Indexikalität: ihre Behandlung in Philosophie und Sprachwissenschaft 3484302178, 9783484302174

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Indexikalität: ihre Behandlung in Philosophie und Sprachwissenschaft
 3484302178, 9783484302174

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Symbole
Einleitung
Teil A SPRACHPHILOSOPHISCHE THEORIEN ÜBER INDEXIKALITÄT
1 Indexikalität und die Bedeutung von Wörtern
1.1 Sinne und Intensionen
1.2 Familienähnlichkeiten
1.3 Typusbegriffe
1.4 Stereotypen und versteckte Indexikalität
1.5 Vorläufige Explikation des Ausdrucks ein Wort ist indexikalisch
2 Indexikalität und Referenz
2.1 Referenz als Problem der Logik
2.2 Referenz denotierender und benennender Ausdrücke nach Russell
2.3 Referieren und Behaupten
2.4 Referenz und Irrtum
2.5 Referenz als Sprechakt
2.6 Vorläufige Explikation des Ausdrucks ein Sprecher referiert indexikalisch
Teil B SPRACHWISSENSCHAFTLICHE BEHANDLUNG VON INDEXIKALITÄT IM RAHMEN DER INTEGRATIVEN SPRACHWISSENSCHAFT VON H.-H. LIEB
3 Sprachwissenschaftliche Begriffe von Indexikalität
3.1 Deiktische Zeichen und Designatoren
3.2 Deixis und Referenz
3.3 Deixis und Anaphora
3.4 Deixis und Indexikalität
4 Die Erfassung von lexikalischer Indexikalität in der Integrativen Sprachwissenschaft
4.1 Grundgedanken der Integrativen Wortsemantik
4.2 Bedeutungen indexikalischer Wörter
4.3 Begriffliche Bestimmung der Indexikalität von Wörtern
5 Die Erfassung syntaktischer Indexikalität in der integrativen Sprachwissenschaft
5.1 Grundgedanken der Integrativen Syntax und Satzsemantik
5.2 Bedeutungen für indexikalische Konstituenten
5.3 Begriffliche Bestimmung indexikalisch-referentieller Ausdrücke
Literatur

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Linguistische Arbeiten

217

Herausgegeben von Hans Altmann, Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner

ffeide Richter

Indexikalität Ihre Behandlung in Philosophie und Sprachwissenschaft

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1988

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Richter, Heide : Indexikalität : ihre Behandlung in Philosophie u. Sprachwiss. / Heide Richter. - Tübingen : Niemeyer, 1988. (Linguistische Arbeiten ; 217) NE: GT ISBN 3-484-30217-8

ISSN 0344-6727

© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1988 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt.

Vorwort

Diese Arbeit ist als Dissertation unter dem Titel "Offene und versteckte Indexikalität in philosophischer und linguistischer Sicht" am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin bei Herrn Professor H.-H. Lieb entstanden. Ihm bin ich zu größtem Dank verpflichtet.

VII

INHALTSVERZEICHNIS

Seite Vorwort Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Symbole Einleitung

V VII XI l Teil A

SPRACHPHILOSOPHISCHE THEORIEN ÜBER INDEXIKALITÄT

5

l

Indexikalität und die Bedeutung von Wörtern

7

1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5

Sinne und Intensionen Sinn und Bedeutung von Ausdrücken Sinn und Irrtum Intension und Extension von Ausdrücken Synonymitätsrelationen Der Sinn von Wörtern wie ich

8 8 14 18 22 31

1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4

Familienähnlichkeiten Offenheit natursprachlicher Ausdrücke Familienähnlichkeiten Bedeutung und exemplarischer Gebrauch Ähnlichkeitsbegriffe

36 37 40 45 50

1.3 1.3.1 1.3.2

54 55

1.3.3

Typusbegriffe Typusbezeichnungen und klassifikatorische Begriffe Typusbezeichnungen und komparative Begriffe im üblichen Sinn Typusbezeichnungen und Ähnlichkeitsbegriffe

1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3

Stereotypen und versteckte Indexikalität Sprachliche Arbeitsteilung These der versteckten Indexikalität Putnams Konzeption der Bedeutung von Wörtern

68 68 74 84

1.5

Vorläufige Explikation des Ausdrucks ein Wort ist indexikalisch

89

58 64

VIII

Seite 2

Indexikalität und Referenz

92

2.1

Referenz als Problem der Logik

94

2.1.1

Charakterisierung einer formalen Sprache mit Jota-Operator

96

2.1.2

Carnaps Theorie

100

2.1.3

Quines Theorie

104

2.1.4 2.1.5 2.1.6

Russells Theorie Kennzeichnungstheorie der Freien Logik Kennzeichnungstheorie der dreiwertigen Logik

106 107

von Blau (1978)

110

2.2.1

Referenz denotierender und benennender Ausdrücke nach Russell Denotieren

113 114

2.2.2

Benennen

119

2.3 2.3.1 2.3.2

Referieren und Behaupten Ausdruck, Gebrauch, Äußerung Referierender und zuschreibender Gebrauch

126 127 133

2.3.3

Referieren und Identifizieren

139

2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3

Referenz und Irrtum Primäre und sekundäre Referenz Referentieller und attributiver Gebrauch 'speaker reference 1

147 148 150 155

2.5 2.5.1

Referenz als Sprechakt Referenz und Prädikation als propositionale Akte

159 160

2.5.2

Singuläre definite Referenz

161

2.5.3 2.5.4 2.5.5

Erfolgreiche und vollständige Referenz Begriffe der Identifikation Referenz unter einem Aspekt

164 165 170

2.5.6

Referenz mit indexikalischen Ausdrücken

176

2.6

Vorläufige Explikation des Ausdrucks ein Sprecher referiert indexikalisch

186

2.2

IX

Seite Teil B SPRACHWISSENSCHAFTLICHE BEHANDLUNG VON INDEXIKALITÄT IM RAHMEN DER INTEGRATIVEN SPRACHWISSENSCHAFT VON H . - H . LIEB

190

3

Sprachwissenschaftliche Begriffe von Indexikalität

192

3.1 3.2 3.3 3.4

Deiktische Zeichen und Designatoren Deixis und Referenz Deixis und Anaphora Deixis und Indexikalität

193 198 202 206

4

Die Erfassung von lexikalischer Indexikalität in der Integrativen Sprachwissenschaft

210

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3

Grundgedanken der Integrativen Wortsemantik Begriffe als Eigenschaften psychischer Entitäten Explikation der psychologischen Grundbegriffe Entitäten, mit denen Begriffe identifiziert werden

211 212 217 218

4.1.4

Konstruktion von Begriffsinhalten

220

4.1.5 4.1.6

Die Beziehung zwischen Begriffen und Sprechern Die formalen Voraussetzungen

225 226

4.2

Bedeutungen indexikalischer Wörter

227

4.2.1 4.2.2 4.2.3

Orts- und Zeitadverbien Abgeleitete Adjektive Personal-, Possessiv- und Demonstrativpronomina

229 238 240

4.2.4

Modalverben

245

4.2.5 4.2.6

Subordinierende Konjunktionen Ähnlichkeitsbegriffe

257 261

4.3

Begriffliche Bestimmung der Indexikalität von Wörtern

273

Seite 5

Die Erfassung syntaktischer Indexikalität in der integrativen Sprachwissenschaft

276

5.1

Grundgedanken der Integrativen Syntax und Satzsemantik

5.1.1

Gebrauchskonzeption für Bedeutungen syntaktischer Einheiten 278

5.1.2 5.1.3

Zum Verhältnis von Syntax und Semantik. Syntaktische Funktionen. Syntaktische Einheiten, syntaktische Strukturen

283 286

5.1.4

Referenz relativ zu Referenzbasen

294

5.1.5

Syntaktische Grundbedeutungen, syntaktische Zwischenbedeutungen

303

5.1.6

277

Referentielle Ausdrücke, referentielle Lesarten, referentielle Bedeutungen

307

310

5.2.2

Bedeutungen für indexikalische Konstituenten Die Beziehung zwischen sprecherrelativen Begriffen und tatsächlichen Sprechern und Äußerungen Konstruktion indexikalisch-referentieller Bedeutungen

5.2.3

Konstruktion indexikalischer Bedeutungen innerhalb des

5.2 5.2.1

5.3

311 318

Rhemas von Sätzen

331

Begriffliche Bestimmung indexikalisch-referentieller Ausdrücke

338

Literatur

342

XI

Symbolverzeichnis logische:

& v ->

w /~\ £

Folge der Glieder d x , . . . , d Vereinigung Durchschnitt Inklusion echte Inklusion Komplement von D Differenz von D und E

c

D D-Ε andere: = .f ζ έ < >

definitorische Gleichheit kleiner als oder gleich gr er als oder gleich kleiner als gr er als

Einleitung 1. Indexikalität wurde in Sprachphilosophie, Logik und Linguistik lange Zeit so aufgefaßt, daß Wörter wie ich, hier, jetzt als die paradigmatischen Beispiele für Wörter mit indexikalischer Bedeutung gelten konnten. Dies änderte sich erst, als von Sprachphilosophen - von Wittgenstein (1953) und Putnam (1975a) - und von Wissenschaftstheoretikern - von Hempel und Oppenheim (1936) - auf versteckte Arten von Indexikalität im Zusammenhang mit Farbbezeichnungen wie blau, Typusbezeichnungen wie Opportunist und Bezeichnungen natürlicher Arten wie Zitrone aufmerksam gemacht wurde. Referentielle Indexikalität wurde von sprachphilosophischer Seite, insbesondere von Russell (1971 [l918]), so aufgefaßt, daß Referenz unter Verwendung indexikalischer Ausdrücke wie ich als das paradigmatische Beispiel für indexikalische Referenz gelten konnte. Diese Auffassung verlor im Rahmen pragmatischer Referenztheorien, wie sie von Strawson (1950) und Searle (1969) vertreten wurden, ihre Gültigkeit. Grundsätzlich änderte sich diese Auffassung, nachdem von Donnellan (1971 [l966]) auf eine versteckte Art von Indexikalität aufmerksam gemacht wurde, die beim gestisch-referentiellen Gebrauch definiter Beschreibungen auftritt. Die klare Unterscheidung von Indexikalität und Referenz stellt in diesem Zusammenhang ein Hauptproblem dar. Sie erfordert ein ausführliches Eingehen auf Referenzprobleme auch dort, wo sie Indexikalität möglicherweise nicht unmittelbar betreffen. 2. Ch. S. Peirce bleibt in dieser Arbeit unberücksichtigt. Seine Theorie über symbolische, ikonische und indexikalische Zeichen könnte sich als Grundlage für eine Untersuchung über sprachliche Indexikalität eignen. Dann wäre allerdings der Begriff eines Zeichens auf sprachliche Zeichen einzuschränken und der Begriff indexikalischer Zeichen auf sprachlich-indexikalische Zeichen. Wie und ob sich indexikalische Erscheinungsweisen verschiedener Art in einem solchen Rahmen erfassen lassen, wäre zu zeigen. Man sieht, dies wäre eine andere, eine eigene Untersuchung. 3. Die vorliegende Arbeit hat die Struktur einer zweiteiligen Synopse. In Teil A werden verschiedene sprachphilosophische Beschreibungen, Erklärungen und Begriffe von Indexikalität vorgestellt. In Teil B werden zunächst linguistische Indexikalitätsbegriffe verschiedener Autoren referiert, anschließend werden linguistische Beschreibungen, Erklärungen und begriffliche Präzisierungen von Indexikalität angegeben, wie sie sich aus den semantischen Theorien von H . - H . Lieb ( u . a . 1983) ergeben.

2

Innerhalb dieser Synopse hat Teil A die folgende Funktion: In ihm soll ein Rahmen für eine Analyse von Indexikalität verschiedener Art erstellt werden. Aus dem in Teil A der vorliegenden Arbeit festgelegten Rahmen ergeben sich folgende Adäquatheitsbedingungen: (3.1)

a. Indexikalität im Zusammenhang mit Wörter und ihren Bedeutungen ist auf andere Weise zu beschreiben und zu erklären als Indexikalität im Zusammenhang mit Referenz. b. Indexikalität von Wörtern umfaßt mindestens zwei Arten: Offene Indexikalität von Wörtern wie ich und versteckte Arten von Indexikalität bei Wörtern wie blau, Opportunist und Zitrone. c. Referentielle Indexikalität umfaßt mindestens zwei Arten: Indexikalität beim referentiellen Gebrauch indexikalischer Ausdrücke wie ich und Indexikalität beim gestisch-referentiellen Gebrauch definiter Beschreibungen.

Legt man diese Bedingungen zugrunde, erweisen sich die in Teil B vorgestellten linguistischen Indexikalitätsbegriffe als unzureichend im folgenden Sinn: (3.2)

a. Sie differenzieren nicht genügend zwischen Indexikalität auf der Ebene von Wörtern und auf der Ebene von Referenz, b. Versteckte Formen von Indexikalität bleiben unberücksichtigt.

Legt man die Adäquatheitsbedingungen in (3.1) zugrunde, erweist sich Liebs semantischer Ansatz aus folgenden Gründen als geeignet zur Erfassung indexikalischer Phänomene: (3.3)

a. In ihm wird klar zwischen Bedeutungen von Wörtern und Bedeutungen von Sätzen und ihren Konstituenten unterschieden. Daraus ergibt sich eine Differenzierung zwischen Indexikalität von Wörtern und ihren Bedeutungen und Indexikalität syntaktischer Einheiten und ihren Bedeutungen. b. Bedeutungen von Wörtern werden so konzipiert, daß auch versteckte Arten von Indexikalität erfaßt werden können. c. Der Konzeption von Bedeutungen referentieller Konstituenten von Sätzen liegt ein Referenzbegriff zugrunde, der die Berücksichtigung versteckter Formen indexikalischer Referenz ermöglicht.

Damit sind die Gründe für die in Teil B getroffene Wahl zugunsten des von Lieb entwickelten Ansatzes genannt. Im Rahmen des synoptischen Aufbaus dieser Arbeit hat Teil B die folgende Funktion: In ihm soll der Nachweis erbracht werden, daß sich, ausgehend von

3

dem in Teil A erstellten Rahmen, indexikalische Phänomene verschiedener innerhalb der semantischen Konzeption Liebs adäquat erfassen lassen.

Art

4. Aus dem synoptischen Charakter ergibt sich die Gliederung der Arbeit in zwei Teile, Teil A und Teil B. Aus der angegebenen Funktion von Teil A ergibt sich die folgende Parallelität in der Gliederung der Teile A und B. (4.1)

a. Die Abschnitte 1.1 bis 1.4 und 4.2 entsprechen sich im folgenden Sinn: In Kapitel l werden verschiedene Arten von offener und versteckter Indexikalität von Wörtern unter sprachphilosophischem Aspekt dargestellt. In Kapitel 4 werden dieselben Phänomene innerhalb von Liebs Konzeption begrifflicher Wortbedeutungen analysiert. b. Die Abschnitte 1.5 und 4.3 entsprechen sich im folgenden Sinn: In 1.5 werden, ausgehend von der dargestellten sprachphilosophischen Literatur, Begriffe der offenen und versteckten Indexikalität von Wörtern eingeführt. In 4.3 werden Vorschläge gemacht, wie sich diese Begriffe innerhalb von Liebs Ansatz präzisieren lassen. c. Die Abschnitte 2.1 bis 2.5 und 5.2 entsprechen sich im folgenden Sinn: In Kapitel 2 werden verschiedene Arten indexikalischer Referenz aus sprachphilosophischer Sicht dargestellt. In Kapitel 5 werden dieselben Phänomene referentieller Indexikalität innerhalb von Liebs Theorie syntaktischer Bedeutungen analysiert. d. Die Abschnitte 2.6 und 5.3 entsprechen sich im folgenden Sinn: In 2.6 werden, ausgehend von der dargestellten sprachphilosophischen Literatur, verschiedene Begriffe einer indexikalischen Referenz eingeführt. In 5.3 werden Vorschläge gemacht, wie der Begriff eines indexikalisch-referentiellen Ausdrucks innerhalb von Liebs Theorie so charakterisiert werden kann, daß wesentliche Aspekte der sprachphilosophischen Begriffe berücksichtigt werden.

Den beiden Teilen A und B, den Kapiteln l, 2 usw. und den Paragraphen 1.1, 1.2 usw. sind jeweils kurze Übersichten vorangestellt. 5. In seiner Theorie über Bedeutungen einfacher Sätze trennt Lieb scharf zwischen den referentiellen Bedeutungen gewisser Konstituenten eines Satzes und dem Rhema, der Satzaussage. Indexikalität im Zusammenhang mit referentiellen Konstituenten und ihren Bedeutungen konnte in der vorliegenden Arbeit bis zu einem gewissen Grad systematisch beschrieben und erklärt werden. Die Analyse von Indexikalität innerhalb des Rhemas eines Satzes blieb dagegen rudimentär und exemplarisch, so daß auf eine Einführung entsprechender Indexikalitätsbegriffe verzichtet wurde.

TEIL A

SPRACHPHILOSOPHISCHE THEORIEN ÜBER INDEXIKALITÄT

In Teil A dieser Arbeit geht es um sprachphilosophische Beschreibungen und Erklärungen indexikalischer Phänomene: In Kapitel l dieses Teils geht es um Indexikalität im Zusammenhang von Wörtern und ihren Bedeutungen, in Kapitel 2 geht es um Indexikalität im Zusammenhang von Referenz,die Sprecher einer Sprache unter Verwendung gewisser Ausdrücke vollziehen. Hinter dieser Gliederung steht die These, daß Indexikalität auf der Ebene von Wörtern und ihren Bedeutungen auf andere Weise zu beschreiben und zu erklären ist als Indexikalität auf der Ebene des referentiellen Gebrauchs, den Sprecher von gewissen Ausdrükken machen. Eine explizite Charakterisierung indexikalischer Phänomene im Bereich des Wortschatzes von Sprechern setzt eine Theorie der Wortbedeutung voraus. Eine explizite Charakterisierung indexikalischer Phänomene im Bereich der Referenz,die von Sprechern bei der Äußerung gewisser Ausdrücke vollzogen wird, setzt eine Theorie der Referenz voraus. Indexikalität von Wörtern wie ich oder hier äußert sich so, daß die Objekte, auf die sie angewandt werden können, in gewissen Relationen zu konkreten Äußerungssituationen stehen müssen. Indexikalität von Wörtern wie Spiel, Optimist und Zitrone äußert sich so, daß diese Wörter nur dann auf ein Objekt angewandt werden, wenn es gewissen Musterbeispielen der entsprechenden Klasse ähnlich ist: ein Spiel muß einem beispielhaften Spiel, ein Optimist einem typischen Optimisten, eine Zitrone einem typischen Exemplar dieser Art ähnlich sein. Indexikalität im Zusammenhang einer Referenz, die ein Sprecher mit Hilfe indexikalischer Ausdrücke wie ich vollzieht, äußert sich so, daß das Objekt der Referenz aufgrund der Bedeutung des verwendeten Ausdrucks und aufgrund gewisser Faktoren der gegebenen Äußerungssituation identifiziert wird. Indexikalität im Zusammenhang einer Referenz, die ein Sprecher mit Hilfe nicht-indexikalischer Ausdrücke wie der Mann, der Whisky trinkt vollzieht, äußert sich so, daß das Objekt der Referenz nicht nur aufgrund der verwendeten Beschreibung, sondern auch aufgrund einer Geste identifiziert wird. Ziel von Teil A wird es sein, einen deskriptiven und begrifflichen Rahmen für die in Teil B vorgeschlagene linguistische Analyse von Indexikalität festzulegen. Dies bedeutet folgendes: 1. Verschiedene Arten von Indexikalität, die bis vor kurzem in linguistischen Semantiken kaum berücksichtigt wurden, sollen unter sprachphilosophischem Aspekt beschrieben und erklärt werden.

2. Es sollen verschiedene Arten von Indexikalität, insbesondere in verschiedenen Bereichen, klar auseinandergehalten werden.

Indexikalität

3. Es sollen verschiedene sprachphilosophische Theorien der Wortbedeutung und der Referenz dargestellt werden, in denen indexikalische Phänomene Berücksichtigung finden. Diese Theorien sollen dann in Teil B unter linguistischem Aspekt beurteilt werden. 4. Ausgehend von der sprachphilosophischen Literatur, sollen verschiedene Vorschläge zur begrifflichen Bestimmung der Indexikalität von Wörtern und der Indexikalität von Referenz angegeben werden. Einige dieser Vorschläge sollen dann in Teil B unter linguistischem Aspekt präzisiert werden.

l

INDEXIKALITÄT UND DIE BEDEUTUNG VON WÖRTERN

In Kapitel l geht es um verschiedene Arten von Indexikalität im Zusammenhang mit Wörtern und ihren Bedeutungen, wie sie von sprachphilosophischer und wissenschaftstheoretischer Seite aufgezeigt werden. Dazu gehört nicht nur Indexikalität von Wörtern wie ich, hier usw., wie sie auch in der Sprachwissenschaft seit langem

bekannt ist,

dazu gehören

verstecktere Formen von Indexikalität

von Wörtern wie Spiel, Optimist, Zitrone. Im Sinne dieser Unterscheidung werde ich im folgenden von offener und versteckter Indexikalität sprechen. Phänomene versteckter Indexikalität werden oft menen der

Vagheit und der

Wörter erörtert.

im Zusammenhang mit Phäno-

Unterbestimmtheit der Bedeutungen

Beide Arten von Phänomenen werden oft so

entsprechender

interpretiert, daß

sie gegen eine Konzeption begrifflicher Wortbedeutungen sprechen. Wittgenstein (1953) gelangt so zu einer Gebrauchskonzeption von Bedeutungen, Putnam (1975a) zu einer Konzeption, nach der Bedeutungen die

Extensionen der Wörter als Kom-

ponente enthalten. Eine explizite Charakterisierung

von Vagheit und Indexika-

lität setzt eine bestimmte Bedeutungstheorie voraus. Entsprechend werden offene Indexikalität auf dem Hintergrund von Freges Sinn-Theorie,versteckte Formen von Indexikalität auf dem Hintergrund entsprechender sprachphilosophischer Bedeutungs- und wissenschaftstheoretischer Begriffskonzeptionen dargestellt. In Kapitel l soll folgendes erreicht werden: 1. Es sollen verschiedene Arten indexikalischer Phänomene beschrieben werden, die bei der sprachwissenschaftlichen Konstruktion von Wortbedeutungen zu berücksichtigen sind. 2. Es sollen Vorschläge zur Behandlung dieser Phänomene im Rahmen verschiedener sprachphilosophischer Theorien vorgestellt werden, die dann im linguistischen Teil beurteilt und entsprechend modifiziert werden. 3. Es soll überprüft werden,

ob Phänomene versteckter

piell unverträglich sind mit begrifflichen

Indexikalität prinzi-

Bedeutungen der entsprechenden

Wörter. 4. Auf dem Hintergrund der dargestellten eines

offen-indexikalischen

Wortes

Auffassungen und eines

sollen die

Begriffe

versteckt-indexikalischen

Wortes in erster Annäherung charakterisiert werden. Im linguistischen Teil dieser Arbeit sollen diese Vorschläge präzisiert werden.

8

In 1.1 geht es um offene Indexikalität im Rahmen der klassischen Bedeutungstheorie von Frege ( 1969 [ 1892] ) . In 1.2 bis 1.4 geht es um versteckte Formen von Indexikalität: in 1.2 um Familienähnlichkeit im Sinne von Wittgenstein (1953), in 1.3 um Typusbegriffe im Sinne von Hempel & Oppenheim (1936), in 1.4 um versteckte Indexikalität im Sinne von Putnam (1975a). In 1.5 werden verschiedene Begriffe der offenen und der versteckten Indexikalität von Wörtern im Sinn der genannten Autoren eingeführt. Unberücksichtigt bleibt die sog. kausale Referenztheorie von Kripke (1972), nach der Eigennamen eine versteckte Art von Indexikalität aufweisen. Unberücksichtigt bleibt auch die Behandlung indexikalischer Wörter im Rahmen der Montague-Grammatik. 1.1 Sinne und Intensionen In den Paragraphen 1.1.1 bis 1.1.5 geht es um die klassische Auffassung von Bedeutungen, wie sie von Frege (31969 [1892]) und Carnap (1972 [1955]) vertreten wird. Charakteristisch für diese Auffassung ist die Unterscheidung zwischen dem Sinn (der Intension) eines Ausdrucks und seiner Bedeutung (der Extension) und die Annahme, der Sinn lege die Bedeutung fest. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, daß Carnap einen wesentlichen Schritt weiter geht als Frege: Er führt den Begriff der Intension natursprachlicher Ausdrücke so ein, daß Vagheitsphänomene Berücksichtigung finden. Frege und Carnap orientieren sich bei der Entwicklung ihrer Bedeutungstheorien an nicht-indexikalischen Ausdrücken wie der Morgenstern, Kopernikus, Mensch. Ziel von 1.1 wird es sein, die Schwierigkeiten aufzuzeigen, die sich mit Wörtern wie ich oder heute für eine Theorie dieser Art stellen. Die Auswahl dieser beiden Autoren läßt sich in zweifacher Weise motivieren: zum einen damit, daß Wittgensteins Gebrauchskonzeption von Bedeutungen gegen Freges Begriffskonzeption gerichtet ist; zum anderen damit, daß Putnam (1975a) seine Theorie in der Auseinandersetzung mit Carnaps Auffassung entwikkelt hat. Die klassische Auffassung von Carnap und Frege bildet so eine Diskussionsgrundlage für die Theorien Wittgensteins und Putnams, die in 1.2 und 1.4 behandelt werden. 1.1.1

Sinn und Bedeutung von Ausdrücken

Frege führt die Unterscheidung zwischen dem Sinn und der cher Zeichen im Zusammenhang mit Sätzen wie

Bedeutung sprachli-

(111.1) Der Mann von Sharon Täte ist der Regisseur von "Tanz der Vampire".

ein, mit denen eine Identität behauptet wird. im Unterschied zu Sätzen wie

Entscheidend aber ist,

daß sie

(111.2) Der Regisseur von "Tanz der Vampire" ist der Regisseur von "Tanz Vampire".

der

durchaus einen Informationswert besitzen. Für die beiden Vorkommnisse der definiten Beschreibung der Regisseur von 'Tanz der Vampire' in (111.2) gilt: Sie sind auf der Ebene der Zeichen, auf der Ebene der Sinne und auf der Ebene der Bedeutungen identisch. Die Bedeutung einer definiten Beschreibung oder eines o Namens ist für Frege (1969 [1892]: 41) ein bestimmter Gegenstand "(dies Wort im weitesten Umfange genommen), aber kein Begriff und keine Beziehung". Identitätsbehauptungen wie (111.2) besitzen keinen Informationswert. Für die definiten Beschreibungen in (111.1) gilt: Sie bezeichnen dieselbe Person, d . h . auf der Ebene der Bedeutungen- entspricht ihnen ein- und dasselbe Objekt. (Der Index 'F' besagt, daß 'Bedeutung 1 im Sinne Freges verwendet wird.) Auf der Ebene der Bedeutungen^ herrscht Identität, auf der Ebene der Zeichen Verschiedenheit. Identitätsbehauptungen von dieser Art können durchaus informativen Charakter haben. Dies hat nach Frege ( 1969 [1892J: 41) seinen Grund darin, daß der Unterschied des Zeichens einem Unterschied in der Art des Gegebenseins des Bezeichneten entspricht. Wie hängt nun die Art des Gegebenseins mit den semantischen Begriffen des Sinnes und der Bedeutungp eines Zeichens zusammen? Man könnte den Sinn eines Zeichens mit der Art des Gegebenseins des bezeichneten Objektes identifizieren. Frege ist vorsichtiger. Er verlangt nur, daß der Sinn die Art des Gegebenseins enthält (Frege 31969 [1892 ]: 41): Es liegt nun nahe, mit dem Zeichen ( . . . ) außer dem Bezeichneten, was die Bedeutung des Zeichens heißen möge, noch das verbunden zu denken, was ich den Sinn des Zeichens nennen möchte, worin die Art des Gegebenseins enthalten ist. Diesen begrifflichen Bestimmungen zufolge haben die definiten Beschreibungen in (111.1) verschiedene Sinne: Die bezeichnete Person ist uns einmal als der Mann einer bestimmten Schauspielerin gegeben, einmal als der Regisseur eines relativ bekannten Films. Diese Verschiedenheit in der Art des Gegebenseins ein- und desselben Objektes führt zu informativen Identitätsbehauptungen. Frege illustriert seine Theorie an den definiten Beschreibungen der Morgenstern, der Abendstern und an dem Eigennamen Aristoteles. Die Bedeutung^ ist in diesen Fällen ein konkreter Gegenstand. Die Bedeutung p der Beschreibungen ist der Planet Venus, die Bedeutungp von Aristoteles ist der bekannte griechische Philosoph. Der Sinn von der Morgenstern enthält die Art, wie uns die Ve-

10

nus gegeben ist: als Himmelskörper, der hell leuchtend am morgendlichen Himmel zu sehen ist. Der Sinn von der Abendstern enthält eine andere Art des Gegebenseins desselben Planeten: als Himmelskörper, der hell leuchtend am abendlichen Himmel steht. Der Sinn von Aristoteles enthält die Art, wie uns der griechische Philosoph heute gegeben ist, etwa als der Schüler Platons und Lehrer Alexanders des Großen. Mit Kennzeichnungen und mit Eigennamen beziehen wir uns gewöhnlich auf genau ein Objekt, z.B. auf die Venus oder einen bestimmten Philosophen. Diese Objekte können uns aufgrund gewisser Eigenschaften gegeben sein, die gerade auf sie zutreffen. Bei der Venus können es bestimmte wahrnehmbare Eigenschaften sein, bei Aristoteles Eigenschaften, die laut Überlieferung auf ihn zutreffen. Frege führt in diesem Zusammenhang die folgende Terminologie ein (31969 [1892]: 46): Ein Eigenname (Wort, Zeichen, Zeichenverbindung, Ausdruck) drückt aus seinen Sinn, bedeutet oder bezeichnet seine Bedeutung. Die zweistellige Relation des Ausdrückens besteht zwischen Zeichen und Sinnen, die ebenfalls zweistellige Relation des Bezeichnens besteht zwischen Zeichen und Bedeutungen^. Frege führt die Unterscheidung zwischen dem Sinn und der Bedeutungp von Ausdrücken zunächst für definite Beschreibungen und Eigennamen ein. Wie läßt sie sich auf andere Ausdruckstypen übertragen? Substantive wie Quadrat oder Bruder drücken nach Frege (1971 [1892-95]: 34) ebenfalls einen Sinn aus und bezeichnen eine Bedeutung^. Für die Bedeutung^ von Wörtern dieser Art nimmt Frege an (1971 [1892-1895]: 34): aber diese besteht weder aus einem Gegenstande noch aus mehreren, sondern ist ein Begriff. Wörter mit Bedeutungen^ dieser Art nennt Frege Begriffswörter. Freges Annahme über die Art der Bedeutungen von Begriffswörtern hängt mit seiner Auffassung zusammen, daß Begriffswörter im Unterschied zu Namen und definiten Beschreibungen 'ergänzungsbedürftig 1 sind. Ähnliche Eigenschaften nimmt er für die Sinne und die Bedeutungen p von Begriffswörtern an. In diesen Zusammenhängen verwendet Frege die Ausdrücke 'ungesättigt 1 und 'prädikativ' (1971 [1892-1895] : 27, Anm. *): Die Wörter 'ungesättigt' und 'prädikativ' scheinen besser auf den Sinn als auf die Bedeutung zu passen; aber es muß dem doch etwas bei der Bedeutung entsprechen; und ich weiß keine besseren Wörter.

11

Begriffsumfänge haben nicht die Eigenschaft der 'Ungesättigtheit 1 und gehören somit im Rahmen der Fregeschen Ontologie zu den Gegenständen. Also kann die Bedeutung^ eines Begriffswortes nicht mit dem entsprechenden Begriffsumfang identifiziert werden. Begriffswörter drücken nach Auffassung Freges einen Sinn aus, sie haben einen Begriff als Bedeutung- und sie können sich über ihren Sinn und ihre Bedeutung- auf Objekte beziehen. Von Begriffen fordert Frege, daß durch sie für jedes Objekt festgelegt wird, ob es unter den Begriff fällt oder nicht. Begriffe müssen nach seiner Auffassung (Frege 1971 [1914J: 133) eine 'scharfe Begrenzung' haben. In diesem Punkt haben sie Ähnlichkeit mit Mengen. Nach dem heute geltenden Mengenbegriff kann man von einer Menge erst dann sprechen, wenn von jedem beliebigen Objekt feststeht, ob es ein Elemente der Menge ist oder nicht. Angenommen, man identifiziert abweichend von Frege die Bedeutung- von Begriff swörtern wie Bruder mit einer Menge von Objekten, mit der Menge von Personen, die Brüder von weiteren Personen sind. Dann ergeben sich für die Art des Gegebenseins solcher Mengen zwei Möglichkeiten: 1. Man ordnet sie dem Sinn des entsprechenden Wortes zu, durch den dann unmittelbar ein Begriff und durch diesen eine Bedeutung- festgelegt wird. 2. Man ordnet sie dem Begriff zu, durch den die Bedeutung- festgelegt wird. Ungeklärt bleibt dann, wie man den Sinn solcher Wörter zu charakterisieren hat, durch den in Freges Theorie eine Bedeutungp unmittelbar oder mittelbar gegeben sein soll. Der weiteren Darstellung liegen folgende Annahmen zugrunde: 1. Auch der Sinn von Begriffswörtern wird so aufgefaßt, daß er die Art des Gegebenseins der Bedeutung.- enthält. 2. Die Bedeutung- eines Begriffswortes wird mit einer Menge von Objekten identifiziert. 3. Diese Menge wird durch einen Begriff und dieser durch den Sinn des Wortes bestimmt. 4. Der zwischen Sinn und Bedeutung- vermittelnde Begriff bleibt weitgehend unberücksichtigt, was zu der verkürzten Sprechweise führt, der Sinn bestimmt die Bedeutung-. Nach dem heute geltenden Mengenbegriff ist eine Menge gebildet, wenn von jedem beliebigen Objekt feststeht, ob es ein Element der Menge ist oder nicht. Aus dieser Bestimmung ergibt sich u . a . , daß Mengen vollständig bestimmt sind durch ihre Elemente: Verschiedenheit von Mengen ist Verschiedenheit in mindestens einem ihrer Elemente. Um unterscheiden zu können, ob etwas ein Element einer Menge ist, muß man die Bedingungen kennen, die die Elemente erfüllen müssen. Dies sind im einfachsten Fall bestimmte Eigenschaften. Oder aber man kennt die Elemente selbst. Dies ist nur möglich bei endlichen Mengen mit wenig Elementen. Beiden Fällen entsprechen zwei Arten der Bestimmung von Mengen:

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- durch Aufzählung der Objekte; - durch eine Aussageform ' P ( x ) ' . Die Variable ' x ' wird dabei durch den Mengenbildungsoperator gebunden, so daß der folgende Ausdruck entsteht: '{x:P(x)}', zu lesen als 'die Menge der x, für die gilt: P ( x ) ' . Dadurch faßt man Objekte eines Grundbereichs zusammen, die die Aussageform ' P ( x ) ' in wahre Aussagen der Form ' P ( d , . ) ' , " P ( d p ) ' , . . . überführen, wobei ' d ^ ' , ' d p 1 , . . . Namen für Objekte aus dem Grundbereich sind. Angenommen, die Bedeutung^ von Bruder ist eine Menge von bestimmten Objekten. Dann ist diese Menge nicht durch Aufzählung, sondern nur durch eine Aussageform zu bestimmen,z.B. durch die folgende: 'x ist ein männliches Geschwister 1 . Die Menge der Brüder ist uns dann durch die Eigenschaften, von männlichem Geschlecht zu sein und ein Geschwister von jemandem zu sein, gegeben. Wir wenden das Wort nur auf Personen an, von denen wir wissen, daß sie diese Eigenschaften haben. Was läßt sich über den Sinn von Bruder sagen? Nach der obigen Bestimmung soll er die Art des Gegebenseins des Bezeichneten enthalten. Bei Wörtern wie Bruder scheint es sinnvoll, das Bezeichnete mit einer Menge von Objekten zu identifizieren. Die Art des Gegebenseins besteht dann in einer Menge von Eigenschaften, die ein Element der Menge haben m u ß . Kennt jemand den Sinn des Wortes Bruder, weiß er auch, daß ein Bruder ein männliches Geschwister von jemandem ist. Wie man sieht, gehören zum Sinn solcher Wörter Eigenschaften, die entscheidend sind für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Menge. Bei Wörtern dieser Art liefert der Sinn ein Kriterium für die Anwendung des Wortes auf Objekte. Wie aber verhält es sich bei Gattungsnamen wie Zitrone? Welche Funktion hat da der Sinn? Angenommen, die Bedeutung F von Zitrone ist die Menge der entsprechenden Früchte. Dann ist die Menge wiederum durch eine Aussageform zu bestimmen, etwa durch die folgende: 'x ist eine Frucht mit einer gelben, dicken Schale, sauer schmeckendem Fruchtfleisch und einer ovalen, sich an beiden Enden verjüngenden Gestalt 1 . Die Menge der Zitronen wäre uns dann in Form obiger Färb-, Geschmacks- und Gestalteigenschaften ihrer Elemente gegeben. Wir würden das Prädikat nur auf Früchte der beschriebenen Art anwenden. Wie aber sollte man sich den untypischen Exemplaren gegenüber verhalten? Sollte der Sinn von Zitrone tatsächlich die genannten Eigenschaften enthalten, hätte er eine andere Funktion als der Sinn von Wörtern wie Bruder. Der Sinn von Zitrone würde die typischen Exemplare charakterisieren. Er würde uns die Musterbeispiele liefern, an denen wir uns beim Klassifizieren orientieren könnten.

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Wenn enthält gegeben [1892]:

die Bedeutung F von Sätzen mit den Wahrheitswerten identifiziert wird, ihr Sinn, ihr 'Gedanke', wie Frege sagt, die Art, wie uns solche Werte 3 sind. Unter dem Wahrheitswert eines Satzes versteht Frege ( 1969 48):

den Umstand, daß er wahr oder falsch

ist.

Die Art des Gegebenseins des Wahrheitswertes eines Satzes von bestimmter Struktur besteht dann in einer Menge von Umständen, in denen der Satz wahr bzw. falsch ist. Bei Sätzen von der Form einer Konjunktion im aussagenlogischen Sinn müssen wir wissen, ob beide Teilsätze wahr sind. Bei Sätzen von der Form (111.3) Der Morgenstern ist ein von der Sonne beleuchteter Körper. müssen wir u . a . wissen, daß es einen Gegenstand der gekennzeichneten Art tatsächlich gibt. Im aussagenlogisch komplexen Fall ist ein Satz wahr genau dann, wenn die Teilsätze bestimmte Wahrheitswerte haben. Im elementaren Fall ist ein Satz nur dann wahr, wenn bestimmte Satzteile eine bestimmte Bedeutung^ haben. Der Sinn eines Satzes enthält die Bedingungen, unter denen er wahr ist, und die Bedingungen, unter denen er falsch ist. Er gibt an, wie die Welt im Wahrheits- bzw. Falschheitsfall beschaffen sein muß. Der Sinn von (111.3) würde u . a . die folgenden Bedingungen enthalten: 1. Es gibt genau ein Objekt von der Art der Sterne, das am morgendlichen Himmel besonders hell leuchtet. 2. Dieses Objekt gehört zu den von der Sonne beleuchteten Körpern. Zusammenfassend kann man feststellen: - Die Bedeutungenp von Eigennamen oder definiten Beschreibungen sind Individuen, konkrete oder abstrakte, die von Sätzen Wahrheitswerte. Die Bedeutungen p von einstelligen Begriffswörtern habe ich im Gegensatz zu Frege mit Mengen von Objekten identifiziert. Analog dazu kann man die Bedeutungenp von mehrstelligen Begriffswörtern mit Mengen von Folgen von Objekten identifizieren. - Der Sinn von Eigennamen oder definiten Beschreibungen enthält gewisse Eigenschaften des entsprechenden Individuums. Der Sinn von einstelligen Begriffswörtern wie Bruder enthält Eigenschaften, die jedes Element der entsprechenden Menge besitzt; der Sinn von Gattungsnamen wie Zitrone enthält Eigenschaften, die zunächst auf die typischen Früchte dieser Art zutreffen; der Sinn mehrstelliger Begriffswörter enthält gewisse Beziehungen zwischen Objekten bestimmter Art. Der Sinn von Sätzen enthält die Umstände, unter denen sie wahr bzw. falsch sind.

14 Im folgenden Paragraphen geht es um die Relation zwischen dem Sinn eines Ausdrucks und seiner Bedeutung. Frege spricht in diesem Zusammenhang von einer 'regelmäßigen Verknüpfung' zwischen einem Ausdruck, einem Sinn und der Bedeutung p . 1.1.2

Sinn und Irrtum

Der Sinn von Wörtern enthält die Art, wie wir das Bezeichnete erkennen; wie wir erkennen, welches Objekt der Morgenstern ist; wie wir erkennen, ob eine Frucht eine Zitrone ist; wie wir erkennen, ob ein Satz wahr ist. Der Sinn von der Morgenstern gibt an, woran man den Morgenstern erkennt, der Sinn von Zitrone gibt an, woran man im allgemeinen eine Zitrone erkennen kann. Frege vertritt, was auch von Dummett (1973: § 5) ausgeführt wird, einen kognitiven Sinn-Begriff. Dies zeigt sich u . a . daran, daß er den Sinn definiter Beschreibungen mit dem Informationsgehalt (Frege verwendet den Terminus 'Erkenntniswert') von Sätzen in Zusammenhang bringt, in denen die Beschreibungen vorkommen. Dagegen hat der Sinn von Zeichen nach Auffassung Freges nichts mit den Vorstellungen zu tun, die ebenfalls mit einem sprachlichen Zeichen verbunden sein können. Die Vorstellung ist subjektiv und unterscheidet sich so nach o Frege ( 1969 [1892]: 44) grundsätzlich von dem Sinn eines Zeichens, "welcher gemeinsames Eigentum von vielen sein kann". Entsprechend ist der Sinn eines Satzes, der Gedanke, für Frege (1969 [1892]: 46 Anm. 5) rt

ein objektiver Inhalt, der fähig ist, gemeinsames Eigentum von vielen zu sein. Nach dieser Auffassung ergeben sich für den Sinn sprachlicher Zeichen zwei Möglichkeiten: 1. Man konstruiert ihn als abstrakte nicht-psychische Entität, die von beliebigen Sprechern erfaßt werden kann. Bedeutungswissen hat dann die gleiche Struktur wie das Erfassen eines Gegenstandes: Jemand kennt die Bedeutung eines sprachlichen Zeichens, wenn er den Sinn erfaßt hat. 2. Man konstruiert ihn als abstrakte psychische Entität, für die gilt: Werden psychische Entitäten wie Vorstellungen dem logischen Typ vom Grade n zugeordnet, dann gehört der Sinn eines sprachlichen Zeichens dem logischen Typ vom Grade n + m an, wobei im einfachsten Fall m = 1. Vorstellungen, Perzeptionen und ähnliche Bewußtseinszustände bzw. Bewußtseinsvorgänge kann man als konkrete psychische Entitäten auffassen. Ausgehend davon ließe sich der Sinn sprachlicher Zeichen als eine Eigenschaft solcher Entitäten konstruieren. Während eine Vorstellung immer die einer bestimmten Person ist, kann eine Eigenschaft einer Vorstellung einer Person durchaus auf Vorstellungen anderer Personen zutreffen.

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Freges Charakterisierung des Sinnes als die Art des Gegebenseins des Bezeichneten verführt dazu, zunächst an wahrnehmbare Eigenschaften der bezeichneten Objekte zu denken. Bei dem Gattungsnamen Zitrone waren es u . a . Färb- und Gestalteigenschaften. Andererseits wird man auch formale Objekte wie Zahlen als Bedeutungen^ sprachlicher Zeichen zulassen wollen. Um zu entscheiden, ob ein formales Objekt eine Zahl ist, muß man bestimmte formale Eigenschaften kennen. Die Art des Gegebenseins verändert sich mit der Art der bezeichneten Objekte. In einigen Fällen handelt es sich um die Art, wie man Objekte unter normalen Bedingungen wahrnimmt, in anderen Fällen darum, wie man aufgrund gewisser Daten die gemeinte Person identifizieren kann, in noch anderen Fällen geht es darum, wie man abstrakte Objekte konzeptionell erfassen kann. Aus diesem Grund sollte man von dem Sinn eines Zeichens nicht verlangen, daß durch ihn das bezeichnete Objekt in jedem Fall als wahrnehmbares charakterisiert wird. Die regelmäßige Verknüpfung zwischen einem Zeichen, dem Sinn und der Bedeutung sieht Frege (31969 [l892]: 42) so, daß dem Zeichen ein bestimmter Sinn und diesem wieder eine bestimmte Bedeutung entspricht, während zu einer Bedeutung (einem Gegenstande) nicht nur ein Zeichen gehört. Derselbe Sinn hat in verschiedenen Sprachen, ja auch in derselben verschiedene Ausdrücke. Daraus folgt: - Haben zwei Zeichen denselben Sinn, haben sie auch dieselbe Bedeutungp. Denn einem bestimmten Sinn entspricht eine bestimmte Bedeutung^. - Haben zwei Zeichen dieselbe Bedeutung^, können sie verschiedene Sinne haben. Denn zu einer Bedeutung.- gehören mehrere Zeichen und verschiedene Zeichen können verschiedene Sinne haben. - Haben zwei Zeichen verschiedene Bedeutungen F , haben sie auch verschiedene Sinne. Hätten sie ein- und denselben Sinn, würde ihnen ein- und dieselbe Bedeutung F entsprechen. Dies widerspricht der Voraussetzung. Einem Zusammenfallen auf der Ebene der Bedeutungen^ kann Verschiedenheit auf der Ebene der Sinne entsprechen. Das Umgekehrte ist nicht die Regel. Ein- und demselben Sinn entspricht in der Regel eine Bedeutung. Allgemein gilt: Sinngleichheit führt zu Bedeutungsgleichheitp, während das umgekehrte Verhältnis nur auf einige wenige Fälle zutrifft. Verschiedenheit in den Bedeutungen p zweier Zeichen führt bei regelmäßiger Verknüpfung im erläuterten Sinn zu Verschiedenheit in den Sinnen.

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Daran wird deutlich, daß Frege bei der Einführung der Sinn/BedeutungsDichotomie an definite Beschreibungen wie der Morgenstern und an Namen wie Aristoteles dachte, nicht an Personalpronomina wie ich. Diese scheinen eine Ausnahme der erläuterten regelmäßigen Verknüpfung darzustellen. Wird ich von zwei verschiedenen Personen P. und Pp gebraucht, bezieht sich P^ mit ich auf P 1 , P p auf Pp. Dennoch wird man sagen, daß ich in beiden Äußerungen mit demselben Sinn verwendet wird. Beschreibt man diese Situation mit Freges Begriffen, gilt: Die Bedeutung- von ich relativ zur Äußerung durch P^ ist verschieden von der Bedeutungp von ich relativ zur Äußerung durch Pp, obwohl ich in beiden Verwendungen denselben Sinn hat. Dies zeigt, daß man P. usw. nicht mit der Bedeutungp identifizieren darf, oder daß die obige Verknüpfung nicht allgemein gilt. Auf Schwierigkeiten, wie sie im Zusammenhang indexikalischer Aus2 drücke wie ich auftreten, macht Frege selbst in einem späteren Aufsatz ( 1976 [1918/19] : 38f) aufmerksam. Darauf werde ich in 1.1.5 ausführlicher eingehen. An Freges Prinzip der regelmäßigen Verknüpfung von Zeichen, Sinn und Bedeutung,- sieht man, daß dem Sinn feinere Differenzierungen entsprechen als der Bedeutungp von Zeichen. Konsequenterweise führt die Relation der Sinngleichheit zu schärferen Äquivalenzklassen als die Relation der Bedeutungsgleichheitp. Wendet man die Relation der Bedeutungsgleichheitp an, sind die Kennzeichnungen der Morgenstern und der Abendstern äquivalente Ausdrücke. Wendet man die Relation der Sinngleichheit an, handelt es sich um Elemente verschiedener Äquivalenzklassen. Besonders deutlich zeigt sich der Unterschied bei Sätzen. In Anwendung der Relation der Bedeutungsgleichheitp erhält man zwei Äquivalenzklassen, die der wahren und die der falschen Sätze. In Anwendung der Relation der Sinngleichheit erhält man unbestimmt viele Äquivalenzklassen, denn Sätze mit demselben Wahrheitswert können die unterschiedlichsten Gedanken ausdrücken. Ein- und demselben Sinn verschiedener Zeichen entspricht bei regelmäßiger Verknüpfung eine Bedeutungp. Dies wird dadurch gewährleistet, daß der Sinn die Art des Gegebenseins der Bedeutungp enthält. Dadurch kann uns der Sinn unter günstigen Bedingungen zu den bezeichneten Objekten führen. Andererseits wird man berücksichtigen müssen, daß uns die Art, wie uns bestimmte Objekte gegeben sind, unter Umständen täuschen k a n n . Die Art, wie uns Objekte erscheinen, entspricht nicht immer dem, wie sie tatsächlich sind. Eigennamen historischer Persönlichkeiten z . B . lernen wir dadurch, daß uns gewisse Daten angegeben werden, die gerade auf die Person zutreffen sollen. Es kann nun vorkommen, daß einer solchen Person ein unzutreffendes Datum zugeordnet wird. Man gebraucht dann den Eigennamen _E mit einem Sinn S E , um sich auf

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eine Person P zu beziehen, die die in S^ geforderte Bedingung nicht erfüllt. Ein Irrtum anderer aber ähnlicher Art ist im Spiel, wenn sich jemand mit einer Kennzeichnung wie der Mann dort, der Whisky trinkt und einer Geste auf eine Person bezieht, die in Wirklichkeit Wasser trinkt. Im ersten Fall haben wir einen Irrtum übernommen, im zweiten Fall hat uns unsere Wahrnehmung getäuscht. Ein ähnlicher Irrtum ist mit den definiten Beschreibungen der Morgenstern und der Abendstern verbunden. Mit ihnen beziehen wir uns auf einen von der Sonne beschienenen Planeten. Wir verwenden eine Beschreibung B^ mit einem Sinn S R , um uns auf ein Objekt 0 zu beziehen, das die in SR enthaltene Eigenschaft nicht besitzt. Dummett (1973: § 5) bringt dieses Problem dadurch zum Verschwinden, daß er die beiden Ausdrücke als Namen klassifiziert, deren Sinn unabhängig ist von den Sinnen der Teilausdrücke. Eine etwas gewaltsame Lösung, die sich syntaktisch nicht rechtfertigen läßt. Will man solche Irrtumsmöglichkeiten berücksichtigen, kann man feststellen: Der Sinn eines Zeichens kann zu einer Bedeutung^ führen und er führt häufig zu ihr; aber er führt nicht automatisch zu ihr. Auch Frege sieht dies, wenn er sagt (31969 [1892]: 42): Freilich kommen Ausnahmen von diesem regelmäßigen Verhalten vor. Als Beispiel nennt er die definite Beschreibung die am wenigsten konvergente Reihe. Sie drückt zwar einen Sinn aus, bezeichnet aber nichts. Die Verletzung der Verknüpfungsregel für Zeichen, Sinne und Bedeutungenp liegt darin, daß einem bestimmten Sinn keine Bedeutung^ entspricht, weil es ein Objekt der gekennzeichneten Art nicht gibt. Odysseus ist ein Beispiel für einen bedeutungslosenp Eigennamen, Einhorn, Hexe sind Beispiele für Begriffswörter, die einen Begriff bezeichnen, unter den keine Objekte fallen. Jade ist ein sog. Sammelname. Sein Sinn S . läßt sich etwa so erläutern: blaßgrüner, durchschimmernder, aber undurchsichtiger Schmuckstein. Jade druckt dann den Sinn S . aus, und bezeichnet nach obiger Auffassung eine Menge von Mineralien mit den genannten Eigenschaften. Dazu gehören nach geltenden chemischen Theorien zwei Arten von Mineralien: Jadeit und Nephrit. Jadeit hat die chemische Struktur Na AI [ Sip 0/J , bei Nephrit fehlt Nap 0 und Alp 0,,. Jade bezeichnet eine Menge von Objekten, die ihrer chemischen Struktur nach zwei verschiedenen Arten angehören. Dem Sinn S . entsprechen in Wirklichkeit zwei Arten von Mineralien. Auf eine solche Situation kann man auf verschiedene Weise reagieren: 1. Man beruft sich auf den Unterschied zwischen dem umgangssprachlichen Ausdruck Jade und dem wissenschaftlichen Terminus Jadeit. Jade drückt den Sinn S, aus und bezeichnet eine Menge von Mineralien mit den in S . angegebenen

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Eigenschaften. Jadeit drückt einen von S , verschiedenen Sinn aus und bezeichnet somit eine andere Menge von Objekten als Jade. 2. Man beruft sich darauf, daß Jade ein Gattungsname ist. Jade bezeichnet dann aufgrund S, die Vereinigung zweier Mengen von Objekten verschiedener Natur. 3 Einen solchen Irrtum hatte Frege freilich nicht im Auge, als er warnte ( 1969 [1892]: 42): Dadurch also, daß man einen Sinn auffaßt, hat man noch nicht heit eine Bedeutung.

mit Sicher-

Wollte man ihn berücksichtigen, könnte man hinzufügen: Dadurch, daß man einen Sinn auffaßt, die tatsächliche Bedeutung F .

hat man noch

nicht mit Sicherheit

Für Frege ist der Sinn eine abstrakte Entität, der die Art, wie uns die Bedeutung p gegeben ist, enthält. Er läßt die Möglichkeit offen, daß außer der Art des Gegebenseins noch andere Faktoren den Sinn eines Ausdrucks ausmachen. Der zweite entscheidende Punkt ist, daß er mit seinem Sinnbegriff gewissen Irrtumsmöglichkeiten Rechnung trägt. Es kann vorkommen, daß der Sinn eines Zeichens zur Bestimmung der Bedeutungr nicht ausreicht oder ungeeignet ist, wie z.B. bei die am wenigsten konvergente Reihe. Wie es sich mit der Bedeutung^ verhält, kann in solchen Fällen nur mit theoretischen Mitteln, z . B . Beweisen, entschieden werden. Der Sinn ist nicht der einzige Weg zur Bedeutung F eines Zeichens, er ist ein Weg unter anderen. Im folgenden Paragraphen werden die Begriffe der Intension und der Extension zunächst für Ausdrücke einer formalen Sprache, dann für Ausdrücke einer natürlichen Sprache im Sinne Carnaps charakterisiert. Diese Begriffe können mit gewissen Einschränkungen als Präzisierungen von Freges Begriffen des Begriffs und der Bedeutung von Ausdrücken verstanden werden. Carnap geht dabei einen Schritt weiter als Frege: Während Frege für Begriffe scharfe Grenzen fordert, geht Carnap davon aus, daß natursprachliche Ausdrücke in ihrer Intension und Extension vage sein können. 1.1.3 Intension und Extension von Ausdrücken Carnap (1972 [l947]) führt die Begriffe der Intension und der Extension für Ausdrücke (Individuenausdrücke, Prädikatoren, Sätze) einer formalen Sprache S. ein. Die Extension eines Prädikators vom Grade eins ist bei ihm die entsprechende Klasse. Die Intension eines Prädikators vom Grade eins ist die entspre-

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chende Eigenschaft. Die Extension eines Satzes ist sein Wahrheitswert, die Intension ist die durch ihn ausgedrückte Proposition. Die Extension eines Individuenausdrucks ist das Individuum, das er bezeichnet, die Intension ist der Individuenbegriff, der durch ihn ausgedrückt wird. Carnap (1972 [1955]) charakterisiert die Begriffe der Extension und der Intension für Ausdrücke einer natürlichen Sprache L. Er spricht jetzt von der Extension und der Intension eines Ausdrucks für einen bestimmten Sprecher K. Als Beispiel verwendet er Prädikate wie blau, Hund, Mensch, die man auf konkrete Objekte oder deren beobachtbare Eigenschaften anwendet. Angenommen, man will die Extension des Prädikats Hund für einen Sprecher K bestimmen. Dann wird man innerhalb des für K zugänglichen Bereichs von Objekten eventuell zu drei verschiedenen Klassen gelangen: 1. die Klasse der Objekte x, für die gilt: K ist bereit, Hund auf anzuwenden; 2. die Klasse der Objekte x, für die gilt: K lehnt es ab, Hund auf anzuwenden; 3. die Klasse der Objekte x, für die gilt: K kann sich weder für noch gegen die Anwendung von Hund auf x entscheiden. Die 1. und 2. Klasse gehören nach Carnap zur Extension des Prädikats Hund für K. Die 3. Klasse, die unter Umständen leer sein kann, gibt nach Carnap den Grad der extensionalen Vagheit von Hund für K an. Hier zeigt sich ein wesentlicher Unterschied zum Begriff der Extension eines Prädikators einer formalen Sprache. Die Extension eines Prädikators J3 vom Grade eins der formalen Sprache S., wird von Carnap als die Klasse der entsprechenden Objekte bestimmt. Die Elemente des gesamten Objektbereiches von S* werden damit in zwei Klassen eingeteilt: in die Klasse der Q-Objekte und in die Klasse der Nicht-Q-Objekte. Jedes Element des Objektbereichs gehört entweder zur ersten oder aber zur zweiten Klasse. Die Vereinigung beider Klassen enthält alle Objekte des Bereichs. Für die Extension eines Prädikats einer natürlichen Sprache L sind neben den eindeutig positiven und den eindeutig negativen Anwendungsfällen noch neutrale Fälle zu berücksichtigen. Die Extension eines einstelligen Prädikats J3 für einen Sprecher K kann man in diesem Sinne als ein geordnetes Paar bestimmen, wobei E + der Positivbereich von Q^ für K ist,E~der Negativbereich von Q für K. Man wird verlangen, daß der Durchschnitt der Klassen E+ und E~ leer ist, man wird nicht verlangen, daß ihre Vereinigung alle Objekte des für K gegebenen Bereichs enthält. Auf die gleiche Weise trägt Blau in seiner dreiwertigen Logik von 1978 der Vagheit von Prädikatskonstanten Rechnung.

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An der obigen Ausführung wird deutlich: Für Carnap sind Ausdrücke in natürlichen Sprachen häufig vage. Im Gegensatz dazu verlangt Frege (1971 [l892 -95]: 32): Es muß von jedem Gegenstand bestimmt sein, ob er unter den Begriff falle oder nicht; ein Begriffswort, welches dieser Anforderung an seine Bedeutung nicht genügt, ist bedeutungslos. Carnap sieht dies anders. Auch wenn nicht für jedes Objekt festgelegt ist, ob es ein Hund ist oder nicht, hat das Prädikat Hund durchaus eine Extension. Diese besteht nicht aus der Klasse der Hunde, sondern aus einem Paar von Klassen. Die erste Komponente des Paares ist der Positivbereich für Hund, die zweite Komponente der Negativbereich. Den Begriff der Intension gebraucht Carnap (1972 [1955]) anstelle des zweideutigen Worts 'Bedeutung 1 . Die Intension eines Ausdrucks soll nur die kognitive Bedeutungskomponente, die für die Bestimmung der Wahrheit relevant ist, enthalten. Angenommen, man will die Intension des Prädikats Hund für einen Sprecher K bestimmen. Man wird zunächst von einigen sicheren Beispielen von Hunden ausgehen. In einem zweiten Schritt, schlägt Carnap (1972 [1955]: 299f) vor, könne man versuchen herauszufinden, welche Variationen eines Musters in verschiedenen Hinsichten ( z . B . Größe, Gestalt, Farbe) innerhalb des Spielraums des Prädikats zugelassen sind. Dabei wird man außer den realen auch logisch mögliche Arten von Hunden berücksichtigen. Dies schließt u . a . Arten ein, die nach den jetzt geltenden Naturgesetzen ausgeschlossen sind, oder Arten, die nach Gesetzen ausgeschlossen sind, von denen K zur Zeit überzeugt ist. Die Intension eines Prädikats kann nach Carnap (1972 [l955 ]: 300) als sein Spielraum angesehen werden, der diejenigen möglichen Arten von Gegenständen umfaßt, für die das Prädikat gilt. Diese Erläuterung läßt das Problem der Vagheit noch unberücksichtigt. Andererseits spielt sie bei der Bestimmung der Intension gewisser Prädikate eine entscheidende Rolle. Bei der Bestimmung der Intension von Hund wird man unter Umständen auf verschiedene Arten von Lebewesen stoßen 1. auf solche, die für K eindeutig Hunde sind, 2. auf solche, die für K eindeutig keine Hunde sind, 3. auf solche, bei denen sich K nicht entscheiden kann. Aufgrund realer und möglicher Arten von Hunden gelangt man zu einer Eigenschaft F j , die bei K entscheidend ist für die Bereitschaft zur Anwendung von Hund. Aufgrund verschiedener Arten von Lebewesen, die für K keine Hunde sind, gelangt man zu einer Eigenschaft F„, die entscheidend ist für die Ablehnung

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der Anwendung von Hund auf ein bestimmtes Objekt. Also kann man sagen: Bei Objekten mit der Eigenschaft F. und bei solchen mit der Eigenschaft F? weiß K Bescheid. Bei Objekten, die weder F. noch F_ haben, ist er ratlos. Carnap spricht in diesem Zusammenhang von intensionaler Vagheit. Den Begriff der Intension eines Prädikats Q führt Carnap folgendermaßen ein (1972 [l955J: 303): Die Intension eines Prädikats 'Q 1 für einen Sprecher X ist die allgemeine Bedingung, von der X glauben muß, ein Objekt y erfüllt sie, damit X bereit ist, dem y das Prädikat 'Q' zuzuschreiben. Angenommen, die Intension von £ für einen Sprecher X in einer Sprache L ist die Eigenschaft F. Dann gibt es unter den Dispositionen von X, die die Sprache L konstituieren, die Disposition, Q^ genau dann auf ein Objekt y anzuwenden, wenn X von y glaubt, es sein ein F. X ist bereit, £ auf y anzuwenden, wenn er glaubt, y sei ein F. Glaubt X nicht, daß y ein F ist, ist er nicht bereit, Q auf y anzuwenden. Also gilt für alle Objekte, über die in L gesprochen werden kann: Durch die Intension von £ für X werden sie in zwei einander ausschließende Klassen eingeteilt, in die Klasse der Objekte, von denen X glaubt, sie seien ein F, und die Klasse der Objekte, von denen X nicht glaubt, sie seien ein F. Will man die oben beschriebene intensionale Vagheit von Ausdrücken einer natürlichen Sprache berücksichtigen, wird man nach Carnap von einem Intensionspaar ausgehen. Angenommen, die Intension von £ in einer Sprache L ist ein Paar von Eigenschaften . Dann gibt es unter den Dispositionen eines Sprechers X, die L ausmachen, die folgenden: - die Disposition, £ auf ein Objekt y genau dann anzuwenden, wenn X glaubt, y sei ein F,.; - die Disposition, die Anwendung von Q auf ein Objekt y genau dann abzulehnen, wenn X glaubt, y sei ein F«. Im Unterschied zum ersten Fall, gilt jetzt: Angenommen, X glaubt von einem Objekt y nicht, daß es ein F,. ist, dann kann dies bedeuten, (i) daß X glaubt, daß y ein F„ ist, so daß er die Anwendung von Q auf y ablehnen wird, oder (ii) daß X glaubt, daß y weder ein F. noch ein F„ ist, so daß er sich weder für die Anwendung von (] auf y noch gegen sie entscheiden kann. Ist ein Objekt y weder F. noch F 2 , gibt es keine Disposition von X, die die Bereitschaft zur Anwendung oder die Ablehnung einer Anwendung regeln könnte. Das Objekt y hat dann die Eigenschaft, weder F. noch Fp zu sein, von der Carnap behauptet (1972 [1955] : 304):

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die Eigenschaft, weder F. noch F« zu haben, bildet die Zone der Vagheit, die möglicherweise leer sein kann. Fine (1975) gibt ein Beispiel für ein Prädikat, das intensional vage ist. nice sei ein Prädikat, das man auf natürliche Zahlen anwendet und dessen Bedeutung durch die folgenden Bedingungen festgelegt ist: a. n ist nice, wenn n > 1 5 ; b. n ist nicht-nice, wenn n < 1 3 . Die Eigenschaft, weder größer als 15 noch kleiner als 13 zu sein, bildet für nice die Zone der intensionalen Vagheit. Dies ist die Eigenschaft, gleich 15, gleich 14 oder gleich 13 zu sein. Intensionale Vagheit, so verstanden, ist eine Unzulänglichkeit in der Bedeutung eines Wortes. Führt man den Begriff der Intension wie Carnap ein, kann man der intensionalen Vagheit in natürlichen Sprachen Rechnung tragen. Man akzeptiert dann, daß ein Sprecher K sich angesichts merkwürdiger Arten von Lebewesen oft nicht entscheiden kann, etwa das Prädikat Hund anzuwenden oder nicht. Dies bedeutet jedoch nicht, daß das Prädikat Hund für K keine Bedeutung hat. K kennt die Bedeutung von J3, wenn er die Intension bzw. das Intensionspaar < F 1 > Fp> erfaßt hat und wenn er weiß, daß Q auf Objekte mit der Eigenschaft F1 anzuwenden, auf Objekte mit F_ nicht anzuwenden ist. Bei Objekten mit der Eigenschaft, weder F1 noch Fp zu sein, hilft die Kenntnis der Intension von Q nicht weiter. Die Intension von Prädikaten einer natürlichen Sprache liefert nicht, wie Frege gefordert hatte, ein Kriterium, das für alle Objekte festlegt, ob es ein Element der entsprechenden Klasse ist oder nicht. Im folgenden Paragraphen soll gezeigt werden, mit welchen Synonymitätsbegriffen der Begriff des Sinns bei Frege, der Begriff der Intension im formalsprachlichen Sinn und der Begriff der Intension im natursprachlichen Sinn bei Carnap verbunden ist. Es wird sich herausstellen, daß der kognitive Begriff der Sinngleichheit weniger ausschließt als Carnaps Begriff intensional isomorpher Ausdrücke einer natürlichen Sprache. Für indexikalische Ausdrücke wie ich und definite Beschreibungen wie derjenige, der gerade zu euch spricht folgt aus beiden Synonymitätsbegriffen, daß sie nicht synonym sind. 1.1.4 Synonymitätsrelationen Der Sinn eines Ausdrucks führt nicht immer zu einer Bedeutungp. Frege denkt vor allem an Eigennamen wie Odysseus und an Beschreibungen wie die am wenigsten konvergente Reihe. In welcher Beziehung stehen nun die definite Beschreibung der Schüler Platons und Lehrer Alexander des Großen und der Eigenname Aristoteles? Frege bemerkt dazu (1969 [1892]: 42, Anm. 2 ) : ~

~"~"

O

'

· · -



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Bei einem eigentlichen Eigennamen wie "Aristoteles" können freilich die Meinungen über den Sinn auseinandergehen. Man könnte z.B. als solchen annehmen: Der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen. Wer dies tut, wird mit dem Satze "Aristoteles war aus Stagira gebürtig" einen anderen Sinn verbinden als einer, der als Sinn dieses Namens annähme: der aus Stagira gebürtige Lehrer Alexanders des Großen. Kann man daraus schließen, daß nach Frege mit einer der beiden Kennzeichnungen der Sinn von Aristoteles angegeben werden kann? Bedeutet dies, daß für Frege ein Name und eine Kennzeichnung denselben Sinn haben können? Aufgrund des obigen Zitats kann man nur sagen: Frege geht von dieser Möglichkeit aus, um zeigen zu können, was sich daraus für den Erkenntniswert gewisser Sätze ergibt. Angenommen, jemandem wird die Bedeutung des Namens Aristoteles mit der Kennzeichnung der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen erklärt. Dann sagt man ihm mit Sätzen wie (114.1) (114.2) (114.3)

Aristoteles war ein Schüler Platos. Aristoteles war der Lehrer Alexanders des Großen. Aristoteles ist der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen.

nichts Neues. Das weiß er bereits aufgrund der Erklärung des Namens. Solche Sätze vermitteln ihm keine neuen Erkenntnisse. Ihre Gültigkeit ergibt sich direkt aus der Erklärung des Namens. Angenommen, für diese Person bedeutet Aristoteles tatsächlich dasselbe wie der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen. Dann, so behauptet Frege, weiß er auch, daß beide Ausdrücke synonym sind (1971 [l9141: 115): In der Tat: wenn der Sinn jenes einfachen Zeichens wirklich klar gefaßt ist, dann kann es nicht zweifelhaft sein, ob er mit dem Sinne dieses Ausdrucks übereinstimme. Daran zeigt sich wiederum der kognitive Charakter von Freges Sinnbegriff: Haben zwei Ausdrücke denselben Sinn, dann weiß dies jeder, der den Sinn beider Ausdrücke kennt. Für die Bedeutung^ zweier Ausdrücke wird man nichts Analoges annehmen: Zwei Ausdrücke können dieselbe Bedeutung p haben, ohne daß derjenige, der die Sinne beider Ausdrücke kennt, dies weiß. Wäre der Name Aristoteles und die definite Beschreibung der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen sinngleich, würde der Satz (114.3) denselben Gedanken ausdrücken wie (114.4)

Aristoteles ist Aristoteles.

Dies ist ein absurdes Ergebnis. Es spricht eindeutig gegen die Annahme, der Name Aristoteles und die Beschreibung der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen seien synonym.

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Sinnverschiedenheit zweier referentieller Ausdrücke führt, wie in 1.1.1 gezeigt wurde, zu informativen Identitätsaussagen. Sinnverschiedenheit bewirkt Informationshaltigkeit eines entsprechenden Gedankens. Es kommt häufig vor, daß jemand mit verschiedenen Namen ein- und dasselbe Objekt bezeichnet, ohne zu wissen, daß es dasselbe ist. Das bedeutet: Wenn zwei referentielle Ausdrükke mit verschiedenen Sinnen verbunden sind, wird Identität der Bedeutungenp häufig erst durch Nachforschungen oder Beweise festgestellt. Wenn andererseits zwei referentielle Ausdrücke synonym sind, muß die Identität der Bedeutungen^ nach Auffassung Freges unmittelbar einleuchten. Frege (1971 [1914]) macht einen Unterschied zwischen einer Definition und einer logischen Zerlegung des Sinnes eines im Gebrauch befindlichen Zeichens. Eine Definition ist eine Festsetzung. Eine logische Zerlegung ist ein Axiom über die logische Struktur des Sinnes eines Ausdrucks. Wonach beurteilt man aber, ob eine logische Zerlegung richtig ist? Wonach beurteilt man, ob der Sinn von Aristoteles mit der Beschreibung der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen richtig analysiert wurde? Angenommen, dies wäre der Fall, hat man dann mit der Beschreibung gleichzeitig den Sinn des Namens spezifiziert? Frege gibt die folgende Antwort (1971 [1914]: 103): Wenn wir den Sinn eines längst üblich gewesenen Wortes oder Zeichens logisch zerlegt zu haben glauben, haben wir einen zusammengesetzten Ausdruck gewonnen, dessen Teile ihrem Sinn nach bekannt sind. Der Sinn dieses zusammengesetzten Ausdrucks muß sich daraus ergeben. Fällt er nun mit dem Sinne jenes längst gebrauchten Wortes zusammen? Man wird es, glaube ich, nur dann behaupten können, wenn es unmittelbar einleuchtet. Was folgt daraus für den Namen Aristoteles und eine definite Beschreibung, mit der man den Namen erklärt? Kann der Name mit einer solchen Beschreibung synonym sein? Frege (1971 [1914]: 126) verneint dies, denn "Kopernikus ist Kopernikus" und "Kopernikus ist der Begründer der heliozentrischen Ansicht des Planetensystems" drücken nicht denselben Gedanken aus. Angenommen, der Sinn eines im Gebrauch befindlichen einfachen Ausdrucks wird durch einen komplexen Ausdruck expliziert. Synonym sind beide Ausdrücke nur dann, wenn dies unmittelbar einleuchtet. Bei Eigennamen, die durch Kennzeichnungen erklärt werden, dürfte dies kaum der Fall sein. Eher vielleicht bei Prädikaten wie Junggeselle oder ledig, die man durch Ausdrücke wie unverheirateter Mann, nicht verheiratet explizieren könnte. Schwieriger ist es bei Prädikaten wie Spiel oder rot oder Wasser. Wasser könnte man z . B . nach dem folgenden Schema erklären: Wasser ist eine natürliche Flüssigkeit mit den und den Färb-, Geruchsund Geschmackseigenschaften.

25 Jemand, der eine Beschreibung dieser Art kennt, verfügt über ein Instrument, mit dem er in der realen Welt unter üblichen Umständen Wasser erkennen kann. Man wird jedoch zögern, das Substantiv Wasser und eine Beschreibung nach dem obigen Schema als synonym aufzufassen. Sich Situationen vorzustellen, in denen diese Beschreibung zu falschen Ergebnissen führt, ist nicht schwierig. Wäre es dann nicht besser, Wasser ganz anders zu charakterisieren, etwa als chemische Verbindung aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoff-Atom? Wasser ist H ? 0. Eignet sich die chemische Formel besser zur Bestimmung des Sinnes von Wasser? Wohl kaum. Danach bestimmen Chemiker, ob etwas Wasser ist. Es ist die Methode, die zu den richtigen Ergebnissen führt, es ist nicht die Art, wie ein gewöhnlicher Sprecher vorgeht.

Zur Beschreibung des Sinnes von Wasser eignet sich offensichtlich keine der beiden Beschreibungen. Die erste nicht, weil wir nicht wollen, daß eine Flüssigkeit Wasser genannt wird, wenn sie eine andere chemische Struktur als KLO hat. Die zweite nicht, weil die chemische Struktur für den alltäglichen Gebrauch von Wasser keine allzu große Rolle spielt. Das Problem mit diesen Prädikaten ist: es gibt nicht eine einzige Art des Gegebenseins der bezeichneten Objekte, es gibt mehrere verschiedene Arten. Die Beschreibung von Wasser als wahrnehmbares Objekt führt sicher nicht zu einem synonymen Ausdruck. Sie kann also nicht als Spezifizierung des Sinnes von Wasser angesehen werden. Sie beschreibt die typischen Vorkommen von Wasser. Und diese typischen Vorkommen sind hier in der realen Welt Flüssigkeitsmengen mit gewissen wahrnahmbaren Eigenschaften. Ähnlich verhält es sich bei Eigennamen. Auch hier gibt es nicht die Art, wie uns das Individuum gegeben ist, es gibt verschiedene Arten. Möglich, daß mit Günter Grass die meisten den Roman "Die Blechtrommel" assoziieren. Dennoch ist der Name nicht synonym mit der Kennzeichnung der Autor des Romans 'Die Blechtrommel'. Wie man beim Gebrauch von Prädikaten über die Art der Objekte etwas wissen muß, so muß man beim Gebrauch von Namen etwas über das Individuum wissen. Dies bedeutet allerdings nicht, daß dieses Wissen zu einem synonymen Ausdruck führt, mit dem der Sinn des Ausdrucks spezifiziert wird. Es scheint aber ein relativ zuverlässiges Instrument zu sein, um in alltäglichen Situationen das bezeichnete Individuum bestimmen zu können. Es ist ein Mittel, um sich in alltäglichen Situationen der realen Welt zurechtzufinden; es ist kein Mittel, um sich in möglichen Welten zurechtzufinden. Carnap definiert für die Designatoren der formalen Sprache S,, die beiden Ausdrücke 'haben dieselbe Extension' und 'haben dieselbe Intension" (1972 [l947]: 30):

26

(114.5)

Definition.

Zwei Designatoren haben dieselbe

Extension (in S..) = .^

sie sind äquivalent in S^. Das

Zeichen

der

Äquivalenz ' = ' führt

Carnap

(1972 [l947J: 17) für

Sätze,

Prädikatoren und Individuenausdrücke in S. so ein, daß (i)

' Q ' und ' P 1 vom Grade

für Prädikatoren

eins

folgende

Abkürzung

gilt: P' f ü r

(ii)

'(X)

(QX

)·;

für Individuenausdrücke ' d . ' und ' d p ' die

folgende

Wahrheitsregel

gilt: Wenn 'd,,' ein Individuenausdruck für und " d p " ein Individuenausdruck für y ist, dann ist der Satz 'd* dp 1 genau dann wahr, wenn dasselbe Individuum ist wie y; (iii)

für zwei Designatoren U. und L). ( " U . 1

und ' U . ' sind

Meta-Variable

für Ausdrücke der Objektsprache S,,) desselben Typs folgende Definitionen gelten (Carnap (1972) [1947]: 18): (114.6)

a. U i ist U. äquivalent (in S^ = df der Satz

. ist wahr (in S,),

b. U. ist L). L-äquivalent (in S.) = ,f der Satz U±= U. ist L-wahr (in SJ J

Wendet man (114.5) auf zwei Sätze ' p ' und 'q' an, dann gilt: ' p ' und ' q 1 haben genau dann dieselbe Extension in S,., wenn der Satz 'p = q 1 in S,, wahr ist. Für zwei Prädikatoren ' P ' und 'Q' vom Grade eins ergibt sich aus (114.5): ' P ' und 'Q'

haben genau dann dieselbe Extension, wenn der Satz ' (x) (Px = Q x ) ' in

S,,

wahr ist. Für zwei Kennzeichnungen

Qx 1 und " L X Px' ergibt sich aus (114.5):

haben genau dann dieselbe Extension, wenn der Satz ' L X Px

LX Qx' in S.

sie wahr

ist. In einem weiteren Schritt legt Carnap fest, unter welchen Bedingungen zwei Designatoren desselben Typs dieselbe Intension haben (1972 [1947J: 30): (114.7) Definition. Zwei Designatoren haben dieselbe Intension (in 5,,)= .* sie sind L-äquivalent in S 1 . Nach

der Definition in (114.6 b) sind zwei Designatoren U. und U. genau

L-äquivalent, wenn der Satz U.

U. L-wahr ist. J

dann

27

Bei der Definition von L-Wahrheit geht Carnap von der folgenden Konvention aus: Ein Satz einer formalen Sprache ist L-wahr, wenn er wahr ist und wenn seine Wahrheit aufgrund der semantischen Regeln der Sprache begründet werden kann. ' R . ' sei eine Meta-Variable für Sätze aus S 1 . Carnap definiert dann 1972 [1947]: 13): (114.8) Definition. Ein Satz R i ist L-wahr (in S..) = .-. R. gilt in jeder Zustandsbeschreibung (in S,.). Für zwei Prädikatoren ' Q 1 und " P " ergibt sich aus (114.6 b ) : Sie sind L-äquivalent genau dann, wenn der Satz " , d . h . ' ( x ) (Qx ) ' in allen Zustandsbeschreibungen wahr ist. Dann haben sie nach (114.8) dieselbe Intension. Carnap nennt als Beispiel die Prädikate Mensch und vernünftiges Lebewesen. Entscheidend für die Intensionsgleichheit ist nach Carnap die Identität der Extensionen in allen Zustandsbeschreibungen der entsprechenden Sprache. Intensionsgleiche Ausdrücke müssen in allen möglichen Welten dieselbe Extension haben. Um aber entscheiden zu können, welche Flüssigkeit in einer möglichen Welt Wasser ist, muß man zwischen den kontingenten und den notwendigen Eigenschaften unterscheiden können. Bei chemischen Verbindungen dürfte die Molekülformel oder das Molekülstrukturdiagramm die sog. definitorischen Eigenschaften stellen. Bei Elementarsubstanzen dürfte das Atomgewicht oder die nukleare Zusammensetzung (die Zahl der Protonen und Neutronen) entscheidend sein. Von Carnap (1972 [1955] ) wird, wie in 1.1.3 ausgeführt, der Begriff der Intension eines Prädikats einer natürlichen Sprache eingeführt. Dieser unterscheidet sich in den folgenden Punkten von dem Begriff der Intension eines Prädikators einer formalen Sprache: (i) Er wird relativ zu einem Sprecher eingeführt, (ii) Er wird so eingeführt, daß intensionale Vagheit Berücksichtigung findet. Den Ausdruck 'synonym' charakterisiert Carnap dann auf [ 1955]: 304):

folgende Weise (1972

Zwei Ausdrücke sind in der Sprache L für X zur Zeit t synonym, wenn sie dieselbe Intension in L für X zur Zeit t haben. In welcher Relation stehen nun das deutsche Wort Wasser und die chemische Formel 'hLO'? Sind sie L-äquivalent, da etwas genau dann Wasser ist, wenn es die chemische Struktur hLO besitzt. Sind sie außerdem synonym? Dies ist nach Carnaps Bestimmung durchaus möglich. Es ist der Fall, wenn für einen Sprecher X beide Ausdrücke dieselbe Intension haben.

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'hUO 1 ist jedoch im Unterschied zu Wasser ein zusammengesetzter Ausdruck und besagt in etwa: "diejenige chemische Verbindung, die aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom besteht'. Für solche Fälle hatte Carnap (1972 [1947]) einen engeren Begriff der Synonymie für Konstruktsprachen vorgeschlagen: Nach Carnap (1972 [1947]: 71) haben zwei Ausdrücke desselben Typs dieselbe intensionale Struktur, sind 'intensional isomorph', wenn die Analyse von beiden, bis herunter zu den kleinsten UnterDesignatoren, zu analogen Ergebnissen führt. Zwei Ausdrücke einer formalen Sprache sind in diesem strengeren Sinn synonym, wenn sie nicht nur als Ganzes L-äquivalent sind, sondern in der Weise aus Teilen bestehen, daß sich entsprechende Teile L-äquivalent sind. Für einen Sprecher X sind zwei Ausdrücke, die verschiedenen Sprachsystemen angehören können, nur dann im strengen Sinn synonym, wenn sie auf die gleiche Weise aus Teilausdrücken aufgebaut sind und entsprechende Teilausdrücke dieselbe Intension ha1 ben. Für das Prädikat Wasser und die chemische Formel folgt daraus: Es kann durchaus sein, daß sie für einen Sprecher dieselbe Intension haben, also intensionsgleich sind, intensional isomorph sind sie nicht. Wenn man den Synonymitätsbegriff so festlegt, daß die Identität der Extension in allen möglichen Welten gelten muß, zeigt sich, daß der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen und eine Frucht mit den und den phänomenalen Eigenschaften ganz und gar ungeeignet sind zur Bestimmung der Intension von Aristoteles und Zitrone. Bei Eigennamen kann man sich überhaupt nicht vorstellen, welche Eigenschaften die Identität des Individuums über die Welten hinweg garantieren könnten. Bei Prädikaten könnte man möglicherweise auf die in Theorien festgelegten Eigenschaften zurückgreifen. Man sieht, der Begriff der Intension formalsprachlicher Ausdrücke hat nicht viel mit dem intuitiven Bedeutungsbegriff zu tun. Beim Gebrauch von Namen wie Aristoteles oder Substantiven wie Zitrone richten wir uns nicht nach so konzipierten Intensionen. Zu welchem Ergebnis führt der Begriff der Intensionsgleichheit im formalsprachlichen Sinn bei Ausdrücken wie ich und Kennzeichnungen wie derjenige, der gerade zu euch spricht? Sind sie intensionsgleich, haben sie in allen Zustandsbeschreibungen der entsprechenden Sprache dieselbe Extension. Sind sie intensionsgleich, haben auch die beiden Sätze Ich bin hungrig und Derjenige, der gerade zu euch spricht, ist hungrig in allen Zustandsbeschreibungen einer formalen Sprache S denselben Wahrheitswert. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie Vertreter intensionaler Logiken ( u . a . Kaplan (1979) und (1977)) gezeigt haben. Sätze, die das Pronomen ich enthalten, haben nicht dieselben Wahrheitsbedingungen wie Sätze, die anstelle von ich eine Kennzeichnung enthalten.

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Wenn man die Synonymitätsrelation so festlegt, daß sie jedem, der die entsprechenden Ausdrücke kennt, unmittelbar einleuchten muß, wird durch der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen oder eine Frucht mit den und den Eigenschaften zwar eine logische Zerlegung des Sinnes von Aristoteles und Zitrone zum Ausdruck gebracht, aber nicht der Sinn. Dies könnte man so deuten, daß wir uns beim Gebrauch solcher Ausdrücke häufig mit einer logischen Zerlegung des Sinnes zufrieden geben, solange sie uns befähigt, die Bedeutung F im großen und ganzen zu erfassen. Bei den eher seltenen Ausdrücken von der Art Bruder und den zusammengesetzten Ausdrücken von der Art männliches Geschwister könnte man zögern und fragen, ob beide Ausdrücke vielleicht doch synonym sind. Ist dies der Fall, drücken die beiden Sätze (114.9) a. Peter ist der Bruder von Anna. b. Peter ist das männliche Geschwister von Anna. denselben Gedanken aus. Ist dies der Fall, ist der Satz (114.10)

Der Bruder von Anna ist das männliche Geschwister von Anna.

nicht informativer als der Satz (114.11)

Der Bruder von Anna ist der Bruder von Anna.

Wie verhält es sich mit den Substantiven Pferd, Roß, Gaul, Mähre? Dies Freges Beispiele für sinngleiche Ausdrücke (21976 [1918/19]: 37):

sind

Ob ich das Wort Pferd oder Roß oder Gaul oder Mähre gebrauche, macht keinen Unterschied im Gedanken" Zu welchem Ergebnis führt Freges Synonymitätsbegriff bei Ausdrücken wie ich und definiten Beschreibungen wie derjenige, der gerade zu euch spricht? Angenommen, beide sind synonym, dann gilt: Die beiden Sätze (114.12) a. Ich bin hungrig. b. Derjenige, der gerade zu euch spricht, ist hungrig. drücken denselben Gedanken aus. Sind das Pronomen und die definite bung synonym, gilt weiterhin: Der Satz

Beschrei-

(114.13) Ich bin derjenige, der gerade zu euch spricht, hat keinen größeren Informationsgehalt als der Satz (114.13) Ich bin ich. Beide Konsequenzen sprechen gegen die Annahme, daß das Pronomen und die definite Beschreibung synonym sind. Man kann sich durchaus Situationen vorstel-

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len, in denen der Satz Ich bin derjenige, der gerade zu euch spricht den Angesprochenen die gewünschte Information liefert, während der Satz Ich bin ich dazu völlig ungeeignet wäre. Also wird man sagen: Der Sinn der definiten Beschreibung ist eine logische Zerlegung des Sinnes des Pronomens, aber er ist nicht identisch mit dem Sinn des Pronomens. Wenn man die Synonymitätsrelation im Sinne der Intensionsgleichheit zweier Ausdrücke für einen Sprecher X festlegt, können die Ausdrücke Wasser und 'hLO' synonym sein. Dies ist dann der Fall, wenn für X die Intension beider Ausdrücke in der Eigenschaft besteht, eine chemische Verbindung aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom zu sein. Ebenso kann es sein, daß für einen Sprecher X beide Ausdrücke nicht synonym sind. Dies ist dann der Fall, wenn für X die Intension von Wasser in einem Paar < F . , F2> wahrnehmbarer Eigenschaften, die Intension von 'hUO' in einer komplexen chemischen Eigenschaft F„ besteht. Wasser ist dann für den Sprecher ein vager Ausdruck, ? 0' nicht. Entscheidend aber ist, daß Synonymität in diesem Sinn unabhängig ist von der syntaktischen Struktur der Ausdrücke. So spricht im Prinzip nichts gegen die Annahme, daß Hasser und 'H„0' oder Mensch und vernünftiges Lebewesen für gewisse Sprecher synonym sind. Analoges gilt für Namen wie Aristoteles und definite Beschreibungen wie der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen. Deutlicher als bei Substantiven drängen sich hier allerdings Fragen auf wie die folgenden: Welche Eigenschaften eines Individuums kommen als Intension eines Namens in Frage? Welche Eigenschaften muß eine Person haben, um Aristoteles zu sein? Welche Eigenschaften des benannten Objekts eignen sich zur Konstruktion des entsprechenden Individuenbegriffs? Analoges gilt sogar für Promonina wie ich und definite Beschreibungen wie derjenige, der gerade zu euch spricht: Im Prinzip ist es durchaus möglich, daß beide Ausdrücke für einen Sprecher synonym sind. Noch deutlicher als bei Eigennamen drängen sich hier jedoch Fragen auf wie die folgenden: Welche Eigenschaften eines Individuums kommen als Intension des Pronomens ich in Frage? Welche Eigenschaften muß eine Person haben, um derjenige zu sein, auf den der Sprecher mit Hilfe von ich referiert? Diesen und ähnlichen Fragen sind Kaplan (1977, 1979) und Searle (1983) nachgegangen. Wenn man den Synonymitätsbegriff im Sinne des intensionalen Isomorphismus bestimmt, schränkt man ihn auf Ausdrücke ein, die auf analoge Weise aus Teilausdrücken aufgebaut sind. Wasser und 'hLQ 1 kommen als intensional isomorphe Ausdrücke nicht in Betracht. Das gleiche gilt für Aristoteles und der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen, für Bruder und männliches Geschwister und für ich und derjenige, der gerade zu euch spricht.

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Vergleicht man Freges und Carnaps Synonymitätsbegriffe, kommt man zu dem folgenden Ergebnis: Freges Begriff der Sinngleichheit nimmt eine Zwischenstellung ein zwischen Carnaps liberalem Begriff der Intensionsgleichheit und seinem engen Begriff des intensionalen Isomorphismus. Insbesondere bei indexikalischen Ausdrücken wie ich sind bei der Anwendung der charakterisierten Synonymitätsbegriffe Probleme aufgetaucht. Von daher ist zu erwarten, daß man auch bei der Anwendung des Sinn- und des Intensionsbegriffs auf Ausdrücke wie ich auf Schwierigkeiten stoßen wird. Im folgenden Paragraphen wird gezeigt, wie Frege versucht, Ausdrücke dieser Art in seine Sinntheorie zu integrieren. 1.1.5 Der Sinn von Wörtern wie ich Im Zusammenhang mit Wörtern wie ich, heute, hier und Tempusformen neuartiges Phänomen auf. Der Gebrauch von ich in Sätzen wie

tritt

ein

(115.1) Ich habe grüne Augen, zeigt: - Die Wahrheit oder Falschheit des Satzes hängt u . a . davon ab, wer ihn äußert. - Derselbe Satz kann in verschiedenen Äußerungssituationen verschiedene Gedanken ausdrücken, je nachdem, ob ich ihn äußere oder meine Freundin ihn äußert. Im ersten Fall behaupte ich, daß ich grüne Augen habe, im zweiten Fall behauptet N. Kirchhoff, daß sie grüne Augen hat. Frege beschreibt dieses Phänomen so (1976 [1918/19]: 38):

Der gleiche das Wort 'ich 1 enthaltende Wortlaut wird im Munde verschiedener Menschen verschiedene Gedanken ausdrücken, von denen einige wahr, andere falsch sein können. Analog dazu gilt, daß derselbe das Wort du^ enthaltende Satz verschiedene Gedanken ausdrückt, je nachdem, an wen sich der Sprecher mit der Äußerung wendet. Ebenso gilt, daß derselbe das Wort heute enthaltende Satz verschiedenen Sinn hat, je nachdem, wann er geäußert wird. Und derselbe das Wort hier enthaltende Satz bedeutet Verschiedenes in Abhängigkeit von dem Ort, wo er geäußert wird. Der Sinn solcher Sätze ist abhängig von gewissen Faktoren der Äußerungssituation, vom Sprecher, vom Angesprochenen, von der Äußerungszeit, vom Äußerungsort. Dies ist bei Ausdrücken wie Aristoteles, der Morgenstern oder Zitrone nicht der Fall. Denn derselbe den Namen Aristoteles enthaltende Satz kann denselben Gedanken ausdrücken, gleichgültig von wem, wo und wann und wem

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gegenüber er geäußert wird. Der gleiche das Wort Zitrone enthaltende Satz drückt denselben Gedanken aus, unabhängig davon, von wem, wann und wem gegenüber der Satz geäußert wird. In diesen Fällen ergibt sich der Satzsinn vollständig aus den Sinnen der Teilausdrücke. Enthält der Satz einen indexikalischen Ausdruck, erfaßt man den Gedanken aufgrund der Sinne der Teilausdrücke und aufgrund gewisser Gegebenheiten der Sprechsituation. Zum Erfassen des Gedankens gehört hier das Erfassen von Äußerungsumständen. Für einen Satz wie (115.1) gilt: Wird er von verschiedenen Personen P. und P p geäußert, dann gilt: (i) Er kann, geäußert von P., wahr, geäußert von ?„, falsch sein, (ii) Geäußert von P- drückt er einen anderen Gedanken aus als in einer Äußerung von Pp. Wie läßt sich dieser Sachverhalt erklären? Für Frege gehört er zu jenen Phänomenen, für die gilt, daß der bloße Wortlaut "zum Ausdruck des Gedankens o nicht hinreicht" (1976 [1918/19]: 37). Der bloße Wortlaut ist nach Auffassung Freges (21976 [1918/19]: 38) nicht der vollständige Ausdruck des Gedankens, sondern man bedarf zu dessen richtiger Auffassung noch der Kenntnis gewisser das Sprechen begleitender Umstände, die dabei als Mittel des Gedankenausdrucks benutzt werden. Die verschiedenen Gedanken, die mit einem Satz wie (115.1) ausgedrückt werden können, ergeben sich so aus den verschiedenen Äußerungsumständen und nicht aus den Sinnen der Teilausdrücke. Dem Wortlaut allein entspricht kein vollständiger Gedanke, und das heißt für Frege, ihm entspricht überhaupt kein Gedanke. Nur der Wortlaut zusammen mit einer konkreten Äußerungssituation bringen einen Gedanken zum Ausdruck. Diese Unvollständigkeit auf der Ebene des Sinnes von Sätzen wird offensichtlich von dem Teilausdruck ich hervorgerufen. In welchem Sinne kann man ich auffassen? ich gehört wie die Eigennamen und die definiten Beschreibungen zu den Ausdrücken, mit denen man sich auf bestimmte Individuen bezieht. Mit ich bezieht sich der Sprecher auf sich selbst, mit du auf die von ihm angesprochene Person. Der Sinn von definiten Beschreibungen und Namen enthält die Art des Gegebenseins des bezeichneten Individuums. Worin besteht nun die Art des Gegebenseins eines Individuums, auf das man sich mit Hilfe des Pronomens ich bezieht? In Texten kann es uns als der mehr oder weniger bekannte Autor gegeben sein, in Briefen als der Verfasser, in konkreten Äußerungssituationen ist es nach Auffassung Freges ( 1976 [1918/19] : 40) als konkrete und wahrnehmbare Person gegeben, die sich mit einer Äußerung an jemanden wendet, als derjenige, der in diesem Augenblick zu euch spricht.

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Dabei macht der Sprecher "die sein Sprechen begleitenden Umstände dem Gedankenausdrucke dienstbar" (Frege (21976 [1918/19] : 40). Der Sinn von Eigennamen entspricht einem bestimmten Wissen über das entsprechende Individuum. So kann mir Günter Grass als Autor des Romans "Die Blechtrommel" ein Begriff sein. Der Sinn von ich scheint keinem vergleichbaren Wissen zu entsprechen. Der ich-Sager ist mir als der konkrete Sprecher in einer Äußerungssituation gegeben. Ansonsten braucht mir nichts über ihn bekannt zu sein. Es hat den Anschein, als enthielte der Sinn von ich ein Wissen um bestimmte Äußerungsumstände, z . B . darüber, wer der Sprecher ist. Angenommen, ich gebrauche ich im Sinne von derjenige, der gerade zu euch spricht. Dann gilt wiederum, daß derselbe diese Kennzeichnung enthaltende Satz im Munde verschiedener Personen verschiedene Gedanken ausdrückt. Der vollständige Gedanke ergibt sich wiederum erst aufgrund der Äußerungssituation. Angenommen, der Satz (115.1) wird von N. Kirchhoff geäußert. Zum Gedanken, der in dieser Situation durch (115.1) zum Ausdruck gebracht wird, gehört dann, daß es jemanden mit der Eigenschaft gibt, in diesem Augenblick zu euch zu sprechen, und daß derjenige identisch ist mit dem konkreten Sprecher, in der angenommenen Situation mit N. Kirchhoff. Indexikalische Wörter wie ich veranlassen Frege, zwei Arten von Ausdrucksmitteln anzunehmen: sprachliche Zeichen mit vollständigem Sinn und sprachliche Zeichen mit ergänzungsbedürftigem Sinn. Vollständig ist der Sinn definiter Beschreibungen wie der Morgenstern oder der Eiffelturm. Durch ihn wird die Bedeutung- dieser Ausdrücke unabhängig von der konkreten Äußerungssituation ein für allemal festgelegt. Ergänzungsbedürftig ist der Sinn von Pronomina wie ich oder Adverbien wie hier. Soll der Sinn solcher Wörter seine Funktion erfüllen und eine Bedeutung^ festlegen, muß er von Seiten der konkreten Äußerungssituation ergänzt werden. Bei nicht-indexikalischen Ausdrücken unterscheidet Frege zwischen dem Ausdruck, einem Sinn und einer Bedeutung. Bei indexikalischen Ausdrücken unterscheidet er zwischen dem Ausdruck, einem ergänzungsbedürftigen Sinn, dem kontextuell vervollständigten Sinn und einer Bedeutung F relativ zu dem gegebenen Kontext. Diese Unterscheidung von zwei Arten von Bedeutungen indexikalischer Zeichen wird in den unterschiedlichsten Theorien getroffen. Ich erinnere an Burks, der in der Nachfolge von Ch. S. Peirce zwischen der 'symbolic meaning 1 und der 'indexical-meaning' indexikalischer Zeichen differenziert (1948/49: 681f):

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We shall refer to the common element in the meaning of a token and the meaning of its type as the symbolic-meaning of the token or type.It is obvious that the complete meaning of a type (either indexical or non-indexical) is its symbolic-meaning.Furthermore, the complete meaning of a token of a non-indexical symbol is also its symbolic-meaning.But the symbolic-meaning of a token of an indexical symbol is only part of its full meaning: we shall refer to its full meaning as its indexical-meaning. Ich erinnere an Perry (1977), der von Freges Problemen mit indexikalischen Ausdrücken ausgeht. Bei Sätzen, die einen indexikalischen Ausdruck enthalten, differenziert er zwischen dem Sinn, 'the role 1 , und dem Gedanken. Der Sinn eines Satzes, verstanden als 'role', ist nach Perry (1977: 481): a procedure for determining truth value, just as the sense is. The difference is, that the role is a procedure which starts from a context. Analog dazu konstruiert er 'the role' eines indexikalischen Ausdrucks wie ich oder heute als Regel, die von einer Äußerungssituation zu einem bestimmten Objekt führt: im Fall von heute zum Tag der Äußerung, im Fall von ich zum Sprecher. Für den Gedanken eines Satzes, der einen indexikalischen Ausdruck enthält, benötigt man nach Perry ein Objekt und einen unvollständigen Sinn (1977: 493): To have a thought we need an object and an incomplete sense. The demonstrative in context gives us the one,the rest of the sentence the other. Ich erinnere an Kaplan (1977). Er hält bei indexikalischen Ausdrücken zwei Bedeutungen auseinander: Bedeutung als "character 1 und Bedeutung als 'content'. Der 'character' eines indexikalischen Ausdrucks wird aufgrund sprachlicher Konventionen festgelegt. Er hat die Form einer Regel und bestimmt den Referenten eines indexikalischen Ausdrucks in Abhängigkeit von einem Gebrauchskontext und nicht in Abhängigkeit von einer möglichen Welt. Der 'content' eines indexikalischen Ausdrucks ist seine Intension, eine Funktion von möglichen Welten in Extensionen. Da der Referent indexikalischer Ausdrücke in allen möglichen Welten konstant bleibt, hat die Intension solcher Ausdrücke die Struktur einer konstanten Funktion. Für den 'character 1 indexikalischer Ausdrücke ergibt sich daraus: Er führt von einem Kontext über eine konstante Funktion zum Referenten des Ausdrucks. Zwischen Frege einerseits und Kaplan und Perry andererseits besteht ein wesentlicher Unterschied. Der Gedanke, der durch den Satz (115.1), geäußert von N . Kirchhoff, zum Ausdruck gebracht wird, ergibt sich nach Auffassung Freges aus dem kontextuell ergänzten Sinn von ich und dem Sinn des restlichen

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Ausdrucks. Nach Auffassung Perrys und Kaplans ergibt sich der Gedanke, der durch eine Äußerung von (115.1) zum Ausdruck gebracht wird, aus dem Sinn bzw. der Intension von habe grüne Augen und dem Referenten von ich. Dies ist am obigen Beispiel N. Kirchhoff. Abschließend möchte ich auf Searle (1983) verweisen, der die Idee Freges aufgreift und den Sinn indexikalischer Ausdrücke wie ich und dies so ergänzt, daß durch ihn der Referent in einem gegebenen Kontext bestimmt werden kann. Auf diesen Vorschlag werde ich in 2.4.6 ausführlich eingehen. Zusammenfassend läßt sich feststellen: Der sprachliche Ausdruck von (115.1) liefert keinen vollständigen Gedanken. Allgemein gilt, daß sich ein Gedanke aus den Sinnen der Teilausdrücke eines Satzes ergibt. Also gibt es in (115.1) einen Teilausdruck, der für die Unvollständigkeit des Gedankens verantwortlich ist, das Wort ich. Wie stellt sich bei ihm die Unvollständigkeit des Sinnes dar? Angenommen, ich verwende ich im Sinne von derjenige, der gerade zu euch spricht. Dann ist relativ zu der konkreten Äußerungssituation genau eine Person festgelegt. Relativ zu ihr ist die Bedeutung- von ich eine ganz bestimmte Person: derjenige, der gerade ich äußert. Dem Sinn von ich entspricht nur relativ zur Sprechsituation eine Bedeutung^. Ohne Bezug auf eine solche bleibt der Sinn von ich unvollständig. Erst durch die Ergänzung von selten der gegebenen Situation ist er in der Lage, seine Aufgabe zu erfüllen und die Bedeutung., zu bestimmen. Aus dieser Deutung folgt: - ich ist kein ambiges Wort, denn es hat relativ zu einer Äußerungssituation genau einen Sinn. - ich ist kein vager Ausdruck, denn in der konkreten Situation besteht nicht der geringste Zweifel, ob jemand als Bedeutung p von ich in Frage kommt. - ich ist ein kontextrelativer Ausdruck in dem Sinn, daß der Sinn von ich nur relativ zur Äußerungssituation die Bedeutung F angibt. Das Phänomen der Indexikalität von ich besteht darin, daß die Bedeutung^ von Sprecher zu Sprecher variiert, das von heute besteht darin, daß die Bedeutung^ von heute von Äußerungstag zu Äußerungstag sich ändert. Allgemein geht es um das Phänomen des Wechsels der Bedeutungr eines Ausdrucks in Abhängigkeit von der Äußerungssituation. Frege erklärt dies damit, daß der Sinn solcher Wörter unvollständig sei und durch gewisse Umstände der Situation ergänzt werden müsse. Wie aber soll man sich diesen Prozeß vorstellen? Wird der Sinn durch konkrete Elemente der gegebenen Situation ergänzt oder wird er durch den Sinn

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solcher Elemente ergänzt? Wie aber kann eine abstrakte Entität wie der Sinn durch konkrete Objekte ergänzt werden? Und worin sollte der Sinn konkreter Entitäten wie der Äußerungszeit bestehen? Man sieht, Freges Vorschlag provoziert mehr Fragen als Antworten. Diese Schwierigkeiten hängen mit der Relation der Ergänzung zusammen, die zwischen dem Sinn eines indexikalischen Ausdrucks und der gegebenen Situation bestehen soll. Es ist richtig: Zu einer Äußerungssituation gehören verschiedene Faktoren wie der Sprecher, der Angesprochene, die Äußerung, die Zeit und der Ort der Äußerung. Es ist nicht richtig, daß diese Komponenten von sich aus den Sinn eines Ausdrucks ergänzen. Es scheint eher so zu sein, daß solchen Komponenten einer Äußerungssituation bestimmte Komponenten im Sinn des Ausdrucks entsprechen. Der Sinn von ich z . B . müßte dann Komponenten enthalten, die dem konkreten Sprecher und dem ich-Teil seiner Äußerung entsprechen, ich hätte einen relationalen Sinn, der eine Menge von n-tupeln festlegen würde. Diese Menge von n-tupeln wäre die Bedeutung^ von ich. In der konkreten Situation würde sich der Sprecher auf dasjenige n-tupel oder vielmehr sein 1. Glied beziehen, für das gilt: das 1. Glied entspricht dem konkreten Sprecher, das 2. Glied dem ich-Teil seiner Äußerung. Freilich müßte die Entsprechungs-Relation näher bestimmt werden. Nach diesem Modell sind Wörter indexikalisch, wenn bestimmten Gliedern ihres relationalen Sinnes Faktoren der konkreten Situation entsprechen. Der Sinn indexikalischer Zeichen ist nicht ergänzungsbedürftig, er ist relational, und seinen Relationsgliedern entsprechen bestimmte Komponenten der Äußerungssituation. An anderer Stelle werde ich auf diesen Ansatz, der von H.-H. Lieb ( u . a . 1976b) entwickelt wurde, ausführlich eingehen. 1.2 Familienähnlichkeiten In den Paragraphen 1.2.1 bis 1.2.4 geht es um die Auffassung von Bedeutungen, wie sie von Wittgenstein vertreten wird. Charakteristisch für diese Auffassung ist die Annahme, die Bedeutung eines Ausdrucks bestehe in seinem exemplarischen Gebrauch. Eine Differenzierung zwischen dem Sinn (der Intension) und der Bedeutung^ (der Extension) von Ausdrücken erübrigt sich damit. Motiviert wird diese Theorie im wesentlichen durch zwei Arten von Phänomenen, wie sie im Zusammenhang mit Wörtern wie Spiel auftreten: - Die Bedeutungen solcher Wörter sind vage bzw. Offen 1 . - Beim Gebrauch solcher Wörter richten wir uns nach Ähnlichkeiten, nach 'Familienähnlichkeiten' in der Sprechweise Wittgensteins.

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In 1.1.5 wurde die offene Indexikalität von Wörtern wie ich und hier auf dem Hintergrund von Freges Bedeutungstheorie charakterisiert. Das von Wittgenstein beschriebene Phänomen der Familienähnlichkeiten stellt eine verstecktere Form der Indexikalität dar. Ziel von 1.2 ist der Nachweis, daß Familienähnlichkeiten im Sinne Wittgensteins nicht prinzipiell unverträglich sind mit der Annahme begrifflicher Bedeutungen für Wörter wie Spiel oder Zahl. 1.2.1 Offenheit natursprachlicher Ausdrücke In 1.1 wurde darauf hingewiesen, daß Frege für Begriffe eine scharfe Begrenzung fordert. Für jeden Gegenstand muß bestimmt sein, ob er unter den Begriff fällt oder nicht. Anders als Frege hält Carnap diese Forderung für zu stark, wenn es sich um Ausdrücke einer naürlichen Sprache handelt. Er führt die Begriffe der Intension und der Extension so ein, daß Vagheit im intensionalen und im extensionalen Sinn berücksichtigt wird. Die Extension eines einstelligen Prädikats wie rot besteht gerade nicht aus der Klasse der roten Objekte, sondern aus der Klasse der positiven und der Klasse der negativen Anwendungsfälle. Daneben gibt es Objekte, bei denen man nicht mehr verbindlich sagen kann, ob man sie noch als rot oder schon als orange bezeichnen soll. Solche Objekte liegen aufgrund ihrer Beschaffenheit im Neutralbereich von rot. Die Intension von rot besteht aus einem Paar von Eigenschaften < F . , Fp> , wobei F., entscheidend ist für die Bereitschaft eines Sprechers, rot auf ein Objekt anzuwenden, während ^2 entscheidend ist für die ablehnende Haltung eines Sprechers, rot auf ein Objekt anzuwenden. Daneben gibt es Eigenschaften von Objekten, von denen er nicht weiß, ob sie für oder gegen eine Anwendung von rot sprechen. Die Intension natursprachlicher Prädikate liefert nicht die Information, die man haben müßte, um für jedes beliebige Objekt entscheiden zu können, ob das Prädikat anwendbar ist oder nicht. Wittgenstein (1953) macht im Zusammenhang mit Wörtern wie Zahl, Spiel und Sessel auf ähnliche Phänomene aufmerksam. Zum Gebrauch von Spiel bemerkt er (Wittgenstein 1953: § 68): Wie ist denn der Begriff des Spiels abgeschlossen? Was ist noch ein Spiel und was ist keines mehr? Kannst du die Grenzen angeben? Nein. Du kannst welche ziehen: denn es sind noch keine gezogen. Offenheit in diesem Sinn bedeutet, daß gewisse Begriffe nicht abgeschlossen sind. Sie sind nicht auf die Weise festgelegt, daß für jedes beliebige Objekt feststeht, ob es unter den Begriff fällt oder nicht. Begriffe dieser Art haben nicht die Struktur totaler Funktionen, die für jedes Element eines gegebenen Bereichs definiert sind. Sie haben mehr Ähnlichkeit mit partiellen Funktionen.

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Carnap würde, da es sich um eine Eigenschaft von Begriffen handelt, von intensionaler Vagheit sprechen. Mit dem Prädikat Sessel verhält es sich ähnlich. Bei den meisten Gegenständen, mit denen wir es zu tun haben, haben wir nicht den geringsten Zweifel, ob es sich um einen Sessel handelt oder nicht. Gelegentlich stößt man aber auf Problemfälle. Wie sollen wir uns z . B . bei einem ungepolsterten, ansonsten sesselartigen Sitzmöbel entscheiden? Oder bei einem gepolsterten Sitzmöbel mit ungewöhnlich hoher Sitzfläche? Oder bei einem gepolsterten Sitzmöbel ohne Rückenlehne oder ohne Armlehne? Oder bei einem relativ unförmigen, ansonsten recht bequemen Sitzkissen? Wo verläuft die Grenze zwischen Sesseln und Sitzkissen, wo zwischen Sesseln und Stühlen, wo zwischen Sesseln und Hockern? Dieses Dilemma läßt sich an M. Blacks (1949: Kap. II) imaginärem Museum illustrieren, in welchem sich auch eine lange Reihe sesselartiger Objekte befinden könnte. Sie könnte mit einem Biedermeier-Sessel beginnen und mit einem holzklotzartigen Gebilde enden. Die Ausstellungsstücke könnten nach abnehmender Sesselähnlichkeit geordnet sein, und zwar so, daß zwischen benachbarten Objekten nur minimale Unterschiede bestünden. Angenommen, ein Besucher ginge langsam an dieser Reihe entlang. Das erste, zweite, dritte, usw. Objekt würde er ohne Zögern als Sessel akzeptieren. Irgendwann würde er jedoch auf ein Objekt stoßen, das ihn stutzig machte und zu der Frage veranlaßte: Ist dies noch ein Sessel? Einige Nachfolger dieses Gegenstandes dürften eine ähnliche Unsicherheit hervorrufen. Dann aber würde er zu Objekten gelangen, die für ihn zweifelsohne keine Sessel mehr wären. Vagheit in diesem Sinn bedeutet, daß man immer wieder auf Objekte treffen kann, die aufgrund ihrer Beschaffenheit Grenzfälle einer Klasse bzw. Übergangsfälle von einer Klasse zur anderen darstellen. Solche Objekte lassen sich mit Hilfe entsprechender Prädikate und deren Bedeutung nicht eindeutig klassifizieren. Ein weiteres Beispiel wäre ein Objekt, dessen Farbe ziemlich genau in der Mitte zwischen rot und orange liegt. Carnap spricht in diesem Zusammenhang von extensionaler Vagheit. Wittgenstein stellt das Phänomen noch auf andere Weise dar (1953: § 80): Ich sage: "Dort steht ein Sessel". Wie, wenn ich hingehe und ihn holen will, und er entschwindet plötzlich meinem Blick? - "Also war es kein Sessel, sondern irgend eine Täuschung". - Aber in ein paar Sekunden sehen wir ihn wieder und können ihn angreifen etc. - "Also war der Sessel doch da und sein Verschwinden war irgend eine Täuschung." - Aber nimm an, nach einer Zeit verschwindet er wieder, - oder scheint zu verschwinden. Was sollen wir nun sagen? Offenheit in diesem Sinn macht auf die Möglichkeit aufmerksam, daß sich unsere Jmwelt so radikal ändern kann, daß bislang nicht-vage Ausdrücke plötzlich vage

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werden. Offenheit bedeutet hier wiederum, daß ein Begriff nicht abgeschlossen ist: Der Begriff eines Stuhls ist nicht so erklärt, daß für jedes beliebige Objekt bestimmt ist, ob es ein Stuhl ist oder nicht. Er ist so erklärt, daß nur für bestimmte Objekte festgelegt ist, ob sie unter den Begriff fallen oder nicht. Die Frage ist nun: Was sind dies für Objekte? Wittgenstein spricht von 'normalen Fällen 1 (1953: § 142): Nur in normalen Fällen ist der Gebrauch der Worte uns klar vorgezeichnet; wir wissen, haben keinen Zweifel, was wir in diesem oder jenem Fall zu sagen haben. Je abnormaler der Fall, desto zweifelhafter wird es, was wir nun hier sagen sollen. Offenheit bedeutet dann, daß unsere Gebrauchsregeln für Wörter wie Sessel die Anwendung nur für sog. normale Fälle einer Klasse von Objekten festlegen; ungewöhnliche Fälle bleiben unberücksichtigt. Offenheit besteht dann in einem Mangel an Gebrauchsregeln für nicht-normale Fälle einer Klasse von Objekten. Beide Arten von Vagheit, intensionale und extensionale, die Wittgenstein nicht auseinanderhält, äußern sich so, daß der Sprecher in gewissen Situationen nicht entscheiden kann, ob das Prädikat auf ein Objekt angewandt werden kann oder nicht. Unsicherheiten dieser Art sind nicht in einer mangelhaften Kenntnis der Bedeutung des Wortes begründet, sondern in einem Mangel in der Bedeutung des Ausdrucks selbst, in einer Unterbestimmtheit der Bedeutung des Ausdrucks. Black (1949) und Carnap (1972 [1955] ) sprechen in diesem Zusammenhang von Vagheit, Waismann (1956) spricht von Open texture', Wittgenstein (1953) von Offenheit und Unbegrenztheit. Vergleicht man den Begriff der Offenheit bei Wittgenstein mit dem Begriff der Vagheit bei Carnap, zeigt sich folgendes: Carnap (1972 [l955]) unterscheidet klar zwischen der Extension und der Intension eines Wortes. Entsprechend macht er einen Unterschied zwischen intensionaler und extensionaler Vagheit. Für Wittgenstein (1953) besteht die Bedeutung eines Wortes in seinem exemplarischen Gebrauch in einer Sprache. Die Extension eines Wortes spielt keine Rolle mehr. Auf diese Weise erübrigt sich auch eine Differenzierung von zwei Arten von Offenheit. Man sieht daran, wie die Charakterisierung eines Begriffs der Vagheit ab einem gewissen Punkt eine bestimmte Theorie der Bedeutung voraussetzt und in Abhängigkeit von dieser strukturiert wird. Darauf hat auch Fine aufmerksam gemacht (1975: 266): A further characterization of vagueness will not, I think, be theory-free; for it will rest upon an account of meaning.

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Anders als Frege und ähnlich wie Carnap (1972 [1955]) geht Wittgenstein davon aus, daß die Bedeutungs- bzw. Gebrauchsregeln für die Wörter wie Spiel oder Stuhl lückenhaft sind. Bedeutungen für Wörter dieser Art haben gerade keine scharfen Begrenzungen. Im Zusammenhang mit Ausdrücken dieser Art macht Wittgenstein auf ein weiteres Phänomen aufmerksam, das der Familienähnlichkeiten. 1.2.2 Familienähnlichkeiten Der Begriff des Spiels ist für Wittgenstein offen, so daß seine Anwendung nur für sog. normale Fälle von Spielen geregelt ist. Außerdem sollen bei seiner Anwendung auf bestimmte Tätigkeiten Ähnlichkeiten eine wichtige Rolle spielen. Wittgenstein spricht von Familienähnlichkeiten. Mit dem Wort Spiel benennen wir die unterschiedlichsten Tätigkeiten: solche, die mit gewissen Gegenständen (Bällen, Kugeln, Seilen, Reifen, Figuren, Würfeln, Karten, Computern usw.) ausgeführt werden, aber auch Tätigkeiten, die von solchen Gegenständen unabhängig sind, wie es z . B . bei Bewegungs- und Tanzspielen der Fall ist; Tätgikeiten, mit denen wir uns unterhalten; Tätigkeiten zum Vergnügen; Tätigkeiten, die uns fordern; Tätigkeiten, die uns reizen; riskante Tätigkeiten; Tätigkeiten, die zu Gewinn und Verlust führen, um nur einige Beispiele zu nennen. Trotz der vorhandenen Unterschiede müßte es doch etwas geben, das den Gebrauch von Spiel in all diesen Fällen rechtfertigt. Es müßte etwas geben, das den Brett-, Karten-, Ball-, Kampf-, Glücks-, Rate-, Abzähl-, Gesellschafts-, Puppenspielen, usw. gemeinsam ist. Dies könnte z . B . eine bestimmte Eigenschaft sein, die auf alle Tätigkeiten, die wir als Spiele auffassen, zutrifft und die auf Tätigkeiten, die wir nicht als Spiele auffassen, nicht zutrifft. Wie verhält es sich z . B . mit der Eigenschaft, eine frei gewählte Tätigkeit zu sein, die nicht oder nur mittelbar gesellschaftlich oder ökonomisch zielgerichtet ist? Dies trifft sicherlich auf das Spielen mit Puppen, das Drachensteigenlassen, usw. zu, aber nicht auf Glücksspiele oder Kampfspiele im Bereich des Sportes. Wie verhält es sich mit der Eigenschaft, eine Tätigkeit zu sein, die der Unterhaltung, dem Vergnügen, der Entspannung dient und oft keine besondere Anstrengung erfordert? Dieser Bestimmung stehen u . a . die Wettkampfspiele von Berufssportlern entgegen. Auch für die Eigenschaft, eine Tätigkeit zu sein, die nach festgelegten Regeln unter bestimmten Bedingungen durchgeführt wird, lassen sich Gegenbeispiele finden. Man braucht nur an Spiele kleiner Kinder zu denken oder an Glücks- und Lotteriespiele, bei denen der dominierende Faktor darin besteht, daß die Teilnehmer ein gewisses Risiko eingehen.

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Es hat den Anschein, daß keine der genannten Eigenschaften oder Eigenschaftskombinationen allen Spielern gemeinsam ist. Es gibt zwar Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Spielen, aber keine Gemeinsamkeiten aller Spiele. Die Tätigkeiten, die wir mit Spiel benennen, sind nicht gleich, sie sind auch nicht völlig verschieden, sie sind einander mehr oder weniger ähnlich. Es gibt ein Bündel Charakterzüge von der Art, daß auf verschiedene Spiele in der Regel auch verschiedene Kombinationen davon zutreffen. So kann man Spiele untereinander vergleichen und neben den Unterschieden auch Gemeinsamkeiten in gewissen Zügen feststellen. Wittgenstein kommt zu dem Ergebnis (1953: § 66): Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen und kreuzen. Ähnlichkeiten im Großen und im Kleinen. Andererseits sind wir durchaus in der Lage, Spiele von anderen Tätigkeiten, Zahlen von anderen formalen Objekten zu unterscheiden. Wie machen wir das? Wie kommen wir dazu, manche Tätigkeiten zur Familie der Spiele zu rechnen, andere wieder nicht? Wie kommen wir dazu, manche formalen Objekte zur Familie der Zahlen zu rechnen, andere nicht? Wittgenstein gibt auf die Frage "Warum nennen wir etwas 'Zahl'?" folgende Antwort (1953: § 67): N u n , etwa, weil es eine - direkte Verwandtschaft mit manchem hat, was man bisher Zahl genannt hat; und dadurch, kann man sagen, erhält es eine indirekte Verwandtschaft zu anderem, was wir auch so nennen. Wittgensteins Erläuterungen kann man vorläufig so interpretieren: Zahlreiche umgangssprachliche Prädikate werden nicht aufgrund von Gemeinsamkeiten auf Objekte angewandt, aber auch nicht rein willkürlich; die Anwendung erfolgt vielmehr aufgrund von Ähnlichkeiten mit gewissen bereits klassifizierten Objekten. Alles, was wir z . B . Sprache nennen, ist in vielen verschiedenen Weisen miteinander verwandt. "Und dieser Verwandtschaft oder dieser Verwandtschaften wegen nennen wir sie alle 'Sprachen'." (Wittgenstein (1953): § 65). Gegen welche Auffassungen wendet sich Wittgenstein mit seiner These der Familienähnlichkeiten? Er gibt den folgenden Hinweis (Wittgenstein (1953: § 65): Hier stoßen wir auf die große Frage, die hinter allen diesen Betrachtungen steht. - Denn man könnte mir einwenden: "Du machst dir's leicht! Du redest von allen möglichen Sprachspielen, hast aber nirgends gesagt, was denn das Wesentliche des Sprachspiels, und also der Sprache, ist. Was allen diesen Vorgängen gemeinsam ist und sie zur Sprache, oder zu Teilen der Sprache macht. ... In diesem Sinne versteht Stegmüller (1975: 598f) Wittgensteins These der Familienähnlichkeiten als Kritik am Essentialismus, der nach ihm die folgende These vertritt:

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Wenn wir auf gewisse Entitäten ein- und dasselbe Prädikat anwenden, dann müssen diese Entitäten auch etwas Gemeinsames haben. Ein Wort wie Spiel hätte für uns nur dann eine feste Bedeutung, wenn uns das Wesen der Spiele bekannt wäre. Wollten wir jemandem die Bedeutung von Spiel erklären, würden wir ihm die wesentlichen Eigenschaften solcher Tätigkeiten nennen. Nach Wittgenstein trifft dies nicht zu. Aufgrund der These der Familienähnlichkeiten gilt vielmehr: - Um ein Wort wie Spiel richtig gebrauchen zu können, ist es nicht notwendig, gemeinsame Eigenschaften aller Spiele zu kennen. - Wir können jemandem die Bedeutung von Spiel an Hand von Beispielen verschiedener Spiele erklären. - Wir können das Wort Spiel aufgrund von Ähnlichkeiten mit den Einführungsbeispielen auf neue, noch nicht klassifizierte Tätigkeiten anwenden. Wittgenstein (1953: § 66) nennt im Zusammenhang mit Spielen die folgenden Eigenschaften: unterhaltend zu sein, zu einem Gewinnen bzw. Verlieren zu führen, eine Konkurrenz der Spieler zu etablieren, vom Geschick der Spieler abhängig zu sein, vom Glück abhängig zu sein. Für sie soll gelten, daß weder eine einzelne noch eine Konjunktion von ihnen auf alle Spieler zutrifft. Wittgenstein zieht noch eine weitere Eigenschaft in Erwägung (1957: § 67): Wenn aber einer sagen wollte: "Also ist allen diesen Gebilden etwas gemeinsam, - nämlich die Disjunktion aller dieser Gemeinsamkeiten" so würde ich antworten: hier spielst du nur mit einem Wort. In diesem Sinne verstehen Baker et al. (1980) Wittgensteins These der Familienähnlichkeit als Kritik an der Auffassung, man könne die Bedeutung von Prädikaten in Form einer sog. Merkmalsdefinition angeben. Die Bedeutung von Bruder würde man damit erklären, daß man die Merkmale angibt, die ein Lebewesen haben muß, um so bezeichnet zu werden. Dahinter steht die Idee, man könne die Bedeutung von Ausdrücken analysieren, sie ließe sich gewissermaßen in elementare Komponenten zerlegen. Frege (1971 [1914]) z . B . spricht, wie in 1.1.4 erwähnt, von der logischen Zerlegung des Sinnes natursprachlicher Ausdrücke. Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß er dabei vor allem eine Analyse in sog. beigeordnete (konjunktiv oder adjunktiv) Merkmale im Auge hatte, denn von Definitionen dieser Art sagte er (1934 [1884]: 100): das ist eine der am wenigsten fruchtbaren Begriffsbildungen. Die Bedeutung von Spiel könnte man allenfalls in Form einer Adjunktion von Merkmalen angeben. Wittgenstein sieht diese Möglichkeit, hält sie aber für ir-

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relevant. Will man jemandem das Wort Spiel erklären, beschreibt oder zeigt man ihm Beispiele verschiedener Spiele und fügt eventuell hinzu, daß Ähnliches auch so genannt wird, oder zeigt ihm, wie man, von den Beispielen ausgehend, durch Analogie alle möglichen Arten anderer Spiele konstruieren kann. Die Beispiele spielen dabei nach Auffassung Wittgensteins eine ganz bestimmte Rolle (1970 [1958]: 190): Würden wir also nach dem Wesen der Strafe gefragt, oder nach dem Wesen der Revolution, oder nach dem Wesen des Wissens, oder des kulturellen Verfalls, oder des Sinnes für Musik - so würden wir nun nicht versuchen, ein Gemeinsames aller Fälle anzugeben, - das, was sie alle eigentlich sind, - also ein Ideal, das in ihnen allen enthalten ist; sondern stattdessen Beispiele, gleichsam Zentren der Variation. Wittgenstein formuliert seine These der Familienähnlichkeiten so (1953: § 65): Statt etwas anzugeben, was allem, was wir Sprache nennen, gemeinsam ist, sage ich, es ist diesen Erscheinungen gar nicht Eines gemeinsam, weswegen wir für alle das gleiche Wort verwenden, - sondern sie sind miteinander in vielen verschiedenen Weisen verwandt. Bambrough (1966 [i960]) interpretiert Wittgensteins These als dritten Weg zwischen einer realistischen und einer nominalistischen Konzeption der Bedeutung von Prädikaten. Er versteht diese These als Vorschlag zur Lösung des Universalienproblems. Nach Bambrough gehen die Realisten davon aus, daß es eine objektive Rechtfertigung für die Anwendung von Prädikaten gibt. Also müssen die als Spiel bezeichneten Objekte etwas Gemeinsames haben. Dies kann eine Eigenschaft der Objekte sein (universalia in rebus), oder eine Relation zu einer Entität, die kein Spiel ist (universalia ante res). Die Nominalisten bestreiten, daß es etwas Gemeinsames gibt, außer daß sie alle so bezeichnet werden. Also, so schließen sie, gibt es keine objektive Rechtfertigung für die Anwendung eines Prädikats. Beide, Realisten und Nominalisten, vertreten nach Bambrough die These: Es gibt nur dann eine objektive Rechtfertigung für die Anwendung von Prädikaten auf Objekte, wenn diesen etwas gemeinsam ist. Nach Wittgenstein (1953: § 65) gibt es keine Gemeinsamkeiten, aufgrund derer wir gewisse Tätigkeiten Spiel nennen. Es lassen sich gemeinsame Eigenschaften angeben, z . B . eine Adjunktion von Merkmalen verschiedener Spiele. Nach Wittgenstein spielen sie jedoch für die Anwendung von Spiel keine Rolle. Dies trifft auch auf die Eigenschaft zu, ein Spiel zu sein. Nach Auffassung Bambroughs (1966 [i960]: 199) besagt die These der Familienähnlichkeiten, that games having nothing in common except that they are games.

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Andererseits gibt es durchaus Eigenschaften, die allen Spielen zukommen. Die Frage ist nur, welche Rolle sie bei der Anwendung von Spiel auf Tätigkeiten spielen. Allen Spielen sind folgende Eigenschaften gemeinsam: - die Eigenschaft, ein Spiel zu sein; - die Eigenschaft, eine Tätigkeit zu sein, die unterhaltend ist oder zu einem Gewinnen bzw. Verlieren führt oder eine Konkurrenz zwischen den Spielern herstellt oder ...; - die Eigenschaft, nicht etwas anderes als ein Spiel zu sein, die man aus der Eigenschaft, ein Spiel zu sein, durch zweifache Anwendung der Negation gewinnt; - die Eigenschaft, zur Extension desselben Wortes zu gehören; - die Eigenschaft, durch dasselbe Wort bezeichnet zu werden. Solche Eigenschaften lassen sich immer angeben. Die Frage ist nur, ob man mit ihnen den korrekten Gebrauch solcher Wörter erklären kann. rt Kutschera (1975: 191ff) geht von der Bemerkung Bambroughs (1966 [i960]: 199) aus, Wittgenstein sei weder ein Realist noch ein Nominalist. Nach Kutschera wird für einen Realisten das Wort Spiel dadurch bedeutungsvoll, daß man ihm einen vom Gebrauch des Wortes unabhängigen Begriff zuordnet und Spiel auf die Tätigkeiten anwendet, die unter den Begriff fallen. Für einen Nominalisten ist der Gebrauch des Wortes Spiel primär. Ein Begriff läßt sich vielleicht auf der Basis des Gebrauchs gewinnen. Die Tätigkeiten, auf die wir Spiel anwenden, haben zunächst nur gemein, Spiel genannt zu werden. Mit einem Satz wie Dies ist ein Spiel würde ich dann lediglich aussagen, daß dies Spiel genannt wird. Andererseits will man mit solchen Sätzen häufig gerade keine Erklärung der Bedeutung von Spiel geben, sondern von einer bestimmten Tätigkeit sagen, daß es sich um ein Spiel handelt. Kutschera versteht die These der Familienähnlichkeiten im folgenden Sinn 2 ( 1975: 193): Nach Wittgenstein verwenden wir ein Prädikat F weder nach Maßgabe eines vorgegebenen Begriffs, noch willkürlich und ohne Anwendungskriterien, sondern nach Maßgabe von Ähnlichkeiten. Mit den Nominalisten verbindet Wittgenstein, daß für ihn der Gebrauch des Prädikats primär ist. Begriffe lassen sich unter Umständen daraus gewinnen. Beim Gebrauch richten wir uns oft nach Ähnlichkeiten mit gewissen bereits klassifizierten Entitäten. Entsprechend diesem Gebrauch, der auf Ähnlichkeiten beruht, könnte man Begriffe entwickeln.

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Mit den Realisten verbindet Wittgenstein, daß für ihn die Anwendung von Prädikaten nicht willkürlich ist. Wenn ich sage, Dies ist ein Spiel, dann will ich nicht sagen, daß dies Spiel genannt wird, sondern, daß dies ein Spiel ist. Wir können ja tatsächlich das Wort Spiel korrekt anwenden, ohne allgemein erklären zu können, was ein Spiel ist. Meistens genügt es, wenn man Beispiele verschiedener Spiele kennt und gelernt hat, gewisse Ähnlichkeiten zu erkennen. Eine Begriffsbestimmung ergibt sich dann eventuell aufgrund der Art und Weise, 2 wie das Wort gebraucht wird. Der Wortgebrauch aber, so Kutschera ( 1975: 193), richtet sich nicht nach einem vorgegebenen Begriff, sondern Begriffe entstehen, im Sinne der pragmatischen Grundthese erst, wo sich ein fester Gebrauch für Prädikate etabliert hat. Das Phänomen der Familienähnlichkeiten führte Wittgenstein zu der Behauptung: Wir gebrauchen Wörter wie Spiel nicht aufgrund von Gemeinsamkeiten, sondern aufgrund von Ähnlichkeiten. Das Phänomen der Vagheit führte ihn zu der These: Es gibt keine scharfen Schnittstellen zwischen Spielen und Nicht-Spielen, zwischen Sesseln und Nicht-Sesseln. Es gibt zwar unmißverständliche positive und negative Fälle, aber es lassen sich unzählige Grenzfälle konstruieren. Es stellt sich nun die Frage, welche Konsequenz Wittgenstein selber aus den Phänomenen der Familienähnlichkeit und der Vagheit umgangssprachlicher Prädikate zieht: Was für eine Bedeutungskonzeption umgangssprachlicher Prädikate ergibt sich für ihn aus diesen Phänomenen? 1.2.3 Bedeutung und exemplarischer Gebrauch Für Prädikate, bei denen Familienähnlichkeiten eine Rolle spielen, gilt nach Wittgenstein: Es gibt zwar Eigenschaften, die allen Elementen der entsprechenden Klasse gemeinsam ist, aber wir richten uns beim Gebrauch des Wortes nicht nach ihnen. Eine Disjunktion von Eigenschaften wäre eine solche Eigenschaft. Diesen Vorschlag weist Wittgenstein mit dem Hinweis zurück, man spiele nur mit einem Wort. Diese Reaktion ist nicht auf Anhieb einzusehen. Was spricht dagegen, eine Adjunktion von Eigenschaften als weitere Eigenschaft zu akzeptieren? Im Prinzip nichts. Im speziellen Fall, daß man mit dieser Konstruktion nicht das von Wittgenstein beschriebene Phänomen der Familienähnlichkeiten erfassen kann. Beim Gebrauch von Wörtern wie Spiel geht es darum, daß Objekte unter einem bestimmten Aspekt mit gewissen ausgezeichneten Objekten verglichen werden. Ein Sprecher verfügt über eine Anzahl sicherer Beispiele, etwa die, an denen er das entsprechende Wort gelernt hat. Er wendet das Wort nur dann auf ein unbekanntes Objekt an, wenn es den Musterexemplaren ähnlich ist. Diese Ge-

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brauchsweise hat nicht das Geringste mit der Anwendung eines adjunktiven Begriffs zu tun. Wittgenstein bleibt dabei: Es gibt keine Eigenschaft, nach der wir uns richten, wenn wir etwas Spiel nennen. Es gibt zwar Eigenschaften, die innerhalb der Familie der Spiele auftauchen und wieder verschwinden. Aber diese Eigenschaften lassen sich nicht weiter in wesentliche und kontingente einteilen. Auf einer solchen Unterscheidung beruhe aber jede Konzeption von Begriffen. Also gilt für Wittgenstein: Die Bedeutung solcher Wörter wie Spiel ist kein Begriff. Die gleiche Konsequenz ergibt sich für ihn aus der Vagheit umgangssprachlicher Prädikate. Wittgenstein (1953: § 71) verweist auf die Fregesche Auffassung von Begriffen, nach der jeder Begriff scharf begrenzt ist, so daß für jeden Gegenstand feststeht, ob er unter den Begriff fällt oder nicht. Dagegen sind nach Wittgenstein viele umgangssprachliche Prädikate gerade nicht auf diese Weise erklärt. Vielmehr kann man prinzipiell auf Objekte stoßen, bei denen man sich nicht entscheiden kann, das Prädikat auf sie anzuwenden oder nicht, obwohl man die Bedeutung des Wortes kennt. Also gilt wiederum: Die Bedeutung solcher Prädikate ist kein Begriff. Worin besteht dann die Bedeutung eines Wortes für Wittgenstein? Die Bedeutung eines Wortes ist das, "was die Erklärung der Bedeutung erklärt." (1953: § 560). Wie kann man jemandem die Bedeutung von red z . B . erklären? Wenn er deutsch spricht, ganz einfach so: Das Prädikat red wird im Englischen entsprechend gebraucht wie das Prädikat rot im Deutschen. Wenn der Lernende aber über einen entsprechenden Begriff noch gar nicht verfügt, dann "durch Beispiele und Übung." (1953: § 208). Will man jemandem das Wort Spiel erklären, wird man ihm verschiedene Spiele beschreiben oder vorführen und hinzufügen: "das, und Ähnliches, nennt man Spiele." (1953: § 69). Man wird ihm zeigen, "wie man nach Analogie dieser auf alle möglichen Arten andere Spiele konstruieren kann". (1953: § 75). Man wird ihm sagen,"daß ich das und das wohl kaum mehr ein Spiel nennen würde; und dergleichen mehr". (Wittgenstein (1953): § 75). In Erklärungen der ersten Art wird der Gebrauch eines Wortes in einer unbekannten Sprache auf den Gebrauch eines äquivalenten Wortes in einer bekannten Sprache zurückgeführt. In Erklärungen der zweiten Art wird der Gebrauch von Wörtern an einigen Beispielen illustriert. Beim exemplarischen Erklären eines Prädikates P werden dem Lernenden einige positive und einige negative Fälle der Anwendung von P beschrieben. Dadurch werden zwei endliche Klassen von Beispielobjekten festgelegt: eine Klasse K p

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von der Art, daß P allen Elementen von Kp zuzuschreiben ist, und eine Klasse Rp von der Art, daß P den Elementen von Kp nicht zuzuschreiben ist. Der Lernende weiß dann für jedes Element aus der Vereinigung von K p und Kp, ob er P darauf anwenden darf oder nicht. Wie aber kann er wissen, ob er P einem neuen Objekt, das weder in Kp noch in Kp enthalten ist, zuschreiben kann? Wie gelangt er von der Kenntnis des exemplarischen Gebrauchs von P relativ zu Kp^Kp zu einem Wissen, das ihn befähigt, P auf beliebige neue Objekte anzuwenden? Wie kann er an einigen Musterbeispielen die Regel erfassen, nach der sich die anderen Mitglieder der Sprachgemeinschaft in der Verwendung von P richten? Eine solche wird in einer exemplarischen Erklärung ja nicht angegeben; angegeben werden einige wenige Anwendungen einer Regel. Nach Wittgenstein sind die beiden folgenden Merkmale für solche Lernprozesse charakteristisch: 1. "Einer Regel folgen, das ist analog dem: einem Befehl folgen. Man wird dazu abgerichtet . . . " (1953: § 206). Danach handelt es sich um Prozesse, bei denen es nicht darum geht, dem Lernenden ein bestimmtes Verhalten einsichtig zu machen, es kommt vielmehr darauf an, das entsprechende Verhalten einzuüben. Es geht nicht darum, dem Lernenden einen Begriff, eine allgemeine Regel oder ein anderes Mittel für die Anwendung des Prädikates zu vermitteln, entscheidend ist, ihn zum korrekten Gebrauch abzurichten. 2. Das Folgen einer Regel, das Geben eines Befehls "sind Gepflogenheiten, (Gebräuche, Institutionen)." (1953: § 199). Das einzige Kriterium für den korrekten Gebrauch von P ist danach die Übereinstimmung mit der allgemeinen Praxis in einer Sprachgemeinschaft. Angenommen, jemand will das Prädikat rot bzw. die Bedeutung davon lernen. Was muß er dann lernen? Eine Definition? Einen Begriff? Nach der obigen Auffassung etwas viel Komplexeres: eine Gepflogenheit, einen Brauch in einer bestimmten Gesellschaft. Der Lernende richtet sich zunächst nach dem Gebrauch, den kompetente Mitglieder der Sprachgemeinschaft von P machen.Er wird sich von ihnen korrigieren und bestätigen lassen und so zu einer vorläufigen Regel gelangen, die seinen Gebrauch von P in Einklang bringt mit dem der anderen. Dabei ist jede Regel gut genug, solange sie mit den Beispielen aus K p ^K p verträglich ist und zu einem Handeln führt, das mit der allgemeinen Praxis übereinstimmt. Eine solche Regel könnte besagen, daß man P in den und den Fällen so und so verwendet, oder daß man P auf Objekte der und der Art anwendet. Regeln dieser Art be-

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schreiben einen exemplarischen Gebrauch von P für eine mehr oder weniger große Menge von Anwendungsfällen; sie erklären nicht den allgemeinen Gebrauch von P, nicht die Art und Weise des Gebrauchs von P. Wie verhält es sich in diesem Punkt mit dem Lehrenden, von dem vorausgesetzt wird, daß er die Bedeutung von P kennt? Er erklärt jemandem P, indem er ihm Beispiele für richtige und Beispiele für nicht-richtige Anwendungen von P vorführt. "Und dabei teil(t) (er) ihm nicht weniger mit, als (er) selber weiß.", behauptet Wittgenstein (1953: § 208). Also kennt auch der kompetente Sprecher den Gebrauch von P nur relativ zu einer (im Unterschied zum Lernenden) sicherlich großen Menge von Beispielen. Und die Regel, nach der er vorgeht, erklärt den exemplarischen Gebrauch relativ zu dieser großen Menge von Beispielen und nicht die Art und Weise des Gebrauchs. 'Jemand hat ein Wort gelernt 1 bedeutet dann, daß er weiß, wie das Wort in bestimmten Fällen verwendet wird. Das Wissen, über das jemand verfügt, wenn er ein Wort gebrauchen kann, besteht nicht darin, daß er eine abstrakte Entität (einen Begriff oder eine allgemeine Regel, die ein eindeutiges Anwendungskriterium liefern würde) kennt; es besteht vielmehr darin, daß er weiß, wie P relativ zu KpWKp gebraucht wird und daß P in ähnlichen Fällen auf ähnliche Weise zu gebrauchen ist. Es gibt keine allgemeine und wohlbestimmte Regel für die Art und Weise des Gebrauchs von P, nach der der Lehrende handeln und die dem Lernenden nach gewisser Zeit aufgehen könnte; es gibt allenfalls Regeln, die besagen, wie P in gewissen Fällen verwendet wird. Dies deckt sich mit dem Ergebnis, zu dem Wittgenstein aufgrund der Familienähnlichkeiten und der Vagheit umgangssprachlicher Prädikate gekommen ist: Es gibt kein allgemeines Anwendungskriterium für Wörter wie Spiel, und es gibt keine scharfe Grenze zwischen Spielen und Nicht-Spielen. Daraus folgt für Wittgenstein: Es gibt keine wohlbestimmte Bedeutung von P, weder in der Gestalt eines Begriffs noch in der einer allgemeinen Regel für die Art und Weise des Gebrauchs. Es gibt keine abstrakte Entität, mit der die Bedeutung von P identifiziert werden könnte und die man dem Lernenden vermitteln könnte. Was bleibt, ist das beispielhafte Beschreiben von korrekten und nicht-korrekten Verwendungen des Wortes in einer Sprache. Wittgenstein gelangt aufgrund der Familienähnlichkeiten zu dem Ergebnis, daß es bei gewissen Prädikaten extrem schwierig ist, zu unterscheiden zwischen den Eigenschaften, die den Objekten einer Klasse wesentlich (mit Notwendigkeit) und denen, die ihnen auf kontingente (zufällige) Weise zukommen. Dies führte ihn dazu, die Bedeutung von Wörtern mit ihrem Gebrauch in einer Sprache zu identifizieren.

49 Mit 'Gebrauch in einer Sprache' kann, wie bereits angedeutet, Unterschiedliches gemeint sein, etwa die Art und Weise des Gebrauchs. Gebrauch in diesem Sinne ließe sich in einer allgemeinen Regel ausdrücken, die ein bestimmtes Anwendungskriterium für das Wort lieferte: P darf auf ein beliebiges Objekt a angewandt werden genau dann, wenn R p ( a ) . Eine Erklärung der Bedeutung von P würde dann einfach darin bestehen, daß man dem Lernenden eine Regel nach dem obigen Schema nennt und erläutert. Jeder Regelkundige würde über ein Kriterium für die Anwendung von P verfügen, über eine notwendige und hinreichende Bedingung Rp, die in jeder Anwendung erfüllt sein muß. In diesem Fall wäre es einfach, eine scharfe Grenze zu ziehen zwischen analytisch wahren/falschen Aussagen und synthetisch wahren/falschen Aussagen. Man könnte unterscheiden zwischen der Bedeutung von P als der Art und Weise, wie P gebraucht wird, und den einzelnen Anwendungen von P, bei denen es um die Frage geht, ob das Kriterium R p im vorliegenden Fall auch tatsächlich erfüllt ist. Eine solche Dichotomie von Regel und Regelanwendung, von analytisch-wahren und synthetisch-wahren Aussagen ergibt sich nur, wenn man den Gebrauch als Art und Weise des Gebrauchs strikt von den einzelnen Anwendungen trennt. Wittgenstein meint mit 'Gebrauch' aber eher den exemplarischen Gebrauch (1953: § 71):

Man gibt Beispiele und will, daß sie in einem gewissen Sinn verstanden werden. - Aber mit diesem Ausdruck meine ich nicht: er solle nun in diesen Beispielen das Gemeinsame sehen, welches ich - aus irgend einem Grunde - nicht aussprechen konnte. Sondern: er solle diese Beispiele nun in bestimmter Weise verwenden. Das Exemplifizieren ist hier nicht ein indirektes Mittel der Erklärung. Eine Regel, die einen exemplarischen Gebrauch zum Ausdruck bringt, legt fest, wie P in den und den Fällen verwendet wird. Angenommen, jemand kennt den exemplarischen Gebrauch von P für eine relativ große Menge von Anwendungen. Dann ist es durchaus möglich, daß die Frage, ob P einem neuen Objekt zuzuschreiben ist, für ihn den Charakter einer Tatsachenfrage hat. Ebenso kann es sein, daß das neue Objekt einen Problemfall darstellt für die exemplarische Gebrauchsregel. Dies wäre z.B. der Fall, wenn man es mit einem Objekt zu tun hätte, das aussieht wie ein Stuhl, aber verschwindet, sobald man sich ihm nähert. Kann man ein solches Objekt noch Stuhl nennen? Schwer zu sagen, denn ein solcher Fall ist in den Erklärungen der Bedeutung von Stuhl nicht vorgesehen. Stößt man auf Objekte solcher Art, bekommt die Frage, ob P anwendbar ist oder nicht, den Charakter einer Frage nach der Bedeutung von P. Man sieht daran Folgendes: Identifiziert man die Bedeutung von Wörtern mit ihrem exemplarischen Gebrauch, ist die strikte Trennung von Fragen der Bedeutung und Fragen der Anwendung nicht mehr möglich. Der Gebrauch wird dann nur

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relativ zu einer mehr oder weniger großen Menge von Anwendungen erklärt, so daß man immer mit dem Fall zu rechnen hat, daß ein neues Objekt die bislang erfolgreiche Gebrauchsregel in Frage stellt. Sieht man die Bedeutung von P darin, daß P in den und den und . . . und den Fällen so und so und ... und so verwendet wird, ist es unmöglich, eine klare Grenze zu ziehen zwischen dem, was aufgrund der Bedeutung von P gilt und was aufgrund der Tatsachen gilt; zwischen dem, was bei jeder Anwendung erfüllt sein muß und dem, was spezifisch ist für eine einzelne Anwendung. Die These der Offenheit und der Familienähnlichkeit ist mit jeder Begriff skonzeption unverträglich, für die gilt: - Begriffe haben scharfe Begrenzungen. - Allen Objekten, die unter einen Begriff fallen, müssen gewisse Eigenschaften gemeinsam sein. Eine andere Frage ist, ob die genannten Thesen mit jeder unverträglich sind. 1.2.4

Begriffskonzeption

Ähnlichkeitsbegriffe

Als charakteristisch für den Gebrauch von Wörtern wie Spiel hat sich folgendes herausgestellt: 1. Die Bedeutung von Spiel erklären wir nicht dadurch, daß wir bestimmte Merkmale von Spielen angeben. Vielmehr beschreiben oder zeigen wir Beispiele und Gegenbeispiele von Spielen. 2. Bei der Anwendung des Wortes auf neue Entitäten spielen Ähnlichkeiten mit den Beispielen und Gegenbeispielen eine Rolle. Ähnlichkeit mit Beispielen rechtfertigt eine Anwendung von Spiel, Ähnlichkeit mit Gegenbeispielen die Ablehnung einer Anwendung. 3. Bei verschiedenen Sprechern können verschiedene Ähnlichkeiten oder Ähnlichkeiten mit verschiedenen Beispielmengen verschiedene Anwendungen von Spiel rechtfertigen. 4. Spiele bilden eine Familie. Was sie zu Mitgliedern einer Familie macht, sind Ähnlichkeiten. Daraus ergibt sich für Baker et al. (1980: 327): In view of this unity, it is appropriate to speak of the concept of a game, the concept of a number, etc.. Wittgenstein (1953: § 68, 70) selbst spricht von dem Begriff der Zahl und dem Begriff des Spiels und nicht nur von dem Gebrauch der Prädikate Spiel und Zahl.

51 5. Begriffe für Wörter wie Spiel hängen mit einer charakteristischen Art von Bedeutungserklärung zusammen, die Beispiele und Gegenbeispiele in bestimmter Weise verwendet. 6. Gemeinsame Merkmale der Elemente des Umfangs solcher Begriffe sollen beim Erklären bzw. Lernen entsprechender Wörter keine Rolle spielen und deshalb auch keinen Bestandteil der Begriffe bilden. 7. Die Bedeutung solcher Wörter ist ihr exemplarischer Gebrauch relativ zu bestimmten Mengen von Beispielen und Gegenbeispielen eines Sprechers und bestimmten Ähnlichkeitsrelationen.

Offen bleiben folgende Fragen: Wie könnte man einen Begriff des Wortes Spiel festlegen? Welche Rolle würde dieser beim Gebrauch des Wortes Spiel haben? Worin würde dann die Bedeutung von Spiel bestehen: in seinem exemplarischen Gebrauch oder in dem gegebenen Begriff? Wie verhält es sich z . B . mit den Ähnlichkeiten, die beim Gebrauch von Wörtern wie Spiel, rot, Zahl eine entscheidende Rolle spielen? Liefern sie nicht ein allgemeines Kriterium für die Anwendung der Wörter? Man könnte im Gegensatz zu Wittgenstein davon ausgehen, daß es doch eine, unter Umständen äußerst komplexe Definition von Spiel gibt. In diese Richtung gehen folgende Überlegungen von Baker et al. (1980: 330): The full explanation of 'game' by reference to paradigms must specify not only a set of paradigms, but also a set of respects of resemblance, perhaps differentially weighted, which are relevant for determining whether an activity is a game. Accordingly, the predicate 'is a game' may be defined by stipulating that it is true of provides that the sum of the weights of the respects in which it resembles some one (or perhaps any) of the paradigms exceeds a particular threshold-value. Ein entsprechender Begriff wäre auf eine Menge paradigmatischer Spiele für einen Sprecher und auf eine Menge von Aspekten, unter denen verglichen wird, zu relativieren. Er könnte dann unter Bezugnahme auf eine komplexe Eigenschaft konstruiert werden: die Eigenschaft, eine Summe von Schätzwerten von Ähnlichkeiten zu sein, so daß gilt: a. die Ähnlichkeiten gelten in den und den Hinsichten; b. es sind Ähnlichkeiten mit Elementen aus der Menge der paradigmatischen Beispiele; c. die Summe der Schätzwerte der Ähnlichkeiten ist größer als ein gewisser Schwellenwert. Einen so konstruierten Begriff könnte Wittgenstein mit dem Hinweis ablehnen, daß beim Erklären solcher Wörter weder von einer Schätzung noch von einem Schätzwert oder einem Schwellenwert die Rede sei.

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Spiel ist ein Wort, bei dem Familienähnlichkeiten eine Rolle spielen. Für Wittgenstein folgt daraus, daß es keine, allen Spielen gemeinsame Eigenschaft gibt, die die Anwendung des Wortes regelt. Also ist die Bedeutung von Spiel kein Begriff. Sicher, solche Eigenschaften wie unterhaltend zu sein, zu einem Gewinn und Verlust zu führen, eine Konkurrenz unter den Teilnehmern zu etablieren, von Geschick oder Glück abhängig zu sein, usw. sind unbrauchbar als sog. definierende Eigenschaften für einen entsprechenden Begriff. Ebenso ungeeignet sind konjunktive oder adjunktive Verknüpfungen dieser Eigenschaften. Ungeeignet erscheint auch die Eigenschaft, eine Tätigkeit zu sein, so daß die Summe der Schätzwerte von Ähnlichkeiten in verschiedenen Hinsichten mit Elementen einer bestimmten Beispielmenge einen gewissen Wert übersteigt. Daraus zu schließen, dies gelte für alle Eigenschaften, ist voreilig. Ein anderer Vorschlag zur Bestimmung solcher Begriffe kommt von Kutschera 2 (1975: 196ff) und von Lieb (1980c: 30ff). Beide gehen von der Beschreibung aus, wie Sprecher gewisse Objektbereiche mit Hilfe von Ähnlichkeitsrelationen und Musterbeispielen in Klassen einteilen. Daraus läßt sich z.B. die folgende Eigenschaft gewinnen: ein Element einer Klasse zu sein, die von den Sprechern auf bestimmte Weise gebildet wird, indem sie nämlich von einer Menge exemplarischer Vertreter ausgehen und durch Vergleich mit diesen zu Erweiterungen der ursprünglichen Menge gelangen. Dem Wort Spiel könnte man die Eigenschaft zuordnen, ein Element einer Klasse zu sein, die aus einer Menge exemplarischer Spiele für einen Sprecher und aus solchen Entitäten besteht, die einem von ihnen ähnlich sind. Mit solchen komplexen Eigenschaften ließen sich dann Begriffe für Wörter wie Spiel konstruieren. Es wären Begriffe von bestimmter Art. Zum einen wären es Ähnlichkeitsbegriffe: Sie werden relativ zu einer bestimmten vierstelligen Ähnlichkeitsrelation eingeführt. Zum anderen wären es indexikalische Begriffe: Sie werden relativiert aquf die Menge der Objekte, die einem Sprecher als Musterbeispiele dienen. Auf die Art und Weise der Konstruktion von Ähnlichkeitsbegriffen und auf die formalen Mittel, die sie voraussetzen, werde ich im linguistischen Teil (4.2.6) dieser Arbeit ausführlich eingehen. Von den Ähnlichkeitsrelationen wird man im allgemeinen voraussetzen, daß sie von den Sprechern richtig gelernt und richtig angewandt werden. Dennoch müssen die Ähnlichkeitsbegriffe auf bestimmte Beispielklassen relativiert werden, denn jeder Sprecher geht von seiner Beispielklasse aus. Darin besteht die spezifische Indexikalität solcher Begriffe. Entscheidend für die Festlegung der Extension von Wörtern wie Spiel ist ja neben den objektiv angewandten Ähnlichkeitsrelationen die Beispielklasse eines Sprechers. Diese enthält diejeni-

53 gen Objekte, an denen ihm das Wort exemplarisch erklärt worden ist. Daraus ergibt sich für Beispielklassen, daß sie zwar von Sprecher zu Sprecher variieren, daß sie aber, bezogen auf einen bestimmten Sprecher, eine relative Starrheit besitzen können. Indexikalität in diesem Zusammenhang bedeutet Abhängigkeit der Extension gewisser Wörter von der Beispielmenge einer Klasse von Objekten für einen Sprecher, die in Lernsituationen festgelegt werden kann. Die Möglichkeit von Ähnlichkeitsbegriffen übersieht Wittgenstein. Ihm zufolge kann man in Fällen von Familienähnlichkeit nichts angeben, womit man die Bedeutung von Wörtern identifizieren könnte, weder eine allgemeine Eigenschaft, mit der man einen Begriff bestimmen könnte, noch eine allgemeine Regel für die Art und Weise des Gebrauchs. Man kann nur an einigen Beispielen den Gebrauch erläutern. Daraus folgt: Es ist nicht möglich, die Bedeutung eines Wortes (im Sinne einer wohldefinierten Entität) scharf vom Gebrauch zu trennen. Ähnlichkeiten mit gewissen Beispielen von Spielen sind ausschlaggebend für die Anwendung von Spiel auf eine Tätigkeit, Ähnlichkeiten mit den Gegenbeispielen sind ausschlaggebend für die Ablehnung der Anwendung. Ähnlichkeiten in verschiedenen Hinsichten spielen eine zentrale Rolle beim Lernen solcher Wörter. Jemand, der den korrekten Gebrauch von Spiel lernen will, muß a. mindestens eine Menge von Beispielen und mindestens eine Menge von Gegenbeispielen von Spielen kennen; b. Beispiele und Gegenbeispiele dafür kennen, was es heißt, den Beispielen bzw. den Gegenbeispielen von Spielen ähnlich zu sein.

Aufgrund von Ähnlichkeiten kann man die Anwendung von Spiel auf eine Tätigkeit rechtfertigen oder kritisieren. Aufgrund von Ähnlichkeiten mit Elementen aus einer Beispielmenge kann man zwischen einem korrekten und einem nicht-korrekten Gebrauch von Spiel unterscheiden. Obwohl Wittgenstein (1953: § 68) von dem Begriff des Spiels spricht, identifiziert er die Bedeutung von Spiel mit seinem exemplarischen Gebrauch. Dies könnte u . a . mit etwas zusammenhängen, auf das Baker et al. (1980: 330) aufmerksam machen: although most of the characteristic features of a particular family may be present in a marked degree in a particular person, he may non the less not be a member of the family, and that judgement rests simply on his lineage. Wittgenstein trägt dem Phänomen der Familienähnlichkeiten dadurch Rechnung, daß er die Bedeutung von Wörtern auf neue Weise konzipiert: als den exemplarischen Gebrauch in einer Sprache. Das Lehren besteht dann nicht in der Vermitt-

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lung einer wohldefinierten Bedeutung, sondern in der Illustration des Gebrauchs an einigen Beispielen. Das Lernen von Wörtern läßt sich nicht beschreiben als das Lernen von etwas (eines Begriffs, einer Regel), sondern als das Lernen, wie man das Wort in gewissen Fällen verwendet. Wittgenstein spricht im obigen Zusammenhang nicht von Indexikalität, er spricht von Familienähnlichkeiten. Diese bestehen unter den Elementen der entsprechenden Klasse, insbesondere zwischen den Beispielexemplaren und den restlichen Elementen. Gelernt werden Wörter wie Spiel, Zahl, rot an gewissen Vertretern der entsprechenden Klasse. Angewandt werden sie dann, relativ zu einer Menge von Beispielen, aufgrund von Ähnlichkeiten. Für den Gebrauch solcher Wörter sind zwei Faktoren ausschlaggebend: Beispielmengen eines Sprechers für eine Klasse und bestimmte Ähnlichkeitsrelationen, nach denen er neue Objekte mit den bereits klassifizierten vergleicht. Der Gebrauch solcher Wörter ist in dem Sinn indexikalisch, daß dem Sprecher bestimmte Vertreter der Klasse als Muster dienen. Ihm entspricht eine bestimmte Art des Lernens: Die Bedeutung solcher Wörter wird ostensiv oder durch Beschreibung von Beispielen, also auf exemplarische Weise vermittelt und nicht durch die Angabe einer definierenden Eigenschaft oder etwas Vergleichbarem. Indexikalität hängt in diesem Zusammenhang eng mit der Art und Weise zusammen, wie bestimmte Wörter erlernt werden. Entsprechend könnte man einen Begriff der Indexikalität von Wörtern nach dem folgenden Schema festlegen: Die Bedeutung eines Wortes ist indexikalisch, wenn sie auf die und die Art erlernt bzw. erklärt wird. 1.3 Typusbegriffe In den Paragraphen 1.3.1 bis 1.3.3 geht es um eine Begriffstheorie, wie sie von Hempel & Oppenheim (1936) für psychologische Termini wie Pykniker entwickelt wurde. Charakteristisch für diese Auffassung ist die Annahme, daß Ausdrücke dieser Art mit komparativen Begriffen verbunden sind und daß sich Wissenschaftler bei der Anwendung solcher Ausdrücke an Personen orientieren, die den entsprechenden Typus beispielhaft verkörpern. In 1.1 wurde die offene Indexikalität von Wörtern wie ich und hier charakterisiert, in 1.2 eine verstecktere Art von Wörtern wie Spiel. Indexikalität der zweiten Art besteht darin, daß Ähnlichkeit mit gewissen ausgezeichneten Exemplaren einer Klasse die Zugehörigkeit zu der Klasse regelt. Ähnliches gilt für sog. Typusbegriffe, für Ausdrücke wie Pykniker: Um ein Pykniker zu sein, muß man einem typischen Pykniker mehr oder weniger ähnlich sein. Ziel von 1.3

55 ist die Explikation des Unterschieds zwischen komparativen Begriffen im gewöhnlichen Sinn für Ausdrücke wie ist schwerer als und Typusbegriffe für Ausdrücke wie Pykniker.

1.3.1

Typusbezeichnungen und klassifikatorische Begriffe

Hempel & Oppenheim veranschaulichen das Phänomen, das sie im Auge haben, an Bezeichnungen, wie sie in der damaligen Psychologie eine beachtliche Rolle spielten. Kretschmer (1931) teilte die Menschen nach gewissen Körpermerkmalen in Pykniker, Athletiker und Leptosomen ein. Jung (1921) unterschied zwischen dem extrovertierten und dem introvertierten Typus, Ewald (1924) zwischen dem sanguinischen oder hypomanischen und dem melancholischen oder depressiven Temperament. Solche Typusbezeichnungen sind zu einem großen Teil in die Alltagssprache übernommen worden, z.B. Sadist, Hypochonder. Außerdem enthält die Alltagssprache Prädikate ohne wissenschaftlichen Ursprung, die ähnlich funktionieren, z . B . Pessimist, Opportunist, Individualist, Zyniker. Charakteristisch für den Gebrauch solcher Prädikate sind die beiden folgenden Punkte: 1. Sie werden auch in komparativen Aussagen verwendet: Kurt ist mehr Optimist als Karl. Ein Optimist zu sein ist dann nicht nur eine Sache des EntwederOder, sondern auch eine Sache des Mehr-oder-Weniger. Die Individuen, die als Optimisten in Frage kommen, werden danach geordnet, in welchem Maß sie den Typus des Optimisten verkörpern. Aufgrund der vielen Mischformen, Abschwächungen und Grenzfälle scheint es nicht ganz einfach zu sein, zwischen den Optimisten und den Pessimisten eine scharfe Grenze zu ziehen. Es scheint, als gäbe es nicht nur innerhalb eines Typus eine Reihe mehr oder weniger schwacher Ausprägungen, sondern ebenso zwischen verschiedenen Typen. Hempel & Oppenheim sprechen in diesem Sinne von 'fließenden Übergängen 1 . 2. Dieselben Typusprädikate werden aber auch in klassifizierenden Aussagen verwendet: Peter ist ein Sadist. Ein Sadist zu sein, ist in dieser Gebrauchsweise eine Sache des Entweder-Oder. Auf welche Weise, so stellt sich die Frage, lassen sich die vielfältigen Verkörperungen eines Typus zu einer Klasse zusammenfassen? Ehrenstein beschreibt diesen Prozeß so (1935: 23):

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In einer Gruppe werden diejenigen Individuen vereinigt, die untereinander ähnlich sind, während sie sich von den Angehörigen anderer Gruppen durch eindeutige und definierbare Verschiedenheit abgrenzen lassen. Der Unterteilung der Gesamtheit aller vorkommenden Individuen in Gruppen und Typen liegt, . . . , die Ähnlichkeitserkenntnis zugrunde. Dem Begriff des typischeren Falls eines

Optimisten wird die traditionelle De-

finitionslehre, die ausschließlich klassifikatorische Begriffe berücksichtigt, nicht gerecht.

Hempel & Oppenheim charakterisieren die

traditionelle Auffas-

sung folgendermaßen (1936: 12): Der klassischen Auffassung zufolge wird nun jeder Begriff durch Merkmalbegriffe festgelegt. Ein solcher Merkmalbegriff drückt, wie man gewöhnlich sagt, eine mögliche Eigenschaft eines Gegenstandes aus; er ist daher ein einstelliges Prädikat. Was ein ein- oder

mehrstelliges Prädikat ist,

Verwendung des Begriffs Prädikat ist

einer

legen Hempel & Oppenheim unter

Satzfunktion fest: ein ein-

dasjenige Zeichen,

das bei

oder n-stelliges

Satzfunktionen wie 'Stadt ( x ) ' oder

'Sohn ( x , y ) ' vor dem Klammerausdruck steht. Hempel & Oppenheim identifizieren Merkmalbegriffe mit einstelligen katen,

mit Ausdrücken von bestimmter Gestalt.

Sie machen

hier

Prädi-

noch keinen

Unterschied zwischen einem Begriff und dem Ausdruck, der ihn bezeichnet. Einstellige Merkmalbegriffe sind nach traditioneller Auffassung die geeigneten Mittel zur Bestimmung neuer Begriffe.

Die so definierten

Begriffe sind

wiederum einstellige Merkmal- bzw. Eigenschaftsbegriffe. Angenommen, man definiert: "Eine gerade Zahl ist eine ganze Zahl,

die ein

ganzzahliges Vielfaches von 2 ist".

Man legt dann mit Hilfe der Satzfunktionen

'ganze Zahl ( x ) ' und 'ganzzahliges

Vielfaches

einer geraden Zahl fest. Die Merkmalbegriffe,

von 2 ( x ) ' den

neuen

die den definierenden

Begriff Ausdruck

bilden, liefern die Kriterien für die Anwendung des neuen Begriffs. Sie nennen die Eigenschaften, die ein formales Objekt haben muß, um zur

Klasse der gera-

den Zahlen zu gehören. Die Funktion solcher Begriffe besteht darin, Objekte in Klassen zusammenzufassen bzw. Objektbereiche in Klassen einzuteilen. Man kann der Satzfunktion 'gerade Zahl ( x ) ' diejenige Klasse von Zahlen zuordnen,

die

die

Eigenschaft

haben, eine gerade Zahl zu sein, d . h . eine ganze Zahl zu sein und ein ganzzahliges Vielfaches von 2 zu sein. Geht man von dieser gilt:

Darstellung der

traditionellen

Begriffstheorie aus,

57 zum Ausdruck

1. Es gibt sog. Merkmalbegriffe, die Eigenschaften von Objekten bringen und geeignet sind zur Festlegung neuer Begriffe. 2. Begriffe, die so definiert werden, legen eine Klasse von Objekten fest: die Klasse von Objekten, die die geforderten Eigenschaften haben. 3. Merkmalbegriffe und durch Merkmalbegriffe definierte Begriffe sind identisch mit einstelligen Prädikaten. Im Unterschied zu dieser weitgehend undifferenzierten nimmt Hempel (1965) folgende Differenzierungen vor:

Begriffsauffassung

(1.) Er macht einen Unterschied zwischen Begriffen und Ausdrücken, die für Begriffe stehen (Hempel (1965): 139): for example, the term 'soluble in alcohol' which is a linguistic expression, stands for the concept of solubility in alcohol, which is a property of certain substances. W. Stegmüller (1970: 19) macht einen ähnlichen Unterschied. Für ihn bilden klassifikatorische Begriffe den Inhalt von Klassennamen oder Klassenbezeichnungen wie Mensch oder rot. (2.)

Hempel macht einen Unterschied zwischen einem Begriff und seiner Extension als der Klasse von Objekten, die den begrifflichen Kriterien genügen (1965: 138): each subclass is thus defined by means of (more precisely, as the extension of) a certain concept, which represents the complex of characteristics essential for membership in that subclass.

(3.) Hempel macht einen Unterschied zwischen einem Begriff und seinem Gehalt, der aus charakteristischen Merkmalen von Objekten besteht. Teilt man z . B . die ganzen Zahlen in Primzahlen und zusammengesetzte Zahlen ein, gehört eine Zahl zur ersten Teilklasse, wenn sie größer als l und nur durch l und sich selbst teilbar ist. Von diesen Zugehörigkeitsbedingungen sagt Hempel (1965: 138): These characteristics determine the concept of prime number, ... . (4.) Hempel macht einen Unterschied zwischen einer natürlichen und einer künstlichen Klassifikation und damit zwischen Merkmalen, die zu fruchtbaren Begriffen führen und solchen,auf die das nicht zutrifft (1965: 146f): in a classification of the former kind, those characteristics of the elements which serve as criteria of membership in a given class are associated, universally or with high probability, with more or less extensive clusters of other characteristics.

58

Nach dieser Auffassung gilt für Begriffe: (1.) Sie bilden den Inhalt von Ausdrücken. (2.) Der Gehalt von Begriffen besteht aus Eigenschaften von Objekten entsprechender Klassen. (3.) Die Eigenschaften im Gehalt eines Begriffs sind entscheidend für die Zugehörigkeit zur entsprechenden Klasse. (4.) Die Extension eines Begriffs ist die Menge der Objekte, die sämtliche Eigenschaften aus dem Gehalt des Begriffs besitzen. Die Aufgabe klassifikatorischer Begriffe besteht darin, die Elemente eines gegebenen Objektbereichs in Klassen einzuteilen. Aus dieser Funktion ergeben sich gewisse Adäquatheitsbedingungen. Stegmüller (1970) nennt zwei: 1. Die durch die Begriffe festgelegten Klassen müssen gegeneinander scharf abgegrenzt sein. Sie müssen sich wechselseitig ausschließen. 2. Jedes Objekt des gegebenen Bereichs muß Element einer der Klassen sein. Die Klasseneinteilung muß in diesem Sinn erschöpfend sein. Diese Bedingungen werden von klassifikatorischen Begriffen in Alltagssprachen häufig nicht erfüllt, denn diese können vage sein oder sich überkreuzen. Aber auch für Begriffe wie, ein typischerer Fall eines Optimisten zu sein, haben sie keine Geltung. Mit Begriffen dieser Art wollen wir gerade nicht Objekte eines Bereichs in Klassen einteilen, mit ihnen wollen wir Objekte unter gewissen Aspekten vergleichen und in eine gewisse Ordnung bringen. 1.3.2 Typusbezeichnungen und komparative Begriffe im üblichen Sinn Hempel & Oppenheim gehen bei der Rekonstruktion von Typusbegriffen von der komparativen Gebrauchsweise aus. Es geht ihnen um den logischen Charakter 'abstufbarer Eigenschaften', um die begriffliche Erfassung 'fließender Übergänge' zwischen verschiedenen Typen. Im Prinzip könnte man dieses Phänomen auf verschiedene Weise deuten: - als Vagheitsphänomen, verursacht von Begriffen ohne scharfe Ränder; - als von komparativen Begriffen verursachtes Phänomen, mit denen nicht klassifiziert, sondern verglichen wird. Hempel & Oppenheim gehen von der zweiten Deutung aus. Als geeignetes formales Mittel zur Rekonstruktion solcher Phänomene bieten sich dann komparative Begriffe an. Diese erlauben als Relationsbegriffe Vergleichsfeststellungen im Sinne eines Mehr oder Weniger. Mit ihnen kann man Differenzierungen vornehmen, die unter Verwendung klassifikatorischer Begriffe nicht möglich sind. Angenommen, ein Lehrer will herausbekommen, wer von seinen Schülern die 100 m-Strecke

59

am schnellsten läuft. Unter Verwendung spitzer Klammern zur Bezeichnung von Begriffen kann man feststellen: (i) Verwendet der Lehrer klassifikatorische Begriffe wie >ist schnell< und >ist langsam^ erhält er als Ergebnis 2 Klassen von Schülern: die Klasse der schnellen Läufer und die Klasse der langsamen Läufer. Die Schüler innerhalb einer Klasse werden nicht weiter nach ihrer sportlichen Leistung differenziert. (ii) Verwendet er einen komparativen Begriff wie >ist schneller als< werden alle Schüler aufgrund ihrer sportlichen Fähigkeit in eine Rangordnung gebracht. Jeder Schüler hat seinen Platz innerhalb der entsprechenden Reihe. Da es möglich ist, daß mehrere Schüler dieselbe Stelle in der Rangordnung einnehmen, spricht man von einer 'Quasireihe 1 . Ein komparativer Begriff wie >schwerer als< wird durch zwei Relationen festgelegt, die besagen, - unter welchen Bedingungen etwas schwerer ist als etwas anderes, - unter welchen Bedingungen etwas nicht schwerer ist als etwas anderes, d . h . a. unter welchen Bedingungen etwas leichter ist als etwas anderes, b. unter welchen Bedingungen etwas gewichtsgleich ist mit etwas anderem. B sei der Bereich der Gegenstände, für die ein komparativer Begriff eingeführt werden soll. B sei die Menge physischer Objekte mittlerer Größe, für die der Begriff >schwerer als< bestimmt werden soll. Dies geschieht dadurch, daß man die Bedingungen angibt, unter denen ein Objekt einem Objekt y in der Reihe vorangeht und ebenso die Bedingungen, unter denen zwei Objekte x,y ununterscheidbar sind hinsichtlich der untersuchten Eigenschaft. Man führt also zwei Relationen ein: eine Vorgängerrelation V und eine Gleichstelligkeitsrelation G. Im obigen Beispiel wären es die Relationen >leichter als< und >gewichtsgleich mit< . Eine Quasireihe ist dann festgelegt, wenn (132.1) a. eine zweistellige, transitive und symmetrische Relation >x ist gleichstellig mit y< [G ( x , y ) ] festgelegt ist, die besagt, unter welchen Bedingungen zwei Objekte x , y an der gleichen Stelle der Reihe stehen; b. eine zweistellige, transitive und asymmetrische Relation >x steht vor y< [V ( x , y ) ] festgelegt ist, die besagt, unter welchen Bedingungen vor y steht; c. die Relationen G und V so verbunden sind, daß gilt: i. wenn für zwei Objekte x,y G ( x , y ) gilt, so gilt nicht V ( x , y ) ; V ist G-irreflexiv.

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ii. wenn für zwei Objekte x,y G ( x , y ) nicht gilt, so gilt für sie V ( x , y ) oder V ( y , x ) ; V ist G-zusammenhängend. Die Gleichstelligkeitsrelation G wird auch Koinzidenzrelation genannt. Nach Hempel (1974 [l969]: 59) ist G transitiv und symmetrisch, also auch reflexiv. Stegmüller fordert mehr (1970: 31): Sie muß die Merkmale einer sog. Äquivalenzrelation besitzen, auch abstrakte Gleichheitsrelation genannt. Sie muß symmetrisch, transitiv und totalreflexiv sein. Eine Relation R ist totalreflexiv, wenn gilt: R ist reflexiv und alle Elemente des zugrunde gelegten Bereichs gehören zum Vor- oder zum Nachbereich von G. Durch G wird jeder Stelle der zu erzeugenden Quasireihe eine Klasse von Objekten zugeordnet, die Klasse der ununterscheidbaren bzw. koinzidierenden Objekte. Dadurch wird B erschöpfend und in einander ausschließende Klassen eingeteilt. V ist transitiv und asymmetrisch und damit irreflexiv: Kein Objekt kann sich selbst vorangehen. Außerdem darf kein Objekt x, das zu y in der Koinzidenzrelation G steht, zu y in der Vorgängerrelation V stehen. V ist G-irreflexiv. Außerdem müssen alle Objekte des Bereichs B bezüglich G und V vergleichbar sein. Aus der letzten Forderung ergibt sich, daß für zwei beliebige Objekte x,y e B mindestens eine der Relationen G ( x , y ) , V ( x , y ) oder V ( y , x ) gelten muß. V ist G-zusammenhängend. Unter einer 'Reihenordnung' verstehen Hempel & Oppenheim ein Paar von Relationen, die die Bedingungen in (132.1) erfüllen. G und V (bzw. K und V) sind die Grundrelationen von (bzw. < K , V > ) . Hempel definiert dann wie folgt (1974 [1969]: 58): (132.2) Zwei Relationen, K und V, legen einen komparativen Begriff, oder eine Quasireihe, für die Elemente einer Klasse B fest, wenn K in B transitiv, symmetrisch und reflexiv, und V transitiv, K-irreflexiv und Kzusammenhängend ist. Einen Begriff, der seiner Anwendungsweise nach eine Reihenordnung mit den Grundrelationen G , V darstellt, nennen Hempel & Oppermann einen Ordnungsbegriff 1 . Ein in einer Dimension abstufbarer Begriff, z . B . der des Komparativs schwerer, wird identifiziert mit der entsprechenden Reihenordnung. Angenommen, ein Objektbereich B ist erschöpfend in n wechselseitig disjunkte Klassen P I Pp eingeteilt, die durch ' ' · · · · ' ' bezeichnet werden. Im obigen Beispiel würde es sich eventuell um die Klasse der schweren und die Klasse der leichten physischen Objekte mittlerer Größe handeln. Angenommen, die Elemente von B werden durch einen komparativen Begriff in eine Ordnung ge-

61 bracht. Dann tritt an die Stelle der n Prädikate ' * ··· ' P ' und der entsprechenden Klassenbegriffe eine Reihenordnung < G , V > , bestehend aus zwei zweistelligen Relationen, die durch neue Prädikate zu bezeichnen sind. G ist eine abstrakte Gleichheitsrelation und teilt die Elemente des Bereichs in Klassen äquivalenter Objekte. In welchem Verhältnis stehen nun solche Äquivalenzklassen und die auf klassifikatorischer Ebene erzeugten Klassen P 1 , . . . P ? Zwei Fälle müssen unterschieden werden:

1. Der komparative Begriff faßt aufgrund von G genau dieselben Objekte zusammen wie im klassifikatorischen Fall und ordnet Objekte verschiedenen Äquivalenzklassen zu, wenn sie im klassifikatorischen Fall verschiedenen Klassen P. zugeordnet werden. Für das obige Beispiel würde das bedeuten, daß aufgrund der Relation >gewichtsgleich mit< die Objekte aus B in zwei Klassen eingeteilt werden, in die der schweren und die der leichten Objekte. Insoweit würden beide Begriffsarten das gleiche leisten. Zusätzliche Information würde sich erst aufgrund von V ergeben. Die Elemente beider Äquivalenzklassen werden durch diese Relation nach größerem bzw. geringerem Gewicht geordnet. 2. Im allgemeinen führt die Konstruktion einer Quasireihe jedoch zu einer Verfeinerung der Klasseneinteilung. Die Äquivalenzklassen sind dann von geringerem Umfang, ihre Anzahl ist größer als auf der klassifikatorischen Ebene. Elemente, die auf der klassifikatorischen Ebene derselben Klasse P. angehören, werden auf der komparativen Ebene verschiedenen Äquivalenzklassen zugeordnet. In diesem Fall ist die Informationsverschärfung eine doppelte. Erstens wird der Grundbereich B in eine größere Anzahl von Teilklassen zerlegt. Zweitens werden die Objekte aus B aufgrund von V in eine Ordnung gebracht. Die Leistung komparativer Begriffe besteht darin, daß sie die Objekte eines Bereichs B 1. in Äquivalenzklassen einteilen, z . B . die der gewichtsgleichen Gegenstände, und 2. die Elemente verschiedener Äquivalenzklassen nach mehr oder weniger ordnen, z.B. unter dem Aspekt des Schwerer- bzw. Leichterseins. Darüber, welche Objekte überhaupt die Eigenschaft, schwer bzw. leicht zu sein, besitzen, sagen komparative Begriffe nichts. Durch den Begriff schwerer als werden Objekte mittlerer Größe in eine Ordnung gebracht, sie werden nicht zur Klasse der schweren Objekte zusammengefaßt. Hempel & Oppenheim behandeln Typusbezeichnungen wie komparative Ausdrücke. Angenommen, das Prädikat Opportunist wird primär so verwendet, daß Objekte nach dem Grad verglichen werden, in welchem sie den Typus eines Opportunisten

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verkörpern. Dann ist es nach den obigen Erläuterungen mit einem in einer Dimension abstufbaren Begriff verbunden. Nach der obigen Rekonstruktion besteht dieser aus einer Reihenordnung, d . h . aus einem Paar von Relationen Gy, V-,-, die den Bedingungen (132.1) genügen. (Der untere Index verweist darauf, daß es um Relationen hinsichtlich eines Typus geht). Die Grundrelationen Gy und VT besagen, unter welchen Bedingungen zwei Objekte x , y an derselben Stelle der typologischen Reihe stehen und unter welchen Bedingungen ein Objekt vor einem anderen steht. Nach diesem Schema wäre ein Ordnungsbegriff für das Typusprädikat Opportunist zu bestimmen. Wie gewinnt man nun aus einem solchen Ordnungsbegriff einen Typusbegriff? Nach Hempel & Oppenheim dadurch, daß man in den Definitionen von GT und VT den Ausdruck 'ist gleichstellig mit 1 durch 'stellen zwei gleichstarke Ausprägungen des Typus T dar 1 ersetzt und den Ausdruck 'steht vor' durch 'stellt eine schwächere Ausprägung des Typus T dar'. An diesem letzten Schritt wird deutlich: Typusbegriffe sind nach diesem Modell nichts anderes als komparative Begriffe im üblichen Sinn. Sie werden durch ein Paar von Relationen Gy, VT vollständig bestimmt. Das Kriterium für die Stellung in einer Quasireihe dient gleichzeitig als Kriterium für den Grad, in welchem Objekte einen Typus verkörpern. Solche Begriffe legen fest, unter welchen Bedingungen zwei Objekte einen bestimmten Typus in gleichem Maße verkörpern und unter welchen Bedingungen ein Objekt den Typus in geringerem Maße verkörpert als ein anderes. Sie legen jedoch nicht fest, unter welchen Bedingungen ein Objekt den Typus überhaupt verkörpert. Danach müßten Typusbegriffe absolut untauglich sein für Klassifikationen. Wie aber soll man sich dann den Gebrauch solcher Prädikate in Sätzen wie Franz ist ein Optimist erklären? Hempel & Oppenheim machen den folgenden Vorschlag (1936: 82f): Wohl aber kann man eine einmal festgelegte Reihenordnung durch gewisse Zusatzvorschriften in einzelne Klassen einteilen. . . . Man stellt durch nachträgliches Zerschneiden einer typologischen Reihenordnung verschiedene Klassen her; in der Regel zwei bis drei, die dann etwa als "Typus T", "Typus T'" und "Mischtypus" bezeichnet werden. So könnte man auch die Klasse der Optimisten, die Klasse der Pessimisten und die Klasse der Mischtypen erhalten. Dieser Vorgang, den Hempel & Oppenheim als nachträglichen Zerschneidungsprozeß charakterisieren, hat etwas Willkürliches. Nach welchen Kriterien soll man denn die Objekte einer topologischen Reihenordnung in Klassen einteilen?

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Nach welchen Kriterien soll man die Grenzen ziehen? Nach welchem Kriterium soll man die Grenze bestimmen zwischen dem Typus T und dem Mischtypus, zwischen dem Mischtypus und dem Typus T 1 ? Was sind dies für Zusatzvorschriften, die es erlauben sollen, die Objekte einer Reihenordnung in Klassen einzuteilen? Diese Fragen bleiben bei Hempel & Oppenheim völlig ungeklärt. Und sie müssen es auch bleiben, wenn man von der obigen Charakterisierung der komparativen Begriffsbildung ausgeht. Ein Begriff >schwerer als< z . B . wird in Sätzen nach dem Schema ist schwerer als y verwendet. Er ist völlig unbrauchbar für Sätze des Schemas ist schwer. Wenn ich behaupte, das Objekt a sei schwerer als das Objekt b, kann man daraus gerade nicht schließen, a sei schwer. Hempel (1965) unterscheidet zwei Arten von Typen: klassifikatorische und extreme Typen. Typen der ersten Art bilden Klassen und treten im Zusammenhang klassifikatorischer Begriffe auf. Für extreme Typen, dem Typus einer extrovertierten und dem einer introvertierten Persönlichkeit z . B . , nimmt Hempel an: - Es gibt keine scharfe Grenze zwischen beiden Klassen. Es gibt unzählige Übergangsfälle. - Die reinen Fälle des extrovertierten oder introvertierten Typs sind selten. Sie dienen nach Auffassung Hempels (1965: 157) als conceptual points of reference or "poles", between which all actual occurrences can be ordered in a serial array. Die reinen Fälle sind die sog. extremen Typen. Man sieht, welche Funktion sog. extreme Typen haben. Sie bilden ideale Endpunkte, zwischen denen die Vertreter beider Typen nach ihrem Grad der Ausprägung angeordnet werden. Sie haben gerade nicht die Funktion von Beispielen, mit denen man Objekte vergleichen und dann einem Typus zuordnen könnte. Sie dienen nicht als Beispiele, denen Objekte ähnlich sein müssen, damit sie zu den Vertretern des Typus gerechnet werden. Trotzdem wird man sagen müssen, daß sämtliche Typusprädikate gerade von der Art sind, daß sie auf komparative, aber auch auf klassifikatorische Weise verwendet werden. Mit ihnen wird verglichen und klassifiziert. Entsprechend müssen Typusbegriffe so konzipiert werden, daß sie beide Aspekte vereinigen. Gerade dies scheint nicht ganz einfach. Konstruiert man sie, wie Hempel & Oppenheim, als komparative Begriffe, erweist es sich als unmöglich, eine Klasseneinteilung relativ zur festgelegten Reihenordnung auf systematische Weise zu bestimmen. Man könnte allerdings auch umgekehrt vorgehen: Man könnte zunächst einen klassifizierenden Typusbegriff einführen und könnte dann in einem zweiten Schritt versuchen, auf der Menge der klassifizierten Objekte einen

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komparativen Begriff diesen Weg.

2 zu definieren. Kutschera ( 1975) entscheidet sich

für

1.3.3 Typusbezeichnungen und Ähnlichkeitsbegriffe Nach Hempel (1965) gibt es zwei Arten von Typusprädikaten: solche, denen ein klassifikatorischer Begriff entspricht und solche, denen ein komparativer Begriff entspricht. Mit klassifikatorischen Typusbegriffen fassen wir Objekte, die einen Typus verkörpern, zusammen, mit komparativen Typusbegriffen ordnen wir Objekte eines Bereichs nach dem Grad, in welchem sie einen Typus vertreten. Begriffe der ersten Art verwenden wir zu klassifizierenden Feststellungen, Begriffe der zweiten Art zu Vergleichsfeststellungen. Im Gegensatz dazu 2 geht Kutschera von dem folgenden Sachverhalt aus ( 1975: 200): Die üblichen Typusprädikate vereinigen aber den klassifikatorischen und komparativen Aspekt insofern, als sie sowohl im Sinne klassifikatorischer Begriffe F ( x ) gebraucht werden, als auch im Sinne komparativer Begriffe, die auf der Menge F ( x ) definiert sind. Eine Idee, wie man klassifikatorische Typusbegriffe konstruieren kann, findet sich bereits bei dem Psychologen Ehrenstein (1935). Er stellt die Typenbildung in engen Zusammenhang mit der Ähnlichkeitserkenntnis. Die Leistung von Typusbegriffen sieht er darin, daß sie Objektbereiche so in Gruppen einteilen, daß einander ähnliche Objekte zu einer Gruppe zusammengefaßt werden und daß Elemente verschiedener Gruppen deutliche Unterschiede aufweisen. 2 Kutschera ( 1975) hat im Anschluß an Wittgensteins Beschreibung von Familienähnlichkeiten Begriffe konstruiert, die dieser Forderung entsprechen. Der entscheidende Schritt besteht in der Einführung einer 4-stelligen komparativen Ähnlichkeitsrelation " a , b _< c,d' ( " a ist dem b höchstens so ähnlich wie c dem d ' ) , mit der die Elemente gewisser Bereiche in Klassen einander ähnlicher Objekte eingeteilt werden können. In einem weiteren Schritt müssen Objekte angegeben werden, die Beispiele für verschiedene Typen sind. Dann kann man die Klasse der Objekte bestimmen, denen ein bestimmtes Typusprädikat F. überhaupt zugesprochen werden darf. Man wird verlangen, daß ein Objekt nur dann ein Element von F. ist, wenn es den Beispielen für die Elemente von F. ähnlicher ist als den Beispielen für die restlichen Klassen. M sei eine Menge wahrnehmbarer Objekte. ' a , b < c , d ' sei eine 4-stellige komparative Ähnlichkeitsrelation auf der Menge M, die die von Kutschera geforderten Eigenschaften besitzt. ' > ' sei durch ' < ' so definiert, daß ' a , b > c , d ' gilt, wenn a dem b ähnlicher ist als c dem d. B. B seien Beispielklas-

65

sen für die Elemente der Klassen F^ ..... F n , so daß gilt: B.^ £ F.^ Unter diesen Voraussetzungen läßt sich ein klassifikatorischer Begriff einführen: (133.1) a F

=

Vx (x

& A y (y

B

-,

a,x>a,y)).

Danach ist ein beliebiges Objekt a aus M ein Element der Klasse F . , wenn es einem Beispiel für die Elemente der Klasse F. ähnlicher ist als den Beispielen für die Elemente der übrigen Klassen. Unter gewissen Umständen kann man relativ zu der Menge der so klassifizierten Objekte einen komparativen Typusbegriff a _< ^ c ( ' a ist ein höchstens so typischer Fall von F. wie c 1 ) bestimmen. Dies ist z . B . dann möglich, wenn gilt: Es gibt eine Folge von Objekten b.., . . . , b

aus M, so daß die Folge

von

Einermengen mit der Folge von Beispielklassen gleichwertig ist. Daß die beiden Folgen 'gleichwertig 1 sind heißt, daß sie die gleichen Klassen F. ..... F liefern. Man kann dann sagen: b1 , . . . , b stellen reine Fälle von -L F., . . . , F dar. Kutschera definiert dann folgendermaßen ( 1975: 199): (133.2) a a stellt eine schwächere Ausprägung des Typus T dar als b< ein und versuchten in einem 2. Schritt, auf der Grundlage der im Sinne einer Reihenordnung geordneten Objekte, eine Klassifikation vorzunehmen. Dies erwies

66

sich als schwierig. Konsequent war dieses Vorgehen, insofern Hempel & Oppenheim in den fließenden Übergängen zwischen verschiedenen Typen das zu erklärende Phänomen sahen. Man erfaßt damit allerdings nur die Verwendung solcher Prädikate in komparativen Aussagen. Von der Verwendung in klassifizierenden Aussagen muß dann angenommen werden, sie beruhe auf willkürlichen Verfahren, denen auf begrifflicher Ebene nichts entspricht. Im Gegensatz dazu besteht für Kutschera das zu erklärende Phänomen in der zweifachen Verwendungsweise der Prädikate: die klassifizierende hat ihre Grundlage in einem klassifikatorischen Begriff, der unter Verwendung einer vierstelligen komparativen Ähnlichkeitsrelation konstruiert wird; die komparative Verwendungsweise hat ihre Grundlage in einem vierstelligen komparativenBegriff, der relativ zu der gewonnenen Menge klassifizierter Objekte eingeführt wird. Ein Typusprädikat wie Optimist ist in diesem Modell mit einem klassifikatorischen Ähnlichkeitsbegriff verbunden, ein Typusprädikat wie ein typischer Fall eines Optimisten ist mit einem auf dem klassifikatorischen Begriff aufbauenden zweistelligen komparativen Ähnlichkeitsbegriff verbunden. Worin unterscheidet sich dann ein Typusbegriff von einem komparativen Begriff im üblichen Sinn? Ein komparativer Begriff wird für einen bestimmten Individuenbereich B eingeführt, der im allgemeinen in n Klassen eingeteilt ist, denen n Prädikate entsprechen. So lassen sich physikalische Objekte durch die Prädikate heiß, warm, kalt drei Klassen zuordnen. Der komparative Begriff >wärmer als< z . B . wird dann nicht relativ zur Klasse der warmen Objekte festgelegt, sondern relativ zum Gesamtbereich B. Daraus folgt,daß ich mit dem Satz Das Arbeitszimmer ist wärmer als als Schlafzimmer keineswegs behaupte, daß die beiden Zimmer warm sind. Daß etwas wärmer ist als etwas anderes, bedeutet nicht, daß es auch warm ist. Das gleiche gilt für groß, größer als, für klug, klüger als, usw. Gilt es auch für Opportunist und typischer Fall eines Opportunisten? Hempel & Oppenheim müßten dies bejahen. Typusbegriffe sind für sie als komparative Begriffe, die relativ zu einem Gesamtbereich B mit verschiedenartigen Elementen eingeführt werden. Wenn ich sage, daß dies härter als das da ist, sage ich nicht, daß dies und das da hart ist. Wenn ich aber sage, daß Peter ein typischerer Fall eines Opportunisten ist als Franz, dann sage ich doch, daß Peter und Franz Opportunisten sind und daß der erste diesen Typus in höherem Grade verkörpert als der zweite. Daran sieht m a n , daß die komparative Form eines Typusprädikats anders funktioniert als bei Adjektiven wie groß. Dies ist der Grund, weshalb Kutschera den komparativen Begriff eines Typusprä-

67

dikates relativ zu den bereits klassifizierten Objekten bestimmt: a ist nur dann ein typischerer Fall eines Opportunisten als b, wenn sowohl a als auch b überhaupt Fälle, und so Repräsentanten dieses Typus sind. Typusbegriffe unterscheiden sich von komparativen Begriffen darin, daß sie relativ zu einer Menge von Objekten eingeführt werden, die den entsprechenden Typus repräsentieren. Im Unterschied zu den komparativen Begriffen werden sie gerade nicht auf einen Gesamtbereich B relativiert, dessen Elemente zu verschiedenen Typen gehören. Was aber, so stellt sich jetzt die Frage, haben die beschriebenen Phänomene mit Indexikalität zu tun? Inwiefern handelt es sich bei den Typusprädikaten um Wörter mit indexikalischer Bedeutung? Auffallend ist ja, daß weder Hempel & Oppenheim noch Kutschera auf den indexikalischen Charakter solcher Begriffe aufmerksam machen. Bei Hempel & Oppenheim ist dies nicht verwunderlich, da für sie Typusbegriffe nichts weiter als komparative Begriffe sind. Mit solchen Begriffen werden Vergleiche angestellt: ein Objekt a wird hinsichtlich des Gewichts mit einem Objekt b verglichen. Dazu kann man u . a . eine Balkenwaage benutzen. Im allgemeinen stehen für derartige Vergleiche verschiedene, operationalisierbare Methoden und Tests zur Verfügung. Ähnlich verhält es sich im alltäglichen Bereich: Zwei Einkaufstaschen kann ich hinsichtlich ihres Gewichts dadurch vergleichen, daß ich versuche, sie zu tragen. Ein komparativer Begriff im üblichen Sinn wird durch ein Paar von zweistelligen Relationen < K , V > festgelegt. Beim komparativen Begriff >schwerer als< sind es die Relationen >gewichtsgleich mit< und >leichter als 0 and one non-empty set of n-place attributes such that b = the property of being a perception or conception whose content contains the set of attributes as a subset.

Nach Auffassung Liebs ist jeder Begriff b ein potentieller Begriff im festgelegten Sinn, leerer

aber nicht

jeder mögliche Begriff

ist ein Begriff.

möglicher Begriff b ist nur dann ein Begriff, wenn es

Ein nicht-

jemanden

gibt,

der zu einer Zeit t über b verfügt. Ob es jemanden gibt, der über den Begriff b verfügt, den Begriff b hat, ist eine empirische Frage. Der Ausdruck während

verfügt

t über den Begriff b bzw. hat während t den Begriff b wäre zu expli-

zieren. Ein möglicher Begriff b ist nach Auffassung Liebs genau

dann

n-stellig,

wenn (i) oder (ii) gilt: (i)

b = b° und n = 0;

(ii)

b f b° und n = die Zahl,

die die Bedingung

(ii) in (413.3) er-

füllt. Relativ zu n-stelligen möglichen Begriffen definiert Lieb die Begriffe der Intension und der Extension (1983: 209): (413.4) a. For every

-place potential

concept b,

n > 0, the ( -place) intension of b [ n i b] = ,f the set of b. For every

-place attributes that satisfies (413.3 ii).

-place potential concept b,

n > 0, the ( -place) extension of b [ n e b] = .f the set of entities attribute in

ni

to which b applies,

i.e. that

have each

b.

Die Intension eines Begriffs ist eine Teilmenge der Menge von Attributen, die den Gehalt entsprechender Perzeptionen oder Konzeptionen ausmachen. Die Attribute, die die Intension eines Begriffs bilden, sind solche, die mit weiteren, oft situationsspezifischen Attributen den Gehalt von Perzeptionen oder Konzeptionen

bilden. Unbeantwortet bleibt bei Lieb die Frage, wodurch

die

Auswahl

220

ganz bestimmter Attribute bedingt wird. Auf die Frage nach den Relationen, in denen die Attribute zueinander stehen können, werde ich im folgenden Paragraphen näher eingehen. 4.1.4 Konstruktion von Begriffsinhalten Der obigen Definition zufolge besteht der Inhalt eines Begriffs aus einer Menge von Attributen, die im Gehalt von Perzeptionen oder Konzeptionen als Teilmenge enthalten ist. Der Gehalt einer Perzeption besteht aus einer Menge von Attributen, von denen ein Perzipierender annimmt, es gäbe ein sinnlich wahrnehmbares Objekt, dem sie sämtlich zukommen. Es handelt sich also um Eigenschaften, die man wahrnehmbaren Objekten zuschreiben kann, oder um Relationen, in denen sich solche Objekte befinden können und deren Bestehen man annehmen kann. Im einfachsten Fall besteht ein Begriffsinhalt aus wahrnehmbaren Eigenschaften physischer Objekte. Auf welche Weise können nun nach Auffassung Liebs diese Eigenschaften, allgemein die Elemente in Begriffsinhalten, verknüpft sein? Diese Frage möchte ich genauer ausführen, da sie direkt das Problem der lexikalischen Indexikalität betrifft. Es bietet sich an, von Putnams Auffassung auszugehen und ihr die Freges gegenüberzustellen. In einem letzten Schritt soll Liebs Standpunkt geklärt und auf seine Fruchtbarkeit bei der Erfassung lexikalischer Indexikalität hingewiesen werden. Nach Putnam ist es vor allem ein Modell der Begriffsbildung, das bis in die neuesten philosophischen und linguistischen Untersuchungen immer wieder auftaucht (1975 [1970]: 140): In the traditional view, the meaning of, say lemon, is given by specifying a conjunction of properties. Wie bereits in 1.4 ausgeführt, lehnt Putnam dieses Modell mit der Begründung ab, es werde dem Phänomen untypischer Exemplare natürlicher Arten nicht gerecht. Wie in 1.4 nachgewiesen, sind konjunktiv gebildete Begriffe ungeeignet als Bedeutungen von Artbezeichnungen wie Zitrone, da durch sie die Extensionen solcher Ausdrücke nicht bestimmt werden. Frege (1934 [1884]) spricht von Begriffen, die durch "beigeordnete Merkmale" bestimmt sind. Dies sind mit Hilfe der Konjunktion gebildete Begriffe. Anders als Putnam lehnt Frege dieses Modell nicht prinzipiell ab, schätzt seine Relevanz aber nicht sehr hoch ein (1934 [l884J: 100): ... das ist aber eine der am wenigsten fruchtbaren Begriffsbildungen.

221

Das gleiche gelte für die adjunktive Verknüpfung. Bei den fruchtbaren Begriffsbestimmungen hat man nicht, so erläutert Frege (1934 [1884]: 100): eine Reihe beigeordneter Merkmale, sondern eine innigere, ich möchte sagen organischere Verbindung der Bestimmungen. Man kann sich den Unterschied durch ein geometrisches Bild anschaulich machen. Wenn man die Begriffe (oder ihre Umfange) durch Bezirke einer Ebene darstellt, so entspricht dem durch beigeordnete Merkmale definierten Begriffe der Bezirk, welcher allen Bezirken der Merkmale gemeinsam ist; ... Bei einer solchen Definition handelt es sich also - im Bilde zu sprechen - darum,die schon gegebenen Linien in neuer Weise zur Abgrenzung eines Bezirks zu verwenden. Aber dabei kommt nichts wesentlich Neues zum Vorschein. Die fruchtbareren Begriffsbestimmungen ziehen Grenzlinien, die noch gar nicht gegeben waren. Dabei verweist Frege auf Definitionen in der Mathematik, z.B. die der Stetigkeit einer Funktion, und auf die von ihm vorgeschlagenen Definitionen, die er zur Gewinnung eines Begriffs der Anzahl benötigt. Auf Freges eigene Definitionen werde ich im folgenden Exkurs relativ ausführlich eingehen, um verständlich machen zu können, was er mit den metaphorischen Ausdrücken "Grenzlinien, die noch gar nicht gegeben waren" und "organischere Verbindung" meint. Bei der Festlegung eines Begriffs der Anzahl (heute würde man von Kardinalzahl sprechen) orientiert sich Frege (1934 [1884]) an der Art und Weise, wie der Begriff der Parallelität eingeführt werden kann. Der erste Schritt besteht darin, den Satz "Die Gerade a ist parallel der Gerade b" im Sinne einer Gleichung aufzufassen, so daß man den folgenden Satz erhält: "Die Richtung der Gerade a ist gleich der Richtung der Gerade b". Frege erläutert diesen Schritt so (1934 [1884]: 75): Wir zerspalten den Inhalt in anderer als der ursprünglichen Weise und gewinnen dadurch einen neuen Begriff. Bei der Definition eines Begriffs der Richtung geht Frege von der Annahme aus, die man, unter Verwendung spitzer Klammern zur Bezeichnung von Begriffen, auf folgende Weise formulieren kann: Die Gerade a ist genau dann der Geraden b parallel, wenn der Umfang des Begriffs >Gerade parallel der Gerade a< gleich dem Umfang des Begriffs >Gerade parallel der Gerade b< ist. Frege definiert (1934 [1884]: 79): die Richtung der Gerade a ist der Umfang des Begriffs >parallel der Gerade a < . Ein analoges Vorgehen ist bei der Festlegung eines Begriffs der Anzahl gerechtfertigt, wenn man wie Frege davon ausgeht, daß 1. eine Zahlangabe eine Aussage von einem Begriff enthält und 2. jede einzelne Zahl ein selbständiger Gegenstand ist.

222

Frege definiert (1934 [1884]: 79): (414.1) die Anzahl, welche dem Begriff F zukommt, ist der Umfang des Begriffes >gleichzahlig dem Begriffe Fgleichzahlig dem Begriff F< gleich dem Umfang des Begriffs >gleichzahlig dem Begriff G< ist. Auch für diese Definition gilt, was nach Frege für fruchtbare Definitionen allgemein gilt: Sie ziehen Grenzlinien, die noch gar nicht gegeben waren. Im obigen Beispiel geschieht dies in einem ersten Schritt dadurch, daß man den Satz (414.2) Dem Begriff F kommt die gleiche Anzahl zu wie dem Begriff G. im Sinne des Identitätssatzes (414.3) Die Anzahl, die dem Begriff F zukommt, ist gleich der Anzahl, die dem Begriff G zukommt. auffaßt und dann den Begriff der Anzahl relativ zu einem bestimmten Begriff festlegt. Die Anzahl, die einem bestimmten Begriff zukommt, faßt Frege als selbständigen Gegenstand auf. Entsprechend wählt er für die Definition eine Satzform, die einer Gleichung entspricht. Als formale Mittel werden für die obige Definition benötigt: ein Symbol für Identität, Symbole für Begriffe und Begriffsumfänge, ein Symbol zur Konstruktion von Kennzeichnungen, wie es der Jota-Operator ist. Wie man daraus einen Begriff der Anzahl gewinnt, liegt auf der Hand. Frege definiert (1934 [1884]: 85): (414.4) der Ausdruck "n ist eine Anzahl" sei gleichbedeutend mit dem Ausdrucke "es gibt einen Begriff der Art, daß n die Anzahl ist, welche ihm zukommt". Also gilt: n ist genau dann eine Anzahl, wenn es einen Begriff F derart gibt, daß n = der Umfang des Begriffs >gleichzahlig mit dem Begriff Fgleichzahlig dem Begriff F< identisch. Diese Definition beruht auf dem Übergang von (414.2) zu (414.3). Dieser Übergang und die darauf basierende Definition in (414.1) illustrieren Freges Metapher von 'Grenzlinien, die noch gar nicht gegeben waren 1 . Der Begriff einer endlichen Anzahl wird in (414.4) relational konstruiert. Auch dies ist ein Beispiel für Freges Metapher von Grenzlinien, die durch die Konstruktion von Begriffen erst gezogen werden. Im Definiens von (414.1) ist von zwei Entitäten die Rede: von dem Begriff >gleichzahlig dem Begriff F< und seinem Umfang. Die Relation zwischen beiden

224

Entitäten, die durch eine Genetiv-Konstruktion zum Ausdruck gebracht wird, illustriert Freges Metapher von einer Organischeren Verbindung' der Bestimmungen in Begriffsinhalten. Im Definiens von (414.6) ist von einer nicht näher bestimmten Größe und der mit 0 anfangenden natürlichen Zahlenreihe die Rede. Die Relation zwischen beiden Entitäten, die durch den relationalen Ausdruck 'gehört an 1 zum Ausdruck gebracht wird, illustriert wiederum Freges Metapher von einer Organischeren Verbindung' begrifflicher Bestimmungen. Man kann also festhalten: Bei der Konstruktion fruchtbarer Begriffe stellt die Konjunktion und die Adjunktion ein Mittel unter anderem dar. Ebenso wichtig sind die Quantoren, das Identitätssymbol, der Jota-Operator, mit denen Existenz-, All- und Identitätssätze gebildet werden können. Lieb schließt sich in der Bewertung konjunktiv oder adjunktiv gebildeter Begriffe Frege und Putnam an. Anders als für Putnam spricht die begrenzte Fruchtbarkeit von Begriffen dieser Struktur nach Auffassung Liebs nicht gegen begriffliche Bedeutungen insgesamt. In diesem Punkt vertritt Lieb eine ähnliche Auffassung wie Frege. Beide gehen von begrifflichen Bedeutungen aus. Ein allgemeines Modell der Begriffsbildung muß allerdings nach Lieb folgende Punkte berücksichtigen: 1. Viele alltagssprachliche Begriffe sind relational, so daß ihre Intensionen aus intensionalen Relationen bestehen und nicht aus Eigenschaften. 2. Relationen, mit denen die Intensionen relationaler Begriffe gebildet werden, können zwischen Entitäten unterschiedlichen Typs bestehen. Die Relationsglieder können Objekte sein, aber auch Mengen von Objekten, oder Eigenschaften von Objekten oder Eigenschaften von Eigenschaften von Objekten, usw. 3. Intensionen nicht-relationaler Begriffe können aus einer einzigen Eigenschaft bestehen, die nicht weiter zerlegbar ist, obwohl sie selbst von komplexer Struktur ist. Sie können aber auch - und dies wäre der andere Extremfall - aus einer Konjunktion von Eigenschaften bestehen oder eine Menge von Eigenschaften sein. Welche Auswirkungen haben die beiden beschriebenen Positionen für die Analyse lexikalischer Indexikalität? Putnam behauptet schlicht (1975a: 233f): Words like now, this, here, have long been recognized to be indexical, or token-reflexive- i.e. to have an extension which varied from context to context or token to token. For these words no one has ever suggested the traditional theory that intension determine extension.

225

Geht man davon aus, daß Begriffe aus einer Konjunktion charakteristischer Eigenschaften der Objekte von bestimmter Art bestehen, kann man sich nicht vorstellen, wie man Begriffe für hier, morgen, ich gewinnen könnte, die die Extensionen dieser Ausdrücke im konkreten Fall bestimmen würden. Unabhängig von dem Kontextbegriff, den man zugrunde legt, gilt für Wörter dieser Art: Die Objekte, auf die sie angewandt werden können, müssen in gewissen Relationen zu Faktoren des gegebenen Kontextes stehen. Relationen dieser Art sind entscheidend für die Anwendung der Wörter auf bestimmte Entitäten. Wörter dieser Art haben nach Auffassung Putnams, wie in 1.4 ausgeführt wurde, eine Intension, die eine Existenzfunktion festlegt und nur relativ zu einem gegebenen Kontext eine Extension. Geht man davon aus, daß Begriffe Extensionen entsprechender Wörter determinieren, gilt: Die Bedeutungen indexikalischer Wörter sind keine Begriffe, die die Extensionen relativ zu einem Kontext bestimmen. Geht man jedoch davon aus, daß der Inhalt von Begriffen nicht nur aus Eigenschaften, sondern auch aus intensionalen Relationen bestehen kann, ergibt sich für das Problem der Bedeutung indexikalischer Wörter eine einfache Lösung: Solche Bedeutungen sind relationale Begriffe, so daß ihre Intensionen aus intensionalen Relationen gebildet werden, die zwischen bestimmten Kontextfaktoren und weiteren Objekten bestehen. Die Intensionen solcher Begriffe legen eine Menge von n-tupeln von Objekten gewisser Art fest. Nach dieser Auffassung sind die Bedeutungen indexikalischer Wörter relationale Begriffe mit einer Intension, die eine Extension festlegt. Davon zu unterscheiden ist das Objekt, auf das ein Sprecher bei einer Äußerung das Wort anwendet. Erst in diesem Zusammenhang kommt die gegebene Äußerungssituation ins Spiel: Das Objekt, auf das der Sprecher einen indexikalischen Ausdruck anwendet, muß in einer bestimmten Relation zu ihm, dem konkreten Sprecher, und seiner Äußerung stehen. 4.1.5 Die Beziehung zwischen Begriffen und Sprechern Im letzten Abschnitt seiner Explikation der Annahme (414.1) stellt Lieb eine Verbindung her zwischen den Wortbedeutungen, also Begriffen beliebiger Art, und den Sprechern einer Sprache. Eine solche Verbindung läßt sich in dem obigen Aufbau auf einfache Weise erklären: sie ergibt sich bereits aus der Art, wie die Bedeutungen als Begriffe und diese als Eigenschaften von Perzeptionen oder Konzeptionen charakterisiert werden. Die Verbindung zum Sprecher kommt also durch den Bezug auf Bewußtseinsereignisse (Perzeptionen) und Bewußtseinszustände (Konzeptionen) von Sprechern zustande, d . h . sie wird mit psychologischen Begriffen erklärt. Unter Rückgriff auf die Begriffe einer Perzeption,

226

einer Konzeption und den Begriff eines Begriffs gibt Lieb eine notwendige Bedingung dafür an, daß ein Sprecher V einen Begriff b während eines Zeitabschnitts t hat. Und mit diesem sprecherbezogenen Begriff formuliert Lieb eine Präzisierung der Annahme in (411.1), von der er in seiner Explikation ausgegangen ist. Nicht in allen semantischen Ansätzen läßt sich die Relation zu den Sprechern so mühelos erklären. In der modelltheoretischen Semantik, um nur ein Beispiel zu nennen, werden die Bedeutungen in einem nicht-psychologischen Sinn eingeführt. Erst in einem zweiten Schritt wird dann die Frage gestellt, wie man eine Verbindung zwischen den mengentheoretischen Objekten und den Sprechern herstellen kann. Lewis (1979 [1975]) stellt die Hypothese auf, die Verbindung komme durch eine Konvention der Wahrhaftigkeit und des Vertrauens, an die sich alle Sprecher einer Sprache halten, zustande. Welcher der beiden Alternativen der Vorzug zu geben ist, muß in diesem Rahmen offen bleiben. Jedenfalls sind es zwei Vorschläge, denen ganz unterschiedliche Auffassungen des Sprachgebrauchs zugrunde liegen. Lieb vertritt eine kognitive Auffassung: Der zentrale Begriff ist der des Habens von Begriffen. Kommunikation kommt dadurch zustande, daß die beteiligten Personen über bestimmte Begriffe verfügen, die nicht identisch zu sein brauchen. Lewis vertritt eine konventionalistische Auffassung: Der zentrale Begriff ist der des sich Haltens an bestimmte Konventionen. Der Erfolg von Kommunikation hängt davon ab, ob sich die Beteiligten an bestimmte Konventionen der entsprechenden Sprachgemeinschaft halten. 4.1.6 Die formalen Voraussetzungen Für den Aufbau von Liebs Wortsemantik sind neben mengentheoretischen Begriffen zwei weitere formale Mittel nötig: intensionale Begriffe wie der einer Eigenschaft und einer Relation einerseits, und eine Logik für mehrsortige Theorien andererseits. Bei der Verwendung intensionaler Begriffe kann man zwei Standpunkte einnehmen, einen reduktionistischen und einen nicht-reduktionistischen. Der erste, vertreten in der modelltheoretischen Semantik, führte dazu, daß diese Begriffe auf extensionale und den bis jetzt unzureichend geklärten Begriff einer möglichen Welt zurückgeführt werden konnten. Nach all den Versuchen scheint es fragwürdig, ob eine befriedigende Explikation des Begriffs einer möglichen Welt gelingen kann. Selbst Vertreter einer modelltheoretischen Semantik, wie Merrill, kommen zu dem Schluß (1978: 316): possible world realism is bankrupt.

227

Ob der von ihm vertretene possible world instrumentalism eine befriedigende Explikation ermöglicht, müßte erst noch nachgewiesen werden. Eine nicht-reduktionistische Position, vertreten von Lieb und u . a . von Schnelle (1978) führt dazu, daß man die Begriffe einer Eigenschaft und einer Relation als Grundbegriffe behandelt. Man gibt sich damit zufrieden, ihren Gebrauch durch bestimmte Bedingungen einzuschränken, z . B . durch eine Bedingung, die festlegt, unter welchen Umständen zwei Eigenschaften im Unterschied zu Mengen identisch sind. Im Aufbau seiner Wortsemantik führt Lieb Individuenvariablen unterschiedlichen Typs ein: V , 'x* 1 ' y 1 , 'yV , ... stehen für Objekte, die in der Extension bestimmter Begriffe, über die Sprecher einer bestimmten Sprache verfügen, als Elemente enthalten sind; 'V , " V . 1 , 'Vp' stehen für raum-zeitliche Elemente oder Ereignisse. Somit handelt es sich um eine mehrsortige Theorie, die über mehrere und verschiedene Objektbereiche spricht. Auf die Logiksysteme, die solchen mehrsortigen Theorien zugrunde liegen, möchte ich erst im Zusammenhang mit Liebs Konstruktion syntaktischer Bedeutungen eingehen. Dort müssen bestimmte Konsequenzen der Mehrsortigkeit berücksichtigt werden. 4.2 Bedeutungen indexikalischer Wörter Bevor ich die Methode der Konstruktion indexikalischer Begriffe an Beispielen erläutere, müssen noch einige Punkte geklärt werden. In der Annahme (411.1) ist die Rede von der Bedeutung eines Wortes. Ein Wort ist für Lieb eine Einheit des Lexikons im Unterschied zu bestimmten Formen, und zwar (zunächst (1980a), (1980c)) ein Paradigma (so auch oben in 411.1). Wortparadigmen konstruiert Lieb als zweistellige Relationen zwischen syntaktischen Einheiten und Mengen bestimmter Kategorien. Im Hinblick auf Partikeln (Adverbien usw.) läßt Lieb (1983: 107f) auch 'uneigentliche' Wortparadigmen zu. Wörter in diesem Sinn sind also rein formale Entitäten, die Bedeutungen haben können, und nicht Entitäten, die aus einer Formkomponente und einer Bedeutungskomponente bestehen. Diese zweite Auffassung wird jedoch von Lieb später (besonders 1983) akzeptiert und liegt der folgenden Charakterisierung eines lexikalischen Wortes eines Idiolektsystems S zugrunde (1983: 106): A lexical word of S is a pair consisting of a paradigm of S and a lexical meaning the paradigma has in S; ... . Von jetzt an gebrauche ich 'Wort' in diesem Sinn. Es ist darauf hinzuweisen, daß die in der Charakterisierung verwendete Variable 'S" nicht für Sprachsysteme steht, sondern für Idiolektsysteme. Unter einem Idiolekt versteht Lieb

228

(auch in 1983: 24f) ein Mittel zur Kommunikation für einen bestimmten Sprecher während eines bestimmten Zeitabschnitts. Unter einer natürlichen Sprache versteht Lieb ( u . a . in 1983: 22f) eine Menge individueller Mittel zur Kommunikation, über die die Sprecher verfügen. Also ist ein Idiolekt ein Mittel zur Kommunikation, das ein Element einer Sprache ist. Für das Verhältnis von Idiolekten, Sprachausprägungen, Sprachen und ihren Systemen gilt: Idiolekte, Sprachausprägungen und Sprachen sind nicht etwa Systeme, sie haben Systeme. Lexikalische Bedeutungen von Wortparadigmen konstruiert Lieb im Sinne obiger Ausführungen als Begriffe in einem psychologischen Sinn. Die folgende Forderung ist für die Konstruktion von Begriffen in Liebs Sinn entscheidend: Ein Begriff legt genau eine Menge von Objekten fest. Die Menge ist gemäß Definition des Begriffs der Extension eine Menge von Objekten, denen alle Attribute der Intension des gegebenen Begriffs zukommen. Also kann man sagen: Als potentielle Elemente von Begriffsintensionen kommen nur solche Attribute in Betracht, die auf alle Objekte der bezeichneten Menge zutreffen. Für meine Vorgehensweise bei der Definition indexikalischer Begriffe gilt insbesondere: Wie bereits erwähnt, werden Begriffe indexikalischer Orts- und Zeitverbien relational konstruiert. In den folgenden Beispielen für Begriffe dieser Art geht es in erster Linie um die Bestimmung der Anzahl und des Typs der Relationsglieder, nicht so sehr um eine inhaltliche Analyse der Relationsausdrücke. In den folgenden Kapiteln geht es um eine Anwendung des in 4.1 dargestellten Begriffsapparates auf indexikalische Wörter, wobei einzelne Vorschläge in Lieb (1976b: 60f), ( i . E . d . : § 2.3) und mündliche Anregungen Liebs den Ausgangspunkt bilden. Mit "Anwendung" meine ich nicht so sehr, daß Hypothesen über das Deutsche aufgestellt werden, sondern in erster Linie, daß ein Nachweis der Konstruktionsmöglichkeit indexikalischer Begriffe erbracht wird. Ob die vorgeschlagenen Begriffe tatsächlich Bedeutungen bestimmter Wörter im Deutschen darstellen, kann nur auf empirische Weise ermittelt werden. In Paragraph 4.2 soll folgendes erreicht werden: 1. Es soll gezeigt werden, wie sich offene Indexikalität im Sinne von (15.1) und (15.2) innerhalb der dargestellten Konzeption begrifflicher Bedeutungen erfassen läßt. 2. Es soll gezeigt werden, wie sich Indexikalität von Modalverben und subordinierenden Konjunktionen begrifflich erfassen läßt. 3. Es soll der Nachweis erbracht werden, daß versteckte Indexikalität im Sinne von (15.3) im dargestellten Rahmen begrifflicher Bedeutungen adäquat behan-

229

delt werden kann. Es soll nachgewiesen werden, daß versteckte Indexikalität mit begrifflichen Bedeutungen der dargestellten Art verträglich sind. In 4.2.1 bis 4.2.3 geht es um Wörter mit offener Indexikalität. Ihre Bedeutungen werden als sprecherrelative Begriffe konstruiert. es um Wörter, werden.

mit denen

propositionale

In 4 . 2 . 4 und 4 . 2 . 5 geht

Einstellungen

zum Ausdruck gebracht

Ihre Bedeutungen werden als n-stellige Einstellungsbegriffe konstru-

iert, die in einigen Fällen sprecherrelativ sind. In 4 . 2 . 6 geht es um Wörter mit versteckter Indexikalität. Ihre Bedeutungen werden als Ähnlichkeitsbegriffe konstruiert, die auf ein Ähnlichkeitssystem oder eine Ähnlichkeitsstruktur relativiert sind. Für die folgenden Beispiele bestimmter

verwende ich Liebs

Notation

zur Bezeichnung

Begriffe: Der Name einer bestimmten Eigenschaft b wird

gebildet,

indem ein deutsches Wort zwischen hochgestellte Punkte gesetzt und unter Umständen mit einem unteren Zahlenindex versehen wird. Außerdem verwende ich, wie bereits geschehen, die in der Linguistik übliche Notation zur Bezeichnung von Ausdrücken eines Sprachsystems: Der Name eines Ausdrucks von beliebiger Komplexität wird gebildet, indem der Ausdruck unterstrichen und auf Großschreibung verzichtet wird. Dabei werden gemäß der Liebschen Notation Namen von Wörtern durch hochgestelltes "W" (mit oder ohne tiefgestelltem Ziffernindex) und Namen von Wortparadigmen ebenso durch hochgestelltes "P" (mit oder) ohne

Ziffernindex) gebildet. Alle Indizes können fehlen, wo man sie aus dem Kontext ergänzen kann: hier W = das erste Wort mit dem Wortparadigma hier P ; p bauer = das erste Paradigma mit der Nennform bauer; u . U . kürzer: hier, bauer. Ausdrücke wie bauer sind vierdeutig: Sie bezeichnen je nach Kontext ein Wort, ein Wortparadigma, eine Form eines Wortparadigmas oder ein Vorkommen einer p solchen Form in einem Satz. Ein uneigentliches Paradigma wie hier hat nur eine Form, so daß die Doppeldeutigkeit von hier ohnehin nicht ins Gewicht fällt. 4.2.1

- hier

p

oder die Form hier -

Orts- und Zeitadverbien

Ortsadverbien

mit Formkomponenten wie hier P , dort P , daP werden in Sätzen

terschiedlich verwendet: (421.1) a. b. c. d.

als als als als

Attribute zu Substantiven, Attribute zu Adjektiven und Adverbien, Komplemente zu sog. Vollverben, Komplemente zu Kopula-Verben,

un-

230

e. als adverbiale Bestimmungen zu sog. Vollverben, f. als adverbiale Bestimmungen zu Kopula-Verben. Ich setze voraus, daß es eine geeignete Syntax gibt, in der die in (421.1) verwendeten Begriffe eines Attributs, eines Komplements und einer adverbialen Bestimmung expliziert werden. Auf die Frage, ob Ortsadverbien auch als Satzadverbien gebraucht werden, möchte ich hier nicht weiter eingehen. Ich gehe im folgenden davon aus, daß die in (421.1) aufgeführten Gebrauchsweisen eine ausreichende Basis für die Konstruktion begrifflicher Bedeutungen darstellen. Ausgangspunkt für die Analyse indexikalischer Ortsadverben ist die folgende Annahme: (421.2) Adverbien mit Formkomponenten wie hier P , daP , dort P werden nicht als Mittel zur Referenz gebraucht. Solche Adverbien werden wie Präpositionalgruppen, z . B . an dieser stelle, verwendet: (421.3) Der Baum hier ist krank. (421.4) Der Zettel liegt hier. (421.5) Peter ist gestern hier angekommen. In (421.3) könnte anstelle von hier die Präpositionalgruppe vor der mauer stehen. In (421.4) könnte anstelle von hier die Präpositionalgruppe auf dem regal stehen. In (421.5) könnte anstelle von hier der Ausdruck in dem dorf stehen, vor der mauer, auf dem regal, in dem dorf sind selbst keine referentiellen Ausdrücke, auch wenn sie die referentiellen Ausdrücke der mauer, dem regal, dem dorf als Teile enthalten. Also gehören auch Adverbien, die anstelle der Präpositionalgruppen stehen können, nicht zu den referentiellen Ausdrücken. Unter einem referentiellen Ausdruck verstehe ich in erster Annäherung einen Ausdruck, für den es Sätze gibt, in denen er in referentieller Position vorkommt. Verwendet jemand hier in einer Äußerung von (Fall (421.la)) (421.3) Der Baum hier ist krank. in einer üblichen Bedeutung, so bezieht er sich mit der bäum hier (bei referentieller Verwendung) auf genau ein Objekt, das sich zum Zeitpunkt der Produktion von hier in einem Raumgebiet in relativer Nähe zu ihm befindet. Hiernach müssen für die Bedeutung des als Attribut gebrauchten Wortes hier W mindestens vier verschiedene Entitäten berücksichtigt werden: ein Sprecher, ein bestimmter Äußerungsteil, der dem hier-Teil in (421.3) entspricht, ein Objekt und ein Raumgebiet.

231

Verwendet jemand hier in einer Äußerung von (Fall (421.lc)) (421.4) Der Zettel liegt hier. so sagt er aus: Alles, worauf er sich mit der zettel bezieht, befindet sich in einem Liege-Zustand, der in einem Raumgebiet lokalisiert ist, das sich zum Zeitpunkt der Produktion von hier in relativer Nähe zu ihm befindet. Nach dieser Beschreibung des Gebrauchs von hier als Komplement zu einem Vollverb sind mindestens vier verschiedene Entitäten beteiligt: ein Sprecher, ein Äußerungsteil, ein Liege-Zustand und ein Raumgebiet. Verwendet jemand hier in einer Äußerung von (Fall (421.le)) (421.6) Peter schläft hier den ganzen Tag. so sagt er aus: Alles, worauf er sich mit peter bezieht, ist in einen SchlafVorgang involviert, der in einem Raumgebiet stattfindet, das sich zum Zeitpunkt der Produktion von hier in relativer Nähe zu ihm, dem Sprecher, befindet. Nach dieser Beschreibung des Gebrauchs von hier als adverbiale Bestimmung sind wiederum vier Entitäten zu berücksichtigen: ein Sprecher, ein Äußerungsteil, ein Vorgang und ein Raumgebiet. Verwendet jemand hier in einer Äußerung von (Fall (421.lb)) (421.7) Der hier unbeliebte Schriftsteller ist gestorben. so bezieht er sich mit der hier unbeliebte Schriftsteller (bei referentieller Verwendung) auf einen bestimmten Menschen mit der folgenden Eigenschaft: Bei den meisten Personen, die sich innerhalb eines Raumgebiets befinden, das zum Zeitpunkt der Produktion von hier in relativer Nähe zu ihm, dem Sprecher, liegt, ist der Mensch unbeliebt. Wiederum sind vier Entitäten zu berücksichtigen: Eine Person (jede von mehreren), ein Raumgebiet, ein Sprecher, ein Äußerungsteil. Verwendet jemand hier in einer Äußerung von (Fall (421.Id)) (421.8) Peter ist hier. so sagt er aus: Alle x, auf die er sich mit peter bezieht, befinden sich in einem Raumgebiet, das zur Zeit der Produktion von hier in relativer Nähe zu ihm, dem Sprecher, liegt. Auch in diesem Fall sind vier Entitäten zu berücksichtigen: ein Sprecher, ein Äußerungsteil, ein Raumgebiet und ein Objekt (eventuell ein Zustand eines Objekts, der durch das Verb ist zum Ausdruck gebracht wird).

232

Verwendet jemand hier in einer Äußerung von (421.9) Peter ist hier unglücklich. so sagt er aus: Jedes x, auf das er sich mit peter bezieht, befindet sich in einem Zustand des Unglücklich-Seins, für den gilt: dieser Zustand besteht in einem Raumgebiet, das zur Zeit der Produktion von hier in relativer Nähe zu ihm, dem Sprecher, liegt. Auch in diesem Fall, in dem hier adverbiale Bestimmung zu ist oder eventuell zu peter ist unglücklich ist, müssen vier Entitäten berücksichtigt werden. Nach den vorgeschlagenen Beschreibungen wird in sämtlichen Gebrauchsweisen von hier auf einen bestimmten Äußerungsteil, der dem hier-Teil des geäußerten Satzes entspricht, Bezug genommen, nicht jedoch auf die gesamte Äußerung. Diese Analyse wird durch Beispiele wie (421.10) Der Baum hier ist gesünder als der Baum hier. gestützt. Äußert jemand (421.11) mit einem syntaktischen Akzent auf dem ersten und dem zweiten Vorkommen von hier, so bezieht wer sich mit dem ersten und mit dem zweiten Vorkommen von der bäum hier auf verschiedene Objekte. Das Objekt, auf das er sich mit dem ersten Vorkommen von der bäum hier bezieht, muß sich zur Zeit der Produktion des ersten hier-Vorkommens in relativer Nähe zu ihm befinden. Das Objekt, auf das sich der Sprecher mit dem zweiten Vorkommen von der bäum hier bezieht, muß sich zur Zeit der Produktion des zweiten hier-Vorkommens in relativer Nähe zu ihm befinden. Daran wird deutlich, daß mit hier auf einen ganz bestimmten Äußerungsteil und nicht auf die Äußerung insgesamt Bezug genommen wird. Das Referenzobjekt des ersten Vorkommens von der bäum hier in (421.11) wird relativ zur Zeit der Produktion des Äußerungsteiles, der dem ersten hier-Teil entspricht, festgelegt. Das Referenzobjekt des zweiten Vorkommens von der bäum hier wird relativ zur Zeit der Produktion des Äußerungsteiles, der dem zweiten hier-Teil von (421.11) entspricht, festgelegt. Entscheidend ist die Zeit der Produktion eines ganz bestimmten Äußerungsteiles, nicht die der gesamten Äußerung. Als Attribute zur Bildung der Intension eines Begriffs kommen nur die in Frage, die auf alle Elemente der entsprechenden Klasse zutreffen. Für relationale Begriffe bedeutet dies, daß in ihrem Inhalt nur solche Relationen vorkommen, die auf alle -tupel zutreffen, die als Elemente in der Extension enthaltern sein sollen. Bei der Konstruktion eines Begriffs für das Wort hier W , dessen Paradigma nur eine Wortform enthält, wird man von einer vierstelligen Relation ausgehen. Unter Berücksichtigung aller Gebrauchsweisen in (421.1) kann man definieren:

233

(421.11) 'hier.' = .,. die Eigenschaft, eine Perzeption oder eine Konzeption zu sein, deren Gehalt {HIER-} als Teilmenge enthält,

wobei

gilt: HIER.

= .- die Relation zwischen y., y^, y^ und y . , so daß gilt: a. y,, produziert y„; b. y„ ist ein Raumgebiet,

das sich zur Zeit der Produk-

tion von yp in relativer Nähe zu y,, befindet; c. y. befindet sich an oder findet statt in y„. In (421.11) wird vorausgesetzt, daß sich Raumgebiete

auch zu raum-zeitlichen

Objekten und nicht nur zu weiteren Raumgebieten in verschiedenen Entfernungen befinden können. Diese Voraussetzung läßt sich durch die Annahme eines weiteren Raumgebiets y-, das der

Sprecher y. während der

Produktion

von y« ein-

nimmt, umgehen. Entsprechend könnte HIER., auf folgende Weise festgelegt wer-

den: (421.12) HIER.. = ., die Relation zwischen y., y^, y^, y. und yc, wobei gilt: a. y. produziert y^; b. y„ ist ein Raumgebiet,

an dem sich

y. zur

Zeit der

Produktion von y 2 befindet; c. y. ist ein Raumgebiet, das sich zur Zeit

der Produk-

tion von y„ in relativer Nähe zu y,, befindet; d. y 5 befindet sich an y.. Die Intension von 'hier.' und 'hier..' besteht nicht aus einer Eigenschaft von Objekten, sen

sondern aus einer vier- bzw. fünfstelligen Relation zwischen gewis-

Kontextfaktoren

(einem Sprecher und einem Äußerungsteil),

einem

bzw. Zustand bzw. Ereignis und einem Raumgebiet. Worin die Relation

Objekt

'befindet

sich an einem Raumgebiet, welches sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in

rela-

tiver Nähe zu jemandem befindet' besteht, wird bei Lieb nicht näher ausgeführt und soll auch hier inhaltlich nicht weiter erörtert werden. Die Extension von 'hier.* besteht aus einer vierstelligen Relation im extensionalen

Sinn,

aus

einer Menge von Quadrupeln, mit

einem

Sprecher

als

erstem, einem Äußerungsteil als zweitem, einem Objekt oder Vorgang als drittem und einem Raumgebiet als viertem Glied, so daß (421.12 a-c) erfüllt ist. Der indexikalische Charakter solcher Begriffe besteht darin, daß die Relationsglieder der relevanten Relation u . a . einen Sprecher und einen Teil seiner Äußerung umfassen. Lieb spricht in diesem Sinne von 'sprecherrelativen Begriffen1. rück:

Die folgende Definition geht auf einen mündlichen Vorschlag

Liebs

zu-

234

(421.13) Def. Ein n-stelliger Begriff b (n >1) ist sprschsrrelativ genau dann, wenn für alle y^, . . . , y p e b gilt: y.^ produziert y^· Wie bereits in 4.1 erwähnt, macht Lieb eine scharfe Trennung zwischen zwei Individuenbereichen (ab (1976b), teilweise anders (1983)); dies sind 1. die Menge der Raum-Zeit-Punkte, aus denen sich Objekte und Ereignisse ( z . B . Sprecher und Sprechereignisse) vom Standpunkt des Sprachwissenschaftlers aus konstruieren lassen; als Variable für Objekte und Ereignisse dieser Art verwendet Lieb ' V , ' V , , ' , . . . ; Objekte dieser Art sind real aus der Sicht des Sprachwissenschaftlers; 2. Entitäten, aus denen die Umfange von Begriffen gebildet werden können, die als Wortbedeutungen in Frage kommen; als Variable für Entitäten dieser Art verwendet Lieb ' x ' , 'x ' ' y ' , 'y-/, ·..; diese Objekte sind real aus der Sicht der Sprecher der beschriebenen Sprache. Angenommen, 'hier.' ist eine Bedeutung des Wortes hierW . Der Umfang dieses Begriffs ist eine Menge von Quadrupeln 1) ist sprecherrelativ genau dann, wenn für alle £ e b gilt: Es gibt y±, y^ (i,j = l, . . . , n; i ^ j ) mit: y. produziert y . . 4.2.3 Personal-, Possessiv- und Demonstrativpronomina Im Unterschied zu den bisher analysierten Adverbien und Adjektiven, die nicht referentiell gebraucht werden, gilt für Personal-, Possessiv- und Demonstrativpronomina: (423.1) Sie können als Mittel zur Referenz verwendet werden. Verwendet jemand mich in einer Äußerung von (423.2) Peter hat mich rausgeschmissen. so bezieht er sich mit mich auf diejenige Person, die mich in (423.2) p ziert. Daraus läßt sich ein Begriff für ich gewinnen:

produ-

(423.3) 'ich' = ._ die Eigenschaft, eine Perzeption oder Konzeption zu sein, deren Gehalt {ICH} als Teilmenge enthält, wobei: ICH = ._ die Relation ziert yp.

zwischen y. und y«,

wobei gilt:

y.

produ-

Verwendet jemand wir in einer Äußerung von (423.4) Wir möchten uns bei ihnen entschuldigen, oder in einer Äußerung von (423.5) Wir arbeiten heute etwas länger. so bezieht er sich mit wir auf eine Menge von Personen, die ihn, den Sprecher, als Element enthält. Für beide Fälle gilt, daß sich der Sprecher beim Gebrauch von wir W distributiv oder kollektiv auf eine Gruppe von Personen oder von ihm als Personen betrachtete Wesen bezieht, die ihn einschließt. Einen Begriff, der als Wortbedeutung für wir W in Frage kommt, könnte man so definieren:

241

(423.6) 'wir.' = .~ die Eigenschaft, eine Perzeption oder Konzeption zu sein, deren Gehalt {WIR-·} als Teilmenge enthält, wobei WIR.

= ._ die Relation zwischen y,., y« und F, so daß gilt: a. y. produziert y^t b. F ist eine Menge derart, daß i· y-L F; ii. es gibt mindestens ein von y. als Person betrachtetes Wesen y- t y., so daß Vo F. Einen Begriff für du W könnte man so ansetzen: (423.7) 'du' = ., die Eigenschaft, eine Perzeption oder Konzeption zu sein, deren Gehalt {DU} als Teilmenge enthält, wobei DU = .r die Relation zwischen y,., y ? und y«, so daß gilt: a. y^ produziert y~; b. y~ ist ein von y^ als Person betrachtetes Wesen, für das gilt: y. wendet sich mit y« auf vertrauliche Weise an *3W Einen Begriff für ihr könnte man auf folgende Weise festlegen:

(423.8) 'ihr.' = ._ die Eigenschaft, eine Perzeption oder Konzeption zu sein, deren Gehalt { I H R } als Teilmenge enthält, wobei IHR.

= .£ die Relation zwischen y^, y^ ur|d ^, so daß gilt: a. y^^ produziert y 2 ; b. F ist eine Menge, für die gilt: i. sie enthält mindestens zwei Objekte als Elemente, die von y.. als Personen betrachtet werden; ii. y. wendet sich mit y^ (distributiv oder kollektiv) auf vertrauliche Weise an F.

Die Personalpronomina der dritten Pers. Sg. faßt Lieb nicht als

indexikalisch

auf. Ihnen ordnet er sprachrelative Begriffe zu. Dies schließt selbstverständlieh nicht aus, daß gewisse Vorkommen von Formen der Wortparadigmen er P , sie P p

oder es indexikalischen Charakter haben. Dem Personalpronomen der dritten Pers. Sg. Fern, ordnet Lieb den folgenden Begriff zu (1983 a*'· 28): (423.9) 'fern (S)' = .f der Begriff, dessen Inhalt aus der folgenden Eigenschaft eines besteht: Es gibt ein P und einen Begriff b, so daß gilt:

242

a. ist ein feminines Substantiv von S; e b. b. Aufgrund obiger Vorschläge ergeben sich die folgenden Vergleiche zwischen 'ich' und ' d u ' , zwischen "ich" und 'wir,.' und zwischen ' d u ' und 'ihr,.': Der Begriffsinhalt von "ich" wird mit einer zweistelligen, der von 'du' mit einer dreistelligen Relation gebildet. Bei 'ich' handelt es sich um eine Relation zwischen einem Sprecher und seiner Äußerung einer Wortform von ich W , bei 'du 1 handelt es sich um eine Relation zwischen einem Sprecher, seiner Äußerung einer Wortform von ci£ und einem Wesen, an das sich der Sprecher mit seiner Äußerung wendet. Der Begriffsinhalt von 'wir' besteht aus einer dreistelligen Relation zwisehen einem Sprecher, seiner Äußerung einer Wortform von wir W und einer Menge, die ihn als Element enthält. Mit einer Wortform von wir W bezieht man sich im Unterschied zu einer Wortform von ich W nicht auf ein einzelnes Objekt, sondern auf eine Menge von Objekten. Zwischen 'du' und 'ihr' besteht ein anderes Verhältnis als zwischen 'ich' und 'wir.'. Beide Begriffsinhalte bestehen aus dreistelligen Relationen. Der Unterschied liegt im Typus des dritten Gliedes: bei 'du' ist es eine Person, bei 'ihr.' eine Menge von Personen. Darin drückt sich aus, daß sich ein Sprecher mit einer Form von ihr auf die angesprochenen Personen insgesamt bezieht (einzeln oder kollektiv), und nicht auf die angesprochene Person und auf weitere Personen. Insgesamt unterscheidet sich diese Gruppe von Begriffen von denen für Orts- und Zeitadverbien insofern, als die Relationen in ihren Intensionen nur Stellen für Personen bzw. Mengen von Personen, für einen Sprecher und eine Äußerung besitzen. Stellen für Objekte (Zustände, Ereignisse, Tätigkeiten, u s w . ) , für Raumgebiete oder Zeitabschnitte fehlen hier. Possessivpronomina werden in pränominaler Stellung ähnlich dem Artikel als Determinans und zugleich als Attribut, oder sie werden alleinstehend oder als Kern einer Nominalgruppe gebraucht. In beiden Fällen handelt es sich um einen referentiellen Gebrauch. Als Determinans werden die Formen der Teilparadigmen mein/meine/mein verwendet; sonst die Formen der Teilparadigmen meiner/meine/ meines. Beim Gebrauch als Determinans/Attribut kann die Beziehung zwischen dem Objekt, auf das man mit dem Possessivpronomen referiert, und dem Objekt, auf das man mit dem gesamten nominalen Ausdruck referiert, sehr unterschiedlich sein: eine Verwandtschaftsbeziehung (mein vater), ein Besitzverhältnis (mein fahrrad), eine Freundschaftsbeziehung (mein freund). Zu berücksichtigen sind außerdem Beziehungen, die ich zum Ausdruck bringe, wenn ich von meinem Z u g ,

243 meiner Pille, meiner Nachhilfestunde spreche, und damit den Zug meine, mit dem ich

gewöhnlich fahre, die Pille, die ich täglich nehme, die

die ich gebe oder nehme. leicht paradigmatisch ist von Possessivpronomina ber aber keiner weiteren

Nachhilfestunde,

Daran wird deutlich, daß das Besitzverhältnis vielfür die möglichen Beziehungen, die unter Verwendung ausgedrückt werden können, daß die Beziehungen selEinschränkung unterliegen.

Die Possessivpronomina besitzen wie erwähnt außerdem die sog. substantivischen

Formen meiner, meine, meines , deiner, deine, deines , usw. Diese werden

rein pronominal verwendet. Nach Lieb (1983 ae? : § 11) wird man ein einziges p Wortparadigma mein annehmen, das sowohl die pränominalen als auch die substantivischen Formen umfaßt. Verwendet jemand meine in einer Äußerung von (423.10) Meine Hausarbeit ist fertig. so bezieht er sich mit meine hausarbeit auf ein Objekt, das von ihm, dem Produzenten von meine, hergestellt wird. Nach dieser Beschreibung der

attributi-

ven Gebrauchsweise eines Possessivpronomens sind drei Entitäten zu berücksichtigen: ein Objekt, der Sprecher und seine Äußerung einer Form des Wortparadigmas mein . Verwendet jemand nach einer Äußerung von Kann ich deinen Pullover die Wortform meiner in einer Äußerung von

anziehen?

(423.11) Meiner kratzt. so bezieht er sich mit meiner auf ein Objekt, das ihm, dem Produzenten von meiner, gehört und im Deutschen durch ein maskulines Substantiv bezeichnet werden kann. Nach dieser Beschreibung der nominalen Gebrauchsweise eines Possessivpronomens der Sprecher mein .

sind wiederum drei Entitäten zu berücksichtigen: ein und seine Äußerung einer substantivischen Form

des Paradigmas

Mit beiden Gebrauchsweisen wäre der folgende Begriff für das Paradigma verträglich: (423.12) 'mein.^· =

MEIN.

df

Objekt,

mein

p

die Eigenschaft, eine Perzeption oder Konzeption zu sein, deren Gehalt {MEIN} als Teilmenge enthält, wobei

= ._ die Relation zwischen y, , y„, y^ und R, so daß gilt: < y . , y~ > ist aus e ' i c h ' und zwischen y„ und y1 besteht R.

244

Die Intension für einen Begriff 'dein.' könnte man nun entsprechend mit Relation DEIN bilden, für die man annehmen könnte: (423.13) DEII^ = df die

einer

Relation zwischen y^, y 2 , y 3 , y 4 und R, so daß gilt:

Früher [ x ' ist früher als der 'gesprochen haben-Teil' von V ] & pt (gesprochen haben f , V) = ref-evt ( x ' . V . V , . , gesprochen haben f ) [der 'gesprochen haben-Teil' von V ist das Referenzereignis von x 1 bei V, \ und gesprochen haben^]. Xx^'VV., ist eine intensionale Relation zwischen einem [möglichen Referenzobj e k t ] X p ' , [einer möglichen Äußerung] V und [einem möglichen Sprecher] V., die die oben genannten Bedingungen erfüllt. Statt x„' kann allgemein ein n-tupel von Objekten stehen (n > 0). n benennt die Stelligkeit des Sachverhalts. Auf analoge Weise könnte man bei der Konstruktion von Begriffen für die Paradigmen mögen P , werden P usw. vorgehen. Ausgehend von (424.15) und dem zweiten Vorschlag zur Analyse von Sätzen wie in (424.10) macht ein Sprecher V. mit einer Äußerung V von (424.10 b) Karl kann mit Lisa Tennis spielen, im Kontext einer Äußerung von (424.19) Eva bleibt hier. folgende Aussage: Allen x, auf die sich V. in V mit karl bezieht, erlaubt Vdas Tennis-Spielen mit Lisa. Der Sprecher V. hat zur Zeit seiner Äußerung nichts dagegen, wenn bezüglich x der Sachverhalt s des Mit-Lisa-Tennis-Spielens besteht. Dieser Sachverhalt besteht bei opaker Lesart im Tennis-Spielen

254

mit einer Person, die Lisa heißt, bei transparenter Lesart im Tennis-Spielen mit einer Person, auf die sich V. in V mit lisa bezieht. Die propositionale Einstellung des Erlaubens kann wieder als ein mentaler Zustand mit einem inW tentionalen Inhalt aufgefaßt werden.Für die Bedeutung bp von können sind wiederum mindestens fünf verschiedene Entitäten zu berücksichtigen: ein mentaler Zustand, ein Sprecher, eine Äußerung, ein Objekt, auf das sich der Sprecher in der Äußerung bezieht, und ein Sachverhalt. Den Begriff b? = 'können-' könnte man in erster Annäherung auf folgende Weise festlegen: (424.20) 'können-' = .^ die Eigenschaft, eine Konzeption zu sein, deren Gehalt {ERLAUBEND als Teilmenge enthält, so daß ERLAUBEN.

= ., die Relation zwischen ., Xp, ,,, x 4 und d, gilt: a. x- ist ein mentaler Zustand von x , ; b. x>, ist ein Nicht-Einschreiten-Wollen; c. der Inhalt von x. = < X p , XT, x / , d>.

wobei

Für die Relation ERLAUBEND soll wiederum die Annahme (524.18) gelten. Damit ist auch der fünfstellige Begriff 'können,,' sprecherbezogen im Sinne von (422.4), denn für alle e ' k ö n n e n „ ' gilt: x . produziert Xo. Verwendet jemand soll in einer Äußerung von (424.21) Karl soll schwimmen. bringt er eine Einstellung einer anderen Person zum Ausdruck. Die Relation, mit der man diese Einstellung identifizieren könnte, ist nicht "speaker-restricted" im Sinne von Lieb. Das gleiche gilt für soll und will in Äußerungen wie (424.22) a. Karl soll in Paris sein. b. Karl will in Paris sein. Äußert jemand (424.22 a ) , bringt er die folgende Einstellung einer Person x^ zum Ausdruck: x,, will, daß man von der Person, auf die in der Äußerung mit karl referiert wird, glaubt, sie sei in Paris. Äußert jemand (424.22 b ) , bringt er die folgende Einstellung der Person zum Ausdruck, auf die er in seiner Äußerung mit karl referiert: Diese Person will, daß andere von ihr glauben, sie sei in Paris. Die Einstellung, die ein Sprecher bei einer Äußerung von (424.22 b) zum Ausdruck bringt, könnte man mit der folgenden Relation identifizieren:

255

(424.23) Will Sub . -Glaub ( K a r l ( r ) , zur Zeit von ( r ) , Karl ( r ) , zur Zeit von ( r ) ) .

In-Paris-Sein,

p

Für einen Begriff b. für das Paradigma will könnte man fordern: (424.24) Wille

b

--Glaub in (424.23) soll Ausgangspunkt für die einzige Relation sein, die die Intension eines Begriffs b1 bildet, der als Wortbedeutung für will P in Frage kommt.

Mit einer Äußerung V von (424.22 b) Karl will in Paris sein. macht ein Sprecher V. folgende Aussage: Für alle x, auf die sich V. in V mit karl bezieht, gilt: will den Eindruck erwecken, sei in Paris. Für die Bep deutung b1 von will sind mindestens vier Entitäten zu berücksichtigen: ein mentaler Zustand, eine Person, die sich in dem Zustand befindet, ein Objekt, auf das in der Äußerung referiert wird, und ein Sachverhalt bezüglich des Objekts. Den Begriff b,, = 'will,.' könnte man in erster Annäherung wie folgt festlegen: (424.25) 'will,.' = ,f die Eigenschaft, eine Konzeption zu sein, deren Gehalt {EINDRUCK ERWECKEN} als Teilmenge enthält, so daß EINDRUCK ERWECKEN =

df

die Relation a. x. ist ein b. x,j ist ein c. der Inhalt

zwischen x^ x 2 , x 3 und d, wobei gilt: mentaler Zustand von x 2 ; Einen-Eindruck-Erwecken-Wollen; von x1 = .

Für die Relation EINDRUCK ERWECKEN gilt jedoch nicht die Annahme (524.18). Danach ist der vierstellige Begriff b,, = 'will.' nicht sprecherrelativ im Sinne von (422.4). Verwendet jemand sollte in einer Äußerung von (424.26) Karl sollte schwimmen. bringt er eine bewertende Einstellung zum Ausdruck: Er, der Sprecher, hält es zur Zeit der Äußerung von (424.26) für richtig, daß die Person, auf die er sich mit karl bezieht, zur Zeit dieser Äußerung in die Aktivität des Schwimmens involviert ist. Unter Verwendung von Richt-Halt als Abkürzung für FürRichtig-Halten und einer zu (424.5) analogen Terminologie kann man die beschriebene Einstellung als fünfstellige Relation konstruieren: (424.27) Richt-Halt ( s p ( r ) , während(r), Karl(r), Schwimmen, während(r)).

256

Von einem Begriff b., für das Paradigma sollte (424.28) Richt-Halt in (424.26) soll

p

wird man fordern:

Ausgangspunkt

für die einzige

sein, die die Intension eines Begriffs b1 bildet, p ·"· tung für sollte in Frage kommt.

Relation

der als Wortbedeu-

Ein Sprecher V. macht mit einer Äußerung V von (424.26) Karl sollte schwimmen. folgende Aussage: Jedem x, auf das sich V1 in V mit karl bezieht, empfiehlt V1 zu schwimmen. Für die Bedeutung b1 von sollte P sind mindestens fünf Entitäten der folgenden Art zu berücksichtigen: ein mentaler Zustand, ein Sprecher, eine Äußerung,

ein Objekt, auf das sich der Sprecher bezieht, und ein

Sachverhalt

bezüglich des Objekts. Den Begriff b,, = 'sollte,,' könnte man in erster Annäherung wie folgt ansetzen. (424.29) 'sollte.' = .- die Eigenschaft, eine Konzeption zu sein, deren Gehalt {RICHT-HALT} als Teilmenge enthält, so daß RICHT-HALT

= .- die

Relation

zwischen

- , ^, XT, x/

und d,

wobei

gilt: a. x,, ist ein mentaler Zustand von x^; b. x. ist ein Für-Richtig-Halten; c. der Inhalt von x,. = < X p , Xo, x * , d>. Für die Relation RICHT-HALT gilt wiederum die Annahme (424.18). Danach ist der fünfstellige Begriff b1 = 'sollte,.' eine sprecherbezogene Bedeutung des ParaP digmas sollte . Andererseits

ist gerade bei diesem Beispiel ein

ganz

anderes

Vorgehen

denkbar: Man faßt sollte schwimmen als eine weitere Form des Wortparadigmas p schwimmen auf und rekonstruiert die sprecherbezogene Einstellung des FürRichtig-Haltens satzsemantisch über die Modi. Auch für die übrigen Beispiele bietet sich diese radikal andere Lösung an: Alle sprecherrestringierten Einstellungen bei Modalverben werden aus der Wortsemantik

herausgenommen

und satzsemantisch über die Modi

gibt dann kann schwimmen, sollte schwimmen men .

Damit

wäre

gleichzeitig ein klares

usw. auch

rekonstruiert.

Es

als Formen von schwim-

semantisches

Kriterium

für

schwierige Entscheidung gegeben, ob eine denkbare komplexe Form wirklich

die eine

Wortform ist. Die sprecherrelativen Begriffe als Wortbedeutungen von Modalverben entfallen dann,

allerdings

nur, wenn

für

alle sprecherrelativen Modalverben gilt:

257

Das Modalverb kommt mit dieser hypothetischen Bedeutung nicht in allen seinen Formen vor. Diese Bedingung ist notwendig für die Neuinterpretation der Einstellungskomponente als Modus. Diese zweite Lösungsmöglichkeit geht auf einen Vorschlag Liebs zurück. Sie müßte von Fall zu Fall überprüft werden, wie dies für die erste Möglichkeit geschehen ist. Die Entscheidung zwischen lexikalisch-indexikalischer und syntaktisch-indexikalischer Behandlung kann im Rahmen dieser Arbeit nicht getroffen werden. Dies wäre eine Faktenfrage zum Deutschen. 4.2.5 Subordinierende Konjunktionen Bei einigen Konjunktionen tritt eine Art von Indexikalität auf, die wiederum an das Vorkommen bestimmter Einstellungen von Sprechern geknüpft ist. Äußert jemand den folgenden Satz (425.1) Wenn Karl kommt, verschwindet Anna. so behauptet er einen Zusammenhang zwischen einem Verschwinden Annas und einem Kommen Karls. Er behauptet einen Zusammenhang zwischen zwei verschiedenen Vorgängen derart, daß der eine den anderen bedingt. Diese Bedingung wird man nicht als kausal auffassen: Ein Kommen Karls ist keine Ursache im kausalen Sinn für ein Verschwinden Annas. Diese Bedingung wird man auch nicht im logischen Sinn auffassen: Ein Kommen Karls ist weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für ein Verschwinden Annas. Fischer (1981) expliziert die Bedingungsrelation, die durch wenn ausgedrückt wird, als Relation, die sich erst aus einem Vorwissen von Sprechern ergibt: ein Sprecher, der überzeugt ist, daß Karl kommt, gelangt bei einem bestimmten Vorwissen zu der Überzeugung, daß Anna verschwindet. In Anlehnung an diese Charakterisierung und unter Verwendung der Variablen 's,,1 , 's«' , ... für Sachverhalte, 'W für Vorwissen, über das Sprecher verfügen, könnte man den folgenden Begriff ansetzen: (425.2) 'wenn,' = ., die Eigenschaft, eine Konzeption zu sein, {WENN.} als Teilmenge enthält, so daß WENN.

deren Gehalt

= ., die Relation zwischen s. und Sp derart, daß für ein Vorwissen W und alle Sprecher y gilt: Ist y überzeugt, daß s^, so gelangt er bei W zu der Überzeugung, daß Sp.

258

Explikationsbedürftig ist der vorausgesetzte Begriff eines Sachverhalts und der Begriff eines Vorwissens. (Zur Auffassung von Sachverhalten bei Lieb vgl. Lieb (1983: 414)). Das Vorwissen eines Sprechers y,, bei einer Äußerung von y„ könnte man als die Menge der Sachverhalte konstruieren, von denen y. bei der Äußerung von y„ glaubt, sie seien Tatsachen. Diese Menge könnte durch ein Relevanzkriterium eingeschränkt werden. Bei dem Begriff 'wenn.' tritt die angekündigte Art von Indexikalität noch nicht auf. Äußert jemand dagegen den Satz (425.3) Wenn Karl gekommen wäre, wäre Anna verschwunden. so macht er nicht nur auf einen Zusammenhang zwischen zwei Sachverhalten aufmerksam, sondern bringt außerdem zum Ausdruck, daß er überzeugt ist, daß Karl nicht gekommen und Anna nicht verschwunden ist. Bringt man diese Überzeugung mit dem Konjunktiv in Zusammenhang, wird man sie satzsemantisch behandeln; bringt man sie mit dem Vorkommen von wenn in einen Zusammenhang, wird man sie wortsemantisch behandeln. Im folgenden beschränke ich mich auf eine wortsemantische Rekonstruktion. Bei einer Äußerung von (325.3) bezieht sich der Sprecher auf zwei Sachverhalte: auf s,, = Nicht-Gekommen-sein-von-Karl und auf s„ = Nicht-Verschwundensein-von-Anna. Außerdem bringt der Sprecher zum Ausdruck, daß s? zu der Menge der Sachverhalte gehört, die zu s^ in der WENN.-Beziehung stehen. Vernachlässigt wird dabei die Überzeugung des Sprechers, daß s^. Unter Berücksichtigung dieser Einstellung des Sprechers könnte man einen Begriff 'wenn ' auf folgende Weise festsetzen: (425.4) 'wenn«' = df die Eigenschaft, eine Konzeption zu sein, {WENN«} als Teilmenge enthält, so daß WENN«

deren Gehalt

= ,f die Relation zwischen y,,, y^, s*, Sp derart, daß a. y. produziert y 2 ; b. e 'wenn ' ; c. y,. ist überzeugt, daß s..

Aus (b) und (c) in (425.4) folgt: y^ ist überzeugt, daß s 2 Zu klären wäre die Frage nach der Interpretation der Variablen yp in (425.4): Handelt es sich um eine Variable für gesamte Äußerungen von bestimmter Struktur, oder handelt es sich um eine Variable für die wenn-Teile solcher Äußerungen? Unabhängig davon ist der Begriff 'wenn ' sprecherrelativ im Sinne von (422.4).

259

Äußert jemand (425.3), bringt er die Proposition zum Ausdruck, daß s„ zu der Menge von Sachverhalten gehört, für die gilt: sie stehen zu s,, in der WENN„-Beziehung. • Ähnliche Einstellungen sind mit den Bedeutungen von falls P und sofern P verknüpft.

Äußert jemand den Satz (425.5) Falls Peter kommt, gehen wir essen. so bringt er eine bestimmte doxastische Einstellung zum Ausdruck: Er läßt zum Zeitpunkt der Äußerung bewußt offen, ob Peter kommt oder nicht. Geht man davon aus, daß der Sprecher von (425.5) 1. einen Zusammenhang zwischen zwei Sachverhalten behauptet, 2. eine Einstellung, bezogen auf einen dieser Sachverhalte, p zum Ausdruck bringt, kann man einen Begriff für falls wie folgt festsetzen: (425.6) 'falls.' = ,* die Eigenschaft, eine Konzeption zu sein, {FALLS,,} als Teilmenge enthält, so daß FALLS.

deren Gehalt

= ., die Relation zwischen y., y^, s,,, Sp derart, daß a. y. produziert yg! . b. e. wenn. . ; c. y. läßt bewußt offen, ob s. nach der Produktion von y 2 eine Tatsache sein wird oder nicht.

Äußert jemand den Satz (425.7) Sofern Peter kommt, gehen wir essen. so bringt er zum Ausdruck, daß sie essen gehen, falls Peter kommt, und daß sie nicht essen gehen, falls Peter nicht kommt. Der Sprecher läßt offen, ob Peter kommt, aber er läßt keinen Zweifel daran, daß sie essen gehen, wenn Peter kommt, und daß sie nicht essen gehen, wenn Peter nicht kommt. Analog zu p 'falls.' läßt sich ein Begriff für sofern konstruieren. Geht man davon aus, daß der Sprecher von (425.7) 1. einen Zusammenhang zwischen zwei Sachverhalten behauptet, 2. Einstellungen, bezogen auf diese p Sachverhalte, zum Ausdruck bringt, kann man einen Begriff für sofern auf folgende Weise angeben: (415.8) 'sofern.' = .^ die Eigenschaft, eine Konzeption zu sein, {SOFERN.} als Teilmenge enthält, so daß SOFERN.

deren Gehalt

= .£ die Relation zwischen y., y ? I s. und s? derart, daß a. wie in (425.6 a , b ) ; b. wie in (425.6 a , b ) ;

260

c. y,. läßt bewußt offen, ob s., nach der Produktion von Vp eine Tatsache ist oder nicht; d. y. läßt keinen Zweifel daran, daß s 2 , wenn s. eine Tatsache ist, und daß nicht Sp, wenn s,, keine Tatsache ist. Für die Begriffe 'wenn„', 'falls.' und 'sofern.' gilt: Sie sind sprecherrelativ im Sinne von (422.4). In den Abschnitten 4.2.1, 4.2.2 und 4.2.3 ging es um indexikalische Phänomene, wie sie im Zusammenhang mit Adverbien und Pronomina auftreten. Auf der Ebene konkreter Äußerungen besteht die Indexikalität in diesen Fällen darin, daß die Entitäten, auf die referiert oder von denen etwas ausgesagt wird, zur Äußerungssituation in Beziehung gesetzt werden. Auf der Ebene der Wortbedeutungen besteht die Indexikalität darin, daß Begriffe, die als Bedeutungen in Frage kommen, sprecherrelativ im Sinne von (422.4) sind. Es wurde gezeigt, wie sich im Rahmen von Liebs Semantik begriffliche Bedeutungen für indexikalische Adverbien und Pronomina konstruieren lassen. In den Abschnitten 4.2.4 und 4.2.5 ging es um indexikalische Phänomene, wie sie im Zusammenhang mit gewissen propositionalen Einstellungen auftreten. Auf der Ebene konkreter Äußerungen besteht die Indexikalität in diesem Fall darin, daß die Einstellung, die zum Ausdruck gebracht wird, die des Sprechers zur Zeit der Äußerung ist. Auf der Ebene der Wortbedeutungen besteht die Indexikalität darin, daß Begriffe, die als Bedeutungen in Frage kommen, sprecherrelativ im Sinne von (422.4) sind. Die Intensionen von Begriffen dieser Art bestehen aus n-stelligen Relationen zwischen einem Sprecher y., einer Äußerung yp und weiteren Entitäten (wie psychischen Zuständen oder Sachverhalten), so daß gilt: y. produziert yp. Es wurde gezeigt, wie sich innerhalb Liebs Semantik sprecherrelative Einstellungsbegriffe konstruieren lassen. Im folgenden Abschnitt geht es um eine Art von Indexikalität, die auf linguistischer Seite bis vor kurzem unbemerkt geblieben war. Von sprachphilosophischer Seite wurde auf sie insbesondere durch Wittgenstein und Putnam aufmerksam gemacht. Wie in Kapitel l ausgeführt wurde, sahen beide Autoren in dieser Art von Indexikalität ein starkes Argument gegen die Annahme begrifflicher Bedeutungen. Es soll nun gezeigt werden, wie Indexikalität dieser Art in Liebs Semantik integriert werden kann.

261

4.2.6 Ähnlichkeitsbegriffe Indexikalität tritt, wie in Kapitel l, insbesondere in 1.2, ausführlich dargelegt wurde, auch im Zusammenhang mit Wörtern a u f , bei denen Familienähnlichkeiten im Sinne Wittgensteins eine Rolle spielen. Diese Eigenschaft von Wörtern wie spiel veranlaßte Wittgenstein, die traditionelle Konzeption von Wort2 bedeutungen aufzugeben, In 1.2 habe ich auf Kutschera ( 1975) und Lieb (1980c) verwiesen, die die These der Familienähnlichkeiten so interpretieren, daß sie mit einer begrifflichen Konzeption von Wortbedeutungen verträglich ist. Im folgenden soll gezeigt werden, mit welchen Mitteln sich innerhalb Liebs Semantik begriffliche Bedeutungen für Wörter wie spiel konstruieren lassen. Für die Objekte, die von Wörtern wie spiel bezeichnet werden, läßt sich schwer eine nicht-triviale Eigenschaft angeben, die gerade auf sie zutrifft. Man stößt vielmehr, wie Wittgenstein (1953: § 66, 67) erklärt, auf "ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten", die sich so übergreifen und kreuzen, wie die verschiedenen Ähnlichkeiten, "die zwischen den Gliedern einer Familie bestehen" . Ähnlich verhält es sich nach Wittgenstein mit dem Wort zahl (1953: § 67): Warum nennen wir etwas zahl? Nun, etwa, weil es eine - direkte Verwandtschaft mit manchem hat, was man bisher Zahl genannt hat. Um Ähnlichkeiten feststellen zu können, braucht man demnach Objekte, die bereits ausgezeichnet worden sind, und so als Muster für neue, noch nicht klassifizierte Objekte dienen können. Und durch eine solche direkte Ähnlichkeit mit einigen Musterbeispielen erhält das Objekt nach Wittgenstein (1953: § 67) eine indirekte Verwandtschaft zu anderem, was wir auch so nennen. Damit sind die Komponenten, die an einem solchen Prozeß der Extensionsbestimmung beteiligt sind, genannt: eine Menge von Objekten ( z . B . die der farbigen Gegenstände), eine Menge bzw. Mengen von Objekten, die bereits ausgezeichnet sind ( z . B . als rote, blaue, ... Gegenstände, die einem Sprecher als Muster für bestimmte Farben gelten), eine bestimmte Ähnlichkeitsrelation und eine Menge von Objekten, die man, ausgehend von den Musterbeispielen, durch Anwendung der Ähnlichkeitsrelation auf neue Objekte erhält. Was bei Wittgenstein fehlt, 2 wurde von Kutschera (1973; 1975) nachgeliefert: eine Präzisierung der verwendeten Begriffe und der Relationen zwischen ihnen. 2 Ich möchte das Verfahren, wie man nach Kutschera ( 1975) bestimmte Objektbereiche mit einer Ähnlichkeitsrelation klassifizieren kann, an einem Beispiel illustrieren: Die Ausgangsmenge M sei die der einfarbigen, einschließlich der einfarbig schwarzen, weißen und grauen Objekte. A, B und C seien Teilmengen

262

von M, die unter dem Aspekt der Helligkeit eindeutig klassifiziert sind. Wie lassen sich nun neue Objekte unter diesem Aspekt einer der Klassen A, B oder C zuordnen? Der erste Schritt besteht darin, einen adäquaten Ähnlichkeitsbegriff festzulegen. Eine zweistellige klassifikatorische Relation 'a ist dem b helligkeitsähnlich' scheidet bereits nach Wittgensteins Argumentation aus. Eine zweistellige komparative Relation 'a ist dem b höchstens so helligkeitsähnlich' ergibt keinen Sinn. Mit einer dreistelligen komparativen Relation 'a ist dem b höchstens so helligkeitsähnlich wie c dem b 1 lassen sich Ähnlichkeiten nur hinsichtlich eines Musterobjektes feststellen. Nach diesen Überlegungen geht Kutschera von dem allgemeinen Fall einer vierstelligen komparativen Relation aus: 'a ist dem b höchstens so helligkeitsähnlich wie c dem d ' . Diese Relation soll nach Kutschera sechs Axiome erfüllen: Die Axiome A> bis A. besagen, daß die Relation einen komparativen Begriff im Sinne einer Quasireihe darstellt. Die Objekte, auf die man diese Relation anwenden kann, lassen sich demnach so ordnen, wie man z . B . die Schüler einer Klasse nach ihrer Größe ordnen kann: die verschieden großen stehen nebeneinander, die gleich großen hintereinander. Das Axiom A,- besagt, daß Identität maximale Ähnlichkeit bedingt. A ß besagt: Zwei Objekte mit maximaler Ähnlichkeit sind hinsichtlich der Ähnlichkeit nicht unterscheidbar. Angenommen, z ist ein noch nicht nach der Helligkeit klassifiziertes Objekt, dann wird es unter Anwendung der Ähnlichkeitsrelation mit allen Musterbeispielen in den Mengen A, B und C verglichen. Zuordnen wird man es dann derjenigen Klasse, die ein Objekt enthält, dem z ähnlicher ist in der Helligkeit als allen Elementen in den beiden anderen Klassen. (Allerdings ist nicht gesagt, daß eine der drei Klassen diese Bedingung erfüllt. Die Relation 'ist ähnlicher' ist aufgrund der Ausgangsrelation 'ist höchstens so ähnlich' definierbar. Man wird nicht fordern, daß z allen Elementen einer Klasse ähnlicher ist als jenen in den restlichen Klassen. Ein solches Kriterium würde bei Farbund Helligkeitsklassen zu inadäquaten Ergebnissen führen, z . B . bei einem dunkelgrauen Gegenstand, der einem schwarzen helligkeitsähnlicher ist als einem hellgrauen Objekt. Angenommen, man kommt zu der Hypothese, daß b,- aus B ein Objekt ist, dem z helligkeitsähnlicher ist als allen Elementen aus A und C. Um dies zu bestätigen, muß man zeigen, daß die Behauptung 'z ist dem bg helligkeitsähnlicher als z dem a..' auch dann zutrifft, wenn 'a,,' durch ' a ^ ' i ' a ^ ' 'a ' und durch 1 C c 'c,. , ' 2 ' · · · · > ' n ' ersetzt wird. Diesen Vergleichen liegt, wie man sieht,

263

ein spezieller Fall der von Kutschera geforderten vierstelligen Ähnlichkeitsrelation zugrunde, bei welchem das erste und das dritte Glied der Relation identisch sind. Bestätigt sich die Hypothese, ist man berechtigt, das Objekt z der Klasse B zuzuordnen. Dadurch wird eine neue Klasse B' gebildet, die aus der Beispielmenge B und der Einermenge mit z als einzigem Element besteht. Dieses Verfahren läßt sich nun auf weitere nicht-klassifizierte Objekte anwenden, so daß man zu ähnlichen Erweiterungen für die Klassen A und B kommt. Das Resultat von solchen Vergleichen besteht zwar nicht darin, daß die Elemente einer Klasse helligkeitsgleich sind, aber immerhin darin, daß die Elemente verschiedener Klassen helligkeitsverschieden sind. Zusammenfassend kann man sagen: p

1. Kutschera ( 1975) führt eine vierstellige Ähnlichkeitsrelation ein, die bestimmte Axiome zu erfüllen hat. 2. Er macht außerdem Unterschiede zwischen i. der Menge M von Objekten, die das Feld der festgelegten Ähnlichkeitsrelation bildet; ii. n klassifikatorischen Begriffen, die als Mengen F., ..., F aufgefaßt werden; iii. Mengen B., . . . , B von Objekten aus M, die als Beispiele für Elemente aus F., ..., F dienen; die Mengen B. (i = l, . . . , n) nennt Kutschera (21975: 197) 'Beispielklassen 1 . Lieb (1980c) geht von diesem Modell aus. Er führt verschiedene Begriffe ein, mit denen sich die von Kutschera exemplarisch getroffenen Unterscheidungen verallgemeinern und präzisieren lassen. Als Grundbegriff dient ihm der Begriff eines Ähnlichkeitssystems. Relativ zu ihm lassen sich dann die Begriffe einer Beispielbasis und einer Beispielklasse bestimmen. Mit Hilfe dieser Begriffe lassen sich die Mengen F.., ..., F als Erweiterungen entsprechender Beispielklassen charakterisieren. Die Objekte, die als Beispiele für die Elemente der Mengen F. F dienen, nennt Lieb 'Prototypen'. In einem wesentlichen Punkt weicht Lieb von Kutscheras Modell ab. Kutschera konstruiert die gewünschten klassifikatorischen Begriffe als Mengen F., . . . , F von Objekten. Lieb konstruiert sie als Eigenschaften psychischer Entitäten, so daß die Mengen F., . . . , F n die Extensionen entsprechender Begriffe bilden. Von zentraler Bedeutung in Liebs System ist der Begriff der Erweiterung einer Beispielklasse. Dieser Begriff läßt sich mit Hilfe der Begriffe eines

264

Ähnlichkeitssystems, einer Beispielbasis und einer Beispielklasse festlegen, die Lieb (1980c: 32ff) auf folgende Weise definiert: (426.1) (M,_
mit einer doxastischen Einstellung als erstem und einer auf das Rhema bezogenen Relation u,, zwischen Sprechereignissen V und Sprechern \ als zweitem Glied. Der thematische Teil umfaßt die referentiellen Bedeutungen nominaler Konstituenten. Lieb (1983: 276) konstruiert ihn als Menge von Relationen u.., für die er annimmt: Für jede dieser Relationen gibt es eine Konstituente fp des Satzes f ^ , so daß gilt: u,, ist eine Relation zwischen beliebigen V und V . , die darin besteht, daß V,^ mit Hilfe von £ i-n V eine bestimmte Referenz vollzieht und dabei möglicherweise von gewissen Präsuppositionen ausgeht. Die genannten Begriffe des Rhemas, der Bedeutungsrichtung, des rhematischen Hintergrunds und des thematischen Teils einer Satzbedeutung u sind nach Lieb (1983: 275f) auf eine Folge f syntaktischer Grundformen, eine 'morphologische Strukturierung 1 v von f (also eine Zuordnung von morphologischen Strukturen zu Teilen von f ) , eine syntaktische Struktur s von f, eine morpholexikalische, auf v bezogene Interpretation e , eine lexikalische Interpretation e von f und ein Idiolektsystem S zu relativieren. (Die Natur dieser Gegenstände wird unten in 5.1.3 ff genauer erläutert.) Angenommen, (511.2) S ist ein bestimmtes deutsches Idiolektsystem, f^ = der medizinstudent hat schon geschwommen f-fv s ist eine geeignete syntaktische Struktur von f in S, v ist

eine geeignete morphologische Struktur von f in S,

280

em ist eine morpholexikalische

Interpretation von f relativ zu v, s

und S, e = |, < medizinstudent f ,

'stud m e d ' > , < hat geschwommen, ,

'schwimmen. ' > , , wobei gilt: (i)

Mit Ausdrücken der Gestalt 'der/ oder 'hat geschwommen/ bezieht man sich auf den der-Teil bzw. den hat geschwommen-Teil von f.

(ii) 'stud med' und 'schwimmen,.' sind Begriffe, für die gilt: (a) l l - stud med' = {STUD MED} und STUD MED = ., die Eigenschaft, ein dizin studiert. (ß)

zu sein,

das Me-

2l l

''schwimmen^ = {SCHWIMMEND und SCHWIMMEN.

= ._ die

Relation

zwischen einem x,,

und

XP, für die gilt: a. x^ ist eine 'Schwimm '-Handlung (was genauer zu spezifizieren wäre) ; b. x^ ist eine Handlung von Xp. Das Rhema der Bedeutung von f kann man dann in erster Annäherung auf

folgende

Weise festsetzen: (511.3) a. Referiert ein Sprecher in einer Äußerung von f mit dent auf Xp, so gibt es ein x^ mit

der medizinstu-

i'x? > schwimmen^ ' , d . h . x^ ist eine 'Schwimm '-Handlung, und x. ist eine Handlung von x ? ; (ii) x1 ist früher als die Produktion des hat geschwommen-Teils der Äußerung. (i)

2> als die Produktion des hat

geschwommen-Teils der Äußerung. Das Rhema der Bedeutung von f besteht aus zwei Teilen. Der erste,

'prädikati-

ve' Teil (511.3a) hat die Prädikatrelation (hat geschwommen^ ist Prädikat von der medizinstudent hat geschwommen,.) als syntaktische Basis. Der zweite, 'nicht-prädikative' Teil (511. 3b) rührt von dem Vorkommen von schon in f her. (Vgl. Lieb 1983: 365 zu dieser Unterscheidung.) (511. 3a), (511. 3b) und das vollständige Rhema (511.3) können als Relationen r h , . ( f ) , rhp(f) und r h ( f ) zwi-

281

sehen beliebigen Äußerungen V und Sprechern V. dargestellt werden, und näherungsweise wie folgt: (511.4) a. rh1 (f)

K

zwar

.- die Relation zwischen beliebigen V und V,,, so daß:

Für alle x ? , auf die V,, mit der medizinstudent f gibt es ein x., so daß: (i) x,, ist eine 'Schwimm'-Handlung, und x* ist

in

V referiert,

eine Handlung von

Xp ·

(ii) x>. ist früher als der hat geschwommen^-Teil von V. b. rhp(f) a.f die Relation zwischen beliebigen V und V,., so daß gilt: u sei die Relation zwischen beliebigen V. und Vo, so daß für alle x, und Xo gilt: Referiert V. mit der medizinstudent f in V,, auf x. und ist x~ eine 'Schwimm'-Handlung von x * , dann ist x~ nicht früher als die Produktion des hat geschwommen f -Teils von V«. Es besteht Grund für die Erwartung, daß zwischen V und V1 u besteht . c. r h ( f ) ~ .f die Relation zwischen beliebigen V und V., so daß rh^f) und rhp(f) zwischen V und V^ bestehen. Angenommen, ein Sprecher äußert f = der medizinstudent hat schon geschwommen mit der Intention, dem Adressaten von einer bestimmten Person, auf die er sich mit der medizinstudent^ bezieht, etwas mitzuteilen. Die Bedeutungsrichtung kann man dann im Sinne von Lieb (1983: 270) mit der folgenden Relation identifizieren: (511.5) Mitt = ,f die Relation zwischen beliebigen V., u, V und V 3 , so daß a. V3 = V,; b. V. will, daß alle Vg, an die sich V., mit V wendet, glauben, daß V und V. in der Relation u stehen. Ist (511.4) das Rhema der Bedeutung von f, dann ist das Einstellungs-/Inhaltspaar der rhematische Teil der Bedeutung von f . Das Vorkommen von schon in f bewirkt außer r h p ( f ) noch eine weitere Komponente, die zur Bedeutung von f zu rechnen ist. Jemand, der f äußert, bringt zum Ausdruck, daß er glaubt, daß (511.4b) zu erwarten ist. Das Einstellungs-/ Inhaltspaar gehört nicht zum Rhema, sondern zum rhematischen Hintergrund der Bedeutung von f . In f = der medizinstudent hat schon geschwommen hat die einzige nominale Konstituente f ? = der medizinstudent referentielle Bedeutung. Wie oben angegeben, konstruiert Lieb (1983) referentielle Bedeutungen als Relationen zwischen

282

beliebigen

V und \ . V ist

eine normale Äußerung durch V. von f, v, s, e m ,

e

und S, verstanden wie in (511.2). Den thematischen Teil der hier angenommenen Bedeutung von f kann man mit der folgenden Relation zwischen beliebigen V und \

identifizieren:

(511.6) t h . ( f ) = ._ die Relation zwischen beliebigen V und V,., so daß: a. Es gibt genau ein x^ auf das V,, in V mit der medizinstudent f referiert . b. Alle x 1 , auf die V1 in V mit 'relevante

Objekte

medizinstudent f ,

1

der medizinstudent,: referiert,

in einem zu explizierenden Sinn

sind

relativ zu

\1,, V und 'stud m e d ' .

c. Für alle x,., auf die

V., in V mit

gilt: V1 glaubt, daß jeder

der medizinstudent^

Adressat

referiert,

von V "von x. weiß".

d. V^ präsupponiert, daß jedes x^, auf das er in V mit der medizinstudent,. referiert, ein Element aus der Extension von 'stud med' ist. Auch vollständige Satzbedeutungen konstruiert Lieb als Relationen zwischen beliebigen V und V,.. Lieb gibt die folgende notwendige Bedingung an (1983: 271): (511.7) A sentence meaning is a relation u that relates V and every

V1 only if,

for

attitude/content pair that is a component or element of

a component of u: V. R ,s u. of V and

V., (i.e. R

relates V - , u,,, V

and V j ) .

Lieb vertritt eine Gebrauchskonzeption von Satzbedeutungen. Als Motivation für diese Auffassung kann die folgende Überlegung gelten: Ist V eine normale Äußerung eines Satzes f durch V., müssen V und V,, bestimmte Bedingungen Einige

erfüllen.

davon sind semantischer Art und sind repräsentierbar durch die

Bedeu-

tung von f oder die Bedeutungen bestimmter Konstituenten von f. Zu sagen, V

und V. eine bestimmte Bedingung erfüllen, ist

nach Lieb (1983:

daß

272) eine

andere Sprechweise dafür, daß V und V, in einer bestimmten intensionalen Relation stehen. Satzbedeutungen sind nach Liebe ebenso wie Komponenten von Satzbedeutungen in

sechsfacher Weise zu relativieren. Dies wird durch das

folgende

Postulat

gefordert (Lieb 1983: 272): (511.8) Postulate on sentence meanings, u is a sentence meaning of f. relative to f, v, s, e m , e, and S - ... - only if: a. s is a syntactic structure of f in S; b. for all < k , u , I > = s,

there is

k such that f. = the union of K;

a set K of

constituents f„ of f in

283

c. em is a morpholexical interpretation of f relative to v in S; d. e is a lexical interpretation of f relative to s and S. Bevor ich auf die einzelnen Komponenten der Bedeutungen einfacher Sätze näher eingehe, sollen in den folgenden Abschnitten einige syntaktische, morphologische und semantische Begriffe im Sinne Liebs (1983) erklärt werden. Dazu gehören die Begriffe einer syntaktischen Struktur, einer Konstituente einer syntaktischen Einheit einer morpho-lexikalischen Interpretation und einer lexikalischen Interpretation, wie sie in den angegebenen Annahmen und Postulaten vorausgesetzt wurden. 5.1.2

Zum Verhältnis von Syntax und Semantik. Syntaktische Funktionen.

Lieb vertritt eine Syntax-Auffassung, für die die beiden folgenden Forderungen charakteristisch sind: 1. Seine Syntax soll eine Oberflächensyntax im folgenden Sinn sein (Lieb 1983: 53 und 56): (512.1) A SURFACE SYNTAX is a syntax in which the following assumptions are made for the components (the units, categories, structures etc.) of the syntactic part of any idiolect system: a. They are - with one qualification - formal entities: The syntactic units are constructed from phonological or analogous units (phonological in the case of a spoken idiolect, analogous otherwise), and the syntactic categories, structures etc. are constructed from syntactic units and their parts a n d , possibly word meanings. b. They can be determined either exclusively by the syntactic means of the idiolect system, or by syntactic means together with word meaning properties that by themselves are not sufficient to determine them. c. und d . : hier nicht unmittelbar relevant 2. Seine Syntax soll 'semantikfundierend' sein (Lieb 1983: 52f): (512.2) A SYNTAX AS A BASIS FOR SEMANTICS ( . . . ) is a syntax ( . . . ) in which the following assumptions are made or presupposed for the syntactic part of any idiolect system: a. The meanings that can be assigned to a sentence on the basis of a syntactic structure are a function of the meanings of the elementary meaningful syntactic units that occur in the sentence. b. The meanings of a sentence are the meanings that can be assigned to it on the basis of its syntactic structures. In einer Syntax, wie in (512.2) charakterisiert, muß es möglich sein, explizit anzugeben, wie sich die Bedeutung eines Satzes aus den Bedeutungen seiner Teile gewinnen läßt. Prozesse dieser Art haben nach (512.1) eine syntaktische Basis. Nach Auffassung Liebs (1983: 67f) sind es syntaktische Funktionen, die

284

der Gewinnung komplexer Bedeutungen zugrunde liegen. Wie bereits in 2.3 erwähnt, macht Lieb einen Unterschied zwischen einer bestimmten syntaktischen Funktion und ihren Werten, den unbestimmt vielen Relationen, und ebenso zwischen der syntaktischen Funktion und ihrem semantischen Gehalt, einer Menge semantischer Funktionen. Semantische Funktionen operieren auf den Bedeutungen von Teilen syntaktischer Einheiten, die in der entsprechenden syntaktischen Relation stehen, und erzeugen Bedeutungen der Vereinigung der Teile. Argumente syntaktischer Funktionen sind nach Lieb 'syntaktische Quadrupel ' , bestehend aus einer syntaktischen Einheit f, einer syntaktischen Struktur s von f in S, einer lexikalischen Interpretation e von f relativ zu s und S und dem Idiolektsystem S. Der Wert einer syntaktischen Funktion, die einer traditionellen grammatischen Relation wie 'Prädikat' entspricht (bei Lieb eine 'Konstituentenfunktion'), für ein bestimmtes syntaktisches Quadrupel ist eine Menge von n-tupeln von Teilen (normalerweise Konstituenten) des ersten Gliedes des syntaktischen Quadrupels. Für einfache Sätze wie der student ist schon in der pension eingetroffen nimmt Lieb (1983: 135) eine Determinationsfunktion det, eine 'zweistellige' und eine 'einstellige' Komplementfunktion comp 2 , comp l , eine Modifizierungsfunktion quäl, eine Nukleusfunktion nuc und eine Funktion 'freie Angabe' ang (bei Lieb mod) an. Ist f = der student ist schon in der pension eingetroffen, und f,, = der Student ist in der pension angekommen,., und ist s eine geeignete syntaktische Struktur von f in S, e eine lexikalische Interpretation von f in S relativ zu s und S ein bestimmtes Sprachsystem, dann ist: (512.3) a. {< der^, student ^ >, < der^ , pension^ >} det ( f , s , e , S ) ; b. f< der pension^, ijn f >} comp ( f , s , e , S ) ; c. {< der student, in der pension, ist eingetroffen, >} 2 comp ( f , s , e , S ) ; d. f< schonf , f l t ist eingetroffen f >} quäl ( f , s , e , S ) ; e. {< student^, der student.? > , < pension^. , der pension f >, ,< ist eingetroffen^ , f - > , < f^, nuc. Die Werte von comp für ein syntaktisches Quadrupel sind n+1-tupel von Konstituenten von f relativ zu s und S, d . h . zusammengehörige Komplemente zu einem Satzteil werden nicht einzeln, sondern - unter Auflösung von Koordinationen - jeweils zusammen betrachtet: also z . B . eine Subjektkonstituente nicht in Isolierung von den Objektskonstituenten zu derselben Prädikatskonsti-

285

tuente, ist

sondern alle zusammen. Ist das zugrundeliegende Verb einwertig,

die Subjektskonstituente

Prädikatskonstituente

das einzige Komplement und bildet also

dann

mit der

ein Paar, das ein Element eines Wertes von comp

ist.

Bei einem zweiwertigen Verb bilden eine Subjekts- und eine Objektskonstituente zusammen

ein Komplementpaar, das zusammen mit der

Prädikatskonstituente ein 2 Tripel bildet, das ein Element eines Wertes von comp ist, usw. (512.3b) macht deutlich,

daß nicht nur Verbformen Komplemente haben, sondern

ebenso

Formen

von Präpositionen usw. Die Werte von quäl für ein syntaktisches Quadrupel < f , s , e , S > sind Tripel von Konstituenten von f. Dies hängt damit zusammen, daß die modifizierende

Konstituente ( z . B . schon,) sowohl einen Bereich

ist in der pension angekommen,..)

(der student

als auch einen Bezug oder Skopus (ist einge-

troffen-) hat, in Bezug auf den die syntaktische Funktion quäl semantisch operiert . Eine Syntax muß nach Auffassung Liebs eine Basis für eine Semantik ben.

abge-

Dies bedeutet, daß auch Prozesse der Gewinnung von Satzbedeutungen syn-

taktisch fundiert sein müssen. Syntaktisches Fundament für die Gewinnung komplexer

Bedeutungen sind nach Lieb syntaktische Funktionen mit einem

semanti-

schen Gehalt. In diesem Sinne nimmt Lieb an (1983: 68): (512.4) For each idiolect system S, there is a set of syntactic functions such that: for each sentence of S, structure of the sentence in S, and lexical interpretation of the sentence relative to the structure of S, if the sentence has a meaning relative to the structure, interpretation, and S, then there are functions in the set of functions such that: a. each function assigns a non-empty relation to the sentence, structure, interpretation, and S; b. the meanings of the sentence relative to the structure, interpretation, and S can be obtained from the meanings assigned by the lexical interpretation by applying the semantic content that each function has in S. Damit vertritt Lieb eine Syntax-Theorie, die auf der Annahme der Existenz syntaktischer

Funktionen

mit einem semantischen Gehalt beruht.

Es sei

gleich bemerkt, daß Lieb für den semantischen Gehalt syntaktischer keine

Funktionen zuläßt, die auf traditionellen 'Kasus-Relationen'

Täter

von'

1983:

Kap.

beruhen; solche Funktionen werden

ausdrücklich

2 2 ) . Außer traditionellen grammatischen

Funktionen wie

verworfen

Relationen

'ist (Lieb

werden

Satztypen und syntaktische Akzente funktional (als 'Kategorienfunktionen 1

jedoch

1

auch und

Akzentfunktionen') rekonstruiert. Die syntaktischen Funktionen det, comp , quäl und nuc haben als

syntaktische

Quadrupel < f , s , e , S > . Damit werden die Begriffe

einer

Argumente syntakti-

286

sehen tion

Einheit, einer syntaktischen Struktur, einer lexikalischen und eines Sprachsystems vorausgesetzt. Diese Begriffe

Interpreta-

sollen

nun mit

einigen weiteren im Sinne Liebs erläutert werden. 5.1.3 Syntaktische Einheiten, syntaktische Strukturen Eine

Syntax

muß nach Auffassung Liebs eine Oberflächensyntax

im Sinne von

(512.1) sein. Dies bedeutet, daß syntaktische Einheiten als formale

Entitäten

aufgefaßt werden, so daß sie im Fall gesprochener Idiolekte aus phonologischen Einheiten konstruiert werden können. In diesem Sinne nimmt Lieb an (1983: 80): (513.1) a. Every syntactic unit of S.

of S is a sequence of

syntactic

base

forms

b. Every syntactic base form of S consists of a sequence of phonological segments of S and of a phonological structure of the sequence in S; the sequence is called the segment sequence of the base form, the structure is called the structure of the base form. Die Glieder der Segment-Folge einer syntaktischen Grundform in S sind phonologische Segmente. Die Struktur einer syntaktischen Grundform besteht aus

einer

Konstituentenstruktur und einer Intonationsstruktur. S sei ein bestimmtes, phonologisch charakterisiertes

Idiolektsystem

des

Deutschen. Ist f = der student ist schon geschwommen, dann stehen folgende Annahmen mit (513.1) in Einklang: (513.2) a. Syntaktische Einheit aus S: P P P P P der s,, student s 2 ist s,, schon s. geschwommen s^.

b. Syntaktische Grundformen aus S in a: p p der s., student s ? , ... c. Segmentfolgen von Grundformen aus S in a . : der = /de:"«/; student = //tudent/; ist = /ist/; . . . d. Strukturen von Grundformen aus S in a . : P P P «t - Kk XT 5 1 ' l l p p p «55 - Kk 1T 2 " 2 2

287 1

Der Index ' P erinnert an den phonologischen Charakter der Strukturen. Faßt man eine Folge von Objekten als zweistellige Relation zwischen den natürlichen Zahlen l n und Objekten aus einer bestimmten Menge a u f , so daß jeder Zahl genau ein Objekt zugeordnet wird, läßt sich die Segmentfolge der Grundform ist s

p

3

aus S in (513.2a) als Menge geordneter Paare darstellen:

die Segmentfolge von ist s

aus S in (13.2a) - { , < 2, s > , < 3, t>}. O

Zu der abkürzenden Schreibweise in (513.2c) gelangt man nach Anwendung verschiedener Konventionen: 1. Folgen mit verschiedenen Gliedern können mit Ausdrücken bezeichnet werden, die gebildet werden, indem man Namen ihrer Glieder nebeneinander stellt. Danach gilt: {, < 2 , s > , = /i/ /s/ /t/ . 2. Ausdrücke für Folgen phonologischer Segmente, aufgebaut aus den Namen der Glieder, können durch Namen für die gesamte Folge abgekürzt werden. Danach gilt: /i/ /s/ /t/ = / i s t / . 3. Namen von Folgen phonologischer Segmente können durch orthographische Namen abgekürzt werden, so daß gilt: / i s t / = ist . Die Forderung nach einer Oberflächensyntax im Sinne von (512.1) besagt, daß syntaktische Strukturen syntaktischer Einheiten als formale Entitäten aufzufassen sind. Dies bedeutet, daß sie sich aus syntaktischen Einheiten, deren Teilen und möglicherweise Wortbedeutungen konstruieren lassen müssen. Eine syntaktische Struktur einer syntaktischen Einheit oder einer Verkettung von Einheiten konstruiert Lieb (1983: 69f) als Tripel mit einer Konstituentenstruktur als erstem, einer Markierungsstruktur als zweitem und einer Intonationsstruktur als drittem Glied. Konstituentenstrukturen faßt Lieb als Oberflächen-Konstituentstrukturen a u f . In ihnen wird der Platz, den eine Konstituente einer syntaktischen Einheit innerhalb einer linearen Anordnung aller Konstituenten der Einheit hat, mit Hilfe ganzer Zahlen repräsentiert. Markierungsstrukturen werden relativ zu Konstituentenstrukturen festgelegt. Durch sie werden Rektions- und Kongruenzphänomene erfaßt. Dabei spielen lexikalische Wörter, verstanden als geordnete Paare mit einem Wortparadigma als erstem und einer lexikalischen Bedeutung als zweitem Glied, eine maßgebliche Rolle. Intonationsstrukturen faßt Lieb als Folgen modifizierter Wort-Intonationsstrukturen a u f . Dies berücksichtigt u . a . , daß ein und dieselbe Konstituentenstruktur mit verschiedenen Intonationsstrukturen verträglich sein kann.

288

Konstituentenstrukturen. Nach den oben eingeführten Notationskonventionen kann (513.3) der student ist schon in der pension eingetroffen als Name für die folgende zweistellige Relation betrachtet werden: {< 1,< der, s P »,

(513.4) f =

l

< 2 , < student, sP»,

p

< 4,< schon, s »,

< 3,< ist,

2

p

J

p

< 5, ,

°

i < 9 , < getroffen, sP »}.

y

Für f kann man eine Konstituentenstruktur k annehmen, wie sie durch das gende Baumdiagramm repräsentiert wird: (513.5)

fol-

VG(-,S)

1 VG(-.S)

l

PrtGr( r ,S) NGr(-.S)

S) L

;(-,S) Prt(-.S) N(-,S) N ( - , S )

N ( - , S) 2

l NGr(-.S)

V (- ,S)

3

4

5

6

7

8

Dabei wurden folgende Abkürzungen verwendet: 'N' für 'Nomen', 'V für 'Verb 1 , 'Prt' für 'Partikel', 'NG' für 'Nomen-Gruppe 1 , 'VG' für 'Verb-Gruppe1 , 'PrtG1 für 'Partikel-Gruppe'. Ausdrücke wie ' N ( - , S ) ' bezeichnen Mengen syntaktischer Einheiten von bestimmter Art, z . B . die Menge der Nomenformen in S. Mit Mengen dieser Art identifiziert Lieb (1983: 86) die syntaktischen Konstituentenkategorien in S. Das Baumdiagramm in (513.5) ist nach Lieb ein Name für eine Konstituentenstruktur von f. Die Konstituentenstruktur k von f ist die zweistellige Relation zwischen Mengen natürlicher Zahlen und Konstituentenkategorien aus S, die sich auf folgende Weise darstellen läßt:

289

(513.6) { , , , , , , , , , , , }. Jedem Element der Konstituentenstruktur entspricht eine Teilmenge der syntaktischen Einheit: entspricht deiv, entspricht ist eingetroffen, usw. Diese Teilmengen sind die Konstituenten der Einheit f relativ zu der Konstituentenstruktur k von f. Wie weiter oben erläutert, bezieht man sich mit Ausdrücken der Gestalt 'der^' auf den der-Teil von f. Ist f eine Folge syntaktischer Grundformen ohne sich wiederholende Segmente, bezieht man sich mit Ausdrücken dieser Art auf Teilmengen der Folge. Zur Referenz auf individuelle Grundformen, die in der gegebenen Folge vorkommen, verwendet Lieb (1983: 84f) im Unterschied dazu Ausdrücke vom Typ 'der,,., '. Jede Konstituente einer syntaktischen Einheit wird in einer Konstituentenstruktur einer Konstituentenkategorie zugeordnet: ist eingetroffen^ wird in der Konstituentenstruktur (713.6) der Kategorie Verb (-,S) zugeordnet. Konstituentenkategorien faßt Lieb als Mengen syntaktischer Einheiten und diese als Folgen syntaktischer Grundformen auf. Legt man außerdem den oben angegebenen Begriff einer Folge zugrunde, kann ist eingetroffen^ = ( < 3 , ist/-o. , < 8, sin/j\> , >| kein Element aus Verb (-,S) sein, also auch keine Verbform. Die Konstituente { , > , } ist eine Positionsvariante der Folge { , , }, also der Einheit ist eingetroffen^. Allgemein sind die Konstituenten einer syntaktischen Einheit f Positionsvarianten syntaktischer Einheiten von S und nur ausnahmsweise Einheiten (dies ist möglich, da jede Folge eine Positionsvarante von sich selbst ist). Der Begriff einer Konstituentenstruktur läßt sich mit Hilfe eines Begriffs der syntaktischen Konstituentenanalyse explizieren (Lieb 1975b, 1975c, 1976i, 1983). Für syntaktische Konstituentenstrukturen gibt Lieb eine notwendige Bedingung an (1983: 89): (513.7) If k is a syntactic constituent structure of f in S, then k is a syntactic constituent analysis of f in S. Charakteristisch für den Begriff einer Konstituentenstruktur, wie er von Lieb vertreten wird, sind folgende Punkte:

290

1. (513.7) läßt Konstituentenanalysen zu, die keine Konstituentenstrukturen sind. Motivation dafür sind 'unvollständige' Analysen ( z . B . (513.6) ohne das Element ) , die man als Analysen gelten lassen möchte. 2. Der Begriff einer Konstituentenstruktur soll nicht nur auf syntaktische Einheiten, sondern auch auf Verkettung von Einheiten ( z . B . die Verkettung der Einheiten f> = der student ist schon eingetroffen und fp = das ist gut) anwendbar sein, die selbst keine syntaktische Einheiten sind. Dazu muß bei Konstituentenanalysen nur auf die übliche Forderung eines Obersten Knotens 1 verzichtet werden (vgl. das in (513.6) zuletzt genannte Element von k ) . Lieb unterscheidet in diesem Sinn zwischen einer 'starken 1 und einer 'schwachen' Konstituentenanalyse. 3. Eine wesentliche Eigenschaft von Analysen k von f ist, daß sie von f, einer zweistelligen Relation zwischen natürlichen Zahlen und syntaktisehen Grundformen , nur die natürlichen Zahlen, die den Bereich der Relation bilden, involvieren. Das phonologische Material bleibt in diesem Zusammenhang unberücksichtigt. 4. Aufgrund von (512.4) müssen syntaktische Strukturen so angesetzt werden, daß sich auf ihrer Grundlage die Werte syntaktischer Funktionen mit semantischem Gehalt bestimmen lassen. Dies bedeutet z . B . , daß die Konstituente f. = der medizinstudentr- von f in k weiter in die Konstituenten fp = derf > und f« = medizinstudent f analysiert werden m u ß , weil < fp, det ( f , s , e , S ) . Syntaktische Funktionen erzwingen die Annahme bestimmter Konstituenten. Umgekehrt muß nach Auffassung Liebs jede Konstituente Glied einer Relation sein, die Wert einer syntaktischen Funktion für diesen Satz ist (1983: 95): (513.8) Let f be a sequence of syntactic base forms and s a syntactic structure of f in S such that is "fully grammatical in S' and k is the constituent structure of f in S that is the first component of s. Then for every f ^ , f,. is a constituent of f in k only if there is a syntactic function and a lexical interpretation of f relative to s and S such that f,. is a member of a relation that is the value of the function for f, s, the interpretation, and S. Markierungsstrukturen. Die zweite Komponente einer syntaktischen Struktur ist eine Markierungsstruktur. In ihr geht es um zwei Arten von Phänomenen: 1. Phänomene wie Kasusformen der Nomina oder Tempusformen der Verben, die Lieb mit syntaktischen 'Markierungskategorien vom 1. Typ' in Zusammenhang bringt, 2. Unterschiede zwischen Substantiven und Adjektiven, Adverbien und Konjunktionen, zweiwertigen und dreiwertigen Verben usw., also Wortart- und Rek-

291

tionsunterschiede, die Lieb mit Hilfe syntaktischer 'Markierungskategorien vom 2. Typ' repräsentiert. Markierungskategorien vom 1. Typ. Nach der Konstituentenstruktur für f = der student ist schon in der pension eingetroffen in (513.6) ist die Konstituente {, , >| der Kategorie Verb(-,S) zugeordnet. Die Einheit ist eingetroffen ist nach traditioneller Analyse eine Form der 3. Person, des Singulars, des Perfekts, des Indikativs und des Aktivs des Verbs eintreffen. Die Ausdrücke '3. Person', 'Singular', usw. können als Namen für zweistellige Relationen zwischen syntaktischen Einheiten und Idiolektsystemen verstanden werden: ' . . . ist eine Singular-Form in . . . ' . Die Ausdrücke 'Singular ( - , S ) ' , 'Perfekt ( - , S ) ' usw. bezeichnen dann syntaktische Kategorien: die Menge aller (Verbformen) f, die zu S in der Relation ist-Singularform-in stehen, also die Menge der Singularformen in S, usw. Kategorien dieser Art nennt Lieb (1983: 98) 'type l syntactic marking categories'. Die Einheit ist eingetroffen ist Element der folgenden Markierungskategorien vom 1. Typ: 3P(-,S), Sg v (-,S), I n d ( - , S ) , Perf(-,S), Act(-.S). Die Konstituente ist eingetroffen^, eine Positionsvariante der Einheit, kann also durch die Menge dieser Kategorien 'markiert' werden. Jedes Idiolektsystem S enthält nach Lieb als Komponente ein Klassifikationssystem - Lieb (1983: 98) nennt es 'the syntactic unit ordering of S' der folgenden Art: Ausgangsmenge ist die Menge aller syntaktischen Einheiten aus S. Es gibt dann eine Klassifikation auf dieser Menge mit zwei Elementen: der Menge der syntaktischen Wortformen aus S und der Menge der Formen, die keine Formen von Wörtern sind. Auf der Menge der syntaktischen Wortformen gibt es eine Klassifikation mit n Elementen: den Mengen elementarer Konstituentenkategorien aus S wie N ( - , S ) , V ( - , S ) usw. Auf der Menge der Einheiten, die keine Formen von Wörtern sind, gibt es eine Klassifikation mit n Elementen: den Mengen der abgeleiteten syntaktischen Konstituentenkategorien aus S wie NGr(-.S), VGr(-,S) usw. Jede der elementaren Konstituentenkategorien kann die Ausgangsmenge für weitere Klassifikation bilden: eine Klassifikation auf Verb(-.S) führt im Deutschen zu Elementen wie Präs(-.S), Perf(-,S), Prät(-,S) usw. Relativ zu diesem Klassifikationssystem legt Lieb den Begriff einer Markierungskategorie vom 1. Typ fest (1983: 100):

292

(513.9) The type 1 syntactic marking categories of S are the sets that are elements of classifications in the syntactic unit ordering of S. Im Deutschen sind folgende Mengen syntaktische Markierungskategorien des 1. Typs: W-Form(-,S) (Syntaktische Wertform), Non-W-Form(-,S) (Nicht-Wort-Einheit e n ) , N ( - , S ) , V ( - , S ) , Prt(-,S), N G r ( - . S ) , V G r ( - , S ) , Prt6r(-,S), Präs(-,S), Prät(-.S), Perf(-.S), usw. (Das bedeutet insbesondere: Die Konstituentenkategorien wie N ( - , S ) , V ( - , S ) , NGr(-,S) sind ebenfalls Markierungen vom 1. T y p . ) Markierungskategorien vom 1. Typ treten im Zusammenhang mit syntaktischen Einheiten, insbesondere Wortformen, auf. Die Menge der Wortformen eines Idiolektsystems S ist das Ergebnis der Ausgangsklassifikation des Klassifikationssystems. Für Wortformen nimmt Lieb an (1983: lOOf): (513.10) A syntactic unit f of S is a syntactic word form of S if and only if there is a syntactic structure s of f in S such that for all lexical interpretations e of f relative to s and S, all (non-empty) proper parts f. of f, and all syntactic functions g that have a non-empty semantic content in S, f. is not a member of g ( f , s , e , S ) , i.e. of the relation that is the value of g for < f , s , e , S > . Z.B.

folgt aus (513.10) und (512.3), daß die Einheit der student keine Wort-

form ist, weil < d e r , ^ > , student/f\> det ( f , s , e , S ) . Andererseits können syntaktische Wortformen durchaus mehrgliedrig sein, wie etwa ist ein getroffen. Markierungskategorien vom 2. Typ. Wortparadigmen sind syntaktische Paradigmen, deren Formen also syntaktische, nicht morphologische Einheiten sind. Ein Wortparadigma konstruiert Lieb als Menge geordneter Paare mit einer syntaktischen Einheit als erstem und einer Menge syntaktischer Markierungskategorien vom 1. Typ als zweitem Glied; als Grenzfall sind uneigentliche Paradigmen zugelassen, wie das Paradigma von schon in S = (}, wo schon = {< l, schon>} (die Einerfolge von schon), und schon = < / J o : n / , s > (s ist die phonologische Struktur von //o:n/, unter der Voraussetzung, daß es genau eine gibt). Eine lexikalische Bedeutung eines Wortparadigmas in S ist jeder Begriff, der eine lexikalische Bedeutung jeder Form des Paradigmas ist (vgl. Lieb 1983: 254f). Ein lexikalisches Wort in S ist nach Lieb (1983: 106) ein geordnetes Paar mit einem Wortparadigma aus S als erstem Glied und einer lexikalischen Bedeutung des Paradigmas in S als zweitem Glied. Das Wort-Lexikon in S ist die Menge der lexikalischen Wörter in S. Sie bildet die Ausgangsmenge für ein Klassifikationssystem, deren Elemente die syntaktischen Markierungskategorien vom 2. Typ sind. Dazu gehören Kategorien, die den traditionellen Wortklassen

293

entsprechen. Lieb bildet Namen für Wortparadigmen, indem er den orthographischen Namen einer traditionellen Nennform des Paradigmas mit hochgestelltem ' P ' und ggf. einem Ziffernindex versieht (wenn es mehrere Paradigmen mit derp

selben Nennform gibt): Haus (S) = das Paradigma von S mit der Nennform Haus. Die Wörter eines Systems S können nach drei Kriterien klassifiziert werden (Lieb 1983: 108f): 1. Je nachdem, ob alle oder höchstens einige Formen eines Wortes mehrgliedrig sind, hat man es mit einer idiomatischen Wendung oder einem elementaren Wort zu t u n . 2. Wörter sind eigentlich oder uneigentlich paradigmatisch, je nachdem ob ihre Formkomponente ein eigentliches oder ein uneigentliches Paradigma (also ein Paar mit genau einem Zweitglied) ist. 3. Ein Wort ist ein Leerwort, ist, sonst ein Vollwort.

wenn seine Bedeutung b - der leere

Begriff

-

Markierungskategorien vom 2. Typ, also insbesondere Wortarten- und Rektionskategorien, sind nach Lieb (1983: 104ff) Mengen lexikalischer Wörter, also Mengen von geordneten Paaren aus einem Paradigma und einem Begriff. Syntaktische Markierungskategorien vom 1. Typ sind dagegen Mengen syntaktischer Intonationsstrukturen.

Die dritte Komponente

einer

Einheiten.

syntaktischen

Struktur

einer syntaktischen Einheit ist eine Intonationsstruktur. Wie bereits erwähnt, geht Lieb (1983: 122ff) davon aus, daß jede Intonationsstruktur eines Satzes eine Folge modifizierter Wort-Intonationsstrukturen ist. Intonationsstrukturen von Wörtern in deutschen und englischen Idiolektsystemen konstruiert Lieb als Folgen von Mengen auditiver Werte mit einer Tonhöhe als einzigem Element. Die p Intonationsstruktur I von already .,. in f = the student has already arrived in london wird von Lieb (1983: 122) auf folgende Weise spezifiziert und abkürzend repräsentiert: (513.11) ij = { < l , r s } > , < 2 , { ~ S } > , S} S

}

S} S

{.S} _S

_s 1

Unter der 'Intonationsbasis einer Folge syntaktischer Grundformen von S versteht Lieb die Folge der Intonationsstrukturen der Grundformen in der Reihenfolge der Grundformen. Die Intonationsbasis I von f = the student has already arrived in london gibt Lieb wie folgt an (1983: 123): (513.12)

I

- ~ S ~ S ~ S ~ ~ S ~ S ~S

S.

294

Ausgehend von Intonationsstrukturen syntaktischer Grundformen gelangt man über folgende Die

Modifikation zu syntaktischen Intonationsstrukturen von Sätzen,

Mengen auditiver Werte werden durch Werte für Dauer, Intensität,

(i)

Färbung

und Tonumfang ( z . B . 'fließend', 'knarrend') vervollständigt, (ii) Die Tonhöhen in einigen Wort-Intonationsstrukturen werden in der Regel durch andere hen ersetzt, (iii)

Pausen werden eingefügt, (iv) "Relative Tonhöhe

1

Tonhö-

(der

Grad

der 'Tonhöhen-Substitution') ist für jede Menge auditiver Werte zu spezifizie-

ren. Den Begriff einer syntaktischen Intonationsstruktur legt Lieb

wie

folgt

fest (1983: 124): (513.13) Disregarding the problem of relative height and assuming that pauses do not occur in I, it is true for every non-empty tactic base forms of S that I is a syntactic

sequence

of syn-

intonation structure of

f in S only if a. I is a sequence of sequences of sets of 'auditory values' of S; b. each set of auditory values

contains

exactly one pitch, length,

colour, intensity, and register of S; c. the length of I = the length of f; d. the length of

the n-th member

sequence of I = the length of the

intonation structure of the n-th

base form of S

(for appropriate

n).

Ist eine syntaktische Intonationsstruktur I von f gegeben, erhält man den Tonhöhenverlauf Tonhöhe

von I dadurch, daß man von jeder Menge auditiver Werte

nur

zurückbehält. Für f = the student has already arrived in london

die gibt

Lieb zwei Tonhöhenverläufe L· und I~ an (1983: 123): I a = _S I

2

=

S _S _ ~ ~ S ~ _ S

_S

_S ~ ~S _S _T ~S _~S ~

S

S. _ _S ·

Also gibt es für f = the student has already arrived in london mindestens zwei syntaktische Intonationsstrukturen. 5.1.4 In

Referenz relativ zu Referenzbasen

den vorläufigen Charakterisierungen des Rhemas von f = der

medizinstudent

ist schon geritten in (511.4) und einer referentiellen Bedeutung von f. = der medizinstudent f

in

(511.6) wird der Begriff der Referenz

vorausgesetzt.

beiden Fällen handelt es sich um einen relationalen Begriff in dem Sinne,

In daß

295

ein Sprecher bei der Realisierung eines bestimmten Äußerungsteiles in einer Äußerung auf bestimmte Objekte referiert. Referenz wird also nicht etwa als eine zweistellige Relation aufgefaßt, nach der Ausdrücke auf Objekte referieren, sondern als eine vierstellige Relation, nach der Sprecher mit bestimmten Ausdrücken in ihren Äußerungen auf Objekte referieren. Davon zu unterscheiden ist der Begriff des Bezeichnens. Ihn wird man als zweistellige Relation konstruieren, so daß ihr erstes Glied ein lexikalisches Wort < P ( S ) , b > , ihr zweites Glied eine Extension von b ist. Man könnte sagen: Ein lexikalisches Wort bezeichnet die Extension seiner lexikalischen Bedeutung b. Unter Berücksichtigung dieses Unterschieds führt Lieb die folgende (3+n)-stellige Konstante ein (1980b: 131): I

(514.1)

V 1 is (n-)referring

Viv z

für einen Adressaten aus einer bestimmten Menge herauszugreifen, ihn auf sie aufmerksam zu machen. c. Referiert ein Sprecher im Sinne der letzten Erläuterung, dann impliziert dies nicht, daß er seine Absicht, gewisse Objekte für einen Adressaten herauszugreifen, auch tatsächlich verwirklicht. Ein Sprecher referiert auch dann auf ein Objekt z, wenn es ihm nicht gelingt, z für einen Adressaten auszusondern. d. Referieren in diesem Sinne hat nichts zu tun mit Prädizieren, mit Vorgängen also, bei denen im einfachsten Fall einem Objekt, das als identifiziert vorausgesetzt wird, eine Eigenschaft zugeschrieben wird.

296

Referieren im erläutertem Sinn ist mit einer auf den Hörer bezogenen intentionalen Einstellung von Sprechern verbunden, die sich auf eine Folge von Entitäten richtet. Bei der vorläufigen Charakterisierung des thematischen Teils von f = der medizinstudent hat schon geschwommen war ich davon ausgegangen, daß der Medizinstudent,: die einzige Konstituente mit einer referentiellen Bedeutung in f ist. Die Bedeutung dieser Konstituente wurde dann im Sinne von Lieb als Relation zwischen beliebigen Sprechereignissen V und Sprechern V^ konstruiert. Bei der Gewinnung dieser Relation müssen die nominale Konstituente der medizinstudent,;, die Konstituente medizinstudent f und eine lexikalische Bedeutung von medizinstudent, in Betracht gezogen werden. Diese Relation muß bestimmte Bedingungen erfüllen, u . a . eine Referenzbedingung und eine Präsuppositionsbedingung. Die Referenzbedingung hat im obigen Beispiel die Form eines Existenzsatzes, nach dem \ in V mit der Medizinstudent^ auf genau ein Objekt referiert. Aufgrund der in (511.6) angegebenen Relation zwischen beliebigen V und \ kann eine Funktion bestimmt werden, die Folgen f von syntaktischen Grundformen Relationen u zwischen beliebigen V und \ zuordnet. Im Sinne von Lieb (1983: 279) kann man definieren: (514.3) Ist f eine wiederholungsfreie Folge syntaktischer Grundformen, dann th. (f) - ,f die Relation zwischen beliebigen V und V,,, so daß f, V und (511.6) erfüllt. Referentielle Bedeutungen sind nach Lieb analog den Satzbedeutungen in sechsfacher Weise zu relativieren. Dieser formalen Forderung wird durch das folgende Postulat, das weitgehend dem für Satzbedeutungen in (511.8) gleicht, Rechnung getragen (Lieb 1983: 280): (514.4) Postulate on referential meanings, u is a referential meaning of f 1 , relative to f, v, s, e m , e and S - refer (f.^v.s.e'^e.s) only if a. s is a syntactic structure of f in S; b. for all = s, there is a set K of constituents f ? of f in k such that f^ = the union of K; c. e is a morpholexical interpretation of f relative to v in S; d. e is a lexical interpretation of f relative to s and S. Erklärungsbedürftig ist der Begriff einer morpholexikalischen Interpretation em von f relativ zu einer morphologischen Strukturierung v von f. em ist eine Funktion, deren Argumente Paare n , f . ( ' n ' gibt die Position von f,, in f an)

297 und deren Werte Begriffe b sind (vgl. Lieb 1983: 261f). Erklärungsbedürftig ist auch der Begriff einer lexikalischen Interpretation e von f relativ zu s und S. e ist eine Funktion, deren Argumente elementare Konstituenten von f und k und deren Werte Begriffe b sind (vgl. Lieb 1983: 256). Je nachdem, ob em leer ist oder nicht (ob also morphologische Bedeutungen zusätzlich zu lexikalischen eine Rolle spielen), unterscheidet Lieb (1983: 281) zwischen 'reinen 1 referentiellen und 'gemischten' referentiellen Bedeutungen. Wie zu Beginn dieses Abschnitts ausgeführt wurde, legt Lieb der Konstruktion referentieller Bedeutungen einen relationalen Referenzbegriff zugrunde, der einen Sprecher, eine Äußerung, eine Konstituente einer syntaktischen Einheit und eine Folge von Objekten involviert. Referentielle Bedeutungen werden analog den Satzbedeutungen als Relationen konzipiert, von denen wenigstens eine bei normalen Äußerungen zwischen Sprecher V., und dem Sprechereignis V bestehen muß. Dies besagt das folgende Postulat Liebs (1983: 281):

(514.5) Postulate on referential meanings and normal utterances. Let f., f, s, and S be such that for some u, v, e m , and e, < , .> refer ( f , v , s , e m , s,S). For all V, V 1 , v, e m , and e, if V is a normal non-reportive utterance by V^ of f, v, s, e m , and e in S, then there is a u such that a. u is a referential meaning of f,. relative to f, v, s, e , e, and S; b. u relates V and V - . Mit 'non-reportive' wird den Problemen der 'relevanten Äußerung 1 , etwa bei Modalverben, Rechnung getragen. Damit steht Lieb in der Tradition, die mit Strawson (1950) beginnt und in Searle (1969) eine präzise Fassung erhält. Vertreter dieser Richtung verstehen Referenz als einen bestimmten Gebrauch, den Sprecher von Ausdrücken einer bestimmten Art machen. Dieser Gebrauch ist somit von der lexikalischen Bedeutung der verwendeten Ausdrücke und der Menge von Objekten, auf die sie angewandt werden können, zu unterscheiden. Strawson (1950), auf den in 2.3 ausführlich eingegangen wurde, spricht in diesem Sinn von 'uniquely referring use', Searle (1969), dessen Theorie in 2.4 dargestellt wurde, faßt in diesem Sinne Referenz als einen Sprechakt auf. Lieb geht einen entscheidenden Schritt über die Tradition hinaus: Er definiert die nicht-lexikalische, satzsemantische Bedeutung des gesamten referentiellen Ausdrucks als Teil einer Gebrauchsbedingung. Damit überträgt er Wittgensteins Idee - 'die Bedeutung eines Ausdrucks ist sein Gebrauch 1 - von der lexikalischen Semantik auf die Satzsemantik.

298

Nach den obigen Erläuterungen zu Liebs Referenzbegriff geht es beim Referieren darum, daß ein Sprecher bestimmte Objekte aus einer Menge von Objekten herausgreift. Welche Menge aber bildet die Basis für eine solche Auswahl? Welche Menge eignet sich dazu, eine Ausgangsmenge zu bilden für einen Vorgang, bei dem ein Sprecher sich mit einer nominalen Konstituente in einer Äußerung auf bestimmte Objekte bezieht? Eine erste Einschränkung für die Menge möglicher Referenzobjekte ergibt sich aus der Erläuterung in (514.2b) zu Liebs Referenzbegriff. Danach hat ein Sprecher die Intention, bestimmte Objekte für einen Adressaten herauszugreifen, genau zum Zeitpunkt der Realisierung der nominalen Konstituente in seiner Äußerung. Als Basis für das Referieren kommt danach nur ein momentanes, weil auf einen ganz bestimmten Äußerungspunkt relativiertes Diskursuniversum in Frage. Dies bedeutet, daß nur solche Objekte in Betracht kommen, die zu diesem Zeitpunkt für den Sprecher und eventuell die Adressaten von Interesse sind. Eine zweite Einschränkung ergibt sich aus den Begriffen, die im Zusammenhang mit nominalen Konstituenten auftreten. Im obigen Beispiel besteht der nominale Ausdruck f 1 aus dem bestimmten Artikel und einem Vorkommen einer Nomenform f„. Die lexikalische Bedeutung von f^ ist nach der vorgeschlagenen lexikalischen Interpretation e von f = der medizinstudent hat schon geschwommen der einstellige Begriff 'stud m e d ' . Die lexikalische Bedeutung von f- = {< l,der f >}ist nach (511.2) der leere Begriff b°. Da e(f„) = 'stud m e d ' , bildet dieser Begriff eine weitere Einschränkung für mögliche Objekte, auf die sich ein Sprecher V. mit f,, in V beziehen kann. Diese besteht jedoch nicht etwa darin, daß die Ausgangsmenge für eine Referenz mit der Menge von Objekten identifiziert wird, die die Extension von 'stud med' bildet. Sie besteht auch nicht darin, daß als Elemente für die Basis nur Objekte aus der Extension von 'stud med' zugelassen sind. Sie besteht vielmehr darin, daß als Elemente für die Basis nur solche Objekte in Betracht kommen, für die gilt: der Sprecher ist zur Zeit der Äußerung von f, gewillt, 'stud med' auf "anzuwenden 1 , sei es positiv oder negativ. Dies ist der entscheidende Punkt in Liebs Theorie: Ausgangsmengen für eine Referenz werden durch die Bereitschaft des Sprechers, zu einem bestimmten Zeitpunkt einen bestimmten Begriff anzuwenden, festgelegt. Ausgangsmengen für eine Referenz werden nicht aufgrund der Zugehörigkeit beliebiger Objekte zur Extension eines bestimmten Begriffs festgelegt. Für die Bestimmung von Ausgangsmengen für eine Referenz benötigt man nach Auffassung Liebs einen Begriff der Anwendung von Begriffen und nicht den Begriff der Zugehörigkeit zur Extension bestimmter Begriffe.

299

Was aber bedeutet, da ein Begriff von einem Sprecher auf bestimmte Objekte angewandt wird und auf andere nicht? Ein Sprecher wendet einen Begriff b sicherlich auf diejenigen Objekte an, von denen er glaubt, da sie zur Extension von b geh ren, d . h . alle Attribute in der Intension von b besitzen. Er wendet einen Begriff b aber auch auf solche Objekte an, die f r ihn zwar einige, aber nicht alle Attribute der Intension von b besitzen, und somit nicht zur Extension von b geh ren. Entsprechend definiert Lieb (1983: 285): (514.6) For any η-place (n > 0) potential concept b, V^ (n-)applies b to x^ χ iff either (a) or (b) a. V1 assumes that, for each property or relation in b [in the intension of b ] , x. χ has the property or the relation holds among x * , . . . , x (in this order); b. V- assumes that there is a property or relation in b such that X j , . . . , x _ does not have the property or the relation does not hold among Χ Ι , . . . , Χ Γ Ι . Anwenden ist also eine komplexe propositionale Einstellung, die mit Sprechakten noch nicht verbunden ist. Unter Verwendung dieses Begriffs f hrt Lieb nun den Begriff einer Referenzbasis ein (1983: 285f): (514.7) For any η-place (n > 0) potential concept b, the (η-place) reference basis for f^, relative to V, ΜΓ and b [reb n (f 1 ,V,\/ 1 ,b) ] = df the set of all < x , , . . . , x > such that a. \Λ produces V; b. there is exactly one V3 such that: α. Vo is a part of V; . V„ corresponds to f..; γ. V. is willing at V., to η-apply b to } aus f . W Ist hat geschwommen eine Form des lexikalischen Wortes schwimmen,. (S), des-

sen

Bedeutung der zweistellige Begriff 'schwimmen.' ist, wie er

weiter

oben

vorgeschlagen Form

wurde, dann ist hat geschwommen^, eine Positionsvariante einer W P des lexikalischen Wortes schwimmen (S) = .

Nach

der lexikalischen Interpretation e von f = der medizinstudent hat

geschwommen in (511.2) ist der Begriff "schwimmen.

1

auch mit der

schon

Konstituente

hat geschwommen^ verbunden. Die Referenzbasis für hat geschwommen^ relativ V . , V und 'schwimmen,,' besteht dann aus der Menge von Paaren




^^,^^ , für

zu die

gilt: a. V. produziert V; b. Es gibt genau einen V-Teil V„ derart, daß (i)

Vp entspricht hat geschwommen^;

(ii)

V. ist zum Zeitpunkt der Produktion

von Vp gewillt,

'schwimmen.'

auf < x . , X p > anzuwenden. Zur Referenzbasis von hat geschwommen^ relativ zu V,., V und 'schwimmen.' gehören danach Paare < x - , X p > , für die gilt: V. ist bereit, während der Produktion des hat geschwommen f -Teils entweder anzunehmen, daß x. eine 'Schwimm'-Handlung von

Xp ist,

oder anzunehmen, daß x.. keine 'Schwimm'-Handlung von Xp ist.

In

diesem Fall hat die Referenzbasis nicht einfach die Funktion, potentielle Referenzobjekte

auszusondern. Nach Auffassung Liebs bildet sie ein

"momentanes

Diskursuniversum' im folgenden Sinn: Bei der Produktion einer Konstituente mit einer nicht-leeren lexikalischen Bedeutung zieht der Sprecher immer nur ganz bestimmte Entitäten in Betracht. Im Fall einer Konstituente wie hat geschwommen f , die mit einem zweistelligen Begriff verbunden ist,

sind für den Sprecher

genau die Paare aus der Extension des Begriffs von Interesse, für die es während der Produktion der Konstituente eine Disposition des Sprechers gibt, den mit der Konstituente verbundenen Begriff anzuwenden. Dies schließt Paare von denen der Sprecher bereit ist anzunehmen, daß sie gerade nicht zur

ein, Exten-

sion von "schwimmen.' gehören. Die Funktion der Referenzbasis einer Konstituente, die kein referentieller Ausdruck

ist,

besteht im folgenden: Durch sie wird eine Menge

von Objekten

oder n-tupeln von Objekten festgelegt, die als Objekte in Betracht kommen, von denen

der

'aussagen' wieder

Sprecher bei der Äußerung der will;

entsprechenden

Konstituente

(natürlich kann er mit anderen Konstituenten auf

referieren).

Der hier verwendete Begriff des Aussagens

ist

sie

etwas auch

explika-

302

tionsbedürftig und wird von Lieb in einer eigenen Prädikationstheorie (1983: Kap. 21-25) präzisiert. In diesem Zusammenhang müssen die folgenden Hinweise genügen: 1. Der Begriff des Aussagens und der Begriff des Referierens sind streng auseinanderzuhalten . 2. Der Begriff des Aussagens ist bei Lieb ein rein satzsemantischer, der Begriff des Referierens letztlich ein pragmatischer. 3. Strawson (1950) macht, wie in 2.3 ausgeführt, einen Unterschied zwischen dem referierenden und dem zuschreibenden Gebrauch von Ausdrücken. Searle (1969) präzisiert, wie in 2.5 ausgeführt, diesen Unterschied im Sinne der propositionalen Akte einer Referenz und einer Prädikation. Die Fragwürdigkeit von 'Prädikation 1 als Sprechakt sieht Searle selbst. Lieb verwirft Prädikation als Sprechakt. 4. Aussagen ist nach Lieb mit nicht-referentiellen Konstituenten verbunden, deren Nukleus eine nicht-leere lexikalische Bedeutung hat. Referentielle Bedeutungen werden von Lieb als Relationen konzipiert, die u . a . eine Bedingung für potentielle Referenzobjekte ( z . B . (511.6b)) erfüllen. Dies bedeutet, daß eine Referenz mit Hilfe einer nominalen Konstituente f 1 , bestehend aus einer Artikel-Form und einer Form f ? eines Nomens, immer relativ zu einer stark begrenzten Menge potentieller Referenzobjekte vorgenommen wird. Referenz findet relativ zu einer n-stelligen Referenzbasis von f 1 , V 1 , V und einem f ? zugeordneten n-stelligen Begriff b statt. Entscheidend für Liebs Auffassung ist, daß die Zugehörigkeit zur Referenzbasis von f,,, V., V und b von einer Disposition abhängt, die der Sprecher V. während der Produktion von f 2 hat, und nicht etwa von der Zugehörigkeit zur Extension des Begriffs b, der mit f^ verbunden ist. Entscheidend für die Zugehörigkeit zur Referenzbasis von f., \ , V und b ist die Disposition des Sprechers, b auf Objekte anzuwenden. Daraus folgt: eine n-stellige Referenzbasis relativ zu f,,, \ , V und einen nstelligen Begriff b enthält Objekte aus der Extension von b, aber auch Objekte, die keine Elemente der Extension von b sind. Referenzbasen tragen so dem Phänomen referentieller Flexibilität im Sprachgebrauch Rechnung. Referenzbasen enthalten im Fall nominaler Konstituenten potentielle Referenzobjekte für eine Referenz. Ein tatsächliches Referenzobjekt ist ein Element einer Referenzbasis, also ein Objekt, das zur Extension des entsprechenden Begriffs b gehören kann, aber nicht gehören muß. Das tatsächliche Referenzobjekt muß ein Objekt sein, für das es eine Disposition des Sprechers V* gibt, den Begriff b während der Produktion von f. auf anzuwenden. Ein Spre-

303

eher kann mit f. = der medizinstudent^ aus f = der medizinstudent ist schon geschwommen auch auf einen bestimmten Biologiestudenten referieren, vorausgesetzt, er hat während der Produktion von f^ die Disposition, den einstelligen Begriff 'stud med' im positiven oder negativen Sinn auf anzuwenden. Man sieht, mit der Bedingung für Referenzbasen nominaler Konstituenten (z.B. (511.6b) - wenn auch nicht durch diese Bedingung allein - trägt Lieb dem sog. referentiellen Gebrauch definiter Beschreibungen im Sinne von Donnellan (1971 [1966]) Rechnung. Die Bedingung für Referenzbasen markiert den entscheidenden Unterschied in den Referenztheorien von Strawson (1950, 1969 [1959]) und Searle (1969) einerseits und Lieb ( u . a . 1979b, 1980b, 1983) andererseits. Strawson (1969 [1959] ) und Searle (1969) gehen, wie in 2.3 und 2.4 ausführlich dargelegt wurde, davon aus, daß ein Sprecher nur dann auf ein bestimmtes Objekt erfolgreich referieren kann, wenn der verwendete Ausdruck eine 'identifizierende Beschreibung' von ist oder vom Sprecher zu einer solchen ergänzt werden kann. Dies bedeutet, daß der verwendete referentielle Ausdruck zumindest eine partiell-identifizierende Beschreibung, und d . h . eine korrekte Beschreibung von sein muß. Verwendet ein Sprecher f., = der medizinstudent^, um auf ein bestimmtes Objekt zu referieren, muß tatsächlich ein Medizinstudent sein. Nach dieser Theorie kann ein Sprecher mit einer nominalen Konstituente f^ aus f nur auf Objekte referieren, die unter den Begriff b fallen, der mit f~ c^ f* verbunden ist. Der sog. referentielle Gebrauch im Sinne Donnellans bleibt dabei unberücksichtigt und unerklärt. Im folgenden Abschnitt sollen kurz verschiedene Typen syntaktischer Bedeutungen charakterisiert werden, die zur Gewinnung von Satzbedeutungen und ihren Komponenten benötigt werden. Lieb unterscheidet zwischen syntaktischen Grundund Zwischenbedeutungen, die er als unvollständige Bedeutungen auffaßt, und referentiellen und Satzbedeutungen, die er als vollständige Bedeutungen betrachtet. 5.1.5 Syntaktische Grundbedeutungen, syntaktische Zwischenbedeutungen Syntaktische Grundbedeutungen sind die Bedeutungen der elementaren Konstituenten einer syntaktischen Einheit. In (511.2) werden den elementaren Konstituenten von f = der medizinstudent hat schon geschwommen relativ zu s und S durch die lexikalische Interpretation e potentielle Begriffe zugeordnet. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die syntaktischen Bedeutungen der Konstituenten mit ihren lexikalischen, den Werten der Funktion e, identifiziert werden. Poten-

304

tielle Begriffe sind in Liebs Theorie Eigenschaften von Bewußtseinsereignissen und Bewußtseinszuständen, also Entitäten kognitiver Art. Referentielle Bedeutungen und Satzbedeutungen sind dagegen Relationen zwischen Äußerungen und Sprechern. Die syntaktischen Bedeutungen elementarer Konstituenten müssen nach Lieb so konzipiert werden, daß sich aus ihnen referentielle Bedeutungen und letztlich Satzbedeutungen gewinnen lassen. Die potentiellen Begriffe, die durch eine lexikalische oder eine morpholexikalische Interpretation den elementaren Konstituenten einer syntaktischen Einheit zugeordnet werden, müssen auf potentielle Äußerungssituationen bezogen werden. Lieb (1983: 289) spricht in diesem Sinn von 'Kontextualisierung 1 potentieller Begriffe. Dies geschieht durch Einbeziehung der Referenzbasen elementarer Konstituenten: Für jeden nichtleeren n-stelligen Begriff b, der eine lexikalische Bedeutung der Konstituente f. ist, wird in einem ersten Schritt die Menge der (n + 2)-tupel < x , . , . . . , x .V.V^ gebildet, so daß n reb (f.,V,V,,b). Diese Menge ist eine Komponente der syntaktischen Bedeutung von f^. In einem zweiten Schritt wird die syntaktische Bedeutung von f,. mit dem geordneten Paar < { < x 1 , . . . , x n , V , V 1 > : < ' x 1 , . . . , x n > reb n (f 1 ,V,V 1 ,b)} i b> identifiziert. Lieb (1983) führt Variable Z n und Zn ( n , m , > 0) ein: Sie stehen für beliebige Mengen von (n + 2)-tupeln < x ^ , . . . , x V . V ^ . Den Begriff einer n-stelligen syntaktischen Grundbedeutung führt Lieb (1983) im Unterschied zu (1976b) relativ zu einem Sextupel < f , v , s , e m , s , S > e i n (1983: 290f): (515.1) < Z n , b >is an -place basic syntactic meaning (n_> 0) of f . relative to f, v, s, e m , e, and S [ < Z n , b , f 1 > bs-mg n (f,v,s,e m ,e,S)] iff a. < f , s , e , S > i s a syntactic quadruple; b. em is a morpholexical interpretation of f relative to v and S; c. either (i) or (ii): (i) f^ is an argument of em and b = em (f.) and b is -place, and either (a) or (3): . = 0 and Z n = ; . > and = {< ± x n ,V,V 1 >: < x 1 , . . . , x n > e reb n (f1,V)V1,em(f1)); (ii) [ = ( i ) , with "e" for "e m "]. Der Fall (c i) soll wieder vernachlässigt werden. Bei (c ii) gilt folgendes: f.. ist eine elementare syntaktische Konstituente von f und damit ein Argument der lexikalischen Interpretation e von f. Dann ist die zweite Komponente b der

305

syntaktischen Grundbedeutung < Z n , b >der Begriff, den e f.. zuordnet. Dabei sind wieder zwei F lle m glich. Entweder ist b der leere Begriff. Dann ist die erste Komponente Z von < Z ,b> die leere Menge. Oder b ist nicht-leer und nstellig. Dann ist Z n die Menge der tupel < X j , . . . , χ η , ν , \ Λ > - also eine (n+2)stellige Relation im extensionalen Sinn -, bei denen < x ^ , . . . , x > in der Referenzbasis f r den Begriff b ist. Die Kontextualisierung von b besteht eben in der Hinzuf gung von Z zu b. F r f = der medizinstudent hat schon geschwommen ergibt (515.1) folgendes.

sich

aufgrund

von

(515.2) < Z n , b > i s t eine n-stellige syntaktische Grundbedeutung von f. relativ zu f, v, s, e m , e und S, wenn a. f = der medizinstudent hat schon geschwommen; b. s sei wie in (511.2); c. e und S seien wie in (511.2); d. em sei leer; e. es gilt entweder (i) oder (ii) oder (iii): fder f , schon f }, n = 0, b = b° und Zn = 0;

(i)

ία

(ii)

f^ = medizinstudent f , n = l, b = 'stud med' und I

n

Λ

= {< χ,. ,ν,\Λ >: χ,,

reb (medizinstudent,., V, V..,' stud med'};

(iii) f 1 = hat geschwommen f , n = 2, b = Zn = { : < x^Xg > 'schwimmen,.')} .

£

'schwimmen.·

und

reb (hat geschwommenf . V . V ^ ,

Bedeutungskomposition beginnt mit syntaktischen Grundbedeutungen. Aus ihnen gewinnt man Zwischenbedeutungen (Zwischenbedeutungen erster Art: Lieb 1983: 330), die nach Lieb Entit ten desselben Typs wie die Grundbedeutungen sind. Ist f = der amerikanische medizinstudent hat schon geschwommen, f., - amerikanische,p und e(f £ nuc ( f , s , e , S ) ; L (ii) Angenommen, die folgende Relation rh(f) ist ein potentielles Rhema für f lativ zu f, v, s, e m , e und S: (522.4) r h ( f ) = ._ die Relation zwischen beliebigen Referiert V,, mit dieser^ in V auf x 2 , dann x.,, so daß x 2 i""1 x i a ^ s Reiter involviert die Produktion des ist geritten^-Teils von

re-

V und \ , so daß gilt: gibt es einen Reitvorgang ist, und x^ ist früher als V.

Relativ zu rh(f) in (522.4) ist dieser^ der einzige referentielle Ausdruck in f = dieser ist geritten, da bei der Konstruktion von rh(f) nur das Referieren mit dieser^ eine Rolle spielt. Die folgenden Bedingungen seien erfüllt: a. Der Äußerung V von f = dieser ist geritten durch V. geht eine Äußerung Vg von f = welcher von ihnen ist geritten durch einen Sprecher V R voraus. b. V ist eine normale nicht-berichtende Äußerung von f = dieser ist geritten durch V^. Aus einem geeigneten th*(f) gewinnt man die folgende Relation t h ^ ( f ) : (522.5) th..(f) = .f die Relation zwischen einem V„ und einem V . , für die gilt: a. Es gibt genau ein x,,, auf das V. mit dieser^ in V,, referiert. b. Für alle x^, auf die V4 mit dieser,, in Vg referiert, gibt es ein x. und x„, so daß: (i) x- ist ein Objekt, das in S mit einem maskulinen Substantiv bezeichnet werden kann; (ii) £ reb 3 (dieser f , V 3 ,V 4 ,'dies'); (iii) Corr X-jV.V. und Corr Xp teil(dieser^,Vo) V.. c. Für alle x«, auf die V4 mit dieser^ in Vo referiert, gilt: V. richtet eine Geste auf x-. d. V4 setzt voraus: Für alle Xo, auf die V4 mit dieser^ in V« referiert, gibt es ein X- und ein Xp, so daß: > e e 'dies' und Corr XjV 4 V 4 und Corr x„ teil(dieser^, V„) V*. Mit dieser Relation t h . ( f ) kann man die existenziell-gestische dieser^ in f = dieser ist geritten identifizieren.

Lesart von

322

Angenommen, (521.1 g) f = ich suche dich; s ist eine syntaktische Struktur von f in S; em ist leer; e = {, < suche f , 'suchen ' > , < dich,,, ' d u ' > | , wobei """du' aus einer dreistelligen Relation im intensionalen

Sinn zwischen

einem Sprecher x., einem Äußerungsteil Xp und einem Angesprochenen x„ besteht, und 'suchen,.' aus einer dreistelligen Relation im

intensionalen Sinn zwischen einem Vorgang

,.,

einer Person

XP und einer Eigenschaft x- besteht. Relativ zu f , s , e , S gilt dann: (i) (ii) (iii) (iv)

£ det ( f , s , e , S ) ;

nuc ( f , s , e , S ) ;

det ( f , s , e , S ) ;

nuc ( f , s , e , S ) .

Angenommen, die folgende Relation rh^f) ist ein potentielles bzgl. f, v, s, e m , e und S:

Rhema

für

f

(522.6) rh^f) = df die Relation zwischen V.j^ und V, so daß gilt: Referiert V,, in V mit ichf auf Xp und mit dich f auf x 3 ,

gibt es einen

Such-Vorgang x,., der x^ und die Eigenschaft, mit x,, identisch zu sein, involviert. Relativ zu rh,. (f) sind ichf und dich f die einzigen referentiellen Ausdrücke in f, da bei der Konstruktion von rh,, (f) das Referieren mit ichf und das Referieren mit dichf eine Rolle spielt. Die folgenden Bedingungen seien erfüllt: a. V ist

eine

normale

nicht-berichtende

Äußerung von f = ich suche dich

durch V.. b. Der Äußerung V von f = ich suche dich geht eine Äußerung machst du denn hier durch den Angesprochenen V„ voraus.

vV von f = was

Die Bedeutung t h ^ i f ) für ichu in f = ich suche dich sei identisch mit der Relation t h ^ ( f ) , wie sie in (521.8) definiert wurde. Damit hat ich^ in existenziell-doxastische Lesart.

f

Es sei th*(f) die folgende Relation: (522.7) th*(f) = .£ die Relation zwischen einem Vo und V , , für die gilt: a. Es gibt

genau ein x.,, auf das V. mit dich f in V,, referiert.

eine

323

b. Für alle x 3 , auf die V. mit dichf in V,, referiert, gibt es ein x,. und ein x-, so daß , so daß < x * , X 2 , X 3 >

'du'.

Ergänzt man (b) und (d) in (522.7) durch die Corr-Bedingungen in der bekannten Weise, geht die Relation th*(f) in die Relation th^f) über. Hit t h - p i f ) kann man die existenziell-doxastische Lesart von dich f in f = ich suche dich identifizieren,

u sei eine Bedeutung der gesamten Einheit f = ich suche dich

mit

r h . ( f ) als Rhema. Der thematische Teil von u besteht dann aus den beiden Relationen t h . . ( f )

und th 1 2 (f)·

In diesem

Fall hat der

referentielle

Ausdruck

dichf in f eine de-re-Lesart. Anders verhält es sich, wenn folgendes zutrifft: a. V ist

eine

normale

nicht-berichtende

Äußerung von f =

ich suche dich

durch V r b. Der Äußerung von f = ich suche dich durch V,, geht eine Äußerung von bist nicht älter als dreißig, nicht dicker als ich,

f = c|u_

nicht langweiliger als

die meisten anderen typen durch V. voraus. Angenommen,

die folgende Relation r h „ ( f ) ist ein potentielles Rhema bzgl.

f,

m

r, s, e , e und S:

(522.8) rhp(f) = ^ die Relation zwischen beliebigen \

und V, so daß gilt:

Referiert V,, in V mit ichf auf X p , gibt es einen Such-Vorgang x.., der XP und die Eigenschaft, ein Element der Extension von ' d u ' zu sein, involviert. Relativ zu rh„(f) ist ichf der einzige referentielle Ausdruck, da bei der Konstruktion von r h „ ( f ) nur das Referieren mit ich,; eine Rolle spielt. Die Bedeutung

von ichf in f kann man mit der Relation th^f) (= th,.(f)

identifizieren.

Dies

in

(521.8))

bedeutet, daß ich^ relativ zu dem potentiellen

Rhema

r h p ( f ) von f = ich suche dich eine existenziell-doxastische Lesart hat. Im Unterschied zu ich^. hat dich^ relativ zu rh^if) von f = ich suche dich keine referentielle gesamten

Lesart; dich,, hat eine de-dicto-Lesart. u sei eine Bedeutung

der

Einheit f, die r h „ ( f ) als Rhema enthält. Der thematische Teil von u

enthält dann als einziges Element t h 1 1 ( f ) . Bei den bis jetzt behandelten Fällen handelt es sich um referentielle Ausdrücke in f, deren Nukleus mit einem sprecherrelativen Begriff verbunden Dies

ist.

trifft auf meiner^, dieser^ und dich^ zu. Bei der Konstruktion referen-

324 tieller Lesarten kann man auf den Übergang von th*(f) von ichf zu t h ( f ) von ich, als Paradigma zurückgreifen. In den folgenden beiden Beispielen geht es um die Bedeutung referentieller Ausdrücke in f , bei denen das Determinans mit einem sprecherrelativen Begriff verbunden ist. Dies gilt für mein student, in f = mein student ist geritten und ebenso für dieser student, in f = dieser student ist geritten. Es ist zu erwarten, daß sich bei der Konstruktion referentieller Lesarten Unterschiede ergeben im Vergleich zu Ausdrücken wie ich f , meiner^, dieser ,. ' L· l 1

Angenommen, (521. Ic) f = mein student ist geritten; s ist eine syntaktische Struktur von f in S; em ist leer; e = | V , V 1 > :< Xg.V.V^

(v)

"mein stud' = ,, die Eigenschaft, eine Perzeption oder Konzeption zu sein, deren Gehalt (MEIN STUD} enthält, wobei MEIN STUD = ., die intensionale Relation zwischen einem x,., Xp, Xn und R derart, daß x 3 e 'stud' und < x . , x _ , x 3 , R > e 'mein'.

£

Dann ist vertretbar: (vi) ist eine syntaktische 2 dent, relativ zu f, s, e und S.

Zwischenbedeutung

von mein stu-

Aufgrund von (vi) läßt sich definieren: (522.10) th*(f) = ., die Relation zwischen einem V3 und V., für die gilt: Es gibt ein R, so daß a. Es gibt genau ein x 3 , auf das V. mit mein student^ in V3 referiert . b. Für alle x,,, auf die V. mit mein student, in V,, referiert, gilt: Es gibt ein x1 und x 2 > so d a ß < x - , x 2 > x 3 , R , V 3 , V . > e Z 2 c. Für alle x^, auf die V. mit mein student^ in V- referiert, gilt: V. glaubt, daß jeder Adressat von V^ von x« weiß. d. V. setzt voraus: Für alle x,,, auf die V. mit mein student, in V„ referiert, gilt: Es gibt ein x. und Xp, so daß < x , , , X p , x 3 , R > e 'mein stud'. Ergänzt man (b) in (522.10) durch (522.11) und Corr XjV 4 V 4 . und Corr x 2 teil(mein f ,V 3 )V^ und (c) entsprechend durch (522.11), so geht th*(f) in die Relation über, mit der man die existenziell-doxastische Lesart von mein student, in der Tat identifizieren darf. Natürlich wird man th^(f) direkt aus einer syntaktischen Zwischenbedeutung mein student^ wie oben (vi) gewinnen und nicht über die Relation t h * ( f ) ,

326

die

hier nur zu Vergleichszwecken angeführt wurde, t h * ( f ) ergibt

eine

semantische Funktion im Gehalt von det[s], die

sich

durch

Zwischenbedeutung

durch

eine Funktion im Gehalt von mod[S]. Da < mein,, student,> ist

m o d ( f , s , e , S ) r\ d e t ( f , s , e , S ) ,

die Rolle der jeweiligen Funktionen nicht leicht

könnte man erwägen,

die Existenzquantifikationen

trennbar;

insbesondere

bei x. und x« in

(522.10)

schon bei der syntaktischen Zwischenbedeutung, also bei der mit mod[S] verbundenen

semantischen Funktion, zu berücksichtigen. (Diese Bemerkungen

gelten

sinngemäß auch im folgenden.) Ich habe mein^ als nicht-referentiell betrachtet, eine Auffassung, die bestreitbar sich

ist. Falls man mein- ebenfalls als referentiell

behandelt,

stellt

die Frage nach der Stellung der Relation R neu: Ist R wirklich schon

der Wortbedeutung von mein

in

oder erst über mod[S] oder det[s] einzuführen?

Im übrigen sind die Parallelen zu der Behandlung von meiner,, in (521.Iff)

so-

wie die Zusammenhänge mit ich,. (§ 5.2.1) offensichtlich. Angenommen, (521.Id) f = dieser student ist geritten; s ist eine syntaktische Struktur von f in S; e ist leer; e = {

wobei

'dieser' eine dreistellige Re-

lation zwischen Sprechern x.,, Äußerungsteilen x~ und Objekten x~ enthält. Dann gilt relativ zu f , s , e , S : (i)

< dieser,., dieser student,>

det(f,s,e,S);

(ii)

< dieser,, student^> mod(f,s,e,S); i r e (iii)< student,, dieser student,> nuc(f,s,e,S).

Angenommen, die folgende Relation r h ( f ) ist ein potentielles Rhema von f relativ f, v, s, e m , e und S:

(522.12) r h ( f ) =

df

die Relation zwischen beliebigen V und V . , so daß:

Referiert V. in V mit

dieser student,

Vorgang x., in den Xp als Reiter

auf x«,

involviert

gibt es einen

ist, und x,,

Reit-

ist früher

als die Produktion des ist gerittenf-Teils von V. Relativ zu r h ( f ) ist dieser student, der einzige referentielle Ausdruck in

f,

da bei der Konstruktion von r h ( f ) nur das Referieren mit dieser student, eine Rolle spielt.

327

Eine syntaktische Zwischenbedeutung von dieser student^ relativ zu f,s,e,S gewinnt man aus syntaktischen Grundbedeutungen von dieser,, und student^ und durch Anwendung einer semantischen Funktion aus dem Gehalt von mod[s] . Es sei: (i)

f., = dieser^, n = 3, b = 'dies' und Z

(ii)

l

=

{ < x i ' x 2 ' x 3 ( V ' V i > : < χ ι· χ 2' χ 3>

reb

(dieser^.V.V^,'dies')} .

f* = student f , n = l, b = "stud" und Zj = {: x1

reb 1 (student f ,V,V 1 ,'stud')}.

Dann: (iii)

,

sind syntaktische Grundbedeutungen f r dieserf und student^ relativ zu f , s , e , S . Es sei: (iv) I2 = { : x 3 £ reb (student f l V,V 1 F ·stud') und e reb (dieser^.V.V^,'dies')}. Λ

Ο

(v)

'dies stud,,' = ., die Eigenschaft, eine Perzeption oder Konzeption zu sein, deren Gehalt {DIES STUD} als Teilmenge enth lt, wobei DIES STUD = .f die intensionale Relation zwischen einem x - , X 2 und x 3 derart, da x«ο ε e 'stud' und e e 'dies·.

Dann ist vertretbar: (vi)

3

< Z _ , 'dies stud'> ist eine syntaktische Zwischenbedeutung von dieser student^ relativ zu f,s,e,S.

Es sei th*(f) die folgende Relation: (522.14) th*(f) = .f die Relation zwischen einem V^ und einem V 4 ,f r die gilt: a. Es gibt genau ein x 3 , auf das V. mit dieser student^ referiert. b. F r alle x.j, auf die V. mit dieser student^ in V~ referiert, gilt: Es gibt ein x. und x 2 . so da e Z3. c. F r alle x 3 , auf die V. mit dieser student^ in V« referiert, gilt: V. richtet eine Geste auf x 3 .

328

d. V. setzt voraus: Für alle x^, auf die V. mit dieser student f in Vo referiert, gilt: Es gibt ein x. und x 2 , so daß < x 1 , X 2 , X o > 'dies stud'. Ergänzt man (b) und (d) durch die Corr-Bedingung (522.14) und Corr x^^ und Corr x2 teil(dieser f , V 3 ) M^. geht th*(f) in die Relation th^(f) über. Mit dieser Relation kann man die existenziell-gestische Lesart von dieser student^ relativ zu rh(f) identifizieren. In den letzten beiden Beispielen ging es um die Bedeutung referentieller Ausdrücke in f, bei denen das Determinans mit einem sprecherrelativen Begriff verbunden ist. Im folgenden geht es um referentielle Ausdrücke, bei denen der modifizierende Ausdruck - das Attribut - mit einem sprecherrelativen Begriff verbunden ist. Dies ist bei der student hier,, der Fall, und ebenso bei die Vorlesung heute... Angenommen, (521.1 d) f = der student hier ist geritten; s ist eine syntaktische Struktur von f in S; em ist leer; e = {, < student f , ' stud' >, < hier f , ' hier' >, . . . } , wobei gilt: Ist d e t ( f , s , e , S ) ; (ii) < hiery, student^> m o d ( f , s , e , S ) ; (iii)< student f , der student hier f > n u c ( f , s , e , S ) . Angenommen, die folgende Relation rh(f) ist ein potentielles Rhema von f relativ zu f, v, s, e m , e und S: (522.15) r h ( f ) = df die Relation zwischen beliebigen V, V , , so daß: Referiert V. in V mit der student hieiy auf Xp, gibt es einen ReitVorgang x^, in den Xg involviert ist, und x- ist früher als der ist geritten^-Teil von V.

329

Relativ zu rh(f) ist der student hier^ der einzige referentielle Ausdruck, da bei der Konstruktion von rh(f) nur das Referieren mit der student hier,, eine Rolle spielt. t h ( f ) sei eine referentielle Bedeutung von der student hier, bzgl. r h ( f ) . t h ( f ) gewinnt man dann aus einer syntaktischen Zwischenbedeutung von student hier,., einer syntaktischen Grundbedeutung von der, und mit Hilfe einer geeigneten semantischen Funktion aus dem Gehalt von det[s]. Eine Zwischenbedeutung von student hier, ist das Ergebnis der Anwendung einer geeigneten Funktion aus dem semantischen Gehalt von mod[S] auf die syntaktischen Grundbedeutungen von student, und hier,.

Es sei: (i) f^ = student f , n = l, b = 'stud' und Zn = {: x-^reb1 (student f , V . V 1 . ' s t u d ' ) } , (ii)

f., = hier,, n = 4, b = 'hier' und ^ = { : x 4

e

reb 1 (student f ,V,V 1 , 'stud') und

< x 1 , x 2 , x 3 , x 4 > e reb (hier f ,V,V 1 ,'hier')}. (v)

'stud hier' = ., die Eigenschaft, eine Perzeption oder Konzeption zu sein, deren Intension {STUD HIER} als Teilmenge enthält, wobei STUD HIER = ., die intensionale Relation zwischen einem x^,x 2 ,x 3 und x 4 , so daß x 4 e 'stud' und ee'hier'.

Dann ist vertretbar: 4 (vi) < Z 2 , 'stud hier'> ist eine syntaktische Zwischenbedeutung von student hier, relativ zu f , s , e , S .

330

Aus der syntaktischen Zwischenbedeutung < Z , ' s t u d hier'> und der Grundbedeutung b von der, erh lt man durch die

Anwendung

Funktion aus dem semantischen Gehalt von det[s] eine

syntaktischen

einer geeigneten

referentielle

Bedeutung

von der student hier,.. Es sei dann th*(f) die folgende Relation: (522.16) t h * ( f ) = .f die Relation zwischen einem V~ und einem V . , f r die gilt: a. Es gibt genau ein x^,

auf das V. mit der student hier,

in V_ re-

feriert . b. F r alle x^,

auf die V, mit der student hier,,

in V,,

referiert,

gilt: Es gibt ein χ ^ , Χ ρ , Χ ο , so da

c. F r alle x , ,

ε

Z2.

auf die V, mit der student hier.;

in

V„

referiert,

gilt: V. richtet eine Geste auf x , . d. V , setzt voraus: F r alle x , ,

auf die V, mit der student hierf in

V,, referiert, gilt: Es gibt ein χ ^ , Χ ρ , Χ ο , so da < x . , ΧΡ,ΧΟ,Χ^ e 'stud hier'. Erg nzt man (b) und (d) in (522.19) durch die Corr-Bedingung (522.17) und Corr x1 V 4 V 4 und Corr Xp teil(hier,, V 3 ) V . . geht

th*(f)

in die Relation t h . ( f )

ber. Mit dieser Relation

kann

man die

existenziell-gestische Lesart von der student hier,, relativ zu r h ( f ) identifizieren. In Analogie dazu l

t sich eine Bedeutung f r die Vorlesung heute,

in f = die

Vorlesung heute war langweilig konstruieren. Ist f = der student ist geritten, r h ( f ) ein Rhema von f, student, Dann

und ist f, = der

der einzige referentielle Ausdruck in f relativ zu gegebenem

gilt:

rh(f).

Es gibt kein f„ £ f., derart, da e(fp) ein sprecherrelativer Be-

griff b ist. Unabh ngig davon kann f 1 relativ zu r h ( f ) ein indexikalisch-referentieller Ausdruck in f , s , e , S sein. Dies ist der Fall, wenn die referentielle Bedeutung

von f. relativ zu f , s , e , S mit einer existenziell-gestischen

Lesart

von f,. in f , s , e , S identisch ist. Im obigen Abschnitt wurde exemplarisch gezeigt, wie man Bedeutungen

refe-

rentieller Ausdr cke konstruieren kann, wenn der Nukleus, das Determinans oder der Modifikator mit einem sprecherrelativen Begriff verbunden ist. Im folgen-

331

den Abschnitt geht es um Ausdrücke innerhalb des Rhemas von Sätzen. Dabei werde ich mich auf solche Ausdrücke beschränken, bei denen der Nukleus oder ein Komplement mit einem sprecherrelativen Begriff verbunden ist. 5.2.3 Konstruktion indexikalischer Bedeutungen innerhalb des Rhemas von Sätzen Angenommen, (523.1) f = der student kann schwimmen^ ist eine Antwort auf die Frage nach der momentanen Tätigkeit einer bestimmten Person; s ist eine syntaktische Struktur < k , y , I > von f in S mit k: VGr(-.S)

Vpr(-.S)

V(-,i

e (kann.c) sei der fünfstellige Begriff ' können. ' , wie er in (424.17) festgelegt wurde. Es gilt dann: Ist < x . . X p . X o . x / . X c p e ' k ö n n e n . ' , befindet sich x. zur Zeit der Produktion von x,, durch x, in einem psychischen Zustand x - , in welchem er den Sachverhalt Xg bzgl. x~ für möglich hält. Damit liegt kann^ in f ein sprecherrelativer Begriff als Wortbedeutung zugrunde. e (schwimmen^.) = 'schwimmen,.', so daß gilt: Ist 'schwimmen.', dann ist x. eine Aktivität, die ein Lebewesen x- so involviert, daß sich x2 in einer Flüssigkeit fortbewegt. pO

-1-

Dann gilt: a. (i) (ii) Wenn b. (i)

2

< der student,., schwimmen^, kann f > comp ( f , s , e , S ) ; < kann,:, der student kann schwimmen fr > nuc ( f , s , e , S ) . f. = kann f , n = 5 , b = ' k ö n n e n . ' , Z

= {:

reb

(jcann f ,V,V 1 , • k ö

332 (ii)

f* = schwimmen,;., 2

=

{

reb

( schwimmen f . V, V l f ' s c h w i m m e ^ ' ) } ;

dann (iii) und sind syntaktische Grundbedeutungen für f. = kann f und f^ = schwimmen^ relativ zu f , s , e , S in (523.1). Es sei nun rh*(f) die folgende Relation: (523.2) rh*(f) = .f die Relation zwischen einem V,, und einem V . , die darin besteht, daß: Für alle x ? , referiert V. mit der student^ in V3 auf Xp, dann gibt es ein ., -, . und d derart, daß < x , , , X p , x 3 , x 4 , d > e ' k ö n n e n ' ^ reb 4 ( k a n n , , V 3 , V . , ' k ö n n e n . ' ) und x,, ist gleichzeitig mit kann^ in V,, und d = "der Sachverhalt des Schwimmens gleichzeitig mit V „ ' . Aufgrund der Definition von 'können,.' und VERMUTEN, in (424.17) und unter Vernachlässigung von ' / reb4 (kann^. , V „ , V . , 'können..')' läßt sich rh*(f) wie folgt explizieren: (523.3) rh*(f) = die Relation zwischen einem V3 und V . , die darin besteht, daß Für alle Xp, referiert V. mit der student^ in V« auf Xp» dann gibt es ein ^, ,,, . und d derart, daß x1 ist ein mentaler Zustand von x 4 und x^ ist

ein Zustand des

Für-Möglich-Haltens und

der Inhalt von x,, = < X p , x 3 , x 4 , d > und x^ ist gleichzeitig mit kann f in Vo und d = "der Sachverhalt des Schwimmens gleichzeitig mit V ' Aus der Annahme (424.18) für beliebige Relationen für r h

wie VERMUTEN,

ergibt

sich

(f):

(523.4) rh*(f) = die Relation zwischen einem V3 und V . , die darin besteht, daß Für alle x«, referiert V. mit der student^ in V- auf Xp, dann gibt es ein x 1 ,x 3 ,x 4 und d derart, daß x^ ist ein mentaler Zustand von x. und x.. ist ein Zustand des Für-Möglich-Haltens und x4 äußert x 3 und x^ besteht bei x^ und x^ ist ein Für-Möglich-Halten von ja für Xp d = 'der Sachverhalt des Schwimmens gleichzeitig mit Vq 1 und x. ist gleichzeitig mit kann f in V 3 .

333

In rh*(f) bleibt noch unberücksichtigt, daß der Sprecher V,, mit einer Äußerung V von f = der student kann schwimmen unter den genannten Voraussetzungen eine Vermutung zum Ausdruck bringt, die er selbst, der tatsächliche Sprecher V . , zur Zeit der Produktion seiner Äußerung V hat. Innerhalb von Liebs Ansatz kann man, wie weiter oben erläutert, x. und x 3 nicht einfach mit V,, und V identifizieren. Wiederum muß der Bezug auf den tatsächlichen Sprecher und seine Äußerung mit Hilfe der Relation Corr in (521.5) hergestellt werden. rh*(f) geht dann in die Definition der Relation r h . ( f ) über: (523.5) rh.(f) = ._ die Relation zwischen einem V« und einem V . , die darin besteht, daß Für alle Xp, referiert V4 mit der student f in V,, auf Xp, dann gibt es ein x.pX 3 ,x 4 und d derart, daß x,. ist ein mentaler Zustand von x 4 und x., ist ein Zustand des Für-Möglich-Haltens und x 4 äußert x~ und x,. besteht bei x- und x. ist ein Für-Möglich-Halten von d für Xp d = 'der Sachverhalt des Schwimmens gleichzeitig mit V„' und x.. ist gleichzeitig mit Jcanru in V~ und Corr X 4 V 4 V 4 und Corr x 3 V 3 V 4 . Mit dieser Relation rh,.(f) kann man das Rhema einer Bedeutung von f = der student kann schwimmen identifizieren. Unter vernünftigen Voraussetzungen ergibt sich nämlich: Bei einer entsprechenden normalen Äußerung V durch V., besteht r h . ( f ) zwischen V und V.. Daraus folgt u . a . : Bringt V,, mit f = der student kann schwimmen eine Vermutung (also eine propositionale Einstellung) bzgl. des Referenzobjekts x ? und eines Sachverhalts XE zum Ausdruck, dann gibt es ein x 3 und x 4 , so daß x4 für V.. V,, entspricht und x« für V1 seiner Äußerung V. Dies soll nun gezeigt werden. Das folgende Postulat spielte auch bei den referentiellen Ausdrücken eine Rolle: (521.9) Für alle V, V^ u, f, v, s, e m , e und S, wenn gilt: a. V ist eine normale nicht-berichtende Äußerung durch V1 von f , v , s , e m , e und u in S, b. u ist eine einfache Satzbedeutung von f bzgl. f, v, s, e m , e und S, dann gilt: c. u besteht zwischen V und V „ .

334

Ferner gilt im Rahmen der Liebschen Satzsemantik: (523.6) Für alle u, f, v, s, e m , e, S und u^, wenn gilt: a. u ist eine einfache Satzbedeutung von f bzgl. f , v , s , e m , e und S, b. u. ist das Rhema bzgl. f, v, s, e , e und S, dann gilt: c. u,, ist eine Teilrelation von u. Aus (521.9), (522.4) und (522.5) folgt für den speziellen Fall:

(523.7) Für alle V, V,^ u, f, v, s, e m , e und S, wenn gilt: a. V ist eine normale nicht-berichtende Äußerung durch V. von f , v , s , e m , e und u in S, b. u ist eine einfache Satzbedeutung von f bzgl. f , v , s , e ,e und S, c. rh,,(f) ist das Rhema bzgl. f, v, s, e m , e und S, dann gilt: d. Referiert V. mit der student^, auf x^ in V, dann bringt \ mit der Äußerung V von f = der student kann schwimmen eine propositionale Einstellung x^ bzgl. Xg und einem Sachverhalt x,- zum Ausdruck, die eine Person x. zur Zeit der Produktion von x-, durch x4 hat, wobei « \ für V., entspricht und x^ V für \ . (Der Beweis ist trivial, vgl. (522. 4 c ) ) . Das heißt, wenn f mit einer Bedeutung, die rh,.(f) enthält, normal geäußert wird, dann bringt der Sprecher V.. eine Vermutung zum Ausdruck, die ein x. hat, das für ihn \ entspricht und ein x^ produziert, das für ihn seiner Äußerung V entspricht. Damit ist gezeigt, daß man r h . ( f ) in der Tat als das Rhema einer Bedeutung von f = der student kann schwimmen ansetzen kann. Der Nukleus von f = der student kann schwimmen ist Jcann_, , also hat der Nukleus von f einen sprecherrelativen Begriff als lexikalische Bedeutung. Ist f = der student kann schwimmen in der Bedeutung von 'Der Student hat die Fähigkeit zu schwimmen', dann hat der Nukleus von f keinen sprecherrelativen Bep griff als lexikalische Bedeutung. Einen entsprechenden Begriff für können könnte man im Anschluß an die Analyse der Dispositionsbegriffe bei Lieb (1983: §§ 14. 3f) auf folgende Weise festsetzen: (523.8) 'können^' = ._. die Eigenschaft, eine Perzeption oder Konzeption zu sein, deren Gehalt {FÄHIG-SEIN-ZLl} als Teilmenge enthält, wobei FÄHIG-SEIN-ZU = ., die intensionale Relation zwischen ., , ,, mit: x,. ist ein Zustand von x ? und T ist eine Eigenschaft und

335

es ist nicht durch x. ausgeschlossen, daß es ein x. gibt, so daß gilt: x, ist ein Zustand von Xg und Xg hat x-, während x,. Das Rhema u. relativ zu f (in der angegebenen Bedeutung),v,s,e m .e und S die Relation zwischen V und \ , so daß gilt:

sei

Für alle x«, referiert V,, mit der student^ auf t.^ in V, dann gibt es und ein x,, derart, daß x^ ist ein Zustand von ^ un d x~ ist die Eigenschaft, der Ausführende einer Schwimmhandlung zu durch x. wird nicht ausgeschlossen, daß es einen Zustand x^ von in dem x? die Eigenschaft x- tatsächlich hat, und x., besteht zur Produktion von V.

x^

ein

sein, und Xg gibt, Zeit der

Die zeitliche Bestimmung 'besteht zur Zeit der Produktion von V ergibt aus der Präsensform kann f in f.

sich

Das Verhältnis von rh 1 (f) und u,, läßt sich nun folgendermaßen beschreiben: 1. Bei u,, liegt dem Nukleus kann f von f = der student kann schwimmen ein dreistelliger Fähigkeitsbegriff zugrunde. Entsprechend läßt sich das Rhema relativ zu f , v , s , e m , e und S konstruieren: Referiert V. mit der student., auf XP in V, dann wird eine Fähigkeit^ zu einer Eigenschaft x^ von Xg ausgesagt. Man sieht: Bei u., ist eine Aussage über das Referenzobjekt von vornherein möglich. Bei rh,. (f) liegt dem Nukleus kann von f ein fünfstelliger Einstellungsbegriff zugrunde. Entsprechend muß das Rhema relativ zu f , v , s , e m ,e und S konstruiert werden: Referiert V. mit der student f auf x 2 in V, dann wird ein psychischer Zustand x. von einem x. (nicht von x„!) zur Zeit der Produktion von x„ durch x. ausgesagt. Um auch bei r h . ( f ) eine Aussage über das Referenzobjekt x„ sicherzustellen, müssen bei der Definition Existenzquantoren eingeführt werden, mit denen in einem Quintupel «^, , · x 4 , x 5 > a u s dem Umfang des relationalen Begriffs 'können ' oder aus der entsprechenden Referenzbasis x^ und *2 'wegquantifiziert' werden. 2. Die Definition von rh.(f) in (523.5) wird außerdem durch die Corr-Bedingung ergänzt, die den Bezug auf den tatsächlichen Sprecher und seine Äußerung sicherstellt. Ganz analog könnte man das Rhema relativ zu f, v, s, e , e und S konstruieren, wenn f = der student kann schwimmen in der Bedeutung von 'Der Student hat von mir die Erlaubnis zu schwimmen.' geäußert wird. Der Nukleus kann.; hätte einen fünfstelligen sprecherrelativen Einstellungsbegriff als lexikalische Bedeu-

336 Q

' können,,', dann hat x. in tung. Es würde dann gelten: Ist ^ ^ . X g . X o . x ^ . X dem Zustand x1 , der zur Zeit der Produktion von x~ durch x* besteht, nichts dagegen, wenn x,- bzgl. Xp eine Tatsache ist. Bis jetzt ging es um die Bedeutung von Ausdrücken, deren Nukleus einen sprecherrelativen Begriff als Wortbedeutung hat. Im folgenden geht es um die Bedeutung eines Ausdrucks mit zwei Komplementen, von denen eines einen sprecherrelativen Begriff als lexikalische Bedeutung hat. In beiden Fällen handelt es sich um Ausdrücke, die im rhematischen Teil von Sätzen vorkommen, und gerade nicht im referentiellen Teil.

Angenommen, (522.9) f = der student ist hier eingetroffen s = < k , y , I > , wobei k durch das folgende Diagramm repräsentiert kann:

werden

VGr(-.S)

Prt(-.S)

NGr(-.S)

em und v sind leer; e = | < der^ °, b > , < studentf , 'stud'>,

}, wobei für e(ist eingetroffen,) = 'eintreffen,,· gilt: Ist ^., -, .^ nis,

e3

'eintreffen,', dann ist x. ein Ankommens-Ereig-

« ist der Ankommende, x« ist der Ort, an dem x., stattfindet.

Es kann dann angenommen werden: a. (i)

< der student^, hierf , ist eingetroffen f >

(ii) < ist eingetroffen f , f>

2 comp ( f , s , e , S ) ;

nuc(f,s,e,S)

Es sei

b. (i)

f. = ist eingetroffen^, n = 3, b = 'eintreffen^.'

337

Zn = {< x ^ X g . X g . V . V ^ : < X 1 ,x 2 ,x 3 >

e

reb

(ist eingetroffen f ,V,

V.^

'eintreffen.')}.