Beitrag »Körper – Behinderung – Sport: Theologische Einsichten zu einem Inklusionsverhältnis« (S. 201–216) stellt die Verbindung her und ist zugleich ein Teil dieser Untersuchung.
Aufbau der Studie
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Vor diesem Hintergrund wird die Theologie Jürgen Moltmanns einer Re-Lektüre unterzogen (Kap. VII.). Insbesondere sein ekklesiologischer Entwurf »Kirche in der Kraft des Geistes« eignet sich sehr gut für eine theologische Verankerung, weil sie aus einer vorausschauend eschatologischen Perspektive einen inklusiven Ansatz verfolgt, ohne dabei vereinnahmend zu sein: vor eben dieser Gefahr warnt Miroslav Volf in seiner Studie »Exclusion & Embrace«, der direkt auf Moltmann Bezug nimmt.73 Zugleich sind hier theologisch konkrete Schlussfolgerungen für die Mitwirkung der Kirche in der Gesellschaft angelegt. Dieses theologische Fundament dient dann dazu, in Kapitel VIII. im ersten Teil zunächst kirchliche Verlautbarungen in ihrer Stichhaltigkeit zu überprüfen und miteinander zu vergleichen, die in den letzten Jahren entstanden sind: Den Anfang machten zwei Denkschriften aus dem Jahr 2003, also aus der Zeit vor der UN-BRK: neben dem Wort der deutschen Bischöfe zur Situation der Menschen mit Behinderungen (»unBehindert Leben und Glauben teilen«) vor allem das Interim Theological Statement des Ecumenical Disability Advocates Network des World Council of Churches (»A Church of All and for All«). Von den neuesten Texten werden die Texte der Evangelischen Kirche im Rheinland (»Da kann ja jede(r) kommen«. Inklusion und kirchliche Praxis) von 2013, der Evangelischen Kirche von Kurhessen und Waldeck (»Die Pflicht zur Inklusion und die Tugend der Barmherzigkeit«) von 2014 und die Denkschrift des Rates der EKD (»Inklusion leben in Kirche und Gesellschaft«) von 2014 vorgestellt. Im zweiten Teil von Kapitel VIII. der Untersuchung kommt der Funktionsbereich des Sports in den Blick: Zunächst ist nach seiner gesellschaftlichen Bedeutung zu fragen und danach, ob und wie die Exklusions-/Inklusionsthematik im Fokus der Aufmerksamkeit steht. Nicht erst die UN-Behindertenrechtskonvention hat für das Thema im Bereich des Sports neu sensibilisiert, unter dem Stichwort »Integration« wird seit einigen Jahren auch das Thema des Umgangs mit Menschen mit Migrationshintergrund behandelt.74 Vorgestellt und untersucht werden Stellungnahmen aus den Verbänden des organisierten Sports, angefangen beim DOSB, den Sportverbänden für Menschen mit Behinderungen, der CVJM und die DJK. In dem abschließenden Kap. IX. werden die Ergebnisse der theologischen und empirischen Überlegungen zusammengeführt und ausgewertet. Es werden dabei Perspektiven für den Sport als Thema der Öffentlichen Theologie skizziert und begründet.75 73 Volf warnt in Bezug auf die Überlegungen von Friedrich Nietzsche und Michel Foucault vor der einseitig positiven Betrachtung von Inklusion: »The undeniable progress of inclusion fed on the persistent practice of exclusion.« Volf (1996), S. 59 f. 74 Vgl. B. Bröskamp / T. Alkemeyer, Integration, a. a. O. 75 Vgl. O. Grupe / W. Huber (Hg.), Zwischen Kirchturm und Arena, a. a. O.; Hans Langenfeld, Kirche und Sport, in: Michael Krüger / Ders. (Hg.), Handbuch Sportgeschichte. Schorndorf 2010, S. 317–330; F. Kreiß, Bewegt sein, a. a. O.
II. Öffentliche Theologie
»Öffentliche Theologie« (engl. »Public Theology«)1 ist ein international gebräuchlicher, aktueller Begriff für eine Theologie, die das Ziel hat, im Alltag von Kirche und Christen überzeugend und öffentlich für die Gesellschaft und den Staat sichtbar zu machen, »was Christum treibet«.2 Der Gedanke eines Priestertums aller Gläubigen wird mit der Vision einer Kirche für und mit Anderen verbunden. »Öffentliche Theologie« ist seit längerem eine wachsende Bewegung internationalen Ausmaßes.3 Dabei ist »Öffentliche Theologie« ein umstrittener Ansatz. KritikerInnen werfen ihren Vertreterinnen und Vertretern mit politischen oder mit theologischen Argumenten vor, sich in Angelegenheiten einzumischen, für die sie nicht zuständig sind. Es wird moniert, dass Kirche sich nicht auf das konzentriere, was ihre eigentliche Aufgabe ist: nämlich Verkündigung und Seelsorge. Frömmigkeit und ethisches Handeln werden aber nicht auseinandergerissen, wie von Kritikern gerne unterstellt wird.4 Vielmehr ist der dezidierte Zusammenhang von Glaubensüberzeugungen und die sich daraus speisende Reflexion ethisch relevanter Fragen der Kern, wie Wolfgang Huber in Anlehnung an Dietrich Bonhoeffer klarstellt: So »gibt es verantwortliches Tun nicht ohne geistliche Erfahrung, politische Aktion nicht ohne Spiritualität, Identifikation im Handeln nicht ohne das Geschenk der Identität«.5 1 Ich verwende die Begriffe »Öffentliche Theologie« und »Public Theology« im Folgenden in der Regel synonym. 2 Thomas Schlag, Vom Kopf auf die Füße. Öffentliche Theologie ist nicht nur etwas für Bischöfe und Bischöfinnen, in: ZZ 3/2017, S. 16–18. 3 Michael Welker, »Global Public Theology and Christology«, in: Heinrich BedfordStrohm, Florian Höhne u. Tobias Reitmeier (Hg.), Contextuality and Intercontextuality in Public Theology, Theologie in der Öffentlichkeit 4, Berlin, Münster, Wien 2013, S. 281–290; Ulrich H. J. Körtner, Politische Ethik und Politische Theologie, in: Jahrbuch für Recht und Ethik (Volume 19) 2011, S. 19–33; Thorsten Meireis, Public Theology in a Post-democratic Age? Perspectives from a European Context, in: Ders. / Rolf Schieder (Eds.), Religion and Democracy. Studies in Public Theology, Baden-Baden 2017, S. 19–35. 4 Vgl. u. a. Johannes Fischer, Gefahr der Unduldsamkeit. Die »Öffentliche Theologie« der EKD ist problematisch, in: ZZ 2/2016, S. 43–45. Insbesondere Politiker wie Wolfgang Schäuble unterstellen, dass dem Engagement den (protestantischen) Kirchen der »spirituelle Kern« abhanden gekommen sei. Vgl. Wolfgang Schäuble: Das Reformationsjubiläum 2017 und die Politik in Deutschland und Europa, in: Pastoraltheologie (Heft 1) 2016. S. 44–53. Schäuble kritisiert eine einseitige Politisierung der Protestanten. vgl. auch: Jan Grossarth, Wolfgang Schäuble kritisiert die Evangelische Kirche für ihre Einmischung in Politik und Wirtschaft – und wirft Martin Luther Intoleranz vor, FAZ 20.02.2016. 5 Wolfgang Huber, zitiert nach: Heinrich Bedford-Strohm, Fromm und politisch. Warum die evangelische Kirche die Öffentliche Theologie braucht, in: ZZ 7/2016, S. 18–21.
Öffentliche Theologie
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Theologie ist zuerst an die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden gerichtet, die zur kritischen Selbstreflexion angehalten werden. Diese Reflexion führt dann aber dazu, sich der Welt zuzuwenden und Stellung zu ethischen und gesellschaftlichen Fragen zu beziehen, ohne den religiösen Bezug aufzugeben. Dietrich Bonhoeffer hat dies in seiner Ethik deutlich herausgestellt und vor einer Privatisierung der religiösen Existenz gewarnt.6 Vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen während der Jahre des NS-Regimes formulierte er: »Auf der Flucht vor der öffentlichen Auseinandersetzung erreicht dieser und jener die Freistatt einer privaten Tugendhaftigkeit. Er stiehlt nicht, er mordet nicht, er bricht nicht die Ehe, er tut nach seinen Kräften Gutes. Aber in seinem freiwilligen Verzicht auf Öffentlichkeit weiß er die erlaubten Grenzen, die ihn vor dem Konflikt bewahren, genau einzuhalten. So muss er seine Augen und Ohren verschließen vor dem Unrecht um ihn herum. Nur auf Kosten eines Selbstbetruges kann er seine private Untadeligkeit vor der Befleckung durch verantwortliches Handeln in der Welt reinerhalten. Bei allem, was er tut, wird ihn das, was er unterlässt, nicht zur Ruhe kommen lassen.«7 Daraus ergibt sich, dass für »Öffentliche Theologie« ein theologisches Konzept bzw. eine Haltung der Frömmigkeit ebenso von zentraler Bedeutung ist wie die Suche nach den (ethischen) Tiefendimensionen, die sich in den öffentlichen Debatten zu politischen und kulturellen Fragen finden.8 Nicht nur bei Bonhoeffer finden Radikalität und Realismus zusammen.9 Wer fromm ist, muss, so die Konsequenz, auch politisch sein – und zwar öffentlich: In Christus begegnet uns das Angebot, an der Gotteswirklichkeit und an der Weltwirklichkeit zugleich teil zu bekommen, eines nicht ohne das andere. Die Wirklichkeit Gottes erschließt sich nicht anders als indem sie mich ganz in die Weltwirklichkeit hineinstellt, die Weltwirklichkeit aber finde ich immer schon getragen, angenommen, versöhnt in der Wirklichkeit Gottes vor. Das ist das Geheimnis der Offenbarung Gottes in dem Menschen Jesus Christus. … Es geht also darum, an der Wirklichkeit Gottes und der Welt in Jesus Christus heute teilzuhaben und das so, dass ich die Wirklichkeit Gottes nie ohne die Wirklichkeit der Welt und die Wirklichkeit der Welt nie ohne die Wirklichkeit Gottes erfahre.10
Darauf bezogen ist die Aufgabe der Kirche in drei Dimensionen zu entfalten. Dies hat Dietrich Bonhoeffer in der Krisenzeit 1933 angesichts der Judenverfolgung durch das NS-Regime als »ethischen Ernstfall« so beschrieben: 6 Vgl. auch: Heinrich Bedford-Strohm, Dietrich Bonhoeffer als öffentlicher Theologe, in: Bonhoeffer-Rundbrief. Mitteilungen der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft Sektion Bundesrepublik Deutschland 87 (2008), S. 26–40. 7 Dietrich Bonhoeffer, Ethik, S. 66. 8 Heinrich Bedford-Strohm, Fromm und politisch. 9 Heinrich Bedford-Strohm, Wer fromm ist, muss politisch sein, in: Die ZEIT, 9.4.2015, abrufbar unter: http://www.zeit.de/2015/15/dietrich-bonhoeffer-todestag-protestantismuswiderstand (10.6.2019). 10 Dietrich Bonhoeffer, Ethik, S. 40 f.
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Öffentliche Theologie Der Staat, der die christliche Verkündigung gefährdet, verneint sich selbst. Das bedeutet eine dreifache Möglichkeit kirchlichen Handelns dem Staat gegenüber: erstens … die an den Staat gerichtete Frage nach dem legitim staatlichen Charakter seines Handelns, d. h. die Verantwortlichmachung des Staates. Zweitens der Dienst an den Opfern des Staatshandelns. Die Kirche ist den Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter Weise verpflichtet, auch wenn sie nicht der christlichen Gemeinde zugehören. … Die dritte Möglichkeit besteht darin, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen. Solches Handeln wäre unmittelbar politisches Handeln der Kirche und ist nur dann möglich und gefordert, wenn die Kirche den Staat in seiner Recht und Ordnung schaffenden Funktion versagen sieht …11
Diese Grundworte Öffentlicher Theologie sind für jede gesellschaftliche Ordnung gültig. Kirche hat die Vollmacht, sich in ethischen Fragen dem staatlichen Handeln gegenüber öffentlich zu positionieren.12 Für heute bedeutet das erstens eine »Kultur der Einmischung«, wie sie die Kirchen durch ihre Denkschriften pflegen. Damit nehmen sie an den aktuellen Diskursen teil. Es bedeutet zweitens, diakonischen Dienst an denjenigen zu leisten, die ihn benötigen.13 Schließlich bedeutet »dem Rad in die Speichen zu fallen« eine in der Regel gewaltfreie Weise zivilen Ungehorsams als äußerstes Mittel, wenn es keine Alternative dazu gibt. 1.
Von der politischen zur öffentlichen Theologie
Die Wurzeln der »Öffentlichen Theologie« reichen also weiter zurück, als die Entwicklung von Begriff und entsprechender Theorie dazu. Im Grunde ist sie schon biblisch angelegt, nahezu jede Theologie in der Geschichte hat Aspekte einer öffentlichen Theologie.14 Insofern ist der Begriff mit einer gewissen Unschärfe behaftet15 und bedarf der Klärung.
11 Dietrich Bonhoeffer, Die Kirche vor der Judenfrage. Vortrag April 1933, in: Gesammelte Schriften Bd. II, S. 44–53, hier S. 48. 12 Vgl. dazu auch Heinz Eduard Tödt, Judendiskriminierung 1933 – der Ernstfall für Bonhoeffers Ethik, in: Wolfgang Huber / Heinz Eduard Tödt (Hg.), Ethik im Ernstfall. Dietrich Bonhoeffers Stellung zu den Juden und ihre Aktualität, München 1982, S. 139–183, hier S. 141. 13 Zu diesem Aspekt hat insbesondere Ulrich H. J. Körtner grundlegend gearbeitet: Vgl. Ulrich H. J. Körtner, Diakonie und Öffentliche Theologie. Diakoniewissenschaftliche Studien, Göttingen 2017. 14 Vgl. Wolfgang Huber, Von der Freiheit, S. 161: »Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche ist im Neuen Testament, der Gründungsurkunde der Kirche, in eindrucksvoller Weise verankert. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Verständnis, das sich im Wandel der Zeit innerhalb der Kirchen von ihrem Öffentlichkeitsauftrag bildet, ganz entscheidend dadurch mitgeprägt ist, wie in ihrer Umwelt die Konstitution und die Funktionsweisen von Öffentlichkeit wahrgenommen werden.« 15 Vgl. auch zum folgenden: Florian Höhne, Öffentliche Theologie, hier: S. 11 f.
Von der politischen zur öffentlichen Theologie
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Ich werde mich darauf beschränken, die wesentlichen Aspekte der Entwicklung in der Theologie in Deutschland zu skizzieren und nur einen kurzen Blick auf die internationale Debatte werfen. Ich beziehe mich vor allem auf die Arbeit von Florian Höhne, der die wesentlichen Aspekte der Entwicklung zusammengefasst hat. In der US-amerikanischen Debatte um die Frage der »Civil Religion« hat Robert Bellah als erster herausgearbeitet, dass neben den institutionellen Religionsgemeinschaften auch eine »elaborate and well-institutionalized civil religion« die amerikanische Gesellschaft prägt.16 Im Anschluss an diese Überlegungen verwendet dann Martin E. Marty 1974 erstmals den Begriff des »public theologian«. Die Diskussion um die »public theology« löst sich von der Debatte um die »Civil-Religion« zu dem Zeitpunkt, als sie auf die Öffentlichkeit der Kirche und die Öffentlichkeit der Theologie bezogen wurde.17 Seitdem hat sich ein breites Spektrum an Positionen und Begründungen entwickelt. Ende der 1980er bzw. Anfang der 1990er Jahre erhielt die Debatte einen Schub, als das öffentliche Leben in den USA eine Krise (radikaler Individualismus, Mängel gesellschaftlichen Zusammenhalts und Verfall der Tugenden) erlebte.18 Parallel zur Debatte in den USA verlief auch in Deutschland seit den 1970er Jahren eine Diskussion zur »Öffentlichen Theologie«, ausgehend von der Kritik an der Neuen Politischen Theologie, die vor allem durch den katholischen Theologen Johann Baptist Metz, aber auch von Helmut Gollwitzer, Dorothee Sölle, Jan Lochmann und Jürgen Moltmann repräsentiert wurde. Sie verfolgten einen Ansatz der Gesellschaftskritik, der sich für längere Zeit besonders durch das politische Nachtgebet Ausdruck verschaffte.19 Politische Theologie ist vor allem ideologie- und gesellschaftskritisch. Das Anliegen von Metz war das einer an die Frankfurter Schule um Walter Benjamin und Theodor W. Adorno anknüpfenden »Theologie nach Auschwitz«.20 Der Kritikpunkt an ihr war vor allem, sie sei zu sehr auf Konflikt aus, formuliere eschatologische Vorbehalte, sei mit ihrer christlichen Botschaft der Wirklichkeit voraus, zu unvermittelt etc.21 Auch die (begriffliche) Nähe zu Carl Schmitts Überlegungen zur Genese einer »Politischen Theologie« (1920)22 oder die Verwendung im Zusammenhang islamischer Konzepte23 ist nicht unproblematisch. 16 Robert Bellah, New Religious Consciousness, 1974, S. 21. 17 Florian Höhne, Öffentliche Theologie, S. 24. 18 Vgl. Florian Höhne, Öffentliche Theologie, S. 24. 19 Vgl. Jürgen Moltmann, Gott im Projekt der modernen Welt. Beiträge zur öffentlichen Relevanz der Theologie, Gütersloh 1997, bes. S. 53 f. 20 Vgl. Johann Baptist Metz, Zum Begriff der neuen Politischen Theologie 1967–1997, Mainz 1997. 21 Vgl. zur Kritik die Arbeit von Hans Maier. Vgl. Wolfgang Vögele, Zivilreligion, S. 419 ff. und Florian Höhne, Öffentliche Theologie, S. 27 ff. 22 Vgl. Carl Schmitt, Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, Berlin 82004. 23 Thomas Assheuer, Demokratie oder Gottesstaat? Europäer wissen, was viele Muslimbrüder in Kairo antreibt: Eine politische Theologie, die Religion und Politik verschmelzen
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Öffentliche Theologie
Insbesondere Jürgen Moltmann, der sich in seiner »Theologie der Hoffnung« mit der Philosphie Ernst Blochs auseinandersetzte, hat dann – sicher auch zur Vermeidung von solchen Missverständnissen – den Übergang von der Politischen Theologie zur Öffentlichen Theologie mitvollzogen: »Als Theologie des Reiches Gottes muss Theologie öffentliche Theologie sein: Teilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft, öffentliche, kritische und prophetische Gottesklage – öffentliche, kritische und prophetische Gotteshoffnung. Um des Reiches Gottes willen ist Öffentlichkeit konstitutiv für die Theologie.«24 Wolfgang Huber, der mit seiner Arbeit zu »Kirche und Öffentlichkeit« entscheidend in die Debatte eingegriffen hat, verteidigte den Begriff der »Politischen Theologie« zunächst, weil er der Ansicht war, dass dem Begriff der »Öffentlichen Theologie« die »notwendige Trennschärfe« fehle.25 Allerdings war dieser Begriff in Titel und Inhalt seiner Arbeit bereits angelegt. Insofern ist es wenig erstaunlich, dass er ihn dann seit Beginn der 1990er Jahre selbstverständlich und konstruktiv verwendet hat. Wolfgang Vögele war dann derjenige, der das Konzept einer »Öffentlichen Theologie« ausführlich dargestellt und diskutiert hat und es seinerseits gegenüber dem Konzept einer »Politischen Theologie« und gegen die »Ziviltheologie« nun stärker abgrenzte.26 An dieses Verständnis hat Huber später explizit angeknüpft.27 In die gleiche Richtung gehen auch die Erwägungen von Heinrich Bedford-Strohm.28 Aus meiner Sicht drängte sich der Begriff zu diesem Zeitpunkt Anfang der 1990er Jahre zwar einerseits durch die Ereignisse der friedlichen Revolution von 1988/89 geradezu dadurch auf, dass Kirche als wesentlicher Akteur einer Gegenöffentlichkeit auftrat, wie Florian Höhne betont29, andererseits war er aber auch über den Diskurs zu Dietrich Bonhoeffer und die von Georg Picht will, in: DIE ZEIT Nr. 51/2012, 13. Dezember 2012, abrufbar unter: http://www.zeit. de/2012/51/Politische-Theologie (10.05.2017). 24 Jürgen Moltmann, Gott im Projekt der modernen Welt, Gütersloh 1997, S. 15, wieder abgedruckt in: Florian Höhne / Frederike van Oorschot (Hg.), Grundtexte Öffentliche Theologie, Leipzig 2015, S. 197 f. Vgl. auch: Scott R. Paeth, Jürgen Moltmann’s Public Theology, in: Political Theology 6.2 (2005), 2, S. 215–234. 25 Wolfgang Huber, Kirche und Öffentlichkeit, 1973, S. 478. 26 Wolfgang Vögele, Zivilreligion in der Bundesrepublik Deutschland (Öffentliche Theologie, Bd. 5), Gütersloh 1994. 27 Wolfgang Huber, Von der Freiheit, S. 175 f. 28 Vgl. Heinrich Bedford-Strohm, Poverty and Public Theology: Advocacy of the Church in Pluralistic Society, in: International Journal of Public Theology 2, S. 144–162, bes. S. 1946 ff. 29 Florian Höhne, Öffentliche Theologie, S. 29. Vgl. dazu auch den Beitrag zum Instrument der »Runden Tische« in der Wende- und Nachwendezeit von Heinrich Bedford-Strohm in der Denkschrift für Wolfgang Huber: »Es zeigt sich also, dass eine starke Rolle religiöser Institutionen in der öffentlichen Willensbildung demokratischer Gesellschaften nicht nur nicht unvereinbar ist mit dem pluralistischen Charakter solcher Gesellschaften, sondern, ganz im Gegenteil, eine der Quellen ihrer Vitalität zu sein verspricht.« Heinrich Bedford-Strohm, Konflikt oder Konsens? Zur sozialethischen Bedeutung »Runder Tische«, in: Hans-Richard
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in Heidelberg vorangetriebenen Diskurse zur Relevanz von in Theologie und Kirche entwickelten Positionen zu gesellschaftspolitischen und sozialethischen Fragen beeinflusst, die auch Huber geprägt haben. Der Religionsphilosoph Georg Picht30, seit 1958 Gründungsdirektor der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg und Inhaber des Lehrstuhls für Religionsphilosophie an der Theologischen Fakultät (1965–78), hat immer wieder die Frage nach der Bedeutung der Theologie für die Gesellschaft gestellt und versucht, im Gespräch mit unterschiedlichen Denkern und Akteuren Antworten zu finden. In seinem Buch »Die Verantwortung des Geistes« hatte er schon 1965 die Aufgaben und Möglichkeiten, aber auch die Grenzen des kirchlichen Engagements in und für eine pluralistische Gesellschaft beschrieben und sich dabei auf Dietrich Bonhoeffer bezogen.31 Bonhoeffer hatte in einem Brief im Mai 1944 geschrieben: Es ist nicht unsere Sache, den Tag vorauszusagen – aber der Tag wird kommen –, an dem wieder Menschen berufen werden, das Wort Gottes so auszusprechen, daß sich die Welt darunter verändert und erneuert. Es wird eine neue Sprache sein, vielleicht ganz unreligiös, aber befreiend und erlösend, wie die Sprache Jesu, daß sich die Menschen über die entsetzen und doch von ihrer Gewalt überwunden werden, die Sprache einer neuen Gerechtigkeit und Wahrheit, die Sprache, die den Frieden Gottes mit den Menschen und das Nahen seines Reiches verkündigt.32
Picht begründet mit diesem Zitat seine These, die Kirche habe »kraft ihrer Sendung und kraft ihres Auftrages eine Verantwortung in dieser Welt, die sich an keine weltliche Institution delegieren lässt, weil sie im Evangelium ihren Ursprung hat. – Die Kirche ist in unserem Staat und unserer Gesellschaft eine der größten und einflussreichsten Institutionen. … Sie muß, wenn sie evangelische Kirche sein will, ihre soziale und politische Wirklichkeit im Angesicht des Evangeliums verantworten können.«33 Zwar verwendet Picht nicht explizit den Begriff der »Öffentlichen Theologie«, aber inhaltlich verweisen seine Überlegungen genau auf das, was ihre Intention ist und verbinden dabei die Handlungsebenen von Theologie und Kirche: »Da aber alle konkreten Verbindlichkeiten des Lebens Verbindlichkeiten in der Gesellschaft sind, ist eine Kirche, die sich auf den privaten Bereich reduziert, eine Institutionalisierung der Unverbindlichkeit. … Nur in dem Maße, als die Gemeinde sich gesellschaftlich organisiert, wird die Kirche gesellschaftlich handlungsfähig; nur dann kann sie Sozialethik nicht nur predigen, sondern auch Reuter / Ders. / Helga Kuhlmann / Karl-Heinrich Lütcke (Hg.), Freiheit verantworten. Festschrift für Wolfgang Huber zum 60. Geburtstag, Gütersloh 2002, S. 255–270, Zitat S. 266. 30 Vgl. Peter Noss, Art. »Picht, Georg«, in: BBKL 1994, Bd. 7, Sp. 565–578. 31 Georg Picht, Die Verantwortung des Geistes. Pädagogische und politische Schriften, Olten und Freiburg i.B. 1965, S. 193 ff. 32 Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, 11. Aufl., S. 206 f. 33 Georg Picht, Die Verantwortung, S. 261. (kursiv im Original)
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Öffentliche Theologie
üben.«34 Die von Picht seit Ende der 50er Jahre vorangetriebene Gründung der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft« (FEST) als einem Thinktank in den verschiedenen sozialethischen Reflexionsfeldern ist als ein wesentlicher Baustein für die Wahrnehmung der kirchlichen, theologisch begründeten Verantwortung anzusehen, die sich später in der Öffentlichen Theologie wiederfindet. Im Anschluss an Picht hat auch Heinz Eduard Tödt, langjähriger Leiter der FEST und akademischer Lehrer von Wolfgang Huber, den Weg zur Öffentlichen Theologie vorbereitet. Insbesondere seine »Ethische Theorie sittlicher Urteilsfindung«, die er in den 70er Jahren entwickelt hat35, bietet eine hervorragende Grundlage auch für die aktuelle Entfaltung der Arbeitsweise Öffentlicher Theologie. »Aporien der Theologie kumulieren in der Ethik, hat diese doch aufzuweisen, was christlicher Glaube in seiner Konkretion bedeutet. Es geht um die Praxis von Christen, christlichen Gruppen und Kirchen im politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben und insbesondere auch im Alltag des einzelnen und der Familien«, schreibt Tödt in seinen Überlegungen zu den »Zeitmodi in ihrer Bedeutung für die sittliche Urteilsbildung«, angeregt durch Pichts Zeitphilosophie.36 Wie Picht und Huber hat sich auch Tödt immer wieder explizit auf die Überlegungen von Dietrich Bonhoeffer bezogen, die letzten 10 Jahre seines Lebens dem Bonhoefferschen Erbe gewidmet.37 Dabei war für ihn der Zusammenhang zwischen dem Bezug auf Jesus Christus und einem gegenwartsbezogenen ethischen Handeln zentral, Bonhoeffers Ethik ist nach Tödts Einschätzung klar biblisch orientiert. Als stärkstes Charakteristikum seiner Ethik macht Tödt aus: »Er sieht die Kirche als durch das Evangelium bevollmächtigt, gemeinsam konkrete Gebote Gottes zu erkennen und hier und jetzt zu verkündigen.«38 Damit nähert sich Tödt über die 34 Georg Picht, Die Verantwortung, S. 265. Pichts damalige Kritik richtete sich gegen eine zu sehr vom Staat abhängige Pfarrer- und Theologenkirche. Er plädierte für eine aktive evangelische Laienorganisation und sah besonders im Bereich der Bildung die Kirche in der Verantwortung. Vgl. Peter Noss, Kunst kann nicht lügen. Verantwortung für die Wahrheit bei Georg Picht (9.7.1913–7.8.1982), in: Günter Brakelmann / Norbert Friedrich / Traugott Jähnichen (Hg.), Protestanten in öffentlicher Verantwortung. Biographische Skizzen aus der Anfangszeit der Bundesrepublik, Waltrop 2005, S. 149–161. 35 Heinz Eduard Tödt, Versuch einer ethischen Theorie sittlicher Urteilsfindung, in: Ders., Perspektiven theologischer Ethik, München 1988, S. 21–48. 36 Heinz Eduard Tödt, Die Zeitmodi in ihrer Bedeutung für die sittliche Urteilsbildung. Anregungen aus Georg Pichts Zeitphilosophie für eine evangelische Verantwortungsethik, in: Ders., Perspektiven Theologischer Ethik, München 1988, S. 49. 37 Vgl. dazu: Wolfgang Stuhlmacher, Theologische Ethik als Verantwortungsethik. Leben und Werk Heinz Eduard Tödts in ökumenischer Perspektive (Öffentliche Theologie Bd. 20), Gütersloh 2006, S. 168 ff. 38 Vgl. Heinz Eduard Tödt, Theologische Perspektiven nach Dietrich Bonhoeffer, S. 88. Bereits deutlich früher hatte Tödt im Zusammenhang seiner Auseinandersetzung mit dem Ansatz einer »revolutionären Theologie« deutlich gemacht: »Nicht im Transzendieren, nicht in seiner Selbstverwirklichung in die Zukunft hinein findet der Glaubende seine Identität. Vielmehr verweist die Botschaft von der geschehenen Versöhnung ihn darauf, daß seine
Von der politischen zur öffentlichen Theologie
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Rezeption Bonhoeffers dem, was später Öffentliche Theologie in der deutschen Diskussion ausmacht. Wolfgang Huber war Schüler und Mitarbeiter Tödts an der FEST und 1984 dessen Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Systematische Theologie in Heidelberg und gilt als bekanntester Vertreter der »Tödt-Schule«.39 Wie Tödt ist auch Huber überzeugt davon, dass die Konzeption einer evangelischen Ethik als einer Verantwortungsethik nur gelingt, wenn sie von biblischen Impulsen ausgeht und Auswirkungen auf den Zukunftsbezug des ethischen Handelns hat.40 Tödt und Huber haben sich in besonderer Weise dem Thema der »Menschenrechte« zugewandt, da sie in dieser Frage den Ernstfall der Ethik in besonderer Weise erkannten.41 Aber auch zahlreiche andere gesellschaftspolitische Fragen, darunter die Friedens- und die Rechtsethik, Kulturethik, Wirtschafts- und Arbeitsethik, Bio- und Gesundheitsethik, Aspekte einer ökologischen Ethik sowie Fragen der Lebensform-, Familien- und Sexualethik sind sowohl für Tödt wie für Huber wichtige Refle xions- und Diskursfelder, die sowohl einer politischen wie einer öffentlichen Theologie zurechenbar sind.42 Eine zu starke Abgrenzung der »Öffentlichen Theologie« von der »Politischen Theologie« ist daher wenig plausibel, wenngleich die Unterscheidung aufgrund der Entstehungsgeschichte sinnvoll ist.43 Öffentliche Theologie, so hat Ulrich H. J. Körtner betont, bezeichnet die Vielfalt in gegenwärtigen Gesellschaften nicht als Problem, sondern als ein grundsätzliches Kennzeichen des Christlichen und kann deshalb zwischen Kirche, Christlicher Sozialethik und Zivilgesellschaft vermitteln und hat daher auch eine politische Identität ihm schon in Christus gegeben ist, daß er im Glauben schon neue Kreatur ist. Sich selbst hat der Christ also nicht erst im revolutionären Handeln zu finden; wohl aber soll er die Freiheit, die ihm geschenkt ist, umsetzen in Liebe für den Mitmenschen, das heißt: in reale Verantwortung.« Heinz Eduard Tödt, Revolution als neue sozialethische Konzeption. Eine Inhaltsanalyse, in: Ders. / Trutz Rendtorff, Theologie der Revolution. Analysen und Materialien, Frankfurt a. M. 1968, S. 13–40, hier: S. 40. 39 Vgl. zur Rolle Hubers: Stuhlmacher, Theologische Ethik, S. 398 ff. 40 Wolfgang Huber, Sozialethik als Verantwortungsethik, in: Ders., Konflikt und Konsens, S. 135–157. 41 Vgl. vor allem den von Tödt und Huber gemeinsam herausgegebenen Band mit dem Titel »Menschenrechte«. Vgl. dazu das folgende Kapitel III: Menschenrechte als Thema Öffentlicher Theologie«. 42 Vgl. Wolfgang Schuhmacher, Theologische Ethik, S. 337–388 (zu Tödt) und S. 398–404 (zu Huber). So hat Tödt etwa die Friedensforschung als »eine aktive Veränderung des gegenwärtigen Weltzustandes, eine grundlegende Verwandlung der politischen Strukturen« verstanden. Heinz Eduard Tödt, Friedensforschung als Problem für Kirche und Theologie. Einführung in die »Studien zur Friedensforschung«, in: Georg Picht / Ders. (Hg.), Studien zur Friedensforschung 1, Stuttgart 1969, S. 7–72, hier S. 13. 43 Edmund Arens, Vom Schrei zur Verständigung. Politische Theologie als öffentliche Theologie, in: Thomas Polednitschek / Michael J. Rainer / José Antonio Zamora (Hg.), Theologisch-politische Vergewisserungen. Ein Arbeitsbuch aus dem Schüler- und Freundeskreis von Johann Baptist Metz, Münster 2009, S. 133 ff.
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Öffentliche Theologie
Wirkung.44 So sind auch Diakoniewissenschaften, diakonische Ethik und Theologie als Gestalt öffentlicher Theologie anzusehen.45 Diese beteiligt sich etwa an den Diskursen zu Menschenwürde oder Gerechtigkeit. Öffentliche Theologie bedeutet nach Wolfgang Huber im Kern, dass Kirche eine dreifache Verantwortung hat: eine genuine Bildungsaufgabe, politische Verantwortung im Sinne des Eintretens für Gerechtigkeit, Menschenrechte, Frieden und Naturbewahrung und eine Verantwortung für Erhaltung und Förderung einer gesellschaftlich verankerten Kultur des Helfens.46 Allerdings sind die Herausforderungen an die Kirche, ob sie ihr Handeln nun im Sinne einer öffentlichen oder einer politischen Theologie begreift, doch vergleichbar. Welker formuliert in Bezug auf die politische Theologie: »Die unmittelbaren Freundeskreise und Interessenverbände, die kirchliche Ortsgemeinde, die academic community und die regionalen und internationalen Medienöffentlichkeiten bieten nur kleine Ausschnitte der Gesellschaften, in denen wir leben. Eine politische Theologie, die theologisch orientiert gesellschaftliche und politische Entwicklungsprozesse verstehen, anstoßen und mitsteuern will, muss die jeweiligen gesellschaftlichen Kontexte, die jeweiligen institutionellen, aber auch geselligen und moralischen Machtdynamiken erfassen und interpretieren, die sie umgeben.«47 Dies gilt so unzweifelhaft auch für die »Öffentliche Theologie«, die in ihren Reflexionsfeldern bzw. »Öffentlichkeiten«, zu denen der Sport gehört, diese Prozesse verstehen, interpretieren und auch kritisieren muss. Als »Öffentlichkeiten« werden neben dem Staat die Zivilgesellschaft und das »Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Stellungnahmen«48 verstanden49, also auch der Bereich des Sports. In diese hinein soll »die kritische Reflexion über das Wirken und die Wirkungen des Christentums«50 stattfinden, es soll dialogisch teilgenommen werden »am Nachdenken über die Identität und die Krisen, die Ziele und Aufgaben der Gesellschaft.«51 44 Ulrich H. J. Körtner, Politische Ethik und Politische Theologie, in: Jahrbuch für Recht und Ethik (Volume 19) 2011, S. 19–33. 45 Ulrich H. J. Körtner, Diakonie und Öffentliche Theologie. Diakoniewissenschaftliche Studien, Göttingen 2017. 46 Wolfgang Huber, Öffentlichkeit und Kirche, in: Ev. Soziallexikon 2016, Sp. 1143–1153. 47 Michael Welker, »Zukunftsaufgaben Politischer Theologie. Über Religion und Politik nach Habermas und Ratzinger«, in: Politische Theologie. Neuere Geschichte und Potenziale, Theologische Anstöße 1, Neukirchen-Vluyn 2011, S. 79–90, hier: S. 87. 48 Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt a. M. 1998. 49 Vgl. dazu insgesamt Florian Höhne, Öffentliche Theologie, S. 46 ff. Zuletzt auch Thorsten Meireis, Gründungsdirektor des Berlin Institute for Public Theologiy, in seinem Aufsatz: Public Theology in a Post-democratic Age? Perspectives from a European Context, in: Ders., Rolf Schieder (Eds.), Religion and Democracy. Studies in Public Theology, Baden-Baden 2017, S. 19–35. 50 Wolfgang Huber, Von der Freiheit, S. 175. 51 Ebd.
Sozialethische Grundsituation im Blick auf den Sport
2.
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Sozialethische Grundsituation im Blick auf den Sport
Florian Höhne hat in seiner Beschreibung der Öffentlichen Theologie drei Dimensionen herausgearbeitet: die affektive, die ethische und die kognitive Dimension. Im Zusammenhang dieser Studie ist vor allem die ethische Dimension von Interesse, da es um die potenzielle Veränderung ethischer, aber auch moralischer oder rechtlicher Regeln für das Verhalten in einem exemplarischen Bereich der Gesellschaft geht.52 Der Sport als einer der wichtigen und öffentlich agierenden Akteure in der heutigen Gesellschaft ist als ein wesentlicher Gesprächspartner in dieser Hinsicht anzusehen, Sportler sind zu »öffentlichen Personen«53 geworden. Sportliche Großveranstaltungen wie Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften in verschiedenen Disziplinen erreichen einerseits enorme Zuschauerzahlen, andererseits stehen sie aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Verflechtungen unter der besonderen Beobachtung der Gesellschaft. Die Medien sind zugleich Berichterstatter über die sportlichen Ereignisse und kritische Begleiter der Hintergründe. Öffentliche Theologie und Kirche beteiligen sich daran auf unterschiedliche Weise: 1. Es gibt den seelsorgerlich-verkündigenden Aspekt, der sich in der Begleitung von Teams zu Olympischen Spielen ausdrückt. Pfarrer sind Teil der Mannschaften bei den Olympischen und seit einiger Zeit auch bei den Paralympischen Spielen. Eine der Aufgaben des in der Regel aus einem evangelischen und einem katholischen Geistlichen bestehenden Teams ist das Angebot von Gottesdiensten während der Wettkämpfe im Olympischen Dorf. Außerdem bietet die Kirche zu besonderen sportlichen Großveranstaltungen (Marathon, DFB-Pokal-Endspiel etc.) Gottesdienste an. In drei deutschen Stadien gibt es Kapellen im Innenbereich (Gelsenkirchen, Berlin, Frankfurt a. M., Wolfsburg), die von Sportlerinnen und Sportlern, Trainern, Funktionären und Gästen besucht werden können. 2. Es gibt den medialen Aspekt, der etwa in Public Viewing-Veranstaltungen in Kirchengemeinden und -kreisen seinen Ausdruck findet. Kirchliche Medien berichten über sportliche Ereignisse. Autoren aus dem kirchlichtheologischen Bereich äußern sich in Form von Büchern, Aufsätzen und anderen Beiträgen zu Themen des Sports. 3. Es gibt den kritisch-begleitenden Aspekt, der sich in Form von Tagungen (u. a. in den Evang. Akademien Bad Boll und Tutzing und der Kath. Akade mie »Die Wolfsburg« in Mühlheim / Ruhr), Studientagen und -wochen (u. a. Pastoralkollegs, Studienkurs »Kirche und Sport« in Sils Maria) oder Spitzengesprächen entfaltet. Hier werden Akteure aus den Bereichen des Sports mit Akteuren aus den Sportwissenschaften, der Theologie, Philosophie, der 52 Florian Höhne, Öffentliche Theologie, S. 40. 53 Vgl. den Beitrag von Wolfgang Huber, Die Würde des Menschen ist antastbar, in: Ommo Grupe / Ders. (Hg.), Zwischen Kirchturm und Arena. Evangelische Kirche und Sport, Stuttgart 2000, S. 133–150, S. 138.
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Öffentliche Theologie
Kunst etc. zusammengebracht. Dabei werden kritische Fragen im Sinne einer Öffentlichen Theologie erörtert. Durch verschiedene Beiträge in Zeitungen, Zeitschriften, sozialen Medien und Büchern werden Positionen formuliert und in die öffentlichen Diskurse eingebracht. In allen drei Weisen kommt Öffentliche Theologie zum Zuge: beim seelsorgerlich-verkündigenden Aspekt kann es zu theologisch begründeten kritischen Stellungnahmen durch Textauswahl und Ansprachen kommen. Beim medialen Aspekt kann die Auswahl oder die Ablehnung von Teilhabe durch Beteiligung eine kritische Haltung zum Ausdruck bringen. Der kritischbegleitende Aspekt ist allerdings der für unsere Überlegungen wesentlichste, da hier gezielt das Interesse einer Öffentlichen Theologie deutlich wird, die sich auf drei Dimensionen des Sports beziehen lassen: Sport erschließt, so hat es Wolfgang Huber auf den Punkt gebracht, seinerseits drei Dimensionen des Lebens: In der naturalen Dimension fördert er die menschliche Integrität (gegen den Kult des Körpers), in der personalen Dimension fördert er die menschliche Kreativität (gegen den Leistungskult des Siegens / Gewinnen-Müssens) und in der sozialen Dimension dient er der sozialen Kooperation (Urbild der Sozialität gegen den Kult der Gewalt).54 Um diese Dimensionen zu erkennen, braucht der Sport, insbesondere der organisierte Sport, die kritische Begleitung durch die Kirche bzw. die Öffentliche Theologie, die ihrerseits den Sport als Reflexionsfeld erkennt, denn die Religion bzw. die Kirche hat die Chance, auch über die Grenzen der Funktionsbereiche hinaus, Einfluss zu nehmen, sofern es den Willen zum Austausch gibt. Es ist insofern kein Zufall, dass sich Wolfgang Huber als einer der Väter der Öffentlichen Theologie in Deutschland um den Dialog zwischen Kirche / Theologie und Sport verdient gemacht hat. Auch Heinrich Bedford-Strohm hat wiederholt in diesem speziellen Reflexionsfeld Öffentlicher Theologie Positionen formuliert.55 Seit vielen Jahren erlebt der organisierte Sport in verschiedenen Zusammenhängen eine Krise. Die öffentlichen Tugenden, für die der Sport normalerweise steht, (»Mannschaftsgeist«, Zusammenhalt, Fairness etc.) werden durch Skandale, Korruption in den Organisationen und Verbänden konterkariert. Durch Praktiken wie die des Dopings, der Korruption und Vorteilsnahme wird die Würde des Menschen angetastet.56 In der weiteren Entwicklung des Sports braucht dieser Kriterien und Maßstäbe, die nicht zuletzt aus der christlichen 54 Vgl. Wolfgang Huber, Sport als Kult – Sport als Kultur, in: ebd., S. 15–28. 55 Vgl. z. B. das Thesenpapier zu dem Vortrag »Menschenrechte und Menschenwürde in der Perspektive öffentlicher Theologie, gehalten beim Studienkurs »Kirche und Sport« in Sils Maria, aufrufbar unter: https://www.kirche-und-sport.de/download/Menschenrechte_ Handout.pdf; Ders., Gemeinschaft in der modernen Gesellschaft. Theologisch-ethische Überlegungen für die Menschen in den Vereinen der Zukunft, in: Sportwirklichkeit – Sportzukunft. Der Sport an der Schwelle ins 3. Jahrtausend, (Protokolldienst der Evangelischen Akademie Bad Boll 26/99), Bad Boll 1999, S. 5–16. 56 Wolfgang Huber, Würde, a. a. O.
Sozialethische Grundsituation im Blick auf den Sport
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Theologie gewonnen werden können, denn, so haben es Manfred Paas und Klaus-Peter Weinhold formuliert: »Ohne ethische Maßstäbe würde der Sport seinen humanen Charakter verlieren. Die Kirchen können mithelfen, dass der Sport … seine Werte, Normen und Ideale an einem umfassenden und begründeten Ethos ausrichtet.«57 Dabei tritt die Kirche nicht belehrend auf, sondern argumentativ und diskursiv und lässt sich ihrerseits von Impulsen aus dem Bereich des Sports inspirieren. Am Beispiel der Debatte um die Inklusion lässt sich zeigen, dass der Sport auf den Diskurs mit der Kirche bzw. einer Öffentlichen Theologie nicht verzichten sollte. Denn zur Formulierung von rechtlich geforderten und notwendigen Positionen mit entsprechenden Handlungsfolgen braucht der Sport die gemeinsame kritische Reflexion von Krisen, Zielen und Aufgaben. Zum einen ist das Nachdenken über Inklusion, wie noch zu zeigen sein wird, vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte ein exemplarischer Diskurs zu den Menschenrechten insgesamt. Damit ist es zum anderen ein Diskurs, der in seiner Begründung auch in seinen religiösen Dimensionen zu erfassen ist. Im Folgenden wird daher nun das Thema der Menschenrechte als wesentlicher Aspekt Öffentlicher Theologie und die Bedeutung für den Diskurs mit dem Sport vorgestellt und erörtert.
57 Vgl. Manfred Paas / Klaus-Peter Weinhold, Art. »Kirche und Sport«, in: Ommo Grupe / Dietmar Mieth (Hg.), Lexikon der Ethik des Sports, S. 289–292, hier S. 292. Vgl. Peter Noss, Art. »Sport, sozialeth., wirtschaftl.« in: ESL Stuttgart 102016, Sp. 1468–70.
III. Menschenrechte als Thema Öffentlicher Theologie
1.
Die Entwicklung des Menschenrechts-Diskursesbis zur UN-Behindertenrechtserklärung 2006
Die UN-BRK, Grundlage und Auslöser des aktuellen Diskurses zum Thema »Inklusion«, ist das bislang letzte Glied der Weiterentwicklung der Menschenrechte seit dem 18. Jahrhundert: eine seit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 hoch komplexe Entwicklung. Menschenrechte gehören zu den höchsten Rechtsgütern und sind heute in der Welt weitgehend anerkannt – ausgehend von der Idee, dass sie insgesamt unbeschränkt und unabhängig von kulturellen Zusammenhängen gültig sind. Sie sind dabei nicht statisch, sondern als eine Rechtsgröße zu verstehen, die ständig weiter zu entwickeln und zu gestalten ist. Denn es ist notwendig, Antworten auf die immer neuen Herausforderungen zu finden, die sich der Gesellschaft stellen – wie z. B. zu der Frage der Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen und von anderen Minderheiten. Die Basis der Menschenrechte ist die Menschenwürde1, die sich zum Recht in doppelter Hinsicht verhält: Einerseits handelt es sich um den Achtungsanspruch gegenüber dem Menschen. Andererseits kann die Menschenwürde, wie bei den Grund- und Menschenrechten, zum »Gegenstand expliziter rechtlicher Anerkennung« werden, die z. B. in den nationalen und internationalen Verfassungen und Konventionen verbrieft sind.2 Werden die Menschenrechte durch die Menschenwürde begründet, entsteht ein Problem, das nicht aufgelöst werden kann: Die Menschenwürde ist rational nicht direkt begründbar, sie »markiert gewissermaßen einen Endpunkt normativer Reflexion und Diskussion«3 und hat somit den Charakter eines besonderen Bekenntnisses, da ihr Anspruch nur im Selbstverhältnis des Menschen zu sich selbst erfasst werden kann, wie Heiner Bielefeldt treffend formuliert hat: »Er ist aufgerufen, sich selbst als Subjekt von Würde zu verstehen und damit zugleich die Würde jedes anderen Menschen anzuerkennen«4. Die Menschenwürde ist als unhintergehbare Prämisse im normativen Bereich vorauszusetzen, sie wird nicht zuerkannt, sondern vorgängig anerkannt.
1 Gerd Brudermüller / Kurt Seelmann (Hg.), Menschenwürde. Begründung, Konturen, Geschichte, Würzburg 2008. 2 Heiner Bielefeldt, Menschenwürde. Der Grund der Menschenrechte, Berlin 2008, S. 18. 3 Ebd., S. 17. 4 Ebd.
Die Entwicklung des Menschenrechts-Diskurses
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Es geht um die prinzipielle Verantwortung, die der Mensch als handelndes Subjekt hat. Das hat zur Folge, dass dem Menschen dieser Status als Verantwortungssubjekt nicht abgesprochen werden darf, er also von normativer Kommunikation nicht ausgegrenzt wird. »Dadurch, dass die Menschenwürde unter anderem die Begründung der absoluten Verbote von Rassismus, Sklaverei und Folter trägt, sorgt sie dafür, dass der Raum normativer Kommunikation als ein inklusiver Raum gegen etwaige Ausgrenzungstendenzen offen gehalten wird.«5 Der Aspekt der vorrangigen Anerkennung der menschlichen Würde ist in den internationalen Erklärungen wie in den nationalen Verfassungen oder im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland festgeschrieben. So beginnt die Präambel der UN-Charta von 1948 mit den Worten, dass »die Anerkennung der innewohnenden Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte alle Mitglieder der menschlichen Familie die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt« bilde. Zur Beschreibung des Kerns dessen, was mit den Menschenrechten gemeint ist, lassen sich Begriffe identifizieren, die in den Basistexten immer wieder auftauchen. Klaus Dicke und andere haben vorgeschlagen, die folgenden drei Begriffe auszuwählen: Universalismus, Freiheit und Gleichheit.6 Der Universalismus besteht darin, dass diese Rechte jedem Menschen uneingeschränkt zustehen. Diese Rechte unterliegen keinerlei partikularen Einschränkungen: »Sofern grundlegende Rechte von partikularen Bedingungen – Vorleistungen, persönlichen Merkmalen, gesellschaftlichen Statuspositionen usw. – abhängig gemacht würden, wäre ein rechtlicher Partikularismus gleichbedeutend mit Exklusion und Diskriminierung. Im Gegenzug gilt, dass Menschenrechte Ansprüche auf Inklusion und Nicht-Diskriminierung formulieren. Genau darin besteht ihr normativer Universalismus.«7 Die Freiheit ist die Richtschnur der Menschenrechte, die sich in verschiedenen konkreten Freiheiten typologisieren lassen. Dazu zählen die Rede- und Glaubensfreiheit, die Freiheit von Furcht und Not.8 Eingebettet darin ist das Recht des Menschen auf physische und psychologische Integrität bzw. Unversehrtheit des Körpers.9 5 Ebd., S. 17 f. 6 Klaus Dicke, Die der Person innewohnende Würde und die Frage der Universalität der Menschenrechte, in: Würde und Freiheit des Menschen. Festschrift für Johannes Schwartlän der zum 70. Geburtstag, Würzburg 1992, S. 161–182. 7 Heiner Bielefeldt, Menschenwürde, S. 22. 8 Vgl. zu dem Aspekt der Typologisierung: Wolfgang Vögele, Christliche Elemente in der Begründung von Menschenrechten und Menschenwürde im Kontext der Entstehung der Vereinten Nationen, in: Hans-Richard Reuter (Hg.), Ethik der Menschenrechte. Zum Streit um die Universalität einer Idee I, Tübingen 1999, S. 103–133. 9 Vgl. u. a. Sybille van der Walt, Christoph Menke (Hg.), Die Unversehrtheit des Körpers. Geschichte und Theorie eines elementaren Menschenrechts, Frankfurt am Main u. a. 2007. Wolfgang Vögele kommt in seinem Beitrag (»Gottesebenbildlichkeit, Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit«) zu dem Ergebnis, dass die Anthropologie der Menschenwürde, die Lehre von der Gottesebenbildlichkeit und die protestantische Freiheit im »menschen-
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Menschenrechte als Thema Öffentlicher Theologie
Die Menschenrechte sind erstmals in den »Bill of Rights« von Virginia / USA 1776 zusammenfassend formuliert worden.10 Dort heißt es in Artikel 1: »That all men are by nature equally free and independent, and have certain inherent rights, of which, when they enter into a state of society, they cannot, by any compact, deprive or divest their posterity; namely, the enjoyment of life and liberty, with the means of acquiring and possessing property, and pursuing and obtaining happiness and safety.«11 Auch hier wird bereits deutlich, dass Freiheits- und Unabhängigkeitsrechte des Menschen nicht erst rechtlich ermöglicht, sondern von »Natur aus« gegeben bzw. »angeboren« sind. Dreizehn Jahre später wurden sie in Frankreich in der Erklärung der »Rechte des Menschen und Bürgers« 1789 proklamiert, am 24. Juni 1793 in der französischen Verfassung als Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte« erneut formuliert. Während die »Bill of Rights« einen expliziten Gottesbezug aufzuweisen hatte, berief man sich in Frankreich in der Menschenrechtserklärung von 1793 auf ein »Höchstes Wesen«.12 Hier wie dort ist der Bezug auf die Anerkennung der menschlichen Würde in gleicher Gewichtung zu erkennen. So ist in den ersten drei Artikeln der französischen Verfassung nicht nur das gesellschaftliche Ziel formuliert, »dem Menschen« seine unveräußerlichen Rechte zu garantieren, sondern auch das Gleichheitsprinzip: »Alle Menschen sind von Natur und vor dem Gesetz gleich« (Artikel 3). Die garantierte Freiheit hat ihre natürliche moralische Grenze bei dem Grundsatz: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. 1864 nahmen auf Einladung des Bundesrates der Schweiz Vertreter von 16 europäischen Staaten und verschiedener amerikanischer Staaten an einer diplomatischen Konferenz in Genf teil, um eine Konvention zu verabschieden, in der der Umgang mit vom Krieg verwundeten Soldaten geregelt wurde – die »Genfer Konvention« war entstanden. Den größten und wichtigsten Schritt stellte die einstimmig (bei vier Enthaltungen) verabschiedete, 30 Artikel umfassende Menschenrechts-Charta der Vereinten Nationen (»Universal Declaration of Human Rights«) vom Dezember 1948 dar.13 Sie sind – als Teil des Völkerrechts – seitdem der Maßstab geworden für zahlreiche Diskussionen um das Thema der Menschenrechte. So sind in verschiedenen internationalen Zusammenhängen weitere Abkommen, Verlautbarungen, Initiativen, Gerichte etc. zustande gekommen, um den Prozess der Verwirklichung der Menschenrechte weiter voranzutreiben bzw. sie überhaupt in Gang zu setzen. Die Durchsetzungsverfahren haben deshalb rechtlichen Schutz der freien Entfaltung der Person, die grundsätzlich an die körperliche Existenz gebunden ist« (S. 148) zusammenkommen. 10 Eine Zusammenfassung der historischen Entwicklung findet sich u. a. bei Wolfgang Vögele, Menschenwürde zwischen Recht und Theologie. Begründungen von Menschenrechten in der Perspektive öffentlicher Theologie, Gütersloh 2000. 11 Text unter http://www.gunstonhall.org/georgemason/human_rights/vdr_final.html (10.1.2016). 12 Wolfgang Huber / Heinz Eduard Tödt, Menschenrechte, S. 39. 13 http://www.un.org/en/universal-declaration-human-rights/index.html.
Die UN-Behindertenrechtskonvention
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eine zentrale Bedeutung. An die UN-Charta knüpft Art. 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland von 1949 an, indem es sich zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten bekennt. An die UN-Charta knüpfen auch die UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 und damit die Bundesrepublik durch deren Ratifizierung 2009 direkt an. 2.
Die UN-Behindertenrechtskonvention: »Inklusion« als neuer Leitbegriff für das Thema der Menschenrechte
Mit der Verabschiedung und Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention vom 13. Dezember 2006 (sie trat im Mai 2008 in Kraft und wurde in Deutschland im März 2009 durch ihre Ratifizierung rechtsgültig) wurde das Thema der Menschenrechte mit einer neuen Gewichtung und der damit verbundenen besonderen Relevanz in das öffentliche Bewusstsein gehoben.14 Keine der bis dahin in Geltung gebrachten Konventionen in Anknüpfung an die Menschenrechtscharta hat so viel Aufmerksamkeit gefunden wie die UNBRK. Sie ist im internationalen Zusammenhang am Paradigma einer emanzipatorischen Politik orientiert, bei der es um Autonomie und Barrierefreiheit und eine weitgehende gesellschaftliche Inklusion geht.15 Damit ist sie in vielen Hinsichten innovativ, was »fortan auf das Verständnis und die Infrastruktur der Menschenrechte im Ganzen ausstrahlen«16 wird. Damit ist eine gesellschaftlich wirksame Grundperspektive bezeichnet, die ihren Ursprung in der Idee der »Menschenrechte« überhaupt hat und diese Idee ihrerseits stark befördern kann. Ein wichtiger Meilenstein bis zu dieser UN-Resolution war die sog. »Salamanca-Erklärung« der UNESCO im Anschluss an die »World Conference on special needs education: Access and Quality« von 1994 in Spanien, in der es insbesondere um eine gerechtere Bildung für alle geht und in der es u. a. heißt: »Regular schools with this inclusive orientation are the most effective means of combating discriminatory attitudes, creating welcoming communities, building an inclusive society and achieving education for all.«17 Während die Salamanca-Erklärung von der Wirkung einer veränderten Bildungslandschaft auf die gesamte Gesellschaft spricht, geht die UN-Erklä14 Zum folgenden vgl. Heiner Bielefeldt, Inklusion als Menschenrechtsprinzip: Perspektive der UN-Behindertenrechtskonvention, in: Johannes Eurich / Andreas Lob-Hüdepohl (Hg.), Inklusive Kirche, Stuttgart 2011, S. 64–79. 15 Theresia Degener, Menschenrechtsschutz für behinderte Menschen, in: Vereinte Nationen 3.2006, S. 104–110. 16 Heiner Bielefeldt, Menschenrechte, S. 64. 17 The Salamanca Statement and Framework for Action on Special Needs Education, adopted by the World Conference on Special Needs Education: Access an Quality, Salamanca, Spain, 7–10 June 1994 United Nations Ministry of Educational, Scientific and Education and Science Cultural Organization Spain, S. 8.
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Menschenrechte als Thema Öffentlicher Theologie
rung noch viel weiter und stärkt die Menschen mit Behinderungen im Sinne eines Rechtes zu Wählen und zu Wünschen, Teilhaberechte sollen einklagbar werden, alle Bereiche des Lebens müssen so gestaltet werden, dass Menschen mit unterschiedlichsten Handicaps von vornherein mit bedacht sind. Die UN-Konvention geht aus von einer Welt der Vielfalt, schlägt einen weiten Bogen zu Diversität und Toleranz, bietet neue Ansätze, die letztlich für alle Menschen positive Auswirkungen haben werden. Insofern hat sie einen geradezu prophetischen Charakter und weitaus größere Chancen auf Umsetzung als etwa die Erklärungen des Ökumenischen Rates der Kirchen.18 Die Allgemeinen Grundsätze der Präambel betonen »a) die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner Selbstbestimmung19, (…) c) die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft; d) die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit.«
Die Erklärung verwendet den Begriff »Inklusion« an folgenden Stellen: »Artikel 24 Bildung: (1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel, … (2) Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass… (…) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben; Artikel 27 Arbeit und Beschäftigung (1) Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird.«
Darüber hinaus werden an anderen Stellen zahlreich kompatible Begriffe verwendet: Teilhabe, Wahlmöglichkeit, Diversität etc. Insofern ist die Erklärung ein Glücksfall für den Diskurs über die Menschenrechte insgesamt, sie ist 18 A Church of all and for all. An Interim Theological Statement. A Publication of the World Council of Churches, Geneva 2003, eine Erklärung, die im Status einer Interimserklärung stecken geblieben ist. 19 Hier heißt es in der »offiziellen« Übersetzung »Unabhängigkeit«, dies wurde in der sog. »Schattenübersetzung« (https://www.behindertenrechtskonvention.info/schattenueber setzung-3678/) verändert. In gleicher Weise wurde durch die Verwendung des Begriffs »Integration« statt »Inklusion« am Sinn der Erklärung manipuliert.
Die UN-Behindertenrechtskonvention
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»durch und durch dem menschenrechtlichen Universalismus verpflichtet.«20 Heiner Bielefeldt argumentiert in seiner Darstellung »Inklusion als Menschenrechtsprinzip« in ganz ähnlicher Weise wie es auch Wolfgang Huber und Heinz Eduard Tödt getan haben: von höchster Bedeutung ist, die Perspektive der Erfahrung von Menschen und Gruppen einzunehmen, die marginalisiert oder exkludiert werden, damit die Menschenrechte nicht statisch bleiben, sondern immer wieder neu überdacht werden können, da sie sonst ihrerseits zu »Instrumenten faktischer Exklusion … degenerieren«.21 Die Forderungen der Menschenrechte sind also nicht per se universal, sondern müssen einem ständigen Prozess der wiederkehrenden Reflexion unterworfen werden. Entsprechend also ist die UN-BRK nicht ein Spezialtext, sondern ein exemplarischer Text, in dem die Menschenrechte insgesamt auf dem Prüfstand stehen und es sich bei ihrer Umsetzung zeigen muss, ob die Gesellschaft bzw. ihre Funktionssysteme verstanden haben, worum es geht. Basis und zentraler Begriff ist die »Menschenwürde«, wie auch die UN-BRK schon am Anfang herausstellt, sie hat normative Bedeutung für die Menschenrechte.22 So findet die Würde des Menschen in den Menschenrechten eine historisch gewachsene Ausdrucksform und wird in der UN-BRK konkretisiert, indem das Recht auf Bildung, auf Arbeit und soziale Absicherung und weitere Teilhaberechte abzielt (s. o.). Von Marginalisierung Betroffene können so – im Sinne einer Option der Anderen – jeweils einen eigenen Ansatzpunkt für die Herstellung ihrer Würde finden. Die dem Begriff der »Inklusion« innewohnenden Teilhaberechte entsprechen inhaltlich der menschenrechtlichen UrTrias der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von »Liberty, Equality, Persuit of Happiness«23 bzw. der Trias der Französischen Revolution: »Liberté, Egalité, Fraternité« (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit)24. Diese den Menschenrechtsforderungen entsprechenden Begriffe bedeuten einen am konkreten Perspektivwechsel erprobten Paradigmenwechsel: Teilhabe wird selbstverständlich, nicht mehr der Einzelne passt sich nun der Mehrheitsgesellschaft an,
20 Heiner Bielefeldt, Inklusion, S. 65. 21 Ebd., S. 66. 22 Heiner Bielefeldt, Inklusion, S. 68 f.: Die spezifische Verbindung zwischen Menschenwürde und Menschenrechten besteht darin, dass diese implizite Prämisse normativer Verbindlichkeiten in den Menschenrechten explizite Anerkennung und institutionelle Rückendeckung erfährt.« Vgl. dazu auch: Heiner Bielefeldt, Menschenwürde. Der Grund der Menschenrechte. Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Berlin 2008. 23 In der Unabhängigkeitserklärung der USA von 17 heißt es: »We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness« (deutsche Übersetzung, Pennsylvanischer Staatsbote, Philadelphia: »Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, daß alle Menschen gleich erschaffen worden, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freyheit und das Bestreben nach Glückseligkeit.«) 24 Darauf weist auch Heiner Bielefeldt, Inklusion, S. 70, hin.
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Menschenrechte als Thema Öffentlicher Theologie
vielmehr verändert sich die Gesellschaft insgesamt so, dass die Bedingungen für Teilhabe und Wahlmöglichkeit für (möglichst) alle geschaffen werden. Freiheit meint zuerst das Recht auf freie Selbstbestimmung, die Gleichheit meint die Gleichwertigkeit und die rechtliche Gleichstellung und ein Diskriminierungsverbot, Brüderlichkeit zielt auf die gesellschaftliche Teilhabe. Heiner Bielefeldt übersetzt die Begriffe in a) assistierte Autonomie, b) Diskriminierungsverbot und Barrierefreiheit und c) Gesellschaftliche Inklusion.25 a) Assistierte Autonomie zielt nicht auf Autarkie, sondern auf Selbstbestimmung in der Lebensführung, die nur innerhalb von unterstützenden sozialen Zusammenhängen möglich ist – und jeden Menschen betrifft. b) Das Diskriminierungsverbot richtet sich gegen Gleichheitsverweigerung, die vor allem in tiefer liegenden Strukturen zu finden sind (Vorurteile, Sprache, Funktionsweisen in öffentlichen Einrichtungen etc.). Das auf Gleichwertigkeit zielende Prinzip der Nicht-Diskriminierung hängt zusammen mit der Forderung nach Barrierefreiheit, also dem Abbau jeglicher Abgrenzung in struktureller Hinsicht in allen gesellschaftlichen Funktionsbereichen. c) Die Gesellschaftliche Inklusion entspricht in gewisser Weise der Idee der »Brüderlichkeit« und interpretiert sie neu.26 Ausgangspunkt für die Füllung des Begriffs ist nicht mehr die Logik des Systems, sondern die Würde des Individuums: nur von hier aus kann sich – im Sinne der Option der Anderen – der Paradigmenwechsel in der Gesellschaft entwickeln.27 Entsprechend wird der Begriff der »Behinderung« in der UN-BRK nicht nur beim Individuum als ein Aspekt von Diversität verortet, sondern ebenso bei der Gesellschaft, die sich ausgrenzend verhält. »Behinderung« ist also eine »gesellschaftliche Konstruktion« und darin »strukturelles Unrecht«.28 In dem von der Bundesregierung Ende 2016 verabschiedeten Bundesteilhabegesetz werden die Vorgaben der UN-BRK teilweise aufgenommen und umgesetzt.29 Es ist ein Gesetzespaket, das Maßnahmen u. a. im Blick auf mehr Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen durch Beratungsstellen, Präventionsmaßnahmen bei drohenden Behinderungen, bessere Voraussetzungen zu Teilhabe und Mitbestimmung vorsieht.
25 Ebd., 72 ff. 26 Heiner Bielefeldt spricht von einer »zeitgenössischen Fassung«. Ebd., S. 74. 27 Genau dieser Perspektivwechsel fällt offensichtlich schwer, da er alle gesellschaftlichen Funktionsbereiche betrifft und jedes Individuum beteiligt sein muss, damit es gelingt. 28 Heiner Bielefeldt, Inklusion, S. 78. 29 Vgl. dazu die Informationen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum BTHG, abrufbar unter http://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Inklusion/bundesteilhabe gesetz.html Dort ist auch der Gesetzestext im Original abrufbar.
Menschenrechte als Thema der Öffentlichen Theologie
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In weiten Teilen des Protestantismus und auch des Katholizismus30 waren die Menschenrechte bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein eine negative Projektionsfläche – man kann sagen, dass sie in Kontinentaleuropa und insbesondere in Deutschland gegen Kirche und Theologie in Geltung gebracht wurden.31 Gewachsen aus der Kritik an der Französischen Revolution 1789 ff. wurden zunächst nicht die Ideen Immanuel Kants, sondern die Überlegungen Friedrich Hegels wegweisend. Während Kant – im Wissen um die internationalen Deklarationen und damit im Horizont der Globalisierung – für die Notwendigkeit plädiert hatte, die Staats- und Völkerrechte durch allgemeine Menschenrechte zu ergänzen32, setzten sich vielmehr die Überlegungen Hegels und damit des deutschen Idealismus durch. Völkerrechtlich verbindliche Regeln waren für Hegel, der die Erklärung der Freiheits- und Menschenrechte der Revolution in Frankreich zunächst begeistert begrüßt hatte, nicht denkbar. Vielmehr war er der Ansicht, dass zunächst und vor allem anderen die staatsbürgerlichen Grundrechte und -pflichten (auch mit Hilfe der Kirche) vermittelt und durchgesetzt werden sollten. Die individuellen Freiheitsrechte dagegen traten in den Hintergrund. Der (National-)Staat galt Hegel als der höchste Souverän und bestimmt die verbindlichen (Grund-)Rechte, während Regeln des Völkerrechts nur eine moralische Verbindlichkeit besitzen.33 Auch in der revolutionären Phase des 19. Jahrhunderts kamen die nationalprotestantischen Positionen zum Tragen, etwa die von Johann Hinrich Wichern, dem Begründer der Diakonie, dem es vor allem um die religiösen Grundlagen des Volkes ging. Damit stand er ganz klar in der Tradition des Idealismus. Selbst die liberalen Kräfte des Protestantismus in Deutschland verweigerten sich dem westeuropäisch geprägten Liberalismus und seiner Interpretation der Menschenwürde. Der 1. Weltkrieg und die Folgen verfestigten den schroffen Gegensatz von »westlicher Zivilisation« und nationalem Denken (»deutsches Wesen«), Individualismus und die damit verbundene Menschenrechtsidee wurden abgelehnt.34 Erst nach 1945 wurden die Menschenrechte im Protestantismus allmählich positiver gewürdigt. Dabei spielte die Auseinandersetzung im ökumenischen
30 Eine erste Stellungnahme zur Frage der Menschenrechte wurde von Papst Johannes XXIII in der Enzyklika »Pacem in terris« 1963 formuliert, die später das Zweite Vatikanische Konzil beeinflusst hat. Die dort ausgeführten Rechte werden durch die Würde des Menschen begründet. Vgl. Wolfgang Huber / Heinz Eduard Tödt, Menschenrechte, S. 41. 31 Ebd., S. 62. 32 Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, 1795. Kant fand den Kern der Menschenwürde in der Gottebenbildlichkeit, außerdem in der Bestimmung des Menschen zum Gebrauch der Freiheit; vgl. Wolfgang Huber / Heinz Eduard Tödt, Menschenrechte, S. 45 f. 33 Wolfgang Huber / Heinz Eduard Tödt, Menschenrechte, S. 48. 34 Ebd., S. 53 f.
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Zusammenhang eine entscheidende Rolle.35 Seit den 70er Jahren war es das »Programm zur Bekämpfung des Rassismus«, das den Kern der Beschäftigung mit den Menschenrechtsfragen bildete. In der Folge wurden immer wieder neue Anläufe unternommen, die Menschenrechte theologisch zu bearbeiten. Es lassen sich fünf Grundtypen36 für die theologische Begründung der Menschenrechte unterscheiden: 1. In diesem umfassenden Ansatz (»von oben«) werden die Universalität der Menschenrechte mit der Universalität des Evangeliums in unmittelbaren Zusammenhang zueinander gebracht. Die Stichworte von Verpflichtung, Verantwortung und Versöhnung stehen im Mittelpunkt dieses Ansatzes, der eine eschatologische Dimension in sich trägt.37 Problematisch an diesem Ansatz ist die Vereinheitlichung christlicher Theologie und die Gefahr einer Verchristlichung / Vereinnahmung der ja auch säkular begründbaren Menschenrechte. Die Aspekte von universellem Anspruch auf die Gültigkeit der Menschenrechte unter Berücksichtigung variierender, kulturell und religiös anders als europäisch und christlich geprägter Begründungen von Menschenrechten38 sowie der Aspekt einer handelnden Verantwortung sind die Stärken dieses Ansatzes. 2. Der Begriff der »Menschenwürde« steht hier im Mittelpunkt.39 Sie wird unmittelbar auf die Gottebenbildlichkeit des Menschen zurückgeführt und daraus abgeleitet, dass Christen den Menschenrechten besonders verpflichtet sind, da man sie von den göttlichen Geboten ableiten kann. Dieses Modell unterstellt einseitig eine Abhängigkeit des Menschenrechtsgedankens 35 So hatte etwa die Kommission der Kirchen für Internationale Angelegenheiten Einfluss auf die Ausarbeitung der Menschenrechtserklärung von 1948, insbesondere hinsichtlich der Frage der Religionsfreiheit. Zudem wurde bei der Gründungsversammlung des Ökume nischen Rates der Kirchen 1948 in Amsterdam ein Konzept vorgestellt, das die Bezeichnung »Verantwortliche Gesellschaft« trug und neben den Aspekten der Meinungsfreiheit und Toleranz den Aspekt der Gleichheit im Sinne von Gleichwertigkeit betonte. Wolfgang Huber / Heinz Eduard Tödt, Menschenrechte, S. 55. 36 Zu der folgenden Modellskizze vgl. Wolfgang Huber / Heinz Eduard Tödt, Menschenrechte, S. 64–71; Heinz Eduard Tödt, Menschenrechte – Grundrechte, in: Ders., Perspektiven Theologischer Ethik, München 1988, S. 135–176. Vgl. auch: Wolfgang Vögele, Menschenwürde zwischen Recht und Theologie, Gütersloh 2000. 37 Jan Milic-Lochman / Jürgen Moltmann (Hg.), Gottes Recht und Menschenrechte. Studien und Empfehlungen des Reformierten Weltbundes, Neukirchen-Vluyn, 21977; Jürgen Moltmann, Menschenwürde, Recht und Freiheit, Stuttgart / Berlin 1979. 38 Vgl. Jürgen Moltmann, Menschenwürde, S. 18: »Es gibt hier keinen christlichen Absolutismus. Es können jedoch alle Menschen erwarten, dass die Christen sagen und zeigen, was sie zur Menschwerdung des Menschen und zur Humanisierung der Welt beizutragen haben.« 39 Udo Steiner, Art. »Menschenrechte: Gegenwart«, in RGG 4, Sp. 1092 ff.; Georg Wildmann, Die Herkunftsgeschichte der Menschenrechte in theologischer Sicht, in: JCSW 21, 1980, S. 149–178.
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von der Idee der Menschenwürde. Es hat hierin aber auch eine Stärke, nämlich das Interesse an einer Verständigung zwischen Christen und denen, die es nicht sind. 3. Die Menschenrechte bedürfen keiner theologischen Herleitung oder Begründung, argumentiert Martin Honecker.40 Denn eine solche gefährdet aufgrund der Partikularität alles spezifisch Christlichen den universalen Anspruch der Menschenrechte. Die ethischen Grundorientierungen, die aus den Inhalten des christlichen Glaubens gewonnen werden können, sind nicht in eindeutige Zielvorgaben umsetzbar, also muss sich die Theologie in diesen Fragen zurückhalten. Diese Position ermöglicht die problemlose Anerkennung des positiven Rechtscharakters der Menschenrechte. Zugleich kann man sich mit Vertretern anderen Religionen, Weltanschauungen und Kulturen problemlos darüber verständigen, da nicht auf theologische Argumente zurückgegriffen werden kann. Ein universaler Anspruch der Geltung des Evangeliums in Bezug auf die Herkunft des Menschenrechtsdiskurses wird verneint. Außerdem ist mit Honecker festzuhalten, dass es eine christliche Monopolstellung bei der (religiösen) Begründung der Menschenrechte nicht geben kann. 4. In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass es keine allgemeingültige Begründung der Menschenrechte gibt – sei sie theologischer oder auch philosophischer Art. Vielmehr geht Trutz Rendtorff davon aus, dass es strukturelle Parallelen gibt zwischen den Menschenrechten und entsprechenden theologischen Denkformen: in politischen Ordnungen sind Freiheit und Humanität bereits vorausgesetzt – in der Theologie wird in der Rechtfertigungslehre die Gnade Gottes als voraussetzungslose und unverfügbare Freiheit gedacht, unmittelbar jedem Menschen zugeeignet. Menschenrechte als Programm wären somit nur eine mögliche Form garantierter individueller Freiheitsrechte, die der Staat garantieren muss. Menschenrechte und Rechtfertigungslehre gehören dem »gleichen historischen Entfaltungsraum des Freiheitsbewußtseins« an.41 5. In ihrer programmatischen Schrift haben Heinz-Eduard Tödt und Wolfgang Huber bereits 1976 das Thema der Menschenrechte für die Theologie pointiert 40 Martin Honecker, Recht oder ethische Forderung – Aporien in der Menschenrechtsdiskussion, in: EvKomm 8, 1975, S. 737–740; Ders., Das Recht des Menschen. Einführung in die evangelische Sozialethik, Gütersloh 1978; Ders., Grundriß der Sozialethik, Berlin / New York 1995, S. 342–353. 41 Wolfgang Huber / Heinz Eduard Tödt, Menschenrechte, S. 71. Trutz Rendtorff, Menschenrechte und Rechtfertigung. Eine theologische Konspektive, in: D. Henke / G. Kehrer (Hg.), Der Wirklichkeitsanspruch von Theologie und Religion. Die sozialethische Herausforderung. E. Steinbach zum 70. Geburtstag, Tübingen 1976, S. 161–174; Ders., Ethik. Grundelemente, Methodologie und Konkretionen einer ethischen Theologie, Band II, Stuttgart / Berlin / Köln 21991, S. 136–140.
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erschlossen.42 Dabei war den Verfassern besonders die »interdisziplinäre Integration der verschiedenen Aspekte des Menschenrechtsgedankens«43 wichtig: die theologische Reflektion ist nur sinnvoll, wenn sie kontextuell stattfindet. Ähnlich wie das Thema der »Inklusion« entsteht auch bei der Beschäftigung mit dem Thema der »Menschenrechte« für die (Systematische) Theologie die Frage des Umgangs mit Themen im Raum, die außerhalb ihrer selbst entstanden sind. Hier wie dort soll keine Genitiv-Theologie entwickelt, sondern nach Entsprechungen, Parallelen und Analogien gesucht werden.44 Dieser Ansatz fragt nach dem Grund des christlichen Umgangs mit dem Thema der Menschenrechte. Die von Gott geschaffene Gerechtigkeit entspricht der Rechtsstellung der Menschen zueinander. Zugleich gibt es aber an genau dieser Stelle eine Differenz, da alles menschliche Recht vorläufig und relativ ist. Es geht in diesem Ansatz nicht um Perfektion, sondern darum, die Gerechtigkeit Gottes möglichst so auszulegen und zuzuspitzen, dass sie »auch als Kriterien menschlicher Rechtsfindung und Rechtsverwirklichung nach Geltung drängen.«45 Eine universale Verwirklichung der Menschenrechte ist als utopisch zu bezeichnen – die Notwendigkeit der Hoffnung eben darauf gilt jedoch als unverzichtbar.46 Ausgangspunkt theologisch reflektierender Prozesse über die Menschenrechte sind konkrete Unrechtserfahrungen – insofern brauchen Begründungen von Menschenrechten auch jeweils einen historischen Bezug, bei dem der »Perspektivwechsel« im Sinne einer Option der Armen / der Anderen (Verfolgten, Rechtlosen) vorgenommen wird.47 Das Prädikat der Gottebenbildlichkeit begründet einen geschichtlichen Auftrag. Die Menschenrechte sind nicht objektivierbar, sondern prozessual zu sehen. Das bedeutet für die Theologie, dass sie »an der Konstituierung dessen, was Menschenrechte in unserer Wirklichkeit sein sollen«48, mitwirken muss. Theologie bzw. Kirche ist selbst ein Akteur, Partnerin anderer gesellschaftlicher Akteure: »Dementsprechend wird der Christ für diejenigen Tendenzen in der weltlichen Konkretisierung der Menschenwürde eintreten, die dem gläubigen Verständnis von der Situation des Menschen zugleich unter der Sünde und der Heilsberufung
42 Zusammengefasst beschreiben sie ihren Ansatz: Wolfgang Huber / Heinz Eduard Tödt, Menschenrechte, S. 71–73. Vgl. außerdem: Wolfgang Huber, Art. Menschenrechte / Menschenwürde, in: TRE Bd. XXII, Berlin / New York 1992, S. 577–602. 43 W. Huber / H. E. Tödt, Menschenrechte, 10. 44 Vgl. Wolfgang Huber / Heinz Eduard Tödt, Menschenrechte, S. 35: Nicht die Entwicklung neuer Menschenrechtskataloge aus theologischer Sicht, sondern die Beteiligung am Diskurs über die bestehenden Menschenrechte ist die Aufgabe der Kirche. 45 Ebd., S. 72. 46 Ebd., S. 14. 47 Christian Link, Gottesbild und Menschenrechte, in: Hans Peter Mathys (Hg.), Ebenbild Gottes – Herrscher über die Welt. Studien zu Würde und Auftrag des Menschen, Neukirchen-Vluyn 1998, S. 147–169, hier: S. 149 f. 48 Wolfgang Huber / Heinz Eduard Tödt, Menschenrechte, S. 32.
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am nächsten kommen, ohne Menschenwürde und Menschenrechte in spezifisch christliche Postulate zu verwandeln.«49 Wesentlicher theologischer Ausgangspunkt für die reflektierende Begleitung des Diskurses zu den Menschenrechten ist der biblisch fixierte Gedanke der imago Dei, die Gottebenbildlichkeit des Menschen, welcher die Menschenwürde begründet. Dies wurde im Studiendokument des Reformierten Weltbundes 1976 so formuliert: »Unser biblischer Glaube verpflichtet uns, das menschliche Leben in seiner Gesamtheit zu sehen, die in drei fundamentalen Komplementaritäten ihren Ausdruck findet: Mann und Frau, Individuum und Gesellschaft, menschliches Leben und sein ökologischer Kontext. Wenn wir erklären, dass unsere Menschheit zum Ebenbild Gotts geschaffen ist, anerkennen wir − die gleiche Würde und Interdependenz von Mann und Frau; − die Gleichwertigkeit und Interdependenz von individuellen Rechten (Freiheit und Würde) und sozialen Rechten (Gerechtigkeit und Gemeinschaft); − die gleiche Würde und Interdependenz der jetzigen Generation und künftiger Generationen im verantwortlichen Umgang mit der Natur. Da die Menschen mit Gott in einem Bund vereint sind, bringt diese Beziehung die Verantwortlichkeit eines Bundes in unserem Umgang mit der Schöpfung mit sich. Wir anerkennen ferner − die Gleichwertigkeit und Interdependenz ›meiner Rechte‹ und ›der Rechte meines Nächsten‹; − die gleiche Bedeutung und Interdependenz der Rechte und Pflichten des Menschen.«50 Christlich gesehen ist die Würde des Menschen auch kontrafaktisch in Geltung. Sie bleibt unangetastet trotz aller ihr möglicherweise entgegenstehenden Freiheitsrechte: Der Glaube an die Rechtfertigung des Sünders hat vor Augen, das verletzte Würdebewusstsein zu stabilisieren: »In diesem Sinne ist Glaube eine vertiefte Reflexion auf die angefochtene Menschenwürdegewissheit, denn er wird der Einsicht inne, dass die Würde des Menschen vor Gott auch in dem Fall gilt, dass sie empirisch angetastet oder nach menschlichen Maßstäben selbstverschuldet verspielt wird. Menschenwürdegewissheit ist das Bewusstsein vom unbedingten Unangetastet-Sein der Menschenwürde.«51 49 Heinz-Eduard Tödt, Menschenwürde, in: Ders., Perspektiven Theologischer Ethik, München 1988, S. 131–134, hier: S. 134. 50 Jan Micic Lochman / Jürgen Moltmann (Hg.), Gottes Recht und Menschenrechte. Studien und Empfehlungen des Reformierten Weltbundes, Neukirchen-Vluyn 2. Aufl. 1977, S. 61 f. 51 Arnulf von Scheliha, Menschenwürde, in: Loccumer Pelikan, 1/2014, S. 3–6, S. 6.
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Die Aufgabe von Kirche und Öffentlicher Theologie ist es daher, der Würde und den Rechten aller Menschen zuerst innerhalb der Kirche zu Anerkennung und Durchsetzung zu verhelfen52 und dann in Kooperation und Auseinandersetzung mit anderen gesellschaftlichen Funktionsbereichen und -trägern an der weitest gehenden Umsetzung von Menschenrechten mitzuwirken – nicht zuletzt durch die Beteiligung an den entsprechenden Diskursen. Zudem kann Kirche durch das, was sie ist, nämlich »Christus als Gemeinde existierend« und damit per se eine eschatologisch-inklusiven Perspektive abbildend, Inklusion haben und geben: als in Gottesdienst, Taufe und Abendmahl gelebte inklusive Gemeinschaft des Reiches Gottes. Beispielhaft wäre in diesem Zusammenhang etwa eine Kooperation von Kirche, (Öffentlicher) Theologie, Sport und Sportwissenschaft bei der Interpretation und der Umsetzung der UN-BRK – etwa auch im Blick auf das Bundesteilhabegesetz (BTHG) von 2016. Besonders geeignet für die Umsetzung einer solchen Aufgabe sind die Ansätze von Jürgen Moltmann einerseits und Wolfgang Huber und Heinz Eduard Tödt andererseits, da sie sich sehr nahe sind und in einigen wichtigen Aspekten ergänzen.
52 Vgl. ebd., S. 64 f.
IV. Soziologische Ansätze zu Exklusion und Inklusion
Wenn wir heute den Begriff der »Exklusion« verwenden, machen wir uns Gedanken über gesellschaftliche Prozesse, die mit dem Ausschluss oder der Ermöglichung von Teilhabe zu tun haben. Wir denken an extreme soziale »Randlagen« wie in den Slums und Elendsvierteln in Lateinamerika, das »Präkariat« und die Klientel der »Tafeln« in Europa, die global stark wachsenden Gegensätze von »arm« und »reich«, an die Flüchtlingsgruppen in und aus Kriegs- und Krisengebieten usw. Schon diese wenigen Beispiele, in den Medien immer wieder dargestellt und aufbereitet, zeigen eine Problematik, die es nach dem Selbstverständnis moderner Demokratien eigentlich gar nicht geben dürfte. Denn wir folgen, wie Niklas Luhmann festgehalten hat, im Prinzip dem »Postulat einer Vollinklusion aller Menschen in die Gesellschaft« und damit einer »totalitären Logik« die über die eigentlichen und gravierenden Probleme hinwegtäuscht.1 Inklusion ist also zunächst in der soziologischen Perspektive kein prinzipiell positiver Begriff einer normativen Ethik, sondern ein Begriff der gesellschaftliche Prozesse beschreibt. Trotz mancher Kritik an der Systemtheorie spricht vieles dafür, diesen Begriff nicht aufzugeben, sondern kritisch und ergänzend aufzunehmen. Ulf Liedke, Harald Wagner und andere haben dazu zuletzt praktikable Vorschläge gemacht.2 Folgt man der Argumentation von Niklas Luhmann, geht es zunächst nicht um das System als Gebilde, sondern um die Differenz von System und Umwelt und die in diesem Zusammenhang stattfindende Kommunikation, die nicht die Weitergabe von Information, sondern »eine profane Selektion von Sinn«3, ist. Es gibt soziale Systeme und psychische Systeme, die zwar autopoietisch sind, aber dennoch zusammenwirken können, da sie aufeinander angewiesen sind. Das ermöglicht »gegenseitige Inanspruchnahme fremder Komplexität zum Aufbau eigener Komplexität«4. Dies ist der Ort, an dem Exklusion / Inklusion eingeführt wird. Der historische Hintergrund für diese widersprüchliche Situation ist die Wandlungsgeschichte der Gesellschaft von einer stratifizierten, ständisch organisierten zu einer funktional differenzierten Gesellschaft. Wurde die Zugehörigkeit bzw. Inklusion einer Person in der vormodernen Ständegesellschaft über die Zugehörigkeit zu einem Haushalt und 1 Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1997, 626. Vgl. zum folgenden auch: Peter Noss, Sport für alle – eine Vision theologisch betrachtet, in: Dieter H. Jütting / Michael Krüger, Sport für alle. Idee und Wirklichkeit, Münster / New York 2017, S. 395–404. 2 Ulf Liedke / Harald Wagner, Inklusionen: Sozialwissenschaftliche Grundlagen für eine Praxistheorie der Teilhabe und Vielfalt, in: Dies. u. a., Inklusion, S. 9–37. 3 Ebd., S. 10. 4 Ebd., S. 11.
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damit einer fest verankerten Schicht (z. B. Bauern, Städter, Klerus, Adelige) geregelt, nimmt in der modernen Funktionsgesellschaft die Person prinzipiell an allen Funktionssystemen teil – so zumindest die Logik. Das Individuum entscheidet dabei selbst, wann und wie es an der Kommunikation in diesen Funktionsbereichen teilnimmt. So ist die volle Inklusion in alle Funktionsbereiche theoretisch vorgesehen – funktioniert aber praktisch nicht unbedingt – und führt zu einer ganz anderen, fatalen Logik. Denn »unter den Funktionssystemen … gibt es wenig positive Koordination« so Luhmann.5 Das Begriffspaar »Inklusion / Exklusion« wurde vor gut 10 Jahren auch in die wissenschaftliche Debatte um die Bildung in der Pädagogik in Deutschland eingeführt.6 Die Begriffe führen über die Integrations-Diskurse hinaus bzw. haben Auswirkungen auf diese. In der Theologie in Deutschland steht die Auseinandersetzung mit Inklusion / Exklusion noch am Anfang7 und wird vor allem in den sozialethischen Untersuchungsfeldern der Sozialen Gerechtigkeit8, der Disability Studies9 und der Migration10 verwendet. 5 Niklas Luhmann, Die Religion der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 2000, S. 242. »Es herrscht ein gesellschaftlich nicht vorstrukturiertes ›loose coupling‹, das der sehr unterschiedlichen Eigendynamik der Funktionssysteme entspricht. Integration (im Sinne von wechselseitiger Einschränkung der Freiheitsgrade der Systeme) läuft über wechselseitige Problembelastungen, über Externalisierung der nicht im eigenen Funktionsbereich lösbaren Probleme. Entsprechend wird die Inklusion von Personen über Karrieren reguliert. Die andere, dunkle Seite dieses Arrangements ist: daß es zu massiven Exklusionen kommt. Große Teile der Weltbevölkerung finden sich aus allen Funktionssystemen so gut wie ausgeschlossen: keine Arbeit, kein Geld, kein Ausweis, keine Berechtigungen, keine Ausbildung, oft nicht die geringste Schulbildung, keine ausreichende medizinische Versorgung und mit all dem wieder: keinen Zugang zur Arbeit, keinen Zugang zur Wirtschaft, keine Aussicht, gegen die Polizei oder vor Gericht Recht zu bekommen. Die Exklusionen verstärken sich wechselseitig, und von einer gewissen Schwelle ab absorbiert das Überleben als Körper alle noch verbliebene Zeit und alle Kräfte. Der losen Kopplung der positiven Integration scheint eine strikte Kopplung der negativen Integration zu entsprechen. … Es könnte gut sein, dass sich der Differenz der Funktionssysteme eine andere, eher demographische Differenz überlagert, nämlich die Differenz von Inklusion und Exklusion.« (S. 242 f., vgl. S. 303). 6 Vgl. Wolfhard Schweiker, Inklusive Praxis als Herausforderung praktisch-theologischer Reflexion und kirchlicher Handlungsfelder, in: Johannes Eurich / Andreas Lob-Hüdepohl (Hg.), Inklusive Kirche, Stuttgart 2011, S. 131–145. S. 297; Andreas Hinz, Von der Integration zur Inklusion – terminologisches Spiel oder konzeptionelle Weiterentwicklung? in: Zeitschrift für Heilpädagogik 53, 2002, S. 354–361. 7 Vgl. Maren Lehmann, Inklusion. Beobachtungen einer sozialen Form am Beispiel von Religion und Kirche, Frankfurt a. M. 2002. 8 Inklusion als theologisch-ethische Grundnorm – auch für Armutsbekämpfung? in: Johannes Eurich u. a. (Hg.), Kirche aktiv gegen Armut und Ausgrenzung. Theologische Grundlagen und praktische Ansätze für Diakonie und Gemeinde. Stuttgart 2011, S. 158–174. 9 Ulf Liedke, Beziehungsreiches Leben. Studien zu einer inklusiven theologischen Anthropologie für Menschen mit und ohne Behinderung. Göttingen 2009, (Arbeiten zur Pastoraltheologie, Liturgik und Hymnologie, S. 59); Johannes Eurich / Andreas Lob-Hüdepohl (Hg.), Inklusive Kirche (Behinderung – Theologie – Kirche. Beiträge zu diakonisch-caritativen Disability-Studies 1), Stuttgart 2011. 10 Hans-Ulrich Dallmann, Das Recht verschieden zu sein, a. a. O.
»Exklusion« und »Inklusion« in der Soziologie
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Schon dieser erste Blick auf die Grundproblematik der Beschreibung der modernen Gesellschaft zeigt, dass es notwendig ist, sich über die Bedeutung der dazu verwendeten Begriffe im Klaren zu sein. Denn »Exklusion« und »Inklusion« sind schillernde Begriffe, die in ihrer Verwendung von der deskriptiven Funktion bis hin zur ethischen Kategorie reichen. 1.
Herkunft und Bedeutung der Begriffe »Exklusion« und »Inklusion« in der Soziologie
Der Begriff der »Exklusion« spielte in den öffentlichen sozialpolitischen Debatten seit Mitte der 70er Jahre in Frankreich als »Sammelkategorie für sozial als problematisch angesehene Existenzweisen«11 eine wichtige Rolle und wurde in der Folge dort und auch im deutschen Sprachraum für die soziologischen Debatten wichtig. Dabei hat Niklas Luhmann als der wichtigste Vertreter in dieser Debatte hierzulande Impulse auch aus der nordamerikanischen Soziologie, insbesondere von Talcott Parsons aufgenommen, der in einem Aufsatz zur Teilhabe von Schwarzen Bürgerinnen und Bürgern in den USA in Anschluss an die Wohlfahrtsstaatstheorie von T. H. Marshall erstmals von Inklusion und Exklusion gesprochen hat.12 Parsons Begriff verbindet die Bereiche Wirtschaft und Politik; »Inklusion« meint die Möglichkeiten jeder Person unter den Bedingungen der jeweiligen Sozialisation in Familie und Schule, an Macht und wirtschaftlichen Ressourcen beteiligt zu sein. Er geht der Frage nach, welche Chancen die Person hat, in der Gesellschaft bzw. ihren Gemeinschaftsformen »integriert« zu sein.13 Gesellschaftliche Integration also kann eine Folge von Inklusion sein. Der Grad der Komplexität und die Differenzierung unserer Gesellschaft steigen von Tag zu Tag. Wie kann diese Gesellschaft mit ihren Funktionssystemen Personen Zugänge eröffnen und Bedingungen zu Teilhabemöglichkeiten schaffen? Die Beschreibung der Begriffe wie »Freiheit«, »Pluralität«, »Individualisierung«, »Emanzipation«, »Wandel«, »Toleranz« etc. reicht nicht aus, um die Sozialdimension der Gesellschaft zu beschreiben. Vielmehr bietet sich das Begriffspaar der »Exklusion / Inklusion« an, das bei Niklas Luhmann die Teilhabe bzw. den Ausschluss von Personen an und von bestimmten Kommunika11 Sina Farzin, Inklusion / Exklusion. Entwicklungen und Probleme einer systemtheoretischen Unterscheidung, Bielefeld 2006. 12 Niklas Luhmann, Differentiation of Society, in: Canadian Journal of Sociology, Bd. 2, Nr. 1,1977, S. 29–53; Talcott Parsons, Theoretical Orientations on Modern Societies, in: Ders. Politics and Social Structure, New York,1969, S. 34–57. Vgl. Rudolf Stichweh, Leitgesichtspunkte einer Soziologie der Inklusion und Exklusion, in: Ders. / Paul Windorf (Hg.), Inklusion und Exklusion: Analysen zur Sozialstruktur und sozialen Ungleicheit, Wiesbaden 2009, S. 29–44. 13 Vgl. Niklas Luhmann, Talcott Parsons – Zur Zukunft eines Theorieprogramms, in: Zeitschrift für Soziologie 9 (1980), S. 5–17.
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Soziologische Ansätze zu Exklusion und Inklusion
tionen beschreibt.14 Weitere Theoriemodelle wie die von Georg Theunissen15, Axel Honneth16 und anderen ergänzen seinen Ansatz. 2.
Die Begriffsentwicklung von Inklusion und Exklusion bei Niklas Luhmann
Es kann hinsichtlich der Begriffe von Exklusion und Inklusion »nicht von einer kontinuierlichen Begriffsentwicklung gesprochen werden«, betont Sina Farzin in ihrer Untersuchung zu dem Begriffspaar.17 Im Anschluss an Markus Göbel und Johannes F. K. Schmidt18 unterscheidet sie drei Theoriebereiche: die systemtheoretische, die differenzierungstheoretische und die kommunikationstheoretische. Dabei sind für unsere Fragestellungen insbesondere die Differenzierung im Blick auf die Ungleichheitsforschung zur Erklärung sozialer Ausgrenzung sowie der Aspekt aus- und einschließender (ex- und inklu dierender) Kommunikation wichtig. Luhmann verwendete die Begriffe von Exklusion und Inklusion zunächst dazu, die scharfen Grenzlinien von psychischen und sozialen Systemen hervorzuheben, aus denen sich sowohl Individuen als auch eine ganze Gesellschaft zusammensetze. Während Exklusion die »operative Schließung psychischer Systeme« bezeichnet, steht Inklusion für das »autopoietische (…) System, das auf der Basis von Bewusstsein operiert, seine Eigenkomplexität zum Aufbau sozialer Systeme zur Verfügung stellt.«19 Luhmann überwindet sowohl die noch bei Parsons vorhandene Unterscheidung von Gesellschaft und Gemeinschaft als auch die weitgehende Gleichset14 Vgl. Niklas Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1990, 346. Für Luhmann sind Menschen an sich keine autopoietischen Systeme, sondern sie bestehen aus verschiedenen solcher Systeme: Organsystem, Nervensystem, Immunsystem, Bewusstsein, die dann zu einer »Person« ins Spiel kommen, bei der die Einheitsvorstellung des »Menschen« unterlaufen und die Kommunikation in den Mittelpunkt gerückt wird. Vgl. dazu: Georg Kneer / Armin Nassehi, Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, München 4 2000, S. 155 f. 15 Vgl. u. a. Georg Theunissen, Empowerment und Inklusion behinderter Menschen: eine Einführung in die Heilpädagogik und soziale Arbeit, Freiburg i.B. 32013; Ders., Inklusion – Schlagwort oder zukunftsweisende Perspektive?, in: Ders. / Kerstin Schirbort (Hg.), Inklusion von Menschen mit geistiger Behinderung, Stuttgart 22010. 16 Vgl. u. a. Axel Honneth, Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte, Frankfurt a. M. 72012; Ders. et. al. (Hg.), Strukturwandel der Anerkennung, Frankfurt a. M. 2013. 17 Sina Farzin, Inklusion / Exklusion, S. 7. 18 Markus Göbel / Johannes F. K. Schmidt, Inklusion / Exklusion. Karriere, Probleme und Differenzierungen eines systemtheoretischen Begriffspaars, in: Soziale Systeme 4 (1998), S. 87–118. 19 Niklas Luhmann, Individuum, Individualität, Individualismus, in: Ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik, Bd. 3, Frankfurt a. M. 1989, S. 162, dazu Sina Farzin, Inklusion / Exklusion, S. 22.
Die Begriffsentwicklung von Inklusion und Exklusion bei Niklas Luhmann
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zung von Inklusion und Integration. Personen werden von der Gesellschaft in Anspruch genommen – oder auch nicht, sie bekommen Handlungsspielräume und können »Individualität« ausbilden – oder auch nicht.20 Parsons hatte außerdem den »Negativfall der Kategorien« nicht berücksichtigt, weshalb Luhmann den Exklusionsbegriff ergänzt.21 In den segmentären Gesellschaften ergab bzw. ergibt sich Inklusion durch Zugehörigkeit zu einem Segment, Exklusion aus diesem Segment war weitgehend ausgeschlossen.22 Die Gesellschaft des sog. Spätmittelalters und der frühen Neuzeit war nach einem strikten Schichten-System gegliedert, dessen Grenzen geradezu undurchdringlich waren. Die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft außerhalb der Kirchen etwa war nicht möglich. In diesen stratifizierten Gesellschaften war die Inklusion prinzipiell durch die Zugehörigkeit zu einem Stand geregelt. Die Exklusion aus einem Teilsystem führte in der Regel und geradezu automatisch zur Inklusion in ein anderes Teilsystem.23 In der modernen Gesellschaft aber greift die funktionale Differenzierung: das Individuum ist je nachdem Teil des einen oder anderen Funktionsbereichs. Das Individuum kann in der Moderne nicht mehr exklusiv und dauerhaft einem Teilsystem zugeordnet werden. So wird es nur noch durch Exklusion definiert, muss sich ständig neu einstellen auf Rollenvorgaben und soziale Erwartungen und sich zugleich als Adressat auf an ihn gerichtete Erwartungen einstellen.24 Identität wird zum Problem, »Individualität ist Unzufriedenheit.«25 Gerade diese individuelle Zurechnung bei gleichzeitiger prinzipieller Behauptung der Möglichkeit zur vollen Inklusion führt zu einer großen Härte von Exklusion: »Die Idealisierung des Postulats einer Vollinklusion aller Menschen in die Gesellschaft täuscht über gravierende Probleme hinweg.«26 Im Prinzip soll jeder an allem partizipieren können (Bildung, Wirtschaft, politische Wahlen, Heirat, Sozialleistungen, Krankenpflege, Religion), wenn er die Chance nicht nutzt, wird ihm das individuell zugeschrieben: »Auf diese Weise erspart sich die moderne Gesellschaft, zunächst jedenfalls … die andere Seite der Form, die Exklusion, als sozialstrukturelles Problem wahrzunehmen.«27 Diese »totalitäre Logik« strebt danach, dass ihr Gegenteil, also Exklusion, »ausgemerzt« und allenfalls als »Restproblem« betrachtet wird.28 20 Vgl. Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1997, S. 618 ff. 21 Ebd., S. 620 f. »Inklusion muss man demnach als eine Form begreifen, deren Innenseite (Inklusion) als Chance der sozialen Berücksichtigung von Personen bezeichnet ist und deren Außenseite unbezeichnet bleibt. Also gibt es Inklusion nur, wenn Exklusion möglich ist.« 22 Ebd., S. 622. 23 Niklas Luhmann, Inklusion und Exklusion, in: Ders., Soziologische Aufklärung 6: Die Soziologie und der Mensch, Opladen 1995, S. 237–264. 24 Sina Farzin, Inklusion / Exklusion, S. 27 f. 25 Niklas Luhmann, Individuum, Individualität, S. 243. 26 Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, S. 630. 27 Ebd., S. 625. 28 Ebd., S. 626.
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Soziologische Ansätze zu Exklusion und Inklusion
Die Bedingungen für Exklusion / Inklusion hängen davon ab, wie differen ziert die Gesellschaft ist. Während eine Person in der vormodernen Gesellschaft einer bestimmten Schicht angehörte bzw. zugeschrieben war und es ein Entweder / Oder der Zugehörigkeit bzw. ein Wechsel zwischen den Schichten nicht gab, ist eine Person in der modernen Gesellschaft mehreren Teilsystemen zugeordnet. Nominell gilt »das Prinzip der Inklusion aller in alle Funktionssysteme: Jede Person muss danach Zugang zu allen Funktionskreisen erhalten können je nach Bedarf, nach Situationslagen, nach funktionsrelevanten Fähigkeiten oder sonstigen Relevanzgesichtspunkten. … Das Prinzip der Inklusion ersetzt jene Solidarität, die darauf beruhte, dass man einer und nur einer Gruppe angehörte. Die universelle Inklusion wird mit Wertpostulaten wie Freiheit und Gleichheit idealisiert; sie ist in Wahrheit natürlich keineswegs freigestellt oder gleich verteilt, aber sie ist durch die Differenzierungsform der Gesellschaft nicht mehr vorreguliert.«29 Das bedeutet für eine Person, die sich in verschiedenen Teilsystemen bewegt, dass sie sich durch spezifische Eigenleistung erst zur Ich-Identität, zum Selbst (zur Selbstbeschreibung) finden muss. Die Identität wird nicht mehr von außen bestimmt, Identität und Individualität fallen zusammen, Individualität wird demnach über Exklusion bestimmt.30 Identität wird zu einem Problem31, Individualität ist letztlich deshalb »Unzufriedenheit«, weil die Person die Erfüllung des Wunsches nach Selbstverwirklichung stets als defizitär erlebt, weil man nie das ist, was man sein will.32 Die ganze Person kommt für die Gesellschaft bzw. für die Anderen nicht in den Blick, dennoch muss stets die Individualität der ganzen Person unterstellt werden. Inklusion bzw. Exklusion sind daher Beschreibungen für Prozesse, die im Wechselverhältnis von Gesellschaft und Individuum stattfinden. Als frühe Paradigmen gelten »Mitgliedschaft«, »Solidarität« und »(Sozial-)Disziplinierung«, Rudolf Stichweh hat das Paradigma der »Sozialdimension von Kommunikation« hinzugefügt: »Es geht immer um die für die Sozialdimension konstitutive Frage, wer überhaupt die Anderen sind, die für kommunikative Adressierung in Frage kommen, und von welchen Bedingungen Andersheit 29 Niklas Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik, Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 1, Frankfurt a.M 1980, S. 31. 30 Georg Kneer / Armin Nassehi, Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. Eine Einführung, München 42000, S. 162. 31 Niklas Luhmann, Gesellschaft der Gesellschaft, S. 627: »Deshalb kann man nicht eigentlich wissen, wer man ist, sondern muss herausfinden, ob eigene Projektionen Anerkennung finden. Und deshalb sucht und schätzt man soziale Beziehungen der Intimität, in denen man rundum mit Neigungen und Schwächen bekannt ist und akzeptiert wird.« 32 Diese paradoxe Grundbefindlichkeit des Individuums / der Person hat schon Soeren Kierkegaard in seiner Abhandlung »Die Krankheit zum Tode« beschrieben: »Verzweiflung ist eine Krankheit im Geist, im Selbst, und kann so mit ein Dreifaches sein: verzweifelt sich nicht bewusst sein ein Selbst zu haben (uneigentliche Verzweiflung); verzweifelt nicht man selbst sein zu wollen; verzweifelt man selbst sein zu wollen« (Soeren Kierkegaard, Die Krankheit zum Tode (Kopenhagen 1848), Gütersloh 31985, S. 8).
Die Begriffsentwicklung von Inklusion und Exklusion bei Niklas Luhmann
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und die Adressierung von Andersheit abhängig ist.«33 Wir bewegen uns bei Inklusion / Exklusion also im dem Feld der Kommunikation im Sinne der sozialen Dimension.34 Es herrscht in der modernen Gesellschaft eine Semantik vor, die volle Inklusion suggeriert, Exklusionen erscheinen als Ausnahme, als »warnende Beispiele«35. Doch das ist trügerisch, ungenau und im Grunde falsch. Zum einen gibt es eben die Verlagerung des Gewichts auf den Einzelnen: Heute muss man erklären, wer man ist, obwohl man gar nicht wissen kann, wer man ist. Hatte man, so Luhmann, in den früheren Ordnungen der Gesellschaft als Mensch mit Seele und Vernunft die Fähigkeit, »seine durch Geburt bestimmte Natur zu erkennen« und konnte auf »Ausgleichsgerechtigkeit im Jenseits« hoffen, ist durch die fortschreitende Säkularisierung diese Perspektive der Hoffnung durch eine Semantik des Glücks (bzw. des glücklichen Lebens) ersetzt worden. Dies ist die metaphysisch begründete, totalitäre Logik der Inklusion. Luhmann führt dies anhand des Beispiels der »Menschenrechte« aus: Sie sind gegen die alten Unterscheidungen formuliert, in ihnen werden »die Inklusionsbedingungen aller Funktionssysteme zusammengefasst«.36 Die Logik dieser »Ideologie der Menschenrechte« ist dann, dass es scheinbar nur noch das Problem gibt, dass sie noch nicht global verwirklicht sind. Doch genau darin sieht Luhmann einen eklatanten Widerspruch, weil sie über die tatsächlich vorhandenen Exklusionsprozesse, die ständig vorkommen, hinwegtäuschen. Diesen Widerspruch hat auch Michel Foucault in seinen Arbeiten zu Psychiatrie, Gefängniswesen und Krankenhaus herausgearbeitet.37 Exklusion geschieht vielfach und auch normativ, es wird jedoch geleugnet – kurzum: »Die Idealisierung des Postulats einer Vollinklusion aller Menschen in die Gesellschaft täuscht über gravierende Probleme hinweg.« Man kann sich »der Illusion eines nie zuvor erreichten Standes der Inklusion hingeben.«38 Doch die Exklusionsprobleme sind heute nicht weniger gravierend als früher, sie haben allenfalls ein anderes Gewicht, eine neue Struktur, so wie für den Einzelnen die »Mehrfachabhängigkeit von Funktionssystemen den Exklusionseffekt verstärkt.«39 Scheinbar paradox integriert also die Exklusion weit mehr als die Inklusion – ja es könnte sogar dazu kommen, dass ein neues, eigenes Funktionssystem entsteht, das sich mit eben diesen Exklusionsfolgen befasst.40 33 Rudolf Stichweh, Leitgesichtspunkte einer Soziologie der Inklusion und Exklusion, in: Ders. / Paul Windorf (Hg.), Inklusion und Exklusion: Analysen zur Sozialstruktur und sozialen Ungleichheit, Wiesbaden 2009, S. 29–44, S. 30. 34 Ebd., 30. 35 Niklas Luhmann, Gesellschaft, S. 627. 36 Ebd., S. 628. 37 Michel Foucault, Wahnsinn und Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1969; Ders., Die Geburt der Klinik, München 1973; Ders. Überwachen und Strafen, Frankfurt a. M. 1976. 38 Niklas Luhmann, Gesellschaft, S. 630. 39 Ebd., S. 631. 40 Ebd., S. 633.
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Soziologische Ansätze zu Exklusion und Inklusion
Von Interesse ist die Definition von Inklusion und Exklusion, bei der die Menschen und der (geographische) Raum in der Luhmannschen Systemtheorie wieder eine zentrale Rolle spielen. Offensichtlich haben für Luhmann Erfahrungen in verschiedenen Armenvierteln in Brasilien, den sog. Favelas, eine Veränderung bzw. Korrektur in der Verwendung der Begriffe bewirkt.41 Prozesse von Inklusion bzw. Exklusion finden ständig statt, sobald Personen miteinander kommunizieren. Für die (gelungene) Inklusion reicht es beispielsweise aus, wenn etwa deutlich wird, dass der Teilnehmende Adressat einer Rede ist: Die An-Reden »Liebe Schwestern und Brüder«, »Meine Damen und Herren«, »Liebe Kolleginnen und Kollegen« sind Beispiele für beabsichtigte und vermutlich gelingende Inklusion. Die Adressaten der Rede fühlen sich angesprochen und »gemeint«, sie gehören dazu. Dagegen haben Exklusionen (durch ein Funktionssystem gegenüber einem Individuum) häufig den Charakter von »Nichtereignissen«, sind also weitaus schwerer konkret zu beschreiben. Im Zusammenhang einer Rede könnte z. B. ein Gehörloser exkludiert sein, weil er die wörtliche Rede nicht hören kann. Inklusive Kommunikation findet normalerweise nicht in singulären Ereignissen statt, sondern durch die Verknüpfung von mehreren Ereignissen, in denen sich die Akteure in Rollen (z. B. Leitungsrolle und Publikumsrolle) in den verschiedenen Funktionssystemen bewegen. Diese Funktionssysteme sind einerseits riesig und unübersichtlich – andererseits aber auch durch lange Entwicklung mit einem globalen Innovationspotential ausgestattet, so dass theoretisch (etwa durch digitale soziale Netzwerke wie Facebook) irgendwann alle Menschen in sie einbezogen sein könnten. Das trifft auch auf Religion zu – und somit auf die Inklusionskompetenz von Judentum / Christentum. Auch derjenige, der nicht hört, kann durch Veränderungen der Bedingungen inkludiert werden: indem z. B. ein Übersetzer die Rede in Gebärdensprache übersetzt. 3.
Die Funktion der Religion
Luhmann macht darauf aufmerksam, dass die veränderte Funktion von Religion damit zusammenhängt, dass sie auf Legitimierung von politischer Macht verzichtet und stattdessen moralische Vorgaben im Blick auf die Lebensführung macht. Darüber hinaus ist die religiöse Landschaft pluraler geworden – und es gibt »in vielen dieser Formen eine stärkere Einbeziehung des Körpers…«.42 Es müsse mit der Möglichkeit gerechnet werden, so Luhmann weiter, dass unter der Bedingung des Rückzugs aus vielen Funktionsbereichen, eines Verzichts auf ›social control‹ und Legitimierung politischer Macht die Chancen für Religion stei41 Sina Farzin, Inklusion / Exklusion, S. 8 f. 42 Niklas Luhmann, Die Religion der Gesellschaft, hg. von André Kieserling, Frankfurt a. M. 2000, S. 145.
Die Funktion der Religion
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gen. Das muss keineswegs im Sinne der Selbstbeschreibung von Hochreligionen definiert werden… Überhaupt muss Steigerung von Chancen der Religion nicht verstärkte Inklusion von Individuen in eine durch Religion bestimmte Lebensführung bedeuten. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Differenz von Inklusion und Exklusion zunimmt und dass beide Seiten dieser Unterscheidung, die religiöse und die religiös indifferente Lebensführung, mit Kommunikationsfähigkeit ausgestattet und sozial akzeptiert werden. Das könnte auch erklären, dass das Erscheinungsbild religiöser Phänomene in den letzten Jahrzehnten vielfältiger, ja bunter geworden ist.43
Das spricht nicht für die Zunahme der Bedeutung einer bestimmten Auffassung bzw. theologischen Lehre im Sinne einer dominierenden Auffassung, sondern lediglich für eine Chance, den Diskurs in diesen Fragen weiter voranzubringen. Wenn wir es hier also mit einer Grundlagentheorie des Sozialen zu tun haben, befinden wir uns mit einen Bein bereits im Feld des theologischanthropologischen Denkens, bei dem die Kommunikation und die Frage von Exklusion bzw. Inklusion eine zentrale Rolle spielt. Für unsere Untersuchung ist wichtig herauszufinden, ob die theologische Grundkategorie einer umfassenden Inklusion im Sinne von Teilhabemöglichkeiten und -rechten für alle einen Kompatibilitätsanspruch haben kann. Wie ist das zu begründen? Was sind die biblischen, eschatologischen, pneumatologischen oder soteriologischen Grundlagen? In diesem Zusammenhang ist auch zu klären, welche Rolle die Professionen, d. h. die Ämter im vermeintlichen Gegenüber zu den Publikumsrollen haben. Wie ist hier beispielsweise das Paradigma vom »Priestertum aller Gläubigen« einzuordnen? Welcher Kirchenbegriff ist adäquat? Gibt es ein Verständnis von Kirche, das inklusiv ist und Exklusivität vermeidet – und welcher Preis ist gegebenenfalls dafür zu zahlen? Dazu wird in Kapitel IV die Theologie Jürgen Moltmanns herangezogen, um Ansatzpunkte für die Beantwortung dieser Fragen zu finden. »Inklusion« geht über den Begriff der »Integration« hinaus. Während die Verschiedenheit der Menschen im Fokus der Integrationsdebatte steht und die Dichotomie von normal – abweichend überwunden werden soll, geht die Inklusionsdebatte davon aus, dass bei aller Verschiedenheit, Individualität und Vielfalt es eine Gleichheit hinsichtlich der Wertigkeit gibt. Jeder Mensch ist einzigartiges Geschöpf und damit von jedem anderen Geschöpf, von jedem anderen Individuum unterschieden. Hier deutet sich bereits an, dass »Inklusion« unter gesellschaftstheoretischen Gesichtspunkten immer eine exklusive Seite hat. Die Unterscheidung und der Zusammenhang von Inklusion und Exklusion sind Leitkategorien in der Gesellschaftstheorie und bezogen auf die Bezeichnung oder NichtBezeichnung von Personen in Systemen (Interaktion, Gesellschaft, Organi-
43 Ebd. (kursiv im Original).
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Soziologische Ansätze zu Exklusion und Inklusion
sation).44 Personen werden entweder wahrgenommen und aufgefordert, sich dem Interaktionssystem anzuschließen (Inklusion) oder ihnen gegenüber wird die Kommunikation vermieden oder verweigert (Exklusion). Das bedeutet, dass der einzelne Mensch auf der Ebene der Organisationen in der Regel exkludiert ist. Auf der Ebene der Gesellschaft und ihrer Makroordnungen wird, wie Rudolf Stichweh ausführt, die Unterscheidung zwischen Inklusion und Exklusion besonders interessant, da hier jeweils spezifische Formen institutionalisiert werden. Während auf der Ebene der Familien die Zugehörigkeit in der Regel nur zu einer Familie als Prinzip festgelegt ist, gilt in Bezug auf die Funktionssysteme in der modernen Gesellschaft das Prinzip der »Vollinklusion«, d. h., jedes Mitglied der Gesellschaft hat die grundsätzliche Chance zur Partizipation in jedem Funktionssystem. Jedoch ist dieses Prinzip rein theoretischer Natur, denn Inklusion / Exklusion hängen von der Struktur der Gesellschaft ab: je nachdem, welchem Grad bzw. welchem Muster der Differenzierung die Gesellschaft unterliegt, gibt es faktisch keine Totalinklusion des Individuums / der Person mehr, weil sie nicht wie früher in DIE Gesellschaft inkludiert / exkludiert ist, sondern je nach Lebensphase und -gestaltung in verschiedene Teilsysteme (als Arbeitnehmer, Mutter oder Vater, Konsument, Politiker, Mitglied in einer Religionsgemeinschaft etc.).45 Die verschiedenen Teilsysteme, die es gibt, also Recht, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Religion etc., haben verschiedene Typen von Differenzierungsformen, die untereinander und dann auch in den jeweiligen Subsystemen sich noch weiter differenzieren bzw. hybride Typen von Differenzierung ausbilden. Insofern unterliegen die Teil- und Subsysteme dem Prinzip »Gleichheit des Ungleichen«46, das allerdings verletzt werden kann, wenn das eine oder andere System für wichtiger gehalten wird als ein anderes. Zudem kann Inklusion in ein Teilsystem für ein Individuum sehr wohl zu einer Benachteiligung führen, wie etwa bei Leiharbeit oder »1-Euro-Jobs« sehr schnell deutlich wird.47 Je nach dem Charakter des Teilsystems sind nicht Leistungskriterien (z. B. im Sport) ausschlaggebend, sondern, wie im Fall von Parteien, Gewerkschaften 44 Zum folgenden vgl. Rudolf Stichweh, Einleitung 2: Inklusion und Exklusion, in: Christoph Gusy, Heinz-Gerhard Haupt (Hg.), Inklusion und Partizipation. Politische Kommunikation im historischen Wandel, Frankfurt / New York 2005, S. 35–48. Stichweh macht darauf aufmerksam, dass eine soziologische Theorie der Inklusion und Exklusion bisher nicht vorliegt, obwohl es einige wichtige Beiträge u. a. von Michel Foucault, Niklas Luhmann und Pierre Bourdieu gibt: Michel Foucault, La vérité et les formes juridiques, in: ders., Dits et écrits (1954–1988), Bd. 2, Paris 1994; Ders., Die Anormalen, Frankfurt a. M. 2003; Niklas Luhmann, Inklusion und Exklusion, in: Ders., Soziologische Aufklärung 6, Opladen 1995; Pierre Bourdieu, La misère du monde, Paris 1993. 45 Paul Windolf, Inklusion und soziale Ungleichheit, in: Rudolf Stichweh / Paul Windolf (Hg.), Inklusion und Exklusion: Analysen zur Sozialstruktur und sozialen Ungleichheit, Wiesbaden 2009, S. 11–27. 46 Ebd., S. 13. 47 Vgl. ebd., S. 14 f.
Die Funktion der Religion
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oder religiösen Gemeinschaften, normative Kriterien (Normen, Werte). Zudem gibt es offensichtliche Interdependenzen bei der Zugehörigkeit von Individuen zu verschiedenen Teilsystemen, die insbesondere auch von der sozialen Herkunft beeinflusst sind. Zugleich hat Inklusion weitere Grenzen – etwa dann, wenn die Teilhabe mit Teilhabemöglichkeiten anderer konkurriert oder wenn Inklusionsangebote nicht oder falsch verstanden werden.48 Inklusion kann zur »Vollinklusion« mutieren, aus der ein Entrinnen unmöglich wird49, der Vollzug der Inklusion kann in Ausgrenzungserfahrungen umschlagen, wenn etwas Leistungsanforderungen den Fähigkeiten nicht entsprechen. Die Idee der Inklusion kann außerdem politisch vereinnahmt oder für eigene Zwecke missbraucht werden, wenn sich Politik mit der guten zivilgesellschaftlichen Idee solidarisiert und als Garant der Menschenrechte stilisiert, in Wahrheit aber nur der ökonomischen Logik vertraut.50 Die einfache Forderung nach Inklusion im Sinne vollständiger Teilhabemöglichkeit reicht daher nicht aus, um die Gesellschaft nachhaltig zu verändern. Wie wir gesehen haben, ist die Vollinklusion in DIE Gesellschaft in der Moderne nicht mehr möglich, wenngleich es in Bezug auf bestimmte Bevölkerungskreise in Teilen der Welt noch immer Ausnahmen gibt. Es bedarf zunächst einer Analyse von Teilsystemen – eben auch des Teilsystems »Religion« bzw. der Subsysteme in den Religionsgemeinschaften: Wo in der Lehre bzw. Dogmatik wird Inklusion / Exklusion thematisiert und welche Folgerungen werden daraus für die soziale Gestalt der Gemeinschaft bzw. der Organisation gezogen? Auf welchen Ebenen ist welche Gestaltform (Gemeinschaft, Organisation) ausschlaggebend bzw. konkurrieren diese miteinander? Religiöse Gemeinschaften sind ja nicht nur gesellschaftliche Teilsysteme, sondern auch Organisation mit einer starken Tendenz zu Macht und Autonomie – bzw. zur strikten Exklusion: »Protestanten und Katholiken waren sich in der gemeinsamen Überzeugung einig, dass es weder Platz für mehrere Religionen innerhalb desselben politischen Raumes gibt noch für mehrere christliche Konfessionen innerhalb desselben religiösen Raumes«. Diese von Paul Ricœur51 vorgenommene Zuspitzung in Bezug auf die frühere Existenz der EINEN Gesellschaft bedeutete eben die Vollinklusion ohne Wahlmöglichkeit für das Individuum auch hinsichtlich der religiösen Orientierung. Erst die Veränderungen, d. h. die Existenz eines Rechtsstaates und die damit einhergehende prinzipielle Trennung von Kirche und Staat verbunden mit der Ablösung des Prinzips von Salbung (des Staates durch die Kirche) und Sanktion (Schutz der Kirche durch den Staat zur Vermeidung von Schisma und Häresie) sowie die allgemeine Pluralisierung mussten auch in den Kir48 Rudolf Stichweh, Leitgesichtspunkte, S. 39. 49 Ebd., S. 43. 50 Vgl. Uwe Becker, Die Inklusionslüge, S. 15 f. 51 Paul Ricœur, Toleranz, Intoleranz und das Nicht-Tolerierbare, in: Rainer Forst (Hg.), Toleranz. Philosophische Grundlagen und gesellschaftliche Praxis einer umstrittenen Tugend, Frankfurt a. M. 2000, S. 26–44.
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Soziologische Ansätze zu Exklusion und Inklusion
chen Veränderungen bewirken, die hinsichtlich des Toleranzprinzips und der Zustimmung zur Pluralität für die Kirchen (nicht für die am Evangelium orientierte Theologie!) einen weiten Weg bedeuteten, der bis heute nicht bis zum Ende gegangen ist. Insbesondere bei den großen Kirchen und ihrem Körperschaftsstatus und dem damit verbundenen eigenen Rechtssystem lässt sich dies sehr gut darstellen. Dabei können der Anspruch (theologische Lehre, ursprünglicher Gemeinschaftsgedanke) und die Wirklichkeit (moderne Organisationsformen, Institutionenüberschuss) voneinander unterschieden und miteinander verglichen werden. Zur näheren Betrachtung und Untersuchung der Relevanz des Prinzips schlägt Stichweh vor, sich neben einer grundsätzlichen Klärung auf dem Feld der soziologischen Differenzierungstheorie in den Referenzkontexten einer »Soziologie des Fremden« und der »Armutsforschung« zu bewegen. Hierzu kann auch die Theologie in einem ihr ureigenen thematischen Feld wesentliche Beiträge liefern. Das begriffliche Instrumentarium von »Inklusion« und »Exklusion« ist fundamental. Die Leitidee der Inklusion überwindet die soziologische Deskription als ethische Forderung. Die Debatte um die Behindertenrechtskonvention hat einen wesentlichen Beitrag dazu geliefert, dass sich die Idee der Inklusion zu einer »Vision auf eine Bürgergesellschaft für Alle« weiterentwickelt.52 So kann auch die UN-Behindertenrechtskonvention als ein Meilenstein auf der Weiterentwicklung der globalen Menschenrechtspraxis verstanden werden.53 Das hängt vor allem damit zusammen, dass hier die Erfahrungsperspektive der Betroffenen eine zentrale Rolle spielt. Nur ein »menschenrechtlicher Universalismus«54 hilft hier weiter: die Konvention reformuliert die allgemeinen Menschenrechte mit dem Fokus auf Menschen mit Behinderung.55 4.
Inklusion und Gerechtigkeit
Theologisch ist hier nicht nur von der Option für Marginalisierte (Option für die Armen), sondern von der Option der Marginalisierten (Option der Armen) zu sprechen. Dies ist mit Bezug auf die »Inklusionslinie« der bibli52 Georg Theunissen, Von der »Asylierung« zur »Inklusion«, in: Johannes Eurich / Andreas Lob-Hüdepohl, Inklusive Kirche, S. 59. 53 Heiner Bielefeld, Inklusion als Menschenrechtsprinzip: Perspektiven der UN-Behindertenrechtskonvention, in: Johannes Eurich / Andreas Lob-Hüdepohl, Inklusive Kirche, S. 64 f. Besonders die Herausforderung, zentrale Menschenrechtsbegriffe wie Autonomie, Diskriminierungsfreiheit und Partizipation neu zu definieren, hat synergetischen Charakter. 54 Heiner Bielefeld, Inklusion als Menschenrechtsprinzip, S. 67. 55 So auch Simone Bell-D’Avis, Den Anschluss nicht verpassen. Barrierefreiheit als Beitrag der Kirche zur Anschlussfähigkeit an die Lebenswelt behinderter Menschen, in: Johannes Eurich / Andreas Lob-Hüdepohl, Inklusive Kirche, S. 238–245, S. 240.
Inklusion und Gerechtigkeit
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schen Schriften des 1. und 2. Testaments, unmissverständlich begründbar.56 Und es ist kein Zufall, dass in einer der zentralen Ethiken des 1. Testaments, in Levitikus 19, die Exklusions- bzw. Diskriminierungsverbote von Gehörlosen und Blinden (»Du sollst dem Tauben nicht fluchen und sollst vor den Blinden kein Hindernis legen, denn du sollst dich vor deinem Gott fürchten, ich bin der Herr – Lev 19, 14) neben denen stehen, die die Armen (Lev 19, 10.13: »Auch sollst du in deinem Weinberg nicht Nachlese halten noch die abgefallenen Beeren auflesen, sondern dem Armen und Fremdling sollst du es lassen; ich bin der HERR, euer Gott. … Du sollst deinen Nächsten nicht bedrücken noch berauben. Es soll des Tagelöhners Lohn nicht bei dir bleiben bis zum Morgen.«), Alten (Lev 19, 32: »Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren und sollst dich fürchten vor deinem Gott; ich bin der HERR.«) und Fremden (Lev 19, 33 f. Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott.«) betreffen.57 Als Ankerpunkt findet sich zwischen den Versen einer der Referenzpunkte für die mit gleicher Referenz begründete christliche Ethik: Lev 19, 18b: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der Herr!« In der biblisch begründeten Theologie ist nicht nur der Grundgedanke einer Eröffnung umfassender Teilhabemöglichkeiten für alle im Sinne von Inklusion verankert, sondern auch die Notwendigkeit zu einer ständigen Reflexion des aktuell erreichten Zustandes. Ist das jeweilige Menschenbild der »Option für das Leben« noch angemessen? Droht bei aktuellen Inklusions bemühungen die Exklusion anderer Benachteiligter? Wie steht es um die ethischen Kriterien der Handlungsbeteiligten?58 Als wesentliche Kategorie einer auch theologisch begründeten Ethik der Inklusion ist die Menschenwürde – und zwar als absoluter Wert, bei dem das Menschsein ausreicht – unabhängig von allen anderen Kriterien des Zustands des menschlichen Lebens.59 Dies ist zugleich der Ansatzpunkt einer Wahrnehmung des Menschseins in absolut heterogener Situation (diversity). Hier sind Gesellschaft und Staat auf die in und durch Religion entwickelte Ethik angewiesen, da dort die Voraussetzungen formuliert werden, von der die Ge56 Vgl. Manfred Oeming, »Auge wurde ich dem Blinden, und Fuß dem Lahmen war ich!« (Hi 29,15). Zum theologischen Umgang mit Behinderung im Alten Testament, in: Johannes Eurich / Andreas Lob-Hüdepohl, Inklusive Kirche, S. 81–100. 57 Vgl. zur Entwicklung der Ethik im 1. Testament: Rainer Kessler, A Strange Land. Alttestamentliche Ethik beiderseits von Ärmelkanal und Atlantik, in: THLZ 134, 2011, S. 243–250. 58 Vgl. Dietmar Mieth, Kleine Ethikschule, Freiburg i.B. 2004; Ders., Der behinderte Mensch aus theologisch-ethischer Sicht, in: Johannes Eurich / Andreas Lob-Hüdepohl, Inklusive Kirche, S. 113–130, S. 118 f. 59 Dietmar Mieth, Der behinderte Mensch, S. 119.
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sellschaft lebt, die diese Voraussetzungen nicht selbst geschaffen hat.60 Die moderne differenzierte Gesellschaft ist das Ergebnis einer Entwicklung der abendländischen Geschichte über 2000 Jahre und trägt das Erbe einer christlich-jüdischen Ethik in sich. Selbstverständlich unterliegen Religionsgemeinschaften dem Inklusions-/ Exklusionsschema genauso wie andere gesellschaftliche Funktionssysteme. Insbesondere ihre starke Tendenz zur Organisation bereitet den christlichen Kirchen Probleme, den Exklusionsschemata zu entkommen und sich der eigenen, unverfügbaren Voraussetzungen stets bewusst zu sein. So steht die zum Teil vehement vollzogene Abgrenzung gegenüber jeweils anderen Konfessionen und Religionen bzw. Weltanschauungen dem ursprünglichen Dialog- und Konvivenzanspruch im Zusammenleben mit Fremden, d. h. auch fremden Religionen und Kulturen, entgegen. Die amerikanische Verfassung begründet im Ersten Verfassungszusatz die Religionsfreiheit entsprechend auch nicht mit »Toleranz«, sondern mit »Respekt«, was zum einen die Gleichheit der Staatsbürger und zum anderen die Aufforderung zur gegenseitigen Kenntnisnahme befördert.61 Nicht Homogenität, sondern heterogene Vielfalt bildet die Basis für eine Gesellschaft, in der dann die größtmögliche Freiheit (zur Teilhabe) für jede Person gewährleistet ist.
60 Es ist hier an das Diktum von Ernst-Wolfgang Böckenförde zu erinnern: »Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt, mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren versuchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitäts anspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.« Ernst-Wolfgang Böckenförde: Staat, Gesellschaft, Freiheit, Frankfurt 1976, S. 60. Böckenförde hat 2010 dieses Diktum präzisiert: »Vom Staat her gedacht, braucht die freiheitliche Ordnung ein verbindendes Ethos, eine Art »Gemeinsinn« bei denen, die in diesem Staat leben. Die Frage ist dann: Woraus speist sich dieses Ethos, das vom Staat weder erzwungen noch hoheitlich durchgesetzt werden kann? Man kann sagen: zunächst von der gelebten Kultur. Aber was sind die Faktoren und Elemente dieser Kultur? Da sind wir dann in der Tat bei Quellen wie Christentum, Aufklärung und Humanismus. Aber nicht automatisch bei jeder Religion.« Ernst Wolfgang Böckenförde, »Freiheit ist ansteckend«, Frankfurter Rundschau, 2. November 2010, S. 32 f. 61 Die Ausführungen in Lev. 19 oder auch die Geschichte des Barmherzigen Samariters (Lk 10, 25–37) zeigen eindrucksvoll eine Kompromisslosigkeit im Blick auf die Begegnung mit Fremden und ihrer Religion bzw. Kultur auf. Der »fremde« Samaritaner wird zum Vorbild in ethischen Fragen. Vgl. dazu auch die Studien von Martha Nussbaum: The Clash Within: Democracy, Religious Violence, and India’s Future. Paperback Auflage. Belknap Press, Harvard University Press, Cambridge 2009 (Hardcover-Erstauflage: 2007) und: Dies., Liberty of Conscience. In Defense of America’s Tradition of Religious Equality. Basic Books, New York 2008. Leider fällt die Analyse der europäischen Situation etwas dürftig aus.
Inklusion und Gerechtigkeit
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Ein »induktives« Verständnis, das sich pro-solidarisch62 auf die Seite von Marginalisierten bewegt, ist eine gute Möglichkeit, umfassende Inklusion wirksam werden zu lassen: als eine Methode im Sinne einer »Option für das Leben / Option der Marginalisierten«. So folgt man einer Konzeption, bei der Personen als soziale Wesen, deren Würde allein in ihrem Menschsein begründet sind und nicht funktional legitimiert werden müssen.63 Sowohl bei der Frage der Toleranz in Bezug auf (nicht nur religiöse) Plura lität als auch hinsichtlich der Frage von Inklusion im Sinne von Chancengleichheit bzw. Teilhabemöglichkeit eignen sich die Prinzipien von Gerechtigkeit als Teilhabe, wie sie John Rawls schon Anfang der 70er Jahre entwickelt hat. Seine Theorie basiert auf zwei Grundthesen: »1. Jede Person hat den gleichen unabdingbaren Anspruch auf ein völlig adäquates System gleicher Grundfreiheiten, das mit demselben System von Freiheiten für alle vereinbar ist.« Und 2. »Soziale und ökonomische Ungleichheiten müssen zwei Bedingungen erfüllen: erstens müssen sie mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die unter Bedingungen fairer Chancengleichheit allen offenstehen; und zweitens müssen sie den am wenigsten begünstigten Angehörigen der Gesellschaft den größten Vorteil bringen (Differenzprinzip).«64 Das bedeutet, dass Menschen mit gleichen Fähigkeiten auch gleiche Chancen haben und die Nachteile der Schwächeren im Blick bleiben müssen, dass es aber letztendlich auch ein Gefälle bei den Teilhabemöglichkeiten gibt. Martha Nussbaum hat die Theorie von Rawls dahingehend kritisiert, dass in seiner experimentellen Anordnung einer »Ursituation«, in der sich die beteiligten Personen auf einen Gesellschaftsvertrag einigen und damit Gerechtigkeit herstellen, die potentiell unterschiedlichen Voraussetzungen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Wenn die Personen etwa wissen, dass sie keine Behinderungen haben, werden die Interessen dieser Marginalisierten auch nicht berücksichtigt – sie werden von vornherein exkludiert, denn Wohlwollen oder Empathie sind nicht vorgesehen. Auch Fremde jenseits nationaler Grenzen werden so ausgeschlossen. Nussbaum postuliert einen Kanon von »Fähigkeiten«, die den Charakter von Menschenrechts-Ansprüchen im Sinne von Menschenwürde und damit den Vorrang vor Rechts- und Grundgütern haben (Animalität / Bedürftigkeit, Rationalität und Sozialität), wie sie bei Rawls im Vordergrund bei der Schließung der Gesellschaftsverträge stehen, sie geht aus von der Konstruktion der Person als einem sozialen Wesen.65 62 In der gesellschaftlichen Dynamik, die sich auf den Kampf um Anerkennung und auf die Verringerung der Ungerechtigkeit bezieht, werden Con-Solidaritäten mit Pro-Solidaritäten verbunden. Theologisch gesehen stellt die christliche Geschwisterlichkeit eine Con-Solidarität dar, die sich nicht auf sich selbst allein bezieht und daher stets als Pro-Solidarität wirksam werden muss.« Dietmar Mieth, Der behinderte Mensch, S. 121. 63 So argumentiert auch Martha C. Nussbaum, Die Grenzen der Gerechtigkeit. Behinderung, Nationalität und Spezieszugehörigkeit, Berlin 2010. 64 John Rawls, Gerechtigkeit als Fairness. Ein Neuentwurf, Frankfurt a. M. 2003, S. 78. 65 Vgl. dazu auch Dietmar Mieth, Der behinderte Mensch, S. 121 ff. Die Kritik richtet sich auch gegen die Kantsche Ethik, die zwar eine reziproke Verpflichtung unter gleich Befähigten
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Soziologische Ansätze zu Exklusion und Inklusion
Die Sozialität bedeutet – und darin sind sich die Theoretiker weitgehend einig – dass sich die an der Kommunikation Beteiligten zu Anerkennung, Differenz und Gleichwertigkeit immer nur spontan und konkret verhalten können. Vielleicht lässt sich eine solche Situation vergleichen mit einem spontan zusammengekommenen Orchester samt Publikum mit verschiedenen aktiven und passiven Rollen, die zu spielen sind. Andere Beispiele aus dem Zusammenhang des Sports sind der gemeinsame Wettkampf verschieden begabter bzw. gehandicapter Sportler mit angepassten Regeln oder die aufeinander bezogene Kommunikation zwischen hörenden und gehörlosen Spielern in einem Fußballspiel. 5.
Die Funktion des Sports
Es ist heute unstrittig, dass der Sport nach soziologischem Verständnis ein eigenes gesellschaftliches Teilsystem ist.66 Auch im Blick auf die Soziologie des Körpers gibt es entsprechende Ansätze.67 Im Vergleich zu anderen Teilsystemen der Gesellschaft kann der Bereich des Sports insofern als »Sonderfall« bezeichnet werden, als er im Gegensatz zu Teilsystemen wie Wirtschaft, Politik oder Religion keine exklusive Funktion hat, aber dafür eine spezifische Flexibilität und Anschlussfähigkeit.68 Bernd Schulze konstatiert, dass Sport einerseits als selbständiges Teilsystem gesehen werden kann, andererseits in der Forschung explizit der Hochleistungssport als System identifiziert wird: »Dabei schließen sich die Perspektiven der Vertreter der Teilsystemthese und der Hochleistungssportthese keineswegs aus.«69 Nach Klaus Cachay und Ansgar Thiel zeigt sich der Sport als ein komplexes und facettenreiches Teilsystem der modernen Gesellschaft.70 Der Sport hat im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung einen Prozess durchlaufen, wie die gesamte Gesellschaft und auch die Religion. Heute haben
vorsieht. Die Unterscheidung des Menschen in Natur- und Vernunftwesen und das damit verbundene Privileg des geistigen Potentials jedoch negiert faktisch die legitimen Ansprüche von Menschen mit (geistigen) Behinderungen. 66 Karl-Heinrich Bette, Systemtheorie und Sport, Frankfurt 1999; Ders., Sportsoziologie, Bielefeld 2000; Bernd Schulze, Sportarten als soziale Systeme. Ansätze einer Systemtheorie der Sportarten am Beispiel des Fußballs, Münster 2005. 67 Vgl. u. a. Karl-Heinrich Bette, Körperspuren. Zur Semantik und Paradoxie moderner Körperlichkeit, Berlin 1989; Robert Gugutzer, Soziologie des Körpers, Bielefeld 2004. Gugutzer verortet Norbert Elias beim Begriff des »zivilisierten Körper(s)« (S. 50), Michel Foucault beim »disziplinierten Körper« (S. 59) und »diskursiven Körper« (S. 74) und Lindemann beim Verständnis des »spürbaren Körper(s)« (S. 104). 68 Vgl. Karl-Heinrich Bette, Körperspuren, S. 170. 69 Bernd Schulze, Sportarten, S. 23. 70 Klaus Cachay / Ansgar Thiel, Soziologie des Sports. Zur Ausdifferenzierung und Entwicklungsdynamik des Sports der modernen Gesellschaft, Weinheim / München 2000.
Die Funktion des Sports
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wir es also mit einem modernen und ausdifferenzierten Sportsystem zu tun.71 Wie auch in anderen gesellschaftlichen Funktionsbereichen wächst die Komplexität – und zugleich die gesellschaftliche Bedeutung des Sports. Als gesellschaftliches Teilsystem verfügt der Sport wie die Religion über eine einzigartige Handlungslogik, die sich in Strukturen, Programmen, Wertesystemen und spezifischen Codes ausdrückt.72 Das Ethos des modernen Sports ist im Vergleich der Leistungen (Leisten und Nichtleisten) zu erkennen, da viele Handlungsvollzüge im Sport mit einem binären Code von Sieg und Niederlage nicht erfassbar sind.73 Die Motivation zum Sport ist sehr unterschiedlich.74 Die Beeinflussung des Leistungsprinzips durch Manipulation (Kartelle, Doping, Bestechung etc.) zerstören die Integrität des Sports. Wenn die Vergleichbarkeit gestört ist, muss durch die Einführung von Leistungsgruppen (nach Geschlecht, Alter, Handicap, Gewicht etc.) eine formale Gleichheit hergestellt werden. Der Sport ist ein geschlossenes System, in dem über alle Strukturfragen und Prozesse ausschließlich intern entschieden und die Beziehungen zu anderen Teilsystemen frei bestimmt wird. Es kommt vor, dass eine Intervention gewünscht ist und Politik, Wissenschaft, Medien oder die Wirtschaft in den Bereich des Sports eintreten. Das ist dann der Fall, wenn eine Gleichzeitigkeit der Interessen besteht (Sponsoring und Werbung, staatliche Förderung und Hebung des staatlichen Ansehens durch Erfolge im Leistungssport). Das System des Sports ist also von Schließung und Öffnung zugleich geprägt. Als formale Organisation führt auch der Sport ein doppeltes Dasein als Struktur und als Akteur und besitzt damit »korporative Handlungsfähigkeit nach innen wie nach außen, gegenüber den Mitgliedern wie gegenüber anderen Organisationen, sozialen Bewegungen oder Individuen der Umwelt. Auf der anderen Seite stellen Organisationen Sozialsysteme dar, die auf ihre Mitglieder handlungsprägend wirken.«75 Daraus folgt, dass der Sportverein als formale Organisation die Grundlage für die Inklusion von Mitgliedern der
71 Rudolf Stichweh, Sport – Ausdifferenzierung, Funktion, Code, in: Sportwissenschaft, 20/4, 1990, S. 373–383 (Sonderdruck). 72 Vgl. auch zum Folgenden: Timo Schädler, Inklusion im Sport – ein differenzierungstheoretischer Ansatz, in: Zeitschrift für Gesundheit und Sport, Heft 2/2012, S. 34–43, Online verfügbar unter: http://ojs.my-campus-berlin.com/index.php/ZPMG/article/down load/108/87. 73 Karl-Heinz Bette, Sportsoziologie, Bielefeld 2010. Mit dem binären Code von Sieg und Niederlage werden nach dieser Theorie immer wieder neu Situationen kreiert, bei denen Menschen in ein Verhältnis der Konkurrenz treten, welches zu einem System der Leistungsdifferenzierung führt. Dies kann zur Exklusion der Verlierer führen und steht damit im Gegensatz zu den Leitbildern von Fairness und Gerechtigkeit im Sport. 74 Rudolf Stichweh, Sport, a. a. O. 75 Timo Schädler im Anschluss an Uwe Schimank, Differenzierung und Integration der modernen Gesellschaft. Wiesbaden 2005, S. 221, Inklusion, a. a. O., S. 37.
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Soziologische Ansätze zu Exklusion und Inklusion
Gesellschaft ist – vergleichbar mit einer Kirchengemeinde.76 In beiden Fällen wird für ein spezifisches Interesse geworben bzw. ein Angebot gemacht. Politik und Verbände halten insbesondere den Sportverein für ein vorbildliches Medium zur Inklusion. Sport besteht als soziales System vor allem aus Kommunikation körperlicher Leistungen77 – und ist zugleich ein »Mikrokosmos der Gesellschaft«78. Das Besondere des Sports besteht darin, dass er es ermöglicht, Körpererfahrungen zu sammeln und eine Kommunikation mit dem eigenen Körper und dem eigenen Geist anbietet: »Die Sporterfahrung wirkt dem gesellschaftlichen Bedeutungsverlust der Fortbewegungsgliedmaßen entgegen.«79 Jeder kann an solchen Kommunikationsangeboten teilnehmen und ist damit inkludiert. Die Teilhabe steht im Prinzip jedem Individuum offen – sie kann allerdings erschwert oder auch verhindert werden. So ist die Zahlung hoher Mitgliedsbeiträge ebenso ein Hindernis wie Barrieren für Migranten, das Tragen von Prothesen80 oder eine unklare Geschlechtsidentität81. Andererseits gibt es die Möglichkeit, dass Mitglieder der Gesellschaft sich selbst aus der Kommunikation ausschließen und Präfenzen an anderer Stelle setzen und damit mit voller Absicht Inklusion ablehnen. Dieser Fall ist selbstverständlich legitim. Inklusion und Exklusion, so wird an dieser Stelle deutlich, hängen miteinander zusammen, einer Inklusion kann eine Exklusion folgen und umgekehrt, wenn etwa eine Sportart präferiert wird – oder aber die Hürden zu hoch sind und nach einer Alternative gesucht wird.82 Es ist zu fragen, inwieweit der Sport bereit ist, sich auch auf Interventionen aus dem Bereich der Religion einzulassen – oder auch umgekehrt. Inkludierende wie exkludierende Faktoren finden sich im Sport bzw. in den Sportvereinen wie auch in der Kirche bzw. in den Kirchengemeinden. Dabei fällt das Individuum aus kommunikativen Prozessen heraus, was den Verlust von materiellen Ressourcen nach sich zieht – oder wird ein Teil der Gemeinschaft, die automatisch andere exkludiert.83 76 In der Systemtheorie werden unterschiedliche Funktionsbereiche als Systeme auf vergleichbarer Ebene beschrieben, ihre Grenzen sind Sinngrenzen, die unterschiedlich stabil sind. Im Sportverein wie in einer Kirchengemeinde ist hohe Stabilität erkennbar. Vgl. dazu ebd., S. 38. 77 Rudolf Stichweh, Sport, a. a. O., S. 380. 78 Otmer Weiß, Einführung in die Sportsoziologie. Wien 1999, S. 12 ff. 79 Timo Schädler, Inklusion im Sport, S. 39. 80 Der Internationale Leichtathletik-Verband hat beschlossen, das ein Träger von Prothesen künftig nachweisen muss, dass sie dadurch keinen Vorteil haben. Vgl. Thomas Hahn, Inklusion. Prinzip der Vorverurteilung, in: SZ, 26. August 2015, S. 23. 81 So das Beispiel der südafrikanischen Sprinterin Caster Semenya. Vgl. den Artikel »Grenzwertig. An Caster Semenya entzündete sich vor sechs Jahren eine Geschlechter-Debatte – gelöst ist diese immer noch nicht«, in: SZ, 27. August 2015, S. 25. 82 Timo Schädler, Inklusion im Sport, S. 41, macht darauf aufmerksam, dass die Mitgliedschaft in zwei Vereinen derselben Sportart unüblich ist. 83 Rudolf Stichweh / Hans-Jürgen Schädler, Differenzierung und Inklusion in der Weltgesellschaft. Opladen 1999.
Die Funktion des Sports
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Wann und wie sind Grenzübergänge möglich? Gibt es vor dem Hintergrund von spezifischen Wertesystemen innerhalb dieses Funktionsbereiches ein Interesse z. B. an einem Austausch zu diesen Fragen? Die organisatorischen Parallelen zwischen Sportverein und Kirchengemeinde bzw. Landessportbünden und Landeskirchen liegen auf der Hand: beide Bereiche sind gekennzeichnet durch Autarkie mit spezifischen, unverwechselbaren Strukturen, Programmen und Wertesystemen. Historisch gibt es Schnittmengen hinsichtlich der kultischen Ausrichtung von Bewegungs- und Sportpraktiken, die bis in die Gegenwart nachwirken. Insofern könnte ein Interesse an einem Austausch über Fragen der Institution, der Organisation, der Werte etc. für beide Seiten von Interesse sein.84 Im nun folgenden Kapitel werden die theologischen Ansätze zur Inklusion vorgestellt, die eine Grundlage für den Grenzübergang zwischen Sport und Öffentlicher Theologie bzw. Kirche bilden können.
84 Vgl. etwa die Arbeit von Dagmar Dahl, Zum Verständnis von Körper, Bewegung und Sport in Christentum, Islam und Buddhismus. Impulse zum interreligiösen Ethikdiskurs zum Spitzensport, Berlin 2009.
V. Sportwissenschaftliche Überlegungen zum Themenfeld »Inklusion«
1.
Von der »Integration« zur »Inklusion«
Im Bereich der Sportwissenschaften in Deutschland (West) wurde das Themenfeld zunächst unter dem Aspekt der auf Menschen mit Behinderungen bezogenen »Integration« behandelt und bezog sich zunächst vor allem auf den allgemeinen Diskurs im politischen Raum. Zugleich entwickelte sich im Bereich der Erziehungswissenschaften die Spezialdisziplin der »Integrationspäda gogik«.1 Vier Phasen können ausgemacht werden2: Bis 1970 wurde die Frage der Integration fast ausschließlich für die Gruppe der Menschen mit Behinderungen gestellt, während die Integration von Zuwanderern fast gar nicht behandelt wurde, erst in den 70er und verstärkt in den 80er Jahren rückte die Frage der Teilnahme am organisierten Sport auch für diese Kategoriein den Fokus, wobei die Perspektive des Defizits die zentrale war. Mitte der 70er Jahre wurden integrative Ansätze erstmals diskutiert, Ziel war es, Angebote für gemeinsamen Sport von Menschen mit und ohne Behinderung zu ermöglichen, um die bis dahin prägende Segregationskultur zu überwinden. Zur gleichen Zeit wurden für den Bildungsbereich erste Projekte integrativer Schulbildung initiiert und wissenschaftlich begleitet.3 Diese Phase reicht bis in die 90er Jahre und darüber hinaus, die Phasen von Segre-
1 Vgl. dazu: Hans Eberwein / Sabine Knauer, Handbuch Integrationspädagogik. Kinder mit und ohne Beeinträchtigung lernen gemeinsam (7., durchges. und neu ausgestattete Auflage), Weinheim / Basel 2009. 2 Vgl. auch zum folgenden: Klaus Seibert, Fremdheit im Sport. Ein theoretischer Entwurf. Erscheinungsformen, Erklärungsmodelle und pädagogische Implikationen. (Dissertation, Eberhard-Karls-Universität) Tübingen 2010; Christa Kleindienst-Cachay / Klaus Cachay / Steffen Bahlke, Inklusion und Integration. Eine empirische Studie zur Integration von Migrantinnen und Migranten im organisierten Sport, Schorndorf 2012. 3 Gudrun Doll-Tepper, Inklusiver Sport – Wege zu einer langfristigen Sicherung von Teilhabechancen, in: Florian Kiuppis / Stefan Kurzke-Maasmeier (Hg.), Sport im Spiegel der UN-Behindertenrechtskonvention, Stuttgart 2012, S. 80–90; Fred Ziebarth, Gelingens bedingungen für eine inklusive Pädagogik. Sonderpädagogik in Berlin 2010, 2, S. 5–10; Sabine Radtke / Heike Tiemann, Umgang mit Vielfalt unter besonderer Berücksichtigung der Kategorie Behinderung, in: Petra Gieß-Stüber / Ulrike Burrmann / Sabine Radtke / Bettina Rulofs / Heike Tiemann, Expertise »Diversität, Inklusion, Integration und Interkulturalität«. Leitbegriffe der Politik, sportwissenschaftliche Diskurse und Empfehlung für den DOSB und die dsj, Frankfurt a. M. 2014, S. 15, berichtet von verschiedenen integrativen Ansätzen und Praxismodellen.
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gation und Integration sind nicht in einer zeitlichen Abfolge, sondern als parallele Entwicklungen zu betrachten und bis heute wirksam. In den 90er Jahren kreisten die Integrations-Debatten in Bezug auf die Menschen mit Migrationsgeschichte um Themen wie Fremdheit, Migration, Integration und kulturelle Differenz. Diese Forschungsansätze wurden auch über das Jahr 2000 hinaus weiter fortgeschrieben. Es geht nun vor allem um Einzelfragen und empirische Befunde, wobei die zentrale Frage die der defizitären Teilnahme und dabei besonders der Aspekt der Selbst- und Fremdexklusion ist. So wird nach Hindernissen bzw. Barrieren gesucht, die den Migrantengruppen den Zugang im Sport verwehren: »Entsprechend folgt einer Phase thematischer Ignoranz die Vorherrschaft von Assimilationsvorstellungen, was wiederum eine Phase der Betonung kultureller Differenz nach sich zieht, während man sich in den letzten Jahren eher um eine weitgehende ›Neutralisierung‹ der Konzepte bemüht, um möglichst viele Einzelheiten über die ›Besonderheiten‹ der Teilhabe der Migrantenbevölkerung am organisierten deutschen Sport in Erfahrung zu bringen.«4 Man bedient sich weitgehend des Theoriearsenals der Sozialwissenschaften. Sport wird als etwas Universelles verstanden, als etwas also, das für Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte wünschenswert ist. Zudem formuliert der organisierte Sport beständig die zur Kritik herausfordernde Vorstellung von der selbstverständlich »integrativen Kraft des Sports« für Menschen mit Behinderung und Menschen mit Migrationshintergrund.5 Die Begriffe »Partizipation« und »Integration« werden im Kontext der sportwissenschaftlichen Untersuchungen im Feld von Sport, Migration und Integration weitgehend gleichgesetzt. Das hat etwas damit zu tun, dass schon die Feststellung unterschiedlicher Partizipation (also etwa Migranten im Vergleich zum Durchschnitt) als Zeichen von Desintegration gedeutet werden. Wird Partizipation im Sport grundsätzlich positiv gewertet (Persönlichkeitsentwicklung, Interaktion, Organisation), so wird »sportliche Aktivität als integrationsdienliches Lernfeld betrachtet, dessen besondere Eignung zur Integration der Migrantenbevölkerung aus seinen genuinen und zugleich universell gedachten Möglichkeiten persönlicher Bedürfnisbefriedigung und Sinnstiftung erwächst.«6 Der Sportverein, so zeigen verschiedene Untersuchungen, hat eine hervorgehobene Bedeutung für die Integration in der modernen Gesellschaft als ein Assoziationswesen, das freiwillig aufgesucht wird und zwi4 Sabine Radtke / Heike Tiemann, Umgang mit Vielfalt, S. 32. 5 Ebd. Insbesondere der Deutsche Sportbund hat diese Position seit den 80er Jahren vehement vertreten. Im und durch Sport würden Fremdheitsgefühle neutralisiert und abgebaut, Fremdheit im Sport sei eine Fiktion, das es nicht geben dürfe, so wird in dem Band von G. Stüwe und F. Peters (Hg.), »Lebenszusammenhänge von Ausländern und pädagogische Problematik. Zur Kritik traditioneller Lernorte und Beispiele aktivierender Sozialarbeit, Bielefeld 1984«, argumentiert. Vgl. dazu auch: B. Bröskamp / T. Alkemeyer, Integration, a. a. O., S. 266. 6 Sabine Radtke / Heike Tiemann, Umgang mit Vielfalt, S. 49.
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Sportwissenschaftliche Überlegungen zum Themenfeld »Inklusion«
schen Privatheit, Staat und Markt anzusiedeln ist.7 Dass kulturelle Kontakte und die Begegnung von einander Fremden im Sport allerdings auch häufig von Missverständnissen gekennzeichnet sind, ist auch in der Sportwissenschaft lange nicht deutlich genug gesehen worden. Später sind dann aber Vorgänge der Integration als komplexe Ereignisse beschrieben worden: »Sportkontakte führen nicht von selbst zu freundlichen Intergruppenbeziehungen.«8 Vielmehr sind begleitende, zumindest integrative Anstrengungen notwendig. Insgesamt ist festzuhalten, dass das Interesse am Thema der Integration von Menschen mit Behinderungen seit Mitte der 70er Jahre moderat gewachsen ist. Der Aspekt der Integration von Menschen mit Migrationsgeschichte ist auf längere Sicht in der Forschung seit den 80er Jahren nur ein Randthema der Sportwissenschaften gewesen und man hat sich dabei auf spezifische Fragestellungen konzentriert.9 Das Thema der Integration von Menschen mit anderen exkludierenden Faktoren (Geschlecht, Alter, Ethnie, Religion und sexuelle Orientierung etc.) gerät erst spät ins Blickfeld. Der Integrationsbegriff wird nicht einheitlich verwendet, es herrscht ein Mangel an theoretischen Analysen, organisatorische Aspekte werden nur selten und allenfalls deskriptiv erfasst, während individuelle Aspekte in Bezug auf Menschen mit Behinderungen oder Migrationsgeschichte sehr stark fokussiert werden.10 Der Inklusionsbegriff hat für den Diskurs im Bereich des Sports seinen Ursprung erst Anfang der 90er Jahre im Zusammenhang der UNESCO-Weltkonferenz in Salamanca 1994 mit dem Titel »World Conference on special needs education: Access and Quality«. Dabei wurde in der sog. SalamancaErklärung folgendes Leitprinzip erhoben, das in der Folge auch für die sportwissenschaftliche Forschung relevant geworden ist: »Regular schools with this inclusive orientation are the most effective means of combating discriminatory attitudes, creating welcoming communities, building an inclusive society and achieving education for all.«11 Das Defizit in dieser Frage wird seitdem da aufgeholt, wo die Inklusionsdebatte mit ihren Fragen nach der Integration, der Inklusion, der Diversität und der Interkulturalität die Sportwissenschaften erreicht. Die durch die UN-BRK angestoßenen Diskurse haben insofern einen deutlichen Schub nicht nur für die Sportwissenschaften gebracht. Während die Salamanca-Erklärung von der Wirkung einer veränderten Bildungslandschaft auf die gesamte Gesellschaft spricht, geht die UN-BRK 7 Vgl. ebd., S. 57. »Assoziationswesen« ist ein mit dem »Gemeinwesen« verwandter Begriff. 8 Vgl. B. Bröskamp / T. Alkemeyer, Integration, a. a. O., S. 266. 9 Ebd., S. 62 f. Dazu zählen quantitative Untersuchungen zu Fragen nach beschreibender Information zur Partizipation oder qualitative Studien zu besonders benachteiligten Gruppen wie die der muslimischen Frauen und Mädchen oder die Frage nach der Ethnisierung von Fußballwelten. 10 Ebd., S. 63. 11 Vgl. die Salamanca-Erklärung über Prinzipien, Politik und Praxis der Pädagogik für besondere Bedürfnisse, abrufbar unter: http://www.unesco.at/bildung/basisdokumente/ salamanca_erklaerung.pdf.
Das Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport (FIBS)
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weiter und stärkt die Menschen mit Behinderungen im Sinne eines Rechtes zu Wählen und zu Wünschen, geht aus von einer Welt der Vielfalt, schlägt einen weiten Bogen zu Diversität und Toleranz, bietet neue Ansätze, die letztlich für alle Menschen positive Auswirkungen haben werden. Von einem Paradigmenwechsel ist auch im Blick auf den »Sport« zu sprechen, da nun nicht mehr vom Individuum aus nach der Möglichkeit der Partizipation gefragt werden muss, sondern ein Veränderungsprozess auf institutioneller bzw. organisatorischer Ebene erfolgen soll – und zwar auf allen Ebenen (Breiten-, Schul-, Leistungs- und Spitzensport). Dies erfordert eine intensive sportwissenschaftliche Begleitung. 2.
Das Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport (FIBS)
Das am 28. November 2008 auf Initiative der Gold-Krämer-Stiftung gegründete und 2013 in eine gemeinnützige Gesellschaft umgewandelte Forschungsinstitut mit Sitz in Köln wird getragen von der Stiftung, der Deutschen Sporthochschule (DSHS) und dem NRW-Landesverband Lebenshilfe.12 Das Institut ist interdisziplinär tätig und hat zum Ziel, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu fördern. Dabei sollen u. a. die Ressourcen von Menschen mit Behinderungen gestärkt, das Inklusions-Potential von Sportarten analysiert, Inklusion wissenschaftlich und praxisrelevant begleitet und die Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien für die praktische Arbeit nutzbar gemacht werden.13 Das Institut folgt dabei den Leitmerkmalen ›Teilhabe‹ (entsprechend der Ratifizierung der UN-BRK im März 2009), ›Funktionale Gesundheit‹ (nachhaltige Stärkung komplexer funktionaler Gesundheit) und ›Alltagstransfer‹ (konkrete Handlungsempfehlungen).14 Durch Tagungen, Projekte, Forschungen und Veröffentlichungen werden die Ergebnisse öffentlich gemacht.15 Eine im Oktober 2012 veranstaltete Tagung mit dem Thema »Inklusion durch Sport – Forschung für Menschen mit Behinderungen« in Köln ist als Band 2 der vom Institut herausgegebenen Reihe »wissenschaftliche Schriftenreihe des Forschungsinstituts für Inklusion durch Bewegung und Sport« erschienen.16 Die Tagung wurde u. a. unterstützt vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW. Als Tagungs12 http://www.fi-bs.de/ueber-uns/ Es ist damit ein sog. An-Institut der DSHS. 13 http://www.fi-bs.de/ziel/. 14 http://www.fi-bs.de/ziel/leitmerkmal/. 15 http://www.fi-bs.de/weitere-publikationen/. Vgl. insbesondere das Lehrbuch: R. Schliermann, V. Anneken, T. Abel, T. Scheuer, I. Froböse, Sport von Menschen mit Behinderungen. Grundlagen, Zielgruppen. Anwendungsfelder, München 2014, und die Tagungsdokumentation: Volker Anneken (Hg)., Inklusion durch Sport. Forschung für Menschen mit Behinderungen, Köln 2013. 16 Volker Anneken (Hg.), Inklusion durch Sport. Forschungen für Menschen mit Behinderungen, Köln 2013.
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Sportwissenschaftliche Überlegungen zum Themenfeld »Inklusion«
partner waren beteiligt der DBS, der LSB NRW, der DRS, Special Olympics Deutschland, der Behindertensportverband NRW e. V. und der DGS. In seinem Forschungsüberblick stellt Gerd Hölter fest, »dass es zu dieser Thematik aus empirischer Sicht wenig ›Handfestes‹ gibt.«17 Insbesondere das Spektrum der Forschung sollte nach seiner Ansicht deutlich erweitert werden, da bisher Informationen zu verschiedenen Problemfeldern fehlten.18 Explizit nimmt Hölter Bezug auf den von Florian Kiuppis und Stefan Kurzke-Maasmeier 2012 herausgegebenen Sammelband, in dem interdisziplinär aus verschiedenen Perspektiven (wissenschaftlich: soziologisch, theologisch, gesellschaftlich) analysiert und ein Mangel in der Grundlagenforschung beklagt wird.19 Der Theologe Rainer Schmidt argumentiert in seinem Beitrag vor dem Hintergrund anthropologischer und theologischer Kategorien.20 Gudrun Wansing erläutert den weiten Bogen der Inklusions-Thematik auf Grundlage sozialphilosophischer Überlegungen, »denn es geht unter der Perspektive Inklusion nicht ausschließlich um die Lebenschancen einzelner Personen oder Personengruppen [wie beeinträchtigter Menschen], sondern Inklusion zielt als politischer Begriff auf grundlegende soziale Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, des Umgang[s] mit Verschiedenheit und der Chancengerechtigkeit, die prinzipiell jeden betreffen.«21 Auch Fragen der Armut und andere Kategorien seien relevant – die UN-BRK konkretisiere lediglich die universellen Menschenrechte. Die Klärung des jeweiligen Gesellschaftsbegriffs als Referenzrahmen sei ebenso notwendig wie die inhaltliche Bestimmung des Inklusionsbegriffs. Dem Funktionssystem Sport komme nicht nur Bedeutung für die Akteure, sondern auch für andere gesellschaftliche Systeme zu. Mit Bezug auf Armin Nassehi wird deutlich gemacht, dass der Inklusionsbegriff auf »Multiinklusion« abstellt, also teilsystemübergreifend und dynamisch ist. Da die Systeme den Zugang und die Teilhabe jeweils autonom regeln, ist auch der Bereich des Sports herausgefordert, ein grundsätzliches Umdenken – auch hinsichtlich der Definition von »Behinderung« bzw. Normalitätsvorstellungen in Gang zu bringen.22 Sabine Radtke erläutert in ihrem Beitrag die Bedeutung der UN-BRK für das System des Sports und konstatiert die Notwendigkeit zu einem radikalen Umdenken in den Bereichen des organisierten Sports.23 17 Gerd Hölter, Inklusion und Sport in der Forschung, in: Volker Anneken, Inklusion, a. a. O., S. 35–41, hier: S. 40. 18 Dazu gehört nach Ansicht von Hölter die Definition von Behinderung, da man sich in der Forschung auf nur wenige Formen konzentriere. 19 Florian Kiuppis / Stefan Kurzke-Maasmeier (Hg.), Sport, a. a. O. 20 Rainer Schmidt, Sport als Inklusionsmotor, in: Volker Anneken, Inklusion, a. a. O., S. 25–33. 21 Gudrun Wansing, Inklusion und Behinderung, in: Volker Anneken, Inklusion, a. a. O., S. 9–23, hier: S. 11. 22 Ebd., S. 13.22. Vgl. Armin Nassehi, Die Theorie funktionaler Differenzierung im Horizont ihrer Kritik, in: Zeitschrift für Soziologie 2, 2004, 98–118. 23 Sabine Radke, Zwischen Inklusion und Exklusion, in: Volker Anneken, Inklusion, a. a. O., S. 43–63. In ihrem Beitrag stellt sie vor allem die Ergebnisse eines Forschungs-
Sportwissenschaftliche Expertise im Auftrag des DOSB
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Der interdisziplinär angelegte Band spiegelt das breite Spektrum wider, in dem die Frage nach Inklusion im Zusammenhang des Sports zu diskutieren ist: neben Sportwissenschaftlern kommen auch Experten aus der Praxis und anderen wissenschaftlichen Feldern zu Wort, Aspekte des Menschenbildes werden ebenso angesprochen wie soziologische Fragen. 3.
Sportwissenschaftliche Expertise im Auftrag des DOSB
Im Oktober 2014 wurde eine im Auftrag von DOSB und dsj in Auftrag gegebene sportwissenschaftliche Studie veröffentlicht. Sie geht zurück auf ein vom dsj und dem Institut für Sportwissenschaften der Universität Freiburg veranstaltetes Expert / innen-Hearing »Integration und Inklusion im Sport – Begriffe, Konzepte, Effekte und Forschungsdesiderate«. Die fünf Autorinnen (Prof. Dr. Petra Gieß-Stüber, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Prof. Dr. Ulrike Burrmann, Technische Universität Dortmund, Dr. Sabine Radtke, Justus-Liebig-Universität Gießen, Dr. Bettina Rulofs, Deutsche Sporthochschule Köln, Prof. Dr. Heike Tiemann, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg) vertreten fünf sportwissenschaftliche Fakultäten.24 Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterstützte das Vorhaben. Diese Expertise ist breit angelegt und nimmt zunächst – unabhängig von der Relevanz für eine sportpolitische Verwendung – die verschiedenen Begriffe und Aspekte auf, die sich mit dem Themenfeld »Inklusion« verbinden: Diversität, Inklusion, Vielfalt, Integration und Interkulturalität. Schon in der Einleitung25 wird das Problem der im Diskurs um die Inklusion verwendeten Begriffe benannt: So werde der Begriff »Integration« so inflationär verwendet, dass der Bedeutungsgehalt vage bleibe. Das hänge damit zusammen, dass die Diskussion über die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Einbindung von Menschen mit Migrationsgeschichte im Vordergrund der Sportpolitik gestanden und weitere Aspekte von sozialer Ungleichheit aus dem Blick gerieten. Die Herausforderungen für die Entwicklung im Sport werden benannt als 1) Einbeziehung einer Vielfalt sozialer Gruppen (Stichworte: Integration, Inklusion) und 2) Umgang mit sozialer Vielfalt (Stichworte: Diversitätsmanagement, Interkulturalität). In vier Abschnitten wird das Themenfeld von den Autorinnen zunächst anhand der in diesem Zusammenhang relevanten Begriffe erarbeitet: projektes vor, das von 2010 bis 2013 zum Thema »Nachwuchsgewinnung und -förderung im Hochleistungssport der Menschen mit Behinderungen – ein internationaler Vergleich« durchgeführt wurde. 24 Petra Gieß-Stüber / Ulrike Burrmann / Sabine Radtke / Bettina Rulofs / Heike Tiemann Expertise »Diversität, Inklusion, Integration und Interkulturalität«. Leitbegriffe der Politik, sportwissenschaftliche Diskurse und Empfehlung für den DOSB und die dsj, Frankfurt a. M. 2014. 25 Zum Folgenden vgl. ebd., S. 5 f.
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− »Diversität« und »Diversitäts-Management« – Auslegungen der Konzepte für die Entwicklung von Sportorganisationen − Inklusion – Umgang mit Vielfalt unter besonderer Berücksichtigung der Kategorie Behinderung − Integration aus (sport-)soziologischer Perspektive − Interkulturalität im und durch Sport26 In einem abschließenden Abschnitt werden die Erkenntnisse dann für den organisierten Sport aufbereitet: »Diversität, Inklusion, Integration und Interkulturalität – Bewährte Strategien und Entwicklungsperspektiven für den organisierten Sport«.27 Bettina Rulofs hält in ihrem Beitrag zur Diversität (Vielfalt, Heterogenität) fest, dass »die sozialen Unterscheidungen, die die Wertschätzung, Chancen und das Voranschreiten von Individuen in Organisationen beeinflussen oder anders formuliert, es geht um Differenzen, die die Chancen auf Teilhabe an sozialen Systemen beeinflussen.«28 Für den Sport finden sich beim Umgang mit Diversität (in den Dimensionen von Geschlecht, Alter, Behinderung, Nationalität, Religion) Anknüpfungspunkte, wenn zwei Zielsetzungen damit verbunden werden: zum einen, wenn in homogenen Organisationen das Ziel einer Öffnung für soziale Vielfalt verfolgt wird, zum anderen, wenn in bereits heterogenen Organisationen das Ziel verfolgt wird, die Potenziale der verschiedenen Mitglieder optimal zu nutzen.29 Für den Bereich des Sports gibt es Konzepte des Diversity Management bisher nur im anglo-amerikanischen Bereich, die aber als Vorbild auch für die verschiedenen Ebenen der Organisationen des Sports im deutschsprachigen Raum sein können.30 Entscheidend bei der Anwendung sei, so Rulofs, die Analyse der jeweiligen Kontexte, um herauszufinden, welche Dimensionen geeignet sind, die Barrieren für die Teilhabe abzubauen und Partizipationsspielräume zu erweitern.31 Sabine Radtke und Heike Tiemann erörtern in ihrem Beitrag den Begriff der »Inklusion« mit dem Fokus auf die Kategorie Behinderung.32 Sie stellen zunächst die inflationäre Verwendung des Begriffs fest. Wurde der Begriff der Integration zunächst in den 70er Jahren auf den Kontext der Menschen mit Behinderungen angewendet, so wurde er in den 80er Jahren auf Menschen mit Migrationsgeschichte bezogen. Das sei prinzipiell bis heute so geblieben, aktuell werde der Begriff der »Inklusion« auf Menschen mit Behinderungen angewendet. Vor dem Hintergrund der UN-BRK habe dies insofern eine Be26 Vgl. ebd., S. 4. 27 Ebd. 28 Bettina Rulofs, »Diversität« und »Diversitäts-Management« – Auslegungen der Konzepte für die Entwicklung von Sportorganisationen, in: Expertise (a. a. O.), S. 7 f. 29 Ebd., S. 8. 30 Ebd., S. 11. 31 Ebd., S. 13. 32 Sabine Radtke / Heike Tiemann, Inklusion. Umgang mit Vielfalt unter besonderer Berücksichtigung der Kategorie Behinderung, in: Expertise (a. a. O.), S. 12–20.
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rechtigung, als diese den entscheidenden Impuls dazu gibt, auch im Sport der Frage nachzugehen, »wie Sportangebote auf allen Ebenen (Breiten-, Schulund Spitzensport) gestaltet sein müssen, um die Teilhabe aller Mitglieder einer heterogenen Gesellschaft mit all ihren vielfältigen sozialen Merkmalen zu ermöglichen«33. Jedoch sei zu betonen, dass die Frage auf keinen Fall auf die Kategorie der Behinderung allein, sondern auch auf Geschlecht, Alter, Ethnie, Religion und sexuelle Orientierung zu beziehen ist.34 In ihrem Beitrag zur »Integration« beschreibt Ulrike Burrmann zunächst die soziologischen Aspekte des Begriffs und die dem Sport zugeschriebenen Integrationskompetenz, um dem Missverständnis vorzubeugen, Integration habe – wie der gegenwärtige Gebrauch des Begriffs suggeriert – lediglich etwas mit der Frage der Integration von Migrantinnen und Migranten zu tun.35 Dennoch wird der Fokus auch in diesem Beitrag – zurecht – an dieser Stelle gesetzt, wenn festgehalten wird, dass in den Sportvereinen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die für die Integration günstig seien, »also das Erreichen von sozialen, alltagspolitischen, kulturellen und sogar sozialstrukturellen Integrationszielen.«36 Dabei wird allerdings der ebenfalls wichtige religiöse Aspekt nicht genannt. Petra Gieß-Stüber bezieht in ihrem Beitrag den Begriff der »Interkultura lität« auf die Integrationspraxis bzw. -leistung in den Sportvereinen.37 Sie hält fest, dass dieser Begriff in den Sportwissenschaften bisher kaum berücksichtigt worden ist. Sie verweist auf den Begriff der »Kultur« als Grundbegriff in dieser Debatte. Als Kennzeichen des interkulturellen Lernens wird »eine Veränderung der grundsätzlichen Haltung und der Disposition zu Bewertung und Verhalten in Situationen, in denen sich eine Person mit ›Fremdheit‹ konfrontiert sieht«, beschrieben, die auf die Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit, Diskriminierung, Rassismus, Vorurteilen etc. zielt.38 Unter der Voraussetzung eines weiten und dynamischen Begriffs von Kultur sei das Konzept von Interkulturalität anschlussfähig an die Konzepte von Diversität und Inklusion.39 Das abschließende Kapitel fasst die Überlegungen zu den einzelnen Begriffen zusammen, um sie im Sinne eines »modularisierten Planungsschemas«40 für die Weiterentwicklung von Förderprogrammen im Bereich des organisierten Sports zur Verfügung zu stellen. Es werden die verschiedenen politischen 33 Ebd., S. 19. 34 Ebd. 35 Ulrike Burrmann, Integration aus (sport-)soziologischer Perspektive, in: Expertise (a. a. O.), S. 21–27. 36 Ebd., S. 25. 37 Petra Gieß-Stüber, Interkulturalität im und durch Sport, in: Expertise (a. a. O.), S. 28– 34. 38 Ebd., S. 30. 39 Ebd., S. 34. 40 Petra Gieß-Stüber / Ulrike Burrmann / Sabine Radtke / Bettina Rulofs / Heike Tiemann, Diversität, Inklusion, Integration und Interkulturalität. Bewährte Strategien und Entwicklungsperspektiven für den organisierten Sport, in: Dies., Expertise, S. 35.
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Referenztexte und Papiere aus dem Bereich des organisierten Sports als Bezugsquellen angeführt. Die Autorinnen beschreiben das Problem einer sehr offenen Verwendung der Begriffe, die zu einer häufig wechselnden Kontextualisierung führe: »Eine nicht eindeutige Verwendung der Begriffe erhöht zwar die Anschlussfähigkeit der praxisnahen Konzepte an übergeordnete Diskurse, erschwert jedoch Abgrenzungen zwischen den Programmen. Die teilweise synonyme Verwendung z. B. der Begriffe Inklusion und Integration kann dazu führen, dass es in der Vereins- und Verbandspraxis schwierig wird, gezielte Maßnahmen abzuleiten. Es wird empfohlen, aufgrund der vielschichtigen Aufladung programmatischer Begriffe, diese nicht für Projekt-/Programmtitel zu verwenden.«41 Dabei wird auch ins Kalkül gezogen, dass es bei der Öffnung für Vielfalt und Veränderung zu Widerstand und Schließungstendenzen kommen könne. Die Autorinnen schlagen vor, die Begriffe durch ergänzende Beschreibungen programmatisch und konsensfähig zu machen: − Inklusion mit normativer Prägung (als ›Möglichkeit gleichberechtigter Teilhabe unter Beibehaltung individueller Norm- und Verhaltensmuster‹«) − Inklusion als wertneutraler Begriff (systemtheoretisch als Teilnahme / Teilhabe von Personen an Kommunikation in sozialen Systemen) − Integration (soziologisch) als mehrdimensionaler Prozess von Wechselseitigkeit und gleichberechtigter Teilhabe − Interkulturell als interkulturelles Lernen, Trainings und Öffnung im Kontext von Migration − Diversität als Differenzen zwischen Individuen mit Einfluss auf Teilhabesituation (z. B. im sozialen Systemen Sportverein) − Diversitätsmanagement mit den Zielen der Öffnung und der Gewährleistung von Chancengleichheit und Wertschätzung42 Zu berücksichtigen seien außerdem die Bezugsebenen von Mikro, Meso und Makro sowie der Grad des möglichen Wandels zu mehr Integration oder Inklusion, insbesondere im Blick auf die Ambivalenzen zwischen Verbands- und Vereinsarbeit: Tendenzen von Öffnung und Schließung (z. B.: Angebote für Viele vs. Bewahrung von Tradition) werden oft nicht ausreichend thematisiert, Abstraktionen führen nicht selten zu Abwehr. Es wird daher ein modularisiertes Planungsschema vorgeschlagen, das Teilhabe und Umgang mit Vielfalt im organisierten Sport fördern soll. An dieser Stelle wird erstmals auch der Begriff der Religion bzw. Weltanschauung verwendet.43 Als wesentlicher Aspekt bei der Umsetzung von Programmen und Maßnahmen wird – besonders im Blick auf die Mikro-Ebene des Sportvereins – die klare Definition von Zielgruppen betont, die Notwendigkeit der Beteili41 Ebd., S. 36. 42 Ebd., S. 36 f. 43 Ebd., S. 40.
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gung (Empowerment) der Hinzukommenden hervorgehoben, eine verlässliche Struktur gefordert, um alle Beteiligten mitzunehmen.44 Die Überlegungen werden zu konkreten Handlungsempfehlungen gebündelt: − Entwicklung einer neuen Organisationskultur − Erarbeitung eines »Index zur Förderung von Vielfalt im Sport« − Erkennen von Benachteiligungsstrukturen und kontextuelle Forschung − Leitbildformulierungen − Einrichtung von Change Teams zur Förderung des Diversitätsleitbildes − Einbeziehung aller Ebenen und größtmögliche Transparenz bei Fördermaßnahmen − Entwicklung eines Grundlagenmoduls »Öffnung für soziale Diversität« für die Aus- und Fortbildung45 Die sportwissenschaftlich und soziologisch fundierte Expertise bietet dem organisierten Sport mit seinen Verbänden und Vereinen eine gute Grundlage und Orientierung für die Weiterarbeit an dem komplexen Thema, ohne allerdings die an anderer Stelle als defizitär beklagten sportwissenschaftlichen Forschungsaspekte etwa zum Begriff der »Behinderung« aufzugreifen.46 Inhaltlich stellt sich außerdem die Frage, ob die vorgeschlagene Praxis der Vermeidung von Begriffen (Integration, Inklusion) für konkrete Programme im organisierten Sport den Diskurs nicht eher weiter verkompliziert, anstatt an den orientierenden Begriffen weiter zu arbeiten und diese immer wieder auch auf die einzelnen Programme und Maßnahmen zu beziehen. Irritierend wirkt es außerdem, wenn die zuvor kritisch bewertete Zuschreibung von Inklusion für Menschen mit Behinderungen bzw. Integration für Menschen mit Migrationsgeschichte doch wieder aufgegriffen wird.47 Entscheidend aber ist die Frage nach der Begründung für die Notwendigkeit integrativer und inklusiver Strategien für den organisierten Sport. Denn in der Expertise werden zwar soziologische Forschungen zitiert, eine Orientierung am Menschenbild aber erfolgt nicht. Weder werden philosophisch-anthropologische Kategorien diskutiert, noch mögliche religiöse Begründungen. Entsprechende Literatur kommt nicht vor, interdisziplinäre Forschung wird, obwohl prominent und mit Vertreterinnen und Vertretern des organisierten Sports und der Sportwissenschaft besetzt, nicht zitiert – obwohl z. B. Sabine 44 Ebd., S. 41 45 Ebd., S. 41 f. 46 Vgl. G. Hölter, a. a. O. Gudrun Wansing stellt fest, dass das Verständnis von »Behinderung« das »Herzstück der Perspektive Inklusion ist und auch Anfragen an eine Teilhabeforschung im Bereich des Sports aufwirft«. Gudrun Wansing, Inklusion und Behinderung – Standortbestimmung und Anfragen an den Sport, in: Volker Anneken (Hg.), Inklusion durch Sport, a. a. O., S. 9–23, hier: S. 9. 47 Petra Gieß-Stüber / Ulrike Burrmann / Sabine Radtke / Bettina Rulofs / Heike Tiemann, Diversität, Inklusion, Integration und Interkulturalität. Bewährte Strategien und Entwicklungsperspektiven für den organisierten Sport, in: Dies., Expertise, S. 39.
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Sportwissenschaftliche Überlegungen zum Themenfeld »Inklusion«
Radtke als Referentin und Autorin an entsprechenden Projekten beteiligt war.48 Es wird deutlich, dass es sich bei der Expertise um eine Untersuchung im Auftrag des organisierten Sports handelt, der seine Bemühungen als Akteur in der Gesellschaft begründen muss. Als Empfänger von Geldzuwendungen aus dem Bereich des Staates und der Wirtschaft muss er rechtliche Standards einhalten, wozu auch die in Deutschland 2009 ratifizierte UN-BRK gehört, die Expertise liefert die entsprechenden Grundlagen dazu. 4.
Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaften (DVS)
Am 4. Juli 2015 hat die DVS ein Positionspapier mit dem Titel »Inklusion und Sportwissenschaft« veröffentlicht.49 Mit dem Papier soll das komplexe Thema weder detailliert noch mit Bezug auf die unterschiedlichen Diskurslinien nachgezeichnet werden – es wird aber auf die verschiedenen Stellungnahmen hingewiesen, die an anderer Stelle dieser Untersuchung ausführlich dargestellt werden. Es wird allerdings betont, dass die Sportwissenschaft sich auch in dieser Frage interdisziplinär bewegt.50 Es handelt sich um die Darstellung einer fachwissenschaftlichen Perspektive. »Inklusion« wird als wichtige Querschnittsaufgabe für sämtliche Fachdisziplinen der Sportwissenschaften angesehen. Man sieht sich aufgrund der UN-BRK dazu verpflichtet, die Grundvoraussetzungen zur Umsetzung mitzugestalten. Es wird deshalb auch explizit auf die UN-BRK (vor allem auf Art. 24 und 30) Bezug genommen. Der Begriff der »Inklusion« gegenüber dem der »In48 So wird der von Kiuppis und Kurzke-Maasmeier 2012 herausgegebene Band mit dem Titel »Sport im Spiegel der UN-Behindertenrechtskonvention« nicht zitiert, der verschiedene interdisziplinäre Zugänge zum Thema eröffnet hat. In dem von V. Anneken herausgegebenen Band »Inklusion durch Sport« hat S. Radtke ihren Vortrag »Zwischen Inklusion und Exklusion. Internationaler Vergleich von Systembedingungen für einen erfolgreichen Leistungssport – erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts« veröffentlicht (V. Anneken [Hg.], Inklusion, a. a. O., S. 43–64). 49 »Inklusion und Sportwissenschaft«. Positionspapier der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, abrufbar unter: http://www.sportwissenschaft.de/fileadmin/pdf/down load/dvs_Inklusion-und-Sportwissenschaft_2015.pdf Stand: 4. Juli 2015. Mitgearbeitet haben daran Wissenschaftler verschiedener Universitäten: Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper (FU Berlin), Prof. Dr. Georg Friedrich (Universität Gießen), Dr. Maria Dinold (Universität Wien), Prof. Dr. Bernd Gröben (Universität Bielefeld), Jun.-Prof. Dr. Christopher Heim (Universität Frankfurt), Prof. Dr. Ina Hunger (Universität Göttingen), PD Dr. Reinhild Kemper (Universität Jena), PD Dr. Michaela Knoll (Karlsruher Institut für Technologie) PD Dr. Ilka Lüsebrink (PH Freiburg), Prof. Dr. Heiko Meier (Universität Paderborn), Prof. Dr. Volker Scheid (Universität Kassel),, Prof. Dr. Johannes Verch (Alice-Salomon-Hochschule Berlin) Prof. Dr. Manfred Wegner (Universität zu Kiel), Dr. Matthias Zimlich (Universität Würzburg). Mit Prof. Dr. Heike Tiemann (PH Ludwigsburg) und Dr. Sabine Radtke (Universität Gießen) waren zwei der Autorinnen der Expertise daran beteiligt. 50 Ebd., S. 1, Anm. 1.
Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaften (DVS)
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tegration« wird abgegrenzt und der Aspekt der Be-Hinderung durch soziale Prozesse betont.51 Die Stärke des Papiers liegt u. a. darin, dass Diskurse in anderen Bereichen von Wissenschaft und Sport-Organisationen wahrgenommen und auch benannt werden.52 Der besondere Verantwortungsbereich der DVS wird in der Bedeutung der Forschung zu inklusionsspezifischen Fragen und der Aus- und Weiterbildung im Kontext der Universitäten erkannt. Dabei sollen insbesondere Menschen mit Einschränkungen (Behinderungen, Migration, Alter) einbezogen und etwa auch Eignungsprüfungen für die Zulassung für das Sportstudium überprüft werden.53 In Bezug auf die Lehre soll in allen Disziplinen darüber reflektiert werden, »inwiefern ihnen ein diskriminierendes oder stigmatisierendes Potenzial bzw. (soziale, habituelle, körperliche) Vielfalt innewohnt«. Das Papier enthält Schlussfolgerungen für die Sportwissenschaften und ihre Fachbereiche und Disziplinen, die über eine Stellungnahme allgemeiner Art deutlich hinausgehen, was im Vergleich zu anderen Stellungnahmen aus den Bereichen Kirche, Theologie und Sport deutlich weitreichender ist. Allerdings fehlen überraschend grundlegende Überlegungen und Bezüge zum Thema des Menschenbildes, wie in der UN-BRK und einigen interdisziplinären Projekten angesprochen und behandelt. Sehr vage ist von einer »normativ-sozialmoralischen Ausrichtung« die Rede, die für die »Aufrechterhaltung öffentlicher und politischer Legitimierung wichtig« sei.54 Inklusion wird in der Sportwissenschaft bzw. Sportpädagogik als Thema in unterschiedlichen Zusammenhängen behandelt, u. a. bei Tagungen55, in Arbeitsgemeinschaften56 und in Publikationen.57 Am Institut für Sport 51 Ebd., S. 2 f. 52 Umso verwunderlicher ist es, dass die Sporthochschule Köln und insbesondere das Forschungsinstitut Inklusion bei der Abfassung des Positionspapiers nicht einbezogen wurde. 53 Ebd., S. 4. Als Forschungsfelder werden benannt: Empirische Schulsportforschung – Sportdidaktische Forschung zur Individualisierung von Sportunterricht, zum Umgang mit Heterogenität etc., – Forschung zur Organisationsentwicklung im Bereich des Sports (Vereine und Verbände), – Entwicklung und Prüfung von geeigneten Diagnosemaßnahmen (auch im Sinne der sportwissenschaftlichen Leistungsdiagnostik), – Forschung zur Barrierefreiheit von Sportstätten, – Einstellungs- und Interaktionsforschung, – Evaluation inklusiver Projekte – Diskursanalytische und konzeptionelle Forschung zur Theorie und Kommunikation von Inklusion, – Prozess- und Veränderungsforschung, – Interdisziplinäre Forschung im Freizeit- und Spitzensport für Menschen mit Behinderung. 54 Petra Gieß-Stüber / Ulrike Burrmann / Sabine Radtke / Bettina Rulofs / Heike Tiemann, Diversität, a. a. O., S. 35. 55 dsv-Sektion Sportsoziologie (20.–22.06.2013) in Paderborn: »Migration, Inklusion und Integration – Herausforderungen für den Sport«; 2013 eine Fachtagung zur »Inklusion im Schulsport; Interdisziplinärer dvs-ExperInnenworkshop »Dabei ist (nicht) alles…«. Inklusion im Fokus der Sportwissenschaft, 12.2.2015, Georg-August-Universität Göttingen. 56 Beteiligung der DVS in der AG zur Weiterentwicklung der »Gemeinsamen Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung des Schulsports« des DOSB und der KMK. 57 Themenheft »Inklusion im Schulsport«: sportunterricht (6/2012), Themenheft »Auf dem Weg zur Inklusion« Zeitschrift Sportpädagogik (6/2013).
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Sportwissenschaftliche Überlegungen zum Themenfeld »Inklusion«
wissenschaft an der Universität Rostock wird die Sportlehrerausbildung bereits inklusiv gedacht: Da das Land Mecklenburg-Vorpommern bis 2020 SchülerInnen mit Förderbedarf »in das reguläre Schulsystem … inkludieren«58 will, soll ein Curriculum erarbeitet werden, um die künftigen Lehrer entsprechend vorzubereiten. Die Sportwissenschaftliche Fakultät der Universität Münster bietet einen Zertifikatslehrgang »Inklusion im Schulsport« an.59 Im Rahmen eines Studienprojektes beteiligten sich Studierende der Sportwissenschaften der Universität Hannover im Sommer 2015 am Programm der 19. Bethel athletics in Bielefeld, die eine immer stärker inklusive Ausrichtung erfährt.60 Mit dem Thema beschäftigen sich in ähnlicher Weise u. a. auch die Sportwissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten in Würzburg, Bielefeld, Hildesheim, Duisburg oder Bayreuth. Die Schwerpunkte der sportwissenschaftlichen Forschung im Themenfeld lagen seit den 70er Jahren im Bereich der Sportpädagogik und der Integration von Menschen mit Behinderungen und Migranten. Der Inklusionsbegriff wurde – erst spät durch die soziologische Forschung befördert – auch in die sportwissenschaftlichen Diskurse einbezogen, den ausschlaggebenden Impuls gab die UN-BRK. Inzwischen werden aber auch andere Aspekte auf die Inklusionsthematik bezogen und untersucht (Geschlecht, Alter, Ethnie, Religion, sexuelle Orientierung etc.). In der Expertise für den organisierten Sport werden in sportwissenschaftlicher Perspektive verschiedene Vorschläge und Empfehlungen gegeben, die für die nächsten Jahre wegweisend sind. Sie kommen dabei allerdings ohne eine Begründung aus dem philosophischen bzw. religiösen / theologischen Zusammenhang aus. Man kann festhalten, dass der Sport über kein genuin eigenes Motiv für die Umsetzung von ethischen Standards verfügt, sondern bei der Auseinanderset58 In der Formulierung ist der klassische Denkfehler enthalten, man könne jemanden in etwas »inkludieren«. Aber es handelt sich hier um die Frage der »Integration« (vgl. oben S. Seitenabgabe). Unter dem Stichwort »Was ist Inklusion« wird dann allerdings der Unterschied richtig erläutert: »Inklusion ist ein pädagogisches Konzept, dass versucht die wechselseitige Beziehung zwischen Exklusion (Ausgrenzung) und Integration (Wiedereinbeziehung) zu beenden. Dies bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen nicht gezwungen sind sich zu integrieren und an die Umwelt anzupassen, sondern diese von vornherein so geschaffen ist, dass alle Menschen gleichberechtigt leben können.« Vgl. dazu auch: R. Lütgeharm, Inklusion im Sportunterricht. Anspruch und Möglichkeiten, Kerpen 32012. http://www.isportwi.unirostock.de/forschung/sportpaedagogik/sportlehrerausbildung-inklusiv-gedacht/. 59 »Um die Entwicklung von Schulen zu inklusiven Bildungseinrichtungen in der Zukunft zu gewährleisten, muss sowohl die Ausbildung aller angehenden Lehrkräfte als auch die Fortbildung bereits im Schuldienst tätiger Lehrkräfte diesbezüglich ausgerichtet werden. Der Zertifikatslehrgang ›Inklusion im Schulsport‹ ist eine praxisorientierte Weiterbildungsmaßnahme auf der Basis aktueller Forschungsergebnisse und erprobter Best-Practice Modelle.« Vgl. den Text unter: https://www.uni-muenster.de/Sportwissenschaft/ZFW/anmeldung. php?ogr=12. 60 http://www.sportwiss.uni-hannover.de/singlenews_interpaed116.html?&tx_ttnews%5 BbackPid%5D=6381&tx_ttnews%5Btt_news%5D=8544&cHash=e92ba4fa5e14105987 21b53068a49afa.
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zung mit dem Begriff der Inklusion im Begriffsfeld von Integration, Diversität oder Interkulturalität rechtlichen Vorgaben folgt. Der organisierte Sport und auch die Sportwissenschaften begründen nicht, warum Inklusion außerhalb des vorgegebenen Rechts umgesetzt werden sollte. Ausgangspunkt sind die rechtlich für die Bundesrepublik verbindliche UN-BRK. Der Fokus ist – trotz vielfacher Hinweise auf die problematische Geschichte etwa der Begriffe Integration und Inklusion – die Gruppe der Menschen mit Behinderungen. Gegenüber den zunächst festzustellenden Bestrebungen eines breit angelegten Diskurses mit interdisziplinärer Öffnung werden in den jüngeren Expertisen und Strategiepapieren von den Sportorganisationen vor allem die für den organisierten Sport unmittelbar relevanten Fragen diskutiert. Es kann – insbesondere im Blick auf die Expertise von 2014 – durchaus von einer Vereinnahmung der Sportwissenschaften durch die Sportorganisationen gesprochen werden. Umso wichtiger scheint mir die Notwendigkeit für eine Öffnung und den Dialog mit den wissenschaftlichen Disziplinen zu sein, die sich mit den Fragen rund um das Thema der »Inklusion« beschäftigen. Das betrifft insbesondere die Theologie, die insbesondere hinsichtlich des Menschenbildes und des Verständnisses von »Behinderung« wichtige Impulse für den organisierten Sport geben kann, da sie die Quellen von ethischen Grundsätzen und Überzeugungen vermittelt. Das entspricht der besonderen Rolle von Religion in der Gesellschaft und den damit verbundenen Möglichkeiten, auf andere Funktionsbereiche einwirken zu können.
VI. Theologische Ansätze zur Inklusion im Blick auf den Sport
Theologie und (protestantische) Kirche haben sich lange sehr schwer getan mit einem positiven Zugang zum Themenfeld Körper, Sexualität, Bewegung, Sport. Auch die Idee der »Inklusion« wurde zunächst von außen an Theologie und Kirche herangetragen.1 Es lassen sich aber vielfältige biblisch-theologische Bezüge herstellen, aus denen sowohl ein positives Körperbild wie auch ein positives Verständnis des Sports und schließlich von »Inklusion« entwickelt werden können. Der Ansatz, Sport zu treiben und dies theologisch zu begründen ist relativ neu2, Voraussetzung dafür ist ein grundsätzlich positives Verständnis von Körper und Leib, zu dem protestantische Theologie in den letzten Jahren mehr und mehr zurückfindet. Es werden daher zunächst neuere theologische Ansätze einer »Theologie des Körpers« vorgestellt, im Anschluss daran aktuelle Zugänge zum Themenfeld »Inklusion«. 1.
Die Theologie des Körpers
Obwohl Judentum und Christentum sich im Laufe ihrer Geschichte tiefgehend über die Bedeutung und das Verhältnis von Körper und Leib auseinandergesetzt haben, hat es doch immer wieder problematische Engführungen gegeben, aus denen sich die Kirchen der Gegenwart allmählich befreien konnten.3 Die notwendige »Wiederkehr des Körpers« in der Theologie und in der Kirche ist noch immer weitgehend unberücksichtigt.4 Deshalb sind »Kirche« und »Sport« bis heute – trotz wichtiger Impulse durch die Reformation – keine selbstverständlich miteinander agierenden Partner5, auch wenn sich in den vergangenen zweihundert Jahren auf dem »Weg des Zueinanderfindens« vieles verändert hat.6 Man kann mit Erich Geldbach soweit gehen zu sagen, dass 1 Vgl. Peter Noss, Sport für alle – ein Vision theologisch betrachtet, in: Dieter H. Jütting, Michael Krüger (Hg.), Sport für alle. Idee und Wirklichkeit, Münster 2017, S. 395–404. 2 Frank Martin Brunn, Sportethik. Theologische Grundlegung und exemplarische Ausführung, Berlin 2014. 3 Vgl. zum folgenden auch: Peter Noss, Mit sich selbst eins. Sport und Körperlichkeit in der Bibel, in: ZGP 3/2012, S. 2–5. 4 Michael Klessmann / Irmhild Liebau, Leiblichkeit ist das Ende der Werke Gottes. Körper – Leib – Praktische Theologie, Göttingen 1997, vgl. Dietrich Kurz, Körper und Sinn, S. 151. 5 Erich Geldbach, Sport, S. 13. 6 Wolfgang Huber, Einleitung, in: Ommo Grupe / Ders., Zwischen Kirchturm und Arena, a. a. O., S. 10; Eilert Herms, Sport, a. a. O. und Ders, Liebe, Sexualität, Ehe. Unerledigte Themen der Theologie und der christlichen Kultur, in: ZThK 96 (1999), S. 94–135.
Die Theologie des Körpers
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»die Achtung des Leibes, die sich im modernen Sportbetrieb ausdrückt, (…) sich also im harten Kampf gegen das Christentum (hat) durchsetzen müssen.«7 Rechnet man den Sport zu einem Phänomen der säkularen Moderne, so muss man ihn als einen der Bereiche bezeichnen, in denen der Körper durch seine Ästhetisierung und seine Funktionalisierung problematischen Unsterblichkeitskulten Vorschub leistet. Der Körper wird in der Moderne also als ein religiöser Code bzw. als Symbol verstanden.8 Der Sport ist in der Gegenwart zu einem der wichtigsten Kulturbereiche geworden, sowohl im Leistungs- wie im Breitensport hat er hohe gesellschaftspolitische Bedeutung. Er gibt Impulse für ein besseres Leben. Sport ist in den Medien prominent vertreten, Sportler werden selbst zu Symbolfiguren. Ethische Themen auf regionaler wie globaler Ebene wie Gerechtigkeit (Integration / Inklusion von Menschen mit handicaps), Fairness (Doping) oder Naturbewahrung (wie z. B. im Zusammenhang der Olympia-Bewerbung von München / Garmisch-Patenkirchen) werden im Zusammenhang des Sports diskutiert. Daran haben nicht zuletzt die öffentlichen Diskurse zu sportlichen Großereignissen wie die Olympischen Spiele und Weltmeisterschaften (Fußball, Leichtathletik, Handball, Biathlon etc.) einen erheblichen Anteil. Es gibt bis heute nicht die kirchliche Haltung zu dem Themenkomplex Sport / Körper / Leib oder zu spezifischen Fragen wie etwa der nach der Bewertung von Exklusion, Integration und Inklusion von Menschen mit Behinderungen in und durch den Sport. Daher besteht die Aufgabe für diese Untersuchung darin, nach tragfähigen theologischen Ansätzen und ihrer Bedeutung für die aktuelle Debatte zu suchen. Denn bei aller (positiver!) Neutralität auf Seiten des Sports in weltanschaulichen Dingen sind z. B. theologische Gesichtspunkte für die Sportorganisationen relevant. Da der Sport aus sich heraus keine Antworten auf existentielle Fragen geben kann, ist dies insbesondere die Aufgabe der Kirche und des Staates. Luthertum und Protestantismus haben dazu insofern einen entscheidenden Beitrag geleistet, als dass der reformatorische Impuls zu einer veränderten, weil wertschätzenden und die Bedürfnisse ernstnehmende Sicht auf den Körper (Tempel des Heiligen Geistes in Bezug auf 1. Kor. 6, 19 f. und 3, 16 f.) seine Wirkung nach einer gewissen Inkubationszeit entfalten konnte, vermittelt u. a. über die Denker und Dichter im protestantischen Preußen von Friedrich Schiller bis Ernst Curtius im 18. Jahrhundert, über Visionäre wie Johann Christoph Friedrich GutsMuths seit Ende des 18. Jahrhunderts, insbesondere durch die Turnerbewegung (Friedrich Ludwig Jahn) über die Idee des »Sports als Religion« (religio athletaie – de Coubertain) bis zur Sportbewegung der Gegenwart.9
7 Erich Geldbach, Sport, S. 14. 8 Vgl. dazu: Christina von Braun, Art. »Körper«, in: Christoph Auffarth / Jutta Bernard / Hubert Mohr (Hg.), Metzler Lexikon Religion, Stuttgart / Weimar 1999, Bd. 2, S. 236–241. 9 Vgl. Michael Krüger, Gymnastics, Physical Education, Sport, and Christianity in Germany, The International Journal of the History of Sport 2018, S. 4 ff. »It took several centu-
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Theologische Ansätze zur Inklusion im Blick auf den Sport
Theologie und Kirche erfüllen also ihre ureigenste Aufgabe, wenn sie auch heute das Wort von ewigem Ursprung und ewiger Bestimmung in Bezug auf Intensität und Verantwortung des leiblichen Lebens beschreiben – gerade auch in Hinsicht auf und gegenüber den Organisationen im Sport.10 In jüngster Zeit hat Isolde Karle das Thema für ihre Untersuchung zu Sexualität und Ehe in der Moderne intensiv bearbeitet.11 Auch sie hält fest, dass die neueren sozialwissenschaftlichen Diskurse zum Thema in der Theologie vermehrt aufgegriffen werden. Sehr lange Zeit waren es die klassischen Deutungskonzepte eines dualistischen Leib-Seele / Geist-Verhältnisses, die das christliche Denken über den Körper geprägt haben12: Platon hat den Körper / Leib als Gefängnis der Seele bezeichnet. Im frühen Christentum spielte die Askese als Überwindung des Körpers und seiner Bedürfnisse eine wichtige Rolle. Später wurde der Körper im Zusammenhang eines sich verändernden Abendmahlsverständnisses als reale Gegenwart des Körpers Christi (wahrer Gott und wahrer Mensch) verstanden, an dem der einzelne Glaubende durch die Feier der Eucharistie am unsterblichen Körper / Leib Christi teilhat. Die protestantische Theologie hat dies seit dem 16. Jh. – gegen die den Körper wertschätzende Interpretation Luthers – durch ihr stärker symbolisches Verständnis des Abendmahls wieder relativiert; nicht mehr der Körper / Leib, sondern der Leib der auf künftige Erlösung und Auferstehung hoffenden christlichen Gemeinschaft trat in den Vordergrund. Dies hat tendenziell zu einer Aufspaltung der Bereiche von Körper und Seele / Geist geführt, die jedoch auch immer wieder in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden mussten. René Descartes verwarf die Wahrnehmung der Sinne und ließ Erkenntnis ausschließlich über das Denken gelten, der Körper war lediglich als Objekt der Forschung anzusehen. Jean-Jacques Rousseau vertrat die Auffassung, dass nur ein starker Körper Seele / Geist zu der Stärke führt, die aus dem Menschen erst sein »ICH« macht. Bei Johannes Pestalozzi ist der Leib das Werkzeug der Seele, Ernst Moritz Arndt sieht ihn als »göttliches Meisterstück«, »Turnvater« Friedrich Ludwig Jahn setzt auf Gleichgewicht und Gleichmaß im Verhältnis von Leib und Seele, bei dem der Körper das Werkzeug des Geistes ist, der gefügig gemacht werden muss. Friedrich Nietzsche betont eine klare Tendenz zur Diesseitigkeit: »Leib ries and the period of the European Enlightenment for this new body concept of the age of reformation to flow into the concept of ascetic gymnastics and physical education.« (S. 13). 10 Eilert Herms, Sport, S. 65 f., Ders., Ist Sportethik möglich?, S. 82–102. Vgl. Peter Noss, Körper – Behinderung – Sport, a. a. O., S. 203 f. 11 Isolde Karle, Liebe in der Moderne. Körperlichkeit, Sexualität und Ehe, Gütersloh 2014. 12 Vgl. zum folgenden u. a. die Beiträge unter dem Stichwort »Leib und Seele« in RGG4, Bd. 5, Sp. 221–230. Auch in der 4. Auflage der RGG fehlt ein Artikel »Körper«, hingegen findet sich in Bd. 4, Sp. 1695 f. ein Artikel von Roland Kollmann zum Thema »Körperbehindertenfürsorge«. Vgl. auch den von Michael Roth und Ulrich Volp herausgegebenen Band: Gut, besser, am besten. Ethische, theologische und historische Reflexionen zu Leistung und Erfolg in Sport, Kirche und Gesellschaft, Leipzig 2016.
Die Theologie des Körpers
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bin ich ganz und gar und nichts außerdem; und Seele ist nur ein Wort für das ein Etwas am Leibe.«13 Damit setzte er einen wichtigen Impuls. Eine vitalistische Auffassung formulierte Anfang des 20. Jahrhundert der Psychologe und Philosoph Ludwig Klages, er spricht von der »organischen Einheit« von Leib und Seele, der Gegensatz liege vielmehr zwischen Seele und (naturwissenschaftlichem) Geist: »Die Seele ist der Sinn des Leibes, das Bild des Leibes die Erscheinung der Seele.«14 Leben will sich ausdrücken, wer lebendig ist, kann erleben. Mit dieser frühen phänomenologischen Sichtweise weist Klages den Weg hin zu einem ganzheitlichen Verständnis, was in einer Theorie des Rhythmus ihren Niederschlag findet: der Mensch nimmt teil an den Schwingungen der Natur. Klages war allerdings auch ein dezidierter Gegner des Monotheismus, wie er in Judentum und Christentum vertreten wird. In der Ideologie des Nationalsozialismus, zu der auch er eine Affinität entwickelte, wurde »der Körper« zur pervertierten Grundlage einer rassistischen und biologistischen Anthropologie – mit dramatischen Folgen für diejenigen, die dem Ideal des Körperkult-Bildes nicht entsprachen, Menschen mit Behinderungen wurden aus dem »Volkskörper« durch Sterilisation oder Mord radikal exkludiert, entfernt. Dafür war auch Klages indirekt ein Wegbereiter. Die Theorien zu Sport und Leibeserziehung der späten 40er und 50er Jahre bleiben zunächst in der Auffassung gefangen, den Körper als Teil der menschlichen Ganzheit zu verstehen. Die Begriffe »Körper« und Leib werden im Zusammenhang des Sports nicht selten als synonyme Begriffe verwendet; in der Soziologie bevorzugt man den Begriff »Körper«, wobei damit in der Regel der »soziale Körper« gemeint ist, der Ausdruck von gesellschaftlichen Tatbeständen ist. Zugleich ist der »Körper« ein Ausdruck für Vorgänge etwa durch eine Haltung, bei Krankheit, in Sexualität, Gestik, durch Bekleidung, Ernährung, Vorstellungen über Schönheit etc. – was auch durch sportliche Handlungen ausgedrückt werden kann.15 Der Körper ist kulturell beeinflusst, wie die sozialwissenschaftliche Forschung deutlich gemacht hat.16 Unser Verständnis des Körpers ist daher auch dem geschichtlichen und gesellschaftlichen Wandel unterworfen. Dabei kommt es immer wieder zu Engführungen, Missverständnissen und Spannungen zwischen kulturellem Körperwissen und individueller Körpererfahrung.17 »Der Körper wird zum zentralen Bezugspunkt bei der Frage nach Sinn und Identität.«18 In der Moderne haben wir es in soziologischer Perspektive mit dem paradoxen Phänomen einer Steigerung von Körperverdrängungen bei 13 Vgl. auch zum folgenden: Käthe Meyer-Drawe, Leib. Körper, in: Christian Bermes / Ulrich Dierse (Hg.), Schlüsselbegriffe der Philosophen des 20. Jahrhunderts, Hamburg 2010, S. 207–220. Ommo Grupe, S. 326 ff. 14 Ludwig Klages, Vom Kosmologischen Eros 1922 (91988), S. 63. 15 Ommo Grupe, Art. Leib / Körper, in: Ders. / Dietmar Mieth (Hg.), Lexikon der Ethik im Sport, Schorndorf 1998, S. 328. 16 Isolde Karle, Liebe, S. 15. 17 Ebd., S. 18 f. 18 Ebd., S. 21.
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gleichzeitiger Aufwertung des Körpers zu tun, was »aus der Exklusion des Körpers aus der funktional differenzierten Gesellschaft«19 resultiert. Körperliche Anwesenheit ist für bestimmte Kommunikationsformen nicht mehr zwingend erforderlich. Im Funktionsbereich des Sports aber gilt dies so nicht, da der Körper hier unentbehrlich ist, wobei dies wiederum zu einem extremen Ausschlag des Pendels in die andere Richtung führen kann und die Körperorientierung an die Stelle von Religion oder Familie tritt.20 Von zentraler Bedeutung ist es daher, zu einem ganzheitlichen Verständnis von Leiblichkeit zu kommen, bei dem der Körper in ein positives Licht gesetzt wird, ohne seine Bedeutung zu überhöhen. Philosophie und Theologie bieten hierzu tragfähige Konzepte an. Die französische Phänomenologie, vertreten etwa durch Merleau-Ponty, bietet einen Ansatz, in der die lange vorherrschende Abwertung von Körperlichkeit überwunden wird: »Unsere Leiblichkeit fundiert unsere objektive Existenz als Körper und unsere subjektive Existenz als Bewußtsein zugleich und in eins.«21 Daraus ergibt sich ein doppelter Bezug zum Selbst, da der Leib als Empfindender und Empfundener zugleich beschrieben werden kann: es ist wie mit der Hand, die Druck auf einen Gegenstand ausübt und die zugleich den Druck des Gegenstandes spürt. Bernhard Waldenfels spitzt zu: »Der Leib bezeichnet fortan die Sichtbarkeit und das Sichtbarwerden der Dinge selbst, einen Prozeß also, an dem Ich und die Anderen partizipieren, sofern wir selbst der Welt angehören.«22 Anders als noch bei Klages oder Nietzsche wird die ganzheitliche Sichtweise nicht gegen den Transzendenzbezug ausgespielt, sondern durch den Bezug zum Anderen dezidiert mit einbezogen. Und schließlich wird darin das Motiv der Ebenbildlichkeit des Menschen zu Gott gespiegelt, von dem auch die in der UN-Menschenrechtskonvention deklarierte Menschenwürde abgeleitet ist: »Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau« (1. Mose 1, 27). Hier knüpft die UN-Behindertenrechtskonvention unmittelbar an.23 19 Vgl. Karl-Heinrich Bette, Körperspuren, a. a. O., S. 16. Vgl. Isolde Karle, Liebe, S. 24. 20 Ebd., S. 31. 21 Vgl. dazu: Käthe Meyer-Drawe, Leib, S. 146 ff. Emmanuel Lévinas, Totalität und Unendlichkeit, S. 237, führt aus: »Das Leben ist Leib, nicht nur eigener Leib, in dem sich seine Genügsamkeit zeigt, sondern Schnittpunkt physischer Kräfte, Leib als Bewirktes. In seiner tiefen Furcht bezeugt das Leben diesen immer möglichen Umschlag von Herrschaftsleib zum knechtischen Leib, von der Gesundheit in die Krankheit. Leib sein, das heißt einerseits, sich halten, Herr seiner selbst sein, und andererseits, sich auf der Erde halten, im Anderen sein und dadurch mit seinem Leib belastet sein. Aber – um es zu wiederholen – diese Belastung hat nicht die Form einer reinen Abhängigkeit. Sie macht das Glück dessen aus, der sie genießt.« 22 Bernhard Waldenfels, Phänomenologie in Frankreich, Frankfurt 1983, S. 131. 23 Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (zwischen Deutschland, Liechtenstein, Osterreich und der Schweiz abgestimmte Übersetzung): Art. 30 (Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport): Absatz (5) Mit dem Ziel, Menschen mit Behinderungen die gleichberechtigte Teilnahme an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten zu ermöglichen, treffen die Vertrags-
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Das Besondere und für unsere Fragestellung Relevante an dieser Auffassung ist die Tatsache, dass nicht die körperlich-biologische Fähigkeit wertentscheidend ist, sondern die Aspekte von Ethik bzw. Sozialität, d. h. die Erfahrung der Gegenwart des Anderen: »Ich weiß von der Existenz des Anderen durch meine Erfahrung. Als inkarnierte Bewußtseine können wir uns begegnen, können wir miteinander und gegeneinander agieren.«24 Man kann hier ergänzen: zum einen ist hier ein Umgang auf Augenhöhe gemeint und auch die Erfahrung der Gegenwart Gottes liegt hier begründet.25 Damit kann zugleich der relationale Aspekt der reformatorischen Erkenntnis Martin Luthers verknüpft werden, der in der Unterscheidung von Leib und Seele die Bezüglichkeit des Menschen zur Welt und zu Gott beschrieben hat – allerdings ohne behaupten zu wollen, dass mit Luther die Leibfeindlichkeit seiner Zeit bereits überwunden werden konnte.26 Einen entscheidenden Impuls hat Helmuth Plessner mit der Unterscheidung von Körpersein und Körperhaben gesetzt: Der Mensch ist Körper, kann also nicht gleichzeitig in Gegenwart und Zukunft sein, jedoch zu sich selbst in Distanz treten.27 Problematisch ist, wie Isolde Karle berechtigter staaten geeignete Maßnahmen, a) um Menschen mit Behinderungen zu ermutigen, so umfassend wie möglich an breitensportlichen Aktivitäten auf allen Ebenen teilzunehmen, und ihre Teilnahme zu fördern; b) um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, behinderungsspezifische Sport- und Erholungsaktivitäten zu organisieren, zu entwickeln und an solchen teilzunehmen, und zu diesem Zweck die Bereitstellung eines geeigneten Angebots an Anleitung, Training und Ressourcen auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen zu fördern; c) um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu Sport-, Erholungs- und Tourismusstätten haben; d) um sicherzustellen, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern an Spiel-, Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten teilnehmen können, einschließlich im schulischen Bereich; e) um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu Dienstleistungen der Organisatoren von Erholungs-, Tourismus-, Freizeit- und Sportaktivitäten haben. 24 Käthe Meyer-Drawe, Leib, S. 152. 25 Vgl. dazu die Ausführungen von Emmanuel Lévinas, Totalität und Unendlichkeit, S. 108 f.: »Der Andere ist nicht die Inkarnation Gottes; vielmehr ist er durch sein Antlitz, in dem er körperlos ist, die Manifestation der Höhe, in der sich Gott offenbart. … Alles, was man nicht auf eine zwischenmenschliche Beziehung zurückführen kann, stellt nicht die höhere Form der Religion dar, sondern ihre auf immer primitive Form.« Lévinas will u. a. darauf hinaus, dass die Offenbarung (und damit der Wert) des Anderen sich nicht an seinen (körperlichen) Fähigkeiten misst. 26 Eilert Herms hat zurecht darauf hingewiesen, dass die Formel Luthers, der Mensch bestehe »aus Fleisch und lebendiger Seele« genau dies beschreibt: das Verhältnis zur Welt und zu Gott und nicht einen Dualismus in ihm selbst: »Wenn die evangelische Theologie von Körper und Geist des Menschen redet, so meint sie in aller Regel nicht den problematischen Sachverhalt, ob und wie der Mensch aus Körper und Geist oder als Körper / Geist-Einheit besteht, sondern einen anderen Sachverhalt, nämlich: Als Mensch zu leben heißt, sich kontinuierlich handelnd zu verhalten, und zwar in zwei Richtungen: zur Welt und zu Gott.« Eilert Herms, Sport, S. 14. Vgl. kritisch: Franz Enz, Sport, S. 176 ff.; Erich Geldbach, Sport, S. 15. 27 Helmuth Plessner, Die Stufen des Organischen und der Mensch, Berlin / New York 1975.
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Weise hervorhebt, wenn ein aufgrund dieser Unterscheidung konstruierter Dualismus von Leib und Körper Urständ feiert.28 Theologisch begründete Ansätze zu einer veränderten und die lutherisch-reformatorischen Impulse aufnehmenden Sicht über den Sport fanden sich bei Johann Amos Comenius, dem letzten Bischof der Böhmischen Brüder, bei den englischen Puritanern und deutschen Pietisten, bei den Philanthropisten und dem bereits erwähnten »Turnvater« Ludwig Jahn. Comenius etwa deutet Bewegung und Spiel als gottwohlgefällige und gesunde Ausdrucksweisen des Menschen. In den christlichen Jugendorganisationen des YMCA (deutsch: CVJM), dem katholischen DJK oder der US-amerikanischen Bewegung der »Athletes in Action« bzw. »Fellowship of Christian Athletes« hat das Verhältnis der Kirche zum Körper / Leib und zum Sport stets eine wichtige und entscheidende Rolle gespielt; Sportarten wie Basketball oder Volleyball sind »Erfindungen« des YMCA, um den fairen Umgang (durch möglichst »körperloses« Spiel, d. h., ohne den Gegner beim Spielzug zu berühren) einzuüben.29 Biblisch-theologisch lassen sich verschiedene Anknüpfungspunkte für ein modernes Verständnis finden. In der Hebräischen Bibel, dem Tenach, ist der Begriff des »Leibes« weniger gebräuchlich als die Begriffe »Fleisch und Geist«. Leben wird körperlich verstanden, Leib- und Seelebezüge sind im Blick auf die Person konstitutiv.30 Der Apostel Paulus hatte in Römer 12,1 ff. zwischen Körper (Fleisch, gr. »sarx«) und Leib (»soma«) unterschieden: während der (sterbliche) Körper im alltäglichen Dienste Gottes steht, ist der Leib die Individualität und hat den Charakter der Unverwechselbarkeit (vgl. auch 1. Kor. 15, 35 ff.). An anderer Stelle hat er den Leib mit seinem doppelten Bezug zu Gott und zur Welt als den »Tempel des Heiligen Geistes« bezeichnet (1. Kor. 6, 19). Paulus wie auch anderen Autoren biblischer Schriften war bewußt, dass der Körper der Vergänglichkeit ausgesetzt ist (vgl. Jes. 40,6 und Röm. 8,12). In anderem Zusammenhang verwendet Paulus das Bild vom Leib und seinen vielen Gliedern zur Beschreibung ethisch sinnvoller Zusammenarbeit einer Gruppe von Menschen – eine biblisch-theologische Idee von gleichwertiger, zusammenwirkender Vielfalt (1. Kor. 12, 12–31). Auch den körperlichen Wettkampf der Athleten hat Paulus positiv gewürdigt (1. Kor. 9, 24–27, vgl. 2. Tim. 2, 4; Phil. 3, 12–15) und sein eigenes sprachliches handicap war – wie schon im Fall des von Gott für den als besonderen Mittler ausgesuchten Mose (2. Mose 4, 11) – kein Hinderungsgrund für seine besondere Mission. Auch der Prophet Jesaja besaß körperliche handicaps (vgl. Jes. 53, 2) – so wie viele Menschen, denen sich Jesus zu vielen Gelegenheiten zuwandte und die aufgrund ihres handicaps von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen waren: Menschen mit Aussatz, Epilepsie, Bewegungs-, Seh- und Hörstörungen. 28 Vgl. dazu Isolde Karle, Liebe, S. 34 f. 29 E. Geldbach, Sport, S. 16. 30 Vgl. Dörte Bester / Bernd Janowski, Anthropologie des Alten Testaments. Ein forschungsgeschichtlicher Überblick, in: Bernd Janowski / Katrin Liess (Hg.), Der Mensch im Alten Israel. Neue Forschungen zur alttestamentlichen Anthropologie, Freiburg u. a. 2009, S. 3–40.
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Im Grundsatz ging es dabei jeweils um einen inklusiven Ansatz und die künftig gleichwertige Teilhabe an der Gemeinschaft.31 Das ist – neben allen anderen körperfreundlichen biblischen Aspekten im Zusammenhang mit jüdischen Reinigungsbädern, Taufe, Festen und leiblichen Genüssen (Essen & Trinken) – eine geeignete theologische Grundlage für die hier zu erörternden Fragen: die selbstverständliche Vielfalt bzw. Diversität der gleichwertigen Formen menschlichen Lebens, die ethische Forderung nach Gerechtigkeit und Teilhabe gerade im Hinblick auf Körper und Leib sind Grundanliegen der jüdisch-christlichen Theologie. Im Sport ist der Aspekt der empfundenen Einheit als Identität von höchster Bedeutung, Leiblichkeit in diesem Sinne ist eine Vermittlung gegenüber Gott, zu den Anderen und zur Welt. In der Unterscheidung von gelebtem und erlebtem Leib werden die beiden Seiten noch einmal deutlich: wenn man sich wohl fühlt in seinem Körper, bleibt der Körper gleichsam »anonym«, es wird als »Einssein« erlebt, wir sind identisch, sind in diesem Moment also unser Leib, mit dem wir vermögen, etwas zu tun.32 Ein mögliches Unvermögen, das die Geschlossenheit des Verhältnisses von Leib und Ich aufheben kann, macht den Körper zum Gegenstand in unserem Denken: Ich bin nicht mehr mit mir identisch, sondern mache mir Gedanken über meinen Körper. Um den idealen Zustand der Anonymität des Körpers (wieder) herzustellen, bedarf es entweder der Heilung (bei Krankheit) oder der Ermächtigung zur Ausübung der Fähigkeit (bei einer Behinderung durch ein körperliches Defizit). Natürlich liegt hierin eine Ambivalenz, denn jeder Mensch schwankt in seinem körperlichen Weltbezug zwischen Identität (Übereinstimmung) und Konflikt (Entzweiung): Ich bin gezwungen, mein Leben zu führen und bin daher auch verantwortlich für meinen Körper – und im Sinne des phänomenologischen Verstehens: für den Körper des Anderen. In dem Abschnitt »Sport als Heilerziehung« hat Franz Enz33 vor vierzig Jahren den Stand der damaligen theologischen Diskussion zur Frage des Umgangs mit Menschen mit einem behinderten Körper wiedergegeben, die im Tenor zwischen Segregation und Integration schwankte. Als »Ordnungsversuch der möglichen Fehlentwicklungen« sollte das besondere Verhältnis von Leib und Seele dienen, zumal die Heilerziehung als originär christliche Aufgabe begriffen wurde. Im Blick waren dabei in erster Linie Kinder und Jugendliche, die die »Heilerziehung als erschwerte Sonderform der Erziehung« genießen sollten.34 Das am Christentum sich orientierende Menschenbild 31 Besonders aussagekräftig ist hier die Geschichte über einen Gelähmten aus Markus 2, 1–12, der von seinen vier Freunden über das Dach in das von Menschen überfüllte Haus vor Jesu Füße gelegt wird: Jesus lobt den zuversichtlichen Glauben und das Engagement der Freunde als Grundlage der folgenden Entwicklung, vergibt dem Gelähmten seine Sünden und hebt damit die Ursachen seines Teilhabemangels auf. Vgl. zu Interpretation dieses Textes auch: Rainer Schmidt, Lieber arm ab als arm dran, S. 129–134. 32 Vgl. Ommo Grupe, Art. Leib / Körper, S. 329. 33 Franz Enz, Sport, S. 122–131. 34 Ebd., S. 123.
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werde dabei »dem Eigenwert jeglichen menschlichen Lebens – auch in seiner extremsten Mangelform – gerecht«. Aus diesem an sich guten Ansatz werden dann aber keine weitreichenden Schlussfolgerungen gezogen, vielmehr bleibt Enz dem Segregationsschema weitgehend verhaftet, wenn er fordert, dass der »behinderte Mensch« sich – heilpädagogisch unterstützt – der gesellschaft lichen Norm anpassen solle. Sport wird zwar als wichtiger Teil therapeutischer Maßnahmen gewertet, der »Minderwertigkeitsgefühle« reduzieren kann, aber zu einer wirklichen Kompensation empfundener Defizite sieht er den »mangelbehafteten« Menschen nicht in der Lage. So kommt Enz zu dem Ergebnis, dass dem Sport eine lebensbejahende Kraft innewohne35, eine Behinderung (egal in welcher Form) aber als individuelles Defizit der betroffenen Person bestehen bleibe. Zur Überwindung einer solchen »exklusiven« Sicht kann erst ein Ansatz führen, der neben das jüdisch-christliche Menschenbild von der Gleichwertigkeit jedes menschlichen Lebens auch die Gleichwertigkeit einer umfassend bestehenden Diversität setzt – und nicht auf der Anpassung an eine gesetzte gesellschaftliche Norm besteht. Die bereits im Zusammenhang mit der Frage nach Körper und Leib erörterte Seite des Leib-Seele-Welt-Verhältnisses führt aus diesem Dilemma heraus, bei dem die alte Formel des »mens sana in corpore sano« dualistisch falsch interpretiert ist und Luthers Idee des Doppel-Verhältnisses des Menschen zu Gott und zur Welt nicht ernstgenommen wird. Die begriffliche Differenzierung dessen, was seit den 70er Jahren als »Behinderung« bezeichnet wird, führt hingegen weiter: die von der Weltgesundheitsorganisation schon in den 80er Jahren vorgenommene Unterscheidung zwischen »impairment« = Schädigung, »disability« = Beeinträchtigung der Funktion und »handicap« = soziale Beeinträchtigung ermöglicht Umkehrungen in der Betrachtungsweise von Ursache und Umgang mit Unterschiedlichkeit, Vielfalt / diversity. Nicht mehr muß sich der behinderte Mensch nicht mehr der Norm der Mehrheit anpassen, muß / kann sich selbst gerecht werden, um Segregation und Exklusion zu verhindern: »Behinderung« ist ein soziales Phänomen, bei dem das Bild von »Behinderung« von Fremden an die Menschen mit Behinderungen herangetragen wird.36 In der letzten Zeit ist es gelungen, sich theologisch aus den bisher weitgehend bestimmenden und sehr häufig auf die Interpretation der Paulus-Briefe bezogenen Dualismen in Bezug auf die Frage nach der »Person« zu befreien. Der weltliche Körper kann nicht vom Fleisch getrennt gesehen werden, was bedeutet, dass man sich von allen reduktionistischen Thesen verabschieden muss: »The flesh inalienably belongs to the historical-material basis oft he body, and thus (according to Paul) also tot he higher level of human existence in heart and soul.«37 Zwar kritisiert Paulus auf der einen Seite die Neigung 35 Ebd., S. 125. 36 Vgl. Rainer Schmidt, Lieber arm ab, als arm dran, S. 111. 37 Michael Welker, Flesh-Body-Heart-Soul-Spirit, in: Ders., S. 48.
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des Fleisches zu Sünde und Verfehlung (Trunkenheit, sexuelle und andere Ausschweifungen) und man kann von daher den Eindruck gewinnen, er werte die fleischliche Seite des Körpers ab. Anhand der paulinischen Kritik an der Zungenrede wird jedoch deutlich, dass das Profil des Geistes (»Spirit«) nicht in einer abstrakten Opposition zum Fleisch zu sehen ist.38 Der Körper ist nicht nur durch das differenzierter zu verstehende »Fleisch« gestaltet und charakterisiert, »but also by a multitude of spiritual forces, and it points to a completely different set of dynamics than the flesh, which aims in a finally futile way at self-preservation.«39 Der Körper ist identitätsstiftend. Zugleich ist Leiblichkeit »immer auch Abhängigkeitserfahrung. Als Leiblicher ist der Mensch Geschöpf Gottes bzw. als Getaufter Teil des Leibes Christi.«40 Der Körper ist für Paulus keine materielle Entität, sondern ein komplexer Organismus, der von ihm ja auch als Vorbild für das Leben in der Gemeinde beschrieben wird (1. Kor 12,12 ff.). Der Körper ist außerdem der Tempel des Heiligen Geistes (1. Kor. 6,19 f.). Zwischen Körper (soma / body) und Geist (soul / spirit) herrscht ein kompliziertes Zusammenspiel im Individuum wie in der Gemeinschaft. Von wesentlicher Bedeutung für das Verständnis der paulinischen Anthropologie ist das »Herz« – was unmittelbar anschließt an die Bedeutung des »Herzens« in den Psalmen.41 Weder Psyche noch Seele haben ein eschatologisches Privileg, vielmehr ist das Herz »an exeptionally important entity in Paul’s anthropology.«42 Das Herz ist der Ort verborgener Absichten und Gedanken, in ihm kommen emotionale und moralische Energie zusammen, es verleiht die notwendige Charakterfestigkeit, empfängt Trost und Führung, ist der Ort der Leidenschaft, bezeugt Entschlossenheit und spirituellen Gehorsam.43 »Das Licht des Leibes ist das Auge, das Licht des Nachfolgenden ist das Herz« – so formuliert es Dietrich Bonhoeffer in seinem Buch »Nachfolge« im Anschluss an Paulus – »das Herz aber wird finster, wenn es sich an die Güter der Welt hängt.«44 Wir können bei Paulus insgesamt von einer ganzheitlich-vieldimensionalen Anthropologie sprechen, die zwischen Körperoptimismus und Körperpessimismus schwankt.45 Diese Ambivalenz hatte zu jener problematischen Rezeption der paulinischen Theologie geführt, die ihm eine generelle Körper- bzw. Leibfeindlichkeit unterstellte: Die der »Sarx« zugeschriebene Anfälligkeit für die Macht der Sünde wird erst durch die Taufe erlangt, durch die der Mensch in den »heilvollen Machtbereich Jesu Christi«46 gelangt. 38 Ebd., S. 48 f. 39 Ebd., S. 50. 40 Isolde Karle, Liebe, S. 44. 41 Ebd., S. 38. Sie verweist u. a. auf Ps 16 und 73. 42 Ebd., S. 55. 43 Ebd., S. 56. 44 Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge (DBW 4), hg. von Martin Kuske und Ilse Tödt, München 1989, S. 167 f. 45 Gerhard Theißen, Erleben und Verhalten der ersten Christen, S. 85 f. 46 Isolde Karle, Liebe, S. 46.
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Für die hier zu behandelnde Frage nach Inklusion für Menschen mit Behinderungen und andere Benachteiligte ist ein weiterer Aspekt der Paulinischen Theologie von Bedeutung: Seine persönlichen Erfahrungen mit Schwäche und Behinderung führte ihn zu der Einsicht, dass gerade hier auf Gott Verlass ist: »Mitten in seiner körperlichen Beeinträchtigung erfährt Paulus Gottes Beistand und Macht«.47 Gott ist auf der Seite der Schwachen: Schwäche und Sterblichkeit sind erstens so unausweichlich menschlich, dass die Menschwerdung Gottes sich gerade darin zeigt. Deshalb kann zweitens ein Mensch nicht darüber bestimmt werden, ob und in welchem Ausmaß er schwach ist – sondern über den Umgang damit.«48. Die aktuelle biblisch- und systematisch-theologische (positive!) Neubewer tung von Leiblichkeit / Körperlichkeit hat einen erheblichen Einfluss auf das Verständnis von Inklusion, insbesondere dann, wenn, wie gezeigt, auch die Aspekte von Schwäche, Sterblichkeit, Behinderung oder Krankheit nicht mehr als Defizit, sondern als Bestandteil von Vielfalt und Diversität verstanden werden. 2.
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Der Nährboden christlich-theologischen Denkens sind ohne Zweifel die biblischen Schriften, besonders des Zweiten Testaments mit den Evangelien und Briefen. Deren Auslegung und Interpretation sind wegweisend auch für Verständnis von »Krankheit und Behinderung«, sie sind Leitlinien für aktuelle ethische Handlungsoptionen.49 Fraglos gibt es bereits im Ersten Testament deutliche Hinweise auf das Unperfekte, Fragmentarische, wie es nicht nur in der Schöpfungsgeschichte deutlich wird.50 Die Klagepsalmen, die im Hiob-Buch gesammelten und reflektierten Erfahrungen von Einschränkungen, sozialen und körperlichen Behinderungen mit ihren strukturellen Auswirkungen beinhalten zugleich die Hoffnung auf deren Überwindung.51 In diesen Zusammenhang gehören auch die zentralen Befreiungsgeschichten Israels und vieles mehr, was zu einer »Ethik des Alten Testaments« zu zählen ist.52 Es kann jedoch keine Rede da47 Ebd., S. 48. 48 Stefanie Schäfer-Bossert, Signifikant anders. Über Auferstehungen, Gleichzeitigkeiten und Grenzüberschreitungen, in: Ilse Falk / Kerstin Möller / Brunhilde Reiser / Eske Wollrad (Hg.), So ist mein Leib. Alter, Krankheit, Behinderung – feministisch-theologische Anstöße, Gütersloh 2012, S. 179–210, S. 188. 49 Vgl. Udo Schnelle, Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 2007; Wilfried Härle, Ethik, Berlin / New York 2011. 50 Vgl. oben, Abschnitt 2. 51 Vgl. u. a. Erich Zenger, Am Fuße des Sinai. Gottesbilder des Ersten Testaments, Düsseldorf 1993. 52 Vgl. Rainer Kessler, A Strange Land. Alttestamentliche Ethik beiderseits von Ärmelkanal und Atlantik, in: ThLZ 135, 2010, Sp. 1308–1322.
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von sein, dass es hier eindeutige Lösungen oder Rezepte gibt – vielmehr gilt, dass man in den Diskurs hineingezogen wird – gerade auch bei der Rezeption der Erzählungen in der Tora53 wie in den Evangelien: »The Bible is not about answers, but, as the Judaic tradition would have it, about what questions still need to be asked.«54 Zwischen Krankheit und Behinderung wird bei der Interpretation der Heilungsgeschichten Jesu in den Evangelien häufig nur unzureichend differenziert.55 Erst neuere Exegese hat gezeigt, dass dies für das Verständnis der Heilungsgeschichten nicht unerheblich ist. Jesus wendet sich darin Menschen mit Behinderungen zu – aber nicht nur ihnen, sondern in gleicher Weise auch den Menschen in ihrem Umfeld.56 Man kann hier durchaus von Inklusionshandlungen sprechen. Menschliche Existenz ist einerseits auf Sozialität hin angelegt, d. h., jeder Mensch bewegt sich von vornherein nicht allein, sondern innerhalb eines mehr oder weniger engen sozialen Gefüges durch das Leben. In diesem Feld gibt es eine große Bandbreite von Vulnerabilität und notwendiger Unterstützung: nach der Geburt, im Alter und beim Sterben, in Krankheit und bei einer Behinderung ist die Notwendigkeit dazu besonders groß. Die in den Heilungsgeschichten vorgestellten Personen sind jeweils auf Unterstützung angewiesen, die am Rande der Gesellschaft aber nur sehr schwer zu erhalten ist. Ulrich Bach war derjenige, der das Thema der Behinderung auch hinsichtlich der Hermeneutik biblischer Texte in eine ganz neue Richtung geführt hat.57 Bach schlägt vor, die Perspektive vollkommen zu verändern und begründet entsprechend auf biblisch-theologischer Basis: 53 Mary E. Mills, Biblical Morality. Moral perspectives in Old Testament narratives, Aldershot u. a. 2001. 54 Peter J. Haas, The Quest for Hebrew Bible Ethics: A Jewish Response, in: Semeia 66, 1995, S. 151–159, 159. Gerade der Protestantismus kennt die lehramtliche Letztentscheidung nicht – es gilt, immer wieder in den Diskurs zu gehen. Kessler, Strange Land, a. a. O., Sp. 1321. 55 Vgl. in dieser Hinsicht undifferenziert: Klaus Kliesch, Blinde sehen, Lahme gehen. Der heilende Jesus und seine Wirkungsgeschichte, in: Eurich / Hob-Lüdepohl, Inklusive Kirche, S. 101–112. 56 Ders., S. 101, schreibt aber zurecht: »Die Heilungsgeschichten Jesus sind keine Normalisierungsgeschichten oder Integrationsgeschichten von Menschen mit Behinderungen in die Welt derer, die sich für gesund und unbehindert halten… Sie sind Protestgeschichten … in der die Grenzen unerträglicher Normalität zu Gunsten der Menschen überwunden werden, die behindert sind und behindert werden.« Vgl. insgesamt dazu: Gerd Theissen / Annette Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen 42011, 256–284; Ruben Zimmermann, Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen, Bd. 1: Die Wunder Jesu, Gütersloh 2013; Bernd Kollmann, Neutestamentliche Wundergeschichten. Biblisch-theologische Zugänge und Impulse für die Praxis, Stuttgart 22007. 57 Vgl. nicht zuletzt die Homepage unter www.ulrich-bach.de; Ulrich Bach, Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz. Bausteine einer Theologie nach Hadamar, NeukirchenVluyn 2006. Ders., Getrenntes wird versöhnt. Wider den Sozialrassismus in Theologie und Kirche, Neukichen-Vluyn 1991.
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Theologische Ansätze zur Inklusion im Blick auf den Sport Ob ein Mensch Mann ist oder Frau, blind oder sehend, schwarz oder weiß, dynamischaktiv oder desorientiert-pflegeabhängig, ist theologisch (von Gott her, im Blick auf Heil oder Unheil!) absolut ohne Bedeutung. Von Bedeutung ist allein, daß das alles ohne Bedeutung ist. Das allerdings ist von Bedeutung; denn es entscheidet darüber, ob wir noch ›dem Alten‹ zugehören (wir alle, ich denke jetzt nicht etwa nur an die Ausgegrenzten, sondern besonders stark an die unbewußt und ungewollt Ausgrenzenden), oder ob es unter uns ›neue Kreatur‹ gibt: alle allzumal einer in Christus, die Familie Gottes, der Leib Christi, die Gemeinde als ›Gegenwirklichkeit zur Apartheid‹.58
Zum Reden über das menschliche Leben gehört nicht nur die Stärke, sondern vor allem auch das Defizitäre: schon die biblischen Geschichten von der Geburt des Gottessohnes zeigen dies deutlich, wenn von der Bedrohung des gerade Geborenen die Rede ist, aber auch die Ängste Jesu im Garten Gethsemane, sein Schreien am Kreuz: »Auch der Gottessohn spürt keinen Boden unter den Füßen.«59 Die Theologie des Kreuzes ist hier in so umfassenden Sinn im Hintergrund seiner Argumentation, dass Bach auch sagen kann: es geht bei den Heilungsgeschichten immer um das Ganze, nicht um die partikulare Heilung des Einzelnen von seiner Behinderung – denn das genau würde die Grenzen nicht einreißen, sondern manifestieren. Bach skizziert auf Grundlage der biblischen Tradition eine »Theologie des Imperfekten«. Ein heiles Leben ist keineswegs mit einem perfekten Leben gleichzusetzen, »vielmehr ein Leben in der Nachfolge Jesu mit leidenschaftlichem Engagement gegen die tödlichen Erstarrungen und Gefangenschaften von Lebensgeschichten aufgrund menschlicher Fixierungen. So baut eine Theologie des Imperfekten auf dem solidarischen Umgang aller Menschen in einer Gemeinschaft auf.«60 In ähnlich grundsätzlicher Weise argumentiert auch Jürgen Moltmann, wie noch zu zeigen sein wird.61 Wenn von Gemeinde die Rede ist, haben – etwa in paulinischer Diktion – die Unterschiede und Differenzen keine trennende Bedeutung, sind nicht mit einer Wertigkeit verbunden, sondern alle sind Glieder am gleichen Leib, alle Reben am gleichen Weinstock (Joh 15, Gal 3).62 Behinderung ist keineswegs Folge von falschem individuellen Handeln im Sinn von Sünde und Strafe.63 Sie ist vielmehr eine Konstruktion in historischer, sozialer 58 Ulrich Bach Ohne die Schwächsten, S. 26. Vgl. ebd., S. 9: »Zur Grundaussage biblischer Verkündigung gehört die Gleichheit aller Menschen vor Gott (es gibt nicht verschiedene ›Sorten‹: die ›Normalen‹ und die ›Ausnahmen‹).« 59 Ebd., S. 47. 60 Anne Krauss, Barrierefreie Theologie. Herausforderungen durch Ulrich Bach. S. 411, abrufbar unter: www.ulrich-bach.de/AnneKraussDissertation.pdf, zuletzt abgerufen am 15.5.2017 (überarbeitete Version ist erschienen unter dem Titel »Barrierefreie Theologie. Das Werk Ulrich Bach vorgestellt und weitergebracht, Stuttgart 2014). 61 Vgl. das folgende Kapitel. 62 Vgl. dazu auch Ulrich Bach, Ohne die Schwächsten S. 48 f. 63 Vgl. dazu auch Ruben Zimmermann, Krankheit und Sünde im Neuen Testament am Beispiel von Mk 2, 1–12, in: Günter Thomas / Isolde Karle (Hg.), Krankheitsdeutung in der postsäkularen Gesellschaft. Theologische Ansätze im interdisziplinären Gespräch, Stuttgart 2009, S. 227–246.
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und kultureller Hinsicht64, bei der Sünde jeweils im Sinne von strukturellen oder kommunikativen Defiziten eine Rolle spielt. In den biblischen Texten über die Gemeinschaft des Gottesvolkes, über die christliche Gemeinde, in den Geschichten, in denen sich Jesus Menschen mit Behinderungen zuwendet, keimt eine Hoffnungsperspektive, die nicht an der Wirklichkeit vorbeigeht, sondern die Dinge, die Defizite beim Namen nennt – auch und gerade in all ihrer Problematik.65 Sie ignorieren die systemisch vorhandenen Prozesse von Exklusion, Separation und Ausgrenzung keineswegs, vielmehr werden diese kompromisslos benannt, um dann Alternativen aufzuzeigen. In diese realistische Sicht hinein entwickeln sich von Hoffnung getragene Handlungen. Dabei sind insbesondere die sog. Heilungshandlungen, in die Jesus sich selbst hineinverstrickt, nicht von ihm allein getragen, sondern stets liegt die Möglichkeit der Handlungen bei vielen Akteuren zugleich, ja, ohne ihre Beteiligung wären die Heilungen, die auf die jeweils gesamte gesellschaftliche Situation zielen, ohne Wert.66 Heilung ist kein billiges »Gesundmachen«, sondern ein komplexer Prozess von Veränderungen, in dem Menschen plötzlich in neuer Weise zueinander stehen und sich gegenseitig neu wahrnehmen können. Von wesentlicher Bedeutung ist die Gewinnung einer eschatologischen Perspektive über die Endlichkeit hinaus, wie Günter Thomas u. a. in Bezug auf Dietrich Bonhoeffer zum Thema »Krankheit« deutlich macht.67 Behinderung ist wie das Altern oder eine Krankheit konstitutiv für das Leben – eine allgemeingültige Norm von Krank / Nicht-Krank, Behindert / Nicht-Behindert, Alt / Jung gibt es nicht, sie ist reines Konstrukt, Fiktion. Der Mensch ist im irdischen Leben begrenzt.68 Nicht die Gesundung von Krankheit / Behinderung steht im Vordergrund (wenngleich sie nicht ausgeschlossen ist), sondern die Heilung durch Überwindung von Entfremdung als Exklusion.69 64 U. a. dazu: Anne Waldschmidt / Werner Schneider (Hg.), Disability Studies, Kultursozio logie und Soziologie der Behinderung. Erkundungen zu einem neuen Forschungsfeld, Bielefeld 2007. 65 Vgl. Günter Thomas, Behinderung als Teil der guten Schöpfung Gottes? Fragen und Beobachtungen im Horizont der Inklusionsdebatte, in: Johannes Eurich / Andreas Lob-Hüde pohl (Hg.), Behinderung – Profile inklusiver Theologie, Diakonie und Kirche, Stuttgart 2014, S. 67–97. 66 So etwa die Geschichte der Heilung des behinderten Mannes nach Mk 2, der von den Freunden durch das Dach vor Jesu Füße gebracht wird: ausschlaggebend ist das Ansinnen der Freunde, deren Glauben der Motor der ganzen Aktion ist. Vgl. Kapitel V in diesem Band und auch: Ilona Nord, »So etwas haben wir noch nie gesehen« (Mk 2, 12). Zur inklusiven Dimension der Homiletik, in: PTh 101. Jg., 2012, S. 288–301. 67 Günter Thomas, Krankheit als Manifestation menschlicher Endlichkeit. Theologische Optionen zwischen Widerstand und Ergebung, in: Markus Höfner / Stephan Schaede / Ders. (Hg.), Endliches Leben. Interdisziplinäre Zugänge zum Phänomen der Krankheit (Religion und Aufklärung Bd. 18), Tübingen 2010, S. 161–194. 68 Vgl. dazu: Günter Thomas, Der begrenzte Mensch. Theologische Skizzen zu Altern, Krankheit und Behinderung (Theologische Anstöße), Neukirchen-Vluyn 2016. 69 Kathy Black, Healing Homiletics, Nashville 1996, S. 56.
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Christen können eine geschärfte Wahrnehmung entwickeln, Perspektiven verändern, sensibel sein für Spielräume, in denen es Möglichkeiten gibt für alternatives Handeln.70 In diesem Sinn kann Ulrich Bach formulieren: »Fragt nicht in erster Linie, was ihr könnt und was ihr nicht könnt. Hört, wer ihr seid, was Gott euch sein lässt: Eine Gruppe sehr unterschiedlicher, aber völlig gleichwertiger Menschen, die hier ›im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes‹ zusammengekommen sind: Ihr gehört zusammen als bunte Gemeinde Gottes.«71 Insofern bieten die biblischen Texte eine originäre Orientierungshilfe für ethische Urteilsfindungen insgesamt und für das Verständnis von Inklusion als notwendiger ethischer Forderung im Besonderen. 3.
Inklusion als Begriff für Öffentliche Theologie und Kirche
Das Thema der »Inklusion« ist vor geraumer Zeit von außen72 auf die Theologie zugekommen, verweist aber auf ureigene Themen der Theologie. Durch die Beschäftigung mit »Inklusion« wird eine »Reflexionsbewegung« innerhalb der Theologie angestoßen, die bereits bei ausgewählten Topoi angekommen ist: bei der Dogmatik (Lehre von Gott, Antropologie, Ekklesiologie), bei den Fragen von Menschenwürde / Menschenrechten (z. B. Menschen mit Behinderungen, sozialen Teilhabefragen, Migration), in der Praktischen Theologie bzw. den Diakoniewissenschaften (Disability Studies und Diakonie, Konfirmandenarbeit und Religionsunterricht), und im Zusammenhang weiterer (sozial-)ethischer Fragestellungen (z. B. Gerechtigkeit). An anderer Stelle sind die Berührungspunkte noch ausfindig zu machen und zu benennen. Insofern ist nicht von einer »Theologie der Inklusion« zu sprechen, sondern davon, Begriff und Idee der Inklusion theologisch zu reflektieren. Denn davon ist abhängig, inwieweit Theologie bzw. Kirche als Akteure, Impulsgeber und Teilnehmende an der öffentlichen Diskussion zu diesem Thema sein können.73 Christliche Theologie verweist auf die Offenbarung Gottes auf der einen und die Erkenntnis des Menschen auf der anderen Seite74, ist also in sich relational. Sie ist grundsätzlich auf das Thema von Beziehungen und Kommunikation ausgerichtet. Das gibt schon das trinitarische Relationsverhältnis von Gott selbst vor: Er ist in seinen drei Seinsweisen als Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist dennoch ein Gott.75 Dass Gott alles umfasst, korrespondiert mit dem 70 Günter Thomas schlägt vor, den Begriff der »Veränderungssensibilität« zu verwenden. 71 Ulrich Bach, Ohne die Schwächsten, S. 17. 72 Wolfhard Schweiker, Inklusive Praxis, S. 131. 73 Vgl. dazu auch die Überlegungen von Ulf Liedke, Inklusion in theologischer Perspektive, S. 32. 74 So Georg Picht in der Einleitung zu dem Band »Was ist Theologie?«, S. 13. 75 Vgl. Ulf Liedke, Beziehungsreiches Leben, S. 34. Die Gott-Rede ist stets »notwendig trinitarisch, weil schöpferischer Ursprung, Schöpfung und Passion, Gegenwärtigkeit des Geistes nicht nur wesentliche, sondern vollständig alle Dimension der Erfahrung aufdecken,
Inklusion als Begriff für Öffentliche Theologie und Kirche
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Gedanken der Gottebenbildlichkeit, dem Ursprung der menschlichen Würde, zu der insbesondere auch der Gedanke der körperlichen Unversehrtheit und ein unbedingtes Recht auf Rechte76 gehören. Personen sind zudem (auch) Leibsubjekte.77 Der Schöpfergott steht dem als gleichwertig »gut« Geschaffenen gegenüber in Relation. Der Mensch hat im Geschaffenen bzw. in der Schöpfung spezifische Aufgaben, die in drei Schritten beschrieben sind: im dominium terrae (Gen 1,28), dem Herrschaftsauftrag, in der imago (Gen 1, 26), der Gottebenbildlichkeit, und im valde bonum, der Bestätigung im Segen Gottes (Gen 1,31).78 Aus diesem Dreiklang erwächst die Verantwortung des Menschen im Blick auf Ökonomie, Politik und Gesellschaft. Hermann Deuser hat fünf Dimensionen vorgeschlagen, die die Verantwortung des Menschen für die Schöpfung präzisieren: Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Hoffnung und Liebe.79 Diesen Überlegungen will ich mich anschließen, weil sie Anschlussmöglichkeiten bieten für das Projekt von Inklusion. a) Wilfried Härle hat die »Gerechtigkeit« (hebr. Zedaka) als einen Kern gedanken des im sog. Alten Testament bezeugten und beschriebenen Gottesbundes benannt und darüber hinaus als zentralen reformatorischen Gedanken der Rechtfertigung des Menschen sichtbar gemacht.80 Gerechtigkeit steht gegen Ausgrenzung, Übervorteilung, Vernichtung etc. – für das Wahrnehmen und die Achtung des Anderen. Gerechte Teilhabe für alle, nicht die selektive Ausgrenzung der »Anderen« ist das Ziel eines inklusiv zu denkenden Gerechtigkeitsbegriffs. b) Bei der sich nicht exklusiv gestaltenden Frömmigkeit ist das »instinktive und kreative Staunen« entscheidend, wie es Deuser mit Verweis auf C. S. Peirce formuliert.81 Diese »Frömmigkeit« als Grundhaltung ist offen für Neues, für Wunderbares und Fremdes. Sie bezeichnet nicht nur die religiöse Praxis und ihren Ausdruck in Gebet, Gesang, Gottesdienstbesuch oder Diakonie, sonbeschreiben und verarbeiten. Ohne Trinität verliert die religiöse Erfahrung ihre Struktur – und damit ihre Lebendigkeit im Weltprozeß.« (Hermann Deuser, Kleine Einführung in die systematische Theologie, 65). Zu Unterscheidung und Zusammenhang von ökonomischer und immanenter Trinität vgl. Wilfried Härle, Dogmatik, S. 390–408. 76 Vgl. Christoph Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung. Zur Dogmatik des Art. I GG, Tübingen 1997, S. 501. 77 Eilert Herms, ›Füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet…‹ Das dominum terrae und die Leibhaftigkeit des Menschen, in: Ders., Gesellschaft gestalten, Tübingen 1991, S. 25–43. 78 Vgl. Hermann Deuser, Kleine Einführung, S. 68. 79 Ebd., S. 69 ff. 80 Vgl. Wilfried Härle, Luthers reformatorische Entdeckung – damals und heute, in: ZThK, Bd. 99, 2002, S. 278–295. 81 Hermann Deuser, Kleine Einführung, S. 72. Charles S. Peirce, Religionsphilosophische Schriften, Hamburg 1995, S. 347–353.
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Theologische Ansätze zur Inklusion im Blick auf den Sport
dern auch ein Berufsethos oder eben die Naturbewunderung.82 Sie steht in religionswissenschaftlicher Perspektive im Gegensatz zur reflektierenden Theologie und meint den subjektiven, durchaus konkreten Vollzug des Glaubens.83 Sie entspricht in vielem den Begriffen von »Spiritualität« und »Religiosität«.84 Tatsächlich eröffnet die Frömmigkeit im Gegensatz zur theologischen Reflexion die Chance zum intuitiven Verstehen, etwa durch unmittelbare Begegnung. Aus dem Glauben bzw. der Frömmigkeit sind Konsequenzen ethischer Art zu ziehen, die auch für diakonische Arbeit der Kirche von zentraler Bedeutung sind. Umgekehrt braucht es »neben kritischer Aufklärung und dialogischer Toleranz, neben sozialem Engagement und diakonischem Tun auch eine gereifte Innerlichkeit, auch eine an Bibel und Bekenntnis orientierte Sehnsucht nach einem Ankommen bei Gott…«, formuliert Wolfgang Huber im Blick auf Frömmigkeit bzw. Spiritualität.85 c) Die Geschichten des Scheiterns (in der Schöpfung, Gen 1–11, mit Sündenfall, Sintflut und Turmbau zu Babel; in der Passionsgeschichte der Evangelien) sind zentral für den Aspekt des Glaubens, der hilft, Gott zu entsprechen.86 Die Einsicht in die Tatsache, dass der Mensch unperfekt ist, immer nur in »fragmentarischer Existenz«87, ist hilfreich und relativiert den Zwang zur Normativität. Dabei überwindet das die Hürden von »Integration«. Das Bewußtsein eines »simul justus et peccator« eröffnet positiv den Zugang zur Notwendigkeit ständiger (Selbst-)Reflexion angesichts der Ereignisse von Exklusion, Ausgrenzung, Gewalt, Vorurteil etc.88 Menschliches Leben ist un-perfekt, aber auf Veränderungen im Sinne von Verbesserungen zum guten Leben aus, was das Ziel jeder Lehre von Politik, Statt und Gesellschaft sein muss.89 d) Die Hoffnung ist gerade angesichts des Wissens um das andauernde Scheitern, die Sünde, existenziell notwendig, ethisch gefordert und schöpfungstheologisch evident, weil sie die Schallmauer, die Grenze des Todes durchbricht und zum Handeln in der gegenwärtigen Welt motiviert.90 Das Geschaffene in 82 Vgl. dazu Lucian Hölscher, Geschichte der protestantischen Frömmigkeit in Deutschland, München 2005, S. 23. 83 Ansgar Jödicke, Art. Frömmigkeit I: Religionswissenschaftlich, in: RGG 4, Bd. 3, S. 388 f. 84 Walter Sparn, Art. Frömmigkeit II: Fundamentaltheologisch, in: RGG 4, Bd. 3, S. 389 f. 85 Wolfgang Huber, Der christliche Glaube. Eine evangelische Orientierung, S. 177 f. 86 Hermann Deuser, 72 f. 87 Henning Luther, Identität und Fragment, in: Ders. Religion und Alltag. Bausteine z einer Praktischen Theologie des Subjekts, Stuttgart 1992, S. 160–182. 88 Die Sündenstruktur ist verantwortlich für alle Arten der Exklusion, der Segregation und der Vernichtung des Anderen durch z. B. Ausbeutung, Teilhabeverweigerung, Ungerechtigkeit. Vgl. auch Ulf Liedke, Inklusion, S. 39. 89 Vgl. Axel Honneth, Kampf um Anerkennung, S. 14. 90 Hermann Deuser, Kleine Einführung, S. 74, verweist auf Jürgen Moltmanns Interpretation der Hoffnung (in Anknüpfung an Ernst Blochs Hoffnungsbegriff ) als zentraler kategorialer Größe. Vgl. dazu unten Kap. VII.
Inklusion als Begriff für Öffentliche Theologie und Kirche
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all seinen Facetten – also auch diejenigen Elemente, die unperfekt sind – bleibt wertvoll und entwickelt sich. Gottes Wille zum Heil- und Ganzsein kann dann nicht fragmentarisch bleiben, »sondern es ist Bestandteil christlicher Hoffnung, dass die Begrenzungen, die aus der Endlichkeit der Welt, aus der Freiheit des Menschen und aus der Realität des Leidens resultieren, schließlich und endlich durch Gott überwunden werden.«91 Die Hoffnung auf die Überwindung des Fragmentarischen aber ist nur unter den Bedingungen des Fragmentarischen denkbar.92 Mit der Eschatologie sind spezifische produktive und rezeptive Aspekte verbunden: Hoffnung muss erfahrbar sein in der Gegenwart ohne dass die Vollendung dessen, was gehofft wird, in der Welt aus ihr heraus möglich ist. Der von Paulus im 2. Korintherbrief verwendete Begriff der »Sünde« umschließt das Paradox: Indem Christus selbst zur Sünde wird, werden die Ausgeschlossenen Teil des »Inklusionsbereichs«93. Nur so ist eine »Kirche für Andere« denkbar, wie auch Dietrich Bonhoeffer argumentiert hat.94 Die Kirche gewinnt ihre Identität dadurch, dass sie sich auf das besinnt, was außerhalb ihrer selbst existiert. Ihre Einheit macht sie nicht selbst, sondern sie wird durch Christus, der das Andere mit umfasst.95 In diesem Sinne ist Kirche inklusiv. e) In dem Abschnitt des Evangeliums Mt 22,37–39, in dem »Liebe« definiert ist, wird auf Dtn 6,5 und Lev. 19,18 zurückgegriffen und der »göttliche Lebenszusammenhang« formuliert: »Die Liebe Gottes und die Liebe zu Gott und dem Nächsten charakterisiert deshalb am besten den Zusammenhang von Natur und Menschen als Schöpfung Gottes«96 – und verweist wiederum auf die Notwendigkeit der Gerechtigkeit als Ziel des liebenden Handelns (vgl. a). In der Gemeinschaft, dem Ziel des christlichen Glaubens der gerechtfertigten Sünder, im Gottesdienst, im Abendmahl und dem sich daraus entwickelnden guten Tun wird die Liebe ausgedrückt. Wenn die Kommunikation des Evangeliums in Wort und Sakrament sowohl Einheit als auch Verschiedenheit ermöglicht97, so ist dies der Anknüpfungspunkt für die Anerkennung des jeweils Anderen. 91 Wilfried Härle, Dogmatik, S. 603. 92 Zu Begriff und Inhalt des »Fragments« vgl. auch Henning Luther, Identität und Frakment. 93 »Der Pantokrator ist zugleich der Schmerzensmann. Christus als Souverän repräsentiert nicht nur die Ordnung göttlicher Herrschaft und göttlichen Gesetzes, sondern auch die Außenseite dieser Ordnung und damit ihrer Durchbrechung.« Thomas Wabel, Die nahe ferne Kirche, S. 356 f. 94 Dietrich Bonhoeffer, Sanctorum Communio, S. 114; vgl. Thomas Wabel, Kirche, S. 357: »Als Vorgänge der Repräsentation lassen sich die Gleichsetzung von Christus und Gemeinde und die Einbeziehung des einzelnen in die Gemeinde als Identifizierung des Nichtidentischen und damit als Inklusion des eigentlich zu Exkludierenden verstehen.« 95 Thomas Wabel, Kirche, S. 358. 96 Hermann Deuser, Kleine Einführung, S. 76. 97 Vgl. Ulf Liedke, Inklusion, 41.
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Theologische Ansätze zur Inklusion im Blick auf den Sport
Paul Ricœur hat in seiner Auseinandersetzung mit dem Thema der Anerken nung zwei Anliegen formuliert: der Andere muss in seiner Andersheit anerkannt werden. In gleicher Weise muss man sich selbst als verantwortlich handelndes Subjekt begreifen und anerkennen. Ziel ist es, in wechselseitiger Anerkennung zur jeweiligen Gewissheit der eigenen Identität zu reifen.98 In seiner kritischen Auseinandersetzung mit Emmanuel Lévinas kommt Ricœur über die Frage der bipolaren Anerkennung des Anderen auf den Aspekt der Sozialität und damit der Gerechtigkeit zu sprechen: Welche Bedeutung hat der »Dritte« für das Miteinander? Bei der wechselseitigen Anerkennung handelt es sich nach Ricœur um ein »intersubjektives Commercium, man könnte sogar sagen: gemeinsames Erscheinen«. In den Hauptwerken von Husserl handele es sich um eine Phänomenologie der Wahrnehmung, bei Lévinas99 geht die Beschreibung der Begegnung von Ich und dem Anderen vom Anderen aus und ist daher klar ethisch und antiontologisch.100 Die Ewigkeit scheint so in der Begegnung mit dem anderen auf – ein dezidiert eschatologischer Aspekt (»Eschatologie des Friedens«). Der Andere wird zum »Lehrmeister der Gerechtigkeit«. Dies führt dann zum Auftreten des »Dritten«. Ricœur sieht die Gefahr, in leeres Gerede zu verfallen. Es ist an dieser Stelle nicht notwendig, seine kritischen Anfragen an Lévinas im Detail nachzuzeichnen. Hervorzuheben ist jedoch, dass der Aspekt des »Dritten« – über die strategische Bedeutung hinaus – für ihn von besonderer Bedeutung ist, um zu belastbaren Aussagen über die Gerechtigkeit zu kommen: »Gerechtigkeit ist im wesentlichen der Vergleich zwischen Unvergleichlichem.«101 Es geht also bei der Gerechtigkeit nicht um die Ausgewogenheit im Sinne von Gleichheit, sondern um Gerechtigkeit im Sinne von differenzierter Gleichwertigkeit und einer entsprechenden Zueignung. Genau dieser Aspekt ist für die Frage von Inklusion entscheidend. Ausgehend vom Aspekt der aus der Gottebenbildlichkeit abgeleiteten menschlichen »Würde«, die in erster Linie auf den / die »Anderen« zielt, zeigen die hier entfalteten und ethisch relevanten Aspekte von Gerechtigkeit, Fröm98 Paul Ricœur, Wege der Anerkennung, Frankfurt a. M. 2006. 99 Emanuel Lévinas, Totalität und Unendlichkeit; Ders., Jenseits des Seins. 100 »Emmanuel Lévinas geht bei der originären Asymmetrie zwischen Ich und dem anderen vom Pol des anderen aus. Diese Umkehrung hängt mit einem grundsätzlicheren Umschlag zusammen, daß nämlich nicht mehr die Ontologie, sondern die Ethik in der Philosophie an erster Stelle steht.« (Paul Ricœur, Wege der Anerkennung, S. 201). 101 Paul Ricœur, Wege der Anerkennung, S. 206. In ähnlicher Weise hat dies – anders als Ricœur vermutet – auch Lévinas in »Jenseits des Seins«, 53, ausgedrückt: »Die Bewußt werdung wird veranlaßt durch die Gegenwart des Dritten an der Seite des Nächsten, dem die Annäherung gilt; auch dem Dritten gilt sie; die Beziehung zwischen dem Nächsten und dem Dritten kann mir, der ich mich annähere, nicht gleichgültig sein. Es braucht eine Gerechtigkeit unter den Unvergleichlichen. … In diesem Sich-vom-Sein-Lösen zeichnet sich – wenn es als Verantwortung für den Anderen ebenso Verantwortung für den Dritten ist – die vergleichende, versammelnde und denkende Gerechtigkeit ab, die Synchronie des Seins und der Friede.« (E. Lévinas, Jenseits des Seins, S. 53).
Ekklesiologische Fragestellungen
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migkeit, Glauben, Hoffnung und Liebe ihren implizit auf Inklusion zielenden Charakter. Aufgrund der – aus theologischer Sicht – fragmentarischen, gebrochenen und sündig-unperfekten Existenzweise des Menschen ist Inklusion als ethisches Ziel auch theologisch zu formulieren. Es ist aber zu bedenken, dass erstens die christlichen Werte von der Öffentlichen Theologie nicht als exklusiv verstanden, sondern im Diskurs mit anderen gesellschaftlichen und auch religiösen Akteuren eingebracht werden wollen. Zweitens ist die menschliche Weltgemeinschaft nicht aus eigener Kraft in der Lage, eine inklusive Gesellschaft zu erreichen, aber dazu aufgefordert, dieses Ziel stets neu zu formulieren. Die Kirche hofft für die Welt, dass Inklusion soweit wie möglich umgesetzt wird. Diese theologischen Perspektiven sind hinsichtlich der für das Thema äußerst relevanten Frage der Menschenrechte zu bedenken, die den Rahmen für die Debatte um die »Inklusion« bilden. 4.
Ekklesiologische Fragestellungen
Es ist bereits deutlich geworden, dass Kirche als christliche Gemeinschaft per se als inklusiv gedacht werden muss. Schon Ulrich Bach forderte ein konsequen tes Umdenken im Raum der Kirche, um der Gefangenschaft aus der normier ten Unmündigkeit zu entkommen. Welche Fragestellungen sind aus den bisher gewonnenen Erkenntnissen im Blick auf Kirche und Gottesdienst zu ermitteln? Gemeint ist hier nicht zuerst die Kirche als gesellschaftliches Teilsystem, sondern die dogmatisch-theologische Sicht auf die Kirche, wenngleich beide Sichtweisen nicht zu trennen, sondern aufeinander zu beziehen sind.102 Die theologischen Aussagen zielen auf die verfasste Kirche. Ausgangspunkt ist das geglaubte Heilshandeln Gottes in seinem Sohn Jesus Christus und sein an haltendes Wirken durch den Heiligen Geist. Kirche lebt vom Evangelium, ist also Gemeinschaft der von ihm bewegten Menschen: »Es sind nicht die wechselseitige Sympathie oder die Verbundenheit durch gemeinsame Interessen, die aus den Christen, die verschiedenen Geschlechtern, Klassen, Ländern, Konfessionen und Zeiten angehören, eine Kirche machen, sondern das Verbindende ist der gemeinsame Glaube, richtiger: Die hoffende Ausrichtung auf den einen Gott verbindet die Christen miteinander und konstituiert so Kirche.«103 Kirche hat nach CA 7 vier wichtige, deskriptive Eigenschaften, nämlich Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität. Sie wird durch das Evangelium immer wieder neu konstituiert und kann nur so immer wieder zur Kirche für Andere werden, bzw. als Option der Anderen, die an ihr teilhaben wollen, gelten.104 Ihr Auftrag ist die Verkündigung und die Verwaltung der 102 Zum folgenden vgl. Wilfried Härle, Dogmatik, S. 569 ff. 103 Wilfried Härle, Dogmatik, S. 571. 104 Wilfried Härle, ebd., S. 578, weist zurecht darauf hin, dass das Zitat von Dietrich Bonhoeffer missverständlich sein würde, wenn man es isoliert und verabsolutierend betrachten würde. Bonhoeffer hatte betont: »Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.« (D.
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Theologische Ansätze zur Inklusion im Blick auf den Sport
Sakramente (Taufe, Abendmahl), Kontinuität hinsichtlich der Form ist ebenso wichtig wie eine Form, die allen Menschen zugänglich ist.105 Ulf Liedke, der das Thema »Inklusion« als einer der ersten theologisch aufgegriffen hat, besteht darauf, dass die Theologie den Diskurs aufgreifen und weiterführen muss, da in der Anthropologie und in der Ekklesiologie Ressourcen und Resonanzen für eine »theologische Präzisierung des Inklusionsgedankens« zu finden seien.106 Sowohl die Frage der Inklusion wie die der Exklusion, die theologisch mit dem Begriff der Sünde verknüpft ist, sind zu reflektieren: »Die Strukturen der Sünde sind für Exklusion durch Ausbeutung, Unterdrückung, Armut und Teilhabeverweigerung verantwortlich.«107 Beziehungen werden gestört und müssen wiederhergestellt werden: das steht im Zentrum des Glaubens an die Rechtfertigung des Sünders. Die Gemeinde begründet die Gemeinschaft der Heiligen immer wieder neu, die Kirche ist der Ort der Erfahrung von Gemeinschaft durch das Versöhnungshandeln Gottes, das sich in der Taufe, im Abendmahl und im Hören auf Gottes Wort manifestiert. Entsprechend ist die Kommunikation des Evangeliums die Ermöglichung von Einheit und Verschiedenheit. Gemeinschaft ist möglich bei gleichzeitiger Anerkenntnis der jeweiligen Verschiedenheit der an ihr Beteiligten. Gerade in den ekklesiologischen Kerntexten wird deutlich betont, dass die Vielfalt in Begabungen und Begrenzungen für die Gemeinschaft konstitutiv ist108: Schon Paulus kritisiert die möglichen exkludierenden Tendenzen in der Abendmahlspraxis der frühen Gemeinde in Korinth (1. Kor 11, 21) und betont: »Darum, meine lieben Brüder, wenn ihr zusammenkommt, um zu essen, so wartet aufeinander.« (1. Kor 11,33). Dieser Inklusionsansatz wird in Kapitel 12 im Bezug auf die Taufe weiterentwickelt, wenn es dort heißt: »Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie.« (1. Kor. 12, 12) Entscheidend ist deshalb für das Verständnis der Gemeinschaft die »Solidarität in Verschiedenheit«109. Aus der Gabe Gottes erwächst die Aufgabe der inklusiven Gestaltung der kirchlichen Gemeinschaft – und der Mitgestaltung der Gesellschaft.110
Bonheoffer, Widerstand und Ergebung, Neuausgabe, München 31985, S. 415). Umgekehrt darf Kirche aber auch nicht auf einen ständigen Selbstvergewisserungsprozess reduziert werden. Vielmehr sind beide Aspekte stets aufeinander zu beziehen. 105 Wilfried Härle, Dogmatik, S. 579. 106 Ulf Liedke, Inklusion in theologischer Perspektive, in: Ralph Kunz / ders. (Hg.), Handbuch Inklusion in der Kirchengemeinde, Göttingen 2013, S. 31–52, hier: S. 32. 107 Ebd., S. 39. 108 Vgl. dazu ebd., S. 42. 109 Vgl. Wolfhard Schweiker, Inklusion: aktuelle Herausforderung für Theologie und Kirche, in: Deutsches Pfarrerblatt 111/6 (2001), S. 296–300, hier: S. 299. 110 Ulf Liedke, Inklusion, a. a. O., S. 43, stellt in diesem Zusammenhang der ethischen Implikationen einen Bezug zur Barmer Theologischen Erklärung her (Barmen V: Sorge für Recht und Frieden). Aus Strukturen der Sünde müssen Verhältnisse werden, in denen die Menschenrechte geachtet sind.
Konsequenzen für die theologische Ethik
5.
Konsequenzen für die theologische Ethik
5.1
Der Öffentliche Auftrag der Kirche – Kirche als intermediäre Institution
107
Dementsprechend sind Schlussfolgerungen für die theologische Ethik zu ziehen. Kirche ist von der Politik zu unterscheiden, nicht aber zu trennen, Kirche, Staat und Gesellschaft sind vielfältig aufeinander bezogen.111 Öffentliche Theologie und Kirche haben – im Sinne der Regimentenlehre – kein eigenes politisches Mandat, sehr wohl aber ein ethisches Mandat gegenüber der Politik112 und, so kann ergänzt werden, gegenüber anderen Verantwortungsträgern in gesellschaftlichen Funktionsbereichen, zu denen u. a. der Sport zählt. Der institutionalisierte Sport wiederum hängt mit den Bereichen von Politik, Bildung und Recht zusammen. Kirche hat, darin unterstützt durch die Öffentliche Theologie, insofern einen doppelten Auftrag als offene und als öffentliche Institution – man kann mit Wolfgang Huber auch von einer »intermediären Institution« sprechen.113 Huber entwickelte in Anknüpfung an Dietrich Bonhoeffers Idee einer »Kirche für Andere«114 und in Auslegung der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 ein kommunikatives, christlich geprägtes Freiheitsverständnis, das auf die Institution (gemeinschaftliche Lebensformen) hin angelegt ist: Freiheit wird einander zugesprochen und verwirklicht sich in der Gemeinschaft der Kirche. Freiheit und Institution sind (wechselseitig!) so aufeinander bezogen, dass die Freiheit zum Geltungsgrund der Institutionen wird.115 Institutionen binden Menschen an Lebensformen und garantieren so Verlässlichkeit – und andererseits geben sie der Freiheit
111 Wolfgang Huber, Kirche, S. 142. Vgl. Thomas Wabel, Die nahe ferne Kirche, a. a. O., S. 428 ff., der auf die Gefahren aufmerksam macht, die in einer reinen Gegenüberstellung von »Gemeinschaft« und Gesellschaft« und einer tendenziellen Bevormundung durch Kirche / Religionsgemeinschaft liegen. 112 Vgl. Wilfried Härle, Dogmatik, S. 581 f. 113 Diesen Begriff hat Wolfgang Huber aus dem konstruktivistischen Ansatz Peter Bergers und Thomas Luckmanns zur Institution weiterentwickelt. Vgl. dazu: Wolfgang Huber, Kirche und Öffentlichkeit, Stuttgart 1973, 21991; Ders., Kirche, München 21988; Ders., Folgen christlicher Freiheit, München 1983; Ders., Kirche in der Zeitenwende. Gesellschaftlicher Wandel und Erneuerung der Kirche, Gütersloh 21999; Ders., Von der Freiheit. Perspektiven für eine solidarische Welt, München 2012. Vgl. dazu auch: Holger Ludwig, Von der Institution zur Organisation. Eine grundbegriffliche Untersuchung zur Beschreibung der Sozialgestalt der Kirche in der neueren evangelischen Ekklesiologie (Öffentliche Theologie, Bd. 26), Leipzig 2010, S. 106–134. 114 Wolfgang Huber, Kirche und Öffentlichkeit, a. a. O., S. 107 ff. 115 Wolfgang Huber, Folgen, a. a. O., S. 122 f. Vgl. Holger Ludwig, Von der Institution, S. 108: »Freiheit ist darum nicht der ›Tod der Institution‹, sondern insofern der Geltungsgrund von Institutionen, als durch die kritische Reflexion erst die allgemeine Gültigkeit von Institutionen anerkannt wird.«
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Theologische Ansätze zur Inklusion im Blick auf den Sport
Raum.116 Der Begriff der Kirche ist, Huber folgend, auf drei Weisen zu bestimmen: zum einen in konfessionell-ökumenischer Hinsicht – Kirchen sind nicht nur konfessionelle Organisationen, sondern auch jeweils Teil der ökumenischen Gemeinschaft, zum anderen als organisierte Verbände, die sich in den von der Gesellschaft vorgegebenen Strukturen bewegen, vor allem aber drittens als die »auf die befreiende und versöhnende Tat Gottes in Christus gegründete Gemeinschaft von Menschen, in der diese Tat Gottes in Wort und Sakrament, in Handeln und Leiden bezeugt wird.«117 Die Überlegung Martin Luthers zur cooperatio hominis cum Deo ist dabei so in Geltung gebracht, dass Gott hier dem Menschen einen Raum eröffnet, der ja als Geschöpf abhängig, also unfrei ist, um nun frei und verantwortlich zugunsten von Mitmensch und Umwelt zu handeln.118 Die gesellschaftliche Aufgabe der Kirche, flankiert durch die Öffentliche Theologie, besteht also darin, so Huber, »auf Grund der ihr eigenen Botschaft und unter Inanspruchnahme ihrer spezifischen Kompetenz eine Vermittlungs aufgabe wahrzunehmen. Sie vermittelt zwischen den Einzelnen und ihren gesellschaftlichen Lebenszusammenhängen; sie vermittelt aber vor allem zwischen den Einzelnen und der geglaubten Wirklichkeit Gottes. In diesem doppelten und zugleich spezifischen Sinn ist die Kirche eine intermediäre Institution.«119 Sie ist es im Konzert aller anderen gesellschaftlichen Institutionen, die sich für die Zivilgesellschaft einsetzen. In der Wahrnehmung ihres Öffentlichkeitsauftrages lässt sie »den Dual von Staat und Kirche hinter sich … wenn die Kirche ihre Stellung in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit als Verband unter Verbänden und nicht als von anderen Verbänden geschiedene ›Körperschaft öffentlichen Rechts‹ verstehen würde«.120 Die Selbstorganisation der Bürgergesellschaft in vielfältigen Gruppierungen und Vereinigungen bildet die Grundlage einer funktionierenden Zivilgesellschaft. Dabei ist ein Begriff von Öffentlichkeit zu vermeiden, der eine zu einfache Gegenüberstellung von Kirche und Gesellschaft beinhaltet, aber einen neu qualifizierten Begriff politischer Öffentlichkeit kreiert.121 Kirche hat wie auch die Öffentliche Theologie
116 Huber hat die Erkenntnisse Ernst Wolfs im Anschluss an Hans Dombois aufgenommen. Wolf sah Institutionen als »Einladung Gottes zu ordnender und gestaltender Tat in der Freiheit des Glaubensgehorsams gegen sein Gebot. Diese ordnende und gestaltende Tat verwirklicht die im Grundriss, wie zum Beispiel Ehe, Eigentum, Staat, vorgegebenen Institutionen.« Ernst Wolf, Sozialethik, 1975, S. 173. 117 Wolfgang Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 50. 118 Vgl. Holger Ludwig, Von der Institution, S. 110. 119 Wolfgang Huber, Zeitenwende, a. a. O., S. 269. 120 Wolfgang Huber, Von der Freiheit, a. a. O., S. 181. 121 Vgl. dazu die an Reinhardt Hütter, Theologie als kirchliche Praktik, 1997, S. 233 ff., anknüpfende Kritik von Thomas Wabel, Die nahe ferne Kirche, a. a. O., S. 431 ff.: »Die Öffentlichkeit, in die hinein sich Kirche äußert, konstituiert sich in dieser Äußerung selbst, indem die Kirche ihre spezifisch theologische Begründungs- und Urteilspraxis nach außen
Konsequenzen für die theologische Ethik
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die Aufgabe, auf Themen hinzuweisen, die sonst der öffentlichen Aufmerksamkeit entgehen, sie setzt sich ein für eine neue Perspektive auf Menschen, die aus gesellschaftlichen Bezügen ausgeschlossen sind.122 Zudem macht Huber in Bezug auf das Diktum Ernst-Wolfgang Böckenfördes deutlich, dass die pluralistische Gesellschaft darauf angewiesen ist, »dass die Grenzen der Pluralität anerkannt werden. Die Verständigung über jene Prinzipien und die Festlegung dieser Grenzen verweisen ihrerseits auf die Frage nach letzten Begründungen (wie sie im Doppelgebot der Liebe enthalten sind) und nach letzten Grenzen (wie sie in der Weisheit der Zehn Gebote oder der Goldenen Regel zur Sprache kommen).«123 In anderem Zusammenhang ist der Vorschlag gemacht worden, Kirche als »Inklusionsagentur« zu bezeichnen124, was ihrer Rolle als intermediärer Institution entsprechen würde. Wesentlich könnten dabei zwei Leitprinzipien sein: die Prozessorientierung im Sinne eines offenen Prozesses verbunden mit der Einsicht, dass das Ziel nie endgültig erreichbar ist, sowie die Beteiligung für alle »Betroffenen« von Anfang an und im Blick auf alle Akteure. So hat ja auch Huber betont, dass die Diskurse in den modernen Gesellschaften sich zwar in überschaubaren Interpretationsgemeinschaften der Zivilgesellschaft vollziehen, aber dann auch zwischen diesen vermittelt werden muss – nur so kann sich Öffentlichkeit wirksam konstituieren.125 Dies ist die entscheidende Basis für das Dialogfeld von Kirche und Sport, wie auch aus sportwissenschaftlicher Perspektive gefordert worden ist, nämlich nach den Maßstäben zu fragen, »die in Erziehung und Bildung, Sozialisation und Entwicklung Geltung finden sollten, nach dem Humanum zu fragen und danach, wie man für möglichst viele Menschen zugänglich machen kann, was der Sport mit seinen pädagogischen und sozialen Möglichkeiten anbietet – Fairness, Gewinn an Körperidentität, Solidarität von Gruppen, Selbstfindung und Selbstgestaltung, Leistung, Freude am eigenen und am Können anderer. … Gerade dafür hat die Kirche ein Mandat … da[s] weit über den Sport hinaus in das gesellschaftliche und politische Leben reicht.«126 In Ergänzung
transparent macht und die Zumutungen, die sich aus ihrem Selbstverständnis als creatura verbi divini ergeben, nach außen hin auch für diejenigen nachvollziehbar macht, die diese Selbstdeutung nicht vollziehen.« (ebd., S. 433). 122 Ebd., S. 280. Huber nennt als Beispiele die Arbeitslosen, Leistungsunfähigen, Jugendlichen, Alten… Implizit ist damit der Aspekt der Inklusion benannt. 123 Ebd., S. 282. 124 Vgl. Sabine Schäper, Kirche als Inklusionsagentur und / oder – akteurin?, in: J. Eurich / A. Lob-Hüdepohl (Hg.), Inklusive Kirche, a. a. O., S. 146–162. Schäper betont, die Kirche könne glaubwürdig nur dann Inklusionsakteurin sein, »wenn sie sich der Spannung zwischen der Freiheit der Kinder Gottes und den organisationalen Notwendigkeiten der Definition von Zugehörigkeit« stelle (ebd., S. 155). 125 Vgl. Holger Ludwig, Von der Institution, S. 120. 126 Ommo Grupe, Sportkultur – Kultur des Sports. Über das gewandelte Verhältnis zwischen Kirche und Sport, in: Ders. / Wolfgang Huber, Zwischen Kirchturm und Arena, a. a. O., S. 29–52, hier: S. 51.
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Theologische Ansätze zur Inklusion im Blick auf den Sport
dazu stellt Wolfgang Huber fest: »Fundamental für die Kultur der Moderne ist der Grundsatz von der gleichen Würde aller Menschen. Dieser Grundsatz wurzelt in der Unterscheidung zwischen Person und ihren Taten; denn nur so lässt sich gleiche Würde denken. Der Sport kann diesen Grundsatz erfahrbar machen. Das ist sein wichtigster Beitrag zur Kultur. Um dieses Beitrags willen darf er nicht zum Kult im negativen Sinn des Worts absinken.«127 Damit ist das Aufgabenfeld für Kirche als intermediärer Institution im Blick auf den Funktionsbereich des Sports knapp umrissen und auch der Aspekt von Integration und Inklusion vor dem Hintergrund der theologisch begründeten Menschenwürde angedeutet. 5.2
Option für die Armen – Option der Anderen
Ein ethischer Leitbegriff für die theologische Sozialethik ist seit geraumer Zeit die »vorrangige Option für die Armen« geworden. Im Judentum spielten die Erfahrungen der schwierigen Zeiten im Exil und in der Bedrückung durch andere immer eine zentrale Rolle. Die Biblischen Texte des Alten Testaments dokumentieren eine hohe Sensibilität für die Armen, denen gegenüber die Gesellschaft in der Pflicht zur Fürsorge steht.128 Wer einem Anderen etwas Gutes tut, dem geht es auch selbst gut. So ist der Begriff »Armut« immer in Relation zu Starken und Mächtigen gebildet, man ist also nicht »arm an sich«.129 Die Option für die Armen lässt sich neutestamentlich begründen etwa mit dem Hinweis auf Lk 4, 18 f. (Evangeliumsverkündigung für die Armen), Mt 9, 36 (Parteilichkeit Gottes zugunsten der »Geplagten und Hilflosen«) oder Mt 25,35 ff. (Rede vom Weltgericht: Was ihr einem von diesen geringsten Brüdern getan habt, habt ihr mir getan…). Die Option für die Armen ist das Mitdenken des Anderen, des nahen und fernen Nächsten, ist präsent im Vollzug des jüdisch-christlich begründeten Handelns. Armut ist als Ausgrenzung und Teilhabeverweigerung seit jeher ein Skandal.130 Dies lässt sich auch soziologisch begründen.131 Der Rat der EKD und die Deutsche Bischofskonferenz haben 1997 in ihrem Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland unter dem Titel »Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit« erklärt, dass sich »in der vorrangigen Option für die Armen als Leitmotiv gesellschaftlichen Handelns … die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe« konkretisiere. »In der Perspektive einer christlichen Ethik muss darum alles Handeln und Entscheiden in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft an der Frage gemessen werden, inwiefern es die Armen betrifft, ihnen nützt und sie zu eigenverantwortlichem 127 Wolfgang Huber, Sport als Kult – Sport als Kultur, in: Ebd., S. 15–27, hier: S. 26 f. 128 Vgl. dazu auch: Johannes Degen, Freiheit und Profil, Gütersloh 2003, S. 65 ff. 129 Jürgen Ebach, Art. »Armut II Altes Testament«, in: RGG 4, S. 781. 130 Vgl. Traugott Jähnichen, Der Wert der Armut, a. a. O., S. 152. 131 Hildegard Mogge-Grotjahn, Gesellschaftliche Ein- und Ausgrenzung. Der soziologische Diskurs, in: Huster / Boeckh / Mogge-Grotjahn (Hg.), Handbuch Armut, a. a. O., S. 39–53.
Konsequenzen für die theologische Ethik
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Handeln befähigt.«132 Die Armen sind als diejenigen benannt, die das Zentrum einer christlichen Ethik werden, Ihr Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe erfordert das Engagement der Christen, da sich Gott bzw. sein Sohn mit den Armen solidarisiert. Gott erwartet deshalb auch unsere Solidarität mit den Armen. Strukturen von Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Exklusion werden aufgedeckt und Überwindungsstrategien entwickelt. In Anknüpfung an das von Wolfgang Huber entwickelte Modell der »Kirche als Raum öffentlicher Kommunikation« bzw. der »Kirche als intermediärer Institution« wird von Heinrich Bedford-Strohm und anderen ein inklusiv-universales Verständnis von Gerechtigkeit für alle vertreten: »Der Kern und die gemeinsame Mitte der verschiedenen Formen von Ungerechtigkeit, gegen die sie sich wendet, liegt in der Situation fehlender Teilhabe.«133 Damit wird die »Option für die Armen« der Leitbegriff für eine theologisch begründete Theorie des Politischen – bzw. der Inklusion – mit dem Ziel der Überwindung von Diskriminierung und Ausgrenzung einerseits und der Herstellung von Menschenrechten und größtmöglicher Teilhabe(-strukturen) andererseits. Es gilt nun, Formen der Kommunikation und Interaktion zu finden, die tragfähig sind.134 5.3. Migration und Integration Hans Ulrich Dallmann hat den Begriff der Inklusion schon vor einiger Zeit für diejenigen stark gemacht, die von Migration und Flucht betroffen sind.135 Detailliert beschreibt er die Dimensionen von unterschiedlich motivierter Vertreibung und Flucht u. a. aus religiösen Gründen oder infolge national motivierter Verfolgung und Vertreibung. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Migration nur in einer historischen Perspektive nachvollziehbar ist und »die Ursachen der Migration zum Teil (vor allem bei Flüchtlingsbewegungen) von der Logik der Inklusions- und Exklusionsmechanismen abhängig sind.«136 Das Phänomen ist daher nur in globalem Zusammenhang verstehbar, »Migration ist in erster Linie ein Weltordnungsproblem«137 und damit eine Aufgabe für die Ethik, nicht nur in theologischer Hinsicht. Als das zentrale Problem einer solchen Ethik bezeichnet Dallmann die Frage, wie mit den Prinzipien von Exklusion und Inklusion der Individuen in Gemeinschaften bzw. Gesellschaf132 Evangelische Kirche in Deutschland, Deutsche Bischofskonferenz (1997): Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland, Bonn / Hannover; www.ekd.de/EKD-Texte/44676.html (aufgerufen am 28.1.2015). 133 H. Bedford-Strohm, Vorrang für die Armen. Auf dem Weg zu einer theologischen Theorie der Gerechtigkeit, Gütersloh 1993, S. 200. 134 Vgl. U. Liedke, Inklusion, a. a. O., S. 44. 135 Hans-Ulrich Dallmann, Das Recht, verschieden zu sein. Eine sozialethische Studie zu Inklusion und Exklusion im Kontext von Migration, Gütersloh 2002. 136 Ebd., S. 78. 137 Ebd., S. 80.
112
Theologische Ansätze zur Inklusion im Blick auf den Sport
ten umgegangen wird: Mit der Sozialität ist die Frage nach Exklusion und Inklusion gegeben und damit auch die Unterscheidung zwischen ›wir‹ und ›die anderen‹«.138 Da sich christliche Existenz in Analogie und Differenz zur Gesellschaft definiert, erwächst daraus die ethische Forderung, gleiches auch anderen zuzugestehen: »Aus der Einsicht in die eigene besondere Identität folgt die Anerkennung der besonderen Identität anderer Gruppen.«139 Im Blick auf die christliche Identität bedeutet dies eine hohe Sensibilität für die Entwicklung von Identitäten und Identitätsgrenzen durch Andere, das Eintreten für Benachteiligte und das prinzipielle Recht, verschieden zu sein. Dieser Aspekt ist im Hinblick auf die Frage von Inklusion im Kontext von Migration entscheidend wichtig. 6.
Von der Exklusion zur Umarmung
Auf das Doppelgesicht von Identität macht auch Miroslav Volf in Bezug auf Jacques Derrida aufmerksam, der in seiner Arbeit »Von der Ausgrenzung zur Umarmung« christliche Identität als versöhnendes Handeln beschreibt: Die europäische Identität kann als totalitär beschrieben werden, die Geschichte Europas ist voll schlimmer Gewalttaten.140 Vor dem Hintergrund des Balkan-Krieges erläutert Volf den beschwerlichen, jedoch theologisch alternativlosen Weg zur Versöhnung. Das wachsende Bewusstsein kultureller Heterogenität, das die wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen von planetarischem Ausmaß mit sich gebracht haben, erklärt, warum ›Stammesidentität‹ sich heute als gewaltige Kraft behauptet, vor allem in Fällen, in denen kulturelle Heterogenität mit extremem Ungleichgewicht von Macht und Reichtum einhergeht. Vielleicht ist es nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, dass die Zukunft unserer Welt davon abhängen wird, wie wir mit Identität und Anderssein umgehen. Die Angelegenheit ist dringend.141
Volfs Anliegen ist es nicht, ein Bild von Gesellschaft zu entwerfen, die Vielfalt ermöglichen könnte, sondern nach der Beschaffenheit des individuellen Selbst zu fragen, damit ein Leben mit anderen harmonisch verlaufen kann. Es geht ihm also um die Kommunikation darüber, wie soziale Akteure hervorgebracht werden können, die fähig sind, gerechte, wahrhaftige und friedliche Gesellschaften zu entwerfen.
138 Ebd., S. 593. 139 Ebd., S. 604. 140 Miroslav Volf, Exklusion and Embrace, A Theological Exploration of Identity, Otherness, an Reconciliation, Nashville (USA) 1996; deutsche Übersetzung: Von der Ausgrenzung zur Umarmung. Versöhnendes Handeln als Ausdruck christlicher Identität, Marburg 2012, S. 15. 141 Miroslav Volf, Von der Ausgrenzung, S. 18.
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Volf verweist auf die Argumentation Jürgen Moltmanns, dessen Stoßrichtung im Denken im Blick auf das Kreuz er mit dem Begriff der »Solidarität«142 zusammenfasst: am Kreuz leidet Christus das Leiden der Armen und Schwachen mit und identifiziert sich mit den Opfern. Selbsthingabe, die im »ultimativen Skandal des Kreuzes« sichtbar wird, stößt immer wieder auf Gewalt und scheitert – und führt zur Stabilisierung von Macht: »Wenn die Gewalt zuschlägt, wird der Akt der Selbsthingabe selbst zum Schrei vor Gottes finsterem Gesicht. Dieses finstere Gesicht, das den Akt der Selbsthingabe konfrontiert, ist ein Skandal.«143 Und dennoch, so Volf, führe kein Weg daran vorbei, den Anstoß durch das Kreuz zu beherzigen. Gegen die Annahmen der Moderne, man könne die Welt heilen oder durch soziale Kontrolle und Rationalität zum Guten gestalten, setzt er die Perspektive einer Hoffnung im Lichte des Kreuzes, die zu einer sich selbst hingebenden Liebe führt ohne in einen Wahn der Machbarkeit zu verfallen.144 Den Prozess der Annahme beschreibt Volf mit der Metapher der »Umarmung« als Trinität, Christologie und Eschatologie. Damit folgt er implizit der Theologie Moltmanns und entwirft eine »Phänomenologie der Umarmung«145. Die vier nicht von einander zu lösenden Strukturelemente einer Umarmung seien das Öffnen der Arme, das Warten, das Schließen und das erneute Öffnen der Arme: »Nach den ersten beiden anzuhalten … hieße, die Umarmung abzubrechen, und beim dritten anzuhalten … würde sie von einem Akt der Liebe in einen Akt der Unterwerfung und paradoxerweise Exklusion pervertieren.«146 Die offenen Arme bezeichnet er als ein Zeichen für den Raum, der für den anderen geschaffen wurde, damit er in ihn eintreten kann. Zugleich ist es ein »Riss im Selbst. Sie zeigen eine Öffnung in der Grenze des Selbst auf, durch die der andere eintreten kann.«147 Das Warten bedeutet das Zurückstellen des Verlangens, das Haltmachen an der Grenze des anderen, der seinerseits ein Verlangen entwickeln muss, um sich zu öffnen. Das Selbst nimmt sich als Kraft und Gewalt zurück und liefert sich dem anderen aus. Emanuel Lévinas hat dies so formuliert: »Das Antlitz [des anderen] ist gegenwärtig in seiner Weigerung, enthalten zu sein. In diesem Sinne kann es nicht begriffen, d. h. umfaßt werden. Weder gesehen noch berührt – denn in der visuellen oder taktilen Empfindung wickelt die Identität des Ich die Andersheit des Gegenstandes ein, der eben dadurch zum Inhalt wird. … Der Andere bleibt unendlich transzendent, unendlich fremd – aber sein Antlitz, in dem sich seine Epiphanie ereignet und das nach mir ruft, bricht mit der Welt, die unsere gemeinsame Welt sein kann…«148
142 Ebd., S. 22. 143 Ebd., S. 27. 144 Ebd., S. 29 f. 145 Ebd., S. 181–192. 146 Ebd., S. 182. 147 Ebd., S. 183. 148 Emanuel Lévinas, Totalität und Unendlichkeit, Freiburg 1987, S. 277 f.
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Theologische Ansätze zur Inklusion im Blick auf den Sport
Das Ziel der Umarmung, die nur als gegenseitige zu denken ist, ist im dritten Akt das Schließen der Arme: »In einer Umarmung ist der Gastgeber Gast und der Gast Gastgeber.«149 In diesem beidseitigen Akt ist die Gegenwart des anderen im Selbst spürbar und umgekehrt. Dabei ist Vorsicht ebenso gefordert wie die Wahrung des Selbst. Als besonderen Aspekt hebt Volf in Anlehnung an Z. D. Gurevitsch150 hervor, dass an dieser Stelle die besondere Fähigkeit zu entwickeln ist, den anderen nicht zu verstehen, eine scheinbare Niederlage, die sich in einen Triumph wandelt. Denn in der konkreten Begegnung versteht das Selbst im Augenblick des Nicht-Verstehens, dass das, was den anderen auszeichnet, nur als Frage zum Thema werden kann. Im vierten Akt öffnen sich die Arme wieder, damit das Ich nicht im Wir verschwindet, denn »nicht ihre verschweißte Grenze hält Körper in einer Umarmung zusammen, sondern die Arme, die den anderen umschließen.«151 Die Andersartigkeit wird nicht neutralisiert und die nun wieder geöffneten Arme sind dieselben offenen Arme der vorangegangenen Akte: »Man muss den anderen gehen lassen, damit sein Anderssein – seine genuine, dynamische Identität – erhalten bleibt. Das Selbst muss sich selbst zurücknehmen, sodass seine eigene Identität, bereichert durch die Spuren, die die Anwesenheit des anderen hinterlassen hat, gewahrt wird.«152 So kann das Ende einer Umarmung schon der Beginn einer weiteren Umarmung sein – jedenfalls bedeutet es, so Volf in Bezug auf Lévinas, dass in der Begegnung mit dem Anderen die Symmetrie aufgegeben wird: »Der Knoten der Subjektivität besteht darin, dass ich zum anderen gehe, ohne mich mit seiner Bewegung zu mir hin aufzuhalten. Oder, noch genauer, sie besteht darin, sich so anzunähern, dass über all die gegenseitigen Beziehungen, die unweigerlich zwischen mir und dem Nächsten errichtet werden, ich immer einen Schritt mehr auf ihn zugehe.«153 Alles geschieht in der Intersubjektivität, nichts ist erzwingbar, mit der Umarmung ist das Risiko verbunden. Wie beim Thema der »Inklusion« ist es also notwendig, im Duktus der Umarmung einen Perspektivwechsel zu vollziehen: das Selbst integriert nicht den Anderen in seine Welt, vielmehr werden die Verhältnisse nach der Vorstellung Volfs so umsortiert, dass »die Identität jedes Partners durch die Beziehung zu den anderen geformt [wird]; das Anderssein des anderen geht in die Identität eines jeden ein.«154 Damit deutet sich die Möglichkeit eines grundlegenden Wandels an, der auch für die Idee der Inklusion wegweisend ist, stets aber eine eschatologische Perspektive in sich trägt.
149 Ebd., S. 185. 150 Zali D. Gurevitch, The Power of Not Understanding: The Meeting of Conflicting Indentities, in: The Journal of Applied Behavioral Science 25/2, S. 161–173. 151 Miroslav Volf, Von der Ausgrenzung zur Umarmung, S. 187. 152 Ebd., S. 188. 153 Emmanuel Lévinas, Jenseits des Seins oder anders als Sein geschieht, zitiert nach ebd., S. 189. 154 Ebd., S. 201.
VII. Rekonstruktion der Theologie Jürgen Moltmanns als einer Theologie der Inklusion
»Es war eine Geschichtseuphorie«, so die These von Klaas Huizing, die in den 60er Jahren theologische Entwürfe hervorbrachte, wie neben Wolfhard Pannenbergs »Offenbarung als Geschichte« (1961) und Eberhard Jüngels »Gottes Sein im Werden« (1964) die »Theologie der Hoffnung« von Jürgen Moltmann aus dem Jahre 1964. Die Entwürfe dieser Theologen sind kontinuierlich weiterentwickelt und ausgebaut worden, alle drei arbeiten bis heute daran.1 Der Bogen des Werkes von Jürgen Moltmann ist weit gespannt. Das Spektrum der Hauptschriften reicht von der 1964 erschienenen »Theologie der Hoffnung« über die in »Der gekreuzigte Gott« entfaltete Kreuzestheologie (1972), seine Ekklesiologie (»Kirche in der Kraft des Geistes«, 1975) und die Entfaltung eines dogmatischen Entwurfs2 bis hin zur »Ethik der Hoffnung« 2010.3 Die Grundlegung seines Ansatzes erfolgte zweifellos in seiner »Theologie der Hoffnung«: Eschatologie als allgemeine Form der Theologie. Die zweite, mittlere der drei zentralen Schriften (»Triologie«4) ist die 1975 erstmals erschienene Ekklesiologie mit dem Titel »Kirche in der Kraft des Geistes. Ein Beitrag zur messianischen Ekklesiologie«. Sie ist die Schrift, von der aus die Rekonstruktion seines theologischen Ansatzes als eine Theologie der Inklusion 1 Klaas Huizing, Der doppelte von Rad, in: Zeitzeichen 7/2013, S. 50–53. 2 Reihe »Systematische Beiträge zur Theologie«: Trinität und Reich Gottes. Zur Gotteslehre (1980), Gott in der Schöpfung. Ökologische Schöpfungslehre (1985), Der Weg Jesu Christi. Christologie in messianischen Dimensionen (1989), Der Geist des Lebens. Eine ganzheitliche Pneumatologie (1991), Das Kommen des Reiches Gottes. Christliche Eschatologie (1995), Erfahrungen theologischen Denkens. Wege und Formen christlicher Theologie (1999). 3 Zum theologischen Ansatz von Jürgen Moltmann vgl. Jürgen Moltmann, Carmen Rivuzumwami, Thomas Schlag (Hg.), Hoffnung auf Gott – Zukunft des Lebens. 40 Jahre »Theologie der Hoffnung« Gütersloh 2005; Markus Dröge, Theologie der Hoffnung, in: Christian Danz (Hg.), Kanon der Theologie. 45 Schlüsseltexte im Porträt. Darmstadt, 32012, S. 302–310; Richard Bauckham, The Theology of Jürgen Moltmann, Edinburgh 1995. Miroslav Volf (Hg.), The Future of Theology: Essays in Honour of Jürgen Moltmann, Eerdmans 1996; Geiko Müller-Fahrenholz, Phantasie für das Reich Gottes: die Theologie Jürgen Moltmanns, eine Einführung, Gütersloh 2000; Geiko Müller-Fahrenholz, Jürgen Moltmann. In der Befreiungsgeschichte Gottes, in: Carsten Barwasser (Hg.), Theologien der Gegenwart. Eine Einführung, Darmstadt 2006, S. 159–178; Michael Welker, Miroslav Volf (Hg.), Der lebendige Gott als Trinität: Jürgen Moltmann zum 80. Geburtstag. Gütersloh 2006. 4 Als »Triologie« hat Moltmann die drei »Programmschriften« (so die Bezeichnung durch Geiko Müller-Fahrenholz, Phantasie, 9) selbst bezeichnet. Vgl. Jürgen Moltmann, Raum, S. 197.
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in eschatologischer Perspektive entfaltet werden soll. Dabei sind die Aspekte zu berücksichtigen, die in der Rezeption der Moltmannschen Theologie als Schwächen bezeichnet wurden: Die implizite Theorie, Gott selbst offenbare sich in der Geschichte, ist heute problematisch geworden, weil biblische Texte weniger historisch-kritisch als eher fiktional zu lesen und einzuordnen sind.5 Markus Dröge ist in seiner Untersuchung zum Verständnis der Kirche bei Moltmann u. a. der These nachgegangen, dass aus einer stärkeren Beachtung der vielfältigen Wirkweisen des Geistes eine Ekklesiologie entwickelt werden könne, bei der »Theologie und Empirie gerade in einer pluralistischen Situation angemessener aufeinander bezogen« werden könnten.6 Von anderer Seite wird u. a. bemängelt, dass die (ethischen) Konsequenzen zu wenig und zu unkonkret entfaltet worden sind.7 Michael Welker hat in seiner kritischen Würdigung des Werkes sowohl die Stärken als auch die sich daraus ergebenden Weiterentwicklungen der Theologie Moltmanns herausgearbeitet: »Nicht Politikkritik, Religionskritik und Moralkritik aus eigener Machtvollkommenheit zu entwickeln, sondern der Kritik und Befähigung zu Neuanfang und Aufbruch nachzuspüren, die von Gottes Offenbarung, von Kreuz und Auferstehung, von Schöpfung und Neuschöpfung, von Verheißung und Erfüllung, von der Gabe des Geistes ausgehen – das ist der Lebensnerv dieser Theologie.«8 So wie Moltmann immer wieder neue Herausforderungen angenommen und systematische und kritisch-zeitgenössische Theologie »als biblisch orientierte inhaltliche Theologie«9 betrieben hat, so ist auch der Versuch einer Rekonstruktion und Weiterentwicklung seines Ansatzes im Bezug auf die »Inklusion« eine Aufgabe, die sich in diese Linie stellen will. Michael Welker hat zurecht darauf hingewiesen, dass konventionelle Herangehensweisen an die religiösen, politischen oder moralischen Fragestellungen unserer Zeit nur wenig Aussicht haben, mehr als nur oberflächlich zu wirken.10 Auch deshalb ist es sinnvoll, einen unkonventionellen Diskurs wie den von Moltmann aufzunehmen bzw. in ihn einzusteigen, der nicht ursprünglich theologisch oder kirchlich initiiert wurde, aber dennoch auf wesentliche Maßstäbe theologischer Dogmatik und Ethik verweist. Ohne Zweifel ist die »Theologie der Hoffnung« bis heute das zentrale Werk Moltmanns, Ausgangpunkt für zahlreiche weitere Überlegungen und Publikationen zu systematischen und ethischen Fragen. Die Wahl eines weiteren wichtigen Werkes neben der »Theologie der Hoffnung«, nämlich der Ekklesio5 Klaas Huizing, Der doppelte von Rad, S. 51. 6 Markus Dröge, Kirche in der Vielfalt des Geistes. Die christologische und pneumatologische Begründung der Kirche bei Jürgen Moltmann, Neukirchen-Vluyn 2000, S. 5. 7 Moltmann selbst hat auf die Kritik reagiert und die Kreuzestheologie sowie die Pneumatologie als Anknüpfungspunkte benannt und den Begriff der »Schechina« als Synonym für die Einwohnung Gottes in den Lebensvollzügen benannt. Vgl. Jürgen Moltmann, Raum, S. 107; Markus Dröge, Theologie, S. 308. 8 Michael Welker, Zukunftsaufgaben, S. 213. 9 Ebd. 10 Ebd., S. 214.
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logie für die Rekonstruktion und Weiterentwicklung hat zum einen den pragmatisch-technischen Grund darin, dass sich das Werk eines Theologen zwar am besten von einer Schrift aus rekonstruieren lässt. Diese Untersuchung will einen Beitrag zu einem ekklesiologischen Standpunkt in der Frage der Inklusion formulieren, um etwa auf der Ebene der Kirche in der Welt einen Blick auf den Dialogpartner Sport zu werfen: Lassen sich die theologischen Erkenntnisse aus dem Bereich »Theologie / Kirche« im Funktionsbereich »Sport« anwenden? Welche besonderen Möglichkeiten bieten Theologie und Kirche als eine intermediäre Institution11 zur Entfaltung und Übersetzung eines inklusiven Ansatzes? Die übrigen Schriften Moltmanns, insbesondere die Hauptschriften, aber auch seine Aufsätze zu Fragen von Ethik und Menschenrechten, werden herangezogen, sofern sie das Themenfeld berühren. Jürgen Moltmann hat in der Auseinandersetzung mit der These einer »Welt ohne Gott«, wie sie Ernst Bloch formuliert hat12, vor allem in der PaulusTheologie des Römerbriefes einen passenden Ansatzpunkt gefunden, um dem einen »Gott der Hoffnung« entgegenzusetzen. Dabei verwendet er den Begriff der göttlichen Verheißung, das Konzept der »Auferweckung des gekreuzigten Christus« und eine Interpretation der Geschichte als einer »Mission des Reiches Gottes«. 1.
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In der »Theologie der Hoffnung« hat Moltmann bereits auf den ersten Seiten der Einleitung alle wichtigen Entscheidungen für seinen Neuansatz erläutert.13 Die Eschatologie wird – angesichts der Erfahrungen des Lebens – zur zentralen Kategorie: Entgegen der Ansicht, dass Eschatologie vom »jüngsten Tag« bzw. den »letzten Dingen« oder dem »Jenseits« zu reden hätte, formuliert Moltmann einen Gegenansatz: »In Wahrheit … heißt Eschatologie die Lehre von der christlichen Hoffnung, die sowohl das Erhoffte wie das von ihm bewegte Hoffen umfasst. Das Christentum ist ganz und gar und nicht nur im Anhang Eschatologie, ist Hoffnung, Aussicht und Ausrichtung nach vorne, darum auch Aufbruch und Wandlung der Gegenwart. Die Eschatologie ist nicht etwas am Christentum, sondern es ist schlechterdings das Medium des christlichen Glaubens …«14 Statt Jenseits nun also das Transzendentale: die eschatologische Dimension verschiebt sich in das Hoffen selbst.15 Das große Thema der moltmannschen Theologie ist also die »Zukunft«: Es geht um den »Gott der Hoffnung« in An11 Zum Begriff der Kirche als »intermediäre Institution« vgl. Abschnitt VI.5.1. 12 Vgl. dazu den Anhang im Band »Theologie der Hoffnung«: »Das Prinzip Hoffnung« und die »Theologie der Hoffnung« Ein Gespräch mit Ernst Bloch, S. 313–334. 13 Vgl. auch zum folgenden: Michael Welker, Zukunftsaufgaben, S. 215 ff. 14 Jürgen Moltmann, Theologie der Hoffnung, S. 12. 15 Michael Welker, Zukunftsaufgaben, S. 215.
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knüpfung an Röm 15,13 bzw. um »Gott mit ›Futurum der Seinsbeschaffenheit‹«, wie Moltmann in Anlehnung an Ernst Bloch formuliert hat.16 Diesen Gott kann man »eigentlich immer nur vor sich haben«, also auch nicht vereinnahmen. Zugleich ist dieser Ansatz zutiefst christologisch konzentriert: »Christliche Eschatologie spricht von Jesus Christus und seiner Zukunft.«17 Damit wird die Theologie der Hoffnung durch und durch Auferstehungshoffnung bzw. -glaube. Für Moltmann richtet sie das Christentum aus an »Jesus Christus und seiner Zukunft«18, so dass sich in den mit ihm verknüpften Verheißungen die Zukunft einerseits schon ankündigt, andererseits die geweckte Hoffnung in die Gegenwart hineinwirkt.19 Es geht also um konkrete Veränderungen der vorfindlichen Wirklichkeit, die Sätze der Hoffnung sind »Bedingung für die Möglichkeit neuer Erfahrungen«20. Die Hoffnung verbindet sich mit dem Glauben, so Moltmann in Anlehnung an Johannes Calvin.21 Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass die Eschatologie nicht zuerst auf die »Ewigkeit des Himmels« verweist, die sich loslöst von der Erde, sondern in der Auferstehung Christi die Zukunft der Welt im Blick hat. »Leibliche Lebendigmachung« erwartet sie und nimmt die zerstörte Erde und das menschliche Leid in den Blick: »Das bedeutet umgekehrt nichts anderes, als dass der so Hoffende sich niemals wird abfinden können mit den Gesetzen und Zwangsläufigkeiten dieser Erde, weder mit der Unausweichlichkeit des Todes noch mit dem fortzeugend Böses gebärenden Bösen.«22 Der hoffend Glaubende kann gar nicht anders, als in den Widerspruch gegen eine Welt zu geraten, an ihrer Wirklichkeit zu leiden: »Frieden mit Gott bedeutet Unfrieden mit der Welt, denn der Stachel der verheißenen Zukunft wühlt unerbittlich im Fleisch jeder unerfüllten Wirklichkeit.«23 Diese Perspektive entlastet, weil die Verheißungen an den Menschen nicht von ihm selbst geschaffen werden, sondern ihren Ursprung in Gott haben. Sie sind der Urgrund des Glaubens, nicht Utopie und auch nicht hoffnungsloser Glauben. Vielmehr ist also die Hoffnung die eigentliche Kraft des Glaubens, die sich in den Widerspruch zur Wirklichkeit stellt: »Die Hoffnungssätze der Verheißung aber müssen in einen Widerspruch zur gegenwärtig erfahrbaren Wirklichkeit treten.«24 16 Jürgen Moltmann, Theologie der Hoffnung, S. 12. 17 Ebd., S. 13. 18 Ebd., S. 13. 19 Ebd. 20 Ebd. 21 Jürgen Moltmann, Theologie der Hoffnung, S. 15 f., vgl. Johannes Calvin, Institutio III 2, S. 42: »Die Hoffnung erneuert und belebt den Glauben je und je und sorgt dafür, dass er immer wieder kräftiger sich erhebt, um bis ans Ende zu beharren.« 22 Jürgen Moltmann, Theologie der Hoffnung, S. 17. 23 Ebd. 24 Ebd., S. 13.
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Glaube und Hoffnung, Hoffnung und liebendes Tun, liebendes Tun und Glaube bedingen sich also wechselseitig angesichts konkreter Wirklichkeit. Hier wird nicht verschoben auf eine ferne Zukunft, sondern zum Handeln herausgefordert. Moltmanns eschatologisch getränkte Theologie drängt auf die Ethik. Die Auferweckung Christi gibt den Verfolgten und Unterdrückten Hoffnung. Das Reich Gottes wird zwar erst in der unverfügbaren Zukunft vollendet, die Christen haben aber anderseits als Verpflichtung in der Welt die Aufgabe, an der Errichtung des Reiches Gottes so mitzuwirken, dass es irdische Realität und Gestalt bekommt. »In diesem Widerspruch muss die Hoffnung ihre Kraft beweisen. Darum darf auch die Eschatologie nicht in die Ferne schweifen, sondern muss ihre Hoffnungssätze im Widerspruch zur erfahrenen Gegenwart des Leidens, des Bösen und des Todes formulieren. Es ist darum nur schwer möglich, eine Eschatologie für sich zu entfalten. Viel wichtiger ist es, die Hoffnung als das Fundament und als Triebfeder des theologischen Denkens überhaupt aufzuweisen und die eschatologische Perspektive in die theologischen Aussagen von Gottes Offenbarung, von der Auferstehung Christi, von der Sendung des Glaubens und von der Geschichte hineinzubringen.«25 Der hoffende Glaube ist dabei weder idealistisch bzw. revolutionär-chilias tisch, wie der Idealismus des 19. Jahrhunderts, noch existentialistisch-pessimistisch, wie der Existentialismus in den Zeiten nach dem 2. Weltkrieg. Die Hoffnung, so Moltmann, ist vielmehr realistisch: »Sie nimmt die Dinge nicht, wie sie gerade stehen oder liegen, sondern wie sie gehen, sich bewegen und in ihren Möglichkeiten veränderlich sind. Nur solange die Welt und die Menschen in ihr sich in einem unabgeschlossenen Fragment- und Experimentzustand befinden, haben irdische Hoffnungen einen Sinn. Sie greifen ins Mögliche der geschichtlichen bewegten Wirklichkeit vor und entscheiden die geschichtlichen Prozesse durch ihren Einsatz.«26 Das heißt zum einen, dass die Herausforderungen in der Gegenwart der Welt zu suchen und zu finden sind, zum anderen, dass es sehr konkrete Schritte sind, die zu einer »Erneuerung des Lebens hier und zur Veränderung der Gestalt der Welt«27 führen. Geschichte und Eschatologie lassen sich nicht trennen, betont er an anderer Stelle: »Das Reich ist als eschatologische Zukunft zur gegenwartsbestimmenden Macht geworden. Diese Zukunft hat schon begonnen.«28 Wo der Ansatzpunkt für konkretes Tun zu suchen und zu finden ist, wird deutlich: Die Liebe spielt im Sinne der Agape eine entscheidende Rolle, die »Liebe zum Nichtseienden, Liebe zum Ungleichen, Unwürdigen, Wertlosen, zum Verlorenen, Vergänglichen und Toten; eine Liebe, die das Vernichtende des Schmerzes und der Entäußerung auf sich nehmen kann…«29 Sie ist so 25 26 27 28 29
Ebd., S. 14 f. Ebd., S. 20. Ebd., S. 21. Jürgen Moltmann, Kirche, S. 217. Jürgen Moltmann, Kirche, S. 27.
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selbst das »Glück der Gegenwart«: »Sie preist die Armen selig, nimmt sich der Mühseligen und Beladenen, der Erniedrigten und Beleidigten, der Hungernden und Sterbenden an, weil sie die Parusie des Reiches für sie erkennt.«30 Die Eschatologie, die Hoffnung ist so gleichsam der Motor von Glaube und Liebe: »Wenn es die Hoffnung ist, die den Glauben erhält, trägt und nach vorne zieht, wenn es die Hoffnung ist, die den Glaubenden in das Leben der Liebe hineinzieht, dann wird es auch die Hoffnung sein, die das Denken des Glaubens, sein Erkennen und Bedenken des Menschseins, der Geschichte und der Gesellschaft mobilisiert und antreibt.«31 »›Spes quaerens intellectum‹ ist der Ansatz zur Eschatologie«, so spitzt Moltmann in Abwandlung des Satzes von Anselm von Canterbury zu, »und, wo sie gelingt, wird sie zur docta spes«.32 Die Theologie unter eschatologischem Vorzeichen strebt also zu ständiger ethischer Reflexion, die Gemeinschaft der Glaubenden ist zugleich eine Gemeinschaft der Liebenden und Handelnden. Niemand ist davon ausgeschlossen, die entstehende Bewegung hat die Weltgesellschaft inklusiv im Blick. In Bezug auf Hebr. 13, 13 f. (»…denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir«) fragt Moltmann daher konsequent danach, was dies für die Gesellschaft und die sozialethischen Aufgaben der Christenheit (bei Luther also Kirche, Gemeinde und weltliche Berufe) für die moderne Gesellschaft bedeutet.33 Im Prinzip meint dies dasselbe wie der Begriff der »intermediären Institution«, wie Wolfgang Huber und andere ausgeführt haben.34 Kirche lebt also von nicht selbst geschaffenen Voraussetzungen und lebt und handelt für die Welt. Die Christenheit, so erläutert Moltmann, muss sich wieder auf das besinnen, wozu sie da ist: »Damit, dass der auferstandene Christus beruft, sendet, rechtfertigt und heiligt, sammelt, beruft und sendet er Menschen in seine eschatologische Zukunft zur Welt. Der auferweckte Herr ist immer der von der Gemeinde Erwartete; und zwar der von der Gemeinde für die Welt und nicht nur für sich selbst erwartete Herr. Darum lebt die Christenheit nicht von sich selbst und für sich selbst, sondern von der Herrschaft des Auferstandenen und für die kommende Herrschaft dessen, der den Tod überwand und Leben, Gerechtigkeit und Reich Gottes bringt.«35 Die Christenheit erfüllt ihr eigenes Wesen nur im konkreten Dienst in der Welt: »Darum ist sie nichts für sich selbst, sondern ist alles, was sie ist, im Dasein für andere. Sie ist die Gemeinde Gottes, wo sie Gemeinde für die Welt ist.«36 Die Welt soll dabei nicht bleiben, wie sie ist, sondern das werden, was ihr verheißen ist. Kirche ist für die Welt als Kirche für das Reich Gottes zur Erneuerung der Welt tätig. 30 Ebd. 31 Ebd., S. 28. 32 Ebd., S. 30. 33 Ebd., S. 280. 34 Wolfgang Huber, Zeitenwende, S. 267 ff., vgl. Abschnitt VI.5.1. 35 Jürgen Moltmann, Theologie der Hoffnung, S. 300. 36 Ebd., S. 302.
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»Die Kirche in der Kraft des Geistes ist noch nicht das Reich Gottes, sie ist aber dessen Antizipation in der Geschichte.«37 Michael Welker hat in seiner in die Zukunft weisenden Skizze den Finger in die Wunden gelegt, die im Blick auf die ethischen und die christologischen Aspekte entstehen, wenn man Moltmanns theologischen Ansatz zum Ausgangspunkt weiterführender Überlegungen verwenden will. Zum einen besteht die Gefahr, dass die christologische Orientierung blass wird, sofern sie sich in Undeutlichkeiten verliert – und nicht von Umkehr und (konkretem) Aufbruch redet. Zum anderen besteht die Gefahr, dass die vielen konkreten Aufgaben (Verhältnisbestimmung von Kirche und Israel, Beförderung des Dialogs der Reli gionen, die Kritik der Weltwirtschaftsordnung, die Rede zum Frieden, die Stellungnahmen zu geopolitischen Entwicklungen und Ereignissen wie dem Terrorismus und seiner Bekämpfung, die Fragen von Medien, die Not der Bildung, der Überwindung von vielfältiger Exklusion etc.) zu einem Lauf im Hamsterrad wird und die Kirche in einen Strudel gerät. Für die Kirche insgesamt ist es ratsam, zunächst Kirche Christi zu werden und nicht den Herausforderungen auf den Feldern von Moral und Diakonie hinterherzulaufen.38 Der Ausweg aus diesen Dilemmata ist es, die Macht der freien Gnade Gottes in Jesus Christus ernst zu nehmen, die allein in Gottes Sohn erkannt, bezeugt und erfahren werden kann, der in Geist und Glauben gegenwärtig ist. Allein in dieser Konzentration, so betont Welker zurecht, kann die Kraft gewonnen werden, um Organisationen zu unterstützen, die auf dem diakonisch-mora lischen Feld tätig sind39: »In der immer neuen Konzentration auf den in Wort und Geist gegenwärtigen Jesus Christus gewinnen wir aber auch die Kraft zu einer kreativen Nachfolge, die nicht nur mutige, erfolgreiche politische, ökologische, diakonische und sozialethische Bewegungen, Aktionen und Projekte unterstützt, sondern wichtige, zentrale und doch verdrängte und ausgeblendete Aufgaben der Kirche Jesu Christi entdecken und anpacken lässt.«40
Das Handeln der Kirche entwickelt sich also aus der permanenten Rückbindung an Gottes freie und freimachende Gnade. Diese theologische Skizze umreißt damit eine wirkmächtige Vision für eine offene, auf Versöhnung und Teilhabe gerichtete Gesellschaft. Es ist die Basis der Kirche / der Christenheit, weil sie im Licht von Barmen 1934 sowohl dem Zeugnis des auferstandenen Christus und des dreieinigen Gottes Rechnung trägt – als auch der Zuwendung zu den Nöten unser Zeit ohne den Druck einer schnell machbaren Lösung. Auch Michael Welker verweist in diesem Zusammenhang auf den Begriff der »Teilhabe«, der wiederum in die beiden Richtungen zeigt, die hier zu be37 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 220. 38 Michael Welker, Zukunftsaufgaben, S. 231. 39 Ebd., S. 232. Welker nennt als Beispiele: Brot für die Welt, BUND, Amnesty International, Oxfam, Justitia et Pax, Kindernothilfe. 40 Ebd.
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Rekonstruktion der Theologie Moltmanns als einer Theologie der Inklusion
denken sind: die Teilhabe an der Gegenwart des lebendigen Christus und die Übernahme von Verantwortung in der und für die Welt. Das ist nichts anderes als der konsequent beschrittene »Weg der Inklusion«. 2.
Die »Kirche in der Kraft des Geistes« als Raum des inklusiven Handelns
»Inklusion« ist ein Begriff, der erst seit Niklas Luhmann und anderen sozio logisch erschlossen worden ist, der aber implizit und explizit in der christlichen Theologie enthalten sein kann, wie die Re-Lektüre der Schriften Moltmanns zeigen kann. Sie ist in seinem Verständnis von »Kirche« angelegt. Auch bei Moltmann finden die verschiedenen Aspekte des Begriffs Berücksichtigung: zum einen die deskriptive, zum anderen die ethische Seite. Auch der Gegenbegriff der »Exklusion« (auch: Ausgrenzung, Segregation) gehört dazu wie Aspekte von »Teilhabe« oder »Differenzierung«. Bereits auf den ersten Seiten seiner Ekklesiologie kommt Jürgen Moltmann auf den Kern der Aufgabe zu sprechen, die mit Auftrag und Wesen der Kirche verbunden ist: »Die Kirche wird sich in den Krisen ihrer Tradition und in den Chancen ihrer Hoffnung an ihrem Grund, ihrer Zukunft und ihrem Auftrag orientieren.«41 Dabei ist »Kirche« nicht konfessionell, sondern umfassend ökumenisch zu verstehen, denn nur unter Berücksichtigung aller vielfältigen kirchlichen Erscheinungsformen komme die »Glaubwürdigkeit der Einen Kirche Christi«42 in den Blick.43 Die Ökumene bedeutet die Befreiung der (vielen) Kirchen »aus ihren Bindungen an die bürgerlichen und politischen Religionen ihrer Gesellschaften«44. Moltmanns Vision ist es, im Lichte der Freiheit (u. a. von institutioneller Enge) zu einer »Gemeinschaftskirche des Volkes im Volk« zu gelangen. »Kirche« ist nicht Amtskirche oder Institution, sondern sie ist »die Christenheit«. Das bedeutet: »Wo immer die Christenheit in ökonomische, politische und kulturelle Prozesse verwickelt ist – und sie ist es faktisch an jedem Ort –, handelt es sich um Weltprozesse. Sie muss diese Interdependenzen erkennen und sich von nationaler und kultureller Engstirnigkeit befreien«45, d. h. alle exklusiven Bindungen sind abzulegen. Das Thema der Verantwortung ist von vornherein mitbedacht und zwar als eine Form der Bewegung, als »wanderndes Gottesvolk«, das sich »in freier 41 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 11. 42 Ebd., S. 13. 43 Diese Überlegung findet sich auch unter dem Stichwort der »Mission«: »Die missiona rische Kirche im Welthorizont theologisch zu begreifen, heißt sie im Horizont der Missio Dei zu verstehen. Sendung umfaßt das Ganze der Kirche, nicht nur Teile in ihr, oder gar nur von ihr ausgesandte Glieder.« Ebd., S. 24. 44 Ebd., S. 25. 45 Ebd., S. 186 ff.
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Solidarität und in kritischer Gemeinschaft … mit der Welt« auf dem Weg befindet. Moltmann formuliert deshalb wichtige Kriterien: Kirche muss offen sein und die Bereitschaft zeigen, sich hin »zu einer glaubwürdigeren Gestalt« zu verändern, um das Ziel, die messianische Befreiung und die eschatologische Erneuerung der Welt zu erreichen. Dabei muss Kirche »den Veränderungen der Gesellschaft Rechnung tragen«.46 Alle Theorien zur Kirche müssen sich fragen lassen, wem die Kirche nützen und in wessen Interesse sie ist wie sie ist. In der ersten These der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 findet Moltmann eine Formulierung, die präzisiert, was als Maßstab entscheidend ist: »Nur wo allein Christus herrscht und die Kirche allein auf seine Stimme hört, kommt die Kirche in ihre Wahrheit, wird sie frei und zu einer befreienden Kraft der Welt«.47 Nun könnte man sagen, dass es sich bei der Formulierung eines »solus christus« um eine exklusive, ausschließende handelt. Allerdings geht es im Sinne der hier aufgerufenen Tradition von Barmen ja gerade darum, Vereinnahmungen im partikularen (z. B. konfessionellen) Interesse abzuwehren und gegen Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit einzusetzen. Der vermeintlich exklusive Aspekt ermöglicht Inklusion: »Das theologische Verständnis der Kirche trennt nicht, sondern verbindet im alle gemeinsam ergreifenden ›Interesse Christi.‹«48 Die wahre Kirche ist die eine, unteilbare Kirche.49 In Anknüpfung an Ernst Langes Überlegungen zur Ökumene50 erinnert Moltmann an den – zunächst »negativen Konsensus« auf dem Weg zum ökumenisch-inklusiven Kirchenbegriff (Gründung des Ökumenischen Rates, Amsterdam 1948): »Man entdeckte, dass die traditionellen Unterscheidungslehren eigentlich nicht als kirchentrennend anzusehen sind, denn keine von ihnen mußte exklusiv, alle konnten auch inklusiv ausgedrückt werden.«51 Es war ein erster Ansatz zu dem Gedanken einer Einheit in der Vielfalt zu erkennen. Der Durchbruch, so Moltmann, wurde erzielt, als man von der vergleichenden zur christologischen Ekklesiologie (Lund 1952), über ein ideologiekritisches Verständnis von Kirche zu einem »positiven Konsensus« gelangte (Uppsala 1968). Der Weg führt in seiner Sicht also von der Separation (Ausschluss, Anathema) über die gegenseitige Wahrnehmung (Dialog und Integration) über die Kooperation zu einem (noch nicht erreichten, positiv inklusiven) Konzil.52 Im weiteren Verlauf seiner Ekklesiologie werden verschiedene Aspekte des Weges aufgezeigt. Darunter fällt etwa, die Kirche »im Welthorizont«, d. h. im 46 Ebd., S. 16 ff. 47 Ebd., S. 19. 48 Ebd., S. 20. 49 Ebd., S. 25. 50 Ernst Lange, Die ökumenische Utopie oder: Was bewegt die ökumenische Bewegung?, Stuttgart 1972. 51 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 26. 52 Ebd., S. 28.
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»Horizont der zunehmenden Interdependenzen und der wachsenden Spannungen auf der Welt«53 zu sehen. Moltmann empfiehlt daher, die Bibel mit den Augen der Armen, der Unterdrückten zu lesen, wobei die Geschichte Israels und des Christentums auf besondere Weise mit der Geschichte der Unterdrückten und Hungernden verschmelze.54 Auch die »Befreiungsgeschichte Gottes« mit dem Ziel einer neuen Schöpfung in Frieden und Gerechtigkeit wird von Moltmann als eine Zielperspektive genannt, wenn Kirche nicht partikulare Interessen vertritt, sondern politisch verantwortlich agiert.55 Befreiung ist bezogen auf die Felder von Ökonomie, Politik und Kultur, bedeutet Willen zum Leben, Kraft zur Hoffnung und Fähigkeit zum Leiden, damit die Zukunft der Menschheit eine gemeinsame Zukunft werden kann.56 Die Perspektiven für eine erhoffte Kirche der Zukunft findet Moltmann in ihrer Katholizität: aus der Sünde zur Heiligkeit, aus der Spaltung zur Einheit und aus der Partikularität zur Universalität.57 Charakteristisch für die Denk figur Moltmanns ist es, auch an dieser Stelle zu betonen, dass Hoffnung zwar auf die Zukunft ausgerichtet ist, dass aber zugleich die Erfahrung den Prozess des Werdens beeinflusst: »Das futurum der Hoffnung der Kirche bringt dadurch das factum ihrer Erfahrung in den Prozeß des Werdens.«58 Oder anders gesagt: Wenn man davon ausgeht, dass die Zukunft durch die Christus- Geschichte bereits begonnen hat, dann ist die erhoffte Herrschaft Gottes in der geschichtlichen Kirche bereits erkennbar.59 Im Nachvollzug der Bedeutung der Geschichte Christi ist für Moltmann der Ansatz von Paulus plausibel, der sie als ein Heilsgeschehen »für uns«, »offen und inklusiv«60 verstanden hat, dessen Kern die Rechtfertigung des Sünders ist, die wiederum zur neuen Schöpfung führt: »Befreiung führt ins freie Leben«61. Die Kirche ist in diesem Bestreben, zur Einheit, zur Katholizität zu kommen, nicht nur offen für das Reich Gottes, sondern auch weltoffen. Sie ist friedenstiftend und »durch das Evangelium befreiende Gemeinde in der Welt.«62 Der entscheidende Link ist Christus und sein Verhältnis zur Kirche. Hier ist von seinem Ende, vom Ostergeschehen her zu denken, im Sinne der Passion als Stellvertretung und Hingabe »für uns« und »für die Welt«: »Wie er allen 53 Ebd., S. 30. 54 Moltmann setzt sich hier kritisch mit dem Begriff der »Theologie der Revolution« auseinander, die aber eben gerade diese neue Sichtweise ermöglicht habe. Vgl. zum Thema auch die Kontroverse zwischen Trutz Rendtorff und Heinz Eduard Tödt: Theologie der Revolution. Analysen und Materialien, Frankfurt a. M. 21968. 55 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 32. 56 Ebd., S. 187–189. 57 Ebd., S. 39 ff. 363–378. 58 Ebd., S. 39. 59 Vgl. ebd., S. 42. 60 Ebd., S. 45. 61 Ebd., S. 52. 62 Ebd., S. 366.
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anderen Menschen voran als ›Erstling der Entschlafenen‹ auferweckt ist und dadurch inklusiv der ›Anführer des Lebens‹ genannt werden kann, so wurde er exklusiv an den Tod in Gottverlassenheit dahingegeben, um die Verlassenen zu befreien und die Verlorenen zu retten. Sein Tod ist exklusiv ›ein für allemal‹ geschehen und darum unwiederholbar sein Opfer für das Heil der Menschen.«63 Die öffentliche Szene auf Golgatha ist, so Moltmann, auch eine Offenbarung im Blick auf alle anderen Opfer, weil sich in ihr die »bedingungslose Gemeinschaft des Menschensohns mit den gefolterten und hingerichteten Menschen, wer immer sie sind« erweist.64 Die Kirche ist an diesem Geschehen ganz dicht dabei und mit-leidend: »Die Kirche wird als Gemeinde des Gekreuzigten in seine Hingabe, in seine Solidarität mit den Verlorenen und in sein öffentliches Leiden hineingezogen. Sein Leiden ist in dieser Hinsicht nicht exklusiv, sondern inklusiv und führt zur compassio.«65 Das kann nur heißen, dass auch die Kirche ihre Solidarität öffentlich zeigen muss, dass sie – wie schon Dietrich Bonhoeffer betont hat – am Leiden Gottes im weltlichen Leben teilnehmen muss.66 Die Heilsgeschichte bedeutet allerdings auch, dass es zu Unterscheidungen kommen muss. Denn wo Glaube ist, da gibt es Unglaube und Anfechtung. Die Kirche ist also auch eine Provokation und drängt auf Differenzierung (nicht Trennung!)67. Die Kirche ist partikular und bewegt sich im Rahmen der universalen Geschichte Gottes mit der Welt.68 Da die Kirche eben diesen partikularen Charakter hat, ist das entscheidende Moment die offene Trinität Gottes: »Der dreieinige Gott ist der menschenoffene, weltoffene und zeitoffene Gott«. Diese eschatologische Deutung der Trinität ermöglicht es Moltmann, einen inklusiv gedachten Ansatz zu formulieren: »Wo immer auf dem Wege dorthin das Evangelium den Armen gepredigt wird, Sünden vergeben, Kranke geheilt, Unterdrückte befreit und Ausgestoßene angenommen werden, wird Gott verherrlicht und die Schöpfung partiell vollendet.«69 Es läuft darauf hinaus, dass die Einheit mit Hilfe des Heiligen Geistes wieder hergestellt wird.70 Das Getrennte wird wieder vereinigt und das Zerfallene 63 Ebd., S. 91. Diese Überlegung steht auch nicht im Widerspruch zur Befreiungsgeschichte Israels, so betont Moltmann. Er verfolgt also auch in dieser Hinsicht keine exklusive Christologie: »Einen Widerspruch zwischen der erhofften Gottesherrschaft und der Erfahrung und Praxis des befreiten Volkes gibt es nicht.« Ebd., S. 96. 64 Ebd., S. 110. 65 Ebd., S. 111. Vgl. Jürgen Moltmann, Der Geist des Lebens, S. 142 ff. 66 Vgl. Jürgen Moltmann, Kirche, S. 115. 67 Vgl. zum Begriff der Differenzierung den Abschnitt noch ausfüllen Vgl. auch: Miroslav Volf, Von der Ausgrenzung zur Umarmung, S. 76 ff. 68 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 65 f. 69 Ebd., S. 76. 70 Ebd., S. 78 f. Vgl. Jürgen Moltmann, Ethik, S. 244 f.: »Auch die christliche Trinitätslehre macht nicht die isolierte Einzelseele, sondern die kirchliche Gemeinschaft in gegenseitiger Anerkennung und Liebe zur imago trinitatis.«
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befreit. Doch das ist die Perspektive auf Zukunft hin, in der die Kirche agieren muss, indem sie an der Geschichte Gottes mit der Welt teilnimmt.71 Differenzierung ist auch das entscheidende Stichwort im Blick auf »den Anderen«: Kirche ist eine offene Gemeinschaft – ihre Mitglieder nicht gleich unter Gleichen, sondern vielfältig, verschieden und dem Prinzip folgend, den Anderen in seiner Andersartigkeit anzuerkennen: »Kirche ist eine Gemeinschaft der Ungleichen und Verschiedenen, die durch freie und zuvorkommende Anerkennung zusammengehalten werden.«72 Es ist im Nachvollzug der Überlegungen Moltmanns nur allzu konsequent, dass das von Jesus gepredigte Evangelium als »Option für die Armen« zu verstehen ist, die unter physischer, psychischer, moralischer und religiöser Armut leiden, die ausgeschlossen und dem »Gewalttäter« ausgeliefert sind. Entsprechend werden die »Reichen« aus dem Heilsgeschehen zunächst ausgeschlossen: »Den Reichen wird erst geholfen, wenn sie ihre eigene Armut erkennen und sich in die Gemeinschaft der Armen, insbesondere derer, die sie mit Gewalt arm gemacht haben, begeben.«73 Auch ihnen gegenüber gilt also das Prinzip der Offenheit, das allerdings einen Perspektivwechsel zur Bedingung macht, indem die Solidarität mit den Erniedrigten eingefordert wird. Die Armen werden so gleichsam zum Synonym für das Problem von »Gleichheit« im Sinne von zu ermöglichender Teilhabe. Die Brüderlichkeit ist entsprechend »herrschaftsfrei« und in ihrer sozialen und politischen Gestalt der Einsatz für diejenigen, die jeweils aktuell unterdrückt werden.74 Stets ist der ethische Impuls spürbar, der die Ekklesiologie Moltmanns durchzieht wie ein roter Faden. Denn auch seine Deutung des »Exodus« als Aufbruch in die Freiheit, bei der die Kirche das »Vehikel des Evangeliums der Freiheit« ist, will die darin enthaltene missionarische Dimension nicht im Sinne der Ausbreitung und Mehrung des Christentums verstehen, sondern als Befreiungshandeln für das Volk zum Exodus.75 Die Kirche ist die »soziale Gestalt der Hoffnung«, sagt Moltmann an einer anderen Stelle, die stets gegenüber der politischen Religion und keinesfalls mit ihr agieren soll, da sie sonst in die Gefahr gerät, eine »Staatskirchensekte« zu werden.76 Ebenso wenig ist das Ziel des Evangeliums »die Ausbreitung der christlichen Religion oder die Pflanzung der Kirche«.77 Das Ziel der Freiheit im Sinne der Neuschöpfung der Welt ist nur erreichbar, wenn die Segregation, die Exklusionen der Armen, Kranken, Gefangenen und Sündern aufgehoben werden. Exklusion soll nicht mehr möglich sein, ausschließende Kriterien der Unterscheidung (Rasse, Nation, Klasse) sind zu 71 72 73 74 75 76 77
Jürgen Moltmann, Kirche, S. 82. Ebd., S. 213. Ebd., S. 97. Ebd., S. 123. Ebd., S. 101 ff. Ebd., S. 109. 344 ff. Ebd., S. 103.
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verwerfen.78 Alle sind geistbegabt und gehören zum »allgemeinen Königtum aller Gläubigen«.79 Sinnfällig wird dies, so Moltmann, im Abendmahl, denn in dieser Gemeinschaft werden keinerlei Trennungen geduldet, es ist ein herrschaftsfreier, offener und damit inklusiver Raum. Das hat selbstverständlich Folgen für die christliche Gemeinschaft, denn dann sind Trennungen bzw. Spaltungen im öffentlichen Leben nicht möglich: »Das gemeinsame Leben umfasst das ganze Leben.«80 In der Frage des Abendmahls grenzt sich Moltmann von Karl Barths exklusivem Verständnis deutlich ab, so sehr er ihm in anderer Hinsicht auch immer wieder zustimmt: die exklusiv christologische Deutung des Sakramentes will er um weitere Aspekte von Vermittlung ergänzt wissen, um der Gefahr eines Christomonismus zu entgehen.81 Die Alternative, die Moltmann mit Bezug auf die Ausführungen von Franz Rosenzweig aufweist, ist die einer »inklusiven Trinitätslehre«: »Die Gegenwart des Reiches Gottes und die Offenbarung des endzeitlichen Geheimnisses Gottes liegen in der eschatologischen Gabe des Heiligen Geistes.«82 Die besondere Bedeutung des Abendmahls hat in dieser Hinsicht auch schon Georg Simmel herausgearbeitet. Der Egoismus wird überwunden und Gerechtigkeit eingeübt, es besteht Egalität zwischen den Teilnehmenden.83 Aber auch der Gottesdienst insgesamt, so Moltmann im Anschluss an Walter 78 Ebd., S. 123 ff. 206 ff. 213. 79 Ebd., S. 127. 80 Ebd., S. 126. 81 Ebd., S. 226 f. »Daraus folgt, dass eine exklusiv christologische Fassung des Begriffs Mysterium oder ›Sakrament‹ zwar den Kern neutestamentlicher Aussagen trifft, aber zu eng ist, insbesondere dann, wenn die Christologie auf die Inkarnation so konzentriert ist, dass sie nicht die messianisch offene Geschichte … umfasst.« Ebd., S. 230, 268 ff. 82 Ebd., S. 230. Moltmann verweist in Kap II.4. auf Rosenzweigs Deutung des Sch’ma Israel unter dem Stichwort »Einigung Gottes«: Gott gibt sich selbst zunächst an sein Volk, leidet mit, zieht mit dem Volk in die Fremde etc. (Franz Rosenzweig, Stern der Erlösung, Buch III, S. 192–194). Analog dazu sieht Moltmann das Mitleiden Gottes mit seinem Sohn am Kreuz. In beiden Fällen ist die Einigung das Ziel. »Die Geschichte des Reiches Gottes auf Erden ist nichts anderes als die Geschichte der Vereinigung des Getrennten und die Befreiung des Zerfallenen und darin die Geschichte der Verherrlichung Gottes.« Jürgen Moltmann, Kirche, S. 78 In ähnlicher Weise argumentiert auch Hans Ehrenberg: vgl. Peter Noss, Einheit als Vielfalt: Hans Ehrenberg, die Ökumene und das interreligiöse Gespräch, in: Manfred Keller / Jens Murken (Hg.), Das Erbe des Theologen Hans Ehrenberg. Eine Zwischenbilanz, Berlin 2009, S. 77–97. 83 »Erst das christliche Abendmahl, das das Brot mit dem Leibe Christi identifiziert, hat auf dem Boden dieser Mystik die wirkliche Identität auch des Verzehrten und damit eine ganz einzige Verknüpfungsart unter den Teilhabenden geschaffen. Denn hier, wo nicht jeder ein dem andern versagtes Stück des Ganzen zu sich nimmt, sondern ein jeder das Ganze in seiner geheimnisvollen, jedem gleichmäßig zuteil werdenden Ungeteiltheit, ist das egoistisch Ausschließende jedes Essens am vollständigsten überwunden.« Georg Simmel, Soziologie der Mahlzeit (1910), in: Ders., Brücke und Tor. Essays des Philosophen zur Geschichte, Religion, Kunst und Gesellschaft, im Verein mit Margarete Susman hg. Von Michael Landmann, Stuttgart 1957, 243–250. Vgl. Iris Därmann, Die Tischgesellschaft. Zur Einführung, S. 29 f.
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Hollenweger, kann als befreiendes Fest erlebt – und auch gestaltet werden: Die offene, allgemein mögliche Teilnahme mit den jeweiligen Kräften und Möglichkeiten eines jeden Teilnehmenden prägen die Versammlung84 bzw. das Leben als »Fest ohne Ende«: »Es ist das Leben ohne Tod, die Zeit ohne Vergänglichkeit und die Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes ohne Behinderung.«85 Auch an dieser Stelle beeinflussen sich Glauben und Leben wechselseitig, denn es ist ein Gemeinschaftsmahl als ein offenes und öffentliches Ereignis – für Frieden und Gerechtigkeit.86 Zöllner und Sünder sitzen mit am Tisch87, es wird offen über Konfessionsgrenzen hinweg und weltoffen eingeladen88: »Die offene Einladung des Gekreuzigten zu seinem Mahl ist die fundamentale Überwindung aller Tendenzen der Entfremdung, der Trennung und Abspaltung.«89 Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Sakrament, der Taufe: zwar ist die Taufpraxis tendenziell exklusiv und insbesondere Jesu Taufe nach Mt 3,14 ff. hat einen »exklusiv christologischen Sinn«90, sie hat jedoch implizit eine inklusive Tendenz: »Der Streit zwischen einer exklusiv christologischen Orientierung und einer ekklesiologischen Begründung der Taufe ist zu lösen, wenn die Taufe trinitarisch im Blick auf die eschatologische Gabe des Heiligen Geistes verstanden wird«.91 Der konkrete Begriff der Freiheit, den Moltmann heranzieht, ist die (ganzheitliche) Freundschaft – und sie funktioniert ausschließlich »in offener Zuneigung und öffentlicher Achtung zu den Anderen«92 unter Einbeziehung der »Gleichen« wie der »Anderen« und nicht im exklusiv gebrauchten Sinne des griechischen Verständnisses. Nur so ist es eben auch möglich, mit Sündern und Zöllnern Freund zu sein und dies auch öffentlich. Im »Vaterunser« wird die Bitte um das alltägliche Brot an einen freundlichen Gott gerichtet, es ist damit »Ausdruck für das Leben in der Gottesfreundschaft«93. Moltmann beschreibt es als die christliche Entprivatisierung der Freundschaft, die nur so ganzheitlich werden kann: Freundschaft mit Seele und Leib, ein inklusiver Ansatz von Freundschaft, auch im Blick auf die Integrität der Person, so lässt sich festhalten.94 Liebe ist daher nichts anderes als die »Freundschaft des Men84 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 131 ff. 85 Ebd., S. 133. 86 Ebd., S. 270. 87 Ebd., S. 274, 278. 88 Ebd., S. 271 ff. 89 Ebd., S. 284. 90 Ebd., S. 262. 91 Ebd., S. 265. Diese Auffassung führt zwangsläufig zu einem Plädoyer für einen Weg weg von der Kindertaufe hin zur Erwachsenentaufe. 92 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 139. 93 Ebd., S. 137. 94 Vgl. ebd. S. 140 f. Zum Thema der zu korrigierenden Sicht auf das Thema von Leiblichkeit / Körperlichkeit vgl. Michael Welker, Die Anthropologie des Paulus als interdisziplinäre Kontakttheorie, in: Jahrbuch der Heidelberger Akademie der Wissenschaften für 2009, Heidelberg 2010, S. 98–108.
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schen mit Gott und allen seinen Geschöpfen. In diesem inklusiven Sinne ist Freundschaft in der Tat das Gerechteste. Offene Freundschaft bereitet den Boden für eine freundliche Welt.«95 Es handelt sich hier um die Eröffnung einer Perspektive, die eine Spur von Veränderung anlegt, die auf Konkretion in der Gegenwart drängt. Moltmanns Freundschaftsbegriff übergeht nicht die Tatsache der differenzierten Verschiedenheit. Vielmehr wird der »Andere«, der »Übersehene«, der Arme zum Christus. Das Kommende ist in den Armen als verborgene Gegenwart enthalten. Der Glaube geht der Liebe und damit dem Handeln voraus, entsprechend folgt die Ethik der Ekklesiologie – jedoch unmittelbar.96 Die Frage ist, wie sich die Kirche zur Gegenwart Christi verhält: »Es geht dann nicht um die Integration des außerkirchlich Christlichen in das kirchliche Christentum, sondern um die Integration der Kirche in die verheißene Gegenwart Christi: Ubi Christus – ibi Ecclesia.«97 Die Geringsten sind es, die klar machen, wohin die Kirche gehört – das ist der Prüfstein, an dem sich die Kirche bewähren muss, die keinesfalls (nur) an sich selbst interessiert sein darf, sondern an der Zukunft der Welt. Es ist dies eine erste Spur zu der Frage der Menschenrechte, der Moltmann in der Ekklesiologie und in einer Reihe weiterer Schriften nachgegangen ist. 3. Menschenrechte Jürgen Moltmann hat sich mit dem Thema der Menschenrechte und ihrem Verhältnis zur christlichen Theologie konsequenterweise mehrfach und in verschiedenen Zusammenhängen auseinandergesetzt und geäußert: Es spielt eine Rolle sowohl in seiner Ekklesiologie, in seinen Überlegungen zur Diakonie als auch im Kontext seines Engagements für die Sache der Ökumene. Die christliche Theologie soll den Diskurs nicht noch einmal neu beginnen, sondern daran anknüpfen unter drei theologischen Gesichtspunkten mit praktischer Konsequenz: »Im Namen der Schöpfung des Menschen zum Ebenbild Gottes, im Namen der Menschwerdung Gottes zur Versöhnung der Welt und im Namen des kommenden Reiches Gottes zur Vollendung der Geschichte ist ihr die Sorge um die Menschlichkeit des Menschen sowie um seine Rechte und Pflichten in der Zeit aufgetragen.«98 Moltmann fragt zunächst nach der Legitimität politischer Herrschaft, die durch, für und mit dem Volk gerechtfertigt sein muss. Eine Herrschaft sei »nur auf dem Boden der Rechtsgleichheit der Menschen möglich.«99 Die Demokra95 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 141. 96 »Die verborgene Gegenwart des Kommenden in den Armen gehört darum zuerst in die Ekklesiologie und erst dann in die Ethik.« Ebd., S. 146. 97 Ebd., S. 149. 98 Jürgen Moltmann, Theologische Erklärung, S. 45. 99 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 199.
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tie, in der Selbstverwaltung, Mitbestimmung, Gewaltentrennung und Solidarität die Leitkriterien sein müssen, ist aber kein Zustand, sondern ein offener, unabgeschlossener Prozess, in dem der Mensch zu Freiheit und Beteiligung herausgefordert ist. Da das Christentum grundsätzlich dazu aufgerufen ist, die staatlichen Ordnungen mitzugestalten und zwar so, dass sie dem Recht und der Würde des Menschen am besten dienen, muss die Kirche die Diskussion über die Frage der Menschenrechte aufgreifen. Das kann, so Moltmann, nur auf dem Weg der »Entsakralisierung, der Säkularisierung und der Demokratisierung politischer Herrschaft«100 geschehen: »Dazu hilft heute die Orientierung und Weiterarbeit an den Menschenrechten.«101 Als Basis für die Überlegungen zu den Menschenrechten benennt Moltmann die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948, die International Covenants on Human Rights von 1966 und die Kinderrechtskonvention von 1989102 sowie das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.103 Erstaunlicherweise wird in der 2010 erschienenen Ethik die UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 nicht erwähnt. Menschenrechte schützen die unantastbare, unteilbare Würde des Menschen und sind die Rechte des Menschen gegenüber dem Staat ohne Rücksicht auf Geburt, Rasse, Religion, Gesundheit und Nationalität.104 Sie sind keine exklusiv europäische Idee, sondern haben, so Moltmann, verschiedene wichtige Hintergründe.105 Sie sind in einer christlich begründeten und auf die Menschheit hin ausgerichteten Gestalt eine Leitlinie für politisches Handeln und Parteinahme für diejenigen, die unter Menschenrechtsverletzungen leiden. Dabei spielen die folgenden Leitmotive eine wichtige Rolle: − Zum einen ist es die Gottebenbildlichkeit des Menschen. Der Mensch ist also nicht um des Staates und seiner Herrschaft, sondern der Staat ist um des Menschen willen da. Daran muss sich Herrschaft messen. − Zum anderen müssen Herrschende und Beherrschte »gemeinsam als Menschen identifizierbar« sein. − Voraussetzung für die Wahrnehmung von Menschenrechten ist die Gewährleistung von ökonomischen Grundrechten »auf Leben, Arbeit und soziale Sicherheit«, was bereits in Jes. 40,5 anklingt.
100 Ebd., S. 201. 101 Vgl. Paul Ricœur, Toleranz, Intoleranz und das Nicht-Tolerierbare, in: Rainer Forst (Hg.), Toleranz. Philosophische Grundlagen und gesellschaftliche Praxis einer umstrittenen Tugend, Frankfurt a. M. 2000, S. 26–44. 102 Jürgen Moltmann, Ethik, S. 242. 103 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 204; Ders., Menschenwürde, Recht und Freiheit, S. 7 f.; Ders., Theologische Erklärung, S. 44. 104 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 202. 105 Jürgen Moltmann, Theologische Erklärung, S. 44; Ders., Ethik, S. 242.
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− »Menschenrecht wird nur (?) konkret, wenn es pointiert als ›Recht des Nächsten‹ aufgefasst wird.«106 − Neben den Menschenrechten stehen die Menschenpflichten im Sinne einer Wahrnehmung des jeweils anderen.107 Das bedeutet z. B. die Pflicht zum Widerstand gegenüber illegitimer bzw. illegaler Herrschaft.108 Die Menschenrechte sollten hin zu Menschheitsrechten entwickelt werden. Es spielen also nicht nur die individuellen Freiheitsrechte eine wichtige Rolle, sondern auch die Frage der »gemeinsam organisierten Menschheit«, soziale Menschenrechte und das Recht auf Selbstbestimmung in ökonomischer, sozialer und politischer Hinsicht.109 Zu einer »Weltinnenpolitik« gehört entsprechend der Aspekt von Solidarität, der die nationalen und staatlichen Grenzen überwinden muss: »Das Menschenrecht ist eines und unteilbar. Es kann kein Privileg sein.«110 Moltmann würdigt die Bedeutung der Menschenrechte, weist aber auch darauf hin, dass sie weder Besitz noch Ideal sind, sondern eine Hilfskonstruktion auf dem Weg zur »Menschwerdung des Menschen« und zur »Vereinigung der Menschheit«. Besonders wichtig im Blick auf die Frage der Möglichkeit zu einer Gesellschaft, in der die »Inklusion« als Zielformulierung herangezogen werden soll, ist die Parallele zu dem, was die Menschenrechte sind: Auch sie sind als Prozeß aufzufassen, der unabgeschlossen und auch geschichtlich unabschließbar ist. Sie sind so weit wirksam, wie Menschen bereit sind, sie für andere und sich selbst zu realisieren. Je mehr Menschen sich vereinigen und größere Gemeinschaften eingehen, um so breiter wird die Diskussion um die Menschenrechte und um so mehr werden sie auf ökonomische Rechte vertieft und um die Rechte der Menschheit auf den einzelnen Menschen, also die Menschenpflichten, erweitert werden.111
Moltmann bringt damit gleich mehrere wichtige Aspekte auf den Punkt: zum einen die Unabschließbarkeit des Prozesses mit dem (»eschatologischen«) Ziel der einen Menschheit. Zum anderen kommt es sehr darauf an, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Rechten des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft und den berechtigten Ansprüchen der Menschheit gegenüber dem Einzelnen herzustellen. Schließlich verknüpfen sich die Rechte mit den Fragen der Ökonomie, d. h. mit dem Aspekt der Teilhabe. Und es ist insbesondere die Aufgabe der Christenheit, in diesem Prozess Verantwortung zu übernehmen, um in den jeweiligen Kontexten (Staaten, Verbänden etc.) auf die Umsetzung 106 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 203. 107 »Es folgt daraus, dass wir unsere eigene Würde nur dann wahrhaft achten, wenn wir beginnen, alles zu tun, um die Würde der erniedrigten und beleidigten Menschen zu schützen. Das ist Menschenpflicht.« Jürgen Moltmann, Menschenwürde, S. 10. 108 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 204. 109 Jürgen Moltmann, Theologische Erklärung, S. 44. 110 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 205. Vgl. auch: Jürgen Moltmann, Frieden in einer geteilten Welt, in: Ders., Das Experiment Hoffnung, München 1974, S. 194 ff. 111 Ebd., S. 205.
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hinzuweisen und hinzuwirken, weil diese Rechte dem erhofften »Reich[es] des Menschensohns in den Machtkämpfen der Geschichte«112 entsprechen. Christliche Ethik kann sich in der Welt bewegen, als sei sie versöhnt, sie hofft für die Welt und arbeitet an der Versöhnung.113 Grundsätzlich sind »alle Menschen«, ob Männer oder Frauen, Erwachsende, Kinder und Alte, Menschen mit Behinderungen, sozial entrechtete Menschen usw. frei und gleich an Würde und Rechten.114 Neben anderen Konflikt feldern, in denen sich die Christenheit vor dem Hintergrund der Menschenrechtsfrage engagieren sollte (Rassismus, Sexismus), nennt Moltmann konkret auch das Verhältnis von »Gesunden« zu »Behinderten« bzw. »Nichtbehinderten« und »Behinderten«.115 Abgesehen von der an dieser Stelle unscharf gewählten Gegenüberstellung der Begriffe116 fordert Moltmann jedoch zurecht, dass es u. a. darum gehen muss, dass Menschen ohne Behinderung ihr »Identitätsbewußtsein« verändern, damit Menschenwürde und Menschenrechte zum Zuge kommen: »Erst wenn die Gesunden für die Behinderten kein Problem mehr darstellen, können die praktischen Probleme der Behinderten wirklich gelöst werden.«117 Moltmann schöpft im Blick auf die Situation von Menschen mit Behinderung insofern aus eigener Erfahrung, als sein älterer Bruder ein »schwerstbehinderter Mensch« war.118 Dies war der Motor für die intensive Beschäftigung speziell mit dieser Frage, die einen geradezu exemplarischen Charakter gewonnen hat. Darauf will ich deshalb weiter unten noch einmal gesondert eingehen.119 Einen ersten theologischen Ansatzpunkt findet Moltmann in der Gottebenbildlichkeit des Menschen als der »Erfüllung seiner ursprünglichen Bestimmung«.120 Befreiung, Bund und Recht als konkrete Ansatzpunkte der Geschichte Israels im sog. Alten Testament sind wegweisend für die christliche Theologie und haben exemplarische Bedeutung für alle Menschen. Gott habe, so Moltmann, das »Recht auf den Menschen«, die Freiheitsrechte, die Gemeinschafts-, Herrschafts- und Zukunftsrechte des Menschen sind fester Bestandteil. Im sog. Neuen Testament werden Befreiung, (neuer) Bund und (neue) Rechte 112 Ebd., S. 206 f. 113 Jürgen Moltmann, Ethik, S. 253. 114 Jürgen Moltmann, Menschenwürde, 8 f.; Ders., Ethik, S. 54. 115 Vgl. auch Jürgen Moltmann, Menschenwürde, S. 9. 116 Richtig wäre die Gegenüberstellung von gesund – nicht gesund bzw. behindert – nicht behindert. Diese Begriffe werden in seinen Ausführungen zur Diakonie in veränderter Weise verwendet (vgl. J. Moltmann, Diakonie; dazu den Abschnitt 5 in diesem Kapitel). 117 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 210. Vgl. auch J. Moltmann, Diakonie, S. 42: »Wo die Behinderten zusätzlich behindert werden, kann die Gesellschaft der Gesunden nicht als ›gesund‹ im Sinne der Anerkennung des Menschlichen gesehen werden. Sie bedarf dringend der Heilung durch die volle Annahme der Behinderten als behinderter Menschen.« 118 Jürgen Moltmann, Quelle des Lebens, S. 71. 119 Vgl. Abschnitt VII.4. Insgesamt zu diesem Aspekt: Jürgen Moltmann, Diakonie im Horizont des Reiches Gottes. 120 Jürgen Moltmann, Theologische Erklärung, S. 46 f.; Ders., Ethik, S. 252.
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(und Pflichten) aufgrund von Sendung, Hingabe und Auferstehung Jesu Christi analog re-formuliert. Dies führe konsequent zu einer entsprechenden Praxis in der Christenheit und in der Theologie. Moltmann spitzt das Wechselverhältnis zu: »Die Menschenrechte spiegeln das Recht des kommenden Gottes und seiner Zukunft auf den Menschen wider.«121 Karl Barths Interpretation der Bestimmung »Ebenbild Gottes« als gottsuchenden und gottentsprechenden Menschen entfaltet Moltmann in vier Dimensionen.122 In einer ersten Dimension geht es um das ganzheitliche Personsein des Menschen: »Die Gegenwart Gottes macht den Menschen unabtretbar zur Person. Am Du Gottes wird er ein Ich von grenzenloser Tiefe. Am Ich Gottes wird er ein Ich von grenzenloser Tiefe. … Der Glaube an Gott verlangt, jeden und alle Menschen als ein Sakrament zu respektieren, das nicht angetastet werden darf.«123 Das bedeute, dass die Herrschaft von Menschen über andere Menschen »demokratisiert« werden müsse.124 Je nach aktueller Lage ist der Christ dazu angehalten, die Menschenrechte gegen diejenigen zu verteidigen, die diese missachten: »Der Widerstand ist Menschenrecht und Christenpflicht. Er ist Nächstenliebe im Notfall.«125 In einer zweiten Dimension wird der soziale Aspekt in den Blick genommen: »Nach der biblischen Hoffnungsgeschichte sollen und können Menschen nur zusammen, nämlich in und durch ihre Gemeinschaft miteinander, Gott entsprechen.«126 Individuelle und soziale Menschenrechte stünden in einem genetischen Zusammenhang wechselseitiger Bedingung. Das Menschenrecht sei unteilbar.127 Dabei sei der dreieinige Gott selbst das Urbild von Sozialität. Diese Überlegungen korrespondieren mit Moltmanns Überlegungen zum »Charisma eines behinderten Lebens«: Die Kraft Gottes wird in der Schwachheit bzw. in den Schwachen mächtig, wie es Paulus im 2. Korintherbrief ausgeführt hat (2. Kor 12,9; 13,4): »Keiner ist unbrauchbar und wertlos, auf niemanden kann verzichtet werden. … Alle werden dem Gekreuzigten gleichgestaltet… Es ist wichtig, diesen Glanz Gottes an denen zu erkennen, die wir ›behindert‹ nennen, um den öffentlichen Konflikt zwischen nichtbehinderten und behinderten Menschen in der Gemeinde Christi zu überwinden.«128 Das heißt nichts anderes, als die Gemeinde als den Ort zu begreifen, an dem Exklusion nicht mehr stattfindet, sondern die Behinderung der Behinderten 121 Jürgen Moltmann, Theologische Erklärung, S. 47. 122 Jürgen Moltmann, Menschenwürde, S. 19–28. 123 Ebd., S. 20. 124 Jürgen Moltmann, Theologische Erklärung, S. 48. 125 Jürgen Moltmann, Menschenwürde, S. 22; Ders., Theologische Erklärung, S. 49. Jürgen Moltmann verweist zum einen auf Zwinglis Züricher Disputation von 1523 (Schlussreden Nr. 38), auf das Schottische Bekenntnis von 1560 (Art. 14) und die Äußerungen von Eivind Berggrav in Hannover 1952. 126 Jürgen Moltmann, Menschenwürde, S. 23. 127 Jürgen Moltmann, Theologische Erklärung, S. 50. 128 Jürgen Moltmann, Quelle des Lebens, S. 70.
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durch die Nicht-Behinderten überwunden wird.129 Die Diakonie kann nur dann eine »gute Diakonie werden, wenn die Diakonie der Behinderten an den Nicht-Behinderten«130 ein Teil ihres Selbstverständnisses geworden ist. In einer dritten Dimension wird das Verhältnis zur nicht-menschlichen Schöpfung bedacht: Herrschaft über die Erde sei nur dann legitim, wenn sie »Kooperation und Gemeinschaft mit der Umwelt« bzw. der Erde umfasst.131 Darauf basieren die ökonomischen Grundrechte mit dem Ziel der Gerechtigkeit und – mit dem Verweis auf die »Grenzen des Wachstums« – die ökolo gischen Grundpflichten.132 Gerechtigkeit in ökonomischer und in ökologischer Hinsicht bedingen sich.133 Schließlich wird in der vierten Dimension auf die Verantwortung für die (eigene) Zukunft und die kommenden Generationen hingewiesen: »Der Mensch darf darum seine Gegenwart nicht auf Kosten der Zukunft ausbeuten, wie er auch nicht verpflichtet ist, seine Gegenwart der Zukunft zu opfern.«134 Diesen Gedanken hat Moltmann an einer ganz anderen Stelle, in seiner »Meditation über den ›urchristlichen Kommunismus‹« im Blick auf die soziale Ungerechtigkeit ausgeführt. Sein Vorschlag ist es, die Gesellschaft überschaubar zu machen und entsprechende Gemeinschaften zu bilden, damit ihre Mitglieder verstehen, dass das Gegenteil von Armut nicht Eigentum, sondern das Gegenteil von Armut und Eigentum Gemeinschaft ist: »Entdecken wir also unseren Reichtum, entdecken wir unsere Solidarität, bilden wir Gemeinschaften, nehmen wir unser Leben selbst in die Hand, nehmen wir es endlich denen aus den Händen, die uns beherrschen und ausnutzen wollen.« Dieser Diskurs über Herrschaftsfreiheit berührt sich insofern mit der Frage der Inklusion, als die Möglichkeit zur Überwindung von Ausgrenzung, Segrega tion und Exklusionsmechanismen im Licht des Evangeliums und der urchristlichen Gemeindeorganisation nach den Berichten der Apostelgeschichte (Apg 4,31–35) nicht als Utopie im Raum steht, sondern realistisch ist: »Es ist dann genug für alle da, wenn, ja wenn zur Fülle des Lebens, der Lebenskräfte und der Lebensmittel die Gerechtigkeit tritt. Sie macht es, daß ›ein jeglicher bekommt, was ihm not ist‹, nicht weniger, nicht mehr«.135 Die Verantwortungslogik ist also die der Wechselseitigkeit, was ebenfalls ein wesentlicher Aspekt des Inklusionsgedankens ist. 129 Wörtlich heißt es bei Jürgen Moltmann, Quelle des Lebens, S. 71: »Behinderte werden nicht nur durch geistige oder physische Schwierigkeiten, sondern auch sozial durch die Tüchtigen behindert, die sie zu ›Behinderten‹ erklären. Nicht nur durch Verdrängung aus dem öffentlichen Leben, sondern auch durch die Fürsorge und Betreuung in Heimen können behinderte Menschen entmündigt werden. Um das zu ändern, darf man nicht nur auf die Behinderung starren, sondern muß den Menschen erkennen, der behindert ist.« 130 Jürgen Moltmann, Quelle des Lebens, S. 71. 131 Jürgen Moltmann, Menschenwürde, S. 25; Ders., Theologische Erklärung, S. 51. 132 Jürgen Moltmann, Menschenwürde, S. 27. 133 Jürgen Moltmann, Theologische Erklärung, S. 52. 134 Jürgen Moltmann, Theologische Erklärung, S. 53. 135 Jürgen Moltmann, Quelle des Lebens, S. 108.
Menschenrechte
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Einen zweiten theologischen Begründungszusammenhang findet Moltmann in Gal 3, 28 und bringt dies mit dem Rechtfertigungsgedanken in Verbindung.136 Die Menschenrechte sind nicht selbstverständlich in Kraft, sondern werden ideologisch missbraucht, was – theologisch gesprochen – mit der Sünde des Menschen zusammenhängt. Sie können nur dann Wirklichkeit werden, wenn es durch das Handeln Gottes durch Jesus Christus » zur Rechtfertigung des ungerechten Menschen und zur Erneuerung seiner Menschlichkeit kommt.«137 Die so zu erlangende Freiheit sich selbst gegenüber ermöglicht es, »das Prinzip der Anerkennung des Anderen in seiner Andersartigkeit, die Anerkennung des andersartigen Menschen als Mensch« als »Grundsatz befreiter Humanität« zu leben und »Segregation« zu vermeiden138, was nichts anderes ist als die Antizipation des Gottesreiches und der mit ihm verbundenen Gerechtigkeit.139 Das Reich Gottes ist die eschatologische Vollendung der geschichtlich-befreienden Herrschaft Gottes – Immanenz des eschatologisch erhofften Reiches Gottes und Transzendenz der geglaubten und erfahrenen Gottesherrschaft.140 Konsequenterweise ist daher auch allen Tendenzen zu widerstehen, sich in sich selbst zu verschließen. Es ist wichtig, gemeinsam zu einer offenen Gesellschaft zu kommen, eine »Welt- und Zeitoffenheit« zu riskieren und stellvertretend für das Ganze einzustehen.141 Ein dritter theologischer Aspekt ist der Gedanke der Versöhnung »durch Glaube, Liebe und Hoffnung«142, wodurch dem sündigen Menschen die »verlorene Menschlichkeit zurückgegeben«143 wird. In der unmenschlichen Welt werde so die Würde des Menschen wiederhergestellt144: »Versöhnung ist nichts Geringeres als zurechtbringende Gerechtigkeit«, in deren Dienst die Christenheit steht. Darin sei sie ein »Zeuge der Zukunft Gottes und ein Anwalt der Hoffnung des Menschen«145. Von der Christenheit ist daher zu erwarten, dass sie im politischen Streit die Unantastbarkeit der Menschenwürde bis zum Äußersten verteidigt, auf die Wiederherstellung der Menschenrechte dringt, wo diese verletzt wurden, die eigenen, die individuellen und sozialen Egoismen überwindet, dies in öffentlicher Verkündigung und in der Bildung vertritt, denn: »Der Kampf um die Verwirklichung der Menschenrechte gehört in die größere Geschichte der Menschwerdung des Menschen. Die Menschwerdung 136 Vgl. Ders., Kirche, S. 211 ff., Ders., Menschenwürde, S. 33; Ders., Theologische Erklärung, S. 56. 137 Jürgen Moltmann, Theologische Erklärung, S. 55. 138 Vgl. Jürgen Moltmann, Kirche, S. 213. Auf diese Stelle verweist auch Ulf Liedke, Inklusion in theologischer Perspektive, S. 31. 139 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 214. 140 Ebd. 141 Jürgen Moltmann, S. 219. 142 Jürgen Moltmann, Menschenwürde, S. 31 ff. 143 Ebd., S. 32. 144 Vgl. auch Jürgen Moltmann, Theologische Erklärung, S. 56. 145 Jürgen Moltmann, Menschenwürde, S. 32.
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Rekonstruktion der Theologie Moltmanns als einer Theologie der Inklusion
des Menschen gehört in die größere Geschichte des Reiches der Freiheit. Des Menschen Würde und seine Rechte sind eine Einheit, denn der dreieinige Gott ist auf dem Wege, alles mit sich und in sich zu vereinigen.«146 Moltmann bedauert, dass es zu einer gemeinsamen, ökumenischen Erklärung der Christenheit bisher nicht gekommen ist.147 Die eschatologische Perspektive entlastet jedoch und fordert zugleich, denn weder die Menschheit noch die Christenheit kann das Ideal von Freiheit und Versöhnung vollständig herstellen – beide sind aber dazu herausgefordert, auf dem Weg der Hoffnung dorthin permanent an Freiheit und Versöhnung mitzuwirken. 4.
Die Überwindung der Behinderung von Behinderten als Beispiel für das Prinzip der Anerkennung des Anderen
In Bezug auf Menschen mit Behinderungen wird die Menschenrechtsfrage auch für Moltmann exemplarisch gestellt. Die Stellung der Menschen mit Behinderungen in Gesellschaft und Kirche ist in vielfacher Hinsicht problematisch und bedarf einer klaren Korrektur. Moltmann vertritt den Standpunkt, daß es im Grunde gar keine ›Behinderten‹ gibt, sondern nur Menschen: Menschen, die diese oder jene Schwierigkeiten haben, auf Grund derer sie die Gesellschaft der Starken und der Tüchtigen ungerechterweise zu ›Behinderten‹ erklärt und vom öffentlichen Leben mehr oder weniger ausschließt; Menschen aber mit der gleichen Menschenwürde und den gleichen Menschenrechten wie alle und jeder andere auch.148
Jeder Mensch, egal wie er ist, muss als »Ebenbild des lebendigen Gottes« angesehen werden.149 Ein grundsätzlicher Perspektivenwechsel ist notwendig. Das gesamte gesellschaftliche Gefüge gehört nach Moltmanns Auffassung auf den Prüfstand: »Das Verhältnis von Unbehinderten und Behinderten selbst muß gesunder und menschlicher werden.«150 Das Prinzip der Gleichheit im Sinne der aristotelischen Auffassung, dass sich idealerweise gleich und gleich zusammenfindet, führe zwangsläufig in eine Segregationsgesellschaft, weil Störungen, Anderssein, Behinderung etc. ausgegrenzt und abgetrennt werden.151 Hier 146 Ebd., S. 34. 147 Jürgen Moltmann, Ethik, S. 243, mit dem Verweis auf die Erklärung der katholischen Kommission Justitia et Pax: »Die Kirche und die Menschenrechte« von 1974, die Stellungnahmen des Reformierten Weltbundes von 1976 und des Lutherischen Weltbundes von 1977. 148 Jürgen Moltmann, Diakonie, S. 53. 149 Ebd., S., 67. 150 Ebd., S. 42. 151 Auf diese Problematisierung Moltmanns weist auch Ulf Liedke, Inklusion in theologischer Perspektive, S. 31, hin.
Die Überwindung der Behinderung von Behinderten
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regiert die Macht der Mehrheit der »scheinbar Normalen. Gegen diese Praxis und das Prinzip der Abgrenzung muss »das Prinzip der Anerkennung des Anderen in seiner Andersartigkeit«152 gestellt werden, damit die »Annahme des Behinderten als Mensch[en] und die Anerkennung seiner fundamentalen Menschenrechte«153 an die erste Stelle in der Liste der notwendigen Veränderungen rücken. Von besonderer Bedeutung bei der Relektüre der Theologie Moltmanns als einer inklusionskompatiblen Theologie ist es, dass er betont, dass die einseitige »Integration« im Sinne einer Anpassung der Menschen mit Behinderung keinesfalls ausreicht: »Sie müssten sich wieder anpassen, um die Welt und die Werte der Menschen, die sich für nichtbehindert halten, zu stützen. Nein, eine wirkliche Heilung dieser gespaltenen Gesellschaft muß Veränderungen auf beiden Seiten bringen.«154 Es bedarf vielmehr einer doppelten, wechselseitigen Integration ebenso wie einer neuen Sicht auf das, was als »Behinderung« bezeichnet wird – Behinderung etwa im Sinne einer besonderen Fähigkeit oder Begabung. Diese Überlegung befreit von der Notwendigkeit einer deterministischen, negativen Wertung. Dabei kommt Moltmann wieder auf die theologische Begründung zu sprechen, die sich aus den paulinischen Überlegungen ableiten lässt: »Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zur Ehre Gottes« (Röm 15,7). Die Gemeinschaft der Christen, die Vorbild sein kann und soll für die Gesellschaft, ist besonders in ihrer Vielfalt und Differenzierung, als Bereicherung für alle erfahrbar.155 Die Situation der Menschen mit Behinderung, ihr gesellschaftlicher Ausschluss, also die Exklusion, und die Notwendigkeit einer Veränderung hin zu einer inklusiven Sicht ist für Moltmann exemplarisch auch für andere Fragen der Ethik. Er sieht das Problem als eines der Kernthemen der Diakonie insgesamt und ordnet es entsprechend ein. Denn es ist auch die moderne Gesellschaft noch immer, die Freiheit und Gleichheit aller Menschen behindert und in »eine neue Segregationsgesellschaft« führt, in der Kranke, Behinderte, Alte, Kinder etc. ausgegliedert werden.156 Entsprechend kritisch sieht er die Rolle der Diakonie, wenn sie die Defizite von Staat und Gesellschaft durch ihre Dienstleitung nur kompensiert. Eine theologische Korrektur verändert diese Rolle, wenn an die Stelle einer apokalyptischen Weltsicht eine messianisch-eschatologische tritt: »Für sie hat mit der messianischen Sendung Jesu (Lk 4,18 f ) die Zukunft des Reiches Gottes in der Geschichte schon begonnen. … Not wird nur gelindert, wenn ihre Ursachen verhindert werden. Isolation wird durch Gemeinschaft überwunden und Sklaverei nur durch gemeinsame Freiheit abgeschafft.«157 Diakonie ist also zum einen Wesens152 Jürgen Moltmann, Diakonie, S. 48. 153 Ebd., S. 49. 154 Ebd., S. 68. 155 Ebd., S. 21. 156 Ebd., S. 18. 157 Ebd., S. 19.
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Rekonstruktion der Theologie Moltmanns als einer Theologie der Inklusion
bestandteil von Kirche im Sinne einer echten Gemeindediakonie158 und zum anderen am Reich Gottes orientiert, indem sie »über soziale Kompensation hinaus zu Ansätzen und Experimenten der Erneuerung der menschlichen Gemeinschaft«159 führt: »Erst der Aufbau von Lebensgemeinschaften zwischen Behinderten und Nichtbehinderten, Gesunden und Kranken, Jungen und Alten, Männern und Frauen kann die soziale Isolation der gegenwärtigen Segregationsgesellschaft überwinden.«160 5.
Kirche, Israel und die anderen Religionen: Exklusivität als Inklusion161
Während sich Moltmann in der Frage des Sakramentsverständnisses gegen eine zu enge und deshalb exklusive christologische Bestimmung abgrenzt162, nimmt er in dieser Frage Bezug auf Karl Barths und Dietrich Bonhoeffers ekklesiologische Erörterungen, wenn er betont: »Die aus dem Evangelium vom Reich folgende Umkehr zur Zukunft wird sich in der Umkehr der Verhältnisse und Beziehungen des Lebens zu anderem Leben erweisen. Darum fragt die ›Kirche des Reiches Gottes‹ nach der Hoffnung Israels, nach der Hoffnung der Religionen, nach der Hoffnung der menschlichen Gesellschaft und nach der Hoffnung der Natur.«163 Schon die Lehre von der Kirche an sich kann also nicht selbstbezüglich sein. Die Kirche ist aufgefordert, sich im Horizont einer »relationalen Eschatologie«164 zu öffnen und auf die Anderen einzulassen. Am Beispiel des Verhältnisses der Kirche zu Israel macht Moltmann dies besonders deutlich. Moltmann nimmt den Ausgangspunkt für seine Über legungen bei der Verhältnisbestimmung »nach Auschwitz« – Kirche muss Israel wahrnehmen als »bleibenden Ursprung«, als »Partner in der Geschichte« und als »Bruder in der Hoffnung«.165 Der Absolutismus der Kirche und ein damit verbundener Antijudaismus habe den Nährboden für die Katastrophe mit bereitet166. Vergleichbar mit den Überlegungen von Friedrich-Wilhelm Marquardt zur Neuentdeckung des Judentums in der Theologie (der daraus
158 »Denn ›Diakonie‹ und ›Gemeinde‹ sind doch im Grund untrennbar…« Jürgen Moltmann, Diakonie, S. 37. 159 Ebd., S. 20. »Diakonie im Horizont des Reiches Gottes ist deshalb umfassende, ganzheitliche Diakonie… Sie arbeitet an der Überwindung und Beseitigung von Barrieren im Menschen, zwischen Menschen, zwischen den Menschen und Gott« (ebd. S. 28). 160 Ebd., S. 21. 161 Zum folgenden vgl. Jürgen Moltmann, Kirche, S. 156–171. 162 Ebd., S. 227 ff. 163 Ebd., S. 155. 164 Ebd., S. 154. 165 Ebd., S. 156. 166 Ebd., S. 157.
Kirche, Israel und die anderen Religionen: Exklusivität als Inklusion
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eine ganze Dogmatik entwickelte)167, erinnert Moltmann daran, dass die Staatsgründung Israels – als Folge von Auschwitz – das Verhältnis von Juden und Christen neu bestimmt hat. Zudem stellt er die für seine Zeit weitreichende Frage, ob die Kirche das Alte Testament nicht auch als Verheißungsbuch des gegenwärtigen Israel lesen müsse. Juden und Christen sind als Partner der Geschichte in der gemeinsamen Perspektive noch unerfüllter Verheißungen.168 Der Weg der Kirche, so konstatiert Moltmann, sei jener aus dem Judentum heraus: »Die Kirche ist historisch den Weg von einer Gemeinde aus Judenchristen zu einer Gemeinde aus Juden und Heiden und von dort zu einer Gemeinde aus Heiden gegangen.«169 Zu Beginn der Kirche stand die Ermöglichung der Nachfolge, indem Jesus das Gesetz durchbrach. Die zwölf Jünger symbolisieren das »messianisch erneuerte Zwölf-Stämme-Volk. Sie [die Kirche] blieb darum im Bereich des Gesetzes, das in der Kraft der Liebe erfüllt werden sollte, und im Bereich der Synagoge.«170 Im Anschluss an Ernst Käsemann formuliert Moltmann, die Kirche sei der Umweg zum Heil Israels. Kirche ist »gelebte Hoffnung für Israel, und dann ist Israel gelebte Hoffnung für die Kirche.«171 Moltmann beklagt die kaum vorhandene theologische Würdigung Israels – der Rheinische Synodalbeschloss von 1980 als Auslöser für ein Umdenken bis heute war zu dieser Zeit auch noch nicht gefasst worden.172 Wohl aber gab es die Erklärung des Vatikanum II oder auch in den Niederlanden die Kirchenordnung der Hervormde Kerk von 1949, die jeweils die bleibende Berufung Israels anerkennen, denen allerdings eine Formulierung für ein positives Verhältnis von Kirche und Israel fehlen.173 So formuliert Moltmann im Weiterdenken, dass die Kirche nicht an die Stelle Israels trete. Es gebe keine »Heimkehr« der Kirche zu Israel ohne ein Welt-Erlösung. »Die besondere Berufung der Christenheit gegenüber Israel besteht genau in diesem Dienst der Versöhnung der Heiden mit Gott, in der sich die Erlösung der Welt ankündigt.«174 Die wichtigste Erkenntnis Moltmanns ist die gemeinsame Perspektive von Kirche und Israel, die er durch seinen eschatologischen Grundansatz vielleicht deutlicher und früher gesehen hat als andere Theologen zu seiner Zeit. Seine Überlegungen verneinen die Exklusivität der Kirche gegenüber dem Judentum – und dann auch gegenüber anderen Religionen. Vielleicht lässt sich mit Moltmann sogar eine Exklusivität Israels gegenüber den anderen Völkern behaupten – was aber im Sinne einer Stellvertretung, d. h. als Sein für Andere, 167 Vgl. Friedrich-Wilhelm Marquardt, Was dürfen wir hoffen, wenn wir hoffen dürften? Eine Eschatologie, 3 Bände (Gütersloh 1993, 1994 u. 1996). 168 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 159. 169 Ebd., S. 163. 170 Ebd. 171 Ebd., S. 165. 172 Zur Geschichte des Rheinischen Synodalbeschlusses vgl. Christoph M. Raisig, Wege der Erneuerung. Christen und Juden: Der Rheinische Synodalbeschluss, Potsdam 2002. 173 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 168. 174 Ebd., S. 169.
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Rekonstruktion der Theologie Moltmanns als einer Theologie der Inklusion
eine inklusive Wendung bereits in sich trägt. Dieses exklusiv-inklusive Verständnis muss die christliche Perspektive auf Israel zwingend gewinnen. Auch im Blick auf das Verhältnis zu den anderen Religionen bleibt das besondere Verhältnis zu Israel für die Kirche erkenntnisleitend, so Moltmann in den folgenden Ausführungen.175 Die Zukunft der in ihrer Geschichte und in ihren Traditionen pluralen Völker ist die eine Menschheit.176 Die Aufgabe der Völker ist es, das Gemeinsame und die Gemeinschaft zu suchen, d. h. sich auf einen inklusiven Zustand hin zu bewegen. Moltmann verlangt eine qualitative statt einer quantitativen, eine qualitative auf Dialog ausgerichtete Mission – mit dem Ziel, Denken und Handeln, Vertrauen und Fühlen zu verändern. Das bedeutet auch, sich verwundbar zu machen und damit zu rechnen, selbst verändert zu werden. Dem »exklusiven Absolutismus« des Christentums wird eine klare Absage erteilt. Denn, so Moltmann, die »sichtbare Kirche ist als Christi Kirche der praktizierte Dienst der Versöhnung der Welt. Dann wird die Kirche nicht absolut gesehen, sondern in ihrer Beziehung zum göttlichen Versöhner und zu den versöhnten Menschen, gleich welcher Religion.«177 Der Dialog ist also ein Prozess mit der Bereitschaft zur Veränderung, was ein ständig neues Profil bedeutet und zum Abbau von Vorurteilen führt. Der biblische Glaube ist eminent religionskritisch – die Religionskritik ist dabei vor allem gerichtet auf das religiös gewordene Christentum selbst.178 In Auseinandersetzung mit dem Verständnis des Begriffs der »Toleranz« sucht Moltmann einen Ausweg aus dem ihr zugrunde liegenden Relativismus (Lessing) durch den Begriff der Relationalität, wenn etwa in den Beziehungen von Religionen untereinander nicht alles als »gleich gültig«, sondern als bedeutungsvoll angesehen wird.179 Von dem theologischen Modell Wolfgang Pannenbergs (Natur und Übernatur) setzt er sich ebenso klar ab wie vom Katalysator-Modell eines Hans Küng: während im einen Fall alle Religionen in einer, nämlich der christlichen als »absoluter Religion«, aufgehoben und vollendet werden, so ist die »indirekte Infizierung anderer Religionen mit christlichen Gedanken, Werten und Prinzipien« im anderen Fall eine zumindest zweideutige Angelegenheit, zumal wenn sie mit westlicher Wissenschaft und Technik verknüpft ist. Moltmann setzt dagegen auf die multilateralen Dialoge, bei der die Weltgemeinschaft der Religionen Lernbereitschaft zeigt. Voraussetzungen dafür sind das Wissen um die Identität des eigenen Glaubens ebenso wie das Gefühl der eigenen Unvollständigkeit und das Bedürfnis nach der Gemeinschaft mit anderen.180 In Summa: Der Dialog der Religionen muss aus der »Tiefe des 175 Ebd., S. 171 ff. 176 Ebd., S. 172. 177 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 175. Vgl. dazu auch die von Moltmann angegebene Referenz: Die Kirche als Faktor einer kommenden Weltgemeinschaft, hg. vom Ökumenischen Rat der Kirchen, Stuttgart 1966. 178 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 176 f. 179 Ebd., S. 179. 180 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 181–185.
Hermeneutische Aspekte
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Gottesverständnisses heraus«181 verstanden ein Dialog als kommunikatives Geschehen mit inklusivem Charakter sein: »Das Dialogprofil der Christenheit sollte der Zukunft des befreienden und erlösenden Reiches in den Möglichkeiten und Kräften der Weltreligionen zugewandt sein.«182 6.
Hermeneutische Aspekte
In dem besonders zu klärenden Verhältnis des Christentums gegenüber Israel und den Religionen liegt nicht zuletzt ein Ansatzpunkt dazu, über sich selbst auskunftsfähig und offen zu sein: Alles Reden vom Reich Gottes muss verständlich sein, muss die neuen Medien der Kommunikation nutzen183 – sich also im Prinzip der inklusiven Sprache bedienen, die jeder Mensch verstehen kann. Außerdem ist sie mit der Befreiungsgeschichte Israels verbunden.184 Es müssen die biblischen Geschichten erzählt werden, um eine exklusive Verengung zu vermeiden: So umschreiben »die trinitarischen Formeln nicht exklusiv die Selbstoffenbarung Gottes in Christus, sondern beschreiben inklusiv die Geschichte Gottes, deren Zentrum das Christusgeschehen als Geschehen der Offenbarung Gottes und der Versöhnung des Menschen darstellt, deren Horizonte aber Anfang und Ende der Geschichte umfassen.«185 So problematisch ein solcher geschichtstheoretischer Blick auch sein mag, so deutlich wird hier aber auch, dass Moltmann einer umfassend befreienden Versöhnung aller Menschen das Wort redet, weil das Evangelium die Sprache der Befreiung ist.186 Der hermeneutische Zirkel kreist nicht exklusiv um Wort und Wirklichkeit, sondern Glaube und Wirklichkeit gehören in das Leben, das von Geist und Leiden geprägt ist.187 Der Gottesdienst wird zum »messianischen Fest«188, festlich das ganze Leben im Geiste des »Festzuges Jesu«189. Dabei wird der Gottesdienst nicht durch eine Ethik ersetzt, sondern die Ethik wird zum Gottesdienst. Fest und Alltag sind keine getrennten Welten mehr. Sonntag und Alltag gehören zusammen.190 Ein wichtiger Aspekt bei der Betrachtung des »Festes« ist die Unterbrechung des Alltags: In der Moderne (der modernen Arbeitswelt) sei der Sinn des Festes 181 Ebd., S. 183. Moltmann nimmt hier Bezug auf H. J. Margull, Verwundbarkeit. Bemerkungen zum Dialog, in: EvTh 34, 1974, S. 410–420. Vgl. auch ders. / St.J. Samartha, Dialog mit anderen Religionen. Material aus der ökumenischen Bewegung, Frankfurt 1972. 182 J. Moltmann, Kirche, S. 185. 183 Ebd., S. 232. 184 Ebd., S. 234. 185 Ebd., S. 235. 186 Ebd., S. 241, S. 250 f. 187 Ebd., S. 248. 188 Ebd., S. 287 ff. 189 Ebd., S. 297. 190 Ebd., S. 298 f.
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Rekonstruktion der Theologie Moltmanns als einer Theologie der Inklusion
als Ritual der Lebenserneuerung verloren gegangen191, für den arbeitenden Menschen solle es Phasen der Pause, der Entlastung und Kompensation geben.192 Hier ist auch die Frage des Sports eingeordnet: er ist eine Freizeitbeschäftigung. Das Fest als Spiel ist dagegen sehr hoch bewertet: »Als Fest aber ist der Gottesdienst dem unpathetischen, offenen Spiel näher… Das Fest ist offen für spontane Einfälle und von außen kommende Zufälle. Es sind in ihm keine Störungen sondern Überraschungen. Am Fest können auch Fremde teilnehmen.«193 Im Gottesdienst als Fest kommt die Gemeinschaft der Freien zusammen194, die in Christus gleichwertige Menschen als Menschen Gottes sind. »Die Gemeinde ist darum nicht … exklusive Gemeinschaft der Geretteten, sondern die anfängliche und inklusive Materialisierung der durch den auferstandenen Christus befreiten Welt.«195 Die Gaben bzw. Charismata sind vielfältig, aber in Christus geeint.196 Die Ämter der Kirche haben das eine gemeinsame Amt der Kirche als Basis.197 Alle Mitglieder der messianischen, offenen Gemeinde sind mit dem Geist Begabte, also Amtsträger. Freiheit, Vielfalt und Brüderlichkeit bestimmen die Gemeinde198 – oder anders formuliert: die Brüderlichkeit in der Gemeinde kommt durch die in ihr vorhandene Vielfalt zum Ausdruck, in erneuter Bezugnahme auf Barmen III bezeichnet Moltmann die Gemeinde als eine Gemeinde von (gleichwertigen) Brüdern, in der Herrschaft und Privilegien durch Freundschaft und den darin verwobenen Aspekt von Freiheit überwunden werden. Diese – auch auf die Menschenrechte verweisenden – Kernaspekte bestimmen des Leben von Kirche und Christenheit. Alle Glaubenden gehören ohne Unterschied und ohne Wertung ihrer Begabungen oder Begrenzungen zum einen Leib Christi. Im Gottesdienst ist damit eine Gemeinschaft begründet, »für die die volle, fortwährende und wechselseitige Inklusion ihrer je individuell begabten und begrenzten Glieder konstitutiv ist.«199 Für die Kirche bzw. die verfassten Kirchen bedeuten diese Erkenntnisse, dass Veränderungsprozesse bzw. Reformen von oben und von unten eingeleitet werden müssen, ein lokaler bzw. wenigstens regionaler Bezug200 ist dabei wichtig, um in einer Doppelstrategie gute Schritte sowohl auf dem Weg der institutionellen Veränderung als auch in der Form von »Kirche als Ereignis« zu gehen. Es gilt frei zu werden von politischen Mächten und Gesetzen und 191 Ebd., S. 292. 192 Ebd., S. 293. 193 Ebd., S. 299. 194 Ebd., S. 319. 195 Ebd., S. 320. 196 Ebd., S. 323 f. 197 Ebd., S. 327. 198 Ebd., S. 325. 199 Ulf Lieke, Menschen, S. 79 f. 200 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 358.
Interpretation
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sich als Gemeinschaft, als offener Kreis zu versammeln201, der auf eine »offene Gesellschaft« hinwirkt. In der Gemeinwesenarbeit, in Selbsthilfeinitiativen und Bürgerinitiativen liegen, so Moltmann, die wirksamsten Formen von Veränderungen, da sie Aktvierungs- und Beteiligungstechniken beinhaltet202: Hilfe zur Selbsthilfe und kein Assistentialismus. 7. Interpretation Die Gesellschaft, auch die demokratische, unterliegt – deskriptiv gesehen – dem Wechsel von Inklusions- und Exklusionsmechanismen, die sich innerweltlich kaum auflösen lassen. Jürgen Moltmann beschreibt realistisch die Situation von Unterdrückung, Gewalt, Rassismus und weitere Tatbestände von Segregation und Exklusion.203 Die nüchterne Betrachtung der Wirklichkeit ist eine Triebfeder seiner theologischen Überlegungen, die auf Veränderungen in der Gesellschaft zielen. Seine strikt christologisch-eschatologische Interpretation erinnert die Christenheit bzw. die Kirche und Diakonie an ihre Spiel- und Handlungsräume. Ein hoffender Glaube wandelt sich in einen Widerspruch gegen die festgestellten Tatbestände von Exklusion. In Gottesdienst und Abendmahl wird – richtig verstanden – Inklusion erfahrbare Wirklichkeit. Die Motivation der Christen zu ethischem Handeln im Sinne einer »Option für die Armen« bzw. einer »Option für die Anderen« wird durch diese Erfahrung ständig neu gespeist. Realistisch ist der eschatologische Ansatz einer »Kirche in der Kraft des Geistes« auch deshalb, weil er nicht davon ausgeht, dass das Reich Gottes in Vollkommenheit durch ethisches Handeln entsteht, sondern davon dass zum einen die Motivation des Handelns den hoffenden Glauben voraussetzt und zum anderen die Vollendung des »inklusiven« Reiches Gottes diesem selbst vorbehalten bleibt. Zugleich wirkt das »Reich Gottes« schon jetzt und fordert Kirche, Theologie und Diakonie zum Handeln heraus. Die Kirche ist selbst höchst vielfältig und differenziert – im Blick auf die Vielfalt von Konfessionen, Kirchen und Gemeinden und auch hinsichtlich der einzelnen Christen mit ihren Begabungen und Handicaps. So als »Gemeinschaft der Ungleichen und Verschiedenen, die durch freie und zuvorkom201 Ebd., S. 360. 202 Ebd., S. 357. 203 Neben der Situation von Menschen mit Behinderungen spielen auch alle anderen Spielarten sozialer Exklusion und Inklusion bei den Überlegungen von Jürgen Moltmann eine Rolle. So wird eine Engführung der Begriffe auf die Menschen mit Behinderungen vermieden. Ulf Liedke, Theorie und Praxis, 20 f., hält fest: »Nichtsdestotrotz muss zum gegenwärtigen Zeitpunkt konstatiert werden, dass die gebräuchliche Verwendung des Inklusionsbegriffs weithin auf das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung beschränkt bleibt. Der öffentliche und professionelle Diskurs zur Überwindung anderer Marginalisierungsformen hat den Begriff bislang noch kaum aufgegriffen.«
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Rekonstruktion der Theologie Moltmanns als einer Theologie der Inklusion
mende Anerkennung zusammengehalten wird«204, ist sie »alles was sie ist, im Dasein für andere«205. Ein wichtiger Prüfstein für das »Dasein für andere« ist das Verhältnis der Kirche zum Judentum und zu anderen Religionen: auch hier ist das Verhältnis als inklusiv und dialogisch zu interpretieren. Und schließlich bedarf es einer inklusiven Hermeneutik, um als offene Kirche in der Welt verständlich zu sein, damit eine »offene Gesellschaft« entstehen kann. Was das heißt, wird exemplarisch deutlich an Moltmanns Beschäftigung mit dem Thema der »Menschenrechte«, das für sein theologisches Werk sehr wichtig ist. Die Kirche soll die Menschenrechte nicht neu erfinden, aber neu entdecken und bei ihrer Durchsetzung helfen. Dazu ist sie befähigt, weil sie den Diskurs und die Durchsetzung hilfreich unterstützen kann mit den Kategorien der Gottebenbildlichkeit, der Versöhnung und der erhofften Vollendung des Reiches Gottes. Der Katalog der Menschenrechte umfasst die Freiheitsrechte des Individuums genauso wie die ökonomischen und sozialen Beteiligungsrechte, sowie die ökologischen Aspekte und ist daher nicht konfliktfrei umsetzbar. Die Menschenrechte müssen in ein gutes Verhältnis zu den Bürgerrechten gesetzt sein.206 Die Verwirklichung einer »inklusiven Gesellschaft« im umfassenden Sinn bleibt auch deshalb eine erhoffte Utopie (als Vollendung des Reiches Gottes) – und zugleich eine notwendige (sozial-) ethische Forderung.207 Moltmanns eschatologisch begründeter Ansatz ist in theologischer Perspek tive hervorragend geeignet zu zeigen, was »Inklusion« bedeuten kann und muss, weil sich eine utopische Perspektive mit einer realistischen verbindet und dazu herausfordert, konkrete Schritte einer Umsetzung zu wagen ohne darauf zu spekulieren, eine vollständig inklusive Gesellschaft umsetzen zu können. Die Hoffnung auf konkrete Veränderungen und Verbesserung von Gerechtigkeit, Teilhabe etc. ist als »Medium des Glaubens« ein wesentlicher Aspekt auf dem Weg zum »inklusiven« Reich Gottes, dessen endgültige Verwirklichung außerhalb menschlicher Möglichkeiten liegt – aber erhofft wird.
204 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 213. 205 Jürgen Moltmann, Theologie der Hoffnung, S. 302. 206 Jürgen Moltmann, Ethik, S. 248. 207 Vgl. dazu auch Ulf Liedke, Theorie und Praxis der Inklusion, S. 21 f. Ders., Menschen. Leben.Vielfalt. Inklusion als Gabe und Aufgabe für Kirchengemeinden, in: PTh 101, 2012, S. 71–86, 75; Andreas Hinz, Inklusion – historische Entwicklungslinien und internationale Kontexte, in: Ders. et. al. (Hg.), Von der Integration zur Inklusion, Marburg 22010, S. 34.
VIII. Kirchen- und sportpolitische Ansätze
1.
Kirchenpolitische Verlautbarungen zur Inklusion
Die Verabschiedung der UN-BRK hat in den letzten Jahren in den evangelischen Landeskirchen, Diakonischen Werken und Einrichtungen zahlreiche Reaktionen, Initiativen und Verlautbarungen hervorgebracht – mit sehr unterschiedlichen Fragestellungen, Zielrichtungen und Schwerpunkten. Im folgenden soll ein knapper Überblick dazu gegeben werden. Im Anschluss werden dann die wichtigsten Texte aus dem Bereich der EKD und der Ökumene vorgestellt und theologisch eingeordnet. 1.1
The World Council of Churches: A Church of All and For All (2003)
Bereits im Jahr 2003, also drei Jahre vor der Verabschiedung der UN-BRK, wurde dem Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen ein Dokument zur Beschlussfassung vorgelegt, das sich mit der Frage der Inklusion von Menschen mit Behinderungen beschäftigt. Erarbeitet wurde es von dem 1998 gegründeten Netzwerk der ökumenischen Anwaltschaft für behinderte Menschen (Ecummenical Disability Advocates Network – EDAN).1 Es trägt den Titel »A Church of All And For All. An Interim Theological Statement«. Es war das Ergebnis eines drei Jahre währenden Prozesses, »which has involved reflection, discussions and consultation with a wide range of individual persons with disabilities«.2 Der Prozess wurde begleitet durch die Kommission »Faith and Order«. Die Stellungnahme wird im Vorwort als »vorläufig« bezeichnet, weil der Verständigungsprozess als ein kontinuierlicher zu verstehen sei: »It is a part of a continuous journey in search of a theological understandig.«3 Es gelte, die immer wieder neu entstehenden und sich verändernden theolo gischen Perspektiven und auch den Wandel des Verständnisses von »Behin1 EDAN works in the eight regions of the world an serves as a network of encounter and support as persons with disabilities seek to adress the specific issues and challenges in their own contexts.« (Ebd., S. 8) 2 World Council of Churches (Hg.), A church of all and for all. An Interim Theological Statement, Genf 2003, S. 3. Auf deutsch – mit jedoch teilweise problematischer Übersetzung (z. B. wird »fundamental challenge« mit »grundsätzlicher Anfrage« anstatt mit »fundamentaler Herausforderung« (These 64) oder »our ministry to children« mit »unsere Arbeit mit Kindern« anstatt mit »unser Dienst für Kinder« (These 63) übersetzt)! – unter: http:// www.oikoumene.org/de/resources/documents/commissions/faith-and-order/ix-other-studyprocesses/a-church-of-all-and-for-all-an-interim-statement. 3 Ebd.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
derung« zu berücksichtigen. Die Stellungnahme will die Kirchen einladen zu einer Reise zu dem »radical place«, wo alle an Gottes Festtafel eingeladen sind. Gemeinsamkeiten und Unterschiede, hermeneutische Aspekte, die Fragen der Gottesebenbildlichkeit, Heilung und Vergebung seien ebenso zu berücksichtigen wie der Gedanke einer »Kirche für Alle.« Erklärtes Ziel ist es, die Kirchen zu befähigen, sich am Diskurs zum Thema »disability« zu beteiligen und die Themen Inklusion, aktive Teilnahme (»active participation«) und volle Teilhabe (»full involvement«) anzugehen – im spitituellen und sozialen Leben der Kirche ebenso wie in der Gesellschaft insgesamt.4 Menschen mit Behinderungen seien anzusehen als Teil menschlicher Diversität und Pluralität in Gottes Schöpfung: »We are in a fragile world in which we are all part of the whole that reflects God’s image.«5 Als hermeneutische Grundregel wird festgehalten, dass die biblischen Heilungsgeschichten nicht als Geschichten über die Wiederherstellung des Körpers verstanden werden sollten, sondern vielmehr als Geschichten über die Aufnahme von Individuen in die Gesellschaft.6 Biblisch-theologischer Anknüpfungspunkt ist das 2. Kapitel des Epheser briefes, das in Vers 14 kulminiert: »Christ came zu tear down the walls.«7 Es wird an die vielen Mauern erinnert, die Menschen im Namen einer mainstream-Gesellschaft errichtet haben und die zu Exkludierungen insbesondere von Menschen mit Behinderungen geführt haben: Mauern der Scham, des Vorurteils, des Hasses, des Wettkampfs, der Angst, der Ignoranz, Mauern auch von theologischen Vourteilen und kulturellen Missverständnissen. Die Kirche ist gerufen »to be an inclusive community, to tear down the walls.«8 Dies sei spätestens bei der 4. Vollversammlung der Kirchen 1968 in Upsala deutlich und in der Konferenz von »Faith and Order« 1971 unter dem Vorzeichen der »compassion of Christ« im Blick auf das Thema »Gottesdienst« zugespitzt worden. Insgesamt aber sei der Prozess darin stecken geblieben, Menschen mit Behinderungen in ihrem Status als Objekte des Handelns zu belassen. In einem ersten Teil des Dokuments (S. 9–12) werden in 11 Thesen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Menschen mit »Behinderungen« (disabilities) dargestellt: Zunächst seien diese in der Geschichte pauschal als »Problem« dargestellt und behandelt und undifferenziert als homogene Gruppe angesehen worden. Das habe zur Folge, dass die gesamte »Gruppe« ausgegrenzt und marginalisiert wurde. Inzwischen hätten sich jedoch in vielen 4 Ebd., S. 8. 5 Ebd., S. 4. 6 Vgl. dazu u. a. Ulrich Bach, Wie predige ich Heilungsgeschichten? Korrekturprogramm für Auslegungen biblischer Texte, in: DtPfrBl, 97. Jg., 1997, Heft 6, Juni 1997, S. 294–296. 7 Nach der Übersetzung der Lutherbibel heißt es: »Denn er [=Jesus Christus] ist unser Friede, der aus beiden [=Juden und Nicht-Juden] eines gemacht hat und den Zaun abgebrochen hat, der dazwischen war, nämlich die Feindschaft.« Die Einheitsübersetzung bietet folgende Übersetzung an: »Er hat die Mauer eingerissen, die die beiden trennte und zu Feinden machte.« 8 World Council of Churches (Hg.), A church of all, S. 7.
Kirchenpolitische Verlautbarungen zur Inklusion
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Gesellschaften starke Lobby-Gruppen gebildet, die sich gegen Marginalisierung und für die Rechte der Benachteiligten einsetzten, wobei eine der größten Herausforderungen darin bestehe, diejenigen nicht zu übersehen, die ohne eigene Stimme sind: Menschen mit massiven und multiplen Behinderungen. Die globale Armutsproblematik sei bei der Beurteilung der jeweiligen Situation ebenso zu berücksichtigen wie die Grundsatzfrage von Verteilungsgerechtigkeit. Marktwirtschaftliches Denken allein führe zu grundlegenden Problemen: sie ermuntere beispielsweise zur Abtreibung von Foeten mit Anzeichen von Behinderungen, beschränke den Zugang zu angemessener medizinischer Betreuung und mache so Menschen mit Behinderungen anfällig für falsche kommerzielle und religiöse Versprechen.9 Eigene Erfahrungen und vielfältige Herkunftsgeschichten haben die Gruppe der Verfasser geprägt – und den Wunsch zu der Forderung reifen lassen, dass in Kirche und Gesellschaft die Besonderheiten der Gruppe der Menschen mit Behinderungen als Teil des Reichtums der Gesamtheit angesehen werden müssen. Diejenigen Menschen mit Behinderungen, die den christlichen Glauben teilen, seien sich einig in der Erwartung von Gottes Liebe und Jesu Mitleiden (compassion). Diese kirchliche Lehre jedoch sei in vielerlei Hinsicht nicht ausgereift: »They have relied upon certain theological tools to address their existential need to explain the mystery and paradox of love and suffering, coexisting and giving meaning to their lives.«10 Mit dem Verweis auf die mit dem Wunsch nach Segnung endende Geschichte vom Kampf Jakobs am Jabbok (Gen 32, 24 ff.) wird die These untermauert, dass Gott alle Menschen mit Behinderungen liebe und es umgekehrt jedem dieser Menschen möglich sei, seinen Frieden mit Gott zu finden.11 Es wird als selbstverständlich angesehen, dass Fragen nach dem Sinn einer Behinderung nicht einfach zu beantworten und von den Umständen einer Behinderung beeinflusst sind. Man habe mit Gott intellektuell und physisch auf ganz unterschiedliche Weise gerungen. Und wenn so viele Menschen mit Behinderungen diese Auseinandersetzung führten, so die Schlussfolgerung, müsse die Kirche sich auf den Weg zur vollen Akzeptanz begeben. Ein zweiter Teil (S. 12–22) behandelt in weiteren 10 Thesen die Fragen der Hermeneutik. Wie kann man, so wird eingangs gefragt, die Tatsache, dass es Menschen mit Behinderungen gibt, in theologischer Perspektive interpretieren? Was sagt dies über das Leben in Gottes Welt aus? Interpretationen sind historisch konnotiert und endlich, so lautet die Antwort. Die traditionelle Interpretation von Heilung führe zu der Ansicht, ihr Ziel sei jeweils die Ermächtigung zur Führung eines besseren Lebens. Menschen mit Behinderungen würden jedoch in dieser Perspektive als schwach und hilfsbedürftig und somit als Objekte angesehen. 9 Ebd., S. 10. 10 Ebd., S.11. 11 Ebd.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
In der Folge bedeute dies, dass man sich in der Kirche nicht auf Augenhöhe begegnen könne. Die Kirche habe wie auch die Gesellschaft diese zur Unterdrückung führende Sicht immer wieder theologisch gerechtfertigt: durch die Behauptung, Behinderung sei eine Strafe für Sünden oder für die Schwäche des Glaubens, sogar Dämonen seien verantwortlich dafür.12 Zwar habe sich das Verständnis von Behinderung in der Gesellschaft verändert, jedoch hätten die Kirchen hierbei keine führende Rolle gespielt, obwohl es zahlreiche biblische Argumente dafür gebe (These 16). Die Theologie sei deshalb herausgefordert, sich den neuen Ansätzen zu stellen. In einigen Kirchen habe ein Umdenken bereits eingesetzt und zu der folgenden Einsicht geführt: »In the search for unity and inclusion, some have acknowledged that people with disability must be included in the life and the witness of the churches.«13 »Behinderung« zu verstehen sei ein andauernder Prozess – DAS theo logische Verständnis sei nicht erreichbar: eine befreiende Erkenntnis für beide Seiten, so wird betont (These 19). Behinderung sei eine Weise des Menschseins, eine besondere Form der guten Gaben Gottes in aller Gebrochenheit. Kritisch setzt sich das Papier in einem dritten Teil (S. 15–18) in weiteren 11 Thesen mit dem traditionellen Verständnis der Imago Dei als Bild der Perfektion auseinander und hält fest, dass jeder nach dem Bild Gottes geschaffen ist, also auch jeder den entsprechenden Respekt verdiene. Die traditionelle Deutung habe dazu geführt, Gottebenbildlichkeit auf Geist bzw. Seele zu reduzieren. Das wahre Ebenbild Gottes aber sei Christus, deshalb müsse grundsätzlich nach dem Wesen Gottes gefragt werden: »More recently, the notion that humanity is made in the image of God is taken to mean that each of us is made in the image of God and, therefore, each of us deserves to be equally respected.«14 Das korrespondiere mit dem modernen Verständnis der Menschenrechte im Sinne der Unverletzlichkeit der Würde eines jeden Einzelnen unabhängig von Rasse, Religion oder Status (These 24). Das Kernstück christlicher Theologie sei die Kritik an Perfektion, Macht und Erfolg – und die Achtung von Schwäche, Gebrochenheit und Verletzlichkeit (These 28). Imago Dei müsse also christologisch und soteriologisch verstanden werden: es braucht ein nicht-elitäres, inklusives Verständnis des Leibes Christi; ohne die volle Anerkennung (»incorporation«) derjenigen, die ihre Erfahrungen von Behinderung einbringen, kann von einer Gottebenbildlichkeit des Menschen nicht die Rede sein. In einem vierten Teil (S. 19–23) geht es in 17 Thesen um eine Verhältnisbestimmung von Behinderung und Heilung. Zunächst werden gängige theologisch-anthropologische Stereotypen kritisiert: Der Zusammenhang von Behinderung und Sünde wird ebenso kritisiert wie die Gleichsetzung der Seele mit Vernunft oder Rationalität oder die Vorstellung von Schönheit und Voll12 Ebd., S. 13. 13 Ebd., S. 14. 14 Ebd., S. 16.
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kommenheit in Bezug auf das Ebenbild Gottes etwa in der Abendmahlslehre (Thesen 33–36). Angemessenen Definitionen von Heilwerden bzw. Heilung liegt die prinzipielle Unterscheidung zwischen der Behandlung einer Krankheit und Heilung als Aufhebung von gesellschaftlichen Schranken zugrunde. Entsprechend sind biblische Heilungsgeschichten (z. B. Mk 1,40–45 oder Mk 2, 1–12) zu interpretieren: Die Vergebung der Sünden bedeutet die Aufhebung des sozialen Stigmas und die Schaffung inklusiver Gemeinschaften (Thesen 40 f.): »In these healing stories Jesus is primarily removing societal barriers in order to create accessible and accepting communities.«15 So werden die biblischen Heilungsgeschichten zur Grundlage für eine »theological hermeneutic of disability« jenseits falscher Opfertheologien (These 43). In Teil 5 der Studie werden unter dem Stichwort »Every human being a gift« weitere 5 Thesen entwickelt: Ausgehend von der Überlegung, dass alles Leben als eine Gabe Gottes und die Schöpfung ganzheitlich zu verstehen, aber nicht als »vollkommen« anzusehen ist, wird auf die Gaben hingewiesen, die jeder Mensch (mit und ohne Behinderungen) mit sich bringt. In der Spannung von Begabung und Begrenzung ist jeder Mensch zu sehen. Das mache uns offen füreinander, »so makes us each more fully human, more fully people of communion, more fully realizing the imago Dei we bear« (These 52). Menschen mit Behinderungen bringen ihre – für das Ganze notwendigen – Talente ein, die u. a. in Bildungsbereichen wie Religion und Sport entfaltet werden. Diese Gaben sind nicht zuletzt gewonnen aus den Erfahrungen mit einer Behinderung – »we have become accidental experts with skills and expertise to share with the wider community and church« (These 54). In Teil 6 werden die Herausforderungen an die Theologie formuliert (Thesen 56–65). Theologie ist, so eine der Grundthesen, immer »theologia viatorum«, Theologie auf dem Weg, und deshalb immer nur vorläufig, denn Gottes Heilsplan hat noch kein Ende. Die Tatsache von Behinderungen stellt die Stereotypen von Vollkommenheit etc. infrage. In den Thesen 60–62 wird auf verschiedene biblische Bezugsstellen verwiesen: Christus hat nach Joh 1,14 das »broken flesh of humanity« angenommen, er ist mit den am Kreuz erlittenen Verletzungen auferstanden (Lk 24, 36–39). Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig (2. Kor 12, 7–9), schon Mose wurde mit seiner (Sprach-) Behinderung von Gott erwählt (Ex 4,10–17). Im Abendmahl bringe Christus seinen »damaged and disabled« Körper dar (Mt 26,26). Der Schatz, den Gott gibt, (2. Kor 4,7) ist in gewöhnlichen Gefäßen, also Menschen jeder Art verborgen. Eine grundsätzliche Herausforderung an die Theologie sei das verbreitete und falsche Verständnis von Vergebung, weil Scham, Sünde und mangelnder Glauben mit Behinderung in Zusammenhang gebracht wurden. Vielmehr müsse mit Bezug auf Joh 9,3 betont werden: »Each of us is born the way that we are, with the gifts that we each have, as well as with our inadequacies, in order that God’s works might be revealed in us.«16 15 Ebd., S. 21. 16 Ebd., S. 28.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
In Abschnitt 7 geht es um die Frage, wie für bzw. mit Menschen mit Behinderungen für ihre volle Selbstbestimmung gekämpft werden kann (Thesen 66–72). Die Situation für Menschen mit Behinderungen in der globalen Gesellschaft zu Beginn des 21. Jhs. wird als exkludierend beschrieben. Die Kirche habe die Aufgabe darauf hinzuweisen, dass Menschen ein Ebenbild des »disabled Jesus« sind. Es sei daher schmerzhaft, dass die Kirchen sich nicht viel stärker für »the sufferings of marignalized, poor, blind, deaf, and physically and mentally limited people« einsetzen.17 Zwar gebe es eine Tendenz zu einer Besserung der Einstellung, zugleich wird davor gewarnt, dass Bevormundung und Gleichgültigkeit oder sogar Manipulation als Einstellungsmuster zurückkehren. Dieser Befund führt dazu, in einem nächsten Abschnitt unter dem Titel »Church for all: community« konkrete Ansatzpunkte zu formulieren (Thesen 73–83). So wird in Bezug auf die Perikope des Festmahls (Mt Stelle? mit Bezug auf Jes 25,6 f.) festgehalten: nicht eine Elite ist eingeladen, sondern alle, die bisher ignoriert, vergessen oder übersehen wurden. Der evidenteste Ausdruck für das Zustandekommen von Gemeinschaft sei der Gottesdienst, weshalb über Liturgie, Raumgestaltung und die Rollen aller Beteiligten nachgedacht werden müsse: »Symbolically, this is God’s banquet table. Have we made it possible for everyone who so desires to get there, to partake of the feast, and to join the conversation? In this gathered body, will there be a place for each person?«18 Die Antwort darauf könne nur sein, bei der Gestaltung von Gottesdiensten darauf zu achten, den ganzen Menschen mit einzubeziehen: Körperbewegung, Sinne und Intellekt. Denn: Menschen mit Behinderungen spürten sehr deutlich, ob eine Gemeinde tatsächlich aufrichtig19 ist: »They pick up the real and true involvement of those around them, and respond to that devotion.«20 Als ein weiteres Problem wird die Wortlastigkeit im Protestantismus benannt – bei allem Trost, der vom »Wort Gottes« ausgeht. Es komme immer wieder vor, dass die gewählten Worte nicht verstanden werden, nicht trösten, sondern ausgrenzen, weil in der dritten Person von »those« gesprochen werde, weil Bilder herabwürdigend und erniedrigend sein können: »We need to monitor our patterns of speech that create an ›us / them‹ relationship that casts the disabled person as the outsider, the other.«21 Es werden in den Thesen 77–82 sehr konkrete Vorschläge für inklusiv wirkende Veränderungen gemacht. So gelte es, eine neue Sprache zu suchen und zu finden, die Gegenwart, das Geheimnis Gottes durch sinnliche Erfahrungen zu vermitteln, durch Bewegungen und Gesten, durch Gerüche, Tanz und Berührungen, durch Bilder, Licht und Musik etc. Menschen mit Hörschwierigkeiten können visuelle Angebote 17 Ebd., S. 29. 18 Ebd., S. 31. 19 Die deutsche Fassung übersetzt missverständlich »the integrity« mit »integrativ sein«. 20 Ebd. 21 Ebd., S. 32.
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ebenso hilfreich sein wie verbale Anweisungen für Menschen mit Sehproblemen etc. »The integration of disabled people within the church gives testimony to God’s love as expressed by all his sons and daughters. It can also be an example and an inspiration in those societies in which disabled people suffer from humiliating marginalisation.«22 Zum Schluss wird in den Thesen 84–89 eine Vision formuliert, die dem Papier insgesamt den Namen gegeben hat: »A church of all and for all«. Steigende Standards in der Gesellschaft, etwa beim »health care«, die Verbesserung von Vorsorge und Rehabilitation können die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen deutlich heben. Kirche habe ihrerseits vor allem die zentralen Aspekte von Gleichbehandlung und Würde im Blick zu behalten und zu allererst voranzutreiben. Wenn in der Kirche Menschen an den Rand geraten, sei Kirche nicht, was sie sein sollte. Kirche müsse die volle Integration aller wollen, »we are not a full community without one another«.23 Verwiesen wird auf die paulinischen Formulierungen und Bilder im Galaterbrief 6, 2: »Einer trage des anderen Last« und im Römerbrief 12, 4 f.: »ein Leib, viele Glieder«. Das Fundament der Kirche wird so beschrieben: The church is by definition a place and a process of communion, open to and inviting all people without discrimination. It is a place of hospitality and a place of welcome, in the manner that Abraham an Sarah received God’s messengers in the Old Testament (Gen 18). It is an earthly reflection of a divine unity that is at the same time worshipped as Trinity. It is a community of people with different yet complementary gifts. It is a vision of wholeness as well as of healing, of caring and of sharing at once. Just as the body is one and has many members so it is with Christ (1 Cor 12, 12).24
Das Papier des ÖRK bietet gleich mehrere theologisch sinnvolle und weiterführende Ansätze. Der Verweis auf das Andauern des Prozesses der Verständigung zu dem Themenfeld der Inklusion beinhaltet eine eschatologische Dimension. Theologische Begriffe und Sachverhalte, die der ständigen Überprüfung und Re-Formulierung (»theologia viatorum«) bedürfen, werden konsequent befragt und mit neuen Lesarten in Verbindung gebracht. Dazu werden zahlreiche Vorschläge gemacht und biblische Ansatzpunkte benannt. Die besonderen Stärken dieser Stellungnahme liegen zum einen darin, dass schon die Vorbereitung und Formulierung des Textes das Ergebnis eines inklusiv angelegten Diskussionsprozesses war: mit und von Menschen mit verschiedensten Behinderungen. Zum anderen werden konkrete Handlungsoptionen benannt, die über alle konfessionellen Grenzen hinweg zur Grundlage konkreter Umsetzung in Kirche und Gesellschaft werden können. Ekklesiologisch würden die Vorschläge zu einem Paradigmenwechsel führen, weil das hier vorgestellte Konzept über die Re-Lektüre biblischer Schriften jenseits aller verfestigten Organisation von Kirche ansetzt und diese aufbricht. 22 Ebd., S. 35. 23 Ebd., S. 37. 24 Ebd., S. 36.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
Kirche wird ihrem Wesen nach als ein Ort und Prozess der Gemeinschaft beschrieben, in dem alle Menschen Platz haben, die Gottesebenbildlichkeit wird nicht nur individuell, sondern auch korporativ verstanden. Sie muss zu sich selbst und zu ihren Wurzeln zurückfinden. Ziel muss die volle und gleichberechtigte Teilhabe aller sein. Biblische Heilungsgeschichten zielen nicht auf die Aufhebung körperlicher oder geistiger Behinderung, sondern auf den sozialen Aspekt der sozialen (Re-)Integration, so wie es etwa auch von Ulrich Bach favorisiert wird. Als das Zentrum kirchlichen Lebens wird deutlich der Gottesdienst benannt, der viele inklusive Elemente umfassen muss. Auf der Basis dieses Papiers von 2003 arbeitet das Ecumenical Disability Advocates Network (EDAN)25 bis heute weiter. Eine weitere Stellungnahme mit dem Arbeitstitel »Gift of Being: A Church of All and for All« ist in Vorbereitung. Erstmals wurden auf der 10. Generalversammlung des ÖRK in Busan im November 2013 zehn Personen mit Behinderungen als offizielle Delegierte ihrer Kirchen benannt, drei von ihnen wurden in das Zentralkomitee und einer in das Exekutivkomitee des ÖRK berufen. Das Papier von 2003 gewinnt auf diese und andere Weise einen Einfluss auf die Arbeit der Ökumene. Der Begriff der »Inklusion« wurde in dem in Busan 2013 intensiv diskutierten Dokument »Gemeinsam für das Leben: Mission und Evangelisation in sich wandelnden Kontexten«26 aufgenommen.27 Während einer Konferenz des EDAN im Oktober 2014 wurde vom Exekutiv-Sekretär, Samuel Kabue, in Bezug auf den Konvergenz-Text »The Church: Towards a Common Vision« und den »WCC’s Pilgrimage of Justice and Peace« festgehalten: »The communion of the churches in unity and diversity is impaired without the gifts and presence of all people, including persons with disability. The mission of the church is to proclaim God’s reign of justice and peace and is less than credible of the churches do not actively and visibly receive the diverse gifts of all its members, including persons with disability«. Die Inklusion von Menschen mit Behinderung könne entsprechend also nicht als Option, sondern müsse als definitives Charakteristikum von Kirche verstanden werden.28 Dieser 25 Das EDAN ist ein Programm des Ökumenischen Rates: »EDAN’s goal ist to advocate for the inclusion, participation and active involvement of persons with disabilities in spiritual, social, economic and structural life of the church in particular and the society in general.« Vgl. www.edan-wcc.org. 26 Eine deutsche Übersetzung ist abrufbar unter: http://www.mission.de/fix/files/neue OERK_missionserklaerung.pdf. 27 Der englische Text ist abrufbar unter: http://www.oikoumene.org/en/resources/documents/ commissions/mission-and-evangelism/together-towards-life-mission-and-evangelism-inchanging-landscapes. Vgl. auch: Missionsakademie an der Universität Hamburg (Hg.), Gemeinsam für das Leben: Mission und Evangelisation in sich wandelnden Kontexten. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Missionserklärung des ÖRK, Theologische Impulse der Missionsakademie (TIMA) 4, Hamburg 2013. 28 Ecumenical Disability Advocates Network, Gift of Being_ Called to be an Church of All and for All, Newsletter September-December 2014, S. 5 (abrufbar unter www.edan-wcc.org/ index-php/resources/newsletters/item/164-gift-of-being-a-church-of-all-and-for-all).
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Faden wurde erneut aufgenommen bei der Konferenz unter dem Titel »Exclusion and Embrace Conference: Disability, Justice and Spituality«, die vom 20.–24. August 2016 in Melbourne, Australien stattfand.29 Eine verbindliche Erklärung des ÖRK zum Thema »Inklusion« steht allerdings bis heute aus.30 1.2
Die Deutschen Bischöfe: »unBehindert Leben und Glauben teilen« (2003)
Ein ebenfalls frühes Papier, das noch vor der Verabschiedung der UN-BRK 2006 entstanden ist, hat die Deutsche Bischofskonferenz im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 vorgelegt. Es ist federführend von Johannes Lob-Hüdepohl erarbeitet.31 Einleitend wird die Absicht formuliert: die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen soll gestärkt und die aktive Teilhabe in Kirche und Gesellschaft gefördert werden.32 Wie auch im ÖRK-Papier wird das sich nur allmählich verbessernde Klima der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Behinderungen beklagt. Die Würde des Menschen, die Rechte auf leibliche Unversehrtheit und die Integrität werden eingangs als zentrale Aspekte benannt. Das Papier richtet sich nicht direkt an die Ökumene, sondern an die Gemeinden, Verbände, karitativen Einrichtungen, Dienste und Organisationen der katholischen Kirche. Es ist dennoch ein für den ökumenischen Diskurs wesentliches Dokument. Im ersten Abschnitt wird unter der Überschrift »Ungewohnt verschieden – für ein gewandeltes Verständnis menschlicher Behinderung« für eine neue Sichtweise geworben: Behinderungen sind vielfältig und uneindeutig, angeboren oder im Leben erworben, jedenfalls sehr unterschiedlich. Das Defizit-Verständnis von Behinderung bedürfe unzweifelhaft der Korrektur. Das Selbstverständnis von Menschen mit Behinderungen stehe zu dem an sie herangetragenen Verständnis im Gegensatz. Es sei entsprechend erforderlich, dass das Selbstverständnis respektiert wird: »Nur so können nichtbehinderte Menschen die Lebensweisen der Menschen mit Behinderungen verstehen und als gleichberechtigt werten.«33 Das Leid von Menschen mit Behinderungen dürfe nicht geleugnet, ihre Lebensfreude nicht ignoriert werden. In einem zweiten Abschnitt wird das vorherrschende Bild des »perfekten Menschen« infrage gestellt. Medizinethisch wird argumentiert, dass wenn 29 Vgl. https://www.oikoumene.org/de/press-centre/news/disability-justice-and-spirituality- focus-of-australia-conference. 30 Vgl. zu diesem Komplex meinen Aufsatz »Ökumene: ein inklusives Konzept!?«, in: Michaela Geiger / Matthias Stracke-Bartholomai (Hg.) Inklusion denken. Theologisch, biblisch, ökumenisch, Stuttgart 2017. 31 unBehindert Leben und Glauben teilen. Wort der deutschen Bischöfe zur Situation der Menschen mit Behinderungen, hg. Vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2003. 32 Ebd., S. 7. 33 Ebd., S. 11.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
der durch Humangenetik und Biomedizin entfachten Dynamik das Bild des leidenden Gottessohnes entgegengestellt wird, dann erhalte das Leiden des Menschen und die Überwindung des Leidens durch die Auferweckung von den Toten einen tieferen Sinn. In Abschnitt drei wird daher »Für eine Kultur der Achtsamkeit« plädiert. Entscheidend sei die Befreiung von Menschen mit Behinderungen aus ihrer »leidvollen Isolation« (mit Verweis auf Joh 9,1–10).34 Jesu Wort und Handeln stärke das Selbstbewusstsein von Behinderten und ermutige zur Lösung von Stereotypen bei nichtbehinderten Menschen. Jeder Mensch sei ein »Geschenk Gottes« und insofern mit einer völlig gleichen und unverlierbaren Würde ausgestattet. Das Leben mit einer Behinderung habe eine eigene Sinnhaftigkeit und verleihe eine »besondere Autorität«35. Mit Verweis auf Gal 3, 28 und 1. Kor 12, 21–27 wird die »echte Katholizität der Kirche« stark gemacht: »Katholisch sein meint auch, Lebensraum für behinderte Menschen zu ermöglichen.«36 Es wird betont, dass die Pränataldiagnostik nur dazu eingesetzt werden dürfe, die Eltern vorzubereiten, die Präimplantationsdiagnosik dagegen müsse ganz verboten werden. Zum Schluss des Papiers wird ein Ansatz formuliert, der auf ein »gelebtes christliches Zeugnis« zielt: die Nähe Jesu Christi gebe Kraft und Hoffnung und befreie vor Überforderungen im Umgang mit Leid und Schmerz. Die Haltung der (katholischen) Kirche drücke sich u. a. aus in der durch die Bischöfe verantworteten Ermöglichung zu geistlicher Orientierung, zu seelsorgerlicher Begleitung und karitativer Hilfe. »Leben und Glauben mit behinderten Menschen und ihren Angehörigen zu teilen, ruft nach einer lebensfördernden Pastoral. Sie wird rücksichtsvoll wie erfinderisch sein in den Formen der Integration.« Es wird betont und dazu aufgefordert, in kirchlichen Gremien und Verbänden »Teilhabe und Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen glaubhaft umzusetzen und zu ermöglichen.«37 Das Wort der deutschen Bischöfe bleibt deutlich hinter dem Papier des ÖRK zurück, es ist ausschließlich auf die Integration von Menschen mit Behinderungen beschränkt und nimmt keine begriffliche Differenzierung vor. Der hier vorgestellte Ansatz ist nur bedingt als inklusiv zu verstehen: Kirche soll Raum schaffen für Menschen mit Behinderungen, es geht nicht um einen Paradigmenwechsel zu einer inklusiven Gesellschaft. »Teilhabe« wird unter dem Vorzeichen von Integration verstanden als Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen und nicht als Ermöglichung von freier Entscheidung zur Teilnahme bzw. Teilhabe. Theologisch wird mit dem Verweis auf Gal 3, 28 und 1. Kor 12, 21–27 argumentiert, der Topos der Gottesebenbildlichkeit (Imago Dei) wird ebenso ausgespart wie das Tableau der Heilungsgeschichten. Ein wichtiger ethisch-moralischer Fokus zum Ende des Papiers ist die Frage der
34 Ebd., S. 14. 35 Ebd., S. 18. 36 Ebd. 37 Ebd., S. 23.
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Präimplantationsdiagnostik. Dennoch ist das Papier ein Ansatz in die richtige Richtung, der Beginn eines Diskurses mit dem Potential für die Entwicklung eines inklusiven Ansatzes. 1.3
Evangelische Kirche im Rheinland: »Da kann ja jede(r ) kommen. Inklusion und kirchliche Praxis« (2013)
Die im Jahr 2013 veröffentlichte Orientierungshilfe aus dem Bereich der Rheinischen Kirche wurde von einer Redaktionsgruppe des Pädagogisch-Theologischen Instituts (Sabine Ahrens, Wolf Clüver, Ingrid König, Dorothee Scharper, Rainer Schmidt, Michaela Schuster, Katrin Wüst) verfasst und gemeinsam mit dem Landeskirchenamt / Abteilung IV Bildung herausgegeben.38 Sie verfolgt als Arbeitsbuch das Ziel, »das aktuelle gesellschaftspolitische Leitthema ›Inklusion‹ auf die Kirche zu beziehen«39 und richtet sich zuerst und paradigmatisch für andere kirchliche Orte an Kirchengemeinden.40 Ein Mittelteil mit 210 in 21 Themenfelder unterteilten Fragen ist – in Anlehnung an die im Bereich der Kommunalpolitik entstandenen Indizes41 – als Anleitung für die Praxis zu verstehen. Sie sind Entwicklungsinstrumente, die auf Kirchengemeinden zugeschnitten zur Reflexion vor Ort anregen und offene Kommunikationsprozesse fördern wollen.42 Im ersten Teil (8–15) wird, ausgehend von der UN-BRK, in das Themenfeld eingeführt und auf Kirche hin untersucht. Der abschließende dritte Teil ist eine »Theologische Spurensuche zur Inklusion« (36–44).43 Im ersten Teil werden gleich zu Beginn Definitionen angeboten: als »Kunst des Zusammenlebens von sehr verschiedenen Menschen« in der Kirche. Bei Inklusion gehe es um eine »Gleichberechtigung der Verschiedenen« und um das in Anlehnung an Theodor W. Adorno formulierte Ziel »ohne Angst verschieden« sein zu können.44 Es wird außerdem Bezug genommen auf den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung und eine Rede von Richard von Weizäcker von 1993 (»jeder ist anders, das ist normal«), die auch im Zusam-
38 Abteilung Bildung im Landeskirchenamt / Pädagogisch-Theologisches Institut der EKiR (Hg.), Da kann ja jede® kommen – Inklusion und kirchliche Praxis, Düsseldorf / Bonn 22013 (Download: www.pti-bonn.de). 39 Ebd., S. 6. 40 Ebd., S. 8: »Die Kirchengemeinde als Ortsgemeinde ist die Gestalt, auf die sich der Praxisteil … mit seinen Fragen konzentriert.« 41 Tony Booth / Mel Ainscow, Index für Inklusion. Lernen und Teilhabe in der Schule der Vielfalt entwickeln, übers., bearb. und hg. von Ines Boban und Andreas Hinz, Halle-Wittenberg 2003; Tony Booth u. a. (Hg.), Index für Inklusion. Tageseinrichtung für Kinder, hg. Von GEW, Frankfurt a. M. 2006; Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft (Hg.), Inklusion vor Ort. Kommunaler Index für Inklusion – ein Praxishandbuch, Bonn 2011. 42 Zur Methodik vgl.: Da kann ja jede® kommen, a. a. O., S. 16 f. 43 Für die hier zu behandelnde Fragestellung sind vor allem Teil 1 und 3 interessant. 44 Vgl. ebd., S. 8. Theodor W. Adorno, Minima Moralia, GS 4, Frankfurt a. M. 1980, S. 114.
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menhang der EKD-Denkschrift (s. u.) zitiert wird.45 Es wird für eine kirch liche Willkommenskultur plädiert, wo sich alle Menschen gleichermaßen angesprochen fühlen können. Die UN-BRK betreffe, so ist aus ihr selbst heraus zu lesen, auch die Kirchengemeinden, obwohl »Ausgrenzung zu vermeiden und Teilhabe zu ermöglichen … ureigene kirchliche Anliegen« seien.46 Mit Bezug auf 1. Kor 12 wird konstatiert, dass das kirchliche Selbstverständnis davon geprägt ist, dass die verschiedenen Menschen in der Kirche gleichberechtigt miteinander verbunden sind, Gemeinde sei eine »Anerkennungsgemeinschaft« (Hennig Luther). Insofern korrespondieren die Ausführungen der Rheinischen Kirchenordnung mit dem Sozialgesetzbuch IX, denn es gehe um eine »Teilhabe-, Teilnahme- und Teilgabegemeinschaft«.47 Die Praxis der Ausgrenzung gegenüber Menschen, die nicht Mitglied der Kirche sind, wird in Frage gestellt: »Denn Kirche ist eine Gestalt des Christentums, die sich immer auch auf dessen andere, private und öffentliche Gestalten in unserer Gesellschaft beziehen muss.«48 Insbesondere in Bezugnahme auf die Ausführungen von Ulf Liedke49 und den Index »Inklusion vor Ort« wird Inklusion verstanden als: − Gleichberechtigung bei aller Verschiedenheit (Zugehörigkeit zu einer vielfältigen Gesellschaft) − Anderssein als Gewinn (je mehr Unterschiede, desto mehr Vorteile für die Gemeinschaft) − Überwindung der Unterscheidung in ›Behinderte‹ und ›Nichtbehinderte‹ (Behinderung kann verstanden werden als nicht gelungener Umgang mit Verschiedenheit50) − Gleichberechtigte Teilhabe aller (Inklusion betrifft jeden Menschen, nicht nur Menschen mit Behinderungen) − Freiheit zur Teilhabe ohne Zwang (Zuwachs an Rechten und Freiheiten für den Einzelnen, Zuwachs an Pflichten für die Gesellschaft)51 Barrieren, so wird weiter ausgeführt, können sehr unterschiedlich sein und bedürfen der Bewusstwerdung: »Der Abbau von Barrieren beginnt im Kopf«52. Für die Kirche bedeutet es, danach zu fragen, ob jeder und jede mitmachen 45 Ebd. Richard von Weizsäcker, »Es ist normal, verschieden zu sein« – Ansprache bei der Eröffnung der Tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte, Bonn 1. Juli 1993. 46 Ebd., S.9. 47 Ebd., S. 10. Vgl. Henning Luther, Wahrnehmen und Ausgrenzen oder die doppelte Verdrängung. Zur Tradition des seelsorgerlich-diakonischen Blicks, in: ThPr 23 (1988), S. 261. 48 Da kann ja jede® kommen, a. a. O. S. 10. 49 Vgl. Ulf Liedke, Menschen. Leben.Vielfalt. Inklusion als Gabe und Aufgabe für Kirchengemeinden, in: Pastoraltheologie 101, (2012), S. 71–86. 50 Dies wird formuliert in Anknüpfung an Überlegungen von Renate Walthes, Einführung in die Blinden- und Sehbehindertenpädagogik, München 2003, S. 49. 51 Ebd., S. 11. 52 Ebd.
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kann. Dabei soll die Tatsache nicht ignoriert werden, dass jeder Mensch Grenzen und Fähigkeiten besitzt. Die Kirchengemeinden müssen sich entsprechend des Diktums aus Lk 9, 49 f. (Wer nicht gegen euch ist, ist für euch«) fragen lassen, ob sie öffentliche Gemeinschaften sind.53 Brisant ist die Frage, wie mit Menschen umgegangen werden soll, die anderen Menschen Gewalt antun.54 Inklusion, so wird zum Schluss des ersten Teils festgehalten, ist eine »bleibende Aufgabe«, habe etwas Visionäres: »Es wird also weder einen kirchlichen Ort geben, von dem man sagen könnte, er sei gänzlich inklusiv, noch einen, der völlig exklusiv ist. Es geht nicht um ein Ganz oder Gar nicht, sondern um ein Mehr oder Weniger. Inklusion ist ein Prozess…«55 Die bereits im ersten Teil der Orientierungshilfe anklingenden theologischen Überlegungen werden im zweiten und dritten Teil vertieft. Hier folgen die Autoren der Vorgabe einer Stellungnahme der EKiR aus dem Jahr 2011: »Die theologische Herausforderung der Inklusionsdebatte liegt darin, alle theologischen loci ›inklusionsfest‹ zu behandeln.«56 Ausgehend von den vielfältigen biblischen Texten und Positionen, die immer neu übersetzt werden müssen, werden verschiedene dieser loci entfaltet. Zudem wird festgehalten, dass auch der interreligiöse Dialog bereits in ihnen enthalten sei.57 In Bezug auf die Schöpfungsgeschichte (Gen 1,27b) wird die gleichberech tigte Verschiedenheit der Menschen plausibilisiert und auf die 2001 entstandene Kategorie der »risky imaginations« (Nancy Eiesland) und das Bild Gottes als des »clownesquen Störenfrieds« (Gisela Matthiae) verwiesen.58 Gott spreche von sich selbst von Beginn an in der Mehrzahl – und in der Lehre von der Trinität komme die göttliche Vielfalt bzw. innere Differenz zum Tragen, so wird in Bezug auf Gen 1,26 formuliert. Segen wird mit Verweis auf Gen 12,3 als Teilhabe und -gabe nicht nur für Abraham, sondern für sein Volk und alle Völker verstanden: »Gottes Segen ist also nicht exklusiv zu haben, sondern Segen gibt es nur anteilig, als Teilhabe«59. In Anlehnung an Mt 21,32 und Lk 10,27–37 wird formuliert, dass Jesus sich insbesondere für die Anderen, Besonderen, Randständigen (Zöllner, Prostituierte, Fremde etc.) interessierte: »Die Anerkennung des Liebesgebotes ist eine ethische Schnittmenge, die über konfessionelle, religiöse und weltanschauliche Grenzen hinweg heute von 53 Ebd., S. 14 f. 54 Ebd., S. 15. 55 Ebd., S. 15. 56 Ebd., S. 36. Abteilung Bildung im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland, Auf dem Weg zu einem inklusiven Bildungsverständnis, Düsseldorf 2011, S. 19. 57 Ebd., S. 37. 58 Ebd. Vgl. Nancy Eiesland, Dem behinderten Gott begegnen. Theologische und soziale Anstöße einer Befreiungstheologie der Behinderung, in: Stephan Leimgruber u. a. (Hg.), Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, Münster 2001, S. 24; Gisela Matthiae, Clownin Gott und Clownin Mensch, in: Klaus Hoffmann, Spielraum des Lebens – Spielraum des Glaubens, Hamburg 2001, S. 175. 59 Ebd., S. 38. Vgl. Magdalene Frettlöh, Theologie des Segens, Gütersloh 1998, S. 289.
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vielen Menschen geteilt wird.«60 Darin wird eine Chance gesehen, den Inklusionsgedanken auch in einem weiteren Feld zu thematisieren. Das in 1. Kor 12 von Paulus entfaltete Bild vom Leib Christi kann als Leitlinie für eine »Inklusion in Christus« verstanden werden, so die Autoren der Orientierungshilfe: Da wir von geschenkten Fähigkeiten und von der Vergebung leben, müsse Inklusion – anknüpfend an Sabine Schäper – nur noch nachvollzogen werden, wissend, dass man darauf zugleich angewiesen sei und auch scheitern könne.61 Besonders betont wird, dass Kirche auch ein Übungsraum sein kann für andere gesellschaftliche Veränderungsprozesse. Nicht verwunderlich ist es, dass in dieser rheinischen Orientierungshilfe das Thema des Verhältnisses von Christen und Juden eine wichtige Rolle spielt, da hier der Rheinische Synodalbeschluss von 1980 die Grundlage dafür gelegt hat, dass eine neue Sichtweise im Sinne eines »Auch« entwickelt werden konnte: in Anlehnung an Röm 9 wird Paulus als einer der ersten »Inklusionsagenten« vorgestellt, da er dazu beitrug, dass Menschen ohne jüdische Wurzeln nun auch dazugehören konnten.62 Dass es daher die Spannung gebe, den andersbleibenden Anderen anzuerkennen, wird als Gegenbewegung zur Exklusion verstanden, die ihre schlimmsten Auswüchse in der Vernichtung und systematische Ermordung von Juden, Homosexuellen, Sinti und Roma, Kommunisten und Menschen mit Behinderungen hatte.63 Explizit wird auf die Philosophie der Andersheit von Emmanuel Levinas und die »Theologie nach Hadamar« von Ulrich Bach verwiesen.64 Mit Bezug auf Klaus Dörner wird eine »Wiedervereinigung« von Gemeinde und Diakonie als ein Kernanliegen von Inklusion im kirchlichen Raum angeregt65 und mit Sabine Schäper die »Option für die Exkludierten« stark gemacht.66 Die biblische Kategorie der »Fremdheit« (Ex 22,20) wird als Leitkategorie für die Umsetzung von Inklusion in der Kirchengemeinde stark gemacht und dabei wird die These aufgestellt, dass insbesondere im Begriff der »Parochie« = Ortgemeinde der Begriff »paroikos« enthalten sei, was soviel bedeute wie »sich als Fremder aufhalten«. Die in Jesaja 2–4 enthaltene Vision von der Völkerwallfahrt könne als ein »weiterer biblischer Lernort für die Teilhabe von Verschiedenen« gelten: »Die Vision einer globalen inklusiven Bewegung ist bei Jesaja von einem politischen Machtwechsel begleitet, von einer Verschiebung von Herrschaftsverhältnissen 60 Ebd., S. 39. 61 Ebd., S. 40. Vgl. Sabine Schäper, Inklusive Kirche – Kirche der Andersheiten? in: Behinderung und Pastoral 18/2012, S. 45. 62 Ebd., vgl. Gerhard Wegner, Enabling Churches – Kirchen als Inklusionsagenten, in: Johannes Eurich u. a. (Hg.), Kirchen aktiv gegen Armut und Ausgrenzung, Stuttgart 2010, S. 211–231. 63 Ebd., S. 41. 64 Ebd., S. 42. 65 Ebd., Vgl. Klaus Dörner, Leben als Fragment. Die Politik der Lebensführung vom? Andren her, in: WzM 52/2000, S. 139 f. 66 Vgl. Sabine Schäper, Inklusive Kirche, a. a. O., S. 42 ff.
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und der Instandsetzung von Recht und Gerechtigkeit für alle Völker. … Inklusion in ökumenischer Perspektive hätte auch radikale politische und wirtschaftliche Umkehrbewegungen zu bedeuten.«67 Diese globale Perspektive wird ergänzt um die Kategorie der Gastfreundschaft nach Hebr 13,2 und es wird festgehalten, dass die Diskussion um Inklusion nicht nur von außen auf Theologie und Kirche zukomme.68 Die Orientierungshilfe der Rheinischen Kirche ist die erste Verlautbarung einer evangelischen Landeskirche und bietet ein breites Spektrum vor allem grundlegend theologischer Überlegungen an. Sie stellt diese in einen weiteren, oziologisch begründeten Zusammenhang. Die UN-BRK wird als Impulsgeberin für die Beschäftigung mit dem Thema in der Kirche gesehen. Inklusion wird als ein Schlüssel verstanden, mit dem ureigene christliche Anliegen neu entdeckt und weiterentwickelt werden können. Die Reflexionen sind breit angelegt und theologisch fundiert: so ist aus dem Feld des christlich-jüdischen Dialogs ebenso zu lernen wie aus theologisch-exegetischen (u. a. zu den Themen Segen und Gottesbilder) und philosophischen Impulsen (u. a. Ethik des Anderen, Emmanuel Levinas). Dennoch steht die christologische Interpretation (1. Kor 12) im Vordergrund. Inklusion wird nicht als Programm, sondern als Vision in einem andauernden Prozess verstanden, der sich Kirche bewusst werden muss. Inklusion, so ein Fazit, wird in konsequenter Umsetzung der Idee nicht nur die Kirche, sondern auch die globale Gesellschaft verändern. Die Orientierungshilfe setzt zwar bei den Kirchengemeinden an, denen Material zur Bearbeitung des Themas vor Ort zur Verfügung gestellt wird, ohne den weiten ökumenisch-globalen Horizont zu vernachlässigen. Jedoch sind auch andere »kirchliche Orte« im Blick und: Kirche wird als ein Lernort auch für andere gesellschaftliche Bereiche gesehen – von dem etwa auch der Sport profitieren kann. Im Mai 2012 folgte eine Empfehlung der Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Titel »Inklusive Bildung von jungen Menschen mit Behinderungen in Katholischen Schulen in freier Trägerschaft«.69 Darin wird ausdrücklich auf die UN-BRK und die rechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland verwiesen und mehrfach auf die Stellungnahme von 2003 Bezug genommen. Die umfassende und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben sei ein wichtiges Ziel kirchlichen Handelns, wird mit Verweis auf 1. Joh 4, 16b betont: »Gott ist ein Freund des Lebens. Er ist selbst die Liebe …«70, als Ebenbild Gottes seien alle Menschen vor Gott gleich und 67 Da kann ja jede® kommen, a. a. O. S. 44. 68 Ebd. 69 Inklusive Bildung von jungen Menschen mit Behinderungen in Katholischen Schulen in freier Trägerschaft. Empfehlung der Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz, 7.5.2012, vgl. http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/ presse/2012-074a-Inklusive-Bildung-Empfehlung-Kommission-Erziehung-Schule.pdf. 70 Ebd., S. 2.
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mit unverlierbarer Würde ausgestattet. Themenbezogen wird betont, dass das Recht auf Bildung zu den Menschenrechten gehöre, und Bildung zugleich ein Schlüssel für die Ermöglichung selbstbestimmter Teilhabe an den Vollzügen der Gesellschaft sei.71 Zusammenfassend heißt es: Die Ermöglichung einer umfassenden und gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an den Vollzügen der Gesellschaft ist ein wichtiges Anliegen der Kirche. Eine gewisse Schlüsselfunktion kommt dabei dem Zugang zum gesellschaft lichen Bildungssystem zu. Die Träger Katholischer Schulen stehen daher in der Verantwortung, die von der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen angestoßene Weiterentwicklung des Schulsystems im Sinne von Barrierefreiheit und Inklusion aktiv mit zu gestalten. Dabei sind sie dem Ziel verpflichtet, jedem einzelnen jungen Menschen im Einvernehmen mit dessen Eltern die für ihn bestmöglichen Bildungsangebote bereitzustellen.72
Zur gleichen Zeit hat auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) eine Erklärung zum Thema veröffentlicht, die den Titel trägt: »Gemein sam lernen. Inklusion von Menschen mit Behinderung im Bildungswesen«. Das ZdK macht sich darin das folgende Anliegen zu eigen: »Das Leitbild einer inklusiven Gesellschaft setzt auf gemeinsames Leben und Lernen. Es fordert heraus, bestehende Strukturen mit Blick auf umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu überdenken und zu verändern.«73 Es sei zu bedenken, dass der Bildungsbereich nur ein Teilbereich sei und dass das Miteinander der Menschen mit und ohne Behinderung ein unabgeschlossener Prozess bleibe. Mit diesen Stellungnahmen ist die Beschäftigung mit dem Thema »Inklusion« insgesamt auf eine breite Basis gestellt. 1.4
Evangelische Kirche von Kurhessen und Waldeck: Die Pflicht zur Inklusion und die Tugend der Barmherzigkeit (2014)
Bereits im Herbst 2010 wurde die Bildungskammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen und Waldeck (EKKW) vom Rat ihrer Landeskirche beauftragt, sich des Themas »Inklusion« anzunehmen, damit eine Stellungnahme vorgelegt werden konnte. Parallel dazu hatte der Rat die Bildungskammer außerdem im Herbst 2009 gebeten, ein Papier zur Bildungsgerechtigkeit zu erarbeiten, das im Herbst 2012 unter dem Titel »Grenzen überwinden – Teilhabe erfahren« erschienen ist.74 Im Frühjahr 2012 hatte die Landessynode darüber 71 Ebd., S. 4 72 Ebd., S. 8. 73 http://www.zdk.de/veroeffentlichungen/erklaerungen/detail/Gemeinsam-lernen-Inklu sion-von-Menschen-mit-Behinderung-im-Bildungswesen-200Q/. 74 Bildungskammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (Hg.), Grenzen überwinden – Teilhabe erfahren. Ein Impulspapier der Evangelischen Kirche von KurhessenWaldeck zu mehr Bildungsgerechtigkeit für benachteiligte Familien, Kinder und Jugendliche, Kassel 2012.
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hinaus einen »Leitfaden Inklusion« beschlossen und die Theologische Kammer der Synode der EKKW beauftragt, eine grundlegende Stellungnahme zum Thema zu erarbeiten, die dann als Grundlage für die Entschließung der Landessynode im März 2014 dienen sollte. Diese Ausarbeitung mit dem Titel »Die Pflicht zur Inklusion und die Tugend der Barmherzigkeit« wurde der Theologischen Kammer im Februar 2013 vorgelegt und erörtert.75 Darüber hinaus sind in der Folge zwei weitere Schriften erschienen, die sich mit Praxis-Feldern zur Inklusion innerhalb der EKKW beschäftigen und die theoretische Ausarbeitung ergänzen sollten.76 Im folgenden stehen die theologischen Ausarbeitungen »Die Pflicht zur Inklusion und die Tugend der Barmherzigkeit« im Mittelpunkt. Im einleitenden Teil wird der Horizont der Inklusions-Debatte nach der Ratifizierung der UN-BRK skizziert und auf verschiedene Aspekte und Pro bleme aufmerksam gemacht. Die theologische Aufarbeitung des Themas finde in einem aufgeladenen Spannungsfeld zwischen Theorie, Politik, Recht und Moral statt. Dabei zielten die theoretischen Konzepte auf politische Interventionen, politische Möglichkeiten brauchten entsprechende theoretische Unterfütterung und alle Positionen seien der moralischen Beurteilung unterworfen. Die Autoren des Textes wählen daher einen Weg, der einerseits Inklusion als Rechtsvorgabe mit Verpflichtungscharakter reflektiert und andererseits den theologisch leitenden Aspekt der Barmherzigkeit (Lk 6, 36) als »Struktur des Verhaltens von Christenmenschen nicht nur untereinander, sondern zu allen Menschen«77 an den Anfang der Bemühungen stellt. Denn die sei die Bedingung dafür, dass die Rechtspflicht der Inklusion gern erfüllt werde, weil man sich gegenseitig »herrschaftsfrei« als Bedürftige wahrnehme. Durch die Verabschiedung der UN-BRK, die Ratifizierung 2009 und den Nationalen Aktionsplan für Deutschland von 2011 sei, so wird im Abschnitt 2 unter dem Stichwort »Gesellschaftliche Situation« festgehalten, der Rahmen für eine positive Wertschätzung von Menschen mit Behinderungen gesetzt. Es wird jedoch deutlich betont, dass über die UN-BRK hinaus weitere Teilhabe-Aspekte in den Blick zu nehmen seien: die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen beiderlei Geschlechts, jeglicher Religionszugehörigkeit und Weltanschauung, verschiedener Einkommensgruppen oder sexueller Orien75 Die Pflicht zur Inklusion und die Tugend der Barmherzigkeit. Ausarbeitung der Theologischen Kammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Mit einem Vorwort von Bischof Martin Hein und dem Text der Entschließung der Landessynode vom 28. März 2014, o. O., o. J. (2014). Mitgearbeitet haben: Pfrin Gabriele Heppe-Knoche, Pfrin Dr. Friederike Erichsen-Wendt, Kirchenrat Jörn Dulige, Prof. Dr. Dietrich Korsch, Pfr. Prof. Dr. Lukas Ohly, Oberlandeskirchenrat Dr. Eberhard Stock. 76 Bildungskammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (Hg.), Verschieden und doch gemeinsam. Momentaufnahmen inklusiver Arbeit in der EKKW, Kassel 2014; Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck / Diakonie Hessen (Hg.), Ich sehe was, was Du nicht siehst. Ein Handlungsleitfaden, Kassel 2014. 77 Ebd., S. 5.
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tierung am gesellschaftlichen Leben. Dabei seien die Rahmenbedingungen in Deutschland gut. Jedoch sei die Reichweite der durch den Inklusionsbegriff angestoßenen gesellschaftlichen Innovation sehr groß, die bisherigen Integrationsmodelle seien zu ersetzen. Wenn mit dem Inklusionsgedanken eine Norm im Sinne der Gleichheit des Ungleichen gesetzt werde, so fordere dies zu einer weiteren Präzisierung heraus, um Widersprüche zu überwinden. Diese Präzisierung wird im Abschnitt 3 (»Polare Spannungen«) vorgenommen, indem Begriffe einander gegenübergestellt werden: »Freiheit und Teilhabezwang, Inklusion und Exklusion, Utopie und erreichbares politisches Ziel, Leistungsgedanke und Teilhabe, Grundsatz und Einzelfall, Politik und Individualität, ›liquid democracy‹ und repräsentative Demokratie, Verteilungskonflikt und Zugang für alle.«78 Die Spannungen, die in diesen Begriffspaaren liegen, werden nun erörtert: Teilhabegerechtigkeit setze voraus, dass jedes Mitglied einer Gesellschaft die Möglichkeit habe, an alles Prozessen teilzuhaben, Teilhabe dürfe also prinzipiell nicht verweigert werden – de facto aber gelingt dies im gesellschaftlichen Diskursgeschehen nicht, wie das Beispiel der repräsentativen Demokratie zeigt. Durch dieses Beispiel wird das soziologisch begründete Prinzip des Inklusions-/Exklusionsgeschehens deutlich gemacht.79 Hier wird die (berechtigte) Frage gestellt, ob Inklusion nicht doch eine unerreichbare Utopie bleibe, also eine Gesellschaft, die das Ziel einer »utopischen Endvision« verfolgt, am Ende weniger Teilhabegerechtigkeit befördere. Wenn der Leistungsgedanke zum Prinzip gemacht werde, um ökonomische Effektivität zu steigern, geht es nicht mehr um Teilhabegerechtigkeit im Sinne unveräußerlicher Rechte.80 Inklusion als Grundsatz und Einzelfall können in unauflöslicher Spannung zueinander stehen.81 Es wird darauf hingewiesen, dass das Abwägen von Fähigkeiten durch das Individuum ebenso notwendig ist wie das Durchsetzen von Rechtsansprüchen. Die Definition von Grenzen in dieser Frage ist allerdings problematisch, denn den auf den ersten Blick einleuchtenden Beispielen (Studium der Fotografie durch einen Sehbehinderten) wäre etwa das Beispiel des erfolgreichen Tischtennisspielers ohne Arme entgegenzusetzen.82 Repräsentation wird als »unausweichliches Gegenprinzip zur Inklusion« ausgemacht und schließlich wird festgehalten, dass sich hinter dem Stichwort eines »Zugangs für alle« ein Verteilungskampf verberge. Auch in diesen beiden letzten Gegenüberstellungen wird das Grundprinzip des Inklusions-/Exklusionsgeschehens herausgearbeitet – ohne jedoch genauer abzuwägen, welche politi78 Ebd., S. 9. 79 Ebd., S. 10. Die Förderung eines Kindes mit Behinderung in einer Förderschule ist möglicherweise einer Beschulung in einer Regelschule vorzuziehen. 80 Ebd., S. 11. Es wird auf das Beispiel von Menschen mit Asperger-Syndrom verwiesen, die besonders leistungsbezogen arbeiten können. 81 Ebd., S. 12. Auch hier wird ein Beispiel aus dem schulischen Bereich gewählt. 82 Vgl. Rainer Schmidt, Lieber arm ab als Arm dran, a. a. O.
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schen Entscheidungsprozesse ein möglicherweise höheres Inklusionspotenzial in sich trägt. In Abschnitt 4 wird das »Dilemma« der Inklusionspraxis anhand von Beispielen aus den Bereichen Bildung und Sport erörtert (Teilnahme des beinamputierten Sportlers Oscar Pistorius am Laufwettkampf der Olympischen Spiele und der Ski-Fahrerin Lindsey Vonn beim Abfahrtsrennen der Männer). Abschnitt 5 erörtert vorbereitende geistesgeschichtliche Traditionen des Inklusionsbegriffs.83 Eine Spur wird in der von J. J. Rousseau und Immanuel Kant entwickelten und von John Rawls und Jürgen Habermas weiterentwickelten Theorie des »Gesellschaftsvertrages« verfolgt, nach der in der repräsentativen Demokratie jeder Mensch unveräußerliche Rechte und Pflichten habe. Daraus abgeleitet sei Inklusion gleichermaßen eine Forderung an den Einzelnen wie an die Gesellschaft, also Rechte und Pflichten auf beiden Seiten, was ein »Geflecht reziproker Rechte und Pflichten aller Teilhabenden« zur Folge habe. Die Herstellung einer »vollkommen inklusiven Gesellschaft« ist demnach nicht möglich, sondern besteht als regulative Idee bzw. als ein »Als-obPrinzip«, also als Grundlage der menschlichen Moralität. Zum anderen kann ein (biblisch-)theologisch begründetes Inklusionsverständnis erhoben werden (Völkerwallfahrt zum Zion; 1. Kor 15, Mt 25), das aber auch exklusivistische Tendenzen in sich trage. Als das »entscheidende theologische Modell« wird die Versöhnung der Welt mit Gott durch Jesus Christus (Phil 2,6 f ) beschrieben, da in der Überwindung von Entfremdung die Konsequenz aus der Gottebenbildlichkeit des Menschen gezogen werde, ohne die empirischen Unterschiede zu leugnen. Dieses Modell wird als »prinzipielle Inklusion« bezeichnet und gegenüber dem Befähigungsmodell der BRK und dem Rechtsethik-Modell des Gesellschaftsvertrages abgegrenzt.84 Menschliche Beeinträchtigungen seien darin als ein selbstverständlicher Teil der inklusiven Gesellschaft beschrieben, tugend- und wahrnehmungsethische hätten einen höheren Stellenwert als rechtsethische Aspekte (»Tugend der Barmherzigkeit«). Darauf folgt die Überlegung zu einer »grenz-sensiblen« inklusiven Gesellschaft in Abschnitt 6. Durch die als asymmetrisch zu beschreibenden Beziehungen zwischen prinzipiell als Gleiche anerkannten Mitgliedern der Gesellschaft (ungleicher Zugang und Verteilung von sozialen Gütern oder Wissen) entstünden Grenzen der individuellen Teilhabe. Die prinzipielle Anerkennung von Gleichheit führe dazu, dass der Einzelne seine Rechte auf Teilhabe geltend machen könne. Inklusionsregeln müssten immer wieder überprüft werden, der Anspruch auf eigene Freiheit müsse immer wieder mit dem Anspruch auf Freiheit Anderer in Bezug gesetzt werden. Das bedeute, dass transparente Zugangsregeln geschaffen werden müssten. Inklusion ohne die Freiheit zu Wahl von Optionen werde zum Teilhabezwang, ohne Anerkennung von Diversität zur Gleichmacherei, ohne geschützte Räume zum Vorrang eines Leistungs83 Ebd., S. 16–21. 84 Ebd., S. 20.
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prinzips, ohne wechselseitige Anerkennung zur Bevorzugung von Menschen mit stärker ausgeprägten Fähigkeiten. »Inklusion ist so als Wahrnehmungsund Handlungsperspektive zu beschreiben, in der jeder möglichst weit seine individuelle Freiheit entfalten kann«85, die Anerkennung von eigenen Grenzen sichern dem Individuum seine Freiheit. Anonym vorgetragene Ansprüche auf Inklusion sind als fragwürdig einzustufen. In einem zusammenfassenden 7 Abschnitt wird noch einmal der Aspekt der Spannung einer unbedingten (theologischen) Begründung und der faktisch nur unzureichenden Verwirklichung von Inklusion hervorgehoben. Die Idee der Inklusion sei möglicherweise eine »säkularisierte religiöse Vorstellung«, die aber die Spannungen und Widerspräche nicht vollständig aufzulösen imstande sei. Der christliche Glaube unterscheide zwischen der prinzipiellen göttlichen Anerkennung für alle Menschen und dem Ausgleich untereinander. Daraus folge eine »sozialethisch weitergedachte Tugend der Barmherzigkeit«, die auf Ausgleich ziele: »Eine christliche Praxis der Barmherzigkeit nimmt damit die Struktur des Gesellschaftsvertrages auf, der vom Gedanken der Gegenseitigkeit ausgeht. Zugleich begrenzt sie Inklusionsforderungen, die ohne Ansehen der Person erhoben werden.«86 Die Stärke des Papiers aus Kurhessen-Waldeck liegt darin, dass der Fokus nicht nur auf dem Bereich der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen liegt, sondern weitere gesellschaftliche Gruppierungen mit im Blick sind (Studierende, Schüler, Sportler…). Einer längeren komplexen Abhandlung folgt eine kurze Zusammenfassung in einfacher Sprache.87 Die gewählten Beispiele belegen jedoch die entwickelten Thesen nicht immer ausreichend. Die verschiedenen Modelle der Inklusion stehen – anders als behauptet – auch nicht in einer zwingenden Spannung zueinander, vielmehr müssen tugend- und wahrnehmungsethische mit rechtsethischen Aspekten ins Gespräch gebracht werden, da nur so die Schlussfolgerungen theologischer Überlegungen für die gesellschaftliche Praxis sichtbar werden. Auch sind weitere biblisch-theologisch tragfähige Bilder zur Interpretation heranzuziehen. Die Diskrepanz des in soziologischer Terminologie formulierten beschreibenden Phänomens von Inklusion / Exklusion in der Gesellschaft und einer ethisch oder theologisch begründeten Inklusion wird auch in dem Text selbst sichtbar, der darum bemüht ist, die verschiedenen Argumentationsstränge miteinander ins Gespräch zu bringen.
85 Ebd., S. 25. 86 Ebd., S. 28. 87 Ebd., S. 29 ff.
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Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland: Inklusion leben in Kirche und Gesellschaft (2014)
Eine weitere Orientierungshilfe hat die EKD nur ein Jahr später unter dem Titel »Es ist normal, verschieden zu sein« herausgegeben.88 Wie die Rheinische Verlautbarung bezieht sie sich damit explizit schon in der Überschrift auf eine von Richard von Weizsäcker 1993 gehaltene Rede. Der Text ist entstanden im Auftrag des Rates der EKD nach dem Beschluss der 11. Synode der EKD und Impulsen der Kammer der EKD für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend. Eine sog. Ad-Hoc-Kommission unter der Leitung von Prof. Dr. Annette Scheunpflug (Bamberg) und Klaus Eberl (OKR, Düsseldorf )89 wurde eingesetzt. Zu den Mitgliedern der Kommission gehörten außerdem: Dr. Valentin Aichele (Berlin), Dr. Esther Bollag (Hamburg), Barbara Brusius (Kassel), Cornelia Coenen-Marx (OKRin, Hannover, Geschäftsführung), Michael Conty (Bethel / Bielefeld), Dr. Silke Köser (Berlin), Mirja Küenzlen (Stuttgart), Axel Mersmann (Remscheid), Uwe Mletzko (Bremen), Matthias Otte (Hannover, Geschäftsführung), Stefanie Pagel (Berlin), Dr. Wolfhard Schweiker (Stuttgart), Anja Siegesmund (MdL, Erfurt), Wilfried Steinert (Templin).90 Mit dem Text soll eine »strategische Orientierung« für die evangelische Kirche und die Diakonie erreicht werden.91 Um die verschiedenen Ansätze, Themenbereiche und wissenschaftlichen Überlegungen zusammenzuführen, wurden weitere Expertinnen und Experten aus den Bereichen Theologie, Sozialwissenschaften und aus der UNESCO in die Beratungen einbezogen, der Text wurde mit der Diakonie in Deutschland abgestimmt. Er soll innerkirchlich genauso wirken wie in Politik und bei »persönlich Betroffenen«. Die Kirche soll dabei möglichst einen Vorbildcharakter durch gute Praxis entwickeln, um die inklusive Entwicklung der Gesellschaft voranzubringen. Als Ziele werden formuliert: 1. Der einen Paradigmenwechsel beschreibende Begriff der Inklusion soll für den kirchlichen wie außerkirchlichen Kontext nachvollziehbar beschrieben werden. 2. Die biblischen Grundlagen und diakonischen Traditionen sollen erläutert und auf die Menschenrechte bezogen werden, um Visionen des Handeln zu erarbeiten. 3. Für die notwendige Bewusstseins bildung soll u. a. mit Verweis auf gute Praxis eine Orientierung gegeben und 88 Kirchenamt der EKD (Hg.), Es ist normal, verschieden zu sein. Inklusion leben in Kirche und Gesellschaft. Eine Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gütersloh 2014. Der Titel bezieht sich auf die Ansprache Richard von Weizsäckers bei der Eröffnungsveranstaltung der Tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte, 1. Juli 1993, Gustav-Heinemann-Haus in Bonn. In der Rheinischen Orientierungshilfe wird er zitiert mit den Worten: »jeder ist anders, das ist normal« (Da kann ja jede® kommen, a. a. O., S. 8. 89 Eberl schrieb für die Rheinische Orientierungshilfe das Vorwort, vgl. ebd., S. 7. 90 Es ist normal, a. a. O., S. 188. 91 Vgl. auch zum folgenden: Heinrich Bedford-Strohm, Vorwort, in: ebd., S. 7–9.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
die Grenzen der Inklusion benannt werden, wobei zwischen Machbarkeit und Vision zu unterscheiden ist.92 Die Orientierungshilfe stellt sich in die Tradition der EKD-Denkschriften mit der Absicht, die Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen kirchlichen und gesellschaftsdiakonischen Aufgaben und Themenbereichen zur Inklusion zu verdeutlichen, von denen ausdrücklich genannt werden: »Gerechte Teilhabe. Befähigung zu Eigenverantwortung und Solidarität« von 2006, »Im Alter neu werden können. Evangelische Perspektiven für Individuum, Gesellschaft und Kirche« (2009), »’Und unsern kranken Nachbarn auch!’ Aktuelle Herausforderungen der Gesundheitspolitik« (2011), »Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken« (2013), sowie »Kirche und Bildung. Herausforderungen, Grundsätze und Perspektiven evangelischer Bildungsverantwortung und kirchlichen Bildungshandelns« (2009).93 Die Orientierungshilfe gliedert sich in fünf längere Abschnitte, ein Schlusswort bündelt die Ausführungen. Im Mittelpunkt der Analyse stehen hier die grundlegenden Abschnitte 1 (Inklusion – ein Paradigmenwechsel), 2 (Theologische Orientierungen) und 5 (Inklusion als Chance für Kirche und Gemeinde) sowie das kurze Schlusswort (Letztes und Vorletztes unterscheiden). Die Abschnitte 3 und 4 behandeln vor allem Beispiele aus der Praxis. Im Abschnitt 1 wird der Begriff der Inklusion entfaltet und erläutert, der als Leitbild für einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel bzw. Paradigmenwechsel identifiziert wird. Der Begriff solle nicht nur auf Menschen mit Behinderungen bezogen werden, sondern auf alle Menschen, insbesondere diejenigen, die unter Ausgrenzung leiden. In eben dieser Ausweitung aber wird auch die Gefahr erkannt, dass »Inklusion« zu einer »harmonisierenden Utopie« verflache, weshalb die Konzentration auf die Frage nach Menschen mit und ohne Behinderungen als notwendig beschrieben wird, woraus sich wiederum positive Folgen auch für alle ergeben können.94 Es ist daher folgerichtig, der UN-BRK die gesellschaftliche Schubkraft zuzusprechen, da in ihr »Inklusion als menschenrechtliche Leitnorm«95 verstanden wird: »Die inklusive Gesellschaft begünstigt die volle Verwirklichung aller Rechte. Dies setzt voraus, dass der bestehende normative Rahmen zum Abbau von Diskriminierung und Benachteiligung sowie das Gebot zur Schaffung von inklusiven Lebensverhältnissen auch im Alltag mit Leben gefüllt werden.«96 Dies alles steht auf einer rechtlichen Grundlage und muss deshalb sowohl zur »Akzeptanz von Vielfalt« führen wie zu einer »Kultur gegenseitiger Akzeptanz und Wertschätzung«.97 92 Vgl. ebd., S. 11 f. 93 Ebd., S. 13–16. 94 Ebd., S. 18. 95 Ebd. 96 Ebd., S. 20. 97 Ebd., S. 21.
Kirchenpolitische Verlautbarungen zur Inklusion
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Inklusion wird als ein gesellschaftlicher Entwicklungsprozess verstanden: gleichberechtigte Teilhabe, die Frage nach Autonomie und Freiheit von Menschen mit Behinderungen, die Herstellung der entsprechenden freiheitlichen Bürgerrechte, die Veränderung der Sichtweise auf Behinderung – nicht die Person, sondern die Situation ist behindert –, die Wahrnehmung von Vielfalt als Potenzial für die Entwicklung der Gesellschaft – all diese Aspekte werden als Ziele eines gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses benannt, der ohne Ideologisierung auskommen muss: »Ein ideologisierender Gebrauch des Inklusionsanspruchs verfehlt allerdings das Ziel, wenn er um der großen Vision willen das Mögliche nicht ergreift. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang die theologische Unterscheidung von Letztem und Vorletztem«98. Diese Unterscheidung ist eine Leitkategorie, die im Schlusswort noch einmal explizit aufgenommen und entfaltet wird: Sie helfe, gegenwärtig das Rechte zu tun und »zugleich den größeren Horizont des Reiches Gottes als Perspektive christlicher Hoffnung zu bekennen.«99 Jede Ethik stehe unter eschatologischem Vorbehalt. Aufgrund des Leibverständnisses etwa im Zusammenhang des Abendmahls, das inklusiv verstanden jeder Ausgrenzung entgegenstehe, seien Kirche und Diakonie per se dazu herausgefordert, sich für die Förderung von Inklusion einzusetzen – besonders mit dem Blick auf die Trägerschaft großer Einrichtungen der Behindertenhilfe, die durch ihre Spezialisierung paradoxerweise zur Ausgrenzung beitragen.100 Abschnitt 1 endet mit dem Verweis auf den Bereich der Bildung, der in ähnlicher Weise zu einem System der Ausgrenzung (u. a. Sonder- und Förderschulwesen) geführt habe wie der der Diakonie.101 Abschnitt 2 bietet »theologische Orientierungen« an. Es wird konstatiert, dass eine umfassende Theologie der Inklusion bisher nicht vorliegt102 – und in der Theologie, der Sozialpädagogik, der Sozialen Arbeit und der Gemeinde pädagogik kein »Querschnittsthema« ist.103 Inklusion verlange von der Theologie, verstärkt die Stimmen von Theologinnen und Theologen mit Behinderungen zu berücksichtigen, das Thema im Blick auf die biblischen Grundlagen zu reflektieren und in den Dialog mit den Humanwissenschaften einzutreten.104 Als der wichtigste theologische Bezugspunkt werden die in Gen 1,26 f. enthaltenen Ideen der »Gottebenbildlichkeit« und der »Heterogenität« bezeichnet, die verstanden werden müssen als Kategorie der Beziehung zwischen 98 Ebd., S. 27. 99 Ebd., S. 185. 100 Ebd., S. 28 ff. Die Geschichte dieser diakonischen Einrichtungen wird vorgestellt und auf die »Rheinsberger Erklärung« des Bundesverbandes evangelischer Behindertenhilfe von 2006 verwiesen, in der Betroffene selbst ihre Rechte auf Teilhabe einfordern (www.beb-ev. de/inhalt/wunsch-nach-greifbaren-veranderungen). 101 Ebd., S. 34 ff. 102 Ebd., S. 38. 103 Vgl. S. 179 f. 184. 104 Ebd., S. 180 f. Ulrich Bach wird als derjenige zitiert, der auf die Gefahr des »Apartheitsdenkens« in der Theologie aufmerksam gemacht hat.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
Gott und Mensch: »Es genügt einzig, Mensch zu sein.«105 Gottes Schöpfungshandeln schaffe die »Ausdifferenzierung von Wirklichkeit«106. Die Vielfalt des Menschen liege bereits im Bild Gottes begründet, das im trinitarischen Gottesverständnis als Einheit und Vielfalt zugleich seinen Ausdruck finde. Vor allem aber sei »Gottes vorbehaltloses Beziehungs-Ja der Liebe zu jedem Menschen … der theologische Schlüssel zur Inklusion.«107 Die von Ulf Liedke entwickelte Kategorie der »Gegebenheit« wird verwendet, um dem Anspruch einer generellen Beurteilung von »Behinderung« durch die theologische Anthropologie eine Absage zu erteilen.108 Im Fokus der Aufmerksamkeit der Ad-Hoc-Gruppe stehen außerdem neuere theologische Ansätze, die aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen verfasst worden sind: sie legten u. a. offen, welche theologischen Bezugssysteme zur Stigmatisierung beitrügen, eine kontextuelle Christologie befreie zur Begegnung mit dem »behinderten Gott«, wie mit Verweis auf N. L. Eiesland festgehalten wird.109 Ulrich Bach habe u. a. darauf hingewiesen, dass Unvollkommenheit zum Menschsein gehöre.110 Gott selbst handele inklusiv, wenn er sich mit Jesu Leiden und Sterben am Kreuz solidarisiere und dem Menschen ein Rechtfertigungsangebot mache. Alles menschliche Leistungs- und Normalitätsstreben werde – entsprechend 1. Sam 16,7 – auf den Kopf gestellt. Biblische Personen entsprächen in keiner Weise gängigen Elitevorstellungen.111 Notwendig sei ein neues theologisches Verständnis des Menschen in seiner Ganzheit einschließlich seines konkreten Körpers, Jesus selbst sei leibfreundlich – über seinen Tod hinaus. Entsprechend sind auch die biblischen Heilungsgeschichten in einem neuen Licht zu sehen: nicht die Behebung von Krankheit, sondern das Anbrechen des Gottesreiches sei die Botschaft.112 Diese Überlegungen führen schließlich dazu, dem Ansatz reiner Fürsorge eine Absage zu erteilen und in Anlehnung an die Leib-Christi-Theologie des Paulus (1. Kor 11,17 ff.) von einer durchaus erfahrbaren kirchlichen »Utopie« des Reiches Gottes zu sprechen. Dabei wird realistisch eingestanden, dass die »gegenwärtige Sozialgestalt der Kirche in Gemeinde und Diakonie … jedoch noch weit davon entfernt [sei], ein Inklusionsmotor zu sein.«113 Die Differenz zwischen Inklusion und dem, was auf dem Feld der Integration geleistet werde, 105 Ebd., S. 40. 106 Ebd., S. 41. 107 Ebd., S. 42. 108 Vgl. S. 42 f. Vgl. Ulf Liedke, Gegebenheit – Gabe – Begabung? Systematisch-Theologische Notizen zum Diskurs über »Behinderung« und zu einer inklusiven Anthropologie für alle Menschen, in: PTh 98 (2009), Heft 12, S. 466–482. 109 In gleicher Weise hat auch die rheinische Orientierungshilfe auf Nancy Eiesland verwiesen. Die literarische Quelle wird in der EKD-Denkschrift jedoch ebenso wenig genannt wie die parallele Argumentation in der rheinischen Schrift (vgl. Abschnitt 1.3.). 110 Ebd., S. 44. Vgl. Ulrich Bach, Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz, a. a. O. 111 Ebd., S. 45 ff. 112 Ebd., S.47 ff. 113 Ebd., S. 55.
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lege kirchliche Spannungsfelder insofern offen, als der Riss zwischen Barmherzigkeit und Fürsorge sowie Gerechtigkeit und Teilhabe nicht geheilt sei.114 Mit Verweis auf die Überlegungen von Gerhard Wegner115 wird festgehalten, dass paradoxerweise ein Engagement für andere Kommunikation auf Augenhöhe verhindern könne. Ein Wechsel zur Geschwisterlichkeit gelinge, wenn daraus »Kirche mit anderen« werde.116 Grundsätzlich könne Inklusion Theorie und Praxis der Gesellschaft besser machen, nicht zuletzt unter Berücksichtigung des von Henning Luther entwickelten Verständnisses des Fragmentarischen.117 In Abschnitt 3 der Denkschrift wird »Inklusion als Aufgabe« für verschiedene Bereiche konkretisiert. Voraussetzung für gelingende Inklusion sei vor allem eine Veränderung von Denken und Sprechen.118 Imperfektabilität sei die Hintergrundfolie für Heterogenität. Dem Gedenken an geschehenes Unrecht wie die Euthanasiemorde während der Zeit des Nationalsozialismus komme hohe Bedeutung zu. Die Standards medizinischer Diagnostik sind zu überprüfen. In Abschnitt 4 werden zahlreiche Beispiele aus der Praxis vorgestellt, darunter auch aus dem Bereich des Sports: So wird grundsätzlich angemerkt, dass die Anerkennung des Behindertensports ein hartes Ringen gewesen ist119; Blindenfußball wird als gelungenes inklusives Projekt vorgestellt.120 Besonders im Blick auf die Frage des Rechts sei zu beachten, dass die Anerkennung von Inklusion eine gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe ist und weit über die sog. Behindertenpolitik hinaus Fragen der Antidiskriminierung, der Jugend-, Kinder- und Altenpolitik, der Migrationspolitik, der Ökumene, des interreligiösen Dialogs und der Genderpolitik umfasse.121 Die UN-BRK als »menschenrechtliche Leitnorm« verpflichte mit den gesellschaftlichen Akteuren auch die Kirche zur Umsetzung, wobei insbesondere das Recht auf politische Teilhabe der Menschen mit Behinderungen und auch die Sozialgesetzgebung zu beachten sei.122 Das Kirchenrecht sei auf die Frage von »Behindertenfreundlichkeit« hin zu überprüfen. Die EKD-Denkschrift stellt breit und umfassend den Stand der Diskussion dar und bietet eine Reihe theologischer Ansätze, die sich gut mit den Über legungen der Orientierungshilfen aus den Landeskirchen in Beziehung setzten 114 Ebd., S. 56. 115 Gerhard Wegner, »Enabling Churches«, a. a. O., S. 230. 116 Es ist normal, a. a. O., S. 56. Vgl. Günter Ruddat / Gerhard Schäfer, Diakonie in der Gemeinde, in: Dies. (Hg.), Diakonisches Kompendium, Göttingen 2005, S. 203–227, S. 214. 117 Ebd., S. 57. Henning Luther, Identität und Fragment, S. 160–182. 118 Ebd., S. 58. 119 Vgl. ebd., S. 67. 120 Ebd., S 134 f. 121 Ebd., S. 75. 122 Ebd., S. 76. Die Denkschrift fordert die Entwicklung eines bundesweiten Gesetzes, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Sozialgesetzgebung zu regeln (ebd., S. 82) und erweitert damit den Kreis derjenigen, die schon in der Denkschrift »Gerechte Teilhabe« als besonders förderungsbedürftig identifiziert wurden (vgl. Gerechte Teilhabe, a. a. O., S. 35 ff.).
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
lassen. Die eschatologische Dimension des Inklusions-Themas wird deutlich betont. Damit wird eine gewisse Entlastung angezeigt, ohne den Handlungsbedarf zu schmälern – im Gegenteil werden die rechtliche Notwendigkeit und die Bedeutung für die theologische Auseinandersetzung deutlich betont. Eine weitere Stärke der Denkschrift liegt in der ausführlichen Schilderung von Beispielen guter Praxis und Beispielen, die es ermöglichen, die Phänomene von Exklusion und Inklusion nachvollziehbar zu machen. Die kritischen Einwürfe und grundlegenden theologischen Entwürfe zum Thema, die Ulrich Bach gemacht hat, werden an vielen Stellen berücksichtigt, andere bereits vorliegende Entwürfe fehlen jedoch. 1.6
Weitere Kirchliche Stellungnahmen
Evangelische Kirche in Hessen und Nassau: »Inklusion fängt bei der Sprache an« Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat Ende 2013 beschlossen, ein Diskussionspapier für die Gemeinden und Einrichtungen der Landeskirche zur Verfügung zu stellen, das als Grundlage für die Entwicklung konkreter Ideen dienen soll. Dabei wurde betont, dass es sich bei der Idee der Inklusion nicht um einen »fremden Impuls«, sondern um ein Thema handele, das »biblisch-theologisch begründet tief verankert ist«123. Das Papier wurde im Jahr zuvor in einem Diskussionsprozess erarbeitet und u. a. auf der 2. Bildungskonferenz der EKHN beraten. Das Thesenpapier124 enthält 20 Thesen, die in vier Teile gegliedert sind. Die 5 Thesen in Teil 1 geben eine knappe theologische Begründung: Ausgehend von 1. Tim 2,4 und der These, dass die christliche Ethik von der Liebe geprägt ist, sei Inklusion als eine wesentliche Dimension christlichen Glaubens und Handelns zu bezeichnen. Die in Gen 1,27 f. formulierten Ideen der Gottebenbildlichkeit sowie der Verschiedenheit sind ebenso entscheidend für das christliche Verständnis von Inklusion wie das Verständnis der Kirche als Leib Christi: Einheit in der Vielheit (1. Kor 12). Inklusion sei somit Strukturprinzip kirchlichen Handelns. Die Thesen 6–12 beschreiben Inklusion als aktuelle gesellschaftliche und kirchliche Aufgabe: »Inklusion fängt bei der Sprache an.« Auf den Unterschied der Begriffe »Integration« und »Inklusion« wird aufmerksam gemacht und ebenso auf die verschiedenen Bezugsfelder, in denen Inklusion »niemals zum Nulltarif« zu haben sein werden: »Der Prozess der Inklusion führt – so ist die Zielrichtung des Prozesses – zu einer Gemeinschaft der Verschiedenen, in denen der Einzelne möglichst optimal gefördert wird und bestmögliche Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten findet.« Die Kirchen seien Partner 123 Vgl. den Artikel »Inklusion stärker in die Kirche bringen: EKHN-LEITUNG VER ÖFFENTLICHT DISKUSSIONSPAPIER«, abrufbar unter http://unsere.ekhn.de/themen/ inklusion.html. 124 Thesen zum Inklusionsverständnis des christlichen Glaubens und den Folgerungen für den Bereich der Bildung (3. September 2013).
Kirchenpolitische Verlautbarungen zur Inklusion
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des Staates und freie Akteure der Zivilgesellschaft, Kirche habe kritisch zu prüfen, ob vor allem im Bildungsbereich Fortschritte erzielt werden. Auch die Grenzen der Inklusion seien zu beachten. Beispiele aus dem Bereich kirchlicher Kindertagesstätten und dem Schulbereich werden vorgestellt. In den Thesen 16–20 wird »Inklusion« als »unabschließbarer Prozess« bezeichnet und weitere Initiativen werden angekündigt und erwartet: Die Kirchenleitung der EKHN möchte in allen kirchlichen Handlungsfeldern einen Diskurs … anstoßen.«125 Auf der Internetseite der EKHN wird zudem auf verschiedene Initiativen und Projekte und auf die EKD-Orientierungshilfe hingewiesen. Die Weiterentwicklung des Prozesses zur Inklusion ist zu erwarten. Evangelische Kirche von Kurhessen und Waldeck: »Grenzen überwinden, Teilhabe erfahren« Im Herbst 2010 wurde die Bildungskammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen und Waldeck (EKKW) vom Rat ihrer Landeskirche beauftragt, sich des Themas »Inklusion« anzunehmen, um eine Stellungnahme vorlegen zu können. Parallel dazu hatte der Rat die Bildungskammer außerdem im Herbst 2009 gebeten, ein Papier zur Bildungsgerechtigkeit zu erarbeiten, das im Herbst 2012 unter dem Titel »Grenzen überwinden – Teilhabe erfahren« erschienen ist.126 Im Frühjahr 2012 beschloss die Landessynode einen »Leitfaden Inklusion«. Die Theologische Kammer der Synode wurde beauftragt, eine Stellungnahme zum Thema zu erarbeiten. Sie wurde mit dem Titel »Die Pflicht zur Inklusion und die Tugend der Barmherzigkeit« der Theologischen Kammer im Februar 2013 vorgelegt, erörtert und 2014 verabschiedet.127 Darüber hinaus sind in der Folge zwei weitere Schriften erschienen, die sich mit Praxis-Feldern zur Inklusion innerhalb der EKKW beschäftigen und die theoretische Ausarbeitung ergänzen sollen.128 Die Orientierungshilfe wurde oben ausführlich dargestellt.
125 Ebd., S. 5. 126 Bildungskammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (Hg.), Grenzen überwinden – Teilhabe erfahren. Ein Impulspapier der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck zu mehr Bildungsgerechtigkeit für benachteiligte Familien, Kinder und Jugendliche, Kassel 2012. 127 Die Pflicht zur Inklusion und die Tugend der Barmherzigkeit. Ausarbeitung der Theologischen Kammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Mit einem Vorwort von Bischof Martin Hein und dem Text der Entschließung der Landessynode vom 28. März 2014, o. O., o. J. (2014). Mitgearbeitet haben: Pfrin Gabriele Heppe-Knoche, Pfrin Dr. Friederike Erichsen-Wendt, Kirchenrat Jörn Dulige, Prof. Dr. Dietrich Korsch, Pfr. Prof. Dr. Lukas Ohly, Oberlandeskirchenrat Dr. Eberhard Stock. 128 Bildungskammer der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (Hg.), Verschieden und doch gemeinsam. Momentaufnahmen inklusiver Arbeit in der EKKW, Kassel 2014; Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck / Diakonie Hessen (Hg.), Ich sehe was, was Du nicht siehst. Ein Handlungsleitfaden, Kassel 2014.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
Nordkirche: »Netzwerk Kirche Inklusiv« Die Nordkirche hat im Juni 2015 einen Preis zum Thema Inklusion ausgelobt und damit den Impuls des EKD-Papiers »Es ist normal, verschieden zu sein« aufgegriffen: Bis 2015 haben in der Nordkirche nur wenige Gemeinden das Thema behandelt. Mit dem Preis sollen gelungene Projekte ausgezeichnet werden, »um für eine Integration aller Menschen ins Gemeinschaftsleben zu werben.«129 Drei Jahre zuvor hatte die Nordkirche ein »Netzwerk Kirche inklusiv« gegründet, um damit eine Plattform zu bieten, auf der sich Gemeinden informieren und austauschen können; das Netzwerk hat 150 Mitglieder (Gemeinden, diakonische Einrichtungen). Eine dezidierte Stellungnahme zur Frage der »Inklusion« liegt bisher nicht vor. Evangelische Kirche von Westfalen: »Mitgedacht« Die Evangelische Kirche von Westfalen hat eine Seite unter dem Titel »inklusion.ekvw.de« ins Internet gestellt, auf der einige Basisinformationen zum Thema zu finden sind. Zwei Bibelstellen werden zitiert: »Der HERR sprach zu ihm: Wer hat dem Menschen den Mund geschaffen? Oder wer hat den Stummen oder Tauben oder Sehenden oder Blinden gemacht? Habe ich’s nicht getan, der HERR?« (2. Mose 4, 11) und: »Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen.« (Johannes 10, 10). Auch hier wird auf die EKD-Orientierungshilfe von 2014 verwiesen. Eine Stellungnahme bzw. Orientierungshilfe oder ein Diskussionspapier liegt bisher nicht vor. Das Pädagogische Institut (PTI) der EKvW bietet auf seiner Internetseite weitergehende inhaltliche Informationen an130, u. a. einen knappen Artikel von Andreas Nicht, der sich mit Herkunft und Geschichte des Begriffs »Inklusion« auseinandersetzt.131 Bereits im Jahr 2009 hat sich die Evangelische Jugend von Westfalen auf einer Fachtagung zum Thema »Inklusion« unter dem Motto »Kinder- und Jugendarbeit für alle! Menschen mit Behinderung mitgedacht!« des Themas angenommen.132 Evangelisch Lutherische Kirche in Bayern In der Evangelischen Kirche in Bayern ist das Thema »Inklusion« bisher ein Randthema. Es wird dort im Zusammenhang von Schule und Bildungsfragen diskutiert.133 129 https://www.nordkirche.de/nachrichten/nachrichten/detail/nordkirche-lobt-preis-zumthema-inklusion-aus.html (abgerufen: 10.10.2016). 130 http://www.pi-villigst.de/inklusion.html. 131 Andreas Nicht, Inklusion – Von der Normalität der Verschiedenen, abrufbar unter http://www.pi-villigst.de/fileadmin/paedagInstitut/Bereiche/Nicht/Inklusion_theoretisch.pdf. 132 http://www.ev-jugend-westfalen.de/handlungsfelder/inklusive-paedagogik-behindertenichtbehinderte/fachtag-inklusion-2009/. 133 Vgl. u. a. den Beitrag von Rita Freund-Schindler, Wichtig, aber teuer. Inklusion an evangelischen Schulen, in: nachrichten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Ausgabe 2/2015; Detlev Bierbaum / Erwin Meister (Hg.), Evangelische Schulen in Bayern –
Kirchenpolitische Verlautbarungen zur Inklusion
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Evangelische Kirche in Bremen: »Nehmt einander an« In der Evangelischen Kirche Bremen wird das Thema »Inklusion« im Kontext von Bildungsfragen behandelt und spielt in Bezug auf Schule, Kindertageseinrichtungen und Konfirmandenarbeit eine wichtige Rolle. Vor kurzem ist eine Dokumentation des Landesverbandes Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder in Bremen erschienen, die von Wilhelm Haase-Bruns, Miriam Fritsche und Maren Schreier erarbeitet worden ist.134 Die Bremische Evangelische Kirche ist außerdem Partner im Bündnis für schulische Inklusion.135 Auf dem Jahresempfang der Bremischen Evangelischen Kirche 2015 wurde ein Film von Januschka Lenk zur Inklusion unter dem Titel »Nehmt einander an« gezeigt, der sich auf die Spurensuche nach einer inklusiven Kirche im Zusammenhang der Konfirmandenarbeit begibt.136 Eine Orientierungshilfe bzw. grundlegende Stellungnahme aus Bremen liegt nicht vor. Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg / Schlesische Oberlausitz: »Inklusive Bildung« Die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg / Schlesische Oberlausitz (EKBO) ist insbesondere im Bereich der Schule mit dem Thema »Inklusion« aktiv. Die Evangelische Schulstiftung hat im November 2011 eine erste Klausurtagung dazu veranstaltet und im Anschluss daran zwei Sonderpädagoginnen zur Beratung der Stiftung und zur Begleitung der Schulen angestellt. Ab 2012 wurden ein Inklusionskonzept erarbeitet sowie mehrere Fortbildungen dazu angeboten.137 Die EKBO ist u. a. mit Vertretern der Sportverbände und Gewerkschaften beteiligt am Runden Tisch »Inklusive Bildung«, der seine Arbeit am 30. September 2011 aufgenommen hat.138 Erstmals wurde auch in der EKBO ein Sonderpreis »Inklusion« ausgelobt, der für Projekte vergeben wird, die darauf zielen, »dass Menschen mit all ihren Verschiedenheiten gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.«139
Miteinander leben, lernen, glauben, 2012, abrufbar unter http://www.essbay.de/fileadmin/ user_upload/dateien/2012-11-08_Rahmenkonzept_Ev._Schulen_pdf.pdf. 134 Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder (Hg.), Teilhabe ist unteilbar. 30 Jahre Integration / Inklusion in evangelischen Kindertageseinrichtungen, Bremen 2015. Abrufbar unter http://www.kirche-bremen.de/dateien/KitaBrosch_30J_Integration.pdf. 135 Vgl. das Memorandum »Inklusion in Schule und Bildungspolitik ins Zentrum rücken!« abrufbar unter: http://www.kirche-bremen.de/downloads/Bremer_Memorandum_final_2_ 4_2015.pdf. 136 Vgl. http://www.kirche-bremen.de/orte/rpa/video_inklusion_nehmt_einander_an.php. 137 http://www.schulstiftung-ekbo.de/inklusion/inklusion-leben.html. 138 http://www.inklusion-brandenburg.de/runder_tisch_inklusive_bildung.html. 139 https://www.ekbo.de/wir/pressestelle/pressemeldungen/detail/nachricht/ekbo-hahn2015-ein-preis-fuer-gelungene-oeffentlichkeitsarbeit.html.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
Evangelische Landeskirchen in Württemberg und Baden: »Eckpunkte Inklusion« »Inklusion« war Thema des Jahresempfangs der Evangelischen Landeskirchen von Württemberg und Baden am 9. Dezember 2014, zu dem eigens zwei kleine Filme produziert wurden. In diesem Rahmen wurde ein Preis »Familienfreundliche Gemeinde« zum Thema »Inklusion« verliehen.140 Landesbischof Otfried July kündigte einen »Aktionsplan Inklusion« an, da es hierzu nicht nur eine moralische Pflicht gebe, sondern Inklusion ein Wesenszug von Kirche sei.141 Die Evangelische Landeskirche in Baden hat eine Projektstelle Inklusion eingerichtet, zudem gibt es ein Inklusionsprojekt des Diakonischen Werkes und das Projekt »Fonds Diakonische Gemeinde – Kirche inklusiv«. Auf der Frühjahrssynode 2015 wurde das landeskirchliche Inklusionsprojekt vorgestellt. Vorausgegangen war der Beschluss des Evangelischen Oberkirchenrates zu den »Eckpunkten Inklusion« im Dezember 2014: »Die Evangelische Landeskirche in Baden begreift Inklusion im Kontext der biblischen Botschaft und des Bekenntnisses zum christlichen Glauben. Daraus ergeben sich eigene Bezugspunkte zu der Aufgabe, eine inklusive Gesellschaft mitzugestalten und eigene Akzente bei ihrer Umsetzung. In einer Gesellschaft, die zunehmend auseinanderdriftet, wirkt Kirche als wichtiges Bindeglied zwischen unterschiedlichen sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Gruppen, aber auch zwischen Menschen in ihrer Verschiedenheit. Die Evangelische Landeskirche in Baden arbeitet aktiv für eine inklusive Gesellschaft, an der alle Menschen teilhaben können. Das ist unsere Aufgabe, unser Ziel. Als Kirche sind wir Teil der Gesellschaft und tragen Verantwortung für das Ganze – auf unsere Weise und mit den uns eigenen Kompetenzen und Ressourcen.«142 Als Handlungsfelder werden genannt: Gottesdienst, Seelsorge, Bildung und Diakonie. Die UN-BRK soll auch im Bereich der Kirche umgesetzt werden. Es wird theologisch herausgearbeitet, dass dies eine schöpfungs- und bundestheologische (1. Petrus 2,5), eine christologische (Mt. 5,13), eine ekklesiologische (Röm 12,1; 1. Kor 12) und eschatologische (Hebräer 4,9; 13,14) Perspektive braucht. Auf die Orientierungshilfe der Rheinischen Kirche wird explizit verwiesen. Evangelische Kirche Mitteldeutschland (EKM) Das Jahresthema 2013 der Diakonie in Mitteldeutschland hieß »Inklusion und Teilhabe«. Bereits auf der Herbstsynode der EKM war die Position der Diakonie zum Thema dargelegt worden. Das PTI der EKM hat sich des Themas für die Bereiche von Schule, Konfirmandenarbeit, Gemeinden und Kitas angenommen und stellt verschiedene Informationen zur Verfügung.143 Eine eigene Stellungnahme liegt aus dieser Kirche (noch) nicht vor. 140 http://www.elk-wue.de/arbeitsfelder/gesellschaft/inklusion/. 141 http://www.elk-wue.de/aktuell/detailansicht-pressemitteilung/?tx_ttnews%5Btt_news %5D=59462&tx_ttnews%5BbackPid%5D=98&no_cache=1. 142 ECKPUNKTE INKLUSION der Evangelischen Landeskirche in Baden, vgl. http:// www.ekiba.de/html/content/teilhabe_und_inklusion.html. 143 http://pti.ekmd-online.de/portal/quali-beratung/5-Inklusion/.
Kirchenpolitische Verlautbarungen zur Inklusion
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Evangelische Landeskirche Anhalts: »Inklusion ist kein Sparmodell« Besonderes Augenmerk wird im Zusammenhang der Frage nach Inklusion in Anhalt auf den Bereich der Bildung gelegt. Auf ihrer Synode beschloss die Evangelische Landeskirche Anhalts im April 2014: »Die Landessynode unterstreicht die Bedeutung des Themas »Inklusion und Teilhabe« und bittet insbesondere die staatlichen Akteure um differenzierte Betrachtung bei der Umsetzung von inklusiver Bildung und um die Nutzung der fachlichen Expertise der freien Träger.144 Die Landessynode bekräftigt: Inklusion ist auch im Bildungsbereich kein Sparmodell!« In den vier evangelischen Grundschulen in Anhalt wird angestrebt, »Schritt für Schritt den Weg hin zu inklusiven Schulen« zu gehen.145 Zur Frage der Flüchtlinge und Migranten hat sich die Landessynode die Kundgebung der Mitgliederversammlung der Diakonie Mitteldeutschland vom 05. November 2013 (»Inklusion und Teilhabe von Flüchtlingen und Migranten«) zu eigen gemacht und bekräftigt, sich für eine menschenrechtsbasierte Migrations- und Asylpolitik einzusetzen. Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig Anlässlich einer Anhörung zum Thema des gemeinsamen Unterrichts von behinderten und nichtbehinderten Schülern im niedersächsischen Landtag im Dezember 2011 erklärten die Vertreter der Braunschweigischen Kirche, dass die Inklusion dem christlichen Menschenbild entspreche.146 Vor allem im Bereich der Arbeit evangelischer Kindertagesstätten spielt das Thema »Inklusion« eine Rolle, eine dezidierte Stellungnahme liegt nicht vor. Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers Die Landessynode der Evangelisch-lutherischen Kirche Hannovers hat 2012 beschlossen, ein Referat »Inklusion« einzurichten. Von hier aus sollen Impulse für Gemeinden, Kirchenkreise und die Landeskirche mit ihren Einrichtungen gegeben werden. Ein Positionspapier des Diakonischen Werkes wurde 2012 ebenso vorgelegt wie ein Jahresbericht 2013.147 Neben der Behandlung des Themas im Zusammenhang mit Menschen mit Behinderungen stehen auch Arbeitslose, Flüchtlinge und Migranten, Straffällige und Strafentlassene sowie Wohnungslose im Fokus der Aufmerksamkeit. Ein zu erarbeitendes Handlungskonzept soll die bisherigen Ansätze zum Thema »Inklusion« sichern und als Grundlage für die als Prozess verstandene,
144 http://www.landeskirche-anhalts.de/assets/files/2014-1_entschliessung_bericht_dw.pdf. 145 Art. »Schulbeginn an evangelischen Schulen. Landeskirche: Schulen auf dem Weg zur Inklusion« (25.8.2015), abrufbar unter: http://www.landeskirche-anhalts.de/aktuell/ schulbeginn-an-den-evangelischen-grundschulen. 146 http://www.landeskirche-braunschweig.de/meldung/Artikel/6197.html?no_cache=1. 147 http://www.landeskirche-hannovers.de/evlka-de/ueberblick/8_diakonie/8_5_teilhabe_ inklusion/8_5_1_inklusionsbeauftragte.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
exemplarische Arbeit im Bereich der Landeskirche dienen.148 2013 hat das Diakonische Werk außerdem eine Qualifizierungsmaßnahme »Fachkraft für inklusive Prozesse« im Bereich der Kindertagesstätten-Arbeit initiiert, die 2014 fortgesetzt worden ist.149 Evangelische Kirche der Pfalz: »Inklusive Gemeindekultur« Die Evangelische Kirche der Pfalz hat 2010 eine Selbstverpflichtung zur barrierefreien Gestaltung kirchlicher Angebote und Einrichtungen beschlossen. Der dortige Beauftragte für »Behindertenseelsorge« ist zugleich auch beauftragt für den Bereich der »inklusiven Gemeindekultur«.150 Seit 2014 gibt es eine Zusammenarbeit mit dem Landesjugendpfarramt. Im Juli 2015 konstituierte sich in Speyer der landeskirchliche Beirat »Inklusion«, der das Thema weiter auf der Agenda der Landeskirche halten will. Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens: »Einander beschenken« Im August 2013 veranstaltete die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens einen ersten Impulstag Inklusion in Chemnitz.151 Dieser wurde im September 2014 unter dem Stichwort »begabt und begrenzt – einander beschenken« und im September 2015 wiederholt. Unter dem Stichwort »Kirche Inklusiv« wurde 2013 eine Internetseite eingerichtet, die Hinweise und Angebote zum Thema zur Verfügung stellt.152 Eine Stellungnahme liegt nicht vor. Diakonisches Werk (DW): »Inklusion verwirklichen!« Auf Ihrer Sondersitzung am 28. März 2014 hat die Konferenz Diakonie und Entwicklung (Diakonie Deutschland und »Brot für die Welt«) anlässlich der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 5 Jahre zuvor eine Erklärung mit dem Titel »Was willst Du, dass ich Dir tun soll? (Mk 10,51) Inklusion verwirklichen!« veröffentlicht. Darin heißt es u. a.: »Die Konferenz Diakonie und Entwicklung unterstützt das Anliegen des ›Übereinkommen(s) der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen‹. Sie bekräftigt das Ziel der UN-BRK, Barrieren für Teilhabe zu überwinden, Diskriminierungen abzubauen und gemeinsam Leben in Vielfalt zu ermöglichen. Die Konferenz Diakonie und Entwicklung ruft dazu auf, die Bemühungen 148 http://www.landeskirche-hannovers.de/evlka-de/ueberblick/8_diakonie/8_5_teilhabe_ inklusion/8_5_1_inklusionsbeauftragte/ausblick. 149 http://www.landeskirche-hannovers.de/evlka-de/wir-ueber-uns/landessynode/synodenarchiv/tagung_25_02/berichte_25_02/inklusion_kita. 150 http://www.evkirchepfalz.de/aktuelles-und-presse/pressemeldungen/pressemeldung. html?no_cache=1&tx_aspresse_pi1%5Bitem%5D=347&tx_aspresse_pi1%5Bpage%5D =6&tx_aspresse_pi1%5Bsword%5D=Inklusion&tx_aspresse_pi1%5BvonJahr%5D=TT. MM.JJJJ&tx_aspresse_pi1%5BbisJahr%5D=TT.MM.JJJJ&tx_aspresse_pi1%5BbackLink %5D=239&cHash=878ac1f3327dd301be7eecf4611aba64. 151 http://www.inklusion-in-sachsen.de/de/aktuelles/archiv/impulstag-landeskirche.php? listLink=1 152 http://www.kirche-inklusiv.de.
Kirchenpolitische Verlautbarungen zur Inklusion
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zur Umsetzung der in der UN-BRK anerkannten Rechte von Menschen mit Behinderung in der Bundesrepublik Deutschland, auf der Ebene der Europäischen Union und weltweit auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen zu intensivieren.«153 Die unter dem Dach des DW zusammengeschlossenen diakonischen Einrichtungen der Landeskirchen haben das Thema »Inklusion« sehr unterschiedlich intensiv behandelt. Der Vorstand der von Bodelschwinghschen Stiftung Bethel in Bielefeld hat im März 2014 ein Positionspapier mit dem Titel »Inklusion: Eine Herausforderung auch für Bethel!« veröffentlicht.154 Man habe bereits im Jahr 2001 mit dem Motto »Gemeinschaft verwirklichen« die Vision formuliert und einen Weg eingeschlagen, der zu einem »selbstverständlichen Zusammenleben aller Menschen in ihrer Vielfalt« führe. Das Thema betreffe dabei nicht nur Menschen mit (unterschiedlichen) Behinderungen, sondern auch kranke, sozial benachteiligte Menschen. Selbst bewusst wird auf die schon von Friedrich von Bodelschwingh formulierte Vision der Gemeinschaft verwiesen und folgende Begriffsbestimmung vorgenommen: »Inklusion heißt, von Anfang an dabei zu sein, von Geburt an und in jeder Lebensphase gesellschaftliche Teilhabechancen in allen Lebensbereichen (selbstbestimmt) verwirklichen zu können: in der Bildung, im Arbeitsleben, beim Wohnen, in der gesundheitlichen Versorgung, in Kultur und Politik … Inklusion heißt auch, Menschen mit Behinderungen sollen mit ihren Kräften, Ideen und Ressourcen zur Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens beitragen.«155 Der Einrichtung in Bethel komme die Rolle eines Vermittlers bzw. Diskurspartners zu, um bei der Verwirklichung einer »inklusiven Gesellschaft« als Generationenprojekt zu helfen. Es wird betont, dass es nicht zu einer »Inklusion light« kommen dürfe, die Menschen mit schweren komplexen Behinderungen ausschließe. Mit Bezug auf die UN-BRK wird hervorgehoben: »Genauso wie gilt, dass kein Mensch von vornherein wegen der Schwere oder Art der Behinderung von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden darf, genauso muss gelten: Kein Mensch darf zu bestimmten Formen der Teilhabe gezwungen werden.«156 Es müsse auch für die Einrichtungen Bethels darum gehen, konkrete und praktische Schritte zu gehen. Ein Blick in den Bereich der Diakonie zeigt, dass das Thema »Inklusion« sehr unterschiedlich intensiv behandelt wird. Je konkreter die Arbeit mit von Exklusion betroffenen Menschen ist, desto naheliegender ist auch die Beschäftigung mit dem Thema.
153 http://www.diakonie.de/erklaerung-der-konferenz-diakonie-und-entwicklung-zur-unbrk-14257.html. 154 https://www.bethel.de/fileadmin/Bethel/downloads/positionspapiere/Positionspapier_ Inklusion_2014.pdf. 155 Ebd., S. 4. 156 Ebd., S. 7.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
Evangelisch Freikirchliche Gemeinden (Baptisten): »Vielfalt ist möglich« Der Arbeitsbereich »Diakonie« im BEFG-Dienstbereich Mission und die Diakonische Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen veranstaltete im Februar 2014 ein »Forum Diakonie« zu Behinderung und Inklusion, das unter dem Motto »Vielfalt ist möglich« stand: »Inklusion sei … eine Herausforderung für den eigenen Glauben und die eigene Haltung zu anderen Menschen.«157 Bei der Bundesratstagung im Mai 2015 war das Thema »Inklusion« in Form eines »Interviews« mit der Sozialpädagogin Annette Rebers vertreten.158 Eine Stellungnahme aus diesem Gemeindeverbund liegt bisher nicht vor. Bund freier Evangelischer Gemeinden in Deutschland (FEG): »Leitprinzip Liebe« Seit April 2011 gibt es einen Arbeitskreis für Internationale Gemeindearbeit in Deutschland beim Bund FeG, der gemeinsam mit der Allianz-Mission (AM) die Zusammenarbeit missionarisch-ganzheitliche Arbeit unter, mit und von Menschen mit Migrationshintergrund fördert: »Integrations- und Inklusionsfragen, sowie Fragen nach verschiedenen Gemeindemodellen werden hier durchdacht. Es geht unter anderem darum, verschiedenste Menschen mit Migrationshintergrund, unter der Berücksichtigung von verschiedenen Faktoren, wie Alter, Sprache, Anzahl, Bildung, Aufenthaltsdauer, Deutsch-Kenntnisse, Religion und Kultur entsprechend dem Leitprinzip der Liebe, ausgewogen zu integrieren.«159 Im Bereich der Jugendarbeit der Freien Evangelischen Gemeinden (FEG Jugend) wird didaktisch auf das Thema »Inklusion« eingegangen.160 Wie auch aus dem Bereich der baptistischen Gemeinden ist eine Stellungnahme aufgrund des Selbstverständnisses als Gemeindebund nicht unbedingt zu erwarten. Stellungnahmen und Projekte im Arbeitsfeld »Kirche und Sport« Zur Frage der »Integration« haben die Katholische Bischofskonferenz und die EKD gemeinsam mit dem DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) vor einigen Jahren eine Broschüre herausgegeben, um »Anstöße für ein gelingendes Zusammenleben von Zugewanderten und einheimischer Bevölkerung zu geben.«161 Der Aspekt der »Inklusion« war zu dieser Zeit noch nicht im Fokus der Beteiligten, die Absicht im Zusammenwirken von Kirche und Sport als gesellschaftlich relevanter Größen bei der Frage der Überwindung von Vorurteilen aber deutlich erkennbar, wenn es heißt: »Kirche und Sport sind Partner, wenn es darum geht, die Begegnung zwischen Menschen zu fördern und gemeinsam Fremdheitsgefühle und Ängste abzubauen.« 157 http://www.baptisten.de/aktuelles/artikel-lesen/dasein-mit-anderen-1/. 158 http://www.baptisten.de/aktuelles/bundesratstagung-2015/. 159 https://www.feg.de/index.php?id=93. 160 https://jugend.feg.de/index.php?id=857. 161 Deutsche Bischofkonferenz / EKD / DOSB (Hg.), Integration durch Kirche und Sport. Gemeinsam Gesellschaft gestalten, o. D. (2006), S. 4.
Kirchenpolitische Verlautbarungen zur Inklusion
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Bei der im April 2012 erneut von Katholischer Bischofskonferenz, EKD und DOSB verantworteten Bildungskonferenz zum Thema »Bildung ist mehr als Schule« ging es in zwei der fünf Foren um beide Aspekte Integration (anhand des Beispiels des jüdischen Sportverbandes Makkabi Deutschland) und Inklusion (zum Themenbereich Bildung), so dass von einer Erweiterung des begrifflichen Horizonts gesprochen werden kann.162 Zur Fußball-WM der Frauen in Deutschland 2011 boten die Kirchen verschiedene Elemente im Begleitprogramm an, u. a. um mit einem Praxisheft für die Konfirmandenarbeit für das Thema der »Einen Welt« zu sensibilisieren.163 Inklusive Aspekte spielten dabei eine Rolle, um auf Problematiken sozialer Gerechtigkeit (»Billige Arbeitskräfte produzieren teure Bälle«), Geschlechtergerechtigkeit (»Straßenfußball für Toleranz« versus Unterdrückung von Frauen), Anerkennung von Menschen mit Behinderungen (Sierra Leone, »Verständigung trotz Krieg – mit Fußball«) aufmerksam zu machen.164 Dabei ist zu bedenken, dass die Konfirmandenarbeit sich selbst erst seit einiger Zeit in einem Prozess der sich verändernden Einordnung befindet und beim Inklusions-Thema noch relativ am Anfang steht.165 Auch im Blick auf die Jugendarbeit ist hier noch großer Handlungsbedarf, wenngleich Anfänge einer stärkeren Sensibilisierung erkennbar sind.166 Ein weiteres Projekt, auf das das Praxisheft ebenfalls aufmerksam macht, ist der »Anstoß zum Dialog«: zwei von einander unabhängige Aktivitäten im Ruhrgebiet und in Berlin zu Toleranz und Integration von Menschen fremder Religion, Kultur und Sprache, bei denen jeweils ein Fußballspiel zwischen muslimischen Imamen und christlichen Pfarrern im Mittelpunkt steht, das 162 Vgl. www.kirche-und-sport.de/presse/20910.html. 163 Ralf Greth / Christian Höfener-Wolf / Peter Noss, hg. von »Brot für die Welt«, 11 Freundinnen – in Spiel und Leben. Bausteine für die Konfirmandenarbeit (nicht nur) zur Fußball-WM der Frauen, Stuttgart 2010. 164 Zwar wird der Begriff der »Inklusion« nicht verwendet, der Ansatz geht aber über den der Integration hinaus. So heißt es im Vorwort unter dem Stichwort »fair play« (S. 4): »Der Ball als Symbol steht für eine Welt, in der das faire Spiel Grenzen überwindet… Schließlich war uns der Aspekt der Integration wichtig, da in den Konfirmandengruppen nach unserer eigenen Erfahrung stets eine ungeheure Bandbreite an Begabungen, Handicaps und Möglichkeiten vorhanden ist.« Dies verweist – trotz der Verwendung des Begriffs der »Integration« schon auf die Spur des Inklusionsdiskurses. 165 Hans-Ulrich Kessler, Inhalte und Subjektorientierung, in: Thomas Böhme-Lischewski / Sönke von Stemm / Volker Elsenbast (Hg.), Konfirmandenarbeit für das 21. Jahrhundert, Münster 2010, S. 36–39, 38, beklagt ein starkes Defizit hinsichtlich der jüngsten Studien zur Konfirmandenarbeit in Bezug auf das Thema »Inklusion«. 166 Vgl. Fachgruppe »Forum inklusiver Evangelischer Jugendarbeit« innerhalb der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (Hg.), all inclusive – praxis der integrativen jugendarbeit, Stuttgart 2007. Wie schon der Titel der Arbeitshilfe deutlich macht, verschwimmen die Begriffe von »Integration« und »Inklusion« ineinander. Die vorgestellten Projekte sind ohne Ausnahme dem Ansatz einer integrativen Arbeit MIT Jugendlichen verpflichtet.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
von jüdischen Schiedsrichtern gepfiffen wird.167 Die Veranstaltungen finden seit 2006 in jedem Jahr statt. Sowohl im Ruhrgebiet als auch in Berlin sind die Fragen von Integration und Inklusion wichtige gesellschaftliche Themen, bei denen die Religionsgemeinschaften eine zentrale Rolle spielen. Das Medienecho auf die Veranstaltungen war jeweils sehr groß: Im Jahr der Fußball-WM der Männer 2006 in Deutschland waren Berichte über solche Ereignisse für die Medien von hohem Interesse: als Lückenfüller für das »Sommerloch« vor dem Beginn der Spiele (Frühjahr 2006, Berlin) – oder als Fortsetzung des »Sommermärchens« (Herbst 2006, Dortmund). Aber auch in den Folgejahren waren stets nationale und sogar internationale Medien präsent: Die Nachrichtenagentur Reuter, das Japanische Fernsehen, WDR, RBB, ZDF etc. Offensichtlich treffen die beiden Ereignisse bis heute einen Zeitnerv bzw. entsprechen dem Bedürfnis, »ein relevantes Thema neu zu bedenken«168. Insbesondere die Vorbereitungstreffen führen zu Annäherungen. Da der Rahmen der Veranstaltung fest steht (Regeln etc.), ist das eine Erleichterung für den Dialog: »Die kulturellen Gegensätze treten aber in den Hintergrund, weil Symbole und Regeln, das Benehmen der Spieler, der Beginn … geregelt sind«.169 Auch kann der Umgang mit Sieg und Niederlage eingeübt werden, zudem haben Fans und Zuschauer die Möglichkeit zum Austausch. Für das Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften bzw. Gemeinden ist außerdem ein Lerneffekt im Blick auf das Verhältnis zu Körperlichkeit bzw. Leiblichkeit möglich. Aber es gibt auch Unterschiede zwischen den beiden Projekten: Die Berliner beteiligen sich mit gemischten Mannschaften aus Pfarrern und Imamen an einem internationalen Turnier (zusammen mit Teams aus Leicester und Göteborg), was zwar für den Alltag wenig bewirkt, aber immerhin wird zusammen trainiert und auch dieses Ereignis gemeinsam vorbereitet, auch die Reisen zum jeweiligen Austragungsort finden gemeinsam statt. Es ist dies ein Schritt von der Integration zur Inklusion. In Dortmund bleibt es bei dem Event im jährlichen Turnus. Die auf dem Platz stehenden Persönlichkeiten spielen nur eine untergeordnete Rolle, hier wäre noch Potenzial für einen intensiveren Dialog. Von nicht unerheblicher Bedeutung ist der Aspekt der Sprache: in Dortmund sind es ausschließlich Vertreter eines muslimischen Verbandes, der DITIB, die in der Regel nur Türkisch, nicht aber Deutsch sprechen, was auch unter dem Gesichtspunkt der Integration ein großes Problem darstellt. Die Chance auf volle Teilhabe wird dadurch verhindert. Dennoch erhielt das Dortmunder Projekt aufgrund der wichtigen Signalwirkung 2013 den Inte-
167 Vgl. dazu im Internet, für Dortmund: www.fussballturnier-der-religionen.de, für Berlin: Roland Herpich, Pfarrer und Imame. Die Rolle des Fußballspiels im interreligiösen Dialog, in: ZGP 3/2012, S. 24–26. 168 Ebd., S. 24. 169 Ebd., S. 25.
Kirchenpolitische Verlautbarungen zur Inklusion
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grationspreis des DFB / Mercedes-Benz.170 Der Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, Ullrich Sierau, sagt dazu: »Nicht die Unterschiede stehen im Vordergrund, sondern Respekt, Teamfähigkeit, Solidarität und gemeinsame Ziele. Diese Aspekte sind auch unerlässlich für eine erfolgreiche Integration und ein gelungenes Miteinander im alltäglichen Leben.« Es ist aber weniger die Alltagstauglichkeit als vielmehr der Symbolgehalt und die in breiter Öffentlichkeit wahrgenommene Anerkennung der Gemeinsamkeit von Muslimen und Christen an dieser Stelle.171 Als Essen mit dem Ruhrgebiet 2010 zur Kulturhauptstadt wurde, hat sich der ökumenisch-interreligiös aktive Arbeitskreis Kirche und Sport NRW mit dem Projekt »Sternlauf der Religionen« daran beteiligt: Menschen mit unterschiedlichen religiösen und kulturellen Herkünften und Hintergründen waren eingeladen, zu Fuß, mit dem Ruderboot oder auf einem Pferd zum zentralen Veranstaltungsort nach Mülheim zu kommen und hier ein Fest zu feiern.172 Die Idee und ihre Umsetzung hatten inklusiven Charakter, weil hier ganz bewusst Wert auf die Teilhabe von Jedermann gelegt wurde. Bei der Ruhrolympiade 2012 in Duisburg war der Arbeitskreis aufgrund der Erfahrungen des Sternlaufs eingeladen worden, eine interreligiöse Feier zu gestalten, bei der sich die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften begegneten und Impulse zu Fair Play und Frieden weitergaben (Juden, Christen, Muslime, Bahai). Eine ebenfalls vom Arbeitskreis mit verantwortete Tagung zum Thema »Werte im Sport« mit dem Titel »vollwertsport.de« im Mai 2013 befasste sich mit unterschiedlichen Aspekten einer Ethik des Sports, zu denen die Aspekte von Integration und Inklusion gehörten.173 Ein wichtiger Baustein auf diesem Weg ist das Thesenpapier »Integration und Inklusion als Herausforderungen für Kirche und Sport – gelebte Toleranz«, das der Studienkurs des Arbeitskreises Kirche und Sport der EKD unter Beteiligung von Spitzenvertretern aus Kirche und Sport Anfang 2013 erarbeitet hat.174 Darin heißt es u. a. in Bezug auf Gal 3,28: »Eine Gemeinschaft, in der die jetzt bestehenden, ausgrenzenden Unterschiede überwunden sind, zählt zu den zentralen christlichen Hoffnungsbildern. Auf welche Weise dies geschehen kann, ist heute umstritten: Modelle der Integration versuchen, ausgegrenzten Gruppen einen Ort in der Mehrheitsgesellschaft zu geben. Die neueren Modelle von Inklusion dagegen … verabschieden sich von der Vorstellung einer Mehrheits- oder Normalgesellschaft. Sie zielen auf die Ermög170 Vgl. Deutscher Fußball-Bund (Hg.), Fußball: Viele Kulturen – Eine Leidenschaft. Integrationspreis des Deutschen Fußball-Bundes und von Mercedes-Benz, Frankfurt a. M. 2013. 171 So auch Roland Herpich, Pfarrer und Imame, S. 25. 172 Vgl. die Dokumentation auf der Seite www.kirche-und-sport-nrw.de. 173 www.vollwertsport.de. 174 Teilgenommen haben u. a. Friedhelm Julius Beucher (Präsident des DBS), Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper (Vizepräsidentin des DOSB), Prälat Dr. Bernhard Felmberg, Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber (Braunschweig), Ralf-Rainer Klatt (Vizepräsident des LSB Hessen), Prof. Dr. Stefanie Schardien (Hildesheim), Prof. Dr. Peter Dabrock (Erlangen-Nürnberg), Dr. Peter Noss (Vorsitzender des AK Kirche und Sport NRW).
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
lichung einer gleichberechtigten, vollständigen Teilhabe aller Menschen in den sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen Kontexten.«175 1.7
Zusammenfassende Beobachtungen
Jeder der hier vorgestellten und analysierten Texte bietet Potenzial, um den Diskurs um das Thema »Inklusion« voranzubringen. Das Spektrum reicht vom international und ökumenisch bereits deutlich vor der Veröffentlichung der UN-BRK 2003 entstandenen Papier über eine Stellungnahme der Katholischen Kirche und über Orientierungshilfen aus deutschen evangelischen Landeskirchen bis hin zu einer Denkschrift der EKD 2014. Es fällt auf, dass es zwischen den Texten nur sehr wenige direkte Bezüge gibt.176 Insbesondere das ÖRK-Papier ist in den späteren kirchlichen Verlautbarungen nie rezipiert worden, obwohl es zahlreiche, vor allem theologische Ansätze zur Verfügung stellt, die nicht erst dem Impuls der UN-BRK folgen, sondern bereits einige Jahre zuvor entwickelt worden sind. Dazu gehört die Re-Lektüre biblischer Texte genauso wie eine erfahrungsgesättigte Sicht auf die Problemstellungen in der globalen Gesellschaft; Themen von Gerechtigkeit (verbunden mit einer Kritik an der das Problem von Exklusion fördernden Marktwirtschaft) und politischer Großwetterlage werden deutlich angesprochen. Vor allem sind in diesem Papier die Stimmen derjenigen enthalten, die z. B. im EKD-Papier zu hören gefordert wird: Menschen mit Behinderungen mit entsprechendem theologischem Fachwissen. Teilnahme (»active participation«) und volle Teilhabe (»full involvement«) von Menschen mit Behinderungen sind laut ÖRK-Papier die bestimmenden Kriterien bei der Frage der Umsetzung von Inklusion in Kirche und Gesellschaft. Über die Vorläufigkeit aller Bemühungen sind sich die VerfasserInnen sehr wohl bewusst. Man will zum Mitgehen des durchaus radikalen Weges einladen und zur Weiterarbeit ermutigen. Behinderung zu verstehen sei ein ebenso andauernder Prozess wie die Umsetzung von Inklusion, da auch eine theologische Interpretation stets kontextuell und zeitlich bedingt geschieht. Credo des Papiers ist Epheser 2,14: Jesus ist gekommen, die Mauern einzureißen. Mit Hinweis auf Jakobs Kampf am Jabbok wird deutlich gemacht, wie lange der Kampf um Anerkennung von Menschen mit Behinderungen auch in der biblisch-theologischen Perspektive schon andauert, während die Anerkennung durch Gott jedenfalls von Anfang an gegeben ist. Die Imago Dei ist nur dann richtig verstanden, wenn es ALLE Menschen umschließt.
175 Vgl. das Thesenpapier »Integration und Inklusion als Herausforderungen für Kirche und Sport – gelebte Toleranz«, abgedruckt in: Arbeitskreis Kirche und Sport (Hg.), Toleranz, S. 72 f. 176 So ist z. B. die Rheinische Orientierungshilfe im EKD-Papier an lediglich einer Stelle mit einer Aussage zitiert, obwohl es zahlreiche weitere inhaltliche Schnittmengen zwischen den Papieren gibt. Vgl. Es ist normal, verschieden zu sein, a. a. O., S. 13.
Kirchenpolitische Verlautbarungen zur Inklusion
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Theologie ist »theologia viatorum«, Theologie auf dem Weg, und deshalb immer nur vorläufig. Seit der Ratifizierung der UN-BRK haben sich zahlreiche evangelische Landeskirchen und Werke auf vielfältige Weise und mit sehr unterschiedlicher Intensität mit dem Thema »Inklusion« befasst. Von einer einheitlichen Linie in Bezug auf das Thema »Inklusion« kann für den Bereich der evangelischen Kirchen nicht die Rede sein. Die UN-BRK von 2006 war in fast allen kirchlichen Bereichen der Auslöser für die Beschäftigung mit dem Thema, nur die Katholische Kirche hat mit einer Stellungnahme im Jahr 2003 einen früheren Beitrag eingebracht. Die von Bodelschwinghschen Stiftungen berufen sich in ihrer Stellungnahme auf eine weit zurückreichende Tradition und betonen, dass die UN-BRK lediglich als Katalysator für die weitere Beschäftigung gedient habe. Die theologisch am meisten fundierten Stellungnahmen sind aus der Rheinischen Kirche, der Kirche aus Kurhessen-Waldeck und aus der Badischen Evangelischen Kirche. Im Arbeitsfeld »Kirche und Sport« gibt es kleine Ansätze zur Behandlung des Themas. Besonders das Thesenpapier des Studienkurses von 2013 ist ein wichtiger Beitrag für den Diskurs im Themenfeld »Inklusion«. Theologisch wird auf ein breiteres Spektrum biblischer Bezüge verwiesen: so etwa auf 1. Joh 4, 16b – Gott ist die Liebe (Evangelische Kirche Baden), Mk 10,51 (Was willst Du, dass ich Dir tun soll?) durch das Diakonische Werk. Die Stellungnahme der Evangelischen Kirche in Baden betont die Notwendigkeit von einer schöpfungs- und bundestheologischen (1. Petrus 2,5), eine christologischen (Mt. 5,13), eine ekklesiologischen (Röm 12,1; 1. Kor 12) und eschatologischen (Hebräer 4,9; 13,14) Perspektive. In der EKvW wird Ex 4,11 zitiert (»Der HERR sprach zu ihm: Wer hat dem Menschen den Mund geschaffen? Oder wer hat den Stummen oder Tauben oder Sehenden oder Blinden gemacht? Habe ich’s nicht getan, der HERR?«) und auf Joh. 10,10 Bezug genommen: »Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen.« Schon anhand dieser Beispiele ist erkennbar, dass es zahlreiche biblische Bezüge gibt, die sehr konkret auf das Thema »Inklusion von Menschen mit Behinderungen« angewendet werden können. Weiterführender sind die theologisch-systematischen Reflexionen dann, wenn auch soziologische und politische Dimensionen damit in Verbindung gebracht werden. Von wesentlicher Bedeutung sind auch die jeweiligen Kontexte wie z. B. die konkrete Beschäftigung mit Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen der Diakonie oder im Bildungsbereich. Insgesamt ist das Bild, das sich im Blick auf die Frage der Beschäftigung mit dem Thema »Inklusion« in den verschiedenen Bereichen der Kirche ergibt, disparat. Während einige der evangelischen Landeskirchen wie die Rheinische, die Badische und die Westfälische oder die aus Kurhessen-Waldeck sich auch auf der Leitungsebene mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt haben, stehen andere Landeskirchen und auch die Diakonie erst am Anfang der Debatte. Auf die Orientierungshilfe der EKiR wird ebenso häufig verwiesen wie
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
auf die Denkschrift der EKD, sonst fehlen häufig die Bezüge zwischen den Texten und Verlautbarungen. Sowohl die hier vorgestellten Positionspapiere aus den Landeskirchen Rheinland und Kurhessen-Waldeck wie auch die Orientierungshilfe der EKD sind soziologisch wie theologisch fundiert und erörtern das Thema auf der Höhe des aktuellen Diskurses. Sie bieten jeweils unterschiedliche Heran gehensweisen zum Thema an, in einigen Punkten gibt es Schnittmengen und vergleichbare Ansätze bzw. Schlussfolgerungen. Die im ÖRK-Papier formulierten Thesen verdienen hohe Aufmerksamkeit. Viele der Thesen entsprechen einer theologischen Sicht, die hermeneutisch fundiert argumentiert, wie es Jürgen Moltmann in seiner Dogmatik herausgearbeitet hat. Die eschatologische Perspektive findet fundamental Berücksichtigung. Über die Tatsache, dass es sich bei Inklusion nur um einen unabgeschlossenen bzw. unabschließbaren Prozess handeln kann, sind sich die VerfasserInnen der Studien bzw. Orientierungshilfen einig. Die vielfältigen biblisch-theologisch begründeten Thesen legen außerdem eine entscheidende Basis für das Inklusionsthema. 2.
Sportpolitische Ansätze zur Inklusion
2.1
»Inklusion« als Thema in den Organisationen des Sports
Wie viele gesellschaftliche Teilsysteme und Organisationen ist auch der organisierte Sport durch das Thema »Inklusion« neu herausgefordert. In verschiedenen Stellungnahmen und Initiativen befassen sich Organisationen des Sports der verschiedenen Ebenen mit den damit verbundenen Fragen. In Broschüren, auf Internetseiten, in Stellungnahmen und Papieren werden Definitionen und Ansätze vorgestellt. Zunächst ist zu analysieren, wie die theoretische Verarbeitung des Themas gelingt. Dann ist zu fragen, ob die theoretischen Ansätze zur Inklusion in der Praxis eine entsprechende Anwendung finden. Welche Art von Inklusion spielt hier eine Rolle, wie unterscheidet sich »Inklusion« von »Integration«? Welchen Einfluss hat der Behinderten-Sportverband mit seiner Haltung? Werden Anregungen aus den Bereichen der Sportwissenschaften, der Theologie oder der Kirche aufgenommen? Beispielhaft werden neben dem nationalen Dachverband des DOSB und des Behinderten-Sportverbandes (BSV) die Positionen des größten Landesverbandes, des Landessportbundes NRW und der angegliederten Verbände untersucht. Welche Initiativen gibt es, auch auf der Ebene der Vereine? Zum Vergleich werden Stellungnahmen internationaler und nationaler Sportverbände herangezogen. Ein besonderes Augenmerk soll auf die Sportorganisationen gelegt werden, die in einem christlichen Zusammenhang stehen: CVJM und der katholische Verband »Deutsche Jugend Kraft« (DJK). Hier ist zu fragen, ob ihnen ein inhaltlicher Transfer dessen gelingt, was wir in den vorangegangenen Kapiteln als mögliche theologische Positionen zum Thema erhoben haben. Welche Haltung gibt es in den jeweiligen Organisationen? Wie wird die Idee der Inklusion in den Vereinen von DJK und CVJM verarbeitet und umgesetzt?
Sportpolitische Ansätze zur Inklusion
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Unterscheiden sie sich in der Behandlung dieser Frage von nicht-konfessionellen Organisationen und Vereinen? Zugleich haben sie durch ihre besondere Geschichte und Stellung eine Brückenfunktion, denn sie sind sowohl in den kirchlichen wie den sportorganisatorischen Zusammenhängen präsent. Zum Vergleich wird auch die Position des internationalen YMCA zur Darstellung kommen. Schließlich werden Positionen bzw. Stellungnahmen an den Schnittstellen der »Arbeitskreise Kirche und Sport« Erwähnung finden. 2.2
Das Thema »Inklusion« im Dachverband des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Der DOSB ist am 20. Mai 2006 hervorgegangen aus dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) und dem Deutschen Sportbund (DSB).177 Er ist die Dachorganisation für nahezu alle Sportverbände in Deutschland. Damit zählt er mehr als 27,5 Millionen Mitgliedschaften, die in über 91.000 Sportvereinen organisiert sind. Mitgliedsorganisationen sind die 16 Landessportbünde, 62 Spitzen- und 20 Sportverbände mit besonderen Aufgaben.178 Im Kurzportrait der Dachorganisation heißt es: »Der DOSB steht für Leistung, Gesundheit, Lebensfreude und Wertevermittlung.«179 Im Selbstverständnis wird die »Zusammenführung aller Gruppen der Gesellschaft« ebenso betont wie der Leitgedanke »Sport für alle«, wobei möglichst jedem Menschen ein Zugang ermöglicht werden soll »unabhängig von Alter, Geschlecht und sozialer Herkunft«. Das bedeute: »Spezielle Initiativen und Programme zur Förderung von Frauen, Familien, Älteren und Menschen mit Migrationshintergrund schaffen die Basis für einen lebendigen Verband.«180 Bemerkenswerterweise finden hier Menschen mit Behinderungen keine Erwähnung, Begriffe wie Inklusion oder Integration werden auf der Startseite der DOSB-Homepage nicht erwähnt.181 Das Thema »Inklusion« spielt dennoch im DOSB und seinen Gremien seit geraumer Zeit eine Rolle und wird in einigen Mitgliedsorganisationen diskutiert. Auf der Internetseite des Spitzenverbandes wird das Stichwort unter der Rubrik »Sportentwicklung« aufgenommen. Es wird auf die Bedeutung der UN-BRK verwiesen, die einen »neuen Impuls« in dieser Sache gegeben habe, und festgehalten, dass die Verwendung des Begriffs nicht eindeutig festgelegt und mit dem der »Integration« eng verbunden sei: 177 Vgl. zur Geschichte des DOSB und seiner Vorgänger-Organisationen: https://www. dosb.de/fileadmin/fm-dsb/arbeitsfelder/wiss-ges/Dateien/Sport_in_Deutschland.pdf. 178 http://www.dosb.de/de/organisation/philosophie/kurzportraet-des-dosb/. 179 Ebd. 180 Ebd. 181 In der Imagebroschüre des DOSB aus dem Jahr 2012 wird der Aspekt der »Integration« aufgeführt: das Programm »Integration durch Sport« für »Menschen mit Migrationshintergrund« wird genannt. Vgl. die Imagebroschüre des DOSB von 2012, http://www.dosb.de/ fileadmin/fm-dosb/downloads/Publikationen/Imagebroschuere_DOSB_2012_150dpi.pdf.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
Der DOSB verbindet mit den beiden Begriffen Integration und Inklusion vergleichbare inhaltliche Konzepte, die auf dem Verständnis beruhen, dass Integrations- und Inklusionsprozesse dem Ideal einer gleichberechtigten Partizipation, der Teilnahme und der Teilhabe an den Leistungen des Sports folgen und langfristig und kontinuierlich angelegt werden; diese Prozesse sind auf eine gezielte Unterstützung angewiesen. Der DOSB versteht Inklusion und Integration gleichermaßen als das gleichberechtigte, selbstbestimmte und teilhabende Sporttreiben aller Menschen in ihrer Vielfalt und Heterogenität. Auch wenn Integration und Inklusion demnach auf vergleichbaren Konzepten beruhen, haben Menschen mit Behinderung einerseits und Migrantinnen und Migranten andererseits jeweils unterschiedliche Erwartungshaltungen und Bedarfe, und sie benötigen auf ihre spezifischen Erfordernisse zugeschnittene Maßnahmen und Aktivitäten. So sind z. B. Eingriffe in die Infrastruktur, wie z. B. bauliche Veränderungen in Sportstätten und deren Zugänglichkeit, Voraussetzung für das gemeinsame Sporttreiben von behinderten und nichtbehinderten Menschen, während beim gemeinsamen Sport von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund vor allem kulturell und religiös bedingte Verschiedenheit oder fremdsprachliche Barrieren zu überwinden sind. Deshalb verwenden wir auf der Grundlage des bisherigen Sprachgebrauches im Sport den Begriff der Integration für Migrantinnen und Migranten und den Begriff der Inklusion für Menschen mit Behinderung. Damit wollen wir an die bereits bestehenden vielfältigen Aktivitäten in Sportorganisationen und im Vereinssport anknüpfen, die Wiedererkennung erleichtern und weitere spezifische Maßnahmen für beide Zielgruppen in die Wege leiten.182
Integration und Inklusion werden hier zunächst in einen engen inhaltlichen Zusammenhang gebracht und in ihrer Bedeutung faktisch gleichgesetzt, um sie dann zwei verschiedenen Adressatengruppen zuzuordnen. Der Begriff der »Inklusion« wird auf die Integration von Menschen mit Behinderung übertragen und so mit Begriff und Inhalt der bestehenden Integrationsarbeit gleichgesetzt. Davon unterschieden wird die Integration von Menschen, die eine Migrationsgeschichte haben. Das eigentliche Potential von Inklusion, das sehr viel weiter reicht als das der Integration, wird nicht erfasst. Vielmehr wird versucht, mit dieser Definition die bisher ohnehin schon geleistete Integrations-Arbeit auf den Feldern von Behinderung und Migration langfristig zu legitimieren und zu sichern. Das Potenzial des Inklusions-Diskurses wird zwar prinzipiell verstanden, aber nicht konsequent angewendet, vielmehr verschleiert. Die Leistung der UNBRK wird im Ansatz gesehen, nicht aber in ihrer Tragweite anerkannt. Unter der Maßgabe einer Zuschreibung des Begriffs »Inklusion« für die Menschen mit Behinderungen wird deshalb festgehalten: Inklusion ist für uns der Anspruch, die selbstbestimmte, gleichberechtigte und gleichwertige Teilnahme und Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderungen im und durch Sport zu ermöglichen. Bewegung, Spiel und Sport sind besonders geeignet, das gegenseitige Kennenlernen und Zusammenwirken von Menschen mit und ohne Behinderungen zu fördern, den Gedanken der selbstbestimmten, gleichberechtigten 182 http://www.dosb.de/de/sportentwicklung/inklusion/ueber-inklusion/.
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Teilhabe im Bewusstsein zu verankern und Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft zu stärken.183
Das klingt zunächst gut, ist aber dennoch unzureichend: Diese Formulierungen sind sehr allgemein und unverbindlich, also nicht als Anlass einer selbstkritischen Überprüfung oder als Forderung nach Veränderung der eigenen Organisation und ihrer Strukturen zu verstehen. Sie sind als »Ermöglichungsformel« eher auf der Stufe von »Integration« zu sehen. Zugleich werden damit andere Gruppen und Individuen, die von Exklusion oder Segregation betroffen oder bisher von den Maßnahmen der Integration abhängig waren, von dem Prozess der Inklusion ausgeschlossen. Eine differenzierte Sicht auf das Phänomen »Behinderung« fehlt ebenso wie eine Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass unter dem Dach des DOSB sowohl Verbände für Menschen mit Behinderungen wie weltanschaulich-religiös verankerte Verbände wie der CVJM, DJK oder Makkabi und auch wissenschaftliche Einrichtungen vereinigt sind, die ihre jeweilige Sicht mit in den Diskurs einbringen könnten. An die explizite Konzentration auf die Menschen mit Behinderungen knüpft an, was das Präsidium des DOSB für sein Arbeitsprogramm der Jahre 2011 bis 2014 als Arbeitsthema benannt hat: Gemeinsam mit dem Behindertensportverband (DBS), dem Deutschen Gehörlosen-Sportverband (DGS) und Special Olympics Deutschland (SOD) wurde im Januar 2013 unter dem Titel »Bewegung Leben – Inklusion leben: – Wege und Beiträge des organisierten Sports in Deutschland zu einer inklusiven Gesellschaft«184 ein Informationspapier veröffentlicht, das einen Zwischenschritt in der Weiterentwicklung darstellen soll.185 Die UN-BRK wird auch hier als erste Referenzquelle genannt und hervorgehoben, dass »alle bestehenden Menschenrechte … hinsichtlich der Lebenssituationen von Menschen mit Behinderungen« einen neuen Stellenwert erhalten. »Inklusion« wird verstanden als 1. Die »Förderung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft« und 2. Die »selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilnahme und Teilhabe an allen gesellschaftlichen Prozessen«186. Die verschiedenen beteiligten Verbände (DOSB, DBS, DGS, SOD) wollen zum einen in und auf die Verbände, Vereine und Personen in ihren Bereichen wirken, zum anderen aber Teil des gesamt-gesellschaftlichen Diskurses sein. Hervorgehoben wird deshalb die Bedeutung der Tatsache, im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung verankert zu sein.187 183 Ebd. 184 Bewegung leben – Inklusion leben: Wege und Beiträge des organisierten Sports in Deutschland zu einer inklusiven Gesellschaft, zu finden unter http://www.dbs-npc.de/ tl_files/dateien/sportentwicklung/inklusion/Bewegung%20leben%20-%20Inklusion%20 leben_Wege%20des%20organisierten%20Sports%20in%20Deutschland.pdf. 185 Das Papier, so die Präambel, soll der Orientierung dienen, »zur Entwicklung inklusiver Prozesse beitragen und Wege zu einer inklusiven Sportlandschaft aufzeigen.« (ebd, S. 1) 186 Ebd. 187 Ebd., S. 4.
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Als sog. Schlüsselbegriffe der UN-BRK werden genannt: Würde, Inklusion, Teilhabe, Selbstbestimmung, Empowerment, Chancengleichheit und Barrierefreiheit. Das Motto »Nichts über uns ohne uns« wird positiv aufgenommen und betont, dass der Perspektiv-Wechsel der Konvention bedeute, das Konzept der »Integration« durch das der »Inklusion« abzulösen, die Selbstbestimmung in den Vordergrund zu rücken, in Menschen mit Behinderungen handelnde und selbstbestimmte (Rechts-)Subjekte bzw. gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger zu erkennen. Behinderung könne dann nicht mehr als ein »individuelles Defizit« (medizinisches Modell), sondern müsse nach dem sozialen Modell als »Behinderung durch soziale Barrieren« verstanden werden. Bereits damit gehen die Verfasser des Informationspapiers188 deutlich über das hinaus, was der DOSB auf seiner Internetseite veröffentlicht hat. Die grundlegende, für alle Individuen in der Gesellschaft relevante Seite der UNBRK wird erkannt und angesprochen: »Inklusion … bedeutet, dass allen Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe – und zwar von Anfang an und unabhängig von individuellen Merkmalen wie z. B. ethnischer oder sozialer Herkunft, Geschlecht oder Alter – möglich ist.«189 Der Sport wird als gesellschaftlicher (Teil-)Bereich gesehen, der aufgrund seiner besonderen Eigenschaften »hervorragend geeignet« ist, an der Umsetzung der UN-BRK mitzuwirken, weil er Menschen in Bewegung bringt, Miteinander und Mobilität fördert, Selbstbewusstsein stärkt und Spaß macht. Dadurch, dass im Sport Akzeptanz und Selbstbewusstsein von Menschen mit Behinderungen unterstützt, die Gesundheit gefördert, Präventions- und Rehabilitationsarbeit geleistet und zur Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft beigetragen werde, könne die »Akzeptanz der gleichberechtigten Teilhabe« und das »individuelle Wunsch- und Wahlrecht eines jeden Einzelnen« in Hinsicht auf Sportangebote und Vereine unterstützt werden. Dies bedeute »Veränderungen und Öffnung der Strukturen«, die Schaffung von Barrierefreiheit an Sportstätten und Informationsquellen. Es wird deutlich betont, dass sich die politischen Gremien in Bund, Ländern und Kommunen an den Leitlinien und Umsetzungsstrategien beteiligen müssen.190 Die Umsetzung der UN-BRK wird als gesellschaftliche Querschnittaufgabe gesehen.191 Konkret wird empfohlen, Best-Practice-Beispiele vorzustellen, die Sport angebote unter Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen auszuweiten, Barrieren abzubauen, gemeinsame Sportveranstaltungen durchzuführen, einen 188 Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper (Vizepräsidentin des DOSB), Ute Blessing-Kapelke (DOSB), Thomas Härtel (DBS), Lars Wiesel-Bauer (DBS), Kristine Gramkow (DBS), Winfried Wiencek (DGS), Petr Fiebiger (DGS), Dr. Bernhard Conrads (SOD), Sven Albrecht (SOD), Erika Schmidt-Gotz (Informationsstelle für Sport behinderter Menschen, Mitarbeit). 189 Bewegung leben – Inklusion leben, S. 3. 190 Ebd., S. 5. 191 Ebd., S. 6.
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offenen Dialog mit Menschen mit Behinderung zu führen, mit Schulen und anderen Einrichtungen zu kooperieren, Inklusion in den Bildungsangeboten des organisierten Sports (z. B. für Übungsleiter, Lehrerinnen und Lehrer) zu berücksichtigen, gemeinsames Training und Wettkämpfe zu ermöglichen, die Kommunikation zwischen Sportfachverbänden und Behindertensportverbänden zu fördern (Netzwerkbildung). Das Informationspapier geht deutlich über das hinaus, was die offizielle Position des DOSB aufweist. Allerdings werden über die Menschen mit Behinderungen hinaus keine weiteren Personen und Gruppen ausdrücklich genannt (z. B. Menschen mit Migrationsgeschichte oder von Armut bedrohte Personen) und das Potenzial der UN-BRK nicht erschöpfend behandelt. Eine Anamnese der bisherigen Situation wird nicht angestellt: Wie sieht es in den Verbänden und ihren Strukturen aus? Was trägt die Existenz von speziellen Verbänden für Menschen mit Behinderungen aus? Was hatte bisher schon Inklusionspotenzial, wo sind die Grenzen? Die UN-BRK bleibt die einzige Referenzquelle, obwohl die wissenschaftliche Forschung bereits deutliche Erkenntnisfortschritte gemacht hat.192 Der Versuch der Differenzierung des Begriffsfelds Exklusion / Separation oder Segregation / Integration / Inklusion ist zu kurz gegriffen, da die Notwendigkeit zu einer gesellschaftlichen Veränderung der Perspektive an dieser Stelle nicht genannt wird. Ein neues Positionspapier mit dem Titel »Inklusion leben« hat der DOSB gemeinsam mit der Deutschen Sportjugend (dsj) am 7. Dezember 2013 bei der DOSB-Mitgliederversammlung verabschiedet.193 Die Verfasser des Positionspapiers sind in der Mehrheit diejenigen, die bereits an der Abfassung des Informationspapieres beteiligt waren: Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper / Ute Blessing-Kapelke (DOSB), Lars Wiesel-Bauer (DBS), Peter Fiebiger (DGS), Sven Albrecht (SOD). Beteiligt waren darüber hinaus namentlich Martin Schönwandt (dsj) und Hans-Jürgen Schulke (für die Verbände mit besonderer Aufgabenstellung), im Vorfeld auch der Präsidialausschuss Breitensport / Sportentwicklung des DOSB, der am 10./11. Oktober 2013 zusammenkam, die Konferenz der Spitzenverbände (16.10.2013), die LSB-Konferenz (24./25.10.2013), DOSB-Präsidium (29.10.2013) und der dsj-Vorstand (29.11.2013). Auf das Informationspapier vom Januar 2013 wird explizit verwiesen. Das Positionspapier hat also eine entsprechend breite Basis im Bereich des organisierten Sports. Es dient dazu, so heißt es in der Präambel, »die Umsetzung der Inklusion im organisierten Sport weiter voranzubringen«. »Inklusion« wird als Ermöglichung von Teilhabe und »Vielfalt als Chance« definiert, es ist bezogen auf »Menschen mit Behinderungen« und auf den Anspruch, »die selbstbestimmte, gleichberechtigte und gleichwertige Teilnahme und Teil192 S. o. die Ausführungen in Kapitel V. 193 Inklusion leben. Gemeinsam und gleichberechtigt Sport treiben. Positionspapier des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und der Deutschen Sportjugend (dsj) zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen, Wiesbaden 7.12.2013.
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habe von Menschen mit und ohne Behinderungen im und durch Sport zu ermöglichen«.194 Der Anspruch der Inklusion auf Gleichwertigkeit wird durch diese Formulierung eingelöst, zumal im direkten Anschluss vom »Recht auf Selbstbestimmung« und dem Wert von Vielfalt und Heterogenität die Rede ist: »Inklusion geht davon aus, dass jeder Mensch Potenziale hat, die es wahrzunehmen und wertzuschätzen gilt«.195 Eine solche Formulierung ist angelegt auf ein angemessen weites Verständnis von »Inklusion«, da sie von der Vielfalt her gedacht ist und nicht in einer dualen Sicht (hier unbehinderte, da behinderte Menschen) engführt. Zugleich werden die Möglichkeiten zu spezifischer Wahlfreiheit und damit verbundener und entsprechender Förderung hervorgehoben: »Inklusion heißt außerdem, dass es Wahlmöglichkeiten zwischen behindertenspezifischen und gemeinsamen Angeboten« geben sollte. Begründet wird dies u. a. mit den erfahrbaren Grenzen im Wettkampf, der eine Unterteilung aufgrund verschiedener Voraussetzungen und Einschränkungen notwendig macht.196 Sehr viel deutlicher als im Informationspapier vom Januar 2013 wird in diesem Papier betont, dass der organisierte Sport ein »deutliches Signal in den politischen, staatlichen und gesellschaftlichen Raum« hinein geben will und umgekehrt auf Unterstützung aus diesen Bereichen angewiesen sei. Was im Informationspapier noch als »Querschnittsaufgabe« bezeichnet wurde, wird hier sehr viel klarer als »deutlich« und »zwingend« in seinen Wechselwirkungen zwischen allen Akteuren beschrieben. Als Partner werden Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und die Behindertenarbeit genannt, die Religionsgemeinschaften werden nicht explizit erwähnt, sind aber wohl unter den »weiteren wichtigen politischen und gesellschaftspolitischen Akteuren«197 zu suchen. Es wird betont, dass »Inklusion« als ein langfristiger, auf Nachhaltigkeit hinauslaufender Prozess zu verstehen ist. Entsprechend müsse der Abbau von Vorurteilen schon im frühen Alter ansetzen, Partizipation als Teilhabeprinzip gefördert, Wahlmöglichkeiten auf Vereinsebene ausgebaut und Inklusion als »durchgängiges Prinzip« im gesamten Sport verankert werden. Wie schon im Informationspapier werden Kooperationen der verschiedenen Verbände und Vereine untereinander und mit weiteren Organisationen empfohlen und der Abbau von Barrieren gefordert. Erstmals wird auf die wissenschaftliche Forschung verwiesen, die das Thema weiter und intensiver behandeln solle. Im Positionspapier vom Dezember 2013 fehlt, wie schon im Informationspapier von Januar 2013, eine Definition des Begriffs »Behinderung«, der sich deshalb mit denen von »Vielfalt« oder »Heterogenität« reibt. War im »Informationspapier« noch von der Konkretisierung aller bestehender Menschenrechte die Rede, fehlt eine solche Formulierung im Positionspapier. Positiv hervorzuheben ist, dass die Partizipation aller stark betont wird – auch schon 194 Ebd., S. 2. Kursiv durch Verfasser. 195 Ebd. 196 Ebd. 197 Vgl. ebd., S. 3.
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hinsichtlich der künftig anstehenden Entscheidungsprozesse. Offen bleibt, was bisher – konkret und über die Formulierung von Standpunkten hinaus – bereits umgesetzt worden ist: Gibt es bereits Ansatzpunkte und Fortschritte? Was sind die Grenzen – etwa im Blick auf den Deutschen Gehörlosen-Sportverband, der in seinem Positionspapier vom August 2012 sehr deutlich seine Eigenständigkeit bei gleichzeitiger Partizipation an den Inklusions-Debatten und Prozessen betont hat? Der Aspekt der Heterogenität wird nicht weiter entfaltet und so bleibt verborgen, daß Inklusion weit über den Fokus auf Menschen mit Behinderungen hinausreicht, zu einem Grundparadigma für die Gesellschaft insgesamt werden kann und alle betrifft, die im Funktionsbereich des Sports aktiv sind. Die Deutsche Sportjugend (dsj) hat – in Anknüpfung an das gemeinsame Positionspapier mit dem DOSB vom Dezember 2013 – ein Strategiepapier aufgelegt: »Inklusion, Teilhabe und Vielfalt leben – Gemeinsam und gleichberechtigt Sport treiben.«198 Es wird in diesem Abschnitt behandelt, weil die dsj unmittelbar dem DOSB zugeordnet ist und das Strategiepapier an die hier bereits dargestellten, mitverantworteten Papiere anschließt. Die Vernetzung mit den unterschiedlichen Akteuren in Sport, Politik und Gesellschaft wird auch hier wieder betont, besonders hervorgehoben werden Wissenschaft und Gremien der »Behindertenarbeit und Behindertenpolitik«. Inklusion wird verstanden als ein Prozess, »der Teilhabe sicher stellen und Vielfalt, auch die Vielfalt aller Einschränkungen, als Chance begreifen soll. Inklusion im Sport soll, neben einem beiderseitigen toleranten, respektvollen Umgang, zu vielfältigen gemeinsamen Interaktionsformen im Sport und im täglichen Umgang miteinander führen.«199 Mit diesen Formulierungen fällt das Strategiepapier hinter das gemeinsam mit dem DOSB verabschiedete Positionspapier zurück, da es indirekt den alten Dualismus von »Normalität« und »Behinderung« erneut aufruft. Zugleich wird dann aber betont, dass Inklusion nicht auf organisatorische Fragen beschränkt werden dürfe, sondern eine Haltungsänderung aller Beteiligten bedeute, aus der dann »Teilhabe in Vielfalt« erwachse. Unter der Überschrift »Philosophie / Handlungsverständnis« werden unter Bezugnahme auf die UN-BRK Zitate aus dem Informationspapier vom Januar 2013 und dem Positionspapier des DOSB / dsj vom Dezember 2013 zu einem Text zusammengefügt: Im ersten Absatz wird aus der Einleitung des Informationspapiers zitiert, in dem es um die Fragen von Chancengleichheit, Teilnahme und Teilhabe und die Verpflichtung aller öffentlichen Institutionen und Organisationen zur Inklusion geht. Im zweiten Absatz wird aus dem Positionspapier jener Abschnitt zitiert, der das Thema auf die »Teilhabe« fo-
198 Inklusion, Teilhabe und Vielfalt leben – Gemeinsam und gleichberechtigt Sport treiben. Strategiepapier des Vorstands der Deutschen Sportjugend zum Themenfeld Inklusion in der Kinder- und Jugendarbeit im Sport, 17.3.2014; neue Version vom 22.4.2015. 199 Ebd., S. 1.
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kussiert, die Menschen mit Behinderungen ermöglicht werden solle. Dazu soll die »Zugänglichkeit und Erreichbarkeit der Sportstätten« verbessert werden, um den gewünschten Sport treiben zu können, es sei aber »weiterhin ebenso legitim in einer Gruppe von Menschen mit Behinderungen behinderten spezifischen Sport zu treiben«.200 Ein ehrgeiziges Maßnahmenpaket mit einem Zeitfenster von einem Jahr (Entwicklung von Fortbildungsmodulen, Internetauftritt, Ausschreibung eines Zukunftspreises, Befragung, Kampagne, Kodifizierung in der Jugendordnung, Forum, System von Juniorenbotschaftern, Publikation, Fachtagung, Bewegungskalender) ist angefügt.201 Die Formulierungen des Strategiepapiers lassen die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Unsicherheit im Umgang mit dem Thema erkennen. Eine Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an der Erarbeitung von Strategien für die Inklusion scheint zumindest explizit nicht vorgesehen zu sein. So wird etwa unter der Überschrift »Weiterentwicklung der Kommunikation« vorgeschlagen, die »Komm-Struktur« durch eine »Geh-Struktur« zu ergänzen: »Das heißt, aktiv an die Stellen und in die Institutionen zu gehen, wo Menschen mit Behinderungen sich aufhalten und organisiert sind.«202 Es scheint in solchen Formulierungen eine Perspektive durch, die eher integrativ denn inklusiv gefärbt ist. Auch der Vorschlag, durch die Entwicklung neuer Spielformen die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, hat einen allenfalls integrativen Charakter. Anders wäre es gewesen, wenn hier Teilhabe schon bei der gemeinsamen Entwicklung von Spiel- und Wettkampfformen mitgedacht worden wäre. Das aber ist nicht der Fall. Auf eine eindeutige Formel (»Teilhabe«, »Sicherung von Vielfalt« oder »Inklusion«) will man sich dann letztlich doch nicht festlegen. »Qualifizierte Personen« sollen als Ansprechpartner für die Qualitätssicherung zur Verfügung stehen, doch auch das bleibt eher unkonkret. Die Frage, woher das geschulte und zu schulende Personal kommen soll und wer das Knowhow konkret zur Verfügung stellt, wird nur andeutungsweise beantwortet: aus dem Bereich der Wissenschaft, der Kinder- und Jugendhilfe, durch den Vergleich mit anderen Jugendverbänden. Man will beim Informationsaustausch auf die bewährten Mittel zurückgreifen: Foren und Fachtagungen werden als Beispiele genannt. Durch Kampagnen sollen »Institutionen auf die Notwendigkeit eines qualifizierten Umgangs mit dem Themenfeld Inklusion« hingewiesen werden. Im Rahmen einer Einzelmaßnahme soll ein enger thematischer Zusammenhang von Teilhabe und Engagement-Förderung hergestellt und dazu eine Person eingestellt werden. Damit fällt das Strategiepapier in den Charakter einer vagen Absichtserklärung zurück. Insgesamt lassen die verschiedenen Stellungnahmen und Papiere des DOSB und einiger ihm eng verbundenen Mitgliedsverbände eine Entwicklung er200 Strategiepapier, S. 2. 201 Ebd. Dieser Maßnahmenkatalog ist in der neuen Version bis Dezember 2015 fort geschrieben. 202 Ebd., S. 4.
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kennen: Es wird der Versuch unternommen, sich dem Themenfeld des Inklusions-Paradigmas anzunähern und eine breite Basis für die Beschäftigung mit dem Thema herzustellen. Insbesondere beim Positionspapier vom Dezember 2013 haben zahlreiche Verbände und die Konferenz der Landessportbünde Kenntnis nehmen und beraten können. An einigen Stellen wird betont, dass es sich bei der Beschäftigung mit dem Themenfeld um einen Prozess handelt, der nicht abgeschlossen ist. Seit 2010, also ein Jahr nach der Ratifizierung der UN-BRK durch die Bundesrepublik Deutschland, wurden verschiedene Positionspapiere veröffentlicht, die zum Teil aufeinander Bezug nehmen, die aber z. T. noch unverbunden neben- und gegeneinander stehen. Die Zielrichtungen der Positionspapiere und Stellungnahmen sind zu diesem Zeitpunkt noch disparat: zum einen sind es – nach innen gerichtet – die Verbände und die in ihnen zusammengeschlossenen Sportverbände selbst, die als Adressaten genannt werden, zum anderen will man auch in die Gesellschaft hineinwirken und auf die Politik Einfluss nehmen. In den allgemeinen Verlautbarungen des DOSB und auf den Internetseiten ist noch kein einheitliches Bild erkennbar, eine dauerhafte Arbeitsgruppe Inklusion ist eingesetzt worden, die das Themenfeld weiter bearbeiten und ein Strategiekonzept entwickeln soll.203 Inhaltlich ist das Themenfeld der »Inklusion« 2013 als wesentlich wichtig erkannt worden, die wissenschaftliche Bearbeitung stand zu diesem Zeitpunkt noch aus. Es ist im Ansatz erkennbar, dass die über den Bereich der Arbeit von und mit Menschen mit Behinderungen hinausgehenden Aspekte wahrgenommen, aber (noch) nicht ausgeschöpft wurden. Ein klares Inklusions-Profil des DOSB und der unter seinem Dach zusammengeschlossenen Verbände war 2013 auf der Grundlage der bisher vorliegenden Positionspapiere und Stellungnahmen noch nicht zu erheben. Einen großen Schritt in diese Richtung stellt das im Januar 2015 durch die DOSB-Arbeitsgruppe »Inklusion«204 vorgelegte Strategiekonzept »Inklusion im und durch Sport«205 dar, dem weitere Papiere angehängt sind: das DOSB-Positionspapier »Inklusion leben – gemeinsam und gleichberechtigt
203 Ute Blessing-Kapelle, Vortrag »Inklusion im DOSB und seinen Mitgliedsorganisationen«, gehalten beim Fachforum »Inklusion« 19.20 Mai 2014 in Düsseldorf, abrufbar unter http://www.dosb.de/fileadmin/fm-dosb/arbeitsfelder/Breitensport/Inklusion/Downloads/ Praesentation-Fachforum-UBK.pdf. 204 Die Mitglieder der Anfang 2014 einberufenen und von Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper geleiteten DOSB-Arbeitsgruppe: Günther Ploß / Anja Beutel, Vertreter / in der Landessportbünde; Wolfgang Weigert, Vertreter der Spitzenverbände; Kirsten Stegemann, Vertreterin der Verbände mit besonderer Aufgabenstellung; Kristine Gramkow, Deutscher Behindertensportverband; Diana Aleksic, Deutscher Gehörlosen-Sportverband; Sven Albrecht, Special Olympics Deutschland; Peter Lautenbach, Deutsche Sportjugend. 205 Deutscher Olympischer Sportbund (Hg.), Strategiekonzept Inklusion im und durch Sport, vorgelegt durch die DOSB-Arbeitsgruppe »Inklusion«, Frankfurt a. M. (Januar) 2015.
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Sport treiben«206, eine »Situationsanalyse des Themenfeldes Inklusion«207 und die umfangreiche wissenschaftliche Expertise »Diversität, Inklusion, Integration und Interkulturalität«208. Das Strategiepapier bündelt und beschreibt die Bemühungen um die Fortschreibung des Themas. Die verschiedenen bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Überlegungen und Papiere werden hier zusammengefasst, erweitert und auf eine qualitativ neue Basis gestellt. Zwar sei Inklusion im Sport schon lange ein wichtiges Thema, es bedürfe jedoch einer Strategie, um es langfristig umzusetzen, Zielsetzung sei die Schaffung von mehr Begegnungs- und Wahlmöglichkeiten. Der Sport könne Vorbild für andere gesellschaftliche Bereiche sein.209 Auf das Positionspapier vom Dezember 2013 wird explizit Bezug genommen und das Vorgehen bzw. die Aufgabenstellung der Arbeitsgruppe beschrieben: Sie berät den DOSB, bereitet Fach-Foren vor und formuliert die übergeordneten und langfristigen Ziele des DOSB bis zum Jahr 2018. Das Strategiekonzept bedürfe »einer permanenten Weiterentwicklung und Anpassung«210. Inhaltlich von großer Bedeutung ist die begriffliche Klärung von Inklusion und Integration: Der DOSB habe sich darauf verständigt, »dass er mit beiden Begriffen vergleichbare inhaltliche Konzepte verbindet, die auf dem Ver ständnis beruhen, dass Integrations- und Inklusionsprozesse dem Ideal einer gleichberechtigten Partizipation, der Teilnahme und der Teilhabe an den Leistungen des Sports folgen und langfristig und kontinuierlich angelegt werden; diese Prozesse sind auf eine gezielte Unterstützung angewiesen. Bisher werden im DOSB der Begriff der Integration für Migrantinnen und Migranten und der Begriff der Inklusion für Menschen mit Behinderung verwendet. Damit soll an die bereits bestehenden vielfältigen Aktivitäten in Sportorganisationen und im Vereinssport angeknüpft, die Wiedererkennung erleichtert und weitere spezifische Maßnahmen für beide Zielgruppen in die Wege geleitet werden.«211 206 Das DOSB-Positionspapier von 2013 (a. a. O.) wird hier noch einmal in den Zusammenhang des Strategiepapiers gestellt, behält also seine Gültigkeit. 207 Deutscher Olympischer Sportbund (Hg.), Situationsanalyse Inklusion im und durch Sport, vorgelegt durch die DOSB-Arbeitsgruppe »Inklusion« (Anlage II zum Strategiekonzept »Inklusion im und durch Sport«) Frankfurt a. M. (Januar) 2015. 208 Deutscher Olympischer Sportbund, Geschäftsbereich Sportentwicklung, Ressort Chancengleichheit und Diversity / Deutsche Sportjugend, Ressort Jugendarbeit im Sport (Hg.), Expertise Diversität, Inklusion, Integration und Interkulturalität. Leitbegriffe der Politik, sportwissenschaftliche Diskurse und Empfehlung für den DOSB und die dsj, Frankfurt a. M. (Oktober) 2014. Die Autorinnen der Expertise waren: Prof. Dr. Petra Gieß-Stüber, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Prof. Dr. Ulrike Burrmann, Technische Universität Dortmund; Dr. Sabine Radtke, Justus-Liebig-Universität Gießen; Dr. Bettina Rulofs, Deutsche Sporthochschule Köln; Prof. Dr. Heike Tiemann, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg. Dieses Papier hat einen eindeutig sport-wissenschaftlichen Charakter und wird daher nicht an dieser Stelle, sondern im Zusammenhang der Ansätze in der Sportwissenschaft dargestellt. 209 Strategiepapier, S. 2. 210 Ebd., S. 5. 211 Ebd. Eine weitere Klärung erfolgt in der wissenschaftlichen Expertise.
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Mit dieser Einsicht wird ein wesentliches Missverständnis korrigiert, das die weite Sicht auf das Thema bisher verstellt hatte. In diesem Zusammenhang ist dann sicher auch die Analyse der Situation zu betrachten, die durch eine Auseinandersetzung mit den Akteuren der Inklusion und der Befragung der Mitgliedsverbände begleitet wurde. So sollen Chancen212 und Risiken213, Stärken und Schwächen (in Bezug auf die Sportvereine und -organisationen) des Themenfeldes deutlich werden.214 212 »Das Thema Inklusion bekommt eine hohe Aufmerksamkeit und wird weiter an Bedeutung gewinnen. Die finanziellen Mittel für die Umsetzung der Inklusion werden ausgeweitet. Aktuell erfolgt eine große Sensibilisierung der Gesellschaft für die Belange der Inklusion. Der politische Druck aufgrund der UN-Behindertenrechtskonvention beflügelt das Thema für den Sport. Durch den demographischen Wandel wird dem Anliegen der Inklusion eine größere Bedeutung zukommen. Maßnahmen zur Inklusion kommen nicht nur Menschen mit Behinderungen zugute, es profitieren alle Personengruppen. Über Inklusion im und durch Sport wird das Aufgabenfeld der Inklusion niedrigschwellig erschlossen, mit der positiven Folge für die Umsetzung des Inklusionsgedankens in anderen Lebensfeldern wie Bildung, Arbeit und Wohnen. Der Sport kann sich mit seinen Kernkompetenzen profilieren und Mitglieder und Ansehen gewinnen. Es werden neue Partnerschaften (z. B. mit Institutionen, Organisationen der Behindertenhilfe) möglich.« (Ebd.) 213 »Es gibt einen hohen Aktionismus auf politischer Ebene, ohne dass die Nachhaltigkeit der Aktivitäten sichergestellt wird. Die finanziellen Ressourcen und Voraussetzungen zur Umsetzung der Inklusion sind nicht ausreichend. In der Bevölkerung bestehen viele Unsicherheiten im Umgang mit Menschen mit Behinderungen. Im Bereich Inklusion gibt es (zu) hohe Erwartungen an den Sport. Es gibt zu wenige wissenschaftliche Erkenntnisse zum Themenfeld »Sport und Inklusion«. Es liegen negative Erfahrungen der praktischen Umsetzung der Inklusion z. B. im Bereich Schule vor. Die Begrifflichkeiten (Integration, Inklusion, Diversity) sind nicht klar abgegrenzt.« (Ebd., S. 6) 214 Als Stärken und Schwächen im Bereich des Sports werden folgende Aspekte benannt: »Stärken: Es gibt bereits seit mehreren Jahren Erfahrungen mit vielfältigen integrativen bzw. inklusiven Maßnahmen, Konzepten und Aktionen im organisierten Sport. Das Thema gewinnt in der internen Kommunikation an Bedeutung. Sport ist aufgrund des niedrigschwelligen Zugangs gut geeignet zur Umsetzung von Inklusion. Die Sensibilisierung in den Mitgliedsorganisationen und deren Untergliederungen ist in unterschiedlicher Qualität und Quantität bereits erfolgt und es besteht dort ein großes Interesse am Themenbereich. Die Mitgliedsorganisationen haben sich bereits auf ein grundsätzliches Positionspapier geeinigt und dies in der Mitgliederversammlung des DOSB im Jahr 2013 einstimmig beschlossen. Durch die Diskussion sind viele neue Aktivitäten und Kooperationen entstanden. Schwächen: Die vielfältigen Leistungen des organisierten Sports werden in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen. Die Bedeutung und die Potenziale des Themas Inklusion sind noch nicht in allen Mitgliedsorganisationen erkannt worden. Es besteht die Gefahr, dass das Thema Inklusion eher als isoliertes Thema statt als Querschnittsaufgabe behandelt wird und dadurch untergeht. Es gibt noch nicht überall eine klare strukturelle Verankerung in den Vereinen und Verbänden. Es gibt zu wenige personelle Ressourcen auf ehrenamtlicher und hauptberuflicher Ebene für das Thema Inklusion. Die Umsetzung der Inklusion ist an das Engagement einzelner Personen gebunden. Es gibt noch nicht genügend Angebote mit qualifiziertem Personal. Es gibt eine allgemeine Unsicherheit bei Übungsleiter / innen, Trainer / innen und Funktionsträger / innen wegen rechtlicher Fragestellungen.« Ebd., S. 6.
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Fünf Handlungsfelder (Angebote, Strukturen, Barrierefreiheit / Zugänglichkeit, Qualifizierung und Kooperation) und Themenbereiche (Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit, Lobbyarbeit, Service, Beratung und Wissenschaft) werden identifiziert215, in denen sich die Ziele bis 2018 konkretisieren sollen. Dazu gehören u. a. die intensive Weiterführung des Diskurses etwa durch die Beteiligung an Gesprächen, Tagungen und Kongressen und die wissenschaftliche Begleitung.216 Das Strategiepapier beinhaltet ein sehr ehrgeiziges Konzept mit der Absicht einer kontinuierlichen Fortschreibung in allen Bereichen. Die mögliche Kooperation mit anderen gesellschaftlichen Akteuren wird explizit nicht benannt, besonders wichtig erscheint jedoch die Einflussnahme auf die Politik und die Vorbildfunktion für weitere gesellschaftliche Funktionsbereiche. Es bleibt die Frage, inwieweit in den einzelnen Sportverbänden, Landessportbünden und Vereinen das Strategiepapier der DOSB-Arbeitsgruppe und alle weiteren Stellungnahmen und Papiere wahrgenommen werden. Diese Fragestellung wird in der Situationsanalyse aufgegriffen.217 Um wen es geht, liegt auf der Hand: um die Menschen mit und ohne Behinderungen, dann auch um die Übungsleiter / innen, Trainer / innen und Funktionsträger / innen als Zielgruppe, um die externen Akteure aus den Bereichen Politik, Medien, Bildungseinrichtungen, Behindertenorganisationen, Wohlfahrtsorganisationen, der Wissenschaft und den Stiftungen, sowie die internen Akteure auf den verschiedenen Ebenen des organisierten Sports.218 2.3
Das Thema »Inklusion« bei den Sportverbänden für Menschen mit Behinderungen
Von besonderer Bedeutung für den gesamten Diskurs sind die Positionen der in einer Konferenz zusammengeschlossenen 20 Verbände mit besonderen Aufgaben, zu denen u. a. die mit dem universitär-wissenschaftlichen Bereich verbundenen Verbände wie der Allgemeine Deutsche Hochschulsportverband, die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft, der Deutsche Sportlehrerverband, die konfessionellen Sportverbände wie der DJK-Sportverband, der CVJM und Makkabi Deutschland sowie Special Olympics Deutschland (SOD) gehören. Der Behindertensport-Verband (DBS) und der Deutsche Gehörlosenverband sind den sog. Nichtolympischen Spitzenverbänden zugeordnet.219 DBS und 215 Ebd, S. 7. 216 Ebd., S. 10. 217 Situationsanalyse, a. a. O. 218 Ebd., S 7 f.: Das hier dargestellte Ergebnis der Befragung der Mitgliedsorganisationen des DOSB ergibt auf den ersten Blick eine hohe Quote im Blick auf die Beschäftigung mit dem Themenfeld »Inklusion«. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich aber auch, dass das Thema noch nicht in allen Mitgliedsverbänden angekommen ist. Auch ist die Intensität der Beschäftigung unterschiedlich. 219 Vgl. das Organigramm des DOSB (Anhang).
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SOD haben ihre Expertise in den Arbeitsgruppen für zwei der DOSB-Papiere einbringen können, aber auch eigene Positionen entwickelt und formuliert, die im Folgenden dargestellt werden. 2.3.1 Der Behindertensportverband (DBS) Der Behindertensportverband hat als Spitzenverband im DOSB eine doppelte Funktion: er ist zuständig für den Sport von Menschen mit Behinderungen und hat die Funktion eines Nationalen Paralympischen Komitees für Deutschland.220 Im Organigramm wird der DBS unter den sog. Nichtolympischen Spitzenverbänden geführt. Ca. 618.000 Mitglieder sind in mehr als 5.800 Vereinen mit 17 Landes- und 2 Fachverbänden organisiert – der Deutsche Schwerhörigen Sportverband und der Deutsche Rollstuhlverband – (sowie 8 weiteren außerordentlichen Mitgliedern: Deutsche Kuratorium für therapeutisches Reiten, Sozialverband Deutschland (SoVD), Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband, Special Olympic Deutschland (SOD), Deutscher Ruderverband e.V (DRV), Behinderten Golf Club Deutschland, Deutsch-Türkischer Verein zur Förderung des Behindertensports und Deutscher Schützenbund e. V.). Es gibt ca. 31.000 Übungsleiterinnen und -leiter sowie über 100.000 ehrenamtlich tätige Mitarbeitende. Der DBS hat eine sich selbst verwaltende Deutsche Behindertensportjugend (DBSJ). Bereits im November 2010 wurde vom DBS ein Positionspapier vorgelegt, das in der Fassung vom 2.7.2011 Gültigkeit besitzt.221 Ziel der Arbeit ist es, »dass Menschen mit oder mit drohender Behinderung und chronisch Kranke nach ihren individuellen Wünschen und Voraussetzungen die Möglichkeit zur Teilnahme am Sport haben.«222 Das Positionspapier orientiert sich eng an der UN-BRK und knüpft dort eigene Überlegungen an Formulierungen zu verschiedenen Aspekten an. Zunächst werden Grundpositionen und der Perspektivwechsel re-formuliert, die folgende Aspekte beinhalten: vom Integrations- zum Inklusionskonzept, von der Fürsorge zur Selbstbestimmung, vom Objekt zum Rechts-Subjekt.223 Drei Grundgedanken werden als handlungsleitend vorgestellt: − »inklusive Gesellschaft, welche Menschen mit Behinderung mit ihren individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten von Anfang an einbezieht − angemessene Vorkehrungen mit dem sicheren Ziel von barrierefreien Zugangsmöglichkeiten für alle Menschen mit Behinderung − die direkte unmittelbare Teilhabe von Menschen mit Behinderung an den jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen«. 220 Vgl. http://www.dbs-npc.de/dbs-struktur.html. 221 Positionspapier des Deutschen Behindertensportverbandes e. V. zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im und durch Sport, http://www.dosb.de/fileadmin/fmdosb/arbeitsfelder/Breitensport/Inklusion/Downloads/Positionspapier_des_DBS_zur_UNBRK_i.d._F._02.07.2011.pdf. 222 Ebd., S. 1. 223 Ebd.
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Im Anschluss werden verschiedene, in der UN-BRK genannte Zielgruppen vorgestellt, die eine besondere Förderung brauchen: Frauen mit Behinderungen (Art. 6 der UN-BRK), die u. a. ein erweitertes Spiel- und Bewegungsangebot erhalten sollen; Kinder mit Behinderungen (Art. 7 der UN-BRK), für die »besondere Maßnahmen« für den Genuss von Grundfreiheiten und die Teilnahme am Schulsport getroffen werden sollen. Mit Hinweis auf Art. 8 der UN-BRK wird die notwendige Bewusstseinsbildung der gesamten Gesellschaft hervorgehoben, an der der DBS, so die Feststellung, aufgrund der hohen Mitgliederzahlen und der öffentlichen Präsenz mitwirken kann. Vor allem den Paralympischen Spielen komme hierbei eine entscheidende Rolle zu. Ein 8-Punkteplan, der vor allem auf die Fragen von Netzwerkarbeit, die Funktion des DBS als Kompetenzzentrum und den Abbau von Barrieren (auch in den Köpfen) zielt, schließt sich hier unmittelbar an. Die Formulierung von grundlegenden Handlungsoptionen wäre allerdings am Ende des Papiers wirkungsvoller gewesen. Mit Hinweis auf Art. 9 der UN-BRK wird noch einmal explizit der Abbau von Barrieren gefordert, der die Organisation des DBS selbst, aber auch die übrigen Sportorganisationen betrifft. Nach Art. 20 der UN-BRK hat die Herstellung der Mobilität von Menschen mit Behinderungen Priorität, woraus für den DBS folgt, sich stärker für die entsprechende Bewusstseinsbildung stark zu machen. Wenn in Art. 24 der UN-BRK von der »Bildung« die Rede ist, so meint das nicht nur den schulischen Bereich, sondern ebenso die Entwicklung von entsprechenden Angeboten im Bereich des DBS, der inklusive Angebote in den Bereichen Weiterbildung z. B. für pädagogische MitarbeiterInnen vorzusehen habe. Unter Bezugnahme auf Art 25 der UN-BRK und den darin behandelten Aspekt der »Gesundheit« wird die »gesundheitliche Entwicklung von Kindern mit Behinderung« ebenso hervorgehoben wie die »Teilhabe von Menschen mit Behinderung an Angeboten im Bereich Gesundheitsförderung und Primärprävention« sowie der Ausbau des »betrieblichen Gesundheitsmanagements« angesichts des demografischen Wandels. Die hier zur Debatte gestellten Ansätze reichen in sehr spezielle und spezifische Bereiche hinein. Die flächendeckende und wohnortnahe Versorgung im Bereich des Rehabilitationssports wird mit dem Hinweis auf Art. 26 der UN-BRK als notwendig bezeichnet. Sehr konkret wird die Entwicklung von speziellen Maßnahmen im Bereich von Sport und Bewegung durch Bezug auf den Art. 27 der UNBRK benannt: die Förderung berufsbezogener Angebote von Sport und Bewegung, die Einbeziehung von Menschen mit Behinderung in die sportorganisatorischen Strukturen. In Art. 30 der UN-BRK wurde die gleichberechtigte Teilhabe an Sportaktivitäten hervorgehoben: Der DBS hebt hervor, dass es Wahlmöglichkeiten geben müsse zwischen »Angeboten in ›Schutzräumen‹ (z. B. homogene Behindertensportgruppen) und Sportvereinen: »inklusive Wahlangebote« werden u. a. als Stichwort genannt. Insgesamt ist das Papier des DBS sehr stark an die Überlegungen und Vorgaben der UN-BRK angelehnt und entspricht damit wesentlichen Aspekten und Forderungen, die durch die Ratifizierung umzusetzen sind. Der DBS ist
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nicht nur ein Verband innerhalb des DOSB, sondern zugleich eine Interessenvertretung für Menschen mit Behinderungen, wobei es keine abgrenzende Festlegung darauf gibt, um welche Formen der Behinderungen es dabei geht. Auch präventive Arbeit für Menschen an einer möglichen Schwelle zu einer Behinderung und der Rehabilitationssport spielen eine wichtige Rolle. Die Schlussfolgerungen werden vor allem für den Verband selbst gezogen und nicht zuerst als Forderungen an die Gesellschaft gestellt. Eine dezidierte Auseinandersetzung mit dem Begriff der Inklusion findet in dem Papier nicht statt. Inklusion wird nicht definiert oder gegenüber anderen Begriffen aus diesem Zusammenhang abgegrenzt. Das Papier ist entstanden aus einer »verbandsinternen Diskussion«224, Fachkompetenzen aus anderen Zusammenhängen (Wissenschaft, gesellschaftliche Institutionen etc.) sind nicht ausgewiesen. Dass unter den Begriff der »Inklusion« auch weiteren gesellschaftlichen Gruppen und Personen mehr Teilhabe ermöglicht werden könnte bzw. dass Menschen mit Behinderungen zugleich auch von weiterer Exklusion betroffen sein könnten (Migrationshintergrund etc.) kommt zu wenig in den Blick. Aufgenommen und weitergeführt werden die Erkenntnisse des Papiers in dem 2014 veröffentlichten »Index für Inklusion im und durch Sport«. Mit diesem Index soll kein fertiges Konzept geliefert, sondern informiert, sensibilisiert, Neugier geweckt und Kreativität gefördert werden. Es ist eine Broschüre, die in den Verbänden und Vereinen Verbreitung finden soll.225 Der Index wurde in einem einjährigen Prozess durch ein Arbeitsforum erarbeitet.226 Er enthält neben grundlegenden theoretischen und praktischen Informationen Fragenkataloge für die Arbeit zu verschiedenen Themen in den Sportverbänden und -vereinen. Er greift den Impuls auf, der mit dem »Index für Inklusion« durch Tony Booth und Mel Ainscow 2002 bzw. durch Ines Boban und Andreas Hinz 2003 (für den deutschsprachigen Raum) für den Bereich Schule
224 Ebd., S. 2. 225 Friedhelm Julius Beucher / Thomas Härtel, Vorwort, in: ebd., S. 5. 226 Zum Arbeitsforum gehörten: Diana Aleksic, Deutscher Gehörlosen-Sportverband e. V.; Dr. Volker Anneken, Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport gGmbH; Claudia Brähler, ASV Köln e. V.; Claudia Göbel, TV 1843 Dillenburg e. V. / Hessischer Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband e. V.; Ute Herzog, Deutscher Rollstuhl-Sportverband e. V. (Rollikids); Dieter Keuther, Behinderten-Sportverband Nordrhein-Westfalen e. V.; Oliver Klar, Sportverein Pfefferwerk e. V. & Behinderten-Sportverband Berlin e. V.; PD Dr. Rainer Schliermann, Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport gGmbH; Timo Schädler, Special Olympics Deutschland e. V.; Jutta Schlochtermeyer, Behinderten-Sportverband Niedersachsen e. V.; Manuela Schmermund, DBS-Aktivensprecherin; Tobias Rüttgers, ASV Köln e. V.; Norbert Wetzelaer, Koordinator der DFB-Inklusions beauftragten; Ulrike Wernert, Schul- und Sportamt Karlsruhe; Tobias Wrzesinski, Deutscher Fußball Bund e. V. (Sepp-Herberger-Stiftung). Die Gesamtverantwortung lag bei Thomas Härtel und Lars Wiesel-Bauer.
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entwickelt wurde.227 In einem ersten Teil wird der Begriff der »Inklusion« vor dem Hintergrund der UN-BRK erörtert.228 Die Konvention konkretisiere die grundlegenden Artikel der Menschenrechte. Der Gedanke der Vielfalt schließe alle Menschen ein: »Inklusion beschränkt die gesellschaftliche Vision des Zusammenlebens und Zusammenhandelns von Menschen nicht auf Menschen mit Behinderung, sondern bezieht alle Dimensionen von Heterogenität wie Geschlecht, Alter, Religion, Sexualität, Ethnizität usw. mit ein.«229 Das führe zu der Notwendigkeit, Barrieren aller Art abzubauen. Der organisierte Sport kann dabei eine Vorbildfunktion haben, um allgemein für das Thema zu sensibilisieren und entsprechende Prozesse zu initiieren. Inklusion wird als Querschnittsaufgabe verstanden: »Inklusion im Sport bedeutet für uns einerseits, dass jeder Mensch nach seinen individuellen Wünschen und Voraussetzungen ein Bewegungs-, Spiel- und Sportangebot in seinem Umfeld wählen und an diesem – selbstbestimmt und gleichberechtigt – teilnehmen kann. Andererseits geht es auch um die Partizipation (mitsprechen, mitmachen, mitbestimmen) in den Strukturen des organisierten Sports auf haupt- und ehrenamtlicher Ebene.«230 Auch die Wahrnehmung besonderer Leistungen, z. B. bei den Paralympics, gehört dazu. Die Schrift zielt nicht nur auf die im DBS organisierten Vereine und Verbände, sondern auf alle unter dem Dach des DOSB vereinten 16 Landessportbünde mit ihren Untergliederungen, die 62 Spitzenverbände und die Sportverbände mit besonderen Aufgabenstellungen (wie z. B. der CVJM oder die DJK).231 Der Index zielt vor allem auf die Reflexion des Themas »Inklusion« in der Praxis. Entsprechende Vorschläge zur Aufnahme des Diskurses bzw. Reflexionsprozesses in den Vereinen und Verbänden werden gemacht und die Arbeitsweise des Indexes erläutert.232 Es folgen die Fragenkataloge, BestPractice-Beispiele, Hinweise auf Web-Seiten und Literatur. Mit dem Index hat der DBS einen Standard gesetzt, der die Erkenntnisse der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema »Inklusion« in die Praxis überträgt. Diese Orientierungshilfe ist breit angelegt und gibt den Stand der Diskussion im Bereich des organisierten Sports wider bzw. geht darüber hinaus. 2.3.2 Special Olympics Deutschland (SOD) Special Olympics Deutschland ist Teil einer weltweit tätigen Organisation. Sie wird vom IOC offiziell als Sportbewegung für Menschen mit geistiger 227 Die Verwendung des Indexes ist eine Parallele zu der Orientierungshilfe der Evange lischen Kirche im Rheinland. Vgl. Kap. VIII. 228 Teil 1: Ansatzpunkte und Grundlagen für die Entwicklung einer inklusiven Sportlandschaft vor Ort, Index, S. 10 ff. 229 Ebd., S. 12. 230 Ebd., S. 15. 231 Ebd., S. 18. 232 Ebd., Teil 2: Der Index in der Praxis, S. 34–43.
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und / oder körperlicher Behinderung anerkannt und wurde 1968 durch Eunice Kennedy-Schriver initiiert. Es gibt weltweit in 170 Ländern 4,5 Millionen dieser Athleten. SOD ist Mitglied im DOSB und verschafft als »Verband mit besonderen Aufgaben« für »mehr als 40.000 Menschen mit geistiger Behinderung selbstbestimmte Wahlmöglichkeiten von behinderungsspezifischen bis hin zu inklusiven Angeboten«.233 Das Ziel von SOD ist es, ihnen zu mehr Anerkennung, Selbstbewusstsein und gesellschaftlicher Teilhabe zu verhelfen.234 Es werden strategische Ziele bei der Umsetzung der UN-BRK verfolgt, die 2012 in einem Positionspapier ausführlich formuliert worden sind. Das Positionspapier von SOD vom September 2012 geht weiter und ist differenzierter als das erste Papier des DBS aus dem Jahr 2010/11.235 In einem ersten von fünf Punkten wird zunächst der Versuch einer Definition von »Inklusion« in Anlehnung an die UN-BRK vorgenommen: Deutschland habe sich mit der Ratifizierung dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderungen eine selbstbestimmte Lebensführung und die volle Teilhabe zu ermöglichen. Maßstab für notwendige Unterstützung seien ihr Wille und ihre Wünsche, damit ein gleichberechtigtes Miteinander entsteht: »Inklusion bedeutet somit Teilhabe, Wahlrecht, Selbstbestimmung, Partizipation an Entscheidungsprozessen, aber auch und vor allem Veränderungen und Öffnung der Strukturen außerhalb des Behindertenbereichs.«236 Ein Paradigmenwechsel wird konstatiert, bei dem eine Menschenrechts-Perspektive eine medizinisch-defizitorientierte Sicht ablöst. In Punkt 2 des Positionspapiers wird das Selbstverständnis des SOD kritisch befragt, nach dem Beitrag zur Realisierung, den Chancen und Risiken bei einer möglicherweise unreflektierten Vorgehensweise, nach den Aktivitäten in den anderen 170 Nationen, in denen SOD aktiv ist und es wird gefragt: »Führen die ›speziellen Angebote‹ von Special Olympics sogar zur Segregation und stehen im Widerspruch?« Es wird selbstkritisch angemerkt, dass die Beteiligung der Menschen mit Behinderungen an den Entscheidungswegen des Verbandes bisher unzureichend war.237 Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen zum Thema ist die Klientel, um die es dem SOD von vornherein geht: die Menschen mit geistiger Behin233 http://specialolympics.de/was-ist-sod/organisation/ »Über den Sport hinaus sieht sich SOD als Alltagsbewegung mit einem ganzheitlichen Angebot: So schaffen das Gesundheitsprogramm Healthy Athletes®, das Familienprogramm, die Wissenschaftliche Akademie, Unified-Sports® und das Volunteering Erfolgserlebnisse und Teilhabemöglichkeiten für den Einzelnen und schieben darüber hinaus gesellschaftliche Prozesse an.« 234 http://specialolympics.de/was-ist-sod/auftrag-ziel/ 235 UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung – Positionspapier von Special Olympics Deutschland (SOD), September 2012. 236 Ebd., S. 1. 237 Ebd., S. 2: »Selbstkritisch haben wir analysiert, dass wir in diesem Bereich noch Verbesserungspotential haben.« Das betrifft im Übrigen auch den Aspekt der hier verwendeten Sprache, die verrät, dass das Papier nicht von Menschen mit geistiger Behinderung verfasst oder mitverfasst worden ist.
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derung und ihr Umfeld. Insofern bedeute Inklusion für SOD, ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, nicht nur Sport zu treiben, sondern auch auszuwählen, ob es im Bereich von Breiten- oder Leistungssport und ob es in einer Einrichtung oder einem Verein, im Alltag oder bei Sportveranstaltungen geschehen soll. Daraus ergeben sich drei Aspekte: die Förderung von Sport in Einrichtungen der Behindertenhilfe, Kooperationen mit Behindertensportvereinen und die »Inklusion … in lokale Sportvereine« – wobei es sich hier eher um einen Aspekt von Integration handelt.238 In die gleiche – integrative – Richtung geht die Überlegung zu integrativen Projekten, die helfen, die Hemmschwellen und Barrieren zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen abzubauen. Ein inklusiver Aspekt ist allerdings, dass die Entscheidung bei den Menschen mit der Behinderung liegen soll. Konkrete Beispiele für Schritte von Integration und Inklusion sind: Unified Sport (gemeinsamer Sport von Menschen mit und ohne Behinderungen), Helferaufgaben für Menschen mit Behinderungen bei Sportgroßveranstaltungen (Frauen Fußball-WM), Wissenschaftlicher Kongress in leichter Sprache, Angebote ohne Wettbewerb für Menschen mit schwersten Behinderungen, Sportabzeichen. In einem weiteren Punkt werden die (möglichen) Auswirkungen auf den organisierten Sport reflektiert: Hierzu gehört die freie Wahl von Sportarten und Sportvereinen. Dies bedeute für den Sport ein »grundlegendes Umdenken«, das Zeit erfordert.239 SOD sieht sich selbst als Kompetenzquelle und Verbindungsglied, das als Partner des organisierten Sports aktiv werden kann, u. a. mit Hilfe des Diversity Management-Ansatzes, um Aspekte von Verschiedenheit und Heterogenität einzubringen. Dies gelte auf der lokalen, nationalen wie auch auf der internationalen Ebene. Ob damit und mit dem einen (!) genannten Beispiel240 bereits ein wesentlicher Punkt von Art. 30 der UN-BRK erfüllt ist, darf bezweifelt werden, wenngleich Aktivitäten in dieser Richtung sicher beispielhaft sind. SOD versteht sich als »Alltagsbewegung mit einem ganzheitlichen Angebot« etwa durch das Programm »HealthyAthletes®« und ein Programm für Familien.241 Die gesellschaftliche Bewusstseinsbildung werde durch die Veranstaltungen – 150 Veranstaltungen (gemeint ist vermutlich pro Jahr), die Einbeziehung von Partnern aus 20 Sportverbänden bei Nationalen Spielen, die Schulung und Beteiligung von mehr als 2000 Helfern ebenso deutlich gefördert wie durch Bildungsangebote der SOD-Akademie für Menschen mit Behinderungen, die so befähigt werden, an Veranstaltungen des Sports teilzunehmen. 238 Ebd., S. 2. 239 Ebd., S. 3. 240 In einem von der EU geförderten Projekt habe Special Olympics Europe in zwei Jahren mehr als 3000 Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung in Sportaktivitäten zusammengebracht. Positionspapier, S. 4. 241 Ebd.
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SOD beteilige sich außerdem an einer internationalen Studie zur Wirkung von inklusiven Sportangeboten, die wissenschaftlich begleitet werde, man veranstalte alle zwei Jahre »interdisziplinäre wissenschaftliche Kongresse zum Themenfeld Inklusion«, deren Ergebnisse in einer entsprechenden Schriftenreihe veröffentlicht würden.242 Kritisch wird der nationale Aktionsplan der Bundesregierung betrachtet und als »nicht ausreichend«243 bewertet: Man erwartet eine Konkretisierung der Maßnahmen, die Aufnahme des Themas in den Bereich des Sports, »behinderungsspezifische bis inklusive Angebote« in Sportvereinen, Förderung von Wettbewerbs-Angeboten auf allen Ebenen, inklusive Schulprojekte, die Einbindung des DOSB, in dem das Thema bisher als Randthema behandelt wird, den Aufbau von Kooperationen von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und lokalen Sportvereinen, die Förderung von Selbstvertretung von Menschen mit Behinderungen im Sport, Möglichkeiten von Bildung und Ausweitung der Erkenntnis, daß Sport als Instrument für die Erschließung weiterer Handlungsfelder sehr gut geeignet ist. Der Sportbereich in den Einrichtungen der »Behindertenhilfe« dürfe nicht weiter zurückgedrängt werden: »Damit Inklusion gelingen kann, müssen wir gemeinsam alle Beteiligten gewinnen – denn Inklusion kommt allen Menschen ob mit und ohne Behinderung zugute.«244 Insgesamt finden sich in dem Papier des SOD gute Ansätze, die auf eine Umsetzung der UN-BRK zielen. Besonders bedeutsam ist es, dass die eigene Arbeit einer Selbstkritik unterzogen wird, die allerdings nicht weitreichend genug ist und in eine sehr positive Selbstdarstellung und die Verlagerung von Verantwortung in den Bereich des nationalen Aktionsplanes umschlägt. Die Behauptung, wesentliche Ziele bereits erreicht zu haben, muss bezweifelt werden. Mit den aufgelegten Programmen sind gute Ideen verbunden und partiell verwirklicht, sie zielen aber in einigen Fällen eher auf Integration denn auf Inklusion. Die partizipierende Klientel bleibt auf einen begrenzten Raum beschränkt. Es fällt auf, dass bei der Abfassung des Positionspapiers diejenigen nicht beteiligt wurden, um die es laut Auskunft der Verfasser gerade gehen soll: die Menschen mit geistigen Behinderungen. Der Text ist weder in »leichter Sprache« verfasst noch enthält er erkennbar Perspektiven oder Formulierungen, die auf eine Partizipation schließen lassen würden. Es ist auch nicht deutlich, wer in wessen Auftrag den Text verfasst hat, ob und wo er verabschiedet wurde.
242 Die Angaben konnten nicht überprüft werden. 243 Positionspapier, S. 8. 244 Ebd., S. 9.
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Die Sonderstellung des Deutschen Gehörlosen-Sportverbandes (DGS)
Der DGS wurde 1910 als Interessenverband der Sport treibenden Gehörlosen gegründet. Er ist nicht Mitglied im DBS. Auf europäischer Ebene gibt es die 1983 gegründete Europäische Gehörlosensport Organisation (EDSO) und den 1924 gegründeten Weltsportverband der Gehörlosen (ICSD). Der DGS hat seine Position August 2012 in einem Papier deutlich gemacht, von dem man sich eine öffentliche Wirkung und eine entsprechende Resonanz erhofft.245 Die UN-Konvention sei für den DGS ein neues Thema, das sozialpolitisch Wirkung entfalte. Der DGS orientiere sich vor allem an den Vorgaben des Deutschen Gehörlosen-Bundes, der einen Maßnahmenkatalog formuliert hat. Der Sport wird als wesentlicher Beitrag zur Stärkung des Selbstbewusstseins der Menschen mit »Kommunikationsbehinderung« bezeichnet, die jedoch über eine eigene (Gebärden-)Sprache und Sprachkultur verfügen, welche zugleich eine einzigartige, internationale Möglichkeit zur Verständigung untereinander bietet. Die damit begründete Eigenständigkeit habe dazu geführt, dass die Gehörlosen ihre eigenen Weltspiele (Deaflympics) veranstalten. Darauf wird einerseits großer Wert gelegt, andererseits aber auch beklagt, dass diese Spiele nicht den gleichen öffentlichen Stellenwert haben wie die Paralympics, was wiederum zur Folge habe, dass »der Gehörlosensport immer noch mit vielen Barrieren zu kämpfen«246 habe, wie etwa der Unkenntnis in der Bevölkerung. Man sei daher offen für den Vorschlag, die Deaflympics künftig gemeinsam mit den Paralympics auszutragen. Auch wird eine Verzahnung eines neu zu etablierenden Bereiches »Jugend trainiert für Deaflympics« mit den Schulsportwettbewerben »Jugend trainiert für Olympia« und »Jugend trainiert für Paralympics« angestrebt. Die Wettkämpfe haben jedoch aufgrund der neben der körperlichen Anstrengung zusätzlich zu leistenden Konzentrationsleistung einen anderen Charakter als Wettkämpfe anderer Sportlerinnen und Sportler. Trainiert werden die Leistungssportlerinnen und -sportler von hörenden Trainern! Als vordringliches Anliegen wird in Anlehnung an Art. 20–25 der UN-BRK »das Recht auf umfassende Barrierefreiheit« formuliert, konkret: die Übernahme von Übersetzungskosten im privaten und ehrenamtlichen Bereich zur Ermöglichung gleichberechtigter Teilhabe in allen Bereichen, die barrierefreie Kommunikation und Bildung. Dieser Aspekt wird in dem Papier mehrfach betont. Zur Umsetzung des Art. 30 der UN-BRK sollten gleichfalls finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um Maßnahmen im Präventions- und Rehabilitationssport zu fördern. Zwar wird einerseits die Eigenständigkeit des DGS betont und mit der besonderen Kommunikations-Situation begründet, andererseits werden aber 245 Position des Deutschen Gehörlosen-Sportverbandes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Sport, August 2012. 246 Ebd., S. 2.
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auch die Barrieren beklagt, die es von Seiten des DGS und der Gesellschaft gibt. Partizipation bzw. Teilhabe werden angestrebt, allerdings mit der Einschränkung, die Eigenständigkeit nicht verlieren zu wollen. Die Position des DGS ist insofern im Bereich der Menschen mit Behinderungen singulär und nur bedingt kompatibel mit den Haltungen der übrigen Verbände. Gehörlose formulieren hier ihre Bedarfe und Grenzen der Teilhabe bzw. Inklusion. Zwar scheint eine Annährung möglich, zugleich aber wird zurecht eine exklusive Stellung formuliert und gefordert. Als der wesentliche Aspekt einer Veränderung wird mehrfach auf die Notwendigkeit zu selbstverständlichen Übersetzungsleistungen verwiesen, die von der Gesellschaft insgesamt – und nicht nur für den Bereich des Sportes – getragen werden sollten. Die besondere Position des DGS hat in den Papieren des DOSB (s. o.) keinen direkten Widerhall gefunden, jedoch haben sich die Verbände des DOSB, des DBS, des SOD und des DGS gemeinsam 2016 zu dem damals vorliegenden Entwurf des BTHG geäußert und diesen aufgrund unzureichender Leistungen zur sozialen Teilhabe kritisiert: »Sport ist gerade für Menschen mit Behinderungen in vielen Bereichen von grundlegender Bedeutung (Breitenund Leistungssport sowie Gesundheits-, Freizeit-, Schul- und Rehabilitationssport sowie Ehrenamtliches Engagement), wenn es um die voll-umfängliche Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben geht und eine selbstbestimmte Lebensplanung und -gestaltung ermöglicht werden soll. Sport ist ein Türöffner und wirbt im Sinne der Bewusstseinsbildung (UN-BRK Artikel 8) für die An-erkennung der Fertigkeiten und Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen.«247 Zunächst waren die Sportverbände nicht in den breit angelegten Beteiligungsprozess einbezogen, sondern erst mit Unterstützung der Sportministerkonferenz zu den Verbändeanhörungen eingeladen worden.248 Die UN-BRK sei nicht weitreichend genug umgesetzt.249 Außerdem wurde bemängelt, dass es zu regional unterschiedlichen Maßstäben kommen könne und bundesweit einheitliche Standards notwendig seien. SOD hatte die Stellungnahme noch durch weitere Aspekte in einem separaten Votum ergänzt und u. a. auf die besondere Situation von Menschen mit geistiger Behinderung
247 Gemeinsame Stellungnahme vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), Deutschen Behindertensportverband (DBS), Deutschen Gehörlosensportverband (DGS) und Special Olympics Deutschland (SOD) zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziale: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) (Bearbeitungsstand: 26.04.2016),, S. 1, abrufbar unter: https://specialolympics.de/fileadmin/user_upload/News/ pdf-Dateien/2016/BTHG_Erklaerung_Fachverbaende_141110.pdf. 248 Beitrag der Sportministerkonferenz: »Bundesteilhabegesetz: Sport fordert bessere Leistungen«, zu finden unter: http://www.sportministerkonferenz.de/aktuelles/bundesteilhabe gesetz-sport-fordert-bessere-leistungen. 249 »Zur gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe brauchen wir die Umsetzung der UN-BRK. Diese ist im BTHG nicht weitreichend genug formuliert«, so die Anmerkung von Gudrun Doll-Tepper (vgl. ebd.).
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verwiesen.250 Grundsätzlich werde »der Gedanke der Prävention als vorbeugendes Instrument für Menschen mit Behinderung nicht ausreichend erkennbar und mit entsprechenden Maßnahmen belegt. Dies trifft insbesondere auch auf den Bereich Sport zu, der nicht in die Facetten Bewegung und Sport unterteilt ist und somit nicht berücksichtigt, dass allein Bewegung präventive Wirkung entfalten und zu einer ganzheitlichen gesundheitsorientierten Lebensweise (u. a. am Arbeitsplatz) beitragen kann.«251 Einheitliche Standards und eine unmissverständliche Orientierung an der UN-BRK hatte in vergleichbarer Weise etwa auch das Deutsche Institut für Menschenrechte gefordert, als es im September 2016 eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf abgab.252 Zwar wird darin das Gesetz nicht grundsätzlich abgelehnt, aber doch im Entwurfsstatus deutlich kritisiert. Der Gesetzentwurf müsse »einer strengen Prüfung am Maßstab der UNBRK standhalten«, zumal die Bundesregierung dies zum eigenen Anspruch erklärt habe.253 Kritisiert wurde vor allem der Behinderungsbegriff: der in der UN-BRK zugrundgelegte Beurteilungsmaßstab (»volle, wirksame und gleichberechtigte« Teilhabe) werde verkürzt (»gleichberechtigte« Teilhabe): »Die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention empfiehlt daher, an dieser zentralen Stelle zunächst den Behinderungsbegriff der UN-BRK ohne Abstriche und im Wortlaut zu übernehmen.«254 Im Gesetzentwurf würde zwar die Umsetzung der völkerrechtlichen Verpflichtung behauptet, die aus der UN-BRK erwachsen, jedoch sei dies nicht hinreichend bzw. vollständig erfolgt.255 Kritisiert wird auch die hohe Schwelle für die Leistungsberechtigung, der geschlossene Leistungskatalog, die Einschränkung des Wusch- und Wahlrechts und verschiedenes mehr. Die begriffliche Bestimmung wurde daraufhin im Gesetz geändert256, die Einschränkung des Wunsch- und Wahlrechtes dagegen nicht aufgehoben.257 Die von den Sportverbänden eingebrachten Aspekte im Blick auf den Sport als wichtigen Faktor für Inklusion und Rehabilitation wurden hingegen nicht 250 Stellungnahme von Special Olympics Deutschland (SOD) zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen / Bundesteilhabegesetz – BTHG), abrufbar unter: http://specialolympics.de/fileadmin/user_upload/News/ pdf-Dateien/2016/SOD_Ergaenzung_zum_Entwurf_BTHG_SAL_16.0518.pdf 251 Ebd. 252 Deutsches Institut für Menschenrechte, Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Stellungnahme: Bundesteilhabegesetz (BTHG) überarbeiten. Anmerkungen zum BTHG aus menschenrechtlicher Perspektive anlässlich der Ersten Beratung des Gesetz entwurfs im Deutschen Bundestag am 22.09.2016, Berlin September 2016. 253 Deutsches Institut für Menschenrechte, Stellungnahme, S. 4. In ähnlicher Weise argumentierten auch die Sportverbände. 254 Ebd., S. 5 f. 255 Ebd., S. 8. 256 Vgl. BTHG, S. 3238 (§ 2 Begriffsbestimmungen). 257 Vgl. BTHG, S. 3268 (§ 104 Wunsch- und Wahlrecht).
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wie gewünscht berücksichtigt.258 Es finden sich auf den Seiten der Sportverbände nach der Verabschiedung des BTHG keine weiteren Stellungnahmen zum Gesetz. 2.5
»Inklusion« als Thema im Landessportbund Nordrhein-Westfalen (LSB NRW)
Der LSB NRW ist der mitgliederstärkste Landessportbund im DOSB und vereinigt als Dachorganisation insgesamt 63 Sportfachverbände sowie 54 Stadtund Kreissportbünde.259 Sie wiederum repräsentieren mehr als 19.300 Vereine (Stand 2014) und mehr als 5 Millionen Mitglieder. Zu den Sportfachverbänden zählen u. a. die Verbände mit besonderer Aufgabenstellung wie der CVJM-Westbund, der Landesverband des DJK und SO NRW. Das Stichwort »Inklusion« taucht beim LSB NRW an vorderster Stelle gemeinsam mit dem der »Integration« auf und ist bezogen auf »Menschen mit Migrationshintergrund«.260 Als konkretes und wichtigstes Projekt ist SPIN benannt, »Sport Interkulturell«, ein Projekt »mit dem Ziel, die Integration von Kindern und Jugendlichen durch Bewegung, Sport und Bildung zu stärken und so ihre Bildungs- und Zukunftschancen zu verbessern«.261 Sind auf der Ebene des DOSB die Interpretation des Inklusions-Begriffs auf den Bereich der Menschen mit Behinderungen konzentriert und damit andere gesellschaftliche Bereiche ausgeblendet, so findet sich im LSB NRW eine ganz andere Schwerpunktsetzung: Es ist davon auszugehen, dass die Frage der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund im Bereich des LSB NRW schon länger eine Rolle spielt und der Begriff der »Inklusion« hier additiv verwendet wird, weil er einen Anknüpfungspunkt brauchte. Es wird von Seiten des LSB NRW darauf hingewiesen, dass NRW das einige Bundesland ist, in dem ein Teilhabe- und Integrationsgesetz in Geltung ist.262 In den in diesem Zusammenhang entstandenen »Integrationszentren« ist der Sport als Schwerpunkt ausgewiesen. Menschen mit Behinderungen kommen unter dem Stichwort »Topthemen« in den Blick: Hier wird auch auf die UN-BRK hingewiesen und erklärt, dass sich der LSB gemeinsam mit dem Behinderten-Sportverband Nord258 Im Wortlaut des Gesetzes kommt das Wort »Sport« nur an zwei Stellen vor: in § 64 »Ergänzende Leistungen« als »ärztlich verordneter Rehabilitationssport« und in § 78 »Assistenz leistungen«, wo es heißt: »Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen.« 259 Vgl. http://www.lsb-nrw.de/lsb-nrw/ueber-den-landessportbund/. 260 http://www.lsb-nrw.de/lsb-nrw/politik/integrationinklusion/. 261 Ebd., vgl. zum SPIN-Projekt: http://www.projekt-spin.de/projekt/projektbeschreibung/, Sebastian Braun / Sebastian Finke, Integrationsmotor Sportverein, Berlin 2010. 262 http://www.lsb-nrw.de/lsb-nrw/politik/integrationinklusion/aktuelles/.
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rhein-Westfalen (BSNW) dieser Herausforderung bzw. diesem Zukunftsthema stellen will.263 »Inklusion« wird als »umfassende Teilhabe« beschrieben und festgestellt: » Inklusion ist verwirklicht, wenn jeder Mensch in seiner Individualität von der Gesellschaft akzeptiert wird und die Möglichkeit hat, in vollem Umfang an ihr teilzuhaben. Sie beschreibt dabei die Gleichwertigkeit eines Individuums, ohne dass Normalität vorausgesetzt wird. Normal ist das Vorhandensein von Unterschieden. Die Gesellschaft schafft die Strukturen, in denen Personen mit Besonderheiten auf die ihnen eigene Art wertvolle Leistungen einbringen können.«264 Mit dieser grundsätzlichen Beschreibung ist allerdings noch nicht gesagt, was die Herausforderung für den organisierten Sport bedeutet: »Wie das gehen soll, ist aber vielfach unklar. Auch der Sport steht noch vor offenen Fragen, obwohl er gute Möglichkeiten hat, inklusive Ziele umzusetzen.«265 Hingewiesen wird auf das Beispiel der (evangelischen!) Matthias-Claudius-Schule in Bochum266, in der schon seit vielen Jahren Jugendliche mit und ohne Behinderungen gemeinsam unterrichtet werden. Der Behindertensport Oberhausen (BS OH) hat ein Modellprojekt angestoßen, bei dem mit »zehn verschiedenen »normalen« Vereinen in der Stadt«267 kooperiert wird. Die Wortwahl verrät allerdings den integrativen Charakter des Modellprojektes: »Die Jungs treffen sich auf dem Wasser oder am Bootssteg und kommen miteinander ins Gespräch. Man sieht, da werden Hemmungen abgebaut, gegenseitiger Respekt und Akzeptanz wachsen«268. Das Thema sei komplex und auch der LSB stehe noch am Anfang. »Inklusion« spielt beim LSB NRW eine untergeordnete Rolle und ist vor allem auf den Bereich der Integration von Menschen mit Zuwanderungsbiografie bezogen. Erst langsam kommen vor dem Hintergrund der Wahrnehmung der UN-BRK auch die Menschen mit Behinderungen in den Blick. Eine klare Linie gibt es bisher (Stand August 2014) nicht. Die Stellungnahmen und Positionspapiere aus DOSB und den Behindertensportverbänden werden auf dieser Ebene nicht wahrgenommen bzw. rezipiert, die darin enthaltenen Vorschläge und Forderungen nicht weiter bearbeitet oder umgesetzt. Es finden sich Ansätze für Kooperationen mit dem Behindertensportverband und einem Verein in Oberhausen. Das »Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport« mit Sitz in Köln wird in einem Artikel erwähnt269, eine 263 http://www.lsb-nrw.de/lsb-nrw/aktuelles/topthemen/inklusion-im-sport/. 264 Ebd. 265 Ebd. 266 http://www.mcs-bochum.de/. Das Konzept der Schule hat einen christlich begründeten, auf Wertschätzung des Einzelnen und seiner Fähigkeiten, auf Integration und die Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen zielenden Charakter mit entsprechenden inklusiven Ansätzen, die in Leitbild und Selbstverständnis aber nicht explizit zur Sprache kommen. 267 http://www.lsb-nrw.de/lsb-nrw/aktuelles/topthemen/inklusion-im-sport/. 268 Ebd. Zitiert wird ein beteiligter Trainer. 269 Ebd.
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Kooperation mit diesem Institut oder der Sporthochschule Köln zu diesem Thema findet aber nicht statt. 2.6
Inklusion als Thema im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM)
Die Anfänge des CVJM reichen zurück ins 19. Jahrhundert, als in London der YMCA als internationaler Bund für junge Menschen gegründet wurde.270 In Deutschland hat der bereits zuvor im Jahre 1823 in Wuppertal-Barmen gegründete Missions-Jünglings-Verein einen Teil der Vorgeschichte mitbestimmt, 1882 wurde in Detmold bei der Zusammenkunft deutscher Jünglingsbünde der CVJM Deutschland e. V. gegründet. Der heute tätige Gesamtverband umfasst insgesamt 13 regionale Mitgliedsverbände. Die Schwerpunkte der Arbeit des CVJM liegen auch heute bei der Jugendarbeit, die mit Gesang (Ten Sing), Posaunenchor und Sport (ältere Bezeichnung: »Eichenkreuz«) verknüpft ist. Der CVJM versteht sich als ein ökumenischer Verband von ca. 2200 Vereinen, in denen ca. 330.000 Mitglieder organisiert sind, im Sportbereich sind etwa 44.000 Mitglieder aktiv. Mitglied in einem CVJM-Verein kann jede »natürliche Person« werden, die den Zweck des Vereins anerkennt: »Der CVJM gründet sich auf Jesus Christus, wie er uns im Neuen Testament bezeugt wird. Die Mitglieder des CVJM versuchen, diesem Bekenntnis zu leben.«271 Der CVJM ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Jugendarbeit und im Diakonischen Werk der EKD. Der CVJM unterhält eine Fachschule für Theologie und Sozialpädagogik in Kassel (CVJM Kolleg272) und eine CVJM-Hochschule273 ebendort. Ausführliche Stellungnahmen des CVJM zum Themenfeld Inklusion finden sich bisher nicht. Der CVJM hat sich aber auf verschiedenen Ebenen mit dem Thema »Inklusion« beschäftigt, u. a. bei einer Fachtagung im Januar 2014.274 In einem Kolleg entwickelten Studierende kurze Zeit später sog.
270 Vgl. www.cvjm.de. 271 http://www.ejwue.de/fileadmin/CVJM/upload/2007-01-cvjm-mustersatzung-geschaefts fuehrenden-vorstand-pdf.pdf. Die Arbeit geschehe auf Grundlage der sog. »Pariser Basis« des Weltbundes der CVJM und der Zusatzerklärung des CVJM-Gesamtverbandes in Deutschland: »Die Christlichen Vereine Junger Männer haben den Zweck, solche jungen Männer miteinander zu verbinden, welche Jesus Christus nach der Heiligen Schrift als ihren Gott und Heiland anerkennen, in ihrem Glauben und Leben seine Jünger sein und gemeinsam danach trachten wollen, das Reich ihres Meisters unter jungen Männern auszubreiten. … Die CVJM sind als eine Vereinigung junger Männer entstanden. Heute steht die Mitgliedschaft allen offen. Männer und Frauen, Jungen und Mädchen aus allen Völkern, Konfessionen und sozialen Schichten bilden die weltweite Gemeinschaft im CVJM.« 272 http://www.cvjm-kolleg.de/. 273 http://www.cvjm-hochschule.de/. 274 http://www.cvjm-westbund.de/blog/blog-eintrag/items/fachtag-inklusion-in-der-cvjmbildungsstaette-bundeshoehe-2425-januar-2014.
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Standards für Inklusion.275 Diese Stellungnahmen können nicht als offizielle Verlautbarung bewertet werden, zeigen jedoch, dass das Themenfeld zumindest im Bereich der Ausbildungsgänge des Kollegs eine gewisse Rolle spielt. Eine weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema »Inklusion« an der Hochschule des CVJM ist nicht ausgewiesen. Das Papier über die Standards für Inklusion lehnt sich an den »Index für Inklusion« an, der für Schulen in Großbritannien entwickelt wurde.276 Mit den Standards soll die inklusive Gestaltung der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen unterstützt werden: »Es geht darum, die Teilhabe aller, unabhängig von Bildung, jeglicher Form von Beeinträchtigung, Herkunft, finanzieller Ressourcen und Geschlecht an Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit zu ermöglichen.«277 Damit ist ein weites Verständnis des Inklusions-Begriffs formuliert, der nicht allein auf Menschen mit Behinderungen zielt. Insgesamt werden drei Dimensionen vorgestellt: Die Schaffung inklusiver Kulturen (Gemeinschaft bilden, Inklusive Werte verankern), die Etablierung inklusiver Strukturen (Entwicklung einer Kinder und Jugendarbeit für alle, Unterstützung für Vielfalt) und die Entwicklung inklusiver Praxis (Förderung aktiver Teilnahme, Wertschätzung und Einbeziehung von Ressourcen). Unter »inklusiven Werten« wird u. a. verstanden, Mitarbeitende wie Teilnehmende zu fördern und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeiten zu motivieren. Eine »gemeinsame Philosophie der Inklusion« zu entwickeln, wird angestrebt, alle Beteiligten werden gleichermaßen wertgeschätzt. Hindernisse, Barrieren werden beseitigt, Diskriminierung reduziert, Selbstbestimmung respektiert, ein positives Verständnis von Unterschiedlichkeit gefördert. Das Inklusions-Verständnis in diesem an der Perspektive für eine Verbes serung der Praxis orientierten Papier ist weiter gefasst als in den Stellungnahmen von DOSB und anderen Verbänden aus dem gleichen Zeitraum 2011/12. Das Standard-Papier formuliert einen offenen Ansatz, der es Vereinen und Gruppen vor Ort ermöglichen kann, eigene Umsetzungsstrategien für Inklusion zu finden und festzuhalten. Der Vorteil des Papiers besteht darin, dass es gerade nicht für die Gesamtorganisation verfasst worden ist. Andererseits ist für den gesamten CVJM ein deutliches Defizit im Umgang mit dem Thema der Inklusion festzuhalten.
275 http://www.cvjm-blog.de/2014/04/14/cvjm-kolleg-entwickelt-standards-fur-inklusion/; Die Standards sind zu finden unter: http://cvjm-kolleg.de/fileadmin/_migrated/content_ uploads/Inklusive_Kinder-_und_Jugendarbeit.pdf. 276 Vgl. zum Index http://www.eenet.org.uk/resources/docs/Index%20German.pdf. 277 Ebd., S. 1.
Sportpolitische Ansätze zur Inklusion
2.7
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»Inklusion« als Thema der Deutsche Jugendkraft (DJK)
Der erstmals 1920 in Würzburg gegründete278, während der NS-Zeit seit 1935 verbotene und 1947 in Düsseldorf wiedergegründete katholische Sport verband »Deutsche Jugendkraft« ist – anders als der CVJM – ein reiner Sportverband für Breiten- und Leistungssport. Dennoch lassen sich die beiden konfessionellen Verbände miteinander vergleichen, beide sind auf Bundes- und Landesebene als »Verbände mit besonderer Aufgabenstellung« in den DOSB (seit 1950, zunächst im DSB) bzw. LSB NRW eingegliedert und sind partnerschaftlich verbunden. Der DJK ist organisiert im Bundes- und in Landes- sowie Diözesanverbänden sowie einer Sportjugend, er umfasst ca. 1180 Vereine und hat ca. 500.000 Mitglieder (Stand 2010). Das Selbstverständnis des DJK ist christlich begründet: DJK-Vereine sind in ihren Aktivitäten grundsätzlich offen für alle Menschen. Sie wollen soziale Integration bewirken, wobei die Selbstachtung und der Respekt vor der Würde des Menschen von großer Bedeutung sind. DJK-Vereine fördern eine vorurteilsfreie Begegnung von Menschen im Sport, weil jeder Mensch einzigartig und wertvoll ist. Deshalb heißt der DJK-Sportverband jeden Menschen herzlich willkommen. Der Umgang untereinander ist geprägt von Wertschätzung, Hilfsbereitschaft, Höflichkeit und Fair-Play. Sportliche und gesellschaftliche Regeln werden beachtet und das Handeln unterliegt den Grundsätzen der Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und Vergebung.279
Jeder werde, so heißt es in der Image-Broschüre des DJK, seinen Fähigkeiten und seiner Leistungsbereitschaft entsprechend gefördert.280 Nach der DJK-Mustersatzung ist eine Mitgliedschaft in der Katholischen Kirche nicht erforderlich, es wird allerdings erwartet, dass die christlichen Anliegen und Ziele des jeweiligen Vereins durch die Mitglieder mitgetragen werden.281 In diesen Formulierungen klingen Aspekte eines inklusiven Verständnisses bereits an, ohne dass dies an dieser Stelle explizit ausgedrückt wird: Heterogenität, Individualität und Diversität, Wertschätzung oder Gerechtigkeit. In einem Informationsblatt des DJK-Präsidenten Volker Monnerjahn aus dem Jahr 2013 wird an Selbstverständnis und Leitbild des DJK angeknüpft und betont: »Wir grenzen Teilhabe nicht auf Menschen mit Behinderungen ein, sondern versuchen durch unsere Angebote alle Menschen einzubeziehen. Dabei fordern wir unsere DJK-Vereine auf, sich immer wieder neu zu orien278 1931 hatte der Verband bereits ca. 700.000 Mitglieder in knapp 6000 Vereinen. 279 http://www.djk.de/1_wir_ueber_uns/frame_wir_ueber_uns.htm. 280 Imagebroschüre des DJK aus dem Jahr 2013, S. 4. Abrufbar unter http://www.youblisher. com/p/559788-Imgabebroschuere_2013/. Auf Seite 20 heißt es weiter: »Das Erleben, dass Sport, Gemeinschaft und christliche Werteorientierung eine Einheit bilden und keiner der Bausteine nur aufgesetzt oder angehängt wird, macht das Wesentliche des DJK-Bildungskonzeptes aus, dessen Ziel es ist, einen Beitrag zur Entfaltung der gesamten Persönlichkeit zu leisten.« 281 http://www.djk.de/5_service/download/satzungen_u_ordnungen/muster_satzung_ sportverband-Dateien/Mustersatzung%20des%20Vereines%202008.pdf.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
tieren und zu öffnen für Menschen mit Behinderung, Benachteiligte und Randgruppen. Es geht darum Barrieren abzubauen. Barrieren in den Köpfen und in den Strukturen. »282 Hervorgehoben wird die »christliche Grundorientierung«, die es ermögliche, »Kategorisierung und Ausgrenzung von Menschen abzubauen«.283 Es wird bereits in diesem knappen Informationspapier deutlich, dass Inklusion vor dem Hintergrund einer theologisch begründeten Grundhaltung geradezu die logische Konsequenz ist bzw. den Grundwerten entspricht. Neue Möglichkeiten für die Reflexion der eigenen Haltung und die Praxis ergeben sich hieraus. Auf die UN-BRK wird explizit Bezug genommen, das Verständnis von Inklusion aber nicht auf Menschen mit Behinderungen beschränkt. Eine Handreichung zum Thema mit dem Titel »Inklusion mit Hand & Fuß« hat der DJK dann im Dezember 2013 veröffentlicht.284 In diesem thematischen Heft wird nicht nur ein Verständnis der Begriffe »Inklusion« und Heterogenität sowie eine Verhältnisbestimmung von Inklusion und Sport vorgenommen, sondern es werden verschiedene Praxisbereiche (Verein, Schule, offener Ganztag, Events, Netzwerke und Kooperationen) betrachtet. Spiel formen und Beispiele aus der Praxis werden vorgestellt. Der Bezug zu dem, wie die »Aktion Mensch« Inklusion definiert, wird durch ein Zitat hergestellt: »Inklusion ist, wenn alle mitmachen dürfen. Inklusion ist, wenn keiner draußen bleiben muss…, wenn Unterschiedlichkeit zum Ziel führt. Wenn ›Nebeneinander‹ zum ›Miteinander‹ wird… Wenn Ausnahmen zur Regel werden. Wenn anders sein normal ist. Das ist Inklusion!«285 Inklusive Angebote seien, so Volker Lemken, defizitär, aus dem Motto »Jede / r kann mitmachen« müsse werden: Jeder ist da. Bezogen auf den Sport kann Inklusion nur dann gelingen, so Volker Anneken in seinem Beitrag, »wenn die Teilnahme am Sport selbstbestimmt an einem mir wichtigen und zu mir passenden Sportangebot« möglich sei. Kinder und Jugendliche nehmen proportional weniger an Sportangeboten teil, so dass neue, geeignete Formen gefunden werden müssten, die Einfluss auf Sportarten und ihr Regelwerk haben können. Aber auch »separierte Angebotsformen« seien zu akzeptieren – »vorausgesetzt die Teilnehmer an diesen homogenen (z. B. behinderungsspezifischen) Sportgruppen fühlen sich als voll akzeptiertes Mitglied der Sportgemeinschaft und haben sich dieses Angebot selbstbestimmt ausgewählt. Der Sport, als im Wesen eigentlich exkludierendes Teilsystem in unserer Gesellschaft, macht sich 282 http://www.dosb.de/fileadmin/fm-dosb/arbeitsfelder/Breitensport/Inklusion/Downloads/ DJK_2013_Information_Inklusion.pdf. 283 Ebd. 284 DJK-Sportverband / DJK-Sportjugend (Hg.), Inklusion mit Hand und Fuß. Sportbezogene Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit. Handreichung zur Umsetzung von inklusiven Angebotsformen mit Sportbezug in der Kinder- und Jugendarbeit in NRW, Dezember 2013. 285 Volker Lemken, 1. Was ist Inklusion? in: ebd., S. 4 f.: Der Text ist von Aktion Mensch, Inklusion in 80 Sek., auch abrufbar unter: http://www.aktion-mensch.de/inklusion/was-istinklusion.php. Es handelt sich nicht um ein wörtliches, sondern ein sinngemäßes Zitat.
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seit einiger Zeit auf eine spannende Reise hin zu einem Katalysator in unserer Gesellschaft, der alle Menschen willkommen heißt und keinen vom Sport ausschließen will.«286 Die Bedingungen und Möglichkeiten in Sportvereinen, die als »soziale Gebilde« definiert werden, nimmt Pascal Priesack in seinem Beitrag unter die Lupe und hält fest, dass sich erst die sog. Barrieren im Kopf lösen müssen, um den »Mehrwert« einer Öffnung für neue Zielgruppen erkennen zu können.287 Er zitiert Rainer Schmidt: »Wer Inklusion will, der sucht nach Beteiligungsmöglichkeiten und Erfolgserlebnissen für alle.«288 Bei der Entwicklung von Konzepten für Vereine sollte man schrittweise und nachhaltig realistische Ziele formulieren, durch Informationen darüber aufklären, was Inklusion bedeute, um dann, getragen von einer breiten Basis, inklusive Sportangebote zu schaffen. Dabei sind gemeinsame Trainingseinheiten ebenso sinnvoll wie getrennte, die dann aber zeitlich parallel stattfinden können, so dass Begegnung am gleichen Ort möglich wird: »Denn neben dem Sport ist auch die soziale Komponente des Gemeinschaftserlebnisses ein wesentlicher Aspekt zur Förderung einer inklusiven Vereinskultur.«289 Dazu gehören auch die Qualifizierung von Übungsleiter / innen oder Angebote von Freizeiten, die für alle Interessierten zugänglich sind. Besonders der Schulsport eigne sich, so Nicolas Niermann in seinem Beitrag, für inklusive Ansätze, »weil sich in ihm Leistungs- und Entwicklungsunterschiede didaktisch besonders gut für ein gemeinsames Lernen und Helfen untereinander nutzen lassen.«290 Gleiches gelte auch für den offenen Ganztag und die darin enthaltenen Chancen zu heterogenen Lerngruppen.291 Da Inklusion eine komplexe Aufgabe ist, die verschiedene (neue) Ressourcen benötigt, ist nach seiner Ansicht eine »durchgehende und offene Kommunikation sehr wichtig.«292 In seinen Hinweisen zum Umgang mit Heterogenität bezieht sich Florian Becker auf ein von der Australian Sports Commission entworfenes Modell mit der Bezeichnung »Tree-Modell«, das auf eine Veränderung von Unterrichtsstil, Regelwerken, Bewegungsumwelt und das zur Verfügung gestellte Material
286 Volker Anneken, 2. Was bedeutet Inklusion in und durch Sport?, in: Inklusion mit Hand und Fuß, a. a. O., S. 5. 287 Pascal Priesack, Inklusion in der Kinder- und Jugendarbeit durch Sport und Bewegungsangebote, in: Inklusion mit Hand und Fuß, a. a. O., S. 6–8. 288 Rainer Schmidt, Sport als Inklusionsmotor, in: Volker Anneken (Hg.), Inklusion durch Sport. Forschung für Menschen mit Behinderungen (Wissenschaftliche Schriftenreihe des Forschungsinstituts für Inklusion durch Bewegung und Sport 2), Köln 2013, S. 25–34. 289 Pascal Priesack, Inklusion, S. 7. 290 Nicolas Niermann, Inklusiver Sport in der Schule, in: Inklusion mit Hand und Fuß, a. a. O., S. 9–11. 291 Nicolas Niermann, Der offene Ganztag, in: Inklusion mit Hand und Fuß, a. a. O., S. 12–15. 292 Nicolas Niermann, Netzwerke und Kooperation, in: Inklusion mit Hand und Fuß, a. a. O., S. 19–21.
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Kirchen- und sportpolitische Ansätze
setzt.293 Er nennt eine Reihe von Spielen bzw. Spielformen, die sich für heterogen gestaltete Gruppen besonders gut eignen.294 Abschließend werden eine Reihe von Best Practice-Beispielen genannt, wie die »Inklusive Sporthelferausbildung« in Kooperation zweier Schulen in Köln (Förderschule und Realschule), die »Sportassistenten-Ausbildung an den Gemeinnützigen Werkstätten Köln, die Projekte »Einfach Fußball«, »Kirche.kickt« und »Kirche.läuft«.295 Die Position des DJK enthält im Vergleich der verschiedenen Papiere und Stellungnahmen aus dem Bereich des organisierten Sports das umfassendste Verständnis von »Inklusion«. Vergleichbare Arbeiten von CVJM, DBS und anderen Verbänden stehen noch aus. Dabei wird im DJK nicht nur an die UN-BRK und die »Aktion Mensch« angeknüpft, sondern auch der (sport-) wissenschaftliche Diskurs zum Thema einbezogen: die Handreichung wurde in Kooperation mit dem »Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport« (FIBS) erstellt, die der Sporthochschule in Köln angegliedert ist. Verschiedene Beispiele aus der Praxis, innovative Ideen – auch aus internationalen Zusammenhängen – werden aufgezeigt und für die Praxis in den Vereinen zugeschnitten vorgestellt. Das Beispiel des DJK zeigt, dass ein (Sport-)Verband mit einem weltanschaulich-christlichen Ursprung und Hintergrund in der Lage ist, vorbildhaft Positionen zu formulieren, die auch in den Diskursen des übrigen organisierten Sports rezipiert werden sollten. Es zeigt sich, dass sowohl die Rezeption des wissenschaftlichen Diskurses für das Verständnis von »Inklusion« von entscheidender Bedeutung ist, als auch ein christliches Selbstverständnis zu einer positiven Adaption der durch die UN-BRK aufgeworfenen neuen Interpretation der Menschenrechte führen kann. Der Austausch der Sportverbände etwa des DOSB oder der Landessportbünde mit den Verbänden mit besonderer Aufgabenstellung könnte deutlich intensiver sein. Auch die Rezeption der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Themenfeld »Inklusion« ist – abgesehen vom DJK und den DBS! – bisher weitgehend ausgeblieben. Der Weg des Sports zu einem Inklusions-Beschleuniger ist hinsichtlich der Spitzen- und Fachverbände noch weit.
293 Florian Becker, Hinweise zum Umgang mit Heterogenität in Spiel und Sport, in: Inklusion mit Hand und Fuß, a. a. O., S. 22–26. 294 Florian Becker, Spielformen, in: Inklusion mit Hand und Fuß, a. a. O., S. 27–34. 295 Vgl. den Abschnitt »Best Practice« in: Inklusion mit Hand und Fuß, a. a. O., S. 35–43.
IX. Sport als Herausforderung für Öffentliche Theologie: Das Inklusions-Potenzial
Vielfalt und Toleranz, Differenzierung und Inklusion sind nicht selbstverständlich. Es macht daher Sinn, von ihnen als Potenzial zu sprechen.1 Sowohl in der Religion als auch im Sport sind die Bedingungen für die Umsetzung des Inklusionsgedankens sehr gut, da beide Funktionsbereiche seit geraumer Zeit transformative Prozesse durchlaufen, bei denen dieses Potenzial freigelegt werden kann.2 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beiden gesellschaftlichen Bereiche ganz unterschiedlich zu beschreiben sind und unterschiedliche Funktionsweisen in der Gesellschaft haben. Während die Religion sich vor allem für Kontingenzbewältigung, für Werte und Normen interessiert, gilt im Sport u. a. das Kriterium der Leistung. Religion ist z. B. als Kirche einerseits Organisation, hat aber zugleich eine starke institutionelle Seite, die eine hohe Offenheit und Sensibilität u. a. für die Fragen von Exklusionen und die Möglichkeiten ihrer Überwindung bereitstellt. Dies kann in eine theologisch zu begründende ethische Forderung weitgehender Inklusion übergehen, wie es z. B. die Formel der »Option für die Armen« bzw. »Option der Anderen« zum Ausdruck bringt. Religion / Kirche und Theologie können und sollen aus soziologischer Sicht Impulsgeber auch für andere gesellschaftliche Funktionsbereiche sein.3 Sie sind zugleich vorbildlich hinsichtlich einer Vielfalt bzw. Pluralisierung von religiösen Auffassungen, die nicht zu einer bestimmten Lebensführung zwingt.4 Die Religion hat in dem System der Gesellschaft eine besondere Rolle, die ihr das ermöglicht, weil sie den Transzendenzbezug durch den Gottesdienst herstellt, der am Sonntag und im Alltag gefeiert wird.5 Sie hilft bei der Herausbildung einer persönlichen Identität (Individuation), bei der Eingliederung 1 Vgl. U. Becker, S. 17: »Wenn man den Begriff der Inklusion für gesellschaftliche Transformationsprozesse überhaupt sinnvoll und kritisch verwenden will, dann meint er nicht ›Einschluss‹ in Bestehendes, sondern Zusammenschluss von Vielfalt. Dann ergeben sich bei derartigen Inklusionsprozessen auch Veränderungen des gesellschaftlichen Gefüges und der zentralen ökonomischen Funktionslagen der Gesellschaft.« Vgl. auch: P. Noss, Art. »Sport: sozialethisch / wirtschaftlich«, a. a. O. 2 Vgl. zum folgenden Kapitel II. 3 Niklas Luhmann, Die Religion der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 2002. 4 Luhmann macht darauf aufmerksam, dass die veränderte Funktion von Religion damit zusammenhängt, dass sie auf Legitimierung von politischer Macht verzichtet und damit moralische Vorgaben im Blick auf die Lebensführung macht. Die religiöse Landschaft ist pluraler geworden – und es gibt »in vielen dieser Formen eine stärkere Einbeziehung des Körpers …« Vgl. Niklas Luhmann, Religion, S. 145 f. 5 Vgl. Ernst Lange, Chancen des Alltags, München 1982.
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Sport als Herausforderung für Öffentliche Theologie: Das Inklusions-Potenzial
in die Gesellschaft (Sozialisation), der Vermittlung von Normen und Werten (Handlungsanleitung), bei der Kontingenzbewältigung, der Sinngebung (Kosmisierung) und der kritischen Distanzierung gegenüber der Welt.6 Öffentliche Theologie bietet hierzu einen angemessenen Rahmen, da sie 1. grundsätzlich an einem offenen Diskurs zu einem ihrer zentralen Themenfelder der Menschenrechte interessiert ist, 2. Vertreterinnen und Vertreter der öffentlichen Theologie wie Wolfgang Huber, Wolfgang Vögele, Jürgen Moltmann und andere zahlreiche inhaltliche Impulse zum Themenfeld Menschenrechte, Inklusion / Exklusion, Vielfalt etc. – auch im Spannungsfeld von Kirche und Sport – gegeben haben und 3. eine wissenschaftlich fundierte Brücke zwischen Theologie / Kirche auf der einen und Sportwissenschaften / Sportorganisationen auf der anderen Seite gebaut werden kann. Über eine solche prinzipielle systemische Offenheit verfügt der Sport als gesellschaftliches Teilsystem dagegen nicht. Er ist ein zumeist geschlossenes Teilsystem, in dem über Fragen zu Strukturen und Inhalten intern entschieden und die Beziehungen zu anderen Teilsystemen, also auch zu Religion / Kirchen, autonom bestimmt wird. Dabei folgt der Sport der Logik einer Verbesserung der eigenen Situation. In dieser Logik der Schließung liegt jedoch auch die Chance der Öffnung.7 Denn der Sport wiederum ist ein gesellschaftliches Funktionssystem, das mehr und mehr an Bedeutung gewonnen hat. Wie Kultur und Kunst und weitere Teilbereiche der Gesellschaft hat auch der Sport Funktionen übernommen, die eigentlich dem Bereich der Religion zugeschrieben waren. Dabei sind im Zuge der Säkularisierung nicht selten die ursprünglichen Bezüge verloren gegangen bzw. haben sich diese Aspekte verselbständigt. Dennoch und gerade deshalb bietet der Sport seinerseits Anknüpfungspunkte für einen Dialog. Denn auch der Sport hilft bei der Bildung von Persönlichkeit und Gemeinschaft, vermittelt Werte und Normen.8 Insofern ergeben sich hierdurch wichtige Bereiche auch für die Vermittlung von christlichen Werten, indem an die Erfahrungen angeschlossen wird, die Menschen im Sport machen können.9
6 Vgl. die Funktionszuschreibungen bei Franz Xaver Kaufmann, vgl. dazu B. Schloz, Unverhältnis, S. 57 f. 7 Den Einfluss des Religionssystems auf den Sport bedenkt auch B. Schulz, Sportarten als soziale Systeme, a. a. O., S. 224 ff. 8 Ich würde allerdings nicht so weit gehen, dem Sport diese Funktionen per se zuzuschreiben, wie es Rüdiger Schloz tut. So ist der Beitrag des Sports zur Kontingenzbewältigung eher Ablenkung und nicht die Herstellung eines Transzendenzbezugs. Richtig ist allerdings, dass es hier, wie auch im Bereich von Kunst und Kultur, zahlreiche Anknüpfungspunkte für den Dialog gibt. Vgl. R. Schloz, Unverhältnis, S. 65 f. 9 Vgl. schon F. Lotz, S. 12 f. und O. Grupe, Sportkultur, a. a. O., S. 26 f.
Grenzen und Chancen
1.
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Grenzen und Chancen
Dass die Grenzen zwischen den gesellschaftlichen Funktionsbereichen Religion und Sport immer wieder überwunden werden, ist also keineswegs selbstverständlich. Die Tendenz des Sports, sich gegenüber anderen gesellschaftlichen Bereichen abzugrenzen kann verändert werden, weil er auf die materielle bzw. finanzielle Unterstützung durch Staat, Medien und Wirtschaft oder die Selbstvergewisserung in das Leistungsprinzip betreffenden ethischen Fragen angewiesen ist. Normal ist, dass der organisierte Sport Religion bzw. die Kirchen für sich in Anspruch nimmt, sei es für öffentliche Rituale oder zur Beratung bei ethischen Problemen, eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe wird aber weitgehend vermieden.10 Eine mögliche Basis von Austausch und Verständigung sind auf der organisatorischen Ebene Kirchengemeinde und Sportverein vor Ort oder die Arbeitskreise »Kirche und Sport«.11 Außerdem haben die Öffentliche Theologie und die Sportwissenschaften als von den Organisationen der Religion / derKirche und des Sports relativ unabhängige Akteure das Potenzial, zwischen den Bereichen zu vermitteln.12 Der Sport ist im Prinzip – wie auch Religion / Kirche – auf den Austausch mit anderen Funktionsbereichen angewiesen, um sich weiterentwickeln zu können: »Infolge dessen besteht auch das im Sport gelebte Ethos nicht unabhängig von den in anderen gesellschaftlichen Bereichen praktizierten ethischen Überzeugungen. Zweifellos vorhandene sportspezifische Überzeugungen und Handlungsregeln dürfen daher nicht
10 »Der organisierte Sport lässt sich nicht nur gern den Segen der Kirchen geben, sondern verkündet öffentlich, dass er den kritischen Rat der Kirchen bei der Lösung der ethischen Probleme des modernen Sports benötigt. Die Wirkungen beschränken sich … weitgehend auf eine Bereicherung des Funktionärsjargons. Von der gern beschworenen ›Partnerschaft zwischen Kirche und Sport‹, die das Bild gleichberechtigter Partner suggeriert, kann in Wirklichkeit kaum die Rede sein. Die Kirchen, bedroht von der ›Verdampfung des Glaubens‹ und des Mitgliederschwundes, sehen sich mit einem Sport konfrontiert, dessen gesellschaftlicher und politischer Siegeszug unaufhaltbar scheint. Die Kirchen müssen sich mit dem Sport auseinandersetzen, wenn sie Zugang zur Lebenswirklichkeit moderner Menschen finden möchten. Seinen Stellenwert aus theologischer und / oder seelsorgerischer Sicht siedeln sie jedoch keineswegs so hoch an, wie dies die offiziellen Verlautbarungen vermuten lassen.« Hans Langenfeld, Kirche und Sport, in: Michael Krüger / Ders. (Hg.), Handbuch Sportgeschichte. Schorndorf 2010, S. 327. 11 Die Arbeitskreise haben einen unterschiedlichen Grad der Organisation und sind entweder konfessionell bei den evangelischen Landeskirchen bzw. den katholischen Bistümern angesiedelt oder bundeslandweit ökumenisch organisiert. Die Beziehungen zu den Organisationen des Sports und den Sportwissenschaften sind unterschiedlich intensiv. Vgl. das Impulspapier von Hendrik Struve, Mehr bewegen! Mögliche Perspektiven für Kirche und Sport, Evangelisches Jugendwerk in Württemberg, Stuttgart Dezember 2014. 12 Frank Martin Brunn, Sportethik: Theologische Grundlegung und exemplarische Ausführung, Berlin / Boston 2014. In der Einleitung (S. 2–17) gibt der Autor den Forschungsstand in der evangelischen und römisch-katholischen Theologie, in der Philosophie und in den Sportwissenschaften wieder.
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Sport als Herausforderung für Öffentliche Theologie: Das Inklusions-Potenzial
isoliert betrachtet werden«, betont Frank Martin Brunn in seiner theologisch begründeten Sportethik.13 So bietet etwa die Vergegenwärtigung des Menschenbildes und dessen Grundlagen eine mögliche Basis zur Verständigung.14 Die Reflexion darüber und über die im Sport wie in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen gültigen Regeln für ein gutes und gerechtes Leben ist eine notwendige Aufgabe für den gesamten Sport auf allen Ebenen. Dafür können die Öffentliche Theologie, aber auch die Sportwissenschaften entsprechende Angebote machen – z. B. im Blick auf die Aspekte von Schuldhaftigkeit des Handelns oder das Angewiesensein auf Vergebung, die Frage der Fehlbarkeit ethischen Urteilens oder die mit den Menschenrechten verbundene, theologisch aus der Gottebenbildlichkeit begründete Unantastbarkeit der menschlichen Würde.15 Auf die Notwendigkeit einer solchen Reflexion haben in den letzten Jahren Theologen wie Sportwissenschaftler hingewiesen.16 Jürgen Moltmann, dessen dogmatisch-ethischer Entwurf in dieser Untersuchung als Bezugsgröße im Mittelpunkt steht, hat gefordert, entsprechende Fragestellungen im Bereich der Sportwissenschaften und -ethik zu reflektieren.17 Die Aufgabe einer theologisch begründeten Sportethik ist es, die Normen des Sports kontextuell zu betrachten und interdisziplinär danach zu fragen, ob diese von anderen ethischen Normen ableitbar sind. Dabei ist die Auseinandersetzung mit den anthropologischen wie auch den metaphysischen Grundlagen unabdingbar.18 Umgekehrt hat auch die Kirche die Möglichkeit, über die Brücken der Wissenschaften und der Organisationen (besonders im Gemeinwesen) vom Sport zu lernen. Das Themenfeld »Inklusion« selbst bietet sich ebenso an wie die anthropologischen Fragen nach Leib- und Körperlichkeit. Religion / Kirche wirkt in diesem Zusammenhang als intermediäre Institu tion (Wolfgang Huber) und im speziellen als »Inklusionsagentin« (Sabine Schäper), um die gesellschaftlichen Diskurse auch im Dialogfeld von Kirche und Sport offen und öffentlich zu führen.
13 Ebd., S. 390. Die Sportethikdebatte nahm ihren Anfang erst in den 1960er Jahren, vor allem angestoßen und geführt von Theologen und Philosophen, wobei vor allem Hans Lenk zu nennen ist, der selbst 1960 Olympiasieger im Rudern gewesen ist. 14 Vgl. Michael Krüger (Hg.), Menschenbilder im Sport, Schorndorf 2003; Ommo Grupe, Vom Sinn des Sports. Kulturelle, pädagogische und ethische Aspekte, Schorndorf 2000, bes. S. 113–142. 15 Frank Martin Brunn, Sportethik, S. 391. 16 Vgl. insbesondere den Band Wolfgang Huber / Ommo Grupe (Hg.), Zwischen Kirchturm und Arena, a. a. O. 17 Jürgen Moltmann, Olympia zwischen Politik und Religion, in: Sport, Concilium. Internationale Zeitschrift für Theologie 25 (1989), S. 432–437. 18 So argumentiert auch Frank Martin Brunn, Sportethik, S. 33.
Die sportpolitischen Ansätze
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Die sportpolitischen Ansätze
Die Analyse der sportpolitischen Ansätze und Verlautbarungen im Zusammen hang von Inklusion hat ergeben, dass in den Organisationen des Sports das eigentliche Potenzial der Inklusion allmählich und in Folge der politischen und rechtlichen Vorgaben durch die UN-BRK erkannt wird. Bei der Analyse fiel auf, dass es zunächst Schwierigkeiten dabei gab, den Begriff der »Inklusion« von dem der »Integration« zu unterscheiden. Auch in den Sportwissenschaften hatte sich eine spezifische Verwendung des Integrations-Begriffs eingebürgert, die sich von der Gruppe der Menschen mit Behinderungen auf die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund verschoben hatte. »Inklusion« wurde dann beim Aufkommen des entsprechenden Diskurses im Zusammenhang der UN-BRK in der Regel auf die Menschen mit Behinderungen bezogen. Dabei wurde die Chance des sehr viel weiter reichenden Konzepts der Inklusion zunächst nicht erkannt. Eine differenziertere Sicht darauf und auf das Phänomen von »Behinderung« wurde erst im Rahmen des Arbeitsprogramms des DOSB in Kooperation mit den wichtigsten Behindertensportverbänden in den Jahren 2011 bis 2014 entwickelt. In den entsprechenden Stellungnahmen wird vor allem auf ein Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen, auf eine verbesserte Mobilität und den Abbau von Barrieren zugunsten der Menschen mit Behinderungen gesetzt. Konkret wird dies in dem immer wieder geäußerten Wunsch nach Umsetzung und exemplarischer Vorstellung von Best-PracticeBeispielen. Das Potenzial der UN-BRK als Referenz-Quelle wurde jedoch nicht ausgeschöpft, da nun andere von Teilhabe-Ausschluss betroffene Gruppen (z. B. Menschen mit Migrationsgeschichte oder von sozialer Ausgrenzung betroffene Menschen) nicht mehr einbezogen wurden, obwohl es im Vorfeld verschiedene Projekte auch für diese Gruppen gegeben hatte. Seit 2013 wird dann auch auf die notwendige Kooperation, den Austausch mit anderen gesellschaftlichen Akteuren hingewiesen: Politik, Wirtschaft, Medien, Wissenschaft oder in der Behindertenarbeit tätige Organisationen – nicht aber explizit auf Religionsgemeinschaften oder Kirchen. Kritische Positionen zur Ambivalenz des Inklusions-Begriffs wie etwa die des Gehörlosen-Sportverbandes werden bisher nicht aufgegriffen, ebenso wurde der Aspekt der Heterogenität zunächst wenig beachtet. Auf die anthro pologischen, theologischen oder philosophischen Diskurse wurde bis 2016 kein Bezug genommen. Auch fand sich zunächst kaum eine Überlegung zu der Frage nach Personal und Schulung. Aber es ist eine Entwicklung erkennbar: das Themenfeld des InklusionsParadigmas wird mehr und mehr erschlossen, die Papiere im Feld des organisierten Sports weit gestreut. Je weiter der Reflexionsprozess voranschreitet, desto koordinierter erscheint er. Zwischen den einzelnen Positionen und Papieren wird vermehrt ein Bezug aufgebaut. Ein wichtiger und wohl auch entscheidender Schritt stellt das Anfang 2015 vorgelegte Strategiekonzept dar, das die DOSB-Arbeitsgruppe »Inklusion« vorgelegt hat. Darin werden – auf der
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Sport als Herausforderung für Öffentliche Theologie: Das Inklusions-Potenzial
Grundlage einer vom DOSB in Auftrag gegebenen sportwissenschaftlichen Expertise von 2014 – die Bemühungen um die Fortschreibung des Themas gebündelt. Endlich erfolgt auch eine klarere begriffliche Differenzierung von Inklusion und Integration – allerdings vor allem im Rückgriff auf (sport-) soziologische Erkenntnisse. Durch die notwendige Beschäftigung mit dem Ende 2016 durch die Bundesregierung verabschiedeten BTHG sind die Verbände näher zusammengerückt und haben gemeinsame Stellungnahmen erarbeitet. Darin wurde zurecht die mangelnde Orientierung an der UN-BRK kritisiert. Im BTHG finden sich nur an zwei Stellen explizit Bezüge zum Themenfeld Sport.19 Exemplarisch für die Landesverbände innerhalb des DOSB wurde der Landessportbund NRW untersucht, der jedenfalls bis zum Abschluss der hier vorgelegten Untersuchung das Thema nur an untergeordneter Stelle auf gegriffen hat. Differenzierter waren zu einem früheren Zeitpunkt bereits einzelne Stellungnahmen der Behindertensportverbände (DBS und Gehörlosenverband), von Special Olympics Deutschland und vom konfessionellen Verband der DJK. Alle diese Verbände sind auch dem DOSB auf unterschiedlichen Ebenen zugeordnet. Der DBS ist wiederum Dachverband für eine ganze Reihe sehr heterogener Verbände. Das Positionspapier des DBS von 2010/11 enthält bereits eine Reihe von weitgehenden Überlegungen im Anschluss an die UN-BRK, ohne jedoch auf den Inklusions-Diskurs weiter einzugehen. Weiter führt der 2014 vom DBS veröffentlichte »Index für Inklusion im und durch Sport«, der nicht nur ein weitgehendes Verständnis von »Inklusion« entwickelt, sondern neben dem Aspekt der Behinderung auch alle anderen Dimensionen mit einbeziehen will, wie Geschlecht, Alter, Religion, Sexualität, Ethnizität etc. Dem organisierten Sport wird eine Vorbildfunktion zugesprochen – etwa im Blick auf die Teilhabemöglichkeiten in Sport und Spiel sowie in den Strukturen des organisierten Sports. Damit wurde ein weitreichender Standard gesetzt. Einen auch gegenüber der möglichen Vereinnahmung durch die Prozesse der Inklusion kritischen Ansatz hat der DGS mit seinem Papier von 2012 erläutert: es wird darauf bestanden, die Eigenständigkeit nicht zu verlieren. Zugleich wird beklagt, dass es auch auf Seiten des DGS Barrieren gebe, die abgebaut werden müssten. Die konfessionellen Verbände haben sich sehr unterschiedlich auf das Themenfeld von »Inklusion« eingelassen. Im CVJM fehlen bis zum Abschluss dieser Untersuchung dezidierte Stellungnahmen durch den Verband. Auch die Hochschule oder das Kolleg des CVJM haben bisher nur Papiere veröffent19 So im Kapitel 11 »Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen«, in dem unter den Leistungen zur Rehabilitation auch die des Rehabilitationssports genannt sind (a. a. O., Bundesgesetzblatt S. 3258) und in Kapitel 13 § 78, wo in Bezug auf das Thema der »Assistenzleistungen« festgehalten wird, dass für »die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten« Assistenzleistungen notwendig sind (a. a. O. Bundesgesetzblatt S. 3262).
Die sportpolitischen Ansätze
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licht, die sich auf Teilaspekte des Themas beziehen (Arbeit mit Kindern und Jugendlichen). Sehr viel weitreichender ist die vom katholischen DJK 2013 veröffentlichte Handreichung, die nicht nur ein differenziertes Verständnis der Begriffe von Inklusion und Heterogenität beinhaltet, sondern auch ganz unterschiedliche Bereiche der Sportpraxis vorstellt, die sich nicht nur auf den organisierten Sport beziehen (Schule, Netzwerke, Kooperationen etc.), sondern den Aspekt der Gemeinwesenarbeit berücksichtigen. Auch die Frage des Menschenbildes spielt eine wichtige Rolle in den Überlegungen. Dabei haben die konfessionellen Verbände als »Zwitterorganisationen« die besondere Chance der intermediären Vermittlung zwischen den Funktionsbereichen von Religion und Sport und sollten diese noch viel deutlicher wahrnehmen als bisher. Die Schwerpunkte der sportwissenschaftlichen Forschung im Themenfeld lagen seit den 70er Jahren im Bereich der Sportpädagogik und der Integration von Menschen mit Behinderungen und von Migranten. Der Inklusionsbegriff wurde den Sportwissenschaften erst spät durch die soziologische Forschung erschlossen, den eigentlichen Impuls gab die UN-BRK. Inzwischen werden aber auch andere Aspekte auf die Inklusionsthematik bezogen und untersucht (Geschlecht, Alter, Ethnie, Religion, sexuelle Orientierung etc.). In der Expertise für den organisierten Sport (2014) werden in sportwissenschaftlicher Perspektive verschiedene Vorschläge und Empfehlungen gegeben, die für die nächsten Jahre wegweisend sind. Sie kommen dabei allerdings weitgehend ohne eine Begründung aus dem philosophischen bzw. religiösen / theologischen Zusammenhang aus. In der Auseinandersetzung mit dem Begriff der Inklusion im Begriffsfeld mit Integration, Diversität oder Interkulturalität werden rechtliche und politische Vorgaben (UN-BRK) verfolgt. Die UN-BRK begründen damit nicht, warum Inklusion auch außerhalb des vorgegebenen Rechtsrahmens umgesetzt werden muss. Gemeint ist – trotz vielfacher Hinweise auf die problematische Geschichte etwa der Begriffe Integration und Inklusion – die Gruppe der Menschen mit Behinderungen. Gegenüber den zunächst festzustellenden Bestrebungen eines breit angelegten Diskurses mit interdisziplinärer Öffnung werden in den jüngeren Expertisen für und Strategiepapieren von den Sportorganisationen vor allem die für den organisierten Sport unmittelbar relevanten Fragen diskutiert. Es kann – insbesondere im Blick auf die Expertise von 2014 – sogar von einer gewissen Vereinnahmung der Sportwissenschaften durch die Sportorganisationen gesprochen werden, da diese nicht aus eigener Initiative sondern im Auftrag des DOSB verfasst wurde. Ein weiteres Problem, dass sich aus der Einseitigkeit der Orientierung an rechtlichen und politischen Vorgaben ergibt, ist die Gefahr, sich dem Gesetz der Machbarkeit unterzuordnen und sich dem in der Politik verbreiteten Gestus »utopischer Haltung« anzupassen20 bzw. sich der Logik der Ökonomie unterzuordnen. Um dem zu entrinnen, ist eine stärkere Öffnung der Sportorganisationen ebenso erstrebenswert wie eine kritische Auseinandersetzung mit der Sportwissenschaft. 20 Uwe Becker, Inklusionslüge, S. 8.
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Sport als Herausforderung für Öffentliche Theologie: Das Inklusions-Potenzial
Die Stärke der sportpolitischen Ansätze ist also zugleich ihre Schwäche: Die Dachverbandsstruktur fördert die Koordination des Diskurses innerhalb des Funktionsbereiches Sport auf breiter Basis, verhindert aber die notwendige Offenheit und blockiert die Wirkungen von kritischen Positionen und den Einfluss der religiösen, theologischen und philosophischen Aspekte in der Debatte um die »Inklusion«. 3.
Die kirchenpolitischen Ansätze
Die Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften in Deutschland haben sich mit dem Themenfeld »Inklusion« unterschiedlich intensiv auseinandergesetzt. Eine einheitliche Linie ist kaum zu erkennen, in den verschiedenen Verlautbarungen wird erstaunlich selten aufeinander Bezug genommen. Im Unterschied zu den Organisationen des Sports ist die Struktur etwa der Evangelischen Landeskirchen eher ungünstig für eine gute Koordination des Diskurses, allerdings ist dafür die Bandbreite der Beiträge sehr hoch. Zwar hat die UN-BRK der inhaltlichen Auseinandersetzung innerhalb der Kirchen einen wichtigen Schub und gute Impulse gegeben, der Ursprung des theologisch-kirchlichen Diskurses liegt jedoch weiter zurück. So hat neben der Katholischen Kirche auch der Ökumenische Rat der Kirchen bereits 2003 eine wichtige Handreichung veröffentlicht. Die verschiedenen Handreichungen, Denkschriften und Positionspapiere aus der Katholischen Kirche, den Evangelischen Landeskirchen und der Ökumene sind soziologisch und theologisch weitgehend fundiert und bieten wichtige und aktuelle Beiträge zum Diskursthema »Inklusion« an, u. a. zu den folgenden Stichworten, die sich aus der Analyse der Stellungnahmen (Kap. VIII) ergeben haben: − Inklusion als Strukturprinzip (christlichen Handelns) (EKHN) − Aspekt der Sprache (EKHN u. a.) − Unabschließbarer Prozess (EKHN u. a.) − Netzwerkaufbau (Nordkirche u. a.) − Zusammenschau von bundestheologischer, christologischer, ekklesiologischer und eschatologischer Perspektive (Ev. Landeskirche Baden) − Utopische Endvision (Ev. Kirche Kurhessen / Waldeck) − Inklusion ist kein Sparmodell (Ev. Landeskirche Anhalt) − Inklusive Gemeindekultur (Ev. Kirche der Pfalz) − Vision »Gemeinschaft verwirklichen« (DW) − Warnung vor einer »Inklusion light« (DW) − Herausforderung für den Glauben (Baptisten) − Unbehindert Leben und Glauben teilen (Römisch-katholische Kirche) − Partizipation, Gleichbehandlung, Inklusion (Alevitische Gemeinde) − Eine Kirche aller für alle (ÖRK) − Christus kam, um die Mauern einzureißen (ÖRK)
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− Jeder Mensch ist ein Geschenk (ÖRK) − Grenzsensibilität in der inklusiven Gesellschaft (Ev. Kirche KurhessenWaldeck) − Einbeziehung von Genderfragen, Religionszugehörigkeit und Weltanschauung, sozialer Ungleichheit, sexueller Orientierung (Ev. Kirche Kurhessen Waldeck) − Tugend der Barmherzigkeit (Ev. Kirche Kurhessen-Waldeck) − Grenzüberwindung ist Teilhabeerfahrung (Ev. Kirche Kurhessen-Waldeck) − Inklusion als menschenrechtliche Leitnorm (EKD) − Kultur der gegenseitigen Akzeptanz und Wertschätzung (EKD) − Imperfektabilität als Hintergrund für Heterogenität (EKD) Die Vorschläge und Ideen für die Praxis sind unterschiedlich, lassen aber auch vergleichbare Ansätze und Modelle in Schnittmengen erkennen. Die Verfas serinnen und Verfasser sind sich u. a. darin einig, dass es sich beim Modell der Inklusion um einen unabgeschlossenen Prozess handelt. Hilfreich für eine solche Perspektive ist der eschatologische Ansatz. In verschiedenen Papieren wird die Notwendigkeit einer Gemeinwesenorientierung betont (Rheinland, EKKW) und der Vorschlag für einen Inklusions-Index (Rheinland) gemacht – Vorschläge, die sich auch in den Stellungnahmen der Sportorganisationen finden. Die in der Regel biblisch-theologisch begründeten Überlegungen bieten eine gute Basis für die Weiterführung des Diskurses – nicht zuletzt mit verschiedenen Gesprächspartnern im Funktionsbereich Sport. Andererseits wird in den kirchlichen Schriften eine Reflexion auf den Bereich der aktiven Körperlichkeit – abgesehen von der Frage nach der Definition von »Behinderung« – weitgehend ausgespart. »Sport« und »Bewegung« als Dimensionen spielen keine Rolle. Die Denkschriften und Papiere bieten ein breites Spektrum biblischer Begründungen für Inklusion an. So bezeichnet das Diskussionspapier der EKHN in Anlehnung an 1. Tim 2,4 Inklusion als wesentliche Dimension und Strukturprinzip christlichen Glaubens und Handelns. Die Evangelische Kirche in Baden benennt theologische Perspektiven in Bezug auf 1. Petrus 2,5 (Schöp fung und Bund), Mt 5,13 (Christus), Röm 12,1, 1. Kor 12 (Kirche) und Hebräer 4,9 und 13,14 (Zukunft). Das Diakonische Werk will Inklusion im Sinne von Mk 10,51 (Was willst Du, dass ich Dir tun soll?) bzw. 1. Joh 4,16b (Gott ist Liebe) umgesetzt sehen. Die Westfälische Kirche verweist auf Ex. 4,11 (Gott als Schöpfer von Vielfalt) und Joh 10,10 (Leben in Fülle). Das Katholische Papier von 2003 beschäftigt sich besonders mit der »leidvollen Isolation« von Menschen mit Behinderungen (Joh 9, 1–10) und betont die Vielfalt in der einen Kirche (Gal 3,28 und 1. Kor 12). In Anlehnung an Gen 1,27b begründet die Rheinische Denkschrift die gleichberechtigte Verschiedenheit der Menschen. Jesus habe sich insbesondere für die Anderen, Besonderen und Randständigen interessiert (Mt 21,32 und Lk 10, 27–37). 1. Kor 12 wird als Leitlinie für eine »Inklusion in Christus«
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verstanden, Ex 22,20 (Erfahrung von Fremdheit) als Leitkategorie für die Umsetzung von Inklusion in der Gemeinde. Die Vision der Völkerwallfahrt aus Jes 2–4 wird als »Lernort für die Teilhabe von Verschiedenen« bezeichnet. Aus Hebr 13,2 wird die Kategorie der Gastfreundschaft hergeleitet. Die Ausarbeitung der EKKW stellt den Aspekt der Barmherzigkeit nach Lk 6,36 als Verhaltensstruktur in den Vordergrund und bezeichnet die Versöhnung der Welt mit Gott durch Jesus Christus als zentrales theologisches Modell (Phil 2,6 f ). In der Denkschrift der EKD wird zunächst Gen 1,26 f. und der darin ent haltene Gedanke der Gottebenbildlichkeit als wichtigster theologischer Bezugspunkt herausgestellt. Das menschliche Normalitätsstreben wird durch 1. Sam 16,7 in Frage gestellt gesehen und in 1. Kor 11,17 ff. eine Reich-GottesUtopie erkannt. Unter den Denkschriften ist besonders das Ökumene-Papier mit »active participation« und »full involvement« als Kriterien für die Umsetzung der Inklusions-Idee in Kirche und Gesellschaft von größter Bedeutung. Es folgt dem Credo aus Epheser 2, 14: Jesus ist gekommen, um Mauern einzureißen. Gott liebt alle Menschen, mit und ohne Behinderungen – so wird mit Bezug auf Gen 32, 24 ff (Jakobs Kampf am Jabbok) festgehalten. Biblische Heilungsgeschichten (Mk 1,40–45; Mk 2,1–12) lassen sich deuten als Aufhebung sozialer Stigmata und die damit verbundene Inklusion. Nach Joh 1,14 ist Christus das gebrochene Fleisch der Humanität, seinen Körper im Abendmahl darbringend (Mt. 26,26) und auferstanden mit seinen am Kreuz erlittenen Verletzungen (Lk 24, 36–39). Die von Gott gegebenen Schätze sind in gewöhnlichen Irdenen Gefäßen aller Art verborgen (2. Kor 4,7). Zum Festmahl sind alle eingeladen (Jes 25,6 f.). Ein Lastenausgleich in der Gesellschaft findet statt (Gal 6,2; Röm 12,4). Theologie ist hier auch im Diskurs über die Inklusion »auf dem Weg« (theologia viatorum«), also eschatologisch ausgerichtet zu verstehen. Es gilt, in immer neuen Diskursen zu reflektieren, was Behinderung ist, und was Inklu sion. Eine wesentliche Stärke des Ökumene-Papiers liegt darin, dass schon die Vorbereitung und Formulierung des Textes das Ergebnis eines inklusiv angelegten Diskussionsprozesses war, wie es in weiteren kirchlichen Stellungnahmen immer wieder gefordert wird. Das Papier ist jedoch in keiner der zeitlich nachfolgenden Stellungnahmen berücksichtigt. Die hier gemachten Vorschläge würden zu einem Paradigmenwechsel führen, denn sie brechen über die Re-Lektüre der biblischen Schriften verfestigte Strukturen auf und beschreiben Kirche als Ort und zugleich als Prozess einer Gemeinschaft für alle. Die Gottebenbildlichkeit wird individuell und zugleich korporativ verstanden. Neben dem Ökumene-Papier bilden die Orientierungshilfe der Evange lischen Kirche des Rheinlandes, das Positionspapier der Evangelischen Kirche in Kurhessen und Waldeck und die Orientierungshilfe der EKD die wichtigsten Bausteine für einen grundlegenden gesellschaftlichen Diskurs, an dem sich die Kirche mit Unterstützung durch die Öffentliche Theologie im Sinne einer intermediären Institution beteiligen kann.
Gerechtigkeit
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4. Gerechtigkeit Das Leben ist in seiner Vielfalt schier unerschöpflich. Jeder Mensch ist unverwechselbar, nicht nur anhand seines Fingerabdrucks. Zugleich ist er Teil einer Gemeinschaft, einer Familie, der Gesellschaft. Biblisch-theologisch ist dies unter dem Aspekt der menschlichen Würde schon ganz zu Beginn der Schöpfungsgeschichte so formuliert: »Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau« (1. Mose 1, 27)21. Gott selbst ist nach christlicher Auffassung ein Gott in drei Seinsweisen: als Vater, Sohn und Heiliger Geist22. In dieser Formulierung sind die Aspekte der Unterscheidung im Sinne von Differenzierung und Vielfalt angelegt: der Mensch ist nicht Gott gleich, aber nach seinem Vorbild geschaffen; der Mensch ist kein Klon-Wesen, sondern jeweils ein Unikat, er ist kein Monadenwesen, sondern vom ersten Augenblick an sozial-kommunikatives Subjekt, das sich in der Gemeinschaft mit anderen bewegt – auf Augenhöhe. Insofern ist die potentielle Teilhabe an den Funktionsbereichen der Gesellschaft nicht nur eine Zuschreibung, sondern ein aktives Recht. Die Evangelien sind voll von Geschichten einer Perspektiv-Veränderung, in denen Margina lisierte zur Teilhabe befreit und ermächtigt werden.23 Im 1. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth ist das Thema der Einheit bei aller Verschiedenheit und Vielfalt von Anfang an bestimmend. Im Leben der Kirche, besonders in der Situation des Abendmahls und bei der Taufe kommt dies zum Tragen: In der Gemeinde in Korinth hatten die Wohlhabenden ihr mit der Feier der Eucharistie verbundenes Sättigungsmahl eingenommen, obwohl die Anderen, die Armen, noch nicht anwesend waren. Paulus kritisiert den Zustand der fehlenden Gemeinschaft und fordert dazu auf, zu warten, d. h., die Anderen wahrzunehmen. In der Taufe sind alle durch einen Geist getauft, da spielen Herkunft und Vorgeschichte keine Rolle (1. Kor. 12, 13) – im Gegenteil soll darauf geachtet werden, dass wenn Teile der Gemeinschaft leiden, Solidarität konkret wird. Entsprechend gilt eine »Option für die Armen« bzw. eine »Option der Armen« als Prinzip der Gleichwertigkeit, der 21 In der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache ist dieser Satz so aus dem Hebräischen übertragen worden: »Da schuf Gott Adam, die Menschen, als göttliches Bild, als Bild Gottes wurden sie geschaffen, männlich und weiblich hat er, hat sie, hat Gott sie geschaffen.« Zur Thematik vgl. zuletzt: Bernd Oberdorfer, The Dignity of Human Personhood and the Concept of the »Image of God«, in: Michael Welker (Ed.), The Depth of the Human Person, S. 257–273. 22 Gott ist also ein Gott in Beziehung. Vgl. auch Ulf Liedke, Inklusion in theologischer Perspektive, in: Ders. / Ralf Kunz (Hg.), Handbuch Inklusion in der Kirchengemeinde, Göttingen 2003, S. 31–52, S. 34. 23 Vgl. z. B. die Geschichte der Begegnung Jesu mit dem Gelähmten. Dazu und zum Thema insgesamt: Peter Noss, Körper – Behinderung – Sport: Theologische Einsichten zu einem Inklusionsverhältnis, in: Florian Kiuppis / Stefan Kurzke-Maasmeier (Hg.), Sport im Spiegel der UN-Behindertenrechtskonvention. Interdisziplinäre Zugänge und politische Positionen, Stuttgart 2012, S. 201–216.
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Sport als Herausforderung für Öffentliche Theologie: Das Inklusions-Potenzial
Gerechtigkeit und der Teilhabemöglichkeiten für alle.24 Diese Argumentationsrichtung findet sich auch bei Paul Ricœur und Emanuel Lévinas: bei Gerechtigkeit geht es um differenzierte Gleichwertigkeit und eine entsprechende Zueignung, die den Erwartungen, Forderungen und Ansprüchen des Anderen Raum für ihre Einlösung gibt. Eine »Option für die Armen« meint im Prinzip nichts anderes als eine »Option für die Anderen«, weiterzudenken als eine »Option der Armen / Anderen«, also derjenigen, die sozial benachteiligt sind, die Fremde sind, die eine (von der Norm abweichende) Form der Behinderung haben, die nicht dazugehören, dass sie die Teilhaberechte nicht nur zugeschrieben bekommen, sondern diese selbst gestalten. Kirche ist – im Grundverständnis der christlichen (gottesdienstlichen) Gemeinschaft, nicht jedoch als Institution – per se inklusiv. Das zeigt sich nicht zuletzt an der theologischen Begründung der Menschenrechte: Sie sind nicht objektivierbar, sondern prozessual, müssen immer wieder neu reflektiert und an die Wirklichkeit angepasst werden. Kirche und Theologie sind daher Akteurin, Partnerin im Zusammenwirken mit anderen gesellschaftlichen Akteuren, die sich darum bemühen, Würde und Rechte aller Menschen zuerst innerhalb von Kirche zur Anerkennung und Durchsetzung zu verhelfen. Der Gedanke der Toleranz ist eine weitere entscheidende Voraussetzung für die Möglichkeit einer inklusiv verfassten Kirche. Bereits im Buch Levitikus ist diese Idee entfaltet: als gleichwertiges und gleichberechtigtes Nebeneinander von einander Fremden. Für das Urchristentum war die Toleranz als Anerkennung der Unterschiedlichkeit der Teilhabenden konstitutiv, die verschiedenen Gruppen waren zu tolerieren und zu integrieren – bei allen Grenzen von Toleranz, wenn diese sich gegen Intoleranz richten musste. Der Grundtenor der Schriften, besonders der Tora, der Evangelien und der Briefe zielt auf Toleranz und Inklusion. Die aus der Idee der Gottesebenbildlichkeit zu gewinnende Einsicht in die Menschenwürde gilt allen Menschen in gleicher Weise. Teilhabe an der Gemeinschaft und der Gesellschaft bedeutet Autonomie in der Entscheidung. Diese christlich-jüdisch theologischen Einsichten mussten jedoch erst gegen die Kirche als einer mit weltlicher Macht kooperierenden Institution durchgesetzt werden. In gleicher Weise musste »die Achtung des Leibes, die sich im modernen Sportbetrieb ausdrückt, (…) sich … im harten Kampf gegen das Christentum durchsetzen.«25 Es ist deshalb keineswegs selbstverständlich, dass die Kirche der Gegenwart als ein Motor für Toleranz und Inklusion und als Partner des Sports agiert. Vielmehr muss der Weg der Selbsterkenntnis und -korrektur hier konsequent weiter beschritten werden.
24 Vgl. Ulf Liedke, Inklusion, 41 ff. Vgl. Heinrich Bedford-Strohm, Vorrang für die Armen, S. 200, Wolfgang Huber, Gerechtigkeit. 25 Erich Geldbach, Sport und Protestantismus. Geschichte einer Begegnung, Wuppertal 1975, S. 14.
Das neue Verständnis von Körper und Person
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Das neue Verständnis von Körper und Person
Wenn Kirche als Partner des Sportes Impulse geben will, so ist es notwendig, ein positives, differenzierteres Verständnis von Leiblichkeit und Körper zu gewinnen, als dies bis heute noch verbreitet ist. Die alte Trennung von Leib / Körper und Seele muss zugunsten eines ganzheitlichen Verständnisses überwunden werden.26 Leiblichkeit ist eine Vermittlung gegenüber Gott, zu den Anderen und zur Welt. In der Unterscheidung von gelebtem und erlebtem Leib wird das deutlich: wenn man sich wohl fühlt in seinem Körper, bleibt der Körper gleichsam »anonym«, es wird als »Einssein« erlebt, wir sind identisch, sind also unser Leib, mit dem wir vermögen, etwas zu tun.27 Die jüdische Vorstellung des Körpers ist nicht an Formen, Aussehen und Perspektiven orientiert, sondern an der Kraft, der Wirkung.28 Die Kraft, die den Körper belebt, ist der Atem (Nefesch, Neschama, Ru’ach). Nach Gen 2,7 hat Gott dem aus Erde gemachten Geschöpf den Atem eingeblasen. Wenn der Mensch stirbt, verlässt der belebende Atem den Menschen wieder (Gen. 35,18). Die leibliche, d. h. körperliche Existenz des Menschen wird in der hebräischen Bibel als wertvoll dargestellt. Für Paulus bedeutet Leben, in Bezug zu Gott zu stehen – und zwar in jeder Hinsicht, auch körperlich. Sein prinzipiell positives Verständnis des Leibes und der Leiblichkeit wird von Paulus in seiner u. a. an die Psalmen angelehnten Sprache als Vielfalt, Diversität von Schöpfung entfaltet. Im Epheserbrief (Eph 5, 18 ff.) wird das Bild vom Einssein Christi mit seiner Kirche als Leib weiter ausgeführt; ja Heiden und Juden gehören zum selben Leib (susoma). Eine neue Wirklichkeit wird so geschaffen, in der der Glaube an eine leibliche Auferstehung Nahrung erhält, die über das Leben als bloß fleischliche Existenz hinausgeht.29 »Das Fleisch gehört unabdingbar zur historisch-materiellen Basis der leiblichen Existenz und damit auch zu der nach Paulus höherstufigen irdischen menschlichen Existenzform in Gestalt von Herz, Seele und Geist.«30 26 Vgl. dazu: den Band: Michael Welker (Ed.), The Depth oft he Human Person. A Multidisciplinary Approach, Cambridge 2014; Peter Noss, Mit sich selbst eins. Sport und Körperlichkeit in der Bibel, ZGP 3/2012, S. 2–5. 27 Vgl. Ommo Grupe, Art. Leib / Körper, in: Lexikon der Ethik des Sports, S. 329. 28 Vgl. dazu insgesamt: Silvia Schroer / Thomas Staubli, Die Körpersymbolik der Bibel, Gütersloh 1998. 29 Vgl. dazu Günter Thomas, Human Personhood at the Edges of Life: Medical Anthropology and Theology in Dialogue, in: Michael Welker (Ed.), The Depth of the Human Person, a. a. O., S. 370–394. »Instead, as human beings and persons we participate in the dynamic interaction of the triune God with God’s own world. On the basis of this observation we can hope that decay, frailty, and death are no longer the last reality of human beings will face; instead we can look toward God’s transforming future.« (S. 394) 30 Michael Welker, Die Anthropologie des Paulus als interdisziplinäre Kontakttheorie«, in: Jahrbuch der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Heidelberg 2010, S. 98–107, S. 101.
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Sport als Herausforderung für Öffentliche Theologie: Das Inklusions-Potenzial
Körper (body) und Geist (Spirit) stehen in einem komplizierten Zusammenspiel von Individuum und Gemeinschaft. Von wesentlicher Bedeutung für das Verständnis der paulinischen Anthropologie ist das »Herz«, Psyche noch Seele haben ihm gegenüber kein eschatologisches Privileg. Das Herz ist der Ort verborgener Absichten und Gedanken, in ihm kommen emotionale und moralische Energie zusammen, es verleiht die notwendige Charakterfestigkeit, empfängt Trost und Führung, ist der Ort der Leidenschaft, bezeugt Entschlossenheit und spirituellen Gehorsam. Dieses Verständnis der Ganzheitlichkeit bietet einen adäquaten Ansatz für den Dialog mit dem Sport. Den weitgehendsten und explizitesten Ansatzpunkt für eine theologische Interpretation des Inklusionsgedankens hat, wie gezeigt, Ulrich Bach ent wickelt. Er warnt vor einer Theologie der Stärke, die nach wie vor einer »Option der Armen« entgegensteht. Es sei von Gott her gedacht völlig unerheblich, wie ein Mensch ist: Mann oder Frau (oder noch anders!31), blind oder sehend, schwarz oder weiß, aktiv oder tetraplegisch etc. Dass dies bedeutungslos ist, ist allerdings theologisch höchst relevant, weil es eine Aussage darüber ist, ob »alle allzumal einer in Christus [sind], die Familie Gottes, der Leib Christi, die Gemeinde als ›Gegenwirklichkeit zur Apartheid‹.«32 Im Blick auf die Gender-Frage hat Isolde Karle betont: »The church should encourage people in all their variety to develop their God-given gifts, abilities, and talents. Yet this also means that the quality of relationsships (and not of already-determined normative roles) becomes the criterion of responsible Christian relationships and community.«33 Diese Überlegungen lassen sich mit Moltmanns Ansatz positiv verbinden, insofern beide auf eine radikale Umsetzung ethischer Notwendigkeiten drängen. 6.
Die christlich-eschatologische Interpretation Jürgen Moltmanns als Schlüssel zum Verständnis von »Inklusion«
Einen geeigneten Ansatz zur theologischen Interpretation des Inklusions gedankens bietet die in Kapitel VI. dargestellte Theologie Jürgen Moltmanns, der zudem selbst als ein wichtiger Vertreter der Öffentlichen Theologie anzu sehen ist. Zudem hat er selbst den Sport als ein Reflexionsfeld identifiziert. Nach seiner Auffassung hat der Sport anthropologisch etwas anzubieten, das nur ihm eigen ist, nämlich »die einfache und ganz ursprüngliche menschliche 31 Vgl. Stefanie Schardien, Im falschen Körper. Herausforderungen für die Theologie: Transidentität und Ethik, in: ZZ 9/2013, S. 11 ff. 32 Ulrich Bach, Ohne die Schwächsten ist die Kirche nicht ganz. Bausteine einer Theologie nach Hadamar, Neukirchen-Vluyn 2006, S. 26. Vgl. Ders., S. 9.: »Zur Grundaussage bliblischer Verkündigung gehört die Gleichheit aller Menschen vor Gott (es gibt nicht verschiedene ›Sorten‹: die ›Normalen‹ und die ›Ausnahmen‹).« 33 Isolde Karle, Beyond Distinct Gender Identities: The Social Construction of the Human Body, in: Michael Welker (Ed.), The Depth of the Human Person, a. a. O., S. 333–350. Zitat: S. 349 f.
Die christlich-eschatologische Interpretation Jürgen Moltmanns
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Lust am Sport, die Freude am Gelingen der sportlichen Leistung und das Glück, das man in einem gelungenen Spiel empfindet. Sport und Spiel gehören zum Menschen, seit es Menschen gibt. Sie sind ein Teil seiner Humanität. Im Sport findet der Mensch sich selbst, entdeckt er seine Kräfte, spürt er seine Grenzen. Er spielt mit seinen körperlichen Möglichkeiten und gestaltet sein Leben. Im Spiel findet der Mensch seine Einstellung zu anderen Menschen und gestaltet seine Gemeinschaft. Sport und Spiel haben eine eigene Bedeutung für die Menschwerdung des Menschen. Sie haben ihre eigene Würde und ihren Sinn in sich selbst. … Diese Dimension des zweckfreien, aber in sich sinnvollen Spiels ist die wahre religiöse Dimension im Sport.«34 Der andere Begriff, der die Erfahrung von Sport und Spiel prägen sollte, ist die »Freiheitshoffnung«. Moltmann beschreibt damit den eigentlichen Wert des Sports und benennt sowohl die Gefahr einer Ideologisierung bzw. Politisierung des Sports, als auch die Gefahr einer »modernen olympischen Religion«35, die das zweckfrei-sinnvolle Spiel und die Freiheit verdeckt. Das »Wir« der kollektiven Identifikation wird instrumentalisiert, um soziale Konflikte zu überdecken und die gesellschaftliche Ordnung zu stabilisieren. Durch den Wettkampf der Nationen werden im Fall der Olympischen Spiele »sportliche Triumphe … als Gradmesser für die Weltgeltung einer Nation und die Leistungskraft eines Wirtschaftssystems«36 missbraucht. Moltmann schlägt daher vor, die olympische Idee – und damit prinzipiell den Sport überhaupt – wieder an die Ursprünglichkeit von Erfahrung und Hoffnung zurückzubinden, um Entfremdung und Fremdbestimmung zu vermeiden: »Die olympische Idee muß den Schutz der olympischen Erfahrung gegen Ausbeutung durch andere Interessen garantieren.«37 Er schlägt u. a. vor, Idee und Organisation der Olympischen Spiele mit der UNO zu verbinden, um sie zu einer »Sache der Menschenwürde« zu machen – also zu einer inklusiven, die Nationalismen, die Ungerechtigkeits- und Exklusionsmechanismen überwindenden Angelegenheit der Weltgemeinschaft. Diese Überlegungen fußen auf seinen systematisch-theologischen Grundüberlegungen. Seine »Theologie der Hoffnung« ist der Hintergrund für eine Kirchenlehre in eschatologischer Perspektive, die auf der Interpretation der Theologie des Paulus insbesondere im Römerbrief anknüpft. Moltmann ist Realist und kein Träumer, wenn er die Umstände von Unterdrückung, Gewalt, Rassismus und andere Formen von Ausgrenzung und Exklusion beschreibt. Seine sehr nüchterne Betrachtung ist eine der Triebfedern für die theologischen Überlegungen, die in eschatologischer Perspektive auf Veränderung der Gesellschaft zum Guten zielen. Insofern ist die Verwirklichung von Inklusion im besten Sinne eine Utopie, die als solche vor parteipolitischer, organisations
34 Jürgen Moltmann, Olympia, a. a. O., S. 435. 35 Ebd. 36 Ebd., S. 432 f. 37 Ebd., S. 436.
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zentrierter oder auch staatlicher Vereinnahmung geschützt werden muss.38 Eine Vereinnahmung z. B. durch die Organisationen im Funktionsbereich Sport ist abzulehnen, weil die Gefahr besteht, die Utopie dem Gesetz der Machbarkeit unterzuordnen. Damit ist nicht gemeint, das Handeln auf die Zukunft zu verschieben, sondern im Gegenteil mit dem Handeln sofort zu beginnen: Denn das Reich Gottes ist dann angebrochen, wenn sich die Welt verändert und die Gesellschaft auf Inklusion hinarbeitet. Kirche engagiert sich für diejenigen, die aus verschiedenen Gründen am Rand der Gesellschaft stehen, die Hoffnung ist der Motor der handelnden Liebe. Sie wirkt an den Schnittstellen der Gesellschaft im Sinne einer, wie Wolfgang Huber formuliert hat, »intermediären Institution«.39 Sie besinnt sich auf ihre Botschaft und übernimmt vermittelnde Aufgaben aufgrund ihrer spezifischen Fähigkeiten. Die eschatologische Perspektive, die sie einbringt, wirkt dabei stärkend und entlastend zugleich. Dabei befindet sie sich in Kooperation und Konkurrenz zu anderen intermediären Institutionen, die in der Gesellschaft aktiv sind. Die christologisch-eschatologische Interpretation Moltmanns will die Spielund Handlungsräume von Kirche sichtbar machen. In Gottesdienst und Abendmahl wird Inklusion erfahrbare Wirklichkeit, denn hier wird niemand ausgeschlossen. Die Abendmahlsgemeinschaft werde, so hat es Markus Dröge im Anschluss an Moltmann pointiert, »die Grenzen der eigenen Gemeinde nur als relative Grenzen betrachten können – Grenzen, die die Gemeinschaft am Tisch des Herrn nicht bestimmen dürfen. Denn die Wirkweise des Geistes, als Geist der Gemeinde die partikulare Gemeinschaft zu einigen, ist eben nur eine Wirkweise. Die Macht der Vereinigung transzendiert die Grenzen.«40 Hoffender Glaube wird zum Widerspruch bzw. Widerstand gegen den Ausschluss von Teilhabe. Kirche ist also das Volk Gottes, »in freier Solidarität und in kritischer Gemeinschaft … zusammen mit der Welt, dem Volk und den Völkern, den Nationen und Gesellschaften auf dem Wege«, sie ist »offene Kirche … für Gott, offen für den Menschen und offen für die Zukunft Gottes und des Menschen«41. Darin ist sie nicht unpolitisch, sondern dezidiert politisch, verantwortlich handelnd – als »Kirche unter dem Kreuz«, denn »die Nachfolge Christi hat immer politische Konsequenzen«: Während die Politisierung der Kirche, also die Bindung an jedwedes partikulares Interesse die Kirche unglaubwürdig macht, führt »der politisch verantwortliche Begriff der Kirche … dagegen zu der im Volk und mit den Völkern leidenden und kämpfenden Kirche und zum Verständnis dieser Kirche des Volkes im Rahmen der 38 Vgl. Uwe Becker, Inklusionslüge, S.8: »Wenn politische Maßnahmen gewissermaßen mit der Aura utopischer Heiligkeit versehen werden, spätestens dann wird die geschichtliche und politische Wirklichkeit utopisch verklärt, sie wird unangreifbar und gewinnt totalitäre Züge.« 39 Vgl. Kap. III.7.1. und IV.1. 40 Markus Dröge, Kirche, S. 248. 41 Jürgen Moltmann, Kirche in der Kraft des Geistes, S. 15.
Die christlich-eschatologische Interpretation Jürgen Moltmanns
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Befreiungsgeschichte Gottes, deren Ziel die neue Schöpfung in Frieden und Gerechtigkeit ist«.42 Kirche ist nach seinem Verständnis eine offene Gemeinschaft der Vielfalt »der Ungleichen und Verschiedenen«, die sich gegenseitig anerkennen. Die Geschichte Christi »für uns« ist daher »offen und inklusiv«.43 Sie ist »alles was sie ist, im Dasein für andere.«44 Als exemplarische Konfliktfelder für das notwendige Engagement der Kirche im Blick auf die Frage der Durchsetzung der Menschenrechte nennt Moltmann Rassismus, Sexismus und das Verhältnis gegenüber Menschen mit Behinderungen.45 Dieses Engagement sieht Moltmann im Horizont der – durchaus kritischen – Rezeption der Menschenrechte, die nicht Besitz oder Ideal sind, sondern »rechtliche und politische Hilfen auf dem Wege der Menschwerdung des Menschen und der Vereinigung der Menschheit«, die als »Leitlinie für das politische Handeln und den politischen Widerstand der Christen« bewertet werden können.46 Kirche ist also als intermediäre Institution bzw. als Inklusionsagentin gefragt, wenn sie aus ihrem Selbstverständnis heraus gesellschaftlich aktiv wird. Freiheit ist bezogen auch auf die Emanzipation von politischen Mächten, was im Blick auf die Institution immer wieder überprüft werden muss. Kirche muss unabhängig und damit kritikfähig bleiben, etwa um zu kritisieren, dass Debatten um Inklusion oder soziale Gerechtigkeit »utopisch eingegrenzt« werden. Insbesondere (partei-)politische Interessengruppen drängen darauf, »das utopische Gelände« abzustecken, einzuzäunen und zu kontrollieren.47 Im Bildungsbereich etwa in der Frage des Förderschulsystems führt dies immer wieder zu problematischen Entscheidungen. Organisatorisch wichtig ist es, lokale bzw. regionale Bezüge herzustellen – entsprechend der Tatsache, dass Kirche als Gemeinde vor Ort aktiv ist und dort inklusiv Gottesdienst und Abendmahl feiert. Gemeinwesenarbeit, die Beteiligung an Selbsthilfe- oder Bürgerinitiativen sind mit ihren Aktivierungs- und Beteiligungstechniken und hohen Potentialen die wirksamsten Formen der Veränderungen48, was auch in den Stellungnahmen und Orientierungshilfen aus Sport und Kirche an verschiedenen Stellen betont wurde. Dabei wird der Vorschlag gemacht, einen »Index für Inklusion« zu erarbeiten bzw. sich für die Arbeit an der Basis (Vereine, Gemeinden) zu orientieren.49 Diese Überlegung lässt sich im Übrigen 42 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 32. 43 Ebd., S. 45. 44 Jürgen Moltmann, Theologie der Hoffnung, S. 302. Vgl. Kap. IV.7. 45 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 206–210. Vgl. Ulf Liedke, Inklusion in theologischer Perspektive, 31, macht ebenfalls auf den Ansatz von Jürgen Moltmann aufmerksam. 46 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 205. 47 »Politik gefällt sich in der ›utopischen Haltung‹ bei gleichzeitiger Anwaltschaft für das finanzielle Realitätsprinzip, dem sich die Utopie zu fügen hat. … Eine solche Politik der utopischen Haltung verwässert die Konturen des Konflikts.« U. Becker, Inklusionslüge, S. 9. 48 Jürgen Moltmann, Kirche, S. 357–360. 49 Ein Austausch im Gemeinwesen zwischen Kirchengemeinde und Sportverein wäre auf dieser Grundlage ein lohnendes Unterfangen.
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auch auf den Kontakt zu Sportvereinen vor Ort übertragen, wenn es etwa um die Frage der Inklusion von Menschen mit Behinderung, mit Migrations geschichte oder andere Exklusionsfaktoren geht. 7.
Die Utopie der Inklusion: Umarmung als Grenzübergang
Inklusion ist als eschatologisch-utopisches Modell ein Leitmotiv für gesellschaftliche Veränderung. Im Kontext von Vielfalt und Verschiedenheit (Diversität) drängt sie von der Makroebene hinunter auf die Meso- und Mikroebene, da es die Freiheit des Individuums betrifft, das dank seiner menschlichen und gottgegebenen Würde die Entscheidungen für (und gegen) Teilhabe selbst trifft, ohne dabei den / die jeweils Andere(n) zu vergessen. Zurecht ist danach gefragt worden, wer wann? und aufgrund welcher Maßstäbe dazu berechtigt ist festzulegen, welcher Mensch gesellschaftlich exkludiert oder inkludiert ist50, zumal es ein hierarchisches Gefälle in Bezug auf Inklusion und Exklusion gibt.51 Die Erfahrung von Inklusion kann in Ausgrenzungserfahrungen umschlagen, gesellschaftliche Selektions- und Sanktionsmechanismen werden durch Inklusion nicht einfach aufgehoben.52 Welche Möglichkeiten gibt es also, sich an den Grenzen zu bewegen? Nicht der Inklusionsraum an sich ist heilig53, sondern die gelungene Begegnung bzw. Kommunikation. Miroslav Volf bezieht sich in seinen Überlegungen auf Moltmanns Argumentationslinie unter dem Stichwort der »Solidarität«: Christus leidet am Kreuz das Leiden der Armen und Schwachen und identifiziert sich so mit den Opfern verschiedener Formen von Exklusion. Die zweite wichtige Bezugsgröße ist die Philosophie von Emmanuel Levinàs. Zwar stößt die Selbsthingabe immer wieder an die Grenze der Gewalt, ist aber alternativlos. Nicht die Annahme der Heilung der Welt durch Rationalität oder soziale Kontrolle führt zum Ziel, sondern die Hoffnung im Licht des Kreuzes, die zur sich selbst hingebenden Liebe führt. Mit der Metapher der »Umarmung« beschreibt er den Prozess der Annahme und folgt damit implizit den Vorschlägen Jürgen Moltmanns, dessen Theologie von den gleichen Kategorien geprägt ist: Trinität, Christologie und Eschatologie. Die Umarmung ist ein »Spiel an der Grenze« zum jeweils Anderen, die es zu respektieren und zu überschreiten gilt: »Leben in der Hoffnung heißt Liebenkönnen, und zwar das ungeliebte und verstoßene Leben lieben können. Was aber heißt Lieben anders, als mit den ungeweckten Möglichkeiten des anderen Menschen zu rechnen, einschließlich der Möglichkeit Gottes an ihm? Versöhnung und Hoffnung werden durch konkrete, persönliche und soziale Liebe verbreitet. Darum liegen endlich in der schöp-
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Uwe Becker, Inklusionslüge, S. 12. Rudolf Stichweh, Leitgesichtspunkte, S. 36 f. Gudrun Wasig, Der Inklusionsbegriff, S. 93. Uwe Becker, Inklusionslüge, S. 13.
Die Utopie der Inklusion: Umarmung als Grenzübergang
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ferischen, versöhnenden und hoffenden Liebe die tiefsten Möglichkeiten des menschlichen Menschen in einer unmenschlichen Welt.«54 Der Ansatzpunkt dazu kann das von Volf entwickelte Programm der Umarmung sein, die ein Handeln an der Grenze ist: nicht als egoistische Grenzüberschreitung, sondern als respektvolles Angebot.55 Das Ziel seiner in vier Phasen zu beschreibenden Umarmung ist das beidseitig Schließen der Arme, die die Gegenwart des Anderen im Selbst gegenseitig spürbar macht. Der jeweilige Andere wird nicht zum Gegenstand bzw. Objekt meines Selbst, sondern bleibt das nicht zu verstehende Subjekt, den ich nicht in meine Subjektivität verwickeln kann. Der Schließung folgt die Öffnung der Arme, die dieselben sind wie die der vorangegangenen Akte. So nähert sich das Ich dem Anderen an, indem es immer etwas mehr gibt als nimmt. Der Andere ist in seiner Entscheidung frei. In diesem Bild der ganzheitlichen, die gesamte Person umfassenden Umarmung ist die Idee der Inklusion als kommunikativer Akt nachvollziehbar beschrieben. Das Bild entzieht sich dem Wahn der Machbarkeit ohne in Passivität zurückzufallen und schafft die für die Inklusion notwendigen Grenzübergänge, ohne die Integrität zu verletzen. Und es fordert zu immer neuer Anstrengung heraus, die als Utopie begriffene Idee der Inklusion in reale Vollzüge zu übersetzen. Das Bild der Umarmung lässt sich außerdem mit dem Sport und seinen intermediär zu fördernden Idealen sehr gut verbinden. Umarmungen finden auf dem Spielfeld auf unterschiedliche Weise statt. Vor und während des Spiels liegen sich bei Mannschaftssportarten die Akteure der jeweiligen Mannschaften in den Armen: zur Begrüßung, im Falle des Erfolges und auch in der Niederlage. Nach dem Spiel ist die wichtigste Geste die der Öffnung und Versöhnung mit dem Gegner, dem Respekt gezollt und die freie Wahl des Handelns ermöglicht wird.
54 Jürgen Moltmann, Mensch, S. 169. 55 Miroslav Volf, Von der Ausgrenzung zur Umarmung, a. a. O.
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Thesenpapier: Gelebte Toleranz – Integration und Inklusion als Herausforderungen für Kirche und Sport
Der 43. Studienkurs des Arbeitskreises Kirche und Sport der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beschäftigte sich im März 2013, angeleitet durch Vorträge und Bibelarbeiten, mit den vielfältigen Herausforderungen und Chancen von Integration und Inklusion. Aus den Diskussionen zwischen Vertreterinnen und Vertretern von Kirche, Diakonie und Sport sind die folgenden Ergebnisse erwachsen. Diese sollen den innerkirchlichen Diskurs anregen sowie einen Beitrag zu weiterführenden Überlegungen im organisierten Sport und in der Sportpolitik leisten. I.
Die bunte Gnade Gottes
Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.
Apg 2,6 Vielfalt gehört zur guten Schöpfung Gottes. Die Verschiedenheit der Menschen in ihren körperlichen und geistigen Gaben und Begabungen, als Männer und Frauen und in ihren kulturellen Identitäten wird biblisch oft im Lichte der Bereicherung und wechselseitigen Stärkung beschrieben. Erzählungen wie die Pfingstgeschichte betonen, dass in einer Gemeinschaft Unterschiede bestehen können. Differenzen darf und soll es geben, solange sie nicht trennend und ausgrenzend wirken. Kirche und Sport sehen diese bunte Vielfalt als eine große Chance, aber auch als eine Herausforderung an. Ihnen gelingt es bislang nicht immer, Menschen einzubeziehen und teilhaben zu lassen, die anders oder fremd erscheinen. Zugleich wird den Akteuren in Kirche und Sport aber immer deutlicher: Es gilt besonders auf jene zu achten, die ausgeschlossen zu werden drohen. Es wäre verengt, darunter ausschließlich Menschen mit Behinderung oder mit Migrationshintergrund zu verstehen. Um diesen Menschen die Teilhabe in kirchlichen und sportlichen Kontexten stärker als bisher zu ermöglichen, bedarf es der sensiblen Aufmerksamkeit für die verschiedenen Bedürfnisse und der kreativen Suche nach Wegen und Möglichkeiten, Barrieren aufzulösen. Wichtig erscheint: Soweit wie möglich sollen sich alle Beteiligten – und besonders jene, die sich bislang in den Kontexten von Kirche und Sport zu wenig oder nicht wiederfinden – an diesen Prozessen aktiv beteiligen können.
258 II.
Thesenpapier: Gelebte Toleranz
Inklusion und Integration
Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. Gal 3,28 Eine Gemeinschaft, in der die jetzt bestehenden, ausgrenzenden Unterschiede überwunden sind, zählt zu den zentralen christlichen Hoffnungsbildern. Auf welche Weise dies geschehen kann, ist heute umstritten: Modelle der Integration versuchen, ausgegrenzten Gruppen einen Ort in der Mehrheitsgesellschaft zu geben. Die neueren Modelle von Inklusion dagegen, wie sie bspw. auch die Behindertenrechtskonvention (2006) vertritt, verabschieden sich von der Vorstellung einer Mehrheits- oder Normalgesellschaft. Sie zielen auf die Ermöglichung einer gleichberechtigten, vollständigen Teilhabe aller Menschen in den sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen Kontexten. Kirchliche Kontexte schließen sich dieser Vorstellung an. Im Diskurs von Kirche und Sport fällt auf, dass die Begriffe aktuell oftmals dort zielgruppenspezifisch verwendet werden, wo sie politischen Förderungsrichtlinien unterworfen sind: In der Vergangenheit zielte »Integration« auf Menschen mit Behinderung, gegenwärtig auf Menschen mit Migrationshintergrund. Der Begriff »Inklusion« wird aktuell überwiegend verwendet im Blick auf die Arbeit mit Menschen mit Behinderung. Christinnen und Christen leben aus der Hoffnung, dass am Ende dieser Zeit eine »neue Welt« anbricht, in der sich eine friedliche und gerechte Gemeinschaft aller Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit endgültig durchsetzen wird. Diese eschatologische Hoffnung macht den christlichen Glauben gerade nicht lebens- und realitätsfern. Vielmehr wirkt sie als Motor, auch die gegenwärtig bestehenden Ausgrenzungen und Trennungen zwischen Menschen aufzuspüren und abzubauen. Erzwungene Inklusion im Sinne einer Gleichbehandlung und Gleichmacherei wäre allerdings ein Widerspruch in sich und nicht wünschenswert. Gegenüber rigiden Forderungen nach Gleichheit ist plausibler: Gleiches soll gleich, aber Ungleiches auch ungleich behandelt werden. Sehr sorgfältig muss also abgewogen werden, welche Bereiche in Kirche und Sport sich inklusiv gestalten lassen oder in welchen weiterhin eher integrative Maßnahmen fruchtbar erscheinen. Kirche und Sport können nicht zuletzt auch Räume eröffnen, in denen sich Menschen mit ähnlichen Hintergründen, etwa handicaps, in peer groups austauschen können, gerade um ihre Besonderheit in die größeren Gruppen einzubringen. Was Kirche und Sport wichtig ist: Die gute Idee der Inklusion darf nicht zur hohlen Floskel werden. Die Behauptung von Inklusion ist noch nicht deren Umsetzung. Um die Menschen in ihrer jeweiligen Verschiedenheit tatsächlich zur Teilhabe zu befähigen, bedarf es bleibender Anstrengungen und finanzieller Ressourcen. Wünschenswert für die kirchlichen Kontexte wäre, dass z. B. Nutzer diakonischer Angebote oder Besucher von gemeindlichen Suppenküchen und Beratungsstellen nicht am Rande stehen, sondern als gleichberechtigte Mitglieder der Gemeinde wahrgenommen werden und diese aktiv mitgestalten. Die Konfirmanden- und Jugendarbeit bietet besondere
Integration und Inklusion als Herausforderungen für Kirche und Sport
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Chancen zur Inklusion, da sie sich an Jugendliche unabhängig von familiärer Herkunft, Fähigkeiten und Schularten wendet. Nicht zuletzt zielen auch Gottesdienste darauf, Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit einzuladen. Im Sport kann diese Überzeugung bedeuten, dass sich Sportvereine für alle öffnen und Wahlmöglichkeiten für verschiedene Sportangebote schaffen. Dazu wiederum ist es notwendig, Übungsleiter entsprechend auszubilden. Angesichts der vielfachen Herausforderungen auf dem Weg zu inklusiven Gemeinschaften (Vereine, Gemeinden u. a.) ist es erforderlich, dass Kirche und Sport ihren Einrichtungen Materialien zur Fort- und Weiterbildung zur Verfügung zu stellen. Weiterführend und lebensdienlich erscheint es, wenn Kirche und Sport die Begriffe Integration und Inklusion nicht nur auf bestimmte Zielgruppen, wie Menschen mit Behinderung oder Migrationshintergrund, engführen. Wenn sie aufmerksam dafür bleiben, welchen Menschen die Teilhabe verwehrt ist oder erschwert wird, ziehen sie den Kreis ihrer Mitglieder möglichst weit. Auf diese Weise können Kirche und Sport auch einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, indem sie den Diskussionsprozess begleiten und Beispiele gelungener Teilhabe bereits leben. III.
Gelebte Toleranz:
Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Mt 25,35
Wo Inklusion und Integration gefördert werden, entwickelt sich ein Klima der Toleranz. Für Andere und Fremde offen zu bleiben, anstatt den Blick nur auf sich selbst zu richten, gehört zu einer Willkommenskultur, wie sie Kirche und Sport heute unterstützen. Dabei nimmt die Kirche durchaus selbstkritisch wahr, dass sie sich die Idee der Toleranz erst in ihrer jüngeren Vergangenheit zu eigen gemacht hat. Entgegen einer Vorstellung von Toleranz als bloße Duldung oder Erduldung, lässt sich in den kirchlichen und sportlichen Kontexten ein Verständnis von Toleranz wahrnehmen, das die Anderen und Fremden in ihrer Verschiedenheit respektvoll anerkennt. In der Kirche zeigt sich dies bspw. In der langen Tradition der ökumenischen Arbeit. Das je Besondere des Anderen wird geachtet und respektiert. Zugleich ist der Prozess gestaltet von dem Willen das Gemeinsame zu entwickeln. Im Sport demonstrieren dies die Beispiele von integrativen, bzw. inklusiven Sportgruppen im Vereins- und Freizeitbereich, aber auch sportliche Großveranstaltungen wie Paralympics, Special Olympics und Deaflympics. Die Toleranz findet ihre Grenze in Kirche und Sport dort, wo das Leben und die Würde anderer Menschen missachtet und gefährdet werden. Die so genannte »Null-Toleranz-Politik« muss es geben u. a. bei sexueller und körperlicher Gewalt, Doping und Diskriminierung. Hier ist es Aufgabe der Kirche und des Sports, die Stimme zu erheben und die Verletzung der Würde und den Missbrauch der Freiheit zu verurteilen.
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Thesenpapier: Gelebte Toleranz
Kirche und Sport verwirklichen bereits in vielen Bereichen eine inklusive und integrative Gemeinschaft im Sinne der bunten Gnade Gottes. Dies auszubauen und zu intensivieren ist ein vorrangiges Ziel, das sich Kirche und Sport gesetzt haben. Auf diese Weise entwickeln sie eine Haltung gegenüber Anderen und Fremden, die Toleranz im Sinne einer Kultur der Anerkennung lebt und vorlebt.1
1 Thesenpapier »Integration und Inklusion als Herausforderungen für Kirche und Sport – gelebte Toleranz«, abgedruckt in: Arbeitskreis Kirche und Sport (Hg.), Gelebte Toleranz. Integration und Inklusion als Herausforderungen für Kirche und Sport. Eine Dokumentation. 43. Studienkurs des Arbeitskreises Kirche und Sport der Evangelischen Kirche in Deutschland, 24. Februar bis 3. März 2013, Hannover 2013, S. 72 f.