In der Arena der preußischen Verfassungsdebatte: Adlige Gutsbesitzer der Mark und Provinz Brandenburg 1806-1847 9783050064512, 9783050060675

How did aristocratic landowners in Brandenburg respond to plans for a constitution for the Prussian monarchy at the begi

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In der Arena der preußischen Verfassungsdebatte: Adlige Gutsbesitzer der Mark und Provinz Brandenburg 1806-1847
 9783050064512, 9783050060675

Table of contents :
Vorwort
Einleitung
a) Adlige Gutsbesitzer im Ringen um politische Bedeutung. Thema und Fragestellung der Untersuchung
b) Arena und Elitenkompromiss. Forschungsstand und Forschungskonzepte
c) Aufbau und Quellengrundlage der Untersuchung
1. Die Akteure betreten die Arena. Adlige Gutsbesitzer, Kriegsschulden und der Verlauf der Verfassungsdebatte bis 1816
1.1. Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg vor 1806
1.2. Die Arena preußische Verfassungsdebatte. Kriegsschulden, Staatsverwaltung und Repräsentation
a) Französische Kontributionsforderungen, ständisch garantierte Provinzialschulden, Domänenverpfändung und Reformpolitik
b) Staatliche Gesetzgebung, ständische Verfassungsforderungen und die Berufung der interimistischen Nationalrepräsentation
c) „Die ursprünglichen Verhältnisse … haben ihre … Kraft … bewiesen.“ Der wachsende Einfluss adliger Gutsbesitzer auf die Gesetzgebung
1.3. Zwischenergebnisse der Verfassungsdebatte 1815: Staatliche Reorganisationspläne und die politischen Erwartungen adliger Gutsbesitzer
2. Aushandeln politischer Bedeutung. Partizipationsforderungen und Hoffnungen auf einen Politikwechsel 1815 –1821
2.1. Das zwiespältige Erbe des Sieges nach 1815. Adel, Militär und Hofgesellschaft
2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818
a) Gestützt auf „Vorrechte“ gegen „Willkürlichkeiten von oben her“. Das Dilemma ständischer Partizipationsforderungen
b) „Hemmräder in der Staatsmaschine“ oder „Stütze des Throns“. Vielfalt der Stimmen zur Zukunft der Stände und der Verfassungsfrage
c) „Wiederherstellung ständischer Gerechtsame unter gewissen … Modificationen“. Eingaben ständischer Deputierter 1818
2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820. Interne Diskussionen, Eingaben und deren Zurückweisung
a) Schutz der Souveränität des Monarchen als neue Argumentationslinie. Die Neuausrichtung der preußischen Politik und der Entwurf für eine Eingabe der kurmärkischen Ritterschaft
b) Adel, Gutsbesitz und Verfassung. Befürworter und Gegner einer Grundsatzdebatte
c) Treue zur Monarchie, ständische Rechte und „Trennung in Kasten“. Die unterschiedlichen Bedeutungen von Adel um 1820
d) Auf der Suche nach einem geeigneten Programm. Taktiken der verfassungspolitischen Argumentation adliger Gutsbesitzer
e) „Auflösung unserer politischen Existenz“. Das Scheitern der ständischen Eingaben und die Aufhebung des landschaftlichen Kreditwerkes
2.4. Neuausrichtung ständischer Politik 1820 –1821. Vom Ende der alten ständischen Institutionen zum Scheitern der Verfassungspläne Hardenbergs
a) „… weil der Staat an die Stelle der Stände getreten sei.“ Vergeblicher Protest gegen die Aufhebung der Landschaft
b) „… es ist geschichtlich aus“. Reflexionen über Stände und Staat angesichts des Endes der Landschaft
c) Den „Schlußstein der Revolution“ verhindern. Neue Hoffnungen auf Provinzialstände
2.5. Adlige Gutsbesitzer und die Neuausrichtung der Verfassungspolitik 1821: Neue politische Bedeutung
3. Elitenkompromiss. Neupositionierungen adliger Gutsbesitzer im Rahmen staatlicher Ordnung nach 1821
3.1. Der Weg zu neuen Provinzialständen 1821–1824: „Manches schmeckt nach Ideen der Zeit“
3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847. Von der Konfliktaustragung zur Konfliktvermeidung
a) „Dissentierende Vota“ und Kompetenzverweigerung. Symbolische Erfolge und praktisches Scheitern ständischer Politik
b) Kompetenzverzicht. Der Übergang adliger Gutsbesitzer zur Verteidigung des politischen „status quo“
c) „Dunkel ist der politische Horizont“. Adlige Gutsbesitzer, königliche Ständepolitik und liberale Bewegung
3.3. Adel, Großgrundbesitz und Staatsbürokratie um 1847: Grundlagen für eine „bedeutungsvolle Zukunft“?
Zusammenfassung
Anhang
Tabellen
Tabelle 1: Die Anzahl der Rittergutsbesitzer(innen) in ausgewählten Kreisen der Mark Brandenburg um 1806, 1828 (1836) und 1855
Tabelle 2: „Kontribuable“ und „ritterfreie“ Hufen in der Neumark 1812
Tabelle 3: Der erste Stand auf den Provinziallandtagen der Mark Brandenburg und der Markgrafschaft Niederlausitz 1824 –1845 und dessen Vertretung auf dem Ersten Vereinigten Landtag 1847
Quellen- und Literaturverzeichnis
Abkürzungen
Ungedruckte Quellen
Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur
Personenregister

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Karsten Holste In der Arena der preußischen Verfassungsdebatte

Elitenwandel in der Moderne

Herausgegeben von Heinz Reif Band 14 Band 9 Mathias Mesenhöller Ständische Modernisierung Der kurländische Ritterschaftsadel 1760 – 1830 Band 10 Karsten Holste, Dietlind Hüchtker, Michael G. Müller (Hg.) Aufsteigen und Obenbleiben in europäischen Gesellschaften des 19. Jahrhunderts Akteure – Arenen – Aushandlungsprozesse Band 11 Dirk H. Müller Adliges Eigentumsrecht und Landesverfassung Die Auseinandersetzungen um die eigentumsrechtlichen Privilegien des Adels im 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel Brandenburgs und Pommerns Band 12 Monika Kubrova Vom guten Leben Adelige Frauen im 19. Jahrhundert

Karsten Holste

In der Arena der preußischen Verfassungsdebatte Adlige Gutsbesitzer der Mark und Provinz Brandenburg 1806 – 1847

Akademie Verlag

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius sowie des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas e. V. an der Universität Leipzig. Abbildung auf dem Einband: Herrenhaus Stülpe (Provinz Brandenburg), nach einem Aquarell v. Hartmann, ausgeführt v. Th. Albert (1860), digitalisiert durch die Zentral- und Landesbibliothek Berlin.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2013 Ein Wissenschaftsverlag der Oldenbourg Gruppe www.akademie-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlagentwurf: hauser lacour Druck: Concept Medienhaus, Berlin Bindung: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-05-006067-5 eISBN: 978-3-05-006451-2

Inhalt

Vorwort ............................................................................................................................ 5 Einleitung ......................................................................................................................... 7 a)

Adlige Gutsbesitzer im Ringen um politische Bedeutung. Thema und Fragestellung der Untersuchung ....................................................................... 7

b)

Arena und Elitenkompromiss. Forschungsstand und Forschungskonzepte .... 12

c)

Aufbau und Quellengrundlage der Untersuchung .......................................... 27

1. Die Akteure betreten die Arena. Adlige Gutsbesitzer, Kriegsschulden und der Verlauf der Verfassungsdebatte bis 1816 ................................................................. 31 1.1. Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg vor 1806 .......................................................................................................... 31 1.2. Die Arena preußische Verfassungsdebatte. Kriegsschulden, Staatsverwaltung und Repräsentation ............................................................. 51 a) Französische Kontributionsforderungen, ständisch garantierte Provinzialschulden, Domänenverpfändung und Reformpolitik ................ 51 b) Staatliche Gesetzgebung, ständische Verfassungsforderungen und die Berufung der interimistischen Nationalrepräsentation .............................. 65 c) „Die ursprünglichen Verhältnisse … haben ihre … Kraft … bewiesen.“ Der wachsende Einfluss adliger Gutsbesitzer auf die Gesetzgebung ........ 80 1.3. Zwischenergebnisse der Verfassungsdebatte 1815: Staatliche Reorganisationspläne und die politischen Erwartungen adliger Gutsbesitzer..................................................................................................... 87

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Inhalt

2. Aushandeln politischer Bedeutung. Partizipationsforderungen und Hoffnungen auf einen Politikwechsel 1815 –1821 ........................................................................ 95 2.1. Das zwiespältige Erbe des Sieges nach 1815. Adel, Militär und Hofgesellschaft................................................................................................ 95 2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818 ................................... 102 a) Gestützt auf „Vorrechte“ gegen „Willkürlichkeiten von oben her“. Das Dilemma ständischer Partizipationsforderungen .............................. 102 b) „Hemmräder in der Staatsmaschine“ oder „Stütze des Throns“. Vielfalt der Stimmen zur Zukunft der Stände und der Verfassungsfrage ..................................................................................... 109 c) „Wiederherstellung ständischer Gerechtsame unter gewissen … Modificationen“. Eingaben ständischer Deputierter 1818 ....................... 123 2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820. Interne Diskussionen, Eingaben und deren Zurückweisung ............................................................................. 131 a) Schutz der Souveränität des Monarchen als neue Argumentationslinie. Die Neuausrichtung der preußischen Politik und der Entwurf für eine Eingabe der kurmärkischen Ritterschaft .................................................. 131 b) Adel, Gutsbesitz und Verfassung. Befürworter und Gegner einer Grundsatzdebatte ..................................................................................... 137 c) Treue zur Monarchie, ständische Rechte und „Trennung in Kasten“. Die unterschiedlichen Bedeutungen von Adel um 1820 ......................... 148 d) Auf der Suche nach einem geeigneten Programm. Taktiken der verfassungspolitischen Argumentation adliger Gutsbesitzer. .................. 153 e) „Auflösung unserer politischen Existenz“. Das Scheitern der ständischen Eingaben und die Aufhebung des landschaftlichen Kreditwerkes ............................................................................................ 160 2.4. Neuausrichtung ständischer Politik 1820 –1821. Vom Ende der alten ständischen Institutionen zum Scheitern der Verfassungspläne Hardenbergs .................................................................................................. 165 a) „… weil der Staat an die Stelle der Stände getreten sei.“ Vergeblicher Protest gegen die Aufhebung der Landschaft .......................................... 165 b) „… es ist geschichtlich aus“. Reflexionen über Stände und Staat angesichts des Endes der Landschaft ....................................................... 174 c) Den „Schlußstein der Revolution“ verhindern. Neue Hoffnungen auf Provinzialstände....................................................................................... 182 2.5. Adlige Gutsbesitzer und die Neuausrichtung der Verfassungspolitik 1821: Neue politische Bedeutung ........................................................................... 194

Inhalt

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3. Elitenkompromiss. Neupositionierungen adliger Gutsbesitzer im Rahmen staatlicher Ordnung nach 1821 ............................................................................... 203 3.1. Der Weg zu neuen Provinzialständen 1821–1824: „Manches schmeckt nach Ideen der Zeit“. ..................................................................................... 203 3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847. Von der Konfliktaustragung zur Konfliktvermeidung ................................................ 218 a) „Dissentierende Vota“ und Kompetenzverweigerung. Symbolische Erfolge und praktisches Scheitern ständischer Politik............................. 218 b) Kompetenzverzicht. Der Übergang adliger Gutsbesitzer zur Verteidigung des politischen „status quo“............................................... 237 c) „Dunkel ist der politische Horizont“. Adlige Gutsbesitzer, königliche Ständepolitik und liberale Bewegung ...................................................... 257 3.3. Adel, Großgrundbesitz und Staatsbürokratie um 1847: Grundlagen für eine „bedeutungsvolle Zukunft“? ................................................................. 269 Zusammenfassung ........................................................................................................ 277 Anhang ......................................................................................................................... 289 Tabellen .................................................................................................................. 289 Tabelle 1: Die Anzahl der Rittergutsbesitzer(innen) in ausgewählten Kreisen der Mark Brandenburg um 1806, 1828 (1836) und 1855........... 289 Tabelle 2: „Kontribuable“ und „ritterfreie“ Hufen in der Neumark 1812 .... 290 Tabelle 3: Der erste Stand auf den Provinziallandtagen der Mark Brandenburg und der Markgrafschaft Niederlausitz 1824 –1845 und dessen Vertretung auf dem Ersten Vereinigten Landtag 1847 ................ 291 Quellen- und Literaturverzeichnis .......................................................................... 295 Abkürzungen ................................................................................................. 295 Ungedruckte Quellen .................................................................................... 295 Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur ................................................. 296 Personenregister...................................................................................................... 321

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2010 an der Philosophischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Dissertation angenommen. Der Text wurde für die Drucklegung leicht überarbeitet. Michael G. Müller bin ich für die intensive Betreuung, für die Vielzahl seiner Anregungen und Ratschläge sowie für die Nachsicht angesichts der immer wieder neu auftauchenden Probleme zu großem Dank verpflichtet. Ohne die ermutigenden, fördernden und zu intellektuellen Experimenten herausfordernden Diskussionen mit ihm über eine Vielzahl von Themen und Forschungsansätzen wäre die Entstehung dieser Arbeit undenkbar. Für die Mühen der Zweitbegutachtung und für Hinweise zur Überarbeitung danke ich Manfred Hettling. Danken möchte ich außerdem für die Unterstützung der Dissertation durch die Landesgraduiertenförderung Sachsen-Anhalt, durch die Zeit-Stiftung im Rahmen des Stipendienprogrammes „Deutschland und seine östlichen Nachbarn“ sowie durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des von Michael G. Müller geleiteten Forschungsprojektes „Von Ständegesellschaften zu Nationalgesellschaften. Elitenwandel und gesellschaftliche Modernisierung in Ostmitteleuropa (1750 –1914)“ am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas (GWZO) in Leipzig. Der engen Zusammenarbeit aller Beteiligten an diesem Projekt, den intensiven Diskussionen über Konzepte und Methoden, besonders mit Dietlind Hüchtker, Mathias Mesenhöller und Dirk H. Müller, aber auch dem Ideenaustausch mit anderen Projekten sowie Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftlern am GWZO hat die Untersuchung viel zu verdanken. Für den mir in vielen und langen Diskussionen gewährten Blick von außen auf meine Arbeit, der dazu anregte, meine Argumentation zu überdenken und konziser zu fassen, danke ich Georg Neugebauer. Der Zeit-Stiftung und dem GWZO bin ich auch zu Dank für die Finanzierung der Drucklegung der Arbeit verpflichtet. Für die Aufnahme der Arbeit in die von ihm herausgegebene Reihe „Elitenwandel in der Moderne“ sowie für Ratschläge zur Überarbeitung danke ich Heinz Reif. Schließlich möchte ich all jenen danken, die mich bei der Fertigstellung des Manuskriptes auf vielfältige Weise unterstützt haben: Dietlind Hüchtker, Georg Neugebauer und Oliver Heilemann, besonders aber meinen Eltern Ingrid und Carl Holste.

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Vorwort

Vor allem aber danke ich meiner Frau Doris Bulach, deren Geduld mit meinen Doktorandenproblemen ebenso wie ihre Ratschläge, Anregungen und Korrekturarbeit am Manuskript die Fertigstellung der Arbeit überhaupt erst möglich gemacht hat. Halle im März 2013

Einleitung

a) Adlige Gutsbesitzer im Ringen um politische Bedeutung. Thema und Fragestellung der Untersuchung Im November 1819 richteten mehrere in der Mark Brandenburg begüterte Adlige an den preußischen König eine Immediateingabe. Im Namen der Kreisstände von Zauche und Westhavelland erhoben sie darin grundsätzliche Bedenken gegen den geplanten Erlass einer nach süddeutschen Vorbildern gestalteten Verfassung und gegen die Einrichtung entsprechender Repräsentationsinstitutionen. Statt eine neue Verfassung für die Preußische Monarchie zu erlassen, so die Eingabe, solle die ständische Verfassung der einzelnen Provinzen wiederhergestellt werden. Ende Dezember erfolgte eine an den erstunterzeichnenden Gutsbesitzer „und Consorten“ adressierte Antwort des Königs, mit der die Bedenken und Forderungen in schroffer Form als überflüssig zurückgewiesen wurden.1 Hans von Rochow, einer der Initiatoren der Eingabe, stellte nach Erhalt dieser Antwort im Januar 1820 ernüchtert fest: „Deutlicher und herzzerreißender ist die gänzliche Auflösung unserer politischen Existenz noch nicht ausgesprochen worden als in der Kabinettsordre vom 28ten v.M., und selbst den äußeren Schein noch länger zu wahren hält man in diesem Augenblick für überflüssig. Wohl uns, daß wir die kurze Frist, welche uns noch vergönnt war, dazu benutzt haben: es vor unseren Nachkommen zu documentieren, daß wir unsere angestammten, durch heiligste Eide von unseren Landesherrn bestätigten Vorrechte nicht muthwillig vergeudet haben, sondern den Gesinnungen unserer Vorfahren getreu geblieben sind.“2 Angesichts der nach der Niederlage gegen das napoleonische Frankreich 1807 in der Preußischen Monarchie durchgesetzten Reformen von Militär-, Verwaltungs- und Wirtschaftsverfassung schien Rochow nach der scharfen Zurückweisung der Eingabe –––––––––– 1 2

Die Details bei: MÜSEBECK, Ritterschaft. Vgl. auch Kapitel 2.3 dieser Arbeit. H. v. Rochow an G. v. Rochow, 12.1.1820, in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 124f., Unterstreichung im Original.

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Einleitung

nicht nur der Erlass einer repräsentativen Staatsverfassung unabwendbar. Vielmehr zeigte er sich auch erschüttert darüber, dass die im Namen der Kreisstände eingereichte Eingabe nur als Meinungsäußerung von Einzelpersonen behandelt wurde. Der Annahme, dass die gemeinsam mit den benachbarten, vor allem adligen Gutsbesitzern geäußerten Ansichten vonseiten des Königs und der politischen Entscheidungsträger besondere Berücksichtigung erfahren würden, war damit die Grundlage entzogen. Bedeutung glaubte Rochow der eigenen Position daher nur noch durch Hinweis auf ihre geschichtliche Überlieferung beilegen zu können. Die Einrichtung konstitutioneller politischer Partizipationsformen, die Rochow 1820 unausweichlich schien, erfolgte in der Preußischen Monarchie allerdings erst 1848. Stattdessen wurden Mitte der 1820er Jahre in Anlehnung an ältere Versammlungen der Stände, deren politische Existenz Rochow vernichtet glaubte, Provinziallandtage und Kreistage eingerichtet. In diesen dominierten – zumindest in der Provinz Brandenburg und anderen östlichen Provinzen – die Vertreter adliger Gutsbesitzer und sie blieben mit kurzer Unterbrechung infolge der 1848er Revolution bis 1875 in Tätigkeit. Bis 1848 wurde zudem die Rechtsprechung auf dem Lande in erster Instanz im Namen der Gutsbesitzer durch Richter ausgeübt, auf deren Anstellung ihnen Einfluss gewährt wurde, und bis 1872 war mit dem Besitz bestimmter Güter die Aufsicht über die Verwaltung der administrativ zu den Gütern zählenden Landgemeinden verbunden. Auch im späteren 19. und beginnenden 20. Jahrhundert standen adlige Gutsbesitzer aus der Mark Brandenburg, so wie die anderer alter preußischer Provinzen, in enger Beziehung zum Monarchen, galten als wesentliche Stütze des autoritären Staates und konnten darauf zählen, dass ihnen zumindest informell Vorrechte eingeräumt wurden.3 Die herausgehobene Position adliger Gutsbesitzer wurde nicht zuletzt mit der historischen Stellung des Adels legitimiert, in deren Dokumentierung Hans von Rochow 1819 nur noch die letzte Sinngebung politischen Auftretens zu erkennen glaubte. Dass es Adligen – scheinbar im Widerspruch zu den Befürchtungen Rochows – im 19. Jahrhundert gelang, sich in gesellschaftlichen Spitzenpositionen zu behaupten, wurde in der historischen Forschung häufig als Zeichen nur partieller und defensiver Modernisierung Preußens gewertet.4 Besonders dem niederen und nicht allzu wohlhabenden Adel der östlichen Provinzen, dem sogenannten Junkertum, wurde als Transporteur vormoderner Herrschaftsvorstellungen ein verhängnisvoller Einfluss auf die politische Entwicklung bis 1918 und darüber hinaus zugeschrieben. Im Mittelpunkt dieser Argumentation steht die Einschätzung, dass die Elitenstellung adliger Gutsbesitzer in –––––––––– 3

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WIENFORT, Adel, S. 22–26 und S. 46; REIF, Einleitung, S. 7f.; WEHLER, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 805 – 825 und S. 843 – 847; CARSTEN, Geschichte, S. 192–194. Vgl. z. B. ROSENBERG, Pseudodemokratisierung; SCHISSLER, Junker; WEHLER, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 805 – 825 und S. 1250 –1295. Zur Entstehung des spezifischen Bildes preußischer Adliger: REIF, Junker.

Thema und Fragestellung

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der ländlichen Gesellschaft der östlichen Provinzen Preußens darauf zurückzuführen sei, dass trotz massiven ökonomischen und sozialen Wandels eine staatliche Neuordnung der politischen Verhältnisse auf dem Lande ausblieb und vormoderne Herrschaftsstrukturen fortbestanden. Die Grundannahmen dieser Einschätzung stehen allerdings ebenso wie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen seit Jahrzehnten in der Kritik.5 Mit Blick auf die Reorganisation der Verwaltung sowie die Wirtschaftsgesetzgebung der Reformzeit lässt sich konstatieren, dass sich trotz des Ausbleibens einer Verfassungsreform bereits vor 1848 nicht nur die sozialen und ökonomischen, sondern auch die politischen Verhältnisse veränderten.6 Die fortbestehenden Sonderrechte erleichterten dem Güter besitzenden Adel zwar den Übergang zu neuen Wirtschaftsformen und unterstützten symbolisch die Aufrechterhaltung bestehender Herrschaftsverhältnisse, doch aufgrund wachsender staatlicher Reglungsdichte und ökonomischer Zwänge verloren diese Rechte als unmittelbares Herrschaftsinstrument bereits vor ihrer formellen Aufhebung an Bedeutung.7 Forschungen zur Entwicklung ländlicher Sozial- und Wirtschaftsverhältnisse außerhalb Preußens zeigen zudem, dass auch unter konstitutionellen Verhältnissen und staatlicher Kommunalverwaltung die Einbindung der ländlichen Gesellschaft in staatliche Ordnungen nur langsam voranschritt.8 Grundsätzlich hat die neuere, maßgeblich von Heinz Reif angeregte Forschung zum „Obenbleiben“ des Adels verdeutlicht, dass der gesellschaftliche Wandel überall im Europa des 19. Jahrhunderts von Elitenkompromissen unter Einbeziehung des Adels geprägt war.9 Die Annäherung adliger und nichtadliger Eliten führte in Preußen zwar –––––––––– 5

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BLACKBOURN/ELEY, Mythen, Vgl. die überarb. engl. Ausg.: DIES., Peculiarities. Zur Problematik einer Erklärung der deutschen politischen Entwicklung durch Verweis auf die Stärke adliger Gutsbesitzer: SCHISSLER, Agrargesellschaft, S. 194f.; LIEVEN, Abschied, S. 329‒332. Darstellung der Forschungsgeschichte und kritische Diskussion: JONES/RETALLACK, Conservatism; SCHULZ, Lebenswelt, S. 57f.; BERGER, Prussia; GREBING, „Sonderweg“, S. 11‒22. VOGEL, Einleitung, S. 12–14. Zum Ausmaß des durch die Reformen eingeleiteten ökonomischen und sozialen Wandels: SCHISSLER, Agrargesellschaft, S. 145‒201; VOGEL, Reformpolitik; DIES., Hardenberg; HARNISCH, Agrarreform; MOOSER, Agrarreformen. KOSELLECK, Preußen, S. 507–557; WIENFORT, Patrimonialgerichte, S. 118 –134, S. 164 –183 und S. 355 –361; U. MÜLLER, Chausseebaupolitik, S. 207f.; WAGNER, Bauern, S. 111–289. Überblick über die neuere Forschung in: DÖRNER/FRANZ/MAYR (Hg.), Gesellschaften; DÖRNER, Staat; RAPHAEL, Staat. Zur schrittweisen Umsetzung staatlicher Reformpläne in Süddeutschland: TREICHEL, Restaurationssystem. REIF, Westfälischer Adel; DERS., Adel. Überblick über neuere Forschungen bieten: REIF (Hg.), Adel und Bürgertum; CONZE/WIENFORT (Hg.), Adel; SCHULZ/DENZEL (Hg.), Adel; WIENFORT, Adel; DIES., Adelsforschung; ASCH/SCHLÖGL (Hg.), Adel; TACKE, „Kurzschluss“. Zu Brandenburg besonders: SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz.

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Einleitung

nicht zur Entstehung einer gemischten, auf gemeinsamen Wertvorstellungen basierenden Elite, sondern Vorstellungen adliger Sonderstellung blieben erhalten,10 aber auch dies war nicht unbedingt eine preußische Besonderheit. Untersuchungen zur sozialen und kulturellen Distanz zwischen Adel und Nichtadel in der polnischen und englischen Gesellschaft im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert weisen darauf hin, dass diese weit weniger stark abnahm, als lange angenommen.11 Dessen ungeachtet bleibt der zuletzt von Stephan Malinowski herausgearbeitete Befund bestehen, dass preußische Adlige im Kaiserreich und noch in der Weimarer Republik radikal antiliberale und antidemokratische Positionen vertraten und einen keineswegs zu vernachlässigenden politischen Einfluss ausübten.12 Dass dies sowohl in der Selbst- als auch in der Fremdwahrnehmung mit dem Verweis auf die lange Geschichte ihrer Funktion als Stützen des autoritären preußischen Staates begründet wurde, beweist aber keineswegs die tatsächliche Existenz einer bis ins 18. Jahrhundert zurückreichenden Kontinuität adliger Politik und auch nicht, dass adlige Politiker um 1900 eine genuin „adlige“ Politik vertraten. So widerspricht William Hagen ausgehend von seiner Untersuchung zur Gutsherrschaft im frühneuzeitlichen Brandenburg einer Ableitung der von preußischen Adligen um 1900 vertretenen politischen Positionen aus dem Überdauern vormoderner Herrschaftsstrukturen.13 Dem entsprechen die Ergebnisse der Untersuchungen von Geoff Eley zur Politik der konservativen Parteien, zur Formierung des Bundes der Landwirte und zum Anwachsen des Militarismus im Kaiserreich – Entwicklungen, die sich weniger auf das Überdauern vormoderner Herrschaftsstrukturen als vielmehr auf neue Konfliktkonstellationen und eine zunehmende Politisierung der Landbevölkerung zurückführen lassen.14 Ein Großteil „adliger Traditionen“ – so lässt sich festhalten – entstand offenbar erst in Reaktion auf die Herausforderungen des 19. Jahrhunderts.15 Vor diesem Hintergrund kann der resignative Verweis Rochows darauf, für die „Nachkommen“ die eigenen Gesinnungen „documentieren“ zu wollen, auch als Schritt –––––––––– 10 11

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REIF, Einleitung, S. 11‒17. M. G. MÜLLER, Neo-Sarmatismus; DERS., Landbürger; NEUMANN, Adel. Zu den Grenzen der adligbürgerlichen Elitenbildung in Frankreich vgl. HAUPT, Adel. MALINOWSKI, König. HAGEN, Prussians, S 653. ELEY, Reshaping; DERS., Anti-Semitism; DERS., Unification. Vgl. STEGMANN, Neokonservatismus; RUETZ, Konservatismus; WAGNER, Bauern, S. 422‒427. ELEY, Reshaping, S. 353, konstatiert: „the Junker backwoodsman may have thought that he was defending the ‘status quo’, but his seigniorial and patriarchal ideals were already in the process of disappearance, while his anti-capitalist longings might well be contradicted by his own economic practice as a farmer. In this sense a „tradition” is only as old as the practices and relation which embody and transform its meaning“.

Thema und Fragestellung

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zur Überwindung des seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert erlittenen Bedeutungsverlustes adliger Gutsbesitzer verstanden werden: als Anzeichen einer Neupositionierung unter Berufung auf eine besondere politische Tradition des Adels im Rahmen staatlicher Ordnung. Konzepte von staatlich-nationaler Ordnung dominierten seit Beginn der preußischen Reformzeit den politischen Diskurs und entzogen dem Anspruch adliger Gutsbesitzer, als Stände eine von staatlichen Institutionen unabhängige Position einzunehmen, mehr und mehr die Grundlage. Gleichzeitig eröffnete die Entstehung der historischen Metaerzählungen von Staats- und Nationsbildung allen Akteuren neue Möglichkeiten politischer Selbstverortung.16 Denn durch Selbstzuschreibung spezifischer historischer Rollen, etwa als Vertreter der Nation oder Stützen des Staates, und damit einhergehender Traditionsbildung konnten sie in neuer Form Bedeutung generieren und politische Deutungshoheit beanspruchen. Die Unsicherheit der eigenen Situation, die adlige Gutsbesitzer wie Hans von Rochow angesichts der Veränderung des politischen Diskurses in der preußischen Reformzeit empfanden, ihre Suche nach neuen Legitimationsstrategien für ihren Anspruch auf Bedeutung und schließlich ihre politische Neupositionierung im Rahmen staatlicher Ordnung sind das Thema dieser Studie. Im Zentrum der Untersuchung stehen die folgenden Fragen: In welchem Ausmaß änderten sich die Bedingungen für das politische Agieren Güter besitzender Adliger in der preußischen Reformzeit und in welcher Form wurde der Wandel von den betroffenen Adligen wahrgenommen? Wie reagierten Akteure, die als Vertreter der adligen Gutsbesitzer auftraten, auf Veränderungen des politischen Diskurses und inwieweit gelang es ihnen, auf diese Einfluss zu nehmen? Unter welchen Bedingungen entwickelte sich die historische Legitimationserzählung, die den Anspruch des Adels im östlichen Preußen auf Bedeutung und Einflussmöglichkeiten mit seiner Rolle bei der Durchsetzung und Sicherung autoritärer staatlicher Ordnung begründete? Wann und in welchem Ausmaß wurde diese Form der Legitimation zum Kernelement adliger Traditionsbildung und inwieweit lassen sich alternative Ansätze zur Legitimierung eigener Ansprüche nachweisen? Diesen Fragen wird anhand der Entwicklung der politischen Argumentation von Adligen nachgegangen, die in der Mark Brandenburg Güter besaßen und sich zwischen dem Beginn der preußischen Reformzeit 1807 und dem Ausbruch der Revolution 1848 als Ständevertreter an der preußischen Verfassungsdebatte beteiligten. Die Verfassungsdebatte wird dabei als wichtiger Bestandteil der Auseinandersetzungen um die Durchsetzung staatlicher Ordnung in der preußischen Monarchie begriffen. Unter „Mark Brandenburg“ wird dabei das im 16. Jahrhundert gebildete, im 17. Jahrhundert als „Chur und Mark Brandenburg“ und im 18. Jahrhundert als „Chur-

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Zur Funktion von historischen Großerzählungen allgemein: THIJS, „master narrative“.

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Einleitung

und Neumark“ bezeichnete Herrschaftsgebiet verstanden.17 Für die Zeit nach der provinzialständischen Gesetzgebung von 1823 werden auch die Positionen der an den Provinziallandtagen der Mark Brandenburg und des Markgrafenthums Niederlausitz teilnehmenden Adligen in die Untersuchung einbezogen, die in der Niederlausitz und anderen bis 1815 zum Königreich Sachsen, dann zur preußischen Provinz Brandenburg gehörenden Gebieten begütert waren. Durch die Analyse des Wandels der politischen Argumentation sollen die Bedingungen aufgezeigt werden, unter denen ein Großteil der politisch aktiven adligen Gutsbesitzer des Untersuchungsgebietes dazu überging, sich unter Berufung auf politische Traditionen als Stützen einer bürokratischen Staatsordnung zu positionieren. Ziel ist es, an diesem Beispiel die Wechselwirkungen zu verdeutlichen, die sich im Rahmen der Verfassungsdebatte zwischen Prozessen politischer Entscheidungsfindung, dem Ringen von Akteuren um Bedeutung und politischer Traditionsbildung ergaben. Grundlage dieser Arbeit bilden neuere Ansätze der historischen Forschung zur Staatsbildung und die Forschungsdiskussionen in Anschluss an und Auseinandersetzung mit Reinhart Kosellecks Interpretation der politischen Entwicklung Preußens während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im folgenden Abschnitt der Einleitung werden diese und die in der Arbeit verwendeten Forschungskonzepte „Arena“ und „Elitenkompromiss“ vorgestellt.

b) Arena und Elitenkompromiss. Forschungsstand und Forschungskonzepte In den letzten zwanzig Jahren ist die Vorstellung von einer gemeinsamen Entwicklung zu „der Moderne“ dem Befund gewichen, dass „vielfältige Modernen“ entstanden sind und entstehen.18 Je mehr die Entstehung dieser Formenvielfalt zum Gegenstand historischer Forschung wird, verlieren Analysen der gesellschaftlichen Entwicklung des 19. Jahrhunderts, die diese als langfristigen Übergang zu einer modernen Gesellschafts–––––––––– 17

18

Zur Neumark zählten seit 1535 neben den älteren neumärkischen Kreisen auch die zu diesem Zeitpunkt „inkorporierten Kreise“, hervorgegangen aus dem Land Sternberg, der Herrschaft Crossen mit Züllichau und der Herrschaft Cottbus-Peitz. Zu dem seit dem 16. Jahrhundert weitgehend getrennt von der Neumark verwalteten und seit dem späteren 17. Jahrhundert als Kurmark bezeichneten westlichen Teil der Mark Brandenburg gehörten Alt-, Mittel- und Uckermark, Prignitz, die Herrschaft Ruppin, das Land Lebus sowie die im 16. Jahrhundert erworbenen, zuvor zur Niederlausitz zählenden Herrschaften Beeskow und Storkow, vgl. SCHULTZE, Brandenburg, Bd. 5, S. 9f. EISENSTADT, Modernities; DERS., Vielfalt. Vgl. MERGEL, Geht es weiterhin voran?, S. 225. Zur Debatte um die Moderne in den Sozialwissenschaften: SCHWINN (Hg.), Vielfalt.

Forschungsstand und Forschungskonzepte

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struktur interpretieren, an Plausibilität.19 Dies kann – Überlegungen von Paul Nolte sowie von Ewald Frie aufgreifend20 – als Anregung dazu verstanden werden, auch mit Blick auf die Adelsgeschichte die Offenheit und die historische Bedingtheit gesellschaftlichen Wandels in das Zentrum historischer Interpretationen zu rücken, statt den Blick auf „den Weg in die Moderne“ zu richten und „Defizite der Modernisierung“ oder „vormoderne Überhänge“ aufzuzeigen. Der Übergang zu neuen Formen politischer Entscheidungsfindung und sozialer Hierarchie zwischen dem ausgehenden 18. und der Mitte des 19. Jahrhunderts wird daher in dieser Untersuchung nicht unter Rückgriff auf das Metanarrativ einer Entwicklung zur Moderne analysiert. Vielmehr ist dessen Aufkommen und Durchsetzung selbst Gegenstand der Untersuchung und es wird nach seiner Deutung und Verwendung durch verschiedene historische Akteure gefragt. Zeitgenössische Verweise auf die historische Notwendigkeit gesellschaftlicher Entwicklung und Zuschreibungen von Funktionen in dieser Entwicklung zu bestimmten Akteuren werden so als Teil von argumentativen Strategien zur Legitimation von Ansprüchen auf eine herausgehobene gesellschaftliche Stellung analysierbar.21 Im Fokus dieser Untersuchung steht der Ende des 18. Jahrhunderts einsetzende Aufstieg des „Staates“ zu einem grundlegenden Konzept politischer Ordnung, der mit der im selben Zeitraum erfolgenden Konstruktion von „Nationalität“ eng verbunden ist.22 Die Durchsetzung moderner, staatlich und national legitimierter Ordnung ging mit dem Aufstieg der historischen Großerzählungen fortschreitender Ausdifferenzierung und Rationalisierung bei gleichzeitiger Ausweitung von Partizipationsmöglichkeiten einher und erfolgte damit analog zur von Jean-François Lyotard erörterten Legitimation des modernen Wissens.23 Die ausdifferenzierten und rationalisierten Formen politischer Entscheidungsfindung im modernen Staat verbürgen dabei, wie Max Weber konstatiert, für sich genommen keineswegs eine höhere Rationalität der Entscheidungen selbst.24 Dies und die von Michael Herzfeld aufgezeigten Verbindungen zwischen der sich auf Rationalität berufenden Ordnung „moderner“ Gesellschaften und den symbolischen Ordnungen „traditionaler“ Gesellschaften regt dazu an, die Durchsetzung von Konzep–––––––––– 19 20 21 22

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Vgl. NOLTE, Abschied. NOLTE, Paradigma, S. 214 –216; DERS., Abschied; FRIE, Adelsgeschichte. Vgl. M. G. MÜLLER, Historisierung; CHAKRABARTY, Provincializing, S 27– 46. Zur Konstruktion von „Staat“: REINHARD, Geschichte, S. 15 –18. Zur Vergleichbarkeit politischer und kultureller Nationsbildung: DIECKHOFF, Wisdom. Zur Metalegitimation modernen Wissens: LYOTARD, Wissen. WEBER, Kategorien, S. 473: „Der Fortschritt der gesellschaftlichen Differenzierung und Rationalisierung bedeutet also, wenn auch nicht absolut immer, so im Resultat durchaus normalerweise, ein im ganzen immer weiteres Distanzieren der durch die rationalen Techniken und Ordnungen praktisch Betroffenen von deren rationaler Basis, die ihnen, im ganzen, verborgener zu sein pflegt wie dem »Wilden« der Sinn der magischen Prozeduren seines Zauberers.“

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ten nationalstaatlicher Ordnung jenseits einer betonten Trennung von Moderne und Vormoderne zu analysieren.25 Die äußerliche Grundlage von staatlicher Ordnung, Verwaltungsbehörden, die formal eine zentralisierte Herrschaftsausübung ermöglichten, hatten sich in weiten Teilen Europas bereits bis zum beginnenden 18. Jahrhundert etabliert.26 Die neuere Forschung zu Herrschaftsverhältnissen in der Frühen Neuzeit hat jedoch verdeutlicht, dass diese zentralen Verwaltungsinstitutionen zunächst in die bestehenden Gesellschaftsstrukturen eingebettet blieben.27 Zur zentralen Grundlage politischer Ordnung entwickelte sich „Staat“ erst, als in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Anspruch erhoben wurde, die gesamte Gesellschaft durch ihre Beziehung zum Staat zu erfassen, und Maßnahmen zur Durchsetzung dieses Anspruches erfolgten.28 Die Legitimation dafür lieferte die Bestimmung des Staatszweckes im Naturrecht und der Moralphilosophie der europäischen Aufklärung als Friedenswahrung, Förderung des Allgemeinwohls und schließlich als Schutz individueller Freiheitsrechte.29 Die institutionelle Umsetzung dieses Konzeptes von Staat erfolgte, wie Wolfgang Reinhard konstatiert, erst im 19. Jahrhundert und gestützt auf die „Fiktion der Identität von Staat und Bürger“. Verbunden war dieser Prozess mit einer Einbindung immer breiterer Bevölkerungsschichten in die Ausübung der Staatsgewalt, durch Gewährung von Partizipationsrechten im Rahmen von Staatsverfassungen sowie durch Verbindung staatlicher Herrschaftsordnung mit der Idee der Nation, die im Nationalstaat ihre politische Verwirklichung fand.30 Markus Meumann und Ralf Pröve haben angesichts der engen Verbindung des Staatsbegriffs mit Konzepten institutioneller Herrschaftsausübung des 19. Jahrhunderts angeregt, bei der Analyse von Herrschaftsverhältnissen des 18. Jahrhunderts weitgehend auf den Begriff „Staat“ zu verzichten und sie stattdessen als „kommunikativen Prozess“ zu untersuchen.31 Kommunikative Prozesse, Wechselwirkungen zwischen den Erwartungen unterschiedlicher Akteure an Herrschaft und deren Ausübung, lassen sich, wie neuere Untersuchungen zeigen, aber auch als Hintergrund der Herausbildung –––––––––– 25 26 27

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HERZFELD, Production. REINHARD, Geschichte, S. 211–304. Zum Überblick über die Forschungsdebatte: ASCH/DUCHHARDT (Hg.), Absolutismus; ASCH/FREIST (Hg.), Staatsbildung; BAUMGART, Absolutismus; DUCHHARDT, Zeitalter, S. 159 –165; DERS., Absolutismusdebatte; NEUGEBAUER-WÖLK, Absolutismus; SCHILLING (Hg.), Absolutismus; SCHLUMBOHM, Gesetze; PRICE, Versailles; SIEG, Staatsdienst. MEUMANN/PRÖVE, Faszination, S. 16 –23. Zur Entwicklung der Grundlagen des modernen Staatsbegriffes im Naturrecht und der Moralphilosophie der europäischen Aufklärung: KLIPPEL (Hg.), Naturrecht; DANN/KLIPPEL (Hg.), Naturrecht; HELLMUTH, Naturrechtphilosophie; LINK, Naturrecht; DERS., Absolutismus; KLIPPEL, Freiheit. REINHARD, Geschichte, S. 406 – 478, Zitat S. 406. MEUMANN/PRÖVE, Faszination, besonders S. 35.

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institutioneller Herrschaftsformen in der Frühen Neuzeit beschreiben, wenn für diese der Staatsbegriff beibehalten wird.32 Die Kritik von Ronald G. Asch an den Überlegungen von Meumann und Pröve, dass mit ihren Argumenten auch die Verwendung des Staatsbegriffs für die Gegenwart in Frage gestellt werden könnte,33 kann daher – auch wenn sie auf den Aufstieg des Staatskonzeptes zu einer zentralen Legitimationsgrundlage politischer Herrschaft nicht eingeht – als Anregung verstanden werden, die Durchsetzung staatlicher Ordnung im 19. Jahrhundert ebenso wie die Entstehung staatlicher Institutionen im 17. Jahrhundert in Hinblick auf die zu Grunde liegenden Interaktionen verschiedener Akteure zu untersuchen. Davon ausgehend werden die Auseinandersetzungen um die Staats- und Nationsbildung in Preußen in der vorliegenden Studie nicht vor dem Hintergrund eines vorausgesetzten Übergangs von vormoderner zu moderner gesellschaftlicher Ordnung thematisiert. Vielmehr soll verdeutlicht werden, mit welchen Zielen und in welcher Form einzelne Akteure auf die später zu einer Metaerzählung der Moderne gewordene Vorstellung von der historisch notwendigen Durchsetzung staatlicher Neuordnung der Gesellschaft zurückgriffen, diese als Argument in politischen Debatten nutzten und damit zugleich veränderten. Konkret wird nach den Argumentationsstrategien gefragt, die adlige Gutsbesitzer Brandenburgs in den politischen Auseinandersetzungen während der preußischen Reformzeit entwickelten, um ihren Anspruch auf eine herausgehobene gesellschaftliche Stellung und auf Bedeutung im politischen Diskurs in Auseinandersetzung mit dem Konzept staatlicher Ordnung neu zu legitimieren. Dies erfolgt in Anlehnung an die von Michael G. Müller mit Blick auf die polnische Elitengeschichte aufgeworfene Frage danach, „welche Elitenkompromisse (im Verhältnis der Staatsmacht zu den verschiedenen Segmenten des alten Geburtsadels) angeboten und von den Betroffenen wahrgenommen wurden bzw. zu welchen alternativen Orientierungen die Verweigerung von Kompromissen führte.“34 Die Untersuchung schließt damit an Überlegungen der neueren Adelsforschung an, die den Wandel der Selbst- und Fremdwahrnehmung von Adel zwischen 1750 und 1850 als eine Umdeutung interpretieren, die unter Rückgriff auf die Wahrnehmung von Geschichte als Entwicklungsprozess erfolgte. Während ein Großteil der stände- und –––––––––– 32

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Einen Einblick in die Forschungen zu diesem Thema bieten: ASCH/FREIST (Hg.), Staatsbildung; BLOCKMANS/HOLENSTEIN/MATHIEU/SCHLÄPPI (HG.), Interactions. Zum Zusammenwirken der Verteilung von Grundbesitz, Rekrutierung militärischer Eliten und der Herausbildung zentralisierter Herrschafts- und Verwaltungsformen im östlichen und nördlichen Mitteleuropa vgl. auch FROST, Wars, S. 114 –128, S. 193 –208, S. 216 –223, S. 231–242 und S. 304 –327. ASCH, Rezension von: Meumann/Pröve, Faszination. M. G. MÜLLER, Adel, S. 512, mit Bezug auf konzeptionelle Überlegungen von Heinz Reif zu Elitenkompromissen im 19. Jahrhundert, vgl. REIF, Einleitung, S. 11–17; DERS., Adel, S. 29 und S. 119.

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adelsgeschichtlichen Forschungsansätze die Anpassung von Adligen an die Prozesse der Konstitutionalisierung, Nationalisierung und Pluralisierung weiter als Teil eines langfristigen Übergangs zur Moderne thematisieren,35 heben Ewald Frie und Mathias Mesenhöller stärker die Eigenständigkeit der Epoche, die Offenheit der politischen Entwicklung und die entsprechenden Gestaltungsspielräume der adligen Akteure hervor: Ewald Frie konstatiert ausgehend von den stark voneinander abweichenden Lebensbeschreibungen, die Ludwig von der Marwitz selbst verfasste und die über ihn verfasst wurden, dass die Lebensentwürfe adliger Gutsbesitzer, ihre Deutungen der eigenen gesellschaftlichen Stellung und ihr politischer Gestaltungsanspruch zwischen 1800 und 1830 weit weniger konstant blieben, als nachträgliche Selbstdarstellungen glauben zu machen suchten.36 Mathias Mesenhöller verdeutlicht am Beispiel des Übergangs der kurländischen Ritterschaft von einem „sippschaftlichen Herrschaftsverband“ zu einer Gruppe, die ihre gesellschaftliche Sonderstellung mit ihrer zivilisatorischen Mission im russischen Imperium begründete, dass der ganz Europa erfassende kulturelle Wandel auch durch „das Dominantwerden von Narrativen, deren Träger sich auf einem Entwicklungspfad verorteten […]“, gekennzeichnet ist.37 Den konkreten Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung bildet die Auseinandersetzung mit den Überlegungen Reinhart Kosellecks zum engen Zusammenhang zwischen preußischer Reformpolitik und der Neukonzeptionalisierung politischer Verhältnisse als staatlicher Ordnung.38 Kosellecks 1965 in erster Fassung erschienene Studie „Preußen zwischen Reform und Revolution“ setzt mit einer Analyse des 1794 in Geltung gesetzten „Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten“ ein, in dem der Staatszweck zwar nur als formaler Rahmen der Kodifikation bestehender ständisch differenzierter Rechtevielfalt diente, die höheren Verwaltungsbeamten aber in unmittelbare Beziehung zum Staat gesetzt wurden.39 Das Projekt der Durchsetzung staatlicher Ordnung sei, so Koselleck, in der späteren Reformzeit auf Basis dieser Rechtslage von den zentralen Verwaltungsbehörden aus entworfen worden. Eine Gruppe von Reformbeamten habe als Vertreter des Staates angesichts der Herausforderungen durch die Kriegsfolgen nach 1807 politische Gestaltungshoheit beansprucht, um die rechtlichen, administrativen und politischen Verhältnisse grundlegend im Sinne des Projekts –––––––––– 35

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Vgl. z. B. NEUGEBAUER, Landstände; LEVINGER, Nationalism, S. 71– 96 und S. 163 –189; MARBURG/MATZERATH, Stand. FRIE, Marwitz – Biographien, S. 29 –39 und S. 339 –341; DERS., Marwitz – Adelsbiographie. MESENHÖLLER, Modernisierung, S. 22. Vgl. ebd., S. 14 –31 und S. 407– 472; DERS., Zivilgesellschaft. KOSELLECK, Preußen, S. 13 –18. Zum begriffsgeschichtlichen Aspekt von Kosellecks Arbeit: PALONEN, Entzauberung, S. 189 –206. KOSELLECK, Preußen, S. 143 –149. Zum Allgemeinen Landrecht: DÖLEMEYER/MOHNHAUPT (Hg.), 200 Jahre; WOLFF (Hg.), Landrecht; BIRTSCH/WILLOWEIT (Hg.), Reformabsolutismus.

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einer wirtschaftlich freien und an politischen Entscheidungen im Rahmen staatlicher Ordnung partizipierenden Staatsbürgergesellschaft neu zu regeln.40 Die Auswirkungen der preußischen Reformpolitik beschreibt Koselleck als Paradoxon:41 Gerade weil die Reformbürokratie eine radikale Änderung der Wirtschaftsund Sozialordnung gegen Widerstände in der Gesellschaft durchzusetzen versuchte, um auf diesem Wege die Finanzprobleme des Staates zu lösen, sei dem Ausbau staatlicher Verwaltung der Vorrang vor der Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten für die von den Wirtschaftsreformen Betroffenen eingeräumt worden. Da auf diesem Wege eine Stabilisierung der Staatsgewalt gelang, habe um 1820 die Bereitschaft der Verwaltung abgenommen, eine Einschränkung ihrer Entscheidungshoheit durch eine geregelte Partizipation der Gesellschaft im Rahmen einer Verfassung zuzulassen.42 Das in der Reformzeit von der Staatsverwaltung aus entworfene Projekt staatsbürgerlicher Gesellschaft sei im Zuge des sozialen Wandels der folgenden Jahrzehnte zunehmend zur Grundlage von gegen die Staatsverwaltung gerichteter Forderungen nach politischer Partizipation geworden, deren vollständige Durchsetzung jedoch nicht zuletzt seine ursprüngliche Verbindung mit dieser verhinderte.43 Während Kosellecks Darstellung der Staatsverwaltung eine relativ einheitliche, den gesellschaftlichen und diskursiven Wandel vorantreibende Rolle zuschreibt, werden die Stände und damit die Vertreter der adligen Gutsbesitzer vor allem als passiv reagierend beschrieben. Mit dem Ziel, die Wirtschafts- und Verwaltungsreformen aufzuhalten, hätten sie zunächst auf rasche Einführung der angekündigten politischen Partizipationsmöglichkeiten gedrängt und damit die Verwaltung darin bestärkt, diese zu verzögern.44 Der zeitgleich mit dem Verzicht auf zentrale politische Partizipationsinstitutionen einsetzende Verzicht auf weitergehende Verwaltungsreformen nach 1820 habe ihnen dann besonders günstige Bedingungen für eine Anpassung an die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse, für die Umwandlung „aus einem Stand in eine Klasse“, ermöglicht.45 Kosellecks Überlegung, dass die Durchsetzung der wirtschaftspolitischen Reformziele in Preußen einen wesentlichen Grund für den Aufschub der verfassungspoliti–––––––––– 40

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KOSELLECK, Preußen, S. 153 und S. 331f. Zur Entstehung einer professionellen Bürokratie im Zusammenhang mit den Reformen: WUNDER, Geschichte, S. 66 – 68. Zur Veränderung der Stellung des Staatsapparates in fiskalischer Hinsicht und zu dessen zumindest zeitweiliger Abhängigkeit von inländischen Privatkrediten: SCHISSLER, Finanzpolitik; SCHREMMER, Finanzreform. Zur Verbindung von Staat und Bildungsbürgertum: WEHLER, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1, S. 210 –217. Zum narrativen Motiv des Paradoxons bei Koselleck: NOLTE, Paradigma, S. 204 –208. KOSELLECK, Preußen, bes. S. 331f. Ebd., S. 560 – 637. Ebd., S. 284 –333. Ebd., S. 448 –559, Zitat S. 486.

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schen gebildet habe, ist in der historischen Forschung vor allem vor dem Hintergrund einer Neubewertung der Reformpolitik in den süddeutschen Staaten kritisiert worden.46 Die dortigen Erfolge einer Verbindung von Wirtschafts-, Verwaltungs- und Verfassungsreform rückten statt Verweisen auf die innere Paradoxie preußischer Reformpolitik Fragen nach den Trägern des Widerstandes gegen ihre Umsetzung in das Zentrum von Untersuchungen zur politischen Entwicklung in Preußen. Die von Koselleck implizit vorausgesetzte einheitliche politische Zielstellung der Verwaltung geriet vor dem Hintergrund von Analysen über die internen Differenzen ihrer Vertreter über das Ziel der Reformpolitik ebenso in die Kritik wie die von ihm als eher passiv dargestellte Rolle der adligen Stände. Mit Blick auf das Scheitern der Verfassungs- und Repräsentationspläne sind in den letzten Jahrzehnten sowohl die soziale Zusammensetzung ihrer Gegner als auch die ihrem Widerstand zugrunde liegenden politischen Theorien von der historischen Forschung intensiv diskutiert worden. Herbert Obenaus betont in seiner Auseinandersetzung mit Kosellecks Darstellung, dass der Kern der Reformbeamten um den Staatskanzler, Carl August Fürst von Hardenberg, bis zu dessen Tod 1822 das Ziel der Verfassungsgebung weiter verfolgt habe und allein am Erstarken ihrer Gegner gescheitert sei. Er verweist im Anschluss an die ältere Forschung auf die veränderte außenpolitische Situation, vor allem aber auf den Druck, den der „feudalständisch orientierte Adel“ sowie „restaurative Kräfte am Hof und in der Verwaltung“ auf die Gestaltung der Politik ausübten.47 Abgesehen davon, dass auch Koselleck keineswegs behauptet, der Staatskanzler selbst habe seine politischen Pläne aufgegeben,48 lässt sich vor dem Hintergrund neuerer Forschung auch die von Obenaus anvisierte eindeutige Zuschreibung von bestimmten politischen Ideen und verfassungspolitischen Zielstellungen zu sozialen Großgruppen wie „dem Adel“ oder „der Bürokratie“ infrage stellen. So wird auch eine Einordnung des politischen Konservatismus als Adelsideologie, wie sie Panayotis Kondylis vorgenommen hat, der Vielgestaltigkeit konservativer

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OBENAUS, Rezension von: Koselleck, Preußen; DERS., Verfassung. Forschungsüberblicke zu Vergleichen zwischen den preußischen und den Rheinbundreformen bei: GALL, Gesellschaft, S. 74 – 80; DEMEL, Reformstaat, S. 93 –128. Vgl.: NOLTE, Staatsbildung, S. 111–189; DERS., Reformen; ULLMANN/ZIMMERMANN (Hg.), Restaurationssystem, darin zusammenfassend: LANGEWIESCHE, „Reform“. Zu den Grenzen des Erfolgs der preußischen Gewerbepolitik: J. BRANDT, Gewerbereform. OBENAUS, Anfänge, S. 17, S. 137f. und S. 149; DERS., Verfassung, S. 45f. Diese Argumentation findet sich in Ansätzen bereits bei: TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 3, S. 231 –253; HAAKE, Verfassungskampf; DERS., König; MÜSEBECK, Ritterschaft. Vgl. die von Obenaus angeführten Stellen bei KOSELLECK, Preußen, S. 276, S. 318 und S. 323.

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Theoriebildung im beginnenden 19. Jahrhundert nicht gerecht. Neben den von Kondylis analysierten, auf das Spätmittelalter zurückgehenden Vorstellungen gemeinschaftlicher Herrschaft von Landesherrn und Adel, die auf eine grundsätzliche Ablehnung des Konzeptes staatlicher Ordnung hinausliefen,49 beeinflussten auch Ideen des älteren Naturrechts und der Aufklärung, etwa die politische Vertragstheorie und die vom Entwicklungsgedanken geprägte Geschichtsphilosophie, zumindest einen Teil der konservativen Denkströmungen. Deren Entstehung lässt sich daher auch mit der Entwicklung des Bildungsbürgertums und vor allem der Bürokratie in Verbindung setzen.50 Die von Kondylis einseitig als Ideologen des Adels und Rezipienten spätmittelalterlicher Ordnungskonzepte interpretierten Adam Heinrich Müller und Carl Ludwig von Haller werden von der neueren Forschung stärker als eigenständige Denker bewertet, die ihre Überlegungen in kritischer Auseinandersetzung mit dem Gedankengut der Aufklärung entwickelten.51 Zudem ist in den letzten Jahrzehnten deutlich geworden, dass im 18. Jahrhundert ein Verständnis von Ständevertretungen als politischer Repräsentation der Bevölkerung im Sinne von deren Interessenvertretern entstand und frühliberale Partizipationsforderungen nicht nur an politische Konzepte der Aufklärung, sondern auch an ständische Traditionen anschlossen.52 Die frühliberale deutschsprachige Adelskritik des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts richtete sich dementsprechend selten gegen den Adel an sich, sondern forderte zumeist nur eine Neubestimmung von Adel als Funktions- und Besitzelite unter Einschluss bildungsund besitzbürgerlicher Aufsteiger.53 Projekte zu Adelsreformen im 19. Jahrhundert –––––––––– 49 50 51

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KONDYLIS, Konservativismus. GARBER, Theoriemodelle, S. 331f. und S. 356; KRONENBITTER, Wort. Zur Unterscheidung von verfassungshistorisch argumentierendem ständischen Legitimismus und neuer privatrechtlicher sowie romantischer Ständetheorie: GARBER, Literatur, S. 320f. Zu Haller: DREITZEL, Monarchiebegriffe, S. 768 –770; DIJON DE MONTETON, „Entzauberung“. Zu Adam Müller und zu Adelsentwürfen der Romantik: ZIMMERMANN, Aufklärung; STROBEL, „Adel“. STOLLBERG-RILINGER, Vormünder; DIES., Repräsentation. Zur Abhängigkeit der Bedeutung des Begriffs „Repräsentation“ davon, was und vor allem vor wem repräsentiert wird: RAUSCH, Repräsentation. Zum Zusammenhang zwischen der unter Bezug auf ständische Repräsentation von bürgerlichen Gelehrten seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert entwickelten Repräsentationstheorie und Staatsbildung: DREITZEL, Absolutismus. Zu Kontinuitäten zwischen ständischen und konstitutionellen Repräsentationsforderungen: NEUGEBAUER, Landstände; BOSL, Repräsentierte; VIERHAUS, Repräsentativverfassung; GEHRKE, Ordnung. Zur Problematik des Übergangs zwischen ständischer und parlamentarischer Repräsentation am Beispiel Polens, Böhmens und Kurlands: BÖMELBURG, Forschungen; MAKIŁŁA, Parlament; ŘEZNÍK, Programm; CERMAN, Ständetum; MESENHÖLLER, Entwicklungspotentiale. BLEECK/GARBER, Adel; LANGEWIESCHE, Adelskritik.

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konnten mit dem Ziel einer funktions- oder besitzständischen Neulegitimierung von Adel daran anschließen.54 Adligen Gutsbesitzern stand folglich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eine Vielzahl von politischen Orientierungsmöglichkeiten offen, in deren Rahmen sie, gestützt auf die Bedeutung, die ständischen Institutionen, großem Grundbesitz und adliger Abstammung zugeschrieben wurde, auch im Rahmen staatlicher Ordnung eine herausgehobene gesellschaftliche Stellung beanspruchen konnten. Die von Kondylis herangezogene Argumentation von Ludwig von der Marwitz und Ernst Ludwig von Gerlach kann nicht als Beleg dafür dienen, dass altständisch-konservatives, mit den neueren Konzepten von Staatlichkeit letztlich unvereinbares Denken die ausschlaggebende Grundlage für die politischen Bemühungen eines Großteils adliger Gutsbesitzer bildete. Denn die politischen Ansichten beider entwickelten sich erst im Zuge der Auseinandersetzungen um die Reformpolitik und erfuhren nur kurzzeitig und eingeschränkt im Adel eine breitere Unterstützung.55 Ein Teil adliger Gutsbesitzer befürwortete vielmehr auch ständepolitische Argumente, die als Beitrag zur Entwicklung liberalen und konstitutionellen Denkens sowie einer frühparlamentarischen politischen Debattenkultur verstanden werden können.56 Dies gilt zwar vor allem für den ostpreußischen Adel,57 aber auch in der Mark Brandenburg und den mittleren Provinzen Preußens lassen sich – wie zuletzt Wolfgang Neugebauer betont hat – Ansätze zu einem Übergang von ständischen zu konstitutionellen Forderungen aufzeigen, die erst um 1820 von einer grundsätzlich verfassungsfeindlichen Ausrichtung ständischer Politik zurückgedrängt wurden.58 Mathew Levingers Untersuchung der Adaption des Nationskonzeptes durch politisch aktive adlige Gutsbesitzer aller Provinzen zwischen 1812 und 1815 verdeutlicht, wie diese in Auseinandersetzung mit der Reformbürokratie auf neue Argumentationsstrategien zurückgriffen, um sich in der politischen Debatte zu behaupten.59 Auch für die sogenannte Restaurationsepoche zwischen 1820 und 1848 sollte der Unterschied politischer Einstellung adliger Gutsbesitzer in Brandenburg und Ostpreußen nicht überbewertet werden. Die Analyse der Debatten um eine Neuregelung der Lokalverwaltung durch Moni–––––––––– 54

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Zu den Adelsreformprojekten in Preußen: REIF, Adelserneuerung; HEINICKEL, Adelsidentität; DERS., Suche (ich danke dem Verfasser für die Möglichkeit dieses Manuskript einzusehen). FRIE, Marwitz – Biographien; KRAUS, Gerlach. Zur Vielschichtigkeit des Ständebegriffs im 19. Jahrhundert: H. BRANDT, Repräsentation; KRAUS, Traditionsstand. NEUGEBAUER, Wandel. Mit ähnlichem Befund: NIEDZIELSKA, Kontestation. NEUGEBAUER, Staatskrise; DERS., Finanzprobleme. Zu den verschiedenen Positionen kurmärkischer Adliger zur Verfassungsfrage zwischen 1812 und 1820 auch: MÜSEBECK, Ritterschaft; VETTER, Adel, S. 43 –71. LEVINGER, Nationalism, S. 71– 96.

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ka Wienfort zeigt, dass die in den Provinzialständen vertretenen adligen Gutsbesitzer eher „pragmatisch“ als „programmatisch“ argumentierten, auch wenn sie sich in Brandenburg eher „konservativer“ und in Ostpreußen eher „liberaler“ Argumente bedienten.60 Ebenso wenig wie die Politik adliger Gutsbesitzer auf Basis der neueren Forschung im Sinne einer grundsätzlichen Gegnerschaft gegen eine Konstitutionalisierung der Monarchie als konservativ beschrieben werden kann, ist auch die Vorstellung von einer auf ein gemeinsames verfassungspolitisches Ziel festgelegten Politik der Staatsbürokratie aufrechtzuerhalten. Gegen Darstellungen der Reformzeit, die die Tätigkeit der Staatsbürokratie ganz im Sinne von deren Selbstdarstellung als uneigennützigen Dienst am Allgemeinwohl beschrieben, hat Eckart Kehr bereits 1932 eingewandt, dass mit der erfolgreichen Durchsetzung staatsbürokratischer Entscheidungshoheit auch die Grundlage zu ihrem eigenen Herrschaftsanspruch und damit zur Diktatur gelegt wurde.61 Den Anspruch eines Teils der Staatsbürokratie, die eigentliche politische Elite zu bilden, hat auch Barbara Vogel als einen der entscheidenden Gründe für das Scheitern von Hardenbergs Verfassungs- und Repräsentationsplänen benannt.62 Von vielen Vertretern der Staatsbürokratie wurde eine gesamtstaatliche Repräsentation stets nur unter der Bedingung in Erwägung gezogen, dass diese die Entscheidungshoheit des Monarchen und die soziale Stabilität nicht gefährde.63 Damit relativiert sich allerdings auch die grundsätzliche Unterscheidung zwischen ihren politischen Anliegen und der Verfassungspolitik des Staatskanzlers. Denn, wie Thomas StammKuhlmann verdeutlicht, richteten sich Hardensbergs Pläne zu einer gesamtstaatlichen Repräsentation ebenfalls darauf, eine Stärkung der Staatsverwaltung zu ermöglichen. Zudem sah er seine Verfassungspolitik trotz der restaurativen Wende der preußischen Politik, die mit Ablehnung seiner konkreten Verfassungspläne einherging, nicht als grundsätzlich gescheitert an.64 Viele der zumeist zu den Gegnern Hardenbergs gezählten Staatsbeamten, die in der Restaurationsepoche Karriere machten, können noch 1818 zu seinen persönlichen Vertrauenspersonen gerechnet werden.65 Allerdings fehlen detaillierte Studien zu den politischen Motiven der Mehrheit der höheren Staatsbeamten, sofern diese nicht zum Kern der Reformbeamten um den Staatskanzler gehörten oder eine herausragende Sonderstellung einnahmen. Gerade die Einstellungen des großen Teils der Staatsverwaltung, der für eine personelle Kontinuität zwischen Re–––––––––– 60 61 62 63 64 65

WIENFORT, „Gutsbesitzerliberalismus“. KEHR, Genesis. VOGEL, Beamtenkonservatismus. Vgl. DITTMER, Beamtenkonservativismus, S. 93 –106. LEVINGER, Nationalism, S. 146 –149 und S. 185f. STAMM-KUHLMANN, „Administration“, S. 636 – 643 und S. 652– 654. Vgl. E. KLEIN, Reform, S. 308 –311; STAMM-KUHLMANN, Rolle, S. 275.

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form- und Restaurationszeit stand, sind aber für die Einschätzung der Handlungsspielräume und -logiken der Ministerialverwaltung von entscheidender Bedeutung.66 Paul Nolte hat darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Staatsbürokratie in Preußen entgegen dem äußeren Anschein und der eigenen Wahrnehmung letztlich in einer weit schwächeren Position befand als in den süddeutschen Staaten, die nach 1815 zu konstitutioneller Ordnung übergingen. Die süddeutschen Konstitutionen hatten Teilen der Bevölkerung politische Partizipationsrechte im Rahmen von Repräsentationsinstitutionen gewährt, nachdem der staatliche Zugriff auf die Verwaltung zumindest formal durchgesetzt war. Die preußische Verfassungspolitik zielte hingegen darauf, die Repräsentation der Bevölkerung mit der Durchsetzung staatlicher Ordnung zu verbinden. Dies entsprach zwar der Vorstellung einer Identität von Staat und Bürger, die dem Konzept staatlicher Ordnung zugrunde liegt, erschwerte aber die Umsetzung der verfassungspolitischen Ziele. Denn diejenigen, denen politische Partizipationsrechte eingeräumt werden sollten, waren teilweise zugleich als Träger der Lokalverwaltung an Aufrechterhaltung ihrer Autonomie gegenüber den staatlichen Behörden interessiert.67 Adlige Gutsbesitzer konnten als Verteidiger ständischer Autonomie ebenso wie als Anwalt staatsbürgerlicher Partizipationsrechte agieren und entsprechend der jeweiligen Situation auf unterschiedliche politische Ideen zurückgreifen. Die politische Programmatik, die ein Großteil der Staatsbeamten verfolgte, unterlag, wie die Untersuchungen von David E. Barclay und Mathew Levinger zeigen, ebenfalls einer ständigen Anpassung an die sozialen, ökonomischen und politischen Verhältnisse. Aufgrund des gemeinsamen Interesses an langfristiger politischer Stabilität konnten sich aber beide Seiten trotz vielfältiger Differenzen letztlich immer wieder auf eine gemeinsame politische Ausrichtung verständigen.68 Levinger ordnet dabei alle auf politische Stabilität gerichtete Politik dem Konservatismus zu, der als „integrales Element des Modernisierungsprozesses“ verstanden werden sollte.69 Damit bleibt allerdings nur noch wenig Raum für ein eigenständiges Handeln liberaler Akteure, die dementsprechend bei Levinger zwar erwähnt werden, aber vor allem hinsichtlich ihrer Nähe zu den konservativen Kräften.70 Diese Einengung der Perspektive ist nicht zuletzt der Anlage von Levingers Untersuchung geschuldet, die den Umgang politischer Akteure mit dem Konzept der Nation in den Vordergrund stellt, um Gründe für die „auffallende“ Abwei-

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Zum Mangel biographischer Arbeiten zu den Ministern des Vormärzes: HOLTZ, Ostrakismus, S. 110, Anm. 23. NOLTE, Staatsbildung, S. 79 –107 und S. 198 –201. Vgl. BARCLAY, Gegner; LEVINGER, Nationalism, S. 146 –181. LEVINGER, Nationalism, S. 165 Ebd., S. 197f. und S. 239f.

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chung der deutschen konstitutionellen Entwicklung im 19. Jahrhundert von der „vieler anderer westlicher Nationen“ zu suchen.71 Auch ohne die Unterschiede zwischen liberalen und konservativen politischen Ansichten von Staatsbeamten oder adligen Gutsbesitzern in diesem Ausmaß zu nivellieren, ist festzuhalten, dass neben der Orientierung an Stabilität die gemeinsame Bindung an die Monarchie und die damit einhergehende Abhängigkeit von den persönlichen Entscheidungen des regierenden Königs eine dauerhafte Grundlage für politische Zusammenarbeit bot. Biographische Untersuchungen zu den preußischen Königen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Friedrich Wilhelm III. und Friedrich Wilhelm IV., weisen darauf hin, dass beide bei allen Unterschieden in ihren politischen Ansichten und Fähigkeiten stets darauf bedacht waren, die Würde und Autorität ihrer Stellung zu bewahren und eine Abhängigkeit von einzelnen Beratern möglichst zu vermeiden.72 Die Legitimation persönlicher monarchischer Herrschaft beruhte seit dem 18. Jahrhundert gerade auf der Offenheit des Monarchen für unterschiedliche Berater und auf seiner Unabhängigkeit bei der Entscheidungsfindung in Einzelfällen. Damit verbunden war eine Begrenzung des monarchischen Handlungsspielraumes bei der gezielten Durchsetzung eines langfristigen politischen Programms.73 Das zumindest zeitweilig bei beiden preußischen Monarchen vorhandene Interesse an einer beratenden Repräsentation und ihr Schwanken zwischen unterschiedlichen Beratern in der Verfassungspolitik ist daher nicht nur auf persönliche Eigenschaften zurückzuführen, sondern auch als Teil der Legitimationsformen monarchischer Herrschaft zu interpretieren, die es erlaubten, auf den Wandel politischer Rahmenbedingungen flexibel zu reagieren und unterschiedliche Akteure an die Monarchie und die Person des Monarchen zu binden.74 Angesichts dieser Vielfalt von Optionen und Handlungsspielräumen aller politischer Akteure kann es nicht das Ziel der vorliegenden Studie sein, grundsätzliche Aussagen –––––––––– 71

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Ebd., S. 8, vgl. S. 16 und S. 227–235. Zur Problematik von Levingers Hervorhebung der Konsensorientierung preußischer Politik im Zeichen eines durch Aufklärungstraditionen geprägten Nationalismus vgl. LEONHARD, Rezension von: Levinger, Nationalism. Vgl. BARCLAY, Anarchie; STAMM-KUHLMANN, König. Kritik an der geringen Beachtung der persönlichen Entscheidungsgewalt des Königs in der Forschung auch in DERS., Administration, S. 643. Allgemein zur persönlichen Entscheidungsgewalt, die den Monarchen auch unter konstitutionellen Bedingungen und trotz einer wachsenden „Funktionalisierung“ der Monarchie im 19. Jahrhundert verblieb: KIRSCH, Um 1804; DERS., Monarch; HANISCH, Nationalisierung. Zum Wandel der Legitimation von Monarchie vgl. WIENFORT, Monarchie. Zur Legitimation monarchischer Herrschaft in der preußischen Monarchie und ihrer Krise im späten 18. Jahrhundert vgl. KRAUSE, Überforderung. Zur Einbeziehung unterschiedlicher Berater in die Verfassungsdiskussion während der Reformzeit und im Vormärz: STAMM-KUHLMANN, Rolle, S. 270 –278; DERS., Hof, S. 299f.; BARCLAY, Hof, S. 351–359; GRÜNTHAL, Verfassungsdenken; HOLTZ, Ostrakismus, besonders S. 108f.

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über die Haltung der adligen Gutsbesitzer in Brandenburg zu der Reformpolitik oder über ihr Verhältnis zu der Staatsbürokratie zu treffen. Quentin Skinners Überlegungen zur Methode politischer Ideengeschichte aufgreifend,75 zielt die Untersuchung auch nicht darauf, die Argumentation verschiedener Akteure in einen unmittelbaren Zusammenhang zu deren wirtschaftlichen Erfahrungen und Erwartungen oder mit Bezug auf spätere politische Entwicklungen in ein politisches Schema mehr oder weniger konservativer oder liberaler Ansichten einzuordnen. Inwieweit sich eine Abgrenzung von Gruppen unterschiedlicher verfassungspolitischer Ausrichtung im brandenburgischen Adel rechtfertigen lässt, wie sie durch Ernst Müsebeck und in geringerem Ausmaß durch Klaus Vetter erfolgt ist,76 wird zwar ebenso zu diskutieren sein, wie die Überlegungen Wolfgang Neugebauers zu alternativen verfassungspolitischen Optionen unter Einbindung von Vertretern der adligen Stände.77 Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen aber vor allem die konkreten Auseinandersetzungen, in denen sich diejenigen adligen Gutsbesitzer, die sich aus verschiedenen Überlegungen heraus im Namen des Adels oder der Stände in die Auseinandersetzungen um die zukünftige politische Bedeutung von Staatsbürokratie, großem Grundbesitz und Adel einmischten, bestimmter Argumente bedienten. Gefragt wird nach den Bedingungen, unter denen ihnen eine Verständigung auf gemeinsame, als „adlig“ oder „ständisch“ wahrgenommene Argumentationslinien gelang und nach den Möglichkeiten politischer Einflussnahme, die sich ihnen damit eröffneten. Das Ringen um Deutungshoheit zwischen diesen Akteuren und jenen, die im Namen der Staatsverwaltung agierten, wird anhand der Diskussionen analysiert, die in der ausgehenden Reform- und beginnenden Restaurationszeit um die angekündigte Verfassung der Preußischen Monarchie geführt wurden und die stets auch das zukünftige Verhältnis von Adel und Gutsbesitz zu Nation und Staat thematisierten. Diese Verfassungsdebatte wird, das von Dietlind Hüchtker, Michael G. Müller und mir vorgestellte Forschungskonzept „Akteure – Arenen – Aushandlungsprozesse“ aufgreifend,78 als Arena beschrieben. Denn in den Diskussionen wurde nicht nur um konkrete politische Maßnahmen gestritten, sondern zugleich vor Publikum – dem Monarchen, der Verwaltung, den Ständen und seltener auch der Öffentlichkeit – um Anerkennung und günstige Ausgangspositionen für zukünftige Auseinandersetzungen gerungen. Die Akteure folgten in der Verfassungsdebatte bestimmten Rollenmustern, von denen sie erwarteten, dass sie den Regeln der Arena entsprachen. Sowohl die Regeln als auch die von verschiedenen Akteuren übernommenen Rollen waren allerdings nicht dauerhaft festge–––––––––– 75 76 77 78

Vgl. SKINNER, Meaning. MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 167–171 und S. 358 –365; VETTER, Adel, S. 43 –71. NEUGEBAUER, Staatskrise, S. 267f. HOLSTE/HÜCHTKER/MÜLLER, Aufsteigen, S. 9 –11.

Forschungsstand und Forschungskonzepte

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legt, sondern wurden im Verlauf der Auseinandersetzungen beständig neu ausgehandelt.79 Die provinzialständische Gesetzgebung, mit der ab 1822 ein vorläufiges Ende der Verfassungsdebatte eingeleitet wurde, wird – unter Rückgriff auf Überlegungen von Heinz Reif und Michael G. Müller zum Elitenwandel im 19. Jahrhundert80 – als Entwurf eines Elitenkompromisses, in dem sich die vorherigen Aushandlungsprozesse widerspiegelten, analysiert.81 Abschließend wird anhand der Debatten im Brandenburgischen Provinziallandtag untersucht, in welchem Ausmaß dieser Kompromiss von den Vertretern adliger Gutsbesitzer akzeptiert und angesichts seiner Infragestellung durch neue ständische sowie durch liberale und demokratische Partizipationsforderungen verteidigt wurde. Die Gründe, warum einzelne Personen als Vertreter des Adels, der Ritterschaft oder der Stände auftraten, und die Ziele, die sie damit verbanden, erklären sich also keineswegs allein dadurch, dass sie adlig waren und über mit besonderen Rechten verbundenen Gutsbesitz verfügten. Die Analyse der politischen Argumentation adliger Gutsbesitzer muss zwar von den sich verändernden rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen ihrer Position als Adlige und Gutsbesitzer ausgehen, den Blick aber zugleich auf die sich ebenfalls im Wandel befindlichen Strukturen des politischen Diskurses richten, die darüber entschieden, was in dem Sinne erfolgreich sag- und forderbar war, dass es von den Adressaten als zu berücksichtigendes Argument wahrgenommen wurde.82 Es wird folglich im Einzelnen zu untersuchen sein, vor welchem Hintergrund politischer und ökonomischer Erfahrung, in welchem diskursiven Umfeld und in welcher Beziehung zu konkurrierenden Akteuren einzelne Adlige agierten und sich bestimmter Argumente bedienten. Damit rücken die Karrieren und Karrierepläne der als politische Vertreter des Adels oder der Stände auftretenden adligen Gutsbesitzer innerhalb der Staatsverwaltung und ihre persönlichen Kontakte zu einzelnen Staatsbeamten ebenso ins Blickfeld wie die Auswirkungen der Reformpolitik auf ihre Vermögensverhältnisse und ihre ökonomische Tätigkeit. Davon ausgehend wird der Frage nachgegangen, welche Zusammenhänge sich aufzeigen lassen zwischen dem Ringen adliger Gutsbesitzer um Bedeutung im politische Diskurs und ihren Bemühungen, sich unter Verweis auf Adelstraditionen, umfangreichen Grundbesitz und Verwaltungsbefugnisse in Konkurrenz zur und in Zusammenarbeit mit der Staatsbürokratie als Vertreter einer gesellschaftlich relevanten Gruppe zu definieren und von anderen abzugrenzen. Gleichzeitig –––––––––– 79 80

81 82

Zum Aushandeln sozialer Rollen vgl. FISCHER/WISWEDE, Grundlagen, S. 530 –532. REIF, Einleitung, S. 11–17; DERS., Adel, S. 29 und S. 119; M. G. MÜLLER, Adel, S. 512; DERS., „Landbürger“, S. 93. Vgl. HOLSTE, Provinzialstände. Zu den theoretischen Aspekten dieser Überlegung vgl. FRINGS/MARX, Diskurse.

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Einleitung

ist der Wandel politischer Argumentation zu berücksichtigen, der im Zuge des Generationenwechsels eintrat zwischen jenen Adligen, die auf Erfahrungen mit ständischen Institutionen, Landes- und Güterverwaltung sowie Adelsrechten in der Zeit vor den Reformen zurückblicken konnten, jenen, die durch die Auseinandersetzungen und Umbrüche der Reformzeit entscheidend geprägt wurden, und jenen, für die die Restaurationsepoche den Ausgangspunkt ihres politischen Wirkens bildeten.83 Dabei werden nicht zuletzt die internen Konflikte zwischen adligen Gutsbesitzern offengelegt, die dadurch entstanden, dass die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen gutsherrlichen Handelns vor Beginn der Reformzeit keineswegs so übersichtlich und klar strukturiert waren, wie es nachfolgenden Generationen erscheinen konnte (und wie es Forschungsmodelle, wie das der „paternalistischen Herrschaft“ Robert Berdahls, nahe legen).84 Grundsätzlich wird die von Heinz Reif angeregte Frage adelsgeschichtlicher Forschung aufgegriffen, wie sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts alte sowie neue Anwärter auf Elitenpositionen unterschiedlicher sozialer Herkunft in den Eliten des „bürgerlichen Zeitalters“ zusammenfanden.85 Allerdings wird in Übereinstimmung mit Überlegungen von Charlotte Tacke nicht nach spezifisch „adliger“ in Abgrenzung von „bürgerlicher“ Argumentation gefragt. Vielmehr ist es ein Ziel der Untersuchung herauszuarbeiten, in welchen Kontexten sich Akteure in ihrer politischen Argumentation auf ihren Adel beriefen und wie sich diese Kontexte in Traditionen und Werten niederschlugen, die Adel zugeschrieben wurden.86 Denn es lässt sich zeigen, dass in der politischen Argumentation adliger Akteure während der Reformzeit die Abgrenzung zu bürgerlichen Personen eine eher untergeordnete Rolle spielte und stattdessen die mit dem Gutsbesitz verbundenen Verwaltungsbefugnisse und im Zusammenhang damit die –––––––––– 83

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Zu den Brüchen und Kontinuitätslinien zwischen den Adelsgenerationen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert vgl. REIF, Westfälischer Adel, besonders S. 21 und S. 211. Eine zeitgenössische literarische Auseinandersetzung mit den Generationskonflikten in der Berliner Adelsgesellschaft um 1820 bei: Achim von ARNIM: Metamorphosen der Gesellschaft, in: DERS., Werke, S. 227–328. BERDAHL, Adel; DERS., Politics. Zur Kritik des Paternalismuskonzeptes: EIFERT, Paternalismus, S. 35f. Zur Komplexität der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse vor den Reformen: HAGEN, Prussians; WIENFORT, Rezension von: Hagen, Prussians; KAAK, Bauern; VÁRI, Wirrwar. REIF, Adel, S. 119. Den Hintergrund der Fragestellung bilden die Ergebnisse der intensiven Forschungen zur Geschichte des deutschen Bürgertums, die verdeutlichen, dass es das „Bürgertum“ als kollektiven Träger eines „bürgerlichen Nationalstaates“ im 19. Jahrhundert so wenig gegeben hat wie als kollektives Subjekt gesellschaftlichen Wandels, das die Verwirklichung einer „bürgerlichen Gesellschaft“ vorantrieb. Vgl. SCHULZ, Lebenswelt, S. 55 –76. TACKE, „Kurzschluss“. Vgl. auch MEYER, Rezension von: Schiller, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz.

Aufbau und Quellengrundlage

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Abgrenzung zu den Landgemeinden im Vordergrund standen.87 Erst als vor dem Hintergrund der Durchsetzung des Konzeptes staatlicher Ordnung die mit dem Besitz bestimmter Güter verbundenen Befugnisse den Anspruch ihrer Besitzer auf Bedeutung nicht mehr legitimieren konnten – so die These dieser Arbeit – rückten Verweise auf die politische Funktion von Adel bei der Aufrechterhaltung staatlicher Ordnung in den Mittelpunkt der Argumentation.

c) Aufbau und Quellengrundlage der Untersuchung Die Untersuchung der politischen Argumentation von Vertretern adliger Gutsbesitzer Brandenburgs in den Debatten um Verfassung und Repräsentation während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist chronologisch in drei Teile gegliedert. Der erste Teil untersucht das Auftreten dieser Akteure im Rahmen der Arena Verfassungsdebatte zwischen 1812 und 1815. Das einführende Kapitel schildert die Situation der adligen Gutsbesitzer vor Ausbruch des Krieges zwischen der preußischen Monarchie und dem napoleonischen Frankreich 1806: ihre Anzahl, den Umfang ihres Besitzes, die mit diesem verbundenen administrativen Befugnisse und die daraus entstehende enge Verflechtung von Gutsbesitz und Landesverwaltung. Anschließend werden die zunehmenden Debatten um die Aufrechterhaltung bzw. Neubegründung ständischer Verfassung dargestellt, die vor dem Hintergrund der Bemühungen der preußischen Staatsverwaltung geführt wurden, eine grundlegende Verwaltungsreform und eine gesamtstaatliche Regulierung der seit 1806 entstandenen Kriegsschulden durchzusetzen. Im Zentrum stehen dabei die verfassungspolitischen Äußerungen der Vertreter kurund neumärkischer adliger Gutsbesitzer in der zwischen 1812 und 1815 mehrfach einberufenen, sogenannten „interimistischen Nationalversammlung“ sowie die internen Diskussionen zwischen ihnen und ihren Wählern. Den Abschluss des ersten Teils bildet eine Zusammenfassung des Standes der Verwaltungsreformen und der Situation adliger Gutsbesitzer nach Beendigung der napoleonischen Kriege 1815. Der zweite Teil zeichnet die Bemühungen politisch aktiver Adliger der Mark Brandenburg nach, die Diskussionen um Staatsverfassung, gesamtstaatliche Repräsentation und Provinzialstände zwischen 1815 und 1821 dazu zu nutzen, für Adel oder großen Grundbesitz eine eigenständige, von der Staatsbürokratie unabhängige politische Position auszuhandeln. Im einführenden Kapitel wird anhand der Situation am Berliner Hof und im preußischen Heer während der ersten Jahre nach 1815 verdeutlicht, dass die verfassungspolitischen Auseinandersetzungen zwischen einem Teil der adligen Gutsbe–––––––––– 87

Zur sozialen Dynamik der Landbevölkerung: WAGNER, Bauern, S. 38 – 46; SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 190 –197; HARNISCH, Agrarreform, S. 310 –329; DERS., Junkertum.

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Einleitung

sitzer und Vertretern der Staatsverwaltung in diesem Zeitraum die zentrale Arena bildeten, in der gesellschaftliche Hierarchien neu bestimmt und um Bedeutung gerungen wurde. Das zweite Kapitel stellt die Bemühungen adliger Gutsbesitzer dar, im Rahmen der Verfassungsdiskussion zwischen 1816 und 1818 Forderungen nach Verfassung mit Forderungen nach einer neuen Sicherung ihrer herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung zu verbinden. Die in sich widersprüchlichen Erwartungen adliger Gutsbesitzer an die Verfassungspolitik werden ebenso analysiert wie die von ihnen aufgegriffenen verfassungspolitischen Argumentationslinien, die von den mit dem Gutsbesitz verbundenen Verwaltungsbefugnissen, von der wirtschaftlichen Bedeutung des großen Grundbesitzes oder von der dem Adel zugeschriebenen besonderen Würde ausgingen. Im dritten Kapitel werden die 1819 einsetzenden neuen internen Diskussionen zwischen adligen Gutsbesitzern der Kur- und Neumark Brandenburg um die zukünftige verfassungspolitische Argumentation erörtert. Ausgehend von dem Versuch einiger Akteure, an die zunehmend von Revolutionsfurcht geprägte preußische Politik mit einer gegen die bisherigen Verfassungsplanungen gerichteten Eingabe der kurmärkischen Kreisstände anzuknüpfen, wird die fortbestehende Vielfalt der verfassungspolitischen Positionen politisch aktiver adliger Gutsbesitzer geschildert, die sich in stark voneinander abweichenden Reaktionen und einer Vielzahl ständischer Eingaben unterschiedlicher Ausrichtung niederschlug. Das vierte Kapitel dient dazu, die Desillusionierung adliger Gutsbesitzer hinsichtlich ihrer politischen Einflussmöglichkeiten aufzuzeigen, die infolge der Verhandlungen um die Verstaatlichung der älteren ständischen Kreditverwaltung 1820 eintrat, sowie dazu, die Neuausrichtung ihrer Überlegungen zur Sicherung politischer Bedeutung zu verdeutlichen, die im Zuge des sich 1821 vollziehenden Richtungswechsels der preußischen Verfassungspolitik einsetzte. Im abschließenden Kapitel des Hauptteils wird zusammenfassend diskutiert, welche Rolle den im Namen der adligen Gutsbesitzer Brandenburgs auftretenden politischen Akteuren beim Scheitern der Verfassungspläne des Staatskanzlers zukam und inwieweit sie es verstanden, einen von ihnen weitgehend unbeeinflussbaren Wandel des politischen Diskurses zu nutzen, um mit veränderter Argumentation dem Anspruch von Adel und Gutsbesitz auf politische Bedeutung Geltung zu verschaffen. Der dritte Teil setzt sich mit der politischen Argumentation adliger Gutsbesitzer der Provinz Brandenburg vor dem Hintergrund der 1822 als Elitenkompromiss entworfenen ständischen Gesetzgebung auseinander. Dabei stehen die Debatten auf den Provinziallandtagen im Vordergrund, während nur am Rande auf die Entwicklung der Kreis- und Kommunallandtage eingegangen wird. Im einführenden Kapitel werden die Erwartungen adliger Gutsbesitzer an eine ständische Gesetzgebung, ihre Einflussmöglichkeiten auf deren Ausgestaltung sowie die Reaktionen auf deren endgültige Fassung untersucht. Das zweite Kapitel schildert die Entwicklung der ständepolitischen Auseinandersetzungen zwischen 1824 und 1847. Zunächst wird auf die inneren Widersprüche der Bemühungen adliger Gutsbesitzer eingegangen, den neugeschaffenen Provinziallandtag zur Durchsetzung politischer Ziele gegen die Staatsverwaltung zu nutzen. Anschließend

Aufbau und Quellengrundlage

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wird der Wandel ständischer Politik adliger Gutsbesitzer hin zu einer Verteidigung der bestehenden Verhältnisse in enger Anlehnung an die Staatsverwaltung nachgezeichnet und auf die Begründung dieser neuen Position durch politische Traditionen des Adels eingegangen. Im abschließenden Kapitel wird untersucht, inwieweit die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation adliger Gutsbesitzer in der Provinz und die Zunahme ihrer Vertretung in den staatlichen Behörden seit Ende der 1820er Jahre Ansätze zur Erklärung dieser politischen Neupositionierung bieten. Quellengrundlage der vorliegenden Untersuchung bilden Bestände des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz (GStA) in Berlin und des Brandenburgischen Landeshauptarchivs (BLHA) in Potsdam. Die wichtigste Quellengruppe sind Nachlässe adliger Gutsbesitzer,88 unter denen derjenige Gustav von Rochows sowohl durch seinen Umfang als auch durch die Aussagekraft der enthaltenen Korrespondenz herausragt.89 Daneben erwies sich das Material in den Nachlässen von Carl von Voß-Buch und Leopold von Quast als besonders aussagekräftig.90 Der Nachlass von Ludwig von der Marwitz liegt teils gedruckt vor,91 teils kann auf die intensive Auswertung durch Ewald Frie zurückgegriffen werden.92 Darüber hinaus wurden Akten der Staatsverwaltung zu Verhandlungen mit Vertretern des ständischen Adels sowie zu ständischen Wahlen und Eingaben herangezogen, für die Zeit ab 1824 auch die Verhandlungsprotokolle der Provinziallandtage.93 Eine wichtige Ergänzung bietet das Protokollbuch der Ruppiner Kreistage,94 das einen Einblick in die Formen kreisständischer Politik erlaubt, auch wenn die Ruppiner Verhältnisse nicht unbedingt verallgemeinert werden können, worauf im Einzelnen einzugehen sein wird. Über die Veränderungen des Aufbaus und der Zuständigkeiten ständi–––––––––– 88 89 90 91 92 93

94

Eine Liste der verwendeten Nachlässe befindet sich im Anhang. GStA, VI. HA, Nl. Rochow (zitiert als Nl. Rochow). Ebd., Nl. Voß-Buch (zitiert als Nl. Voß-Buch); BLHA, Rep. 37, Garz (zitiert als Nl. Quast). MEUSEL (Hg.), Marwitz. FRIE, Marwitz – Biographien. Unter den Akten der Staatsverwaltung erwiesen sich als aufschlussreich die Bestände des Innenministeriums (GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 514, Tit. 522a, Tit. 523, Tit. 523b), des Staatskanzleramtes (ebd., Rep. 74, H, IX), des Brandenburgischen Oberpräsidenten (BLHA, Rep. 1) sowie der Regierung zu Frankfurt an der Oder (BLHA, Rep. 3 B). Für die Vorgeschichte der provinzialständischen Gesetzgebung enthält der Nachlass des Fürsten Wilhelm Ludwig Georg zu Sayn-Wittgenstein im Bestand des Ministeriums des königlichen Hauses wichtige Informationen (GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein). Die Protokolle der brandenburgischen Provinziallandtage befinden sich in verschiedenen Beständen des GStA und des BLHA. Eine Liste mit den Bestandsnachweisen und Signaturen befindet sich im Anhang. Protokolle der Kreistage des Ruppiner Kreises in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5; Protokolle der Wahlen des Abgeordneten der Ritterschaft des Ruppiner Kreises in: ebd., Nr. 6.

30

Einleitung

scher und staatlicher Institutionen in der Kurmark bis 1810 und hinsichtlich der Schuldenverwaltung bis 1822 ergeben sich detaillierte Informationen aus den um 1850 herausgegebenen Beschreibungen durch Freiherrn Magnus Friedrich von Bassewitz, der zu Beginn des Jahrhunderts leitende Funktionen in der Regionalverwaltung ausübte.95 Zu den Diskussionen, die in der Berliner Gesellschaft von hohen Staatsbeamten und adligen Gutsbesitzern geführt wurden, bieten die im Druck vorliegenden Aufzeichnungen Karl August Varnhagen von Enses, Ludwig von Gerlachs und Caroline von Rochows einige Informationen.96 Ein Großteil der benutzten Quellen ist von der historischen Forschung bereits intensiv ausgewertet worden. Dies gilt besonders für die Politik adliger Gutsbesitzer der Kurmark Brandenburg im Jahrzehnt zwischen 1812 und 1822, die von Ernst Müsebeck und mit größerer Quellengrundlage von Klaus Vetter erörtert wurde.97 Zu den Verhandlungen um die Einrichtung eines Provinziallandtages der Mark Brandenburg und des Markgrafenthums Niederlausitz 1823 und den in dessen Rahmen zwischen 1824 und 1836 ausgetragenen Auseinandersetzungen liegen knappe Darstellungen von Werner I. Stephan und Ernst Almenröder vor.98 Die Verhandlungen auf den Provinziallandtagen der 1840er Jahre wurden von Werner Schubert knapp zusammengefasst.99 Eine Vielzahl von wichtigen Informationen zu einzelnen Personen ließ sich dem von Rolf Straubel erarbeiteten „Biographischen Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten“ entnehmen.100 Zu Gunsten besserer Lesbarkeit wurden die Zeichensetzung und teilweise auch die Rechtschreibung in den Zitaten behutsam dem heutigen Standard angepasst. Bei den Vornamen wurde die zu Beginn des 18. Jahrhunderts übliche Schreibung mit „c“ und „ph“, die in den ausgewerteten Quellen dominiert, gegenüber der sich später durchsetzenden Schreibung mit „k“ und „f“ bevorzugt. –––––––––– 95

BASSEWITZ, Kurmark vor 1806; DERS., Kurmark 1806 –1808; DERS., Kurmark 1809 und 1810. Die Darstellung der Verhältnisse vor 1806 und der Entwicklungen bis 1812 stützt sich ansonsten hauptsächlich auf die Ergebnisse vorliegender historischer Forschungen, besonders: SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz; DERS., „Edelleute“; GÖSE, Geschichte; DERS., Rittergut; BAUMGART, Geschichte; VETTER, Adel; WITZLEBEN, Staatsfinanznot; RADEKE, Kriegsschulden; NEUGEBAUER, Staatskrise; SCHÖNBECK, Landtag; E. KLEIN, Reform; STEFFENS, Hardenberg. 96 VARNHAGEN, Blätter; SCHOEPS (Hg.), Aus den Jahren; ROCHOW, Erinnerungen. 97 MÜSEBECK, Ritterschaft; VETTER, Adel. 98 STEPHAN, Entstehung; ALMENRÖDER, Leben. Zur Beteiligung adliger Gutsbesitzer an den Verhandlungen über die provinzialständische Gesetzgebung und den Diskussionen auf den Provinziallandtagen ausführliche Informationen auch in: OBENAUS, Anfänge. 99 SCHUBERT, Preußen. 100 STRAUBEL, Handbuch.

1. Die Akteure betreten die Arena. Adlige Gutsbesitzer, Kriegsschulden und der Verlauf der Verfassungsdebatte bis 1816

1.1. Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg vor 1806 Die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in der Preußischen Monarchie am Anfang des 19. Jahrhunderts sind bereits häufig dargestellt worden. Da sie aber die Rahmenbedingungen für das Auftreten adliger Gutsbesitzer als politische Akteure während der folgenden Jahrzehnte darstellen, werden sie im Folgenden mit Blick auf die Fragestellung der Untersuchung noch einmal rekapituliert und diskutiert. Zunächst wird auf die Zahl der adligen Gutsbesitzer in der Mark Brandenburg und auf die ökonomischen Ressourcen, über die sie verfügten, eingegangen. Darauf aufbauend kann die Stellung der adligen, über Gutsbesitz verfügenden Familien in den von landesherrlicher Verwaltung, aber auch von Stadt- und Landgemeinden sowie nichtadligen Privatpersonen geprägten Herrschaftsstrukturen beschrieben und auf ihr Verhältnis zu den mit Konzepten staatlicher Ordnung der Gesellschaft argumentierenden Staatsbeamten eingegangen werden. Friedrich Wilhelm August Bratring nennt in seiner zwischen 1804 und 1809 erschienen Beschreibung der Mark Brandenburg 458 in der Kurmark und 287 in der Neumark begüterte adlige Familien, die 222 bzw. 188 Adelsgeschlechtern angehörten.1 Für die Neumark ergibt eine Auswertung von Bratrings Detailangaben zu den Besitzverhältnissen auf dem Lande, dass ungefähr 300 verschiedene Adlige über ländliche Besitzungen verfügten.2 In der Kurmark wurden etwas mehr als 500 Adlige zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgrund ihres Gutsbesitzes in den kurmärkischen Vasallenlisten aufgeführt.3 Mehr als ein Zehntel der grundbesitzenden Adligen waren Frauen, meist Wit–––––––––– 1 2

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BRATRING, Beschreibung, S. 59 – 66 [Bd. 1, S. 41– 48] und S. 1126 –1129 [Bd. 3, S. 26 –29]. Eigene Zählung der Angaben bei: BRATRING, Beschreibung, S. 1191–1456 [Bd. 3, S. 91–356] und SCHWARTZ, Großgrundbesitz. BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 18; MARTINY, Adelsfrage, [S. 119]. Für die Neumark liegen keine Vasallenlisten für das beginnende 19. Jahrhundert vor.

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1. Die Akteure betreten die Arena

wen.4 Die Zahl der Gutsbesitzerinnen lag insgesamt wahrscheinlich etwas höher, da Güter besitzende Ehefrauen offensichtlich nicht immer gesondert von ihren Männern gezählt wurden.5 Beispielhaft zeigt sich die Problematik der Besitzangaben an Henriette Charlotte von Itzenplitz, geborene von Friedland, die in Bratrings Beschreibung des Oberbarnimschen Kreises nur für die Herrschaft Friedland als Besitzerin aufgeführt wird.6 In der Diskussion um die Wahlfähigkeit ihres Mannes als Provinziallandtagsabgeordneter dieses Kreises wurde 1824 allerdings behauptet, dass auch Dorf und Gut Cunersdorf, bei Bratring als dessen Besitz geführt,7 im Besitz seiner Frau sei.8 Nach Berechnungen René Schillers verfügten ungefähr 2–3 % der männlichen Gutsbesitzer nur über Güter, die ihre Frauen in die Ehe eingebracht und für sich behalten hatten.9 Aus der Auswertung kurmärkischer Vasallenlisten durch Fritz Martiny und Analysen der Familienstruktur adliger Gutsbesitzer durch René Schiller lässt sich abschätzen, dass die engere Familie der Güter besitzenden Adligen aus durchschnittlich fünf Familienmitgliedern bestand.10 Der Anteil der Güter besitzenden Adligen und ihrer zu Erbansprüchen und Abfindungen berechtigten Familienmitglieder an der Gesamtbevölkerung der Kurmark (ca. 855.000 Einwohner)11 lässt sich daher auf ungefähr 0,3 % bestimmen, an der der Neumark (ca. 322.000 Einwohner)12 auf ungefähr 0,5 %. Die Aufnahme in die Vasallenlisten erfolgte aufgrund des Besitzes von Dörfern und Gütern, die als „adlige Güter“ oder „Rittergüter“ bezeichnet wurden.13 Zu einem Teil der Güter zählten neben dem Hauptgut weitere Vorwerke,14 gelegentlich gab es adligen Besitz, der nur aus Dörfern bestand.15 Erst nach 1828 entstanden Rittergutsmatrikel, in die allerdings nicht alle Besitzungen aufgenommen wurden, deren Inhaber vor 1806 in –––––––––– 4

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Zur Kurmark vgl. MARTINY, Adelsfrage, [119]. Für die Neumark eigene Zählung nach BRATRING, Beschreibung, S. 1191–1456 [Bd. 3, S. 91–356] und SCHWARTZ, Großgrundbesitz. Während Bratring bei der Beschreibung der Neumark gelegentlich den Besitz durch „verehelichte“ Frauen bemerkt, fehlen solche Anmerkungen in der Beschreibung der Kurmark. BRATRING, Beschreibung, S. 774 [Bd. 2, S. 256]. Ebd., S. 771 [Bd. 2, S. 253]. T. v. Rochow an Quast, 4.1.1824, in: Nl. Quast, Nr. 127, Bl. 8 [Randnotiz]. SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 408. Vgl. ebd., S. 373 –380 und S. 404; MARTINY, Adelsfrage, [119]. BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 9. BRATRING, Beschreibung, S. 1137 [Bd. 3, S. 37]. Zur Problematik der Begriffe vgl. SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 40 – 46. Bei Bratring werden die Rittergüter unter „Dorf und Gut“ (manchmal mehrere Güter zu einem Dorf) sowie „adliges Gut“ geführt. Zusätzlich erscheinen Vorwerke, die teilweise Gütern zugeordnet sind: BRATRING, Beschreibung, passim. Ebd., passim.

1.1. Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg vor 1806

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den Vasallenlisten verzeichnet waren. Ausgespart blieben vor allem sogenannte „substanzlose“ Güter, die über keine Eigenwirtschaft verfügten.16 Gleichzeitig wurden einzelne Vorwerke und Gutsanteile in die Matrikel als eigenständige Güter eingetragen.17 Bratring gibt für 1801 die Zahl der „adlichen“ Güter in der Kurmark mit 818 an, die der Meiereien mit 109. Daneben zählt er 294 in Zeit- und Erbpacht ausgegebene Domänenvorwerke und -meiereien sowie 56 städtische Vorwerke.18 Bassewitz zählt für 1804 neben derselben Anzahl an Domänenvorwerken und -meiereien 1187 „sonstige Rittergüter, Vorwerke und Meiereien“19. In den Rittergutsmatrikeln von 1857 wurden dann ca. 1000 Güter verzeichnet,20 darunter auch städtische und einige nach 1809 veräußerte Domänenvorwerke. Überträgt man den von René Schiller für 1804 angegebenen Besitzanteil adliger Familien an den späteren Rittergütern in einzelnen kurmärkischen Kreisen von ca. 85 % auf die in der gesamten Kurmark 1804 vorhandenen Güter,21 lässt sich die Zahl derjenigen in adligem Besitz auf ungefähr 700 schätzen, zu denen ungefähr 300 weitere Vorwerke und Meiereien hinzuzurechnen sind. Weitere knapp 200 Vorwerke gehörten zum Familienbesitz des königlichen Hauses oder befanden sich im Besitz von nichtadligen Familien, Städten, der Frankfurter Universität sowie geistlichen Stiftungen, wie dem Johanniterorden oder den Domstiften von Havelberg und Brandenburg.22 Für die Neumark führt Bratring 470 Güter auf sowie weitere 40 ländliche Besitzungen, die später als eigenständige Rittergüter in die Matrikel eingetragen wurden.23 Davon befanden sich knapp 400 im Besitz adliger Familien. Weitere 110 Güter und sonstige Besitzungen gehörten der königlichen Familie oder geistlichen Korporationen, Städten und nichtadligen Familien.24 Insgesamt lässt sich festhalten, dass adlige Gutsbesitzer und Gutsbesitzerinnen in der Mark Brandenburg über ca. 1430 Güter, Vorwerke und Meiereien verfügten. Der Anteil des unmittelbar zu diesen gehörenden Grundbesitzes lässt sich aufgrund der Berechnungen von Hans Goldschmidt bestimmen.25 Nach seinen Angaben betrug der Anteil –––––––––– 16

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Zur Löschung von zunächst noch aufgenommenen „substanzlosen“ Rittergütern aus den Matrikeln vgl. SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 176f. Vgl. ebd., S. 175 –178 und S. 513. BRATRING, Beschreibung, S. 74 [Bd. 1, S. 56]. BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 18 und S. 29. RAUER, Hand-Matrikel, S. 71– 98 und S. 124 –128. SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 531f. BRATRING, Beschreibung, passim. Ebd., passim; RAUER, Hand-Matrikel, S. 98 –111, S. 116 –124, S. 158 und S. 165. Eigene Zählung der Angaben bei: BRATRING, Beschreibung, S. 1191–1456 [Bd. 3, S. 91–356]. Zu den Berechnungen von Goldschmidt vgl. H.-H. MÜLLER, Landwirtschaft, S. 49; KAAK, Gutsherrschaft, S. 108f.

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1. Die Akteure betreten die Arena

des „Ritterlandes“ an der Gesamtfläche der Altmark 10,4 %, an der der übrigen Kurmark 26,4 % und an der der Neumark 32,6 %, worin sich die nach Osten hin zunehmende Bedeutung der Eigenwirtschaften von Gütern wiederspiegelt.26 Der Rest der nutzbaren Fläche verteilte sich auf königlichen Forst- und Domänenbesitz, die Städte mit ihren Feldmarken sowie vor allem auf Bauernland unter Einschluss der Pfarr-, Kirchen- und Schulgüter.27 Die Berechnungen Goldschmidts werden bekräftigt durch die von Hans-Heinrich Müller vorgelegte Tabelle zur Aussaat im altmärkischen Kreis Stendal 1797 und die von ihm zitierten Anmerkungen Albrecht Daniel Thaers.28 Auch die Angaben von Bassewitz zur Aussaat im kurmärkischen Kreis Niederbarnim 1797 stützen Goldschmidts Überlegungen.29 Die Verzeichnisse zur Verteilung des Hufenbesitzes in vier neumärkischen Kreisen von 1813 ergeben ein ähnliches Ergebnis.30 Fritz Martinys Angabe, dass über 50 % der kurmärkischen Fläche zum adligen Gutsland gehörte,31 kann also als weit zu hoch gelten.32 Dass die Angaben bei Martiny auch von der Größenordnung her nicht stimmen können, ergibt sich daraus, dass der Anteil des Großgrundbesitzes an der Gesamtfläche der Provinz Brandenburg am Anfang des –––––––––– 26 27

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GOLDSCHMIDT, Grundbesitzverteilung, S. 90 –135 H.-H. MÜLLER, Landwirtschaft, S. 44, auf Basis der Daten von Goldschmidt: Die Städte mit ihrem Weichbild nahmen in der Altmark 5 %, in der gesamten Kurmark 9 % und in der Neumark knapp 8 % der Fläche ein, die königlichen Domänen und Forsten 9 %, 13 % und 14 %, das Bauernland inklusive der Schulzen-, Pfarr-, Kirchen- und Schulgüter 73 %, 51 %, 43 %. H.-H. MÜLLER, Landwirtschaft, S. 45. BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 322f. BLHA, Rep. 23 B, Nr. 1522, unpag., vgl. Tabelle 2 im Anhang. Für den von Goldschmidt „Ritterland“ genannten Besitz ergibt sich ein Anteil an der Gesamtzahl der Hufen von 36 %. Geht man davon aus, dass die Hufenverteilung ungefähr der Verteilung von landwirtschaftlich nutzbarer Fläche außerhalb des Weichbildes der Städte entspricht und berücksichtigt die übrige Fläche (nach Goldschmidt in der Neumark 11 % der Gesamtfläche) kommt man bei dieser Berechnung wie bei der von Goldschmidt auf einen Anteil des „Ritterlandes“ von ca. 32 %. MARTINY, Adelsfrage, S. 9; ihm folgend: VETTER, Adel, S. 111; NEUGEBAUER, Zentralprovinz, S. 162. Martinys Berechnung beruht auf einer so nicht zutreffenden Annahme über die durchschnittliche Hufengröße in: BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 8. Bassewitz versucht die Größe des zumeist bäuerlichen Landes ausgehend von der Zahl der kontributionspflichtigen Hufen und der Annahme, deren Größe habe durchschnittlich 30 Morgen betragen, zu berechnen. Die Hufengröße lag allerdings häufig bei über 60 Morgen und erreichte in einzelnen Landesteilen bis zu 200 Morgen: H.-H. MÜLLER, Landwirtschaft, S. 31f. Zudem müsste in die Berechnung auch der kontributionsfreie bäuerliche Grundbesitz, der in Kreisen mit intensivem Landesausbau größer sein konnte als der kontributionspflichtige (vgl. Tabelle 2 im Anhang), mit einbezogen werden.

1.1. Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg vor 1806

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20. Jahrhunderts bei nur 39 % lag.33 Denn die Fläche des zu den großen privaten Besitzungen gehörenden Landes hatte sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts nicht verkleinert, sondern war durch Landabtretungen der Bauern im Zuge der Dienstablösungen, durch den Aufkauf von Domänen- und Bauerngütern sowie durch Neubildungen von Gütern stetig vergrößert worden.34 Im „Ritterland“ von Goldschmidts Berechnung ist dabei das Land enthalten, über das nichtadlige Familien, das königliche Haus und korporative Besitzer verfügten. Deren Anteil an der Fläche des „Ritterlandes“ dürfte etwas niedriger gelegen haben als ihr Anteil an der Zahl der Besitzungen.35 Der Anteil des Landes im unmittelbaren Besitz adliger Familien an der Gesamtfläche der Altmark lässt sich folglich auf knapp 10 %, in der übrigen Kurmark auf knapp 25 % und in der Neumark auf knapp 30 % schätzen. Für den größten Teil des unmittelbar zu den „adligen Gütern“ gehörenden Landes waren keine Grundsteuern zu entrichten und Naturallieferungen zu leisten. Allerdings zahlten die meisten Besitzer, da deren Land ursprünglich landesherrliches Lehn war, das sogenannte Lehnspferdegeld als Ausgleich für die 1717 aufgehobene Pflicht zur Einholung der Lehnsbestätigung und der Stellung bzw. Finanzierung von Ritterpferden im Kriegsfalle.36 Die Höhe der damit verbundenen auf dem Grundbesitz lastenden Abgaben lässt sich auf etwa 5 –10 % derjenigen schätzen, die der sogenannte kontributionspflichtige Grundbesitz zu tragen hatte und die aus Steuern sowie aus deutlich unter dem Marktwert vergüteten Naturalabgaben für das Militär bestanden.37 Für das seit dem 17. Jahrhundert zum Gutsland eingezogene kontributionspflichtige Bauernland, das um 1800 ungefähr ein Fünftel von dessen Fläche ausmachte,38 waren allerdings die darauf haftenden Abgaben auch von den Gutsbesitzern zu entrichten, sofern ihnen dies nicht –––––––––– 33 34 35

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SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 186. Ebd., S. 58 – 63, S. 174 –183 und S. 203 –209. SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 206: 1857 betrug der Anteil der von Adligen besessenen Rittergüter an deren Gesamtzahl in der Provinz Brandenburg 62 % an der Fläche des Rittergutsbesitzes aber 66,1 %. BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 16f.; SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 40. Schätzung nach den Angaben zum Steueraufkommen in der Kurmark 1804/5 bei BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 207–209, und den Angaben zur Grundbesitzverteilung bei GOLDSCHMIDT, Grundbesitzverteilung, S. 90 –127. Zu den Abgaben an Militär und Staatsverwaltung traten allerdings noch diejenigen an die Landschafts- und Kreiskassen, die ebenfalls nur auf dem kontributionspflichtigen Besitz lasteten und gut ein Sechstel der ersteren betrugen, vgl. BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 210f. Zugleich war steuerfreier Grundbesitz an Kolonisten ausgegeben worden, so dass die Vergrößerung der Eigenwirtschaften insgesamt geringer ausfiel: GOLDSCHMIDT, Grundbesitzverteilung, S. 95 – 98. Zur Verteilung kontributionspflichtiger und -freier Hufen zwischen den Besitzern adliger Güter und sonstigen Grundeigentümern in der Neumark vgl. Tabelle 2 im Anhang.

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1. Die Akteure betreten die Arena

durch besondere landesherrliche Verfügung erlassen worden war.39 Seit 1763 waren die Umwandlung von Bauern- in Gutsland sowie die Zusammenlegung bäuerlicher Grundstücke durch gesetzliche Vorschriften untersagt, um das Aufkommen an Steuern sowie Abgaben zu sichern und der wachsenden Bedeutung bäuerlicher Grundbesitzer als Rekruten des preußischen Heeres gerecht zu werden.40 Die finanzielle Lage der Besitzer adliger Güter wurde dadurch begünstigt, dass ihnen seit 1777 im Rahmen des Ritterschaftlichen Kreditinstituts günstige und unbefristete Kredite zur Verfügung standen, die bis zur Höhe der Hälfte des geschätzten Besitzwertes gewährt wurden. Das Kreditinstitut basierte auf gemeinschaftlicher Haftung der beigetretenen Gutsbesitzer für die auf einzelne Güter aufgenommenen Schulden. Die Gesamtverwaltung lag bei der Ritterschafts-Hauptdirektion unter Aufsicht eines königlichen Kommissars. Die Verwaltung einzelner Distrikte übernahmen RitterschaftsDirektoren und die Ritterschafts-Räte der zu den Distrikten gehörenden Kreise. Die Hauptdirektion wurde durch Deputierte der Kreise gewählt und kontrolliert, die Direktoren und Räte direkt durch die beigetretenen Gutsbesitzer. Während der Beitritt und das aktive Wahlrecht allen zustand, die ein adliges Gut besaßen – unabhängig, ob sie selbst adlig waren oder nicht –, konnten zu Verwaltungsämtern nur Adlige gewählt werden. Die Wahl zum Ritterschafts-Direktor setzte zudem die Herkunft „von gutem Adelichen Geschlechte“ voraus, die Wahl in die Ritterschafts-Hauptdirektion die Herkunft „von dem Chur- und Neumärkischen alten Adel“.41 Teils mit dem Gutsbesitz verbunden, teils unabhängig von diesem war der sogenannte Besitz von Dörfern und seit dem 17. Jahrhundert neu angelegten Kolonien. Die Verwaltung dieser Dörfer und Kolonien wurde von den Besitzern kontrolliert, die Bewohner waren in unterschiedlichem Ausmaß zu Abgaben und Diensten an diese verpflichtet und auf ihrem Land stand den Besitzern meist das Jagdrecht zu. Bratring zählt in seiner Beschreibung der Kurmark ca. 2.000 Dörfer und Kolonien auf, von denen sich ca. 800 (40 %) im Besitz von adligen Familien befanden. Am Besitz von weiteren ca. 180 Dörfern waren Adlige beteiligt. In der Altmark und der Prignitz lag dabei der Anteil der im Besitz adliger Familien befindlichen Dörfer und Kolonien an deren Gesamtzahl deutlich über 50 %, während er in den mittelmärkischen Kreisen bei unter 30 % lag. In der Neumark besaßen nach Bratrings Beschreibung adlige Familien ca. 350 (40 %) der ca. 870 Dörfer und Kolonien und am Besitz von weiteren ungefähr –––––––––– 39 40 41

SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 50 mit Anm. 96. Ebd., S. 50f. „Chur- und Neumärkisches allergnädigst confirmiertes Ritterschafts Credit-Reglement. De Dato 15. Junii 1777“, in: NCC, Bd. 6 (für 1777), Sp. 677–764, besonders Sp. 685, Sp. 689, Sp. 699 und Sp. 701. Vgl. SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 86 – 89; D. H. Müller, Eigentumsrecht, S. 125 –143.

1.1. Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg vor 1806

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40 Dörfern und Kolonien waren Adlige beteiligt.42 Die übrigen Dörfer und Kolonien unterstanden der landesherrlichen Domänenverwaltung, gehörten zum königlichen Hausfideikomiss oder nichtadligen Familien, Städten oder geistlichen und weltlichen Einrichtungen wie der Universität Frankfurt an der Oder, dem Johanniterorden, dem Züllichauer Waisenhaus oder einzelnen Kirchen. Neben den Besitzrechten an Dörfern verfügten einige adlige Familien auch über Verwaltungsbefugnisse sowie Abgaben aus Mediatstädten und Marktflecken, von denen 32 zum Besitz adliger Familien zählten.43 Der Besitz von Dörfern und adligen Gütern war meist mit der gutsherrlichen Polizeiund Gerichtsverwaltung verbunden. Die Besitzer konnten aus eigenem Recht Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zur Ausführung landesherrlicher Anordnungen ergreifen. Zur Durchsetzung ihrer Anweisungen stand den Besitzern und ihren Bevollmächtigten die Verhängung und Ausübung von Polizeistrafen zu. Die Rechtsprechung für diese Güter und Dörfer erfolgte meist im Rahmen der Patrimonialgerichtsbarkeit in erster Instanz durch Justiziare, die vom Gutsbesitzer ernannt und bezahlt wurden, aber die Ausbildungsvoraussetzungen für ein Richteramt an einem Landesgericht erfüllen mussten. Die Urteile wurden im Namen der Besitzer gesprochen, und ihnen standen als Gerichtsherren die Gebühren der Gerichtsbarkeit sowie die verhängten Strafgelder zu. Zum Teil und lokal unterschiedlich geregelt wurden zur Kostendeckung der Kriminalgerichtsbarkeit Abgaben erhoben. Die meisten Besitzer übten zudem das Schul- und Kirchenpatronat aus, das sich abgesehen von einigen Ehrenrechten im Recht zur Auswahl der Lehrer und Prediger sowie in der Verwaltung der für die Schulen und Kirchen erhobenen Abgaben niederschlug.44 Ein Großteil der bäuerlichen Bevölkerung war nicht nur im Rahmen der gutsherrlichen Verwaltungsbefugnisse, sondern auch aufgrund eingeschränkter Eigentumsrechte an den Bauernhöfen zu Abgaben an adlige Gutsbesitzer und zu Hand- und Spanndiensten für sie verpflichtet. Ungefähr ein Drittel der bäuerlichen Bevölkerung der Kurmark verfügte nur über ein schwaches Besitzrecht am bearbeiteten Land und war hinsichtlich Erbfolge und Veräußerungen von Entscheidungen der Gutsherren abhängig.45 Unabhängig vom bäuerlichen Besitzrecht existierten teilweise persönliche Erbuntertänigkeitsverhältnisse bäuerlicher Familien, die diese an die ihnen zugewiesenen Höfe und die damit verbunden Abgaben und Dienste banden.46 –––––––––– 42 43

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45 46

Zählung der Ortsangaben bei: BRATRING, Beschreibung, passim. Ebd., passim. Zu den Mediatstädten und Marktflecken der Mark Brandenburg vgl. ENDERS, „Flecken“; GÖSE, Herrschaft. Vgl. BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 15f.; SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 38f. DIPPER, Geschichte, S. 181. Zur Vielfalt der Besitz- und Rechtsformen vgl. H.-H. MÜLLER, Landwirtschaft, S. 27–31; BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 22–26.

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1. Die Akteure betreten die Arena

Die knapp 900 adligen Gutsbesitzer der Mark Brandenburg verfügten also über ungefähr ein Viertel der Gesamtfläche, leisteten von diesem Land nur geringe Abgaben und konnten auf günstige Kredite zurückgreifen. Darüber hinaus standen ihnen die Verwaltung sowie Abgaben und Dienste von fast der Hälfte der Dörfer zu.47 Der landesherrliche oder staatliche Zugriff auf die Ressourcen eines Großteils des Landes außerhalb der Städte und Domänen konnte angesichts dieser Verhältnisse nur durch Einbindung der adligen Gutsbesitzer in die Verwaltung oder im Konflikt mit ihnen erfolgen. Die Jahrzehnte vor 1807 waren vor allem von politischer und administrativer Einbindung gekennzeichnet. Die Verwaltung der Güter und Dörfer der einzelnen Kreise und Landesteile unterstand Landräten, während die landesherrlichen Domänen und die Städte getrennt verwaltet wurden. Die Rechnungskontrolle der in Kreiskassen gesammelten Steuern der landrätlichen Kreise, die Verteilung der zum Teil erheblichen Rechnungsüberschüsse sowie der Sonderabgaben für das Militär erfolgte weitgehend in Selbstverwaltung der Gutsbesitzer, die die Lokalverwaltung innehatten. Auch die Durchführung von Maßnahmen zur Durchsetzung landesherrlicher Verfügungen sowie die Aufbringung der Mittel für die Instandhaltung von Wegen und Deichen oblagen der Selbstverwaltung der Gutsbesitzer, die als Kreisstände oder Kreisritterschaft regelmäßig zu Kreisversammlungen, auch Kreistage genannt, zusammentraten und bei Fragen, die weniger bedeutend oder nur im Konsens zu erledigen waren, durch Umlaufschreiben befragt wurden. Die Immediatstädte waren in die landesherrliche Verwaltung durch Steuerräte eingebunden und auf den Kreistagen nur vertreten, sofern sie über eigenen Gutsbesitz verfügten oder wenn gemeinsame Angelegenheiten von Städten und Gütern eine gesonderte Vertretung erforderlich machte. Die Mediatstädte wurden, sofern ihre Beteiligung nötig schien, durch die adlige Obrigkeit oder die zuständigen Steuerräte vertreten. Für die im Kreisgebiet liegenden landesherrlichen Domänen, deren Verwaltung ebenfalls getrennt von den landrätlichen Kreisen erfolgte, entsandten die Provinzialverwaltungen gegebenenfalls Vertreter zu den Kreistagen. Altmark, Prignitz und Uckermark bildeten in Hinsicht auf die ständische Selbstverwaltung eine Einheit. In der Prignitz und der Uckermark galt dies auch für die landrätliche Verwaltung, die von drei Landräten gemeinsam übernommen wurde, wobei einem die Leitung als Kreis- oder Landesdirektor zustand.48 Als Leiter der Kreisverwaltung unterstanden die Landräte der landesherrlichen Provinzialverwaltung, den Kriegs- und Domänenkammern, und berieten zum Teil mit diesen, zum Teil untereinander kreisübergreifende Verwaltungsfragen. Das Amt wurde –––––––––– 47

48

Über die Einkommens- und Vermögensverteilung in der Provinz geben die Angaben für das beginnende 19. Jahrhundert allerdings kaum Aufschluss, erst für dessen zweite Hälfte liegen ausreichende Daten vor, vgl. SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 229. VETTER, Zusammensetzung; BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 159 –169.

1.1. Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg vor 1806

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fast immer von im Kreis mit Gütern angesessenen Adligen ausgeübt, und 1740 wurde den Kreisständen der Mark Brandenburg das bis dahin immer wieder umstrittene Präsentationsrecht von Landratskandidaten förmlich bestätigt. Seit 1753 wurden zur Unterstützung und Vertretung der Landräte zwei Kreisdeputierte gewählt und am Ende des 18. Jahrhunderts unterlagen auch die sonstigen Kreisbediensteten der Wahl durch die Kreisstände.49 In der Neumark fanden zur Koordination der Verwaltung mehrmals jährlich gesonderte, „Landtag“ genannte Zusammenkünfte der Landräte statt, von denen einer den Vorsitz als Landesdirektor innehatte.50 In der Kurmark traten die Landräte im Rahmen des Lastenausgleiches zwischen den Kreisen und der Rechnungslegung der dazu dienenden Marsch- und Molestienkasse unter Leitung des dienstältesten Landrates, des Seniors, zusammen.51 Über die Selbstverwaltung der Kreise und die Wahlen von Landratskandidaten, Kreisdeputierten und Kreisbediensteten hinaus nahmen die Kreisstände durch Deputierte verschiedene kreisübergreifende Verwaltungsaufgaben wahr, die ihnen im Laufe des 18. Jahrhunderts übertragen wurden. Dazu zählten in der Kurmark vor allem die Selbstverwaltung der Hypothekenregistratur für die Güter und der Feuerversicherung für die ländlichen Gebäude.52 Durch die 1763 erfolgte Einbindung der Landräte in das Kantonssystem der Heeresergänzung verfügten die Kreisstände auch über einen begrenzten Einfluss auf die Rekrutenauswahl.53 An den Landesgerichten bestand trotz bei gleicher Ausbildungsvoraussetzungen formal eine Unterscheidung von adliger und bürgerlicher „Bank“ der Räte. Die Kreisstände der Altmark beanspruchten bis weit in das 18. Jahrhundert hinein das Präsentationsrecht für die Besetzung der adligen Bank am Obergericht Stendal.54 Von besonderer Bedeutung war die Beteiligung der Kreisstände an der Verwaltung des landschaftlichen Kreditwerkes, das häufig kurz Landschaft genannt wurde und mit dem oben erwähnten ritterschaftlichen Kreditinstitut formal in keinem Zusammenhang stand. Die Landschaft diente seit dem 16. Jahrhundert der Garantie, Verzinsung und Tilgung landesherrlicher Schulden durch die Stände.55 Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts war dem landschaftlichen Kreditwerk außerdem eine Mitgarantie an der –––––––––– 49

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BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 165 –167; NEUGEBAUER, Zentralprovinz, S. 159f.; EIFERT, Paternalismus, S. 40f. Zur Entstehung des Landratsamtes und der Kreisverfassung vgl. HINTZE, Ursprung; DERS., Wurzeln; DERS., Commissarius; DERS., Hohenzollern, S. 292. GÖSE, Geschichte, S. 34. BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 170 –173. Ebd., S. 169f., S. 173f. HARNISCH, Kantonssystem, S. 144 und S. 149. BAUMGART, Geschichte, S. 157f. Zur älteren Geschichte der Landschaft: BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 133 –138; HAẞ, Stände, S. 172–297; HAHN, Landesstaat.

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1. Die Akteure betreten die Arena

Preußischen Seehandlung sowie zusammen mit der königlichen Hauptbank an der Witwenversorgungskasse übertragen worden. Für die Refinanzierung der ständisch garantierten Schulden wurde in der Kurmark von Land und Städten das „neue Biergeld“ erhoben, in der Kur- und einem Teil der Neumark auf dem Land der „Hufen- und Giebelschoß“ sowie in den kurmärkischen Städten verschieden Abgaben der „Städtekasse“. Zudem verfügte die Landschaft über Zinseinnahmen für Kapitalien, die an die landesherrlichen Kassen verliehen waren.56 Seit Ende des 17. Jahrhunderts unterstand die Verwaltung des landschaftlichen Kreditwerkes der Oberaufsicht des Landesherrn und wurde durch einen Direktor sowie einen Vizedirektor geleitet, die von diesem ernannt, allerdings auch auf die Wahrung der Interessen der am Kreditwerk beteiligten Kreisstände und Städte verpflichtet wurden. Seit 1749 stand deren Vertretern das Präsentationsrecht von Kandidaten für das Amt des Landschaftsdirektors zu. Die Kreisstände und Städte waren darüber hinaus an der Verwaltung der Landschaft durch gewählte Verordnete beteiligt. Zur Rechnungsabnahme des Hufen- und Giebelschoßes sowie des Biergeldes traten zudem jährlich sogenannte große Ausschüsse zusammen. In diese entsandten neben den Domkapiteln Brandenburg und Havelberg die von den Abgaben betroffenen Landesteile Deputierte, die von den Kreisständen als Vertreter der Ritterschaft gewählt wurden. Im Biergeldausschuss waren die Domkapitel durch zwei, die kurmärkischen Kreisstände durch acht und die kurmärkischen Städte durch sieben Deputierte vertreten.57 Im großen Ausschuss des Hufen- und Giebelschoß berührten sich die ständische Verwaltung der Kurund eines Teils der Neumark, die ansonsten kaum in Kontakt standen – allerdings ohne Beteiligung der Städte.58 Über den Biergeldausschuss und direkt durch Deputierte waren die kurmärkischen Kreisstände auch an der Verwaltung des 1791 entstandenen Landarmenwesens beteiligt, das dem Unterhalt von Armen-, Invaliden- und Irrenhäusern diente. Der Ausschuss zum Hufen- und Giebelschoß wurde seit 1796 zur Rechnungslegung und Verteilung der Naturallieferungen für das Militär hinzugezogen.59 Das landschaftliche Kreditwerk

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BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 152–158: Die Summe der von der Landschaft 1806 garantierten und verwalteten landesherrlichen Schulden betrug 3,3 Millionen Reichstaler, denen 1,7 Millionen Reichstaler als Aktiva in Form von an landesherrliche Kassen gegen Zins verliehenen Kapitalien gegenüberstanden. Die über die Landschaft aufgenommenen Schulden betrugen damit 1805 ungefähr 6 % der Gesamtschulden der Monarchie, die zu diesem Zeitpunkt 53 Mio. Reichstaler betrugen. Zur Verschuldung der Monarchie: WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 97. BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 150. GÖSE, Geschichte, S. 37–39. BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 176 –188.

1.1. Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg vor 1806

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bildete damit den institutionellen Rahmen, in dem die Kreisstände und Städte als Landstände agierten und als solche an der Landesverwaltung beteiligt waren.60 Der landesherrliche Zugriff auf die Landbevölkerung, die nicht im städtischen Weichbild lebte oder den Domänenämtern unterstand, erfolgte also abgesehen von einigen Sonderfällen vor allem vermittelt über die Gutsbesitzer, zum einen direkt über die ständischen Verwaltungsinstitutionen, zum anderen über die in die Provinzialverwaltungen eingebundenen Landräte. Die Gutsbesitzer waren für die Umsetzung landesherrlicher Anordnungen und die Erhebung von Steuern sowie Abgaben im Bereich ihrer Besitzungen verantwortlich und nur sie standen, in der Regel durch ihr Verwaltungspersonal, mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt. Landesherrschaft und gutsherrliche Rechte über Untertanen waren eng miteinander verbunden und ihre Durchsetzung gegenüber den Landgemeinden wurde entsprechend den lokalen Verhältnissen mehr oder minder konfliktreich ausgetragen. Konflikte zwischen Gutsherrschaft und Landgemeinden wurden dabei zunehmend auch Gegenstand von Prozessen an Landesgerichten, sodass die Gutsuntertanen durch die landesherrliche Justiz in direkten Kontakt zur Landesherrschaft traten.61 Die Landesverwaltung stand zu der auf den Gütern lebenden Bevölkerung aber weiter im Wesentlichen nur über die Gutsbesitzer in Beziehung. Unter diesen Bedingungen gewannen Kreisstände und ständische Institutionen gerade durch die Bemühungen um Intensivierung der Landesverwaltung im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts an Bedeutung. Sowohl die Beteiligung an der ständischen Verwaltung als auch die Ausübung gutsherrlicher Befugnisse und Ehrenrechte waren an den Besitz von „adligen“ Gütern gebunden, die nichtadlige Personen nur mit Einschränkungen erwerben konnten. Zum einen waren diese Güter teilweise durch lehnsrechtliche Bestimmungen an bestimmte adlige Familien gebunden und damit dem freien Gütermarkt entzogen. Zum anderen stand der Verkauf „adliger“ Güter an Nichtadlige generell unter Vorbehalt landesherrlicher Genehmigung und die Ausübung der gutsherrlichen Rechte durch nichtadlige Neuerwerber war im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts gesetzlich eingeschränkt worden. Der größte Teil der brandenburgischen Güter war vor 1717 als landesherrliche Lehen vergeben worden, nur wenige befanden sich bereits zuvor in freiem Besitz oder wurden im 18. Jahrhundert aus Domänen- oder Bauernland neu gebildet.62 Im Landtagsrezess von 1653 hatte Kurfürst Friedrich Wilhelm bekräftigt, dass die Belehnung in der Regel nur an Adlige unter Bevorzugung bereits angesessener Familien erfolgen sollte. Allerdings stand es dem Landesherren frei, ihm genehme Personen, darunter auch nichtadli–––––––––– 60 61

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BAUMGART, Geschichte, S. 157. Zur Vielfalt und Komplexität der lokalen Herrschaftsverhältnisse und zur Rolle der Justiz: KAAK, Bauern; ENDERS, Emanzipation; HAGEN, Prussians, S. 524 –592. SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 40; BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 16.

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1. Die Akteure betreten die Arena

ge, zu belehnen.63 Zudem gerieten mehrere Güter durch Verkauf oder wiederkäufliche Überlassung in Besitz nichtadliger Personen, zumeist aufgrund von Überschuldung.64 Da spätestens seit Mitte des 17. Jahrhunderts dem Erwerb eines adligen Gutes und der Ausübung der damit verbundenen Rechte und Pflichten kein mehr oder weniger stillschweigender Übergang der Besitzer in den Adel folgte,65 entstand eine Gruppe nichtadliger Gutsbesitzer. Im Jahr 1713 waren in der Kurmark (ohne Altmark) 29, das heißt über 5 % von den 567 in den Vasallenlisten verzeichneten Gutsbesitzern nichtadlig, 1718 waren es in der Neumark 24 oder knapp 5 % von insgesamt 521.66 Nach der 1717 erfolgten Aufhebung der mit dem Besitz der meisten Güter verbundenen Lehnspflichten bestand das besondere Verhältnis der Gutsbesitzer zum Landesherren weiter. Dies schlug sich symbolisch in der persönlichen Leistung des Vasalleneides durch die Besitzer und ihrer Verzeichnung in Vasallenlisten nieder. Darüber hinaus hatte der Landesherr die Möglichkeit zur Einflussnahme auf Besitzerwechsel.67 Die Lehngüter blieben auch den lehnsrechtlichen Bestimmungen zur Erbfolge, Verschuldung und Veräußerung unterworfen und damit im Besitz der Gesamtfamilie, während der einzelne Inhaber Nutznießer war. Zur Übernahme der Lehngüter waren nur männliche Nachkommen des Inhabers berechtigt. Sofern die Belehnung zur „ganzen Hand“, also an alle männlichen Mitglieder einer Familie erfolgt war, was in der Mark Brandenburg meist der Fall war, ging die Erbberechtigung auf die nächstverwandten männlichen Nachkommen der Erstbelehnten über, wenn der Besitzer des Lehngutes ohne Söhne verstarb. Töchtern und Witwen standen dann, solange männliche Erbberechtigte vorhanden waren, nur gewisse Entschädigungssummen zu. Fehlten männliche Erben, erlosch die Lehnsbindung, und das Gut konnte in den persönlichen Besitz von Frauen übergehen oder verkauft werden. Die Lehnsbindung erlosch ebenfalls, wenn das Gut wegen Überschuldung verkauft werden musste. Ein Verkauf von Lehngütern und die damit verbundene Aufhebung der Lehnsqualität ohne vorherigen Konkurs waren nur bei einem Konsens aller Erbberechtigten möglich, ohne den auch die Möglichkeit zur Verschuldung des Besitzes begrenzt blieb. Während in der Neu–––––––––– 63 64

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Landtagsrecess, de dato den 26.Jul.1653, in: CCM, Teil 6, Abt. 1, S. 426 – 464, hier 440f. Zu Güterhandel und Lehnswesen im ausgehenden 17. Jahrhundert vgl. GÖSE, Rittergut, S. 43 – 65 und S. 110 –128. Zum Übergang in den Adel durch Erwerb von Gutsbesitz bis zum 17. Jahrhundert am Beispiel der Altmark: ENDERS, Standeswechsel. Ebd., S. 489f. In der Altmark, zu der für das spätere 18. Jahrhundert keine kompletten Zahlen vorliegen, gab es 1713 158 adlige Vasallen und 12 nichtadlige, die um der Vergleichbarkeit mit späteren Angaben willen hier herausgerechnet wurden. Zu den nichtadligen Vasallen der Altmark zählten wahrscheinlich auch einige Besitzer von Freibauerngütern: MARTINY, Adelsfrage, S. 114, Anm. 1. SCHILLER, „Edelleute“, S. 259; DERS., Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 41.

1.1. Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg vor 1806

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mark Inhaber von Lehngütern deren Lehnsbindung für die Erben aufheben konnten, war dies in der Kurmark an den Konsens aller Erbberechtigten gebunden.68 In der Kurmark sank der Anteil der Güter, die als Lehngüter an einzelne Familien gebunden waren, weit langsamer als in der Neumark, so dass in der Kurmark um 1800 wahrscheinlich noch die Mehrheit der Güter Lehngüter waren.69 Mitte des 19. Jahrhunderts waren in den kurmärkischen Kreisen der Provinz Brandenburg, bei starken regionalen Unterschieden, noch etwa 25 % aller Rittergüter in Lehnsbesitz, in der Neumark nur noch deutlich weniger als 5 %.70 Die familienrechtliche Lehnsbindung bremste zwar den Übergang der Güter an neue Besitzergruppen, aber die Zahl nichtadliger Gutsbesitzer stieg bis in das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts deutlich an. In der Kurmark (ohne Altmark) gab es 1769 unter 531 Vasallen 53 und damit ungefähr 10 % bürgerliche Gutsbesitzer,71 die allerdings über weniger als 8 % der in Privatbesitz befindlichen späteren Rittergüter verfügten.72 In der Neumark lag der Anteil nichtadliger Vasallen zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich ebenfalls bei etwa 10 %.73 Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts veränderte sich die landesherrliche Politik gegenüber dem Güter besitzenden Adel. Die brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Könige hatten seit Mitte des 17. Jahrhunderts vor allem auf ihre finanzielle und administrative Unabhängigkeit vom gutsbesitzenden Adel hingewirkt, um den Auf- und Ausbau des stehenden Heeres zu ermöglichen. Dazu diente zum einen die Einführung von dauerhaften Steuern, zu denen die von ehemals bäuerlichen Grundstücken unabhängig von deren neuen Besitzer aufzubringende Kontribution, die städtische Akzise und das Lehnspferdgeld zählten. Zum anderen erfolgte mit diesem Ziel der Aufbau einer allein dem Landesherrn verantwortlichen Staatsverwaltung sowie die Ausweitung des Domänenbesitzes und die Förderung des Gütererwerbs durch landesherrliche Amtsträger. Diese Politik richtete sich nicht unbedingt gegen die altangesessenen Adelsgeschlechter, denn auch diese profitierten zunehmend von der Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse und einzelne dem Hof verbundene Adelsfamilien erfuhren –––––––––– 68

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SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 280 –299; D. H. MÜLLER, Eigentumsrecht, S. 23 –106; DERS., Umwandlung; DERS., Eigentumsformen. BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 16. René Schiller schätzt, dass ein Drittel der kurmärkischen Güter im Laufe des 18. Jahrhunderts mindestens einmal verkauft und damit wahrscheinlich aus lehnsrechtlichen Bindungen gelöst wurde (SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 289). SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 294. GÖSE, Rittergut, S. 493. In der Altmark, ohne die Kreise Arendsee und Seehausen, waren es 99 adlige Vasallen und 12 nichtadlige. Berechnet nach: SCHILLER, „Edelleute“, S. 277. GÖSE, Struktur, S. 46: Göse gibt für 1772 die Zahl adliger Vasallen mit 444 an und listet 50 Güter mit unterschiedlichen bürgerlichen Besitzern auf. Der Kreis Landsberg ist zwar nicht getrennt aufgeführt, aber offensichtlich in den Gesamtzahlen enthalten.

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landesherrliche Unterstützung. Dennoch wurde das Verhältnis der Landesherren zur Mehrheit der Adelsgesellschaft von vielfältigen Konflikten belastet.74 Nach seinem Herrschaftsantritt 1740 verfolgte König Friedrich II. im Vergleich zu seinen Vorgängern verstärkt eine Politik der Unterstützung adliger Gutsbesitzer und ihrer Einbindung in die landesherrliche Verwaltung. Eine wesentliche Ursache dafür bildete die zunehmende Bedeutung adliger Gutsbesitzer und ihrer Söhne für die Besetzung der Offiziersränge des wachsenden Heeres. Im Jahr 1713 waren in der Kurmark 29 % der adligen Vasallen aktive oder ehemalige Offiziere und 31 % der Vasallensöhne standen in militärischer Ausbildung oder dienten bereits als Offiziere. Dagegen lag der Anteil aktiver und ehemaliger Offiziere 1759 bei 54 %, und 48 % der Vasallensöhne bereiteten sich auf eine Offizierslaufbahn vor oder hatten diese bereits eingeschlagen.75 In der Neumark zeigen sich ähnlich steigende Zahlen der Offiziersanwärter und Offiziere bei den Vasallensöhnen sowie der verabschiedeten Offiziere bei den Vasallen in den Jahrzehnten zwischen 1720 und 1760.76 Auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts diente über die Hälfte der Söhne adliger Gutsbesitzer als Offiziere, beendete den Dienst aber zunehmend nach Übernahme eigener Güter.77 Für einen Großteil der adligen Gutsbesitzer wurde der Offiziersdienst, der die besondere Beziehung zum Landesherrn unterstrich, zu einem wichtigen Bestandteil der Sozialisation und Selbstwahrnehmung, allerdings aufgrund der begrenzten Dienstzeit und der häufig auch während dieser fortbestehenden Bindung an die ländliche Adelsgesellschaft nicht unbedingt der bestimmende.78 Für die preußische Militärverfassung hatte der zeitweilige Offiziersdienst adliger Gutsbesitzer und ihrer Söhne besondere Bedeutung, da durch ihn die wachsende Zahl niedriger, unzureichend bezahlter Ränge des Offizierscorps besetzt werden konnte – unter Mitfinanzierung durch die adligen Güter.79 In den Kriegsjahrzehnten seit Beginn der Regierung Friedrichs II. erfüllten die kurund neumärkischen adligen Offiziere zudem weitgehend die Erwartungen des Monarchen hinsichtlich ihrer militärischen Leistungsfähigkeit. Diese Umstände sowie merkantilistische Überlegungen, die darauf zielten, den Abfluss von Kapital aus Handel und Gewerbe in den Grundbesitz zu bremsen, bewogen den König zu Maßnahmen, die den Verkauf von Gütern durch Adlige eindämmen sollten. Die bisherige Ausweitung –––––––––– 74 75 76 77

78 79

GÖSE, Rittergut, S. 94 –132 und S. 271–283. Ebd., S. 489 und S. 492. Ebd., S. 490f. Für 1769: ebd., S. 493; für 1801: MARTINY, Adelsfrage, [109]; für das Ende des 18. Jahrhunderts: SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 412 und S. 413. GÖSE, Rittergut, S. 228 –236; HAGEN, Prussians, S. 302. GÖSE, Rittergut, S. 158 –162.

1.1. Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg vor 1806

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des Domänenbesitzes zu Lasten des adligen Güterbesitzes wurde eingestellt, die Besitzwechsel adliger Güter landesherrlicher Kontrolle unterworfen und schließlich der Verkauf an Nichtadlige von königlicher Genehmigung abhängig gemacht.80 Während des Siebenjährigen Krieges wurde der Gutserwerb durch Nichtadlige aus wirtschaftlichen Gründen allerdings weiter in Kauf genommen. Danach kam es in der Kurmark bis zum Tode Friedrich II. zu einem deutlichen Rückgang der Zahl nichtadliger Besitzer, wofür die Verweigerung des königlichen Konsenses zum Güterkauf zumindest zum Teil verantwortlich gemacht werden kann. Neumärkischen Adligen konnte angesichts der wirtschaftlichen Situation nach dem Siebenjährigen Krieg der Konsens zum Verkauf an finanzstarke nichtadlige Interessenten allerdings häufig nicht verweigert werden, so dass hier die Zahl der nichtadligen Gutsbesitzer weiter zunahm.81 Nach dem Siebenjährigen Krieg erfolgten auch weitere Bestimmungen, die den Gutsbesitz für nichtadlige Erwerber unattraktiv machen und nichtadlige Besitzer als nicht gleichwertig kennzeichnen sollten: Ihnen wurde das Patronats- sowie Jagdrecht entzogen und Urteile der zu den von Nichtadligen erworbenen Gütern zählenden Patrimonialgerichte durften nicht mehr im Namen der Neuerwerber gesprochen werden. 1775 wurden sie zudem formell von der Beteiligung an der ständischen Verwaltung ausgeschlossen. Nichtadlige Gutsbesitzer, die bereits vor 1775 ihre Güter erworben hatten, sowie deren Erben behielten ihre Rechte.82 Einem vollständigen Ausschluss nichtadliger Besitzer von den kreisständischen Beratungen stand gerade in Kreisen mit einem hohen Anteil nichtadliger Besitzer entgegen, dass die Kreisverwaltung auf der Einbindung der Träger der Lokalverwaltung beruhte und Abgaben sowie Schulden der Kreise auf den Gütern unabhängig von deren aktuellen Besitzern lasteten. Aus demselben Grund wurden auch Güter besitzende Frauen zumindest gelegentlich zu Abstimmungen und Beratungen hinzugezogen, sei es durch Vertreter, durch schriftliche Voten oder auch persönlich.83 Die Beteiligung von Gutsbesitzerinnen an ständischen Versammlungen und Umlaufschreiben zwischen 1814 und 1820 wurde zumindest nicht als Neuerung angezweifelt.84 Für eine diese –––––––––– 80 81 82 83

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SCHILLER, „Edelleute“, S. 261–263 Ebd., S. 276 –279. Ebd., S. 267f. Den Beitritt zur Wahl eines Landratskandidaten durch die „verwitwete Frau Kriegsrätin Brandhorst auf Satzkorn“ vermerkt zum Beispiel das Protokoll der Landratswahl des Kreises Havelland vom 6.5.1795, Abdruck in: VETTER, Zusammensetzung, S. 410 – 412, hier S. 412. Beispiele sind eine Befragung der Lebuser Kreisstände im Herbst 1819 (Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 135f.), eine ständische Immediateingabe des Königsbergschen und Soldinschen Kreises v. 25.12.1819 (GStA, I. HA, Rep. 74 H IX, Nr. 20, Bl. 50 –57) und eine ständische Vollmacht des Oberbarnimschen Kreises v. 11.2.1820 (BLHA, Rep. 37 Garz, Nr. 89, Bl. 46f.).

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1. Die Akteure betreten die Arena

Praxis spricht zudem, dass Gutsbesitzerinnen bei der Neuregelung der Kreisordnung von 1825 das Recht eingeräumt wurde, sich auf Kreistagen vertreten zu lassen.85 Die Nachfolger Königs Friedrich II. veränderten bis 1807 zwar nicht die gesetzlichen Bestimmungen, gaben aber verstärkt die Zustimmung zu Verkäufen an Nichtadlige und trugen auch durch Nobilitierungen zum Zustrom von Kapital in den Gütermarkt bei. Diese Politik entsprach dem Interesse einzelner adliger Gutsbesitzer an günstigen Verkaufsmöglichkeiten, das sich auch in der Umgehung gesetzlicher Vorschriften niederschlug, trug zu den steigenden Preisen für Grundbesitz bei, von dem die Kreditwürdigkeit der Gutsbesitzer profitierte, und schuf Möglichkeiten für sozialen Aufstieg, ohne mit den bestehenden Verhältnissen radikal zu brechen.86 Dasselbe Bemühen um Gewährleistung eines gewissen sozialen und ökonomischen Wandels bei gleichzeitiger grundsätzlicher Wahrung bestehender Verhältnisse zeigte sich im Umgang mit der Veräußerung von Gütern an die zu ihnen gehörenden Landgemeinden durch Ausgabe des parzellierten Gutslandes in Erbpacht. Dieses Verfahren wurde zwar 1805 königlicher Genehmigung unterworfen, aber nicht um es generell zu verbieten, sondern um sicher zu stellen, dass es nicht einem vollständigen Verkauf gleichkam und dass die entstehenden neuen Besitzungen eine bestimmte Größe nicht unterschritten.87 Dennoch stieg in der Kurmark die Zahl nichtadliger Besitzer von „adligen“ Gütern nur langsam, sie erreichte außerhalb der Altmark erst 1807 den Stand von 1763 und überschritt damit einen Anteil an den Vasallen von 10 %, während ihr Besitzanteil an adligen Gütern bei ungefähr 9 % lag. In der Neumark befanden sich zu diesem Zeitpunkt etwa 13 % der späteren Rittergüter im Besitz von nichtadligen Personen.88 Trotz dieses Anstieges der Zahl nichtadliger Gutsbesitzer kann davon ausgegangen werden, dass die wirtschaftliche Lage der Mehrheit adliger Gutsbesitzer am Ende des 18. Jahrhunderts insgesamt eher günstiger war als hundert Jahre zuvor, als die Folgen –––––––––– 85

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Kreis-Ordnung für die Kur- und Neumark v. 17.8.1825, § 5, in: Rauer (Hg.), Gesetzgebung, S. 55 – 63, hier S. 56f. Zur Vertretung bei den Wahlen von Landratskandidaten: Eifert, Paternalismus, S. 54 und S. 112f. Zum verstärkten Übergang „adliger“ Güter an nichtadlige Besitzer: ebd., S. 280; MARTINY, Adelsfrage, S. 34 –39. MARTINY, Adelsfrage, S. 41– 44. SCHILLER, „Edelleute“, S. 280f.: Die Angaben zur Kurmark geben das Verhältnis zwischen der Anzahl bürgerlicher Besitzer (62) und der Gesamtzahl der späteren Rittergüter mit 8,7 % an. Noch 1804 lag die Zahl der nichtadligen Gutsbesitzer in der Kurmark ohne Altmark bei nur 48, was einem Anteil an den Vasallen von 10,4 % entsprach, während in der Altmark 38 nichtadlige und 97 adlige Vasallen gezählt wurden: BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 18. Die von Schiller für die Neumark angegebene Zahl von 42 nichtadligen Besitzern bezieht sich offensichtlich nur auf die Teile, die später zur Provinz Brandenburg kamen. Dies lassen zumindest die Zahlen zur Besitzstruktur von 1804 vermuten: SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 531f.

1.1. Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg vor 1806

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des Dreißigjährigen Krieges nur langsam und unter massiven Veränderungen der Besitzstruktur bewältigt wurden.89 Zumindest in der Kurmark bemühte sich zudem ein wachsender Teil der Gutsbesitzer um gezielte Effizienzsteigerung der Gutsbetriebe – zum Teil durch verbesserte Verträge bei Verpachtung, zum Teil auch durch Ablösung bäuerlicher Dienste, Separation von Guts- und Bauernland sowie Einführung neuer Bewirtschaftungsmethoden.90 Neben ökonomischer Leistungskraft und Bedeutung für den Offiziersnachwuchs sicherten die gutsherrliche und ständische Beteiligung an der Landesverwaltung den adligen Gutsbesitzern der Mark Brandenburg im beginnenden 19. Jahrhundert eine deutlich herausgehobene gesellschaftliche Stellung. Umstritten waren allenfalls die theoretischen Grundlagen dieser Position. Das 1794 vom König in Kraft gesetzte Allgemeine Landrecht, das in der Mark Brandenburg allerdings nur subsidiär zu den bestehenden Provinzialrechten galt, versuchte die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse als staatliche Ordnung zu systematisieren.91 So wurden die gutsherrlichen Verwaltungsbefugnisse zwar im Wesentlichen bestätigt, aber durch den Kontext verdeutlicht, dass die Redaktoren des Gesetzbuches sie als Übertragung staatlicher Aufgaben verstanden.92 Ständische Versammlungen wurden überhaupt nur im Zusammenhang mit der Bestimmung erwähnt, dass „in der Regel“ nur Adligen die Mitwirkung daran zustehe.93 Statt ständischer Selbstverwaltung kannte das Allgemeine Landrecht nur Berufs- und Funktionsstände und bestimmte in diesem Zusammenhang einen allgemeinen preußischen Adelsstand, dem „die Verteidigung des Staats, so wie die Unterstützung der äußern Würde und innern Verfassung desselben“ in besonderer Weise obliege.94 Damit wurde der Adel in die Nähe zu den landesherrlichen Beamten, den „Staatsdienern“, gerückt. Aber diese bildeten im neuen Verständnis die eigentliche Staatsverwaltung, womit ihnen implizit eine höhere Bedeutung für die Monarchie zugeschrieben wurde als dem Adel.95 Die Befugnisse adliger Gutsbesitzer im Rahmen der Kreis- und Landstände stand mit der im Landrecht definierten Funktion des Adels nur insofern in Zusammenhang, als sie sich mit dieser rechtfertigen ließen. Damit wurde letztlich suggeriert, dass die adligen Gutsbesitzer ihre Bedeutung für die Landesverwaltung einer von ihnen unabhängigen staatlichen Ordnung verdankten. Die zur Begutachtung –––––––––– 89

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Zur wirtschaftlichen Entwicklung in der zweiten Hälfte des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts: GÖSE, Rittergut, S. 35 –148; GEISELER, Region. VETTER, Adel, S. 117–121; H.-H. MÜLLER, Landwirtschaft, S. 34 –38 und S. 119 –131. Vgl. LINK, Naturrecht, S. 31–37; Peter Krause: Diskussionsbeiträge, in: EBEL (Hg.), Gemeinwohl, S. 38 und S. 148f. ALR, 2. Teil, 7. Titel (S. 432– 452). Vgl. KLEINHEYER, Verständnis, S. 282–286. ALR, 2. Teil, 9. Titel, § 46 –50 (S. 536). Vgl. KLEINHEYER, Verständnis, S. 276. ALR, 2. Teil, 9. Titel, § 1 (S. 534). KOSELLECK, Preußen, S. 73 –77.

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1. Die Akteure betreten die Arena

der Entwürfe des späteren Landrechtes aufgeforderten Deputierten der Ritterschaft und der Städte, die in einem eigenständigen Ständekomitee zusammentraten, protestierten gegen eine solche Deutung der Herrschaftsverhältnisse und versuchten deren Ursprung aus Verträgen zwischen Landständen und Landesherren hervorzuheben.96 Dem Rezess des Landtages von 1653 kam in der ständischen Argumentation besondere Bedeutung zu, nicht nur, weil seitdem kein vollständiger Landtag mehr einberufen worden war, sondern auch, weil den adligen Ständen durch den Kurfürsten darin die einzelnen Herrschaftsbefugnisse gegenüber ihren bäuerlichen Untertanen ebenso bestätigt wurden wie ihr Recht, bei der Gesetzgebung beratend hinzugezogen zu werden.97 Die Stände hatten ihrerseits in die Erhebung der Kontribution zur Finanzierung des Heeres eingewilligt.98 Später waren die ständischen Rechte anlässlich von Huldigungen bei Herrscherwechseln im Wesentlichen nur noch summarisch bestätigt worden, und Beratungen mit den Ständen über Gesetzgebung und Besteuerung fanden im Rahmen der Landschaftsausschüsse oder durch direkte Befragung der Kreisstände statt.99 Die unbefristete Bewilligung der Kontribution für das Land und die Einführung der städtischen Akzise im letzten Drittel des 17. sowie die Ausweitung des Domänenbesitzes bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts hatten die landesherrlichen Finanzen von ständischen Bewilligungen weitgehend unabhängig gemacht. Der Aufbau einer landesherrlichen Zentral- und Provinzialverwaltung hatte zudem die Bedeutung der Stände bei der Verwaltung der Steuern vermindert. Nach 1740 war die Intensivierung der Landesverwaltung allerdings verstärkt unter Einbindung ständischer Institutionen erfolgt, wodurch die adligen Gutsbesitzer in veränderter Form und in enger Anlehnung an landesherrliche Institutionen an Bedeutung für die Verwaltung gewannen.100 Die Funktion der Stände als Selbstverwaltung ländlicher Besitzungen schlug sich in einem Begriffsgebrauch nieder, der als Kreis- und Landstände nicht unterschiedliche Korporationen, sondern die einzelnen Besitzer bezeichnete. So behauptete zum Beispiel der Landrat Rochus von Rochow 1820 von sich, er sei 56 Jahre „Landstand“ gewesen, und vom Landschaftsdirektor Otto von Voß, dieser sei der „erste Landstand“.101 –––––––––– 96

VETTER, Adel, S. 26 –28. Landtagsrecess, de dato den 26. Jul. 1653, in: CCM, Teil 6, Abt. 1, S. 426 – 464. 98 Zum Zustandekommen und den Auswirkungen des Landtages von 1653: NEUGEBAUER, Zentralprovinz, S. 82– 88. 99 Ebd., S. 87– 89; BAUMGART, Geschichte, S. 136f. und S. 158f.; BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 188 –191. 100 WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 59 – 69; NEUGEBAUER, Zentralprovinz, S. 88 – 96, S. 105 –119 und S. 156 –160. 101 R. v. Rochow an G. v. Rochow, 10.1.1820, und Ders. an Dens., 1.9.1819, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 115f. und Bl. 59. 97

1.1. Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung in der Mark Brandenburg vor 1806

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Staatliche und ständische Verwaltung waren in der Mark Brandenburg um 1800 auch dadurch eng verwoben, dass sechs Prozent der kurmärkischen adligen Vasallen landesherrliche Ämter innehatten.102 Am deutlichsten wird die Verbindung landesherrlicher und ständischer Verwaltung an der Stellung der Landräte, die einerseits als Teil der Provinzialverwaltung die Landesherrschaft in den Kreisen repräsentierten, andererseits die Kreisstände im Rahmen der Provinzialverwaltung vertraten, teils direkt aufgrund ihrer Funktion als Landräte, teils als gewohnheitsmäßige Deputierte in den Landschaftsausschüssen.103 Für die Nähe von preußischer Landesverwaltung und kurmärkischen Ständen stand um 1800 vor allem Otto von Voß, der als Staatsminister für die landesherrliche Verwaltung der Kurmark zuständig war und gleichzeitig auf ständischen Vorschlag die Ämter des Landschaftsdirektors, des Feuersozietätsdirektors und des königlichen Kommissars bei der Ritterschafts-Hauptdirektion innehatte.104 Die Beteiligung brandenburgischer Adliger an der Zentralverwaltung konzentrierte sich auf wenige Adelsgeschlechter, die häufig schon seit dem 16. Jahrhundert in enger Beziehung zum Landesherrn standen, und diese Geschlechter stellten auch regelmäßig einen gewissen Anteil der Landräte.105 Die häufige Übernahme der Landratsstellen durch bestimmte Geschlechter entsprang allerdings auch der hohen Anzahl von Besitzungen bestimmter Geschlechter in einzelnen Kreisen. So gab es im Havelländischen Kreis 1804 unter 62 adligen Vasallen elf von Bredows und zehn von der Hagens. Im Zauchischen Kreis gehörten zu diesem Zeitpunkt von 18 adligen Vasallen fünf dem Geschlecht von Rochow an, und in der Uckermark zählten von 91 adligen Vasallen 24 zu den von Arnims sowie zehn zu den von Winterfelds, die gleichzeitig auch in der Prignitz über 10 % der Vasallen stellten.106 Der Bindung wichtiger Adelsfamilien an die Landesherrschaft dienten neben ihrer Beteiligung an der Verwaltung auch die königlichen Vergaberechte von Präbenden der geistlichen Stifte. Besondere Bedeutung kam dem königlichen Einfluss auf die Besetzung der Domherrenstellen im Brandenburger und Havelberger Domkapitel zu. Diese waren Mitgliedern altadliger Familien vorbehalten, die ein mindestens dreijähriges Universitätsstudium absolviert hatten.107 Da das Studium meist der Vorbereitung für eine Verwaltungs- oder Justizlaufbahn diente, bestand eine enge Verbindung zwischen landesherrlicher Verwaltung und den Domka–––––––––– 102

MARTINY, Adelsfrage, [119]: Der Anteil staatlicher Beamter an der Zahl der Vasallen mit bekannter Berufstätigkeit lag leicht höher. 103 Vgl. GÖSE, Rittergut, S. 324f. 104 Vgl. PETERSDORFF, Voß, S. 353 –359. 105 GÖSE, Rittergut, S. 216 –219 und S. 333 –338. 106 BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 18. 107 Zu den Vergabeverfahren von Präbenden der in der Kurmark gelegenen Balleien, Stifte und Klöster: ebd., S. 383 –399. Allerdings konnte mit den Anwartschaften auf die Präbenden gehandelt werden, was in hohem Maße erfolgte: MARTINY, Adelsfrage, S. 63.

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1. Die Akteure betreten die Arena

piteln, für die exemplarisch ebenfalls der Minister Otto von Voß als Havelberger Domherr steht.108 Angesichts der Vermischung ständischer und landesherrlicher Zuständigkeiten ließen sich sowohl Argumente für eine Deutung von Adel als staatlichem Funktionsträger finden, wie sie sich im Allgemeinen Landrecht niederschlug, als auch für die Deutung des Staates als Teil der zwischen Landesherrn und den Ständen der Provinz ausgehandelten Herrschaftsverhältnisse, auf die sich die Gutachten des Ständekomitees bezogen. Es ist bezeichnend, dass die kritische Haltung zum Landrecht vor allem von Carl Graf Finck von Finckenstein vertreten und im Komitee durchgesetzt wurde. Finckenstein war 1779 aus dem Justizdienst entlassen worden, da er sich gegen Eingriffe Königs Friedrich II. in die Urteilsfindung des unter seinem Vorsitz tagenden neumärkischen Gerichts, in dem adlige Räte eine starke Position einnahmen, gewehrt hatte.109 Die Verschiebung der Inkraftsetzung und die Umarbeitung des Allgemeinen Landrechtes zwischen 1792 und 1794 kann allerdings nur in geringem Maße und indirekt auf ständische Grundsatzkritik zurückgeführt werden, deren Hauptanliegen auch in der Geltung erlangenden Fassung nicht berücksichtigt wurden.110 Den Bemühungen des Ständekomitees unter Leitung von Finckenstein, zumindest bei der Kodifikation des kurmärkischen Provinzialrechtes die ständische Deutung der Verhältnisse zum Ausdruck zu bringen,111 stand entgegen, dass im Provinzialrecht nur ergänzende Bestimmungen zu einzelnen Abschnitten des Landrechtes aufgenommen werden durften.112 Der Anspruch des Allgemeinen Landrechtes, die Gesellschaft staatlich zu ordnen, führte zunächst zu keinen radikalen Eingriffen in die bestehenden Wirtschafts-, Verwaltungs- und Besteuerungsverhältnisse. Die teilweise Aufhebung der Akzise- und Zollbefreiung von Adligen, die 1799 ohne vorherige Beratung mit ständischen Gremien erfolgte, zeigte zwar den Anspruch der Staatsverwaltung auf Entscheidungshoheit, war aber offensichtlich von zu geringer Bedeutung, als dass sie zu mehr als formalen Protesten geführt hätte.113 Das Bild einer sich abzeichnenden Adelskrise um 1800, das Fritz Martiny in seiner Studie von 1938 zeichnet,114 ist geprägt von der Vorstellung, dass es ursprünglich einen –––––––––– 108

PETERSDORFF, Voß, S. 353. BIRTSCH, Gesetzgebung, S. 280f. Zu Finckenstein: SCHWARZE, Finkenstein. Zur rechtsgeschichtlichen Einordnung des der Entlassung Finckensteins vorhergehenden Müller-Arnold-Prozesses: LUIG, Gebrauch. 110 Vgl. KRAUSE, Überforderung; FINKENAUER, Gesetzbuch; BIRTSCH, Gesetzgebung, S. 293. 111 Zur Tätigkeit des Ständekomitees: VETTER, Adel, S. 27f. 112 Vgl. KLEINHEYER, Verständnis, S. 289. 113 Zu den vergeblichen Bemühungen ständischer Deputierter um Zulassung des Rechtsweges und der geringen Unterstützung für einen Konfrontationskurs gegenüber der Staatsverwaltung: VETTER, Adel, S. 56 und S. 64. 114 MARTINY, Adelsfrage. 109

1.2. Die Arena preußische Verfassungsdebatte 1807–1818

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wirtschaftlich stabilen Adel gab, der ein Monopol auf den großen Grundbesitz hatte, die Staatsverwaltung dominierte und die politischen Entscheidungen im Rahmen ständischer Gremien mitbestimmte. Einen solchen Adel hat es zumindest in der Mark Brandenburg allerdings nie gegeben. Martiny vermischt die ständischen Befugnisse des 17. Jahrhunderts mit den gesetzlichen Regelungen des späten 18. Jahrhunderts, ohne dem Wandel der Wirtschafts- und Herrschaftsverhältnisse Rechnung zu tragen. Zudem scheinen die 1938 bei Erscheinen seiner Studie aktuellen Entwürfe einer auf „Blut und Boden“ gestützten Elite den impliziten Vergleichsmaßstab abgegeben zu haben. Der seit 1795 bei der landesherrlichen Provinzialverwaltung, der Kriegs- und Domänenkammer, in der Kurmark angestellte spätere Oberpräsident der Provinz Brandenburg Friedrich Magnus Freiherr von Bassewitz konstatierte 1847 jedenfalls mit Blick zurück auf die Situation vor 1806: „Die Rittergutsbesitzer, größtentheils in geregelten Vermögenszuständen, waren im Allgemeinen mit ihrer Lage und ihren Verhältnissen im Staate zufrieden, da sie außer dem Lehnspferdgeld keine directen Abgaben zu leisten hatten, und als erster Stand in der Provinz mancherlei Rechte und Vorzüge gegen die anderen Stände voraus hatten. Waren ihnen gleich in den letzten 10 Jahren manche Gerechtsame entzogen oder beschränkt worden, […], so sahen sie die Nothwendigkeit dieser Maaßregeln doch ein, […]. Wenige unter ihnen hatten sich dem Civildienste des Staates gewidmet und eine höhere Bildung auf Universitäten genossen, dahingegen hatten fast alle im Heere als Offiziere gedient oder dienten noch in solcher Art nebst ihren erwachsenen Söhnen, da der Offiziersstand vor allen anderen ausgezeichnet war, und sich großer äußerer Vorzüge zu erfreuen hatte.“115

1.2. Die Arena preußische Verfassungsdebatte 1807–1818. Kriegsschulden, Staatsverwaltung und Repräsentation a)

Französische Kontributionsforderungen, ständisch garantierte Provinzialschulden, Domänenverpfändung und Reformpolitik

Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die herausgehobene, mit vielen ökonomischen Vorteilen verbundene gesellschaftliche Stellung adliger Gutsbesitzer von den Verwaltungsbehörden bei Auseinandersetzungen um die Bedeutung ständischer und staatlicher Verfasstheit der preußischen Monarchie kaum mehr als theoretisch in Frage gestellt. Dies änderte sich grundlegend, als sich 1805 der Krieg gegen das napoleonische Frankreich anbahnte und die Rücklagen der königlichen Kassen, der Staatsschatz, –––––––––– 115

BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 493f.

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1. Die Akteure betreten die Arena

bereits durch die Mobilisierung des Heeres aufgebraucht wurden.116 Im Herbst dieses Jahres und im Sommer des folgenden wurde eine Neuverteilung der Naturallieferungen an das Heer angeordnet, die mit weniger als der Hälfte des Marktpreises vergütet wurden und von allen ländlichen Besitzungen nach Maßgabe der 1797 erhobenen Aussaatmengen zu erbringen waren. Bereits im Vorfeld und nach Einführung der Lieferpflicht protestierten mehrere kurmärkische Kreisversammlungen gegen die Gleichstellung kontributionspflichtiger und nicht kontributionspflichtiger Flächen. Stattdessen boten sie freiwillige und kostenlose Getreidelieferungen an. Das von der Provinzialverwaltung eingeschlagene Verfahren wurde allerdings beibehalten, obwohl es grundsätzlich mit der bisherigen Steuerverfassung brach und zu einer relativ hohen, neuen Belastung der bisher von Naturallieferungen befreiten Grundstücke führte.117 Nach der französischen Eroberung der Kurmark im Herbst 1806 wurde zur Begleichung der von den Besatzungsbehörden unter Androhung von gewaltsamer Einziehung geforderten Kriegskontributionen eine Sondersteuer ausgeschrieben, die auch von den Gutsbesitzern zu entrichten war. Der kurzfristigen Aufbringung der Kontributionssumme dienten Anleihen gegen Verpfändung vorhandener Staats- und Landschaftsobligationen. Da die französischen Behörden sich weigerten, mit Vertretern der preußischen Staatsverwaltung zu verhandeln, wählte eine Deputiertenversammlung der Immediatstädte und Kreisstände, die in Form des Großen Ausschusses für das Biergeld zusammentrat, ein Ständekomitee, dem die Einziehung, Verwaltung und Auszahlung der Kriegskontribution sowie die Aufnahme der nötigen Anleihen übertragen wurde. Darüber hinaus veranlasste diese Deputiertenversammlung die Umwandlung der Besteuerung in eine Zwangsanleihe und beauftragte das Komitee weitergehende französische Forderungen durch Aufnahme von Schulden zu begleichen. Die Rückzahlung der Zwangsanleihe und der vom Komitee aufzunehmenden Schulden garantierten die Deputierten im Namen der Stände.118 Die ständische Schuldenaufnahme und Übergangsverwaltung blieben getrennt vom landschaftlichen Kreditinstitut, um eine dauerhafte Belastung ständischer Verwaltungsinstitutionen durch die Kriegsfolgen zu vermeiden.119 Erst im Sommer 1807 wurde die Landschaft, deren Schuldscheine zu weit besserem Kurs gehandelt wurden als die der interimistischen Ständeverwaltung, in die Aufbringung der Kriegskontributionen einbezogen, da das Ständekomitee sich zunehmend außer Stande sah, den französischen Forderungen zu entsprechen und kurzfristige Wechselschulden zu bedienen. Die Summe der aufgenommenen Schulden übertraf deutlich die Einnahmen durch die Zwangsanleihe, da das Komitee gegen hohe Risi–––––––––– 116

WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 97. BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 190 und S. 311–315. 118 DERS., Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 5 –37. 119 Ebd., S. 697. 117

1.2. Die Arena preußische Verfassungsdebatte 1807–1818

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koprämien kurzfristige Kredite annehmen musste. Eine durch den zweiten Direktor der Landschaft, Großkanzler Heinrich Julius von Goldbeck,120 einberufene Ausschussversammlung bewilligte die Übergabe von Landschaftsobligationen zur kurzfristigen Begleichung französischer Forderungen und wählte ein zweites ständisches Komitee, das zwar personell weitgehend dem ersten entsprach, sich aber auf weit bessere Legitimation berufen konnte. Der Friedensschluss von Tilsit 1807 beendete jedoch diese Ansätze zur Verbindung von alter ständischer und neuer interimistischer Verwaltung.121 Das Ständekomitee entsandte nach Friedensschluss die Landräte Albrecht Wilhelm von Pannwitz und Friedrich von Zieten sowie den Bürgermeister von Frankfurt an der Oder, Johann Heinrich Freytag, als Deputierte mit dem Auftrag an den König, um Übernahme der neuen Kriegsschulden und der noch ausstehenden Kontributionsforderungen durch die Staatskassen sowie um den Erhalt der ständischen Verfassung zu bitten. Die Stände erhielten daraufhin die Zusicherung, dass die Kontributionen aus königlichen Kassen bezahlt würden, wurden jedoch beauftragt, vorläufig weiter die Bezahlung der französischen Forderungen zu organisieren.122 Angesichts der vom König deutlich geäußerten Kritik am Verhalten der Verwaltung und der Einwohner von Kur- und Neumark während des Krieges trugen die Deputierten die Bitte um Erhalt der ständischen Verfassung erst bei ihrer letzten Audienz am 31. August vor. Bis dahin hatten sie bereits in Gesprächen mit Verwaltungsbeamten Informationen über die Grundzüge der Planungen zu Verwaltungs- und Steuerreformen erhalten. Zieten notierte: „Unterdessen hatten wir nun erfahren, dass der Verkauf der Rittergüter, an einen jeden, der nur das Geld habe, sowie auch die Zerstückelung derselben frei seyn sollte; das mithin, da die Ständische Qualität bisher einzig auf die Güther geruhet habe, allerdings das ständische Wesen eine ganz andere Richtung erhalten werde, indem Adel und Stände hinfüro nicht mehr gleichbedeutend seyn, sondern großen Theils ganz andere Personen die Stände bilden würden, als der Adel.“ Dafür solle die ständische Repräsentation „kräftiger“ werden, allerdings sei nicht abzusehen, was aus den geplanten „Steuerumwälzungen“ folge.123 Der König versicherte, als einer der Deputierten ihn schließlich doch auf die ständische Verfassung ansprach, dass ihm keine Anträge zu deren Änderung vorlägen, was die Deputierten an das ständische Komitee übermittelten, das diese Auskunft an die Kreise weiterleitete.124 In der Neumark hatte ebenfalls ein Ständekomitee die Kriegsschuldenverwaltung übernommen, das ähnlich wie das kurmärkische agierte. Nach Kriegsende verbanden –––––––––– 120

Zu Goldbeck: STRAUBEL, Handbuch, S. 323f. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 38 –54. 122 Ebd., S. 56 –59 123 Tagebuchaufzeichung des Landrates von Zieten zum 31.8.1807, in: BRINKMANN, Quelle, S. 111. 124 Bericht der Deputierten an das Komitee, 5.9.1807 und Komitee (Fritze, v. Bismarck, v. Goldbeck) an Kreise, 13.9.1807, in: ebd., S. 112–114. 121

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auch dort die ständischen Deputierten die Bitte um Schuldenübernahme durch den Staat mit der um Aufrechterhaltung der ständischen Befugnisse.125 Damit begann sich die enge Verbindung zwischen Schulden- und Verfassungsfrage abzuzeichnen, die die politischen Auseinandersetzungen des folgenden Jahrzehnts prägen sollte. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde in der oberen Staatsverwaltung über ständische Verfassung vor allem mit Blick auf Repräsentation diskutiert, während die Vertreter der Stände unter der bisherigen ständischen Verfassung vor allem die Verbindung von Adel, Gutsbesitz und Landesverwaltung verstanden. Bis zum Abzug der französischen Besatzungsbehörden am Ende des Jahres 1808 wurden vom kurmärkischen Ständekomitee in Zusammenarbeit mit den Provinzialbehörden zur Begleichung der mehrfach erhöhten französischen Forderungen neue Sondersteuern ausgeschrieben, wobei neben der Aussaat auch Gewerbe- und Mieteinnahmen sowie Zinserträge der Umlage zugrunde gelegt wurden. Dennoch stiegen die vom Ständekomitee aufgenommen Schulden rasant an und die ständischen Schuldverschreibungen wurden nur noch mit 40 % bis 60 % des Nominalwertes gehandelt.126 Eine erneute Einbeziehung des landschaftlichen Kreditwerkes in die ständische Übergangsverwaltung verhinderte 1808 Landschaftsdirektor Otto von Voß. Die Bedeutung, die der Unabhängigkeit dieses Instituts beigemessen wurde, verdeutlichen die Bemühungen um Aufrechterhaltung der regelmäßigen Zinszahlungen an die Gläubiger der von der Landschaft verwalteten Schulden während eines Zeitraumes, in dem fast alle staatlichen Institutionen ihre Zahlungen eingeschränkt oder ganz eingestellt hatten. Erst im Mai 1808 wurde die Verzinsung der Landschaftsobligationen eingestellt, da sich die Landschaftsverwaltung außer Stande sah, den Ausfall der Zahlungen aus Staatskassen an die Landschaft länger durch persönliche Kreditaufnahme der Kassenvorstände und Anleihen beim interimistischen Ständekomitee auszugleichen. Jedoch wurde die Begleichung der rückständigen Zinsen bereits zu Beginn des Jahres 1809 schrittweise wieder aufgenommen.127 Im Dezember 1808 endete die französische Besatzung, die bis zuletzt mit zum Teil radikalen Mitteln Naturallieferungen und Zahlungen eingefordert hatte.128 Die Neumark sowie der größte Teil der Kurmark kehrten unter die preußische Landesverwaltung zurück. Die Altmark wurde aufgrund der Bestimmungen des Tilsiter Friedens an das neu gegründete Königreich Westphalen abgetreten und dafür wurden die drei bei –––––––––– 125

RADEKE, Kriegsschulden, S. 72–75; NEUGEBAUER, Staatskrise, S. 254 –258. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 64 –120. 127 Ebd., S. 81 und S. 697f.; DERS., Kurmark 1809/10, S. 266 –275. 128 Eine der einschneidenden Maßnahmen der Besatzungsverwaltung im Jahr 1808 war die Konzentration der französischen Truppen in Lagern, deren Finanzierung durch Inhaftierung der 25 reichsten kurmärkischen Grundbesitzer erzwungen wurde: BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 78 –101. 126

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Preußen verbleibenden magdeburgischen Kreise mit der Provinz Kurmark administrativ vereinigt. Die Reorganisation der preußischen Verwaltungsbehörden, die bereits 1807 eingesetzt hatte, erfuhr kurz nach Abzug der französischen Truppen ihren vorläufigen Abschluss. An der Spitze der Verwaltung stand nun ein Staatsministerium, das sich aus reinen Fachministerien zusammensetzte, während bis 1807 sachliche und regionale Zuständigkeiten vermischt waren. Die Justizorganisation wurde durch Bildung von Oberlandesgerichten vereinheitlicht, denen auch ein Großteil der bisherigen Verwaltungsjustiz und die Aufgaben bisheriger Sondergerichte übertragen wurden. In der Kurmark übernahm das Oberlandesgericht allerdings den alten Namen Kammergericht. Zur Polizei- und Finanzverwaltung der Provinzen wurden Regierungen gebildet – unter Übertragung der Bezeichnung für die bisherigen Behörden, die für verschiedene zur Justiz- und Regalienverwaltung zählenden Angelegenheiten einzelner Landesteile zuständig gewesen waren. Die Koordination mehrerer Provinzen und die Verhandlungen mit den Provinzialständen übernahmen drei Oberpräsidenten als Kommissare des Staatsministeriums. Für die Provinzen Kurmark, Neumark und Pommern wurde Johann August Sack zum Oberpräsidenten ernannt.129 Die staatliche Verwaltungsaufsicht über die Städte durch Steuerräte wurde gemäß der 1808 in Kraft gesetzten Städteordnung zu Gunsten weitgehender kommunaler Selbstverwaltung 1809 abgeschafft. Die kleinen und mittleren Städte wurden allerdings ebenso wie die Domänenämter der Polizeiverwaltung durch die Landräte unterstellt, wodurch sich deren Befugnisse über die Leitung der Selbstverwaltung der ländlichen Gutsbesitzer hinaus ausdehnten. Dies stellte die bisherige ständische Kreisverfassung in Frage, ohne dass Vorschriften zu deren Neuregelung erlassen wurden.130 Die mit der Einrichtung der neuen Staatsverwaltung einhergehende Personalpolitik löste die personellen Verbindungen zwischen landesherrlichen und ständischen Verwaltungsinstitutionen der Kurmark. Der Landschaftsdirektor Otto von Voß, der selbst auf eine Zentralisierung der Verwaltung gedrängt hatte, wurde 1807 als Minister entlassen, da er sich weigerte, ohne eigenes Vortragsrecht beim König und unter der Leitung des Grafen Carl August von Hardenberg zu arbeiten, dem gegenüber er sich zudem aufgrund persönlicher Kränkung die Forderung nach Genugtuung in Form eines Duells vorbehielt. Auch nach Hardenbergs Entlassung weigerte sich Voß in untergeordneter Stellung in den Staatsdienst einzutreten, übernahm aber 1808 die Leitung der Immediat-Friedensvollziehungs-Kommission, nicht ohne die ihm übergeordnete Position des Premierministers Freiherr von Stein zu kritisieren. Nach dem erzwungenen Abschied Steins und der Auflösung der Immediat-Friedensvollziehungs-Kommission wurde Voß bei der Neuorganisation der Behörden nicht mehr berücksichtigt. Die mit seiner Stel–––––––––– 129 130

Ebd., Bd. 1, S. 474 – 482; HUBER, Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 149 –152 und S. 161f. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 1, S. 642f.; DERS., Kurmark 1809/10, S. 211–232; HUBER, Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 173 –176.

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lung als Landschaftsdirektor verbundene Funktion eines königlichen Kommissars bei den ständischen Verhandlungen wurde ihm unter Verweis auf die veränderte Verwaltungsorganisation im Februar 1809 unter Beibehaltung seines Gehaltes (und zumindest formal seines Direktorenamtes) entzogen.131 Die ständischen Deputierten protestierten nicht gegen diese Entscheidung, obwohl Voß sie dazu zumindest indirekt aufgefordert hatte.132 Bereits 1807 war der zweite Direktor der Landschaft, Großkanzler von Goldbeck, aus dem Dienst entlassen worden, da er nach der Besetzung Berlins den von Napoleon geforderten Eid geleistet hatte.133 Der kurmärkische Kammerpräsident Leopold von Gerlach, der in der Besatzungszeit eng mit den Ständekomitees zusammengearbeitet hatte, trat Ende 1808 aus dem Staatsdienst, da er nicht bereit war zu akzeptieren, dass die Verhandlungen mit den Ständen nur noch durch den Oberpräsidenten geführt werden sollten.134 Der Umfang, in dem die persönlichen Verbindungen zwischen der mittleren staatlichen Verwaltungsebene und dem ständischen Adel aufgelöst wurden, lässt sich nicht genau bestimmen. Allerdings ist den Angaben von Bassewitz zum Personal der 1809 neu gebildeten kurmärkischen Regierung zu entnehmen, dass drei adlige Besitzer von Gütern in der Kurmark ausschieden und dass unter den sieben übernommenen und 25 neuen Räten nur drei Adlige waren, von denen keiner über Gutsbesitz in der Mark Brandenburg verfügte.135 Die geplante Einbeziehung von ständischen Deputierten in die Regierung kam nicht zustande, da die Stände keine Kandidaten präsentierten.136 Am Kammergericht wurde 1809 die Unterscheidung von adliger und bürgerlicher Bank aufgehoben und die Bevorzugung Adliger im Militär wurde bereits 1808 formal beseitigt.137 Neben dem Umbau der Verwaltungsbehörden hatte die Staatsführung nach Kriegsende mit der Einführung eines freien Gütermarktes und der Aufhebung der Erbuntertä–––––––––– 131

BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 1, S. 392–396, S. 444 und S. 531f.; ebd., Bd. 2, S. 121f.; DERS., Kurmark 1809/10, S. 247; PETERSDORFF, Voß, S. 357–359; SCHÖNBECK, Landtag, S. 14f. und S. 20f. 132 Voß an Marwitz, 28.3.1812, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 162–165, hier S. 163f. 133 BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 1, S. 447. 134 Ebd., Bd. 2, S. 115. Zu Gerlach: J. GERLACH, Gerlach; STRAUBEL, Handbuch, S. 304f. 135 Adlig waren auch der Regierungs- und der Regierungsvizepräsident und zwei Oberforstmeister (alle ohne nachweisbaren Gutsbesitz in Kur- und Neumark, aber drei aus gutsbesitzenden adligen Familien) sowie fünf von zehn Assessoren: BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 165 –173. Zum Gutsbesitz: STRAUBEL, Handbuch, S. 35, S. 43, S. 531, S. 550, S. 861f., S. 917, S. 1048 und S. 1110. 136 Zur Kurmark: BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 175; zur gesamten Monarchie: KOSELLECK, Preußen, S. 175 und S. 178f. 137 Zum Kammergericht: BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 153f. Zur Aufhebung der Standesunterschiede beim Militär: HUBER, Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 234f.

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nigkeit begonnen. Durch das Oktoberedikt von 1807 wurde der Erwerb adliger Güter durch Nichtadlige freigegeben und den nichtadligen Besitzern wurden die gleichen Befugnisse wie den adligen zugestanden. Die bestehenden Beschränkungen der persönlichen Freizügigkeit bäuerlicher Bevölkerung wurden aufgehoben, allerdings für Bauern mit schlechtem Besitzrecht erst nach einer Übergangsfrist, die 1810 auslief. Außerdem wurden die Bestimmungen zum Erhalt der einzelnen Bauernstellen grundsätzlich beseitigt, jedoch unter Vorbehalt genauerer Regelungen.138 Die angekündigte Aufhebung personeller gutsherrlich-bäuerlicher Bindungen hatte an sich wenig Einfluss auf die Wirtschaftsverhältnisse in der Kurmark und stieß daher kaum auf Proteste, zumal keine Ausführungsbestimmungen vorlagen und weitergehende Planungen der Staatsverwaltung zur Herstellung freien bäuerlichen Eigentums sich erst in der Vorbereitungsphase befanden. Hinsichtlich der Regulierung der bäuerlichen und gutsherrlichen Besitzrechte an den Bauerngütern, die einer freien Verfügbarkeit der bäuerlichen Besitzungen vorausgehen musste, wurden allerdings verschiedene Forderungen gestellt, die hohe Entschädigungszahlungen für gutsherrliches Obereigentum und einen Rest von Dienstverpflichtungen sicherstellen sollten.139 Gegen die Freigabe des Gütermarktes und die ständische Gleichberechtigung nichtadliger Gutsbesitzer regte sich kein Widerstand. Bereits 1806 war der Geheime Finanzrat und General-Lotterie-Administrator August Friedrich Grothe, Besitzer der Güter Buckow und Gütergötz, als Deputierter der mittelmärkischen Ritterschaft in das kurmärkische Ständekomitee gewählt worden – offensichtlich wegen seiner finanzpolitischen Fähigkeiten.140 Im Kreis Lebus wurde 1809 mit Johann Gottlieb Lehmann der Sohn eines bürgerlichen Gutsbesitzers entsprechend der Wahl durch die Kreisstände zum Landrat ernannt, nachdem ihm bereits im Vorjahr die interimistische Verwaltung des Landratsamtes von den Kreisständen übertragen worden war.141 Insofern ist es verständlich, dass offizielle Proteste gegen die Gesetzgebung ausblieben. Allerdings meinte der Landrat Rochus von Rochow später, sich erinnern zu können, bereits 1807 gegenüber Landrat Albrecht Wilhelm von Pannwitz geäußert zu haben, bei Fortsetzung der eingeschlagenen Gesetzgebung würden die adligen Gutsbesitzer als „baronisierte Bauern“ enden.142 Konflikte zwischen den in den Ständen vertretenen Gutsbesitzern und der staatlichen Verwaltung entzündeten sich zunächst aber vor allem an der Frage, wie die von den –––––––––– 138

Edikt den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der Land-Bewohner betreffend, vom 9. Oktober 1807, in: GS 1806 –1810, S. 170 –173. 139 VETTER, Adel, S. 124 –131. 140 BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 21; STRAUBEL, Handbuch, S. 355. 141 FRIE, Marwitz – Biographien, S. 248 –253. 142 R. v. Rochow an G. v. Rochow, 26.1.1820, in: Nl. Rochow, B, Nr. 30 unpag.

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Ständekomitees aufgenommenen Kriegsschulden abgetragen werden sollten. Von der Staatsverwaltung wurde dafür die Einführung provinzialer Vermögens- und Einkommenssteuern nach Vorbild Ostpreußens vorgeschlagen, während die Vertreter der Stände weiter auf eine weitgehende Übernahme durch die Staatskassen hofften.143 Die Staatsfinanzen wurden allerdings durch die endgültigen Kontributionsforderungen Napoleons an die Preußische Monarchie unabhängig von den Provinzialschulden belastet. Ein Großteil dieser Forderungen sollte durch Ausstellung von Domänenpfandbriefen bedient werden, die nach Verkauf von Domänenvorwerken einzulösen waren. Um die Aufhebung der rechtlichen Regelungen, die den Verkauf von Domänenbesitz untersagten, durch ständische Zustimmung zu legitimieren und um den privaten Grundbesitz in die Garantie der Domänenpfandbriefe einzubinden, wurden in allen Provinzen Landtage einberufen, die zugleich über die Grundsätze der Vermögens- und Einkommensbesteuerung zur Abtragung der Provinzialschulden beraten sollten.144 Ende Februar 1809 trat ein kurmärkischer Landtag in Form des Großen Landschaftsausschusses zum neuen Biergeld zusammen – allerdings war die doppelte Zahl von Deputierten gewählt worden und diese waren nicht an Instruktionen gebunden.145 Gemeinsam mit den Vertretern der Neumark und der bei Preußen verbliebenen Teile des Herzogtums Magdeburg wurde im März ein Rezess zwischen Ständen und Landesherrschaft geschlossen, in dem die Stände sich zur Ausstellung von Pfandbriefen für einen Teil des Domänenbesitzes verpflichteten, der ihnen wiederkäuflich überlassen wurde. Die Pfandbriefe wurden durch das ritterschaftliche Kreditinstitut ausgestellt, dem die Stände als korporativer Besitzer der überlassenen Domänen beitraten.146 Die Garantie der Pfandbriefe erfolgte damit nicht basierend auf dem Kredit der Landschaft, sondern durch hypothekarische Belastung der Domänen unter Mithaftung der in der Ritterschaft assoziierten Gutsbesitzer. Bis zur Einlösung der Domänenpfandbriefe 1818 blieben ständische Deputierte an der Domänenverwaltung der Regierungen beteiligt.147 Der von der Staatsverwaltung vorgelegte Plan, die von der ständischen Übergangsverwaltung aufgenommenen Provinzialschulden wie in Ostpreußen durch eine Einkommenssteuer der Provinz abzutragen, wurde vom kurmärkischen Landtag grundsätzlich akzeptiert. Allerdings fasste eine aus adligen Gutsbesitzern bestehende Mehrheit der Deputierten Beschlüsse zu Sonderregelungen, die eine weitgehende Entlastung der Einkommen aus Gutsbesitz sicherstellen sollten.148 In der Neumark, deren Ständekomi–––––––––– 143

BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 121; RADEKE, Kriegsschulden, S. 24f. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 1, S. 602– 604; SCHÖNBECK, Landtag, S. 3 –12; KOSELLECK, Preußen, S. 171. 145 SCHÖNBECK, Landtag, S. 16. 146 Ebd., S. 21–32; BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 1, S. 604. 147 BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 174f. 148 SCHÖNBECK, Landtag, S. 33 –36 und S. 62–102. 144

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tee in der Besatzungszeit das Anwachsen der Schuldverpflichtungen besser unter Kontrolle gehalten hatte, versuchte der dortige Landtag vor allem, den Einfluss der Staatsverwaltung auf die Erhebung der neuen Steuer und der Schuldenverwaltung einzuschränken, was dem zuständigen Oberpräsidenten ebenso inakzeptabel erschien wie die Beschlüsse der Kurmark.149 Vorläufig wurde die Schuldenverwaltung weiter durch Ständekomitees ausgeübt und es wurden neue Sondersteuern als Vorleistung für die Einkommenssteuer ausgeschrieben.150 Auf einem im Dezember 1809 einberufenen gemeinsamen Landtag baten die kur- und neumärkischen Stände erneut um eine vollständige Übernahme der Provinzialschulden durch den Staat sowie eine Verzinsung und Abzahlung durch eine gesamtstaatliche Steuer, forderten aber zumindest den Abzug verschiedener Ausgaben von der Provinzialschuld zu Lasten der Staatskassen. Zudem protestierten sie gegen die wiederaufgenommene Verpflichtung zu Naturallieferungen für das Heer nach Maßgabe der Aussaat und verlangten eine Rückkehr zu den vor 1805 üblichen Befreiungen. Keiner der Bitten und Forderungen wurde entsprochen.151 Zu Beginn des Jahres 1810 wurden vom zuständigen Oberpräsidenten neue Entwürfe zu provinzialen Einkommenssteuerordnungen erarbeitet, wovon derjenige für die Kurmark im April vom König in Kraft gesetzt wurde. Dass die Landtagsbeschlüsse vom Vorjahr kaum Berücksichtigung fanden, entsprach dem gewohnten Vorgehen der staatlichen Verwaltungsbehörden. Aber dass zur Abschätzung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie der Verwaltung des Steueraufkommens ein Komitee gegründet werden sollte, in dem neben Gutsbesitzern und Städten auch die sonstigen ländlichen Grundbesitzer und Pächter vertreten waren, bedeutete eine verfassungspolitisch relevante Vorentscheidung, der die Gutsbesitzer deutlich und erfolgreich Widerstand entgegensetzten. Sie verweigerten die Wahl eigener Deputierter, wodurch das Komitee praktisch handlungsunfähig wurde.152 In der Neumark kam es nicht zum Erlass der Einkommenssteuerordnung.153 Der Konflikt zwischen staatlichen Verwaltungsbehörden und adligen Gutsbesitzern wurde zusätzlich angeheizt durch die teilweise unter Protesten vollzogene Abwicklung der ständischen Verwaltung des Landarmenwesens sowie der Hypothekenregistraturen.154 Zumindest der Konflikt um die Erhebung der Einkommenssteuer wurde mit der Berufung des Grafen Carl August von Hardenberg zum Staatskanzler beendet, da dieser –––––––––– 149

WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 112. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 142–158; NEUGEBAUER, Staatskrise, S. 259f. 151 BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 148 –155; DERS., Kurmark 1809/10, S. 250 –254; NEUGEBAUER, Staatskrise, S. 258f. und S. 260f. 152 BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 158 –164; WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 111f. 153 WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 112. 154 NEUGEBAUER, Staatskrise, S. 261; BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 257–259 und S. 262–266. 150

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die kurmärkische Einkommenssteuer im Juni 1810 suspendierte.155 Hardenberg wurde am 4. Juni 1810 mit weitreichenden Befugnissen die Leitung des Staatsministeriums übertragen, dem die Regierungen direkt unterstellt wurden, wodurch die Posten der Oberpräsidenten entfielen.156 Der neue Staatskanzler plante, unter Verzicht auf die bisherige von ständischen Befugnissen beeinflusste Steuererhebung in den Provinzen eine Schuldenregulierung durch gesamtstaatliche Steuern herbeizuführen.157 Am 27. Oktober 1810 wurden durch ein Edikt über die Finanzen des Staats und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben die Grundzüge der zukünftigen Steuer- und Schuldenpolitik angekündigt. Als deren Basis sollte neben der Einziehung der geistlichen Besitzungen zum Staatsvermögen die Einführung von Stadt und Land gleichmäßig erfassenden Grund-, Gewerbe- und Verbrauchssteuern dienen. Als Ausgleich wurde angekündigt, dass bei Einführung des neuen Besteuerungssystems die Verpflichtungen zu Naturallieferungen und Diensten sowie die bisherigen Steuern eingestellt würden. Mit der neuen Gewerbesteuer wurden zudem die Einführung allgemeiner Gewerbefreiheit und die Aufhebung aller Zwangs- und Bannrechte verbunden. Die neue Grundsteuer sollte mit der Aufhebung aller Steuerbefreiungen sowie mit der Verleihung von ungeteilten Eigentumsrechten an den ländlichen Besitzungen und der Ablösung der Dienstverpflichtungen bäuerlicher Grundbesitzer einhergehen. Zur Regulierung der Provinzial- und Kommunalschulden wurde die Bildung einer Generalkommission angekündigt, die unter Hinzuziehung von Deputierten aller Provinzen über deren teilweise Übernahme durch die Staatskassen und einen Ausgleich der Belastungen zwischen den Provinzen beraten sollte. Schließlich wurde die Möglichkeit angekündigt, dass zur zukünftigen Beratung von Finanz- und Verwaltungsfragen die „Nation eine zweckmäßig eingerichtete Repräsentation, sowohl in den Provinzen als für das Ganze“ erhalten werde.158 Den Ankündigungen des Finanzediktes folgten in den nächsten Tagen Ausführungsbestimmungen zur Einführung von Gewerbefreiheit und einheitlicher Gewerbebesteuerung, zur Erhebung der neuen, Stadt und Land gleichermaßen erfassenden Verbrauchssteuern sowie zur Säkularisierung der geistlichen Besitzungen. Darüber hinaus wurden erhöhte Tarife der Stempelsteuern für Verwaltungs- und Rechtsakte eingeführt. Die Einführung der allgemeinen Grundsteuer wurde hingegen zurückgestellt und stattdessen wurden zunächst Entwürfe zu gesetzlichen Maßnahmen erarbeitet, mit denen die –––––––––– 155

BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 164f. DERS., Kurmark 1809/10, S. 137–147. 157 Zur Situation der Staatsfinanzen und Hardenbergs Finanzplänen: E. KLEIN, Reform, S. 21–34; WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 125 –144 und S. 150. Zu Hardenbergs Vorgehen allgemein: KOSELLECK, Preußen, S. 185 –188. 158 Edikt über die Finanzen des Staats und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben, vom 27. Oktober 1810, in: GS 1810, S. 24 –31. 156

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angekündigte Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse, die Herstellung freien bäuerlichen Eigentums und die damit verbundene Ablösung der bäuerlichen Dienstverpflichtungen auf den Gütern eingeleitet werden sollten.159 Gegen die neuen Steuern protestierten in der gesamten Monarchie fast alle Bevölkerungsgruppen. An die Spitze der Proteste stellten sich unter Berufung auf die ständischen Steuerbewilligungsrechte adlige Gutsbesitzer, die vor allem die angekündigte gleichmäßige Besteuerung des Grundbesitzes verhindern und die geplanten Agrarreformen zu ihren Gunsten beeinflussen wollten.160 Um die öffentliche Meinung zu beruhigen und im Vorgriff auf die im Finanzedikt angekündigte Repräsentation, in deren Rahmen den Steuerpflichtigen Mitsprache an der Besteuerung zugestanden werden sollte, berief Hardenberg für Februar 1811 adlige Gutsbesitzer und Vertreter der Städte aller Provinzen nach Berlin ein. Dieser Notablenversammlung gelang es, unterstützt von Eingaben der Gutsbesitzer verschiedener Provinzen, weitgehende Modifikationen der Besteuerung zu erreichen, die Agrargesetzgebung zu Gunsten der Gutsbesitzer zu beeinflussen und eine allgemeine Grundsteuer zu verhindern.161 Das am 14. September 1811 verabschiedete Edikt zur Regulierung der gutsherrlichbäuerlichen Verhältnisse hielt zwar grundsätzlich am Ziel der Herstellung freien bäuerlichen Eigentums und der Aufhebung der Dienstpflichten fest, wobei die Zahl der berechtigten Bauern sogar weiter als ursprünglich geplant ausgedehnt wurde. Gleichzeitig wurden den Gutsherrschaften aber weitgehende Entschädigungsansprüche zugesprochen, deren Höhe und Abtragungsform vor der Eigentumsverleihung an die Bauern zu bestimmen war, und eine Übergangsfrist von vier Jahren gewährt. Zur Organisation und Durchsetzung der Regulierung wurden in allen Landesteilen staatliche Generalkommissionen mit weitgehenden Vollmachten gebildet, gegen deren Entscheidungen nicht gerichtlich vorgegangen werden konnte.162 –––––––––– 159

Edikt über die neuen Konsumtions- und Luxussteuern, vom 28.10.1810, in: GS 1810/13, S. 33 –39; Edikt über die Einführung der allgemeinen Gewerbesteuer, vom 2. November 1810, in: ebd., S. 79 – 94; Edikt wegen der Mühlengerechtigkeit und Aufhebung des Mühlen-, Bier- und Branntweinzwanges in der ganzen Monarchie, vom 28.10.1810, in: ebd., S. 95 – 97; Edikt über die Einziehung sämtlicher geistlicher Güter in der Monarchie, vom 30. Oktober 1810, in: ebd., S. 32. Vgl. WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 151–160; E, KLEIN, Reform, S. 102–104 und S. 133 –135. 160 STEFFENS, Hardenberg, S. 11–17; WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 160 –162; E. KLEIN, Reform, S. 38 – 40. 161 STEFFENS, Hardenberg, S. 56 –73 und S. 91–195; WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 162–167; KOSELLECK, Preußen, S. 193. 162 Edikt, die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse betreffend, vom 14. September 1811, in: GS 1810/13, S. 281–299. Vgl. HARNISCH, Oktoberedikt, S. 246 –254; KOSELLECK, Preußen, S. 186; VETTER, Adel, S. 141f.

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Den adligen Gutsbesitzern der Mark Brandenburg kam in den Auseinandersetzungen von 1811 besondere Bedeutung zu. Während die Gutsbesitzer anderer Provinzen auf das Vorgehen Hardenbergs, statt mit den jeweiligen Landtagen mit den zur Notablenversammlung berufenen, weisungsunabhängigen Privatpersonen zu verhandeln, nur mit der zusätzlichen Entsendung einzelner Deputierter nach Berlin reagieren konnten, nutzten die kurmärkischen Gutsbesitzer die räumliche Nähe und beriefen Deputierte aus allen Kreisen zu einer Versammlung. An dieser beteiligten sich auch zwei Landräte der Neumark, die von den dortigen Kreisständen mit Vollmacht versehen worden waren. Die so gebildete inoffizielle Deputiertenversammlung trat bereits vor der von Hardenberg offiziell einberufenen Notablenversammlung zusammen, blieb auch während deren Tätigkeit bestehen und wurde vom Staatskanzler informell an den Beratungen beteiligt.163 Den adligen Gutsbesitzern Brandenburgs standen damit weit größere Einflussmöglichkeiten zur Verfügung als denen anderer Provinzen, gleichzeitig kritisierten sie aber die Gesetzgebung weniger grundsätzlich. Die Steuergesetzgebung stieß zwar in der Kurmark ebenfalls auf Kritik, zumal durch die Aufhebung des „neuen Biergeldes“ zugunsten anderer, staatlicher Verbrauchssteuern dem landschaftlichen Kreditwerk eine wesentliche Refinanzierungsgrundlage entzogen wurde, auch wenn dafür in unregelmäßigen Abständen Entschädigungsgelder gezahlt wurden.164 Aber der vom Staatskanzler verfolgte Ansatz, die Tilgung aller Kriegsschulden gesamtstaatlich und bevorzugt durch indirekte Steuern zu gewährleisten, kam den kurmärkischen Gutsbesitzern durchaus entgegen, da in der Kurmark in weit größerem Umfang als in anderen Provinzen ständisch garantierte Provinzialschulden abzutragen waren.165 Zudem hatte Hardenberg vorläufig auf eine allgemeine Grundsteuer verzichtet, wovon die durch vergleichsweise geringe direkte Abgaben belasteten Güter in der Kurmark besonders profitierten. Dass der Staatskanzler selbst kurmärkischer Gutsbesitzer war und sich privat in schwierigen Vermögensverhältnissen befand, spielte bei seinen Entscheidungen eine gewisse Rolle, auch wenn Sachzwänge letztlich den Ausschlag gaben.166 Die Einführung der Gewerbefreiheit und die geplanten Agrarreformen entsprachen grundsätzlich den Überlegungen vieler kur- und neumärkischer Adliger, die Wirtschaftlichkeit der Güter zu steigern und Konfliktpotential im Verhältnis zu den Bauern, die in verschiedenen Teilen der Kurmark zeitweilig die Dienste verweigerten, abzubauen.167 –––––––––– 163

STEFFENS, Hardenberg, S. 38 –51 und S. 76 – 84; VETTER, Adel, S. 47–57. Zur Beteiligung der Neumark: NEUGEBAUER, Staatskrise, S. 263 –265. 164 BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 275 –279; STEFFENS, Hardenberg, S. 76f. 165 KLEIN, Reform, S. 41. 166 Ebd., S. 34 –36 und S. 243 –247. 167 VETTER, Adel, S. 126 –144; HAGEN, Prussians, S. 605f.; NEUGEBAUER, Staatskrise, S. 262.

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Unter diesen Bedingungen zeigten sich nur wenige der politisch aktiven adligen Gutsbesitzer der Kurmark bereit, den Konflikt mit dem Staatskanzler um die Legitimität seiner Eingriffe in die bestehenden Verhältnisse eskalieren zu lassen. Bereits die Versuche des dienstältesten und einflussreichsten Landrates der Kurmark, Albrecht Wilhelm von Pannwitz, nach Veröffentlichung des Finanzediktes im November 1810 den Kontakt zu Hardenberg aufzunehmen, waren deutlich von dem Bemühen gekennzeichnet, zwischen dessen Zielen und den Anliegen der Gutsbesitzer zu vermitteln. Er ließ Hardenberg mitteilen, dass er nicht mehr imstande sei, „die Stände zu beruhigen und dass mehrere sehr achtungswerte Männer gekränkt und äußerst erbittert, wie man die heiligsten Verträge mit Füßen tritt, ohne die geringste Verhandlung deshalb stattfinden zu lassen, den König persönlich antreten und die Kompromittierung seines königlichen Worts vorstellen werden!“ Anschließend drängte er auf beruhigende Zusicherungen, dass es Verhandlungen geben werde, um „Unannehmlichkeiten“ zu vermeiden.168 Dass Pannwitz kurze Zeit darauf zum Organisator der Deputiertenversammlung in der Kurmark wurde und deren Forderung nach Einberufung eines Landtages unterstützte,169 ist vor diesem Hintergrund vor allem als Teil der Versuche zu verstehen, den Staatskanzler zu inhaltlichen, im wesentlichen materiellen Zugeständnissen zu bewegen. Ein solches Vorgehen entsprach weitgehend den im späten 18. Jahrhundert üblichen Formen ständischer Politik. Die Forderung nach einem Landtag wurde zwar von den Deputierten der Kreise nicht grundsätzlich aufgegeben, und mehrere Kreisversammlungen wandten sich zusätzlich mit Immediateingaben an den König, um sie zu bekräftigen.170 Aber sowohl die Mehrheit der Deputierten als auch die der protestierenden Kreisstände begnügten sich mit Zusicherungen einer künftigen Berücksichtigung ihrer Forderungen, zumal sich Zugeständnisse des Staatskanzlers bei der Steuerpolitik und bei der Ausgestaltung der Agrargesetzgebung in den Verhandlungen mit den Notablen abzeichneten. Die im Herbst 1811 erlassenen Gesetze, darunter eine Neuordnung der Steuern und das Edikt zur „Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse“, mit dem die Herstellung freien bäuerlichen Eigentums gegen Entschädigung eingeleitet wurde, entspra–––––––––– 168

Pannwitz an Schuckmann, 29.11.1810, zitiert nach STEFFENS, Hardenberg, S. 16f. Dort auch der Verweis auf ähnliche Äußerungen des Oberfinanzrates Friedrich Wilhelm Bernhard von Prittwitz, der bis zu seiner Berufung in die Notablenversammlung den Lebusischen Kreis in der kurmärkischen Deputiertenversammlung vertrat. 169 VETTER, Adel, S. 46f. 170 VETTER, Adel, S. 52–54; STEFFENS, Hardenberg, S. 77– 81. Die auf einem Entwurf des Grafen Carl Finck von Finckenstein beruhende Eingabe einer Prignitzer Kreisversammlung vom 18.5.1811, die 16 Gutsbesitzer (von ca. 100!) unterzeichneten, sowie die Antwort des Königs, die die Versicherung enthielt, dass ein Landtag abgehalten werde, „sobald es die Verhältnisse gestatten“, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.1, S. 339 –354.

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1. Die Akteure betreten die Arena

chen den Erwartungen vieler Gutsbesitzer an einen Kompromiss, zumal der Plan einer allgemeinen Grundsteuer vorläufig ganz aufgegeben wurde,171 wofür sich auch der Redakteur des Regulierungsediktes Christian Friedrich Scharnweber eingesetzt hatte.172 Die Enttäuschung über die kompromissbereite, sich in den gewohnten Bahnen ständischer Politik bewegende Haltung der Notablen und der Deputiertenversammlung führte zu einem eigenständigen Vorgehen des lebusischen Deputierten Ludwig von der Marwitz. Dieser hatte bereits im November 1810 gegen die Aufhebung der ständischen Verwaltung des Landarmenwesens entschieden protestiert und die Übergabe der Kassenschlüssel verweigert. In den folgenden Wochen versuchte er vergeblich, die ständische Deputiertenversammlung dazu zu bewegen, Verhandlungen außerhalb eines Landtages zu verweigern. Im Mai 1811 gelang es ihm allerdings mit Unterstützung des Grafen Carl Finck von Finckenstein, der schon seit Jahrzehnten für die Aufrechterhaltung ständischer Rechtspositionen eintrat, einen Teil der Lebuser Kreisstände einschließlich des Landrates sowie den Landrat und einzelne Gutsbesitzer des BeeskowStorkowschen Kreises zur Unterschrift unter eine Immediateingabe an den König zu bewegen, die sich in harten und beleidigenden Ausdrücken gegen die Politik Hardenbergs aussprach. Der Staatskanzler erreichte beim König, dass Marwitz und Finckenstein als Erstunterzeichner vorläufig inhaftiert und die beteiligten Landräte ihrer Ämter enthoben wurden. Die kurmärkischen Kreisstände reagierten auf dieses Vorgehen Hardenbergs nicht mit Protest. Allerdings verabschiedeten einzelne Gutsbesitzer und verschiedene Kreisstände Gnadengesuche, denen teilweise entsprochen wurde. Nach mehrwöchiger Haft wurden Marwitz und Finckenstein entlassen.173 Die grundsätzliche Auseinandersetzung um die politische Stellung adliger Gutsbesitzer und die Befugnisse der Staatsverwaltung in der Monarchie, die 1811 zugunsten der Kompromissfindung in Einzelfragen der Gesetzgebung in den Hintergrund getreten war, wurde im folgenden Jahr unter veränderten Bedingungen wieder aufgenommen und erfolgte nun im Rahmen der Debatten um Verfassung und Repräsentation. Den Anlass dafür bildete die Ende des Jahres 1811 von Hardenberg angekündigte Berufung von Deputierten aller Provinzen in eine Generalkommission zur Regulierung der Provinzial- und Kommunalschulden, die gleichzeitig als interimistische Nationalrepräsentation agieren sollte.174 –––––––––– 171

VETTER, Adel, S. 54 und S. 143f. Scharnweber an Marwitz, 28.6.1814, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 196f. 173 FRIE, Marwitz – Biographien, S. 258 –284; STEFFENS, Hardenberg, S. 78f. und S. 82– 84. Druck der Eingabe „Letzte Vorstellung der Stände Lebusischen und Beeskow-Storkowischen Kreises“ in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 3 –23. Der Hinweis auf einen zeitgenössischen Druck der Eingabe unter dem Titel „Die neuen Jacobiner in den preußischen Staaten“ bei: NEUGEBAUER, Staatskrise, S. 262; STEFFENS, Hardenberg, S. 84f. 174 Zur Einberufung der Generalkommission: STERN, Geschichte, S. 264 –268. 172

1.2. Die Arena preußische Verfassungsdebatte 1807–1818

b)

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Staatliche Gesetzgebung, ständische Verfassungsforderungen und die Berufung der interimistischen Nationalrepräsentation

Die Forderung der kur- und neumärkischen Gutsbesitzer, über die Gesetzgebung auf einem Landtag in bisheriger Form beraten zu dürfen, war 1811 nicht erfüllt worden. Dennoch hatten sich ihre Vertreter zu Verhandlungen bereit gezeigt, wenn auch unter Vorbehalt bisheriger Rechte und unter Hinweis auf die im Finanzedikt angekündigte Repräsentation. Ein großer Teil adliger Gutsbesitzer der Mark Brandenburg nahm auch an den Wahlen zu der 1812 einberufenen interimistischen Nationalrepräsentation teil, obwohl das Zusammentreten einer Nationalrepräsentation ohne vorherige Einberufung von Landtagen indirekt bedeutete, dass diesen zumindest vorläufig ihre Befugnisse entzogen wurden. Die adligen Gutsbesitzer Brandenburgs konnten mit der Einberufung von interimistischen Nationalrepräsentanten zwar einerseits die Hoffnung verbinden, dass sie verstärkt Einfluss auf die Gesetzgebung erlangen würden. Aber andererseits ließ sich befürchten, dass die Übergehung der bisherigen Landtage die politische Durchsetzungskraft der Staatsbürokratie gegenüber den adligen Gutsbesitzern stärken würde.175 Weder verfügte die neu geschaffene Repräsentation über klar ausgesprochene Kompetenzen, noch ließ sich voraussehen, welche Haltung die Deputierten gegenüber der Staatsverwaltung einnehmen würden, da den Deputierten im Unterschied zu den früheren Landtagen keine Instruktionen gegeben werden durften. Zudem war die interimistische Nationalrepräsentation deutlich anders zusammengesetzt als die Landtage. Die Deputierten der Städte sowie der „Rustikalbesitzer“ – der kleinstädtischen und ländlichen Grundbesitzer, die keine adligen Güter besaßen – verfügten zusammen über mehr Stimmen als die Gutsbesitzer.176 Die Problematik der Nationalrepräsentation aus Sicht der gegen die Reform- und Finanzpolitik des Staatskanzlers opponierenden Gutsbesitzer spiegelt sich in Briefen von Otto von Voß an Leopold von Quast wider. Sowohl Voß als auch Quast waren bis in die beginnende Reformzeit selbst in hoher Position in der Finanzverwaltung der Monarchie tätig. Voß hatte vor 1807 als Staatsminister im Generaldirektorium mehrere Provinzialdepartements (zuletzt Pommern, Südpreußen, Neu- und Kurmark) sowie das Lotterie- und Forstdepartement verwaltet –––––––––– 175 176

VETTER, Adel, S. 57f. In jeder der 1808 einer Regierung zugeordneten Provinzen (der zur Regierung Breslau gehörende Teil Schlesiens wurde aufgrund seiner Größe in zwei Wahlbezirke geteilt) wurden durch indirekte Wahl zwei Rittergutsbesitzer (insgesamt 18), ein Vertreter der größeren Städte (insgesamt 9) sowie als Vertreter der „Rustikalbesitzer“ einer der kleineren Städte und des „platten Landes“ gewählt (insgesamt 9), zu denen noch durch die Stadtverordneten gewählte Deputierte der großen Städte traten (Berlin, Königsberg, Breslau sowie etwas später zusätzlich Elbing und Stettin): STERN, Geschichte, S. 266; HUBER, Verfassungsgeschichte, S. 301.

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1. Die Akteure betreten die Arena

und 1807 kurzzeitig das Finanzministerium geführt.177 Quast war bis 1807 beim Generaldirektorium als Oberfinanzrat mit Zuständigkeit für die Kurmark, Magdeburg und Halberstadt tätig, wurde danach Generalintendant der Armeeverpflegung und 1808 Staatsrat im Finanzministerium zuständig für die Sektion Forsten und Domänen.178 Beide waren aufgrund persönlicher Konflikte mit Hardenberg aus dem Staatsdienst ausgeschieden und hatten erst danach begonnen, in erster Linie als Vertreter der Stände aufzutreten, wobei Voß darauf zurückgreifen konnte, dass er vor 1806 in besonderer Weise die Verbindung ständischer und landesherrlicher Verwaltung in der Kurmark verkörpert hatte.179 Bereits 1811 hatte es Versuche von Vertretern der kurmärkischen Ritterschaft gegeben, den König im Rahmen der Hofgesellschaft zu einer Wiederanstellung von Voß als Minister zu bewegen, um den Staatskanzler auf diesem Wege zu entmachten.180 Anlässlich der Wahlen zur interimistischen Nationalrepräsentation forderte Quast seinen früheren Vorgesetzten Voß auf, sich zum Deputierten der kurmärkischen Ritterschaft wählen zu lassen und sich dann an die Spitze der Opposition gegen die Politik des Staatskanzlers zu stellen. Dieser lehnte unter Hinweis auf seine frühere Stellung und seinen persönlichen Konflikt mit Hardenberg ab, denn einer Opposition unter seiner Leitung könne leicht das „Gehässige einer Parteinsucht aus gekränktem Ehrgefühl oder Anhänglichkeit an das Alte“ nachgesagt werden, wodurch die Position des Staatskanzlers nur gestärkt würde. Aber auch grundsätzlich glaubte Voß nicht, dass im Rahmen der Nationalrepräsentation wirkungsvoll gegen Hardenbergs Politik vorgegangen werden könne, solange dieser das Vertrauen des Königs genieße. Er vermutete, da mangels Vorbildung „keine Nazional Einheit und kein Interesse für das Ganze“ bestehe, würden die verschiedenen Provinzen wie auch die einzelnen Deputierten je eigene Interessen verfolgen und daher in die „Irre“ geführt werden können. Die wenigen „der guten Sache treuen“ Deputierten würden so immer in der Minorität bleiben.181 Auch Ludwig von der Marwitz drängte Voß, sich zur Teilnahme an der neuen Repräsentation bereit zu erklären, um so den Beweis zu führen, dass er besser als Hardenberg zur Finanzverwaltung geeignet sei.182 Marwitz war also zunächst keineswegs grundsätzlich für eine Verweigerung der Mitarbeit in der neu gebildeten Repräsentati–––––––––– 177

PETERSDORF, Voß, S. 553 –558; Handbuch Hof/Staat 1806, S. 37 und S. 46. Handbuch Hof/Staat 1806, S. 48; BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 1, S. 441 und S. 447. 179 Quast schied 1810 aus dem Staatsdienst aus, da er eine Versetzung vom Finanzministerium an die neumärkische Regierung durch den zum Staatskanzler berufenen Hardenberg als Kränkung ablehnte. Kurz darauf wurde er zum Deputierten der Ritterschaft in der Provinzial-Schulden-Kommission gewählt: BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 141. 180 STEFFENS, Hardenberg, S. 74f. 181 O. v. Voß an Quast, 2.3.1812, in: BLHA, Rep. 37 Garz, Nr. 134, S. 15 –19. 182 Marwitz an Voß, 15.3.1812, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 160 –162. 178

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on.183 Er sah offensichtlich zunächst auch nach seiner Entlassung aus der Haft noch Chancen für eine politische Wende auf Grundlage ständischer Repräsentation. Seine scharfe Kritik an der Nationalrepräsentation erfolgte erst, nachdem deren Proteste gegen die Gesetzgebung weitgehend wirkungslos blieben.184 Voß verwies in seiner Antwort an Marwitz darauf, dass ihm eine Übereinkunft zwischen den Repräsentanten der verschiedenen Provinzen über die Ausgleichung der Schulden unmöglich erscheine, weshalb das Ergebnis der Verhandlungen eine weitere Legitimation für die gesetzliche Anordnung allgemeiner Steuern durch die Staatsverwaltung bieten und zugleich die Kompetenz der ständischen Deputierten in Frage stellen würde.185 Indirekt benannte er damit das Dilemma der interimistischen Nationalrepräsentation in ihrer Funktion als Generalkommission zur Regulierung der Provinzial- und Kommunalschulden. Die ständischen Deputierten, die stets eine weitgehende Übernahme der Schulden durch die Staatskassen gefordert hatten, konnten kaum abstreiten, dass die Schuldenlast sich nur durch Rückgriff auf staatliche Institutionen und Machtmittel bewältigen ließ, deren Aufbau sie sich zugleich widersetzten. Einen Ausweg aus diesem Dilemma durch ständische Übernahme der Kontrolle über den Staat schloss Voß nicht generell aus, wie seine Äußerungen gegenüber Quast kurz nach Zusammentreten der interimistischen Nationalrepräsentation verdeutlichen. Zugleich erläuterte er aber Quast seine Zweifel daran, dass dies im Rahmen der einberufenen Versammlung geschehen könnte: „Ihrem Zweck nach, fehlt alle Norm! worauf die Versammlung ihre Einwirkung gründen könnte! Wenn der Nation, Nazional Repräsentation nicht ein leeres Wortspiel sein soll, so müßte eine Versammlung dieser Art Befugnis haben, Kenntnis von Allem, vorzüglich von dem gesicherten Staatshaushalt zu nehmen: weil nur dadurch die Mittel gefunden werden können, um den Staat zu retten“.186 Auch die Form der Beratungen sei „traurig“, denn eine Versammlung, die die „Nation“ repräsentiere, müsste verlangen können, dass alle Staatsdiener zur Auskunft, zu Vorträgen und zur Entgegennahme von Beschlüssen vor ihr erscheinen. Stattdessen werde von der Staatsverwaltung über die Repräsentanten „nach Gefallen disponiert“ – er selbst als langjähriger Minister sei nicht bereit solche „Willkür“ zu erdulden. Die Formen jedoch, so Voß, würden sich verbessern lassen, wenn die Befugnisse der Versammlung der „Würde der Vollmachtgeber“ entsprächen. Dem stände allerdings auch die Zusammensetzung der Repräsentation entgegen, denn zu einer angemessenen Sprache seien die Mitrepräsentanten „nicht gemacht“ und es dürfte kaum freimütig –––––––––– 183

Vgl. dagegen VETTER, Adel, S. 57. Vgl. das von Klaus Vetter ebd. zitierte Marwitzsche „Votum auf das Zirkular des Herrn v. Quast vom 28. Juni“, 25.12.1812, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 168 –171. 185 Voß an Marwitz, 28.3.1812, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 162–165. 186 O. v. Voß an Quast, 7.5.1812, in: BLHA, Rep. 37 Garz, Nr. 134, Bl. 10f.. 184

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1. Die Akteure betreten die Arena

gesprochen werden.187 Dabei zielte er entweder auf den Einfluss der Behörden auf die Wahl einiger Repräsentanten, denen er offene Kritik dementsprechend nicht zutraute, oder auf die Wahl von bäuerlichen Repräsentanten, denen er offene Kritik nicht zubilligte. Voß versicherte Quast, dass ihre Urteile weithin übereinstimmten, er nur Quasts Optimismus hinsichtlich der Wirkungsmöglichkeiten der Repräsentativversammlung nicht teilen würde – nur bei „besserer Wendung“ sei er bereit, nachträglich ein Mandat anzunehmen.188 Die von Voß geäußerten Bedenken gegen die interimistische Nationalrepräsentation richteten sich also keineswegs gegen die Einrichtung einer Repräsentation für den Gesamtstaat an sich, vielmehr forderte er für diese eine stärkere Rechtsstellung und damit letztlich eine Verfassung. Allerdings setzte ein solcher Übergang von ständischen Beratungen zur Staatsverfassung jene „Nazional Einheit“ und jenes gemeinsame „Interesse am Ganzen“ voraus, die Voß bei den Deputierten nicht erwartete. Auch er selbst könnte, wie er Marwitz schrieb, solche Grundsätze als Deputierter der Kurmark nicht zur Grundlage seines Handelns machen, da er sich an die Sonderinteressen seiner Wähler gebunden fühlen würde.189 In Voß’ Argumentation deutet sich damit die Überlegung an, dass eine Ausweitung ständischer Partizipation an der staatlichen Politik den eigenständigen Rechtsraum der Stände und damit die Grundbedingung von Ständen überhaupt ebenso bedrohte wie die auf die Verwaltung gestützte Verstaatlichungspolitik Hardenbergs. Dieses Dilemma durchzog die gesamte ständische Argumentation in der Verfassungsdebatte der folgenden Jahre.190 Nachdem Voß auch weitere Anträge, sich zur Wahl zu stellen, abgelehnt hatte,191 wurden Quast und der Ritterschaftsrat Christoph August von Bredow zu Deputierten der kurmärkischen Ritterschaft gewählt.192 Die neumärkische Ritterschaft wurde durch –––––––––– 187

Ebd., Bl. 10f. O. v. Voß an Quast, 21.5.1812, in: Nl. Quast, Nr. 134, Bl. 9. 189 O. v. Voß an Marwitz, 28.3.1812, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 162–165, hier S. 163. 190 Auch die Beispiele Wolfgang Neugebauers für die ständische politische Aktivität in den Provinzen Preußen und Neumark in dieser Zeit zeigen letztlich diese Tendenz: Abwehr von Verantwortung für den Gesamtstaat, aber Partizipation an Entscheidungen, die in die bisherigen vom Staat nicht oder nur teilweise kontrollierten Rechts- und Verwaltungsbereiche einzugreifen drohten: NEUGEBAUER, Wandel, S. 195 –260 (zur interimistischen Nationalrepräsentation bes. S. 240 –246); DERS., Staatskrise, S. 260 –266. 191 O. v. Voß an Quast, 9.3. und 29.4.1812, in: BLHA, Rep. 37 Garz, Nr. 134, S. 12f. 192 VETTER, Adel, S. 58. Zur Zusammensetzung der Repräsentation ab 1814 vgl. Auszüge aus den Verhandlungen der Preußischen Repräsentantenversammlung des Jahres 1814, S. 8 –12, in: BLHA, Rep. 37 Garz, Nr. 86, Bl. 4 – 9. Zu Christoph August von Bredow auf Schwanebeck vgl. [Bredow], Geschichte, Teil 3, S. 461f. 188

1.2. Die Arena preußische Verfassungsdebatte 1807–1818

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Johann Philipp Ludwig von Berge, der bis 1805 Kriegs- und Domänenrat in Posen gewesen war und bereits im neumärkischen Ständekomitee mitgearbeitet hatte, sowie Wilhelm von Burgsdorff repräsentiert.193 Ab August 1812 wurde Burgsdorff allerdings krankheitsbedingt durch Carl Friedrich Wilhelm von Braunschweig vertreten.194 Gutsbesitzer in der Neumark war auch der Abgeordnete Berlins Leopold von Gerlach, der dort nach seinem Austritt aus dem Staatsdienst 1809 zum Oberbürgermeister gewählt worden war.195 In der Forschungsliteratur ist verschiedentlich darauf aufmerksam gemacht worden, dass auch die Vertreter des „Rustikalbesitzes“ in der Interimistischen Nationalrepräsentation nicht unbedingt als Bauern zu bezeichnen seien.196 In der Kurmark wurde allerdings der Lehnschulze Leist zu Döllen (Kreis Templin) gewählt, 1814/15 teilweise durch Kreis- und Lehnschulzen Hintze zu Deetz (Kreis Zauche) vertreten, in der Neumark der Lehnschulze Müller zu Richenow (Kreis Soldin). Diese hoben sich zwar durch Besitz und Funktion von der Masse der Dorfbevölkerung ab, waren allerdings in diese eingebunden und können folglich als Vertreter dörflicher Eliten betrachten werden. Dass sie sich selbst als solche ansahen, verdeutlichen die Äußerungen Leists und Hinzes in ihren Gespräch mit Wilhelm von Klewitz über Verfassungsfragen 1817.197 Leopold von Quast stand trotz seiner Bereitschaft, sich an der interimistischen Nationalrepräsentation zu beteiligen, ihrer Einberufung äußerst kritisch gegenüber. Als er erfuhr, dass die Ruppiner Kreisstände ihn zu ihrem Vertreter bei der Versammlung von Wahldeputierten gewählt hatten, forderte er dazu auf, in das Wahlprotokoll einen Protest gegen die neue Form der Repräsentation aufzunehmen. Der Landrat Friedrich von Zieten lehnte dies nach Rücksprache mit einigen der im Kreis angesessenen Gutsbesitzer zwar ab, da eine Eingabe der Kreisstände, die um Einberufung eines Landtages gebeten habe, bereits abgewiesen worden sei. Aber er verwies darauf, dass die Mehrheit der Rittergutsbesitzer Quast „ermuntere“, sich bei Zusammenkunft der Wahldeputierten

–––––––––– 193

Wahlprotokoll, 4.4.1812, in: BLHA, Rep. 3 B, I Präs., Nr. 682, unpag. Burgsdorff an Carl Sigismund v. Kalckreuth (Neumärkischer Landesdirektor und Landrat des Sternberger Kreises), 4.8.1812, in: BLHA, Rep. 23 B, Nr. 1522, unpag. 195 J. GERLACH, Gerlach, S. 111–114 und S. 141–146. 196 HUBER, Verfassungsgeschichte, S. 299, Anm. 3 und S. 301, Anm. 1; WIENFORT, Patrimonialgerichtsbarkeit, S. 94. 197 Wahlakten der Neumark 1813, in: BLHA, Rep. 3 B, I Präs., Nr. 682, unpag.; Auszüge aus den Verhandlungen der Preußischen Repräsentanten-Versammlung des Jahres 1814, S. 10, in: Nl. Quast, Nr. 86, Bl. 4 – 9; Protokolle der Befragung des Ortsschulzen Leist und des Kreisschulzen Hinze zu Verfassungsfragen, 14. und 20.10.1817, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 241f. und Bl. 249f. 194

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für die „Aufrechterhaltung des bisherigen Repräsentationssystems“ einzusetzen, allerdings ohne ihm eine Instruktion zu erteilen, da er über ein freies Mandat verfüge.198 Diese Überlegungen werden in einer Schrift an die Wahldeputierten aufgegriffen, deren Entwurf sich in Quasts Unterlagen zu seiner Tätigkeit als Mitglied der interimistischen Nationalrepräsentation findet.199 Die Wahldeputierten werden darin aufgefordert, nach Beendigung der Wahl (eingefügt: „also nach Befolgung der hohen Vorschrift“) eine Eingabe „höheren Ortes“ einzureichen, in der im Namen der Kreisstände die „Gerechtsame der Stände“ vorbehalten würden. Zur Begründung wird angeführt, dass auch bei Vorläufigkeit der neuen Nationalrepräsentation die bestehende Repräsentation der Kurmark beeinträchtigt werde und dass ohne Erfüllung der mehreren Kreisen gegebenen Zusicherung, zur „Bestimmung ihrer Verfassung“ werde ein Landtag angesetzt, eine neue Repräsentation nicht stattfinden könne. Im Zentrum der Bedenken stand dabei die Ausweitung der Repräsentationsrechte: „So manches Vorläufige hat schon eiserne Dauer erhalten und Vergünstigungen, dem Bauernstande eingeräumt, lassen füglich sich nicht aufheben.“ Auch wenn „durch die Vererbpachtung und Veräußerung mehrerer Domänen-Grundstücke und die vermehrte Selbstständigkeit des Bauernstandes“ Veränderung der Repräsentation notwendig sei, müsse darüber ein Landtag beraten, „damit die Teilnahme der vorgedachten Besitzungen im richtigen Verhältnis erfolge.“200 Das Zugeständnis, dass über die Zusammensetzung der Repräsentation neu verhandelt werden müsse, wurde also mit der zunehmenden Zahl ländlicher Liegenschaften begründet, die weder Domänen waren noch zu adligen Gütern oder Städten gehörten und daher nicht zum staatlichen oder ständischen Besitz gerechnte werden konnten. Nach dieser Auffassung repräsentierten die Vertreter der Stände nicht die Bevölkerung des Staates, sondern der Landesherr und sein Staat, vertreten durch seine Staatsdiener, verhandelten mit den Ständen, vertreten durch Deputierte, über gemeinsame Angelegenheiten, die einen Rückgriff auf den Besitz der Stände erforderten. Neben der Aufforderung zu einer Eingabe, die den Rechtsvorbehalt gegen die Zuziehung von Besitzern bäuerlicher Liegenschaften sichern sollte, enthält die an die Wahldeputierten gerichtete Schrift auch die Aufforderung, dass keine „landesherrlichen Diener“ und keine Personen, die „Pensionen aus landesherrlichen Kassen“ beziehen, gewählt werden dürften, denn wegen der „Forderungen der Kurmark an die Staatskassen“ sei „die Kollision mit Statsdienern [sic!] unvermeidlich“.201 Auch diese Überle–––––––––– 198

Zieten bezog sich auf eine Eingabe vom 29.2.1812: Zieten an Quast, 24.4.1812, in: Nl. Quast, Nr. 139, Bl. 117f. Die Mitteilung der auf Quast gefallenen Wahl: Ders. an dens., 1.3.1812, in: ebd., Bl. 121. 199 [Quast, Entwurf für die Wahldeputierten der Kurmark], ohne Datierung, in: ebd., Nr. 86, Bl. 27–29. 200 Ebd., Bl. 27f. 201 Ebd., Bl. 28.

1.2. Die Arena preußische Verfassungsdebatte 1807–1818

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gungen zeigen deutlich ein Verständnis von Staat als landesherrlicher Institution, an der die Stände nicht teilhaben, sondern der sie, vertreten durch Deputierte, gegenüberstehen. Weitere Hinweise an die Wahldeputierten zur Wahlperiode und zum Wahlverfahren verdeutlichen, dass das den Deputierten zu gewährende freie Mandat mit diesem Verständnis von Ständen und dem bisherigen Vorgehen bei Wahlen schwer zu vereinbaren war. Die Wahlperiode sollte daher auf ein Jahr begrenzt werden, um den Wählern auch ohne bindende Instruktion ihren Einfluss zu sichern, und die Wahl sollte nicht wie bisher üblich in einem Wahlgang mit einfacher Mehrheit erfolgen.202 Nachdem die Nationalrepräsentanten zusammengetreten waren, schlossen sich Quast wie auch die übrigen Deputierten der kur- und der neumärkischen Ritterschaft den Forderungen nach einer zumindest vorläufigen „Konstitution“ ihrer Versammlungen an – sowohl hinsichtlich ihrer Wahl als auch ihrer inneren Organisation und ihrer Befugnisse.203 Trotz aller Vorbehalte gegen die Form und Zusammensetzung der interimistischen Nationalrepräsentation war Quast bereit, diese als Mittel zur Einflussnahme auf die Politik zu nutzen. Der Umgang der Staatsbehörden mit den interimistischen Nationalrepräsentanten schien allerdings die Befürchtungen zu bestätigen, die Voß geäußert hatte. Die versammelten Deputierten drängten vergeblich auf eine Ausdehnung oder zumindest genaue Festlegung ihrer Befugnisse. Sie waren zwar auf eigenen Wunsch zu den Beratungen über eine neue Vermögens- und Einkommenssteuer hinzugezogen worden, aber es gelang ihnen keine Einflussnahme auf die grundsätzliche Tendenz der Finanzpolitik, den staatlichen Finanzierungsbedarf durch direkten Zugriff auf das Vermögen und Einkommen jedes Einzelnen zu decken. Nur in Detailfragen berücksichtigten die am 24. Mai 1812 vom König vollzogenen Edikte die Kritik der Nationalrepräsentanten, weitere Zugeständnisse in Einzelfragen folgten zwei Monate später und noch einmal im Januar 1813. Gleichzeitig wurden aber adlige Gutsbesitzer in den Kreisen zur Umlage der Steuern und die Nationalrepräsentation zur Garantie des unter deren Deckung ausgegeben Papiergeldes, der gestempelten Tresorscheine, herangezogen.204 Gänzlich ohne Vorberatung mit der Nationalrepräsentation wurde am 30. Juli 1812 das im Büro des Staatskanzlers vom Redakteur des Regulierungsediktes Christian Friedrich –––––––––– 202

Ebd., Bl. 28f. Vorstellung der anwesenden Repräsentanten an den Staatskanzler, 3.6.1812, in: ebd., Bl. 16. Die Unterzeichnung am 4.6.1812 verweigerte nur Graf Dohna-Wundlacken, Deputierter der ostpreußischen Rustikalbesitzer, nach dortiger Tradition des Köllmer- und Bauernstandes: STERN, Geschichte, S. 272. 204 WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 173 –181. Zur Einbeziehung von Gutsbesitzern in die Vermögensund Einkommensabschätzung und zur Problematik dieses Vorgehens: Briefwechsel zwischen Carl Friedrich von Goldbeck und Ludwig von der Marwitz, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 177–182. 203

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Scharnweber entworfene Gendarmerie-Edikt vom König ausgefertigt und am 17. August 1812 publiziert.205 Dieses stellte die Herrschaftsverhältnisse auf dem Lande so grundsätzlich in Frage, dass an dieser Stelle ausführlich auf die einzelnen Bestimmungen eingegangen werden muss. Nicht zuletzt um die Exekution der neuen Steuern und damit den direkten Zugriff der Staatsverwaltung auf die Einwohner zu erleichtern,206 wurde die Verstaatlichung der Kreisverwaltung angekündigt, die indirekt auch den staatlichen Zugriff auf die ländliche Lokalverwaltung gewährleisten sollte. Die kleineren Städte, die landesherrlichen Domänen sowie die Landgüter wurden mit sofortiger Wirkung endgültig zu territorial abgegrenzten Kreisen zusammengefasst,207 deren Bewohner zukünftig als Korporation unter staatlicher Aufsicht die Befugnis zur kommunalen Selbstverwaltung erhalten, aber auch für die Sicherung der Militärversorgung haften sollten. Zugleich wurden die neuen Kreise als unterster Amtsbezirk der staatlichen Verwaltung geplant.208 Die Aufsicht über die Selbstverwaltung und die Leitung der staatlichen Verwaltung wurde provisorisch Kreisdirektoren übertragen, deren Einsetzung und Besoldung durch den Staat angekündigt wurde.209 Um diesen die Durchsetzung ihrer polizeilichen Weisungsbefugnisse zu ermöglichen, ohne auf die Mitwirkung lokaler Instanzen, etwa der Rittergutsbesitzer, angewiesen zu sein, erfolgte die Anordnung, eine bewaffnete Gendarmerie zu errichten.210 Den Kreisdirektoren wurde zudem die Aufsicht über die Kreiskasse übertragen, und der Staat übernahm die ausschließliche Verfügungsgewalt über die in dieser gesammelten direkten Steuern.211 –––––––––– 205

Edikt wegen Errichtung der Gensdarmerie, vom 30. Juli 1812, in: GS 1812, S. 141–160. Zur Entstehung: MEIER, Reform, S. 393 –396. 206 Vgl. WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 178f. 207 Edikt wegen Errichtung der Gensdarmerie, vom 30. Juli 1812, in: GS 1812, S. 141–160, § 2. Einen Vorgriff auf die „Territorialisierung“ der Kreisverwaltung bedeutete bereits die Bestimmung vom 30.3.1809, die den Landräten, die zuvor nur für die Ritter- und sonstigen Privatgüter zuständig waren, die „polizeiliche Aufsicht“ über die kleinen und mittleren Städte sowie die Domänen übertrug. Der Ruppiner Landrat Friedrich von Zieten hatte daraufhin den Entwurf einer neuen Kreisordnung vorgelegt, zu der die Landräte des Niederbarnim, Albrecht Wilhelm von Pannwitz, und der Zauche, Rochus von Rochow, Gutachten anfertigten. Pläne zu einer veränderten Kreisordnung wurden jedoch trotz städtischer Proteste gegen die Unterstellung unter die von den Rittergutsbesitzern gewählten Landräte nicht weiter verfolgt: BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 234. 208 Edikt wegen Errichtung der Gensdarmerie, vom 30. Juli 1812, in: GS 1812, S. 141–160, Einleitung, Absätze IV und V. 209 Ebd., §§ 25 –29. 210 Ebd., §§ 53f., 64 und 72. 211 Ebd., § 47.

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Die Verteilung der Kommunalabgaben und der Lastenausgleich bei der Militärversorgung sollten bis zum Erlass einer Kommunalordnung provisorisch sechs Kreisdeputierte unter Leitung des Kreisdirektors und mit Rechtsbeistand eines Stadtrichters als „Kreis-Verwaltung“ übernehmen. Für die Bestimmung der Kreisdeputierten wurde ein zweistufiges Wahlverfahren vorgesehen. Zunächst wurde von den Städten, den Gutsbesitzern und den Landgemeinden jeweils dieselbe Zahl von „Wahlherren“ gewählt. Diese sollten unter Leitung des Kreisdirektors gemeinsam sechs Deputierte in Mehrheitswahl bestimmen, wobei aber je zwei Gewählte als Deputierte der Städte, der Rittergutsbesitzer und der Landgemeinden „gerechnet“ wurden.212 Die Gewählten durften keine Instruktionen erhalten und waren ihren Wählern gegenüber auch nicht zu Rechnungslegung oder sonstiger Verantwortung verpflichtet.213 Standen die Kreisdeputierten folglich kaum in Verbindung zu ihren Wählern, so glich ihre Stellung gegenüber dem staatlich ernannten Kreisdirektor der von Subalternbeamten. Denn diesem stand nicht nur in begründeten Fällen das Recht zu, auch ohne Zustimmung der Kreisdeputierten über die Kreiskommunalkasse zu verfügen, er konnte auch jederzeit von ihnen Unterstützung bei seinen Amtsgeschäften verlangen und bei Weigerung Disziplinarstrafen aussprechen.214 Die Bestimmungen des Gendarmerie-Ediktes zielten somit letztlich nicht auf eine Umgestaltung und einen veränderten Wirkungskreis der bisherigen Kreisstände, sondern auf deren Auflösung als Träger der ländlichen Verwaltung.215 Die Verstaatlichung der Verwaltung hatte darüber hinaus unmittelbar Auswirkungen auf die zukünftige Zusammensetzung einer Repräsentation. Denn den bisherigen Landräten wurde das Recht zur Repräsentation der Kreise mit sofortiger Wirkung entzogen und das Wahlrecht von Deputierten zu „Provinzialversammlungen“ den neuen Kreisverwaltungen übertragen.216 Dies ermöglichte den Kreisdirektoren und damit der Staatsverwaltung angesichts der schwachen Position der Kreisdeputierten einen starken Einfluss auf den Ausgang der Wahl zu einer zukünftigen Repräsentation. Die Befugnisse der Kreisdirektoren erlaubten zudem den staatlichen Zugriff auf die lokale Verwaltung. Die Dorfgerichte wurden als lokale Polizeibehörde dem Kreisdirektor direkt unterstellt. Den Rittergutsbesitzern verblieb zwar das Recht zur Aufsicht über die Polizei der zu den Gütern gehörenden Landgemeinden, aber Verstöße waren in der Regel dem Kreisdirektor zur Ahndung zu melden und die Gutsbesitzer hatten dessen Verfügungen umzusetzen.217 Die Bestimmungen des Ediktes zur Lokalverwaltung –––––––––– 212

Ebd., §§ 5 –16. Ebd., § 10 214 Ebd., §§ 20, 48 und 98. 215 KOSELLECK, Preußen, S. 202f. 216 Edikt wegen Errichtung der Gensdarmerie, vom 30. Juli 1812, in: GS 1812, S. 141–160, § 50. 217 Ebd., §§ 39 – 42. 213

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zielten damit einerseits auf die Stärkung der Befugnisse der Schulzen und Dorfgerichte, womit nicht nur deren Verhältnis gegenüber den Gutsherren, sondern auch gegenüber der Gemeinde verändert wurde. Andererseits sollten auch die Gutsbesitzer in abhängiger Position in die staatliche Verwaltung eingebunden werden, womit indirekt deutlich wurde, dass der Staat zur Durchsetzung seines Zugriffs auf die Landbevölkerung auf sie angewiesen war. Die Ankündigung des Ediktes, in Zukunft für alle Kreise Land- und Stadtgerichte einzurichten, stellte schließlich die Patrimonialgerichtsbarkeit in Frage.218 In der Nationalrepräsentation erhob sich sofort nach Publikation des Edikts ein vielstimmiger Protest, an dem sich die Deputierten der kur- und neumärkischen Ritterschaft intensiv beteiligten.219 Das Wissen um die faktische Machtstellung des Staatskanzlers, Rücksichtnahme auf die Zusammensetzung der Versammlung und der Zwang von Argumentationslogiken parlamentarischer Debatten führten aber dazu, dass die Repräsentanten in ihren im September 1812 eingereichten Anmerkungen zum Edikt ihre Einwände auf einzelne Bestimmungen konzentrierten und damit faktisch die staatliche Regelungshoheit der Kreisverfassung anerkannten. Zentral war die Forderung nach Wahl oder zumindest Vorschlagsrecht des Kreisdirektors durch die Kreisstände, die aber dazu im Rahmen der im Edikt vorgesehenen Wahlversammlungen unter gleichberechtigter Beteiligung der Städte und Landgemeinden zusammentreten sollten. Darüber hinaus wurde gefordert, dass die Kreisdeputierten paritätisch aus Grundbesitzern der drei Stände zusammengesetzt sein müssten, womit der Intention des Ediktes, die Deputierten auf das Gesamtinteresse und nicht auf das der einzelnen Stände zu verpflichten, widersprochen wurde. Die Unabhängigkeit der Deputierten sollte gestärkt und ihre Befugnisse sollten auch auf Beratung bei der Polizeiverwaltung und Beteiligung bei der Vertretung des Kreisdirektors ausgedehnt werden. Den Gutsherren sei die Ortspolizei zu überlassen und die Dorfgerichte der zu den Gütern gehörenden Landgemeinden ihnen eindeutig zu unterstellen. Hinzu traten kritische Anmerkungen zu einzelnen Bestimmungen, unter anderem der vollständigen Verstaatlichung der Kreiskassen, da diese bisher zum Teil auch Kommunalbedürfnissen gedient hätten. Gegen die Stimmen fast aller Vertreter des „Rustikalstandes“ wurde von einer Mehrheit auch verlangt, dass die zivile Patrimonialgerichtsbarkeit entgegen den Ankündigungen des Ediktes erhalten bleiben müsste und nur die Kriminalgerichtsbarkeit bei Landgerichten konzentriert werden solle.220

–––––––––– 218

Ebd., Einleitung, Absatz V. KLEIN, Reform, S. 183 –185; VETTER, Adel, S. 96f. 220 „Bemerkungen der Nationalversammlung über das Edikt vom 30. Juli wegen Errichtung einer Gens d’armerie“, 28.9.1812, in: Nl. Quast, Nr. 88, Bl. 28 – 41. Abdruck bei RÖPELL, Beiträge IV, S. 349 –358. 219

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Diese, insgesamt „maßvollen“221 Forderungen entsprachen im Wesentlichen auch den Anträgen, die Leopold von Quast in der Versammlung stellte. Darüber hinaus hatte Quast allerdings gefordert, die Zahl der „Wahlherren“ sei nicht gleichmäßig auf die drei Stände zu verteilen, sondern nach Beiträgen zu den Kommunallasten zu staffeln. Offensichtlich erwartete er, auf diesem Wege zumindest in Kreisen mit ausgedehntem Gutsbesitz dessen Besitzern ein Übergewicht in der Wahlversammlung zu sichern.222 Für die Verhandlungen der Repräsentanten hatte er aber vor allem Denkschriften entworfen, die für den Verbleib der lokalen Polizeiverwaltung bei den Gutsherren plädierten und damit offensichtlich dazu beigetragen, dass die Versammlung diese Forderung unterstützte.223 Gegen eine Trennung der Polizei zwischen Gütern und Dorfgemeinden führte Quast an, dass die nicht klar abgegrenzte Lage der Besitzungen dies unmöglich mache und zudem auch die Polizeiverwaltung in einem Ort nicht geteilt werden dürfe. Zur Begründung, dass die Polizeiverwaltung bei den Gutsherren verbleiben müsse, verwies Quast auf die Gerechtsame der Rittergüter und die historischen Verhältnisse, besonders aber auf die erniedrigenden Folgen, die eine direkte Unterstellung der zu Gütern gehörenden Dorfgerichte unter die Kreisdirektoren für die Gutsbesitzer haben würde. So werde es möglich, dass diese „die Gutsherren, zur Vernehmung der höheren Vorschriften und ihrer eigenen Anordnungen in das Schulzengericht, oder wenn es üblich ist, ins Wirtshaus einladen können.“224 Zur Verstärkung seiner Argumente appellierte er zugleich an die Achtung vor dem Militär und an Vorurteile gegen die nichtdeutsche Bevölkerung: „denn es würde wol höchstniederdrückend sein, wenn ein in späterem Alter auf seinem Gute wohnender Offizier, dem Schulzen, welcher im Lande der Kastuben [sic!] und in mehreren Teilen Oberschlesiens u. Westpreußens wol auf einer niedern Stufe der Kultur steht, in vorgesetzter Art unterworfen sein sollte.“225 –––––––––– 221

KOSELLECK, Preußen, S. 205. [Quast, Notizen zu einzelnen Stellen des Gendarmerie-Ediktes], ohne Datum, in: Nl. Quast, Nr. 88, Bl. 23f. 223 [Quast], „Bemerkung über die Polizei-Verwaltung“, 14.9.1812, und [Ders.], „An eine hochlöbliche National-Versammlung“ (Votum gegen die Beschlüsse vom 14.9.1812 und für die Aufnahme der Forderung nach uneingeschränktem Verbleib der Ortspolizei bei den bisherigen Inhabern, unter Androhung eines Sondervotums), 20.9.1812, in: ebd., Bl. 21f. und Bl. 26f. 224 [Quast], „Bemerkung über die Polizei-Verwaltung“, 14.9.1812, in: ebd., Bl. 21f.. Noch 1810 hatte auch Staatskanzler Hardenberg nach Auskunft von Schön den Gedanken grundsätzlich abgelehnt, dass subalterne Staatsbeamten „ihn als Gutsherrn sollte nötigen können, eine Polizeivorschrift zu beobachten.“: E. KLEIN, Reform, S. 37. 225 [Quast], „Bemerkung über die Polizei-Verwaltung“, 14.9.1812, in: Nl. Quast, Nr. 88, Bl. 21f., hier Bl. 22. 222

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Den Schulzen überhaupt eine „niedere Stufe der Kultur“ zuzusprechen, wäre angesichts der in der Versammlung zahlreich vertretenen Schulzen ebenso wenig zweckdienlich gewesen wie ein Verweis auf den Adel, in Anbetracht der nichtadligen Mehrheit der Repräsentanten. Das argumentative Potential von Militär und sprachlichethnischer Nationalität deutet sich hier an, aber es ist dies die einzige Stelle, an der sich nachweisen lässt, dass adlige Gutsbesitzer der Mark Brandenburg im Untersuchungszeitraum auf dieses Argument zurückgriffen. Zur Diskreditierung des Vorhabens der Staatsverwaltung waren solche Verweise allerdings auch nicht unbedingt erforderlich, solange es aufgrund des Ausbleibens einer neuen Kommunalordnung bei vielen Dörfern tatsächlich in Zweifel gezogen werden konnte, ob die dortigen Dorfgerichte oder sonstige Behörden einer schriftlichen Kommunikation gewachsen gewesen wären. In der Neumark unterzeichneten bei der Deputiertenwahl zur Nationalversammlung 1812 viele der Wähler, größtenteils Schulzen von Dörfern, in denen es Hufenbesitzer gab, sowie Erbzins- und Erbpachtgutbesitzer die Wahlprotokolle mit Handzeichen.226 Die Deputierten der neumärkischen Rittergutsbesitzer, Johann Philipp Ludwig von Berge und Carl Friedrich Wilhelm von Braunschweig, der Wilhelm von Burgsdorff vertrat, fügten der Eingabe der Nationalrepräsentanten vom September ein Sondergutachten zu den „Partikularrechten“ der Neumark hinzu.227 Dieses Gutachten ging deutlich über die Kompromissvorschläge der übrigen Nationalrepräsentanten hinaus, zielte auf eine klare Trennung exekutiver und legislativer Befugnisse und erinnert damit in einigen Passagen an die Entwürfe zur Reform der Lokal- und Kreisverwaltung, die der enge Mitarbeiter des Staatskanzlers Carl Ferdinand Friese zwischen 1810 und 1812 erarbeitet hatte.228 Berge und Braunschweig forderten nicht die Wahl des Kreisdirektors, sondern die zusätzliche Installation eines neben ihm agierenden, gewählten „Kreisseniors“ als Vertreter der Stände und Verwalter des Kommunalvermögens. Überhaupt sollte die Kreisverwaltung „bloß und allein eine Executionsbehörde der bestehenden Gesetze und der Corporationsbeschlüsse“ sein, während Ausgaben immer erst von den Kreisständen „der verschiedene Classen“ bewilligt werden müssten, sofern sie nicht durch „Nationalbeschluss“ sanktioniert seien. Für die zukünftige Einberufung von Provinzialversammlungen oder Landständen forderte das neumärkische Gutachten nicht wie die Nationalrepräsentation, dass eine neue Zusammensetzung zunächst mit den bisherigen Ständen beraten werden müsse. Vielmehr wurde uneingeschränkt zugestanden, dass neben den bisherigen Kreisständen auch die Städte und die Bauern jedes Kreises Deputierte entsenden dürften und zugleich angemerkt: ,,Allein dieses Wahlrecht einer Kreis–––––––––– 226

BLHA, Rep 3 B, I Präs. 682, passim (Wahlakten). Präsident der interim. Nationalrepräsentation Graf v. Hardenberg an Staatskanzler Hardenberg, 14.10.1812, in: GStA PK, I. HA, Rep. 74, H IX, Nr. 20, Bl. 1. 228 Zu den Entwürfen Frieses: MEIER, Reform, S. 382–388. 227

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verwaltung von 6 Personen zu übertragen, ist der natürlichen Freiheit einer majorenn gewordenen Nation zu sehr entgegen.“ Hinsichtlich der gutsherrlichen Polizeibefugnisse forderte das neumärkische Gutachten nicht deren Aufrechterhaltung in den zu Gütern gehörenden Landgemeinden, sondern erwartete von „einer liberal denkenden Gesetzgebung“ nur, dass „die Dominia [die adligen Güter] mit ihren großen Güter Massen von der Dorf Commune getrennt, als für sich bestehende, bloß zum Kreisverband gehörende große Grundbesitzungen zu betrachten und zu behandeln“ seien.229 Reaktionen der Staatsverwaltung auf die Einwände der Nationalrepräsentanten gegen das Gendarmerie-Edikt blieben zunächst aus. Dies veranlasste im Oktober und November 1812 erneute Forderungen nach Klärung der Befugnisse und Organisation der Versammlung. Zunehmend drängten einzelne Repräsentanten auch auf endgültige Bestimmungen zur National- und Provinzialrepräsentation. Der im August zum königlichen Kommissar und Präsidenten der Nationalversammlung ernannte Graf Friedrich August Burchard von Hardenberg, ein Verwandter des Staatskanzlers, fertigte einen Gesetzesentwurf über die zukünftige National- und Provinzialrepräsentation an und reichte diesen zur Begutachtung an die Staatsverwaltung weiter, ließ ihn aber offensichtlich auch unter den Repräsentanten zirkulieren. Ende November entschied sich eine Mehrheit der Repräsentanten dafür, sich mit der Bitte um Beschleunigung der Verfassungsarbeiten direkt an den König zu wenden.230 In den Unterlagen von Quast befinden sich verschiedene Entwürfe und Bemerkungen zur Organisation von National- und Provinzialrepräsentation aus diesem Zeitraum, in denen auf eine möglichst unabhängige und starke Position der Repräsentanten gedrungen und die Hinzuziehung von Kaufleuten und Gelehrten sowie die Fähigkeit der Bauern zur Teilnahme an der Repräsentation diskutiert wird. In einem bemerkenswert radikalen Text, von dem sich leider nicht mit Sicherheit angeben lässt, ob er von Quast selbst stammt und wie er genau zu datieren ist, wurde die Existenz einer Nation von der Einrichtung einer Nationalrepräsentation abhängig gemacht, der das Recht zur freien Diskussion über die bisherige und zukünftige Gesetzgebung zustehen müsste. Statt der ständischen Aufteilung zwischen Adel, Bürgern und Bauern seien Stände nach den „Hauptrichtungen“ Gutsbesitzer, Kaufleute und Gelehrte zu bilden, wobei die Wahl von Mitgliedern, die sich nur durch ererbten Reichtum auszeichnen, wegen der damit einhergehenden „Genusssucht“ möglichst zu vermeiden sei.231 In Bemerkungen zum –––––––––– 229

Berge/Braunschweig, „ProMemoria, die Rechte der Provinz betreffend“, vom 2. Oktober 1812, in: GStA PK, I. HA, Rep. 74, H IX, Nr. 20, Bl. 1– 8. 230 Vgl. STERN, Geschichte, S. 277–288. Abschrift des Entwurfes von Graf Hardenberg, in: Nl. Quast, Nr. 86, S. 21–26. Bemerkungen dazu (wahrscheinlich von Quast selbst): ebd., Bl. 37– 40. 231 [Quast?], „Notizen über Nation, Volk und Nationalrepräsentation“, undatiert, in: Nl. Quast, Nr. 86, Bl. 1. Quast als Verfasser genannt bei: VETTER, Adel, S. 59.

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Gesetzentwurf des Grafen Hardenberg, die wahrscheinlich tatsächlich von Quast selbst stammen, wurde zwar die Wahl nach Ständen in der Form, wie sie 1812 erfolgt war grundsätzlich gebilligt, aber unter Berufung auf einen Vorschlag des zweiten kurmärkischen Repräsentanten von Bredow gefordert, dass kein Kandidat ohne absolute Mehrheit der Wählerstimmen gewählt werden dürfe. Darüber hinaus sei es den „Rustikalbesitzern“ nicht zu verbieten, einen Rechtsgelehrten zum Repräsentanten zu wählen, sofern dieser über den zur Wahl befähigenden Grundbesitz verfüge. Die übrigen Bemerkungen zielten auf eine Stärkung der Rechte der Repräsentanten, die den Präsidenten der Versammlung selbst vorschlagen, selbst über die Zulässigkeit von Anträgen entscheiden und das Recht auf Vorlage aller Gesetzentwürfe haben sollten. Um die Funktion der Nationalversammlung sicherzustellen, müssten die Repräsentanten abgesehen von Urlaubszeiten und regelmäßigen Konsultationen in ihren Provinzen ständig versammelt bleiben.232 Weit kritischere Bemerkungen zu dem mit der Berufung der interimistischen Nationalrepräsentation eingeschlagenen Weg in der Verfassungsfrage enthält ein Exzerpt Quasts zu einem Aufsatz über Nationalrepräsentation: Statt dem Vorbild Großbritanniens sei man bei den vergangenen Wahlen „den verworfensten und lächerlichsten Formen“ gefolgt. Wichtiger als die Nationalversammlung seien die Einführung von Pressefreiheit und eine „Belebung“ der Provinzialstände unter Zuziehung von Vertretern der Universitäten und des Großhandels. „Die jezzigen Kreisstände könnten mit Modifikationen und Zuziehung städtischer Deputierter beibehalten werden. Die Masse der ungebildeten Menschen, welche da, wo Cöllmer sind, schon zahlreich genug auf den Kreistagen erscheint, sollte man nicht mehren.“233 Die Grundlage dieses Exzerpts bildete eine Schrift, die das einflussreiche Mitglied des ostpreußischen Ständekomitees Alexander Graf zu Dohna-Schlobitten, zwischen 1808 und 1810 preußischer Innenminister, im August 1812 verfasst hatte.234 Die Bemühungen der Nationalrepräsentanten um eine Klärung ihrer Befugnisse zeitigten keine sichtbaren Erfolge. In Hinblick auf die Schulden-, Steuer- und Finanzverwaltung gelang ihnen zumindest die Einflussnahme auf einzelne Regelungen. Zugleich schritt die Umsetzung der mit dem Gendarmerie-Edikt angekündigten Kreisordnung nur langsam voran und zumeist führten an Stelle der staatlich zu bestimmenden und zu besoldenden neuen Kreisdirektoren die bisherigen Landräte ihre Tätigkeit fort. Dies –––––––––– 232

[Quast], „Bemerkungen“ [zum Entwurf über die Rechte der Nationalversammlung von Graf Hardenberg], undatiert, in: Nl. Quast, Nr. 86, Bl. 37– 40. 233 „Auszüge aus einem Aufsazze über National-Repräsentanten“, undatiert, in: ebd., S. 41f. Als Cöllmer wurden Freigutsbesitzer zu kulmischen Recht bezeichnet, die in Ostpreußen auf Kreistagen über Stimmrecht verfügten. 234 Vgl. A. Graf v. Dohna-Schlobitten, Über Nationalrepräsentanten, in: SCHÖN, Aus den Papieren, Bd. 6, S. 565 –573.

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war aber zumindest ebenso dem Mangel an geeignetem Personal und an Finanzierungsmöglichkeiten von dessen Besoldung geschuldet wie den Protesten der Nationalversammlung.235 Dennoch zog Leopold von Quast in einem Rundschreiben an die kurmärkischen Kreisritterschaften eine positive Bilanz der interimistischen Nationalrepräsentation, als er bei Kriegsbeginn im April 1813 aufgrund der Verringerung der Repräsentantenzahl aus der Versammlung ausschied: „Auch glaube ich behaupten zu dürfen, dass von dieser Versammlung manches Gute bewirkt worden ist. Hat sie auch durch mehrere Eingaben an den Staatskanzler und zuletzt an des Königs Majestät sich vergeblich bemüht, die dauerhafte Organisation einer National-Versammlung zu erhalten und deren Verhältnis gegen ihre Machtgeber vestzustellen, so ist doch auch bei mehreren Entwürfen von zum Teil noch nicht ergangenen Verordnungen ihre Meinung ausführlich vernommen und beachtet worden. Und wenn bei einigen, z.B. bei dem Edikte wegen Errichtung der Gensdarmerie vom 30. Juli 1812 und dem wegen der Tresorscheine vom 19. Januar 1813, selbige vorher nicht eingezogen wurde, so scheinen doch ihre sogleich eingereichten Erinnerungen nicht ohne Wirkung beim ersteren gewesen zu sein, da viele Bestimmungen noch nicht zur Ausführung gekommen sind und in der Deklaration des letzteren v. 5. v. Monats der Berücksichtigung der Vorstellung der Nationalrepräsentanten ausdrücklich gedacht wird.“236 Am Ende des Jahres 1812 war der ständische Widerstand gegen die Durchsetzung einer unmittelbaren Beziehung zwischen Staatsverwaltung und Landbevölkerung deutlich geschwächt. Der Argumentation des Staatskanzlers, die Abtragung der Kriegsschulden sei nur durch den direkten staatlichen Zugriff auf die einzelnen Einwohner zu erreichen, konnten die adligen Gutsbesitzer außer Rechtsvorbehalten wenig entgegensetzen, hatten sie doch gerade in der Kurmark seit 1807 auf eine Übernahme der im Namen der Stände aufgenommenen provinzialen Kriegsschulden durch die Staatskassen gedrängt und sich außer Stande gesehen weitere Finanzmittel aufzubringen. Grundsätzliche Verweigerung einer Mitarbeit an den neuen Institutionen blieb selten und die Bestimmungen zur Einkommens- und Vermögensbesteuerung wurden nicht ohne Erfolg umgesetzt.237 Eher eine Ausnahme war das Verhalten von Ludwig von der Marwitz, der sich im Sommer 1812 weigerte die Stelle eines Kreis-Kommissars für die Erhebung der Vermögens- und Einkommenssteuer ohne vorhergehende Bestätigung –––––––––– 235

KOSELLECK, Preußen, S. 195f. In der Regel sollten die bisherigen Landräte die Kreisdirektorenstellen interimistisch verwalten. Den zunächst interimistisch neu angestellten Kreisdirektoren wurde hingegen ein Gehalt von 1200 Rtl. und Aufwandsentschädigung von 400 Rtl. zugesprochen: Edikt, wegen Errichtung der Gensdarmerie, vom 14.7.1812, in: GS 1812, S. 141–160, §§ 23 und 29. 236 Entwurf an die Ritterschaften der Prignitz etc., 14.4.1813 [abgesendet 18.4.1813], in: Nl. Quast, Nr. 86, Bl. 10. 237 Zum Erfolg der Vermögens- und Einkommensteuer vgl. WITZLEBEN, Staatsfinanznot, S. 179 –181.

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durch die Gutsbesitzer, Domänenpächter, Städte und Landgemeinden anzunehmen, und im Dezember verlangte, dass ohne vorherigen Landtag keine weitere Teilnahme an der Repräsentation geschehen solle.238 Die gewählten Vertreter der adligen Gutsbesitzer der Mark Brandenburg zeigten sich in der Verfassungspolitik weit stärker kompromissbereit als Marwitz und auch als einige Vertreter anderer Provinzen.

c)

„Die ursprünglichen Verhältnisse … haben ihre ... Kraft … bewiesen.“ Der wachsende Einfluss adliger Gutsbesitzer auf die Gesetzgebung

Als die Preußische Monarchie am 25. März endgültig in den Krieg gegen Napoleon eintrat, musste zur Militärversorgung, Heeresrekrutierung und Landwehrorganisation auf die alten Kreisstände zurückgegriffen werden, da die neuen Kreisverwaltungen noch kaum existierten. Die Kriegserfolge ließen das ständische Selbstbewusstsein wieder erstarken und dies schlug sich ab Jahresende, als Neuwahlen für die interimistischen Nationalrepräsentation angeordnet wurden,239 in politischen Forderungen nieder. Der bisherige Deputierte der neumärkischen Ritterschaft Wilhelm von Burgsdorff, eng mit den 1811 inhaftierten Carl Graf Finck von Finckenstein und Ludwig von der Marwitz befreundet,240 kritisierte die erneute Einberufung einer Nationalrepräsentation in einer Denkschrift, die er an seine Wähler und Mitrepräsentanten richtete, aber auch dem Staatskanzler zusandte, als verfrüht. Dabei berief er sich vor allem auf die veränderte politischen Situation: „Die ursprünglichen Verhältnisse, zu deren systematischen Auflösung in allen deutschen Staaten so viele Edikte abzweckten, haben ihre alte Kraft, sowie diese letzteren ihre Ohnmacht bewiesen.“ Der Sieg über Frankreich wurde als Sieg über die „Neuerungssucht und Willkür der letzten Jahrzehnte“ dargestellt, dem auch ein Sieg „im Inneren“ folgen müsse. Statt voreilig „Hand an die Zerstörung des letzten Restes unserer Verfassung“ zu legen, sei abzuwarten, ob ein neues deutsches Reich begründet werde. Falls sich stattdessen ein abgesonderter preußischer Staat entwickle und damit die Möglichkeit „einer eigentümlich preußischen Nationalität“ entstehe, sei mit der Bildung von Provinzialständen zu beginnen. Vor Berufung einer National-Repräsentation, die über „volle Freiheit der Rede und des Drucks“ und den

–––––––––– 238

Marwitz an Goldbeck, 1.7. und 5.7.1812, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 177–182; Ders., „Votum auf das Zirkular des Herrn v. Quast vom 28. Juni“, 25.12.1812, in: ebd., S. 168 –171. 239 STERN, Geschichte, S. 293f. 240 Zu Burgsdorff, allerdings ohne Hinweise auf seine Tätigkeit in der interimistischen Natinalrepräsentation: COHN, Burgsdorff. Zum Gutsbesitz und zur Familie vgl. SCHIECHE/JAESCHKE, Ziebingen, S. 10; BURGSDORFF-FRIEDRICHSTANNECK, Stammtafeln, Bd. 4, S. 720 –737.

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„ihr gebührenden Einfluss“ verfügen solle, müssten zudem die „Grundzüge fester Verfassung von der Hand des Monarchen vorgezeichnet“ werden.241 Trotz seiner Bedenken nahm Burgsdorff erneut die Wahl zum Nationalrepräsentanten an, die offensichtlich gerade weil er sich kritisch zur erneuten Einberufung der Versammlung geäußert hatte, erfolgte. Der andere Deputierte, Johann Philipp Ludwig von Berge, wurden hingegen nicht wiedergewählt, da ihm vorgeworfen wurde, seine Wähler nicht regelmäßig informiert zu haben.242 Dass eine Mehrheit der neumärkischen Wähler auch mit seiner kompromissbereiten Haltung in den Debatten zum Gendarmerie-Edikt nicht einverstanden war, zeigt ihr Schreiben an den an seiner Stelle gewählten Landrat Carl von Knobelsdorff. In diesem wurde die bisherige Tätigkeit der Nationalrepräsentanten scharf als zu kompromissbereit getadelt und der neue Deputierte dazu aufgefordert, alle weiteren Verhandlungen – außer denen zur materiellen Unterstützung der Gutsbesitzer – zu blockieren, solange die „Verfassung“ nicht wiederhergestellt sei.243 Der neu gewählte Deputierte teilte den Rittergutsbesitzern der Neumark in einer gedruckten Broschüre daraufhin seine Erwartung mit, dass die „Berufung der NationalVersammlung das Mittel sein möge, das dringenste aller Bedürfnisse, die Bildung einer dauerhaften Verfassung, zu befriedigen.“244 Aus der Aufforderung seiner Wähler, die Nationalrepräsentation möglichst zu boykottieren und stattdessen auf eine Wiederherstellung der alten Verhältnisse zu drängen, wurde damit faktisch das entgegengesetzte Ziel: die Entwicklung einer neuen Verfassung auf Grundlage der Nationalrepräsentation.245 Ursprünglich wurde eine Verbindung der Neuwahlen zur Nationalrepräsentation mit den im Gendarmerie-Edikt vorgesehenen Wahlen zu Kreisverwaltungen geplant. Letztere wurden dann jedoch erst schrittweise in den einzelnen Kreisen eingeleitet. Als einziges Zugeständnis an die Forderungen der Nationalrepräsentanten wurde von Innenminister Friedrich von Schuckmann auf Nachfrage zugestanden, dass Ritterschaft,

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Aus einer Denkschrift des Herrn v. Burgsdorff, 11.12.1813, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 172–175. Vgl. VETTER, Adel, S. 60f. 242 Landrat Henning August Ehrenreich Ludwig Mathias v. Bredow an Landesdirektor Carl Sigismund v. Kalckreuth, Anfang Dezember 1813, in: BLHA, Rep. 23 B, Nr. 1522, unpag.; Wahlbericht der Neumärkischen Regierung an Kalkreuth, 16.12.1813. in: ebd.; Wahlprotokoll, 16.12.1813, in: ebd., Rep. 3 B, I Präs., Nr. 683, Bl. 80f. 243 „Deputierte und Stände der Neumark“ an Knobelsdorff, 16.12.1813, in: ebd., Rep. 23 B, Nr. 1522, unpag. 244 Knobelsdorff an sämtliche Herrn Rittergutsbesitzer, Druck mit Datum 26.12.1813, in: ebd. 245 Zu den Wahlen auch: HOLSTE, Kreisstände, S. 116f. Vgl. mit abweichender Interpretation NEUGEBAUER, Staatskrise, S. 266f.

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Städte und Bauern getrennt je zwei Deputierte wählen sollten.246 Neben den Besitzern von Erbzins- und Erbpachtgütern sollten aber auch alle Domänenbeamte und Domänenpächter mit der Ritterschaft stimmen, was Schuckmann damit begründete, dass deren Interessen meist mit denen des Fiskus übereinstimmen würden.247 Als die Aufforderung zu Wahlen der Kreisverwaltungen bekannt wurde, setzten in der gesamten Monarchie massive Proteste ein.248 Der Ruppiner Landrat Friedrich von Zieten regte Ende Februar angesichts der Aufforderung zur Wahl im Amtsblatt der kurmärkischen Regierung zusammen mit zwei weiteren Gutsbesitzern in einem Schreiben an den von der kurmärkischen Ritterschaft zum Nationalrepräsentanten wiedergewählten Leopold von Quast eine gemeinsame Eingabe der kurmärkischen Kreise an, die aber zunächst nicht zustande kam.249 Im März richtete eine Mehrheit der Nationalrepräsentanten mit Bitte um Weiterleitung an den König eine Eingabe an den Staatskanzler, die sich dagegen wendete, dass mit der Umsetzung der neuen Kreisordnung ohne vorherige Berücksichtigung ihrer Forderungen begonnen wurde. Zu den Unterzeichnern gehörten die beiden wiedergewählten Vertreter der kurmärkischen Ritterschaft sowie von den Vertretern der neumärkischen Ritterschaft Carl von Knobelsdorff, aber auch die kur- und neumärkischen Repräsentanten der Rustikalbesitzer Leist und Müller.250 Sieben Deputierte widersetzten sich offensichtlich dem Votum der Mehrheit und befürworteten die Umsetzung des Ediktes.251 Während in der Neumark die neuen Kreisverwaltungen gewählt wurden und bis Ende April ihre Arbeit aufnahmen,252 zögerten die kurmärkischen Kreise die Wahlen weiter hinaus. Nach Rücksprache mit Quast wandten sich im Mai die Ruppiner Kreisstände an den König mit der Bitte, das Gen–––––––––– 246

Hardenberg an die neumärkische Regierung, 11.12.1813, in: BLHA, Rep. 3 B, I Präs., Nr. 1781, unpag.; Schuckmann an die neumärkische Regierung, 4.1.1814, mit dem Auszug aus einer Verfügung an die kurmärkische Regierung selben Datums, in: ebd. Vgl. KOSELLECK, Preußen, S. 205 mit Anm. 146. 247 Schuckmann an die neumärkische Regierung, 19.1. und 16.2.1814, in: BLHA, Rep. 3 B, I Präs., Nr. 1781, unpag. 248 KOSELLECK, Preußen, S. 205 –207. 249 Leopold von Zieten, Wilhelm von Quast-Radensleben und von der Hagen-Nackel an Quast, 26.2.1814, in: Nl. Quast, Nr. 88, Bl. 4f. Vgl. VETTER, Adel, S. 98 mit Anm. 88. 250 Eingabe der National-Repräsentanten vom 16.3.1814. Betreffend das Gensd'armerie-Edikt vom 30. Juli 1812. Abdruck in: RÖPELL, Beiträge IV, S. 359f. Dort wird in der Überschrift der 16. Februar angegeben, so übernommen bei KOSELLECK, Preußen, S. 206; HOLSTE, Kreisstände, S. 118. Wahrscheinlicher ist das Datum 16. März in der Fußzeile, da die Versammlung erst am 21. Februar eröffnet wurde. Zur Eröffnung: OBENAUS, Anfänge, S. 71. 251 A. Graf zu Dohna-Schlobitten an Theodor von Schön, 16.3.1814, in: SCHÖN, Aus den Papieren, Bd. 6, S. 289 –291, hier S. 290. 252 BLHA, Rep. 3 B, I Präs., Nr. 1781f., passim. Vgl. HOLSTE, Kreisstände, S. 119.

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darmerie-Edikt zu suspendieren, bis die Nationalrepräsentation darüber gehört worden sei, und die anstehenden Wahlen zur Kreisverwaltung bis zum Bescheid auf diese Eingabe auszusetzen.253 Obwohl die Zuständigkeit der in Berlin versammelten Nationalrepräsentanten vor Beginn ihrer Sitzungen eng auf die ihnen vorgelegten Fragen begrenzt und ihnen im März auch die Selbstbezeichnung als „Nationalversammlung“ verboten wurde,254 blieb ihr Protest gegen die Umsetzung des Gendarmerie-Ediktes, der eigentlich ihre Kompetenz überschritt, nicht ohne Wirkung. Bereits am 27. März sicherte der König den nun Landesrepräsentanten genannten Deputierten vor dem Hintergrund des besonders in Ostpreußen rasch wachsenden Widerstandes zu, „Modifikationen in der Besetzung der landrätlichen oder Kreisdirektorenstellen gemäß den Wünschen aller Stände“ vorzunehmen.255 Am 19. Mai erging an den Staatskanzler schließlich die Anweisung zur „nochmaligen Prüfung“ des Ediktes.256 In den Kreisen, in denen noch keine Wahlen stattgefunden hatten, wurde die Einführung der neuen Kreisverwaltungen vorläufig eingestellt und es wurden keine weiteren Kreisdirektoren neu berufen.257 Neben den Eingaben an den König dürfte für diese Entscheidung auch die Befürchtung ausschlaggebend gewesen sein, dass eine Weigerung der Gutsbesitzer, mit den neuen Kreisverwaltungen zusammenzuarbeiten, die lokalen Verhältnisse destabilisiert hätte. Die kurmärkischen Kreisstände nutzten das Zurückweichen des Staatskanzlers für eine grundsätzliche Infragestellung der begonnenen Verstaatlichung der Regionalverwaltung.258 Auf Anregung der Prignitzer Ritterschaft wählten Kreisversammlungen, an denen sich teilweise auch Vertreter der Rittergüter besitzenden Städte und bürgerliche Rittergutsbesitzer beteiligten, Deputierte, die in einer Eingabe um Wiederherstellung der „alten beglückenden Verfassung“ bitten sollten.259 Auf Wunsch der Ruppiner Kreisstände nahm auch der Landesrepräsentant Leopold von Quast an der Versamm–––––––––– 253

Zieten an Quast, 22.3.14, in: Nl. Quast, Nr. 139, S. 111; Beschluss des Ruppiner Kreistages, 7.5.1814, in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5, S. 173f. Vgl. KOSELLECK, Preußen, S. 206, der den besonderen Erfolg dieser Eingabe anmerkt. 254 Vgl. STERN, Geschichte, S. 292–295. 255 KOSELLECK, Preußen, S. 206 mit Anm. 147–149. 256 MEIER, Reform, S. 444. 257 VETTER, Adel, S. 98. 258 Zum folgenden vgl. VETTER, Adel, S. 61f.; mit kleineren Ungenauigkeiten: MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 159 –161. 259 Prignitzer Kreisstände an Briest, 1.7.1814, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 1. Im Havelland beteiligte sich der gastgebende Gutsbesitzer Schneider auf Dyrotz: Protokoll der Verhandlungen der havelländischen Kreisstände zu Dyrotz, 27.7.1814, in: ebd., Bl. 9 und Einladungszirkular von Briest, 19.7.1814, in: ebd., Bl. 3. An den Ruppiner Beratungen nahm der Syndicus Neuruppins teil: Protokoll des Ruppiner Kreistages, 31.7.1814, in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5, Bl. 173.

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1. Die Akteure betreten die Arena

lung teil.260 Sein Stellvertreter, Landrat Albrecht Wilhelm von Pannwitz, war vom Lebusischen Kreis zum Deputierten bestimmt worden.261 Die in Berlin versammelten Deputierten der Kreisstände beschlossen, nachdem ihnen eine Audienz beim König verwehrt worden war, ihre Eingabe unmittelbar an diesen zu richten und den Staatskanzler nur in einem Schreiben um Unterstützung zu bitten. Eine Minderheit hatte befürwortet, sich zunächst an den Staatskanzler zu wenden, der dies als „Beweis des Vertrauens“ werten würde. Offenbar strebte zumindest ein Teil der Deputierten und ihrer Auftraggeber weiterhin informelle Verhandlungen mit Hardenberg an.262 Die am 14. August 1814 verabschiedete Eingabe erbat generell die Wiederherstellung der Provinzialverfassung, zeigte aber Bereitschaft zu Veränderungen nach vorherigen Beratungen an. Besondere Aufmerksamkeit wurde dem Landschaftlichen Kreditwerk gewidmet, das seit Aufhebung des „neuen Biergeldes“ 1810 fast vollständig auf Zuschüsse angewiesen war und auf dessen Verwaltung die Stände kaum noch Einfluss nehmen konnten, da die Berufung der Großen Ausschüsse nicht genehmigt wurde. Hinsichtlich der Kreisverfassung wurde vor allem um Wiederherstellung des Wahlrechtes von im Kreise angesessenen Kandidaten für die Landratsämter gebeten und dies mit dem Beistand, dessen ein Landrat im Kreise bedürfe, sowie mit der Vermeidung von Bürokratie begründet. Weitere Bitten betrafen die Wiedervereinigung mit der Altmark, wegen des gemeinsamen ritterschaftlichen Kredites, und die selbständige Führung der Hypothekenbücher für die Rittergüter in den von Berlin weiter entfernten Kreisen sowie allgemein die Ermäßigung der Gebühren und die Überlassung eines Anteils an die Landräte. Die Eingabe schloss mit dem Dank für die Gnade, dass eine Repräsentation für die gesamte Monarchie bewilligt wurde, und dem Hinweis, dass es „zur Vollendung dieser Wohltat“ einer Provinzialverfassung bedürfe. Dies sei der Grund für die vorgetragene Bitte um Wiederherstellung der Provinzialverfassung.263 Dass in Zusammenhang mit Verfassungswünschen zuerst des ständischen Kredites und der ständischen Steuerverwaltung gedacht wurde, verdeutlicht, dass den Deputierten und den sie beauftragenden Kreisständen weniger an Repräsentation im Staat als an eigenem Handlungsspielraum neben dem Staat gelegen war. Auch in der Begründung für das erbetene Landratswahlrecht kam das Bemühen zum Ausdruck, dem Vordringen des Staates in bisher ständische Verwaltungsbereiche gegenzusteuern. Dies bildete ebenfalls den Hintergrund für die Bitte um Wiedervereinigung mit der Altmark, die –––––––––– 260

Protokoll des Ruppiner Kreistages, 31.7.1814, in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5, Bl. 174f. Protokoll der ständischen Deputiertenversammlung, 9.8.1814, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 15f. 262 Protokoll der ständischen Deputiertenversammlungen, 9.8. und 11.8.1814, in: ebd., Bl. 15 –18. Die Ruppiner Kreisstände hatten Quast explizit darum gebeten, sich zunächst an den Staatskanzler zu wenden: Protokoll des Kreistages, 31.7.1814, in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5, Bl. 174f. 263 Eingabe der Deputierten der kurmärkischen Ritterschaft, datiert 13.8.1814, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr.1, Bl. 21–24. 261

1.2. Die Arena preußische Verfassungsdebatte 1807–1818

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unter Verweis auf die gemeinsame ständische Verwaltungstradition vorgetragen wurde, und um Veränderungen der staatlichen Hypothekenbuchverwaltung, wobei nur deshalb nicht um vollständige Wiederherstellung der Selbstverwaltung der Hypothekenregistratur ersucht wurde, da dies zuvor als aussichtslos verworfen worden war.264 Zurückgestellt für ein späteres Treffen wurden weitere Anliegen, so etwa die, keine Grundsteuer für die bisher befreiten Güter einzuführen und die gutsherrliche Polizeiverwaltung sowie Patrimonialgerichtsbarkeit zu erhalten.265 Quast kündigte auf der Versammlung an, dass die Landesrepräsentanten sich gegen die Aufhebung der gesetzlich angeordneten Stundung von Privatschulden wenden würden und über ihn Vorschläge an deren Versammlung weitergeleitet werden könnten.266 Der Staatskanzler gab der zu ihm entsandten Deputation beruhigende Versicherungen,267 aber die Eingabe zeigte zunächst keine weiteren Folgen. Die Landesrepräsentation erinnerte im Dezember 1814 noch einmal an ihren Wunsch, über die Kreisordnung zu beraten.268 Innenminister Schuckmann verfügte im selben Monat, dass bis zur Auswertung des Gutachtens der Landesrepräsentanten zum Gendarmerie-Edikt keine weiteren Veränderungen an der Kreisverfassung durchgeführt werden sollten, was im Falle der Neumark allerdings bedeutete, dass die neuen Kreisverwaltungen bestehen blieben.269 Im April 1815, während der Vorbereitungen zu einem erneuten Feldzug gegen Frankreich, richteten die Landesrepräsentanten einen Antrag an den König, der auf die zügige Erarbeitung einer endgültigen Konstitution drang.270 In der Debatte hatte Christoph August von Bredow sich energisch für eine rasche Verfassungsgebung ausgesprochen, „um der Täuschung ein Gegengewicht zu geben in der Wahrheit“, wobei er mit Täuschung die Ideen der Französischen Revolution meinte, die „auch jetzt noch viele

–––––––––– 264

So schon der Beschluss der havelländischen Kreisstände am 27.7.1814, in: ebd., Bl. 9f. Protokoll der ständischen Deputiertenversammlung, 11.8.1814, in: ebd., Bl. 17f. Um Verschonung von Grundsteuer hatte der Prignitzer Entwurf gebeten, die Bitte um Erhalt der Patrimonialgerichtsbarkeit und Polizeiverwaltung hatten die Ruppiner Kreisstände als besondere Punkte angeführt. Die Vorschläge der Prignitz vom 1.7.1814 in: ebd., Bl. 6f.; die Anträge der Ruppiner in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5, S. 174f. 266 Protokoll der ständischen Deputiertenversammlung der Kurmark, 14.8.1814, in: Nl. Rochow, A III, Nr.1, Bl. 19f. 267 Bericht durch Briest, 22.8.1814, in: ebd., Bl. 25. 268 KOSELLECK, Preußen, S. 207. 269 Schuckmann an die neumärkische Regierung, 24.12.1814, in: BLHA, Rep 3 B, I Präs., Nr. 1282, unpag.. 270 KOSELLECK, Preußen, S. 211. 265

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1. Die Akteure betreten die Arena

Schwache blenden, täuschen, fortreißen“ könnten.271 Wilhelm von Burgsdorff, der von sich behauptete, „niemand könne lebhafter die Verfassung wünschen als er“, wandte dagegen ein, das, was bei deren Einrichtung die „Weisheit“ als das „Zweckmäßigste erkannt habe, werde sich nicht immer den Beifall des großen Haufen erwerben, und daher sei der Versuch misslich, den Lügen eines Usurpators durch ein wahrhaft gelungenes Werk der Weisheit begegnen zu wollen“. Beschleunigung der Verfassungsplanung schade, wie an den neueren Verfassungen anderer Länder zu erkennen sei. Stattdessen empfahl er: „Die ständische Verfassung des Ganzen bedürfte einer Vorbereitung in den Verfassungen der Provinzen, und was daher jetzt am meisten an der Zeit sein möchte, wäre dies, dass in den neuen Provinzen ständische Verfassungen gebildet und zu einer festen Form und Wirksamkeit gebracht werden.“272 Leopold von Quast „hielt es für an sich unschädlich, bei dem Staatskanzler darauf anzutragen, dass jetzt mit der Bearbeitung der ständischen Verfassung vorgeschritten würde“. Eine nähere Bestimmung, dass diese Bitte sich zugleich gegen den „Scheinrepublikanismus“ richte, sei nicht nötig, da ein Ausspruch des Königs „zu diesem Ende“ schon vorhanden sei. Dessen Weiterentwicklung in den Grundzügen einer Verfassung bedürfe es „zur Belebung der Nation“ nicht, denn „der alte Geist“ sei noch da. Quast folgerte aus der breiten Unterstützung der preußischen Kriegsführung also offensichtlich, dass die Zurückweisung neuer, staatlicher Verfassungsformen und der Rückgriff auf die alten Stände von der angekündigten Verfassung erwartet werden konnte.273 Die geplante Eingabe lehnte Quast ebenso ab wie Burgsdorff, zog aber in Erwägung, den König um die Erklärung zu bitten, dass nach Kriegsende die Verfassungsplanung wieder aufgenommen würde.274 Zusammen mit Burgsdorff gehörte Quast zu den drei Deputierten, deren Unterschriften auf der Eingabe an den Staatskanzler fehlen, die darum bat, über den augenblicklichen Problemen des Staates nicht zu vernachlässigen, „was auf lange Zeit dessen Grundfeste sichern soll, nämlich eine auf zweckmäßige Repräsentation aller Klassen der Staatsbürger gegründete Verfassung der Provinzen, und eine mit diesen organisch verbundene, dauernde, in ihren Rechten und Pflichten überall bestimmt ausgebildete Landesrepräsentation.“ Die übrigen 32 anwesenden Deputierten unterzeichneten die Eingabe, unter ihnen Bredow für die kurmärkische und Knobelsdorff für die neumärkische Ritterschaft.275 –––––––––– 271

Aus dem Protokolle der interimistischen Nationalrepräsentation. 163. Sitzung. 7. April 1815, in: STERN, Verfassungsfrage 1807–1815, Anhang III, S. 216 –221, hier S. 218. 272 Ebd., S. 219. 273 Ebd., S. 220. Die Aussage ist im Protokoll etwas unglücklich zusammengefasst, ergibt so wie hier rekonstruiert aber Sinn. 274 Ebd., S. 221. 275 Schreiben der interimistischen Landesrepräsentation an den Staatskanzler Fürsten Hardenberg vom 10. April 1815, in: ebd., Anhang IV, S. 221f.

1.3. Zwischenergebnisse der Verfassungsdebatte 1815

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1.3. Zwischenergebnisse der Verfassungsdebatte 1815: Staatliche Reorganisationspläne und die politischen Erwartungen adliger Gutsbesitzer Die interimistische Landesrepräsentation wurde am 10. Juli 1815 aufgelöst.276 Ihre ursprüngliche Aufgabe, eine Tilgung der in den Jahren 1806 bis 1809 aufgenommenen ständischen Provinzialschulden zu erreichen und die Modi der Schuldentilgung zu regeln, hatte sie nicht erfüllt. Mit der Verwaltung der Provinzialschulden blieben vorläufig die jeweiligen Provinzialdeputierten beauftragt.277 Die Beratungen der Landesrepräsentanten zeigten allerdings 1816 auf anderem Gebiet Wirkungen. In ihrem Gutachten zur Weiterentwicklung der Agrarreform, das sie im April 1815 einer zur Überarbeitung der Gesetzgebung neu gebildeten Kommission der Staatsverwaltung übergaben, hatte die Mehrheit der ritterschaftlichen Deputierten auf Abänderungen des Regulierungsediktes von 1811 gedrungen. Die Deklaration vom 29. Mai 1816 entsprach in einigen Teilen diesen Forderungen.278 An den Protesten gegen das Regulierungsedikt von 1811 hatten sich allerdings weder die kurmärkischen Kreisstände noch ihre Repräsentanten wesentlich beteiligt.279 Die Rittergutsbesitzer der Mark Brandenburg wurden vielmehr zu Vorreitern bei der Umsetzung des Ediktes und nutzten die hohen Ablösungszahlungen ihrer Bauern offenbar frühzeitig zu grundlegender Umgestaltung ihrer Wirtschaft.280 Auffallend ist dabei, dass häufig gerade diejenigen adligen Gutsbesitzer, die sich politisch in führender Stellung für den Erhalt ständischer Ordnung und ihrer Befugnisse gegenüber den Landgemeinden einsetzten, den Wandel der Wirtschaftsmethoden und damit auch die ökonomische Trennung von Gütern und Landgemeinden vorantrieben.281 –––––––––– 276

STERN, Geschichte, S. 301. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 273 –276. 278 KNAPP, Bauern-Befreiung, Teil 2, S. 353 –392, HARNISCH, Oktoberedikt, S. 263 –276. 279 VETTER, Adel, S. 143f. 280 HARNISCH, Agrarreform, S. 169 –177. 281 Zur raschen Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse durch Minister Otto von Voß nach dessen Erwerb von Stavenow: HAGEN, Prussians, S. 627– 639. Zur Dienstaufhebung und Eigentumsverleihung auf dessen Gütern Buch und Karow: H.-H. MÜLLER, Landwirtschaft, S. 37. Zur Umgestaltung Schwanebecks zum Mustergut durch Christoph August von Bredow: [Bredow], Geschichte, Teil 3, S. 461. Der mehrfach erwähnte Ruppiner Landrat Zieten setzte sich nachdrücklich für die Separierung von Guts- und Bauernland ein: BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 434. Zu den zwiespältigen Erfahrungen Ludwigs von der Marwitz mit Veränderungen der Gutswirtschaft: FRIE, Marwitz – Biographien, S. 137–149. 277

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1. Die Akteure betreten die Arena

Je mehr sich allerdings die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Gütern und Landgemeinden lösten, desto unsicherer wurde der Fortbestand der administrativen Funktion der Gutsbesitzer und desto mehr Bedeutung gewann für sie die politische Neubestimmung ihres Standes gegenüber dem Staat und damit die Form, in der die ständische Verfassung ausgeführt würde. Diese blieb zunächst allerdings ungewiss, denn Verfassung, Landesrepräsentation und Provinzialstände wurden zwar 1815 erneut offiziell angekündigt, zunächst rückte jedoch die administrative Integration der neu erworbenen Landesteile in den Mittelpunkt der Politik. Durch ihren Anteil am Sieg über das napoleonische Frankreich erlangte die Preußische Monarchie die 1807 verlorene Position einer europäischen Großmacht zurück. Bei den Friedensverhandlungen in Wien scheiterte allerdings die Durchsetzung der preußischen Ziele hinsichtlich der territorialen und politischen Neuordnung Mitteleuropas am englischen und vor allem österreichischen Widerstand. Weder die geplante vollständige Annexion des Königreichs Sachsen noch eine bundesstaatliche Reorganisation des vormaligen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation unter gleichberechtigter Führung Preußens neben Österreich erwiesen sich als durchsetzbar. Nur die nördlichen Teile Sachsens unter Einschluss der Niederlausitz und Teilen der Oberlausitz wurden Preußen zugesprochen. Die Gründung des Deutschen Bundes gewährte Preußen kaum Einfluss auf die Politik der in ihm zusammengeschlossenen Einzelstaaten. Als territoriale Kompensation wurden der preußischen Monarchie größere Gebietsgewinne am Rhein als ursprünglich gefordert zugesprochen.282 Die Integration der neu erworbenen Landesteile, deren Rechtssysteme sowie Wirtschafts- und Sozialstruktur zum Teil erheblich von denen der alten Provinzen abwichen, suchte die preußische Staatsführung unter Leitung des 1814 gefürsteten Staatskanzlers Hardenberg in Fortsetzung der 1807 begonnenen Reformpolitik durch Vereinheitlichung der staatlichen Institutionen, Abbau von Hemmnissen freier wirtschaftlicher Entfaltung der Einzelnen sowie Gewährung begrenzter politischer Partizipationsrechte zu erreichen. Die Stärkung der Staatsmacht, eine liberale Wirtschaftsordnung und allgemeine Staatsbürgerschaft bildeten einander bedingende Bestandteile reformbürokratischer Politik, die nun zu ihrer Legitimation angesichts der erfolgreichen Kriegsbeteiligung der Monarchie neben theoretischen Erwägungen zu historischen Entwicklungsnotwendigkeiten von Staat und Nation auch auf die konkrete historische Erfahrung verweisen konnte. Das Gendarmerie-Edikt, mit dem 1812 der Durchgriff der Staatsverwaltung bis auf die lokale Ebene ermöglicht werden sollte, wurde zwar nach der teilweisen Suspendierung 1814 nicht weiter umgesetzt, aber die Reorganisation der Verwaltungsbehörden, die Fortsetzung der Agrargesetzgebung und die Verhandlungen über eine einheitliche Steuergesetzgebung und Verteilung der Kriegsschulden zeugen von ungebrochenem politischen Gestaltungswillen der Staatsbürokratie und vom Füh–––––––––– 282

NIPPERDEY, Geschichte, S. 90 – 98.

1.3. Zwischenergebnisse der Verfassungsdebatte 1815

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rungsanspruch Hardenbergs in den ersten Jahren nach Kriegsende. Die internen Auseinandersetzungen in der Bürokratie, Proteste verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, Einflussnahme von außen und schließlich die zögerliche Haltung des Königs führten zu einer Vielzahl von Kompromiss- und Übergangslösungen, die, so unterschiedlich ihre Tendenzen im Einzelnen waren, letztlich doch das politische Gewicht der Ministerialbürokratie auf zentraler und der ihr unterstellten Regierungen auf regionaler Ebene vergrößerten.283 Einen wesentlichen Schritt zur staatlichen Integration bedeutete die territoriale Neugliederung der Staatsverwaltung, die am 30. April 1815 eingeführt wurde. Das Gebiet der Monarchie wurde in 25 Regierungsbezirke unterteilt, deren Verwaltung kollegial organisierte Regierungen übertragen wurde, die direkt dem Staatsministerium unterstanden. Je zwei bis drei Regierungsbezirke wurden zu Provinzen zusammengefasst, deren gemeinsame Angelegenheiten, wozu auch der Kontakt zu den bisherigen Ständen und zukünftigen ständischen Repräsentationsinstitutionen zählte, durch Oberpräsidenten erfolgte. Jedem Regierungsbezirk wurde in der Regel ein Oberlandesgericht zugeordnet, das als Berufungsinstanz der lokalen Gerichte des Bezirkes diente.284 Das Territorium der neuen, in die Regierungsbezirke Potsdam und Frankfurt/Oder unterteilten Provinz Brandenburg unterschied sich infolge der neuen Verwaltungseinteilung erheblich von dem der früheren Mark Brandenburg. Die Altmark, die der Provinz Sachsen angegliedert wurde, blieb wie seit 1807 getrennt von der übrigen Kurmark. Diese bildete nun den Hauptteil des Potsdamer Regierungsbezirkes, dem zusätzlich mehrere vormals sächsische Ämter und die Herrschaft Baruth zugeordnet wurden. Zum Oberlandesgericht im Potsdamer Regierungsbezirk wurde unter Beibehaltung des bisherigen Namens das Berliner Kammergericht. Der größte Teil der Neumark wurde mit der bis 1815 sächsischen Niederlausitz im Regierungsbezirk Frankfurt vereinigt, dem auch zuvor kurmärkische Landesteile (der Kreis Lebus und unter Auflösung des Kreises Beeskow-Storkow das Gebiet der Herrschaft Beeskow) und der schlesische Kreis Schwiebus angefügt wurden. Die neumärkischen Kreise Dramburg und Schivelbein sowie ein Teil des Kreises Arnswalde fielen administrativ an die Provinz Pommern. Der Neugliederung der Provinzen folgte 1816 eine Neueinteilung der Kreise. Die bisherigen Großkreise Uckermark und Prignitz sowie der mittelmärkische Kreis Havelland wurden in Einzelkreise unterteilt, die Kreise Glien-Löwenberg und Beeskow-Storkow aufgelöst und aus den Kreisen Zauche sowie Luckenwalde unter Einschluss vormals sächsischer Landesteile die Kreise Zauch-Belzig und Jüterbog-

–––––––––– 283 284

KOSELLECK, Preußen, S. 217–283. Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Behörden, vom 30. April 1815, in: GS 1814/15, S. 85 – 92.

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1. Die Akteure betreten die Arena

Luckenwalde geschaffen. Auch in der Neumark wurden die Kreisgrenzen verändert und die Stadtkreise Frankfurt und Küstrin neu gebildet.285 Das Bestreben eines Teils der Reformbürokratie mit dem Staatskanzler an der Spitze, die Integration des Staates auch durch die Gewährung von Partizipationsrechten an die Bevölkerung voranzutreiben, schlug sich in einer Verordnung vom 22. Mai 1815 nieder. Diese kündigte an, noch bestehende „Provinzialstände“ „dem Bedürfnisse der Zeit gemäß“ herzustellen, wo keine bestanden, neue anzuordnen, sowie aus diesen eine „Versammlung der Landes-Repräsentanten“ zu wählen. Die Präambel verwies auf die Voraussetzungen und Ziele der angekündigten Verfassungsgebung: „Durch Unsere Verordnung vom 30sten v. M. haben Wir für Unsere Monarchie eine regelmäßige Verwaltung, mit Berücksichtigung der frühern Provinzialverhältnisse, angeordnet. Die Geschichte des Preußischen Staats zeigt zwar, daß der wohlthätige Zustand bürgerlicher Freiheit und die Dauer einer gerechten, auf Ordnung gegründeten Verwaltung in den Eigenschaften der Regenten und in ihrer Eintracht mit dem Volke bisher diejenige Sicherheit fanden, die sich bei der Unvollkommenheit und dem Unbestande menschlicher Einrichtungen erreichen läßt. Damit sie jedoch desto fester begründet, der Preußischen Nation ein Pfand Unsers Vertrauens gegeben und der Nachkommenschaft die Grundsätze, nach welchen Unsere Vorfahren und Wir selbst die Regierung Unsers Reichs mit ernstlicher Vorsorge für das Glück Unserer Unterthanen geführt haben, treu überliefert und vermittelst einer schriftlichen Urkunde, als Verfassung des Preußischen Reichs, dauerhaft bewahrt werden, haben Wir Nachstehendes beschlossen […]“.286 Der Sicherung „bürgerlicher Freiheit“ und „einer gerechten, auf Ordnung gegründeten Verwaltung“ durch monarchische Herrschaft wird eindeutig der Vorrang vor Partizipationsrechten eingeräumt. „Bürgerliche Freiheit“ ist dabei auf den absolutistischen Staatszweck, der Wohlfahrt der Untertanen im Rahmen der staatlichen Rechtsordnung bezogen.287 Dass mit der „auf Ordnung gegründeten Verwaltung“ vor allem die Staatsbürokratie gemeint ist, verdeutlicht der Verweis auf die wenige Wochen zuvor erlassene „Neuordnung der Verwaltungsbehörden“ zu Beginn des Textes. Die monarchische Herrschaft wird, wie schon im Allgemeinen Landrecht, als Garant staatlicher Ordnung gerechtfertigt. Aber während dies staatsrechtliche Fragen und damit die politische Rolle der Stände weitgehend ausgeklammert hatte, wird in der Verordnung vom 22. Mai 1815 dem Monarchen als Staatsoberhaupt die „preußische Nation“ in der „Versammlung der Landes-Repräsentanten“ als Einheit gegenübergestellt, auch wenn ihre regionale und ständische Gliederung durch die „Provinzialstände“ Berücksichtigung findet. Für –––––––––– 285

HUBATSCH (Hg.), Grundriß, Bd. 5, S. 17f., S. 62– 64 und S. 130 –134; SCHULZE, Reform, S. 41–79. Verordnung über die zu bildende Repräsentation des Volks, vom 22. Mai 1815, in: GS 1815, S. 103. 287 Zum Begriff „bürgerliche Freiheit“: KLIPPEL, Freiheitsbegriff, hier S. 475 – 477 und S. 484. 286

1.3. Zwischenergebnisse der Verfassungsdebatte 1815

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politische Einflussnahme jenseits gesamtpreußischer staatlicher Institutionen und nationaler Repräsentation blieb in dem angekündigten Verfassungsprojekt wenig Raum.288 Bot die Leistungsfähigkeit, die die Monarchie unter Führung der Reformbürokratie in den militärischen Auseinandersetzungen unter Beweis gestellt hatte, Argumente zur Legitimation des politischen Gestaltungsanspruchs der Staatsbürokratie, so stärkte das Prestige, das adlige Gutsbesitzer nicht nur als Offiziere, sondern auch als lokale Organisatoren im Zuge der Kriegshandlungen gewonnen hatten, deren Anspruch auf Erhalt ihrer gesellschaftlichen und politischen Sonderstellung. Die Ankündigung, dass die zukünftige Landesrepräsentation auf Provinzialständen aufbauen und diese sich an den Traditionen vorhandener ständischer Institutionen orientieren würden, eröffnete ihnen die Aussicht, eigene Positionen gegenüber der Staatsbürokratie stärker zur Geltung bringen zu können. Dass die Provinzialstände, wie in §2 der Verordnung vom 22. Mai 1815 festgelegt, „dem Bedürfnisse der Zeit gemäß einzurichten“ seien, ließ allerdings offen, ob sie tatsächlich in diesen eine dominierende Stellung einnehmen würden. Der argumentative Kontext und die sonstige Reformgesetzgebung ließen darüber hinaus das politische Ziel erkennen, die Sonderstellung gutsbesitzender Adliger gegenüber und in den staatlichen Institutionen und damit die bisherige Grundlage ihres regional- und lokalpolitischen Gestaltungsspielraumes vollständig aufzuheben. Politische Partizipation als Vertreter der Nation und Anerkennung staatlicher Ordnung bedingten einander. Eine anerkannte politische Stellung in der Monarchie ließ sich in diesem Rahmen auf Dauer nur mit einer Funktion für den Staat oder die Nation begründen. Die Auseinandersetzung adliger Gutsbesitzer mit der Verfassungsfrage nahm so Züge einer Grundsatzdebatte über ihre zukünftige politische Stellung in der Monarchie an. Die Kreisverfassung blieb in dem Zustand, den sie im Mai 1814 erreicht hatte. Dies bedeutete, dass im Regierungsbezirk Potsdam und in den früher kurmärkischen Kreisen des Frankfurter Regierungsbezirks die bisherigen Landräte die Verwaltung der Kreise leiteten, unterstützt und kontrolliert von den aus den Rittergutsbesitzern bestehenden Kreisversammlungen und den von diesen gewählten Kreisdeputierten. In den neumärkischen Kreisen des Regierungsbezirkes Frankfurt existierten hingegen Kreisverwaltungen, die entsprechend den Vorgaben des Gendarmerie-Ediktes aus Deputierten der Gutsbesitzer, Städte und Landgemeinden zusammengesetzt waren. Im zwischen 1807 und 1815 sächsischen Kreis Cottbus galten noch die Regelungen von vor 1807 und der Landrat lud bürgerliche Rittergutsbesitzer nur gelegentlich zu Kreistagen ein. In der Niederlausitz bestanden neben der neuen landrätlichen Verwaltung weiter die alten Kreisstände, an denen nur die adligen Gutsbesitzer beteiligt waren.289 Während in –––––––––– 288 289

KOSELLECK, Preußen, S. 214f. HOLSTE, Kreisstände, S. 119f.

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1. Die Akteure betreten die Arena

den Kreisen des Regierungsbezirkes Potsdam noch ein Drittel der schon vor 1806 amtierenden Landräte im Amt war und nur der hauptsächlich aus früher sächsischen Landesteilen gebildete Landkreis Jüterbog-Luckenwalde durch einen nichtadligen Landrat verwaltet wurde, war neben dem Kreis Cottbus nur in einem Kreis des Frankfurter Regierungsbezirks noch ein Landrat seit vor 1806 im Amt und vier der neuen Amtsträger, die bis 1815 teilweise die Bezeichnung Kreisdirektoren führten, waren nichtadlig.290 Die der Reorganisation der Verwaltungsbezirke von 1815 folgenden neuen Kreiseinteilungen führten zur Überlagerung unterschiedlicher Verwaltungsebenen, da der Verwaltungsraum der alten Kreisstände, die weiter für die Verwaltung der Kreis- und Kriegsschuldenverwaltung, des Feuerversicherungswesens sowie des Hufen- und Giebelschosses verantwortlich waren, nicht mehr mit den Territorien der neuen landrätlichen Kreise übereinstimmten. Eine Kabinettsordre vom 11. Juni 1816 überließ zwar das Präsentationsrecht von Kandidaten für neu zu besetzende Landratsposten den Kreisständen, in den neumärkischen Kreisen erhielten diese Befugnisse zunächst aber die gemäß Gendarmerie-Edikt gebildeten Kreisverwaltungen und erst nachträglich wurden den Gutsbesitzern gestattet, zusätzlich eigene Kandidaten vorzuschlagen.291 Die Stellung der Landräte als Staatsbeamte wurde durch eine 1817 in Kraft getretene, vorläufige Instruktion vom 31. Dezember 1816 gestärkt. Ihnen wurde die gesamte Verwaltung der Kreise unterstellt und gegenüber den Gutsbesitzern Weisungsbefugnis zuerkannt, die dabei an einer Stelle zusammen mit den Dorfschulzen als „untergeordnete Gehülfen des Landrates“ bezeichnet wurden. Allerdings sollten die Landräte sich statt bürokratischer Formen auf die Mitarbeit der Gutsbesitzer stützen.292 Unter der angekündigten ständischen Verfassung konnte in den ersten Jahren nach 1815 folglich sehr Verschiedenes verstanden werden: eine die administrative Bedeutung der Stände aufhebende Staatsverfassung mit berufs- und besitzständisch gegliederter Repräsentation, ein neu verfasstes Verhältnis zwischen Ständen und Staat und schließlich auf letzterem aufbauend zusätzlich die Partizipation der Stände am Staat. Die Auswirkungen aller dieser Varianten auf die politische Stellung der adligen Rittergutsbesitzer hing mit der ebenso ungeklärten Frage zusammen, welche Stände anerkannt, was zur Standschaft qualifizieren und in welchem Verhältnis die Stände reprä–––––––––– 290

Handbuch Hof/Staat 1806, S. 65 und S. 76; HUBATSCH (Hg.), Grundriß, Bd. 3, S. 64 und Bd. 5, S. 79 –124 und S. 140 –187. 291 Kabinettsordre v. 11.6.1816, in: MEIER, Reform, S. 491– 493, hier S. 491. Zu den neumärkischen Kreisen: HOLSTE, Kreisstände, S. 120. Zur Entwicklung in der gesamten Monarchie: KOSELLECK, Preußen, S. 449 – 460. 292 UNRUH, Kreis, S. 96 – 98; KOSELLECK, Preußen, S. 452– 454; EIFERT, Paternalismus, S. 52 und S. 58 – 60. Zitat der Instruktion in: Immediateingabe der Stände des Königsberger und des Soldiner Kreises, undatiert, Abschrift in: BLHA, Rep. 3 B, I Präs., Nr. 1784, unpag.

1.3. Zwischenergebnisse der Verfassungsdebatte 1815

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sentiert werden sollten. So ungeklärt die Verfassungsfrage aber auch war, die politischen Entscheidungen zwischen 1814 und 1816 konnten den adligen Rittergutsbesitzern Anlass geben, eine Stärkung ihrer Position gegenüber der Staatsverwaltung zu erwarten.

2. Aushandeln politischer Bedeutung. Partizipationsforderungen und Hoffnungen auf einen Politikwechsel 1815 –1821

2.1. Das zwiespältige Erbe des Sieges nach 1815. Adel, Militär und Hofgesellschaft Adlige Gutsbesitzer der Mark Brandenburg waren sowohl in der preußischen Armee wie am Berliner Hof in großer Zahl präsent. Doch Ansehen und Prestige, die Armee und Hof durch die militärischen Erfolge der Jahre 1813 bis 1815 und die Gebietsgewinne von 1815 zurückgewonnen hatten, sicherten für sich genommen nicht unmittelbar die von adligen Gutsbesitzern für sich in Anspruch genommene gesellschaftliche Bedeutung. Vor allem auf die Beteiligung von Freiwilligenverbänden ist es zurückzuführen, dass die Feldzüge von 1813 bis 1815 als „Freiheits-“ oder „Befreiungskriege“ in die preußisch-deutsche Geschichtsschreibung eingingen. Tatsächlich ist die nationalpatriotische Begeisterung, mit der sich Teile der städtischen Mittelschichten zum Militärdienst meldeten, ein deutliches Zeichen für die Veränderung der Wahrnehmung von Krieg und Militär durch eine breitere Öffentlichkeit in Preußen seit 1806.1 Über den Kriegsverlauf entschied allerdings letztlich nicht die Beteiligung von Freiwilligen, sondern die Kampfkraft und Führung regulär ausgehobener Linientruppen, wobei auf preußischer Seite die allgemeine Wehrpflicht eingeführt und im Rahmen der 1813 neu eingerichteten Landwehr auch weitgehend umgesetzt wurde.2 Der Enthusiasmus der Freiwilligen korrespondierte allerdings mit der aggressiven Kriegsführung preußischer Kommandeure und Stabsoffiziere, die den Kriegsverlauf wesentlich beeinflusste.3 Nationale und antirevolutionäre Überzeugungen, Fremdenhass, neue Männlichkeitsbilder und Adelsstolz verbanden sich unter den Bedingungen des Krieges zu gemeinsamen –––––––––– 1 2 3

IBBEKEN, Preußen. CLARK, Preußen, S. 431– 433; WALTER, Heeresreformen, S. 274 –293; SCHMIDT, Wehrpflicht. Zum preußischen Anteil an der Zerschlagung der napoleonischen Militärmacht: LEGGIERE, Napoleon; DERS., Fall, Bd. 1.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Siegeswillen.4 Güter besitzende Adlige der Kur- und Neumark hatten unzweifelhaft erheblichen Anteil an den preußischen militärischen Erfolgen, zum Teil im Offiziersdienst bei den Linientruppen, vor allem aber bei Organisation, Ausrüstung und Führung der märkischen Landwehreinheiten, die in einer kritischen Phase des Krieges im Sommer 1813 bei der Abwehr französisch-sächsischer Vorstöße auf Berlin und in Richtung der französischen Oderfestungen entscheidende Bedeutung erlangten.5 Die Kriegshandlungen ermöglichten jungen Adligen schnelle militärische Karrieren, Auszeichnungen mit königlichen Orden und den Erwerb höfischer Würden. Allerdings stärkte das im Kriege gewonnene Prestige einzelner Adliger nur sehr eingeschränkt die politische Stellung gutsbesitzender Adliger, denn nach Friedensschluss verringerten sich die Aufstiegschancen im militärischen Dienst. Die adligen Anwärter auf Führungspositionen sahen sich formalen Leistungskriterien und einer starken nichtadligen Konkurrenz ausgesetzt. Zudem entsprachen besonders die Offiziersstellen in der Landwehr häufig nicht den adligen Vorstellungen militärischer Elite.6 Theodor von Rochow schrieb 1819 an seine Mutter Caroline de la Motte Fouqué, dass er angesichts der geringen Aussichten auf eine außerordentliche Beförderung den Dienst aufgeben würde, wenn er nicht für seine Frau sorgen müsste, wofür ihm auf seinen Besitzungen kein angemessener Wohnsitz zur Verfügung stände.7 Seinem Bruder gegenüber klagte er über Intrigen, die ihn an einer schnelleren Karriere hindern würden.8 Abgesehen von der Einschränkung individueller Karrierechancen konnten die im Militär geltenden Leistungskriterien bei Scheitern einzelner Familienmitglieder die Familienehre belasten, die häufig durch die Kriegsteilnahme gerade militärisch neu fundiert wurde. Die in der Zauche und Umgebung ansässigen von Rochows, der Landrat Rochus, die Brüder Gustav und Theodor sowie die Brüder Hans und Adolph beschlossen im November 1819 im Andenken an das Zusammentreffen von sechs der sieben an den Feldzügen beteiligten Familienmitgliedern in Paris 1815, den Familienzusammenhalt durch einen Wanderpokal und regelmäßige Zusammenkünfte zu stärken. Gutsnachbarschaft sowie gemeinsame politische Ansichten und Pläne spielten bei den –––––––––– 4

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Zu den neuen Geschlechterbildern und Ehrvorstellungen: HAGEMANN, „Mannlicher Muth“; DIES., „Bürger“. LEGGIERE, Napoleon, S. 55 –211. Zu der Entwicklung der Militärverfassung zwischen 1814 und 1858: WALTER, Heeresreformen, S. 316 –389. Zu den Konflikten von Ludwig von der Marwitz, der seine Stellung als General der Linientruppen vor allem aus finanziellen Gründen erst in den 1820er Jahren aufgab, mit bürgerlichen Offizieren, der Stadtverwaltung und seinen Vorgesetzten: FRIE, Marwitz – Biographien, S. 225 –236. T. v. Rochow an Caroline de la Motte-Fouqué, 20.10.1819, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 26f. Ders. an G. v. Rochow, 21.10.1819, ebd., Bl. 28f.

2.1. Das zwiespältige Erbe des Sieges nach 1815

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getroffenen Bestimmungen allerdings eine ebenso große Rolle wie tatsächliche verwandtschaftliche Beziehungen. Der in Schlesien ansässige Zweig der Familie sollte den Pokal und die mit diesem verbundene Tradition erst nach dem Aussterben der beteiligten Linien übernehmen, obwohl Ludwig Rudolf Carl zusammen mit einem seiner Söhne an dem Pariser Treffen teilgenommen hatte und mit einigen der an der Gedenkfeier Anwesenden näher verwandt war als diese untereinander.9 Angesichts der Bedeutung, die der militärischen Leistung der eigenen Familie beigelegt wurde, wirkte es äußert verstörend, dass ein weiterer schlesischer Verwandter, Eduard von Rochow, ein jüngerer Sohn Ludwig Rudolf Carls, 1821 am Offiziersexamen zu scheitern drohte. Adolph von Rochow vermerkte gegenüber Gustav von Rochow drastisch: „Was du mir über Eduard schreibst, ist wirklich recht trostlos. Es ist zum Verzweifeln, daß diese schlesischen Bengels so stockdumm sind. Und so viel, um aus dem groben Unteroffizierskittel herauszukommen, müßte, dächte ich, in so langer Zeit auch der Dümmste begreifen; aber außer daß diese Jungen zum Thüren-Einrennen sind, muss ihnen auch noch jeder Funken von Ehrgefühl fehlen. […] Wenn die anderen viere auch so werden, kann ihnen und uns nichts mehr helfen als ein recht rasantes Kartätschen-Feuer, das allenfalls nur einen übrig ließe. Dieser würde dann als Seigneur de Golzow dennoch geduldet werden und seine Dummheit als schlichte ländliche Einfachheit entschuldigt werden können.“10 Über den eigenen Sohn, Wilhelm Rochus, der in den 1840er Jahren mangels Chancen, das preußische Offiziersexamen zu bestehen, in den österreichischen Dienst wechselte, urteilte Adolph von Rochow 1861, knapp zehn Jahre nach dessen Tode, zumindest öffentlich weit milder: Er sei ein „ritterlicher, ausgezeichnet braver junger Mann“ gewesen. Man könne „sagen, daß er nur um fünf Jahrhunderte zu spät geboren war.“11 Zu den Sorgen über die Karrieremöglichkeiten adliger Offiziersanwärter traten Zweifel an der Verlässlichkeit des Militärs und an der Übereinstimmung der eigenen politischen Vorstellungen mit denen seiner Vertreter. Theodor von Rochows Klagen über die Unzuverlässigkeit der Landwehr rissen selbst nach deren Reform 1819, mit der sie

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A. v. ROCHOW, Nachrichten, S. 166 und CCLXXVIf. Die Übernahme der neuen Familientradition durch den sächsischen, freiherrlichen Zweig war erst nach Aussterben aller anderen Linien vorgesehen, was angesichts von dessen Nähe zum sächsischen Königshaus naheliegend war. A. v. Rochow an G. v. Rochow, 15.5.1821, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 9, S. 65f. Eduard v. Rochow bestand dann doch das Examen, starb allerdings bereits 1825. Drei seiner jüngeren Brüder (ein weiterer starb als russischer Offizier kurz nach Ende des Krieges gegen das Osmanische Reich 1830) erbten nicht nur Golzow, sondern traten nach dem Tode Theodor von Rochows 1854 auch das Reckahnsche und Jeseriger Lehnerbe an: A. v. ROCHOW, Nachrichten, S. 167 und S. 186 –189. A. v. ROCHOW, Nachrichten, S. 202.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

weitgehend an die Linientruppen angegliedert wurde, nicht ab.12 Noch in der zweiten Hälfte der 1820er Jahre zweifelte sein Bruder Gustav an der militärischen Schlagkraft der Preußischen Monarchie im Falle einer Revolution in Österreich, die ihm nach den Auseinandersetzungen in Neapel und den Ereignissen in Spanien möglich schien: „was soll dabei aus uns werden und können wir helfen, die wir ein Heer haben, das aus Schülern besteht, die wir kein Geld und sehr viele Schulden haben, die wir in allen unseren inneren Verhältnissen sehr embrouilliert sind!“13 Dass Theodor von Rochows Sorgen bei Ausbruch der Julirevolution 1830 in Frankreich nicht geringer geworden waren, belegt sein Briefwechsel mit dem Generalpostmeister Carl Ferdinand Friedrich von Nagler.14 Verringerte Karriereaussichten zu Friedenszeiten und die Professionalisierung des Militärs, die mit wachsender Konkurrenz auf gehobene Positionen einherging, minderten die Attraktivität und Exklusivität des Offiziersdienstes. Die Zusammensetzung des Offizierscorps, allgemeine Wehrpflicht, einjährig-freiwilliger Dienst und die Einrichtung der Landwehr verringerten zugleich das Vertrauen in eine unangefochtene adlige Führungsstellung im Militär. Der Anteil der adligen Rittergutsbesitzer, die einen Offiziersrang aufzuweisen hatten, an den adligen Rittergutsbesitzern insgesamt sank in den Jahrzehnten nach den antinapoleonischen Kriegen deutlich von fast zwei Dritteln auf gut ein Drittel.15 Nur für die Söhne adliger Gutsbesitzer, die keine Güter übernahmen (25 –37 % aller Söhne) blieb die Offizierskarriere attraktiv und wurde von ungefähr zwei Dritteln eingeschlagen.16 Das heißt nicht, dass militärische Ränge und aktiver Dienst für die gesellschaftliche Position adliger Gutsbesitzer unwichtig geworden wären. Nach wie vor diente fast die Hälfte der Söhne adliger Gutsbesitzer zumindest eine Zeit lang als Offizier. Die höfische Gesellschaft um König und Prinzen war stark militärisch geprägt und militärische Verdienste eröffneten adligen Gutsbesitzern den Zugang zu ihr, als Adjutanten eines Prinzen, als Hofmarschall eines Mitgliedes der königlichen Familie oder auch nur –––––––––– 12

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T. v. Rochow an G. v. Rochow, 6.7.1819, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 16f.: Berliner Landwehrregiment wird als „Brut“ bezeichnet; ders. an dens., 30.12.1819, in: ebd., Bl. 41f.: Notwendigkeit der Landwehr sei nicht einzusehen, wenn Preußen keine Macht ersten Ranges ist; ders. an dens., 22.5.1821, in: ebd., Bl. 83f.: Klage über Begünstigung der Landwehr und damit verbundene revolutionäre Gefahren. G. v. Rochow an T. v. Rochow, 28.7.1826, in: ebd., B, Nr. 16, Bl. 10f. Vgl. T. v. Rochow an Carl Friedrich Ferdinand von Nagler, 18.10.1830 und 10.11.1830, in: T. v. ROCHOW, Preußen, S. 30 und S. 41. SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 412: Bei den von Schiller ausgewerteten Familien sank der Anteil der Rittergutsbesitzer mit Offiziersrang von 61 % bei den Geburtsjahrgängen 1780 –1789 auf 35 % bzw. 40 % bei den Jahrgängen 1800 –1809 und 1810 –1819. Ebd., S. 420.

2.1. Das zwiespältige Erbe des Sieges nach 1815

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durch Zuerkennung höfischer Würden, wie der eines Kammerherren. Langfristig wuchs im Zuge der Aufrechterhaltung der allgemeinen Wehrpflicht und der Entstehung von Veteranenvereinen auch die Bedeutung militärischer Ränge in der ländlichen Gesellschaft.17 Präsenz im Militär war folglich gleichbedeutend mit Präsenz in jenen sozialen Räumen, die für das Selbstbild adliger Gutsbesitzer wesentlich waren. Das Militär stand zwar in engem Kontakt zum Güter besitzenden Adel der Provinzen, aber, schon da die Armee gesamtpreußisch ausgerichtet war, konnte sie nicht als dessen unmittelbare Interessenvertretung aufgefasst werden, sondern bildete eine eigenständige politische Kraft.18 Adlige Gutsbesitzer mussten zu und in dem neu organisierten Heer ihre Position erst finden und dies stand in Zusammenhang mit ihrer Positionssuche gegenüber dem erstarkten Staat. Der Anteil der Rittergutsbesitzer, die eine militärische Karriere aufzuweisen hatten, stieg erst in den 1840er Jahren deutlich an, während in diesem Zeitraum der Anteil der grundbesitzlosen Adligen, die Offizier wurden, zu sinken begann und erst in den 1860er Jahren wieder deutlich anstieg.19 Diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass der Offiziersdienst bereits in einem Zeitraum, in dem die Karrieremöglichkeiten eher ungünstig waren, an Prestige zurückgewann, bevor er aufgrund der Heeresreformen, die ab 1860 zu einer starken Vermehrung der Offiziersstellen führte, auch neue Bedeutung als gute Karrierechance für wenig begüterte Adlige erhielt.20 Auch die Einbeziehung in die Hofgesellschaft, die militärischen Verdiensten häufig folgte, bedeutete nicht zwingend wachsenden politischen Einfluss für die adligen Gutsbesitzer der Mark Brandenburg. Die Präsenz bei Hofe eröffnete zwar persönliche Einflussmöglichkeiten, unterwarf die Betroffenen allerdings den dort geltenden Regeln.21 Brandenburgische Adlige trafen auf eine große Zahl von Mitgliedern auswärtiger und über hohe Adelstitel verfügender Familien, die häufig wenig Verständnis für die in Brandenburg übliche Vorstellung von Ebenbürtigkeit hatten. So empfand die bei Hofe erzogene Caroline von Rochow, geborene von der Marwitz, die wachsende Bedeutung von hohen Adelstiteln in der Hofgesellschaft als äußerst unpassend und gerade für Frauen als unvereinbar mit der „guten Erziehung“ früherer Generationen.22 Aus der Perspektive des auswärtigen, titulierten Adels bemängelte Atanazy Graf Raczyński in den 1830er Jahren hingegen an Caroline von Rochows Mann, dem Minister Gustav von Rochow, dass dieser viel zu bemüht sei, vornehm zu wirken, um es –––––––––– 17 18 19 20 21 22

TROX, Konservativismus, S. 62–78. Ebd., S. 41– 62. SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 412 und S. 420. Ebd., S. 412f. HOLLÄNDER, Sand, S. 48; FRIE, Marwitz – Biographien, S. 50. C. v. ROCHOW, Erinnerungen, S. 134 –136.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

wirklich zu sein. Auch zähle seine Familie trotz seines Familienstolzes keineswegs zu den angesehensten der Mark Brandenburg.23 Neben der Konkurrenz auswärtiger und titulierter Familien sahen sich kurmärkische Adlige am Berliner Hof seit der Reformzeit mit einer wachsenden Präsenz von hochrangigen Vertretern der Verwaltung konfrontiert.24 Militärische oder zivile Dienstränge erlangten neben der Betonung von hohen Adelstiteln innerhalb der Hofgesellschaft zunehmende Bedeutung. Beides schlug sich auch in der Kleiderordnung nieder, in der Militär- und Beamtenuniformen dominierten, was der ehemalige Staatsminister Otto von Voß als Zeichen des „Einförmigkeitsgeistes“ kritisierte.25 Der zunehmende Aufstieg Nichtadliger in hohe Verwaltungsämter, die zur persönlichen Teilnahme an der Hofgesellschaft berechtigten, ließ sich mit der ansonsten adligen Exklusivität des Hofes auch durch Nobilitierungen nur schwer in Einklang bringen. Denn diese sollten nicht automatisch mit bestimmten Diensträngen verbunden und damit als persönliche Gnade des Königs entwertet werden. Ein Beispiel bietet die Diskussion um die Nobilitierung des 1832 zum Justizminister berufenen Heinrich Mühler. Dessen Amtskollege im Innenministerium Friedrich von Schuckmann klagte daraufhin, dass Mühlers Töchter nicht bei Hofe erscheinen könnten, solange dieser nicht adlig sei. Dem wurde entgegengehalten, dass der König Mühler nicht hatte nobilitieren wollen, als dieser darum bat, da seine Berufung zum Minister unmittelbar bevorstand, und verdeutlicht werden sollte, dass in Preußen auch Nichtadlige zu Ministern berufen werden könnten. Nach Mühlers Amtsantritt als Minister habe der König dann ohne eine erneute Anfrage von dessen Seite nicht handeln wollen, um niemandem den Adel aufzudrängen.26 Das konkrete Problem wurde durch die Nobilitierung Mühlers noch 1833 gelöst,27 die generelle Problematik der Trennung zwischen –––––––––– 23

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A. Raczyński, Berlin-Lissabon, Posen und Galizien (Persönliche Erlebnisse – Politik – Klatsch – Kunst – Diplomatie). Aus den Tagebüchern des Athanasius Raczyński 1837–1848, hg. und übersetzt von Joseph A. Graf Raczynski. Manuskript Santiago 1999, S. 42– 44, in: Biblioteka Raczyńskich Poznań, rękopis 4047, II, Bl. 30f. C. v. ROCHOW, Erinnerungen, S. 88 und S. 173. Vgl. auch HOLLÄNDER, Sand, S. 40 – 44, der die kritischen Anmerkungen Caroline von Rochows allerdings etwas zu stark als Vorbehalte gegenüber Nichtadligen wertet, die die Autorin nie konkret ausspricht. Sie kritisiert vor allem die wachsenden Kommunikationsschwierigkeiten innerhalb der Hofgesellschaft, deren Vergrößerung sie auch positive Seiten abgewinnen kann. O. v. Voß an C. v. Voß(-Buch), 7.3.15, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, Bd. 2, Bl. 60f. Zur Durchsetzung von Ziviluniformen in der preußischen Beamtenschaft: HAAS, Kultur, S. 353 –395 C. v. Voß: Aufzeichnungen vom 9.2.1833, in: ebd., Nr. 1, Bl. 43: Voß vermutete, die Argumentation stamme eher vom Hausminister Fürst Wittgenstein als vom König selbst. Zu Mühler vgl. SCHUBERT, Mühler.

2.1. Das zwiespältige Erbe des Sieges nach 1815

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einer zu großen Teilen bürgerlichen Beamten- und einer zumindest hinsichtlich der Frauen rein adligen Hofgesellschaft blieb aber bestehen.28 Eine politische Einflussnahme im Sinne der adligen Gutsbesitzer durch Präsenz ihrer Vertreter bei Hofe wurde darüber hinaus dadurch erschwert, dass der gesellschaftliche Abstand zwischen dem Berliner Hof und den auf dem Lande wohnenden Gutsbesitzern nicht leicht überbrückt werden konnte. Aus Sicht der Hofdame Caroline von Rochow beschränkten sich die Interessen der Mehrheit ländlicher Adliger auf Jagd, Speisen und Getränke.29 Andererseits sahen sich Gutsbesitzer aus der Provinz, die keine Erfahrungen mit der Hofgesellschaft hatten, bereits angesichts der Kleiderordnung vor Probleme gestellt. So bedankte sich Carl von Stülpnagel während der Sitzungsperiode des ersten Provinziallandtages bei dem älteren Landrat Ludwig Adolph von Winterfeld für den Hinweis, dass es angesichts des Todes Ludwig XVIII. unpassend wäre, in weißen Hosen bei einer Audienz des Kronprinzen zu erscheinen. Er beklagte nur über lange schwarze Pantalons zu verfügen und keine Gelegenheit mehr zur Beschaffung kurzer schwarzer Hosen zu haben.30 Der gesellschaftliche Abstand zwischen Hof und ländlicher Adelsgesellschaft hatte politische Konsequenzen. Caroline von Rochows Bruder Ludwig von der Marwitz hatte unter anderem aufgrund seiner Herkunft aus einer hofnahen Familie lange Zeit Probleme, zu den Gutsbesitzern in seinem Kreis in ein engeres Verhältnis zu treten.31 Und die Ernennung von Caroline von Rochows späterem Mann, Gustav von Rochow, zum Kammerherrn 1816 weckte bei dessen Verwandten, Gutsnachbarn und Mentor, dem Landrat Rochus von Rochow Zweifel, ob er sich weiterhin in lokalen und regionalen Ständeangelegenheiten engagieren würde. Seiner Gratulation schloss der Landrat die Bemerkung an: „ohnerachtet zugleich ich innig bedauere, daß dieser dadurch Ihnen zugewiesene staatsbürgerliche Standpunkt Sie entfernt von derjenigen Geschäftscarriere, welche [...] Sie sich vorgezeichnet hatten, die Ihnen gleich einen möglichen Wirkungskreis anweist, und dem Kreis die Aussicht gab, dereinst einen wissenschaftlich gebildeten Mann zum Vorsteher und Vertreter seiner Gerechtsame zu erhalten.“ Als Landrat wolle er den Kammerherrn nicht mit „nur selten angenehmen Details“ belästigen, denn dieser sei aus der „Sphäre des nüzlichen Geschäftslebens in die des angenehmen gesellschaftlichen übergetreten“. Eine Stellung als Kreisdeputierter und künftiger Landrat ließe sich mit der Würde eines Kammerherrn kaum vereinbaren.32 –––––––––– 28 29 30

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Vgl. zum Beispiel: DELBRÜCK, Lebenserinnerungen, Bd. 1, S. 194. C. v. ROCHOW, Erinnerungen, S. 111. Stülpnagel an L. A. v. Winterfeld, 22.10.1824, in: BLHA, Rep. 6 B, Prenzlau, Nr. 2, unpag.: Stülpnagel beklagte Zur veränderten Hosenmode zu Beginn des 19. Jahrhunderts: HAAS, Kleid, S. 143f. FRIE, Marwitz – Biographien, S. 242f. R. v. Rochow an G. v. Rochow, 1.4.1816, in: Nl. Rochow, B, Nr. 30, unpag.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Gustav von Rochow engagierte sich dennoch in den folgenden Jahren in verschiedenen Funktionen für die adligen Gutsbesitzer seines Kreises und nutzte dabei zunehmend seinen Zugang zur Hofgesellschaft. Eigenständigen politischen Einfluss erreichte er aber letztlich erst durch den Eintritt in die hohe Staatsbürokratie. Dass dieser ihm gelang, obwohl er nicht über Qualifikationen als Referendar und Assessor verfügte, wäre zwar ohne seine höfischen Kontakte kaum möglich gewesen,33 entscheidend dafür waren allerdings die Machtverschiebungen innerhalb der Staatsbehörden nach dem Tode des Staatskanzlers Hardenberg, die mit einer Suche nach geeignetem neuen Personal für einen Politikwechsel einhergingen. Dass die Beteiligung brandenburgischer Adliger an den militärischen Erfolgen der Preußischen Monarchie ihnen Karrieren im Militär und in der Hofgesellschaft eröffnete, entschied letztlich nicht über ihre politische Zukunft. Diese wurde vielmehr von der Entwicklung ihrer Stellung zum und im Staat bestimmt, und die Diskussion um dessen Verfassung bildete die zentrale Arena, in der diese Stellung ausgehandelt wurde.

2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818 a)

Gestützt auf „Vorrechte“ gegen „Willkürlichkeiten von oben her“. Das Dilemma ständischer Partizipationsforderungen

Die individuellen Karrieren einzelner Adliger aus der Kur- und Neumark Brandenburg am Hof und im Militär nach 1815 änderten zunächst wenig an der schwachen Position adliger Gutsbesitzer gegenüber der Staatsbürokratie. Die allgemeine Aufbruchsstimmung nach dem gewonnenen Krieg, die Suspendierung der Durchführung wesentlicher Teile des Gendarmerie-Ediktes in der Kurmark, die für die Gutsbesitzer günstige Deklaration zum Regulierungsedikt 1816 sowie die Ankündigung von Verfassung und Provinzialständen ließen allerdings die Hoffnung auf eine Stabilisierung der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse zu. Dies und die Erwartung, im Rahmen der geplanten Verfassung neue Möglichkeiten politischer Einflussnahme zu gewinnen, verbanden sich mit der Überzeugung adliger Gutsbesitzer, aus adliger Familientradition zu Führungspositionen berufen zu sein. So ermahnte der Landrat des Kreises Zauch-Belzig, Rochus von Rochow, im April 1816 seinen Verwandten Gustav von Rochow in einem Gratulationsschreiben zu dessen Ernennung zum Kammerherren, mit dem Erreichten nicht zufrieden zu sein: „ich habe gewiss eine große Vorliebe für Familie, ohne solche in Familien Stolz – ein Unding für den Zeitgeist, wenn er nicht durch reale Leistungen Berechtigung erhält – übergehen zu –––––––––– 33

HOLLÄNDER, Sand, S. 44f.

2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818

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lassen, aber eben dieser mich ganz beseelenden Vorliebe wegen wünsche ich, daß jeder Rochow […] mit dem Degen oder mit der Feder oder als tüchtiger Landmann nützlich werde“. Alternativ zu einer diplomatischen Laufbahn empfahl der Landrat seinem Verwandten eine zukünftige Stellung als ständischer Deputierter, um der Provinz und dem Kreis nützlich zu werden, „wenn endlich Zusammentretung der Stände genehmigt“ sei.34 Da Gustav von Rochow den Zweifeln des Landrates an seiner Bereitschaft, sich weiterhin mit einfachen Kreisangelegenheiten zu beschäftigen, widersprach, erörterte ihm der Landrat seine Auffassung von der Rolle adliger Gutsbesitzer im Rahmen ständischer Politik: „Wir wollen nun weiter nicht über diesen Gegenstand diskutieren, sondern uns gegenseitig den festen und redlichen Wunsch zutrauen, nach Kräften recht gemeinnützlich zu sein. Wir wollen nicht unserem Stande allein, sondern allen Ständen nützlich sein, denn es hat in den letzten Jahren ein jeder Stand das seinige gethan. Dies können, dies dürfen wir nicht verkennen. Unsere Vorrechte dürfen nur dazu dienen, die Willkürlichkeiten von oben her / gleich welchen Stand sie treffen / zu beschränken. Hiezu müssen wir unseren Einfluss, den uns Geburt und Rang geben, anwenden.“35 Mit solchen Vorsätzen hoffte Rochus von Rochow zugleich, die Einwohner der vormals sächsischen Gebiete „dem kgl. Interesse […] zu gewinnen“, die im Zuge der Verwaltungsreform seinem Amtsbereich angegliedert wurden.36 Die gesamten Überlegungen Rochows sind trotz der Beteuerung, Familienstolz sei nicht mehr zeitgemäß, deutlich von adligem Standesbewusstsein geprägt, obwohl das Leistungsprinzip grundsätzlich akzeptiert wurde. Seine Position als Landrat beschreibt Rochow als Aufgabe seines Standes, wenn auch im Einklang mit „königlichem Interesse“. Die von Ständeunterschieden geprägte Gesellschaftswahrnehmung des Landrats zeigt sich deutlich in einer Einladung an einen Reisebegleiter Gustav von Rochows, ihn zusammen mit diesem in Golzow zu besuchen. Darin heißt es: „Ich habe einige Sachsen bei mir, alle vom tiers etat, indessen mir nötig, um die Stimmen des Volks zu gewinnen“.37 Dass die politische Sonderstellung adliger Gutsbesitzer angesichts der Mobilisierung breiter Bevölkerungsschichten in den Kriegsjahren nicht mehr als selbstverständlich gelten konnte, war dabei auch dem Landrat von Rochow klar. Zu ihrer Begründung knüpfte er an politische Debatten des 18. Jahrhunderts an, in denen die ältere Vorstellung, dass die Existenz einer Aristokratie Garant gemäßigter Staatsform jenseits von Anarchie und Despotie sei, zum Bestandteil absolutismuskritischer Theoriebildung –––––––––– 34 35 36 37

R. v. Rochow an G. v. Rochow, 1.4.1816, in: Nl. Rochow, B, Nr. 30, unpag. Ders. an G. v. Rochow, 5.4.1816, in: ebd. Ebd. Ders. an N.N., 6.4.1816, in: ebd. Da der Adressat als Gönner bezeichnet wird und in Bezug auf Gustav nie die Bezeichnung Bruder gewählt wird, ist er wahrscheinlich nicht – wie aufgrund des Aktentitels zu vermuten – der Bruder Gustavs, Theodor von Rochow.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

wurde, und stellte die Schutzfunktion, die der ständische Adel gegenüber willkürlicher Machtausübung durch Beamte für alle Stände übernehme, in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Einer so aufgefassten politischen Rolle adliger Gutsbesitzer schien eine Staatsverfassung mit ständisch abgestuften Partizipationsmöglichkeiten durchaus zu entsprechen. Allerdings bildeten für Rochow nicht Partizipationsmöglichkeiten, sondern „Vorrechte“ des eigenen Standes die Voraussetzung für dessen politische Wirksamkeit. Auch ist das Vorhaben, „Willkürlichkeiten von oben her“ zu bekämpfen, angesichts des betonten Dienstes für das königliche Interesse kaum als Anspruch zu verstehen, die monarchische Alleinherrschaft in Frage zu stellen. Ausgangspunkt der politischen Überlegungen von Rochus von Rochow bildeten die ständische Verfasstheit der Gesellschaft und die daraus resultierenden Begrenzungen staatlicher Eingriffe. Inwieweit diese Vorstellungen mit ständisch gegliederten Repräsentationsinstitutionen im Rahmen einer neuen Staatsverfassung vereinbar sein würden, blieb zunächst offen. Viel wichtiger erschien ihm in jedem Fall die Stellung des Landrates, eines Amtes, das er als Dienst für die Stände und als Vorrecht des eigenen Standes aufgefasst wissen wollte. Angesichts der Tatsache, dass über Befugnisse und Bezahlung des Landratsamtes noch nichts Neues bestimmt sei, bemerkte er mit Blick auf die Planungen für eine Staatsverfassung im April 1816 resigniert: „Wir erbauen das neue Staatsgebäude vom Dache ab, und bekümmern uns nicht ums Fundament, daher – sapienti sat!“38 Allerdings sah sich der Landrat, der sein Amt 1816 als Verpflichtung zur Abwehr von Willkür beschrieben hatte, im folgenden Jahr gezwungen, seinem Verwandten und Gutsnachbarn Gustav von Rochow nicht als Standesgenosse, sondern als staatlicher Funktionsträger entgegenzutreten. Dieser habe gemäß der nicht suspendierten Teile des Gendarmerie-Ediktes Naturallieferungen der zu seinem Gut gehörenden Gemeinde an die Gendarmerie zu veranlassen und solle sich nicht bei ihm, sondern, wenn er wolle, bei der zuständigen Regierung in Potsdam beschweren.39 Gustav von Rochow lenkte zwar ein, betonte aber, weiter zu protestieren, bis er vom Minister des Inneren darüber belehrt worden sei, wie ein besonderer Vertrag zwischen der Herrschaft Reckahn und dem Landesherrn durch ein Edikt aufgehoben werden könnte.40 Der Anspruch, eine Position jenseits staatlicher Regelungshoheit zu behaupten, den der Landrat als adliger –––––––––– 38

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Ebd. Eine vorläufige Instruktion für die Landräte erging erst am 30. Dezember 1816 und blieb dann im Wesentlichen bis 1918 in Kraft: EIFERT, Paternalismus, S. 50 – 95. R. v. Rochow an G. v. Rochow, 24.2.1817, in: Nl. Rochow, B, Nr. 30, unpag. G. v. Rochow an R. v. Rochow, Entwurf einer Antwort auf dessen Schreiben v. 24.2.1817, in: ebd. Es ist dabei nicht ganz klar, ob die zur Herrschaft gehörende Gemeinde tatsächlich durch einen Einzelvertrag gegen jährliche Geldzahlungen von Naturallieferungen befreit war oder ob Gustav von Rochow allgemein auf seine Verpflichtungen zur Zahlung von Lehnpferdegeld anspielte.

2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818

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Gutsbesitzer inhaltlich durchaus teilte, geriet hier mit dessen Selbstverständnis als Amtsträger und ausführendes Organ staatlicher Reglungen in Konflikt. Verweist dieses Beispiel auf die alltäglichen Konflikte in Steuer- und Abgabenfragen, die durch die Unvereinbarkeit der Reformgesetzgebung mit der Auffassung adliger Gutsbesitzer von ihrer Stellung zum Staat entstanden, so stellten die 1817 wieder aufgenommenen Planungen für die Abtragung der Provinzialschulden die Steuerbefreiungen der Rittergüter und damit das Selbstverständnis ihrer Besitzer grundsätzlich in Frage. Die kurmärkischen Provinzialschulden wurden seit 1812 durch eine Provinzialkommission verwaltet, die sich aus den kurmärkischen Nationalrepräsentanten und Vertretern der Regierung zusammensetzte. Bis 1814 arbeitete diese Kommission unter Aufsicht der Generalkommission zur Regulierung der Provinzial- und Kommunalschulden, die gleichzeitig als interimistische National- bzw. Landesrepräsentation diente, und wurde durch einen königlichen Kommissar, den Geheimen Oberfinanzrat Friedrich von Köpcken, geleitet. Danach wurde sie dem Ministerium des Inneren unterstellt und die Leitung war dem ritterschaftlichen Deputierten Leopold von Quast übertragen worden.41 Im Februar 1817 wurde das Innenministerium durch den König angewiesen, die Forderung des Provinzialschuldenkomitees, die Provinzialschulden auf den Staatsschuldentilgungsfonds zu übernehmen, zurückzuweisen, und der Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Georg von Heydebreck, wurde beauftragt, in Zusammenarbeit mit einer Deputiertenversammlung eine endgültige Regulierung des Schuldenwesens der Kurmark herbeizuführen.42 Im Herbst 1817 wurden Wahlen von dreizehn Deputierten der Kreisritterschaften nach alter Kreiseinteilung sowie von sechs Städtevertretern veranlasst, die zusammen mit vier von den Regierungen Potsdam und Magdeburg ernannten Bauerngutsbesitzern auf einer gemeinsamen Versammlung die Schuldenregulierung der Kurmark einschließlich der Altmark übernehmen sollten.43 Die Unterlagen Gustav von Rochows, der zum Deputierten der zauchischen Kreisritterschaft gewählt wurde und im engen Austausch mit dem Landrat stand, zeugen von der Herausforderung, vor die sich die adligen Gutsbesitzer dadurch gestellt sahen, dass ihnen Mitspracherechte bei der Schuldenregulierung nur unter Bedingungen eingeräumt wurden, deren Akzeptanz die Preisgabe ihrer Befugnisse und Rechte jenseits staatlicher Zugriffsmöglichkeiten bedeuten würde. Zunächst stellte die angekündigte Beteiligung von Vertretern der Bauerngutsbesitzer zu den Beratungen einen verfassungspolitischen Eingriff dar und Gustav von Rochow hielt es im Oktober 1817 für eine bereits im –––––––––– 41 42

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BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 167–175. Ebd., S. 175. Die Anweisung an den Innenminister vom 27.2.1817 und eine erneute Bitte um Schuldenübernahme durch das Komitee an den Staatskanzler vom 28.3.1817, Abschriften in: Nl. Rochow, A III, Nr. 2, unpag. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 175f.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Vorfeld zu klärende Frage, ob die Beschlüsse der Versammlung rechtskräftig sein könnten, da der „Bauernstand (entgegen bisheriger noch nicht aufgehobener Verfassung) hinzugezogen werden soll.“44 Die Zusammensetzung der geplanten Deputiertenversammlung war aber bei weitem nicht das größte Problem, das in dem Moment entstand, da den Ständen gewährt wurde, über die Aufbringung der benötigten Finanzmittel selbst zu entscheiden. Schwerwiegender war, dass die Deputierten der Ritterschaft unter Druck gerieten, zu akzeptieren, dass die einzelnen Güter auf unbestimmte Dauer einen ihrem Ertrag entsprechenden Beitrag aufzubringen hatten. Denn dies kam der Einführung einer regulären Besteuerung gleich, solange der von den Ständen selbst aufzubringende Anteil an den Provinzialschulden nicht feststand und keine Quotierung fixer Summen nach Kreisen sowie anschließend individuelle Aushandlungen zwischen den Gutsbesitzern vorgenommen werden konnten. Fanden sie einen Weg zur Abschätzung eines regelmäßigen Beitrags der einzelnen Güter gemäß deren Ertrag, so eröffneten sie selbst einen Weg zur Besteuerung der Güter, den sie bei einer zukünftigen Neufassung der Steuergesetzgebung kaum als ungerecht würden ablehnen können. Gelang ihnen die eigenständige Aufteilung der Beiträge jedoch nicht, so lieferten sie der Staatsverwaltung Argumente, sie von einer Mitwirkung an der Besteuerung ganz auszuschließen. Die von acht adligen Gutsbesitzern besuchte Ruppiner Kreisversammlung, die im November 1817 Leopold von Quast zum Deputierten bei der angekündigten Versammlung wählte, sprach die Erwartung aus, dass dieser bei den „Verhandlungen mit dem Staat nichts schwanken lassen“ werde. Falls nicht, wie nach wie vor erhofft, alle Schulden übernommen würden, sollte das landschaftliche Kreditwerk im Rahmen des Hufenund Giebelschoßes sowie des Biergeldes mit der Einziehung von Beiträgen zur Tilgung beauftragt werden. In jedem Fall habe Quast seinen Mitständen ihre Rechte vorzubehalten, und bei endgültigen Beschlüssen oder Scheitern der Versammlung sei ein „Landtag in alter Form“ zu fordern.45 Die Selbsterklärung des Einkommens aus dem Gutsbesitz, die bereits 1809 als Grundlage einer Einkommenssteuer diskutiert worden war, erschien der Mehrheit der Rittergutsbesitzer nach wie vor als gefährlichster Angriff auf ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Fiskus, bedeutete sie doch de facto eine Offenlegung der Vermögensverhältnisse gegenüber der Staatsverwaltung. Dieses Argument hatte auch den Senior der kurmärkischen Landräte, Albrecht Wilhelm von Pannwitz, überzeugt, der die Selbsteinschätzung nach Rücksprache mit „einem der früheren ersten und geachtetsten Staatsbeamten“ (wahrscheinlich entweder Otto von Voß oder Freiherr Carl vom Stein) zunächst vorgeschlagen hatte.46 Der Landrat Rochus von Rochow plädierte nachdrück–––––––––– 44 45 46

Data für Deputierte, 12.10.1817, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 2, unpag. Kreistagsprotokoll Ruppin, 10.11.1817, in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5, Bl. 200 –202. R. v. Rochow an G. v. Rochow, 12.1.1818, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 2, unpag.

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lich dafür, die Güter, wie vom Oberpräsidenten gefordert, untereinander abzuschätzen, um so die bereits angekündigte Selbsteinschätzung zu vermeiden – eine generelle Vermeidung von Abschätzungen zu erreichen, hätten sich sämtliche Landräte bereits vergeblich bemüht.47 Diese Kompromissbereitschaft stieß aber auf energischen Widerstand seiner Standesgenossen und nicht zuletzt Gustav von Rochows, der sich von Beginn der Diskussion an entschieden geweigert hatte, ohne „feste Prinzipien“ an der Abschätzung der Güter mitzuwirken, da er die Abschätzung von Nachbarn mit seiner Ehre für unvereinbar hielt.48 Auch eine Beteiligung an einer Zusammenstellung der Gutspreise im Kreis lehnte er ab, da er keine Taxen seine Güter Reckahn und Jeserig aufgefunden habe und eine Wertermittlung der Güter ohne „feste Prinzipien“ unabsehbare Nachwirkungen für seine Nachkommen oder aber seine Nachbarn haben könne.49 Auch der Landrat gestand schließlich ein, dass es nicht angehe, dass „die einen so, die anderen so sich erklären.“ Dass es kein positives Gesetz gebe, sei keine schlüssige Argumentationsgrundlage für den Widerstand gegen geregelte Abgaben, da den Ständen die Schuldenregulierung „auf allseitigen Wunsch“ überlassen worden sei, zugleich aber den Behörden „die Art und Weise der Einleitung dieses Geschäfts zugesprochen“ wurde. Die Landräte hätten die Information, dass die Gutsbesitzer „weder sich selbst abschätzen, noch sich abschätzen lassen, also gar keine Abschätzung wollten“, bereits weitergeleitet. Nun sei es „rein ständische Sache, dies zur Kenntnis der Behörden zu bringen“. Als Landrat sei er gern „Organ der Kreisständischen Vereine“, aber da der „ständische Verein“ als „Gesamtheit“ seit 1814 geschwiegen habe, befänden sich die Landräte in isolierter Stellung.50 Aus ihrer schier ausweglosen Situation, entweder auf eine Beteiligung an der Schuldenregulierung verzichten zu müssen oder Prinzipien zuzustimmen, die sie prinzipiell ablehnten, rettete die Rittergutsbesitzer erst das Einlenken des Oberpräsidenten Heydebreck Mitte Januar 1818.51 Am Ende des Monats konnte der Landrat Rochus von Rochow dem Deputierten Gustav von Rochow schließlich ein Schreiben von der Potsdamer Regierung mitteilen, in dem er angewiesen wurde, keine Spezialermittlungen mehr durchzuführen, sondern Unterlagen für eine Quotierung nach Klassen zusammenzustellen. Allerdings bezweifelte er, dass dieses Vorgehen genügend Resultate erbringen würde und erwartete nur Zeitverlust.52 Gustav von Rochow störte sich hingegen –––––––––– 47 48 49 50 51

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R. v. Rochow an G. v. Rochow, 19.12.1817, in: ebd. G. v. Rochow an R. v. Rochow, 11.10.1817, in: ebd. G. v. Rochow an R. v. Rochow, 9.1.1818, in: ebd. R. v. Rochow an G. v. Rochow, 12.1.1818, in: ebd. Hervorhebung im Original. Quast an G. v. Rochow, 17.1.1818, und R. v. Rochow an G. v. Rochow, 22.1.1818, in: ebd.: Beide danken für die Mitteilung, dass Heydebreck nicht länger auf einer Abschätzung der einzelnen Güter bestehe. R. v. Rochow an G. v. Rochow, 28.1.1818, in: ebd.

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nicht an diesen Bedenken, da er in den nun erfolgenden Zusammenstellungen „keine echte Grundlage“ erblickte, sondern einen günstigen Einstieg in Verhandlungen. Zusammen mit anderen Deputierten (darunter die ehemaligen Landesrepräsentanten Quast und Bredow) sei er überzeugt, dass die Landräte „als königliche Beamte“ sich der Aufforderung, der Regierung Nachrichten aus den Akten mitzuteilen, nicht entziehen könnten. Allerdings sollten diese bei ihren Notizen bedenken, dass der „Hauptangriff“ der oberen Behörden gegen die Rittergutsbesitzer gerichtet sei. Dass dies als Aufforderung verstanden werden sollte, den Gesamtwert der Rittergüter möglichst gering zu veranschlagen, unterstreicht die anschließende Bemerkung, dass die Regierungen Domänen und Bauernbesitz möglichst günstig einschätzen würden.53 Die im Mai 1818 einberufene Deputiertenversammlung beriet nur über die Rechnungslegung und begründete erneut die Forderung, dass die Staatskassen zur Übernahme des größten Teils der Schulden verpflichtet seien. Im Ergebnis der Verhandlungen wurde die Frage der Provinzialschulden, so wie Landrat Rochus von Rochow vermutet hatte, auf unbestimmte Zeit verschoben.54 Die Rittergutsbesitzer konnten dies durchaus als vorläufigen Erfolg begreifen: weder war eine Entscheidung gegen sie getroffen worden, noch wurden sie selbst zu einer Entscheidung gezwungen. Interessant am Verlauf der Diskussionen zwischen Herbst 1817 und Frühjahr 1818 ist auch, wo die Vertreter der Ritterschaft ihre Feinde vermuteten und wen sie, zumindest potenziell, als Verbündeten begriffen. Als Gegner wurden neben den Regierungen in gewissem Umfang der Oberpräsident Heydebreck, vor allem aber einige Räte im Ministerium des Inneren wahrgenommen. Unterstützung wurde hingegen gerade von den Vertretern der Reformpolitik erwartet. Landrat Albrecht Wilhelm von Pannwitz erhoffte sich Hilfe von Carl Friedrich von Beyme, Christian Friedrich Scharnweber und Johann Ludwig von Jordan.55 Auch Gustav von Rochow zählte diese zu den „Freunden“ und berichtete darüber hinaus an den Landrat von Rochow: „aus sicherer Quelle weiß ich, daß der Staatskanzler bei uns postirt ist.“56 Dass Hardenberg als Staatskanzler angesichts der ausstehenden Finanz- und Verfassungsreform für die Gesamtmonarchie an einer Sonderlösung für die Kurmark kein Interesse hatte, ist nicht unwahrscheinlich.

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G. v. Rochow an R. v. Rochow, Entwurf ohne Datum, in: ebd. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 176 –182. Erst 1822 kam es zu einer Festsetzung der Höhe des von der Provinz aufzubringenden Schuldenanteils und des Verfahrens bei dessen Verzinsung und Tilgung: ebd., S. 182–202. Quast an G. v. Rochow, 17.1.1818, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 2, unpag. Zu den Personen: CARO, Beyme; MEUSEL, Scharnweber; BAILLEU, Jordan. G. v. Rochow an R. v. Rochow, 25.1.1818, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 2, unpag.

2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818

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Zudem wäre er als Besitzer von Neu-Hardenberg selbst von einer Abschätzung und eventuellen Offenlegung seiner kritischen Vermögensverhältnisse betroffen gewesen.57

b)

„Hemmräder in der Staatsmaschine“ oder „Stütze des Throns“. Vielfalt der Stimmen zur Zukunft der Stände und der Verfassungsfrage

In der Diskussion um die Tilgung der Provinzialschulden zeichnet sich das politische Dilemma adliger Gutsbesitzer in der Mark Brandenburg deutlich ab. Im Konflikt mit den mittleren Verwaltungsbehörden forderten sie Partizipationsrechte ein, bekamen diese aber nur unter Bedingungen gewährt, die ihre Position gegenüber dem Staat generell in Frage stellten. Von diesem Dilemma geprägt waren auch die Stellungnahmen adliger Gutsbesitzer zur Verfassungsfrage in den Jahren 1817 und 1818. Sie zeigen einen weit verbreiteten Wunsch nach stärkerer Partizipation, der sich in Form von Zustimmung zur Verfassungsplanung artikulierte, aber auch eine tiefe Verunsicherung hinsichtlich der Intentionen und Konsequenzen der geplanten Verfassung, die sich in Forderungen nach vorheriger Wiederherstellung der kreis- und provinzialständischen Verhältnisse und Warnungen vor einer starken Repräsentation von Städten und Bauern niederschlug. Die Bedenken der adligen Gutsbesitzer waren aus ihrer Sicht durchaus berechtigt, denn im Frühjahr 1817 schienen die Verfassungsplanungen Gestalt anzunehmen. Im Rahmen des im März zur Beratung der Gesetzgebung gebildeten Staatsrates war eine Verfassungskommission unter Vorsitz des Staatskanzlers berufen worden.58 Zwar wurden zunächst nur drei ihrer Mitglieder beauftragt, sich über die in den Provinzen noch bestehenden ständischen Verhältnisse zu informieren und Ansichten der dort ansässigen Personen über die geplante Verfassung einzuholen, aber Hardenberg hatte bei der Anordnung dieser Reisen im Juli betont, dass keinesfalls das „unselige Wirken“ der alten Stände wieder ermöglicht werden solle. Der Staatskanzler berief sich dabei auf die Geschichte, die zeige, dass die bisherigen Stände nicht zum Nutzen des Staates gewirkt hätten, sondern nur „Wächter der Privilegien einzelner Abteilungen der Staatsbürger und wahre Hemmräder in der Staatsmaschine“ gewesen seien.59 Indirekt war –––––––––– 57

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Zu Hardenbergs trotz freien Zugriffs auf die Staatskassen katastrophalen Vermögensverhältnissen: E. KLEIN, Reform, S. 243 –247. KOSELLECK, Preußen, S. 268. Zur Bildung und Zusammensetzung des Staatsrates: E. KLEIN, Reform, S. 295 –313. Die Anordnung der Reise durch Hardenberg am 7.7.1817, in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B19, Bd. 1, Bl. 20f. Zur Verfassungskommission und Ministerrundreise: TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 2, S. 284 –290; STERN, Verfassungsfrage 1817; MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 167–174; KOSELLECK, Preußen, S. 288 –296.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

damit auch ausgesprochen, wozu Verfassung und Repräsentation nach Hardenbergs Meinung dienen sollten: zur besseren Legitimation und Wirkungsweise der staatlichen Institutionen. Wenn Hardenberg sich auf den königlichen Wunsch berief, den neuen Ständen „nur eine beratende Stimme mit ausdrücklicher Ausschließung von jeder Einmischung in die Verwaltung“ zu gewähren,60 so diente dies auch dazu, Argumente zu entkräften, eine Gesamtstaatsverfassung und -repräsentation gefährde die Entscheidungshoheit des Monarchen und damit die Grundlagen des preußischen Staates – Argumente, die ein Teil der Kommissionsmitglieder vertrat.61 Aber Hardenberg stimmte auch grundsätzlich mit den meisten der Verfassungsgegner in der Kommission in der Ansicht überein, dass königliche Herrschaft hauptsächlich über die Staatsverwaltung ausgeübt werden solle und deren Gestaltungsspielraum durch die Verfassungsgebung, zumindest vorläufig, nicht eingeengt werden dürfe.62 Für staatsunabhängige Handlungsspielräume, wie die adligen Gutsbesitzer sie für sich einforderten, hatten fast alle mit der Verfassungsplanung beauftragten Staatsratsmitglieder wenig Verständnis, ganz gleich ob sie Gegner oder Befürworter von Verfassung und Repräsentation für den Gesamtstaat waren. Die Befragung von Einwohnern wurde in den mittleren Provinzen, darunter die Kurund Neumark Brandenburg, durch Wilhelm Anton von Klewitz durchgeführt, der die Einholung von Nachrichten aus den Provinzen in der Kommission angeregt hatte. Einer Repräsentation auf Ebene des Gesamtstaates stand er äußerst kritisch gegenüber und hielt nur Provinzialstände für nötig und möglich.63 An seiner persönlichen Voreingenommenheit lag es folglich nicht, wenn er in Auswertung seiner Befragungen zu dem Ergebnis kam, dass viele der Befragten sowohl eine Verfassung als auch eine Repräsentation für den Gesamtstaat als notwendig oder zumindest wünschenswert erachteten.64 Zumindest zu einem Teil der Gespräche, die Klewitz in der Kur- und Neumark führte, sind ausführliche Gesprächsnotizen überliefert.65 In der Altmark befragte Klewitz –––––––––– 60 61

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MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 168. Zur Zusammensetzung der Verfassungskommission: KOSELLECK, Preußen, S. 288f.; STERN, Verfassungsfrage 1817, S. 63 – 65. Zu Hardenbergs Verständnis der Aufgaben und Befugnisse einer Repräsentation: STAMMKUHLMANN, „Administration“, S. 638 – 643 und S. 651– 653. KOSELLECK, Preußen, S. 293; STERN, Verfassungsfrage 1817, S. 63 und S. 65. Klewitz versuchte vielmehr durch gezielte Fragen und Formen der Auswertung die Zustimmung zu Provinzialständen zu stärken und die zu Konstitution und Landesrepräsentation zu minimieren: KOSELLECK, Preußen, S. 293. Die Gesprächsnotizen von Klewitz vom 5.8.1817 (Altmark), zwischen 1.10.–1.11.1817 (Neu- und Kurmark) und am 5.4.1818 (Otto von Voß) in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 234 – 257. Die von ihm angefügte Liste führt weitere Gesprächspartner auf, allerdings sind dies eventuell nur Planungen: ebd., Bl. 258 –260.

2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818

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diesen Notizen zufolge nur sechs adlige Gutsbesitzer, darunter drei Landräte, und in der Neumark überhaupt nur Landräte, die bereits vor 1806 im Amt waren. In der Kurmark (ohne Altmark) zeichnete Klewitz Gespräche mit sieben adligen Gutsbesitzern auf, unter denen zwei Landräte, ein aktiver und zwei ehemalige Staatsbeamte waren. Dazu kamen in der Kurmark Gespräche mit vier Vertretern städtischer Verwaltungen, mit einem weiteren bürgerlichen Juristen (als Landschafts-Syndicus mit ständischen Angelegenheiten vertraut und der Ritterschaft verbunden), mit dem Direktor der Ritterakademie in Brandenburg sowie mit zwei Schulzen, die bereits an der interimistischen Nationalrepräsentation teilgenommen hatten, und einem Bauerngutsbesitzer. Otto von Voß und Leopold von Quast sandten unabhängig davon Gutachten und Anmerkungen zu einer für Klewitz durch den vormaligen Regierungsrat Friedrich August Ferdinand von Graevenitz verfassten historischen Darstellung der ständischen Verhältnisse in der Kur- und Neumark ein.66 Von den Ansichten, die Klewitz notierte, entsprachen diejenigen, die Carl Friedrich von Goldbeck äußerte, wahrscheinlich am stärksten seinen eigenen Vorstellungen von regionalen Verwaltungsbefugnissen der Stände unter Einbeziehung selbstverwalteter Landgemeinden auf der einen und unabhängiger staatlicher Zentralverwaltung sowie Gesetzgebung auf der anderen Seite.67 Die Positionen der übrigen befragten Adligen schwankten zwischen Partizipationsforderungen an der staatlichen Gesetzgebung und Forderungen nach einer Rückkehr zu gesonderter ständischer Verwaltung mit besonderen Vorrechten für die Gutsherren, zum Teil suchten sie beides zu verbinden. Besonders in den Diskussionen um eine mögliche Veränderung der Ständegrenzen, die Einbeziehung von Bauern und die zukünftige Zusammensetzung von Nationalrepräsentation und Ständeversammlungen zeigte sich die Problematik, vor die sich die befragten Adligen aufgrund der engen Verbindung von sozialem Wandel und Auflösung von Ständegrenzen gestellt sahen. In fast allen Stellungnahmen schlugen sich die regional verschiedenen Erfahrungen der letzten Jahre, die Beziehungen zur von Hardenberg geleiteten Staatsverwaltung und die persönlichen Besitz- und Wirtschaftsverhältnisse nieder. Die Spannbreite der geäußerten verfassungspolitischen Ansichten verdeutlicht ein Vergleich zwischen den Meinungen des Grafen Peter von Itzenplitz auf Kunersdorf sowie des ehemaligen Landrates Carl von Knobelsdorff einerseits und des Cottbusser Landrates Friedrich Wilhelm Heinrich von Normann sowie des uckermärkischen Gutsbesitzers und ehemaligen Majors Moritz Levin von Winterfeld andererseits. –––––––––– 66

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Voß, Gutachten zur Ständegeschichte von Graevenitz, 28.10.1817, Beilage zu: Graevenitz an Klewitz, 2.11.1817, in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 219 –222, hier Bl. 221f.; Quast an Klewitz, 26.2.1818, in: ebd. Nr. B.19, Bd. 1, Bl. 241. Zu Klewitz Ansichten: Ders., Denkschrift zur geplanten ständischen Verfassung, 28.4.1817, in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.19, Bd. 1, Bl. 14 –18. Vgl. KOSELLECK, Preußen, S. 293.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Im Folgenden werden zunächst die gegen eine Repräsentation für den Gesamtstaat gerichteten Überlegungen Goldbecks sowie die radikalsten Äußerungen der übrigen Befragten näher erläutert: die Argumente für eine Konstitutionalisierung der Monarchie von Itzenplitz und Knobelsdorff sowie die von Winterfeld und Normann vorgetragenen Forderungen nach einer möglichst weitgehende Rückkehr zu den Verhältnissen von vor 1806. Danach wird auf die verschiedenen vermittelnden Positionen und ihre Problematik eingegangen, auf die unterschiedlichen mit einer Verfassungsgebung verbundenen Erwartungen, auf das Schwanken zwischen Partizipationsforderungen und Bekenntnis zur Souveränität des Königs sowie auf die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des eigenen Standes gegen die übrigen vor allem bäuerlichen Grundbesitzer, denen in Zukunft als eigener Stand Repräsentationsrechte zukommen sollten. Carl Friedrich von Goldbeck, Präsident der Berliner Generalkommission zur Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse, deren Amtsbereich den Großteil der Kurmark umfasste,68 hielt ein rasches Handeln angesichts des gegebenen Versprechens und „mancher Spannungen“ für nötig, verwarf aber gerade darum „Ideale“, wozu er eine Errichtung von Reichsständen mit zwei Kammern zählte. Für die Kontrolle der Gesetzgebung hielt er den Staatsrat, vermehrt um einige Mitglieder aus den Provinzen, für ausreichend.69 Als Präsident einer Generalkommission, der rasche Fortschritte bei der Umsetzung des Regulierungsediktes gelangen, wird seine Haltung auch von den Protesten gegen die Regulierungsgesetze in der interimistischen Landesrepräsentation 1814 geprägt worden sein und insoweit argumentierte er als Staatsbeamter. Für die Provinzen forderte Goldbeck hingegen Kontrolle der Verwaltung durch Provinzialstände, denen zudem die Mitwirkung in den regionalen Kommunalangelegenheiten, das heißt eine Fortsetzung der alten ständischen Verwaltungsbefugnisse, zuzubilligen sei. Damit argumentierte er ganz als Rittergutsbesitzer und gewählter Direktor des ritterschaftlichen Kreditwerkes. In den Provinzialständen wollte er vorzugsweise den Grundbesitz vertreten sehen, aber auch Handel und Gewerbe hinzuziehen. Den Bauern sollten gemeinsam mit anderen Grundbesitzern Repräsentationsrechte zugestanden werden, wobei das Übergewicht der großen Besitzungen durch eine nicht näher bestimmte Repräsentation nach Umfang des Grundbesitzes sicherzustellen sei.70 Da die Generalkommissionen direkt der Zentralverwaltung unterstellt waren, betrafen die von Goldbeck erwogenen Einflussmöglichkeiten der Provinzialstände nicht die Staatsbehörde, für die er selbst tätig war. Graf Itzenplitz, dessen Güterbewirtschaftung und frühzeitige Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse als vorbildlich galten, verfügte zusammen mit seiner –––––––––– 68 69

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Zu Goldbecks Tätigkeit in der Generalkommission: HARNISCH, Agrarreform, S. 176. Klewitz, Notizen zum Gespräch mit Goldbeck, 26.10.1817, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 253f. Ebd.

2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818

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Frau über ausgedehnten Grundbesitz in mehreren kurmärkischen Kreisen. Nach fünfjähriger Tätigkeit in der kurmärkischen Provinzialverwaltung war er von 1795 bis 1805 als Landrat des Havellandes tätig. Ab 1806 hatte er an der Tätigkeit der Ständekomitees intensiv teilgenommen und dem kurmärkischen Landtag 1809 erfolglos einen Entwurf zu einer Einkommenssteuer, basierend auf dem Prinzip der Selbsterklärung, vorgelegt. Von 1812 bis 1815 hatte er als Generalintendant die Verwaltung des königlichen Domänenbesitzes geleitet und war bei seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst aufgrund seiner Verdienste in den Grafenstand erhoben worden.71 Die von Itzenplitz gegenüber Klewitz geäußerten Ansichten zeichneten sich durch eine radikale Auslotung des im Sinne der Reformpolitik seit 1807 Denkbaren aus. Er empfahl eine Landesrepräsentation, der die Initiative zu eigenen und Abstimmung über vorgelegte Gesetzesentwürfe sowie Einfluss auf alle Teile der Verwaltung zukommen müsse. Diese solle nicht ständisch, sondern nach Bevölkerungsmenge gewählt werden, wovon er sich versprach, dass soziale „Reibungen“ abgebaut werden könnten. Er bevorzugte ein Zwei-Kammer-System, für das die Errichtung einer „Pairschaft“ notwendig sei, und erklärte, falls dies nicht gewünscht werde, solle man besser alle „Feudalüberbleibsel“ streichen. Provinzialstände seien hingegen unnötig, Beratungen der Regierungen mit „eingesessenen Fachleuten“ ausreichend. Überhaupt wandte er sich gegen jede „halbe Maßregel“. Statt solcher solle man besser „alle ständische Konkurrenz“ ausschalten und rein monarchisch regieren.72 Spätere Äußerungen des Grafen zeigen allerdings, dass die Bemerkungen zum möglichen Verzicht auf einen neu gestalteten, besonders bevorrechtigten Adel, zu dem zuzugehören er sich aufgrund seines umfangreichen Besitzes durchaus Hoffnungen machen konnte, sowie zum möglichen Verzicht auf alle Repräsentation entweder vor allem rhetorisch gemeint waren oder zumindest auf die Dauer von ihm nicht weiter vertreten wurden.73 Weniger radikal als Itzenplitz argumentierte der Carl von Knobelsdorff, der 1795 bis 1798 Landrat des Königsberger Kreises und 1814/15 einer der interimistischen Landesrepräsentanten war.74 Seine Äußerungen lassen es verständlich erscheinen, dass Hardenberg 1812 die aus Zeitgründen erfolgte Ablehnung eines Mandats als Abgeord-

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STRAUBEL, Handbuch, Bd. 1, S. 454f.; BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 379 und S. 381; SCHÖNBECK, Landtag, S. 78 – 81. Klewitz, Notizen zum Gespräch mit Itzenplitz, 15.10.1817, in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 244f. Itzenplitz zog 1819 die Beteiligung an einer Eingabe, die auf ständische Verfassung drängte, in Erwägung, beteiligte sich 1820 am Protest gegen die Aufhebung der Landschaft und 1822 an den Beratungen zur provinzialständischen Gesetzgebung. Zu Knobelsdorff: STRAUBEL, Handbuch, S. 502.

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neter der interimistischen Nationalrepräsentation durch Knobelsdorff bedauert hatte.75 Knobelsdorff lehnte wie Itzenplitz Provinzialstände als „halbe Maßregel“ ab und verlangte – angesichts der „Gärung der Gemühter“ und der geographischen Lage – eine Landesrepräsentation nach Vorbild der französischen Konstitution von 1814, der er allerdings nur beratende Rechte bei der Gesetzgebung und keinen Einfluss auf die Verwaltung zugestehen wollte. Mehr noch als Itzenplitz drängte er auf eine vorherige Adelsreform als Bedingung für eine erste Kammer. In der zweiten Kammer seien Grundbesitz, Handel, Gewerbe und Kunst, das heißt Berufsstände, zu repräsentieren. Bezeichnenderweise begründete er seine Vorschläge damit, dass so die „Besorgnis“ vor Repräsentation gelöst und die Regierung gestärkt werden könne.76 Auf der anderen Seite des Meinungsspektrums sind die Äußerungen des Cottbusser Landrates Normann zu verorten, dessen Kreis erst 1815 der preußischen Reformpolitik unterworfen wurde und der auch in der königlich sächsischer Zeit die Verwaltung des Kreises geleitet hatte.77 Normann forderte im Kern eine Rückkehr zu den Verhältnissen vor 1806, auch wenn er sich an den neueren Sprachgebrauch anpasste: Provinzialstände mit Recht auf Beratung bei der Gesetzgebung und Petitionsrecht sowie eigenständige ständische Verwaltungszweige. Eine allgemeine Landesrepräsentation hielt er nicht für „nützlich“, sie könne sich vielmehr als „schädlich“ erweisen. Der Bauernstand sei zur Repräsentation nicht reif, dessen Beteiligung daher nicht sinnvoll. Seine Bemerkungen über die ihm bekannten Stimmen zur Frage einer Konstitution sind bezeichnend: ein Teil meine, diese sei nur Form, ein anderer, sie bereite große Kosten und stärke dennoch nur die Regierung.78 Ähnliche Ansichten vertrat der 73jährige Major von Winterfeld, der als Jugendlicher bereits im Siebenjährigen Krieg gedient hatte und zusammen mit seinem Sohn befragt wurde.79 Allerdings zeigen seine Äußerungen bereits einen Einfluss der Reformdebatten, von dem er sich im Gespräch mit Klewitz nicht ganz lösen konnte. Er befürchtete wie Normann große Schwierigkeiten bei Einberufung einer Landesrepräsentation und befürwortete nur Provinzstände. Diesen sei aber neben dem Petitionsrecht auch „Zustimmungsrecht“ und „Vorschlagsrecht“ einzuräumen, wenn auch mit der Möglichkeit eines königlichen Vetos. Zudem müssten die Repräsentanten „des Vertrauens wegen“ gänzlich unabhängig vom Staat sein und es müsse dem Gutsbesitz der „Hauptantheil“ an der Repräsentation zukommen. Der Bauernstand sei „in seiner Totalität noch nicht –––––––––– 75

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Hardenberg an neumärkische Regierung, 6.7.1812, in: BLHA, Rep. 3 B, I Präs., Nr. 682, unpag. Zur Ablehnung der Wahl: Wahlprotokoll, 4.4.1812, in: ebd. Klewitz, Notizen zum Gespräch mit Knobelsdorff, 1.10.1817, in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 238f. Zu Normann: STRAUBEL, Handbuch, S. 694. Ebd., Bl. 237f. Zur Biographie von Winterfeld: WINTERFELD, Geschichte, Bd. 2, S. 902– 910.

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reif“ – „einzelne tüchtige Subjecte“ seien Ausnahmen.80 So spiegelt sich seine Meinung zumindest in den von Klewitz angefertigten Gesprächsnotizen wider. Zwei Wochen später bemühte Winterfeld sich jedoch um Klarstellung: „Gleich auf die erste Frage, ob eine Constitution nöthig erachtet werde, hätte ich noch hinzufügen sollen: sie sei nicht allein sehr nöthig, sondern man wundre sich, daß diese Frage erst aufgeworfen werde, nachdem die alte Constitution nicht bloß durchlöchert, sondern unter die Füße getreten worden, da von Rechtswegen die Organisation einer neuen Verfassung der Vernichtung der alten hätte vorausgehen müssen, wodurch unzählige Übel, welche izt den Staat zerrüttern, wäre vorgebeugt worden.“ Viele Gesetze und Verordnungen, die „unnennbares Unheil“ angerichtet hätten und daher auch zurückgenommen worden seien, wären durch eine „entscheidende Vertretung“ vermieden worden. Als Beispiel führte er die Verunsicherungen, die durch die Agrargesetzgebung seit 1810 in den ländlichen Verhältnissen eingetreten seien. Er schloss mit dem Wunsch, „den Staat in seiner bisherigen Verfassung, soviel als noch davon übrig ist, zu lassen, bis eine neue und bessere ihm gegeben worden, weil es besser ist, eine fehlerhafte Verfassung zu haben, als gar keine.“ Dies sei keineswegs nur seine Privatmeinung, sondern sie werde von seinem ganzen Bekanntenkreis geteilt.81 Unter Verfassung verstand Winterfeld Stabilität der lokalen Verhältnisse. Die staatlichen Eingriffe in diese empfand er als Verfassungsbruch. Partizipation an den staatlichen Entscheidungen, selbst wenn diese durch Provinzialstände, in denen adlige Gutsbesitzer über die Stimmenmehrheit verfügten, erfolgen würde, erschien ihm keineswegs als ein Ersatz für den Verlust einer Herrschaftsstellung, die dem staatlichen Zugriff weitgehend entzogen war. Sein Beharren auf lokalen Standesrechten hatte auch einen wirtschaftlichen Hintergrund, denn sein Gut Nieden war seit Jahren vollständig an Bauern verpachtet.82 Durch die Agrargesetzgebung und die Verstaatlichung der Verwaltung drohte seine besondere Stellung als Gutsherr aufgehoben und durch eine Existenz als bloßer Grundrentenbezieher ersetzt zu werden. Winterfeld und Itzenplitz markierten die Extrempositionen. In ihrer überwiegenden Mehrheit suchten die befragten adligen Gutsbesitzer nach Wegen, unter Rückgriff auf neuere Repräsentationsvorstellungen an den Wirkungskreis und die Bestimmung der alten Stände anzuknüpfen. Die gezielten Fragen von Klewitz nach den Wünschen hinsichtlich einer „Volks-Vertretung“ und „Landesverfassung“ erleichterten es den adligen Gutsbesitzern allerdings nicht, ihre Anliegen zu artikulieren,83 zumal sie ge–––––––––– 80

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Klewitz, Notizen zum Gespräch mit Winterfeld, 14.10.1817, in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.28, S. 241–242. Winterfeld an Klewitz, 27.10.1817, in: ebd., Bl. 269f., Unterstreichung im Original. Zur Verpachtung von Nieden: WINTERFELD, Geschichte, Bd. 2, S. 907. So die Schlüsselwörter seiner Fragepläne vom 28.4.1817 in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.19, Bd. 1, S. 14 –18.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

genüber dem hohen Staatsbeamten offensichtlich bemüht waren, den Eindruck unbedingt zu vermeiden, ihre Partizipationswünsche seien als persönliche Kritik an der Politik des Königs zu verstehen. Vor allem die Befragten in der Altmark fanden vielfältige Formulierungen, um statt auf persönliche Partizipationswünsche auf die „Tendenz“, die „öffentliche Meinung“ und die „Mehrheit“ zu verweisen sowie Forderungen nach Entscheidungskompetenz als Zufriedenheit mit Beratungsrechten zu verkleiden, etwa als „Beratung, aber mit Erfolg“ oder „Beratung mit Hoffnung auf Erfolg“.84 Auch der mittelmärkische Landrat des Kreises Ruppin Friedrich von Zieten begann seine Ausführungen mit der grundsätzlichen Bemerkung, „ein guter Regent“ sei die beste Konstitution und gegen Despoten seien auch Konstitutionen nicht hilfreich, verwies dann aber darauf, dass ständische Verfassung nun versprochen sei, „sehnlichst“ erwartete werde und daher nicht „scheinweise“ eingeführt werden dürfe. Er selbst sei zwar mit Gesetzesberatung zufrieden, aber die „Menge“ wünsche das Recht zur Ablehnung oder Verwerfung, wobei er die norwegische Verfassung als Vorbild empfahl und die Vorlage eines Staatshaushaltes als notwendig erachtete.85 Gegenüber stark defensiv ausgerichteten Vorschlägen, die auf eine Begrenzung der staatlichen Gestaltungshoheit zumindest auf regionaler Ebene drangen und häufig mit der Rechtfertigung verbunden waren, dass die Forderungen nach Partizipation sich nicht gegen den König richteten, hob sich die Position des Landrates Rochus von Rochow deutlich ab. Ohne dass er, wie Graf Itzenplitz für einen radikalen Verfassungswandel plädierte, entwarf auch er ein optimistisches Bild von den Chancen der Verfassungsgebung. Gingen die Überlegungen des Grafen zur Repräsentation von der durch die staatlichen Reformen geschaffenen Nation aus und zogen eine begleitende Adelsreform in Erwägung, setzte der Landrat Nation und alte Stände in eins und leitete den Staat von diesen ab. Für die Landesrepräsentation verlangte er über Beratung der Gesetzgebung hinaus die Möglichkeit, bestehende Gesetze zu ändern und besonders auf das „Abgabewesen“ Einfluss zu nehmen, weshalb ihr der Staatshaushalt vorgelegt werden müsse.86 In einem Klewitz überreichten Aufsatz führte Rochow weiter aus, dass er mit „Vertrauen“ eine „Nationalrepräsentation mit Befugnissen, die ihrem Zweck erforderlich“ seien, erwarte, und äußerte zum Verhältnis von Ständen und Staat: „Daß ein wohlgeordneter Staatsverein ohne Landstände nicht stattfinden kann, ist durch die Erfahrung mehrerer Jahrhunderte erwiesen; daß besonders jetzt eine wohleingerichtete Repräsentazion dringen–––––––––– 84

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Klewitz, Notizen zum Gespräch mit altmärkischen Adligen, 5.8.1817, in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 234 –236. Ebd., Bl. 255f. Klewitz, Notizen zum Gespräch mit R. v. Rochow, 21.10.1817, in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 250f.

2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818

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des Bedürfnis geworden, beweist der Wunsch, eine bleibende, dem allgemeinen Bedürfnisse entsprechende Verfassung zu erhalten.“87 Dass diese Verfassung zunächst mit den Ständen beraten werden müsse und dafür zunächst Provinzialstände zu konstituieren seien, ergab sich dann fast von selbst. Seine Erwartungen begründete Rochow mit Überlegungen zur Beziehung von Ständen und Monarchie: „Dergleichen wohlgeordnete Berechtigungen der Stände können nie dem Regenten nachtheilig werden, denn eben die Stände, und besonders die Ritterschaft dient als Stütze des Throns; sie ist das große Bollwerk, welches ihn gegen das ungestüme Andrängen stützt, da ihre eigene Existenz von der Erhaltung der Dynastie abhängt.“88 Nicht ohne Grund erwähnte der Direktor der Brandenburger Ritterakademie Johann Daniel Arnold vor allem Rochow und Itzenplitz als Ausnahmen unter den adligen Gutsbesitzern, da sie „wohlgesinnt“ seien, als er im Gespräch mit Klewitz den Adel als diejenige gesellschaftliche Gruppe beschrieb, die am wenigsten „gut gesinnt und zufrieden“ sei, „weil er glaubt, alle Rechte verloren zu haben“.89 Bei allen Unterschieden von Rochows und Itzenplitz’ Ansichten verband sie doch die gemeinsame Erwartung positiver Auswirkungen einer Verfassung auf die Entwicklung der preußischen Nation. Ob deren Geschichte vor allem eine des Staates oder der Stände sein würde, schien noch nicht entschieden. Die Frage nach Rechten sowie Aufgaben von Provinzialständen und Landesrepräsentation berührte nicht nur die Frage nach der zukünftigen Form der Verwaltung, sondern war auch untrennbar mit der Frage nach der Zusammensetzung der Repräsentation und nach der Abgrenzung von Repräsentationsrechten einzelner Bevölkerungsgruppen verknüpft. Hier gerieten die Befragten in ein Dilemma, sobald sie sich entsprechend den neueren Vorstellungen auf eine berufsständische Gliederung der Repräsentation einließen, aber gleichzeitig mit dem Ziel, die bisherigen ständischen Verhältnisse weitgehend zu erhalten oder wiederherzustellen, auf erweiterte Partizipationsrechte ständischer Versammlungen drangen. Denn mit einer berufsständischen Gliederung der Repräsentation stellten sie gleichzeitig dieses Ziel in Frage. Der Landrat des Kreises Crossen, Ernst Wilhelm Rudolph von Troschke, der einzige Landrat, der seit 1806 in der bei Preußen verbliebenen Neumark sein Amt behalten hatte,90 begründete den allgemeinen Wunsch nach Repräsentativverfassung damit, dass –––––––––– 87

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R. v. Rochow: Einige Bemerken über Landstände und über ständische Verfassung, 20.10.1817, in: ebd., Bl. 261–264, Zitat Bl. 262. Ebd., Bl. 263f. Klewitz, Notizen zum Gespräch mit Arnold, 20.10.1817, in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 246 –248. Neben den genannten führte Arnold als weitere Ausnahme noch Gustav von Rochow auf Reckahn an. Handbuch Hof/Staat 1806, S. 76; HUBATSCH (Hg.), Grundriß, Bd. 3, S. 64 und Bd. 5, S. 140 –187. Zu Troschke: STRAUBEL, Handbuch, S. 1024f.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

eine feste und den früheren Verhältnissen angepasste Gesetzgebung nötig sei. Offensichtlich geprägt von den Erfahrungen mit den neuen Kreisverwaltungen des Gendarmerie-Ediktes, bevorzugte er gerade deshalb eine allgemeine Landesrepräsentation gegenüber Provinzialständen, weil in letzterer angesichts des „Zeitgeistes“ auch Bürger und Bauern zugelassen werden müssten. Diese aber würden gewöhnlich zusammen stimmen und den „Adel“ in die Minorität drängen, obwohl eigentlich gemeinsame Interessen des Grundbesitzes ausschlaggebend sein sollten. Daher sollten Provinzialstände nur zur Information der Landesrepräsentanten dienen und ihre Zusammensetzung mit „Vorsicht“ geschehen.91 Der Rittmeister Carl Friedrich von Jena auf Köthen im mittelmärkischen Kreis Oberbarnim formulierte ebenso deutlich: Die „Herabdrückung“ des Adels, die „Erhebung“ der Geistlichkeit und die „Begünstigung“ des Bürgertums führe zu einem „Krieg im Innern“. Dies sei zunächst zu beseitigen und dem Adel sei Polizei und Patrimonialgerichtsbarkeit mit „freier Nützlichkeit“ zu überlassen. Auch Repräsentation könne als Gegenmittel dienen, wobei Provinzialstände nur zur Beratung einer Landesrepräsentation sinnvoll seien. Die Landesrepräsentation sollte möglichst wenige Mitglieder zählen und aus Vertretern des Adels, der Bürger (evtl. mit gesonderter Vertretung des Handels) und der Bauern bestehen, wobei letzteren aber die Wahl von „Advocaten“ zu verbieten und überhaupt „Vorsicht“ notwendig sei. Dem Grundbesitz müsse auf alle Fälle der größere Anteil der Mandate zustehen und die Errichtung einer ersten Kammer unter besonderer Berücksichtigung des größeren Grundbesitzes sollte erwogen werden.92 Eine für sie selbst günstige Zusammensetzung der Repräsentation war eine durchgehende Forderung der befragten adligen Gutsbesitzer. Eine gesonderte Vertretung des Adels oder großen Grundbesitzes in einer ersten Kammer bedeutete jedoch praktisch die Notwendigkeit, eine Adelsreform durchzuführen, die von Knobelsdorff, wenn auch „nur geheim und privat“, denn auch gefordert und von Itzenplitz erwogen wurde.93 Die Mehrheit der Befragten stand einem solchem radikalen Eingriff in die ständische Ordnung allerdings fern und argumentierte berufs- und besitzständisch, stand dann aber vor dem Problem, wie Ständegrenzen unter den ländlichen Grundbesitzern begründet werden sollten. Die Unterscheidung zwischen adligen und bürgerlichen Besitzern adliger Güter wurde allerdings nur von Winterfeld thematisiert, der anmerkte, dass die Repräsentation –––––––––– 91

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Klewitz, Notizen zum Gespräch mit Troschke, 1.10.1817, in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 239f. Klewitz, Notizen zum Gespräch mit Jena, 15.10.1817, in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 245f. Zur Person Jenas: Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser B, Bd. 2 (Bd. 12 der Gesamtreihe), Limburg (Lahn) 1956, S. 146. Klewitz, Notizen zu Gesprächen mit Itzenplitz und Knobelsdorff, 1.10. und 15.10.1817, in: GStA, I. HA, Rep.77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 238f. und Bl. 244f.

2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818

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nicht wie früher geschehen könne, da auch Bürgerliche Rittergüter kaufen könnten.94 Wenn nur von den Ständen Adel, Bürger und Bauern gesprochen wurde, zielte dies offensichtlich auf die Rechtsform des Besitzes und schloss damit nichtadlige Besitzer adliger Güter implizit in den Adel ein, was durch die teilweise bereits vor 1807 geduldete Teilnahme nichtadliger Gutsbesitzer an den theoretisch dem „Adel“ vorbehaltenenen Kreistagen nahe gelegt wurde und in Berichten zu den Deputierten des Gutsbesitzes in den neumärkischen Kreisverwaltungen nach 1814 gelegentlich zur sprachlichen Gleichsetzung von Adel und Gutsbesitzern führte.95 Problematisch war angesichts der Regulierungs- und bevorstehenden Ablösungsgesetzgebung bei besitzständischer Argumentation vor allem die Trennung von adligem und bäuerlichem Grundbesitz, denn die Berechtigung der Bauern zur eigenständigen Repräsentation stellte implizit die gutsherrlichen Rechte über die Landbevölkerung in Frage und damit auch die erbittert verteidigten Befugnisse zur Polizeiverwaltung und Patrimonialgerichtsbarkeit. Die in der Altmark befragten Adligen plädierten für ein Repräsentationsrecht in Abhängigkeit von der Größe des Grundbesitzes unter Ausschluss der kleinen Besitzungen und verwiesen zum Teil ausdrücklich auf die Höhe der Steuern als Maßstab. Nur zwei der sechs Befragten, der Landrat Levin Friedrich von Bismarck zu Stendal und der Obrist Ernst Wilhelm Albrecht von Quitzow96 auf (Neu-)Berkau forderten zusätzlich eine Trennung zwischen „Adel“ und „Bauern“, während Landrat Wilhelm von Kröchern auf Vinzelberg und Obristlieutenant Joachim Ernst Friedrich von Rundstedt auf Schönfeld sich explizit gegen eine Unterscheidung nach Ständen wandten, sofern für den Grundbesitz ein Minimum der Größe gelte.97 Als Grundlage für die Unterscheidung von großem und kleinem Besitz konnte die Höhe der Grundsteuer dienen, die in der Zeit der Zugehörigkeit der Altmark zum Königreich Westphalen eingeführt worden war.98 Die in der Altmark Befragten forderten zwar eine Rückkehr zur Kurmark, eine Wiederherstellung der ständischen Verwaltungsbefugnisse sowie zumindest teilweise auch der gutsherrlichen Rechte und sie beklagten die im Vergleich zu dieser höhere Besteuerung, aber zur Exklusion bäuerlicher und sonstiger kleiner Landbesitzer von der politischen Partizipation schien eine Untergrenze des Grundsteuerbetrages geeignet. –––––––––– 94 95

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Ders., Notizen zum Gespräch mit Winterfeld, 14.10.1817, in: ebd., Bl. 241f. Beispiele für die Gleichsetzung „Gutsbesitzer“ mit „Adel“ oder „adeliche Gutsbesitzer“: Landrat des Kreises Friedeberg Ernst von Köller an die Regierung Frankfurt an der Oder, 20.3.1817, in: BLHA, Rep. 3 B, I Präs., Nr. 1782, unpag.; Ministerium des Inneren, Erste Abt., an Regierung Frankfurt an der Oder, 29.9.1818, in: ebd. Zur Begriffsverwirrung in neumärkischen Kreisen um 1820 auch: HOLSTE, Kreisstände, S. 122–124. Laut „Rang- und Quartierliste“ 1806 als Major pensioniert: Monteton, Geschichte, S. 58. Klewitz, Notizen zum Gespräch mit altmärkischen Adligen, 5.8.1817, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 234 –236. Zum Königreich Westphalen: TODOROV, Rationalität, S. 307–317.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

In der übrigen Kurmark fehlte hingegen eine allgemeine Grundsteuer, und die adligen Gutsbesitzer setzten ihrer Einführung erfolgreich Widerstand entgegen. Wenn daher der Präsident der Generalkommission Carl Friedrich von Goldbeck die Repräsentationsfähigkeit nach dem „Umfang“ des Grundbesitzes bestimmen wollte,99 blieb die Grundlage dafür unklar. Der Amtsrat August Karbe aus Blankenburg, Besitzer eines nicht steuerlich privilegierten Bauerngutes, spielte darauf an, dass die Trennung zwischen Bauern und Ritterschaft bisher nicht nach Umfang des Besitzes, sondern nach dessen Rechtsstatus erfolgte, wenn er eine getrennte Repräsentation des Grundbesitzes nur „bis zur vollen Steuergleichheit“ für notwendig hielt.100 Der Lehn- und Kreisschulze Hinze aus Deetz begründete die Erwartung einer gesonderten Repräsentation der Bauern ausdrücklich mit den „ungleichen Lasten“ zwischen ihnen und dem „Adel“.101 Der Landrat von Rochow äußerte sich im Gespräch mit Klewitz nicht explizit zu Fragen der Gutsherrschaft und der Grundlage ständischer Repräsentation. Dass er die Fortdauer der gutsherrlich-bäuerlichen Bindungen aber voraussetzte, machen seine Anmerkungen zur Fortdauer der „landständischen Gerechtsame“ und zur Repräsentation der Bauern in seinen nachgereichten schriftlichen Ausführungen deutlich. Gegen eine Beteiligung der Bauern hatte er zwar, „wenn sie durch Unbildung sich nicht einem anderen Stand anschließen müssen“, nichts einzuwenden, verwies aber darauf, dass die Bauern durch die Ritterschaft stets gut vertreten worden seien, da ihre „Konservation“ im Interesse der Gutsbesitzer liege. Damit ignorierte er die durch die Regulierungsgesetzgebung eingeleitete Trennung wirtschaftlichen Bindungen zwischen Gütern und Bauern.102 Die Problematik einer gesonderten Bauernvertretung in Hinblick auf die ständischen Gerechtsame explizierten die Gutachten und Anmerkungen, die Otto von Voß und Leopold von Quast zu der „historischen Darstellung der Ständeverfassung“ von Kurund Neumark einreichten, die der Regierungsrat von Graevenitz für die Verfassungskommission verfasst hatte. Quast vermisste eine Beschreibung der „grundherrlichen Rechte der Rittergutsbesitzer“, die die Grundlage der Repräsentation gebildet hätten und „in zukünftiger Verfassung notwendig zu erhalten“ seien, „soweit sie nicht Rechte der Menschheit verletzen und Bedrückung der niederen Klasse veranlassen.“103 Voß wandte sich vehement gegen die Vorstellung, die stellvertretende Repräsentation der Bauern durch den Adel sei eine Folge der Leibeigenschaft, sie ergebe sich vielmehr aus –––––––––– 99

Klewitz, Notizen zum Gespräch mit Goldbeck, 26.10.1817, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 253f. 100 Ders., Notizen zum Gespräch mit Karbe, 26.10.1817, in: ebd., Bl. 254f. 101 Ders., Notizen zum Gespräch mit Hinze, in: ebd., Bl. 248f. 102 R. v. Rochow: Einige Bemerken über Landstände und über ständische Verfassung, 20.10.1817, in: ebd., Bl. 261–264, hier Bl. 263. 103 Quast an Klewitz, 28.2.1818 in: ebd., Nr. B.19, Bd. 1, S. Bl. 241.

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der Mediatobrigkeit des Grundherren, wie an den Mediatstädten deutlich werde, deren Einwohner stets persönlich frei gewesen und dennoch durch den Grundherren vertreten worden seien. Da die Grundherren auf ihr Repräsentationsrecht nie verzichtet hätten, folgerte er: „Dieses Stellvertretungsrecht inheriert daher auch noch jetzt dem Gutsherrlichen Verhältniß und folgert auch heutigen Tages mit Unrecht, dass der bäuerliche Stand, so, wie Unterthänig- und Eigenbehörigkeit aufgelöset wird, das Recht der Selbstvertretung gewinnen könne.“ Das Stellvertretungsrecht sei etwas von der „Eigenschaft“ der Gutsbesitzer „unzertrennliches“, es ihnen zu nehmen, um es „Dritten“ zu geben, sei offensichtlich „Ungerechtigkeit“.104 Im Gespräch mit Klewitz ein halbes Jahr später zeigte Voß sich allerdings bereit, neue Grundsätze einer Repräsentation zu akzeptieren und begann seine Ausführungen mit der Feststellung, eine Konstitution sei „angesichts Zeitgeist und Zukunft wünschenswert und fast unvermeidlich.“ Sie müsse sich jedoch aus der ständischen Verfassung „selbst entwickeln“. Zunächst sollten in Verhandlungen mit den „vorhandenen Resten“ neue Provinzial- und Kreisstände eingerichtete werden. Dadurch entstände Vertrauen, das es erleichtere, „Wünsche des Königs“, wie die gesonderte Bauernvertretung, umzusetzen. Aus der Erfahrung könne dann der Maßstab für die Landesrepräsentation abgeleitet werden, die vorerst nur angekündigt werden sollte. Seine Überlegungen zur Zusammensetzung zukünftiger Kreis- und Provinzialstände zeigen, dass Voß sich der Notwendigkeit, auf die veränderten sozialen Verhältnisse zu reagieren, durchaus bewusst war. Auch er trennte zwischen Grundbesitz sowie Handel und Gewerbe, erwartete aber zusätzlich, dass neben ländlichem Grundbesitz, sei er adlig, bürgerlich oder bäuerlich, auch städtischer repräsentiert werden müsse. Seine Forderung „geistliche und Schulangelegenheiten“ seien durch „Behörden“ mit eigenem Grundbesitz, das heißt die ehemaligen Stifte und Klöster, zu repräsentieren, verdeutlicht hingegen sein Bemühen, wesentliche Bestandteile der brandenburgischen Ständevertretungen zu übernehmen, zumal er selbst Domherr des Havelberger Domstifts war. Für die später einzuführende Landesrepräsentation, die „Reichsstände“, plante Voß zusätzlich eine erste Kammer, bestehend aus Mediatisierten, Standesherren, Majoratsbesitzern sowie Bischöfen. In diesem Zusammenhang erhob er die Forderung, dass Majoratsbildung unterstützt werden müsse. Den Reichsständen sei „wahre Wirksamkeit“ zu gewähren, indem sie über die Gesetzgebung entscheiden könnten, zumindest aber jede Kammer das Vetorecht besäße. Dazu seien Staatsbedarf und -haushalt vorzulegen.105 Die Vorstellungen, die Voß hinsichtlich der Rechte und Zusammensetzung zukünftiger Reichsstände äußerte, unterschieden sich nicht grundsätzlich von den Plänen, die in der sogenannten „kleinen Verfassungskommission“ 1819 diskutiert wurden.106 Offen –––––––––– 104

O. v. Voß an Klewitz, 28.10.1817 in: ebd., Nr. B.28, Bl. 221f., Zitat Bl. 222. Klewitz, Notizen zum Gespräch mit Voß, 5.4.1818, in: ebd., Bl. 256f. 106 Zur Verfassungskommission 1819: OBENAUS, Anfänge, S. 100 –121. 105

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

sprach sich Voß für den mittelfristigen Übergang zur Regierungsform einer konstitutionellen Monarchie und damit letztlich auch für eine fortschreitende Verstaatlichung des Politischen aus. Den zukünftigen konstitutionellen Staat wollte Voß aber unter Berücksichtigung der bestehenden ständischen Verhältnisse aufbauen, nicht durch deren vorherige Auflösung durch die Bürokratie. Offensichtlich wirkte sein im Streit erfolgtes Ausscheiden aus der Verwaltung hier nach, da er sich weiter zum staatlichen Finanzminister berufen fühlte, ihm als persönliche Würde aber nur die informelle Anerkennung als „erster Landstand“ vonseiten seiner adligen Standesgenossen geblieben war.107 Indirekt griff Voß seine bereits 1812 gegenüber Quast geäußerte Position, die „Nation“ müsse sich erst bilden, bevor sie repräsentiert werden könne, wieder auf. Er stützte seine Argumentation dabei ebenso auf eine historische Entwicklungserzählung wie der Staatskanzler. Entwickelte sich in dessen Sicht aber die Nation aus der Überwindung ständischer Ordnung durch die Staatsverwaltung, argumentierte Voß mit einer Weiterentwicklung ständischer Ordnung zur Nation. Entwarf Hardenberg die Nation vom Staat und diesen von der Staatsverwaltung her, so hielt Voß eine Staatsbildung unter Mitwirkung der sich zur Nation formenden Stände für möglich – allerdings erst in unabsehbarer Zukunft. Bis dahin müsse der Staat seine Ausgaben einschränken und die Verschiedenheit der Provinzen akzeptieren. Zur Umsetzung einer solchen Politik konnte Voß sich selbst aufgrund seiner langen Dienstjahre vor 1807 für befähigt halten. Dem Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, Ludwig Freiherr von Vincke, hatte Voß 1816 mit Bezug auf dessen lobende Darstellung des politischen Systems Großbritanniens vorgeworfen, dass er die historischen Grundlagen erfolgreicher Entwicklung völlig verkenne, „da er in der Fremde sucht, was im Einheimischen zu finden“. Die Grundlage britischer Erfolge sei die „große Liberalität der Regierung“, die „wenig regieren“, „gängeln“ und „sich einmischen“ würde und geführt „durch Eingeborene werde, wo möglich in den höheren Stellen“.108 Gegenüber seinem Sohn äußerte Voß angesichts von Gerüchten, er könne in den 1817 neu gebildeten Staatsrat berufen werden: „Zu dem bewußten Staatsrath finde ich mir gar keinen Beruf: mir ist auch nicht glaublich, dass man an meiner Person dabei Gefallen haben kann! Es wird doch nichts dabei herauskommen, als leere Hoffnungen des Publici! Denn zum guten Haushalt sind unsere Regierer und zu einer Verfassung diese mit den Regierten nicht reif. Jenes ist nicht denkbar unter den jetzt an der Spitze stehenden Häuptern, und dieses nicht, so lange nicht Provinzial Verfassungen zuerst geordnet und einige Zeit bestanden haben –––––––––– 107

Für den Landrat Rochus von Rochow galt Voß noch 1819 als „erster Landstand“, während Ludwig von der Marwitz 1821 meinte, Voß sei immer nur Minister und Landschaftsdirektor gewesen, nie „Landstand“: R. v. Rochow an G. v. Rochow, 1.9.1819, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 59; Marwitz an G. v. Rochow, 8.11.1821, in: ebd., Nr. 9, Bl. 70 –72, hier Bl. 70. 108 O. v. Voß an C. v. Voß, 26.2.1816, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, Bd. 2, Bl. 42f. Die kritisierte Schrift: VINCKE, Darstellung.

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werden! Keines von beiden, so lange nicht wieder Provinzialminister ernannt sein werden!“109 Dass die von Voß beschriebene Weiterentwicklung der Stände ohne gesetzgeberische Eingriffe allerdings kaum absehbar war, verlieh seiner Argumentation stark defensive, seinen Zukunftserwartungen rein theoretische Züge. Genau damit traf er allerdings weitgehend die Stimmung der Gutsbesitzer, deren Vertreter zum Zeitpunkt des Gespräches von Voß mit Klewitz seit einigen Wochen zur Rechnungsabnahme des vom landschaftlichen Kreditwerk noch verwalteten Hufen- und Giebelschosses zusammengetreten waren.

c)

„Wiederherstellung ständischer Gerechtsame unter gewissen … Modificationen“. Eingaben ständischer Deputierter 1818

Anfang März 1818 traten in Berlin Deputierte der kur- und neumärkischen Ritterschaft zusammen, um als Großer Ausschuss der Landschaft für den Hufen- und Giebelschoß die Rechnungslegung für die Jahre 1807 bis 1816 abzunehmen und als ständische Deputierte an der Rechnungsabnahme des Feuerversicherungswesens mitzuwirken. Unter ihnen waren für den Kreis Beeskow-Storkow der nichtadlige Kriegsrat Wilhelm Cornelius Hagemann und als früherer Direktor und königlicher Kommissar Otto von Voß,110 dem auch die Ausschreibung übertragen worden war, ohne dass er formal als königlicher Kommissar bei der Landschaft wiederbestätigt wurde.111 Nach der Rechnungsabnahme wandten sich die Deputierten am 17. März 1818 in einer Immediateingabe an den König und baten um „Wiederherstellung ständischer Gerechtsame unter gewissen den Zeitumständen angemessenen Modificationen“.112 Mit Blick auf die mehrfach angekündigte „landständische Verfassung“ gaben die Deputierten „zu bedenken“, dass eine solche nur gelingen könne, wenn sie „an bestehendes sich anschließt und bestehende Verträge achtet.“ Als solche Verträge wurden die alten Landtagsrezesse, besonders vom 26. Juli und 19. August 1653, bezeichnet, die in den –––––––––– 109

O. v. Voß an C. v. Voß, 30.1.1817, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, Bl. 16f. Eine Berufung in den Staatsrat hätte Voß, trotz aller Kritik, nicht abgelehnt: Ders. an dens., 2.4.1817, ebd., Bl. 10f. 110 Verzeichnis der Teilnehmer, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 3, S. 1f. Vermerk der verspäteten Ankunft von Voß, in: ebd., S. 3. 111 O. v. Voß an die Kreisritterschaft der Zauche, 28.2.1818, in: ebd., vor Paginierung. Voß war zwar formal noch Landschaftsdirektor, aber das Recht Versammlungen auszuschreiben, war ihm 1809 ausdrücklich entzogen worden. Über eine Änderung seiner Stellung findet sich nirgendwo eine Anmerkung, aber eventuell handelte Voß als Direktor der Landfeuerversicherung, auch wenn auf der Einladung vom Landschaftsausschuss die Rede ist. 112 Protokoll vom 17.3.1818 in: ebd., S. 21. Abschrift der Eingabe in: ebd., S. 40f.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

„Huldigungsassekuranzen“ immer wieder bestätigt worden seien. Die als Deputierte versammelten Gutsbesitzer, die sich als Vertretung der Ritterschaft verstanden, hegten jedoch keineswegs die Illusion, sie könnten tatsächlich eine volle Wiederherstellung ständischer Verhältnisse aus der Zeit vor den Reformen erreichen. Der Schluss der Eingabe, der den eigentlichen Antrag enthielt, drückte den Kern ihrer Erwartungen aus: „Keineswegs ist es jedoch die Absicht der Stände, von solchen Staatslasten, welche veränderte Zeitumstände gebieterisch forderten, sich zu befreien, oder gar um Herstellung dessen zu bitten, was mit den Rechten und der angeborenen Freiheit des Menschen sich nicht verträgt und wohin wir die Leibeigenschaft und Unterthänigkeit des bäuerlichen Standes rechnen. Aber auf Erhaltung der übrigen grundherrlichen Rechte und besonders auf Theilnahme an Gesetzgebung und Besteuerung und folglich auch an den Verhandlungen über die verhießene Einrichtung der landständischen Verfassung glauben wir in Gemäßheit jener Landtagsrezesse gehorsamst antragen zu dürfen.“113 Die Bestätigung ihrer Sonderstellung als Inhaber grundherrlicher Rechte und die Anerkennung ihrer darin begründeten Bedeutung bildeten die zentralen Forderungen, auf die sich die Deputierten der kurmärkischen Kreise und der Neumark verständigten. Seit der Suspendierung der weiteren Umsetzung wesentlicher Teile des GendarmerieEdiktes waren zwar außer der vorläufigen dienstrechtlichen Reglung des Verhältnisses von Ortsobrigkeiten, Landräten und Regierungen keine rechtlichen Eingriffe in die Stellung der Gutsherren erfolgt, aber das Vorgehen der Regierungen machte deutlich, dass diese weiterhin bemüht waren, den staatlichen Zugriff auf die Verwaltung der Kreise und der adligen Güter durchzusetzen. Auch viele der anwesenden Deputierten hatten sich damit in den Vorjahren persönlich auseinanderzusetzen gehabt. Gustav von Rochow, Deputierter der Zauche, war nicht nur wegen Fragen der Gendamerieversorgung mit der Potsdamer Regierung in Konflikt geraten, er hatte auch die Wahl zum Kreisdeputierten und Vertreter des Landrates abgelehnt, da er in dieser Stellung nur durch die Regierung, nicht durch den Minister bestätigt werden sollte.114 In der Altmark war 1815 die gesetzlich genehmigte Wiedererrichtung von Patrimonialgerichten durch Verwaltungsvorschriften erschwert worden und Otto von Voß hatte sich beschwert: bei „Wiederherstellung Patrimonial Jurisdictionen verfahren die verwaltenden Behörden so illiberal, daß die Absicht, durch möglichst schwere Bedingungen sie zu vernichten, zu Tage liegt.“115 Zwei Jahre später hieß es, Gutsbesitzer im neumärkischen Kreis Crossen seien vom Frankfurter Oberlandesgericht ultimativ zur Zusammenlegung ihrer Patrimonialgerichte zu Kreispatrimonialgerichten aufgefordert wurden, was Otto von Voß mit den Worten kommentierte: „Ohne Gesetz eine solche –––––––––– 113

Ebd., S. 41. G. v. Rochow an R. v. Rochow, 24.9.1816, in: ebd., Nr. 1, S. 27f. 115 O. v. Voß an C. v. Voß, 16.1.1815, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, Bd. 2, Bl. 65f. 114

2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818

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Verfügung! das ist schreckliche Behördenwillkür […]“.116 Eine allgemeine Grundsteuerreform war zwar 1817 im Staatsrat gescheitert, aber einzelne Steuerbefreiungen waren durch Verwaltungsvorschriften beseitigt worden. So beklagte Voß es 1816 als „Ungerechtigkeit“, dass sein bisher steuerbefreites Berliner Haus in die kommunale Miet- und Wohnungssteuer einbezogen werden sollte.117 Besonderen Anlass zu Beschwerden sahen die adligen Gutsbesitzer in den neumärkischen Kreisen, in denen die gemäß Gendarmerie-Edikt gebildeten Kreisverwaltungen weiter bestanden. Die dortigen Auseinandersetzungen wurden zwar in den Protokollen der Deputiertenversammlung nicht expliziert thematisiert, da die beiden Vertreter der Neumark offensichtlich nicht darauf drangen. Aufgrund der vielfältigen Verflechtungen, etwa dem Grundbesitz von Otto von Voß im Kreis Königsberg, waren die neumärkischen Verhältnisse aber nicht unbekannt und damit die potentielle Drohung einer doch noch erfolgenden Übertragung auf die Kurmark. Bereits 1816 hatten adlige und nichtadlige Gutsbesitzer des Arnswalder Kreises in einer Eingabe geklagt, ihnen sei die Neuwahl eines Kreiseinnehmers mit der Begründung, sie seien nach Gendarmerie-Edikt nicht mehr wahlberechtigt, vom Finanzministerium versagt worden, obwohl dieses suspendiert sei, worauf sie den Bescheid erhielten, die Beschwerde werde sich bei Umsetzung der 1815 angekündigten Verfassung von selbst erledigen.118 Im Februar 1818 protestierte adlige Gutsbesitzer der Kreise Königsberg und Soldin, die sich bei den vorhergehenden Landratswahlen nicht hatten durchsetzen können,119 in einer Immediateingabe gegen die vorläufige Instruktion für die Landräte, da diese den Landrat in zu starke Abhängigkeit von der Regierung setze und ihn zugleich mit zu großen Weisungsbefugnissen gegen die Gutsbesitzer ausstatte. Zugleich brachten sie Beschwerden über die Einrichtung der Kreisverwaltungen und die zwischenzeitliche Ernennung von Landräten durch die Regierung in der Neumark vor, die in anderen Provinzen nicht durchgeführt worden seien. Auf die Eingabe war der formale Bescheid erfolgt, dass die Instruktion nur ein Entwurf und die endgültige –––––––––– 116

Ders. an dens., 25.12.1817, in: ebd., S. 1f.: Vom Berliner Kammergericht erwartete Voß ein ähnliches Vorgehen. 117 Ders. an dens., Ende 1816, in: ebd., S. 22, Bl. 8f. 118 Immediateingabe der Stände Arnswalder Kreises, 19.3.1816, und Antwort des Staatskanzlers, 26.4.16, in: GStA, I. HA, Rep. 74, H IX, Nr. 20, Bl. 9 –12. 119 Vgl. die Unterlagen zur Untersuchung wegen schlechter Amtsführung gegen den bis 1816 amtierenden Soldiner Landrat v. Bredow, in: BLHA, Rep. 3 B, I Präs., Nr. 1861; die Unterlagen zur Landratskandidatenwahl im Soldiner Kreis 1816 durch die Kreisverwaltung und eine Versammlung von adligen und nichtadligen Gutsbesitzern, an der sich nur ein Unterzeichner der Eingabe von 1818 beteiligt hatte, in: ebd., Nr. 1879; die Diskussionen um die Besetzung des Landratsamtes im Königsberger Kreis 1817, in: ebd., Nr. 1879 und Nr. 1914.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Gesetzgebung abzuwarten sei.120 Die Gutsbesitzer des Sternberger und des Friedeberger Kreises versuchten 1818 und 1819 durch Boykott von Neuwahlen der Kreisdeputierten und Proteste gegen das Wahlverfahren bei den Landratswahlen eine Änderung der Situation herbeizuführen, wurden aber nur auf die ausstehenden endgültigen Regelungen der Kreisordnung verwiesen.121 Die gutsherrliche Sonderstellung gegenüber der Staatsverwaltung konnte also in den neumärkischen Kreisen schon als teilweise aufgehoben und in der Kurmark als weiterhin gefährdet erscheinen. Zwei weitere Beschlüsse des Großen Ausschusses belegen, dass die in Berlin versammelten Deputierten die Grundlagen ständischer Sonderstellung der Besitzer adliger Güter und des Adels neu befestigen wollten. Am selben Tag, an dem sie die Verfassungseingabe verabschiedeten, richteten sie ein Schreiben an das Ministerium des Inneren, in dem sie um Reaktionen auf den Verkauf von sechs Rittergütern in der Prignitz, der Zauche und im neumärkischen Kreis Crossen an Landgemeinden baten. Sie protestierten dabei nicht gegen den Kauf durch Landgemeinden an sich, womit sie das Oktoberedikt von 1807 generell in Frage gestellt hätten, sondern sprachen sich gegen die Übertragung der mit den Gütern verbundenen „Ehrenrechte“ (Patrimonialgerichtsbarkeit, Schul- und Kirchenpatronat, Polizeiverwaltung sowie Jagdrecht, vor allem aber Stimmrecht auf den Kreistagen) an die Gemeinden aus, da diesen kaum die „Bildung“ zugetraut werden könne, die Ehrenrechte selbst auszuüben. Diese sollten daher in Zukunft entweder beim Verkäufer verbleiben oder vom nächsten königlichen Domänenamt übernommen werden.122 Tatsächlich rührte die Übernahme der gutsherrlichen Rechte durch Landgemeinden an den Grundfesten ständischer Gliederung auf dem Lande und hatte auch auf die Verfassungsüberlegungen unmittelbaren Einfluss. Wenn die Gutsbesitzer sich nicht mehr durch die verbliebenen „Ehrenrechte“ von der bäuerlichen Bevölkerung abgrenzen konnten, drohte die Unterscheidung verschiedener ländlicher Stände und damit ihre getrennte Repräsentation in bisheriger Form fast unmöglich zu werden. Die Begriffe „Rittergut“ und „Ritterschaft“ schienen schrittweise ihren Sinn zu verlieren. In einer weiteren Immediateingabe an den König baten die Deputierten am 18. März 1818 um den Erhalt der Domkapitel Brandenburg und Havelberg sowie der märkischen Frauenstifte, deren 1810 verkündete Aufhebung noch nicht vollzogen war, mit der Begründung, dass ihnen deren Fortbestand vertraglich zugesichert sei und „einen der –––––––––– 120

Immediateingabe der Stände des Königsberger und des Soldiner Kreises, undatiert, und die Antwort des Staatskanzlers, 19.2.1818, Abschriften für die Regierung Frankfurt zur Kenntnisnahme, in: ebd., Nr. 1784, unpag. Vgl. EIFERT, Paternalismus, S. 52f. 121 HOLSTE, Kreisstände, S. 122f. 122 Protokoll vom 17. März 1818 in: Nl. Rochow, A III, Nr. 3, S. 21. Abschrift der Anzeige an das Ministerium, in: ebd., S. 41– 43.

2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818

127

wichtigsten Bestandteile der Stände“ bilde.123 Zielte der Antrag an das Ministerium auf Befestigung der Ständegrenzen auf dem Lande, so hatte diese Eingabe die Aufrechterhaltung der besonderen Beziehung von Adel und Landesherrn zum Ziel. Denn neben den materiellen Vorteilen, die mit den Kapitel- und Stiftsstellen verbunden waren und allein Familien des kurmärkischen Adels zustanden, manifestierte sich in ihnen auch die politische und kulturelle Bedeutung, die den Familien, deren Mitglieder aufgenommen wurden, vom König und den bereits aufgenommenen Mitgliedern beigemessen wurde. Dass die Deputierten des Ausschusses in ihrer Verfassungseingabe vom 17. März 1818 nur den Erhalt der noch bestehenden gutsherrlichen Rechte und Beteiligung an den Verfassungsberatungen einforderten, bedeutet nicht unbedingt, dass sie weitergehenden Verfassungsplänen und damit verbunden einer Repräsentation für die gesamte Monarchie grundsätzlich feindlich gegenüber standen. Der anwesende Rittermeister von Jena hatte sich zum Beispiel bei der Umfrage von Klewitz im Vorjahr entschieden für eine Verfassung ausgesprochen und Voß erläuterte Klewitz seine Vorstellungen von einer zukünftigen Verfassung wenige Wochen, nachdem die Eingabe vollzogen wurde. Eine Verfassung und darin festgeschriebene Partizipationsmöglichkeiten bildeten aber, selbst wenn diese vor allem den Gutsbesitzern politischen Einfluss eröffnet hätten, nicht das vorrangige Ziel der versammelten Gutsbesitzer, solange ihre Stellung gegenüber den Staatsbehörden und gegenüber der bäuerlichen Bevölkerung weiter ungeklärt blieb. Die Deputierten bezogen sich in ihrer Verfassungseingabe auf die Ankündigung des preußischen Deputierten bei der Bundesversammlung vom 5. Februar 1818, innerhalb eines Jahres über die Einrichtung einer landständischen Verfassung zu berichten. Unabhängig davon, ob die Deputierten tatsächlich die Verärgerung des Königs über diese Ankündigung einplanten, wie Ernst Müsebeck und ihm folgend Reinhart Koselleck vermuten,124 ist diese Bezugnahme ihrer Eingabe vor allem als Versuch zu bewerten, die Dringlichkeit ihrer Anliegen zu unterstreichen, nicht als konkrete Stellungnahme für oder gegen Verfassung und Landesrepräsentation. Sie beriefen sich in ihrer Eingabe zugleich auf die Ankündigungen früherer königlicher Edikte, womit sie offensichtlich auf das Finanzedikt von 1810 und die Verordnung von 1815 zur Einrichtung einer Repräsentation des Volkes anspielten, was von Müsebeck nicht erwähnt wird. Die Konzentration der historischen Forschung auf die Entwicklung des Staates und seiner Verfassung hat der Alternativentscheidung für oder gegen allgemeine Landesoder Nationalrepräsentation eine grundsätzliche Bedeutung verliehen, die von den adligen Akteuren zwischen 1814 und 1818 offensichtlich so nicht wahrgenommen –––––––––– 123

Protokoll vom 18. März 1818 in: Nl. Rochow, A III, Nr. 3, S. 22. Abschrift der Eingabe, in: ebd., S. 48 –50. 124 MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 177f.; KOSELLECK, Preußen, S. 310f.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

wurde. Eine klare Ablehnung der Verfassungsplanungen, wie sie Alfred Stern in seiner Darstellung andeutet,125 lässt sich den Äußerungen adliger Gutsbesitzer ebenso wenig entnehmen wie abgrenzbare politische Gruppierungen von Gegnern und Befürwortern einer Repräsentation für die gesamte Monarchie, wie sie Klaus Vetter beschreibt.126 Die Kompromissbereitschaft, die Ernst Müsebeck hinsichtlich der Stellungnahmen zur Verfassungsfrage 1817 und 1818 verzeichnet,127 bezog sich im Wesentlichen auf die Möglichkeit einer neuen Repräsentation für die Monarchie. Die Herausforderung, der sich die adligen Gutsbesitzer nach 1815 stellen mussten, war aber weniger die Ankündigung veränderter Formen der Repräsentation als die Veränderung von Grundlagen und Bedeutung von Repräsentation. Hinsichtlich dieses Problems stimmten bereits 1817 fast alle von Klewitz befragten Gutsbesitzer mit den Forderungen überein, auf die sich die ständischen Deputierten 1818 verständigten: die regionalen und lokalen Verwaltungsbefugnisse der Gutsbesitzer und ihre politische Bedeutung als Hauptbestandteil der Stände sollten in irgendeiner Form neu begründet werden. Wenn die Deputierten des Großen Ausschusses ebenso wie die Mehrzahl der Gesprächspartner von Klewitz dennoch versuchten, zur Verfassungsdiskussion Stellung zu beziehen, so weniger um einen konkreten Verfassungsplan durchzusetzen, als um Anschluss an die politischen Debatten zu gewinnen. Denn die Verfassungsdebatte bildete zu diesem Zeitpunkt eine der zentralen Arenen, in denen um gesellschaftliche Bedeutung und zukünftige Einflussmöglichkeiten gerungen wurde. Wer seinem Anspruch auf beides Nachdruck verleihen wollte, erreichte dies am besten durch eine Verknüpfung seiner Forderungen mit der Verfassungsfrage. Angesichts der politischen Kräfteverhältnisse in der Preußischen Monarchie in den ersten Jahren nach 1815 – der scheinbar unangreifbaren Stellung des Staatskanzlers und des erst kurz zurückliegenden königlichen Verfassungsversprechens – waren solche Ansprüche kaum anders zu artikulieren als im Rahmen allgemeiner Zustimmung zu Verfassung und politischer Partizipation.128 Wie berechtigt die Sorge der politisch aktiven adligen Gutsbesitzer vor einem Bedeutungsverlust war, wird bereits daran deutlich, dass die Eingaben der Deputierten von 1818 zwar entgegengenommen wurden, aber keinerlei Antwort erfolgte.129 Die politischen Stellungnahmen adliger Gutsbesitzer in der Umfrage von 1817 und den Eingaben von 1818 beschreiben die Situation fast durchgängig als gefährlich und –––––––––– 125

STERN, Verfassungsfrage 1817, S. 76 –79. VETTER, Adel, S. 58f. 127 MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 173f. 128 Vgl. KOSELLECK, Preußen, S. 292–294 und S. 311. 129 Das Ausbleiben einer Antwort wurde 1820 als Argument dafür benutzt, dass das Recht zu ständischen Eingaben zumindest nicht bestritten worden sei: Schreiben ständischer Deputierter an Hardenberg, 27.4.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 91–100, hier Bl. 92. 126

2.2. Warten auf die „ständische Verfassung“ 1816 –1818

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besonders die eigene Lage als kritisch, wofür indirekt die Reformgesetzgebung verantwortlich gemacht wird. Verfassung und Repräsentation stellen zumeist nur Chiffren für den defensiven Wunsch nach einer Stabilisierung ständischer Verhältnisse dar. Auffallend ist dabei, dass dieser sich vor allem auf eine deutliche Abgrenzung von adligem Gutsbesitz gegenüber den Landgemeinden und den Städten bezog. An kaum einer Stelle lässt sich bestimmt aufzeigen, dass für den Adel unabhängig vom Gutsbesitz ein Anspruch auf eine politische Sonderstellung erhoben wurde. Wenn in den Stellungnahmen adliger Gutsbesitzer „Adel“ erwähnt wird, sind von der ständischen Logik her fast immer die Besitzer „adliger“ Güter gemeint. Die persönliche Zugehörigkeit der Besitzer zum Adel wurde fast ausschließlich im Rahmen von Überlegungen zu einer Adelsreform thematisiert. Eine solche Reform wurde allerdings selten erwogen, bedeutete sie doch eine radikale Abkehr von dem Prinzip der gleichen Stimmrechte aller Gutsbesitzer als Träger der Lokalverwaltung im Rahmen der Kreisstände – nicht umsonst äußerte Knobelsdorff seine Vorstellungen in dieser Beziehung gegenüber Klewitz nur „privat und geheim“. Inwieweit von einer großen Zahl adliger Gutsbesitzer die wachsende Zahl der von bürgerlichen Käufern erworbenen Güter als Bedrohung wahrgenommen wurde, kann anhand der ausgewerteten Quellen kaum festgestellt werden. Die Einbeziehung bürgerlicher Gutsbesitzer in die ständische Verwaltung war angesichts ihrer wachsenden Zahl jedoch unvermeidlich, sollten deren Grundlage, die Stellung der Kreisstände zwischen Staat und den zu den Gütern gehörenden Landgemeinden, nicht aufgegeben werden. Gelegentlich wurde der Gutserwerb von Bürgerlichen sogar gezielt durch Adlige gefördert, sei es um die Güterpreise zu stabilisieren oder um Einfluss auf die Zusammensetzung der Neuerwerber zu nehmen. Ein Beispiel ist Leberecht von Klitzing, der seinen bürgerlichen Verwandten und Bekannten Güterkäufe im neumärkischen Kreis Landsberg vermittelte, nachdem er 1816 dort selbst das Gut Charlottenhof erworben hatte.130 In diesem und in anderen neumärkischen Kreisen kooperierten adlige und bürgerliche Gutsbesitzer bei den Wahlen zu den dortigen paritätisch aus Vertretern der Gutsbesitzer, Städte und Landgemeinden zusammengesetzten Kreisverwaltung und bemühten sich gemeinsam um eine stärkere Vertretung des Gutsbesitzes.131 Auch in der Kurmark erschienen zumindest teilweise nichtadlige Gutsbesitzer persönlich auf Versammlungen der Kreisstände. So nahm nach 1817 im Ruppiner Kreis von den mindestens vier nichtadligen Rittergutsbesitzern zumindest einer, H. Scherz, der 1815 Krenzlin als Fideikommiss erworben hatte, regelmäßig an den Kreistagen teil, wobei insgesamt selten mehr als zehn der insgesamt über 40 zur Teilnahme berechtig–––––––––– 130 131

JONAS, Bennecke, S. 441. Wahlprotokolle der Kreisverwaltungen und diesbezügliche Korrespondenz, 1814 –1820, in: BLHA, Rep. 3 B, I Präs., Nr. 1781–1783, passim.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

ten Gutsbesitzer erschienen.132 Dass die Mitarbeit nichtadliger Gutsbesitzer auch auf Provinzebene von Adligen weitgehend akzeptiert wurde, bezeugt die Teilnahme des nichtadligen Kriegsrates Wilhelm Hagemann an den Verhandlungen des Landschaftsausschusses und der Provinzialschuldenkommission 1818 als Deputierter der Ritterschaft des Beeskow-Storkowschen Kreises.133 Hagemann hatte von 1811 bis zur Auflösung des Kreises 1816 auch die interimistische Verwaltung des Landratsamtes übernommen, nachdem der bisherige Landrat Wilhelm von Schütz im Zuge des Vorgehens Hardenbergs gegen die Beteiligten an der von Marwitz angeregten „Letzten Vorstellung der Stände Lebusischen und Beeskow-Storkowschen Kreises“ entlassen worden war.134 Im Kreis Beeskow-Storkow gab es zwar einen besonders hohen Anteil nichtadliger Gutsbesitzer, aber diese waren nicht in der Mehrheit.135 Zu den späteren Provinziallandtagen nach 1824 wurden dann bis auf eine Ausnahme adlige Deputierte entsandt.136 Dass Ludwig von der Marwitz sich zwischen 1812 und 1820 weigerte mit den nichtadligen Kreisständen des Lebuser Kreises zusammenzuarbeiten, nachdem er noch 1809 die Wahl eines bürgerlichen Gutsbesitzers zum Landrat unterstützt hatte, lag vor allem an seiner Suche nach Gründen für sein persönliches Scheitern in der Auseinandersetzung mit Hardenberg 1811.137 Eine über den Wunsch nach Stabilisierung hinaus reichende positive historische Vision von Verfassung und Repräsentation, etwa hinsichtlich der Rolle von Adel oder Gutsbesitzern bei der Staats- und Nationsbildung, findet sich kaum. Der altmärkische Landrat Levin Friedrich von Bismarck hatte im Gespräch mit Klewitz immerhin erwähnt, dass die „Hauptsache der Repräsentation“ die „Belebung des Gemeingeistes“ sei.138 Eine darüber hinausgehende, nicht nur defensive Auseinandersetzung zeichnete sich nur in den Äußerungen von Itzenplitz und Rochow ab. Zeigte Itzenplitz die Bereitschaft zum Verzicht auf ständische Befugnisse im Gegenzug zu ausgedehnten Partizipationsmöglichkeiten im staatlichen Rahmen für einzelne adlige Gutsbesitzer, entwarf –––––––––– 132

Kreistagsprotokolle Ruppin, in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, S. 5, Bl. 195f. und passim. Zur Zahl der Gutsbesitzer vgl. Tabelle 1 im Anhang und die leicht abweichenden Zahlen bei: BASSEWITZ, Kurmark vor 1806, S. 18; MARTINY, Adelsfrage, S. 114; SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 532. Zum Erwerb von Krenzlin II durch Scherz: DUNCKER, Wohnsitze, Bd. 16, Nr. 913. 133 Zum Gutserwerb von Ragow und Merz durch Hagemann und zu dessen offensichtlich erheblichem Vermögen: H.-H. MÜLLER, Domänen, S. 190f. und BERGHAUS, Landbuch, Bd. 2, S. 590f. 134 Amtsblatt der Königlichen Churmärkischen Regierung 1811, S. 108 und MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 28. 135 Zur Gutsbesitzverteilung: SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 531. 136 Vgl. Tabelle 3 im Anhang. 137 FRIE, Marwitz – Biographien, S. 250 und S. 284f. 138 Klewitz, Notizen zum Gespräch mit Bismarck, 5.8.1817, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 514, Nr. B.28, Bl. 234.

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

131

Rochow den Plan zur Ausdehnung ständischer Befugnisse, die der Ausdehnung der Staatsgewalt entsprechen würden. In den folgenden Jahren verloren beide Varianten einer neuen Legitimation des politischen Gestaltungswillens adliger Gutsbesitzer an Bedeutung. Stattdessen rückte Rochows Verweis auf ihre Schutzfunktion für die monarchische Herrschaft, die er 1817 noch im Rahmen von Verfassungsplänen äußerte, unter veränderten politischen Rahmenbedingungen in das Zentrum der politischen Debatte.

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820. Interne Diskussionen, Eingaben und deren Zurückweisung a)

Schutz der Souveränität des Monarchen als neue Argumentationslinie. Die Neuausrichtung der preußischen Politik und der Entwurf für eine Eingabe der kurmärkischen Ritterschaft

In der Verfassungsdiskussion der Jahre 1817 und 1818 ließen sich ständische und frühliberale Argumente noch schwer auseinander halten. Forderungen nach politischer Partizipation und sozialer Distinktion überlagerten sich in den Stellungnahmen adliger Gutsbesitzer und schienen teilweise und zumindest theoretisch mit den Plänen des Staatskanzlers für eine Gesamtstaatsverfassung vereinbar. Caroline von Rochow bemerkte zwar rückblickend auf die Jahre 1816 bis 1818, dass in diesem Zeitraum „der Zwiespalt zwischen Konservativen und Liberalen zur Sprache“ kam,139 aber erst 1819 begann sich die Ausdifferenzierung der politischen Öffentlichkeit in ein liberales und ein konservatives Lager in der internen politischen Argumentation der kur- und neumärkischen Ritterschaft deutlich niederzuschlagen. Anfang April 1819 berichtete der Landrat Rochus von Rochow, er habe in einem Heft der von Adam Heinrich Müller herausgegebenen „Deutschen Staatsanzeigen“ Artikel gefunden, die ihm so gut erschienen, dass er den Jahrgang 18 des „Oppositionsblattes“ bestellen wolle. Besonders hob er einen Aufsatz von Ludolph Beckedorff hervor. Rochow konstatierte: das „landräthl. Verhältnis amalgamiert sich zu den ultras, zu den liberalen und zu denen, welchen Gott die Kraft des reinen Unterscheidungsvermögen verlieh. Letztere sind die von Gott ausersehenen, und sprechen das landräthliche Verhältnis am meisten an. Vertreter aller corporativen Gerechtsame […] können, wenn sie nicht indolent, oder Fröhner […] der Theorie sind, sehr nützlich werden.“140 Verbunden mit neuen intellektuellen Bündnispartnern kündigte sich eine Radikalisierung –––––––––– 139 140

C. v. ROCHOW, Erinnerungen, S. 103. R. v. Rochow an G. v. Rochow, 27.4.1819, in: Nl. Rochow, B, Nr. 30, unpag.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

der politischen Auseinandersetzungen an. Allerdings standen praktische Überlegungen hinsichtlich der eigenen Stellung als Landrat für Rochow weiterhin im Vordergrund. Das Lob für die konservative Publizistik beruhte nicht auf Identifikation, sondern auf der Überlegung, diese sei mit den eigenen Anliegen am besten vereinbar. Dass Rochow die Zeitschrift beim Potsdamer Regierungspräsidenten Magnus Friedrich von Bassewitz vorgefunden hatte, deutet zugleich auf einen fortbestehenden politischen Meinungsaustausch zwischen Vertretern der staatlichen Reformpolitik und Verteidigern ständischer Sonderstellung hin.141 Zeitgleich mit der Entdeckung intellektueller Bündnispartner zeigte sich ein gemeinsames Feindbild: Burschenschaft und liberale Öffentlichkeit. Der von dem Burschenschaftler Carl Ludwig Sand verübte Mord an August von Kotzebue, der sowohl als unmoralischer Schriftsteller wie als reaktionärer Politiker galt, bildete den äußeren Anlass für eine Neuausrichtung der preußischen Politik unter wachsendem Einfluss Österreichs. Die Furcht vor revolutionären Umsturzversuchen, die sich seit 1817 im Briefwechsel zwischen Hardenberg, dem preußischen Polizeiminister Wittgenstein und dem österreichischen Staatskanzler Clemens Fürst von Metternich niederschlug und im Januar 1819 zu Maßnahmen gegen die Turnerbewegung führte, bestimmte zunehmend die politische Debatte.142 Die Abkehr der preußischen Politik von liberaler Rhetorik wurde von adligen Gutsbesitzern rasch nachvollzogen. Statt wie die liberale Öffentlichkeit, Partizipationsforderungen weiter vor allem unter Verweis auf die Beteiligung am Sieg über das napoleonische Frankreich zu erheben, wurden die ständischen Anliegen nun verstärkt als Teil der Abwehr revolutionärer Gefahren reformuliert. Die Reaktion Theodor von Rochows auf die Ereignisse vom April 1819 verdeutlicht, dass ästhetisch-moralische Übereinstimmungen mit Burschenschaft und liberaler Öffentlichkeit, wie sie sich in gemeinsamer Abneigung gegen Kotzebues Wirken zeigten, nun in den Hintergrund traten: „Mag Kotz[ebue] noch so schlecht gewesen sein, so bleibt diese Sache scheuslich, empörend, und da sie gerade von dieser Rotte ausgeführt ist, so muss das Gericht um so strenger sein. Vielleicht macht diese Tat die Regierungen aufmerksamer.“143 Einige Wochen später hob Rochow die Schrift Ludolph Beckedorffs zur Ermordung Kotzebues, die diese Tat als Auswirkung liberalen Gedankenguts und Vorzeichen revolutionärer Umsturzversuche beschrieb,144 als „das Beste, das einzig richtige, was über diese Sache“ geschrieben wurde, hervor.145 Angesichts –––––––––– 141

Bassewitz gehörte zu den entschiedenen Verfechtern einer Durchsetzung des von Hardenberg eingeleiteten Reformprogramms, unterhielt aber stets auch enge Beziehung zu den in Brandenburg ansässigen Adligen: BURG, Gerlach. 142 LEVINGER, Nationalism, S. 141–146. 143 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 20.4.1819, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 7f. 144 BECKEDORFF: Jugend. Vgl. MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 180. 145 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 11.5.1819, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 11f.

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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eines ihm „unglaublichen“ Berichts in der Staatszeitung, dass 15 000 Bürger versucht hätten, den König aufzuhalten, um ihm eine Bittschrift mit konstitutionellen Forderungen zu übergeben, hatte Rochow sich bereits Anfang April über die Auswirkungen der Pressefreiheit beschwert, die „gehässiges“ gestatte.146 Empört zeigte sich Rochow dabei weniger über die Demonstration, an die er offensichtlich nicht glaubte, als über die Tendenz des Berichtes der Staatszeitung. Seine Äußerung ist daher nicht unbedingt ein Beleg für eine wachsende Furcht vor der bürgerlichen Verfassungsbewegung,147 sondern vor einer Berichterstattung, die eine solche mit Duldung des Staatskanzlers schürte. Die mit einer solchen Politik angeblich verbundene Revolutionsgefahr trat als Thema in den Mittelpunkt der politischen Debatten. Anfang August 1819 beschlossen Preußen und Österreich in der Teplitzer Punktuation ein gemeinsames Handeln, um im Deutschen Bund verschärfte Zensurvorschriften und Maßnahmen gegen die Universitäten durchzusetzen. Gleichzeitig sicherte Preußen gegenüber Metternich in der Verfassungsfrage zu, nur provinzielle Landstände mit einem gemeinsamen Ausschuss einzurichten.148 Kurze Zeit darauf griffen mehrere Adlige der Kurmark die von Angst vor revolutionären Gefahren geprägten politischen Debatten auf, um die Zukunft des Adels neu in die politische Diskussion einzubringen. Am 12. August kamen Gustav von Rochow und Hans von Rochow im Anschluss an eine Kreisversammlung des Kreises Zauch-Belzig überein, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt notwendig sei, „durch entschiedene Schritte dem Monarchen zu zeigen, dass der alte Adel des Landes in Gesinnung derselbe geblieben“ sei. Um die „ihm gebührende politische Stellung“ wieder herzustellen, schlug Hans von Rochow vor, in einer Eingabe der kurmärkischen Ritterschaft den Monarchen „mit Hinweis auf politische Zeitereignisse“ zu bitten, „uns mit einer Constitution neuer Art zu verschonen.“ Mit Zustimmung des Landrates Rochus von Rochow und unter Zuziehung von Ludolph Beckedorff wurden eine Immediateingabe und ein Begleitschreiben an den Staatskanzler entworfen, auf deren vorläufige Fassung sich am 25. August mehrere adlige Gutsbesitzer der Zauche einigten, darunter neben dem Landrat die Brüder Gustav und Theodor sowie Hans und Adolph von Rochow. An den Beratungen nahm darüber hinaus der Großvater von Gustav und Theodor, Rittmeister August von Briest, teil, der im Westhavelländischen Kreis begütert war.149 –––––––––– 146

Ders. an Dens., 17.4.1819, in: ebd., S. 3f. So die Interpretation bei: VETTER, Adel, S. 64. 148 Abdruck in: TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 2, S. 632 – 635. Vgl. SCHMITZ, Vorschläge, S. 325 – 327. 149 Bericht Gustav von Rochows über Beschlussfassung, eine Immediateingabe zu entwerfen, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 41. Die Entwürfe der Immediateingabe und des Begleitschreibens an den Staatskanzler mit späteren Änderungen: ebd., Bl. 46 – 49. Vgl. MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 158f. und S. 178 –182. Abdruck der Eingaben mit Anmerkung der verschiedenen später eingefügten Änderungen: ebd., S. 354 –357. 147

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Der Entwurf zur Immediateingabe beschwor zunächst die intakten Beziehungen zwischen Landesherren und Untertanen in Preußen in Abgrenzung zu den Verhältnissen in konstitutionellen Staaten. Dort würden „sogenannte Volksrepräsentanten“ versuchen, „die einzelnen Bestandteile der Nation unversöhnlich zu entzweien, zwischen Fürst und Volk ein unseliges Misstrauen zu nähren und sich in die eigentümlichsten Angelegenheiten der Regierungen […] unbefugt einzumischen“. In Preußen seien zum Glück „dergleichen Neuerungen noch nicht befestigt“, würden aber „jeden treuen, rechtlichen, sein Land liebenden und seinen angestammten Fürsten ehrenden Unterthan […] mit Unwillen und Besorgnis erfüllen. Dies sei „im Allgemeinen“ auch die Stimmung „des kräftigsten Theils der Nation, des Landvolks“.150 Erst nach der Distanzierung von liberalen Verfassungsforderungen, dem Hinweis auf die mit diesen verbundenen Gefahren und nach der Behauptung, auch für die bäuerliche Bevölkerung zu sprechen, folgte das Lob früherer landständischer Verhältnisse, „deren Wesen darauf beruhte, dass die Rechte und Verbindlichkeiten zwischen Fürst und den einzelnen Volksbestandtheilen genau bestimmt und durch gegenseitige unverletzliche Versprechungen befestigt waren, Veränderungen aber in diesen Verhältnissen nicht anders als durch Bewilligungen von beiden Seiten, also auf dem Wege des Vertrages, bewerkstelligt werden konnten.“ In der Mark Brandenburg sei die alte Verfassung aufgrund der kritischen äußeren Lage seit einigen Jahren suspendiert gewesen. Die Gründe dafür hätten die unterzeichnenden „Stände“ „im Stillen zu ehren gewusst“, auch wenn sie gelegentlich an ihre „alten Gerechtsame“ erinnert hätten. Jetzt aber, „nachdem die äußeren Verhältnisse so glänzend wieder befestigt worden sind“, sei „der Zeitpunkt gekommen, „wo die alten inneren Bande aufs neue und fester wie je geknüpft werden dürften.“ Aufgrund der Gefährdung, der die „allgemeine Ordnung“ derzeit ausgesetzt sei, wurde in der Eingabe „um Wiederherstellung des Wesens unserer alten ProvinzialVerfassung“ gebeten.151 Das wiederherzustellende „Wesen“ der ständischen Verfassung, so war diesen Ausführungen zu entnehmen, wurde durch die direkte Beziehung der Stände zum Landesherrn, nicht durch die allgemeine Gesetzgebung begründet. Implizit hieß dies, die Rechte der Stände dürften nicht der Regelung durch staatliche Institutionen unterliegen. Das bedeutete aber auch, dass die Stände über die Aufrechterhaltung ihrer Rechte hinaus keinen Anspruch auf politische Mitsprache erhoben. Der zentralen Forderung schlossen sich Beteuerungen an, keine „anmaßende oder gar eigennützige Absicht“ zu verfolgen, nicht nur „alte Rechte, Exemptionen und Privilegien ihres [eigenen] Standes“ wiederherstellen zu wollen, sondern auch „das gemeine Beste überhaupt im Auge“ zu haben. In diesen Abschnitt wurde auf Vorschlag Hans von Rochows die Bemerkung eingeschoben, „dass die Vereinigung aller Provin–––––––––– 150

Entwurf einer Immediateingabe der kurmärkischen Ritterschaft, 17./18.8.1819, Abdruck in: MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 354f. 151 Ebd., S. 355.

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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zen der Monarchie, deren Herkommen und Interesse oft so ganz verschieden und sich entgegenwirkend ist, zu einer allgemeinen Konstitution wohl außer den Grenzen der Ausführbarkeit liegen dürfte.“152 Im letzten Teil der Eingabe wurde schließlich angekündigt, zu neuen Opfern für die „Wohlfahrt des Vaterlandes“ bereit zu sein, allerdings in der Hoffnung, diese „freiwillig darbringen“ und durch „heilige Verträge“ besiegeln zu dürfen. Den Abschluss bildete eine Beschwörung der durch die Nähe der Vorfahren zum Herrscherhaus „ererbten ehrenvollen Stellung“ und der Hoffnung, diese Position „Kindern und Enkeln als ihr theuerstes Erbteil zu hinterlassen.“153 In diesem Entwurf zeigt sich eine Argumentationslinie, die sich in mehrfacher Hinsicht gegenüber der Eingabe des Großen Ausschusses vom Vorjahr unterschied. Die Forderung einer Festigung der Ritterschaft als Stand wurde nun vor allem mit ihrer Bedeutung für die Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Stabilität begründet. Der Verweis auf alte Rechte und Verträge trat demgegenüber zurück. Es wurde sogar eingeräumt, dass diese mit guten Gründen suspendiert wurden, und die Bereitschaft zu neuen Zugeständnissen angekündigt. Der Entwurf für das Begleitschreiben an den Staatskanzler betonte die veränderte Argumentationsführung, indem die Unterzeichner darauf verwiesen, es sei „diesmal keineswegs unsere Absicht, uns bloß auf unser gutes Recht zu stützen und zu berufen; wir erlauben uns vielmehr, die Ansicht Ew. Durchlaucht noch auf andere höhere Beweggründe unserer gegenwärtigen Schritte zu lenken.“ Es folgte auch hier der Hinweis auf die gefährlichen Zeitumstände, in denen es „dem Adel“ gebühre, „den Geist der Ordnung, des Beharrens und der Treue nicht bloß in sich zu bewahren und zu befestigen, sondern auch nach Kräften zu verbreiten und zu beschützen.“154 Der anschließende Passus, in dem noch einmal die Bereitschaft zu „mancherlei und großen Opfern an zeitlichen Gütern“ hervorgehoben wird, verdeutlicht das Kernanliegen der Verfasser, als Adlige und Gutsbesitzer nach den Veränderungen der Reformzeit eine neue gesicherte gesellschaftliche Stellung zu erlangen. Denn dazu, ihre „uneigennützige und treue Gesinnung bestätigen zu können“, sahen sich die adligen Gutsbesitzer außerstande, solange sie nicht „als ein wiederhergestellter und berechtigter Stand eine von den zuverlässigsten Stützen des Thrones ausmachen“ dürften.155 War die Position adliger Gutsbesitzer der Kurmark in der verfassungspolitischen Debatte bisher von einer defensiven Pragmatik bestimmt gewesen, ausgerichtet darauf, im Rahmen der Verfassungsdiskussion möglichst viele eigene Forderungen durchzusetzen, begründete die nun geplante Eingabe die erhobenen Forderungen mit den Gefahren, die mit einer neuen Verfassung verbunden seien. Die verbliebenen ständischen –––––––––– 152

Ebd. mit Anm. 4. Ebd., S. 356. 154 Ebd., S. 357. 155 Ebd. 153

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Rechte der Ritterschaft wurden nicht mehr als Voraussetzung einer Verfassung bezeichnet, sondern angedeutet, dass bei einer neuen Befestigung ihrer ständischen Sonderstellung auf konstitutionelle Partizipationsrechte ebenso wie auf materielle Privilegien verzichtet werden könne. Die angemahnte „Wiederherstellung des Wesens“ der ständischen Verfassung zielte letztlich auf die Neuaushandlung ihrer Formen und stellte implizit auch die verbliebenen ständischen Institutionen zur Disposition. Damit wurde die Verfassungsfrage mit einer Grundsatzdebatte über die zukünftige Stellung der adligen Gutsbesitzer in der Monarchie verbunden. Die Frau des Landrates Rochus von Rochow, Maria Elisabeth, Tochter eines bäuerlichen Freisassen,156 brachte das Anliegen der Eingabe auf den Punkt, als sie empfahl, die Eingabe an den König nach dem Prinzip aufzubauen: „was waren wir – was sind wir (ohne unser Verschulden) – was wünschen wir zu sein.“157 Der Zeitpunkt für ein geschlossenes Auftreten der adligen Gutsbesitzer unter Verweis auf die revolutionären Gefahren schien günstig, da Gustav von Rochow von Freunden, die im Kontakt zum Staatsministerium standen, Nachrichten erhielt, eine Eingabe dieses Inhalts würde derzeit wahrscheinlich positiv aufgenommen.158 Dass eine neue Verfassungskommission zusammentreten sollte und die bisherige Kommission des Staatsrates damit „mittelbar aufgehoben“ wurde, wurde angesichts der „Denkungsart vieler von dessen Mitgliedern“ ebenfalls für eine „gute Nachricht“ gehalten.159 Die auf die Karlsbader Ministerkonferenz vom August zurückgehenden Beschlüsse des Bundestages vom 20. September bestärkten die Initiatoren der Eingabe in der Annahme, dass die Gelegenheit günstig sei, in der Verfassungsfrage Stellung zu beziehen.160 Denn beschlossen wurde neben der Überwachung der Universitäten und der Presse auch, dass allgemeine Richtlinien für die Umsetzung des Artikels 13 der Bundesakte, der die Errichtung landständischer Verfassungen in allen Bundesstaaten vorsah, erarbeitet würden.161 –––––––––– 156

STRAUBEL, Handbuch, S. 813. Die familiengeschichtlichen „Nachrichten“ Adolph von Rochows erwähnen weder die Ehefrau des Landrates noch die gemeinsamen nachträglich legitimierten, aber früh verstorbenen Kinder: A. v. Rochow, Nachrichten, S. 167f. 157 R. v. Rochow an G. v. Rochow, 21.8.1819, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 52. 158 R. v. Rochow an G. v. Rochow, 1.9.1819, in: ebd., Bl. 59. 159 Quast an G. v. Rochow, 29.8.1819, in: ebd., Bl. 63f., hier 64. Zur „kleinen Verfassungskommission“ von 1819: OBENAUS, Anfänge, S. 100 –121. 160 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 7.10.1819, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 22. 161 Abdruck der Bundesakte und Abdruck der Beschlüsse der Bundesversammlung vom 20.9.1819, in: HUBER, Dokumente, Bd. 1, S. 84 – 90 und S. 100 –105. Richtlinien zur Verfassungsgebung wurden auf den Wiener Ministerialkonferenzen ab November 1819 erarbeitet und am 15. Mai 1820 in der Wiener Schlussakte verabschiedet. Vgl. ebd., S. 91– 99.

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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Friedrich Gentz hatte dazu auf der Karlsbader Konferenz vom August 1819 unter dem Titel „Über den Unterschied zwischen den landständischen und den RepräsentativVerfassungen“ ein Gutachten vorgelegt, in dem er behauptete, dass die monarchische Souveränität generell eingeschränkt werde, sobald im Rahmen einer Repräsentativverfassung politische Partizipationsrechte an Institutionen verliehen würden, die mit dem Anspruch auftreten konnten, das Volk in seiner Gesamtheit zu repräsentieren. Eine „landständische Verfassung“ diene hingegen nur der Vertretung von Partikularinteressen einzelner Korporationen und könne daher die souveräne Stellung des Monarchen nicht beeinträchtigen.162 Eine enge Auslegung der Deutschen Bundesakte in diesem Sinne hatte sich aufgrund des Widerstands konstitutioneller Bundesstaaten in Karlsbad nicht durchsetzen lassen, nicht zuletzt, da deren Vertreter in der Stärkung partikularer Ständeinteressen eine größere Gefahr für die souveräne Staatsgewalt sahen als in der Gewährung einiger Befugnisse an konstitutionelle Landtage.163 Allerdings wurde grundsätzlich beschlossen, dass die monarchische Souveränität nicht eingeschränkt werden dürfe und das „monarchische Prinzip“ der Regierung aufrechterhalten werden müsse.164 Das Gutachten von Gentz war den Initiatoren einer Eingabe der kurmärkischen Ritterschaft sicher nicht bekannt. Aber das zentrale Argument der projektierten Eingabe, die Unterscheidung korporativer Rechte der Stände von politischen Partizipationsrechten, schien auch grundsätzlich mit der im Sommer 1819 eingeschlagenen Politik Preußens und den nachfolgenden Beschlüssen des Bundestages in Übereinstimmung zu stehen.

b)

Adel, Gutsbesitz und Verfassung. Befürworter und Gegner einer Grundsatzdebatte

In den Diskussionen, die nach Vorlage des von adligen Gutsbesitzern des Kreises Zauche beschlossenen Eingabeentwurfes im Herbst 1819 von adligen Gutsbesitzern um die Notwendigkeit und Form einer verfassungspolitischen Eingabe an den König geführt wurden, lassen sich vier unterschiedliche Positionen ausmachen. Während die Rochows in der Zauche selbst und im Westhalland auf Zustimmung stießen, lehnte Albrecht Wilhelm von Pannwitz eine Eingabe ab und fand für diese Haltung Zustimmung in mehreren Kreisen. Leopold von Quast und Otto von Voß plädierten für starke –––––––––– 162

Gentz, Über den Unterschied zwischen den landständischen und den Repräsentativ-Verfassungen, in: KLÜBER/WELCKER (Hg.), Urkunden, S. 220 –229. Vgl. H. BRANDT, Repräsentation, S. 56 –58. 163 TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 2, S. 557–559. 164 Konferenzakten der Karlsbader Ministerkonferenz vom August 1819, in: KLÜBER/WELCKER (Hg.), Urkunden, S. 112–184.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

inhaltliche Änderungen und bewirkten, als keine Einigung über einen gemeinsamen Entwurf zustande kam, gesonderte Eingaben der Ruppiner und der Prignitzer Kreisstände. Mehrere im selben Zeitraum verabschiedete Eingaben neumärkischer Kreise lassen sich den in der Kurmark diskutierten Positionen zuordnen. Die unterschiedlichen Reaktionen auf den Eingabeentwurf der zauchischen Kreisstände sind nicht unbedingt als Ausdruck der Existenz verschiedener politischer Lager unter den adligen Gutsbesitzern zu bewerten, sondern vielmehr als Zeichen einer intensiven Strategiediskussion in Hinblick auf kommende Auseinandersetzungen mit den Staatsbehörden. Zwar treten bei einer Gegenüberstellung der einzelnen Meinungsäußerungen und Handlungsweisen deutlich unterscheidbare Positionen hervor, aber die folgende intensive Auseinandersetzung mit den verwendeten Argumenten verdeutlicht die Schnittmenge der Argumentation der verschiedenen Akteure, die als Vertreter adliger Gutsbesitzer auftraten. Sie zeigt darüber hinaus, in welchem Maße die Positionen, die diese einnahmen, von ihrer Erwartung hinsichtlich der Entwicklung preußischer Politik und von ihrer Bereitschaft zu Grundsatzkonflikten bestimmt wurden. Die ursprünglichen Initiatoren einer gemeinsamen Eingabe, die Rochows, verfolgten das Ziel, den Umschwung der offiziellen preußischen Politik – von der Unterstützung liberaler Verfassungsforderungen zu deren Bekämpfung – zu nutzen, um sich dem Monarchen als verlässliche Bündnispartner der neuen Politik anzubieten und im Gegenzug als eigenständige politische Kraft anerkannt und in ihrer Stellung gegenüber den Staatsbehörden sowie anderen politischen Akteuren gestärkt zu werden. Hinsichtlich der gesetzlichen Form, in der dieses Ziel umgesetzt werden könnte, ließen sie Verhandlungsspielräume offen und zeigten sich vor allem in materieller Hinsicht zu Kompromissen bereit. Die Entwürfe der Eingabe an den König und des Begleitschreibens an Hardenberg fanden aber nur die Zustimmung adliger Gutsbesitzer des zauchischen Kreises und einer Kreisversammlung der westhavelländischen Ritterschaft.165 Hans von Rochow vermutete, diese Entscheidung sei vor allem auf den persönlichen Einfluss des Großvaters Gustav und Theodor von Rochows, August von Briest, zurückzuführen.166 Als sich aufgrund der ablehnenden Antworten mehrerer Kreise abzeichnete, dass eine gemeinsame Eingabe der kurmärkischen Ritterschaft nicht zu Stande kommen würde, entschlossen sich acht adlige Gutsbesitzer der Zauche und zwei Deputierte der Ritterschaft des Westhavellandes auf einer Beratung am 15. November zu einer separaten Einga–––––––––– 165

Kreistagsprotokoll Westhavelland, 18.10.1819, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 90f. Von den über 30 adligen und drei bürgerlichen Gutsbesitzern und Gutsbesitzerinnen unterzeichneten 6 Adlige das Protokoll. Die nichtadligen Unterzeichner Pfeifer und Krüger waren warscheinlich Vertreter der Städte Brandenburg und Rathenow, da sie weder für 1817 noch 1828 als Rittergutsbesitzer verzeichnet sind. Vgl. Ortschafts-Verzeichnis, Abschn. VIII; Eickstedt, Beiträge, S. 491f. 166 H. v. Rochow an G. v. Rochow, 9.11.1819, in: ebd., Bl. 84.

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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be.167 Aufgrund kritischer Einwände, die Leopold von Quast und Albrecht Wilhelm von Pannwitz geäußert hatten, wurde der Passus des Entwurfes, der die Möglichkeit einer allgemeinen Konstitution für die gesamte Monarchie bezweifelte, gestrichen. Außerdem wurde die Stelle, die einräumte, dass die ständische Verfassung in den vergangenen Jahren suspendiert gewesen sei, geändert. Nur dass „Wesentliches der alten Verfassung“ suspendiert wurde, blieb erhalten. Schließlich wurde auf Antrag Theodor von Rochows ein Zusatz, der auf die Beschlüsse des Bundestages Bezug nahm, eingefügt. In dem Schreiben an den Staatskanzler wurde der abschließende Appell an dessen „ritterlichen Gesinnungen“ gestrichen. Die anwesenden adligen Gutsbesitzer aus der Zauche unterzeichneten und überließen die Eingabe den Deputierten aus dem Westhavelland, die ihre „ritterschaftlichen Mitstände“ zur Unterschrift veranlassen und die Eingabe daraufhin absenden sollten.168 Neben den Namen der zehn Teilnehmer der Versammlung notierte Gustav von Rochow fünf weitere Adlige als Unterzeichner.169 Entschieden gegen eine Eingabe und dafür, zunächst die Verfassungsplanung abzuwarten, hatte sich der Senior der kurmärkischen Landräte, Albrecht Wilhelm von Pannwitz, ausgesprochen. Im Mittelpunkt seiner Kritik standen die in dem ihm vorgelegten Eingabeentwurf noch offen ausgesprochenen Zweifel an der Möglichkeit einer Konstitution für die gesamte Monarchie sowie die rein negative Darstellung der Konstitutionen süddeutscher Staaten. Er begründete seine Haltung damit, dass er nicht bereit sei, den König zum Bruch seines Verfassungsversprechens aufzufordern und hielt auch grundsätzlich eine Konstitution für notwendig, um die Staatsfinanzen zu ordnen und die Verbindung von Militär und Bevölkerung aufrechtzuerhalten.170 In einem Gutachten, das er dem Eingabeentwurf bei dessen Weiterleitung beilegte, vertiefte er seine Argumentation.171 Darin erklärte er, dass er die Sorge um die Zukunft der verbliebenen Sonderrechte adliger Gutsbesitzer zwar für berechtigt hielt, aber erwarte, dass diejenigen Rechte, die noch zu retten seien, auch im Rahmen einer Verfassung gerettet werden könnten: „Dem Zwecke, die Rechte, die uns beim Antritt der –––––––––– 167

Der Vorschlag zur Versammlung durch den Landrat R. v. Rochow, 8.11.1819, in: ebd., Bl. 83. Protokoll vom 15.10.[11.!]1819 in: ebd., Bl. 87; G. v. Rochow an Quast, 18.11.1819; ders. an O. v. Voß, 24.11.1819, Konzepte in: ebd., Bl. 91– 93; Konzept der Eingabe mit späteren Streichungen und Zusätzen, in: ebd., Bl. 47– 49, hier 48. Vgl. MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 364. 169 Konzept der Eingabe an den Staatskanzler, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 46: als Unterzeichner angegeben R. v. Rochow, v. Bredow-Sentzke, v. Broesigke, H. v. Rochow, v. Broesigke, A. v. Rochow, G. v. Rochow, T. v. Rochow sowie v. Arnstedt; als Teilnehmer der Konferenz vom 15.11. und zusätzlich v. Bredow, v. Bredow, v. d. Hagen, v. Bredow, v. Hagen. 170 Pannwitz an R. v. Rochow, 25.8.1819, Abschrift in: ebd., Bl. 60. 171 Pannwitz, Promemoria betreffend die Vorstellungen an des Königs Majestät und an des Herr Staatskanzlers Fürsten Hardenberg Durchlaucht, 26.9.1819, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 263 –265. 168

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Regierung des Königs Majestät geblieben, zu retten, würde ich gern beipflichten; es sind aber seitdem schon so viele Schritte geschehen, die nicht wieder zurückgenommen werden können. Die Bande zwischen den Gutsherren und den Untertanen sind größtenteils aufgelöst, die Einwürkungen der Kreisstände bei Besetzung der Landratsstelle sind beschränkt, und wenn auch wirklich des Königs Majestät jetzt darauf eingehen wollten, so kann doch vieles von den früheren Vorrechten nicht wieder zurück gebracht werden. Alles, was die Stände von ihren früheren Vorrechten noch zu retten haben, ist die Kontributionsfreiheit ihrer Grundstücke und etwas Patrimonial- und Polizeigerichtsbarkeit. Diese Rechte stehen allerdings in Gefahr, wenn es zur Konstitution kömmt, allein es wird sich denn doch wohl hiervon noch manches retten lassen.“172 Der Landrat des Oberbarnimer Kreises Friedrich Ludwig von Vernezobre schloss sich der Ansicht von Pannwitz an und mit ihm offensichtlich der von ihm einberufene Kreistag.173 Die Kreisstände der Uckermark lobten die „gute Fassung“ der Eingabeentwürfe, hielten es aber „nicht für ratsam, eine Constitution abzulehnen.“174 Im Kreis Niederbarnim versuchten Befürworter des Eingabeentwurfs vergeblich, das Gutachten von Pannwitz zu widerlegen.175 Der Lebuser Landrat Friedrich Ernst Leopold Karbe zog zumindest eine Eingabe in Erwägung, die sich für eine „Aussetzung“ von „Nationalständen und Constitution“ aussprach und gleichzeitig um sofortige Einberufung von Provinzialständen „unter Berücksichtigung“ der alten Rezesse bat.176 Die Mehrheit der per Umlauf befragten Lebuser Kreisstände unterstützte jedoch die Argumentation von Pannwitz. Nur zwei der zehn antwortenden Gutsbesitzer widersprachen dessen Gutachten und lehnten auch die vermittelnde Position ihres Landrates ab, die nur eine unterstützende Stimme fand.177 Leopold von Quast vertrat im Vergleich zu den Befürwortern des ursprünglichen Eingabeentwurfs und denen, die eine Eingabe grundsätzlich ablehnten, eine dritte Position. Die Idee zu einer neuen Eingabe stieß auf seine Zustimmung, allerdings empfahl er die Argumentationslinie von 1818 aufzugreifen, da damals keine abschlägige Antwort erfolgt sei. Statt Zweifel und Kritik an den bisherigen Verfassungsplanungen zu äußern, sollte unter Verweis auf die aktuelle politische Debatte um Beteiligung der alten Stände an den Planungen gebeten werden. Zugleich verlangte er, „nicht über Suspension unserer Verfassung“ zu reden, denn diese sei nie ausgesprochen worden und außerdem entspreche „Verfassung im Stillen nicht mehr ganz der Wahrheit“. Die „Rechte und Exemptionen“ seien am Besten gar nicht zu erwähnen und die Ankündi–––––––––– 172

Ebd., S. 264f. T. v. Rochow an G. v. Rochow, 11.10.1819, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 24. 174 Pannwitz an R. v. Rochow, 10.11.1819, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 90. 175 R. v. Rochow, Aufzeichnungen Anfang Dezember 1819, in: ebd., Bl. 93f. 176 Karbe: Cirkular an die Kreisstände Lebus, 12.11.1819, in: ebd., Bl. 135. 177 Voten der Kreisstände auf das Circular des Landrates Karbe v. 12.11.1819, in: ebd., Bl. 135 –140. 173

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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gung von Opferbereitschaft ließe sich kaum durchsetzen – schon die Eingabe im Vorjahr sei wegen geteilter Meinungen dazu kurz vor Vollziehung noch einmal abgeändert worden.178 Graf von Itzenplitz hatte sich zunächst mit der Begründung, dass dem „alten FeudalAdel“ nicht mehr zu helfen sei, wie Pannwitz gegen eine Eingabe ausgesprochen,179 legte dann aber einen vermittelnden Eingabeentwurf vor, der auf die Städteordnung, das Verfassungsversprechen von 1815 und die Eingabe von 1818 Bezug nahm, um Beteiligung an den Verfassungsplanungen bat und Quast zur Unterstützung einer gemeinsamen Eingabe bewegen sollte.180 Quast entschied sich allerdings dafür, getrennte Eingaben der einzelnen Kreise vorzuschlagen, nicht zuletzt da so der Vorwurf einer unrechtmäßigen Vereinigung von Gutsbesitzern über die Kreisgrenzen hinweg vermieden werden konnte.181 Siebzehn adlige und fünf bürgerliche Gutsbesitzer des Kreises Ruppin sowie der Bürgermeister der Stadt Ruppin für deren Rittergutsbesitz folgten am 20. Dezember in einer Immediateingabe der Argumentation von Quast und baten unter Berufung auf frühere Eingaben und die neueren politischen Entwicklungen um Beteiligung bei den Beratungen zu einer neuen Verfassung sowie um materielle Entschädigung für den Verlust von Privilegien.182 Zwei Eingaben neumärkischer Kreise folgten einer ähnlichen Argumentationslinie: Dreizehn adlige Gutsbesitzer des Kreises Züllichau-Schwiebus lobten in einer Eingabe vom Dezember 1819 die Beschlüsse des Bundestages und warnten vor den Gefahren neuer Repräsentationsformen, gaben aber zugleich der Hoffnung Ausdruck, durch den König auch bei einer neuen Verfassung berücksichtigt zu werden.183 Im Februar 1820 wurde schließlich noch eine von siebzehn adligen und zehn bürgerlichen Gutsbesitzern des Sternberger Kreises unterzeichnete Eingabe abgesendet, die sich auf das Verfassungsversprechen von 1815 und Artikel 13 der Bundesakte berief, sich zugleich aber gegen ein „Repräsentativsystem“ wandte und vor allem die Kreisverwaltung seit Erlass des Gendarmerie-Ediktes beklagte.184 –––––––––– 178

Quast an G. v. Rochow, 29.8.1819, in: ebd., Bl. 63f. Notiz G. v. Rochows, 15.9.1819, in: ebd., Bl. 67. 180 Itzenplitz an G. v. Rochow, 17.9.1819, in: ebd., Bl. 68. Der umgearbeitete Eingabeentwurf in: ebd., Bl. 69f. 181 Quast an G. v. Rochow, 14.10.1819, in: ebd., Bl. 78. 182 Immediateingabe der Ritterschaft Ruppiner Kreises, 20.12.1819, in: GStA, I. HA, Rep. 74, H, IX, Nr. 20, Bl. 41f. Zum Engagement von Quast: ders. an G. v. Rochow, 21.11.1819, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 97. 183 Immediateingabe der Ritterschaft des Züllichau-Schwiebuser Kreises, 12.12.1819, in: GStA, I. HA, Rep. 74, H, IX, Nr. 20, Bl. 14 –17, Zitat Bl. 15f. 184 Immediateingabe der Ritterschaft des Sternberger Kreises, Bl. 35 –38, letzte Unterschrift vom 16.2.1820. 179

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Eine vierte Position vertrat Otto von Voß, „ohne dessen Zustimmung als erstem Landstand“ der Landrat von Rochow es nicht für „ratsam“ hielt, eine Eingabe „abgehen zu lassen“.185 Auch Voß lobte das Vorhaben, sich mit einer Eingabe an den König zu wenden. Die Hauptforderung der Eingabe, „das Wesen der ständischen Verfassung“ wieder herzustellen, kritisierte er allerdings als zu allgemein und missverständlich. Stattdessen solle konkret um Wahlrecht der Landräte, jährliche Einberufung des großen Ausschusses der Stände, Erhaltung der gutsherrlichen Polizeigewalt sowie um „Verschonung mit jeder neuernden Repräsentation“ gebeten werden. War in den Reaktionen auf den Eingabeentwurf sonst vor allem kritisiert worden, dass er Zweifel an der Möglichkeit einer Gesamtrepräsentation äußerte und sich damit nicht an die Argumentationslinie von 1818 hielt, forderte Voß, sich noch deutlicher gegen Repräsentation auszusprechen. Gleichzeitig lehnte er es wie Quast ab, eine Suspension der kurmärkischen Verfassung zuzugestehen, um noch bestehende Ansprüche, vor allem an die ständische Verwaltung des landschaftlichen Kreditwerkes, nicht zu delegitimieren.186 In der Prignitz verabschiedeten im Dezember 23 adlige Gutsbesitzer eine Eingabe an den König, die sich an den Überlegungen von Voß orientierte. In ihr wurde um „Verschonung mit Repräsentativ-Verfassung“ gebeten, für den Erhalt des Landratswahlrechtes und des landschaftlichen Kreditinstitutes gedankt und zugleich die Hoffnung geäußert, dass auch ohne „neuernde Dazwischenkunft“ einige der Reformgesetze aufgehoben würden.187 Eine von sechzehn adligen Gutsbesitzern sowie einer adligen und einer bürgerlichen gutsbesitzenden Witwe der neumärkischen Kreisen Königsberg und Soldin unterzeichnete Eingabe folgte einer ähnlichen Argumentationslinie.188 Carl von Voß, der Sohn von Otto von Voß, und Ludwig von Gerlach, die später als Vordenker konservativer Parteibildung hervortraten, beteiligten sich ebenso wie Friedrich von Mühlheim, der im Austausch mit Gustav von Rochow stand.189 Die Eingabe wandte sich ausdrücklich gegen alle einseitigen Neuerungen und forderte die Wiederherstellung der älteren Verhältnisse. Sie warnte vor der „revolutionären“ und liberalen Partei und griff dabei scharf „Beamte und Gelehrte, die in der Sache nicht kompetent“ seien, an. Sie beklagte schließlich die Bedrohung der Gutsbesitzer durch die Pläne für Kom–––––––––– 185

R. v. Rochow an G. v. Rochow, 1.9.1819, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 59. O. v. Voß an G. v. Rochow, 25.9.1819, in: ebd., Bl. 72f. 187 Immediateingabe der Prignitzer Ritterschaft, 20.12.1819, in: GStA, I. HA, Rep. 74, H, IX, Nr. 20, Bl. 59f. Vgl. O. v. Voß an Quast, Januar 1819, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 118. 188 Immediateingabe der „alten Stände” Sternberger und Soldiner Kreises, in: GStA, I. HA, Rep. 74, H, IX, Nr. 20, Bl. 50 –57. 189 [Mühlheim] an G. v. Rochow, 30.10.1819 und 9.1.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 85 und Bl. 121. Eventuell hatte Ludwig von Gerlach den Entwurf angefertigt: Tagebücher Ludwig von Gerlachs, in: SCHOEPS (Hg.), Aus den Jahren, S. 141–314, hier S. 314. 186

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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munalverfassung, Gemeinheitsteilungen und allgemeine Grundsteuer.190 Selbst Theodor von Rochow, der für ein entschlossenes Auftreten der Stände eintrat, beklagte, die Eingabe sei in einer „zu derben Schreibart abgefasst“ und werde eher schaden.191 Wahrscheinlich war es auch diese Eingabe, die Marwitz zu der Bemerkung veranlasste, „einer der neumärkischen Kreise soll impertinent geschrieben haben“.192 Die vier grundsätzlichen Positionen lassen sich also wie folgt zusammenfassen: Neben der vor allem von den Rochows vertretenen Einschätzung der politischen Situation, diese verlange nach einer grundsätzlichen Neuaushandlung der Stellung adliger Gutsbesitzer in der Monarchie, standen die einflussreichen Meinungen von Voß, der jede Änderung des gegenwärtigen Zustandes für gefährlich hielt, von Quast, der die Stellung adliger Gutsbesitzer durch Beteiligung an der Verfassungsplanung zu stärken hoffte, und von Pannwitz, der die Vorschläge zu einer Verfassung abwarten wollte, um in deren Rahmen die Position der adligen Gutsbesitzer zu festigen. Trotz aller Differenzen hinsichtlich der Verfassungsfrage stimmten die an den Diskussionen vom Herbst 1819 um eine Eingabe an den König beteiligten Gutsbesitzer weitgehend in der Erwartung überein, Sonderrechte der Besitzer adliger Güter seien zu retten. Zentrales Anliegen war der Erhalt von Einfluss auf die Kreis- und Lokalverwaltung, das heißt Beibehaltung der Kreisversammlungen, Wahlrecht von Landratskandidaten, Patrimonialgerichtsbarkeit und gutsherrlicher Polizei – also von Befugnissen, die den eigenständigen Rechtsund Verwaltungsraum der Güter versinnbildlichten und auf deren Abschaffung oder zumindest stärkere Kontrolle die staatlichen Verwaltungsbehörden drängten. Eine weitere Forderung, die fast alle Gutsbesitzer teilten, richtete sich gegen die seit 1811 von der Staatsverwaltung geplante einheitliche Besteuerung des Grundbesitzes, durch die ihnen eine höhere Steuerbelastung drohte. Die Differenzen in der Verfassungsfrage ergaben sich weniger aus grundsätzlicher politischer Meinungsverschiedenheit zwischen Partizipations- und Reformbefürwortern sowie deren Gegnern, als aus unterschiedlichen Einschätzungen, wie eine Konstitution sich auf die rechtliche Stellung und materielle Situation adliger Gutsbesitzer auswirken würde. Dies hing aber nicht zuletzt von der Zusammensetzung und den Rechten zukünftiger Repräsentationsinstitutionen auf Ebene der Kreise, der Provinzen und der Monarchie ab, über die im Oktober 1819 von hohen Staatsbeamten in der sogenannten „kleinen Verfassungskommission“ beraten wurde, ohne dass Entscheidungen getroffen wurden. Gegen eine Repräsentativverfassung im engeren Sinne, einer Wahl von Repräsentanten entsprechend der Bevölkerungszahl, hatten sich der König und die preußischen Staatsbehörden bereits eindeutig ausgesprochen, und auch die Mitglieder der –––––––––– 190

Immediateingabe der „alten Stände” Königsberger und Soldiner Kreises, in: GStA, I. HA, Rep. 74, H, IX, Nr. 20, Bl. 50 –57, Zitat Bl. 52. 191 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 20.12.1820, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 38. 192 Marwitz an G. v. Rochow, 24.1.1820, in: ebd., A III, Nr. 1, Bl. 126 –129, hier Bl. 126.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Verfassungskommission plädierten für eine getrennte Wahl von Vertretern unterschiedlicher Stände.193 Eine Ablehnung von Repräsentativverfassung stand daher nicht unbedingt im Gegensatz zu den unter Vorsitz des Staatskanzlers vorgenommenen Verfassungsplanungen. Während sich die Gutachten der Verfassungskommission jedoch vor allem mit den Rechten der Repräsentation für die gesamte Monarchie, mit dem Wahlmodus und einer möglichen Trennung zwischen adligen und nichtadligen Gutsbesitzern auseinandersetzten, die Frage der Stimmverteilung zwischen den Ständen hingegen offen ließen und die bisher zur Repräsentation Berechtigten grundsätzlich nicht an den Verfassungsplanungen beteiligen wollten, kreisten die Überlegungen adliger Gutsbesitzer vor allem um den Erhalt der zentralen Stellung ihrer bisher bevorrechtigten Güter. Die Einstellung zur Verfassungsgebung hing stark damit zusammen, ob diese als Chance oder Gefährdung für die Rechte der Gutsbesitzer wahrgenommen wurde, was im Folgenden an den unterschiedliche Positionen verdeutlicht wird. Pannwitz’ Bemerkungen zu den Rechten der Gutsbesitzer zeigen seine Erwartung, dass diesen in der zukünftigen Verfassung eine ausreichend starke Position eingeräumt würde, um wesentliche Bestandteile ihrer rechtlichen Sonderstellung zu verteidigen. Auch die Eingabe der Züllichau-Schwiebuser Ritterschaft verdeutlicht die Hoffnung, von der Einführung einer neuen Verfassung trotz einiger Veränderungen zu profitieren: „Wie wenig Vertrauen einflößend für den beobachtenden Patrioten das in einigen deutschen Staaten nach neuem Zuschnitt eingerichtete Wesen der Deputiertenversammlungen, nach dem wie ihre Mitglieder unbefugte Gegenstände zu Objekten ihrer absprechenden Berathungen usurpirt, sich auch immer zeigen möge; uns aber nicht vermessend ausschlüßlich um Wiederbewilligung der Einrichtung unser ehemaligen Stände-Versammlung zu bitten, sehen wir vielmehr auch hierin mit unbegrenztem Vertrauen in Ew. Königliche Majestät ächt väterliche Fürsorge und bewährte Weisheit, den Allerhöchsten Beschlüssen in betreffender zu gegenwärtigenden VerfassungsFestsetzungen um so freudiger entgegen, als wir uns bewußt sind, daß unsere innigsten Wünsche und Hoffnungen nicht der unlauteren Quelle der Habsucht oder des Egoismus entspringen.“194 Dass man hinter der Befürwortung einer neuen Verfassung durch adlige Gutsbesitzer deren Wunsch vermuten konnte, vor allem gegenüber der Staatsbürokratie eine unabhängige Stellung zu behaupten, verdeutlichen die Überlegungen von Friedrich von Mühlheim, der im Januar 1820 an Gustav von Rochow über die Stimmung in der Neumark berichtete: „Die Qualen und Unterdrückungen der Provinzialregierungen sind so gräulich, daß die Mehrzahl unseres Standes schon jetzt deshalb lieber –––––––––– 193

OBENAUS, Anfänge, S. 100 –121. Die von Hardenberg angefertigte Diskussionsgrundlage der Kommission in: TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 2, S. 635 – 637. 194 Immediateingabe der Ritterschaft des Züllichau-Schwiebuser Kreises, 12.12.1819, in: GStA, I. HA, Rep. 74, H, IX, 20, Bl. 14 –17, Zitat Bl. 15f.

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

145

eine Volksrepresentation wünscht, weil sie darin die einzige Hilfe gegen die wachsende Tyrannai der Behörden finden.“195 Leopold von Quast drängte nicht zuletzt deshalb auf eine Beteiligung der adligen Gutsbesitzer an den Verfassungsberatungen, da er glaubte, dass der neuen Verfassung im Wesentlichen die Bestimmungen des Landtagsrezesses von 1653 zugrunde gelegt werden könnten. Nur hinsichtlich der Aufhebung der Domkapitel und der „größeren Unabhängigkeit der Bauern“ seien eventuell Veränderungen zulässig, die aber, wenn sie überhaupt nötig seien, zunächst von einem Landtag in alter Form beraten werden müssten.196 Auch seine Weigerung, eine Suspension der ständischen Verfassung einzugestehen und „Exemptionen und Privilegien“ zur Disposition zu stellen, deutet auf die Erwartung hin, im Rahmen einer Verfassungsgebung mehr Rechte verteidigen zu können als ohne. Dass Voß diese Erwartung nicht teilte, bildete den Hauptgrund seiner grundsätzlichen Ablehnung einer Beteiligung an den Verfassungsplanungen. Auf die „Verfassung“ von 1653, meinte er, lasse sich nicht zurückgehen: „die ist so veraltet, daß niemand jetzt weiß, wie sie eigentlich gestaltet gewesen ist; es würde daher manches neue hinzugethan werden müssen, nie ohne Erschütterung, und dergleichen zu veranlassen ist zu gewagt.“ Denn Veränderungen würden sich immer nach dem „Zeitgeist“ richten. Und gerade deshalb wandte er sich entschieden dagegen, die noch bestehenden Rechte und Ansprüche in Frage zu stellen, auch wenn in dem von den Rochows vorgelegten Eingabeentwurf damit die Forderung nach Wiederherstellung einer landständischen Verfassung und nicht nach Bildung einer Konstitution verbunden war. Entschieden lehnte Voß es daher ab, mit der Opferbereitschaft adliger Gutsbesitzer zu argumentieren, denn zu opfern gäbe es nichts.197 Eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung adliger Gutsbesitzer zu den Verfassungsplanungen bildete die Hoffnung, im Rahmen einer Verfassungsordnung vor dem rechtlichen, administrativen und fiskalischen Zugriff des Staates auf die adligen Güter besser geschützt zu werden. Forderungen nach Partizipationsrechten an der staatlichen Politik erscheinen so eher als Grundlage denn als Hauptziel der Argumentation. Auch adlige Gutsbesitzer, die an den Verfassungsplanungen Kritik übten, hatten den Erhalt ihrer Sonderrechte im Blick. Dass sie anders als die Verfassungsbefürworter nicht mit –––––––––– 195

[Mühlheim] an G. v. Rochow, 9.1.1820, in: ebd., Bl. 121, Unterstreichung im Original. Vgl. MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 369, der General Carl von Müffling für den Verfasser hält. Das Schreiben stammt allerdings aus Guhden im Königsberger Kreis, dessen Besitzer zu diesem Zeitpunkt Friedrich von Mühlheim war, vgl. BLUHM, Guhden. Ein früheres Schreiben aus Guhden ist zudem mit „Vetter Fritz“ unterzeichnet, vgl. [Mühlheim] an G. v. Rochow, 30.10.1819, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 85. 196 Quast an G. v. Rochow, 14.10.1819, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 78. 197 O. v. Voß an G. v. Rochow, 25.9.1819, in: ebd., Bl. 72f.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Verweis auf die Zusicherungen politischer Partizipation argumentierten, bedeutet nicht, dass sie an Rechten politischer Mitbestimmung desinteressiert waren. Selbst Voß, der sich am deutlichsten gegen jede Konstitution aussprach, sprach sich nicht generell gegen neue Partizipationsmöglichkeiten aus, sondern verwies auf die besonderen Zeitumstände. Im Januar 1820 erläuterte er Quast: „in der Tat bin ich der Überzeugung, daß es in der jetzigen Zeit und unter den jetzigen Umständen wohl besser sei, gar keine Constitution zu haben. Weil diejenige, welche wir erhalten dürften, niemand befriedigen wird und darum nur den Gährungshort vermehren wird.“198 Die Rochows als Initiatoren des Plans zu einer gemeinsamen Eingabe der kurmärkischen Ritterschaft fühlten sich durch die Zuspitzung der Diskussion auf das Für und Wider einer Verfassung für den Gesamtstaat weitgehend missverstanden. Der Landrat Rochus von Rochow nannte die Ansichten von Pannwitz, der zunächst die Verfassungsgebung abwarten wollte, „wahrhaft verdienstlich“. Nur aufgrund von Informationen aus der „Umgebung des Staatsministeriums“, dass eine Eingabe positiv aufgenommen würde, forderte er Gustav von Rochow auf, sich mit Leopold von Quast abzusprechen, ob eine Eingabe nicht trotz der Argumente von Pannwitz sinnvoll wäre.199 Als die Antwort von Quast eintraf, die dafür plädierte, den Boden der bisherigen ständischen Forderung nach Beteiligung an der Verfassungsgebung nicht zu verlassen, zeigte Rochus von Rochow sich überzeugt, dass „Gemäßigte“ wie dieser und Pannwitz argumentieren würden, denn man komme „auf dem Wege am weitesten“: „Die Ultras auf der einen und die ‚Enrager‘ auf der anderen Seite können und werden nie Glück machen, Sie haben die verständige Mehrheit gegen sich. Mit Schimpfen wird nichts ausgerichtet.“200 Gustav von Rochow sah die Kernanliegen des Eingabeentwurfs durch die Kritik von Pannwitz auch gar nicht betroffen und notierte, die von diesem kritisierten Punkte seien nur im zweiten Teil eingeschoben und könnten weggelassen werden.201 Theodor von Rochow, der sich zusammen mit seinem Bruder Gustav intensiv für den ursprünglichen Eingabeentwurf einsetzte, zeigte sich nach dem Frankfurter Bundestag vom September 1819 erfreut über die Aussichten auf stärkere Partizipationsmöglichkeiten. An seinen Bruder schrieb er: „Mit der Declaration u[nd den] Beschlüssen des Bundestages bist du hoffentlich zufrieden – also eine allgemeine Norm will man für die Verfassungen entwerfen! – da kommt es uns zustatten, daß noch jetzt die Landstände in Sachsen, Mecklenburg, Hannover und Österreich viel mit zu sprechen haben. Wollen sie deren Rechte nicht etwa bedeutend einschränken, so müssen sie uns anderen auch –––––––––– 198

O. v. Voß an Quast, 9.1.1820, Abschrift in: ebd., Bl. 118. R. v. Rochow an G. v. Rochow, 1.9.1819, in: ebd., Bl. 59. 200 R. v. Rochow an G. v. Rochow, 3.9.1819, in: ebd., Bl. 65. 201 Anmerkung zum Schreiben Pannwitz’ an R. v. Rochow v. 25.8.1819, in: ebd., Bl. 60. 199

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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ähnliche Vorteile zugestehen.“202 Von Pannwitz vermutete Rochow, dieser werde argumentieren, „man sei uns mit den Frankf[urter] Beschlüssen schon entgegen gekommen“,203 während er an der von Quast initiierten Ruppiner Eingabe vor allem die Bitte um Zuziehung von ständischen Deputierten zu den Verfassungsplanungen lobte. Zugleich kritisierte er allerdings, dass in ihr zu viel über „Anforderungen der Zeit“ gesprochen werde.204 Die Forderung von Voß, sich noch stärker als im ursprünglichen Eingabeentwurf gegen eine neue Repräsentation und für den Erhalt konkreter Rechte der Gutsbesitzer auszusprechen, traf bei dessen Initiatoren auf keine positive Aufnahme. Selbst Hans von Rochow, von dem die kritische Anmerkung zum Plan einer ständischen Vertretung der gesamten Monarchie im Eingabeentwurf stammte, lehnte „genauere Forderungen“ ab, „um Unterhandlungen zu ermöglichen.“ Nur eine Bezugnahme auf frühere Eingaben und den Verzicht darauf, von „Suspension“ der älteren Verfassung zu reden, hielt er für sinnvoll.205 Am schärfsten kritisierte Adolph von Rochow die Ansicht von Voß, unter Ablehnung aller Neuerungen sei für den Erhalt einzelner Rechte einzutreten. An Gustav von Rochow schrieb er: „Wenn der M[inister] V[oß] sagt: unsere kurmärkische Verfassung sei in der Tat nicht suspendiert‘, so läuft er einem Schatten nach, an den wir uns nicht halten können in diesen stürmischen Zeiten. Wenn er sagte: daß wir dem Namen nach einige Trümmer gerettet haben, so mag es sein, aber damit kommt man heutigen Tages nicht mehr weit […] Es ist das Wesen unserer alten Provinzialverfassungen, welches wir wollen, und darunter wird niemand weder die veralteten Formen des Landtagrecesses von 1653 noch Umgestaltungen, die der Zeitgeist diktiert, verstehen können […] Ebenso wenig teile ich die Ansicht, daß wir künftiger Opfer nicht erwähnen dürften. Es giebt allerdings Opfer, die wir noch bringen können und müssen, ohne unsere Existenz aufs Spiel zu setzen; im Gegentheil, wir werden uns durch sie erhalten und befestigen. Es sind dieß alle Vorzüge, die wir in der Besteuerung vor dem großen Haufen haben. Diese werden wir nimmermehr erhalten, und diese nur sind es, wonach ein gemeiner und eigennütziger Pöbel trachtet. Sie sind, wenn man es ausrechnen will, in der That nicht sehr erheblich, und wir können sie leichtlich hergeben für eine höhere politische Wirksamkeit und für höhere Ehre. Das Volk bewundert alles und erkennt alles über sich, was es nicht erreichen kann, es wird also der Uneigennützigkeit und edelmütigen Opfern seine Bewunderung nicht versagen; wir werden uns dadurch –––––––––– 202

T. v. Rochow an G. v. Rochow, 7.10.1819, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 22f. Ders. an dens., 11.10.1819, in: ebd., B, Nr. 20, Bl. 24. Eine solche Interpretation des Standpunktes von Pannwitz zeigt sich auch in den Voten der Stände des Kreises Lebus, in: ebd., A III, Nr. 1, Bl. 135f. 204 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 31.1.20, in: ebd., B, Nr. 20, Bl. 43f., hier 44. 205 H. v. Rochow an G. v. Rochow, 4.10.1819, in: ebd., AIII, Nr. 1, Bl. 76f., hier 76. 203

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

die Nation wieder versöhnen, die jakobinische Bestien von uns abwendig gemacht haben.“206 Gustav von Rochow drückte sich gegenüber Voß zurückhaltender aus, doch auch er vertrat die Ansicht, dass es keine „eigentliche“ ständische Verfassung mehr gäbe, sondern nur ständisch verwaltete „Communal-Kassen“, deren Aufhebung aus Sicht der staatlichen Bürokratie nicht „der Mühe wert“ sei. Was der Wunsch nach dem Erhalt des „Wesens der Verfassung“ bedeute, sei dem König bereits aus den Eingaben von 1814 und 1818 bekannt und das „Anbieten von Opfern“ sei der „einzige Weg, dem Adel eine politische Stellung“ zu verschaffen. Zudem bleibe die Freiwilligkeit „höchstes Vorrecht“.207 Gustav und Adolph von Rochow, die vor einer Diskussion über Repräsentation zunächst die Stellung adliger Gutsbesitzer im Rahmen ständischer Gesellschaftsstrukturen befestigen wollten, zeigten folglich hinsichtlich einzelner Sonderrechte weit mehr Kompromissbereitschaft, als die Verfasser kritischer Reaktionen auf den von ihnen vorgelegten Eingabeentwurf. Dass Quast und Pannwitz neuen Repräsentationsformen weniger kritisch gegenüber standen als die Rochows, bedeutete nicht unbedingt, dass sie die gesellschaftliche Entwicklung des letzten Jahrzehnts insgesamt positiver bewerteten als diese. Zudem zeigte sich Gustav von Rochow auch hinsichtlich zukünftiger Repräsentationsformen überzeugt, dass Veränderungen „unvermeidlich“ seien. Allerdings sollte die „Vertretung der Kreise“ durch Adel und Städte zunächst als Grundlage aller weiteren Verfassungspläne festgeschrieben werden.208 Ob er mit „Adel“ dabei die Besitzer adliger Güter im Allgemeinen oder nur die adligen Besitzer meinte, bleibt dabei ebenso unklar, wie bei den meisten Äußerungen adliger Gutsbesitzer über die zu repräsentierenden Stände.

c)

Treue zur Monarchie, ständische Rechte und „Trennung in Kasten“. Die unterschiedlichen Bedeutungen von Adel um 1820

Das Begleitschreiben an den Staatskanzler zu der von den Kreisständen der Zauche und des Westhavellandes 1819 verabschiedeten Immediateingabe argumentierte an zentraler Stelle: angesichts der gegenwärtigen gesellschaftlichen Unruhe und der verbreiteten „Sehnsucht nach Neuerungen aller Art […] gebührt es dem Adel mit dem Beispiele rücksichtsloser Hingebung und würdevoller Aufopferung voranzugehen, und den Geist der Ordnung, des Beharrens und der Treue nicht bloß in sich zu bewahren und zu –––––––––– 206

A. v. Rochow an G. v. Rochow, 11.10.1819, in: ebd., Bl. 80 – 82. Unterstreichung im Original. G. v. Rochow an O. v. Voß, 24.11.1819, Konzept in: ebd., Bl. 92f. 208 G. v. Rochow, Notizen zu Aufenthalt in Berlin bis zum 2.12.1819, in: ebd., Bl. 93f. 207

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

149

befestigen, sondern auch nach Kräften zu verbreiten und zu behüten.“209 Diese Berufung auf die besondere politische Gesinnung des Adels hatte Ludwig von der Marwitz zu der Warnung veranlasst, die „Unadligen“ würden „sich entsetzen“, wenn „von Adel die Rede“ sei.210 Allerdings finden sich unter den vielen kritischen Anmerkungen, die gegen die Stoßrichtung von Eingabe und Begleitschreiben vorgebracht wurden, keine Hinweise auf diese Stelle. Während die an der Diskussion beteiligten Korrespondenzpartner Gustav von Rochows alle selbst adlig waren, unterzeichneten den einstimmigen Beschluss der Kreisversammlung des Westhavellandes, der den von den Rochows übermittelten Entwürfen zustimmte und an dem Verweis auf die Aufgaben des Adels offensichtlich nichts auszusetzen hatte, auch zwei nichtadlige Personen – wahrscheinlich Vertreter der über Gutsbesitz verfügenden Städte.211 Auch aus den Debatten um die verfassungspolitischen Eingaben um 1820 insgesamt ergibt sich nicht das Bild einer klaren Trennung zwischen den politischen Ansichten bürgerlicher und adliger Gutsbesitzer. An vielen Eingaben waren adlige und bürgerliche Gutsbesitzer beteiligt und die beiden Eingaben aus der Prignitz und dem Kreis Züllichau-Schwiebus, die nur von Adligen unterzeichnet wurden, wichen in ihrer Argumentation stärker untereinander als von den übrigen Eingaben ab. Der Kreis Lebus, zu dem Marwitz’ Gut Friedersdorf zählte und von dessen „sogenannten […] Ständen (Schlächter, Juden, Schreiber, Kriegsräte)“ er sich nach eigener Angabe „seit 1811 schon immer, und je länger, je entfernter“ gehalten hatte,212 wies einen hohen Anteil nichtadliger Rittergutsbesitzer auf.213 Dies war allerdings nicht die Ursache für die scharfen Auseinandersetzungen zwischen den Gutsbesitzern, von denen die kreisständische Politik in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts geprägt war.214 Auch die Trennlinie zwischen den Befürwortern und Gegnern einer Verfassungseingabe verlief nicht zwischen adligen und nichtadligen Besitzern. Neben dem bürgerlichen Landrat, den Magistraten von Müncheberg und Frankfurt sowie sechs weiteren bürgerlichen Gutsbesitzern hatten auch zwei adlige Gutsbesitzer und eine adlige Gutsbesitzerin die Unterzeichnung des von den Rochows vorgeschlagenen Eingabeentwurfs abgelehnt. Nur zwei adlige Gutsbesitzer unterstützten die Initiative zu einer solchen, gegen eine Verfassungsgebung für die Monarchie gerichtete Eingabe. Die Begründungen für die Ablehnung einer Eingabe waren jedoch unterschiedlich: Der Oberamtsrat Wilhelm Karbe auf Worin betonte, nicht Aufschiebung, sondern Be–––––––––– 209

Entwurf für ein Schreiben der kurmärkischen Ritterschaft an den Staatskanzler, in: Müsebeck, Ritterschaft, S. 356f., Zitat S. 357. 210 Marwitz an G. v. Rochow, 31.8.1919, in: ebd., Bl. 61f. 211 Vgl. diese Arbeit, S. 139, Anm. 165. 212 Marwitz an G. v. Rochow, 31.8.1919, in: ebd., Bl. 61f. 213 Vgl. Tabelle 1 im Anhang. 214 FRIE, Marwitz – Biographien, S. 248 –253.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

schleunigung der Verfassungsgebung werde gewünscht und Frau Henriette Charlotte Luise Albertine Juliane von Burgsdorff, Witwe des früheren Kreisdeputierten Hans Carl Otto Ludwig schloss sich dem an. Ein Herr Janensch auf Goerlsdorf hingegen meinte, die Gutsbesitzer der ganzen Monarchie hätten sich wehren sollen, jetzt seien keine „Vorrechte“ mehr zu retten.215 Die verfassungspolitischen Positionen waren auch kaum feststehend: Kurze Zeit nach der Ablehnung des Rochowschen Eingabeentwurfs ließ einer der Befürworter, Graf Alexander Finck von Finckenstein, dessen Vater 1811 zusammen mit Marwitz inhaftiert worden war, einen ähnlichen Entwurf zu einer Eingabe gegen repräsentative Verfassung im Kreis zirkulieren, den nun sieben von dreizehn antwortenden Rittergutsbesitzern unterstützten.216 Marwitz legte die Vorbehalte gegen die bürgerlichen Kreisstände von Lebus, die er nach seiner Verhaftung 1811 angenommen hatte, im Frühjahr 1820 wieder ab und nahm erneut an deren Versammlungen teil.217 Von 1824 bis 1831 war vertrat er die Ritterschaft des Kreises auf den Provinziallandtagen.218 Zu einem offenen Konflikt zwischen adligen und bürgerlichen Gutsbesitzern kam es zu Beginn des Jahres 1820 allerdings im neumärkischen Kreis Königsberg. Bei Wahlen zur gemäß Gendarmerie-Edikt eingerichteten Kreisverwaltung hatten bürgerliche Gutsbesitzer, Pächter sowie Vertretern von Domänen- und städtischen Landbesitz die Kreisdeputierten aus ihrer Mitte bestimmt und damit die Wahl adliger Gutsbesitzer mit knapper Mehrheit verhindert.219 Die adligen Gutsbesitzer protestierten daraufhin gegen die Auslegung der Bestimmungen zu Wahlmodus und Wahlberechtigung durch den Landrat Bayer, dessen Ernennung ein Teil der adligen Gutsbesitzer seit 1816 kritisiert hatte. Die Diskussionen zogen sich bis zu einer Neuwahl unter Vorsitz des Soldiner Landrates am Ende des Jahres 1820 hin, bei der sich nun die bürgerlichen Gutsbesitzer, Städte und Domänenpächter unter Protest nicht mehr beteiligten.220 –––––––––– 215

Voten der Kreisstände auf das Circular des Landrates Karbe v. 12.11.1819, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 135 –140. Zu Burgsdorff-Markendorf vgl. BURGSDORFF-FRIEDRICHSTANNECK, Stammtafeln, Bd. 2, S. 390 –393 216 Den Aufruf erwähnt Marwitz an G. v. Rochow, 24.2.1820, in: ebd., Bl. 133f. Zur Eingabe: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 263. 217 FRIE, Marwitz – Biographien, S. 283 –298. 218 Vgl. Tabelle 3 im Anhang: Für 1841/43 wurde J. P. Rehfeld auf Golzow gewählt, für 1845 der Berliner Bürgermeister L. W. Rehfeld, der Tucheband besaß. Die Anerkennung Golzows als Rittergut hatte Marwitz 1827 kritisiert und die Wahl für 1841 war umstritten. Vgl. Marwitz an H. Graf Finck v. Finckenstein, 22.9.1827, in: BLHA, Rep. 37 Alt Madlitz, Nr. 541, unpag.; Bassewitz an Staatsministerium, 28.10.1839, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 41, Bd. 1, Bl. 135 –137. 219 Wahlbericht durch Landrat Bayer an die Regierung Frankfurt, 22.1.1820, in: BLHA, Rep. 3 B, I Präs., Nr. 1783, unpag. 220 HOLSTE, Kreisstände, S. 123f.

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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Während dieser Auseinandersetzung stellte die Frankfurter Regierung über die Landräte den adligen Gutsbesitzern in allen Kreisen einen Auszug aus einer königlichen Kabinettsordre zu, die aufgrund von Konflikten bei der Landratswahl im Friedeberger Kreis ergangen war. Adlige und bürgerliche Gutsbesitzer dieses Kreises hatten das Wahlrecht von Landratskandidaten und die Abstimmung über Kreisangelegenheiten für sich beansprucht und den vier Deputierten der Städte und Landgemeinden nur die Beteiligung an ihrer Versammlung zugestanden, wogegen diese protestierten. Der von den Gutsbesitzern vorgeschlagene Landratskandidat wurde vom König zwar zum Landrat ernannt, das Verhalten der Gutsbesitzer jedoch grundsätzlich scharf getadelt.221 In dem von den Landräten an die adligen Gutsbesitzer zu übermittelten Auszug aus der Kabinettsordre hieß es: „Ich habe jedoch sehr missfällig vernommen, dass die adelichen Gutsbesitzer des Kreises die Wahl eines neuen Mitgliedes und zweier Stellvertreter bei der Kreisverwaltung verweigern, diese für aufgelöst erklären und sich das Vorrecht anmaßen, die zu den Landrathsstellen vorgeschlagenen Kandidaten ausschließlich unter sich und aus ihrem Stand zu erwählen.“222 Die im Unterschied zu den opponierenden Gutsbesitzern im Friedeberger Kreis tatsächlich nur aus Adligen bestehende Opposition im Königsberger Kreis erwiderte auf die Zustellung dieses Auszuges mit scharfem Protest. Dessen Unterzeichner betonten, sie hätten „niemals einen Unterschied zwischen Adel und Bürgerstand bei unseren Kreis-Verhandlungen und Wahlen gemacht, vielmehr nur das Interesse des RitterguthsBesitzthums überhaupt, abgesehen von Adel oder Bürgerstand, verfochten, und sogar ausdrücklich nicht geduldet, als der Landrat Bayer in einem Protokoll den Unterschied des Standes auf eine Art herausheben wollte, welche zu falsche Deutungen hätte führen können.“ Die Regierung wurde aufgefordert, den Landrat zu belehren, dass der Verweis auf den Auszug aus der Kabinettsordre auf einem Missverständnis beruhe, „welches aber bei der, wie es scheint, in unserem Kreise beförderten Trennung der Kasten, für uns nachtheilige Meinungen erregen kann.“223 Die Trennung zwischen Adligen und Bürgerlichen ließ sich im Königsberger Kreis allerdings nicht mehr aufhalten. Ab Mai 1820 bezeichneten sich die gegen den Landrat opponierenden Gutsbesitzer, die sich bisher „die älteren Stände“ genannt hatten, auch selbst als „adlige Gutsbesitzer“.224 Gustav von Rochow war sich der an den neumärkischen Beispielen deutlich werdenden Problematik von Forderungen nach besonderen Partizipationsrechten des Adels –––––––––– 221

Ebd., S. 121f. Schreiben der Regierung Frankfurt an die Landräte, Konzept vom 29.3.1820 in: BLHA, Rep. 3 B, I Präs., Nr. 1783, unpag. 223 Schreiben der „älteren Stände des Kreises“ Königsberg an die Regierung Frankfurt v. 19.4.1820, in: ebd. 224 Schreiben der „adligen Gutsbesitzer“ des Königsberger Kreises an die Regierung Frankfurt, 3.5.1820, in: ebd. 222

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

durchaus bewusst. Eine gesonderte Repräsentation des Adels im Rahmen eines ZweiKammer-Parlaments lehnte Rochow auch aus diesem Grund entschieden ab. Die Einbeziehung des gesamten Adels in die erste Kammer hätte seiner Meinung nach zur Institutionalisierung der Gegensätze zwischen Adel und dem Rest der Bevölkerung geführt und damit eine „Revolution unausweichlich“ gemacht.225 Gegen die Bildung einer ersten Kammer allein durch Adlige, die sich durch großen und unteilbaren Grundbesitz auch materiell deutlich vom Rest der Bevölkerung abhoben, wandte er sich ebenso entschieden, da dies zumindest in Brandenburg den Ausschluss der Mehrheit des „alten Geschlechtsadels“ verlangt hätte.226 Für seine eigene ebenso wie für viele andere adlige Familien gab es nur geringe Chancen zur dauerhaften Vertretung in einer solchen ersten Kammer, solange sie die familienrechtlichen Lehnsbindung ihrer Güter nicht aufhoben und in andere gebundene Besitzformen umwandelten, die den Besitz bei einzelnen Familienmitgliedern konzentrierten.227 Gerade aber Gustav von Rochow hatte nur dadurch umfangreichen Grundbesitz geerbt, dass ihm und seinem Bruder aufgrund der Lehnsbindung der Rochowschen Güter in der Zauche über einen Großonkel ein Teil des Lehnserbes von Friedrich Eberhard von Rochow zufiel, der 1805 als letzter männlicher Nachkomme des Reckahnschen Zweiges des Geschlechtes verstorben war.228 Der Plan von Gustav von Rochows Bruder Theodor, das durch Adoption an ihn übertragene Erbe ihres Großvaters mütterlicherseits, August von Briest, in das Rochowsche Familienlehn einzubringen,229 verdeutlicht die Anhänglichkeit der Brüder an das Lehnssystem. Gustav von Rochow hatte also offensichtlich vor allem die gesellschaftliche Stellung von Adligen im Blick, deren Familien über Generationen mit dem Gutsbesitz in der Mark Brandenburg verbunden waren, die aber selbst nicht unbedingt über großen Grundbesitz verfügten und daher durch den Entzug ihrer gutsherrlichen Verwaltungsbefugnisse ebenso an –––––––––– 225

G. v. Rochow, Notizen zu Aufenthalt in Berlin bis zum 2.12.1819, in: ebd., Bl. 93f. Ebd. 227 Zur Lehnsbindung brandenburgischer Adelsgüter und zur politischen sowie rechtlichen Problematik ihrer Aufhebung: D. H. MÜLLER, Eigentumsrechtformen; DERS., Eigentumsformen. 228 A. v. ROCHOW, Nachrichten, S. 183, S. 193, S. 196 und passim: Die Lehnsbindung der Rochowschen Stammgüter ging auf den Ritter Hans von Rochow zurück, der 1529 seinen Besitz in der Zauche seinen vier Söhnen als Lehn zur ganzen Hand hinterlassen hatte. Gegen Lehnkapital und durch Gütertausch erwarb Gustav von Rochow einen Großteil des restlichen Reckahnschen Erbes, während sein Bruder die Güter Jeserig und Trechwitz übernahm. 229 T. v. Rochow an G. v. Rochow, ca. 1816, in: Nl. Rochow, B, Nr. 19, unpag. Da weder Theodor von Rochow noch sein Bruder männliche Nachkommen hatten und der Briestsche Besitz nach Lehnrecht ebenso wie das Reckahnsche und Jeseriger Erbe an die schlesische Verwandtschaft gefallen wäre, unterließ Rochow diesen Schritt offensichtlich zu Gunsten der Erbrechte seiner Frau und Töchter. Vgl. A. v. ROCHOW, Nachrichten, S. 196f. 226

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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Bedeutung zu verlieren drohten wie durch eine politische Aufwertung der Besitzer großer Güterkomplexe oder neuer ländlicher und städtischer Besitzeliten. Die Erwähnung von Adel in verfassungspolitischen Kontexten konnte also sowohl als ungenaue Bezeichnung der früheren Kreisstände gemeint sein und implizit die bürgerlichen Besitzer adliger Güter mit einschließen, sie konnte andererseits auf einen hohen, durch umfangreichen Grundbesitz von den übrigen Gutsbesitzern zu trennenden Adel verweisen, der im Zuge einer Adelsreform erst noch bilden war. Adel konnte sich schließlich aber auch in engerem Sinn auf spezifisch adlige Familientraditionen und Besitzbindungen beziehen. Die ersten beiden Varianten dominierten in den Diskussionen um die konkrete Ausgestaltung der Repräsentationspläne. Die Verwendung des Adelsbegriffes in der dritten Variante konnte im Rahmen des seit 1806 dominierenden Reformdiskurses noch um 1820 als Argument zur Zurückweisung von als unzeitgemäß und rückwärtsgewandt kritisierten Forderungen adliger Gutsbesitzer eingesetzt werden. Je mehr der politische Diskurs allerdings von Vorstellungen revolutionärer Gefahr geprägt wurde, desto besser eignete sich der Verweis auf eine spezifische adlige Tradition der besonderen Nähe zur Monarchie als politisches Argument, um dem Anspruch adliger Gutsbesitzer auf Berücksichtigung ihrer Forderungen Nachdruck zu verleihen.

d)

Auf der Suche nach einem geeigneten Programm. Taktiken der verfassungspolitischen Argumentation adliger Gutsbesitzer.

Die Analyse der Argumente in den inneradligen Diskussionen vom Herbst 1819 hat gezeigt, dass die Haltung adliger Gutsbesitzer weit mehr von Überlegungen geprägt war, wie die Sonderstellung ihrer Güter gegenüber der Staatsverwaltung aufrecht erhalten werden könnte, als von Forderungen nach erweiterten politischen Partizipationsrechten oder nach einer schärferen Trennung zwischen adligen und nichtadligen Besitzern. Darüber hinaus wird im folgenden verdeutlicht, dass die Teilnehmer an der Debatte ihre Positionierung in der Verfassungsfrage auch unter dem Einfluss der taktischen Erwägung bestimmten, welche Argumentation auf die Zustimmung des Königs oder einflussreicher Personen in seiner Umgebung treffen könnte, und so die Chance bot, von diesen als politischer Partner anerkannt zu werden. Der Anlass, den Entwurf einer neuen Immediateingabe der kurmärkischen Ritterschaft zu erarbeiten, hatte für Hans und Gustav von Rochow im Sommer 1819 darin bestanden, dass sie eine Veränderung der politischen Position wahrzunehmen glaubten, die Preußen im Rahmen des Deutschen Bundes vertrat. Die Gemeinschaft mit der österreichischen Monarchie bei der Bekämpfung politischer Partizipationsbestrebungen hatte das Streben nach einer preußischen Vormachtstellung im Bund unter Verweis auf eine erfolgreiche liberale Innenpolitik in den Hintergrund gedrängt. Eine Eingabe, die auf Stärkung ständischer Strukturen unter Hinweis auf die Gefährlichkeit staatsbürgerlicher Partizipationsforderungen drängte, schien angesichts der neuen Ausrichtung

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

preußischer Politik auf Zustimmung rechnen zu können. Rückblickend erläuterte Gustav von Rochow: „Mit der Vorstellung schien es darauf anzukommen, sämtliche Parteien von einem lebendigen Interesse eines Teils des alten landständischen Adels zu unterrichten.“230 Albrecht Wilhelm von Pannwitz hatte hingegen seine Ablehnung einer solchen Eingabe nicht zuletzt damit begründet, dass er trotz des sich auf Bundesebene vollziehenden Wandels der politischen Diskussion nicht glaube, in der preußischen Verfassungspolitik zeichne sich ebenfalls eine Wende ab, von der die adligen Gutsbesitzer profitieren könnten. Sein Plädoyer gegen die Eingabe schloss mit der Warnung davor, sich als Ritterschaft von „der großen Majorität der gebildeten Klasse der Nation“ zu isolieren, denn die besondere Beziehung der Gutsbesitzer zum König könne dadurch gefährdet werden: „Die Ritterschaft und besonders die Churmärkische, hat von jeher einen Stolz darin gesetzt, die treuesten Anhänger ihres Souveräns zu sein; dahin geht gewiß auch jetzt das Ziel; aber wer wird dies so auslegen?“231 Leopold von Quast hatte, obwohl er wie Pannwitz weiterhin mit einer Verfassung für den Gesamtstaat rechnete, gegen dessen Argumentation eingewandt, „nachteilig“ könne es nicht sein, wenn „Vasallen“ den König auf Gefahren aufmerksam machen.232 Eine solche Überlegung schien auch der Eingabe der Züllichau-Schwiebuser Ritterschaft zugrunde zu liegen, in der es hieß: „Unter welcher Form Ew. Majestät daher auch immer geruhen mögen, unserem Stande, der als eine der sichersten Stützen des Throns sich zu betrachten den hohen Vorzug und die Ehre genießt, seine fernere Stellung in der Verfassung des Landes anzuweisen: so wird der Gegenstand unseres Ehrgeizes wie unserer eifrigen Sorge immer nur derjenige sein und bleiben: Euer Majestät Interesse wahrzunehmen und uns nach Vasallen Pflicht gegen die erklärten, wie gegen die geheimen Feinde des Staates und der besseren Ordnung mit allen Waffen zu wenden.“233 Otto von Voß ging erst, nachdem er Erkundigungen eingezogen hatte, davon aus, dass der Zeitpunkt für eine neue Eingabe, die sich gegen Repräsentativverfassung richtete, günstig sei.234 Gustav von Rochow hatte auf Anraten Hans von Rochows und des Grafen Itzenplitz im September 1819 Kontakt zum Minister für ständische und Kommunalangelegenheiten Wilhelm von Humboldt aufgenommen, um innerhalb der Staatsbürokratie um –––––––––– 230

G. v. Rochow an Marwitz, 7.12.1819, Konzept in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 99f. Pannwitz, Promemoria betreffend die Vorstellungen an des Königs Majestät und an des Herr Staatskanzlers Fürsten Hardenberg Durchlaucht, 26.9.1819, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 263 –265, hier S. 264f. 232 Quast an G. v. Rochow, 29.8.1819, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 63f. 233 Immediateingabe der Ritterschaft des Züllichau-Schwiebuser Kreises, 12.12.1819, in: GStA, I. HA, Rep. 74, H, IX, Nr. 20, Bl. 14 –17, Zitat Bl. 16. 234 O. v. Voß an G. v. Rochow, 25.9.1819, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 72f., hier 72. 231

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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Unterstützung für die geplante Eingabe zu werben.235 Humboldt war im Januar 1819 in das Ministerium berufen worden und hatte nach seinem Eintritt im August dieses sofort zum Protest gegen die Machtfülle des Staatskanzlers bewegt.236 In der Verfassungsfrage verfolgte er zwar ähnliche Ziele wie Hardenberg, drängte aber auf raschere Maßnahmen und stärkere Berücksichtigung der Rechte der alten Stände.237 Der Widerstand, den Humboldt gemeinsam mit dem Minister für Gesetzesrevision Carl Friedrich von Beyme und Kriegsminister Hermann von Boyen der Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse zur Einschränkung der Pressefreiheit und zur Ausweitung der „Demagogenverfolgung“ entgegensetzte, verschärfte den Konflikt von Teilen des Staatsministeriums mit dem Staatskanzler.238 Die offene Opposition Humboldts zu Hardenberg und sein Eintreten für adlige Sonderrechte erklären die Erwartung adliger Gutsbesitzer, durch ihn Unterstützung für ihre Eingabe an den König zu erfahren. Theodor von Rochow, der von Humboldt gehört hatte, dieser habe sich gegen „Grundsteuer“ und „neues Mautgesetz“ ausgesprochen, bedauerte mit Blick auf ihn im November 1819 in einem Schreiben an seinen Bruder: „Im Übrigen ist bei der allgemeinen Stimmung gegen den Adel wenig für ihn zu erwarten.“239. Gustav von Rochow informierte Humboldt von der Verabschiedung der Immediateingabe durch die Kreisstände der Zauche und des Westhavellandes, nachdem er sich überzeugen lassen hatte, dass es besser sei die „antistaatskanzlerische Partei“ zur selben Zeit wie den Staatskanzler zu informieren.240 Im Dezember notierte Gustav von Rochow allerdings, die „Humboldtsche Partei“ erkläre sich zwar nicht offen, meine es aber „keineswegs redlich“.241 Seine Vorbehalte gegen die Politik Humboldts waren grundsätzlicher Natur, wie er Marwitz kurz darauf erläuterte: Humboldt gehöre wie Hardenberg zur „philosophischen Staatsdienerschaft“ und bemühe sich um eine Anwendung „philosophischer Theorien auf Errichtung eines Verfassungswerks“, stattdessen müsse ein grundsätzlich anderer Weg bei der Verfassungsplanung eingeschlagen –––––––––– 235

G. v. Rochow: Notiz zur Unterredung mit Humboldt, 21.9.1819, in: ebd., Bl. 70. Die Empfehlungen, mit Humboldt Kontakt aufzunehmen: H. v. Rochow an G. v. Rochow, 30.8.1819; Itzenplitz an dens., 17.9.1819, in: ebd., Bl. 58 und Bl. 68. 236 TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 2, S. 496– 498 und S. 594. 237 HUMBOLDT: Denkschrift. Vgl. OBENAUS, Anfänge, S. 109 –120; KOSELLECK, Preußen, S. 230f. und S. 269. 238 TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 2, S. 593 –606; HAAKE, Verfassungskampf, S. 97f.; KOSELLECK, Preußen, S. 230f. und S. 269. 239 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 13.11.1819, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 36. 240 G. v. Rochow an R. v. Rochow, 15.11.1819; ders. an Humboldt, 15.10.1819, Konzepte in: ebd., Bl. 87f. 241 G. v. Rochow, Notizen zu Aufenthalt in Berlin bis zum 2.12.1819, in: ebd., A III, Nr. 1, Bl. 93f.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

werden: diese sei nur sinnvoll, wenn „man von dem Punkte Rechtens ausgeht und rein praktisch verfährt“.242 Dass Rochow darauf beharrte, die Verfassung dürfe nicht mit Blick auf die Durchsetzung staatlicher Ordnung entworfen werden, verhinderte nicht nur eine Zusammenarbeit mit Wilhelm von Humboldt, sondern auch eine engere Verbindung zu den Skeptikern gegenüber einer raschen Verfassungsgebung und den Befürwortern repressiver Maßnahmen gegen die liberale Öffentlichkeit innerhalb der Staatsbürokratie. Denn diese fürchteten angesichts der politischen Entwicklung vor allem eine Schwächung der staatlichen Autorität und stimmten mit den Zielen des Staatskanzlers hinsichtlich der Stärkung der Staatsgewalt weitgehend überein. Dieser befürwortete seinerseits die Repressionspolitik und betonte hinsichtlich seiner Repräsentationspläne stets, dass deren Umsetzung eine Stärkung der allein dem König verpflichteten Verwaltung und damit des „monarchischen Prinzips“ bewirken würde.243 Zwar konstatierte Gustav von Rochow, dass die „nähere Umgebung des Königs“ den Zeitpunkt der Eingabe für günstig halte und die Prinzen „dem Adel stets geneigt“ seien,244 aber für eine erfolgreiche Einflussnahme auf die Grundlinien der Politik mangelte es an Ansprechpartnern und politischen Konzepten. Rochows Briefpartner in der Neumark, Friedrich von Mühlheim, zeigte sich denn auch ratlos, an wen und gegen wen man sich wenden solle, obwohl er überzeugt war, dass das „aristocratische Prinzip“ in ganz Europa gerade Oberhand habe.245 Dabei fehlte es am Hof und in der Staatsverwaltung nicht an einflussreichen Persönlichkeiten, die den Verfassungsplänen des Staatskanzlers kritisch gegenüberstanden, doch diese vertraten im Herbst 1819 keine gemeinsame politische Programmatik und standen kaum im Kontakt mit den adligen Gutsbesitzern der Kurmark, die sich um Einfluss auf die Verfassungspolitik bemühten. Der Generaladjudant des Königs, Carl Friedrich von Knesebeck, hatte sich zumindest mit Quast bei den Ruppiner Kreisständen für die Verabschiedung einer Eingabe eingesetzt, die eine Beteiligung der Ritterschaft an der Verfassungsplanung beantragte.246 Friedrich Ancillon, der als früherer Erzieher des Kronprinzen in eine einflussreiche Position im Staatsrat aufgerückt war und einer raschen Verfassungsgebung kritisch gegenüberstand, vertrat hinsichtlich ihrer zukünftigen Form und ihren Rechten in der Verfassungskommission ähnliche Ansich–––––––––– 242

G. v. Rochow an Marwitz, 7.12.1819, Konzept in: ebd., Bl. 92f. LEVINGER, Hardenberg, S. 269 –275; DERS., Nationalism, S. 144 –149; STAMM-KUHLMANN, „Administration“, S. 632– 636 und S. 652f. Vgl. auch die Notizen Hardenbergs vom Dezember 1819, in: TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 2, S. 637f. 244 G. v. Rochow an Marwitz, 7.12.1819, Konzept in: ebd., Bl. 92f. vgl. G. v. Rochow, Notizen zu Aufenthalt in Berlin bis zum 2.12.1819, in: ebd., Bl. 93f. 245 [Mühlheim] an G. v. Rochow, 9.1.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 121. 246 G. v. Rochow an Marwitz, 7.12.1819, Konzept in: ebd., Bl. 99f.; 243

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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ten wie Humboldt.247 Der meist nur Fürst Wittgenstein genannte Fürst Wilhelm zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, der als Minister des königlichen Hauses und langjähriger Leiter der Geheimen Polizei das Vertrauen des Königs sowie des Staatskanzlers besaß und diese zum harten Vorgehen gegen Presse und Universitäten im Sinne der Karlsbader Beschlüsse drängte, stand den Verfassungsplänen des Staatskanzlers zwar zunehmend kritisch gegenüber, äußerte sich aber noch im Mai 1820 unsicher über die einzuschlagende politische Richtung.248 Mit seiner Einflussnahme rechnete offensichtlich keiner der an den Diskussionen vom Herbst 1819 beteiligten kurmärkischen Adligen, zumindest tauchte er in den überlieferten Briefwechseln in diesem Zusammenhang nicht auf. Einfluss auf die Verfassungsplanungen im Sinne der ständischen Anliegen erwartete Gustav von Rochow im Dezember 1819 nur vonseiten der österreichischen Politik. Er hoffte auf den Ausgang der Wiener Konferenzen, die Grundlinien für die Ausgestaltung der in Artikel 13 der Deutschen Bundesakte vorgesehenen „landständischen Verfassung“ in den Einzelstaaten erarbeiten sollte.249 Die an Österreich angelehnte Politik des Außenministers Graf Christian von Bernstorff, die unterstützt wurde durch den dem König nahestehenden Herzog Carl von Mecklenburg, kam Gustav von Rochow folglich gelegen,250 in näherem Kontakt zu ihnen stand er allerdings nicht. Theodor von Rochow teilte seinem Bruder erfreut eine in französischen Zeitungen veröffentlichte Äußerung des Außenministers mit, die betonte, mit der Ankündigung landständischer Verfassung sei nie beabsichtigt gewesen, „eine Ständeversammlung … nach den Grundsätzen und als Fortbildung anderer bisher Deutschland fremder Constitutionen zu gestatten, die nach dem Umfange der Bevölkerung berechnet und mit den Attributen der Souverainität begleitet, das Wesen der bestehenden Regierungen aufhalten und die Demokratie in die Monarchie einführen würde.“ Er vermerkte aber zugleich, dies werde im „Ausland“ verkündet, während es in Berlin ganz andere „Gerüchte“ gebe, zumal die Bernstorffsche Note in preußischen Zeitungen nicht publiziert werde.251 Quast setzte bereits im November seine Hoffnungen vor allem auf die Wiener Konferenzen, während er die Möglichkeit der Ritterschaft durch ständische Eingaben direkt auf die Verfassungspolitik einzuwirken als gering veranschlagte und von einer zu großen Vermehrung der Bittschriften abriet.252 Marwitz stimmte mit Quast in der –––––––––– 247

OBENAUS, Anfänge, S. 109 –120; HAAKE, Ancillon, S. 94 –126; Caro, Ancillon, S. 421f. HAAKE, Verfassungskampf, S. 98f.; LEVINGER, Hardenberg, S. 268 –272. 249 G. v. Rochow an Marwitz, 7.12.1819, Konzept in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 99f. 250 MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 366. Vgl. aber die kritische Beurteilung der Personen durch Rochows Frau: C. v. ROCHOW, Erinnerungen, S. 86f. und S. 100 –102. 251 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 18.11.1819, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 30. Vgl. ders. an dens., 20.11.1819, in ebd., Bl. 33f. 252 Quast an G. v. Rochow, 24.11.1819, in: ebd., A III, Nr. 1, Bl. 97. 248

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Einschätzung der geringen Einflussmöglichkeiten der Stände weitgehend überein, warnte Gustav von Rochow aber zugleich auch davor, zu viele Hoffnungen auf die Neuausrichtung der preußischen Politik nach den Karlsbader Beschlüssen zu setzen, denn diese gefährde das Ansehen des Adels in der Öffentlichkeit, ohne der Ritterschaft wirklichen Einfluss zu gewähren. Ende November schrieb er seinem Schwager: „Auch tritt schon ein, was ich im Herbst bei ihnen prophezeite. Alle sogenannt liberalen, aber in der Tat höchst illiberalen Blätter sind schon voll davon, daß die alte Adelspartei, welche den König umgiebt (!) und welche von ihren Anmaßungen nicht lassen will (!), jene Beschlüsse hervorgebracht habe. Dies wird offenbar von allen Hassern geglaubt werden, und was Plebejer, aus Angst und einer anderen Theorie zu Liebe gegen die herrschende bewirkt haben, wird uns, die wir weder etwas vertheidigen, noch bewirken, in die Schuhe geschoben.“253 Nach Lektüre der ihm von Rochow mitgeteilten aktuellen Denkschriften zur Verfassungsfrage sah Marwitz sich darin bestätigt, dass auch die Befürworter einer klaren Unterscheidung von Repräsentativ- und landständischer Verfassung den Anliegen der „alten Landstände“ nicht wirklich entgegenkommen wollten, sondern nur hofften, mit diesen „leichter fertig zu werden“. Und er fügte hinzu: „Übrigens, so gewiß es hohe Zeit ist, den Sprüchen der Neuerer ein Ziel zu setzen, so beschweren sich diese doch jetzt mit eben dem Recht wie wir seit 1810 gethan.“254 Die jetzige Abkehr vom Ziel einer Nationalrepräsentation sei nicht ehrlich und daher habe er wenig Freude daran: „Allenthalben schreit man schon, daß die Aristokraten, die die Throne umlagern (!), diese Umkehr bewirkt haben, und der Haß gegen den Adel, welcher schon einschlummerte, wacht wieder auf. Daran wäre nun zwar nichts gelegen, wenn dieser ordentlich gegenstände, aber das wackelbeinige Geflügel fällt gleich um.“255 Auch bei Theodor von Rochow zeigte sich eine wachsende Überzeugung, bei allen Teilen der Staatsbürokratie auf wenig Verständnis für die eigenen Anliegen zu stoßen. Als Beckedorff ihm im Dezember 1819 mitteilte, dem König habe die von ihm entworfene Eingabe „sehr gut gefallen und man habe höchsten Orts daraus gelesen: Wir wollten gar keine Verfassung“, notierte er: „wahrscheinlich stehen sie in dem irrigen Wahn, wir hätten keine, sind zufrieden, daß wir keine Schreier sind und daß wir nichts Neues verlangen.“256 Den Rücktritt des zusammen mit Humboldt und Beyme gegen Hardenberg opponierenden Kriegsministers Boyen, der Anfang Dezember aus Protest gegen die Landwehrreform und die preußische Zensur- und Repressionspolitik erfolgte, hatte er kritisiert, da die „Unzulänglichkeit“ der bisherigen Landwehrorganisation und die „bei dem leider zugenommenen falschen Freiheitsgeiste“ aus ihr erwachsenden –––––––––– 253

Marwitz an G. v. Rochow, 28.11.1819, in: ebd., Bl. 98f., Ausrufezeichen im Original. Marwitz an G. v. Rochow, 19.12.1819, in: ebd., Bl. 101f. 255 Ebd. 256 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 30.12.1819, in: ebd., B, Nr. 20, Bl. 41f. 254

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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Gefahren erwiesen seien.257 Zu der am 31. Dezember folgenden Entlassung von Humboldt schrieb er seinem Bruder: „Wer weiß also, was er, den wir guter Absicht und der guten, ordnungsmäßigen, gesetzlichen Sache zugethan glaubten, für einen Zweck hatte.“ Wenn auf Humboldt nicht der Staatskanzler und noch viele weitere folgten, sei „nur halbes Spiel gewonnen“.258 Otto von Voß reagierte hingegen optimistisch auf die Veränderungen im Staatsministerium und meinte, dies sei vielleicht die Vorbereitung einer besseren Zeit, denn es gebe das „Sprichwort, dass der rechtliche Mensch gewinnt, wenn die Teufel sich schlagen.“259 Auch Adolph von Rochow sah die Entwicklung zunächst positiv, da er sie auf einen wachsenden Einfluss Österreichs zurückführte.260 Unterschieden sich die Positionen adliger Gutsbesitzer auch hinsichtlich der Einschätzung, welche Argumentationslinie in der Verfassungsfrage einzuschlagen sei, stimmten sie im Kern doch darin überein, dass die neue, von Revolutionsfurcht geprägte Politik Preußens zu einer Neubefestigung der gesellschaftlichen Sonderstellung des kurmärkischen Adels beitragen könnte. Dementsprechend äußerte Voß noch im Januar 1820 gegenüber Quast die Hoffnung, dass die „verschiedenen Bestrebungen“ auf „einerlei Weg“ zum Ziel führen würden.261 Die Unterscheidung zwischen einem zu gemäßigten Reformen bereiten und einem alle Veränderung ablehnenden Teil des kurmärkischen Adels, die in der historischen Forschung Ernst Müsebeck herausgearbeitet und in anderer Form Klaus Vetter bestätigt hat,262 bezieht sich folglich vor allem auf unterschiedliche Argumentationslinien und taktische Erwägungen. Denn eine Verfassungsreform konnte, wie Reinhart Koselleck verdeutlicht hat, je nachdem, ob sie die Machtverhältnisse auf dem Lande neu befestigte oder weiter in sie eingriff, völlig verschiedene Auswirkungen auf die Stellung der Gutsbesitzer gegenüber Staatsbürokratie und Landbevölkerung haben, ständische Verhältnisse stärken oder weiter auflösen.263 Müsebeck folgert aus der verfassungspolitischen Diskussion von 1819, dass es „bei genügender Beachtung der geschichtlichen Überlieferung“, wie sie die Verfassungspläne Wilhelm von Humboldts ausgezeichnet habe, hätte gelingen können, „einen großen Teil des märkischen Adels auf die Seite der Regierung zu ziehen“. Dem ist insofern zuzustimmen, dass die Verleihung von politischen Partizipationsrechten an Stände von vielen kur- und neumärkischen Adligen gefordert wurde, sofern deren Gliederung sich –––––––––– 257

Ders. an dens., 27.12.1819, in: ebd., Bl. 39f. Ders. an dens., 3.1.1820, in: ebd., Bl. 43f. 259 O. v. Voß an C. v. Voß, 19.1.1820, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, Bd. 3, Bl. 64f. 260 H. v. Rochow an G. v. Rochow, 12.1.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 124f. 261 Ders. an Quast, 9.1.1820, in: ebd., S. 118. 262 MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 368f.; VETTER, Adel, S. 66 – 69. 263 KOSELLECK, Preußen, S. 299 –319. 258

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

an der überlieferten ständischen Ordnung orientierte, eine starke Vertretung der Besitzer adliger Güter gewährleistete und den einzelnen Provinzen weitgehende Entscheidungsspielräume überließ. Eine Verfassung, die die Handlungsspielräume der Bürokratie gegenüber den Gutsbesitzern begrenzte, bot die Chance zumindest weitere Eingriffe in die gutsherrlichen Rechte abzuwehren, und konnte so durchaus mit breiter Zustimmung rechnen. Den Zielen der in der Staatsbürokratie agierenden Befürworter einer Verfassungsreform, die Staatsgewalt finanziell und rechtlich zu stärken sowie die einzelnen Teile der Monarchie zum Gesamtstaat zu formen, hätte eine solche Repräsentation allerdings geradezu entgegengestanden. An einem Verfassungskompromiss mit solchem Ergebnis konnte auf Seiten der preußischen Staatsbürokratie den Gegnern sowenig wie den Befürwortern der Verfassungspläne Hardenbergs gelegen sein. Eine vollständige Rückkehr zu den Verhältnissen vor den Reformen erwartete keiner der Teilnehmer an der Debatte vom Herbst 1819, auch nicht Gustav von Rochow oder Otto von Voß. Sie können daher auch kaum grundsätzlich als „radikale altständische Fraktion“ von denjenigen Adligen unterschieden werden, die „durch eine gewisse Anpassung an die gesellschaftliche Entwicklung die Adelsherrschaft zu sichern“ versuchten, wie Klaus Vetter meint.264 Ihre zunehmende Skepsis gegenüber jeder Verfassungsplanung entsprang weniger romantischer Theorie bei den Rochows oder bloßem Festhalten am Bestehenden bei Voß, wie Müsebeck dies interpretiert,265 sondern eher der wachsenden Einsicht, dass die Erwartungen adliger Gutsbesitzer an die angekündigte „ständische Verfassung“ sich nicht erfüllen würden.

e)

„Auflösung unserer politischen Existenz“. Das Scheitern der ständischen Eingaben und die Aufhebung des landschaftlichen Kreditwerkes

Als Anfang Januar 1820 die königliche Antwort auf die Immediateingabe der Kreisstände der Zauche und des Westhavellandes eintraf,266 deutete sich an, dass die Entlassung Humboldts und Beymes eher zu einer weiteren Schwächung der Einflussmöglichkeiten adliger Gutsbesitzer führen würde. Denn das Antwortschreiben enthielt eine kurze und abweisend gefasste Ablehnung jeder Einmischung in die Verfassungsplanungen: eine Wiederherstellung der „älteren Provinzial-Verhältnisse“ könne nicht bewilligt werden, vielmehr sei die Einrichtung „landständischer Verfassung“ abzuwar–––––––––– 264

VETTER, Adel, S. 69. MÜSEBECK, Ritterschaft 363. 266 G. v. Rochow erhielt am 5.1. die Bitte Briests, das am 3.1. in Brandenburg eingetroffene Schreiben abzuholen, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 103f. 265

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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ten.267 An seinen Großvater schrieb Gustav von Rochow: „Ich weiß nicht, ob Humboldt und Beyme es redlich mit uns meinten, aber so viel ist gewiß; sie schwammen gegen den Strom, oder vielmehr sie versuchten dem Strom eine andere Richtung zu geben, wollten das gegenwärtige Regierungssystem stören, dieser Verlust ist unseren Interessen ein gefährlicher Stoß.“268 Als besondere Härte wurde die Adressierung des königlichen Schreibens „An die Gutsbesitzer von Briest, von Rochow auf Golzow und Consorten zu Brandenburg“ empfunden, negierte sie doch förmlich das Recht der Rittergutsbesitzer als Kreisstände aufzutreten und indirekt auch die Fortexistenz von Kreisständen überhaupt. Gustav von Rochow wollte sofort auf die „Unverschämtheit der Anrede“ mit einer Protesteingabe der Kreisstände reagieren, diese seien schließlich „die Stände der Mutterprovinz“. In dem von ihm dafür verfassten Entwurf, der erneut die „Gefahr der Zerreißung alter Bande“ beschwor, rechtfertigte er die Eingabe vom November nun nicht nur mit den Bundestagsbeschlüssen vom Vorjahr, sondern bezog sich auch auf das Verfassungsversprechen von 1815 und mahnte die Zuziehung der Stände bei den Verfassungsplanungen an.269 In die Defensive gedrängt, griff auch er auf konstitutionelle Argumente zurück. Ebenso betroffen reagierte Hans von Rochow, der andere Initiator der Eingabe. Der Kampf gegen eine staatsbürgerliche Ordnung, in der den adligen Gutsbesitzern keine herausgehobene politische Stellung zukommen würde, schien ihm kaum mehr zu gewinnen. Voller Zynismus notierte er: „Gewiß werden wir nächstens die Beschwerung der jetzt immer lauter verheißenen Verfassung erhalten, und unsere Freude daran erleben, wie das Wohl eines jeden einzelnen Staatsbürgers darin berücksichtigt und den ungerechten Vorzügen der bisher, zum Nachtheil der Übrigen, Berechtigten, ein Ende mit Schrecken bereitet wird.“270 Doch auch wenn er keine Chance mehr sah, den adligen Gutsbesitzern für die Zukunft die Position zu sichern, die ihm angemessen schien, hielt er den Protest gegen die politischen Entscheidungen für sinnvoll: „Deutlicher und herzzerreißender ist die gänzliche Auflösung unserer politischen Existenz noch nicht ausgesprochen worden als in der Kabinettsordre vom 28ten v.M. und selbst den äußeren Schein noch länger zu wahren hält man in diesem Augenblick für überflüssig. Wohl uns, daß wir die kurze Frist, welche uns noch vergönnt war, dazu benutzt haben: es vor unseren Nachkommen zu documentieren, daß wir unsere angestammten, durch heiligste Eide von unseren Landesherrn bestätigte Vorrechte nicht muthwillig vergeudet haben, –––––––––– 267

Abschrift der Kabinettsordre vom 28.12.1819, in: ebd., Bl. 106. G. v. Rochow an Briest, 6.1.1820, Konzept in: ebd., Bl. 108. Vgl. die Überlegungen Gustav von Rochows zu Humboldts Entlassung: ebd., Nr. 4. 269 G. v. Rochow, Erwiderung an Seine Majestät den König, Entwurf ohne Datum, in: ebd., , Nr. 1, Bl. 110f. 270 H. v. Rochow an G. v. Rochow, 12.1.1820, in: ebd., Bl. 124f. Unterstreichung im Original. 268

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

sondern den Gesinnungen unserer Vorfahren getreu geblieben sind.“271 Der Blick auf die historische Überlieferung trat damit in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Er hoffte, ein Bild der märkischen Ritterschaft als einer politischen Kraft zu bewahren, die unabhängig vom Staat und letztlich auch vom König agierte hatte, allerdings nicht gegen ihn. Während Hans von Rochow sich zu weiterem Protest bereit erklärte, um der historischen Rolle adliger Gutsbesitzer, so, wie er sie verstand, gerecht zu werden, riet der Landrat Rochus von Rochow von einer neuen Eingabe entschieden ab. Auch er richtete seinen Blick auf die historische Überlieferung, zog aber andere Schlussfolgerungen: „Aus dem richtigen Würdigen der Bezeichnung vertragsweise [Hervorhebung K.H.] geht schon hervor, daß – am wenigsten der souveräne Geist sich […] zwingen lässt, wenn es seiner Convenienz entgegen ist. Die früheren Landesherrn errichteten die bisher bestandenen – doch überall bezwickten Verträge mit unseren Vorfahren, nicht weil sie mussten, sondern weil – sie wollten. Unser mächtiger Vorfahr Wichard mußte, um wieder in den Besitz des vaterlichen Erbes zu gelangen, eine Urpfehde schwören, welche die jetzige Zeit nicht gebieterischer diktirt haben würde. Und was sind wir – gegen ihn? / Macht und Edelsinn bezeichne unser Leben, aber auch Gewandheit und kluges Nachgeben, wo die Noth es gebietet, und besonders Einigkeit falle uns ein. Dann werden wir sub aliis unseres hochherzigen Fürsten / den Standpunkt / angewiesen erhalten, der uns gebührt, und ohne anmaaßend zu scheinen das Wohl unser Mitbürger von diesem Standpunkte aus, begründen und fördern können.“272 Wichard von Rochow auf Golzow, auf den sein Nachkomme Rochus von Rochow damit hinwies, hatte zu Beginn des 15. Jahrhunderts zu den Anführern des adligen Bündnisses gehört, dass die Einsetzung Nürnberger Burggrafen Friedrich VI. als Landeshauptmann der Mark Brandenburg zu verhindern suchte. Friedrich, von dem der regierende König von Preußen abstammte, hatte den Widerstand 1414 mit militärischer Gewalt gebrochen und wurde 1417 mit der Mark und der mit ihr verbundenen Kurwürde belehnt. Wichard gab nach Erstürmung von Golzow seinen Widerstand gegen den neuen Landesherrn auf, leistete eine Geldzahlung und erhielt im Gegenzug seine Güter zurück.273 Auf ihn ließen sich ein Großteil des Familienbesitzes der Rochows und ihre starke Position in der Zauche zurückführen. Sein Widerstand gegen den ersten brandenburgischen Herrscher aus dem Hause Hohenzollern bot Anknüpfungspunkte für eine Tradition der Verteidigung adliger Herrschaftsansprüche aus eigenem Recht und damit für eine Traditionsbildung im Sinne der Argumentation Hans von Rochows. Für den Landrat Rochus von Rochow stand aber die Unterwerfung und Neubelehnung Wichards im Vordergrund und damit eine historische Legitimationserzählung adliger –––––––––– 271

Ebd. Unterstreichung im Original. R. v. Rochow an G. v. Rochow, 10.1.1820, in: ebd., Bl. 115f. 273 SCHULTZE, Brandenburg, Bd. 2, S. 223 –236 und Bd. 3, S. 16. 272

2.3. Vergebliche Hoffnungen 1819 –1820

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Mitherrschaft aus landesherrlicher Gnade. Beide Möglichkeiten der Berufung auf die Geschichte waren um 1820 präsent und in der politischen Argumentation einsetzbar. Welche sich letztlich zur dominanten Deutung und Grundlage adliger Tradition entwickeln würde, war noch nicht absehbar. Obwohl der Landrat aus seiner Betroffenheit, „nach 56 Jahren als Landstand“ nur noch als „Gutsbesitzer“ angesprochen zu werden, keinen Hehl machte, lehnte er offenen Protest ab. Stattdessen forderte er Gustav von Rochow zu „konfidenziellen Insinuationen“ auf, die dieser „als liberaler Staatsbürger“ benutzen sollte.274 Zwei Tage später warnte er erneut davor, die „Empfindlichkeit des von vielen Seiten bedrängten Königs [zu] reizen“, und riet dazu, die „neue Ordnung der Dinge abzuwarten“: „Wir wissen nun, woran wir sind, und was für die Zukunft wir zu erwarten haben. Wir können uns demnach vorbereiten. Dieses sei das Geschäft junger kräftiger Männer Ihres Wissens, Ihrer Thätigkeit, Ihrer geläuterten Liberalität und Ihrer Muße, worüber Sie jetzt, entfernt von allen häuslichen Geschäften, in einem Zirkel denkender Männer von Kopf und Herz disputieren.“275 Dass Rochus von Rochow die politische Lage realistisch einschätzte, wurde wenige Tage später deutlich. Am 17. Januar 1820 wurde eine Verordnung vom König unterzeichnet und sofort publiziert, mit der die gesamte Staatsschuld festgestellt, ihre Verwaltung geregelt und die Aufnahme neuer Schulden von der Zustimmung zukünftiger Reichsstände abhängig gemacht wurde.276 Nach Ansicht des Ruppiner Landrats von Zieten zeigte dieses Edikt, dass die von Voß vertretene politische Argumentation, die Verfassungspolitik grundsätzlich abzulehnen, der die Prignitzer Ritterschaft mit einer Eingabe gefolgt war, sich als falsch erwiesen habe. Allerdings wuchsen gleichzeitig seine Zweifel, ob die von Leopold von Quast initiierte und von ihm unterstützte Eingabe der Ruppiner Kreisritterschaft, die um Beteiligung der alten Stände an den Verfassungsplanungen gebeten hatte, mehr Erfolg haben würde. An Quast schrieb Zieten mit Bezug auf die Prignitzer Eingabe: „Letzteres zeigt, wie verschieden die Ansichten sind! Die Herrn scheinen aber des Königs Ansicht nicht getroffen zu haben, denn die genannte neue Verordnung enthält schon vieles von Reichsständen, – Obhut auf das Staatsschuldenwesen und Verantwortlichkeit der Minister – welches den H[erren] in Perleberg ein Greul zu seyn scheint. Jedenfalls wir haben auch noch keine Resolution, und unsere Eingabe scheint auch nicht ins Ziel getroffen zu haben, denn die Ritterschaft des Züllichauer Kreises hat sie ja schon am 3. Tage erhalten, wenn ich nicht irre.“277 Die so rasch und freundlich beantwortete Eingabe der Züllichau-Schwiebuser, selbst die Bezeichnung „Ritter–––––––––– 274

R. v. Rochow an G. v. Rochow, 10.1.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 115f. Ders. an dens., 12.1.1820, in: ebd., Bl. 117. 276 Verordnung wegen der künftigen Behandlung des gesamten Staatsschuldenwesens, vom 17.1.1819, in: GS 1820, S. 9 –16. Vgl. OBENAUS, Anfänge, S. 122–128. 277 Zieten an Quast, 23.1.20, in: Nl. Quast, Nr. 139, Bl. 92f. Unterstreichung im Original. 275

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

schaft“ wurde ihnen in der Antwort zugebilligt,278 hatte allerdings nur Vertrauen in die königliche Politik und Unterstützung im Kampf gegen deren Feinde zum Ausdruck gebracht, sich hingegen aller konkreten Forderungen enthalten.279 Dass es für die Überlegung Zietens, auch die Wünsche nach einer geregelten Beteiligung der alten Stände an den Verfassungsplanungen könnten auf Ablehnung gestoßen sein, gute Gründe gab, zeigte sich, als die Kabinettsordre zur Aufhebung des landschaftlichen Kreditwerkes erschien. Diese stammte zwar vom selben Tag wie das Staatsschuldenedikt und stand mit der Neuregelung der gesamten Staatsschuldenverwaltung in engem Zusammenhang,280 wurde aber nicht sofort publiziert und Zieten offensichtlich erst später bekannt.281 Die Auflösung des Mittelpunktes ständischer Politik der Kurmark, der Landschaft, verdeutlichte, dass die Verfassungspolitik grundsätzlich auf die Stärkung des Staates und nicht auf eine Neubelebung der Stände hinauslief. Indem die älteren Formen ständischer Schuldengarantie und die damit verbundenen ständischen Ausschüsse für überflüssig erklärt wurden, zeigte sich nachdrücklich, dass trotz aller Beteuerungen kein Aufbau der geplanten „Reichsstände“ auf überlieferte „landständische“ Strukturen und keine Beratung mit den bisher zur Repräsentation Berechtigten geplant waren. Die Erwartung, unter Rückgriff auf noch bestehende ständische Institutionen die Verfassungsplanungen des Staatskanzlers beeinflussen zu können, erwies sich damit als ebenso illusorisch wie die Hoffnung, die ständischen Institutionen könnten die Verfassungsplanungen weitgehend unbeschadet überstehen. Folgerichtig schlossen sich die adligen Gutsbesitzer der Kurmark nun zu gemeinschaftlichem Protest zusammen. Dessen Misserfolg erzwang dann endgültig eine Neubestimmung der eigenen Position und lenkte die Versuche politischer Einflussnahme auf die Wege, die der Landrat Rochus von Rochow ausgehend vom „Standpunkt, der uns gebührt“ als „konfidenzielle Insinuationen“ bereits am 10. Januar 1820 angeraten hatte.

–––––––––– 278

Kabinettsordre vom 27.12.1819, Aufzeichnung nach v. Schoening in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 123: Die Kabinettsordre lobte die „ausgesprochenen Gesinnungen“ der „Ritterschaft“ und auch der Staatskanzler äußerte „lebhaftes Vergnügen“ an der „treuen Anhänglichkeit“. Vgl. Aktennotiz in: GStA, I. HA, Rep. 74, H, IX, Nr. 20, Bl. 13. 279 Immediateingabe der Ritterschaft des Züllichau-Schwiebuser Kreises, 12.12.1819, in: GStA, I. HA, Rep. 74, H, IX, Nr. 20, Bl. 14 –17. 280 Verordnung wegen des bisher unter der Benennung: Churmäkische Landschaft, bestandenen Kredit-Instituts des Staats und der Ritterschaft und Städte in den Marken, in: GS 1820, S. 19 –21. Vgl. BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 279f.; KOSELLECK, Preußen, S. 312; VETTER, Adel, S. 98f. 281 Die erste bekannte Reaktion adliger Gutsbesitzer auf die Landschaftsaufhebung stammt vom 29. Januar: VETTER, Adel, S. 99.

2.4. Neuausrichtung ständischer Politik 1820 –1821

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2.4. Neuausrichtung ständischer Politik 1820 –1821. Vom Ende der alten ständischen Institutionen zum Scheitern der Verfassungspläne Hardenbergs a)

„… weil der Staat an die Stelle der Stände getreten sei.“ Vergeblicher Protest gegen die Aufhebung der Landschaft

Der Beschluss zur Aufhebung des landschaftlichen Kreditwerkes führte bis Juni 1820 zu verschiedenen Bemühungen, eine vollständige Auflösung der Landschaft zu verhindern, aufzuschieben oder zumindest den Großen Ausschuss zum Hufen- und Giebelschoß als ständisches Beratungsorgan zu erhalten.282 Die Landschaftsverordneten baten noch im Januar um eine Einberufung des Großen Ausschusses, um die Rechnungslegung „in bisheriger Form“ zu vollziehen und von ihren Verpflichtungen entbunden zu werden.283 Als eine Antwort auf die Bitte der Verordneten ausblieb, wandte sich am 4. Februar Otto von Voß persönlich an den König und thematisierte dabei vor allem den Schutz der Gläubiger des Kreditwerkes, da deren Einlagen nicht mehr durch ständische Garantie gesichert würden. Die daraus entstehenden Probleme sollten vermieden werden, indem man den Ständen die Abtragung der alten Schulden überlasse und den Großen Ausschuss der Landschaft mit der Aufgabe betraue, einen Plan dafür auszuarbeiten.284 Dabei ging Voß davon aus, besser nur „als ehemaliger Staatsdiener und als Stand“ aufzutreten denn als Landschaftsdirektor.285 Die Anträge von Voß wurden unter Verweis auf den zweifelhaften Wert ständischer Garantie angesichts der Zahlungsunfähigkeit der Landschaft nach dem Dreißigjährigen Krieg und nach dem Tilsiter Frieden zurückgewiesen. Nach dieser in der Kurmark rasch bekannt werdenden, abschlägigen Antwort – in Marwitz Worten: nach dieser „demagogischen Abfertigung“286 – hielt Voß ein weiteres persönliches Eingreifen „in Rücksicht auf die Zukunft“ für schädlich und sah nun die Stände in der Pflicht.287 Diese könnten dann auch die Rechtsposition thematisieren und – mit „Vorsicht“ – auf die geringen Kosten der ständischen Verwaltung verweisen. Vor allem aber sei die Einlösung oder der Austausch der Obligationen zu verlangen, um die Stände von ihren –––––––––– 282

Zu den Reaktionen auf die Landschaftsaufhebung: VETTER, Adel, S. 98 –101; MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 371–375. 283 Verordnete an Innenminister Schuckmann, 30.1.1820, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 5. 284 O. v. Voß an König Friedrich Wilhelm III., 4.2.1829, Abschrift in: ebd., Bl. 6f. Vgl. VETTER, Adel, S. 99. 285 O. v. Voß an C. v. Voß, 27.1.1820, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, Bd. 3, Bl. 62f. 286 Marwitz an G. v. Rochow, 24.2.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 133f., hier Bl. 134. 287 O. v. Voß an C. v. Voß, 26.2.1820, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, Bd. 3, Bl. 60f.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Verpflichtungen zu entbinden. Voß empfahl die Erarbeitung einer dementsprechenden Eingabe durch gesonderte kreisständische Deputierte und bemühte sich in der Prignitz um die dafür nötige Wahl.288 Bereits am 11. Februar 1820 hatten die „Stände und Städte des Oberbarnimschen Kreises“ Graf Peter Alexander von Itzenplitz eine Vollmacht „zur Wahrnehmung unserer Rechte bei der durch die allerhöchste Verfügung vom 17. Januar d. J. festgesetzten Auflösung der bisher bestehenden kurmärkischen Landschaft und bei Regulierung dieser und aller übrigen landständischen Verhältnisse“ erteilt. Zu den 21 adligen und bürgerlichen Unterzeichnenden gehörten auch sechs Vertreter der Städte Wriezen, Strausberg und Neustadt Eberswalde sowie der Landwirtschaftsreformer Albrecht Daniel Thaer und zwei äußerst erfolgreich wirtschaftende Gutsbesitzerinnen, Julie Gräfin von Dönhoff und Eleonore Gräfin von Chasôt.289 Itzenplitz erhielt die Berechtigung, nach eigenem Ermessen bindende Erklärungen für die Vollmachtgeber abzugeben und alles Nötige zu unternehmen für „König und Vaterland“, für das „Interesse der Landschaftsgläubiger“ sowie für das „eigene Wohl“ der Auftraggeber.290 Ende Februar und Anfang März wählten weitere Kreise Deputierte, die über das Vorgehen angesichts der angekündigten Auflösung der Landschaft beraten sollten.291 Leopold von Quast, der zum Deputierten der Kreise Lebus und Ruppin gewählt wurde, zweifelte allerdings, ob eine Versammlung der Deputierten tatsächlich zustande kommen würde und weigerte sich zugleich, entgegen dem Drängen Hans von Rochows ohne allgemeine Zustimmung zu handeln.292 Offensichtlich erwartete er, obwohl gegenteilige Informationen bereits vorlagen,293 dass dem Antrag der Landschaftsverordneten, die Ausschüsse einzuberufen, stattgegeben würde, denn diese boten zumindest formal die einzige gesetzliche Möglichkeit, im Namen der Stände gegen die Auflösung zu protestieren. In den Festlegungen zum Ablauf der Übergabe des Landschaftsvermögens an die Staatsschuldenkommission teilte Oberpräsident Heydebreck den Landschaftsverordneten allerdings Mitte März offiziell mit, dass nur zwei der an der Kassenverwaltung des Hufen- und Giebelschoßes beteiligten ständischen Verordneten zum Übergabetermin erscheinen sollten. Er begründete diese Anweisung mit einer Entscheidung –––––––––– 288

Ders. an G. v. Rochow, 29.2.1820, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 22. Vgl. VETTER, Adel, S. 100. 289 „Substitutionsurkunde“ der „Stände und Städte des Oberbarnimschen Kreises“, 11.2.1820, in: Nl. Quast, Nr. 89, Bl. 46f. 290 Auftragsbeschreibung für Itzenplitz, 11.2.1820, in: ebd., Bl. 48. 291 H. v. Rochow an G. v. Rochow, 15.3.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 18. 292 H. v. Rochow an G. v. Rochow, 15.3.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 18. 293 Itzenplitz hatte bereits vom Innenminister Schuckmann erfahren, dass der Staatskanzler die Einberufung des Ausschusses abgelehnt hatte: MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 372.

2.4. Neuausrichtung ständischer Politik 1820 –1821

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„höheren Orts“: „Nach erfolgter Auflösung des Instituts gebe es keinen großen Ausschuss mehr, weil der Staat an die Stelle der Stände getreten sei [...].“294 Die Verordneten erwiderten zwar erneut, eine rechtmäßige Übergabe setze die Zustimmung der Stände voraus.295 Allerdings zeichnete sich ab, dass die Behörden im Zweifel „mit Gewalt“ vorgehen würden, wie Quast sich ausdrückte.296 Der Deputierte des Havellandes und Glien-Löwenbergs, Christoph August von Bredow, der wie Quast die kurmärkischen Gutsbesitzer bereits in der interimistischen Nationalrepräsentation vertreten hatte und das Vertrauen von Voß besaß,297 legte in der letzten Märzwoche einen Eingabeentwurf vor.298 Bis zur Unterzeichnung und Absendung verging offensichtlich eine weitere Woche. Aufgrund des Zeitdrucks wurde der Entwurf Bredows trotz vielfältiger Kritik vonseiten der Deputierten durch diese angenommen. Die auf dessen Grundlage erstellte und auf den 29. März datierte Eingabe unterzeichneten am 5. April Quast, Bredow und Itzenplitz sowie Freiherr Otto von Wülcknitz für Niederbarnim, Oberburggraf Vivigenz Alexander Christian von Winterfeld für die Uckermark, Gustav von Rochow für die Zauche, Ludwig von Gerlach für die an der Landschaft beteiligten neumärkischen Kreise und Carl von Voß als zweiter Deputierter der Prignitz. Die Unterschrift des anderen Deputierten der Prignitz, Graf Alexander von der Schulenburg-Lenzerwische, wurde nachträglich hinzugefügt.299 Die Eingabe stellte die verfassungspolitische Bedeutung der Landschaft in den Vordergrund. Mit „tiefem Schmerz“ und „banger Besorgnis“ gaben die Petenten zu bedenken, dass die Aufhebung der Landschaft sich zwar nicht direkt „auf sonstige ständische Verhältnisse“ beziehe, aber doch die „Zerstörung des letzten Überrests der kurmärkischen Verfassung“ bedeute, „welche seit Jahrhunderten so seegensreich bestand, und auf Recessen und Huldigungs-Assekurationen sich gründete. Sie vernichtet nämlich den Vereinigungspunkt der Stände [...].“300 Für den Fall, dass Verhandlungen nicht eingeleitet würden, baten die Unterzeichner um Klärung der Rechtsfragen vor den –––––––––– 294

Oberpräsident Heydebreck an die Verordneten der Landschaft, 17.3.1820, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 27–30, Zitat Bl. 29. 295 Verordnete an Heydebreck, 21.3.1820, Abschrift in: ebd., Bl. 31. 296 Quast an die Deputierten der Kreise, 25.3.1820, in: ebd., Bl. 20. Vgl. T. v. Rochow an G. v. Rochow, 23.3.1820, in: ebd., Bl. 19. 297 O. Voß an Quast, 22.3.1820, in: Nl. Quast, Nr. 134, Bl. 4. 298 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 23.3.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 19; Beschluss zum Vollzug und zur Absendung der Eingabe in einer Versammlung bei Quast am 31.3.1820, Protokoll in: ebd., Bl. 32f. Datierung der Eingabe auf den 29.3.: ebd., Bl. 39. 299 C. v. Voß: Aufzeichnungen, 6.4.1820, in: Nl. Voß-Buch Nr. 1, Bl. 6: Zur Eingabe vgl. BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 281; VETTER, Adel, S. 100; MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 372. 300 Eingabe der Deputierten zur Landschaftsauflösung an den König, datiert 29.3.1820, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 36 –39, Zitat Bl. 36.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

„Landesgerichten“. Beigefügt wurden eine ebenfalls von Bredow entworfene Darstellung der Geschichte des landschaftlichen Kreditwerks und als Belege Abschriften von Dokumenten, unter anderem der Huldigungs-Assekurrationen Friedrich Wilhelms II. und Friedrich Wilhelms III.301 Mit der betont verfassungspolitischen Argumentation ihrer Eingabe setzten die Deputierten die seit 1818 verfolgte Linie fort, eine Klärung ihrer Stellung im Rahmen der Verfassungsplanungen zu fordern. Das Ergebnis gab denjenigen Recht, die eine solche Argumentationslinie aufgrund der unsicheren Basis, auf der die ständischen Rechte in dieser Hinsicht ruhten, hatten ändern wollen. Durch Unterstützung von Vertretern der Staatsverwaltung erreichten die Deputierten zumindest, dass der Übergabetermin der Landschaftskassen bis zur Beantwortung ihrer Eingabe aufgeschoben wurde. Theodor von Rochow vermutete, dass dieser Beschluss eventuell auf die Unterstützung durch den Leiter der Staatsschuldenverwaltung Rother zurückzuführen war, den Quast aufgesucht hatte. Der Versuch, den Oberpräsidenten auf dem Rechtsweg zu weiterer Terminverschiebung zu zwingen, scheiterte bereits an der Weigerung des Kammergerichts, eine solche Klage entgegenzunehmen.302 Die königliche Antwort auf die ständische Eingabe wurde von dem engen Mitarbeiter Hardenbergs in Verfassungsfragen, Friedrich August Stägemannn, konzipiert.303 Sie beinhaltete nicht nur eine scharfe Zurückweisung der ständischen Argumentation, sondern sie wies auch grundsätzlich den Anspruch der Unterzeichner zurück, als Deputierte die Stände zu vertreten: „Ich erteile Ihnen auf die Vorstellung, welche Sie für sich und im Namen einiger anderer Gutsbesitzer der Kurmark bei mir wegen der Landschaftskasse eingereicht haben, zur Antwort, dass ich mich nicht veranlasst finde, meine Verordnung vom 17. Januar wieder aufzuheben oder daran etwas zu ändern.“304 Der Staatskanzler fügte auf königliche Anweisung eine „Belehrung“ der „angeblichen Deputierten der Ritterschaft“ bei.305 Den Bitten und Forderungen der Deputierten wurde in der königlicher Antwort und im Schreiben Hardenbergs entgegnet, dass die Landschaft, seit im 17. Jahrhundert die ständische Steuerbewilligung aufgehört habe, kein ständisches Institut gewesen sei, sondern nur im Auftrage des Staates einen Teil von dessen Schulden garantiert habe. Da der Staat die Rückzahlung der Schulden nun selber übernehme, bestände keine –––––––––– 301

Beilagen zur Eingabe vom 29.3.1820, in: ebd., Bl. 40 –76. T. v. Rochow an G. v. Rochow, 16.4.1820, in: ebd., Bl. 34. 303 MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 373. 304 Kabinettsordre an die unterzeichnenden Gutsbesitzer der Vorstellung vom 29.3.1820, 20.4.1820, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 77f. Druck in: BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 283 –285. 305 Begleitschreiben Hardenbergs zur Kabinettsordre vom 20.4.1820, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 79 – 84. 302

2.4. Neuausrichtung ständischer Politik 1820 –1821

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Notwendigkeit ständischer Verwaltung mehr. Hardenberg vergaß nicht hinzuzufügen, dass die Gläubiger seit 1806 sowieso an den Staat verwiesen worden seien. Ein Recht auf allgemeine Beratungen im Rahmen der Landschaft habe hingegen nie bestanden, vielmehr seien solche bereits 1683 durch den Kurfürsten ausdrücklich verboten worden, auch wenn sie, wie der Staatskanzler einräumte, „stillschweigend gelegentlich geduldet“ wurden. Eine Vermischung von Verfassungsfrage und Landschaftsaufhebung wurde dementsprechend entschieden zurückgewiesen. In der königlichen Antwort hieß es: „Für die Verhältnisse der Stände ist die Fortdauer der landschaftlichen Kassen teils ganz entbehrlich, da ich diese Verhältnisse erst besonders festsetzen werde, und jedermann seine Wünsche und Vorstellungen zur Beförderung des Wohlstandes der Provinz frei an mich gelangen lassen darf, teils ist es ungesetzlich [...], wenn die Ritterschaft die Zusammenkünfte [...] zu fremdartigen Beratungen benutzt hat.“306 Der Staatskanzler verwies außerdem explizit darauf, dass eine Beteiligung der bisherigen Stände an dem Vorhaben, „Provinzialstände zeitgemäß einzurichten“, nicht vorgesehen sei: „Die Vollendung dieser Maßregel hängt von Umständen ab, welche durch Ihre Zusammenkünfte weder beschleunigt noch geleitet werden können.“307 Der 1819 vollzogene Wandel preußischer Politik, die scharfe Zurückweisung liberaler Verfassungsforderungen und die Betonung der Souveränität des Monarchen, richteten sich nun eindeutig auch gegen Versuche ständischer Einflussnahme. Das Schreiben des Königs schloss drohend: „Übrigens gebe ich Ihnen meinen ernstlichen Unwillen über die Anmaßung zu erkennen, mit der Sie sich unterstehen, Meine des souverainen Landesherrn gesetzgebende Gewalt in Zweifel zu ziehen, indem Sie die gesetzliche Kraft der von Mir sanctionierten und unter Meinem Namen bekannt gemachten Gesetze von der Berathung mit meinen Untertanen abhängig machen wollen.“308 Hardenberg schloss sein Schreiben formal versöhnlicher mit der Aufforderung, die „Kreisinsassen“ über die „Irrtümer“ zu belehren, „die von übelwollenden oder übel unterrichteten Menschen verbreitet worden sind.“ Eine Einberufung des Großen Ausschusses lehnte er zwar ab, da sie „nutzlos“ sei und nur den „Parteigeist“ nähre, was auch den Unterzeichnern der Eingabe als „Freunden des Vaterlands und der bürgerlichen Ordnung“ angesichts der „gegenwärtige[n], mehr oder weniger von der Partheyung geprägte[n] Zeit“ verständlich sein müsse. Wenn die Verfasser der Eingabe allerdings einen anderen Vorschlag vorzubringen hätten, sollten sie diesen unverzüglich einreichen. Indirekt erkannte der Staatskanzler damit die Unterzeichner der Eingabe doch als Verhandlungspartner an, auch wenn er zuvor deren Berechtigung, als Ständevertreter auf Mitsprache zu dringen, energisch bestritten hatte. Allerdings schränkte er –––––––––– 306

Kabinettsordre vom 20.4.1820, Druck in: BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 283 –285, hier S. 284. Begleitschreiben Hardenbergs zur Kabinettsordre vom 20.4.1820, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 79 – 84, hier Bl. 83. 308 Kabinettsordre v. 20.4.1820, BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 283 –285, hier S. 284f. 307

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

dies sofort wieder darauf ein, dass nur hinsichtlich des Landschaftsgebäudes noch nichts entschieden sei und dieses, seiner Ansicht nach, den künftigen Provinzialständen zur Verfügung gestellt werden könne.309 Die verfassungspolitische Dimension der ständischen Eingabe hatte deren Unterzeichner in eine schwierige Lage versetzt, da die von ihnen verwendeten Formulierungen sich im Rahmen der veränderten politischen Diskussion als Partizipationsforderungen und Angriff auf die Souveränität des Königs interpretieren ließen. Entgegen den Vorschlägen Gustav von Rochows und Leopold von Quasts, die in der nun entstandenen Lage dafür plädierten, dem König vor allem die vollständige Ergebenheit der Ritterschaft zuzusichern, beschlossen die in Berlin versammelten Deputierten, sich gegenüber dem König und dem Staatskanzler zu rechtfertigen sowie das Verhandlungsangebot Hardenbergs aufzugreifen.310 Adolph von Rochow beklagte später, das erstere sei „mit einem langweiligen, gedrechselten Machwerk“ geschehen, das letztere, „ohne dazu beauftragt zu sein“, mit „vermittelnde[n] Vorschläge[n], welche die Rechte der Stände verletzten und offenbar einen üblen Eindruck machen mussten.“311 In ihrem Schreiben an Hardenberg versuchten die Deputierten, ihren Einsatz für die bestehenden Institutionen grundsätzlich zu rechtfertigten, indem sie darauf verwiesen, einer neuen Verfassung „gleiche Achtung und Verteidigung von allen, die sie betrifft“, zu wünschen.312 Damit beanspruchten sie für ihre politische Stellung die historische Legitimität, die ihr der Staatskanzler unter Verweis auf eine bloße Übertragung von Aufgaben durch den Staat abgesprochen hatte. Der Diskussionsrahmen, in dem die Auseinandersetzung geführt wurde, zwang erneut dazu, mit politischen Partizipationsrechten zu argumentieren: Jedem „Untertan“ stehe das Recht zu, „sich an den Landesherrn zu wenden und um rechtliches Gehör bei Landesgerichten zu bitten“ und mit entsprechender Vollmacht könnten sie dieses Recht im Namen der Ritterschaft wahrnehmen. Das ständische Recht, „Gravamina“ vorzutragen, sei auch nach dem Regulativ von 1683, auf das sich der Staatskanzler berufe, durch „Wort und Tat anerkannt“ worden – zuletzt sei 1811 und 1818 keine „Rüge“ allgemeiner ständischer Eingaben

–––––––––– 309

Begleitschreiben Hardenbergs zur Kabinettsordre v. 20.4.1820, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 79 – 84, hier Bl. 83f. 310 Deputierte an den König, 27.4.1820, Druck in: BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 285f. Zu den Diskussionen unter den Deputierten: MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 374f. 311 A. v. Rochow an G. v. Rochow, 13.6.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 127–130, hier Bl. 127. 312 Schreiben „der Bevollmächtigten untenstehend genannter Städte und Kreise“ an Hardenberg, 27.4.1820, Abschrift in: ebd., Bl. 91– 96, hier Bl. 91. Gustav von Rochow findet sich hier nicht unter den Unterzeichnern.

2.4. Neuausrichtung ständischer Politik 1820 –1821

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erfolgt. Die behauptete „Illegalität“ der Annahme ständischer Vollmachten hätte ihnen daher nicht bewusst sein können.313 Nach dieser grundsätzlichen Rechtfertigung ihres Standpunktes lenkten die Deputierten ein und verzichteten auf eine „inhaltliche Widerlegung“ der Argumente des Staatskanzlers, da festzustehen schien, dass am Beschluss vom 17. Januar, die Landschaft aufzuheben, festgehalten werde. Aber sie baten, „wenn auch ohne Vollmacht, so doch privat“, um ein „Absehen von Härte“ beim Vorgehen gegen die Landschaft, um ein „nützliches Andenken an alte Landesinstitute“ zu erhalten. Die bisherigen Überschüsse als „eine den Marken eigene Abgabe“ sollten als Abgabe eingestellt, zur Tilgung der Provinzialkriegsschuld verwendet oder der neuen Provinzialverwaltung zur Verfügung gestellt werden. Häuser und Archiv sollten „der Provinz verbleiben“, der dafür und für die Besoldung eines Syndikus, eines Sekretärs, eines Archivars und eines Kastellans „etatmäßige“ Zuschüsse gewährt werden müssten. Hinsichtlich der Form der Kassenübergabe rechtfertigten die Deputierten zwar erneut die Bitte um Einberufung des Großen Ausschusses und führten an: „Wenn Euer Durchlaucht erwägen, aus welchen Männern diese Versammlung gebildet wird, so glauben wir, daß hochdieselben in deren Persönlichkeit die Garantie finden werden, daß sie ihre Stellung nicht verkennen und die Grenzen ihrer Unterthanenpflicht nicht überschreiten werden.“ Zugleich zeigten sie sich aber auch in dieser Beziehung zu einem Kompromiss bereit: Wenn die Einberufung des Ausschusses unmöglich sei, so bestände die „gewaltfreie Alternative“ in der Wahl dreier Deputierter durch Kreise und Städte, die dem Staatskanzler zur Bestätigung vorgeschlagen würden und dann zur Übergabe bevollmächtigt werden könnten.314 Diese Argumentation lief scheinbar nur auf eine Wahrung der Form hinaus. Indirekt zielte sie allerdings zugleich auf Zeitgewinn und implizit auch auf eine Anerkennung des Rechtsstandpunktes der Deputierten. Beides gestand ihnen die Antwort Hardenbergs in der ersten Maiwoche zu, allerdings in so geringem Maße und so formal, dass es an der grundsätzlichen Bedeutung der Landschaftsaufhebung kaum etwas änderte. Eine besondere Verwendung der von der Landschaft verwalteten Steuern für die Provinz wurde abgelehnt, nur Häuser und Archiv sollten, wie schon im April erwogen, den zukünftigen Provinzialständen zur Verfügung stehen. Hinsichtlich der Übergabe wurde den Verordneten der Landschaft eine Frist eingeräumt, in der sie mit Vollmachten durch die Kreisstände ausgestattet werden sollten. Deren Existenz und Berechtigung zur Mitsprache wurde damit zwar –––––––––– 313

Ebd., Bl. 91f. Die Unterzeichner verwiesen zudem darauf, dass ihnen das Regulativ vom 17.5.1683 nicht bekannt gewesen sei. Erst später hätten sie es unter den Dokumenten gefunden. Bassewitz berichtet in seiner Beschreibung der Vorgänge, dass auch er ein solches Regulativ nirgends verzeichnet gefunden habe – auch nicht in den Akten des Staatskanzlers: BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 284, Anm.*. 314 Deputierte an Hardenberg, 27.4.1820, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 91– 96.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

implizit bestätigt, eine Wahl gesonderter Deputierter und anschließende Verhandlungen aber wurden verhindert.315 Die in Berlin versammelten Deputierten forderten daraufhin die Kreisstände zur Einsendung von Vollmachten und „Protestationen“ auf, wobei die Vollmachten nur unter dem Vorbehalt erteilt werden sollten, dass die Übergabe im Gegenzug zur Aushändigung der Obligationsscheine oder einer Rechtserklärung der Gläubiger erfolge.316 In den folgenden Wochen verabschiedeten die Kreisstände Vollmachten, die unterschiedliche Vorbehalte hinsichtlich zu Haus und Archiv, zu den Schuldverschreibungen, zu den Ansprüchen der Stände und der Brandenburger Ritterakademie an die landschaftlichen Kassen sowie zum Recht auf jährliche Versammlungen enthielten.317 Die Vollmacht der Zauche sollte außerdem nur gelten, wenn zuvor ein abschlägiger Bescheid auf eine gleichzeitig verabschiedete Eingabe an den König vorliege, die erneut die Einschaltung der Gerichte und die Einberufung des Großen Ausschusses forderte. Nur der Einspruch des Landrates Rochus von Rochow unterstützt durch Adolph von Rochow, die sich im Vorfeld vergeblich gegen eine erneute Eingabe ausgesprochen hatten, verhinderte, dass die Verordneten bei Nichterfüllung der Forderungen förmlich zur Verweigerung der Übergabe aufgefordert wurden.318 Die in den Vollmachten enthaltenen Vorbehalte und erneute Eingaben einzelner Kreise konnten den Vollzug der Landschaftsaufhebung nicht mehr aufhalten. Ebenso wenig Einfluss auf das Vorgehen der Staatsbehörden hatte ein Schreiben des Kronprinzen, der im April von Ancillon über die Auseinandersetzungen um die Landschaft informiert wurde und sich am 25. Mai gegenüber dem Staatskanzler gegen die scharfe Zurückweisung der ständischen Forderungen bezüglich der Landschaft und auch der Eingabe von Zauche und Westhavelland vom Vorjahr aussprach. Hardenberg begründete daraufhin sein Vorgehen mit dem Verweis auf die Notwendigkeit, Forderungen nach Einschränkung der monarchischen Souveränität klar entgegen zu treten, und verwies zugleich auf die teilweise –––––––––– 315

Hardenberg an Deputierte, 6.5.1820, Abschrift in: ebd., Bl. 98 –100. Zusammenfassung der von den Deputierten unterbreiteten Vorschläge und der Antwort Hardenbergs in: BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 286f. 316 Protokoll der Verhandlung der Deputierten der kurmärkischen Stände, 25.5.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 101f. Anwesend waren Voß, Bredow, Quast, Itzenplitz, Wülcknitz, Wilhelm Leopold v. Witten, G. v. Rochow und Winterfeld. Quast forderte darüber hinaus die Aufnahme von Entschädigungsforderungen in die Vollmachten. 317 Protokoll der Versammlung der Kreisstände des westhavelländischen Kreises (sieben adlige und zwei bürgerliche Rittergutsbesitzer), 10.6.1820, Abschrift in: ebd., Bl. 122f.; Vollmacht der zauchischen Kreisstände für die Verordneten, 15.6.1820, in: ebd., Bl. 135. 318 Protokoll der Versammlung der Kreisstände des Kreises Zauche (vier adlige Gutsbesitzer mit Vollmacht für zwei weitere), 15.6.1820, in: ebd., Bl. 134. Der Entwurf zur Eingabe ebd., Bl. 132f. Die Diskussionen im Vorfeld der Kreisversammlung: ebd., Bl. 112–131.

2.4. Neuausrichtung ständischer Politik 1820 –1821

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geringe Zahl der Vollmachtgeber für die Deputierten, die gegen die Auflösung der Landschaft protestierten.319 Am 17. Juni wurden die Landschaftskassen durch Oberpräsident Heydebreck übernommen. Es erschien nur einer der Verordneten, der Geheime Oberfinanz- und Kammergerichtsrat Carl Friedrich Gotthilf von Winterfeld,320 der sich trotz „Zuredens“ durch Carl von Voß und Leopold von Quast der Übergabe nicht zu entziehen können glaubte, da er als Verordneter für die Domänen innerhalb der Landschaft landesherrliche Interessen zu vertreten habe. Voß, Quast und Bredow versuchten als Bevollmächtigte der Ritterschaft vor Ort gegen die Übergabe zu protestieren.321 In der Darstellung Heydebrecks traten sie hingegen „unberufen“ auf.322 An der endgültigen Auflösung der Landschaft änderte ihr Protest eben so wenig, wie eine erneute Eingabe einiger Kreise und die Gegendarstellung der Deputierten zum Übergabeprotokoll Heydebrecks.323 Der Mittelpunkt der kurmärkischen Stände war verloren und eine ständische Organisation oberhalb der Kreisebene existierte nicht mehr. Die Aussichtslosigkeit der ständischen Bemühungen, für ihren Standpunkt seitens der Staatsverwaltung Verständnis zu erlangen, zeigt Karl August Varnhagen von Enses Aufzeichnung von einem Gespräch, dass er mit hohen Staatsbeamten über die Proteste führte, mit denen ständische Deputierte die Übergabe der Landschaftskassen zu stören suchten. Seine eigenen Überlegungen verweisen zugleich darauf, dass sich in der Aufhebung der Landschaft nicht nur das Ende der alten Stände, sondern auch und vor allem die ungehinderte Durchsetzungsfähigkeit der Staatsmacht niederschlug: „Die Sache wurde als lächerlich in ihren Einzelheiten geschildert, man lachte ungemein, allein im Ganzen schien mir der Vorgang ein trauriges Zeichen des Zustandes, in welchem der Staat sich befindet; ein Gewaltschritt mit gehässigem Hohn gegen das bisher gesetzlich Bestandene ausgeführt. Ich bin gewiß kein Freund eines überlebten Feudalinstituts, aber Herr von Heydebreck konnte in keinem Falle sagen, er kenne kein solches und wisse von seinen Beziehungen nichts; die Gewalt, mit der er die Bevollmächtigten, die nicht aufhörten zu protestieren, wegwies, und sich die Schlüssel aushändigen ließ, war hinreichend, und jede Beschönigung überflüssig.“324 –––––––––– 319

MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 375; HAAKE, König, Teil 5 (1920), S. 145 –151. Zu Winterfeld: STRAUBEL, Handbuch, S. 1109f.; WINTERFELD, Geschichte, Bd. 2, S. 1228f. 321 C. v. Voß an G. v. Rochow, 30.6.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 40f. 322 MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 375. Zum Verlauf der Übergabe: BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 288 –292; TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 3, S. 78. 323 Neben einer Kreisversammlung der Zauche hatten auch die Ritterschaften des Oberbarnims, des Havellands und Ruppins Eingaben abgesendet: C. v. Voß an G. v. Rochow, 30.6.1820 in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 140f. Gegenentwurf der Deputierten zum Protokoll: ebd., S. 151–154. 324 VARNHAGEN, Blätter, Bd. 1, S. 177 (2.8.1820). 320

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Der Staat war tatsächlich, so wie Heydebreck es formuliert hatte, an die Stelle der Stände getreten.

b)

„… es ist geschichtlich aus“. Reflexionen über Stände und Staat angesichts des Endes der Landschaft

Den Protest gegen das Vorgehen der Staatsbehörden bei der Aufhebung der Landschaft hatten im Wesentlichen adlige Gutsbesitzer organisiert, die als ausgewiesene Finanzexperten galten. In ihren Lebensläufen standen die Ausübung landesherrlicher und ständische Ämter sowie Engagement für eine Umgestaltung der Gutswirtschaft in enger Verbindung, worauf im Folgenden kurz eingegangen wird. Neben Otto von Voß und Leopold von Quast hatte auch der Deputierte der Prignitz, Alexander Graf von der Schulenburg, als Oberrechnungsrat eine hohe Position in der zentralen Finanzverwaltung inne, bevor er 1812 entlassen wurde.325 Der Deputierte der Uckermark, Vivigenz Alexander Christian von Winterfeld, der noch 1809 das ostpreußische Erbamt eines Oberburggrafen verliehen bekam, war 1812 aus dem Justizdienst geschieden, in dem er zuletzt als Chef-Präsident des Oberlandesgerichtes Marienwerder tätig war.326 Graf Peter Alexander von Itzenplitz, Deputierter des Kreises Oberbarnim, hatte sich mehrfach im Verwaltungsdienst ausgezeichnet, zuletzt als Generalintendant der Forstverwaltung, und war an den meisten ständischen Deputiertenversammlungen seit 1806 beteiligt.327 Zusammen mit seiner Frau Henriette Charlotte reformierte er frühzeitig und erfolgreich die Wirtschaftsmethoden und gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse auf seinen und ihren Gütern.328 Wie Itzenplitz stand Christoph August von Bredow, seit 1806 Ritterschaftsrat, in engem Kontakt zum Theoretiker landwirtschaftlicher Reformen Albrecht Daniel Thaer, und es gelang ihm, das zunächst hoch verschuldete Gut Schwanebeck zur Musterwirtschaft umzubauen.329 Er wurde 1809 in das dritte kurmärkische Ständekomitee für die Provinzialkriegsschulden und 1812 sowie 1814 in die –––––––––– 325

STRAUBEL, Handbuch, S. 919. Ebd., S. 1113; WINTERFELD, Geschichte, Bd. 2, S. 1226, wo es zum Rückzug Winterfelds aus dem Dienst bezeichnenderweise heißt: „Wie lange er in diesem Amte verblieben, müssen wir ungesagt lassen.“ Nach seinem Austritt aus dem Staatsdienst hatte Winterfeld 1814 als einer der Vertreter der Uckermark die Eingabe unterzeichnet, mit der die Deputierten der kurmärkischen Kreisstände um Wiederherstellung der ständischen Verfassung baten: Protokoll der ständischen Deputiertenversammlung der Kurmark, 14.8.1814, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 19f. 327 STRAUBEL, Handbuch, S. 454f.; BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 379 und S. 381. 328 H.-H. MÜLLER, Landwirtschaft, S. 35f. und S. 122; FONTANE, Wanderungen, Bd. 2, S. 174 –193. 329 [BREDOW], Geschichte, Teil 3, S. 461f. 326

2.4. Neuausrichtung ständischer Politik 1820 –1821

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interimistische Nationalrepräsentation gewählt.330 Bei den Verhandlungen über die Provinzialkriegsschulden 1817/18 sowie im Landschaftsausschuss für den Hufen- und Giebelschoß 1818 hatte er das Havelland vertreten,331 1821 wurde er Ritterschafts- und Witwenkassendirektor.332 Freiherr Otto von Wülcknitz, der den Kreis Niederbarnim bei den Verhandlungen über die Aufhebung der Landschaft vertrat, hatte sich bereits 1806 an den ersten Maßnahmen zur Aufbringung der französischen Kontributionen beteiligt und 1818 den Kreis Niederbarnim beim Ausschuss für den Hufen- und Giebelschoß vertreten.333 Wirtschaftlich beschränkte er sich nicht nur auf den Ausbau seiner Gutswirtschaft, sondern errichtete am Rande Berlins mit auf seinen Gütern gewonnenen Baumaterialien die sogenannten Wülcknitzschen Familienhäuser, die er an mehrere 1000 Bewohner aus den ärmsten Berliner Bevölkerungskreisen vermietete.334 Der erst ab Mai an den Verhandlungen der ständischen Deputierten beteiligte Wilhelm Leopold von Witten auf Osdorf im Kreis Teltow war Ritterschaftsrat und seit 1809 Kreisdeputierter, vertrat 1817 den Landrat und war 1817/18 Deputierter bei den Verhandlungen über die Provinzialschulden.335 Gustav von Rochow hatte seit 1817 die Zauche als Deputierter bei ständischen Versammlungen vertreten und war durch sein Engagement für eine Verfassungseingabe im Herbst 1819 aufgefallen. Dass Otto von Voß im März meinte, Quast auf die Kenntnisse hinweisen zu müssen, die Rochow „durch Eifer“ erworben habe,336 unterstreicht aber die Notwendigkeit, dessen gleichberechtigte Anerkennung besonders zu legitimieren, da er über keine Verwaltungserfahrungen verfügte. Mit Carl von Voß und Ludwig von Gerlach beteiligten sich allerdings auch zwei Vertreter einer jüngeren Generation adliger Gutsbesitzer an den Diskussionen um die Aufhebung der Landschaft, die nicht durch langjährige praktische Erfahrungen in der Güterbewirtschaftung und in ständischen sowie staatlichen Ämtern geprägt waren. Carl von Voß und Ludwig von Gerlach, die zehn Jahre später die Gründung des konservativen Berliner Politischen Wochenblattes initiierten und finanzierten,337 waren vor allem –––––––––– 330

BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1809, Bd. 2, S. 136; VETTER, Adel, S. 58. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 176; Teilnehmerverzeichnis der Versammlung des Großen Ausschusses zum Hufen- und Giebelschoß 1818 in: Nl. Rochow, A III, Nr. 3, S. 1f. 332 [BREDOW], Geschichte, Teil 3, S. 461f. 333 BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 7 und S. 34; Teilnehmerverzeichnis der Versammlung des Großen Ausschusses zum Hufen- und Giebelschoß 1818 in: Nl. Rochow, A III, Nr. 3, S. 1f. 334 HÜCHTKER, „Mütter“, S. 138 –146. 335 BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 176; DERS., Kurmark 1809/10, S. 236; LEDER, Ostorff, S. 13f. 336 O. v. Voß an Quast, 22.3.1820, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 23. 337 KRAUS, Gerlach, Teil 1, S. 137–184. 331

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

aufgrund ihrer Anwesenheit in Berlin und ihres Kontaktes zum Minister Otto von Voß, dem Vater Carls, zur Unterzeichnung der Eingabe hinzugezogen worden. Carl von Voß, Assessor am Berliner Kammergericht, stand mit Ludwig von Gerlach, der dort bis Februar 1820 als Referendar tätig war,338 in engem Austausch über die politischen Entwicklungen. Beide hatten sich intensiv an den Berliner Diskussionskreisen beteiligt, die sich für romantische Literatur, restaurative Staatstheorie und die religiöse Erweckungsbewegung begeisterten, und beide waren grundsätzliche Gegner einer preußischen Verfassung.339 Karl August Varnhagen von Ense zählte sie aufgrund ihrer politischen Ansichten zu den jungen Adligen, die zur „Haller’schen Gesellschaft“ gehörten.340 Carl von Voß wurde im April 1820, als Graf von der Schulenburg plante, aus Berlin abzureisen, zum zweiten Deputierten der Prignitz ernannt. Dies erfolgte allerdings weniger aufgrund seiner politischen Haltung als aufgrund der Fürsprache seines Vaters und finanziellen Überlegungen des Landrates Carl Friedrich von Petersdorff, der keinem weiteren Deputierten die Auslagen seines Berlinaufenthaltes aus dem Kreisfonds erstatten wollte.341 Dass Carl von Voß auf die Schreiben der Deputierten keinen bestimmenden Einfluss hatte, wird an seiner Kritik deutlich.342 Ludwig von Gerlach unterzeichnete die Eingabe gegen die Aufhebung der Landschaft vom 29. März 1820 als Vertreter der Neumark,343 eine weitergehende Beteiligung an den Diskussionen der Deputierten lässt sich allerdings nicht nachweisen. Im Briefwechsel Gustav von Rochows und in den Briefen Otto von Voß’ wird Gerlach in diesem Zusammenhang nicht erwähnt. Auch die Tagebücher Ludwig von Gerlachs vermerken nur die Diskussionen mit Carl von Voß. Im April 1820 trat Ludwig von Gerlach eine Stelle am Oberlandesgericht Naumburg an und die Zuwendung zur pietistischen Erweckungsbewegung drängte sein politisches Engagement vorübergehend in den Hintergrund.344 Die ausschlaggebende Mehrheit der 1820 gegen die Aufhebung als Deputierte aktiven adligen Gutsbesitzer war geprägt von der Erfahrung eines Neben- und Miteinanders von ständischer und königlicher Verwaltung. Sie agierten unter den gegebenen Umständen zwar als ständische Opposition, doch verstanden sie sich nicht als reine Ständepolitiker oder Verteidiger der Verhältnisse von vor 1806. Mit der Politik des Staatskanzlers ließ sich ihre Auffassung von der politischen Bedeutung adliger Gutsbesitzer zwar kaum vereinbaren, aber gleichzeitig vertraten sie auch keine Konzepte einer –––––––––– 338

Tagebücher Ludwig von Gerlachs, in: SCHOEPS (Hg.), Aus den Jahren, S. 141–314. Ebd., besonders S. 172 und S. 305. Vgl. KRAUS, Gerlach, Teil 1, S. 74 – 91; WIEGAND, Verein. 340 VARNHAGEN, Blätter, Bd. 1, S. 47 (7.1.1820). 341 O. v. Voß an C. v. Voß, 6.4.1820, in: Nl. Voß-Buch Nr.5, Bd. 3, Bl. 53f. 342 C. v. Voß, Aufzeichnungen aus den Jahren 1813 –1842, 6.4.1820, in: ebd., Nr. 1, Bl. 6. Indirekt auch O. v. Voß an C. v. Voß, 8.4.1820, in: ebd., Nr. 5, Bd. 3, Bl. 51f. 343 C. v. Voß, Aufzeichnungen aus den Jahren 1813 –1842, 6.4.1820, in: ebd., Nr. 1, Bl. 6. 344 KRAUS, Gerlach, Teil 1, S. 101f. 339

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ständischen Neuordnung, wie sie Ludwig von Gerlach und Carl von Voß unter Berufung auf Adam Heinrich Müller und Carl Ludwig von Haller vertraten. Nach Auffassung der Mehrheit der ständepolitischen Akteure von 1820 dienten ständische Institutionen oberhalb der Kreisebene vor allem dazu, der Staatsverwaltung als eigenständiger Partner in Verhandlungen gegenüberzutreten, nicht, sie zu ersetzen. Problematisch wurde diese Auffassung seit 1810, da die Bedeutung der Stände für die Staatsfinanzen abnahm und die Stände damit immer weniger als Partner akzeptiert werden mussten. Auch hinsichtlich der Lokalverwaltung erstrebte die Staatsverwaltung mehr und mehr die Unabhängigkeit von der Mitwirkung der Gutsbesitzer. Die Schwäche der ständischen Argumentation war in dem Moment unübersehbar, als offensichtlich wurde, dass eine ständische Garantie der Staatsschulden nicht benötigt wurde. Die politisch aktiven adligen Gutsbesitzer hatten selbst durch ihre Bemühungen, eine stärkere finanzielle Belastung der Stände zu vermeiden, zu dieser Entwicklung beigetragen. Seit 1806 hatten sie sich, nicht zuletzt auf Anraten von Otto von Voß, erfolgreich dafür eingesetzt, die Kontributionsforderungen Frankreichs und die damit verbundenen Schulden und Verwaltungsaufgaben vom landschaftlichen Kreditwerk zu trennen, in der Hoffnung, die entstehenden Kosten so leichter auf die Staatskassen übertragen zu können. Nur im Sommer 1807 hatte sich der Große Ausschuss an der Übergangsverwaltung beteiligt, das ständische Komitee bestätigt und mit einer verhältnismäßig geringen Summe unterstützt. Die neueren, weit erheblicheren Provinzialschulden waren folglich nicht mit dem landschaftlichen Kreditwerk verbunden. Dementsprechend spielte die Landschaft auch bei den Versuchen, zu deren Begleichung neue Steuern zu erheben und als Stände darüber mit dem Staat in Verhandlung zu treten, keine Rolle. Nach Aufhebung des Biergeldes 1810 war das landschaftliche Kreditwerk zudem fast vollständig auf Zuschüsse aus den Staatskassen angewiesen. Das alte ständische Kreditsystem sowie dessen Ausschüsse waren also an der Bewältigung der Kriegslasten kaum beteiligt, und die ständischen Deputierten hatten zu keinem Zeitpunkt eine Initiative dazu ergriffen. Bei der Ausstellung ständischer Garantien im Gegenzug zur Verpfändung königlicher Domänen 1809 wurde ebenfalls nicht auf das landschaftliche, sondern, hier allerdings aus praktischen Gründen, auf das ritterschaftliche Kreditwerk zurückgegriffen, das zwar von den beteiligten Rittergutsbesitzern selbst verwaltet wurde, aber über die reine Kreditverwaltung hinaus keine Befugnisse und Traditionen hatte. Dass diese Kreditinstitution bis 1810 im Gegensatz zu den meisten anderen pünktlich Zinsen zahlen konnte und dies auch für die folgenden Jahre plante, zeigt im Übrigen, dass zumindest ein Teil der Rittergüter während der Kriegs- und Besatzungszeit zahlungsfähig geblieben war.345 –––––––––– 345

Zum landschaftlichen und ritterschaftlichen Kreditwerk nach 1806 vgl. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 5 –54; DERS., Kurmark 1809/10, S. 174f., S. 260 und S. 275 –279.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Landrat Rochus von Rochow schien das Scheitern ständischer Bemühungen um den Erhalt der Landschaft angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre daher bereits im Januar 1820 unvermeidlich. „Niedergeschlagen“ konstatierte er: „was vor 13 Jahren geschehen durfte, ja geschehen musste, was in den Jahren 1809 –15 konsolidiert werden konnte, ist jetzt zu spät.“346 Er erwartete zwar, dass zumindest der Große Ausschuss einberufen würde, und nahm an der Wahl Gustav von Rochows zum Deputierten teil,347 sah sich aber genötigt, dessen Überzeugung, die Einnahmen aus Hufen- und Giebelschoß sowie das Biergeld seien ständisch, zu korrigieren: Wenn die Staatsverwaltung auf die „ständische Garantie“ der Schulden verzichte und Schulden auf Rechnung des „ganzen Staates“ aufnähme, ständen diesem auch die „Intraden“ zu – nur die „aus der ständischen Verwaltung herrührenden Forderungen“, das Landschaftshaus und die aus „Überschüssen herrührenden Aktiva“ seien Eigentum der Stände. Würden letztere zur Begleichung der Provinzialschuld verwendet, sei dagegen kaum etwas einzuwenden. Dass den Ständen genehmigt werde, weiterhin in einem „perpetuirlichen Ausschuß“ zusammenzutreten, sei jedenfalls nur zu erwarten, wenn dies mit der geplanten Neuorganisation von „Landständen“ zu vereinbaren sei.348 Auch Otto von Voß, so energisch er ständischen Protest forderte, wusste um die Schwächen der ständischen Argumentation und mahnte Vorsicht an, die geringen Kosten ständischer Verwaltung als Argument zu benutzen.349 Da fiskalische und administrative Argumente nicht wirklich zur Verfügung standen, blieben den ständischen Deputierten nur solche, die die verfassungspolitische Dimension der Landschaftsaufhebung in den Vordergrund rückten. Die Eingabe gegen die Landschaftsaufhebung konnte dabei auf Informationen anspielen, dass Preußen während der laufenden Wiener Konferenzen zur Verfassungspolitik im Deutschen Bund versichert habe, die geplante Verfassung werde an die historischen Stände anschließen.350 Die Beschlüsse der Wiener Beratungen schienen tatsächlich nicht zum Vorgehen der Behörden gegen die Landschaft zu passen, und auch der sonst den alten Ständen kritisch gegenüberstehende Karl August Varnhagen von Ense wollte in diesem Punkt den ständischen Protesten die Berechtigung nicht absprechen.351 Otto von Voß erregte sich über die Behauptung vonseiten der Staatsverwaltung, die Landschaftsaufhebung widerspreche nicht der angekündigten Neueinrichtung von Provinzialständen, und seine Argumentation näherte sich dabei den Überlegungen des –––––––––– 346

R. v. Rochow an G. v. Rochow, 26.1.1820, in: Nl. Rochow, B, Nr. 30, unpag. H. v. Rochow an G. v. Rochow, 27.1.1820, in: ebd., AIII, Nr. 5, Bl. 12. 348 R. v. Rochow an G. v. Rochow, 3.2.1820, in: ebd., Bl. 8f. 349 O. v. Voß an G. v. Rochow, 29.2.1820, in: ebd., S. 22. 350 Eingabe der Deputierten zur Landschaftsauflösung an den König, datiert 29.3.1820, Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 36 –39, hier Bl. 36. 351 VARNHAGEN, Blätter, Bd. 1, S. 130 (29.4.1820). 347

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liberalen Varnhagen. Angesichts eines Artikels in der halboffiziellen Staatszeitung, der die Landschaftsaufhebung rechtfertigte, notierte Voß: „welch eine Tollheit ist es zu sagen, das alte ständische Eigentum mußte vernichtet werden, ehe das neue Verhältnis eintreten konnte, damit dieses gewiß alles geleert findet, um es von neuem zu schaffen und mit welchem Vertrauen in den Bestand? um so mehr kann man und wird so fragen, da der H. von Heydebreck dem Verordneten Collegio geantwortet hat, es bedürfe der Berufung der Stände im weiteren Ausschuss zur Abnahme der früheren Landschaftlichen Rechnungen nicht, denn an die Stelle der Stände sei jetzt getreten, der Staat! So kann sich der Staat setzen wohin er will, auch an die Stelle der künftigen Stände: vor solcher Willkühr besteht nichts.“352 Bezeichnenderweise begann er nun auch die staatliche Überwachung der Post, die zur Verfolgung „demagogischer Umtriebe“ dienen sollte, als Gefahr für die Organisation ständischen Protestes wahrzunehmen und empfahl seinem Sohn: „wo es rathsam wird, in solchem Fall die Post zu vermeiden, da sende Boten an den Landrat Friedrich von Petersdorff, welche die hiesige Provinz natürlich bezahlt: dieses werde ich bevorworten.“353 Mit der Wendung gegen staatliche Willkür rückte Voß die ständischen Anliegen in die Nähe zu Forderungen nach Partizipationsrechten im Rahmen einer Volksrepräsentation, von denen er sie ansonsten klar abzugrenzen suchte. Einerseits hielt er gerade Spanien, dessen 1812 erlassene Verfassung aufgrund revolutionärer Unruhen nach sechsjähriger Aussetzung im März 1820 wieder in Kraft gesetzt worden war, für ein warnendes Beispiel, „wie gefährlich es ist; Volksrepräsentanten einmal geschaffen zu haben“: der König werde Gefangener im eigenen Reich und der „Parteigeist“ treibe „blutiges Spiel“.354 Andererseits verlangte er für die ständischen Beratungen Rechte, wie sie die zu Beginn der 1820er Jahre der liberalen Bewegung als Vorbild geltende spanische Verfassung für die Repräsentation vorsah: „nur versteht sich, daß die Deliberationen frei sein müssen, ohne Beisein der Kommissarien, wie in der Constitution der spanischen Cortes“.355 Die Widersprüchlichkeit einer Argumentation, die einerseits gegen eine vom König sanktionierte Entscheidung unter Berufung auf Partizipationsrechte opponierte, andererseits in Abgrenzung zu Forderungen nach Volksrepräsentation behauptete, die monarchische Souveränität nicht einschränken zu wollen, war Voß durchaus bewusst. –––––––––– 352

O. v. Voß an C. v. Voß, 6.4.1820, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, Bd. 3, Bl. 53f. Ebd. Marwitz wollte bereits im Januar seine Briefe politischen Inhalts nicht mehr der Post anvertrauen: Marwitz an G. v. Rochow, 24.1.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 1, Bl. 126 –129, hier Bl. 127. 354 O. v. Voß an C. v. Voß, 6.4.1820, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, Bd. 3, Bl. 53f. Übersicht über die politische Entwicklung in Spanien: BERNECKER, Sozialgeschichte, S. 23 –51. 355 Ders. an dens., 23.4.1820, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, Bd. 3, Bl. 55f. Zur deutschen Rezeption der Verfassungsentwicklung in Spanien um 1820: DIPPEL, Bedeutung, 223 –230. 353

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Über seinen Sohn forderte er die Deputierten auf, bei der Fortsetzung des Protestes direkte Kritik an den Entscheidungen des Monarchen zu vermeiden. In Bezug auf die geplante Beschwerde beim Kammergericht gegen die Landschaftsauflösung sei die Erwähnung von Vorbehalten hinsichtlich noch bestehender Gerechtsame „zwar gegen alle und jeden, ganz recht: dagegen namentlich gegen des Königs Person, nicht rathsam: schon an sich genügt die Generalisierung in den ersteren, die Personifizierung ist bitter und gegen die höchste Person, die nun schon einmal als über aller Verantwortlichkeit erhaben angenommen wird, und in unserer Zeit klüglich auch angenommen werden muss, wirklich unehrbietig: Besser wird diese nicht genannt: Auch die Bezeichnung davor, welche durch Rath und That teilgenommen haben, ist für den König beleidigend; auch hier rathe ich verba in factum zu temperieren, also nur auf die geschehene Kränkung der Gerechtsame den Vorbehalt gegen alle und jede zu beziehen, indirect, nicht so durchaus absichtlich auf die handelnden Werkzeuge“.356 Die Anerkennung der absoluten Souveränität des Monarchen bildete für Voß keinen Wert an sich. Aus pragmatischen Gründen hielt er sie jedoch für geboten: zur Abgrenzung der eigenen Forderungen von denen nach Volksrepräsentation sowie in Rücksicht auf mögliche persönliche Kränkungen des Königs. Dass diese Sorge begründet war, belegte die scharfe Zurückweisung der ständischen Eingabe im April, die nicht nur Adolph von Rochow auf eine „ehrfurchtswidrige“ Formulierung der ständischen Eingabe zurückführte.357 Auch Varnhagen erfuhr im Mai: „Der König wollte die harte Antwort an den churmärckischen Adel nicht unterschreiben, der Kanzler bewog ihn dazu, indem er auf eine Stelle hinwies, wo der Adel in seiner Eingabe die Souveränität des Königs anzugreifen schien.“358 Auch denjenigen, die das Vorgehen der Deputierten im Einzelnen kritisierten, war letztlich bewusst, dass die Auflösung der Landschaft und damit des institutionellen Rahmens der alten Stände nicht zu verhindern war. Otto von Voß, der seinem Sohn Carl von Voß mitteilte, von einer Petition der Stände sei nichts anderes zu erwarten, als dass sie „weitläufig und matt“ ausfiel, warnte ihn gleichzeitig vor allzu starken eigenem Engagement: „[S]onst kann in einer Sache wo leider wenig zu hoffen ist, ein junger lebhafter Assessor sich leicht verbrennen, gerade auf der letzten Stufe zum Rath; du wirst also doch vorsichtig sein müssen; sapiente sat.“ Der Lohn sei, „das Vertrauen und den Beifall der Stände, einst deine Mitstände, erwerben zu können, welches früher weiter führte; freilich weniger, dem Anschein nach jetzt.“ Und so sehr Voß sich mehrfach gegen eine „neuernde Repräsentation“ ausgesprochen hatte, hielt er den Protest gegen die Aufhebung der Landschaft doch letztlich vor allem im Hinblick auf diese für notwendig: „So werden doch, wenn Repräsentanten oder Stände neuerer Zeit einst –––––––––– 356

Ders. an dens., 23.4.1820, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, Bd. 3, Bl. 55f. A. v. Rochow an G. v. Rochow, 13.6.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 127–130, hier Bl. 127. 358 VARNHAGEN, Blätter, Bd. 1, S. 144 (31.5.1820). 357

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auftreten sollten, diese den Faden wieder anknüpfen können, wo er gewaltsam gesprengt worden ist.“ 359 Adolph von Rochow brachte die Kritik an den Deputierten und zugleich das Kernanliegen, als Stände eine Stellung unabhängig von staatlicher Ordnung zu behaupten, klar auf den Punkt, als er anmerkte, es sei „weder schicklich“ mit dem Landesherrn durch „Offizianten“ zu unterhandeln, „noch rathsam“.360 Die Entscheidung, die Landschaft aufzuheben, ohne die Ausschüsse einzuberufen, stellte nicht nur den ständischen Einfluss auf politische Entscheidungen in Frage, über den sich die Betroffenen kaum Illusionen machten. Er entzog den Ständen auch ihre immediate Beziehung zum König und damit eine wesentliche Legitimationsgrundlage ihrer Existenz. Rochow war sich durchaus bewusst, dass das Ende der alten Stände unaufhaltsam war, aber er wollte das Zugeständnis vermeiden, diese würden bereits nicht mehr existieren. Deshalb betonte er, die Einberufung des Ausschusses sei der einzige legale Weg: „Alles andere ist Gewalt, die wir zwar erleiden, aber nicht gutheißen können.“ Weitere Verhandlungen und Proteste seien „nunmehr Zaubereien, die nur erbittern, ohne zu etwas zu führen.“361 Ludwig von der Marwitz ging im Rückblick auf die Übergabe der Landschaftskassen so weit, die Verordneten des Eidbruches gegenüber den Ständen zu beschuldigen: „Ueberhaupt ist in der ganzen Sache viel zu viel Fremdartiges eingemischt worden. Es ist ebenso gegangen, wie 1811. Statt bei dem Rechtsstandpunkt ruhig stehen zu bleiben, hat man sich, von innwohnender Demagogie und Liberalität getrieben, in alles eingelassen und eben deswegen notwendig Blößen gegeben. – Mit diesen Leuten, die durch Erziehung und Gewohnheit mitten in ihrem Zeitalter stehen, und bisweilen nur Erinnerungen oder Ahnungen aus anderen Zeiten haben, ist in solchen Sachen niemals etwas auszuführen.“362 Angesichts seiner schon 1811 erfolglosen Bemühungen, die adligen Gutsbesitzer von einem ständischen Gegenkonzept zu den staatlichen Reorganisationsplänen zu überzeugen, hatte er allerdings bereits im Januar 1820 seiner Forderung, „nur der Gewalt“ zu weichen, resigniert hinzugefügt: „Zuerst haben die Städte und nachher die Ritterschaft sich selbst ihr Grab gegraben, es ist geschichtlich aus mit beiden und was geschichtlich aus ist, das ist nicht wieder herzustellen, wie sehr auch einzelne besser gesinnte dabei leiden mögen.“363 Für ihn bedeuteten auch die im Namen „ständischer Verfassung“ gegen liberale Partizipationsforderungen und Volksrepräsentation gerichteten Ankündigungen der preußischen Staatsbürokratie keinen Politikwechsel gegenüber den Ständen, sondern vor allem ein Zeichen dafür, dass diese zunehmend als politisch bedeutungslos wahrge–––––––––– 359

O. v. Voß an C. v. Voß, 6.4.1820, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, Bd. 3, S. 53f. A. v. Rochow an G. v. Rochow, 13.6.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, S. 127–130, hier Bl. 128. 361 Ebd. 362 Marwitz an G. v. Rochow, 10.9.1820, in: ebd., S. 55f. 363 Ders. an dens., 24.1.1820, in: ebd., Nr. 1, Bl. 126 –129. 360

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

nommen wurden. Zur Entwicklung der preußischen Verfassungspolitik zwischen Karlsbader Kongress und Landschaftsaufhebung sowie zur zunehmenden Demagogenverfolgung schrieb er: „Nachdem sie nun in den schweren Jahren das Ganze gehörig gebraucht haben und zu merken anfangen, daß, wenn man ihm nicht Wort hält, es weit unbequemer ist, als wir, schon im äußersten Verfall begriffenen Wenigen, ist das gar nicht ihre Meinung gewesen; und der große Umtrieb, den sie selbst die ganze Zeit hindurch gespielt haben, wird zu einem Umtrieb einiger Schweine gemacht, welche sie bis dahin immer ermuntert hatten; sie wollen auf dem Alt-Hergebrachten etwas Zeitgemäßes gründen, und zum Pfande dessen werfen sie das letzte Überbleibsel des Alten um!“364 Die Vorgänge um die Landschaftsaufhebung bezeichnete er im Herbst 1820 schließlich vor allem als „merkwürdig“ für die Nachkommen.365 Marwitz sollte auch für die weitere Entwicklung Recht behalten. Die alten Stände hatten der Staatsverwaltung weder etwas zu bieten, noch konnten sie erfolgreich Forderungen an diese stellen. Gerade deshalb wurde der Rückgriff auf sie attraktiv, als die Bedenken gegen die Verleihung neuer politischer Partizipationsrechte angesichts der revolutionären Ereignisse in Südeuropa zunahmen, sich innerhalb der Staatsverwaltung eine geschlossene Opposition gegen Hardenberg formierte und der König das Vertrauen in die Politik seines Staatskanzlers verlor. Den Auslöser bildeten nicht ständische Aktivitäten sondern die Entwürfe zu neuen Kommunal-, Städte- und Kreisordnungen, die Hardenberg am 10. Oktober dem König zur Weiterleitung an das Staatsministerium empfohlenen hatte.366

c)

Den „Schlußstein der Revolution“ verhindern. Neue Hoffnungen auf Provinzialstände

Im August 1820 legte eine Kommission, die der Staatskanzler im Februar dieses Jahres unter Übergehung des eigentlich zuständigen Innenministers Friedrich von Schuckmann gebildet und dem Staatssekretär des Staatsrates Carl Ferdinand Friese unterstellt hatte, neue Entwürfe für Kommunal- und Kreisordnungen vor.367 Mit diesen sollten das gesamte Land in eine einheitliche staatliche Organisation eingebunden und damit die Bemühungen wieder aufgenommen werden, die seit der Suspendierung der Ausführung des Gendarmerie-Ediktes 1814 nicht mehr vorangekommen waren. Als Leiter der gesamten Verwaltung der Kreise sollten die Landräte endgültig zu reinen Staatsbeam–––––––––– 364

Ebd. Ders. an dens., September 1820, in: ebd., Nr. 5, Bl. 157. 366 Zu den innenpolitischen Entwicklungen zwischen Mai und Dezember 1820: LEVINGER, Nationalism, S. 152–156. 367 Keil, Landgemeinde, S. 117–119. 365

2.4. Neuausrichtung ständischer Politik 1820 –1821

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ten werden. Daneben trat allerdings nun die Stärkung der Selbstverwaltung der Einwohner durch Kreisversammlungen, die weit weniger unter staatlicher Kuratel stehen sollten, als dies für die Kreisverwaltungen im Gendarmerie-Edikt vorgesehen war. Die Mitglieder der neuen Partizipationsinstitution sollten zu einem Drittel von den im Kreise ansässigen Besitzern von Ritter- und sonstigen großen Güter bestimmt, in ihrer überwiegenden Mehrheit jedoch von den Selbstverwaltungsinstitutionen der Städte und Landgemeinden entsprechend der Bevölkerungszahl ohne Unterscheidung nach Ständen gewählt werden. Ein Mindesteinkommen, die Ausübung eines kommunalen Amtes oder die Anstellung als Staatsbeamter bildeten die Voraussetzung für das passive Wahlrecht.368 Für die Städte wurde über die Bestimmungen von 1807 hinaus der Übergang von der Bürger- zur Einwohnergemeinde angestrebt. Die Landgemeinden sollten erstmals eine einheitliche Kommunalordnung erhalten und ihre internen Angelegenheiten, die Schulzen- und Schöppenwahl, die Verwaltung des Gemeindevermögens sowie die Verteilung der Kommunalabgaben selbständig regeln. Zudem wurde ihnen die Teilnahme bei der Umlegung und Einziehung der Landesabgaben sowie an der Verwaltung der Kirchenund Schulangelegenheiten, der milden und frommen Einrichtungen sowie lokaler polizeilicher und gemeinnütziger Anstalten zugestanden. Die Berechtigung zur Partizipation an der Gemeindeverwaltung und zur Schulzenwahl wurde dabei weit gefasst: über die angesessenen Landwirte hinaus konnten „in der Regel“ alle „selbständigen Hausväter“ teilhaben. Ausgeschlossen blieben nur Tagelöhner und Dienstboten. Um auch größere Kommunalaufgaben von den Gemeinden selbst verwalten zu lassen, sollten von den Regierungen mehrere dafür zu klein erscheinende Gemeinden zu Samtgemeinden verbunden werden, denen auch die Oberaufsicht über die Finanz- und Polizeiverwaltung der Einzelgemeinden zustand. Für die Landgemeinden, deren Einwohner „noch“ unter Guts- oder Gerichtsherren standen, verblieb den Gerichtsherren bei Regelverstößen ein Einspruchsrecht gegen die Schulzen- und Schöppenwahl sowie die Polizeiaufsicht und die Polizeigerichtsbarkeit, die allerdings nur durch einen Gerichtshalter mit entsprechender Qualifikation auszuüben waren. Die Verwaltung der Rittergüter sollte getrennt von derjenigen der einzelnen Landgemeinden und der neugebildeten Samtgemeinden bleiben.369

–––––––––– 368

Entwurf wegen einem Gesetz zur Einführung einer Gemeine- und Kreisordnung, Abschrift in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, 6, 3, Bl. 91–156, hier Bl. 146 –156. Vgl. OBENAUS, Anfänge, S. 132–135; KOSELLECK, Preußen, S. 460. 369 Entwurf wegen einem Gesetz zur Einführung einer Gemeine- und Kreisordnung, Abschrift in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, 6, 3, Bl. 103 –145, bes. Bl. 131–133 und Bl. 145. Vgl. KEIL, Landgemeinde, S. 117–130; OBENAUS, Anfänge, S. 131.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Diese Gemeindeordnung stellte die Gutsherren folglich nicht direkt unter die Schulzen, wie Hans von Rochow im März 1820 befürchtet hatte,370 schränkte ihren Einfluss auf die Gemeindeangelegenheiten allerdings erheblich ein und zielte auf eine Trennung von Gütern und Landgemeinden. Gutsherrliche Polizei und Patrimonialgerichtsbarkeit sollten zwar bestehen bleiben, der Wortwahl des Entwurfes nach jedoch nur vorläufig. Indes sollten mit dem geplanten Gesetz nicht nur die Herrschaftsverhältnisse auf dem Lande grundsätzlich umgestaltet, sondern zugleich die Grundlagen für die Verfassung gelegt werden.371 In der einleitenden Motivation und Erläuterung des Gesetzesentwurfs wurde die vorgelegte Kommunalordnung als Material für die Verfassungsgebung bezeichnet, da sie die „ersten Bestandteile des Staates, wenn auch nicht völlig das Ganze im Kleinen“ betreffe. Das Prinzip einer weitgehenden Selbständigkeit in inneren Angelegenheiten wurde so auch zum Prinzip erklärt, das der künftigen Verfassung zugrunde liegen solle.372 Dies und die Wahl des größeren Teils der Kreisversammlungen nach der Bevölkerungszahl bedeuteten einen klaren Bruch mit den seit 1819 mehrfach wiederholten Versicherungen, die Verfassung werde nur eine Vertretung von Ständen zulassen und diesen nur konsultative Befugnisse zubilligen.373 Als Hardenberg die Entwürfe dem König im Oktober zur Weiterleitung in das Staatsministerium empfahl, bildete dies die formale Grundlage dafür, dass sich innerhalb der Staatsverwaltung eine Opposition gegen die Verfassungspläne Hardenbergs formierte. Die Anregung dazu ging vom Schwager des Königs, Herzog Carl von Mecklenburg aus. Er forderte im November 1820 den königlichen Hausminister Fürst Wittgenstein, der im engen Kontakt mit dem Kronprinzen stand, zu gemeinschaftlichem Vorgehen gegen die bisherigen Verfassungsplanungen auf. Das erste Ziel des neugebildeten informellen, aber vom König genehmigten Zusammenschlusses bestand darin, die vollständige Verwerfung der Gesetzesentwürfe zur Kommunal- und Kreisordnung durchzusetzen.374 Die Grundlage dafür lieferten ein vom Herzog von Mecklenburg selbst angefertigter Aufsatz,375 ein weiterer von Ludolph Beckedorff 376 sowie ein Aufsatz und ein ausführliches Gutachten, die Otto von Voß, zu dem der König offen–––––––––– 370

H. v. Rochow an G. v. Rochow, 15.3.1820, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 5, Bl. 18. OBENAUS, Anfänge, S. 136. 372 Entwurf wegen einem Gesetz zur Einführung einer Gemeine- und Kreisordnung, Abschrift in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, S. 6, S. 3, Bl. 91–101, hier Bl. 91 und Bl. 158f. 373 Vgl. OBENAUS, Anfänge, S. 137–139. 374 Mecklenburg an Wittgenstein, 11.11.1820, in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, 6, 6, Bl. 72. Vgl. auch im Folgenden: HAAKE, Verfassungskampf, S. 100 –102; OBENAUS, Anfänge, S. 140 –147. 375 Mecklenburg, Über repräsentative Verfassung in Preußen, 25.10.1820, in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, 6, 6, Bl. 63f. 376 Beckedorff, Über den Unterschied zwischen ständischen Verfassungen und Repräsentativ Regierungen, eingereicht 6.11.1820, in: ebd., Bl. 69f. und Bl. 76. 371

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sichtlich bereits vor Oktober 1820 über den Oberhofmeister Freiherrn Friedrich von Schilden in Kontakt getreten war, am 16. November einreichte.377 In einem kurzen Aufsatz konstatierte Voß zunächst, dass die möglichst vollständige Selbstverwaltung aller Angelegenheiten durch die Betroffenen, die in der Begründung der Gesetzesentwürfe als Grundlage einer zukünftigen Verfassung bezeichnet wurde, Preußen entgegen den Wiener Beschlüssen in eine „sehr beschränkte“ konstitutionelle Monarchie verwandeln würde.378 In dem eigentlichen Gutachten schritt Voß von diesem Befund ausgehend zur prinzipiellen Ablehnung einer allgemeinen Kommunalordnung für die Monarchie fort. Nur Provinzial-Kommunalordnungen seien möglich. Zur Erarbeitung von diesen seien aber Beratungen mit Provinzialständen nötig, die zuvor soweit wie möglich wiederhergestellt werden müssten.379 Die Befestigung von Ständegrenzen im Politischen durch Gewährung von Beratungsrechten auf provinzialer Ebene wurde damit von Voß zur Grundlage einer stabilen monarchischen Gewalt erklärt. Dass der Erhalt von Vorrechten der Gutsbesitzer dafür die Voraussetzung bilde, stellte Voß in einem weiteren Aufsatz vom Dezember 1820 klar: „Denn Gliederung und Abstufung der verschiedenen Stände ist der gesellschaftlichen Ordnung heilsam, und in der monarchischen wesentlich: und dem bäuerlichen Stand kann der Abdruck davon nicht sinnlich nahe genug sein.“380 Voß’ wachsender Einfluss beim König trug dazu bei, dass die Entwürfe für veränderte Kommunal-, Städte- und Kreisordnungen im Dezember einer Kommission unter Vorsitz des Kronprinzen zur Begutachtung vorgelegt wurden, die diese vollständig verwarf und im März dem König ein alternatives Vorgehen in der Verfassungsfrage vorschlug: Zunächst sollten vorläufige Provinzialversammlungen gebildet werden, mit denen dann über Veränderungen der Kommunal- und Kreisordnung sowie über die endgültige Form der Provinzialstände verhandelt werden könne.381 Dennoch sanken bereits im Januar 1821 die Hoffnungen Otto von Voß’ wieder, dass eine „Lösung der Staatsübel“ bevorstehe. Als seine größte Sorge bezeichnete er, dass zwar tatsächlich eine neue Kommission zur „Ausmittlung der ständischen Verhältnisse“ zustande käme, deren Basis aber „lähmende“ oder „verschrobene“ Instruktionen bilden –––––––––– 377

C. v. Voß, Aufzeichnungen, in: Nl. Voß-Buch Nr. 31, Bl. 2. Zur Rolle von Voß vgl. LEVINGER, Nationalism, S. 154 –157. 378 O. v. Voß, Aufsatz über Verfassung, 16.11.1820, in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, 6, 1, Bl. 2f. 379 Ders., Gutachten zu Kommunalordnungsentwürfen, 16.11.1820, in: ebd., V, 6, 7, Bl. 81f., Bl. 76 und Bl. 83. 380 Ders., Bemerkungen zum Gutachten Bülows zu den Kommunalordnungsentwürfen, 11.12.1820, in: ebd., Bl. 143. 381 OBENAUS, Anfänge, S. 141–145.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

würden und an der er daher nicht mitwirken wolle.382 Nach Beratungen über das weitere Vorgehen in Berlin, konstatierte er im April 1821: „Das große Theater wird von zu mittelmäßigen, wo nicht gar schlechten Personen bedient.“383 Da Voß dem Fürsten Wittgenstein, der weitgehend mit ihm einer Meinung war, die Fähigkeit zu Verhandlungen über Verfassungsfragen nicht zutraute, fürchtete er zunehmend, dass der Einfluss des Staatskanzlers wieder erstarken würde und erwartete für das Ziel von Provinzialständen nichts „ersprießliches“: „Zu der beabsichtigten Unterhandlung ist schon an sich der Fürst W. nicht der rechte Mann: und der St[aats]K[anzler] wird dafür nicht bloß taub sein, sondern gar keine Ohren haben.“384 Im Mai glaubte er schließlich, obwohl die Unterstützung des Königs für die Vorschläge der Kronprinzenkommission offensichtlich war, die Hoffnung auf eine verfassungspolitische Entwicklung in seinem Sinne ganz aufgeben zu müssen: „Klüglich werde ich mich wohl ganz aus der Sache ziehen, sie ist, wie ich mit Bedauern vorher gesehen habe, durch die gegebene Richtung verschnitten: aus einem verschnittenen Stoff macht auch der beste Schneider keinen erträglichen Rock.“385 Im Juni 1821 entschied der König endgültig gegen die Einwände und Veränderungswünsche Hardenbergs hinsichtlich des weiteren Vorgehens in der Verfassungsfrage.386 Waren mit der Verkleinerung der Gendarmerie im Dezember 1820 dem Plan einer Verstaatlichung der ländlichen Verwaltung bereits wesentliche administrative Grundlagen entzogen worden,387 so hatte nun mit dem Staatskanzler auch die Staatsverwaltung insgesamt die Möglichkeit verloren, den Ausbau der Staatsgewalt auf dem Wege der Verfassungsgesetzgebung voranzutreiben. An der starken Position der Staatsverwaltung unter Führung des Kanzlers änderte sich mit dessen Ausscheiden aus den Verfassungsplanungen jedoch zunächst wenig. Otto von Voß war sich zudem bewusst, dass er selbst von der Opposition gegen Hardenberg mehr verwendet wurde, als dass er sie anleitete. Im August notierte er in Anspielung auf seinen eigenen Namen, der im Niederdeutschen „Fuchs“ bedeutet, und auf den Namen des Fuchsbaus in der Fabel von „Reinecke Fuchs“: „Die Noth des Staats mit seinem gegenwärtigen Kanzler wird immer dringender gefühlt, wie man aber den ersteren aus des letzteren Händen reißen kann, das weiß man nicht; und will, daß ich dazu eine Pfote nach der anderen hergeben, und vielleicht, da mein Malepartus nur noch in der Idee existiert, in den Bau eines anderen Fuchses fallen soll.“388 Voß‘ Sohn, dessen später politisch bedeutsame –––––––––– 382

O. v. Voß an C. v. Voß, 1.1.1821, in: Nl. Voß-Buch Nr. 5, III, Bl. 41. Ders. an Dens., 1.4.1821, in: ebd., Bl. 27f. 384 Ders. an Dens., 26.4.1821, in: ebd., Bl. 23f. (Hardenberg war tatsächlich zunehmend schwerhörig). 385 Ders. an Dens., 26.5.1821, in: ebd., Bl. 20. 386 OBENAUS, Anfänge, S. 146 –148. 387 KOSELLECK, Preußen, S. 460f. 388 O. v. Voß an C. v. Voß, 15.8.1821, in: Nl. Voß-Buch, Nr. 5, Bd. 3, Bl. 15f. (Anspielung 383

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enge persönliche Bindung zum Kronprinzen sich abzuzeichnen begann, bezweifelte dagegen – geprägt von den Berliner ultrakonservativen Gesprächskreisen –, ob sein Vater, der ehemalige Minister, überhaupt geeignet sei, eine grundsätzliche Wende der preußischen Innenpolitik einzuleiten, denn dieser sehe die „Keime des Jakobinismus“ nicht.389 Die gesetzliche Abwicklung der verbliebenen lokalen Verwaltungs- und Justizrechte der Rittergutsbesitzer war mit der Zurückweisung der von Friese und seinen Mitarbeitern vorgelegten Entwürfe zu Kreis- und Kommunalordnungen vorläufig zum Erliegen gekommen. In der Kronprinzenkommission wurde zwar noch im Frühjahr 1821 über eine allgemeine Kommunalordnung diskutiert, die Innenminister Schuckmann und der ehemalige Erzieher des Kronprinzen Ancillon vor Provinzialständen einführen wollten, aber Wittgenstein, der erst deren Bildung abwarten wollte, setzte sich durch und die Arbeiten an neuen Entwürfen wurden erst 1823 wieder aufgenommen.390 Die Einschränkung der gutsherrlichen Befugnisse durch Verwaltungsverfügungen setzte sich im Laufe des Jahres jedoch fort. Im Februar forderte das Frankfurter Oberlandesgericht Otto von Voß zur Reorganisation der Patrimonialgerichtsverwaltung auf einem Teil seiner Güter auf und drohte für den Fall, dass die Anweisungen nicht umgesetzt würden, mit vollständiger und endgültiger Übertragung an ein benachbartes Gericht. Voß, der in der Sache das Anliegen der Regierung durchaus billigte, erwog aber dennoch einen sofortigen Protest, „denn wie die Androhung gestellt ist, spricht der Offizianten Despotismus sich unerträglich aus.“391 Im Mai publizierte das Amtsblatt der Potsdamer Regierung eine Bekanntmachung des Kammergerichtes, dass künftig die Anstellung von Justizpersonal bei den Patrimonialgerichten nur noch interimistisch bis zur „bevorstehenden“ Errichtung von Kreisgerichten und einer künftigen Zusammenlegung mit Stadtgerichten vorzunehmen sei.392 Gustav von Rochow regte sofortigen Protest der Kreisstände an und stieß damit auf breite Zustimmung.393 Am deutlichsten sprach sich Adolph von Rochow aus: „Nun, die Herrn mögen nur zusehen, wie sie sich betten!!! Sie mögen nur jeden Einfluss ihrer Getreuen, Edlen auf das Volk in die Hände einer schlecht gesinnten Beamtenschaft legen, und wir werden sehen, ob man ihnen nicht eine spanische Konstitution unter die Nase halten wird. Dann werden wir hoffentlich –––––––––– 389

C. v. Voß: Aufzeichnungen vom 12.2.1821, in: ebd., Nr. 1, Bl. 8f. Das gespannte Verhältnis der Berliner „Ultras“ zur älteren Generation der Politiker, die durch das Ancien Régime geprägt wurden, schildert eindrücklich Achim von Arnim in seiner 1823 entstandenen Novelle „Metamorphosen der Gesellschaft“, in: ARNIM, Werke, S. 227–328. 390 C. v. Voß, Aufzeichnung vom 4.4.1821, in: Nl. Voß-Buch Nr. 1, Bl. 10. KEIL, Landgemeinde, S. 131–133. 391 O. v. Voß an C. v. Voß, S. 18./19.2.1821, in: ebd., Nr. 5, Bd. 3, Bl. 31–34, hier Bl. 31 und Bl. 34. 392 Amtsblatt der Kgl. Regierung zu Potsdam 1821, Stück 21, S. 103. 393 Eingabeentwürfe und Briefwechsel, 1821, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 8, S. 1– 94.

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unsere Pflicht tun, und uns für unseren verblendeten König in Stücke hauen lassen, das wird ihm aber so wenig helfen als die schöne Tat der Garde du Corps in den Tullerien Ludw[ig] XVI.“394 Der Justizminister Friedrich Leopold von Kircheisen versicherte Gustav von Rochow jedoch kurz darauf, dass Eingriffe in die Patrimonialgerichtsbarkeit in den alten Provinzen nicht geplant seien und er deswegen eine Verfügung an das Kammergericht erlassen habe.395 Bereits zuvor hatte der König, zu dem Gustav von Rochow über Friedrich von Schilden Kontakt aufgenommen hatte, diesem mündlich versichert, dass von ihm keine Eingriffe zu erwarten seien, und zugleich angekündigt, dass „binnen sehr kurzer Zeit eine Behörde konstituiert werde, die dem Vertrauen der alten Provinzen vollkommen entsprechen würde.“396 Die dauerhafte Anstellung von Juristen bei den Patrimonialgerichten blieb allerdings für die Justizbehörden angesichts der stets bestehenden Möglichkeit, dass die Gerichtsherrn freiwillig eine Übertragung der Gerichtsbarkeit an ein staatliches Gericht einleiteten, auch unabhängig von Planungen zu einer gesetzlich eingeleiteten Verstaatlichung der Gerichte nicht zuletzt ein finanzielles Problem. Die Bestätigung der Jurisdiktionarien erfolgte daher auch weiterhin oftmals nur vorläufig. Der Landrat der Zauche konstatierte, dies biete „einen neuen Beweis, dass die Justizbehörden ihren ruhigen Gang gehen. Wir haben, wenn es Zeit zu sprechen war, zu oft geschwiegen. Jetzt sind wir überall nicht allein beschränkt, sondern eingeengt, und schwerlich dürften wir wieder dahin kommen, wo wir waren und von wo aus wir aufrüttelnd vorschreiten konnten. Die Conferentzia in den Jahren 1807 werden mir stets denkwürdig bleiben.“397 Blieb es in Hinblick auf die Einschränkung der Patrimonialgerichtsbarkeit zunächst nur bei Ankündigungen, hatte die vom Finanzminister Klewitz im Herbst 1821 eingeleitete und mit Kostenersparnis begründete Zusammenlegung der Kreiskassen mit staatlichen Steuerämtern einschneidende Folgen, denn die Kreisstände verloren damit ihre Rolle bei der Finanzverwaltung. Trotz der Eingaben mehrerer Kreise, die auf die existentielle Gefährdung der Kreisstände sowie die dann drohenden demokratischen Tendenzen hinwiesen, und trotz des persönlichen Einsatzes von Innenminister Schuckmann, Otto von Voß und dem Kronprinzen gelang es nicht, die Verstaatlichung der Kassen aufzuhalten.398 Das Vorgehen der Staatsbehörden in dieser Angelegenheit stieß auf umso größeres Unverständnis, als die Pläne zur Herstellung von Provinzialständen den meisten Gutsbesitzern bekannt waren.399 –––––––––– 394

A. v. Rochow an G. von Rochow, 7./10.6.1821, Auszug in: ebd., S. 69f. R. v. Rochow an G. v. Rochow, 13.6.1821, mit Auszug aus einem Brief Kircheisens, in: ebd., S. 99 –101. 396 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 5.6. und 7.6.1821, in: ebd., S. 47– 49 und S. 57– 60. 397 R. v. Rochow an G. v. Rochow, 19.10.1821, in: ebd., Nr. 7, unpag. 398 Zu den Debatten um die Keiskassen im Herbst 1821: Nl. Rochow, A III, Nr. 7. 399 Vgl. ebd., Nr.7 und Nr. 8, passim. 395

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Die sich abzeichnende verfassungspolitische Wende bedeutete also keineswegs das Ende der seit Beginn der Reformzeit anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen den Besitzern adliger Güter und der Staatsverwaltung. Vor diesem Hintergrund begannen einzelne politisch aktive adlige Gutsbesitzer, sich nicht mehr auf Kritik und Maximalforderungen zu beschränken, sondern eigene pragmatische Zukunftsprogramme zu entwickeln. Bereits Anfang des Jahres 1821 widersprach Gustav von Rochow seinem Schwager Ludwig von der Marwitz, der in einer kurzen Schrift über zeitgenössische Darstellungen der Regierungsperiode Hardenbergs zu beweisen suchte, dass durch die Reformgesetze seit 1810 bereits eine Revolution in Preußen vollzogen sei und durch die erwartete Konstitution sowieso nur noch bestätigt würde. Grundsätzlich gab er Marwitz hinsichtlich dessen Analyse Recht, dass sich seit dem 17. Jahrhundert eine Herrschaft der Theorien und des Geldes entwickelt habe und dass „moderne Constitutionen“ eine Umkehr unmöglich machen würden. Aber er betonte: „Diese letztere Barriere ist bey uns noch nicht gezogen, und deshalb rede ich der Wiederherstellung der Provinzial Stände Verfassung so eifrig das Wort, weil hierdurch wenigstens jener Schlußstein der Revolution noch zurückgedrängt wird. Außerdem sind diese Institutionen ihrer Natur nach ein Mittel, der Macht der Theorie und des Geldes entgegen zu wirken, indem dadurch, daß durch sie ein anderer Standesunterschied und bleibende Autoritäten gebildet und befestigt werden können als diejenigen, welche der Geld und Bildungs Aristocratismus gewähren, sie letzteren einen Feind entgegensetzen. Sichert man diesen verschiedenen Ständen nur eigentümliche Stellungen und Beziehungen [so]wie eine eigentümliche ungestörte Wirksamkeit zu, so wird sich schon wieder ein anderer Geist als der des Speculierens und neuerlichen Herausdrängens aus den natürlichen Sphären erzeugen.“400 Zudem kritisierte Rochow scharf die Behauptung von Marwitz, es gebe keinen echten Adel mehr, sondern nur noch Träger von Adelstiteln. Zunächst verwies er darauf, dass der Besitzumfang verschiedener adliger Geschlechter immer noch bedeutend sei, von Überschuldung zumindest bei den Lehngütern keine Rede sein könne und auch die Zahl der bürgerlichen Gutsbesitzer weit weniger bedrohlich anwachse, als Marwitz dies andeute. Er fügte hinzu: „Was nun den erloschenen Geist betrifft, so halte ich es für möglich, durch eine bestimmte politische Stellung des Adels und durch eine zweckmäßige Standes Erziehung in kommenden Geschlechtern um so leichter ihn herzustellen, als ich mit Freuden erfahre, daß schon ein großer Theil der heutigen jungen Edelleute –––––––––– 400

G. v. Rochow an Marwitz, Februar/März 1821, in: ebd., Nr. 9, Bl. 31–33, hier Bl. 31. Der Text von Marwitz: Über die Schriften „Verwaltung des Staatskanzlers v. Hardenberg“ von Benzenberg und „Ein Punkt aufs I“ vom Herrn v. Bülow, Februar 1821, Abschrift in: ebd., Bl. 14 –30. Druck des Originalmanuskripts in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 266 –279. Marwitz bat, seine Schrift nur ohne Namensnennung und nur in einer geringen Zahl von Abschriften weiterzuleiten: Marwitz an G. v. Rochow, 13.2.1821, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 9, Bl. 10 –12, hier Bl. 10.

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adlicher gesinnt ist, als in der Regel ihre Väter es sind. Sehr wohl sehe ich ein, daß jener Weg nicht allein es ist, der zu einem besseren Zustande führen kann, ja daß durch ihn gar nichts bewirkt wird, wenn die Monarchie nicht ernstlich sich abkehre von den gegenwärtigen Systemen, wenn sie nicht abschwöre allen Theorien, nicht wahre Gerechtigkeit übe, und vor allen Dingen, wenn sie nicht anfange weniger zu regieren, wo sie denn auch weniger Regierer und weniger Geld brauchen werde.“401 Rochow erhoffte sich also von reorganisierten Provinzialständen eine langfristige Wirkung auf die politische Entwicklung, von der verschiedene Adelsgeschlechter profitieren würden, und sah darin die Zukunft des Adels. Marwitz hielt seinem Schwager daraufhin vor: „Es ist mir äußerst störend, daß, bei Ihrer richtigen Einsicht in das Wesen der Dinge, Sie sich noch immer mit einem Phantom herumschlagen und sich nicht entschließen können es fahren zu laßen, nemlich mit der Existenz des Adels. Dieses Phantom wird Ihnen in Ihrem Leben noch manche unangenehme Stunde bereiten, da sie es für etwas wirkliches nehmen, und da es, sobald es, als solches, in der Wirklichkeit wird auftreten sollen, Sie jedesmal im Stiche lassen und seiner Natur nach wie ein Luftgebilde zerfließen wird, wie Sie das schon erlebt haben.“ Anschließend stellte er seine Argumente dafür zusammen, dass ein Adel nur durch gesicherten und ihm vorbehaltenen Grundbesitz und ein daraus resultierendes rechtliches Verhältnis zum Staat existieren könne.402 Rochows Äußerungen entbehren der intellektuellen Schärfe der Argumentation von Marwitz, doch seine Konzentration auf einzelne Adelsgeschlechter entsprach weit eher der Selbstwahrnehmung der politischen Akteure, die als Vertreter des Adels auftraten, als die Theorien seines Schwagers vom „Wesen“ des Adels.403 Dieser pragmatische politischer Kurs eröffnete Rochow ebenso wie anderen Adligen, die ihn verfolgten, nicht nur persönliche Karierremöglichkeiten im Staatsdienst, sondern trug auch dazu bei, einer großen Zahl adliger Gutsbesitzer eine herausgehobene politische Stellung zu sichern, die letztlich doch der Bedeutung des brandenburgischen Adels insgesamt zugutekam. In einer im Februar 1821 verfassten Denkschrift hatte Gustav von Rochow versucht, dem König die Ungefährlichkeit von Provinzialständen für die königliche Entscheidungsgewalt und zugleich ihren Nutzen für die gesellschaftliche Stabilität darzustellen. Zugleich zeigte er darin die Einsicht an, dass den Bürgerlichen und Landgemeinden, die Rittergüter besitzen, Teilnahme an den ständischen Beratungen gewährt werden müsse, wenn auch nicht unbedingt in Form einer vollständigen Gleichstellung mit den –––––––––– 401

G. v. Rochow an Marwitz, Februar/März 1821, in: ebd., Bl. 31–33, hier Bl. 32f. Marwitz an G. v. Rochow, 20.3.1821, in: ebd., Bl. 45f. 403 Zur Bedeutung der einzelnen Adelsfamilie für das Selbstverständnis von Adligen im beginnenden 19. Jahrhundert vgl. FRIE, Marwitz – Biographien, S. 38f. und S. 289f. 402

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altangesessenen Adelsfamilien. Auch die Gewährung von ständischen Beratungsrechten an die Bauern erkannte er als unvermeidlich an.404 Im April erhielt Rochow Gelegenheit, dem König die historischen Sehenswürdigkeiten der Stadt Brandenburg zu erläutern, über die er für die dort ansässige Ritterakademie eine Broschüre verfasst hatte.405 Der persönliche Kontakt trug dazu bei, dass seine Denkschrift, die vom Oberhofmeister Schilden dem König zugeleitet worden war, von diesem wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde.406 Adolph von Rochow meinte, als er von den Gesprächen seines Vetters mit dem König in Brandenburg erfuhr, dass durch solche „kleinen Dinge“ auch Großes verändert werden könne, zeigte kurz darauf zugleich aber Unverständnis, dass trotz der lobenden Äußerungen des Königs zu Gustav von Rochows Denkschrift kein genereller Politikwechsel stattfand.407 Stärker als sein Verwandter behielt Adolph von Rochow – neben dem Gedanken eines besonderen adligen Treueverhältnisses zum Monarchen – die Betonung des eigenen Rechtes adliger Herrschaft bei. In Anspielung auf eine für möglich gehaltene slawische Herkunftsgeschichte der Rochows fragte er ironisch an: „Hast du ihm dort aufgewartet, und die Honneurs dieser von unserem Vorfahren Jaczo besessenen Stadt gemacht?“408 Zudem verglich er seinen Vetter Gustav aufgrund von dessen persönlichem Engagement in Anspielung auf Friedrich Schillers Tragödie „Don Carlos“ mit „Posa vor Philipps Thron“.409 Das nur kurzfristig erfolgreiche Plädoyer für eine auf Gewährung von „Gedankenfreiheit“ beruhende Versöhnungspolitik des spanischen Königs gegenüber den Niederlanden, das Schiller einem Marquis de Posa zuschrieb, setzte Adolph von Rochow damit dem persönlichen Eintreten für die ständischen Rechte in Brandenburg beim preußischen König gleich, das Gustav von Rochow unternahm, wobei er sich –––––––––– 404

G. v. Rochow, Eines Landedelmannes aus der Erfahrung abstrahierte Ansicht über ProvinzialStände-Verfassungen, Februar 1821, in: ebd. Nr. 9, Bl. 2– 9. Nachtrag vom März 1821 in: ebd., Bl. 34 – 40. Gekürztes Konzept vom 19.4.1821 in: ebd., Bl. 49 –57. 405 G. v. Rochow, Nachrichten über Brandenburg und dessen Alterthümer, 1821, Konzept in: Nl. Rochow, A I, Nr. 9, unpag. Die spätere Druckfassung: DERS., Geschichtliche Nachrichten. Breiten Raum nehmen darin die mittelalterlichen Bündnisse zwischen den Rochows und der Neustadt Brandenburg ein: ebd., S. 23 –26. 406 Schilden an G. v. Rochow, 25.4.1821, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 9, Bl. 58. Auch dass Rochows Denkschrift keine komplizierten Überlegungen enthielt, mag zur positiven Aufnahme beigetragen haben. 407 A. v. Rochow an G. v. Rochow, 28.4. und 15.5.1821, in: ebd., Bl. 63f. und Bl. 66f. 408 Ebd., Bl. 63f. Zu Jaczo [auch Jacza oder Jasca/Jaxa von Köpenick], der die Burg Brandenburg als Erbe beanspruchte und sie um 1157 von Albrecht eroberte, aber kurz darauf wieder verlor: SCHULTZE, Brandenburg, Bd. 1, S. 73f.; PARTENHEIMER, Albrecht; LINDNER, Jaczo. 409 A. v. Rochow an G. v. Rochow, 28.4.1821, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 9, Bl. 63f. Vgl. Friedrich Schiller, Don Carlos, III. Akt, 10. Auftritt.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

auf sein gutes Verhältnis zum preußischen Kronprinzen stützte, so wie Posa bei Schiller auf seines zum spanischen. Adolph von Rochow deutete dabei an, dass das Auftreten seines Verwandten zwar ehrenvoll sei, aber aufgrund höfischer Intrigen diesem persönlich gefährlich werden und dennoch letztlich vergeblich sein könne. Gustav von Rochow setzte dessen ungeachtet seine Bemühungen um ein politisches Programm fort, das ohne eine vollständige Revision der bisherigen Ergebnisse der Reformpolitik den adligen Gutsbesitzern eine herausgehobene Stellung in den sich abzeichnenden neuen gesellschaftlichen Strukturen sichern sollte. Als im November unter Vorsitz des Kronprinzen die bereits im Juli angekündigte Kommission zusammentrat, die „über die einstweilige Zusammensetzung und Zusammenberufung der Provinzialstände“ beraten sollte und an der auch Otto von Voß beteiligt war,410 entwickelte Rochow in einem kurzen Aufsatz seine Vorstellungen, die er im Dezember dem Kronprinzen zukommen ließ. Er regte an, dass durch eine im Wahlrecht verankerte generelle Bevorzugung des ererbten oder unveräußerlichen Grundbesitzes vor dem neu erworbenen die Entwicklung einer „Territorial-Aristokratie“ angeregt werden solle, „in der der alte Geschlechtsadel nicht mehr isoliert bestehend, den obersten Platz deshalb innehat, da dann nach Gewohnheit derjenige Besitz am ehrwürdigsten, der am ältesten“ sei.411 Rochow nahm damit Gedanken von Marwitz zur Sonderstellung des unveräußerlichen Grundbesitzes auf. Aber während dieser einen radikalen Bruch mit den bestehenden Verhältnissen forderte, zielte Rochow auf einen Kompromiss und erhoffte sich langfristige Wirkungen. Marwitz erwartete dagegen wenig von der neuen Kommission, wenn dem „Regieren“ durch die staatliche Verwaltung auf Kreis- und Provinzebene nicht enge Schranken gesetzt würden: „Diese Schranken können aber nicht anders gefunden werden, als in einer Ordnung der Dinge, die ich einmal Kreis- und Provinzialordnung nennen will, und welcher das innere Regiment zustehen muß, wodurch denn die jetzige Klicke überflüssig wird.“ Auch die Justiz sollte dem staatlichen Zugriff entzogen werden, wobei Marwitz sich angesichts der mehr und mehr nur symbolischen Rechte der Inhaber der Patrimonialgerichtsbarkeit am Modell der englischen Friedensrichter orientierte. Zudem zeigte er wenig Vertrauen zu Voß, der immer „Minister und Landschaftsdirektor“ gewesen sei, nicht „Landstand“.412 Überhaupt hielt er es für „[b]edenklich, wenn jetzt verdächtig [sei,] etwas Neues zu wollen, so, wie vor wenigen –––––––––– 410

Zur Zusammensetzung und Tätigkeit dieser Kommission: OBENAUS, Anfänge, S. 151–156. G. v. Rochow, Gedanken über die landständische Verfassung der Kurmark. Ein Fragment“, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 6, Bl. 1– 4. Leicht veränderte Abschrift für den Kronprinzen vom 1.12.1821 in: ebd., Nr. 9, Bl. 102–105. 412 Marwitz an G. v. Rochow, 8.11.1821, in: ebd., Bl. 70 –72. Zu Marwitz’ Überlegungen vgl. FRIE, Marwitz – Biographien, S. 302f. 411

2.4. Neuausrichtung ständischer Politik 1820 –1821

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Jahren etwas altes zu erhalten“ – dies spreche dafür, dass „blos eine Reaction zweier Partheien gegeneinander“ stattfinde.413 Die Vorschläge von Marwitz, wie der einer Besitzbindung bei den zur Repräsentation zugelassenen Bauern, wurden von Rochow dankbar aufgriffen, und Rochow bat Marwitz – allerdings vergeblich – ihm einen Aufsatz mit Vorschlägen bezüglich der Provinzial- und Kreisordnungen zukommen zu lassen, den er dem Kronprinzen überreichen könne. Er sah sich aber weiter einem pragmatischen Vorgehen und der Suche nach Kompromissen mit den Vertretern der Staatsverwaltung verpflichtet und beharrte auf seiner Vorstellung von einer neuen „Territorial Aristocratie ganz ohne Constitution u[nd] Diplome“ als Gegengewicht zur „Herrschaft des Geldes“ in den Städten. Durch diese erhalte der alte Geschlechtsadel eine „natürliche hohe Würde“ und seine Stellung verliere ihr „Gehässiges“.414 In seinem Vorgehen wurde Gustav von Rochow durch seinen Bruder Theodor unterstützt, der mit Blick auf die Kronprinzenkommission im Oktober 1821 forderte: „Vor allem nötig scheint es mir, dass sie sucht, einen Zustand des Rechts wieder eintreten zu lasse – der fehlt überall und wird nirgends anerkannt – Sind wir aber erst im Besitz desselben, dann werden wir uns auch gefallen lassen können, von manchem abzustehen – doch wissend, dass wir etwas behalten werden dürfen, während wir jetzt auf nichts rechnen müssen und völlig, um mich gelinde auszudrücken, dem Hazard ausgesetzt sind.“415 Angesichts der ungeklärten Verhältnisse könne man mit „Schonung“ schon zufrieden sein.416 Im November hielt Theodor von Rochow schließlich Überlegungen für nötig, wie „Ansprüche revolutionairer Elemente mit alter Gerechtsame“ vereinbart werden könnten, um „nicht von einem Extrem zum anderen“ überzugehen und nicht „von der Demokratie in die Despotie“ zu geraten. Der Adel als „20 Jahre unterdrückter Stand“ sei zwar zu berücksichtigen, aber auch andere Stände seien zu Forderungen berechtigt. Als einzigem in der Kronprinzenkommission traute er Otto von Voß eine Vorstellung zu, wie den „Anmaßungen der Neuerer ein Ziel zu setzen“ sei.417

–––––––––– 413

Ders. an dens., 21.11.1821, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 9, Bl. 78 – 81. G. v. Rochow an Marwitz, 8./14.11.1821, in: ebd., Bl. 73 –75. Zur pragmatischen Verwendung von Marwitz Argumenten durch Rochow vgl. FRIE, Marwitz – Biographien, S. 290. 415 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 21.10.1821, ebd., Nr. 7, unpag. Kurz darauf hatte er seiner Verbitterung über die schwelenden und unentschiedenen Konflikte um Patrimonialgerichtsbarkeit und Kreiskassen dadurch Ausdruck gegeben, dass er, zum Entsetzen des Landrates von Rochow, die Ministerial- und Regierungsbeamten kollektiv als „Pack“ bezeichnete: Ders. an dens., 30.10.1821, und R. v. Rochow an G. v. Rochow, 3.11.1821, in: ebd. 416 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 30.10.1821, in: ebd., Nr. 7, unpag. 417 Ders. an dens., 16.11.1820, in: ebd., Nr. 9, Bl. 76f. 414

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Der Weg zu einem Elitenkompromiss zwischen ständisch argumentierenden Adligen und den sich als Organe der Souveränität des Königs betrachtenden Vertretern der Staatsverwaltung begann sich abzuzeichnen.

2.5. Adlige Gutsbesitzer und die Neuausrichtung der Verfassungspolitik 1821: Neue politische Bedeutung Durch die Zurückweisung der Kommunalordnungsentwürfe und die Übertragung der Verfassungsplanung an die Kronprinzenkommission waren weitere gesetzliche Eingriffe in die gutsherrlichen Rechte und eine vollständige Auflösung der ständischen Verhältnisse durch eine Verfassung zunächst aufgeschoben. Dass damit „der feudalständisch orientierte Adel, besonders der brandenburgische“ einen Sieg errungen hätte, wie Herbert Obenaus konstatiert,418 lässt sich allerdings nur bedingt behaupten. Denn weder kann ein ausschlaggebender Einfluss von dessen Vertretern auf die dazu führenden politischen Entscheidungen nachgewiesen werden, noch war das ständische Kernanliegen, die Sicherung politischer Bedeutung unabhängig vom Staat und seiner Verwaltung, damit erreicht. Allenfalls zeichnete sich eine „Schonung“ adliger Gutsbesitzer ab, wie sich Theodor von Rochow ausdrückte. Um dies zu verdeutlichen, ist zunächst auf die Ursachen des Scheiterns der Verfassungspläne Hardenbergs einzugehen. Thomas Stamm-Kuhlmann und Mathew Levinger haben mit einer Vielzahl von Belegen verdeutlicht, dass die Repräsentationspläne des Staatskanzlers nach 1815 nicht darauf abzielten, den Repräsentanten entscheidenden Einfluss auf die Gesetzgebung und Verwaltung zu gewähren, sondern als Teil der Bemühungen zu verstehen sind, das von der Staatsverwaltung verfolgte Ziel einer Durchsetzung staatlicher Ordnung sowie die mit diesem Ziel in engem Zusammenhang stehenden Pläne zu Finanz- und Wirtschaftsreformen gegen Widerstände zu erreichen. Spätestens ab 1819 trat das Ziel hinzu, die als revolutionäre Bedrohung wahrgenommene liberale Bewegung durch eine von der Staatsverwaltung lenkbare Repräsentation zu schwächen.419 –––––––––– 418

OBENAUS, Anfänge, S. 149. Obenaus führt zum Beleg nur eine Äußerung Steins von 1830 an und geht selbst, um die Schwierigkeiten Hardenbergs zu kennzeichnen, vor allem auf die außenpolitische Lage sowie auf die Haltung des Königs ein. Vgl. ebd., S. 149 und S. 137–140. 419 LEVINGER, Nationalism, S. 138 –141 und S. 144 –148; DERS., Hardenberg; STAMM-KUHLMANN, „Administration“, S. 638 – 640 und S. 652f.. Zu Hardenbergs Befürchtungen hinsichtlich revolutionärer Verschwörungen vgl. auch dessen Notizen von Dezember 1819, in: TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 2, S. 637f. Vgl. STAMM-KUHLMANN, Einleitung, S. 72.

2.5. Adlige Gutsbesitzer und die Neuausrichtung der Verfassungspolitik 1821

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Reinhart Koselleck hat bereits 1967 die These vertreten, dass die Verfassungsgebung zwischen 1815 und 1820 vor allem deshalb mehrfach verschoben wurde, um zunächst die Staatsfinanzen sowie den Behördenaufbau zu ordnen und die Staatsverwaltung damit in die Lage zu versetzen, einer Repräsentation erfolgreich entgegenzutreten. Die unter Führung des Staatskanzlers erstarkte Staatsverwaltung habe der Fortsetzung von dessen Verfassungsplänen ab einem bestimmten Punkt allerdings keinen Rückhalt mehr gegeben, gerade weil sie sich in der Lage sah, vorläufig auch ohne Verfassung ihre politische Durchsetzungsfähigkeit zu behaupten.420 Diese Überlegung ist von der neueren Forschung nicht grundsätzlich entkräftet worden, auch wenn, wie Barbara Vogel hervorhebt, stärker, als dies bei Koselleck der Fall zu sein scheint, berücksichtigt werden sollte, dass die Staatsverwaltung nicht kollektiv handelte, sondern die Mitarbeiter Hardenbergs von Anfang an unterschiedliche Ziele verfolgten und zu einem großen Teil einer Ausweitung politischer Partizipationsrechte skeptisch gegenüberstanden.421 Paul Nolte hat darauf hingewiesen, dass die Problematik der preußischen Verfassungspolitik in der von den Reformern anvisierten unmittelbaren Verbindung von Konstitution des Staates und Repräsentation lag. Anders als in den süddeutschen Staaten, die zwischen 1815 und 1818 zu einem konstitutionellen Regierungssystem übergingen, bestand in den alten Provinzen Preußens keine rein staatliche Verwaltung, der gegenüber die Verwalteten repräsentiert werden konnten.422 Die Fokussierung der Staatsverwaltung auf Einrichtung einer Repräsentation hing dabei eng damit zusammen, dass, wie Stefan Haas aufgezeigt hat, die Verwaltungsbeamten in der Reformzeit begannen, die Umsetzung gesetzlicher Maßnahmen vor Ort als eigenständiges Problem zu begreifen.423 Die Repräsentation der Bevölkerung sollte aus dieser Perspektive vor allem zur Beratung der Staatsverwaltung dabei dienen, wie die Umsetzung von für nötig erachteten Maßnahmen geplant und kontrolliert werden könnte. Dies bedeutete zugleich, dass möglichst unterschiedliche Interessen repräsentiert werden sollten, um der Verwaltung eine möglichst breite Informationsbasis zu gewähren. Ein strukturelles Problem der preußischen Verfassungsplanungen waren folglich die von einander abweichenden Ziele, die alle gleichzeitig mit ihr verbunden wurden: Abschluss der Finanz- und Wirtschaftsreformen, Durchsetzung staatlicher Ordnung, Stabilisierung der innenpolitischen Verhältnisse sowie bessere Information der Staatsbehörden. Denn mit den verschiedenen Zielstellungen waren stark von einander abweichende Vorstellungen drüber verbunden, welche Bedingungen vor Einrichtung einer Repräsentation zu schaffen waren, welche Zusammensetzung die Repräsentation haben sollte und welche Befugnisse ihr eingeräumt werden konnten. –––––––––– 420

KOSELLECK, Preußen, S. 323f. VOGEL, Einleitung, S. 3f.; DIES., Beamtenkonservatismus. 422 NOLTE, Staatsbildung, S. 86 –107 und S. 198 –202; DERS., Konstitutionalismus. 423 HAAS, Kultur, 119 –144. 421

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Die Kritik von Obenaus an Kosellecks Argumentation, dass strukturelle Probleme für den Aufschub und schließlich den Verzicht auf eine preußische Verfassungsgebung zumindest mitverantwortlich waren, beruft sich vor allem darauf, dass Hardenberg seine Bemühungen um eine Verfassung und allgemeine Repräsentation bis zu seinem Tode fortsetzte und nur an „restaurativen Kräften am Hof und in der Verwaltung“ sowie am „feudalständische[n] Adel“ gescheitert sei, denen es mit Unterstützung Metternichs gelang, den König dem Einfluss des Staatskanzlers zu entziehen.424 Koselleck behauptet allerdings nicht, dass Hardenberg selbst und seine engsten Mitarbeiter das Ziel einer Verfassungsgebung aufgegeben hätten. Er erörtert vielmehr, inwieweit strukturelle Widersprüche der Reformpolitik selbst dazu beitrugen, dass sich dieses Ziel als zumindest kurzfristig nicht durchsetzbar erwies. Paul Nolte ergänzt diese Argumentation dadurch, dass er die Problematik des Selbstverständnisses der Reformer und ihrer Einschätzung des politischen Umfelds stärker in den Fokus der Überlegungen rückt. Obenaus geht hingegen davon aus, dass die inneren Widersprüche der Reformpolitik für den letztlich dauerhaften Aufschub der Verfassungsgebung unerheblich waren, und schreibt das Scheitern der Verfassungspläne vor allem dem Widerstand von grundsätzlichen Gegnern einer Verfassungsgebung zu. Diese Argumentation setzt voraus, dass es am Hof und in der Verwaltung eine einflussreiche Gruppierung gab, die zusammen mit kurmärkischen Adligen die Verfassungspolitik Hardenbergs bereits vor 1820 grundsätzlich ablehnte. Dagegen spricht, dass das Ziel einer Verfassungsgebung und der Einrichtung einer Repräsentation bis zum Frühjahr 1820 nicht nur vom König akzeptiert wurde, sondern auch Unterstützung durch eine Mehrheit der Ministerialverwaltung fand. Nicht einmal für Fürst Wittgenstein, um den sich die Opposition gegen Hardenbergs Pläne ab 1820 organisierte, lässt sich vor 1819 eine grundsätzlich ablehnende Einstellung zur Verfassungsplanung nachweisen. Ab Mitte 1819 äußerte er sich zwar zunehmend kritisch, aber ohne direkt gegen die Politik von Hardenberg aufzutreten, mit dem er hinsichtlich der Repressionsmaßnahmen gegen Presse und Universitäten weitgehend übereinstimmte.425 Im Mai 1820 hatte Wittgenstein das Vertrauen in die Politik des Staatskanzlers verloren, sah aber noch keine Alternative.426 Die von Obenaus angeführte scharfe Kritik Wittgensteins an dem im Staatsschuldenedikt enthaltenen Verfassungsversprechen stammt jedenfalls erst vom Mai 1821.427

–––––––––– 424

OBENAUS, Anfänge, S. 17, S. 39f. und S. 149. LEVINGER, Hardenberg, S. 268 –272. 426 HAAKE, Verfassungskampf, S. 99. 427 OBENAUS, Anfänge, S. 124 mit Anm. 11. 425

2.5. Adlige Gutsbesitzer und die Neuausrichtung der Verfassungspolitik 1821

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Erst im Laufe des Jahres 1820 wurde deutlich, dass Hardenberg im Staatsministerium nur noch wenig Rückhalt fand.428 Zu denjenigen, die im Herbst 1820 eine Zurückweisung der im Sommer dieses Jahres auf Anweisung Hardenbergs erarbeiteten Kommunalordnungsentwürfe unterstützten, gehörten auch der meist Graf Lottum genannte Graf Carl Friedrich Heinrich von Wylich und Lottum, den Hardenberg 1819 als einen seiner möglichen Nachfolger empfohlen hatte, sowie der langjährige Mitarbeiter des Staatskanzlers Carl Georg von Raumer.429 Auch zwei Mitglieder der Kommission, die ab Dezember 1820 zur Begutachtung der Kommunalordnungsentwürfe zusammentrat und schließlich die gesamte Verfassungsplanung Hardenbergs ablehnte, Ancillon und Schuckmann, hatten noch 1819 dessen Entwürfen nicht grundsätzlich widersprochen, auch wenn sie die Rechte der zukünftigen Repräsentation und die Zahl der zur Partizipation Berechtigten deutlich einschränken wollten.430 Eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen ihren Überlegungen und denen des Staatskanzlers, wie sie zuletzt Christian Schmitz betont, lässt sich nur aufrechterhalten, wenn davon ausgegangen wird, dass es das vorrangige Ziel Hardenbergs war, mit einer Verfassung die Rechte von Staatsbürgern abzusichern, während Ancillon und Schuckmann allein die Stärkung der Staatsgewalt im Blick hatten.431 Beide Ziele waren aber unaufhebbar miteinander verbunden, da nur im Rahmen staatlicher Ordnung Staatsbürgern Rechte gesichert werden konnten. In der Staatsverwaltung war 1819 und darüber hinaus kaum umstritten, dass angesichts der fortbestehenden Forderungen nach ständischer Autonomie einerseits und der neuen Forderungen nach liberalen Partizipationsrechten andererseits zu irgendeinem Zeitpunkt und in irgendeiner Form zumindest Teilen der Bevölkerung politische Partizipationsrechte im Rahmen einer Repräsentation gewährt werden mussten. Umstritten war allerdings, wie und wann dies geschehen konnte, ohne den Anspruch der Staatsverwaltung auf Gestaltungshoheit oder die politische Stabilität der Monarchie zu gefährden. Der entscheidende Widerstand gegen die Verfassungspolitik Hardenbergs ging 1820 also von Teilen der Staatsverwaltung aus, die diese noch 1819 als notwendig oder zumindest unvermeidlich erachtet hatten, und nicht von Protesten des ständischen –––––––––– 428

Zur isolierten Stellung Hardenbergs im Frühjahr 1820 vgl. VARNHAGEN, Blätter, Bd. 1, S. 126 –129 (24.4. und 28.4.1820). 429 Lottum an Wittgenstein, 3.12.1820, und Raumer an Wittgenstein, 5.12.1820, in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, 6, 7, Bl. 96 und Bl. 97f. Zu Raumer vgl. E. KLEIN, Reform, S. 263f. Zum Vorschlag Hardenbergs, im Falle seines Ausscheidens Lottum als leitenden Minister für Inneres und Finanzen zu ernennen: STAMM-KUHLMANN, Rolle, S. 275. 430 Ancillon an Wittgenstein, 8.5. und 11.5.1819, und Schuckmann an Wittgenstein mit beigefügtem Gutsachten, 13.5.1819, in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, 6, 2, Bl. 17–19, Bl. 21, Bl. 27 und Bl. 36f. Vgl. OBENAUS, Anfänge, S. 104 und S. 113 mit Anm. 9 und Anm. 39. 431 SCHMITZ, Vorschläge, S. 269 –379.

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

Adels. Auch Otto von Voß wurde im Herbst 1820 nicht als Vertreter der kurmärkischen Stände in die Verfassungsberatungen einbezogen, sondern als ehemaliger Minister, dem der König zutraute, einen Mittelweg zwischen völlig alten und völlig neuen ständischen Verhältnissen zu finden.432 Mathew Levinger macht für die Wende in der Verfassungspolitik vor allem die angesichts der Ereignisse in Südeuropa wachsende Revolutionsfurcht verantwortlich, die Hardenberg durchaus geteilt habe, ohne abzusehen, dass sie sich schließlich gegen seine Verfassungspolitik wenden würde.433 Darüber hinaus entkräfteten aber auch die Schuldenregulierung und die Steuergesetzgebung von Januar und Mai 1820 zumindest teilweise die Argumentation, eine Repräsentation sei zur erfolgreichen Stabilisierung der Staatsfinanzen unbedingt notwendig. So begründete Wittgenstein seine Ablehnung einer Verfassungsurkunde im Mai 1821 damit, dass eine solche in der jetzigen Situation die „Gemüther“ nicht beruhigen“, sondern vielmehr den Verdacht wecken würde, dass neue Steuern geplant seien.434 Vor allem aber waren die im September 1820 von Hardenberg zur Weiterleitung an das Staatsministerium empfohlenen Kommunalordnungsentwürfe aufgrund der Formulierungen in der Einleitung geeignet, den Verdacht zu begründen, dass Hardenberg das Ziel einer Stärkung der Staatsgewalt unter Führung des Monarchen aus den Augen verloren habe. Die Bestimmungen zum Wahlrecht, die zumindest indirekt den größten Teil der Bevölkerung einbezogen, die Verteilung der meisten Abgeordnetenmandate nach Bevölkerungszahl und die Befugnis zur möglichst vollständigen Selbstverwaltung ohne Einmischung der Staatsbehörden, die zu Grundprinzipien einer zukünftigen Verfassungsgebung erklärte wurden, wichen tatsächlich weit von dem ab, was hinsichtlich der beratenden Mitwirkung von Vertretern unterschiedlicher Stände zwischen 1815 und 1820 offiziell und mit Billigung des Königs als Verfassungsplan diskutiert worden war.435 Innenminister Schuckmann konstatierte nach Vorlage der Gesetzesentwürfe im Dezember 1820: „Ich kann mir nur mit Mühe in der Consequenz das bittere Gefühl unterdrücken, daß durch listige Umspinnung des Fürsten Staatskanzlers und anderer Männer, deren redliche Gesinnungen unzweifelhaft sind, diese Sache in eine Gestalt gebracht worden ist, wie die Anlagen sie darstellt.“436 –––––––––– 432

Vgl. LEVINGER, Nationalism, S. 155. Ebd., S. 152–158; DERS., Hardenberg, S. 276. Zur Thematisierung der Revolutionsgefahr am Beispiel Südeuropas vgl. auch T. v. Rochow an G. v. Rochow, 29.8.1820, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 50: „Unzufriedene Offiziere und eine verführerische [sic!] Soldateska gibt es wie in Cadix, Neapel und Paris auch hier.“ 434 Wittgenstein, Anmerkungen zum Bericht Hardenbergs vom 24.5.1821, [Mai 1821], Entwurf in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, 6, 11, Bl. 32–37, hier Bl. 34f. 435 Überblick bei: SCHMITZ, Vorschläge, S. 161–385. 436 Schuckmann an Wittgenstein, 29.12.1821, in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, 6, 7, Bl. 144. 433

2.5. Adlige Gutsbesitzer und die Neuausrichtung der Verfassungspolitik 1821

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Dies, nicht Hardenbergs Festhalten am Plan einer Repräsentation für die gesamte Monarchie, war das entscheidende Argument, das zu seinem Ausschluss von den Verfassungsplanungen im Sommer 1821 führte. In Wittgensteins Widerlegung von Hardenbergs Gutachten zu den Plänen der Kommission, die für die Zurückweisung der Kommunalordnungsentwürfe verantwortlich war, wurde weiter von einer Berufung einer allgemeinen Ständeversammlung und der Erstellung einer Verfassungsurkunde ausgegangen, allerdings erst in unbestimmter Zukunft (nach mindestens zehn Jahren).437 Auch der Plan zu Kommunalordnungen wurde nicht aufgegeben, ihre Entwürfe sollten jedoch mit den zunächst provisorisch zu bildenden Provinzialständen beraten werden.438 Hardenberg war jedenfalls bis zuletzt davon überzeugt, dass erneut ein günstiger Zeitpunkt zur Fortsetzung seiner Verfassungspläne kommen würde.439 Die Wende der preußischen Verfassungspolitik vollzog sich folglich vor allem aufgrund von veränderten Wahrnehmungen der politischen Lage durch einen Teil der Staatsverwaltung, sie erfolgte schrittweise und war zunächst nicht endgültig. Dass die ständischen Petitionen vom Herbst 1819 und Frühjahr 1820 die politische Entwicklung entscheidend beeinflusst hätten, lässt sich nicht nachweisen. Inwieweit sie indirekt zum Stimmungswandel des Königs beitrugen, darüber kann nur spekuliert werden.440 Dennoch war das politische Agieren adliger Gutsbesitzer nicht ohne Auswirkungen auf den Verlauf der Verfassungsdebatte, nicht weil sie grundsätzlich gegen Verfassungs- und Repräsentationspläne opponierten, sondern weil sie dem damit verbundenen Ziel einer Stärkung der staatlichen Verwaltung auf dem Lande erbitterten Widerstand entgegensetzten. Die Gesetzesentwürfe zur Kommunalordnung zielten nicht zuletzt deshalb auf eine radikale Umgestaltung der ländlichen Herrschaftsverhältnisse, da sich eine staatliche Ordnung auf dem Lande gegen die Gutsbesitzer nur durch die politische Aktivierung anderer Bevölkerungsgruppen durchsetzen ließ. Für einen so tiefgreifenden Eingriff in die ländlichen Herrschaftsverhältnisse mit unabsehbaren Folgen für die Staatsverfassung fand sich jedoch 1820 innerhalb der Staatsverwaltung keine aktive Mehrheit. Das Argument, mit dem Hardenberg den Protest ständischer Deputierter gegen die Aufhebung der Landschaft 1820 zurückgewiesen hatte – ihre Forderungen –––––––––– 437

Wittgenstein, Anmerkungen zum Bericht Hardenbergs v. 24.5.1821, [Mai 1821], Entwurf in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, 6, 11, Bl. 32–37, hier Bl. 34f. 438 Kabinettsordre an den Kronprinzen, 30.10.1821, Kopie in: ebd., Bl. 1. 439 STAMM-KUHLMANN, „Administration“, S. 641– 643. 440 Varnhagen vermerkte im Januar 1820, dass der märkische Adel durch informelle Kontakte einen wesentlichen Einfluss auf die Gesetzgebung habe, behauptete aber zugleich, dass sein Ziel eine möglichst große Zahl von Stimmen in einer zukünftigen erste Kammer sei, was die Anerkennung einer allgemeinen Repräsentation vorausgesetzt haben würde: VARNHAGEN, Blätter, Bd. 1, S. 64 (28.1.1820).

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2. Aushandeln politischer Bedeutung

stellten die Souveränität des Königs in Frage – richtete sich nun gegen seine eigenen Pläne. Das Bemühen ständepolitisch aktiver adliger Gutsbesitzer um Beteiligung an den Verfassungsplanungen hatte insgesamt weniger auf die Erringung politischer Einflussmöglichkeiten gezielt, als vor allem auf die Behauptung ihrer politischen Bedeutung, die darauf beruhte, dass die Staatsverwaltung zur Umsetzung administrativer Maßnahmen auf die Mitwirkung der Gutsbesitzer – und zwar im Zweifel jedes einzelnen – angewiesen war. Die Verfassungsvorschläge vonseiten adliger Gutsbesitzer Brandenburgs, auf die Ernst Müsebeck und Wolfgang Neugebauer als eine von Hardenberg nicht genutzte Chance für einen Verfassungskompromiss hinweisen,441 versuchten vor allem eine neue Sicherung der gutsherrlichen und ständischen Verwaltungsbefugnisse zu erreichen. Dem verfassungspolitischen Anliegen des Staatskanzlers, die Staatsverwaltung zu stärken, standen sie damit grundsätzlich entgegen. Eine Ausnahme bildeten nur die Vorschläge, die Itzenplitz und Knobelsdorff im Gespräch mit Klewitz 1817 äußerten. Doch diese setzten eine radikale Adelsreform voraus, die einen noch schärferen Einschnitt in die bestehenden Verhältnisse bedeutet hätte als die geplante Kommunalordnung. Zwischen 1812 und 1818, als die Einrichtung einer Nationalrepräsentation oder von Reichsständen unmittelbar bevorzustehen schien und vor allem über deren Zusammensetzung und Kompetenzen diskutiert wurde, bemühten sich Vertreter des ständischen Adels Brandenburgs ihren Anliegen Nachdruck im Rahmen von Verfassungsforderungen zu verleihen. Der Kurswechsel der offiziellen preußischen Politik 1819 führte dann zu intensiven Auseinandersetzungen zwischen den ständepolitisch aktiven Rittergutsbesitzern der Provinz über die Chancen einer Neuausrichtung der ständischen Argumentation. Die grundsätzliche Ablehnung einer Verfassung für den Gesamtstaat wurde dabei vor allem als Möglichkeit erwogen, eine positive Reaktion auf die Forderungen nach Aufrechterhaltung und Stabilisierung der ständischen Verhältnisse auf dem Lande zu erhalten. Nicht zuletzt in Rücksicht auf die Chancen, die eine Repräsentation bei starker Vertretung adliger Gutsbesitzer zur Sicherung der gutsherrlichen und ständischen Verwaltungsbefugnisse bot, stieß eine solche veränderte Argumentationsführung allerdings auf Bedenken. Noch im Dezember 1821 lassen sich Stimmen adliger Gutsbesitzer nachweisen, die an der Forderung nach Reichsständen mit weitreichenden Kompetenzen festhielten: Nach einer Diskussion mit Oberst Conrad von Romberg, später stellvertretender Provinziallandtagsabgeordneter der Ritterschaft Ruppins, befürchtete Theodor von Rochow, dass eine „ganze Klicke“ dessen Auffassung teile, eine Repräsentativverfassung mit zwei Kammern, Teilnahme an der Gesetzgebung und Verantwortlichkeit der Minister sei nötig.442 –––––––––– 441 442

MÜSEBECK, Ritterschaft, S. 173f.; NEUGEBAUER, Staatskrise, S. 267. T. v. Rochow an G. v. Rochow, 17.12.1821, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 9, Bl. 117f.

2.5. Adlige Gutsbesitzer und die Neuausrichtung der Verfassungspolitik 1821

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Der vergebliche Protest ständischer Deputierter gegen die Aufhebung der Landschaft, der die Erfolglosigkeit verfassungspolitischer Argumente zu unterstreichen schien, verwies aber eher auf eine andere Argumentationsstrategie. Besonders Otto von Voß und Gustav von Rochow gelang es, der wachsenden Abneigung des Königs und eines Großteils der Ministerialbürokratie gegen die Gewährung von politischen Partizipationsrechten gerecht zu werden und eigene Ansichten über zunächst informelle Kontakte in die Diskussionen einfließen zu lassen. In Umkehrung der verfassungspolitischen Überlegungen des Staatskanzlers stellten sie einen Zusammenhang zwischen dem Ende der staatlichen Eingriffe in die ländlichen Herrschaftsverhältnisse und dem vorläufigen Verzicht auf eine Verfassungsgebung her. Implizit wurde in dieser Argumentation die bis 1820 erfolgte Stärkung der Staatsverwaltung, vor allem die weitreichenden Befugnisse der Regierungen sowie die weitgehende Verstaatlichung der Steuerverwaltung, nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt. Im Gegenzug zur Anerkennung eines weitgehenden Bedeutungsverlustes adliger Gutsbesitzer bei der Landesverwaltung zugunsten staatlicher Behörden wurde allerdings eingefordert, dass ihnen Bedeutung als Garant politischer Stabilität des Staates zuerkannt werden müsse. Für Voß und Rochow stellte nicht die Schaffung von Einflussmöglichkeiten auf konkrete politische Entscheidungen das vorrangige Ziel der Einrichtung von Provinziallandtagen dar. Vielmehr versuchten sie, mit der politischen Privilegierung von Provinzialständen eine Leitvorstellung gesellschaftlicher Ordnung zu entwerfen, die als Gegenmodell zu der in der Reformzeit avisierten Staatsbürgergesellschaft dienen konnte. Besonders in der Argumentation Rochows lässt sich aufzeigen, dass im Zusammenhang mit der Diskussion um die provinzialständische Gesetzgebung politische Verhältnisse konzipiert wurden, die bürokratische Herrschaft und politische Bedeutung adliger Gutsbesitzer langfristig miteinander verbinden sollten. Auch wenn sich zumindest für Gustav von Rochow nachweisen lässt, dass er seine Ansichten mit anderen adligen Gutsbesitzern diskutierte, sind seine Stellungnamen zur Verfassungspolitik ebenso wenig wie diejenigen von Voß als die allgemeine Meinung der Güter besitzenden Adligen Brandenburgs anzusehen. Vor allem Rochow gelang es jedoch, gegenüber seinen Gesprächspartnern die eigene Position als diejenige des ländlichen Adels darzustellen. Voß stützte seine Argumentation hingegen vor allem auf seine Position als ehemaliger Minister. Beide verfolgten auch persönliche Karriereziele innerhalb der Staatsverwaltung. Voß war überzeugt, ein besserer leitender Minister zu sein als Hardenberg und wartete seit 1807 auf eine Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen. Rochow strebte, nachdem sich die begrenzte Bedeutung von Ständepolitik abzeichnete, eine schnelle Karriere im Staatsdienst an. Beider Ambitionen waren nur bei einer politischen Wende zu verwirklichen, in der sie sich als Vertreter einer Neuausrichtung der Politik profilieren konnten. Die verfassungspolitische Debatte der preußischen Reformzeit kann insgesamt als Arena begriffen werden, in der adlige Gutsbesitzer sich neben anderen Akteuren zu positionieren suchten, um von der Neuaushandlung der politischen Herrschaftsverhält-

202

2. Aushandeln politischer Bedeutung

nisse nicht ausgeschlossen zu werden und um für sich politische Bedeutung zu reklamieren. Von einer festen verfassungspolitischen Programmatik ist dabei wenig zu spüren. Vielmehr erwecken die hier diskutierten Stellungnahmen adliger Gutsbesitzer den Eindruck einer pragmatischen Anpassung an die mehrheitlich anerkannten, sich aber verändernden Regeln der Diskussionsführung, an die „Spielregeln“ der Arena. Damit unterschied sich ihr Verhalten keineswegs grundsätzlich von dem vieler Mitarbeiter der Staatsverwaltung.

3. Elitenkompromiss. Neupositionierungen adliger Gutsbesitzer im Rahmen staatlicher Ordnung nach 1821

3.1. Der Weg zu neuen Provinzialständen 1821–1824: „Manches schmeckt nach Ideen der Zeit“. Im Dezember 1821 trat eine neue Verfassungskommission unter Vorsitz des Kronprinzen zusammen, deren Hauptaufgabe in der Erarbeitung gesetzlicher Vorschriften zu den Befugnissen und zur Zusammensetzung von Provinzialständen bestand. Zu ihr gehörten mit Fürst Wittgenstein, Friedrich Ancillon, Friedrich von Schuckmann und Kabinettsrat Daniel Ludwig Albrecht fast alle Mitglieder der Kommission, die 1821 die 1820 vorgelegten Kommunalordnungsentwürfe zurückgewiesen und für eine veränderte Verfassungspolitik plädiert hatte. Darüber hinaus wurde Otto von Voß nun offiziell in die Kommissionsarbeit einbezogen. Hinzu traten außerdem der Merseburger Regierungspräsident Moritz Haubold von Schönberg und der Oberpräsident Westfalens Ludwig Freiherr von Vincke.1 Ancillon und Schuckmann waren an der sogenannten kleinen Verfassungskommission von 1819 beteiligt und Vincke hatte 1820 in der Kommission mitgearbeitet, deren Kommunalordnungsentwürfe 1821 zurückgewiesen wurden. Es bestand folglich ein Minimum an personeller Kontinuität zu den früheren Gremien, die mit den Planungen zur Verfassungs- und Verwaltungsreform befasst waren. Die Zielrichtung hatte sich allerdings dadurch, dass nun die Bildung von Provinzialständen begonnen werden sollte, deutlich verschoben. Bis Mitte Januar 1822 wurden die entscheidenden Grundsätze der provinzialständischen Gesetzgebung erarbeitet. Auf zukünftigen Provinziallandtagen war die Vertretung von drei Grundbesitzer-Ständen geplant. Die Hälfte der Stimmen sollte in der Regel den Abgeordneten der Ritterschaft zustehen, die in den Kreisen von Rittergutsbesitzern ohne Unterschied des persönlichen Standes der Besitzer zu wählen waren. Hinzu kamen Abgeordnete der Städte, die von den städtischen Grundbesitzern bestimmt werden sollten, und Abgeordnete der Landgemeinden, deren Wahl den Inhabern ländlichen Grundbesitzes, der nicht zu den Rittergütern zählte, –––––––––– 1

OBENAUS, Anfänge, S. 156.

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3. Elitenkompromiss

zustand. Den auf Landtagen versammelten Vertretern von Provinzialständen wurden als Befugnisse nur die Beratung bei der Gesetzgebung und die Mitwirkung bei Kommunalangelegenheiten eingeräumt. Den Provinziallandtagen sollten Pläne zu Veränderungen der Steuerverteilung zwischen den einzelnen Landesteilen und Entwürfe von Verordnungen für die jeweiligen Provinzen vorgelegt werden. Da die Einberufung gesamtpreußischer ständischer Versammlungen auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, waren ihnen vorläufig auch Entwürfe allgemeiner Gesetze, die in persönliche und Eigentumsrechte eingriffen, vorzulegen, wenn dies, besonders im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse der einzelnen Provinzen, von der Staatsverwaltung für sinnvoll erachtet wurde. Zudem wurden den Provinzialständen die Übertragung einzelner Verwaltungszweige und die Gewährung des Petitionsrechtes in Aussicht gestellt.2 Zur Klärung von Einzelfragen und besonderen Bestimmungen wurden Rittergutsbesitzer und städtische Amtspersonen als Notable zu nach Landesteilen getrennten Beratungen einberufen. Die am 29. Januar 1822 eröffneten Verhandlungen mit den aus der Kur- und Neumark einberufenen Notablen bildeten den Beginn dieser Beratungen. Ohne Berücksichtigung der neueren Provinzgrenzen wurde dabei die Altmark zur Kurmark gezählt. Die Vorschläge zur Zusammensetzung der Notablen unterbreitete Otto von Voß. Neben den ausgewiesenen Verwaltungsfachleuten und Ständepolitikern Leopold von Quast und Graf Peter von Itzenplitz wurde aus der Kurmark auch Oberst August Heinrich von Quitzow einberufen.3 Dessen Berufung entbehrte nicht einer gewissen Symbolik, da er der letzte märkische Gutsbesitzer aus dem Geschlecht war, das dem Herrschaftsantritt der Hohenzollern im 15. Jahrhundert am nachhaltigsten Widerstand geleistet hatte.4 Die Altmark wurde durch Wilhelm von der SchulenburgPriemern vertreten und aus der Neumark wurden Georg Gottlieb Ferdinand von Wedell auf Großgut Neu-Wedell und von Knobelsdorff auf Kemnath einberufen. Außerdem wurden vier Mitglieder städtischer Magistrate zu Teilnehmern ernannt. Gustav von Rochow wurde als Protokollführer zusätzlich hinzugezogen.5 Die Dauer der Verhandlungen war von vornherein auf nur knapp zwei Wochen festgelegt, was den Ruppiner Landrat Friedrich von Zieten zur Bemerkung veranlasste: „Was die Verfassungs Conferenzen betrifft, so bekenne ich gern, daß ich mir keinen Begriff von demjenigen, was dort vorkommt, machen kann, wenn sie schon in 10 Tagen [...] beendet sein kann.“6

–––––––––– 2 3 4 5 6

STEPHAN, Entstehung, S. 18f.; OBENAUS, Anfänge, S. 156 –193. VETTER, Adel, S. 71; KOPP, Letzte. Zu den mit den Quitzows verbundenen Traditionen: BERGSTEDT, Quitzows. Abschrift der Protokolle in: Nl. Rochow, A III, Nr. 9, Bl. 134 –161. Zieten an Quast, 30.1.1822, in: Nl. Quast, Nr. 139, Bl. 80.

3.1. Der Weg zu neuen Provinzialständen 1821–1824

205

In den Beratungen mit den kur- und neumärkischen Notablen wurde die Zahl der Abgeordneten der einzelnen Stände und Landesteile endgültig geklärt. Auf Vorschlag der Kommission wurde für die Stimmverteilung zwischen Ritterschaft und Städten die Deputiertenzahl im Großen Landschaftsausschuss zum Biergeld zum Vorbild genommen, in dem zehn Vertreter der Domkapitel und der Ritterschaft sieben Vertretern der Städte gegenüberstanden. Aufgrund verschiedener weiterer Erwägungen wurde die Stimmverteilung für die Kurmark auf 18 Vertreter der Ritterschaft, zwölf der Städte und sechs der bäuerlichen Grundbesitzer festgesetzt. Dieses Stimmenverhältnis zwischen Ritterschaft, Städten und Landgemeinden von 3:2:1 wurde auf die Neumark übertragen. Insgesamt wurden der Neumark zwölf Provinziallandtagsbgeordnete zugestanden, entsprechend ihrer Vertretung im Großen Ausschuss zum Hufen- und Giebelschoß, an dessen Beratungen neben zwei Vertretern der Domkapitel sechs kurmärkische und zwei neumärkische Deputierte der Ritterschaft teilgenommen hatten.7 Während die Mehrheit der einberufenen Notablen den von der Kommission vorgeschlagenen Grundsätzen der Stimmverteilung zustimmte, versuchten Leopold von Quast und Gustav von Rochow Änderungen durchzusetzen. Quast forderte die gänzliche Ausschließung von Bauern mit der Begründung, dass die ständischen Repräsentationsrechte an grundherrliche Rechte gebunden seien, von denen er hoffte, dass sie zukünftig wieder gestärkt würden. Gustav von Rochow wollte die Vertreter der Landgemeinden generell zwar zu den Provinziallandtagen zulassen, aber von einigen Beratungsgegenständen ausschließen, vor allem von denen zu Fragen der gutsherrlichen Polizei und Patrimonialgerichtsbarkeit.8 Rochow hatte bereits im Vorfeld der Notablenversammlung, da Voß keine bäuerlichen und bürgerlichen Gutsbesitzer einladen wollte, von dem Lehnschulzen Hintze aus Deetz für die Verfassungskommission ein „dem Publikum unparteiisch erscheinende[s]“ Gutachten anfertigen lassen.9 Hintze hatte 1814/15 als Stellvertreter die kurmärkischen Rustikalbesitzer in der interimistischen Nationalversammlung repräsentiert und war Rochow aus den Verhandlungen über die Provinzialkriegsschulden von 181810 sowie als zauchischer Kreiskassenrendant bekannt. In seinem Gutachten, das er nach einem Vorgespräch mit Rochow verfasste,11 empfahl Hintze die Teilnahme bäuerlicher Deputierter an Kreis- und Landtagen, aber nur, wenn diese „wirkliche“ Bauern seien, und nur, um ihr Misstrauen gegen obrigkeitliche Maßregeln sowie den Einfluss von „Güterschacherern“ auf ihre Ansichten zu verringern.12 –––––––––– 7 8 9 10 11 12

STEPHAN, Entstehung, S. 26. VETTER, Adel, S. 73f.; STEPHAN, Entstehung, S. 24f. G. v. Rochow an [Wittgenstein], Dezember 1821, Entwurf in: Nl. Rochow, A III, Nr. 9, Bl. 108f. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 175f. Ankündigung Hintzes zur „Aufwartung“ bei Rochow, 5.12.1821, in: ebd., Bl. 107 Hintze, Über Bauernstandschaft, 7.12.1821, in: ebd., Nr. 6, Bl. 27f.

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3. Elitenkompromiss

Rochow erhob auch gegen das Stimmverhältnis zwischen den Ständen Einwände und verlangte, dass angesichts des vormaligen Rechtes der Ritterschaft zu persönlichem Erscheinen auf den Landtagen und dem Ziel, eine „Territorial-Aristokratie“ zu bilden, der Ritterschaft eine deutliche Stimmenmehrheit auf den Provinziallandtagen zustehen müsse. Quast stimmte dem zu und begründete dies mit dem Hinweis darauf, dass eine „allgemeine Landesrepräsentation“ möglicherweise ähnlich wie die Provinzialstände zusammengesetzt werde.13 Die Einwände Quasts und Rochows fanden allerdings nur bei einem weiteren der einberufenen Rittergutsbesitzer Zustimmung und wurden von der Kommission zurückgewiesen.14 Die Einberufenen aus der Kur- und Neumark erhoben bei den Beratungen allerdings geschlossen die Forderung nach einer unmissverständlichen Festschreibung, dass grundsätzlich alle neuen Gesetze, die persönliche und Eigentumsrechte betrafen, den Provinzialständen zur Beratung vorgelegt werden müssten. Sie scheiterten mit diesem Vorstoß allerdings am Widerstand der Kommissionsmehrheit.15 Übereinstimmung zwischen allen Notablen und der Kommission herrschte darüber, dass allen Besitzern von Rittergütern das Wahlrecht zukommen sollte, sofern sie die für alle Stände gültigen Bedingungen erfüllten. Zu diesen zählten männliches Geschlecht, anerkannte christliche Konfession und ein Mindestalter von 30 Jahren. Darüber, welche Güter zu den Rittergütern zu zählen seien, sollte die lokale Observanz entscheiden. Das passive Wahlrecht wurde bereits im Vorfeld der Verhandlungen von der Kommission für alle Stände auf diejenigen begrenzt, die ihren Grundbesitz ererbt oder zehn Jahre besessen hatten.16 Dies kam der durch Marwitz angeregten Überlegung Rochows vom Dezember 1821 zur Einbeziehung von Bauern in eine zukünftige „TerritorialAristokratie“ zumindest ansatzweise entgegen, wobei aber unklar bleibt, inwieweit seine Denkschrift für den Kronprinzen die Entscheidung beeinflusste. Die als Notable einberufenen Rittergutsbesitzer legten zusätzlich zu den ihnen zur Beratung übergebenen Fragen den Antrag vor, gesonderte Kommunallandtage zur Fortführung oder erneuten Übernahme der früheren ständischen Verwaltungsaufgaben genehmigt zu bekommen. Außerdem schlugen sie eine neue Kreisordnung vor: Alle privaten und kollektiven Besitzer von Rittergütern sollten ihr Stimmrecht auf den Kreistagen behalten. Den im Kreis gelegenen Immediatstädten ohne Rittergutsbesitz, den Mediatstädten sowie den Domänenämtern könne die Führung je einer Kollektivstimme zugestanden werden. Außerdem sollten drei gewählte Vertreter der Bauern –––––––––– 13

14 15 16

Abschrift der Protokolle in: Nl. Rochow, A III, Nr. 9, Bl. 134 –161, hier Bl. 148. Vgl. STEPHAN, Entstehung, S. 27f.; VETTER, Adel, S. 74. VETTER, Adel, S. 173f. STEPHAN, Entstehung, S. 31; OBENAUS, Anfänge, S. 191–193; VETTER, Adel, S. 75. OBENAUS, Anfänge, S. 165 –167; VETTER, Adel, S. 72. Das Mindestalter wurde auf Vorschlag der Notablen von 24 auf 30 Jahre erhöht.

3.1. Der Weg zu neuen Provinzialständen 1821–1824

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hinzutreten. Darüber hinaus erbaten die einberufenen adligen Gutsbesitzer die Wiederherstellung der alten Kreisgrenzen sowie das frühere Wahlrecht von Landratskandidaten.17 Hinsichtlich der Ausdehnung des provinzialständischen Verbandes stimmten alle Einberufenen der Aufnahme der zur Provinz Brandenburg zählenden früher sächsischen Landesteile zu und wünschten ansonsten die Übernahme der vor 1807 bestehenden Grenzen von Kur- und Neumark. Die nicht aus der Altmark stammenden Notablen schränkten diesen Wunsch allerdings auf den Fall ein, dass eine entsprechende Neugliederung der staatlichen Verwaltungsbezirke folgen würde.18 Die Kommission bildete das auf dem Provinziallandtag vertretene Gebiet, das als provinzialständischer Verband bezeichnet wurde, tatsächlich gemäß den alten Provinzgrenzen von 1806. Die 1815 festgelegten administrativen Provinzgrenzen blieben allerdings erhalten – nur einige alte Kreisgrenzen wurden entsprechend ständischen Forderungen wiederhergestellt.19 Einen Monat nach Beendigung der Beratungen mit den kur- und neumärkischen Notablen wurden diejenigen der Niederlausitz einberufen. Die Niederlausitzer Stände hatten 1815 zunächst vergeblich gegen die Besitznahme durch Preußen und später gegen die Eingliederung in die Provinz Brandenburg protestiert.20 Die ständischen Verhältnisse in der Niederlausitz, die seit dem 17. Jahrhundert weitgehend unverändert überdauert hatten, waren durch die Übernahme preußischer Gesetzgebung und Behördenorganisation weitgehend überformt worden. Allerdings verfügten die Stände noch über verschiedene Verwaltungsbereiche sowie das Steuerbewilligungs- und Steuererhebungsrecht für die Steuern aus vorpreußischer Zeit.21 Die Eingliederung der Niederlausitzer Stände in einen gemeinsamen Provinzialständischen Verband mit denen der Mark Brandenburg erfolgte nach bereits zuvor ausgearbeiteten Richtlinien. Ihnen wurde dieselbe Stimmenzahl wie der Neumark zugesprochen, wobei dem Niederlausitzer Herrenstand eine der ritterschaftlichen Stimmen als Kollektivstimme zugebilligt wurde. Der Vorschlag der kur- und neumärkischen Einberufenen, besondere Kommunallandtage in den einzelnen Landesteilen einzuberufen, wurde in den Beratungen aufgegriffen, um eine Beibehaltung des bisherigen Landtags der Niederlausitz zu ermöglichen. Auf die übrigen Bestimmungen hatten die Einberufenen aus der Niederlausitz so wenig Einfluss wie die märkischen. Vergeblich forderten sie jährliche Periodizität der Provinziallandtage, die Einberufung eines dauerhaften Ausschusses, beschließende Kompetenz bei der Gesetzgebung, Steuerbewilligungsrecht und vollständige Überlassung der Provinzialverwaltung an die Stände. Bemerkenswert –––––––––– 17 18 19 20 21

VETTER, Adel, S. 75f. Abschrift der Protokolle in: Nl. Rochow, A III, S. 9, Bl. 134 –161, hier Bl. 138f. VETTER, Adel, S. 104f. LEHMANN, Geschichte, S. 536f.; DERS., Haltung. LEHMANN, Geschichte, S. 557–560.

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3. Elitenkompromiss

ist allerdings, dass die aus der Niederlausitz einberufenen Gutsbesitzer ihren Anspruch, für die gesamte ländliche Bevölkerung zu sprechen, zumindest rhetorisch zu behaupten suchten. Während sie für sich selbst der geplanten Stimmenverteilung zustimmten, gaben sie im Namen der Bauern die Forderung nach gleicher Stimmenzahl für alle Stände zu Protokoll.22 Bereits im Mai 1822 wurde von der Kronprinzenkommission über die Grundzüge der provinzialständischen Gesetzgebung an den König berichtet. Am 5. Juni 1823 erging ein „Allgemeines Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände“, am 1. Juli folgten die konkreten Bestimmungen für Brandenburg und Niederlausitz.23 Das für die Mark Brandenburg festgelegte Stimmverhältnis zwischen den Ständen der Ritterschaft, der Städte und der Landgemeinden von 3:2:1 wurde zur Grundlage der Stimmenverteilung in den übrigen östlichen Provinzen, zu deren Provinziallandtagen kurze Zeit später gesonderte Gesetze erlassen wurden.24 Die Befugnisse der Provinziallandtage blieben beschränkt auf die Erstellung von Gutachten zu besonderen Gesetzen für die jeweilige Provinz und – „so lange keine allgemeinen ständischen Versammlungen stattfinden“ – zu allgemeinen Gesetzen, die auf Veränderungen der Rechte von Personen und Eigentum sowie der Besteuerung abzielten. Außerdem konnten die Provinziallandtage Petitionen an den König einreichen.25 Für die Beschlussfassung des Provinziallandtages zu Anträgen auf Änderung oder Ergänzung der vorgelegten Gesetzesentwürfe und zur Einreichung von Petitionen war eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen notwendig. Bei Abstimmungen über die Geschäftsordnung und über dem Landtag zur freien Entscheidung überlassenen Gegenständen genügte die einfache Mehrheit. Wenn zwei Drittel der Abgeordneten eines Standes sich durch einen Beschluss der Mehrheit des Landtages in ihren Interessen verletzt sahen, konnten sie nach getrennten Beratungen der Stände („Sonderung in Teile“) gesonderte Gutachten und Beschlüsse einreichen.26 Die Berechtigung zur Beschlussfassung bei Kommunalangelegenheiten wurde für die Mark Brandenburg und die Niederlausitz Kommunallandtagen übertragen, die in der Kurmark, der Neumark –––––––––– 22 23 24

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STEPHAN, Entstehung, S. 39 – 42. OBENAUS, Anfänge, S. 153 –156. OBENAUS, Anfänge, S. 180 –189 und S. 208: In der Rheinprovinz und Westfalen verfügten die drei Stände über jeweils die gleiche Stimmenzahl, aber es trat ein separater Herrenstand hinzu, der, anders als der schlesische und sächsische Herrenstand, in die Berechnung der Stimmverteilung nicht einbezogen wurde. Allgemeines Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände, vom 5. Juni 1823, in: GS 1823, S. 129f. Gesetz wegen Anordnung der Provinzial-Stände für die Mark Brandenburg und das Markgrafthum Niederlausitz, vom 1.7.1823, in: RAUER (Hg.), Gesetzgebung, Bd. 1, S. 33 – 44, hier §§ 46f. auf S. 41.

3.1. Der Weg zu neuen Provinzialständen 1821–1824

209

sowie der Niederlausitz jährlich zusammentreten sollten.27 Für die Altmark wurde 1825 ein von der übrigen Kurmark getrennter Kommunallandtag eingerichtet.28 Während der Planungen zur provinzialständischen Gesetzgebung hatte die Kommission zunächst auch gesetzliche Bestimmungen zur Stabilisierung der Besitzverhältnisse diskutiert, besonders zur Beschränkung der Parzellierung von Bauerngütern und zur Förderung der rechtlichen Besitzbindung adliger Familien.29 Der Merseburger Regierungspräsident Moritz Haubold von Schönberg hatte darüber hinaus in der Kommission eine grundsätzliche Reorganisation des Adels angeregt, zu dem nur die Mediatisierten, die Nebenlinien regierender Häuser, die Standesherren und die Besitzer großer Fideikommisse zählen sollten: „Das gegenwärtige Institut des niederen Adels hat durch Aufhebung der Ritterdienste seine ursprüngliche Hauptbestimmung und demnächst darüber, daß die Rittergüter von einem jedem ohne Unterschied des Standes aquiriert werden können, seine Realität verloren“.30 Diese Diskussionen der Komission führten zunächst aber nur zur Festschreibung einer besonderen Stellung von Standesherren und Besitzern großer, besonders bevorrechtigter Majorate auf den Provinziallandtagen, die sich in der Vergabe von Virilstimmen für erstere und einer Kollektivstimme für letztere niederschlug.31 Für den Provinziallandtag der Mark Brandenburg und des Markgraftums Niederlausitz wurde dem Grafen von Solms-Baruth als Besitzer der Herrschaft Baruth eine Virilstimme zuerkannt. Der Sohn des 1822 verstorbenen Staatskanzlers Graf Christian von Hardenberg-Reventlow als Besitzer von Neu-Hardenberg wurde 1824 vorläufig als einziger zur Führung der Kollektivstimme für die Majoratsbesitzer berechtigt. Ab 1839 trat Graf Adolph Heinrich von Arnim-Boitzenburg für das Majorat Boitzenburg hinzu. Zudem wurde dem Brandenburger Domkapitel, dessen 1812 erfolgte Aufhebung 1823 zurückgenommen wurde, eine Kollektivstimme verliehen. Hinsichtlich der Niederlausitzer Standesherren blieb es bei der einen Kollektivstimme, die ihnen bereits bei den Beratungen mit den Notablen zugebilligt worden waren. Nur der Graf Wilhelm zu Solms-Sonnenwalde erreichte 1836, dass ihm eine Virilstimme zugebilligt wurde.32 Die –––––––––– 27 28

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Ebd., S. 43. Verordnung wegen zukünftiger Verfassung der Kommunal-Landtage der Kur- und Neumark v. 17.8.1825, in: RAUER (Hg.), Gesetzgebung, Bd. 1, S. 52–55, hier S. 52. Die Gutachten und Schriftwechsel in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, 6, 14. Vgl. OBENAUS, Anfänge, S. 173 –179. Schönberg, Votum vom 21.1.1822, in: GStA, BPH, Rep. 192, Wittgenstein, V, 6, 14, Bl. 7. OBENAUS, Anfänge, S. 179f. Vgl. Gesetz wegen Anordnung der Provinzial-Stände für die Mark Brandenburg und das Markgrafthum Niederlausitz, v. 1.7.1823, in: RAUER (Hg.), Gesetzgebung, Bd. 1, S. 33 – 44, hier S. 34; Kabinettsordre v. 28.11.1835 in: ebd., S. 74f.; Kabinettsordre v. 22.6.1839 in: ebd., S. 75 –77.

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3. Elitenkompromiss

zur Führung von Viril- oder Kollektivstimmen Berechtigten wurden gemeinsam mit den Abgeordneten der Ritterschaft zum ersten Stand des Provinziallandtages gezählt.33 Die 1823 in Kraft gesetzten Bestimmungen waren zwar aus dem Bemühen heraus entstanden, den Forderungen nach Repräsentation eine davon deutlich abgegrenzte „ständische Verfassung“ entgegenzusetzen. Letztlich schufen sie aber eine Repräsentation der Grundbesitzer. Die Bezeichnung „Stände“ legitimierte nur den weitgehenden Ausschluss der Besitzer beweglichen Kapitals, die Bevorzugung eines Teils der Gutsbesitzer bei der Stimmenverteilung im Provinziallandtag sowie vor allem die geringen Kompetenzen der Versammlung. Während die Bedeutung ständischer Versammlung vor 1806 darin gelegen hatte, dass ohne die Mitwirkung der Gutsbesitzer eine Landesverwaltung nicht möglich war, erfolgte die Neubildung von Provinzialständen 1823, um den staatlichen Anspruch auf administrative und gesetzgeberische Gestaltungshoheit abzusichern. Die Übertragung einiger kommunaler Verwaltungsaufgaben an die Provinzialstände änderte dies nicht grundsätzlich, da die Regionalverwaltung weiter im Wesentlichen durch die Beamten der Regierungen erfolgte und diese den Anspruch erhoben, auch in die Verhältnisse der Güter und Landgemeinden administrativ einzugreifen. Die erhebliche Bedeutung, die ständischer Mitwirkung vor 1806 zukam, sofern gesetzliche Anordnungen tatsächlich umgesetzt werden sollten, was nicht immer deren Hauptziel war,34 hatten die neuen Provinzialstände angesichts der zunehmenden Durchsetzungsfähigkeit der staatlichen Regionalverwaltung nach 1823 nicht mehr. Die Vorschläge der Stände konnten auch nicht durch die öffentliche Meinung neues Gewicht erhalten, da die Öffentlichkeit von den Verhandlungen ausgeschlossen wurde. Dass die Provinziallandtage letztlich vor allem eine Repräsentation der Bevölkerung durch die Grundbesitzer bewirken sollten und nicht Ausdruck der staatsunabhängigen Stellung der einzelnen Grundbesitzer waren, schlug sich im freien Mandat der Abgeordneten und im Verbot bindender Instruktionen nieder. Nicht Mitwirkung der Gutsbesitzer an der administrativen Umsetzung staatlicher Gesetzgebung, sondern deren politische Legitimation sollte durch die Provinzialstände erreicht werden. –––––––––– 33

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Gesetz wegen Anordnung der Provinzial-Stände für die Mark Brandenburg und das Markgrafthum Niederlausitz, vom 1.7.1823, in: RAUER (Hg.), Gesetzgebung, Bd. 1, S. 33 – 44, hier S. 34; Vorschriften [des Oberpräsidenten] zum Behuf der für den ersten Landtag zu bewirkenden Einberufung der Provinzial-Stände der Mark Brandenburg und des Markgrafenthums Niederlausitz, 1. Juli 1823, in: RUMPF, Gesetze, S. 42– 46, besonders S. 43; Verordnung wegen den in dem Edikte vom 1. Juli 1823 vorbehaltenen Bestimmungen für die Kur- und Neumark und Niederlausitz, vom 17. August 1825, in: RAUER, Gesetzgebung, S. 44 –52; Kabinettsordre v. 28.11.1835 in: ebd., S. 74f.; Kabinettsordre v. 22.6.1839 in: ebd., S. 75 –77. SCHLUMBOHM, Gesetze; HAAS, Kultur, S. 119.

3.1. Der Weg zu neuen Provinzialständen 1821–1824

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Gegen die provinzialständische Gesetzgebung sind vonseiten adliger Gutsbesitzer der Kur- und Neumark kaum Einwände bekannt. Carl von Voß beklagte zwar, nachdem er die Entwürfe gelesen hatte, „manches schmeckt nach Ideen der Zeit über repräsentative Verfassungen“, wozu er die Wahl auf mehrere Jahre und ohne bestimmte Vollmacht zählte. Er konstatierte aber, dass bei der großen „Unklarheit der Ideen“, die auch innerhalb der Kommission geherrscht habe, einige glückliche Ergebnisse erreicht seien, da „einer Menge liberaler Ideen die Tür zugeschlossen“ worden sei.35 Gustav von Rochow, der mit der Protokollführung bei den jeweiligen Verhandlungen mit Notablen aus den verschiedenen Landesteilen beauftragt und 1823 für seine Bemühungen „in ständischen Angelegenheiten“ vom König mit dem Roten Adlerorden ausgezeichnet worden war,36 notierte sich nach der Gesetzespublikation einige Kritikpunkte. Die Einbeziehung der Altmark in den brandenburgischen Provinziallandtag sei, solange diese getrennter Verwaltung und Besteuerung unterliege, „unsinnig“. Ein „mäßiger Anteil“ des Bauernstandes sei zwar dem „Zustand der Dinge angemessen“, dass diesem aber das Recht eingeräumt würde, über ihre Pflichten gegenüber ihrer Obrigkeit mitzureden, sei „unklar“ – überhaupt werde erst die Erfahrung lehren, wie sich die Agrarreformen auf die Bauern und das „Ganze“ auswirken würden. Berlin hielt er als Tagungsort des Provinziallandtages für ungeeignet und schließlich beklagte er, dass Landräte und sonstige königliche Beamte von den Wahlen nicht ausgeschlossen wurden, obwohl sie von den Regierungen abhängig seien.37 Dieser letzte Punkt verdeutlicht, dass auch bei Rochow weiter Vorbehalte gegen die Staatsverwaltung bestanden, die sich erst verringerten, als er selbst – wenige Monate, nachdem er diese Notizen anfertigte – in den Staatsdienst eingetreten war.38 –––––––––– 35 36

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C. v. Voß: Aufzeichnungen, 2.5.1822, in: Nl. Voß-Buch, Nr. 1, Bl. 12. Urkunde und königliches Begleitschreiben v. 23.2.1823 in: Nl. Rochow, A I, Nr. 1, unpag. Im Begleitschreiben heißt es: „Es ist Mir nicht unbekannt geblieben, daß Sie sich den in den ständischen Angelegenheiten übernommenen Geschäften mit vielem Eifer unterziehen und ich bezeige Ihnen deshalb meine Zufriedenheit durch Verleihung des rothen Adler-Ordens dritter Classe.“ G. v. Rochow: Gedanken zu den Protokollen der Beratungen über Landtage, 7.7.1823, in: ebd., A III, Nr. 9. Bl. 163 –166. Rochow trat in der zweiten Jahreshälfte 1823 in die Hauptverwaltung der Staatsschulden ein und wurde kurz darauf Vortragender Rat für ständische Angelegenheiten im Innenministerium, wo er – ab 1826 als Geheimer Regierungsrat – bis 1830 blieb, um dann nach dreijähriger Tätigkeit als Regierungspräsident in Merseburg 1834 zum Minister des Inneren und der Polizei ernannt zu werden: ebd., A I, Nr. 1f.; WIPPERMANN, Rochow; HOLZ, Rochow. Zu den Bemühungen um eine Stelle im Staatsdienst, die dafür nötige Unterstützung Wittgensteins und des Kronprinzen sowie den Verzögerungen vgl. T. v. Rochow an G. v. Rochow, 18.4., 10.6., 13.7., 13.8. und 19.11.1823, in: Nl. Rochow, B, Nr. 21, Bl. 10f., Bl. 16f., Bl. 25f., Bl. 29 –34.

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3. Elitenkompromiss

Die fehlende eigenständige Vertretung des Adels als Stand auf den Provinziallandtagen, die Freiherr vom Stein in seinem Gutachten zu den Plänen der Kronprinzenkommission 1822 bemängelte,39 stieß unter den brandenburgischen Adligen offensichtlich nicht auf Kritik, entsprach sie doch in gewisser Weise den ständischen Verhältnissen vor 1806, wenn man von den gesetzlichen Eingriffen Friedrichs II. absieht. Allerdings wurde im Oktober 1823, wahrscheinlich von Adolph von Rochow, eine Denkschrift angefertigt,40 die sich gegen die Tendenz der Gesetze über die Einrichtung von Provinziallandtagen wandte, Standesherren sowie die Besitzer großer Fideikomiss- und Majoratsstiftungen besonders zu berücksichtigen: Wenn die Existenz eines Adels politisch gewünscht werde, dürften nicht die großen Besitzungen begünstigt, sondern Adel, Ritterschaft und Offizierskorps müssten in Übereinstimmung gebracht werden. Dementsprechend sei das Wahlrecht für den Stand der Ritterschaft an den Besitz von Lehn- und Fideikommissgütern zu knüpfen. Der Erwerb solcher Güter und der Zugang zu Offiziersstellen in Friedenszeiten sei allein Adligen vorzubehalten. Über die Verwendung und Wahrnehmung dieser Denkschrift, die an Überlegungen anknüpft, die Ludwig von der Marwitz zwischen 1812 und 1821 entwickelte hatte,41 ließ sich allerdings nichts ermitteln. Marwitz selbst hatte sich zwar mit den Planungen zu Provinzialständen grundsätzlich einverstanden gezeigt, in einer Denkschrift für den Kronprinzen im Frühjahr 1823 allerdings deutlich gemacht, dass er darüber hinaus weiter eine grundlegende Reorganisation der Verwaltung für notwendig hielt, die im Kern auf die vollständige Abschaffung der Staatsverwaltung zielte: Provinzialminister, unterstützt von den Provinzialständen, sollten direkt dem König unterstellt werden und sich zur Verwaltung des Landes auf die städtischen Magistrate, die Domänenräte und von der Ritterschaft auf Zeit gewählte Landräte stützen. Den letzteren wären zur Unterstützung Kreisstände –––––––––– 39 40

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STEPHAN, Entstehung, S. 49. „Was kann geschehen um dem Adel aufzuhelfen“, Schloss Stülpe 1.10.1823, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 10, Bl. 1–10. Die Denkschrift ist unsigniert, aber die Ortsangabe und die Handschrift weisen auf Adolf von Rochow hin. Zudem trägt die Akte den Titel „Denkschriften A. v. Rochow“. Allerdings ließ sich nicht klären, wer die Bezeichnung der Akten durchführte. Denkbar ist, dass Adolf von Rochow diese Schrift für Gustav von Rochow zur Weiterleitung an den Kornprinzen anfertigte, denkbar ist aber auch, dass es sich nur um eine Abschrift oder Vorlage einer Denkschrift von einer anderen Person handelt. Vgl. Marwitz, Über eine Reform des Adels, Januar 1812, und ders., Über die Schriften „Verwaltung des Staatskanzlers von Hardenberg“ von Benzenbergs und „Ein Punkt aufs I“ vom Herrn von Bülow, 26.1.1821, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 156 –159 und S. 266 –279, bes. S. 270, Anm. 1. Das letztere Manuskript von Marwitz kannte Adolph von Rochow und hatte es gegenüber Gustav von Rochow gelobt: A. v. Rochow an G. v. Rochow, 28.4.1821, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 9, Bl. 63f.

3.1. Der Weg zu neuen Provinzialständen 1821–1824

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zuzuordnen. Für die gesamte Monarchie sei ein Staatsrat einzurichten mit dazu Berufenen aus den Provinzial- und Kreisständen, aus dem Kandidaten für die Provinzialminister sowie für das Amt eines Finanzministers, der als einzige Zentralbehörde bestehen bleiben sollte, hervortreten könnten.42 Die radikalen Überlegungen von Marwitz zeigen, dass eine Alternative zur Durchsetzung staatlicher Ordnung um 1820 noch denkbar war.43 Die Verwaltung wurde im Wesentlichen auf die Grundbesitzer und deren Vertreter übertragen, womit an Entwicklungen des 18. Jahrhunderts angeknüpft wurde. Marwitz‘ Denkschriften wurden aber letztlich nur als Gedankenspiele, wenn auch als interessante und als Argumentationsstütze zu verwendende, wahrgenommen. Sie brachten ihm den Beifall von Standesgenossen und des Kronprinzen ein, ohne dass eine Umsetzung auch nur in Ansätzen geplant wurde.44 Unabhängig von den Beratungen über die zukünftigen Provinzialstände wurden noch vor deren Abschluss im April 1822 letztmalig Deputierte der alten kurmärkischen Stände zur Beratung über die Provinzialkriegsschulden in der Form von 1818, das heißt unter Hinzuziehung von ernannten Bauernvertretern, einberufen. Der König hatte bereits im Dezember des Vorjahres die Übernahme von fast zwei Dritteln der Schulden durch den Staat angeordnet und überließ den Ständen die Beratung über die Abtragung einer fixierten Restsumme. Die ständischen Deputierten der Kurmark erhielten so die Möglichkeit, die schon 1818 geforderte Kontingentierung der Restsumme, die in festen jährlichen Raten abzuzahlen und zu verzinsen war, nach Ständen durchzusetzen. Nach Abzug einer durch erhöhte Malzsteuer aufzubringenden Quote trennten sich Städte und Land nach Maßgabe der Bevölkerungszahlen in einem Verhältnis von 1:3, wobei Berlin aufgrund der eigenen Schuldenverwaltung unberücksichtigt blieb. Das Verhältnis der Ritterschaft zu den übrigen ländlichen Grundbesitzern wurde nach dem geschätzten Wert der Grundstücke mit ca. 1:3 bestimmt. Diese Kontingentierungsquoten wurden vom König im Wesentlichen bestätigt. Die Verwaltung der ausstehenden Provinzial–––––––––– 42

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Marwitz an Kronprinz Friedrich Wilhelm, 23.5.1823, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 285 –295. FRIE, Marwitz – Biographien, S. 330f. fasst die Grundidee von Marwitz als „Vorstellung einer alternativen nichtbürokratischen Staatsentwicklung auf der Grundlage ständischer Selbstverwaltung“ zusammen. Dies setzt bei der hier diskutierten Denkschrift allerdings voraus, dass der Staatsbegriff sehr weit gefasst wird und sich auf politische Organisation im Allgemeinen bezieht. In Marwitz‘ Überlegungen fehlt zum Beispiel ein Verwaltungsstab mit dem „Monopol legitimen physischen Zwanges“, den Max Weber als zentrales Kriterium von Staat definiert: WEBER, Wirtschaft, Kap. 1, § 17, S. 29f. FRIE, Marwitz – Biographien, S. 289 –309, bes. S. 290. Auf die hier zitierte Denkschrift wird dabei allerdings nur indirekt eingegangen und auf den oben erwähnten Brief Gustav von Rochows vom 14.11.1821 nur am Rande: ebd., S. 308f. und S. 302.

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3. Elitenkompromiss

schuld übernahmen die Staatsbehörden, bei denen allerdings ständische Deputierte Informationen einholen konnten.45 Für die neumärkischen Provinzialkriegsschulden wurde eine ähnliche Regelung getroffen.46 Die eigenständige ständische Schuldenverwaltung war damit beendet. Die Rittergutsbesitzer sowie die Besitzer und Erbpächter von veräußerten Domänen hatten jährlich allerdings den auf die Ritterschaft entfallenden Teil der Tilgungs- und Verzinsungssumme aufzubringen, der nach Maßgabe des Vermögens – unter begrenztem Abzug von Schulden – auf die einzelnen Besitzer umgelegt werden sollte. Die Aufteilung auf die einzelnen Besitzer wurde einer ritterschaftlichen Kommission überlassen, an der mit Leopold von Quast und Christoph August von Bredow die bisherigen Mitglieder der Provinzialschuldenkommission beteiligt waren.47 Ein staatlicher Zugriff auf die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Gutsbesitzer blieb auf diese Weise bis zur Revolution von 1848 abgewendet, zumal die neue Kommission offensichtlich eher schätzte, als dass sie tatsächlich die Vermögensverhältnisse erforschte.48 Der Kompromiss zwischen adligen Gutsbesitzern und Staatsverwaltung, der sich mit der Lösung der Schuldenfrage und den Planungen für die Provinzialstände im Frühjahr 1822 abzeichnete, schien Gustav von Rochow im Sommer allerdings noch einmal gefährdet. Der König versicherte am 6. Juni Hardenberg, der ihm gegenüber klagte, sein Vertrauen verloren zu haben, dass er ihm die Gesetzesentwürfe für die Provinzialstände zur Begutachtung vorlegen werde. Als Zeichen seiner persönlichen Verbundenheit erfüllte der König zudem die Bitte Hardenbergs, seinen Schwiegersohn, Graf Herrmann von Pückler-Muskau, in den Fürstenstand zu erheben.49 Diese Nachricht löste bei Rochow Bestürzung aus, denn eine Entlassung des Staatskanzlers schien vorerst nicht erreichbar. Daher plante er in Rücksprache mit Otto von Voß, Hardenbergs Einfluss zu begrenzen „und trotz ihm mit Organisationen voranzuschreiten, durch die der Grund zu einem besseren Zustand der Dinge gelegt, heilbringende Grundsätze –––––––––– 45

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Protokolle der Verhandlungen ständischer Deputierter, 21.4.–1.6.1822, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 6, Bl. 53 – 90. Vgl. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 181–214. RADEKE, Kriegsschulden, S. 75. Bekanntmachung der wegen Verzinsung und Tilgung kurmärkischer Kriegsschulden aufzubringenden Steuer vom 31.10.1822, in: BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 202, Anm.*. So zumindest die Einschätzung bei Marwitz, Über die Verhandlungen des jetzigen Kommunallandtages, 1826, Auszug in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 366 –377, hier 366. Auch ein Wahlkonvent der Ruppiner Ritterschaft forderte 1830 eine veränderte Umlage, versuchte 1835 andererseits aber die Wahl einer eigenen Abschätzungskommission im Kreis zu umgehen: Kreistagsprotokolle Ruppin, 30.9.1830 und 26.10.1835, in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5, Bl. 311 und Bl. 344. G. v. Rochow an Kronprinz Friedrich Wilhelm, 9.6.1822, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 12, Bl. 4 –7, hier Bl. 4.

3.1. Der Weg zu neuen Provinzialständen 1821–1824

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ins Leben gerufen und am Leben erhalten werden […].“50 Voß stimmte den von Rochow unterbreiteten Vorschlägen, mit denen dies erreicht werden sollte, im Wesentlichen zu. Das Staatsministerium sei unabhängiger vom Kanzler zu machen und ihm einen durchsetzungsfähigen Vorsitz zu geben. Daraufhin seien die Zusammensetzung des Ministeriums und der Ministerialbürokratie zu ändern sowie dem Staatsministerium die Landstände direkt zu unterstellen. Später sollten dem Kanzler auch die obersten Finanzbehörden entzogen und der Staatsrat sollte in seiner Zusammensetzung verändert werden. Voß forderte für den geplanten dirigierenden Minister zusätzlich von vornherein die Kontrolle der Staatsschuldenverwaltung. Der Überlegung Rochows, dass die Staatsdiener auf veränderte Grundsätze verpflichtet werden müssten, widersprach Voß jedoch entschieden und begründete dies damit, dass ein solches Vorgehen nur zu neuen Theorien führe.51 In einem Brief an den Kronprinzen legte Rochow das mit Voß abgestimmte Programm dar, schlug zum dirigierenden Minister mit Aufsicht über die landständischen Angelegenheiten Otto von Voß vor und kündigte an, seine Überlegungen auch Fürst Wittgenstein mitzuteilen.52 Bevor der Kronprinz während der Teilnahme des Königs am Kongress von Verona im Oktober 1822 interimistisch die Regierungsgeschäfte übernahm, wurde im September vereinbart, dass er Vorträge des Kanzlers nur in Gegenwart der Fachminister und von Otto von Voß entgegen nehmen würde. Der Staatskanzler entschied sich daraufhin für die Begleitung des Königs nach Verona. Auf Drängen des Fürsten Wittgenstein und des Kronprinzen nahm Voß daraufhin den stellvertretenden Vorsitz im Staatsrat an und trat in das Staatsministerium ein, wo er als dienstältester Minister das Präsidium übernahm. Hardenberg erhob keine Einwände, empfing Voß und bot ihm die Oberaufsicht über die Staatsfinanzen an. Nach dem Tod des Staatskanzlers wurde Voß im November auch die Leitung von dessen Behörde übertragen. Allerdings konnte er keine wesentlichen Entscheidungen mehr treffen, da er selbst bereits Ende Januar 1823 verstarb.53 Nach Voß’ Tod blieb die Wiederbesetzung des Staatskanzleramtes aus und es wurde kein neuer leitender Ministers eingesetzt. Von Kriegsminister Job von Witzleben und vom Kronprinzen wurde Wilhelm von Humboldt vorgeschlagen, der sich 1819 entschieden für Verfassung und eine Repräsentation für die gesamte Monarchie mit weitreichenden Kompetenzen eingesetzt hatte und aufgrund seines Widerstandes gegen die Unterdrückung der liberalen Bewegung entlassen worden war. Die damals gezeigte politische Haltung schloss ihn auch 1823 nicht generell als Kandidaten für die Nachfolge im Staatskanzleramt aus. Der König lehnte Humboldts Berufung offensichtlich vor –––––––––– 50 51 52 53

Ders., Überlegungen zu Begebenheit vom 6.6.1822, in: ebd., Bl. 1–3, hier 2. Ebd., Bl. 2–3 mit Randbemerkungen von Voß. Ders. an Kronprinz Friedrich Wilhelm, 9.6.1822, in: ebd., Bl. 4 –7. C. v. Voß: Aufzeichnungen, Oktober 1822, in: Nl. Voß-Buch, Nr. 1, Bl. 14 und Nr. 31, Bl. 5f. Vgl. PETERSDORF, Voß, S. 660f.

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3. Elitenkompromiss

allem aus außenpolitischen Rücksichten gegenüber Russland und Österreich sowie aufgrund des geringen Interesses, das Humboldt selbst an dieser Position zeigte, ab. Der zunächst ernannte General Friedrich Graf Kleist von Nollendorf verstarb kurz nach seiner Berufung. Es mangelte an Kandidaten, zu denen der König das nötige Vertrauen gehabt hätte.54 Aufgrund des vorläufigen Verzichtes auf Reichsstände schien eine Spitze der Staatsverwaltung, die diesen gegenübertreten konnte, auch nicht mehr zwingend erforderlich.55 Das Staatsministerium und der Staatsrat wurden in ihrer Zusammensetzung erst allmählich geändert. Auch hier spielte der Mangel an geeigneten Fachkräften, die die bisherigen ersetzen konnten, ebenso eine Rolle, wie die Abneigung des Königs gegen radikale Veränderungen.56 Für die Personalpolitik war dabei offensichtlich vor allem das Vertrauen in die Fähigkeit von Personen zur Verwaltung der Staatsfinanzen entscheidend, weniger die Bewertung ihrer verfassungspolitischen Einstellungen. Zumindest wandte sich der Kronprinz in Anspielung auf die Sanierung der finanziellen Grundlagen der französischen Krone um 1600 durch den Herzog von Sully mit der Frage an Marwitz, ob dieser ihm „einen Sully“ nennen könne.57 Die Organisation und der Aufbau der Staatsverwaltung blieben abgesehen vom entfallenden Kanzleramt im Wesentlichen bestehen. Die regionalen Verwaltungsbehörden, vor allem die Regierungen, verloren mit dessen Wegfall allerdings das Gegengewicht zur bürokratischen Lenkung durch die Ministerien und damit die Möglichkeit, für eigene Initiativen von dritter Seite Unterstützung zu erhalten.58 Auch die Planungen für eine Regulierung der Landgemeindeverwaltung wurden – nun getrennt nach Regierungsbezirken – fortgesetzt.59 Die Regierung zu Frankfurt an der Oder erarbeitete im Januar 1824 einen Entwurf, der weiterhin die vollständige Aufhebung der gutsherrlichen Rechte über die Gemeindeverwaltung zugunsten einer staatlichen Kontrolle und gleiches Stimmrecht aller männlichen, erwachsenen sowie unbescholtenen Gemeindemitglieder vorsah, wobei Tagelöhner und Gesinde nicht zur Gemeinde gezählt wur-

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TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 3, S. 361f. Zur Unsicherheit, wie nach dem Tode von Voß weiter verfahren werden sollte, vgl. auch T. v. Rochow an G. von Rochow, 8.3.23, in: Nl. Rochow, B, Nr. 21, Bl. 6f. KOSELLECK, Preußen, S. 276 –278. TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 3, S. 362f. Zu den Klagen über den Mangel an „Leuten“ vgl. auch T. v. Rochow an G. v. Rochow, 8.3.23, in: Nl. Rochow, B, Nr. 21, Bl. 6f. Diese Anfrage bildete den Anlass der erwähnten Denkschrift von Marwitz für den Kronprinzen vom 23.5.1823, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 285 –295, hier 285f. KOSELLECK, Preußen, S. 278 –281. KEIL, Landgemeinde, S. 132–136.

3.1. Der Weg zu neuen Provinzialständen 1821–1824

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den.60 Der bereits im November 1823 angefertigte Entwurf der Regierung Potsdam plante zwar ebenfalls eine weitgehende Trennung von Gemeindeselbstverwaltung und Gutsverwaltung, sah jedoch die Aufrechterhaltung der Polizeiverwaltung durch die Gutsbesitzer und deren Einspruchsrecht gegen Gemeindebeschlüsse vor. Die Gemeindemitgliedschaft sollte auf Grundbesitzer beschränkt werden, während die übrigen Dorfbewohner – außer den Schullehrern und Geistlichen – ab einem Einkommen von 200 Talern der Beitritt zur Gemeinde freigestellt wurde. Abstimmungen sollten in der Gemeinde gestuft nach Status als Bauer, Büdner und sonstige ohne eigenes Haus erfolgen.61 Ende des Jahres 1824 votierte Innenminister Schuckmann dann allerdings dafür, dass die endgültige Regelung der Gemeindeordnungen bis zur vollständigen Auflösung der gutsherrlich-bäuerlichen Wirtschaftsbeziehungen aufzuschieben sei. Erst sein Nachfolger im Innenministerium, Gustav Freiherr von Brenn, nahm die Kommunalordnungspläne 1831 noch einmal kurzzeitig auf.62 Welchen Einfluss auf die Verwaltung den Provinzialständen der Mark Brandenburg und des Markgraftums Niederlausitz zukommen würde, konnte sich erst nach dem Zusammentreten ihrer Vertreter auf einem Landtag zeigen. Auf dem Provinziallandtag besaßen die Abgeordneten der adligen Gutsbesitzer aufgrund der Stimmverhältnisse und der Wahlvorschriften für die Ritterschaft, die sich an der Rechtsqualität, nicht an der Größe der Güter orientierten, zwar absehbar ein Übergewicht gegenüber den Vertretern anderer Grundeigentümer. Die politische Richtung, die von den Landtagen eingeschlagen werden würde, stand jedoch noch nicht fest, und auch der Plan zu einer Repräsentation für die gesamte Monarchie, der im allgemeinen Gesetz über die Provinzialstände zumindest erwähnt wurde,63 war nur auf unbestimmte Zeit zurückgestellt. Theodor von Rochow, der zum Zeitpunkt seiner Unterstützung für die ständische Eingabe der Zauche 1819 noch über seine schlechten Beförderungschancen im Militär klagte,64 hatte zu Beginn der 1820er Jahre eine schnelle Karriere begonnen.65 In der Berufung von Provinzialständen sah er, der wenige Jahre zuvor vehement eine ständische Verfassung gefordert hatte, nun eher eine Gefahr als eine Chance. Seine Befürchtungen hinsichtlich der Zukunft ständischer Politik fasste er in einem Schreiben an –––––––––– 60

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Vergleichende Zusammenstellung der … Entwürfe einer ländlichen Kommunal-Ordnung, darin Auszüge aus dem Entwurf der Regierung zu Frankfurt an der Oder v. 2.1.1824, in: BLHA, Rep. 2 A, I P, Nr. 53, Bl. 61–128, hier Bl. 69 und Bl. 95/98. Ebd., Bl. 68 und Bl. 94/97. Der vollständige Entwurf zu einer Kommunalordnung der Regierung zu Potsdam, 22.11.1823, in: ebd., Bl. 5 – 45, hier besonders Bl. 9 –13. KEIL, Landgemeinde, S. 136 –138. Allgemeines Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände, vom 5. Juni 1823, in: GS 1823, S. 129f. hier S. 130. T. v. Rochow an Caroline de la Motte-Fouqué, 20.10.1819, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 26f. A. v. Rochow, Nachrichten, S. 193f.

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3. Elitenkompromiss

Quast im Januar 1824 zusammen: „Ich wünsche und hoffe, dass die alten Provinzen mit Beispiel der Mäßigung u[nd] der treuesten Anhänglichkeit an die Monarchie vorangehen werden, sonst könnte aus dieser ganz unschuldig scheinenden Berufung der Provinzialstände sich leicht ein für die Monarchie u[nd] alle bestehende Ordnung gleich gefährliches Prinzip entwickeln. Ganz unfehlbar würde dies aber der Fall sein, wenn man in der unseeligsten Verblendung soweit ginge, allgemeine Reichsstände zusammen zu berufen, und leider vernehme ich aus ziemlich guter Quelle, dass der Kronprinz, welcher sich übrigens lebhaft für die ständischen Angelegenheiten interessiert, eine gr[oße] Vorliebe für allgemeine Ständeversammlungen hat, oft davon redet und gern darauf zurückkommt. Der überall, obgleich nicht in allen Provinzen gleich stark verbreitete revolutionäre Geist würde dadurch zur hellen Flamme auflodern und nur einen geringen Widerstand in dem klaren Bewusstsein einiger Weniger finden, die zu schwach wären, das Vaterland vom Untergange zu retten.“66

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847. Von der Konfliktaustragung zur Konfliktvermeidung a)

„Dissentierende Vota“ und Kompetenzverweigerung. Symbolische Erfolge und praktisches Scheitern ständischer Politik

Der erste brandenburgische Provinziallandtag, offiziell der Provinziallandtag der Mark Brandenburg und der Markgrafschaft Niederlausitz, sollte im Februar 1824 zusammentreten. Zum Jahresende 1823 wurden die Wahlen der Abgeordneten durchgeführt – für die Ritterschaft auf dazu einberufenen Kreisversammlungen der Besitzer von Rittergütern, wobei die alten, bis 1816 bestehenden Kreisgrenzen den Wahlbezirken zugrunde gelegt wurden. Nur Ost- und Westhavelland wählten entsprechend der neuen Kreiseinteilung getrennt, während in der Neumark jeweils zwei der alten Kreise gemeinsam wählten.67 Der Wahlverlauf und die Wahlergebnisse zeigen sowohl das Prestige, dass einer Teilnahme an der geplanten Versammlung von adligen Gutsbesitzern beigemessen wurde, als auch deren Schwierigkeiten, sich an die neuen Wahlbestimmungen zu gewöhnen. Zu den von den Rittergutsbesitzern der Kreise, in denen sie Besitzungen –––––––––– 66 67

T. v. Rochow an Quast, 4.1.1824, in: BLHA, Rep. 37, Garz, Nr. 127, Bl. 7f. Die vorläufigen Ausführungsbetimmungen des Oberpräsidenten Heydebreck für die Wahlen zum ersten Provinziallandtag v. 1.7.1823, in: RUMPF, Gesetze, S. 42– 45. Die endgültige Bestimmungen v. 17.8.1825, in: ebd., 144 – 150 und in: RAUER, Gesetzgebung, S. 44 –52. Zu den Teilnehmern an den Beratungen aus dem ersten Stand vgl. Tabelle 3 im Anhang.

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

219

hatten, Gewählten zählten Albrecht Wilhelm von Pannwitz, der als Senior der Landräte seit Jahren als einer der wichtigsten Ansprechpartner in ständischen Angelegenheiten galt, sowie Alexander Graf von der Schulenburg-Lenzerwische und Wilhelm Leopold von Witten, die beide als ständische Deputierte beim Protest gegen die Aufhebung der Landschaft aufgetreten waren. Für viele überraschend wurden hingegen weder Leopold von Quast für den Kreis Ruppin noch Christoph August von Bredow für den Kreis Westhavelland gewählt. Die Rittergutsbesitzer dieser Kreise sprachen den früheren interimistischen Nationalund Landesrepräsentanten damit allerdings nicht unbedingt ihr Misstrauen aus, obwohl die Tätigkeit von Quast und Bredow im Rahmen der Abschätzungskommission zur Begleichung der Provinzialschulden bei einigen Gutsbesitzern Verärgerung hervorgerufen haben dürfte.68 Politische Überlegungen waren offensichtlich ebenfalls nicht ausschlaggebend für ihre Nichtwahl, selbst wenn Bredow bemerkte, „auch könnte ich den Verdacht verdienen, den Großsultan nicht zu den legitimen Fürsten zu rechnen“, womit er auf seine Distanz zur preußischen Außenpolitik anspielte.69 Deren enge Anlehnung an die österreichische Politik, die das Osmanische Reich in seinem Vorgehen gegen die griechischen Aufständischen unterstützte, führte dazu, dass philhellenische Begeisterung in die Nähe zu liberalen Ansichten gerückt werden konnte. Von einem Teil der brandenburgischen Adligen wurde diese Einschätzung allerdings nicht unbedingt geteilt, zumal auch der König an ihr zweifelte.70 Für die Entscheidung der Rittergutsbesitzer des Westhavelländischen Kreises gegen Christoph August von Bredow war aber, wie er selbst anmerkte, wahrscheinlich entscheidend, dass Carl von Bredow auf Wage-

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Zu den Problemen der Abschätzung des Beitrages einzelner Gutsbesitzer: Marwitz, Über die Verhandlungen des jetzigen Kommunallandtags (1826), Auszug in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 366 –377, hier 366 –368. Zum gespannten Verhältnis der Deputierten für die Provinzialschuldenkommission der Neumark zu den übrigen Gutsbesitzern vgl. die Begründung, mit der Ritterschaftsrat Carl Wilhelm Gotthardt von Blomberg eine Wahl zum Provinziallandtag ablehnte, in: BLHA, Rep. 6 B, Cottbus, Nr. 29, Bl. 128. C. A. v. Bredow an Quast, 7.1.1824, in: Nl. Quast, Nr. 104, Bl. 25. Vgl. TREITSCHKE, Geschichte, Bd. 3, S. 360. Zur Struktur und Bedeutung der philhellenischen Bewegung: N. KLEIN, „Humanité“, besonders S. 209 –224 und S. 293 –306. Ein Beispiel für das Bedauern kurmärkischer Adliger, dass Preußen nicht auf Seiten Griechenlands einzugreifen plante, ist die Position Theodor von Rochows: „Mir sollte es leid sein, weil ich die ganze Tendenz eines Krieges gegen die Türken schön finde u[nd] der Gedanke, ein unterdrücktes Volk zu befreien, für den Glauben zu fechten, belebend ist.“: T. v. Rochow an G. v. Rochow, 6.9.1821, in: Nl. Rochow, B, Nr. 20, Bl. 92.

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3. Elitenkompromiss

nitz, der ebenso wie er als erfolgreicher Landwirt galt, sich aktiv darum bemüht hatte, selbst Abgeordneter zu werden.71 Bei der Wahl im Ruppiner Kreis wirkten sich hingegen vor allem die neuen Wahlbestimmungen aus, die eine Stimmabgabe durch Vollmacht oder schriftliches Votum untersagten. Viele der Stimmberechtigten waren zum Wahltermin nicht erschienen, da die Wahl Leopolds von Quast festzustehen schien. Überraschend vereinigte dann allerdings der Kreisdeputierte von der Hagen auf Nackel mehr Stimmen von Anwesenden auf sich als Quast. Eine später von Hagen selbst angeregte Neuwahl kam nicht zustande.72 Auch in anderen Kreisen führten die Wahlen zu umstrittenen Ergebnissen, wie Theodor von Rochow notierte. Im Kreis Niederbarnim wurden Besitzer ehemaliger Domänen trotz Widerspruchs zur Wahl zugelassen und im Kreis Oberbarnim ließ sich die Wahl von Graf Peter von Itzenplitz anzweifeln, da das zur Wahl berechtigende Gut angeblich seiner Frau gehörte. Vom Gewählten des Kreises Jüterbog, dem ehemaligen sächsischen Oberst Carl Ludwig von Heinecken, fürchtete Rochow, dass er die Wahl nicht annehmen würde, denn dieser sei Napoleonist und hasse „Preußen wie die Sünde.“73 Besonders verärgert zeigte sich Rochow darüber, dass zwei Kreise, wenn auch erfolglos, darauf gedrängt hatten, den gewählten Kandidaten die königliche Dispensation von der Bedingung zehnjährigen Grundbesitzes zu erteilen, zumal der als liberal geltende Militärreformer Carl von Grolman davon betroffen war.74 Kurz nach Beendigung der Wahlen am Anfang des Jahres 1824 wurde die Einberufung des Provinziallandtages auf den Oktober verschoben. Angesichts fallender Preise für landwirtschaftliche Produkte und neuer Brennereibesteuerung, durch die sich die kleineren Brennereien benachteiligt sahen, wuchs in der Zwischenzeit die Verärgerung adliger Gutsbesitzer über die preußische Zoll- und Steuerpolitik. Theodor von Rochow konstatierte bereits im April 1824 wachsende Befürchtungen, dass der Landtag ohne Erfolge bleiben würde. Zur Bestätigung zitierte er einen neumärkischen Briefpartner: „In einem Lande, wo keiner der höheren Verwaltenden eine Hand voll Erde besitzt, wo das Schulden-Wesen die höchste Ausdehnung erhalten hat, wo es nur auf möglichste Wertlosigkeit der Grundstücke angesehen zu sein scheint, damit man sie für das auf –––––––––– 71

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Darüber hinaus wurde C. A. v. Bredow auch Nachlässigkeit als Deputierter, wenn auch nicht in der Sache, so doch im Detail vorgeworfen: C.A. v. Bredow an Quast, 7.1.1824, in: Nl. Quast, Nr. 104, Bl. 25. Zu Carl v. Bredow: [BREDOW], Geschichte, Teil 3, S. 516 –520. Vgl. Hagen an Quast, Jan. 1824, in: Nl. Quast, Nr. 139, S. 30. Die Zurückweisung einer Anfechtung der Wahl durch den Kreistag am 3.9.1824: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5, Bl. 238. T. v. Rochow an Quast, 4.1.1824, in: Nl. Quast, Nr. 127, Bl. 7f. Ebd. Zur Wahl von Carl von Grolman durch die Ritterschaft der Kreise Crossen und Cottbus, der nachfolgenden Verweigerung des königlichen Dispenses und Neuwahl des Ritterschaftsrates v. Zychlinski: BLHA, Rep. 6 B, Cottbus, Nr. 29, Bl. 128 –152.

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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einem anderen Wege erworbene Geld wohlfeil kaufen könne; in einem solchen Lande kann die Stimme des Landmanns nicht Gehör finden: auch kann in einem solchen Lande sich nur zutragen, daß ein Landtag auf 1 Jahr verlegt wird, ehe er noch ins Leben getreten ist. […] Erwägt man außerdem noch, dass ein alter schwacher, infirmer Greis – Graf Alvensleben – zum Landtagsmarschall u[nd] zu dessen Stellvertreter – der Herr von Houwald zu Straupitz – ein inferiorer Mann, eine Null, ernannt worden ist, so lässt man wahrlich ganz den Muth sinken.“75 Neben den ökonomischen Schwierigkeiten führten auch die Fortdauer der 1814 eingeführten Kreisverwaltungen in der Neumark und die seit 1821 anhaltenden Bemühungen der Potsdamer Regierung, die Steuerverwaltung der kurmärkischen Kreise staatlich neu zu ordnen, zu anhaltenden Spannungen zwischen adligen Gutsbesitzern und Staatsverwaltung.76 Nach politischen Diskussionen mit Hans von Rochow, der zum Abgeordneten der Zauche gewählt wurde, notierte Theodor von Rochow: „Hans ist bei aller edlen und ritterlichen Gesinnung doch ein Frondeur […]“.77 Als der Provinziallandtag dann Anfang Oktober 1824 in Berlin zusammentrat, bemühten sich die Abgeordneten, zunächst die Geschäftsordnung so zu gestalten, dass das Verfahren eher dem einer nur über interne Verwaltungsangelegenheiten beratenden Versammlung ständischer Deputierter ähnelte als einer parlamentarischen Repräsentation mit Entscheidungsbefugnissen. Alle Publizität sollte vermieden werden und nicht einmal die Vervielfältigung der vom König vorgelegten Beratungsgegenstände, der Propositionen, für den Gebrauch der Abgeordneten wurde befürwortet. Den Abgeordneten wurden nur Protokollauszüge zu den Verhandlungen der von ihnen eingebrachten Anträge zugestanden, um diese ihren Wählern vorzulegen. Die Abstimmungen sollten offen erfolgen, allerdings nicht nach Ständen, sondern alphabetisch nach Namen. Dies war einerseits ein Zugeständnis an das Gesetz, das Abstimmung nach Ständen nur als Sonderfall vorsah, andererseits ein Weg, um Beschlüsse, die mit einer Stimmenmehrheit gefasst wurden, die vor allem auf der großen Anzahl der Abgeordneten der Ritterschaft und der übrigen Mitglieder des ersten Standes beruhte, nicht automatisch als Meinungsäußerung nur eines Standes kenntlich zu machen. Das ständische Prinzip, das auf Erarbeitung von verschiedenen Vorschlägen, nicht auf Herstellung von Mehrheiten –––––––––– 75 76

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T. v. Rochow an Quast, 20.4.1824, in: Nl. Quast, Nr. 127, Bl. 3f., Unterstreichung im Original. Vgl. zur Neumark: S. v. Wedell/E. v. Knobelsdorff, Über die ständischen Verhältnisse in der Neumark, wahrscheinlich Mai 1824, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 6, Bl. 91f. Vgl. zur Kurmark: Ruppiner Kreistagsbeschluss gegen die Zusammenlegung von Schoß, Contribution und Kavalleriegeld sowie gegen die Bezeichnung des Lehnpferdgeldes als Grundsteuer mit der Bitte an den Abgeordneten, dies auf dem Landtag zur Sprache zu bringen, 3.9.1824, in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5, Bl. 236. T. v. Rochow an G. v. Rochow, 2.9.1824, in: Nl. Rochow, B, Nr. 21, Bl. 53f.

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3. Elitenkompromiss

zielte, wurde dadurch gewahrt, dass jedes Mitglied des Landtages zur Einreichung dissentierender Vota berechtigt wurde.78 Im Zentrum der Anliegen der auf dem Landtag vertretenen adliger Gutsbesitzer standen allerdings nicht bestimmte Formen politischer Partizipation, sondern konkrete Forderungen nach einer Änderung der staatlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik, was die Zahl der dem Landtag eingereichten Anträge zu Petitionen an den König unterstreicht. Über die Hälfte der Petitionsanträge, die Abgeordnete und Mitglieder des ersten Standes stellten, beinhaltete ökonomische und fiskalische Forderungen, nur ein kleinerer Teil betraf die Befugnisse ständischer Politik und das Vorgehen bei der Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse.79 Die Anträge aus den Reihen der Vertreter der beiden anderen Stände, der Städte und der Landgemeinden, zeigen, dass auch für diese Wirtschafts- und Steuerfragen im Vordergrund standen.80 Die Kernforderung der wirtschaftspolitischen Petitionsanträge war eine Abkehr von der Freihandelspolitik, wobei mehrere Abgeordnete der Ritterschaft besonders eine höhere Besteuerung importierter landwirtschaftlicher Produkte verlangten. Diese Forderung bedurfte keiner gesonderten Anträge und Diskussionen, sondern wurde bereits kurz nach Zusammentritt des Landtages bei den Beratungen über die Propositionen als gesonderte Eingabe dem König vorgelegt. Der Abgeordnete der Ritterschaft des Teltower Kreises Wilhelm Leopold von Witten, begründete dieses Vorgehen in einer Rede, in der er ausführte: „Gewiss können wir nicht zu früh damit beginnen, uns würdig vorzubereiten, die in dem Gesetz vom 5. Juni 1823 allerhöchst uns zugestandene Bewilligung, ,Bitten und Beschwerden, welche das Wohl und Interesse der Provinz betreffen, des Königs Majestät allerunterthänigst vorlegen zu dürfen‘, zum Wohl der Landesteile, welche wir zu vertreten berufen sind, in Anspruch zu nehmen.“81 Der König lehnte jedoch durch Kabinettsordre an die Provinzialstände eine Entscheidung vor Ende –––––––––– 78

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Protokolle v. 7.10. und 8.10.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag. Vgl. ALMENRÖDER, Leben, S. 77–79. Protokolle der Landtagsverhandlungen 1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, passim: Von den ermittelten 23 Anträge des ersten Standes betrafen zehn wirtschaftspolitische Fragen, drei Steuerfragen, sechs direkt das Verhältnis ständischer und staatlicher Verwaltung, vier die Konsequenzen aus der Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse, zwei die Verwaltung des Landschaftshauses in Berlin. Ebd.: Von den insgesamt 24 ermittelten Petitionsanträgen städtischer Abgeordneter zielten acht auf die Wirtschafts- und neun auf die Steuerpolitik. Von den zwölf Anträgen von Vertretern der Landgemeinden waren jeweils vier ökonomischen oder fiskalischen Inhalts, wobei einer der letzteren trotz seiner finanziellen Argumentation im Kern ebenso wie ein weiterer Antrag auf das Wesen der Stände zielte. Weitere drei Anträge betrafen das Vorgehen bei der Regulierung. Witten an G. v. Rochow, 2.11.1824, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 6, Bl. 193f. Zusammenfassung seines Vortrages, in: ebd., Bl. 194 –202.

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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des Landtages und vor Erarbeitung der offiziellen königlichen Erwiderung auf die Ergebnisse der Landtagsberatungen im sogenannten Landtagsabschied ab.82 Weitere Anträge von Abgeordneten des ersten Standes forderten zur Stützung der Getreidepreise eine Beschränkung des Branntweinbrennens aus Kartoffeln durch eine um 50 % erhöhte Besteuerung und zur Unterstützung kleiner Brennereibetriebe eine progressive Besteuerung nach Größe. Zum Schutz der Getreideproduzenten wurden zudem die Finanzierung von Naturallieferungen für die Armee durch Produzenten der Provinz sowie die Magazinierung einer halben Million Scheffel Roggen verlangt. Hinzu traten Bitten um Einführung von Exportprämien oder zumindest Befreiung des Wollexportes von Ausfuhrzöllen, eine Aufhebung der Besteuerung des Tabakanbaus sowie die Ausweitung der Steuerbefreiung von Brauereien und Brennereien für den Eigenbedarf. Sämtliche Forderungen fanden die mehrheitliche Unterstützung aller drei Stände, ebenso wie die nach einer neuen Gesinde- und Tagelöhnerordnung, mit der die Lohnkosten eingeschränkt werden sollten. Im Gegenzug unterstützte die Mehrheit des ersten Standes Anträge städtischer Abgeordneter auf Einschränkung der Gewerbefreiheit, obwohl der Landtagskommissar Zweifel an der Befugnis des Landtages zur Diskussion allgemeiner Landesgesetze geäußert hatte.83 Die Unzufriedenheit mit den niedrigen Einfuhrzöllen äußerte sich am schärfsten im Antrag von Witten, Grundbesitz zur Bedingung für die Ausübung hoher Staatsämter zu erklären und dabei auf die Vorschriften zur Standschaft zurückzugreifen. Der zuständige Landtagsausschuss hielt diesen Gedanken zwar für „sehr wünschenswert“, aber für eine Bitte an den König nicht geeignet.84 Hier zeigten sich die selbst gesetzten Grenzen der Kritik an den Behörden, die der Verzicht auf konstitutionelle Forderungen mit sich brachte: Die Abgeordneten lehnten es geschlossen ab, dem König einen Rat bei der Auswahl der höchsten Staatsbediensteten zu erteilen.85 Auch Witten selbst, der sich noch kurz zuvor seines Antrages gegenüber Gustav von Rochow gerühmt hatte, spürte offenbar, dass er eine Grenze überschritten hatte. Wenige Tage nach der Verhandlung reichte er ein Sondervotum mit Widerspruch gegen das Protokoll ein, um deutlich zu machen, dass er nur einen Wunsch geäußert habe und es nie seine Absicht gewesen sei,

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Zur Übermittlung der königlichen Entscheidung: Protokoll vom 6.11.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag. Zur Beruhigung wurden den Abgeordneten die geltenden Zolltarife zur Begutachtung vorgelegt: Protokoll v. 4.12.1824, in: ebd. Zum Inhalt der daraufhin verfassten Eingaben: Verhandlungen 1, S. 13f. Verhandlungen 1, S. 13 –16 und S. 18f. Zu den wirtschaftspolitischen Forderungen vgl. ALMENRÖDER, Leben, S. 15 –18 und S. 25 –28. Witten an G. v. Rochow, 2.11.1824, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 6, Bl. 193. Protokoll v. 4.11.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag.

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3. Elitenkompromiss

dem König einen Rat zu erteilen, denn dies, so Witten, überschreite grundsätzlich die Kompetenz des Landtages.86 Allerdings verlangten offenbar auch andere Abgeordnete ein entschlossenes Auftreten gegenüber der Staatsverwaltung und damit indirekt gegenüber dem König. Wie Adolph von Rochow später berichtete, ließen sich einige nur mit Mühe von „falschen Schritten“ abhalten.87 Der uckermärkische Abgeordnete Landrat Ludwig Adolph von Winterfeld wurde von einem seiner Wähler, Detlof Heinrich Ferdinand von Winterfeld, dazu aufgefordert, eine Beendigung des Landtages so lange zu verzögern, bis ein neuer Zolltarif vorliege.88 Gleichzeitig nahm ein Abgeordneter des pommerschen Landtages Kontakt zu ihm auf, um sich entgegen der gesetzlichen Vorschrift, die eine Kommunikation zwischen den Landtagen untersagte, informell über die Anträge zu Zoll- und Wirtschaftsfragen auszutauschen.89 Die Wirtschafts- und die Zollpolitik war auf dem Landtag zum „Probierstein“ geworden, „ob der Versammlung einige Bedeutung beigelegt werden würde oder nicht“, wie Adolph von Rochow notierte.90 Der Anspruch auf politischen Einfluss kollidierte jedoch mit dem Selbstverständnis der Landtagsmehrheit nur eine zu Beratungen zusammengetretene Versammlung einzelner ständischer Deputierter zu bilden, das sich in der Geschäftsordnung niedergeschlagen hatte. Grundsätzliche Bedenken gegen eine Prohibitivzollpolitik erhob zwar nur der Frankfurter Kaufmann Johann Wilhelm Rudelius, der Vorsitzender der dortigen Stadtverordnetenversammlung war.91 Durch die verschiedenen Vorschläge zur Beschränkung der Gewerbefreiheit, zur verpflichtenden Getreidelieferung für das Militär und vor allem zur steuerlichen Benachteiligung von Kartoffeln verarbeitenden und großen Brennereien sahen jedoch auch einige Abgeordnete der Ritterschaft ihre privaten Rechte und die ihrer Wähler verletzt. Dies gaben sie durch dissentierende Vota, Protestationen und Rechtsverwahrungen zu Protokoll. Sechs Vertreter der Ritterschaft schlossen sich einem von städtischen Abgeordneten eingebrachten Sondervotum gegen den Beschluss zur Brennereibesteuerung an und fügten teilweise Rechtsverwahrungen im Namen ihrer Kommittenten hinzu. Offensichtlich war –––––––––– 86 87 88

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Sondervotum zum Protokoll v. 4.11., 15.11.1824, in: ebd. A. v. Rochow an G. v. Rochow, 25.10.1825, in: Nl. Rochow, B, Nr. 31, Bl. 1– 4, hier Bl. 2. D. H. F. v. Winterfeld an L. A. v. Winterfeld, 17.12.1824, in: BLHA, Rep 6 B, Prenzlau, Nr. 2, unpag. F. v. Petersdorff an L. A. v. Winterfeld, 3.12.1824, in: ebd., unpag. Das Verbot einer Kommunikation zwischen dem Landtag und den Kreisständen und zwischen Landtagen verschiedener Provinzen: Gesetz wegen Anordnung der Provinzial-Stände für die Mark Brandenburg und das Markgrafthum Niederlausitz, vom 1.7.1823, in: RAUER (Hg.), Gesetzgebung, Bd. 1, S. 33 – 44, hier § 51 auf S. 42. A. v. Rochow an G. v. Rochow, 25.10.1825, in: Nl. Rochow, B, Nr. 31, Bl. 1– 4, hier 2. ALMENRÖDER, Leben, S. 26. Zu Rudelius: Neuer Nekrolog der Deutschen 10 (1834), S. 230f.

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es während der Diskussionen zu harten Vorwürfen gegen die Unterstützer eines erweiterten Kartoffelanbaus und die Besitzer großer Brennereien gekommen, gegen die diese sich entschieden verwahrten.92 Am deutlichsten äußerte sich der ritterschaftliche Abgeordnete der neumärkischen Kreise Landsberg und Sternberg Leberecht von Klitzing, dessen wirtschaftlicher Erfolg nicht zuletzt auf Kartoffelanbau beruhte.93 In einem Sondervotum warf er den Kritikern der Kartoffelproduktion und des Betriebs großer Brennereien „verwerfliche Grundsätze“ vor.94 Auch hinsichtlich der Neuregelung des Feuerversicherungswesens – einer Kommunalangelegenheit, bei der den Ständen unbestritten gewisse Entscheidungsbefugnisse zustanden – wurden Mehrheitsbeschlüsse durch Sondervota angefochten. Wahrscheinlich auf Anregung Ludwig von der Marwitz‘ forderte ein Drittel des ersten Standes gemeinsam mit einigen Bürgermeistern und zwei Schulzen in einem Sondervotum ein härteres Vorgehen gegen Versicherungsbetrug, als durch den Landtag beschlossen, unter anderem durch Umkehr der Beweislast. Zwei ritterschaftliche Abgeordnete wehrten sich hingegen mit einem Sondervotum gegen eine ihrer Meinung nach unzulässige Begrenzung des Versicherungswertes ihrer Güter.95 Über zwanzig „dissentierende Vota“, unter denen sich auch Widerlegungen anderer Sondervota befanden, wurden gemäß der Geschäftsordnung zusammen mit den Beschlüssen der weiteren Entscheidung des Königs übergeben. Die Gegner einer veränderten Brennereibesteuerung und die Kritiker der vom Landtag beantragten Verteilungsgrundsätze bei zukünftigen Naturallieferungen versuchten das Gewicht ihrer abweichenden Meinung noch zu verstärken, indem sie deren Erwähnung im Abschlussbericht forderten. Mit diesem Antrag scheiterten sie aber an der Mehrheit, wogegen sie erneut ein Sondervotum einlegten.96 Die Erwähnung im Abschlussbericht erwies sich allerdings nicht als nötig. Auch ohne diese verwies die offizielle königliche Erwiderung auf die Beschlüsse des Landtags, der gedruckte Landtagsabschied vom August 1825, dort wo es der Staatsverwaltung ratsam schien, bei der Ablehnung ständischer Anträge auf die vorhandenen Sondervota. So wurde im Zusammenhang mit der Ablehnung –––––––––– 92

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Dissentierende Vota und Protestationen zu Beschlüssen v. 8.12.1824, 1.12. und 2.12.1824, 21.–23.11.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag. JONAS, Bennecke, S. 681. Klitzing, Verwahrung namens der Kommittenten gegen Beschluss vom 20.12.1824 zur Brennereibesteuerung, 21.12.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag. Dissentierende Vota zu den Beschlüssen vom 15.12. und 16.12.1824, 16.12. und 17.12.1824, in: ebd. Zu Marwitz’ Befürchtungen eines überhandnehmenden Versicherungsbetruges: O. v. Voß an Marwitz, 16.8.1821, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 514f. Vgl. FRIE, Marwitz – Biographien, S. 319f. Zu dessen einprägsamem Erlebnis mit Hausbränden: ebd., S. 138. Protokoll v. 17.12.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag.

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3. Elitenkompromiss

veränderter Brennereibesteuerung darauf verwiesen, dass diese nur ein Teil der Versammlung gewünscht habe.97 Die Konflikte, die im Landtag bei den Verhandlungen über Wirtschaftsfragen auftraten und einen Großteil der Beratungszeit in Anspruch nahmen, lagen quer zu den Ständegrenzen. Mit den Beratungen über die eingeforderten Vorschläge zur gesetzlichen Neubestimmung der Rechte jüdischer Bevölkerung brach jedoch ein Konflikt zwischen Land und Städten aus, der zu einer ersten „Sonderung in Teile“, einer Abstimmung getrennt nach Ständen, führte. Auch hierbei waren allerdings nicht grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten, sondern die Verfechtung von Sonderinteressen ausschlaggebend. Nicht die Forderungen nach Einschränkung der Berufs- und Reisefreiheit jüdischer Bevölkerung im Allgemeinen stießen auf Kritik, sondern die Vorschläge zur besonderen Einschränkung der Niederlassungsfreiheit in den Landgemeinden führten zu fast geschlossenem Widerstand der Städte, die sich benachteiligt fühlten. Die Vorschläge zur Einschränkung der Rechte jüdischer Bevölkerung standen dabei insgesamt in starkem Kontrast zur allgemeinen Beteuerung, die jüdische Religion schützen und die Religiosität der jüdischen Bevölkerung stärken zu wollen, sowie zur ausgesprochenen Erwartung einer „Verbesserung“ der kommenden jüdischen Generation durch gemeinsame Schul- und Berufsbildung mit der christlichen Bevölkerung. In getrennter Abstimmung der städtischen Abgeordneten fand sich dann allerdings eine Mehrheit, die sich auf die Bestimmungen des preußischen Emanzipationsediktes von 1812 berief, während zuvor auch aus den Städten der Wunsch nach Begrenzung des städtischen Haus- und Gartenbesitzes jüdischer Personen geäußert und von der Landtagsmehrheit befürwortet wurde.98 Dies blieb allerdings auf diesem Landtag der einzige Konflikt, in dem sich die städtischen Abgeordneten geschlossen gegen Beschlüsse der Landtagsmehrheit wandten. Der Landtag unterstützte mehrheitlich die Forderungen der Abgeordneten kleiner Städte nach Einschränkungen des Wahlrechtes zu den Stadtverordnetenversammlungen und zur Anstellung der Magistrate auf Lebenszeit. Die Abgeordneten Berlins, Brandenburgs und Frankfurts, die sich gegen diese Forderungen aussprachen und die liberalen Regelungen der Städteordnung von 1807 verteidigten, bildeten auch im eigenen Stand eine Minderheit.99 Der Hohn über die isolierte Stellung der Verteidiger der Städteordnung –––––––––– 97

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Verhandlungen 1, S. 24. Zur Entrüstung A. v. Rochows darüber vgl. ders. an G. v. Rochow, 25.10.1825, in: Nl. Rochow, B, Nr. 31, Bl. 1– 4, hier Bl. 2. Protokolle v. 23.11. und 26.11.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag. Die gedruckte Übersicht über die Verhandlungen erwähnte die Ergebnisse der „Sonderung in Teile“ („itio in partes“) nicht und berichtete nur die Forderungen der „Mehrheit“: Verhandlungen 1, S. 10 –12. Protokoll v. 9.12.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag. Vgl. ALMENRÖDER, Leben, S. 9 –11.

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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spiegelt sich in einer lateinischen Travestie von Vergils Aeneis, 2. Buch, Verse 3 – 9 wider, die wahrscheinlich der Abgeordnete der uckermärkischen Ritterschaft Landrat Ludwig Adolph von Winterfeld verfasste. In ihr werden die Eroberung Trojas durch Städteordnung sowie die Hellenen durch Demagogen oder Liberale ersetzt, und angesichts der späten Stunde wird darum gebeten, dass Kampfmeier – gemeint ist der Lederfabrikant Wilhelm Kampfmeier, einer der Berliner Abgeordneten – davon absehen möge, eine nähere Erörterung der durch die Städteordnung hervorgerufenen „Leiden“ zu verlangen.100 Andererseits fand der grundsätzliche Protest der Niederlausitzer Städte gegen eine Übertragung der preußischen Gewerbe- und Städteordnung weder im ersten Stand noch bei den Vertretern der übrigen Städte Unterstützung.101 Die meisten Beschlüsse zur endgültigen Festlegung von einzelnen noch ungeklärten Bestimmungen der provinzialständischen und kommunalständischen Gesetzgebung wurden von einer breiten Mehrheit aller Stände getragen, unter anderem der Wunsch nach Rückkehr der Verwaltungseinteilung zu den Provinz- und Kreisgrenzen von vor 1806.102 Der Provinziallandtag beantragte außerdem gesonderte Kommunallandtage für die Niederlausitz sowie die Kur- und Neumark, die jährlich zusammentreten, über Petitionsrecht verfügen und die alten landständischen Verwaltungsbefugnisse übertragen bekommen sollten.103 Dabei wurden auf Drängen von Marwitz‘ besonders auf Beteiligung an der Verwaltung der Landarmendirektion Wert gelegt, da die Mittel der zugehörigen Fonds angeblich zweckentfremdet würden.104 Für die Zusammensetzung der Kommunallandtage von Kur- und Neumark wurde die des Provinziallandtags zum Vorbild genommen und für die Niederlausitz eine Fortsetzung des bisherigen Kurien-

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„Infandum, Kampfmeier, jubes renovare dolorem / Urbanas ut opes et lamentabile regnum / Eruerit Staedte-Ordnung, quaeque ipse misserrima vidi / Et quorum pars magna fui! Quis talia fando / Demagogum, Liberalumve aut duri satellis / Temperet a lacrymis! Et jam no humida caelo / Praecipitat, suadentque cadentia sidera somnos.“ Beigefügt sind auch Skizzen von Abgeordneten des ersten Standes, erkennbar an den Ständeuniformen, und Karikaturen anderer Abgeordneter – mit langen Nasen und Hörnern: BLHA, Rep. 6 B, Prenzlau, Nr. 2, unpag. 101 Dissentierende Vota, 8.12. und 9.12.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag. 102 Verhandlungen 1, S. 4f. Der Abgeordnete Frankfurts, Rudelius, und die Abgeordneten aus dem Kreis Sorau protestierten vergeblich gegen die Bitte des Landtags um Auflösung ihrer Kreise: Dissentierende Vota zu Beschlüssen vom 13.12.1824, 14.12.1824, in: ebd. 103 Für die Altmark wurde ein gemeinsamer Kreistag gefordert, an dessen Stelle der Landtagsabschied einen zusätzlichen Kommunallandtag genehmigte, vgl. Verhandlungen 1, S. 9f. 104 Protokoll v. 4.12.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag.; Marwitz’ Antrag v. 15.11.1824, in: ebd. Vgl. BASSEWITZ, Kurmark 1809/10, S. 257, Anm. †† (S. 257–259); FRIE, Marwitz – Biographien, S. 320f.

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3. Elitenkompromiss

landtages unter Hinzufügung einer vierten Kurie für die Landgemeinden beantragt. Für die Altmark sollte ein gemeinsamer Kreistag eingerichtet werden.105 Hinsichtlich der Güter, deren Besitz zur Beteiligung an den Wahlen der Ritterschaft berechtigen sollte, wurde beschlossen, den Nachweis der Kreisstandschaft früherer Besitzer des Gutes an Kreistagen vor 1804 zu fordern. Bei kleinen Restgütern nach Parzellierung des Hauptgutes sollte die Standschaft allerdings ruhen. Hinzutreten sollten nur Güter, die bei ausreichender Größe, eigener Gerichtsbarkeit und uneingeschränktem Eigentum die königliche Verleihung der Standschaft nachweisen konnten, wobei diese als „höchstes Majestätsrecht“ bezeichnet und der Verleihung des persönlichen Adels gleichgestellt wurde. Damit wurde, ohne dies offen zu äußern, auf den Ausschluss von Erwerbern ehemaliger Domänengüter gezielt, sofern diese ihre Güter in Erbpacht, ohne Patrimonialgerichtsbarkeit oder nur mit formaler Bestätigung der Rittergutsqualität übernommen hatten.106 Neuerwerber von Domänen waren – nicht zuletzt aufgrund der Vorschriften zur Besitzdauer – auf dem Provinziallandtag nicht vertreten und so protestierte nur der Abgeordnete August von François im Namen der Niederlausitzer Afterlehnbesitzer, deren Standschaft durch diese Anträge ebenfalls in Frage gestellt wurde.107 Eine Mehrheit des ersten Standes plädierte zusätzlich für das aktive Wahlrecht von Ehemännern in Vertretung ihrer begüterten Frauen, da dies zumindest für die Ritterschaft und die Landgemeinden außerhalb der Niederlausitz traditionell üblich sei, und der Landtag stimmte dieser Forderung mehrheitlich zu.108 Die königliche Beantwortung der ständischen Anträge, der Landtagsabschied, wies diese Forderung unter Verweis darauf zurück, dass bei Wahlen generell keine Stellvertretung stattfinde.109 Das generelle Verbot der Stellvertretung war eine Konsequenz aus der Personalisierung der Repräsentation, die mit den Wahlvorschriften für den Provinziallandtag vorangetrieben worden war. Aber die Entscheidung zeugte zugleich von dem geringen Verständnis der Staatsverwaltung für die bisher übliche Rechtsstellung von Güter besitzenden adligen Frauen, denn für die Urwahlen in den Landgemeinden wurde die Stellvertretung von Bauerngutsbesitzerinnen durch ihre Ehemänner bei der endgültigen Regelung der –––––––––– 105

Protokoll v. 13.12.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag.; Verhandlungen 1, S. 5f. 106 Verhandlungen 1, S. 2– 4. Zum folgenden Ausschluss des größten Teils ehemaliger Domänen von der Teilnahme am Provinziallandtag: SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 45f. und S. 174f. 107 Protokoll v. 12.11.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag. 108 Protokoll v. 10.11.1824, in: ebd. Unter den Vorschlägen zur Regelung des Wahlrechtes nahm diese Bitte den ersten Platz ein: Verhandlungen 1, S. 2f. 109 Verhandlungen 1, S. 21.

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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Wahlrechtsbestimmungen gewährt, „da es herkömmlich“ sei.110 Die Rittergutsbesitzer versuchten mehrfach den Ausschluss der Ehemänner begüterter Frauen bei ständischen Wahlen zu unterlaufen. So wurde die Berufung des im Kreis Beeskow-Storkow zum Landratskandidaten und zum Landtagsabgeordneten gewählten Kammergerichtsrats Adam Ludwig von Dziembowski abgelehnt, da nicht er selbst über Rittergutsbesitz im Kreis verfügte, sondern seine Frau Charlotte Amalie, die Tochter des Grafen Peter von Itzenplitz, die zur Herrschaft Groß Rietz gehörenden Rittergüter besaß.111 In der brisanten Frage zukünftiger Kreisordnungen deutete sich zunächst ebenfalls die Vermeidung eines Konfliktes an. Den Rittergutsbesitzern wurden von allen Ständen Virilstimmen auf den Kreistagen zugestanden. Zwischen den Mitgliedern und Abgeordneten des ersten Standes und den Abgeordneten der Städte kam es auch zu einem gemeinsamen Antrag zur Kreisordnung. Die Städte verzichteten auf eine Forderung nach stärkerer Vertretung auf den Kreistagen als vom ersten Stand zugestanden und ebenso auf Beteiligung an den Landratswahlen, allerdings unter der Bedingung, dass den Landräten die Aufsichtsbefugnisse über die kleineren Städte entzogen und wie vor 1809 eine getrennten Verwaltung von Städten und Kreisen eingerichtet würde. Diesen städtischen Antrag unterstützte auch der erste Stand. In den nach den alten Landesteilen getrennten Verhandlungen über die Zusammensetzung und Befugnisse der Kreistage zeichnete sich für die Alt- und Neumark auch hinsichtlich der Zahl der zum Erscheinen berechtigten Vertreter der Landgemeinden ein Kompromiss ab, der drei gewählte Abgeordnete der Landgemeinden auf den Kreistagen vorsah.112 Erst die Forderungen einer Mehrheit der kurmärkischen Abgeordneten des ersten Standes zur Zusammensetzung der Kreistage ließen einen von gegenseitigen Vorwürfen und Rechtsverwahrungen geprägten Konflikt ausbrechen, an dem sich auch Abgeordnete der anderen Landesteile beteiligten. Es wurden Grundsatzfragen zum gegenseitigen Verhältnis aufgeworfen, die zuvor vermieden und von Beteuerungen gemeinsamen Interesses rhetorisch überspielt wurden. Zu Beginn des Landtages hatte der Geheime Oberfinanzrat Friedrich von Köpcken namens des Standes der Landgemeinden, den er für die Kreise Teltow sowie BeeskowStorkow vertrat, neben dem König auch den anderen Ständen für die Einberufung gedankt und eine Mäßigung der Vertreter der Landgemeinden hinsichtlich ihrer beson–––––––––– 110

Verordnung wegen der nach dem Edikte vom 1. Juli 1823 vorbehaltenen Bestimmungen für die Kur- und Neumark und Niederlausitz, v. 17.8.1825, in: RAUER (Hg.), Gesetzgebung, S. 44 –52, hier S. 50 (§ 18). 111 Zur Landratswahl: EIFERT, Paternalismus, S. 111–113. Zur Landtagswahl: Bassewitz an Staatsministerium, 12.9.1832, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 34, unpag.; Kabinettsorder v. 28.10.1832 in: ebd. Zu Groß Rietz vgl. BERGHAUS, Landbuch, Bd. 2, S. 586 –588. 112 Protokoll v. 13.12.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 5, Bd. 1, unpag. Vgl. Verhandlungen 1, S. 6f.; ALMENRÖDER, Leben, S. 56.

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3. Elitenkompromiss

deren Standesinteressen angekündigt. Adolph von Rochow, der im ersten Stand die Ritterschaft des Kreises Luckenwalde vertrat und das Protokoll führte, erwiderte unbeauftragt, aber „im Glauben, für die Standesgenossen zu sprechen“, dass die Rittergutsbesitzer sich mit den Bauern durch Grundbesitz und gleiche Beschäftigung verbunden fühlen würden, und „es habe daher mit Zuversicht u[nd] ohne Bedenken der erste Stand frühere Rechte der Vertretung freiwillig aufgegeben, denn niemand habe mehr Gelegenheit als er, die treue grade Gesinnung des Bauernstandes, seine Anhänglichkeit an den Thron und seine Ehrfurcht vor den bestehenden Gesetzen zu kennen. Niemand könne diesen also auch mehr lieben und ehren als er.“ Die übrigen Mitglieder und Abgeordneten des ersten Standes stimmten dem bei.113 Tatsächlich blieben Konflikte zwischen erstem und drittem Stand bis zu den letzten Verhandlungstagen weitgehend aus. In den Forderungen zur Wirtschaftspolitik herrschte weitgehend Übereinstimmung, nur verschiedene Anträge, die Friedrich von Köpcken als Vertreter der Landgemeinden einbrachte, wurden als zu kompliziert, nicht umsetzbar oder schon anderweitig bearbeitet ohne Diskussion abgelehnt.114 Auch hinsichtlich des Wunsches nach Verbilligung und Beschleunigung der Regulierungs- und Ablösungsverfahren gab es keine grundsätzlichen Auseinandersetzungen zwischen dem ersten und dritten Stand.115 Beim Beschluss des Landtags, um Vermehrung der Mandate zu bitten, verlangten die Landgemeinden anteilig berücksichtigt zu werden, reichten allerdings kein eigenes Votum ein, da insgesamt nur zwei zusätzliche Abgeordnete hinzutreten sollten.116 Der direkt an den König gerichtete Antrag der Landgemeinden auf gleiche Diäten für alle Stände fand zwar keine Unterstützung durch die Mitglieder und Abgeordneten des ersten und zweiten Standes. Dies wurde aber ausweichend damit begründet, dass beschlossen worden sei, zur Höhe der Diäten grundsätzlich keine Anträge zu stellen.117 Die Abgeordneten und Mitglieder des ersten Standes unterstützten auch die durch den Abgeordneten des Standes der Landgemeinden Christoph Bonneß aus Rohrberg vorgetragene Bitte mehrerer altmärkischer Gemeinden um Aufhebung der aus königlich westphälischer Zeit stammenden Kommunalordnung und Wiedereinsetzung in alte Gerechtsame.118 Aus Sicht der Rittergutsbesitzer schien dieser Antrag ein Zeichen dafür zu sein, dass auch die Bauern die gutsherrliche einer staatlichen Polizeiaufsicht vorzo–––––––––– 113

Protokolle v. 3.10. und 5.10.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 1, Bd. 1, unpag. Anträge auf Errichtung einer „ständischen Zeddelbank“, auf Einrichtung von „Prämienkassen“ und auf Neuordnung der Landfeuerversicherung, 26.10., 8.11. und 15.11.1824, in: ebd. 115 Ein Antrag auf Auflösung der Generalkommission wurde mit Mehrheit des Plenums und ohne Sondervota abgelehnt: Protokoll v. 14.12.1824, in: ebd. 116 Protokoll v. 23.10.1824, in: ebd. 117 Protokoll v. 13.12.1824, in: ebd. 118 Antrag v. 18.11.1824, in: ebd.; Verhandlungen 1, S. 7f. 114

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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gen und Adolph von Rochow entrüstete sich daher später über die ausweichende Antwort im Landtagsabschied von 1825.119 Tatsächlich zeigt der Antrag allerdings nur, dass auch wohlhabende Bauern sich durch die bürokratische Verwaltung staatlicher Behörden bevormundet fühlen konnten, nicht dass sie unter Kontrolle von Gutsherren geraten wollten. Grundsätzlich zeigten sich die Abgeordneten der Landgemeinden, solange sie sich nicht direkt benachteiligt fühlten, nicht an Konflikten mit dem ersten Stand interessiert. So wurde den Forderungen nach Entschädigung für den durch die Gewährung von Freizügigkeit entfallenden „Abschoss“, die Gebühren für die Gerichtsherrschaft bei Umzug eines Untertanen, von ihrer Seite nicht widersprochen.120 Ein Antrag auf Ablösung der gutsherrlichen Kriminalgerichtsbarkeit zur Ersparnis der Kosten, der von einem Mitglied des ersten Standes gestellt wurde, stieß auch nicht auf Unterstützung durch die Abgeordneten der Landgemeinden. Dafür erfolgte eine scharfe Rechtsverwahrung durch Ludwig von der Marwitz, unterstützt von zehn Mitgliedern seines Standes. Dass weder eine Gegenargumentation noch ein Sondervotum überliefert sind, deutet auf eine wachsende Akzeptanz für die Position von Marwitz als Wortführer des ersten Standes hin.121 Auf Marwitz‘ Initiative ging es wahrscheinlich auch zurück, dass die Mitglieder und Abgeordneten des ersten Standes der Kurmark beantragten, dass den Landgemeinden auf den Kreistagen höchstens zwei Stimmen zustehen sollten, besser aber nur eine. Zur Begründung wurde auf die gutsherrlichen Rechte bei Besetzung der Schulzenstellen verwiesen, die für eine Unterordnung der Landgemeinden unter die Rittergutsbesitzer spreche. Die Abgeordneten des dritten Standes, zum großen Teil selbst Schulzen, schlossen sich daraufhin zu Gegenanträgen zusammen, die deutlich über das hinausgingen, womit sich die Vertreter der alt- und neumärkischen Landgemeinden in den Ver–––––––––– 119

A. v. Rochow an G. v. Rochow, 25.10.1825, in: Nl. Rochow, B, Nr. 31, Bl. 1– 4, hier Bl. 3: „Wenn der Bauer selbst seinen Maire wieder abgesetzt und des Gutsherrn angeerbte väterliche Gewalt wiederhergestellt wissen will, so antwortet ein geliebter König, er werde diese Bitte erst prüfen lassen? Nun bei meiner Seele! wenn es da noch etwas zu prüfen gibt, so möchte ich wohl wissen, wo es sonst einem Könige erlaubt sein könnte ohne weitere Umstände König zu sein!“ 120 Antrag v. 18.11.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 1, Bd. 1, unpag. Eine Antwort auf diese Bitte erfolgte im Landtagsabschied überhaupt nicht: Marwitz, Über den ersten Brandenburgischen Provinziallandtag, November 1825, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 342–362, hier S. 349. 121 Protokoll v. 1.12.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 1, Bd. 1, unpag. Der ursprüngliche Antragsteller ließ sich nicht ermitteln. Die Begründung des gegen den Antrag gerichteten „dissentierenden Antrags über Aufhebung der Kriminalgerichtsbarkeit“ in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 364f. Zur Diskussion um die Patrimonialgerichtsbarkeit auf dem Landtag: WIENFORT, „Gutsbesitzerliberalismus“, S. 319 –323.

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handlungen zufrieden gezeigt hatten. Fast alle Abgeordneten der Landgemeinden unterzeichneten ein Sondervotum, dass aufgrund seiner grundsätzlichen Argumentation auf die Autorschaft des Geheimen Oberfinanzrates Friedrich von Köpcken, der die Landgemeinden der Kreise Teltow und Beeskow-Storkow auf dem Landtag vertrat, schließen lässt. In ihm wurde unter Berufung auf die Wahlvorschriften für den Provinziallandtag nicht nur gegen die Beschränkung der Vertretung von Landgemeinden in den Kreistagen auf nur eine Stimme protestiert, sondern auch das Wahlrecht der Landratskandidaten für die Vertreter der Landgemeinden gefordert. Darüber hinaus wurde die vom ersten Stand geforderte Wahlbedingung, dass der Landrat zu den Rittergutsbesitzern des Kreises gehören müsse, abgelehnt, denn der Landrat „sei nicht primus inter pares des ersten Standes“, wenn bäuerliche Interessen berührt würden. Zugleich wurden die Anmerkungen zu Schulzenstellen als missverständlich sowie möglicherweise beleidigend kritisiert und Rechtsverwahrung für die betroffenen Personen eingelegt.122 Mitte Januar 1825, drei Wochen nach Beendigung des Landtags, reichte der Landtagsmarschall Graf Johann August Ernst von Alvensleben eine Gegenerklärung zu einer Erklärung der kurmärkischen Städte und besonders zum Votum der Landgemeinden in der Kreisordnungsfrage an den vom König eingesetzten Landtagskommissar weiter, die seiner Aussage zufolge eine große Mehrheit der Abgeordneten des ersten Standes unterstützt hatte.123 Diese Gegenerklärung war am 23. Dezember 1824, einen Tag nach Schließung des Landtags, abgefasst worden, und richtete sich in harten Worten dagegen, dass die Abgeordneten des dritten Standes sich bei ihrer Forderung nach Mitbestimmung bei den kreisständischen Versammlungen und bei den Landratswahlen auf die provinzialständische Gesetzgebung berufen hatten. Dieser wurden hinsichtlich der Vertretung der Landgemeinden indirekt revolutionäre Ideen zugeschrieben. Zudem wurde in der Gegenerklärung des ersten Standes behauptet, auf die Stimmenzahl komme es bei ständischen Versammlungen wie den Kreistagen nicht an, da sie nur der Beratung und Vorlage der Ergebnisse an den König dienten. Schließlich wurde das juristisch geschulte und entschiedene Auftreten Köpckens für die Landgemeinden als unpassend und dem Sinn der Beteiligung von Bauern an ständischen Versammlungen nicht entsprechend bezeichnet.124 –––––––––– 122

Protokoll v. 13.12.1824 und Sondervotum von zehn der zwölf Abgeordneten dritten Standes dazu v. 16.12.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 1, Bd. 1, unpag. Vgl. auch Verhandlungen 1, S. 7f.; ALMENRÖDER, Leben, S. 58. 123 Alvensleben an Oberpräsident Heydebreck, 17.1.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 1, Bd. 9, unpag. 124 Gegenerklärung zur Erklärung churmärk. Städte v. 3.12.24 und zu abweichendem Votum von zehn Abgeordneten dritten Standes v. 16.12.24, 27.12.1824, in: ebd. Der Schluss und die Unterschriften fehlen.

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Ton und Argumentationsführung dieser Gegenerklärung weisen auf Ludwig von der Marwitz als Verfasser hin. Bezeichnenderweise war sich der Landtagskommissar Oberpräsident Georg von Heydebreck nicht sicher, ob der Text dem König vorgelegt werden solle, nicht etwa wegen der darin geäußerten Bedenken gegen die Beteiligung von Bauern an den Kreistagen, sondern wegen der Form, in der diese vorgetragen wurden. Er merkte in seinem Gutachten an, dass er eine Vorlage der Gegenerklärung beim König trotz ihrer Abfassung nach Schließung des Landtages für wünschenswert halten würde, wenn sie „in gemäßigteren Ausdrücken gefasst worden wäre.“ Besonders richtete sich die Kritik des Staatsbeamten auf eine Stelle der Gegenerklärung, in der den Behörden das Recht abgesprochen wurde, die Verfassung zu ändern oder Rechte zu verleihen, da dies nur dem König allein zustehe.125 Diese Formulierung richtete sich in der Tat indirekt auch gegen den König selbst, dem unterstellt wurde, nicht Herr über seine Beamten zu sein. Es ist ein klares Zeichen für die Situation ständischer Politik in der Mitte der 1820er Jahre, dass der erste Provinziallandtag mit einem Konflikt endete, in dem Friedrich von Köpcken und Ludwig von der Marwitz als Wortführer auftraten – allerdings nicht unbedingt, weil die Ansichten von Marwitz typisch für die Rittergutsbesitzer waren und das Auftreten Köpckens ein Vordringen städtisch-bürgerlicher Schichten auf dem Lande anzeigte, wie Herbert Obenaus den Konflikt interpretiert.126 In der Reformepoche war Marwitz mit seinem politischen Anliegen, der Krise der Monarchie ein neues königlich-ständisches Bündnis entgegenzusetzen, nicht nur am Widerstand der Staatsverwaltung, sondern ebenso auch an mangelnder Unterstützung durch die Mehrheit der adligen Gutsbesitzer gescheitert. Deren Vertreter hatten vielmehr, kurz nachdem Marwitz seine Festungsstrafe verbüßt hatte, über die Bewältigung der Provinzialschulden in Zusammenarbeit mit der Staatsverwaltung verhandelt. Den Vorsitz bei diesen Verhandlungen hatte der zu diesem Zeitpunkt noch als Ober-Finanzrat im Staatsdienst stehende spätere Abgeordnete des Standes der Landgemeinden auf dem Provinziallandtag Friedrich von Köpcken inne.127 Friedrich von Köpcken, dessem gleichnamigen Vater, einem einflussreichen Juristen und Schriftsteller, 1786 zusammen mit zwei Verwandten der erbliche Adel verliehen worden war, hatte in den 1790er Jahren selbst ein adliges Gut besessen und als ständi–––––––––– 125

Anmerkungen von Heydebreck zur Gegenerklärung, in: ebd. Allmenröder meint irrtümlich, die Kritik des Oberpräsidenten hätte sich gegen das Votum der Landgemeinden gerichtet: ALMENRÖDER, Leben, S. 59. 126 OBENAUS, Anfänge, S. 506. 127 Köpcken war bereits 1810 zum königlichen Kommissar und Direktor der Generalkommission für das Kriegsschuldenwesen ernannt worden, an der die adligen Gutsbesitzer die Mitarbeit verweigerten. 1812–1814 stand er der neuen Provinzialschulden-Kommission vor. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 159 –164, S. 170f.

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3. Elitenkompromiss

scher Kreisdeputierter im magdeburgischen Holzkreis agiert, bevor er eine staatliche Beamtenkarriere begann.128 Um 1815 verließ er den Staatsdienst, erwarb ein Bauerngut und nahm 1818 sowie 1822 als Vertreter des Bauernstandes an den Verhandlungen der ständischen Deputierten zu den kurmärkischen Provinzialschulden teil. 1818 wurde er auf „allseitigen Wunsch“ zu den Beratungen über einen Schuldenvergleich mit der Altmark hinzugezogen und seit 1822 war er einer der zwei Deputierten, die die Rechte der kurmärkischen Stände bei der staatlichen Verwaltung der Provinzialschulden vertraten.129 Dass er über die Problematik des Verhältnisses der neuen Provinzialstände zu den alten Ständen besser informiert war, als die meisten anderen Teilnehmer des Landtages, zeigen seine Forderung, die Auflösung des Haftungsverhältnisses zwischen ehemaliger Landschaft und Witwenkasse zu beantragen, und seine Drohung, die für deren Ablehnung verantwortlichen Mitglieder des Landtages persönlich in Regress zu nehmen.130 Gerade seine unbestreitbare Sachkenntnis rief die Abneigung der Abgeordneten und Mitglieder des ersten Standes gegen ihn hervor. Denn gegenüber dem adligen, ehemaligen hohen Staatsbeamten konnten sie sich nicht wie in den Auseinandersetzungen mit den sonstigen Vertretern der Landgemeinden auf ihr soziales Prestige und auf größere Verwaltungserfahrung berufen. Die Schwäche ihrer Position bei Verhandlungen mit Vertretern der Staatsbürokratie drohte nun auch bei Verhandlungen mit Vertretern der Landgemeinden einzutreten. Die Abgeordneten der Ritterschaft schlossen sich nicht deshalb zunehmend den Argumenten von Marwitz an, weil sie dessen Konfrontationskurs vorbehaltlos teilten, sondern vor allem, um von dessen Renommee als unbeugsamer Gegner der Reformbürokratie zu profitieren und den Statusverlust, den sie durch die Aufwertung der Staatsverwaltung in den letzten Jahrzehnten erlitten hatten, auszugleichen. Die Abgeordneten der Landgemeinden schlossen sich ihrerseits den Argumenten von Köpcken mehrheitlich erst an, als sie durch den Konfrontationskurs des ersten Standes in die Defensive gedrängt wurden. Dass auch dieser Konflikt in Form von Sondervota mit Appell an höhere Entscheidung ausgetragen wurde, ließ das ständeübergreifende Auftreten des Landtags bei den Forderungen zur Wirtschaftspolitik in den Hintergrund treten. Als im Herbst 1825 zusammen mit einer „Übersicht über die Verhandlungen“ der im August fertiggestellte Landtagsabschied, die vom König unterzeichnete Antwort auf die Vorschläge der Stände, erschien, zeigte sich dies deutlich. Eingangs wurden, etwas herablassend, der „Fleiß“ und, fast schon ironisch, das „gemeinsame und einträchtige Bestreben“ aller Stände gelobt – ein deutliches Zeichen dafür, dass von den Teilnehmern an Provinziallandtagen Übereinstimmung und nicht Konfliktaustragung erwartet –––––––––– 128

STRAUBEL, Handbuch, S. 515. BASSEWITZ, Kurmark 1806 –1808, Bd. 2, S. 177, S. 186f., S. 191 mit Anm. * und S. 226. 130 Antrag v. 15.11.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 1, Bd. 1, unpag. 129

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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wurde.131 Die Vorschläge des Landtages wurden, soweit sie sich gegen die Planungen der Staatsverwaltung richteten, entweder ganz zurückgewiesen oder dieser zur weiteren Beratung überlassen. Nur die Rückgabe des Landschaftshauses, die schon Hardenberg versprochen hatte, und die Übergabe des Landarmenwesens in ständische Verwaltung wurden uneingeschränkt zugesichert.132 Dieser Umgang mit den ständischen Beschlüssen löste unter adligen Gutsbesitzern verständlicherweise Enttäuschung und Empörung aus. Theodor von Rochow berichtete seinem Bruder Gustav, der als Mitglied der zuständigen Immediatkommission selbst an der Abfassung des Landtagsabschiedes beteiligt war, von dessen Aufnahme durch den Kreistag der Zauche, der im November 1825 zum letzten Mal in alter Form zusammengetreten war. Ein beruhigendes Schreiben, das Gustav von Rochow zuvor an die Kreisstände gerichtet hatte, habe die allgemeine Unzufriedenheit etwas gedämpft und der Landrat Rochus von Rochow habe ihn als „gereiften Geschäftsmann“ gelobt. Es sei aber dennoch eine „große Verachtung für die Ministerien“ geblieben, die sich bemühen würden, dem Landtag keine „Wirksamkeit“ zuzugestehen. Insgesamt konstatierte Theodor von Rochow: „Bewilligt ist allerdings manches – Formen, die uns wichtig u[nd] wesentlich sind, die sie aber als Nebensache betrachten, eben weil sie überzeugt sind, daß sie stets den ständischen Einfluss paralysieren können.“133 Marwitz beschwerte sich in einer Denkschrift über die Form, in der durch die in geringer Auflagenhöhe gedruckten „Verhandlungen“ die ständischen Petitionen dargestellt und im Landtagsabschied erwidert wurden. Die Darstellung der Verhandlungen auf dem Provinziallandtag erlaube aufgrund des geringen Umfangs, der für die Publikation bewilligt wurde, keinen Einblick in den Kern der ständischen Argumentation. Im Landtagsabschied werde schließlich vollends deutlich, dass die Staatsverwaltung sich zwischen Stände und König dränge: „Daß der Landtag von 1824 keine Fortschritte auf der Bahn, welche die Gesetze von 1823 vorzeichnen, gemacht, sondern daß er vielmehr die Beamten-Hierarchie in dem Vorrang über die Besitzenden befestigt hat, den sie seit 1810 einnimmt.“134 Damit berief er sich nun auf die Gesetzgebung zu Provinzialständen, die die Gegenerklärung des ersten Standes hinsichtlich der Stimmrechte von Bauern gerade als revolutionär verdächtigt hatte. Marwitz fuhr fort, alles, was der König allein entscheiden könne, habe er zugestanden und dies gebe Anlass zur Hoffnung, dass eine volle Zustimmung des Königs zu den ständischen Bitten möglich werde, wenn die Schwierigkeiten, „welche die Beamten in den Weg zu legen gewusst“ –––––––––– 131

Verhandlungen 1, S. 20. Ebd., S. 20 –26. 133 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 4.11.1825, in: Nl. Rochow, B, Nr. 21, Bl. 67. 134 Marwitz, Von dem Resultate im Herbst 1824 abgehaltenen Landtage, November 1825, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 342–362, hier S. 362. 132

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3. Elitenkompromiss

hätten, ausgeräumt würden.135 Damit traf er, nicht ganz absichtlich, den Kern der politischen Verhältnisse: ohne die in der Reformzeit gestärkte Staatsverwaltung wäre der König zur Herrschaft auf die Mitwirkung der Stände angewiesen geblieben. Allerdings missdeutete Marwitz den „väterlichen“ und „freundlichen“ Ton des Landtagsabschieds, wenn er meinte, dieser zeige, dass der König an seiner auf die Staatsverwaltung gestützten Herrschaft grundsätzlich etwas ändern wollte. Dessen Politik zielte genauso wie die der höheren Staatsverwaltung nur auf Zustimmung und Unterstützung der bestehenden Herrschaftsverhältnisse durch die adligen Gutsbesitzer, um eine solche nicht bei anderen gesellschaftlichen Gruppen suchen zu müssen. Die oben erwähnten Bedenken Heydebrecks zur Weiterleitung der Gegenerklärung des ersten Standes sind gerade dafür bezeichnend. Bereits im Oktober 1825 hatte Adolph von Rochow sich an Gustav von Rochow mit den Worten gewandt: „Endlich habe ich den Landtagsabschied bekommen. – Wie wenig ich auch davon gehofft hatte, so ist er doch tief unter meiner Erwartung.“136 Schon in der Darstellung der Verhandlungen seien Unwahrheiten und Parteilichkeiten enthalten und der Landtagsabschied selbst ziele offensichtlich darauf, dem Landtag Inkompetenz vorzuwerfen. Dies aber spiele den Liberalen in die Hände, die nun unter Verweis auf den Landtagsabschied sich in der Behauptung bestätigt fühlen könnten, die Provinziallandtage seien „bloße Spielerei“ und ein „Kunstgriff der Regierung, ihr Wort, eine ständische Verfassung einzuführen, scheinbar zu lösen.“ Auch die liberalen Bedenken gegen die Zusammensetzung der Landtage würden durch die Behandlung der ständischen Anträge gestärkt, denn diese lege den Gedanken nahe: „Von einer Zusammensetzung einer Versammlung wie dieser, wo die Intelligenz nicht repräsentiert wird, ließ sich nichts anderes erwarten […] Keine erleuchtete Regierung kann ihnen willfahren. Der König wird ihre Bitten abschlagen.“137 Resigniert reflektierte Adolph von Rochow abschließend darüber, wozu er seine Überlegungen überhaupt Gustav von Rochow, der mittlerweile selbst zur Staatsverwaltung zählte, mitteilte, außer um nur seinem Ärger „Luft zu machen“, und kam zu dem Schluss: „auch um dich, der du unser Bestes so redlich willst, und es, soviel du kannst, thätig förderst, dann und wann eine Stimme, die aus der reinen Landluft kommt, hören zu lassen. – Es kommt mir vor, als seien wir vom landgesessenen Adel jenem Riesen zu vergleichen, der im Kampf mit dem Alkeiden so lange nicht überwunden werden konnte, als er seine Mutter, die Erde, berührte. Erst als ihn Herkules in die Luft hob, konnte er ihn erdrücken. Man müsste mehr als ein Mensch sein, wenn man sich in einem thätigen Geschäftsleben mitten in einem Wirkungskreise, wo die verderblichsten –––––––––– 135

Ebd. A. v. Rochow an G. v. Rochow, 25.10.1825, in: Nl. Rochow, B, Nr. 31, Bl. 1– 4, hier Bl. 1. 137 Ebd., Bl. 3f. 136

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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Theorien mit Talent und Consequenz verfochten werden, nicht hie und da gegen das Schlechte milder, gegen das Gute lauer stimmen ließe. – Das kann uns, die wir auf unseren Feldern und in unseren Wäldern ohne Versuchung leben, nicht geschehen. Haben wir je eine Anfechtung gehabt, und setzen den Fuß wieder auf Grund und Boden des alten Lehnguts, so ist alles wieder verwischt – so geht es mir wenigstens.“138 Was im Kreise der ländlichen Gesellschaft mit den Gutsnachbarn und auch dem Landpfarrer als unmittelbar einleuchtend und leicht umsetzbar erschien, ließ sich politisch nicht verwirklichen. Gerade Adolph von Rochow vertrat aber später die Ansicht, es sei auch gar nicht der Zweck der Provinziallandtage, auf die Politik der Staatsbehörden einzuwirken, vielmehr sollten sie diese gegen Forderungen aus der Gesellschaft verteidigen – eine Position, der sich Gustav von Rochow schon 1821 genähert hatte. Noch hatte sich diese Einstellung aber nicht unter den adligen Gutsbesitzern als dominierende Ansicht durchgesetzt. Vielmehr richteten sich die Hoffnungen vieler adliger Gutsbesitzer, doch noch als Stände politische Gestaltungsräume gewährt zu bekommen, auf die 1826 erstmals einberufenen neuen Kommunallandtage sowie die neu zusammengesetzten Kreistage.

b)

Kompetenzverzicht. Der Übergang adliger Gutsbesitzer zur Verteidigung des politischen „status quo“

Ab dem Herbst 1826 traten regelmäßig die Kommunallandtage und die neuen Kreistage des provinzialständischen Verbandes Brandenburgs und der Niederlausitz zusammen. Der neu- und der kurmärkische Kommunallandtag bestanden aus den Abgeordneten und Mitgliedern des Provinziallandtages der jeweiligen Landesteile, zu denen in der Neumark die jeweiligen Stellvertreter hinzutraten. Die Altmark erhielt einen gesonderten Kommunallandtag, auf dem – wie sonst auf Kreistagen – alle Besitzer von Rittergütern Stimmrecht hatten. Darüber hinaus waren die sieben größeren Städte durch eigene Abgeordnete vertreten, die übrigen Städte wählten einen gemeinsamen Vertreter. Für jeden der vier landrätlichen Kreise der Altmark trat ein gewählter Abgeordneter des Bauernstandes hinzu.139 In der Niederlausitz blieb der Drei-Kurien-Landtag, auf dem die Mitglieder des Herrenstandes und der Ritterschaft das Recht zum persönlichen Erscheinen hatten, bestehen. Die bisher nicht zugelassenen, vor allem nichtadligen Besitzer von Rittergütern konnten allerdings die Zulassung zur sogenannten Rittertafel

–––––––––– 138 139

Ebd., Bl. 4. Verordnung wegen der zukünftigen Verfassung der Kommunal-Landtage der Kur- und Neumark, v. 17.8.1825, in: RAUER (Hg.), Gesetzgebung, S. 52–55, hier 52f.

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3. Elitenkompromiss

beantragen, an deren Beratungen auch zwei Deputierte der Vasallengutsbesitzer (Afterlehnbesitzer) und vier Deputierte der Landgemeinden teilnahmen.140 Auf den Kreistagen konnten wie in allen preußischen Provinzen die Rittergutsbesitzer persönlich erscheinen oder anderen Rittergutsbesitzern die Vollmacht erteilen, in ihrem Namen zu stimmen. Rittergüter besitzende Korporationen, zu denen vor allem Städte, aber auch Landgemeinden zählten, konnten Abgeordnete entsenden. Rittergüter besitzende Ehefrauen konnten durch ihre Ehemänner vertreten werden und Witwen sowie unverheiratete Frauen konnten stimmberechtigte Rittergutsbesitzer zur Stimmabgabe in ihrem Namen bevollmächtigen. Die im Kreis gelegenen größeren Immediatstädte hatten unabhängig von möglichem Rittergutsbesitz Stimmrecht, während die kleineren Immediat- und Mediatstädte zusammen meist eine Kollektivstimme führten. Die Landgemeinden wählten drei Abgeordnete.141 Wie auf den Provinziallandtagen stand der Ritterschaft auf dem neumärkischen und dem kurmärkischen Kommunallandtag die Hälfte der Stimmen zu, und bei deren Vertretung wirkten sich die Wahlvorschriften zur Besitzdauer zumindest vorläufig meist zugunsten adliger Gutsbesitzer aus. Auf den Kreistagen und dem altmärkischen Kommunallandtag ermöglichte das persönliche Stimmrecht den Rittergutsbesitzern theoretisch ein dominantes Übergewicht.142 Die tatsächliche Stimmverteilung und insbesondere das Stimmverhältnis der adligen Gutsbesitzer zu den übrigen Stimmberechtigten hingen aber von der Zahl der tatsächlichen Teilnehmer und der vergebenen Vollmachten ab sowie langfristig von der Entwicklung der Besitzverhältnisse. Einen interessanten Einblick in die Teilnahmeverhältnisse gewährt das überlieferte Protokollbuch der Ruppiner Kreistage. Laut Matrikel von 1828 konnten 28 Adlige und 9 Bürgerliche auf den Kreistagen persönlich erscheinen, ab 1831 trat ein weiterer bürgerlicher Rittergutsbesitzer hinzu. Stimmberechtigt aufgrund des Besitzes von Rittergütern waren außerdem Prinz August von Preußen, eine adlige Gutsbesitzerin, die Städte Neuruppin und Wusterhausen sowie die Landgemeinde Schönermark. Die Besitzungen von weiteren fünf adligen und einem bürgerlichen Rittergutsbesitzer befanden sich im Erbgang.143 An den Kreistagen zwischen 1826 und 1836 standen aber –––––––––– 140

Verordnung v. 18.11.1826 wegen der Abänderungen, welche in der seitherigen Verfassung der Kommunal-Land- und Kreis-Tage des Markgrafthums Niederlausitz […] eintreten sollen, in: ebd., S. 64 – 68, hier S. 64f. 141 Ebd., S. 65 – 68; Kreis-Ordnung für die Kur- und Neumark v. 17.8.1825, in: ebd., S. 55 – 63, hier S. 56f. 142 KOSELLECK, Preußen, S. 463 – 465. 143 Matrikel der landtagsfähigen Rittergüter Ruppinschen Kreises 1828 und Erster Nachtrag dazu 1836, in: EICKSTEDT, Beiträge, S. 500f. und S. 520. 1857 werden darüber hinaus noch ein von einem Adligen besessenes nur bedingt landtagsfähiges und ein von einem Bürgerlichen besessenes nur kreistagsfähiges Rittergut erwähnt: RAUER, Hand-Matrikel, S. 71f.

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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in der Praxis fünf bis elf Rittergutsbesitzer, von denen ein bis zwei nichtadlig waren, drei Abgeordneten der Landgemeinden und drei Vertretern der Städte gegenüber. Die Zahl der für Abstimmungen des Kreistages gültigen Vollmachten ist leider nur für die 1830 durchgeführte Wahl des Kreisdeputierten angegeben: zu den sechs Stimmen von Landgemeinden und Städten sowie zehn der anwesenden Rittergutsbesitzer kamen fünf Vollmachten für die Ritterschaft. An der Wahl der ökonomisch bedeutsamen, paritätisch zusammengesetzten „Kommission zur Ausmittlung von Normalsätzen für die Dienstablösungen“ 1837 nahmen 14 Rittergutsbesitzer teil, von denen fünf nichtadlig waren.144 Die strukturelle Mehrheit der Rittergutsbesitzer und eine dominante Stellung des altangesessenen Adels spiegeln sich in diesen Verhältnissen deutlich wieder. Allerdings hatten die städtischen und bäuerlichen Stimmen durchaus mehr Gewicht, als die aufgrund der Gesetzeslage theoretisch mögliche Zahl von über 40 Stimmen der Rittergutsbesitzer im Ruppiner Kreis nahelegt.145 Dies führte dazu, dass in der Praxis Beratungen über die Anliegen der verschiedenen Interessengruppen möglich waren, Mehrheitsentscheidungen aber stets im Verdacht standen, die Rittergutsbesitzer zu begünstigen. Die Regierungen hatten damit stets eine Begründung, sahen sich andererseits aber auch in die Notwendigkeit gesetzt, alle Beschlüsse der Kreistage zu kontrollieren. Gegen die Pflicht der Kreisstände, sämtliche Beschlüsse, auch diejenigen, die formal keine Genehmigung erforderten, den Regierungen vorzulegen, protestierte der zweite brandenburgisch-niederlausitzische Provinziallandtag 1827 vergeblich.146 Die Entwicklung einer wirksamen Selbstverwaltung der Kreise auf Repräsentationsbasis war unter diesen Bedingungen kaum möglich, zumal nicht nur Städte und Landgemeinden unterrepräsentiert, sondern auch die nicht erscheinenden Rittergutsbesitzer sich als nicht repräsentiert betrachten und gegen Beschlüsse protestieren konnten. Einer ständischen Selbstverwaltung – zumindest für die Rittergüter des Kreises im Sinne gemeinsamer Beratung aller Betroffenen – stand die geringe Zahl derjenigen Rittergutsbesitzer, die von ihrem Recht auf Virilstimmen und Vollmachten Gebrauch machten, entgegen. Die Zustimmung, die der erste Stand auf dem zweiten Provinziallandtag 1827 dazu äußerte, dass den Besitzern von ehemaligen Domänengütern, die diese mit Zusicherung der Rittergutsqualität erworben hatten, die Kreisstandschaft in jedem Falle zustehe,147 mag mit der Problematik der Kreistage in Zusammenhang stehen. Gut drei Jahre zuvor hatte der erste Stand die automatische Zugehörigkeit dieser Domänenbesit-

–––––––––– 144

Protokollbuch der Ruppiner Kreistage, in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5, Bl. 250 –350, passim. Zur geringen Beteiligung an den Kreistagen vgl. EIFERT, Paternalismus, S. 109f. 146 Verhandlungen 2, S. 17 und S. 32. 147 Ebd., S. 10. 145

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3. Elitenkompromiss

zer zur Ritterschaft hinsichtlich des Wahlrechtes zum Provinziallandtag energisch bestritten.148 Zumindest im Ruppiner Kreis gab es nur eine kleine Zahl von Rittergutsbesitzern, die regelmäßig auf den Kreistagen erschien, um gemeinsam mit dem Landrat zu beraten und diesem sowie den Regierungen besondere Anliegen vorzutragen. Dieselbe Gruppe bestimmte auch über die Abgeordneten für den Provinzial- und Kommunallandtag, so dass auch diese keineswegs als repräsentative Sprecher der Rittergutsbesitzer gelten konnten. Zu den Wahlkonventen der Ritterschaft des Ruppiner Kreises, bei denen keine Stimmen per Vollmacht übertragen werden durften, erschienen 1830 acht und 1836 zwölf Rittergutsbesitzer, darunter 1830 ein und 1836 zwei nichtadlige. Daneben nahmen auch die Vertreter der Rittergüter besitzenden Städte Neuruppin und Wusterhausen sowie 1836 der Schulze der Gemeinde Schönermark für deren Rittergut teil. Die Wahlen, die mit relativer Mehrheit erfolgten, zeigen keine Hinweise auf spezifische Wahlentscheidungen adliger, bürgerlicher oder bäuerlicher Wähler.149 Die wachsende Dynamik des Gütermarktes engte gleichzeitig die Zahl der über zehn Jahre angesessenen und damit zum Abgeordneten wählbaren Rittergutsbesitzer zunehmend ein: galten im Kreis Ruppin 1830 noch 26 adlige und acht nichtadlige Gutsbesitzer als wählbar, waren es 1836 nur 20 adlige und vier nichtadlige.150 Der Abgeordnete der Ritterschaft des Kreises Ruppin wurde offensichtlich zumindest teilweise auch als Abgeordneter des ganzen Kreises wahrgenommen. So wurden auf regulären Ruppiner Kreistagen Anträge für Provinzial- und Kommunallandtage, die der Abgeordnete stellen sollte, diskutiert.151 Auch Abgeordnete der Ritterschaft anderer Kreise stellten Anträge im Namen von Einwohnern ihrer Kreise, die nicht zur Ritterschaft gehörten.152 Angesichts des Stimmrechtes von Städten und teils auch Landgemeinden innerhalb der Ritterschaft und der gesicherten Stimmenmehrheit, über die die Rittergutsbesitzer auf den Kreistagen verfügten, bedeutete die 1828 erfolgende Erteilung des Wahlrechts –––––––––– 148

SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 45f. Die Wahlverhandlungen in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 6, unpag. Das Wahlrecht der Rittergüter besitzenden Landgemeinden hatte das Innenministerium 1823 ausdrücklich bestätigt: Schuckmann an Heydebreck, 27.11.1823, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 522a, Nr. 1, Bd. 1, Bl. 42. 150 Protokolle der Wahlverhandlungen in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 6, unpag. 151 Darauf deuten zumindest die Protokolle v. 7.1.1829 und 20.1.1832 hin, vgl. Protokollbuch der Ruppiner Kreistage, in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5, Bl. 278 –280 und S. 305f. 152 Anträge des Abgeordneten der Ritterschaft der Kreise Guben und Sorau für die Müller, Krämer und Schankwirte in kleinen Landstädten auf dem zweiten und des Abgeordneten der Ritterschaft des Kreises Westhavelland für den Müller Wischer auf dem dritten Provinziallandtag: Protokoll v. 1.2.1827, in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 3, unpag.; Protokoll v. 15.1.1829, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1247, Bl. 137. 149

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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für Landratskandidaten allein an die Ritterschaft vor allem eine symbolische und dadurch um so mehr beleidigende Zurücksetzung von Städten und Landgemeinden.153 Auch die Festlegung, dass die Kandidaten im Kreis ein Rittergut besitzen mussten, wirkte sich in der Praxis häufig gegen die Interessen der zur Wahl berechtigten Rittergutsbesitzer aus. Denn die rasch wachsenden Anforderungen an eine professionelle Amtsführung bei nur langsam steigenden finanziellen Aufwandsentschädigungen stellte hohe Ansprüche an die Kandidaten und machte gleichzeitig die Annahme der Wahl gerade für aktive Landwirte nicht attraktiv. Scheinkäufe von Rittergütern und Konflikte mit den Regierungen um die ständische, fachliche sowie persönliche Qualifikation gewählter Landratskandidaten waren ab den 1830er Jahren weit verbreitet.154 Auf den 1826 einberufenen Kreis- und Kommunallandtagen hatten die Vertreter adliger Gutsbesitzer gehofft bei Verwaltungsangelegenheiten – zumindest wenn sich eine übereinstimmende Meinung mit den Vertretern von Städten und Landgemeinden herstellen ließ – an Kompetenz zu gewinnen. Vor allem ein Zusammenschluss der auf den Kreis- oder Kommunallandtagen Repräsentierten zu Wirtschaftskorporationen wurde angestrebt, um für alle verbindlich die Gesindelöhne zu senken. Verbindliche Beschlüsse dazu und selbst Lohnabsprachen der persönlich Beteiligten wurden jedoch von den Staatsbehörden untersagt, wogegen auf dem zweiten Provinziallandtag erfolglos Protest erhoben wurde.155 Nur bei der Verwaltung des Feuerversicherungs- und ab 1828 auch bei Verwaltung des Landarmenwesens wurden den Kommunalständen im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen Handlungsspielräume zugestanden.156 Der zum Direktor der kurmärkischen Landarmenverwaltung gewählte Ludwig von der Marwitz versuchte in den folgenden Jahren, gestützt auf diese Stellung, auf die Strukturen der ländlichen Gesellschaft einzuwirken, womit er allerdings auf wachsenden Widerstand seiner Mitstände stieß, die weder zur Übernahme zusätzlicher Kosten noch zu einer Begrenzung ihrer wirtschaftlichen Gestaltungsfreiheit bereit waren.157 –––––––––– 153

KOSELLECK, Preußen, S. 458. EIFERT, Paternalismus, S. 113 –152. 155 Der Landtagsabschied für den ersten Provinziallandtag hatte den Antrag auf gesetzliche Lohnfestsetzungen zurückgewiesen, „Privatvereinbarungen“ auf den Kreis- und Kommunallandtagen allerdings ausdrücklich für zulässig erklärt: Verhandlungen 1, S. 25. Zu den Plänen für eine Gesindelohnfestsetzung vgl. T. v. Rochow an G. v. Rochow, 4.11.1824, in: Nl. Rochow, B, Nr. 21, Bl. 67; Marwitz: Denkschrift über die Verhandlungen des jetzigen Kommunallandtages, 6.11.1826, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 366 –377, hier 372–375. Zur Diskussion im Provinziallandtag 1827: Protokoll v. 5.2.1827, in: Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 3, unpag.; Verhandlungen 2, S. 17f. und S. 32. 156 Zu den Befugnissen der Kommunallandtage: BECK, Provinzialstände, S. 35f. 157 FRIE, Marwitz – Biographien, S. 322–326. 154

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3. Elitenkompromiss

Anträge der Kommunallandtage, die über die ihnen zugewiesenen Verwaltungsbereiche hinausgingen, wurden von der Staatsverwaltung mit der Begründung zurückgewiesen, dass ihnen dazu die Befugnis fehle. Der Protest des zweiten Provinziallandtages von 1827 dagegen blieb erfolglos.158 Nur dem Niederlausitzer Kommunallandtag gelang es, aufgrund der vom Rest der Provinz abweichenden Rechts- und Verwaltungsverhältnisse in größerem Ausmaß zur Beratung der Gesetzgebung hinzugezogen zu werden.159 Mit der Gründung einer Provinzialsparkasse schuf er sich zudem ein neues, seine Bedeutung aufwertendes Betätigungsfeld.160 Der Niederlausitzer Ritterschaft gelang es auch durchzusetzen, dass die Wahl ihrer Provinziallandtagsabgeordneten auf dem Kommunallandtag und nicht in den Kreisen erfolgte. Zwar mussten die zum Kommunallandtag noch nicht zugelassenen Besitzer unmittelbarer Rittergüter sowie die Besitzer von Afterlehen der Standesherrschaften zur Wahl hinzugezogen werden,161 aber ihre Chancen, eigene Kandidaten durchzusetzen, waren unter diesen Umständen gering. Die von den alten Ständen der Niederlausitz übernommene Schulden- und Steuerverwaltung wurde hingegen zunehmend eingeschränkt und 1836 endgültig verstaatlicht.162 Da es weder den Kreistagen noch den Kommunallandtagen gelang, über eng begrenzte Verwaltungstätigkeiten hinaus Kompetenzen zu erhalten, boten die Provinziallandtage die einzige Gelegenheit über Gutachten und Petitionen zu versuchen, Einfluss auf politische und administrative Entscheidungen zu nehmen. Auf den Provinziallandtagen, die in den ersten Monaten der Jahre 1827 und 1829 stattfanden, zeigte sich allerdings die innere Problematik ständischer Politik. Denn die gegensätzlichen Meinungen der drei ständischen Abgeordnetengruppen trafen nun mit wachsender Erbitterung aufeinander. Weitgehend Übereinstimmung herrschte auf beiden Landtagen nur bei finanziellen und wirtschaftlichen Forderungen an den Staat, bei Anträgen auf Beschränkung der Rechte von Dienstboten und Tagelöhnern sowie bei Bitten um Wiederherstellung früherer Verwaltungsgrenzen, die fast alle in den Landtagsabschie–––––––––– 158

Verhandlungen 2, S. 16 und S. 33f. Zu den Versuchen, die Kommunallandtage zu politischen Forderungen zu nutzen, zählte die Forderung von Marwitz, den Kommunallandtag 1826 zum Protest gegen eine Verordnung zu bewegen, dass Anordnungen der Ministerien und Regierungen durch Publikation Gesetzeskraft erhalten sollten: Marwitz, Denkschrift über die Verhandlungen des jetzigen Kommunallandtages, 6.11.1826, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 366 –377, hier S. 375f. 159 LEHMANN, Geschichte, S. 562. 160 BOELCKE, Bankenplätze, S. 240f. 161 Verordnung v. 18.11.1826 wegen der Abänderungen, welche in der seitherigen Verfassung der Kommunal-Land- und Kreis-Tage des Markgrafthums Niederlausitz […] eintreten sollen, in: RAUER (Hg.), Gesetzgebung, S. 64 – 68, S. 65. 162 LEHMANN, Geschichte, S. 561–568.

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den zur weiteren Beratung zurückgestellt oder ganz abgelehnt wurden.163 Nur die Auflösung des Frankfurter und Küstriner Stadtkreises sowie die Wiederherstellung des Kreises Beeskow-Storkow wurden von der Staatsverwaltung schrittweise eingeleitet und bis 1836 beendet.164 Ständeübergreifend unterstützt wurden auf den Provinziallandtagen von 1827 und 1829 auch symbolische Versicherungen der Treue zur Monarchie, die sich in Bitten um Genehmigung ständisch organisierter Spendensammlungen zur Sanierung des Rathenower Denkmals für Kurfürst Friedrich Wilhelm und zur Errichtung eines Reiterstandbildes für König Friedrich II. äußerten.165 Ebenfalls geschlossen unterstützt und genehmigt wurde ein Antrag von Wilhelm Leopold von Witten auf Bekanntmachung neuer Getreidesorten.166 Bei den Beratungen über Gesetzesvorlagen und Anträge, von denen die ökonomischen Interessen der beteiligten Abgeordnetengruppen in unterschiedlicher Weise berührt wurden, zeigte sich hingegen die Unfähigkeit des Landtages, Kompromisse zu erzielen und mit gemeinsamen Positionen der Staatsverwaltung gegenüberzutreten. Auf dem zweiten Provinziallandtag 1827 führten die Diskussionen über Gesetzesentwürfe zum weiteren Vorgehen bei der Auflösung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse und zur Einschränkung der Teilbarkeit von Bauerngütern zu unüberwindbaren Konflikten. Die Abgeordneten der Landgemeinden protestierten geschlossen gegen die Einschränkungen der Verfügungshoheit über ihren Besitz, die von einer Mehrheit der Versammlung gebilligt wurde, und lehnten mit einer Ausnahme auch eine Veränderung der Berechnungsgrundlage für die abzulösenden Naturalrenten entschieden ab.167 Dies verdeutlicht, dass die gewählten Vertreter der bäuerlichen Interessen diese auch ohne Unterstützung durch den Ober-Finanzrat Friedrich von Köpcken, der aufgrund des Konkurses seines Bauerngutes ausgeschieden war,168 zu verteidigen wussten. –––––––––– 163

Protokolle der Provinziallandtage von 1827, in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 3, und von 1829, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1247; Landtagsabschiede von 1827 und 1829, in: Verhandlungen 2, S. 28 – 41 und Verhandlungen 3, S. 38 – 48. 164 HUBATSCH, Grundriß, Bd. 5, S. 64 und S. 135; VETTER, Adel, S. 104. 165 Beide Bitten wurden gewährt, hinsichtlich des Standbildes von Friedrich II. allerdings nur als Beteiligung eines Projektes der gesamten Monarchie: Verhandlungen 2, S. 7 und S. 27; Verhandlungen 3, S. 28 und S. 45f. 166 Verhandlungen 3, S. 36f. und S. 48. Witten nutzte dabei den dritten Provinziallandtag von 1829 als eine Art Landwirtschaftskammer, verteilte Getreideproben unter den Abgeordneten und bot an, den Versand von Saatgut zu organisieren: ebd., S. 37; Protokoll v. 15.1.1829, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1247, Bl. 138.. 167 Protokolle v. 17.2., 19.2., 21.2., 27.2., 28.2. und 6.3.1827, in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 3, unpag. Zu den Verhandlungsergebnissen insgesamt: Verhandlungen 2, S. 5f. und S. 7–10; ALMENRÖDER, Leben, S. 31–36 und S. 49 –51. 168 ALMENRÖDER, Leben, S. 58.

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3. Elitenkompromiss

Eine Mehrheit des ersten Standes um Ludwig von der Marwitz, der zum stellvertretenden Landtagsmarschall ernannt worden war, forderte hingegen noch stärkere Beschränkungen der Besitzrechte von Bauern, als von der Mehrheit beschlossen – auch die Verschuldung und Erbteilung sollten eingeschränkt werden – sowie eine vollständige Auflösung der Generalkommission und, unterstützt von drei Abgeordneten der Landgemeinden, die Beschränkung des Provokationsrechtes auf Einleitung der Gemeinheitsteilung auf die Mehrheit der berechtigten Dorfbevölkerung. Da diese Anträge in der Versammlung keine Mehrheit fanden, wurden sie als Sondervota eingereicht.169 Die Vertreter der Städte wehrten sich ihrerseits durch Sondervota gegen die Forderung, den Kreistagen das Recht zur Festlegung von Gesinde- und Tagelohn zu gewähren, und den von der Mehrheit gebilligten Antrag, das Ansiedlungsrecht von Personen mit zweifelhaften „moralischen Eigenschaften“ auf dem Lande einzuschränken.170 Die Beratungen der Provinziallandtage waren gerade dann erfolglos, wenn die einzelnen Abgeordnetengruppen tatsächlich als Vertreter ihres Standes auftraten. Selbst in der gedruckten Übersicht über die Verhandlungen musste hinsichtlich der Parzellierungsgesetzgebung die Unfähigkeit des Landtages zu gemeinsamer Beschlussfassung eingeräumt werden.171 Die Flut an Sondervota und das Interesse an Details bei ständischen Gutachten schlug sich zunächst in Änderungen der Geschäftsordnung nieder. Die Abgeordneten fassten den Beschluss, die dem Landtag zur Beratung vorgelegten, Propositionen genannten, Entwürfe gesetzlicher Bestimmungen zu lithographieren. Entgegen der Ansicht von Marwitz wurden darüber hinaus beschlossen, die Gutachten zu lithographieren, die zu den Propositionen von den zur Vorberatung gebildeten Landtagsausschüssen erstellt worden waren.172 Sondervota zu abgelehnten Anträgen wurden entgegen dem Wunsch jener Mehrheit des ersten Standes, die gerade mit ihrem Antrag auf Auflösung der Generalkommission gescheitert war, nur noch zu den Akten gegeben. Nur bei Anträgen, die vom Landtag mit Mehrheit beschlossen worden waren, sollten weiterhin Sondervota angefügt und bei Unterstützung durch ein Drittel der Abgeordneten im Antrag selbst dargelegt werden.173 Sofern eine Mehrheit des ersten

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Protokolle v. 19.2., 26.2., 27.2., 6.3. und 10.3.1827, in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 3. unpag.; Separat-Votum zu den Beschlüssen der Landtags-Versammlung über die Königliche Proposition wegen des Parcellierens der Bauerngüter, 6.3.1827, Auszug in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 379 –387, mit 27 Unterschriften. 170 Protokolle v. 5.2., 8.2., 28.2., in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 3, unpag. Vgl. Verhandlungen 2, S. 9. 171 Verhandlungen 2, S. 10. 172 Protokolle v. 1.2., 15.2., 27.2.1827, in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 3, unpag. 173 Protokoll v. 26.2.1827, in: ebd.

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Standes ihre Interessen durch einen von der Mehrheit des Landtags gefassten Beschluss verletzt fühlte, wurde ihre abweichende Meinung in Zukunft zum Teil des Antrages. Auch die Abgeordneten der Städte benötigten bei geschlossenem Auftreten keine „Sonderung in Teile“ mehr, um ihren Protest gegen Beschlüsse der Mehrheit zur Geltung zu bringen.174 Grundsätzlich tendierten die neuen Bestimmungen zur Geschäftsordnung dahin, die Kompetenz des Landtags auf die Sammlung verschiedener Ansichten zu beschränken. Nur die Vertreter der Landgemeinden waren weiterhin auf die formale Trennung der Versammlung nach Ständen angewiesen, wenn ihre besonderen Anliegen Berücksichtigung in den Anträgen des Landtags selbst finden sollten. Ludwig von der Marwitz hatte selbst stets argumentiert, die ständischen Versammlungen sollten nur der Beratung dienen. Er war aber letztlich davon ausgegangen, dass die Beratungen zu gemeinsamen Beschlüssen führen würden, vor allem zu solchen, die er selbst unterstützte. Die Unterstützung, die seine Forderungen vonseiten einer Mehrheit der Mitglieder des ersten Standes auf den Provinziallandtagen erfuhr, seine Ernennung zum stellvertretenden Landtagsmarschall und zum Mitglied des Staatsrates sowie seine herausgehobene Stellung auf den kurmärkischen Kommunallandtagen als Direktor der Landarmenverwaltung und Vorsitzender mehrerer Ausschüsse bestärkten ihn in der Meinung, dass die Unfähigkeit der Provinziallandtage, gemeinsame Beschlüsse zu fassen, auf deren unpassende Zusammensetzung und Beratungsweise zurückzuführen war und nicht grundsätzlich seinen Vorstellungen von ständischer Politikbeeinflussung widersprach. In einer Denkschrift vom März 1828 entwarf Marwitz den Plan zu einer vollständigen Umgestaltung der Landtage. Die Ritterschaft sollte nicht mehr durch Abgeordnete, sondern durch von ihr auf Zeit zu wählende Landräte vertreten werden, die Landgemeinden durch von diesen ernannte Schulzen. Zudem verlangte er getrennte Beratungen der Städte, da er die Opposition von Vertretern der Landgemeinden gegen seine Vorschläge eines Parzellierungs- und Verschuldungsverbotes auf deren Einfluss zurückführte.175 Trotz seiner Bedenken gegen die bisherige Form der Provinziallandtage nahm Marwitz die Ernennung zum Landtagsmarschall des dritten Provinziallandtags, der 1829 einberufen wurde, an, trug aber in dieser Position weiter dazu bei, dass sich die Spannungen zwischen den Ständen verschärften und das Projekt ständischer Politikbeein-

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Die Städte verzichteten am Ende des Landtages tatsächlich auf ein durch „Sonderung in Teile“ erzwungenes Sondergutachten zur von einer Mehrheit geforderten Anbaubeschränkung auf dem Lande, da ihre abweichenden Ansichten im Antrag des Landtages vollständig entwickelt wurden: Protokoll v. 10.3.1827, in: ebd. 175 Marwitz, Erwägungen über die Zusammensetzung und Beratungsweise unserer Landtage, 1828, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 390 – 401.

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flussung an Glaubwürdigkeit verlor.176 Bereits die Verhandlungen über die Gutachten zu königlichen Propositionen gaben Anlass zu Konflikten zwischen erstem Stand, zu dem mit Kreis-Commissionsrat Kretschmer erstmals ein nichtadliger Rittergutsbesitzer zählte,177 und Vertretern der Landgemeinden. Die Beschränkung des Provokationsrechts auf Gemeinheitsteilung fand auch unter den letzteren, die fast zur Hälfte Lehnschulzen waren, Befürworter, nachdem das unbeschränkte Provokationsrecht neben den Gutsherren auch den Besitzern großer Lehnschulzengüter erhalten bleiben sollte.178 Gegen die Forderung nach Rückgabe unbeschränkter Verfügungsgewalt über die Kreiskassen an die Kreisstände legte eine große Mehrheit der Abgeordneten der Landgemeinden Widerspruch ein, und der Landtagsabschied gab ihr Recht.179 Über den von einer Mehrheit aus Mitgliedern des ersten Standes und der städtischen Abgeordneten gebilligten, zunächst unbestimmten Antrag auf Erlassung einer allgemeinen Verfügung zur Ausweitung des Schutzgeldes (einer bisher nur lokal und in unterschiedlicher Höhe von der Gerichtsobrigkeit erhobenen Abgabe zur Deckung der Kosten der Kriminalgerichtsbarkeit)180 kam es dann erstmals zur symbolischen Vollziehung einer „Sonderung in Teile“. Die Abgeordneten der Landgemeinden verweigerten die Unterzeichnung des Protokolls, verlangten sofortige Trennung der Beratung und erhielten nach vergeblichen Versuchen des Landtagsmarschalls, sie zum Bleiben bis zum Abschluss der Beratungen zu bewegen, schließlich die Genehmigung zum Verlassen des Saales.181 Der Konflikt um die Kosten der Kriminalgerichtsbarkeit hatte sich schon auf den vorhergehenden Landtagen angekündigt, war aber mit der Begründung, die Patrimoni–––––––––– 176

Gegenüber Gustav von Rochow drückte er kurz nach Ende des ersten von ihm geleiteten Provinziallandtages seine Befürchtungen, der Landtagsabschied könnte die Ansichten der Stände weiter als unsinnig darstellen, indirekt mit Bezug auf den Landtagsabschied für den letzten schlesischen Provinziallandtag aus: er bat Rochow dahin zu wirken, dass ein solcher Umgang mit ständischen Gutachten wie dort vermieden würde: Marwitz an G. v. Rochow, 16.4.1829, in: Nl. Rochow, B, Nr. 11, Bl. 1f. 177 Kretschmer, Besitzer des Rittergutes Merzdorf, war Stellvertreter des nicht erschienen Abgeordneten der Ritterschaft des Kreises Züllichau-Schwiebus, Fürsten Heinrich LX. Reuß (zu Köstritz): Verzeichnis der ständischen Mitglieder und Abgeordneten zum Landtage […] im Januar 1829 mit Markierung der Erschienen, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1246, Bl. 88 – 93, hier Bl. 91. Vgl. Tabelle 3 im Anhang. 178 Protokoll v. 2.2., 3.2. und 7.2.1829, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1247, Bl. 173f., S. 178f. und S. 196. Der Landtagsabschied kündigte weitere Beratungen an: Verhandlungen 3, S. 38. 179 Protokoll v. 19.2.1829, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1247, Bl. 272. Der Landtagsabschied sicherte zu, den staatlichen vom kommunalen Teil der Kreiskassen zu trennen und den Kreisständen Mitwirkung an der Verwaltung von letzterem zu gewähren: Verhandlungen 3, S. 38f. 180 Zum Schutzgeld: WIENFORT, Patrimonialgerichte, S. 206 –210. 181 Protokoll v. 5.2. und 6.2.1829, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1247, Bl. 182–193.

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algerichtsbarkeit insgesamt nicht in Frage stellen zu wollen, auch von der Mehrheit des ersten Standes zurückgewiesen wurden.182 Eine gesetzliche Bestimmung für die Provinz Schlesien, die eine Erhebung von Schutzgeld dort unter einschränkenden Bedingungen für rechtmäßig erklärt hatte, gab nun den Anlass zu Forderungen von Abgeordneten der Ritterschaft, durch eine generelle Neuregelung des Schutzgeldes in der Mark Brandenburg und der Niederlausitz die wachsende Kosten der Kriminalgerichtsbarkeit einzuschränken. Die Vertreter der Landgemeinden, die sich bisher nie über die Patrimonialgerichtsbarkeit beklagt hatten, beriefen sich nun in ihrem Protest auf die bisherigen Argumente des ersten Standes. Sie verwiesen auf bestehende Observanzen und darauf, dass die Gerichtsbarkeit ein Ehrenrecht sei und daher Fehlendes zugezahlt werden müsse. Schließlich forderten sie, dass die Pflicht zu Schutzgeldzahlungen auch dort, wo sie bisher bestand, aufgehoben werden müsse, da die Bauern mit der Reformgesetzgebung freies Eigentum erworben hätten.183 Eine Mehrheit der Abgeordneten der Städte stimmte in gemeinsamer Verhandlung mit den Mitgliedern des ersten Standes dem Antrag auf eine ähnliche Gesetzgebung wie für Schlesien zu, da auch den Städten die Erhebung von Schutzgeld gewährt werden sollte. Weitergehende Forderungen fanden im ersten Stand nur eine knappe Mehrheit und wurden von den Städten ganz abgelehnt.184 Der Landtagsabschied kündigte Beratungen im Staatsministerium an, eine Beschlussfassung erfolgte nie.185 Die Diskussionen um Senkung der Kosten für die Kriminalgerichtsbarkeit zeigen, dass ein Teil der Rittergutsbesitzer immer weniger bereit war, die mit ständischen Rechten verbundenen Kosten zu tragen, während die Vertreter der Landgemeinden die ständische Argumentation bei ihrer Verteidigung gegen finanzielle Forderungen der Ritterschaft aufgriffen. Auch bei anderen Gelegenheiten zeigte sich eine wachsende Unzufriedenheit innerhalb der Ritterschaft gegenüber Versuchen, ständische Rechtstitel bei Beibehaltung ständischer Zahlungs- und Haftungsverpflichtungen zu bewahren. So forderten die Niederlausitzer Lehnbesitzer, unterstützt durch den Landtag, zur Kostenersparnis die Allodifizierung ihrer Güter, was dem allgemeinen Beharren auf altem Recht widersprach und auch vom Landtagsabschied abgelehnt wurde. Die Forderung nach Fortgeltung und Kodifizierung der Provinzialrechte wurde zwar vom Landtag unterstützt, eine Mehrheit wollte allerdings gleichzeitig die für Erblasser ungünstigen Bestimmungen zum adligen Erbrecht aufheben. Das den „Ständen“ zusammen mit –––––––––– 182

Protokoll v. 1.12.1824, in: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 1, Bd. 1, unpag.; Protokoll v. 5.2.1827, in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 3, unpag. Vgl. WIENFORT, „Gutsbesitzerliberalismus“, S. 319 –323. 183 Protokoll v. 5.2.1829, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1247. Bl. 182–186, Vgl. Verhandlungen 3, S. 30 –34; ALMENRÖDER, Leben, S. 47f. 184 Protokoll v. 5.2.1829, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1247, Bl. 187–195. 185 Verhandlungen 3, S. 47; WIENFORT, Patrimonialgerichte, S. 207.

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einem Unterhaltungsfonds „zurückgegebene“ Landschaftshaus führte dann zu einer Grundsatzdebatte, was die alten und was die neuen Stände seien: die Mehrheit wollte das Eigentum, wenn auch eingeschränkt, auf die in den Provinzialständen vertretenen Korporationen und Individuen übertragen, eine Minderheit ritterschaftlicher Abgeordneter erklärte sich ohne Zustimmung der alten Kreisstände für nicht berechtigt zur Beschlussfassung.186 Die Diskrepanz zwischen den praktischen Forderungen ihrer Wähler und den im ersten Stand des Landtages dominierenden politischen Grundsätzen brachte die Abgeordneten zum Teil in eine unangenehme Lage. Auf dem zweiten Provinziallandtag hatte der Abgeordnete August von François im Auftrag der Ritterschaft der Kreise Sorau und Guben eine neue Kommunalordnung beantragt, ohne diese Forderung persönlich zu unterstützen. Der Antrag wurde nicht nur einstimmig abgewiesen, sondern die Zurückweisung wurde darüber hinaus durch den Landtagsausschuss unter Vorsitz von Marwitz in von François als beleidigend empfundener Form ausgesprochen.187 Der Abgeordnete der Ritterschaft des Ruppiner Kreises, der Kreisdeputierte von der Hagen auf Nackel wurde von seinen Kreisständen beauftragt, den bereits durch den Abgeordneten der Landgemeinden Friedrich von Köpcken eingebrachten und vom Landtag zurückgewiesenen Antrag auf Aufhebung der ständischen Haftung für die Witwenkasse und die Hauptbank zu wiederholen.188 Mehrere Abgeordnete versuchten unter diesen Bedingungen, sich dem persönlichen Druck durch ihre Mitstände zu entziehen, und beantragten 1829 in einem Sondervotum, dass die Diäten für die Ritterschaft nicht für jeden Kreis gesondert von den Rittergutsbesitzern aufgebracht werden müssten. Die Antragsteller, unter ihnen Hans von Rochow, den Theodor von Rochow noch 1824 als „Frondeur“ bezeichnet hatte,189 begründeten dies ganz unständisch mit ihrer Stellung als „allgemeine Abgeordnete“ und der „Peinlichkeit“, die eine Abhängigkeit von „sogenannten Comittenten“ erzeuge.190 An dem folgenden Provinziallandtag 1831 nahm kein Vertreter der Niederlausitzer Standesherren teil, da diese die Wahl abgelehnt und für sich Virilstimmen beansprucht hatten. Der königlich dänische Geheime Konferenzrat Christian Graf von Hardenberg-Reventlow, der einzige Stimmberechtigte für die bevorrechtigten Majorate, erschien ebenfalls nicht. Der erste Stand hatte dadurch keine gesicherte Mehrheit mehr –––––––––– 186

Verhandlungen 2, S. 11f., S. 20, S. 24 und S. 40f. Protokoll v. 5.2.1827, in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 3, unpag. François vertrat vor allem die Besitzer der kleineren Afterlehngüter der Standesherrschaften Sorau und Triebel. 188 Protokolle v. 1.2. und 1.3.1827, in: ebd. Zur Beschlussfassung des Ruppiner Kreistages: Kreistagsprotokoll v. 23.10.1826, in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 5, Bl. 255. 189 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 2.9.1824, in: Nl. Rochow, B, Nr. 21, Bl. 53f. 190 Dissentierendes Votum mehrerer Mitglieder der Ritterschaft zum Beschluss zur Aufbringung der Diäten, ohne Datum, in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 4., unpag. 187

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in der Versammlung. Die anwesenden Abgeordneten und Mitglieder des ersten Standes forderten den Landtagskommissar zu Maßnahmen gegen die Niederlausitzer auf, während sie gegen Hardenbergs Ausbleiben nicht vorgehen konnten, da, wie missbilligend bemerkt wurde, dessen „Erscheinen offensichtlich seinem persönlichen Belieben anheimgestellt“ sei.191 Der Abgeordnete des Ruppiner Kreises, der Kreisdeputierte von der Hagen auf Nackel, trat, nachdem er sich schon 1829 unter Verweis auf seine angeschlagene Gesundheit vertreten lassen hatte,192 bei den Neuwahlen 1830 nicht mehr an. Der ihn 1829 vertretende Oberst Conrad von Romberg auf Brunne lehnte die auf ihn gefallene Neuwahl ab und begründete dies damit, dass er zum letzten Landtag Instruktionen der Kreisstände erhalten habe, denen er nicht weiter zu entsprechen können glaubte, denn seine „Ansichten in Beziehung auf öffentliche Angelegenheiten weichen von denen der Mitstände in Grundsätzen ab.“193 Worin diese Grundsätze bestanden, geht aus seinen Äußerungen jedoch nicht deutlich hervor: Noch 1821 hatte Romberg „nichts mehr und nichts weniger als eine Repräsentativ-Verfassung, mit 2 Kammern, Teilnahme der Stände an der Gesetzgebung und Verantwortlichkeit der Minister“ gefordert.194 Dies bedeutet aber nicht, dass er später der Gruppe um Marwitz fernstand – im Umfeld des zweiten Provinziallandtages entwickelte er mit Marwitz und Adolph von Rochow ein Projekt zur Stellvertretung in der Armee und einer Sonderdienstzeit für Adlige.195 Von seinen Mitständen hatte er offensichtlich mehr Unterstützung für ständische Beeinflussung der allgemeinen Politik erhofft. Auch Ludwig von der Marwitz, der seit dem ersten Provinziallandtag die Mitglieder des ersten Standes zu Anträgen auf Ausweitung ständischer Verwaltungsbefugnisse –––––––––– 191

Protokoll v. 17.1.1831, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1244, Bl. 21. Auf dem zweiten Provinziallandtag hatte sich Hardenberg mit dem Vertreter der Niederlausitzer Standesherren Grafen Hermann zu Lynar, Besitzer der Herrschaft Lübbenau, bis zum Schluss der Verhandlungen um die Sitzordnung gestritten: Protokolle v. 8.2. und 10.3.1827, in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 3, unpag. 192 Hagen an Bassewitz, 23.12.1828, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1246, Bl. 44. 193 Erklärung Rombergs auf Anforderung des Oberpräsidenten Bassewitz, 14.8.1830, in: BLHA, Rep. 6 B, Ruppin, Nr. 6 unpag. Leopold von Quast, der das fast ungeteilte Vertrauen der Wähler besaß, lehnte ebenfalls ab: Wahlprotokoll, 15.7.1830, in: ebd. 194 T. v. Rochow an G. v. Rochow, 17.12.1821, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 9, Bl. 117f. In der Debatte um eine ständische Verfassungseingabe 1819 hatte er sich ähnlich wie Pannwitz geäußert: Ders. an dens., 9.9.1819, in: ebd., B, Nr. 20, Bl. 19. 195 Projekt einer Stellvertretung in der Armee, Unterlagen in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 8a. Der Ruppiner Abgeordnete v. d. Hagen brachte auf dem zweiten Provinziallandtag einen entsprechenden Antrag ein, der aber von Ausschuss und Plenum ohne größere Diskussion abgelehnt wurde: Protokolle v. 1.2. und 2.3.1827, in: ebd., Nr. 3, unpag.

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sowie auf Einschränkung der freien Verfügbarkeit des Grundbesitzes gedrängt hatte und damit für deren Konfrontationskurs gegen die Regierungsbehörden und die Abgeordneten der Landgemeinden wesentlich verantwortlich war, begann um 1830 sich aus der ständischen Politik zurückzuziehen. Bereits 1829 hatte er seine Vorstellungen zur Verwaltung des Landarmenwesens auf dem Kommunallandtag nicht durchsetzen können. Im folgenden Jahr scheiterte seine Kandidatur für den Vorsitz und stellvertretenden Vorsitz des Kommunallandtages an den Mehrheitsverhältnissen und er beteiligte sich danach nicht mehr an den Versammlungen. Nachdem 1832 vom Kommunallandtag eine Etaterhöhung des Landarmenwesens abgelehnt wurde, legte er auch sein Amt als Direktor von dessen ständischer Verwaltung nieder.196 Der vierte Provinziallandtag von 1831, auf dem Marwitz zum zweiten und letzten Mal als Landtagsmarschall den Vorsitz führte, stand ganz im Zeichen der französischen und belgischen Revolution vom Vorjahr, der revolutionären Ereignisse in mehreren Ländern des Deutschen Bundes sowie des noch andauernden Aufstandes im Königreich Polen, an dessen Bekämpfung sich die Preußische Monarchie durch militärische Sperrung der Grenzen und Vorbereitungen zu einer Invasion indirekt beteiligte.197 Bei Eröffnung des Provinziallandtages schlug sich die allgemeine politische Situation zunächst in Reden des Landtagskommissars und des Landtagsmarschalls nieder.198 Der Landtagskommissar, Oberpräsident Magnus Friedrich Freiherr von Bassewitz, führte die vergleichsweise stabilen politischen Verhältnisse in der Preußischen Monarchie auf deren „Umgestaltung“ in der Reformzeit zurück, zu der später die Möglichkeit getreten sei, durch „Stände“ dem Monarchen Wünsche zur Kenntnis zu bringen. Marwitz als Landtagsmarschall enthielt sich in seiner Antwort einer Bemerkung zur Reformpolitik, lobte aber die provinzial- und kreisständische Gesetzgebung: „Mögen andere Völker nach Phantomen jagen, die sie nie erreichen können; wir haben unsere Verfassung“.199 Die Versammlung beantragte daraufhin die Publikation dieser Rede mit der Begründung, „daß in einer Zeit, wo man gewohnt sei, in den gedruckten Reden ständischer Versammlungen anderer Staaten ein kaltes Verhältnis und den Geist der Opposition zu finden, es sehr wünschenswert sein dürfte, dem Publikum zu zeigen, wie die Stände einer Preußischen Provinz sich gegen ihren hochverehrten Monarchen ausgesprochen hätten“.200 Tatsächlich wurde die Rede zusammen mit der des Land-

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FRIE, Marwitz – Biographien, S. 326 –329. Zur Beteiligung Preußens an der Niederschlagung des Novemberaufstandes: KOCÓJ, Władze. 198 Protokoll v. 16.1.1831, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1249, Bl. 13 –16. 199 Abdruck der Reden in: Allgemeine Preußische Staatszeitung, Nr. 40 (9.2.1831), S. 334f. 200 Protokolle v. 16.1. und 17.1.1831, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1249, Bl. 17–19, zitiert 18. 197

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tagsmarschalls entgegen dem sonst peinlich beachteten Ausschlusses der Öffentlichkeit von den Landtagsverhandlungen in der Preußischen Staatszeitung abgedruckt.201 Die Einigkeit des Landtages, zur Verteidigung der bestehenden Verhältnisse beizutragen, schlug sich in dem einstimmig beschlossenen Grundsatz nieder, „dass in jetziger Zeit auch nicht das kleinste Opfer vom Staate verlangt werden dürfe“.202 Der größte Teil der dahingehenden Anträge einzelner Abgeordneter wurde daraufhin zurückgezogen oder vom Landtag zurückgewiesen.203 Die Geschäftsordnung erfuhr aufgrund eines Widerspruchs des Staatsministeriums und unter Berücksichtigung der von Vertretern der Landgemeinden geäußerten Wünsche erneute Veränderungen: Sondervota sollten nicht mehr in jedem Falle direkt an den König weitergeleitet werden, sondern nur, wenn die Hälfte eines Standes oder ein Sechstel der Versammlung sie unterstützten. In diesem Falle sollte die abweichende Meinung zugleich in der Begründung des Mehrheitsbeschlusses erwähnt werden. Die Abgeordneten der Landgemeinden hielten es aufgrund dieser Bestimmungen für möglich, eine „Sonderung in Teile“ zukünftig in der Regel zu vermeiden.204 Angesichts von Beschwerden der neumärkischen Abgeordneten gegen die Beschränkung von Kreistagsbeschlüssen durch die Staatsbehörden betonte der Landtag zwar, die „Erhaltung einer möglichst unabhängigen ständischen Wirksamkeit“ sei „höchst wichtig“, wies die konkreten Beschwerden allerdings als ungenügend begründet zurück.205 Der Verzicht auf neue Forderungen bedeutete allerdings keineswegs die Bereitschaft zu einem stärkeren eigenen finanziellen Engagement der Stände. Ein Vorschlag des Ministeriums der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten zu besonderem Taubstummenunterricht wurde zwar an die Kommunallandtage, die über eigene Fonds verfügten, weitergereicht, allerdings mit Zweifeln an der Notwendigkeit solcher Ein-

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ALLMENRÖDER, Leben, S. 95. Zum Ausschluss der Öffentlichkeit von den Verhandlungen vgl. OBENAUS, Anfänge, S. 401– 418. Ein von Marwitz kurze Zeit später (am 20.2.1831) verfasster Vergleich der preußischen und französischen Verfassung, der nun auch die Beteiligung der Bauern und die Unabhängigkeit der Staatsbehörden von ständischer Einmischung hervorhob, in: MEUSEL (Hg.), Marwitz, Bd. 2.2, S. 420 – 433. 202 Hinweis auf diesen „mehrfach vom Landtage“ ausgesprochenen Grundsatz bei der Begründung der Zurückweisung des Antrages auf steuerfreie Einführung ungeschmolzenen Salzes durch den Ausschuss: Protokoll v. 22.2.1831, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1249, Bl. 139f. Bereits am 29. Januar hatten die Abgeordneten der Altmark auf einen erneuten Antrag auf Ermäßigung der Grundsteuer mit ähnlicher Begründung verzichtet, allerdings unter Rechtsverwahrung: ebd., Bl. 33f. 203 Übersicht über die Verhandlungen 1831, in: ebd., Bl. 11. 204 Protokoll v.4.2.1831, in: ebd., Bl. 43 – 46. 205 Protokoll v. 22.2.1831, in: ebd., Bl. 141f.

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richtungen.206 Über die Verpflichtung zur kommunalen Armenfürsorge kam es schließlich zum erneuten Vollzug einer „Sonderung in Teile“ auf Forderung von Abgeordneten der Landgemeinden, der allerdings im Unterschied zum vorherigen Landtag nicht durch räumliche Trennung symbolisch unterstrichen wurde. Die Beschlüsse des Landtags zum vorgelegten Gesetzesentwurf über die Neuregelung der Verpflichtungen zur Armenpflege entsprachen zunächst den Vorstellungen des Landtagsmarschalls Ludwig von der Marwitz zur Beschränkung der Mobilität ländlicher Bevölkerung: Gesinde, „Handwerksburschen“ und „wandernde Bevölkerung“ sollten erst nach mehren Jahren Aufenthalt zu Leistungen des lokalen Armenpflegeverbandes berechtigt werden. Für Neuansiedler wurde darüber hinaus beantragt, dass das Recht zur Niederlassung von einer Überprüfung der bisherigen Erwerbstätigkeit und Straflosigkeit durch die Ortsobrigkeit unter Zuziehung des Armen-Vorstehers abhängig gemacht werden sollte. Mit Mehrheit von nur einer Stimme beschloss der Landtag aber auch, dass die Ortsobrigkeit, und das hieß in vielen Fällen die Rittergutsbesitzer, wenn sie ihre Prüfpflicht versäumten, für die Kosten, die bei Verarmung von Neuzuziehenden entstanden, haften sollten. Da keine Zweidrittelmehrheit zustande gekommen war, wurde die Ansicht der Gegner einer Haftung der Ortsobrigkeit ebenfalls in den Antrag aufgenommen.207 Anschließend kam es zu scharfen Auseinandersetzungen um die Zuständigkeit von Gemeinden und Gütern bei der Armenfürsorge. Die Vertreter der Landgemeinden fürchteten mit guten Gründen, dass die Verpflichtung zur Armenvorsorge durch Verschiebung der Grenzen zwischen Gütern und Gemeinden im Wesentlichen auf die Gemeinden abgewälzt würde. Sie forderten daher die dauerhafte räumliche Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche von Gütern und Gemeinden, an der nur bei Erwerb von Gutsland durch Gemeindemitglieder etwas geändert werden dürfe. Da diese Forderung auf den geschlossenen Widerstand des übrigen Landtages stieß und als abgelehnter Antrag zu den Akten gelegt werden sollte, beantragten die Abgeordneten der Landgemeinden „Sonderung in Teile“, um die Erwähnung ihrer Anliegen im Gutachten des Landtages durchzusetzen.208 Angesichts der Dynamik der Grundbesitzverhältnisse gab es zwar durchaus sachliche Gründe, dem Antrag zu widersprechen, doch dies änderte am Kernproblem der Landgemeinden nichts, dass es aufgrund des Fehlens einer Güter und Gemeinden verbindenden Kommunalordnung Gutsherren und begüterten Neuansiedlern gelang, sich der Verpflichtung zur ländlichen Armenpflege zu entziehen.209 –––––––––– 206

Neben den Klagen über zusätzliche Kosten wurde auch angeführt, dass Taubstumme möglichst nicht von übrigen Kindern getrennt werden sollten: Protokoll v. 9.2.1831, in: ebd., Bl. 77. 207 Protokolle v. 22.2. und 26.2.1831, in: ebd., Bl. 143 und Bl. 176. Vgl. Verhandlungen 4, S. 14 –24. 208 Protokoll v. 22.2.1831, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1249, Bl. 142–162. Vgl. Verhandlungen 4, S. 25 –27. 209 Zur Problematik: WAGNER, Bauern, S. 171f.

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Die Erbitterung der Abgeordneten des dritten Standes schlug sich in ihrer Weigerung nieder, auf dem Lande angetroffene kranke oder verletzte Personen durch die nächstgelegene Kommune verpflegen zu lassen. Stattdessen forderten sie eine Versorgungsverpflichtung nach Feldmark, zogen den erneuten Antrag auf „Sonderung in Teile“ aber aufgrund moralischer Bedenken zurück.210 Innenminister Gustav Freiherr von Brenn berief sich 1833 auf diese Diskussionen des Landtags, um seine 1831 begonnenen Bemühungen um eine einheitliche Kommunalordnung für die Provinz Brandenburg zu rechtfertigen.211 Auch die folgenden Provinziallandtage, der fünfte 1834 und der sechste 1837, blieben nicht frei von Spannungen, aber unaufhebbar scheinende Konflikte und die „Sonderung in Teile“ konnten vermieden werden. Dies lag auch an der auf Ausgleich und Konfliktvermeidung bedachten Leitung des neuen Landtagsmarschalls Adolph von Rochow, der auf den bisherigen Landtagen das Protokoll geführt hatte.212 Rochow hatte sich zwar zumeist den Konflikt verschärfenden Anträgen von Ludwig von der Marwitz angeschlossen und galt in der Öffentlichkeit nach eigener Einschätzung 1847 als „Stockaristokrat“ und „Observant“.213 Er war aber vor 1834, soweit aus den Protokollen ersichtlich, nie mit eigenen Forderungen besonders hervorgetreten. Gegenüber den Abgeordneten der Landgemeinden war er 1824 mit einer auf Interessenausgleich zielenden Rede aufgefallen. Das Vertrauen, das er insbesondere in der Kurmark genoss, schlug sich 1843 in seiner Wahl zum Vorsitzenden des Kommunallandtages nieder.214 Über Graf Friedrich Heinrich Ludwig von Solms-Baruth stand Rochow auch in Kontakt zu den mit diesem befreundeten Niederlausitzer Adligen.215 Konflikte zwischen den ständischen Gruppen während der Verhandlungen der Provinziallandtage von 1834 und 1837 entstanden zunehmend weniger aufgrund von Forderungen vonseiten der Abgeordneten und Mitglieder des ersten Standes. Diese gerieten vielmehr in eine defensive Position gegenüber den Anträgen von Abgeordneten der Städte und Landgemeinden. Eine Eskalation der Konflikte ließ sich aber stets vermeiden, indem auf Anträge ganz verzichtet oder auf die Kompetenz der Staatsbe–––––––––– 210

Protokolle v. 1.3. und 2.3.1831, in: BLHA, Rep. 1, Bl. 1249, Bl. 200f. und S. 208. KEIL, Landegemeinde, S. 139. 212 Bereits der Ton der von ihm als Landtagsmarschall für den Druck verfassten Übersichten über die Verhandlungen zeigte die Veränderung an: Zustimmung zu den bestehenden Verhältnissen wurde hervorgehoben, Forderungen wurden gemildert und Konflikte als überwindbare Meinungsverschiedenheiten dargestellt: Verhandlungen 5 und 6, passim. 213 G. v. Rochow, Notizen zu Unterhandlungen mit Vetter Adolf von Rochow wegen der Übernahme des Landtagsmarschallsamtes, [März 1847], in: Nl. Rochow, A III, Nr. 28, unpag. 214 BECK, Provinzialstände, S. 35. 215 Vgl. die Briefe Rochows an Solms-Baruth, in denen Jagdeinladungen nach Baruth eine zentrale Rolle spielen, in: BLHA, Rep. 37, Herrschaft Baruth, B, 2.1, Nr. 73. 211

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3. Elitenkompromiss

hörden verwiesen wurde. Die bereits auf dem Landtag von 1831 erkennbare Tendenz, die preußischen Verhältnisse gegenüber den Zuständen in anderen Ländern positiv hervorzuheben, spiegelte sich in den Verhandlungen ebenso wider wie die Stabilisierung der Wirtschaftslage und der Besitzverhältnisse, die sich im Steigen der Preise für landwirtschaftliche Produkte und einer wachsenden Zahl abgeschlossener Regulierungs- und Ablösungsverfahren äußerte sowie – damit verbunden und für die adligen Gutsbesitzer entscheidend – in einer nachlassenden Dynamik ihrer Verdrängung aus dem Rittergutsbesitz.216 Forderungen, die direkt in die Rechte der Rittergutsbesitzer einzugreifen drohten, wurden 1834 und 1837 meist ebenso abgewiesen wie solche, besonders von Abgeordneten des ersten Standes aus der Niederlausitz, die offen die Staatsbehörden kritisierten. In Wirtschaftsfragen herrschte weitgehend Übereinstimmung: grundsätzliche Kritik an der Gewerbefreiheit und der Agrargesetzgebung wurde nicht mehr geäußert. Auch Anträge zu den gutsherrlich-bäuerlichen Auseinandersetzungen boten den Abgeordneten des ersten und dritten Standes kaum noch Anlass zu grundsätzlichen Konflikten.217 So entschied sich eine deutliche, ständeübergreifende Landtagsmehrheit auf dem fünften Provinziallandtag für Petitionen zur Festsetzung von Normalsätzen bei der Ablösung noch bestehender Dienstverpflichtungen und zur Beschränkung der Ablösbarkeit von neu geschlossenen Erbpachtverträgen auf Gegenseitigkeit. Ein Grundsatzkonflikt um eine Veränderung der Berechnungsgrundlagen bei der Ablösung von Naturalrenten zu Gunsten der Rittergutsbesitzer wurde dadurch vermieden, dass nur auf rasche Entscheidung der dahingehenden Petition von 1827 angetragen wurde, ohne diese zu erneuern.218 Auf dem fünften Provinziallandtag 1834 zeigten sich zunächst noch die von den vorherigen Landtagen herrührenden Spannungen zwischen erstem und drittem Stand. Die kurmärkischen Vertreter der Landgemeinden protestierten dagegen, in die mit der Sammlung alter Provinzialrechte beauftragte Kommission keine eigenen Deputierten entsenden zu können und „ihren Stand, so wie überall, so auch hier ausgeschlossen zu sehen.“ Ein großer Teil der übrigen Abgeordneten der Landgemeinden widersprach jedoch der Behauptung, dass der Protest im Namen des ganzen Standes geäußert wurde, „wobei sich überhaupt der Wunsch aussprach, nicht so oft der verschiedenen Stände als

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Zur Situation der Landwirtschaft und der Besitzverhältnisse der Rittergütern: SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 150, S. 193 und S. 501f. Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Bauern: HARNISCH, Junkertum, S. 30. 217 Vgl. die Übersichten der Anträge und Verhandlungen von 1834, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1251, Bl. 1–11 und die Protokolle von 1837, in: ebd., Nr. 1253. 218 Protokoll v. 5.3.1834, in: ebd., Nr. 1251, Bl. 162–165.

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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solche gesondert erwähnt […] zu sehen.“219 Auf ein Gegenvotum wurde daraufhin von den Abgeordneten des Standes der Landgemeinden „mit vollem Zutrauen in die höhere Intelligenz und die Unparteilichkeit ihrer Mitstände“ verzichtet. Den Hintergrund für die Rücknahme des Sondervotums bildete allerdings der Umstand, dass es sich um rein symbolische Rechte handelte, und die Abgeordneten befürchteten, „die Interessen ihrer zahlreichen Committenten zu compromitieren.“220 Der Landtagsmarschall würdigte die Rücknahme des Protestes als „glückliches Zeichen von dem den Stand der Landgemeinden beseelenden Geist der Friedfertigkeit und des Vertrauens, der nicht ohne die besten Folgen für das allen gleich wichtige Allgemeinwohl bleiben könne.“221 Aus den Protokollen verschwindet ab diesem Zeitpunkt bei der Darstellung des Diskussionsverlaufes die Erwähnung des Standes der Diskussionsbeteiligten fast vollständig und auch bei Mehrheitsentscheidungen wird die ständische Zusammensetzung nicht mehr erwähnt, sofern dies nicht ausdrücklich gefordert wurde. Zum Testfall für die Tendenz zur Konfliktvermeidung wurden 1834 und 1837 Anträge zur Kreis- und Kommunalordnung. Anträge von Mitgliedern des ersten Standes auf höhere Besoldung der Landräte und auf ein vollständiges Verfügungsrecht der Kreisstände über zumindest den kommunalen Teil der Kreiskassen fanden 1834 keine Unterstützung durch den Landtag. Gegen eine höhere Besoldung der Landräte wurde eingewandt, dass die Ausübung dieser Funktion als Ehrenamt, die allein das Wahlrecht der Ritterschaft und die Anforderung von Rittergutsbesitz begründete, damit in Frage gestellt würde.222 Hinsichtlich freier Verfügung der Kreisstände über die Kreiskassen wurde zunächst vom Landtag ein Antrag erwogen. Da sich aber gegen die Ansicht eines Teils des ersten Standes die Überzeugung durchsetzte, dass die Kontributionsüberschüsse allein für Sonderbedürfnisse der Kontributionspflichtigen zur Verfügung ständen, die übrigen Kreiskommunalfonds aber noch nicht soweit geordnet seien, dass sie von den staatlichen Fonds vollständig getrennt werden könnten, wurde davon Abstand genommen.223 Der Antrag aller Abgeordneten der Landgemeinden auf Erlass allgemeiner Kommunalordnungen für die Provinz Brandenburg stieß auf erheblichen Widerstand vonseiten adliger Gutsbesitzer. Ein vom Landtagsmarschall vorgeschlagener Kompromiss, der Vereinbarungen zwischen Ortsobrigkeiten und Gemeindeverwaltungen unter Mitwir–––––––––– 219

Protokoll v. 7.2.1834, in: ebd., Bl. 34. Der Vertreter der Niederlausitzer Standesherren hatte zunächst für diese ebenfalls eine gesonderte Vertretung gefordert, zog die Forderung aber zurück. 220 Protokoll v. 11.2.1834, in: ebd., Bl. 36. 221 Ebd. 222 Protokoll v. 24.2.1834, in: ebd., Bl. 95 – 97. 223 Protokoll v. 28.2.1834, in: ebd. 122f. Ein Antrag der Ruppiner Kreisstände auf vollständige Widerherstellung des Kreiskassenwesens im Zustand von 1805 wurde ohne Beratung abgelehnt: Protokoll v. 5.3.1834, in: ebd., Bl. 159.

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kung der Staatsbehörden anregte, um Klarheit der Verhältnisse herzustellen, fand hingegen die Unterstützung der Landtagsmehrheit.224 Die Abgeordneten der Landgemeinden hatten mit ihrem Antrag ein bis zum Vorjahr im Innenministerium diskutiertes Thema berührt. Innenminister Brenn hatte in Zusammenarbeit mit den Provinzialbehörden die Erarbeitung einer Dorf-Kommunalordnung 1831 noch einmal vorangetrieben und 1833 war ein gedruckter Entwurf für die Provinz Brandenburg vorgelegt worden, der eine administrative Trennung zwischen Rittergütern und Landgemeinden vorsah, die Aufsicht der Rittergutsbesitzer über die Gemeinden jedoch beibehalten wollte.225 Der Ruppiner Landrat Friedrich von Zieten und der Ritterschaftsrat Baron Friedrich Digeon von Monteton hatten in Verhandlungen mit der Potsdamer Regierung 1833 ebenso wie ein Jahr später die Mehrheit der Abgeordneten und Mitglieder des ersten Standes auf dem Provinziallandtag der Notwendigkeit einer allgemeinen Neureglung widersprochen und Monteton hatte auch grundsätzlich die beabsichtigte Trennung von Gütern und Landgemeinden abgelehnt.226 Im Juli 1833 hatte der König die Einstellung der Planungen angeordnet und damit endgültig die seit 1820 laufenden Vorbereitungen einer Landgemeindeordnung beendet.227 In der Verwaltungspraxis bildete sich jedoch eine Trennung zwischen Gutsbezirken und Landgemeinden heraus, die ihren Niederschlag im „Gesetz über die Verpflichtung zur Armenpflege“ von 1842 fand,228 jedoch erst mit der Kreisordnung von 1872 zur vollständigen administrativen Trennung führte.229 Auf dem sechsten Provinziallandtag 1837 ließ sich eine grundsätzliche Auseinandersetzung um die Vertretungsverhältnisse auf den Kreistagen nicht mehr vermeiden, da diesem in einem dem Landtag zur Begutachtung vorgelegten Gesetzesentwurf das Recht zuerkannt werden sollte, Ausgaben zu beschließen und dazu von den Einwohnern verpflichtende Abgaben zu erheben. Die Abgeordneten von Städten und Landgemeinden forderten ein anderes Abstimmungsverfahren auf den Kreistagen, wenn durch deren Beschlüsse in die Vermögensverhältnisse einzelner Personen eingegriffen werden sollte. Die Mitglieder des ersten Standes lehnten jede Änderung der Kreisordnung entschieden ab. Die konfliktträchtige Diskussion beendeten die fast einstimmig beschlossenen Anträge, auf den Kreistagen über Ausgaben nur mit Dreiviertelmehrheit der Anwesenden und über freiwillige Ausgaben für den Straßenbau nur einstimmig zu –––––––––– 224

Protokoll v. 5.3.1834, in: ebd., S. 165 –167 Entwurf einer ländlichen Kommunalordnung für die Mark Brandenburg, [Druck Februar 1833], in: BLHA, Rep. 2 A, I Präs., Nr. 53, Bl. 318 –333. 226 Verhandlungen der Regierung Potsdam mit Zieten und Monteton, 11.3.1833, in: ebd., Bl. 346f. 227 KEIL, Landgemeinde, S. 138 –140. 228 Ebd., S. 156 –159. 229 Zur Problematik: WAGNER, Bauern, S. 125 –157. 225

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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beschließen. Zudem sollten den beteiligten Interessengruppen stärkere Einspruchsrechte gegen die Entscheidungen gewährt werden, als im Entwurf vorgesehen, sodass bei Meinungsverschiedenheiten die Entscheidungen den Regierungen überlassen würden. Eine „Sonderung in Teile“ und selbst die Einreichung eines von einer größeren Zahl der Abgeordneten unterzeichneten Sondervotums wurden vermieden.230 Der Landtag konnte sogar aufgrund „überraschender Einmüthigkeit“ eine Woche eher als geplant beendet werden.231 Die Zurückweisung umstrittener Entscheidungen an die Staatsbehörden stand allerdings nicht nur den Plänen zum Aufbau einer repräsentativen Selbstverwaltung im Wege, sondern sie war zugleich auch ein deutliches Zeichen dafür, wie weit die adligen Gutsbesitzer sich von den um 1820 erhobenen Forderungen nach Einschränkung der staatlichen Gestaltungshoheit entfernt hatten. Sie protestierten zwar weiterhin gegen gesetzliche Eingriffe in bestehende Rechte und Observanzen,232 ein eigener Anspruch auf Verwaltungsbefugnisse war damit allerdings kaum noch verbunden. Die Abwehr von Partizipationsansprüchen anderer Bevölkerungsgruppen war nicht mehr mit grundsätzlicher Kritik an der Auflösung ständischer Ordnung durch die Staatsverwaltung verbunden, sondern erfolgte in Verbindung mit dem Verweis auf deren Ordnungsfunktion in der nachständischen Gesellschaft. Die rein defensive Position, die von den adligen Gutsbesitzern gegenüber politischen Veränderungen eingenommen wurde, verstärkte sich in den folgenden Jahren angesichts der politischen Dynamik nach dem Thronwechsel von 1841.

c)

„Dunkel ist der politische Horizont“. Adlige Gutsbesitzer, königliche Ständepolitik und liberale Bewegung

In den letzten Regierungsjahren Friedrich Wilhelms III. hatten adlige Gutsbesitzer während der Provinziallandtage eine Politik der Selbstbeschränkung auf Klärung von Detailfragen und Verteidigung der bestehenden Verhältnisse vertreten. Diese Politik hatte nicht nur bei König und Staatsministerium Zustimmung gefunden, sondern auch Unterstützung durch den Kronprinzen erfahren. Nach dessen Regierungsantritt 1840 als König Friedrich Wilhelm IV. berief sich Adolph von Rochow bei Eröffnung des siebten –––––––––– 230

Protokoll v. 22.3.1837 und v. 5.4.1837, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1253, Bl. 268 und Bl. 173 –180 (besonders Bl. 179). 231 A. v. Rochow an Bassewitz, 11.4.1837, in: ebd., Nr. 1252, unpag. 232 So wurde auf dem sechsten Provinziallandtag über einige Bestimmungen des Entwurfs einer neuen Wegeordnung geklagt, die in ihrer allgemeinen Fassung einen Eingriff in das durch Observanzen erworbene Eigentum darstellen würden, wozu allerdings ein dissentierendes Votum einreicht wurde: Verhandlungen 6, S. 17.

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Provinziallandtages 1841 auf dessen Wohlwollen und verwies auf ein Gespräch, das er mit dem Kronprinzen nach seiner erstmaligen Berufung zum Landtagsmarschall 1834 geführt habe. Auf die von Rochow geäußerte Zuversicht, dass die Stände ihm die Leitung der Versammlungen nicht schwer machen würden, da sie „von der festesten Anhänglichkeit an die bestehende Ordnung durchdrungen wären“, habe der damalige Kronprinz und jetzige König hinzugefügt: „und weil sie wissen, was sie wollen.“ Rochow bezog diese Worte darauf, „dass wir [die Provinzialstände] über unseren Wirkungskreis nicht hinausgegangen sind, dass wir denselben aber auch ganz ausgefüllt haben.“ 233 Während Rochow hoffte, in dieser Art politisch fortfahren zu können, hatte der neue König weitgehende Pläne zur Neugestaltung der Politik gegenüber den Provinziallandtagen. Die publizistische Öffentlichkeit sollte verstärkt über die ständischen Beratungen informiert werden und schrittweise sollte der vom damaligen Kronprinzen schon bei der provinzialständischen Gesetzgebung geplante Weg zu Reichsständen eingeschlagen werden. In diesem Zusammenhang erwog Friedrich Wilhelm IV. Maßnahmen zur Umgestaltung des Adels und entwarf zunächst neue Richtlinien für die Nobilitierung. Gleichzeitig veränderte er die Zusammensetzung des Staatsministeriums und erweiterte seinen persönlichen Beraterkreis. In seiner Umgebung trafen die Meinungen seiner pietistisch und neuständisch argumentierenden persönlichen Vertrauten Ludwig von Gerlach, Carl von Voß-Buch und Joseph Maria von Radowitz sowie dem ähnliche Ansichten vertretenden Minister Friedrich Eichhorn mit denen der neu berufenen Minister Hermann von Boyen und Carl von Savigny sowie des Oberpräsidenten Theodor von Schön, die liberale Argumente aufgriffen, aufeinander. Das Vorgehen des Königs, Vertreter unterschiedlicher politischer Ansichten in die Politikberatung einzubeziehen, war dabei keineswegs nur von „romantischen Vorstellungen“ einer Konsenspolitik bestimmt, sondern zielte auch auf die Steigerung seiner persönlichen Entscheidungshoheit als König.234 Die Minister des verstorbenen Königs Friedrich Wilhelm III., die eine liberale Neuausrichtung der preußischen Politik ablehnten, zugleich aber auch den neuständischen Plänen im Umfeld des Königs und der Berücksichtigung öffentlicher Forderungen bei politischen Entscheidungen kritisch gegenüberstanden, konnten ihre Position nach 1841 ebensowenig behaupten, wie Beamte, die auf eine grundsätzliche liberale Wende der

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Auszüge aus der Eröffnungsrede Rochows, in: Allgemeine Preußische Staatszeitung Nr. 63 (4.3.1841). 234 BARCLAY, Anarchie, S. 112–119; KRAUS, Gerlach, Teil 1, S. 291–330. Zu den Debatten um die Uneinigkeit des Ministeriums und den Willen des Königs selbst zu entscheiden: E. L. v. GERLACH, Aufzeichnungen, S. 304 –307.

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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Politik hofften. Der Innenminister Gustav von Rochow verließ 1842 gleichzeitig mit dem Minister und Oberpräsidenten der Provinz Preußen, Theodor von Schön, den Dienst, da der König eine grundsätzliche Entscheidung zur Weiterentwicklung der ständischen Befugnisse durch Einberufung von Reichsständen umging, die Schön forderte und Rochow ablehnte.235 Ebenfalls 1842 trat Finanzminister Graf Albrecht von Alvensleben zurück, den die Brüder Leopold und Ludwig von Gerlach vergeblich zu einer parteiartigen Verbindung konservativer Kräfte unter seiner Führung zu bewegen versucht hatten. Die Möglichkeit zu selbständiger Wirksamkeit hielt er nicht mehr für gegeben, bis 1844 wirkte er allerdings noch als Kabinettsminister.236 Gustav von Rochow machte die Inkonsequenz der Regierung, die Selbstüberschätzung des neuen Königs und das Gewicht, das oppositionellen Stimmen beigelegt werde, für die zunehmenden politischen Spannungen verantwortlich und konstatierte: „Täusche ich mich nicht, so stehen wir am Vorabend großer Bewegungen. Alle Geistesregungen der Zeit sind krankhaft: und unser guter König, mit seinem Durst anzuregen, nach den verschiedensten Seiten hin, ohne etwas zu vollführen, was Zeit haben will, scheint mir ein Werkzeug zu sein, Deutschland einem Zustand entgegenzuführen, der vielleicht weit entfernt ist von dem Ideale, was er sich träumt.“237 Chancen auf wirksamen politischen Einfluss sah er am ehesten durch Gründung eines „OppositionsSalons“ gegeben, was er für sich allerdings ablehnte.238 Stattdessen nahm er die Ernennung zum stellvertretenden und 1843 zum alleinigen Vorsitzenden des Staatsrates an.239 Rochow, der noch 1838 die Formulierung „beschränkter Untertanenverstand“ in einer Gegenerklärung zur Unterstützungsadresse Koblenzer Bürger für die in Göttingen aufgrund ihres Protestes gegen den Verfassungsbruch des Königs von Hannover entlassenen Professoren zu verantworten hatte,240 setzte nach 1841 auf königlichen Wunsch eine vorübergehende Abschwächung der Pressezensur um. Von Publizisten wurde er daraufhin zum Teil als liberal bezeichnet und dazu gedrängt, sich um seiner Popularität

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ROTHFELS, Schön, S. 107–123. ALVENSLEBEN, Alvensleben, S. 231; KRAUS, Gerlach, Teil 1, S. 295f. Einen der Anlässe für den Rücktritt von Alvensleben bildete, dass er die Einführung von Schutzzöllen zur Stützung der inländischen Rübenzuckerproduktion und damit die Abkehr von der bisherigen Zollpolitik nicht verhindern konnte. Nach seinem Rückzug aus der Politik gründete Alvensleben selbst eine Zuckerfabrik und wurde in den 1850er Jahren zum Vorsitzenden des Vereins der Rübenzuckerproduzenten gewählt: SCHAAL, Agrareliten, S. 143. 237 G. v. Rochow an T. von Rochow, September 1842, Auszug in: Nl. Rochow, B, Nr. 17, Bl. 10f. 238 Ebd., Bl. 11. 239 G. v. Rochow an T. von Rochow, Ende 1842/Anfang 1843, Auszüge in: ebd., Bl. 19 –21. 240 HOLTZ, Rochow, S. 685; WIPPERMANN, Rochow, S. 734. 236

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3. Elitenkompromiss

willen dazu zu bekennen.241 Rochow sah sich daraufhin gegenüber seinem Bruder zur Rechtfertigung seiner „Gesinnung“ genötigt: „Allerdings weicht meine Denk- und Sinnesweise wesentlich von derjenigen ab, die man den Männern der politischen Richtung, der man mich beizählt, gemeinhin impliciert. […] Ich bin freisinnig, nicht im Sinne der libéralen; ich suche die Freiheit in ganz anderen Dingen und an ganz anderen Orten als die libéralen – ich will den Fortschritt, aber einen gesunden, Natur-gemäßen, organischen und nach einem ganz anderen Ziel als der Liberalismus. [...] [I]ch bin preußischer Staatsmann und bin Preuße; ich vergaß und vergesse nie, dass ich das Eine und das Andere bin, u[nd] war, und bin mir bewußt, nur das erzielt zu haben und das zu wollen, was dem geschichtlichen Charakter und dem eigentümlichen Entwicklungsgang der Preuß[ischen] Monarchie nach meiner Ansicht frommen kann.“242 Rochow blieb grundsätzlich der Politik der 1830er Jahre verbunden, fand dafür angesichts der politischen und sozialen Dynamik des Vormärzes jedoch keine nachhaltige Unterstützung politisch durchsetzungsfähiger Kräfte mehr. Dass die auf dem Provinziallandtag vertretenen adligen Gutsbesitzer Brandenburgs und der Niederlausitz Rochows Bedenken gegen eine Ausweitung der Befugnisse ständischer Versammlungen teilten, änderte an der politischen Gesamtsituation wenig. Es zeigt aber, dass die Aufrechterhaltung der politischen Verhältnisse, die durch bürokratische Herrschaftsformen gekennzeichnet waren, nicht nur ein Anliegen des zum hohen Staatsbeamten aufgestiegenen ehemaligen Vertreters ständischen Protestes war. Auch die wenigen im Landtag noch vertretenen Mitstreiter seiner Opposition gegen Hardenberg und die Vertreter der nächsten Generation adliger Rittergutsbesitzer äußerten wenig Interesse an einem politischen Kurswechsel in der Verfassungsfrage. Auf dem Provinziallandtag 1841 wurde vonseiten mehrerer Abgeordneter des ersten Standes Kritik gegen die angeordnete Publikation der Protokolle geäußert, obwohl diese nur in minimaler Auflage erfolgen sollte. Auch die angeordnete fortlaufende Berichterstattung über die Verhandlungen in der Tagespresse stieß auf Kritik und sollte –––––––––– 241

WIPPERMANN, Rochow, S. 734 mit Verweis auf die Augsburger Allgemeine Zeitung, Nr. 267 (1847). Bei seiner Berufung zum alleinigen Vorsitzenden des Staatsrates behauptete die Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung am 10.10.1843 (Beilage zu Nr. 280) unter Berufung auf die Umgestaltung der „Censur und des Pressewesens“ und auf Aussagen ehemaliger politischer Flüchtlinge, Rochow sei „trotz aller Anfechtungen von den höheren Beamten als einer der Träger des liberalen Princips hochgeehrt und wegen seiner Humanität gegen alle Stände, seines wahrhaft edelsinnigen Charakters außerordentlich geliebt“, Auszug in: Nl. Rochow, A I, Nr. 6, unpag. Rochow selbst schilderte seine Politik 1841 und 1842 allerdings so: „Ich habe 2 Jahre lang nicht nur geschwiegen, sondern des Königs Partie genommen; oft gegen meine Überzeugung; ich habe mir Vorwürfe von den Ultras deswegen zugezogen“: G. v. Rochow an T. v. Rochow, Sept. 1842, Auszug in: ebd., B, Nr. 17, Bl. 11. 242 G. v. Rochow an T. v. Rochow, September 1842, in: ebd., B, Nr. 17, Bl. 8.

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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zumindest vom Provinziallandtag, das hieß praktisch von dessen Mehrheit, die der erste Stand innehatte, vollständig kontrolliert bleiben. Mit der Redaktion der in der Staatszeitung erscheinenden Artikel wurde der Abgeordnete der Niederlausitzer Ritterschaft Landrat Otto von Manteuffel beauftragt,243 der noch im selben Jahr seine Karriere im höheren Staatsdienst begann, die zur Grundlage für seine spätere Tätigkeit als Innenminister und Präsident des Staatsministeriums wurde.244 Auch gegen die Wahl eines Ausschusses zu gesamtpreußischen Beratungen wurden im brandenburgisch-niederlausitzischen Provinziallandtag Bedenken erhoben. Es wurde mit Mehrheit beschlossen, dass durch dessen Einrichtung die Rechte des Provinziallandtags beeinträchtigt werden dürften – eine Aufzählung dieser Rechte wurde allerdings abgelehnt.245 Im Kern ging es offensichtlich um die Kompetenz zur Beratung allgemeiner Gesetze, die den ständischen Ausschüssen nicht zugestanden werden sollte, die der Provinziallandtag aber auch nicht offen für sich beanspruchen konnte, ohne die Staatsbehörden, die den Provinziallandtagen nicht alle Gesetze vorlegten, zu kritisieren. Die auf dem Landtag vertretenen adligen Gutsbesitzer äußerten also mehrheitlich Bedenken gegen alle Vorhaben, Befugnisse und Beratungsweise der Provinziallandtage zu ändern. Weder sie noch die übrigen Mitglieder des Provinziallandtages von 1841 vertraten Forderungen nach Reichsständen und Verfassung, wie sie von Vertretern der Ritterschaft Ostpreußens erhoben wurden. Darüber hinaus stand zumindest der dazu befragte Landtagsmarschall Adolph von Rochow auch Überlegungen des Königs und seines Umfelds skeptisch gegenüber, der Ausweitung politischer Partizipationsrechte eine gesetzliche Neubestimmung von Adel als Stand vorhergehen zu lassen. In einer von Rochow oder zumindest in seinem Umfeld verfassten Denkschrift war 1823 noch dargelegt worden, dass der Adel nur durch das alleinige Recht auf Offiziersstellen und politisch bevorrechtigte Rittergüter als Stand erhalten werden könne.246 In seinem Gutachten für die Staatsratskommission zur vom König erwünschten Revision der Nobilitierungsrichtlinien von 1841 ging Rochow nun hingegen davon aus, dass der Adel „eigentlich aufgehört habe, ein Stand zu sein“ und an seine Stelle die „Ritterschaft, wie auf den Landtagen repräsentiert“, getreten sei. Dennoch komme dem Fortbestehen eines mit Ehrenrechten verbundenen Adels politische Bedeutung zu, da durch ihn das konservative Prinzip gestärkt und auf „wohltätige Weise“ ein Gegengewicht zu den „beweglichen Kräften“ gebildet werden könne. Durch einen über Generationen hinweg vererbten Grundbesitz und durch Titel, die an die Verdienste der Vorfahren erinnern, würden Gesinnungen „fester Anhänglichkeit an die bestehenden Staatsein–––––––––– 243

Protokolle 1841, S. 47–51. Vgl. BECK, Provinzialstände, S. 26f.; SCHUBERT, Preußen, S. 63f. WIPPERMANN, Manteuffel. 245 SCHUBERT, Preußen, S. 63. 246 „Was kann geschehen, um dem Adel aufzuhelfen“, 1.10.1823, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 10, Bl. 1–10. 244

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3. Elitenkompromiss

richtungen“ und besondere Opferbereitschaft „für Fürst und Vaterland“ befestigt. Zwar sei „[j]eder gute Bürger, der diese Eigenschaften besitzt, und davon gibt es sehr viele, […] in seinem Innern ein Edelmann“, aber die Existenz eines besonders bevorrechtigten Adels biete einen „politischen Hebel“ zur Förderung der gewünschten Eigenschaften. Zusammenfassend notierte Rochow, dass die Notwendigkeit bestehe, den „Adel der Gesinnung“ durch einen „wohlgesonnenen Adel“ zu unterstützen.247 Während Adolph von Rochow 1823 Forderungen vertreten hatte, den Adel als Stand berufs- und besitzrechtlich abzugrenzen, um eine veränderte Form politischer Herrschaft zu ermöglichen, zielten seine Überlegungen von 1841 auf Legitimation der noch bestehenden adligen Ehrenrechte durch Nachweis des politischen Nutzens, den der gesellschaftliche Status von Adel für die bestehenden Herrschaftsverhältnisse bedeutete. An die Stelle der Forderung nach Übertragung politischer Rechte war das Ziel getreten, eine bestimmte politische Einstellung zu fördern. Dementsprechend verändert fielen Rochows konkrete Vorschläge aus. Statt einer deutlichen Abgrenzung des Adels, die 1823 durch Beschränkung der Nobilitierung auf militärische Verdienste im Krieg erreicht werden sollte, wurde nun eine aktive Nobilitierungspolitik gefordert. Spannungen innerhalb der Ritterschaft zwischen adligen und nichtadligen Rittergutsbesitzern sollten durch häufigere Verleihung von Adelstiteln abgebaut werden, zumal so der Adel wieder stärker mit Grundbesitz verbunden würde und die „heute mehr als jemals“ nötige „Auffrischung“ bekäme, um neben den neuen „Capacitäten“ zu bestehen, die durch die „Fortschritte der Industrie“ entständen. Die Schaffung eines dauerhaften Neuadels mit beschränkter Vererbbarkeit des Titels lehnte Rochow als dem Prinzip Geschlechtsadel widersprechend ab und verwies bezeichnenderweise darauf, dass sich die Vertreter des alten Adels auf den bisherigen Landtagen zumeist politisch bewährt hätten. Stattdessen forderte er eine Förderung von Familienstiftungen mit mindestens einem Rittergut, betonte aber gleichzeitig, dass auch bedeutende Staatsdiener, Wissenschaftler und Künstler geadelt werden müssten. Indirekt drückte er damit aus, dass ihm am gesellschaftlichen Ansehen des Adels und der ihm zugeschriebenen politischen Bedeutung mehr gelegen war als am konkreten politischen Einfluss adliger Gutsbesitzer. Zu den Ursachen der Überlegungen einer veränderten Nobilitierungspolitik zählte auch die Befürchtung, dass sich nichtadlige Rittergutsbesitzer durch organisiertes Auftreten bei kreisständischen Wahlen gegen adlige Kandidaten durchsetzen könnten. –––––––––– 247

Votum Adolf von Rochows, 1841, Entwurf in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 11, unpag. Zu den Diskussionen um veränderte Nobilitierungsgrundsätze und Neuentwürfe von Adligkeit in den 1840er Jahren vgl. HEINICKEL, Adelsidentität; REIF, Friedrich Wilhelm IV. Zur verstärkten Nobilitierung nichtadliger Rittergutsbesitzer nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV., ohne dass dadurch an der Existenz einer großen Zahl nichtadliger Rittergutsbesitzer etwas geändert wurde: SCHILLER, Vom Rittergut zum Adelstitel?, S. 74f.

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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Diese Entwicklung, die eine Denkschrift von 1842 an einem neumärkischen Beispiel als Gefahr beschwor,248 war allerdings nur dann wirklich problematisch für die politischen Verhältnisse, wenn Provinzial- oder Reichsständen tatsächlich politischer Einfluss zugestanden wurde. Nicht zuletzt deshalb war Adolph von Rochow wenig an Veränderungen der provizialständischen Befugnisse und einer grundlegenden Veränderung der Gesetzgebung gelegen. Konkrete Probleme bereitete ihm als Landtagsmarschall nicht die Zunahme bürgerlicher Abgeordneter der Ritterschaft, sondern der den bürgerlichen Vertreter der Ritterschaft des Züllichau-Schwiebuser Kreises Kretschmer ablösende adlige Abgeordnete Eduard von Zimmermann, der im Ruf moralisch bedenklichen Verhaltens stand. 249 Der König war nicht bereit, die Landtagsmitglieder vor der Abreise Zimmermanns zu empfangen, und gleichzeitig konnte Rochow nichts gegen die Teilnahme Zimmermanns am Landtag unternehmen, solange diesen die Kreisritterschaft unterstützte.250 Grundsätzlich erwartete Rochow vom brandenburgisch-niederlausitzischen Provinziallandtag, dem er weiter als Landtagsmarschall vorstand, eine Fortsetzung der politischen Zurückhaltung, die die Verhandlungen zwischen 1834 und 1841 geprägt hatte. Bei der Eröffnung des Landtages von 1843 hob Rochow hervor: „nie habe ich Friede und Eintracht bei unseren Versammlungen gestört gesehen.“251 Tatsächlich fanden sich bei den meisten Abstimmungen im Provinziallandtag deutliche und das heißt ständeübergreifende Mehrheiten für eine weitgehende Beibehaltung bestehender rechtlicher Reglungen. Bei den Beratungen zum Strafgesetzbuchentwurf wurde unter anderem unter Berufung auf das Allgemeine Landrecht gefordert, dass Kritik an einzelnen staatlichen „Anordnungen und Einrichtungen“, sofern sie nicht „verletzend oder aufrei–––––––––– 248

Denkschrift, Juli 1842, unsigniert, in: Nl. Rochow, A III, Nr. 27, unpag. In umstrittenem Wahlverfahren war 1839 für Dramburg und Schivelbein der Kreisjustizrat Ludwig Bredow gewählt worden (Vorname nach Ahnentafel der Familie Ernst Weese – für den Hinweis danke ich Herrn Jürgen Schlutius). Im Kreis Lebus ersetzte der Oberamtmann Johann Philipp Rehfeld nach ebenfalls umstrittener Abstimmung den adligen Abgeordneten F. H. L. von Pfuel: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 41, Bd. 1, Bl. 93 –148. Vgl. Tabelle 3 im Anhang. 249 Die Frankfurter Regierung hatte Zimmermann entgegen dem Votum der Kreisritterschaft nicht zum Landrat ernannt, sondern ihm einen bürgerlichen Kandidaten mit zweifelhafter ständischer Qualifikation vorgezogen. Die Kreisritterschaft entzog Zimmermann das Vertrauen als Kreisdeputierten und Landtagsabgeordneten aber auch nicht, als ihm vorgeworfen wurde, öffentlich seine sexuellen Beziehungen zu mehreren Frauen auf seinem Gut und dem zugehörigen Dorf Langmeil verteidigt zu haben: EIFERT, Paternalismus, S. 113f. und S. 144f. 250 A. v. Rochow an Oberpräsident Meding, 10.2. und 7.6.1843, in: GStA, VI. HA, Nl. RochowStülpe, Nr. 13, unpag. 251 Auszüge aus der Eröffnungsrede A. v. Rochows am 5. März 1843, in: Allgemeine Preußische Staatszeitung, Nr. 81 (22.3.1843), S. 315.

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zend“ vorgetragen würden, nicht mit Strafe bedroht werden dürfe. Gotteslästerung sei nur unter Strafe zu stellen, wenn sie „Ärgernisse“ errege, und jüdischen Religionsdienern sei derselbe Schutz wie christlichen zu gewähren. Bei neuen Bestimmungen zum Ehescheidungsverfahren wurde um Vorlage der Entwürfe des Staatsministeriums zur Begutachtung gebeten.252 Der dem Landtag zur Beratung vorgelegte Entwurf einer Verordnung, mit der fünfjähriger Besitz eines Rittergutes zur Voraussetzung der Wahl zum Landrat erhoben werden sollte, um Scheinkäufe zur Erreichung der Wählbarkeit auszuschließen, wurde mit 45 Stimmen, also auch mit mindestens elf Stimmen aus dem ersten Stand, abgelehnt, da solches angeblich in der Provinz nicht vorgefallen sei. Auch der Vorschlag uckermärkischer ritterschaftlicher Abgeordneter, dass bei der Wahl von erst seit kurzem über Gutsbesitz verfügenden Landratskandidaten zumindest die absolute Stimmenmehrheit erforderlich sein müsse, wurde mit 40, also mindestens sechs Stimmen aus dem ersten Stand, zurückgewiesen.253 Das Interesse eines Teils der Ritterschaft an Landräten ohne eigenen Grundbesitz belegt auch der geduldete Scheinkauf eines Gutes vor der Landratswahl von 1842 im Kreis Niederbarnim.254 Das latente Konfliktpotential zwischen den Ständen drohte in den letzten Verhandlungstagen des Provinziallandtages von 1843 allerdings der Antrag eines städtischen Abgeordneten auf Zulassung der Kreistagsabgeordneten von Städten und Landgemeinden zu den Landratswahlen zu aktivieren. Adolph von Rochow nutzte jedoch seine Stellung als Landtagsmarschall und forderte eine Abstimmung ohne vorherige Debatte, da der Antrag ein „Angriff auf Rechte eines Teils der Versammlung“ darstelle und seine Diskussion daher „Gefahren für die Schranken der Mäßigung“ berge. Nur ein Abgeordneter stellte sich gegen dieses Verfahren, ließ sich aber zur Rücknahme seines Protestes überreden. In namentlicher Abstimmung votierten 40 Abgeordnete, das heißt auch sieben, die nicht zum ersten Stand gehörten, gegen den Antrag.255 Ein Antrag, die Einführung öffentlicher und mündlicher Gerichtsverfahren zu befürworten, wurde unter Verweis auf die laufende Neubearbeitung der Kriminalordnung ohne Abstimmung abgewiesen. Die Antragsteller verwahrten sich allerdings dagegen, dass ihr Antrag bei der Zurückweisung in Zusammenhang mit Forderungen nach Volkssouveränität gestellt wurde. Ein weiterer Antrag auf Zulassung der Öffentlichkeit bei Stadtverordnetenversammlungen wurde nur von acht Abgeordneten unterstützt.256 –––––––––– 252

SCHUBERT, Preußen, S. 80 – 82. Ebd., S. 84. Die abgegebenen Stimmen lassen sich selten den einzelnen Ständen zuordnen, da in den Protokollen keine Namensnennung erfolgt und nur in Ausnahmefällen die Stimmverteilung zwischen den einzelnen Ständen erwähnt wird. 254 EIFERT, Paternalismus, S. 114f. 255 Protokolle 1843, S. 293 (drei der 36 Mitglieder und Abgeordneten ersten Standes waren nicht anwesend). 256 Ebd., S. 294 –298. 253

3.2. Provinzial-, Kommunal- und Kreisstände 1824 –1847

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Der offene Konflikt zwischen den Ständen, der 1843 noch vermieden worden war, brach am Ende des folgenden Landtages im Jahr 1845 in voller Schärfe aus. Bereits bei verschiedenen Detailfragen der zu beratenden Gesetzesentwürfe, besonders zum Provinzialrecht, war es zu knappen Abstimmungsergebnissen gekommen, die auf gegensätzliche Positionen der Stände verweisen. Allerdings wurden zu vielen grundsätzlichen Fragen Kompromissformeln gefunden, denen überständische Mehrheiten zustimmten. Dazu zählte der Antrag, eine weitere Kodifikation des Provinzialrechtes nach Abschluss der Arbeiten zum Lehn- sowie Kirch- und Schulrecht zu unterlassen, wobei eine mehrdeutige Formulierung gewählt wurde, die sowohl das Fortbestehen mündlicher Rechtsbestände für notwendig erachtete als auch zukünftige allgemeine gesetzliche Regelungen befürwortete. Der Antrag auf eine Petition, die gegen die Neuregelung des gerichtlichen Verfahrens bei Ehescheidungen ohne vorherige Befragung der Stände protestieren sollte, wurde zwar mehrheitlich abgelehnt, aber eine Petition verabschiedet, die eine Zusicherung erbat, dass die Stände bei solchen Neuregelungen in Zukunft nicht übergangen würden. Auch ein Petitionsantrag zur vollständigen Judenemanzipation wurde abgelehnt. Allerdings fand eine Petition Zustimmung, die um Ausdehnung des Emanzipationsediktes von 1812 auf alle Landesteile und eine, „dem fortgeschrittenen Kulturzustand der Juden“ entsprechende, vollständige Revision desselben bat. Darüber hinaus wurde eine Petition, die auf kleinere Erleichterungen der Zensur umfangreicher Druckschriften antrug, verabschiedet.257 Über weitere Petitionsanträge städtischer Abgeordneter kam es jedoch zu unversöhnlich geführten Auseinandersetzungen. Zwar wurde einem Antrag auf Verkürzung der zur Wahl zum städtischen Landtagsabgeordneten erforderlichen Besitzdauer allgemein zugestimmt, aber die Verabschiedung einer Petition, die eine Erhöhung der Abgeordnetenzahl der Städte auf dem Provinziallandtag forderte, wurde mit Mehrheit von 35 zu 30 Stimmen abgelehnt. Einige Vertreter der Landgemeinden hatten sich der Ablehnung angeschlossen, da der den erkrankten Landtagsmarschall vertretende Friedrich Heinrich Ludwig Graf von Solms-Baruth eine Diskussion über ihren nachträglich eingereichten Petitionsantrag, auch die Zahl der Abgeordneten ihres Standes zu erhöhen, aus formellen Gründen verweigert hatte. Die Abgeordneten der Städte beantragten aufgrund der Ablehnung ihres Antrags auf der folgenden Sitzung eine „Sonderung in Teile“. Diese wurde daraufhin zum ersten Mal seit 1831 wieder vollzogen. Allerdings wies Solms darauf hin, dass der städtische Petitionsantrag dennoch nur im Protokoll Erwähnung finden würde. Die städtischen Abgeordneten protestierten nachhaltig und ließen im Protokoll vermerken, dass der Sinn ihrer Teilnahme an den Provinziallandtagen angesichts der Mehrheitsverhältnisse zweifelhaft sei.258 –––––––––– 257 258

SCHUBERT, Preußen, S. 94 –133, besonders S. 94f. und S. 122–126. Protokolle v. 12. und 14.4.1845, in: BLHA, Rep. 1, Nr. 1260, unpag. Vgl. SCHUBERT, Preußen, S. 129.

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3. Elitenkompromiss

Der Landtagskommissar, Oberpräsident August Werner von Meding, der 1827 und 1834 auf dem Landtag die Ritterschaft der Altmark vertreten hatte und für 1847 von der Ritterschaft des Kreises Jüterbog gewählt wurde,259 forderte in seinem Gutachten zum städtischen Petitionsantrag, diesem unbedingt zu entsprechen, obwohl er nicht mit gesetzlicher Mehrheit unterstützt worden sei. Denn es gelte, die „gute Gesinnung“ auf dem Landtag zu erhalten und der „gefährlichen Tendenz“ vorzubeugen, dass überhaupt keine Petitionen mehr gestellt würden. Die Wortführer der städtischen Deputierten seien eigentlich „extrem loyal und gut gesinnt“, ständen aber unter Druck ihrer Wähler und der Öffentlichkeit. Dasselbe treffe für die „conservative Ritterschaft“ zu, die aus Angst vor grundsätzlichem Wandel auch Änderungen von Details ablehne.260 Die Sorge des Oberpräsidenten um die „gute Gesinnung“ auf dem brandenburgischen Provinziallandtag hatte ihren tieferen Grund darin, dass dieser der einzige Provinziallandtag der Monarchie war, auf dem zwischen 1841 und 1845 keine Verfassungspetition beantragt wurde, die auf Einberufung von Reichsständen zielte. In der Provinz Preußen, der Rheinprovinz sowie im Großherzogtum Posen waren auf den Landtagen von 1845 mehr oder weniger deutliche konstitutionelle Forderungen trotz Zurückweisung früherer Petitionen mit der gesetzlichen Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erneut verabschiedet worden. In den Provinzen Westfalen und Schlesien hatte zumindest die Mehrheit der Abgeordneten für den Antrag, eine Verfassungspetition einzureichen, gestimmt, und in den Provinzen Pommern und Sachsen nahm die Zahl der unterstützenden Stimmen zu.261 Allerdings kamen auch in den Reihen der Vertreter des ersten Standes auf dem brandenburgisch-niederlausitzischen Provinziallandtag Zweifel am Sinn von deren Tagungen in bisheriger Form auf. Fürst Otto zu Lynar, der Provinziallandtagsvertreter der Niederlausitzer Standesherrn, schrieb am 18. Dezember 1845 an den stellvertretenden Landtagsmarschall Graf Friedrich zu Solms-Baruth: „Wie danke ich Gott, daß wir in di[esem] Winter nicht wieder einen so leeren, erfolglosen Landtag haben, wie die bisherigen. Will man ohne Controlle regieren, so soll man uns wenigstens nicht plagen, und uns nicht länger eine Comödie spielen lassen, an die weder Spieler noch das gr[oße] Publicum mehr glauben will.“262 Die politisch aktiven Rittergutsbesitzer Brandenburgs und der Niederlausitz sahen sich angesichts der ständepolitischen Pläne des Königs, auf die sie keinen Einfluss hatten, und zunehmender gesellschaftlicher Unterstützung für liberale Verfassungsforderungen, die sie nicht teilten, in die Defensive gedrängt. Der Nachfolger Gustav –––––––––– 259

1834 war er stellvertretender Landtagsmarschall. Vgl. Tabelle 3 im Anhang. Meding, Gutachten, 4.6.1845, Abschrift als Anhang zu einem Brief an A. v. Rochow, 16.11.1845, in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 22, unpag. 261 OBENAUS, Anfänge, S. 567–571. 262 Lynar an Solms-Baruth, 18.12.1845, in: BLHA, Rep. 37, Herrschaft Baruth, B, 2.1., Nr. 67, unpag. 260

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von Rochows im Innenministerium, Graf Adolph Heinrich von Arnim-Boitzenburg, zog 1845, nachdem er vergeblich versucht hatte, den König von dessen Reichsständeplänen abzubringen, die Konsequenz aus der politischen Lage und riet unter diesen Voraussetzungen zu einem entschiedenen Schritt in Richtung Konstitutionalisierung der Monarchie. Als der König dies ablehnte, trat er zurück.263 Gustav von Rochow und auch Adolph von Rochow versuchten hingegen über ihre Stellung im Staatsrat und in der Immediatkommission für ständische Angelegenheiten die Einberufung einer allgemeinen ständischen Versammlung weiter aufzuhalten, sahen sich aber im Frühjahr 1846 bei den Beratungen von Kommission und Staatsrat isoliert.264 Für 1847 wurde eine gleichzeitige Versammlung aller Provinziallandtage zu einem Vereinigten Landtag einberufen. Die auf den Provinziallandtagen entweder zum Herrenstand zählenden oder zur Führung von Virilstimmen berechtigten Standesherren, die Besitzer von auf den Provinziallandtagen gesondert vertretenen Majoraten sowie weitere Standesherren bildeten eine eigene Kurie der Fürsten, Grafen und Herren. Die Abgeordneten der Ritterschaft, der Städte und der Landgemeinden aller Provinziallandtage bildeten eine zweite Kurie. Zum Landtagsmarschall dieser „Kurie der drei Stände“ wurde trotz seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Einberufung des Vereinigten Landtags Adolph von Rochow ernannt.265 Aber nicht nur er, sondern auch die Mehrheit der 31 ritterschaftlichen Abgeordneten aus Brandenburg und aus der Niederlausitz sahen sich auf dem Vereinigten Landtag im Frühjahr 1847 der Situation ausgesetzt, an einer Versammlung mitwirken zu müssen, deren Einberufung sie ablehnten. Dennoch hielten sie es für ihre Aufgabe, in dieser Versammlung gegenüber einer Mehrheit der übrigen Teilnehmer die Politik des Königs zu verteidigen, die für diese Situation verantwortlich war. Bis auf einen der beiden bürgerlichen Abgeordneten der brandenburgisch-niederlausitzischen Ritterschaft, Julius Mandel aus dem neumärkischen Kreis Züllichau-Schwiebus, wies die Ritterschaft Brandenburgs und der Niederlausitz den Antrag des liberalen Abgeordneten der westfälischen Ritterschaft Georg von Vinckes auf eine Verfassungspetition zurück, die den König darum bitten sollte, das durch die Gesetzgebung von 1820 geschaffene Recht des Vereinigten Landtags zu jährlicher Einberufung und Kontrolle des Staatshaushaltes formell anzuerkennen. Der zurückhaltender formulierte Antrag des Abgeordneten der pommerschen Ritterschaft Graf Maximilian von Schwerin, der die Bitte um jährliche Periodizität des Vereinigten Landtages mit dem durch die frühere Gesetzgebung bestehenden Recht und mit der Nützlichkeit dieser Institution begründete, fand nur die –––––––––– 263

HOLTZ, Ostrakismus, S. 114 –132. Ebd., S. 134 –136. 265 G. v. Rochow, Notizen zu Unterhandlungen mit Vetter Adolph von Rochow wegen der Übernahme des Landtagsmarschallsamtes [März 1847], in: Nl. Rochow, A III, Nr. 28, Bl. 57f. 264

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Unterstützung von Julius Mandel und drei adligen ritterschaftlichen Abgeordneten aus Brandenburg und der Niederlausitz.266 Viele der ritterschaftlichen Abgeordneten aus Brandenburg und der Niederlausitz wandten sich dabei nicht grundsätzlich gegen eine Bitte um Periodizität des Vereinigten Landtages, sondern gegen die konstitutionelle Argumentation, dass durch die ältere Gesetzgebung ein Recht darauf bestehe.267 Dem Antrag zu einer Petition, die eine zweijährliche Periodizität erbat und dabei deren Nützlichkeit betonte, während auf die frühere Gesetzgebung nur hingewiesen wurde, stimmten 19 der 31 Abgeordneten der Ritterschaft von Brandenburg und Niederlausitz zu.268 Die Abgeordneten der Ritterschaft, die gegen die konstitutionell argumentierenden Anträge stimmten, erfuhren zwar Unterstützung durch einen Teil der übrigen Abgeordneten aus Brandenburg und Niederlausitz, aber auf dem Vereinigten Landtag insgesamt befanden sie sich mit ihrer Position klar in der Minderheit. Eine knappe Mehrheit der Abgeordneten in der „Kurie der drei Stände“ sprach sich für den Antrag Georg von Vinckes aus und der Antrag des Grafen von Schwerin verfehlte nur knapp die zur Verabschiedung von Petitionen vorgeschrieben Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen. Während der Antrag, die Bitte um Periodizität des Landtags nur mit deren Nützlichkeit und Notwendigkeit zu begründen, aufgrund der Gegenstimmen liberaler Abgeordneter scheiterte, wurde ein Petitionsantrag, der sich gleichermaßen auf die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen und auf die Nützlichkeit berief, ohne namentliche Abstimmung mit einer klar ausreichenden Mehrheit verabschiedet.269 Auch rhetorisch hatten die Gegner der Verfassungsbewegung, wie Varnhagen von Ense vermerkt, den Sprechern der liberalen Bewegung wenig entgegenzusetzen, sondern versuchten, deren Auftritte durch Lärm zu stören.270 Allerdings wurden auch entschiedene Gegner der konstitutionellen Forderungen bei ihren Reden durch lautstarke Störungen beeinträchtigt.271 –––––––––– 266

BLEICH (Hg.), Landtag, Teil 1, S. 988f. und S. 993. Vgl. BIEDERMANN, Beiträge, S. 40 – 48, und die Tabellen im dortigen Anhang. 267 Vgl. die Debattenbeiträge von Regierungsrat Adolf von Werdeck und Oberpräsident August Werner von Meding, 31.5.1847, sowie von Regierungsrat Bernhard von Patow, 1.6.1847, in: BLEICH (Hg.), Landtag, Teil 3, S. 1125 –1127, S. 1154 –1156 und S. 1276. 268 Ebd., Teil 1, S. 988f. und S. 993. Zu den Verhandlungen auf dem Vereinigten Landtag im Allgemeinen: OBENAUS, Anfänge, S. 686 –710. 269 Ebd., Teil 3, S. 1311–1315. 270 VARNHAGEN, Tagebücher, Bd. 4, S. 86. Zur Störung der Rede des Abgeordneten Gustav Mevissen, am 31.5.1847, vgl.: BLEICH (Hg.), Landtag, Teil 3, S. 1144. 271 Zur Störung der Reden von Karl Otto von Manteuffel und Otto von Bismarck, am 1.6.1847, und Otto von Manteuffel, am 23.6.1847, vgl. BLEICH (Hg.), Landtag, Teil 3, S. 1245 und S. 1258, Teil 4, S. 2403.

3.3. Adel, Großgrundbesitz und Staatsbürokratie um 1847

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Die Mehrheit der ritterschaftlichen Abgeordneten aus Brandenburg und der Niederlausitz verfolgten abgesehen von der Ablehnung eindeutig konstitutioneller Forderungen kein gemeinsames politisches Programm. Bei den ebenfalls für die Politik des Königs wichtigen Abstimmungen über die Ostbahn-Anleihe und über die Zivilehe stimmte fast die Hälfte dieser Abgeordneten gegen die Wünsche des Königs.272 Die weitverbreitete Ratlosigkeit angesichts der politischen Entwicklung hatte Fürst Otto zu Lynar schon Ende 1845 in einem Brief an Graf Solms-Baruth beklagt: „unzählige geistige Kräfte sind entfesselt, und nirgends sehe ich einen gr[oßen] intellektuellen Willen, eine kräftige u[nd] geübte Hand, die so vulkanischen Elemente zum harmonischen, organischen Staatsleben zusammen zu fügen befähigt scheinte.“273

3.3. Adel, Großgrundbesitz und Staatsbürokratie um 1847: Grundlagen für eine „bedeutungsvolle Zukunft“? Herbert Obenaus hat darauf hingewiesen, dass die Gesetzgebung von 1823, mit der in der Preußischen Monarchie Provinziallandtage geschaffen wurden, neben ihrem offensichtlichen Ziel der Verhinderung einer konstitutionellen Regierungsform zugleich „einen frühen Versuch“ darstellte, „die Formen von Partizipation und Repräsentation für die Zwecke einer rückwärts gewandten Politik zu nutzen.“274 So verbanden die Festlegungen zur Zusammensetzung der Provinzialstände und der vorläufige Verzicht auf eine gesamtpreußische Repräsentation, eine Minimierung der aktuell gewährten politischen Partizipationsrechte mit der Hoffnung, langfristig durch die neuen Repräsentationsinstitutionen Unterstützung bei der Stabilisierung der sozialen Ordnung zu erfahren. Die politische Gestaltungshoheit der Staatsbürokratie wurde damit aufrechterhalten, zugleich aber adligen Gutsbesitzern eine Übergangsphase der Anpassung an die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse gewährt. Damit wurde der Weg zu einem Elitenkompromiss zwischen Staatsverwaltung und grundbesitzendem Adel eröffnet. In den Überlegungen der an der Erarbeitung der provinzialständischen Gesetzgebung intensiv beteiligten kurmärkischen Gutsbesitzer Otto von Voß und Gustav von Rochow während der Planungen zur Einrichtung von Provinziallandtagen 1821 und 1822 zeichnete sich das Ziel langsamer Anpassung und eines Elitenkompromisses bereits ab. Die ab 1824 im Rahmen der Provinziallandtage zusammentretenden Abgeordneten der Rittergutsbesitzer Brandenburgs und der Niederlausitz versuchten zunächst allerdings –––––––––– 272

Ebd., Teil 1, S. 988f. und S. 992f. Vgl. BIEDERMANN, Beiträge, Tabellen im Anhang. Lynar an Solms-Baruth, 18.12.1845, in: BLHA, Rep. 37, Herrschaft Baruth, Nr. 67, unpag. 274 OBENAUS, Anfänge, S. 15 und S. 211f. 273

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3. Elitenkompromiss

ihre Handlungsspielräume gegenüber der Staatsverwaltung auszuweiten. In den 1830er Jahren zeichnete sich ein Politikwechsel ab und die Vertreter der Rittergutsbesitzer begannen zunehmend als Verteidiger der bestehenden bürokratischen Herrschaftsordnung aufzutreten. Die kritische Haltung der als politische Vertreter der Rittergutsbesitzer auftretenden Adligen gegenüber einer gesamtpreußischen Repräsentation um 1820 und um 1845 weist zwar scheinbar auf eine Kontinuität ihrer politischen Position hin, aber die Konfliktlinien hatten sich grundlegend verschoben. Um 1820 hatten Bedenken gegen eine Landesrepräsentation vor allem als Argument gedient, der Staatsbürokratie die von dieser beanspruchte entscheidende Bedeutung für die Aufrechterhaltung monarchischer Herrschaft abzusprechen und stattdessen die Bedeutung hervorzuheben, die den lokalen und regionalen Verwaltungsbefugnissen der Gutsbesitzer zukam. Dies hatte eigene politische Partizipationsforderungen der adligen Rittergutsbesitzer durch Aufwertung der Befugnisse von ständischen Versammlungen in den Provinzen nicht ausgeschlossen Auch die Idee einer darauf aufbauenden ständischen Verfassung für die gesamte Monarchie stieß zumindest bei einem Teil der adligen Gutsbesitzer Brandenburgs auf Zustimmung. Mitte der 1840er Jahre war in der Argumentation der meisten märkischniederlausitzischen adligen Landtagsabgeordneten von einer Konkurrenz mit der Staatsverwaltung um politische Bedeutung fast nichts mehr zu spüren und ebenso wenig von eigenen Partizipationsforderungen. Stattdessen verteidigten die Abgeordneten der brandenburgischen und Niederlausitzer Ritterschaft, nachdem die Staatsbehörden auf neue staatliche Eingriffe in die lokalen Verhältnisse auf dem Lande längere Zeit verzichtet hatten, nun die grundsätzlich von bürokratischer Gestaltungshoheit geprägten Herrschaftsverhältnisse in der Monarchie. Gustav von Rochow konnte sich 1847 in persönlichen Notizen zum Vereinigten Landtag zwar darauf berufen, er habe schon vor seinem 1823 erfolgten Eintritt in den Staatsdienst betont, die unbeschränkte königliche Gewalt, wie sie sich über 200 Jahre hinweg herausgebildet habe, bilde den Kern der Preußischen Monarchie. Aber das von ihm 1847 ebenfalls angeführte Argument, „von altem Ständerecht [sei] seit 200 Jahren keine Rede“ mehr,275 passte schwerlich zu seiner 1819 erhobenen Forderung nach „Wiederherstellung der ständischen Verfassung“. Adolph von Rochow, der 1819 auf eine grundsätzliche Klärung der politischen Stellung adliger Gutsbesitzer gedrängt und sich 1825 über die zurückweisende Behandlung der provinzialständischen Anträge bitter beklagt hatte, trat im Herbst 1845 bei den Beratungen zur Einberufung des Vereinigten Landtages noch offensiver als Verteidiger einer vor allem auf die Staatsverwaltung gestützten monarchischen Herrschaft auf. Er behauptete nun, dass Preußen stets ohne Stände erfolgreich gewesen sei. Nur aufgrund der zunehmenden Komplexität der –––––––––– 275

G. v. Rochow, Gegen Reichsstände [1847], Abschrift in: Nl. Rochow, A III, Nr. 28, Bl. 10 –14, hier Bl. 10.

3.3. Adel, Großgrundbesitz und Staatsbürokratie um 1847

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Regierung, bei der die Informationen der Beamten allein nicht ausreichten, seien 1824 „Provinzialstände wiederbelebt“ worden: „Das Land hatte sie nicht verlangt, sie sind daher ohne sonderlichen Enthusiasmus empfangen worden, aber das Volk hat darin einen Beweis von der wohlwollenden Gesinnung seines geliebten Monarchen verehrt. Sie haben bis zur neueren Zeit ihren Zweck ohne Gepränge, aber ausreichend erfüllt.“276 Der Vorteil der Provinzialstände sei, so Adolph von Rochow 1845, gerade ihre geringe Handlungsfähigkeit: „Ihre Teilung macht sie schwach in der Opposition, ihre Zusammensetzung und Geschäftsordnungen unfähig zu jeder wirksamen Offensive.“277 Als „politische Axiome“ notierte sich Adolph von Rochow 1845 während der Beratungen über die Einberufung des Vereinigten Landtags: „1. Jede Versammlung von Deputierten aus allen Teilen und Ständen eines Landes, welcher legislative Rechte und ein unbeschränktes Petitionsrecht beigelegt sind, glaubt in ihren Beschlüssen den Willen und die Wünsche des Volkes auszudrücken. 2. Diese Meinung geht unfehlbar auf das Volk über, welches in solcher Versammlung seine Repräsentanten erblickt. 3. Sobald der Wille des Monarchen mit dem Willen dieser Versammlung in Conflict tritt, ist sie die stärkere.“278 In denselben Notizen widersprach Rochow entschieden der von Verfechtern des Plans einer gesamtpreußischen Ständeversammlung vertretenen Behauptung, „daß weise und verständige zum Besten des Volkes ergriffene Regierungsmaßregeln, von talentvollen Beamten der Versammlung erklärt und commentiert, allemal Anerkennung finden müssen, und daß die dadurch entstehende Übereinstimmung der Versammlung mit dem Gouvernement dem letzteren einen werthvollen Zusatz von Stärke geben werde“. Er notierte, dieser Ansicht könne „niemand beipflichten, der das Wesen ständischer Vereinigungen recht genau kennt. Selbst die Besseren derselben sind unberechenbar in ihren Richtungen. Die Eitelkeit einzelner der Mitglieder derselben, die Leidenschaftlichkeit, welche oft aus kaum beachteten Funken hervorbricht, das übermüthige Gefühl von Stärke durch Vereinigung und andere mehr oder minder wichtige Veranlassungen können Stimmungen hervorbringen, die jeder Leitung unzugänglich sind. Davon liefert die Geschichte unzählige Beispiele und sie sind in unseren Provinzialständen selbst zu finden.“279 Hatte Rochow sich bereits mit diesen Überlegungen weit von seiner ständischen Argumentation der 1820er Jahre entfernt, so verkehrte seine im selben Text von 1845 niedergeschriebene Begründung dafür, dass der König seine Souveränität nicht mit Reichsständen teilen dürfe, die früheren Argumente geradezu in ihr Gegenteil: „Und wem soll denn dieser Theil der Souverainitätsrechte, deren der Monarch sich auf solche –––––––––– 276

A. v. Rochow, Notizen zur Begründung eines ablehnenden Votums zur Berufung allgemeiner Reichsstände, 9.10.1845, in: GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 18, Bl. 117–122, hier Bl. 118. 277 Ders. an König Friedrich Wilhelm IV., 13.7.1845, in: ebd., Bl. 54 –56, hier Bl. 54. 278 Ders., Gedanken über Stände und Souveränität, [1845/46], in: ebd., Bl. 125 –130, hier Bl. 125. 279 Ebd., Bl. 125f.

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3. Elitenkompromiss

Art entäußern würde, verliehen werden? Einem kleinen privilegierten Teil der Nation – den größeren Grundbesitzern! Ich bin ein solcher – ich bin ein solcher – ich weise das Geschenk zurück; es kommt mir nicht zu; es würde ungerechtes Gut sein in meiner Hand, so wie in der Hand aller dieser, die durch die Theilnahme an der allgem[einen] Versammlung etwas davon erhielten. Alle die Millionen, die nur einen kleinen, die gar keinen Grundbesitz haben, die jetzt unter dem gerechten souverainen Schutz ihres mächtigen unumschränkten Königes ruhig und ungefährdet ihren Gewerben nachgehen, die auf seine Unparteiischkeit gänzlich vertrauen können; die sollen nun eine Versammlung, in der sie nicht im mindesten vertreten sind, zu Mitregenten bekommen. Alle diese Millionen können mit Recht protestieren. Hierauf muß ich behaupten, daß ein souverainer König nie eine Verpflichtung, ja, daß er sogar nie ein Recht haben kann, Einrichtungen in seinem Land zu treffen, welche geeignet sind, seine unumschränkte Gewalt zu untergraben. Solche Einrichtungen dürfen nie weitergehen als dahin, von den wahren Bedürfnissen aller Klassen des Volkes die möglichst genaue Kenntnis zu erhalten.“280 Auf dem Vereinigten Landtag 1847 trat von den Abgeordneten der brandenburgischniederlausitzischen Ritterschaft der Abgeordnete des Kreises Luckau, der Abteilungsdirektor im Innenministerium Otto von Manteuffel, am entschiedensten gegen konstitutionelle Forderungen auf und auch er verband dies mit einer Umkehrung der früheren ständischen Argumentation. Manteuffel behauptete in einer die liberalen Abgeordneten scharf angreifenden Rede, die Forderungen nach Periodizität und erweiterten Befugnissen für den Vereinigten Landtag würden sich zwar scheinbar nur gegen die Form der Staatsverwaltung richten, in Wahrheit aber die Person des Königs angreifen: „Man wird mir ferner einwenden, es handle sich nicht um die hohe Person des Königs, es handle sich hier um eine Vereinbarung mit dem Gouvernement, über welche hoch die königliche Person stehe. Ich weiß wohl, daß eine solche Stellung möglich ist, daß sie vielleicht von Vielen, deren Absichten ich durchaus nicht verdächtigen will, gewünscht wird. Ich habe gehört, dass vor wenigen Tagen die Existenz eines Premierministers als die Panacée gegen alle unsere Leiden geschildert worden ist; ich sehe von diesen Doctrinen ab; aber tatsächlich wahr ist es, dieser Zustand besteht heute bei uns nicht […] und eine Petition die wir hier beschließen, geht an Niemand anders, als an die Person des Königs.“281 Versuche, sich in die Staatsverwaltung einzumischen, wurden damit indirekt als Angriffe auf den König bezeichnet, eine Argumentation, die an diejenige von Hardenberg angesichts der Proteste gegen die Aufhebung der Landschaft 1820 erinnert. Zugleich deutete Otto von Manteuffel in dieser Rede an, dass die einzige Alternative zu einem Verzicht des Landtages auf Forderungen nach Periodizität und gesicherte Befug–––––––––– 280 281

Ebd., Bl. 127f. O. v. Manteuffel, Rede v. 31.5.1847, in: BLEICH (Hg.), Landtag, Teil 3, S. 1153f.

3.3. Adel, Großgrundbesitz und Staatsbürokratie um 1847

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nisse der vollständige Übergang zu einem konstitutionelles politischen System wäre, das er als liberale „Doktrin“ ablehnte – wenige Jahre später, nach der Revolution von 1848, trat er selbst in der Funktion eines Premierministers einem auf konstitutioneller Grundlage agierenden Parlament gegenüber. Am Ende der Beratungen des Vereinigten Landtages von 1847 wandte sich Manteuffel noch einmal zugleich gegen konstitutionelle und gegen ständische Argumente. Er verwahrte sich dagegen, dass die ständischen Versammlungen immer hingestellt würden „als diejenigen, welche allezeit das Rechte finden und thun“, und führte zur Widerlegung einer solchen Ansicht Ereignisse des 17. Jahrhunderts als Beispiele an. Er verwies dabei auch auf das seiner Meinung nach notwendige gewaltsame Vorgehen des Brandenburger Kurfürsten Friedrich Wilhelm gegen die Stände der Grafschaft Mark und gegen „verbrecherische Umtriebe Seitens einzelner Mitglieder der Landstände“ des Herzogtums Preußen.282 Die Ausführungen Manteuffels zielten neben der allgemeinen Stoßrichtung gegen ständisch-liberale Forderungen auch konkret gegen den Abgeordneten der Ritterschaft der Grafschaft Mark, Georg von Vincke, der einer der führenden Vertreter der liberalen Bewegung auf dem Landtag war, und gegen die liberalen Ritterschaftsabgeordneten der Provinz Preußen.283 Auch der Bruder Otto von Manteuffels, der Abgeordnete der Kreise Sorau und Guben Karl von Manteuffel, stellte auf dem Vereinigten Landtag eine Verbindung zwischen dem Vorgehen der Reformbürokratie gegen ständische Rechtsverwahrungen und der Ablehnung konstitutioneller Forderungen her. Er wies darauf hin, dass die Gesetze von 1815, 1820 und 1823, auf die sich die konstitutionellen Petitionsanträge beriefen, ebenso wenig mit früheren gesetzlichen Bestimmungen in Übereinstimmung gestanden hätten, wie die Regelungen, die für den Vereinigten Landtag erlassen worden waren, mit diesen. Er führte, unterbrochen vom „Murren“ eines Teils der Abgeordneten, weiter aus: „Ich frage, wo würden wir hinkommen, wollten wir von Zeitabschnitt zu Zeitabschnitt zurückgehen an dem Faden dieser angeblichen Rechte? Wir würden hinkommen in das Mittelalter und würden uns von den jetzigen zeitgemäßen Institutionen wesentlich entfernen.“284 Im Unterschied zu der von einem Teil adliger Gutsbesitzer um 1820 vertretenen Ablehnung einer Verfassung war die Ablehnung konstitutioneller Forderungen durch die Mehrheit der ritterschaftlichen Abgeordneten Brandenburgs und der Niederlausitz auf dem Vereinigten Landtag nicht mehr eindeutig gegen den Gestaltungsanspruch der –––––––––– 282

O. v. Manteuffel, Rede v. 23.6.1847, in: ebd., Teil 4, S. 2400 – 2402, hier S. 2402. Vgl. dazu WIPPERMANN, Manteuffel, S. 262, der allerdings diese Rede mit der vom 31.5.1847 gleichsetzt. 283 Zur Verbindung ständischer und liberaler Forderungen in der Provinz Preußen während der 1840er Jahre: NEUGEBAUER, Wandel, S. 388 – 485; OBENAUS, Gutsbesitzerliberalismus. 284 K. v. Manteuffel, Rede v. 1.6.1847, in: BLEICH (Hg.), Landtag, Teil 3, S. 1245f.

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3. Elitenkompromiss

Staatsbehörden gerichtet, sondern kann auch als Teil der Verteidigung bürokratischstaatlicher Herrschaftsformen verstanden werden. Den Hintergrund für die enge Anlehnung adliger Gutsbesitzer Brandenburgs und der Niederlausitz an die Staatsgewalt bildeten die abnehmende Bedeutung der verbliebenen gutsherrlichen und ständischen Verwaltungsbefugnisse, die wirtschaftliche Konsolidierung der größeren Rittergüter seit der zweiten Hälfte der 1820er Jahre sowie die gleichzeitig wachsende personelle Verflechtung von Rittergutsbesitzern und Staatsbürokratie. Die in der Reformzeit eingeleiteten Agrarreformen – die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse, die Ablösung der auf bäuerlichen Besitzungen haftenden Zahlungsverpflichtungen an die Gutsbesitzer sowie die Separation des bäuerlichen und gutsherrlichen Grundbesitzes – hatten bis zum Ende der 1840er Jahre in der Provinz Brandenburg zu einer fast vollständigen Trennung des Wirtschaftsbetriebes von Gütern und größeren bäuerlichen Besitzungen geführt.285 Damit nahmen sowohl die Durchsetzungsfähigkeit gutsherrlicher Eingriffe in die Verwaltung der Landgemeinden als auch das Interesse der Gutsherren an einer Einmischung in die Landgemeindeverwaltung ab. Gleichzeitig trat die Staatsverwaltung über die Steuerbehörden und Landräte in direkten Kontakt zu Schulzen und Landgemeinden, während diese über Abgeordnete an den Landwehrersatzkommissionen und an der kreisständischen Verwaltung direkt beteiligt waren. Die Patrimonialgerichtsbarkeit und die Polizeiverwaltung der Rittergutsbesitzer in den zu den Gütern gehörenden Dörfern sowie die Dominanz der Rittergutsbesitzer auf den Kreistagen blieben zwar bestehen, aber nicht weil die Mitwirkung der Rittergutsbesitzer an der Verwaltung benötigt wurde, sondern weil sie politisch gewollt war. Den gutsherrlichen Rechten und Befugnissen war politische Bedeutung zugewachsen, da sie die Entwicklung neuer Formen lokaler Selbstverwaltung bremsten und so die Herausbildung neuer lokaler Eliten, die wirksam Partizipationsrechte einfordern konnten, behinderten.286 Während dieser politische Bedeutungsgewinn den administrativen Bedeutungsverlust zunehmend aufwog, verringerten sich mit der wirtschaftlichen Stabilisierung der großen Güter seit Ende der 1820er Jahre auch die Konflikte zwischen Rittergutsbesitzern und Staatsverwaltung um die von dieser beibehaltenen wirtschaftspolitischen Grundsätze von Freihandel, Gewerbefreiheit und Niederlassungsfreiheit, die die Debatten auf den ersten Provinziallandtagen geprägt hatten. Die Agrarreformgesetzgebung und die Absatzkrise agrarischer Produkte im zweiten und dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts hatten, anders als etwa in Ostpreußen, den adligen Besitzstand an Rittergütern letztlich konsolidiert. Vor allem die kleineren, ertragsschwachen Güter waren an –––––––––– 285 286

HARNISCH, Agrarreform, S. 136 –147, zur Kurmark besonders S. 140f. Zur Destabilisierung der ländlichen Herrschaftsverhältnisse und den Grenzen der lokalen Selbstverwaltung: WAGNER, Bauern, S. 111–200; KOSELLECK, Preußen, S. 540 –558.

3.3. Adel, Großgrundbesitz und Staatsbürokratie um 1847

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nichtadlige Erwerber übergegangen, während die großen Besitzungen und Güterkomplexe – zunehmend mit Forstwirtschaft verbunden – zum größten Teil im Besitz altangesessener Adelsfamilien blieben. In ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohte adlige Kleinstbesitzer gab es in Brandenburg Mitte des 19. Jahrhunderts kaum noch.287 Mit der wirtschaftlichen Konsolidierung der Ritter- und der größeren Bauerngüter verringerte sich auch die Aggressivität in den Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern der Ritterschaft und der Landgemeinden. Die Annäherung von adligen Gutsbesitzern und Staatsverwaltung schlug sich nicht zuletzt in einer wachsenden Zahl von ritterschaftlichen Abgeordneten nieder, die im Staatsdienst standen. Von den 31 ritterschaftlichen Abgeordneten des ersten Provinziallandtages 1824 war nur einer ein aktiver höherer Staatsbeamter, Carl Friedrich von Goldbeck, allerdings als Präsident der Berliner Generalkommission in einer Sonderstellung. Zwei der Abgeordneten waren in der Reformzeit aus dem höheren Staatsdienst ausgeschieden. Von den vier Landräten, die zu Abgeordneten gewählt worden waren, hatten zwei dieses Amt bereits vor 1806 angetreten. Mit der Regionalverwaltung, den Regierungen, gab es 1824 überhaupt keine personellen Verflechtungen. Von den 31 Vertretern der brandenburgisch-niederlausitzischen Ritterschaft auf dem Vereinigten Landtag 1847 standen zehn im Staatsdienst, darunter der Oberpräsident Meding, der Oberregierungsrat und Direktor im Innenministerium Otto von Manteuffel, drei Regierungsräte, ein Wirklicher Geheimer Rat, drei Landräte sowie ein Kreisjustizrat.288 Für den Einfluss, den das Verhältnis zwischen Rittergutsbesitzern und Staatsverwaltung auf das Stimmverhalten der ritterschaftlichen Abgeordneten ausübte, ist es bezeichnend, dass Julius Mandel, der einzige ritterschaftliche Abgeordnete Brandenburgs und der Niederlausitz, der 1847 entschieden liberal stimmte, den Kreis Züllichau-Schwiebus vertrat, in dem nicht nur ein Großteil der Rittergutsbesitzer nichtadliger Herkunft war, sondern dessen Kreisritterschaft auch seit 1835 mit der Frankfurter Regierung im Konflikt um die ständischen Befugnisse bei der Besetzung des Landratsamtes stand.289 Die politische Anlehnung einer Mehrheit adliger Gutsbesitzer der Provinz Brandenburg an den bürokratischen Staat führte bei Ausbruch der Revolution im März 1848 zwar zunächst in die politische Defensive, stellte nach Einsetzen der Reaktion im Herbst 1848 aber langfristig die Zuschreibung politischer Bedeutung sicher. Bereits im Dezember 1845 hatte Fürst Otto zu Lynar mit Blick auf eine ungewisse politische –––––––––– 287

Zur wirtschaftlichen Lage der Rittergüter: SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 238 – 240 und S. 504f. Zu den vergleichsweise dramatischen Besitzverschiebungen in der Provinz Preußen: KOSELLECK, Preußen, S. 511f.; STEIN, Umwandlung, Bd. 3, S. 106 –146; WACHOWIAK, Lage. 288 Vgl. Tabelle 5 im Anhang. Vgl. auch: BECK, Provinzialstände, S. 61–75. 289 Zum Konflikt um das entgegen dem Willen der Kreisritterschaft mit einem bürgerlichen Stadtrichter besetzte Landratsamt: EIFERT, Paternalismus, S. 113f. und S. 144f.

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3. Elitenkompromiss

Zukunft an Graf Friedrich zu Solms-Baruth geschrieben: „Unter solchen Conjunkturen u[nd] Aussichten ist es gewiß sehr weise von dir, th[eurer] Freund, daß du deinen l[ieben] Sohn Fritz sich recht wissenschaftlich und praktisch ausbilden lässt. Uns[eren] Kindern gehört eine bedeutungsvolle Zukunft und unter allen Verhältnissen werden sich materieller Einfluss u[nd] geistige Überlegenheit immer geltend zu machen wissen.“290

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Lynar an Solms, 5.12.45, BLHA, Rep. 37, Herrschaft Baruth, B 2.1., Nr. 67, unpag.

Zusammenfassung

Die Untersuchung des Verhältnisses adliger Gutsbesitzer Brandenburgs zur preußischen Staatsgewalt hat gezeigt, dass die Adelsgeschichte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht allein als eine Kontinuitätsgeschichte adligen Bemühens um „Obenbleiben“ zu verstehen ist. Vielmehr wurde die Kontinuität adliger Elitenstellung in Auseinandersetzung mit dem politischen Wandel neu konstruiert. Die historische Legitimationserzählung der Staatsgewalt bot den Rahmen für eine veränderte historische Legitimation des Anspruches adliger Gutsbesitzer auf eine herausgehobene gesellschaftliche Stellung. Der Anspruch auf besondere politische Bedeutung wurde zunehmend durch Verweis auf angeblich in adligen Familien weitergegebene Traditionen begründet, die des Dienstes an Staat und Gesellschaft sowie die des Einsatzes für eine autoritäre staatliche Ordnung. Der Gutsbesitz wurde, während er seine Bedeutung als eigenständige und notwendige Verwaltungseinheit verlor, zum symbolischen Ort der adligen Tradition. Die Auseinandersetzung adliger Gutsbesitzer mit dem Bemühen der Staatsverwaltung um rationale Ordnung der Gesellschaft endete mit ihrer erfolgreichen Beanspruchung von Teilhabe an dieser. Die politischen Positionen Adolph von Rochows können als paradigmatisch für den Rollenwechsel adliger Gutsbesitzer von einer auf eigenständige Verwaltung gestützten unabhängigen Kraft in der Monarchie zu Unterstützern von deren bürokratischen Herrschaftsformen angesehen werden. Gehörte er um 1820 zu denjenigen adligen Gutsbesitzern der Mark Brandenburg, die entschieden für eine von der Staatsverwaltung unabhängige Herrschaftsbeteiligung der adligen Gutsbesitzer eingetreten waren, entwickelte er sich im Vormärz zu einem energischen Verteidiger bürokratischer Herrschaft. Bereits in der Debatte um veränderte Nobilitierungsrichtlinien 1841 trennte er zwischen der politischen Bedeutung von Rittergutsbesitzern und Adligen, wobei er nur den letzteren symbolische Bedeutung aufgrund der von ihnen repräsentierten Traditionen von Dienst für die Monarchie und politisch konservativer Gesinnung zuschrieb. 1861 veröffentlichte er unter Rückgriff auf Vorarbeiten seines 1847 verstorbenen Bruders Gustav von Rochow „Nachrichten zur Geschichte des Geschlechts derer von

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Zusammenfassung

Rochow und ihrer Besitzungen“1 und begründete dies mit dem Verweis auf die Bedeutung geschichtlicher Überlieferung für das Selbstverständnis adliger Familien: „Der einzelne Mensch […] erhält seine Bedeutung nur durch die Aufgabe, welche ihm von Gott für die Zeit seines Erdenlebens gestellt ist, und durch den Zusammenhang, in dem er sich mit Vorfahren, Zeitgenossen und Nachkommen befindet. Um sich jener Aufgabe bewusst zu werden und diesen Zusammenhang kennenzulernen, wird es dem Mitglied eines edlen Geschlechts nicht undienlich sein, sich in der Geschichte desselben umzuschauen. Ist dies Geschlecht nicht bloß ein altes, sondern auch ein wahrhaft edles, so wird er darin Vorbilder für sein Leben finden; dann wird die Frage an ihn herantreten: ob er auch ein solches Vorbild für künftige Zeiten werden, oder ob er zu den Vielen gehören wolle, von denen wenig anderes zu sagen war, als dass sie geboren worden, gelebt haben und gestorben sind? Weit entfernt daher, daß Adelsnachrichten eine Quelle des Hochmuths sein könnten, müssen sie, richtig aufgefasst, zur Demuth führen und dazu treiben, mehr als das Gewöhnliche zu leisten. / So ist es aber mit dem Begriff des Adels überhaupt. In der jetzigen Zeit, wo er, mit Ausnahme einiger Hof-Begünstigungen ohne realen Werth, keine Art von Privilegien besitzt, ist seine Stellung nur eine poetische. Diese schlage ich allerdings hoch an.“2 Rochow greift damit auf die Jahrhunderte alte Legitimation einer Sonderstellung des Adels als geschichtlicher Träger von Tugend zurück und bedient sich ihrer romantischen Ausformung, die vor allem Adam Heinrich Müller vertreten hat.3 Die von Rochow beschworene „Generationenkette“ weist auf ein Verständnis von Adel als Traditions- und Werteelite hin, wie es Stephan Malinowski als „adligen Habitus“ und „Adligkeit“ für das ausgehende 19. Jahrhundert beschreibt.4 Die Kontinuität und Exklusivität des eigenen Adelsgeschlechts wird betont durch die Konzentration der „Nachrichten“ auf die Namensträger und die langen Aufzählungen adliger Vorfahren ihrer Ehefrauen. Die Rochow persönlich gut bekannte Ehefrau des Landrates Rochus –––––––––– 1

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Zu den Vorarbeiten Gustav von Rochows vgl. A. v. ROCHOW, Nachrichten, S. 192 und Nl. Rochow, A I, Nr. 9. A. v. ROCHOW, Nachrichten, S. IV–V. Adolf von Rochow beendete 1848 seine politische Tätigkeit, da sich, wie er 1861 notierte, „der zweite vereinigte Landtag durch den Beschluß, aus Urwahlen eine anderweite Repräsentation hervorgehen zu lassen, selbst das Zeugniß der Unfähigkeit ausgestellt hatte“. Auch in der Zeit der Reaktionspolitik nach 1849 nahm er kein Mandat mehr für die 1851 wiedererrichteten ständischen Versammlungen an, beteiligte sich nicht an den Beratungen im Staatsrat und verzichtete auch auf den ihm vom König persönlich gewährten lebenslänglichen Sitz im 1854 eingerichteten Herrenhaus: ebd., S. 177f. Vgl. A. H. MÜLLER, Elemente, besonders Bd. 1, 9. Vorlesung, S. 172–191. Zur Begriffsgeschichte von „Adel“: CONZE/MEIER, Adel, S. 15 –18 und S. 33f. Zum Adelsbegriff der Romantik: STROBEL, „Adel“. MALINOWSKI, König, S. 47–117, zur „Kette” der Generationen ebd., S. 49 –52.

Zusammenfassung

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von Rochow Maria Elisabeth, die nicht adliger Herkunft war, wurde hingegen gar nicht erwähnt.5 Auch die von Rochow aufgrund ihrer Vorbildfunktion für überlieferungswürdig erachteten „Nachrichten“ zu den einzelnen Familienmitgliedern, die militärischen und zivilen Karrieren, die höfischen Kontakte und die engen Bindungen an den ererbten Grundbesitz bedienen das adlige Rollenverständnis der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Militär-, Beamten-, Hof- und Landadel. Über die „vorbildhafte“ politische Ausrichtung gibt die Bemerkung Rochows über seinen Sohn Wilhelm Rochus Auskunft, der in österreichischen Diensten 1848/49 in Ungarn gekämpft hatte: „Er hat den Ruhm, daß es ihm vor allen Mitgliedern seines Geschlechts vergönnt war, in einer verhängnisvollen Zeit mit kühnem Muth und starkem Arm für Recht und Ordnung gegen Revolution und den Verrath zu kämpfen.“6 Die Tatsache, dass Rochow allerdings besonders hervorhebt, wenn es einem Familienmitglied gelang, verschiedene gesellschaftliche Rollen zu verbinden, verweist auf seinen Anspruch, der eigenen Familie eine aristokratische Stellung zuzusprechen, die sich nicht auf die im 19. Jahrhundert verfestigten Adelsrollen beschränken ließ. Zu Gustav von Rochow notierte er: „Es fand sich in ihm eine seltene Vereinigung schätzbarer Eigenschaften: im Felde war er ein tapferer Soldat, am Hofe ein liebenswürdiger Gesellschafter, im Staatsdienste ein talentvoller thätiger Beamter, auf dem Lande ein brandenburgischer Junker im besten Sinne des Worts […].“7 Von sich selbst berichtet Rochow, dass ihn vor allem die Liebe zum Latein nach 1815 an die Universität geführt habe. In seinen Bemühungen um verbesserte Ausstattung der lokalen Schulstiftung sah er sich Eberhard von Rochow verpflichtet, auch wenn er dessen Bildungsideal einer Volksaufklärung kritisch gegenüberstand, da es die Neigung zum „Raissonement“ zu sehr gefördert habe. Dennoch lobte er das „Richtige“ in dessen „Prinzipien“.8 Sein eigenes Engagement richtete sich sowohl im Rahmen des Johanniterordens wie durch private Stiftungen auf die Krankenpflege, wobei er seiner unverheirateten Tochter Anna zugleich die Möglichkeit zu Berufstätigkeit in leitender Stellung ermöglichte. Die Bedeutung, die Adolph von Rochow wissenschaftlicher Bildung – wenn auch nicht im selben Maße wie militärischer Auszeichnung – zuschrieb, und sein Einsatz für dauerhaftes karitatives Engagement in Form der Gründung wohltätiger Stiftungen zeigen, dass sein Selbst- und Weltbild nicht dem der von Malinowski als „Kleinadel“ und –––––––––– 5 6 7

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A. v. ROCHOW, Nachrichten, S. 167f. Vgl. dagegen STRAUBEL, Handbuch, S. 813. Ebd., S. 202f. Ebd., S. 192. Zur sich erst im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts durchsetzenden Festlegung des Adels auf funktionale Rollen: FRIE, Marwitz – Biographien, S. 339f.; DERS., Lebensweise. Zur Verbindung von höfischer Geselligkeit und Ausübung militärischer Führungspositionen noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: FUNCK, Höfling. A. v. ROCHOW, Nachrichten, S. 151 und S. 177f.

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Zusammenfassung

„Adelsproletariat“ beschriebenen Adelsgruppen entsprach, sondern am ehesten dem der „Grandseigneurs“ zuzurechnen ist.9 Dennoch bezog sich die von Rochow herausgehobene Bedeutung von Familiengeschichte und Verpflichtung gegenüber den Vorfahren letztlich auf den Adel insgesamt, unabhängig vom Besitzstand des einzelnen Adligen, und bot damit eine argumentative Basis für eine inneradlige Solidarität. Allerdings verwies Adolph von Rochow, als er die „poetische“ Stellung des Adels hervorhob, zugleich auf die Zeitumstände, in denen der Adel im Wesentlichen „ohne realen Wert“ sei.10 Damit deutete er an, dass seine Hochschätzung der „poetischen Stellung“ erst angesichts der politischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte entstanden war. Ein Blick auf die von ihm im zweiten und dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts vertretenen politischen Positionen unterstreicht, dass erst ab den 1830er Jahren die Hervorhebung adliger Familientraditionen in das Zentrum seiner politischen Argumentation rückte. Noch in den 1820er Jahren hatte er zu denjenigen adligen Gutsbesitzern gehört, die sich intensiv für den Erhalt des „realen Werts“ von Adel durch dessen Verbindung mit Gutsbesitz und den daran haftenden Verwaltungsbefugnissen einsetzten. Die Berufung auf adlige Herkunft und eine daraus resultierende adlige Standessolidarität über den Kreis der Gutsbesitzer hinaus spielte als Argument in den Auseinandersetzungen mit der Staatsbürokratie zwischen 1815 und 1830 kaum eine Rolle, schon da deren Vertreter häufig selbst adlig und im übrigen oft auch Gutsbesitzer waren. Die Veränderungen der Legitimation des eigenen Anspruches auf gesellschaftliche Bedeutung, die sich in den Äußerungen Adolph von Rochows zwischen 1819 und 1861 zeigt, kann als paradigmatisch für den Rollenwechsel angesehen werden, den politische Akteure, die im Namen adliger Gutsbesitzer Brandenburgs auftraten, in den Auseinandersetzungen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollzogen. Die „poetische Stellung“ des Adels gewann gegenüber dem „realen Wert“ adligen Gutsbesitzes an Gewicht. Denn der Gutsbesitz behielt zwar seine ökonomische Bedeutung auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aber die mit ihm verbundene administrative Bedeutung ging bis zur Jahrhundertmitte weitgehend verloren. Die sich in der Mark Brandenburg während der Reformzeit als Vertreter des ständischen Adels intensiv an der Verfassungsdebatte beteiligenden Akteure waren weder wirtschaftlich in ihrer Existenz bedroht, noch traten sie im Namen verarmter und vom wirtschaftlichen Wandel überforderter Standesgenossen auf. Die adligen Gutsbesitzer, die im Frühjahr 1820 zum gemeinschaftlichen Protest gegen die Landschaftsaufhebung zusammenkamen, waren zum größten Teil erfolgreiche Landwirte, die die Chancen der Agrar- und Gewerbereformen zu nutzen verstanden. Als Ludwig von der Marwitz –––––––––– 9

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Zur idealtypischen Unterscheidung von sozial-kulturellen Gruppen im Adel der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: MALINOWSKI, König, S. 36f. A. v. ROCHOW, Nachrichten, S. V.

Zusammenfassung

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gegenüber Gustav von Rochow die Verschuldung und Verarmung eines großen Teils des alten Adels als politisches Argument benutzen wollte, ließ sich dieser nicht darauf ein und merkte an, nicht überall sehe es „so launig aus wie zwischen Spree und Oder.“ Ohne Sorge um die Auswirkung verarmter Adliger auf das Erscheinungsbild des Adels insgesamt konstatierte er drastisch: „Die Edelleute, welche ohne väterliches Erbe sind, die holt entweder der Teufel oder sie können wenigstens ihren Nachkommen durch Ankauf die Vortheile ihrer Standesgenossen verschaffen.“11 Die wirtschaftliche Situation gerade der auf ihren Gütern altangesessenen Adelsgeschlechter war abgesehen von den Jahren um 1825 nicht besonders kritisch – René Schiller konstatiert, dass es einem Kern von ungefähr 200 altadligen Familien in der Provinz Brandenburg während des gesamten 19. Jahrhunderts gelungen sei, ihren Besitzstand zu wahren und zum Teil auszubauen.12 Grundsätzliche Differenzen über die Wirtschaftspolitik bildeten zwischen 1815 und 1821 nicht die Grundlage des Konfliktes zwischen den ständisch und den staatsbürokratisch argumentierenden politischen Akteuren. Auch hinsichtlich ihrer Ausbildungsund Karrierewege unterschieden sich die als brandenburgische Ständepolitiker auftretenden Adligen nicht wesentlich von den Vertretern der Staatsbürokratie. Zu einem großen Teil hatten sie studiert und konnten häufig entweder auf eine frühere Tätigkeit im höheren Justiz und Verwaltungsdienst zurückblicken oder planten eine solche für die Zukunft. Um 1820 hatte allerdings keiner der ständisch argumentierenden Akteure eine einflussreiche Position in der Staatsverwaltung inne und dies führt in den Kern der Auseinandersetzungen während der ausgehenden Reformzeit: Sie waren geprägt vom Ringen adliger Gutsbesitzer um Bedeutung unabhängig von ihrer persönlichen Position im Staatsdienst. Die adligen Gutsbesitzer Brandenburgs, die sich mit Petitionen an der Verfassungsdebatte der Reformzeit beteiligten, traten immer als Vertreter der Stände und damit der Gutsbesitzer auf. Nur diese waren gemeint, wenn von der politischen Bedeutung des Adels die Rede war. Bis in die Reformzeit der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts waren adlige Gutsbesitzer bei der Gesetzgebung, sofern diese auf dem Lande umgesetzt werden sollte, nicht zu umgehen, da eine Landesverwaltung ohne ihre Mitwirkung nicht durchsetzbar war. Die Verwaltungsreformen, die in der Mark Brandenburg ab 1809 einsetzten, zielten auf einen unmittelbaren staatlichen Zugriff auf die ländliche Bevölkerung, der die Verwaltungsaufgaben der Gutsbesitzer überflüssig machen sollte. Nur auf die gesetzlichen Grundlagen der staatlichen Verwaltung sollte den Gutsbesitzern im Rahmen einer Repräsentation noch Einfluss gewährt werden, nicht auf die Verwaltung selbst. Die Planungen sahen dabei aber eine Zusammensetzung der Repräsentation und eine Begrenzung von deren Befugnissen vor, die sicherstellte, dass der gutsbesitzende –––––––––– 11 12

G. v. Rochow an Marwitz, 8.11.1821, Entwurf in: Nl. Rochow, A III, Nr. 9, Bl. 73 –75. SCHILLER, Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, S. 504f.

282

Zusammenfassung

Adel keine politische Entscheidungsfindung gegen die Staatsverwaltung durchsetzen konnte. Adligen Gutsbesitzern drohte damit der weitgehende Verlust ihrer administrativen Bedeutung, während gleichzeitig die Bedeutung, die ihnen im Rahmen der Legislative in Aussicht gestellt wurde, angesichts des Umgangs der Staatsverwaltung mit Repräsentationsinstitutionen absehbar begrenzt zu bleiben schien. Der Personalwechsel in der Staatsverwaltung seit 1807, der zu einem weitgehenden Ausscheiden der eng mit den ständischen Verwaltungsinstitutionen verbundenen adligen Gutsbesitzer aus dem Staatsdienst führte, machte durch den Mangel an persönlichen Ansprechpartnern den Bedeutungsverlust auch individuell spürbar. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die Verfassungsdebatte zu einer Arena, in der Staatsbeamte im Namen staatlich-rationaler Ordnung und sich ständisch legitimierende adlige Gutsbesitzer im Namen überlieferter Verhältnisse um die ihnen zuzuschreibende Bedeutung für die Landesverwaltung rangen. Bildeten die gutsherrlichen und ständischen Verwaltungsbefugnisse aus Sicht der Staatsverwaltung vor allem „Hemmräder der Staatsmaschine“, so traten die ständepolitischen Akteure als Verteidiger der „Praxis“ gegenüber der „Theorie“ auf. Sowohl Staatsbeamte wie Ständepolitiker griffen dabei bis 1819 vor allem auf konstitutionelle Argumente zurück. Die Befürworter rein staatlicher Verwaltung argumentierten konstitutionell, um die Bedeutung ständischer Institutionen auf die Partizipation an der Gesetzgebung einzuengen. Die Verteidiger gutsherrlicher und ständischer Verwaltungsbefugnisse versuchten hingegen unter Verweis auf konstitutionelle Rechte, Eingriffe der Staatsverwaltung in die ländliche Verwaltung abzuwehren. Konnte den Vertretern der Staatsverwaltung in dieser Hinsicht an weitreichenden Kompetenzen einer Repräsentation wenig gelegen sein, bevor der staatliche Zugriff auf die gesamte Bevölkerung sichergestellt war, so bildeten die von ständepolitischen Akteuren erhobenen Forderungen nach Repräsentation vor allem einen Versuch, sich selbst dem Zugriff der Staatsgewalt zu entziehen. Die Diskussionen um die Provinzialkriegsschulden zeigen deutlich, dass zumindest die kurmärkischen Adligen wenig Bereitschaft zeigten, im Rahmen von Repräsentationsinstitutionen Verantwortung für den Staat zu übernehmen. Am Ende des zweiten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts veränderten sich die Argumentationslinien in der Verfassungsdebatte. Die Aufrechterhaltung politischer Stabilität wurde angesichts der befürchteten „revolutionären Umtriebe“ zu einem entscheidenden Argument, von dem zunächst die Spitzen der Staatsverwaltung zur Legitimation von Repressionsmaßnahmen gegen die Presse, die Turnbewegung und studentische Verbindungen Gebrauch machten. Vor allem eine neue Generation ständepolitischer Akteure griff das veränderte Diskussionsumfeld auf und versuchte, gegen die Bedenken mehrerer erfahrener Ständepolitiker die Forderung nach weitgehender Wiederherstellung der gutsherrlichen und ständischen Verwaltungsbefugnisse durch den Verweis auf ihren Beitrag zur politischen Stabilität zu legitimieren. Der Vorstoß scheiterte und im Frühjahr 1820 sahen sich die gegen die Auflösung der letzten ständischen Institution der Kur- und Neumark protestierenden ständepolitischen Akteure erneut gezwungen, auf

Zusammenfassung

283

konstitutionelle Argumente zurückzugreifen. In einem politischen Umfeld, in dem Partizipationsforderungen generell als Umsturzversuche verdächtigt wurden, hatten sie aber gerade damit keine Erfolgsaussichten. In der ersten Jahreshälfte 1820 hatte sich die Staatsverwaltung durch Regulierung der Staatsschulden und Durchsetzung neuer Steuern stabilisiert. Der Versuch, mit Kommunal- und Kreisordnungen eine staatlich vorgegebene, grundlegende Neuordnung der Herrschaftsverhältnisse durchzusetzen, scheiterte hingegen 1821 nicht zuletzt an der Befürchtung innerhalb der Staatsverwaltung selbst, durch eine Neuregelung der Lokalverwaltung würden Selbstverwaltungseliten entstehen, die entschiedener als die adligen Gutsbesitzer Ansprüche auf politische Partizipation stellen könnten. Erst unter diesen Bedingungen – einer gestärkten staatlichen Zentralverwaltung und der Sorge, Neuregelungen könnten die politischen Verhältnisse destabilisieren – erhielten die noch bestehenden Befugnisse der Gutsherren die politische Bedeutung, die ihnen einige ständepolitische Akteure seit 1819 zuzuschreiben versuchten. Mit der vorläufigen Zurückstellung der Kommunalordnungspläne 1821, der Einführung von Provinziallandtagen 1823 und den nachfolgenden Bestimmungen zur Kreisordnung wurde den Rittergutsbesitzern garantiert, dass ihnen weiterhin eine herausgehobene Stellung in den regionalen und lokalen Herrschaftsverhältnissen zukommen werde. Die Bestimmungen, welche Landgüter zu den Rittergütern zählten, bewirkten, dass in weiten Teilen der Mark Brandenburg eine Mehrheit der zum Stand der Ritterschaft zählenden Gutsbesitzer adlig war. Die geringen Befugnisse der neuen ständischen Institutionen sowie die fiskalischen und administrativen Zugriffsmöglichkeiten der Staatsverwaltung auf die Landbevölkerung, die durch die fortbestehenden gutsherrlichen Befugnisse zwar begrenzt, aber nicht verhindert wurden, stellten gleichzeitig aber sicher, dass die administrative Bedeutung adliger Gutsbesitzer und der sich aus dieser ergebende Gestaltungsspielraum eng begrenzt blieben. Zudem galten die Pläne zum Ausbau des Zugriffs der Staatsbehörden auf die ländliche Bevölkerung bis zum Anfang der 1830er Jahre nur als aufgeschoben. Die Versuche von gewählten Vertretern der Rittergutsbesitzer während der Absatzkrise landwirtschaftlicher Produkte in den 1820er Jahren die neuen provinzialständischen Versammlungen zur Einflussnahme auf die Wirtschaftspolitik und zum Ausbau ihrer Verwaltungsbefugnisse zu nutzen, führten zunächst zu neuen Konflikten mit der Staatsverwaltung und verdeutlichten die Spannungen zwischen Gutsbesitzern und Landgemeinden. An den grundsätzlichen Bedingungen bürokratischer Herrschaftsform bei möglichster „Schonung“ der Rittergutsbesitzer änderte sich bis zur Revolution von 1848 allerdings wenig. Vielmehr stießen diese Verhältnisse nach 1830 im Zeichen einer verbesserten wirtschaftlichen Situation des großen Grundbesitzes zunehmend auf Akzeptanz bei den Abgeordneten der Rittergutsbesitzer, zumal die Pläne zu neuen gesetzlichen Eingriffen der Staatsverwaltung in die ländlichen Verwaltungsverhältnisse nun aufgegeben wurden und eine neue personelle Verflechtung zwischen Rittergutsbesitzern und der staatlichen Verwaltung entstand. In der Verfassungsdebatte der 1840er

284

Zusammenfassung

Jahre trat die Mehrheit der gewählten Vertreter des Rittergutsbesitzes nicht mehr als Konkurrent der Staatsverwaltung um politische Bedeutung auf, sondern versuchte diese bei der Abwehr von liberalen Forderungen nach Einschränkung bürokratischer Gestaltungshoheit zu unterstützen. Mit dem Besitz der bevorrechtigten Rittergüter verbunden blieben formal zwar bis 1848 die Verwaltung der Gerichtsbarkeit und mit einer kurzen Unterbrechung nach der Revolution bis 1872 die Verwaltung der Polizei in den zu den Gütern zählenden Landgemeinden sowie ein besonderer Einfluss auf die Kreis- und Provinzialverwaltung. Die Zunahme gesetzlicher Reglungen und bürokratischer Kontrolle verringerte allerdings mehr und mehr den Verhaltensspielraum der Gutsbesitzer und beschränkte ihn weitgehend darauf, sich Anordnungen und Kontrollen zu entziehen.13 Zugespitzt lässt sich formulieren, dass sich in den Staatsbehörden und der Öffentlichkeit die Überzeugung vertiefte, die Verwaltung funktioniere weniger auf Basis gutsherrlicher Befugnisse, sondern trotz deren Existenz. Als ein überzeugendes Argument für die besondere gesellschaftliche Bedeutung der adligen Gutsbesitzer konnte ihre Rolle für die Landesverwaltung damit kaum mehr dienen. Die sich während der Revolution formierende konservative Partei sicherte sich Bedeutung vor allem als Gegenkraft zum politischen Liberalismus und fand Unterstützung eines Großteils adliger Gutsbesitzer im Wesentlichen aufgrund der Vertretung von deren konkreten materiellen Forderungen. Die besonders durch Ludwig von Gerlach geforderte, programmatische Ausrichtung auf die Stärkung und den Ausbau ständischer Selbstverwaltung fand selbst innerhalb der Partei wenig Unterstützung. Eine breite Mehrheit der adligen Gutsbesitzer befürwortete im Kern die bürokratische Regierungsform.14 Ständische Forderungen wurden vor allem zur Durchsetzung materieller Interessen aufgegriffen und um den Anspruch adliger Gutsbesitzer auf die politische Bedeutung zu unterstreichen, die ihnen als Gegenpol zu den auf politischen Einfluss drängenden neuen liberalen Eliten vonseiten der staatlichen Bürokratie zugeschrieben wurde.15 Nicht zuletzt auf diese Zuschreibung kann zurückgeführt werden, dass die gutsherrlichen Befugnisse nach 1850 teilweise wieder in Kraft gesetzt wurden. Im Staatsministerium ließen sich die Forderungen nach ständischen Strukturen erfolgreich durchsetzen, da angesichts der politisch noch instabilen Situation Kompromisse mit konservativen Kreisen zur raschen Stabilisierung bürokratischer Herrschaft einfacher umzusetzen –––––––––– 13

14 15

KOSELLECK, Preußen, S. 507–557; WIENFORT, Patrimonialgerichte, S. 118 –134, S. 164 –183 und S. 355 –361; WAGNER, Bauern, S. 158 –204. KRAUS, Gerlach, Bd. 2, S. 684–699. Dagegen stärker von einem eigenständigen Einfluss des Adels auf die staatliche Politik ausgehend: SPENKUCH, Herrenhaus; DERS., „Pairs“; FISCHER, Konservatismus.

Zusammenfassung

285

erschienen als Entwürfe einer grundlegenden Neuordnung der ländlichen Verwaltungsverhältnisse.16 Mit den Bemühungen der Staatsverwaltung, unter den neuen konstitutionellen Bedingungen unabhängig von der Einflussnahme der liberalen Bewegung zu agieren, stand auch in Zusammenhang, dass es der konservativen Gruppierung um Ludwig von Gerlach gelang, gegen den Willen des Königs einem Teil der Güter besitzenden Adligen durch Sitze im Herrenhaus einen besonderen, unmittelbaren Einfluss auf die Gestaltung der allgemeinen Gesetzgebung zu sichern. Denn es war staatliche Wahlbeeinflussung, die zur Ausschaltung der liberalen Opposition und für eine Zusammensetzung des preußischen Abgeordnetenhauses gesorgt hatte, in der konservative Kräfte klar dominierten. Zudem agierten die konservativen Fraktionsführer während der Auseinandersetzungen um die Umwandlung der ersten Kammer zum Herrenhaus und um die Einführung neuer Steuern selbst gestützt auf die konstitutionellen Institutionen und akzeptierten damit faktisch den Rahmen konstitutioneller staatlicher Ordnung.17 Über den Politikwechsel am Ende der 1850er Jahre hinaus erhalten blieben die gutsherrlichen Verwaltungsbefugnisse in den Landgemeinden und die nach 1820 geschaffenen und zu Beginn der 1850er Jahre wieder in Kraft gesetzten provinzial- und kreisständischen Verwaltungen, vor allem weil das Ministerium im Verfassungskonflikt nach 1862 auf die Stimmen konservativer Adliger im Herrenhaus angewiesen war. Erst nach 1871 entfielen diese Rücksichten und eine staatliche Neuordnung der Lokalverwaltung auf dem Land sowie der regionalen Selbstverwaltung wurde durchgesetzt.18 Die Veränderung der Herrschaftsverhältnisse in Mark und Provinz Brandenburg lässt sich in ihren Grundzügen folglich mit Max Weber idealtypisch als Übergang beschreiben von „ständischer Herrschaft“ in einem politischen Verband, gekennzeichnet durch die Verbindung von Herrschaftsrechten, politischen Ämtern und Besitz, hin zu bürokratischer Herrschaft in einem Staat, gekennzeichnet durch die monopolisierte Ausübung von Herrschaft durch einen professionellen, sich selbst ergänzenden und auf Rationalität berufenden Verwaltungsstab.19 Im Zentrum der vorliegenden Untersuchung standen allerdings die von Weber aufgrund seiner Konzentration auf das Befehl-GehorsamVerhältnis nicht berücksichtigten, weniger eindeutig klassifizierbaren Formen der Machtausübung aufgrund von Einfluss und Bedeutung.20 Die Auswirkung der sich verändernden Herrschaftsverhältnisse auf die gesellschaftliche Stellung adliger Gutsbesitzer lässt sich in Anlehnung an Reinhart Koselleck als Übergang von einer Positition als Teil der Herrschaft tragenden Stände in einem ständi–––––––––– 16 17 18 19 20

NOLTE, Repräsentation, S. 84 – 92; GRÜNTHAL, Parlamentarismus, S. 182–188. GRÜNTHAL, Parlamentarismus, S. 295 – 315 und S. 451 – 470. WAGNER, Bauern, S. 303 –328. WEBER, Wirtschaft, S. 29f., S. 625 – 653 (besonders S. 636f.) und S. 815 – 837 (besonders S. 824). Ebd., S. 541–544.

286

Zusammenfassung

schen politischen Verband zu einer Position als Teil der politisch dominierenden Klassen in einer staatlichen Ordnung beschreiben. Die Verzögerung der endgültigen staatlichen Neuordnung der Verwaltungsverhältnisse auf dem Lande infolge des sich in den 1820er Jahren abzeichnenden Elitenkompromisses zwischen staatlicher Bürokratie und adligen Gutsbesitzern erleichterte letzteren dabei die Anpassung an die neuen professionellen Anforderungen in Landwirtschaft und Verwaltung.21 Dies allein erklärt allerdings nicht die politische Bedeutung, die adligen Gutsbesitzern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zugesprochen wurde und ihnen vielfältige Möglichkeiten der politischen Einflussnahme eröffnete. Vielmehr gelang es seit der ausgehenden Reformzeit den politischen Akteuren, die als Vertreter der Stände und des Adels in Brandenburg den Vertretern der Staatsbürokratie gegenübertraten, sich zunehmend als Garanten der Stabilität der neuen staatlichen Ordnung zu inszenieren und dadurch für den Adel politische Bedeutung in deren Rahmen zu generieren. Die politische Bindung an den bürokratischen Staat war nicht alternativlos. Vielmehr hat die Untersuchung gezeigt, dass einige der als Vertreter von Ständen und Adel agierenden Gutsbesitzer der Provinz Brandenburg ebenso wie diejenigen anderer preußischer Provinzen zu verschiedenen Zeitpunkten auch konstitutionelle, frühliberale und nationale Argumentationsformen aufgriffen. Erst im Verlauf von Aushandlungsprozessen entwickelten einzelne brandenburgische Akteure die später dominierende Vorstellung von einer den veränderten Herrschaftsverhältnissen entsprechenden spezifischen politischen Rolle adliger Gutsbesitzer. Die Verfassungsdebatte lässt sich folglich als eine Arena beschreiben, in der adlige Gutsbesitzer in Auseinandersetzung mit anderen politischen Akteuren um Bedeutung und Einfluss rangen. Die Form dieser Auseinandersetzung unterlag den Regeln des von Vorstellungen historischer Entwicklung und staatlicher Ordnung geprägten politischen Diskurses, auf den die im Verlauf der Auseinandersetzung einsetzenden Aushandlungsprozesse jedoch zurückwirkten. Die politischen Akteure, die in Mark und Provinz Brandenburg als Vertreter der Stände und des Adels auftraten, passten ihre Argumentation dem politischen Wandel in der Preußischen Monarchie an, sprachen sich zugleich aber eine bedeutende Rolle in dessen Verlauf zu und sicherten sich so neben dem wirtschaftlichen und professionellen „Obenbleiben“ auch eine spezifische, herausgehobene Position im politischen Diskurs. Caroline von Rochow konstatierte nach 1840 rückblickend auf die Veränderungen der höfischen Gesellschaft nach 1815: „Die ganze erneuerte Organisation unsres so sehr vergrößerten Landes zog ein Heer von Beamten nach sich, deren Notwendigkeit oder Überfluß schon damals viel Kontroverse aufrief, und die den Stamm bildeten zu der vielfach angefeindeten Bureaukratie, die allerdings durch ihren kompakten, geschäftlichen Zusammenhang eine Art von Macht darstellt, deren Missbrauch sich schwer –––––––––– 21

KOSELLECK, Preußen, S. 486.

Zusammenfassung

287

entgegentreten lässt, weil sie andererseits unentbehrlich ist.“22 Die Erfahrung der Macht und der Unentbehrlichkeit der Bürokratie prägte die politischen Positionen der Vertreter adliger Gutsbesitzer Brandenburgs in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Von sich historisch legitimierenden Konkurrenten staatlich-bürokratischer Herrschaftsformen wurden sie zu deren sich historisch legitimierenden Verteidigern und sicherten sich so in veränderten Verhältnissen politische Bedeutung.

–––––––––– 22

C. v. ROCHOW, Erinnerungen, S. 88.

Anhang

Tabellen Tabelle 1: Die Anzahl der Rittergutsbesitzer(innen) in ausgewählten Kreisen der Mark Brandenburg um 1806, 1828 (1836) und 1855 a/af: adlige Besitzer/adlige Besitzerinnen; b/bf: bürgerliche Besitzer/bürgerliche Besitzerinnen; S/K/G: Städte/Korporationen/Gemeinden. Erbengemeinschaften sind zu den Vorbesitzern gezählt um 1828 (1836) „landtagsfähige Güter“

um 18061 Kreise

um 1855 alle (davon „nur kreistagsfähige“)

a/af

b/bf

S/K/G

a/af

b/bf

S/K/G

a/af

b/bf

S/K/G

Beeskow-Storkow2

9/2

5/-

1/1/-

(5/2)

(3/5)

(1/-/1)

11 (1)/1

9 (2)/1

1/-/-

Lebus3

24/2

5/-

2/-/-

15/4

7/2

2/-/-

16/2

14 (2)/-

2/-/-

Ruppin

38/5

8/-

2/1/-

32/1

9/1

2/1/1

32/1

12 (1)/-

2/1/1

Zauche4

14/-

1/-

1/1/-

13/-

2/-

1/1/-

12/1

1/-

1/1/-

Zauch-Belzig

-

-

-

24/-

2/1

1/1/-

26/1

4 (1)/-

1/1/-

Königsberg Nm.

24/1

4/-

3/2/-

17/2

9/1

1/-/-

17 (1)/2

12 (1)/-

1/-/-

Züllichau-Schw.5

13/3

8/-

-/-/-

23/4

15/4

-/-/-

15/0

29 (6)/5

-/2/-

Angaben nach: BRATRING, Beschreibung, passim; EICKSTEDT, Beiträge, S. 489 –526; RAUER, HandMatrikel, S. 71–111; BERGHAUS, Landbuch, passim.; Ortschafts-Verzeichnis, passim.

–––––––––– 1 2 3 4

5

Nur Besitzer(innen) von ab 1828 in Rittergutsmatrikel aufgenommenen Gütern. 1816 –1836 teils Beeskower, teils Teltow-Storkower Kreis, Angaben statt zu 1828 zu 1836. Inklusive der 1816 bis 1836 im Frankfurter und Küstriner Kreis gelegenen Rittergüter. Ab 1816 in administrativer Hinsicht Zauch-Belziger Kreis, provinzialständisch weiter als Zauche. Für 1806 ohne Ländchen Bärwalde (zwei adlige Besitzer): ab 1816 Kreis Jüterbog-Luckenwalde. Züllichau-Schwiebus (ab 1816). Für 1806 nur Angaben zum Kreis Züllichau.

290

Anhang

Tabelle 2: „Kontribuable“ und „ritterfreie“ Hufen in der Neumark 1812 „Güter“6 (davon „kontribuabel“7)

„Bauern“6 (davon „kontribuabel“7)

„Ämter“8

Sonstige9

Anteil der „Güter“ an allen Hufen (an „Gütern“ + “Bauern“)

Arnswalde

1 135 (30 %)

1 372 (88 %)

275

105

39 % (45 %)

Crossen

957 (17 %)

1 660 (96 %)

k. A.

k. A.

— (37 %)

Dramburg

690 (31 %)

1 247 (82 %)

58

122

33 % (36 %)

Friedeberg

903 (11 %)

1 747 (29 %)10

k. A.

60

— (34 %)

Königsberg

1 694 (33 %)

2 691 (85 %)

k. A.

k. A.

— (39 %)

Landsberg

448 (27 %)

2 293 (41 %)10

103

80

15 % (16 %)

Schivelbein

327 (56 %)

274 (89 %)

k. A.

13

— (54 %)

Soldin

1 033 (12 %)

840 (85 %)

225

97

47 % (55 %)

Provinz Neumark

7 187 (25 %)

12 124 (68 %)

min. 661

min. 477

36 %11 (37 %)

Quelle: BLHA, Rep. 23 B, Nr. 1522, unpag.

–––––––––– 6

7

8

9 10

11

Die zugrunde liegenden Verzeichnisse wurden 1813 erstellt, um die Kosten der Diäten für die Deputierten der „Ritterschaft“ und der „Rustikalbesitzer“ zur „interimistischen Nationalversammlung“ aufzuteilen. Sie unterscheiden zwischen „Herrschaften“ oder „Dominia“ einerseits und „Unterthanen“ oder „Rustikalbesitzern“ andererseits. Die Bezeichnungen entsprechen den Begriffen „Ritterland“ und „Bauernland“ bei GOLDSCHMIDT, Grundbesitzverteilung, wo zu letzterem aber auch Pfarr- und Kirchgüter gezählt werden, die hier unter „Sonstige“ aufgeführt werden. Anteil der zur Kontribution und den auf deren Grundlage berechneten Steuern, Abgaben und Naturalleistungen verpflichteten Hufen. Offensichtlich die Amtsvorwerke der Domänen (darunter auch 64 kontributionspflichtige Hufen); für Kreis Landsberg Angabe der Erbzins- und Erbpachtgüter. Kontributionsfreie „Prediger-“, „Kirchen-“ und „Försterhufen“. In dem niedrigen Anteil kontribuabler Bauernstellen spiegelt sich die Ansiedlung von Kolonisten nach Urbarmachung des Warthe- und Netzebruchs. Für die vier Kreise, zu denen vollständige Angaben vorliegen.

Tabelle 3: Der erste Stand auf den Provinziallandtagen

291

Tabelle 3: Der erste Stand auf den Provinziallandtagen der Mark Brandenburg und der Markgrafschaft Niederlausitz 1824 –1845 und dessen Vertretung auf dem Ersten Vereinigten Landtag 1847 PLT: Provinziallandtag 1– 9 (1824 –1845); v: Vereinigter Landtag 1847 Viril- und Kollektivstimmen (Vereinigter Landtag: Kurie der Fürsten, Grafen und Herren) Vertretung von PLT Vertreten durch, Hauptgut (aktuelles Staatsamt) Domkapitel 1–5 Baron O. L. v. Erxleben, Selbelang Brandenburg 6 Graf H. Kleist v. Nollendorf, Stötterlingenburg (Landrat) [Stellvertr.] 7 Baron O. L. v. Erxleben, Selbelang 8– 9, v C. v. Brandt, Dertzow/Tankow Herrschaft 1– 9, v Graf F. zu Solms-Baruth, Herrschaft Baruth [8 – 9: Stellvertretender Baruth Landtagsmarschall] Herrschaft 6 Graf W. v. Solms-Sonnenwalde, Sonnewalde Sonnewalde 7 nicht erschienen 8 Frhr. K. v. Manteuffel, Drahnsdorf (Landrat) [Bevollmächtigter] 9, v Graf W. v. Solms-Sonnenwalde, Sonnewalde Herrenstand 1 Frhr. H. v. Houwald, Straupitz [Stellvertretender Landtagsmarschall] Niederlausitz 2 Graf H. zu Lynar, Lübbenau [Stellvertreter] 3 Frhr. H. v. Houwald, Straupitz [Stellvertretender Landtagsmarschall] 4, 5 Wahl abgelehnt 6–9 Fürst O. zu Lynar, Drehna Bevorrechtigte 1 Graf Finck von Finckenstein, Madlitz [von Ritterschaft des Kreises Majorate Lebus zum Stellvertreter gewählt] (bis 5: Neu2 Graf C. v. Hardenberg-Reventlow, Neu-Hardenberg Hardenberg, 3 nicht erschienen ab 6: 4 –5 Graf C. v. Hardenberg-Reventlow, Neu-Hardenberg alternierend 6 –7 nicht erschienen Boitzenburg) 8 Graf C. v. Hardenberg-Reventlow, Neu-Hardenberg 9 nicht erschienen Herrschaft v Graf F. A. A. v. Brühl Pförten Herrschaft v Fürst O. zu Lynar Drehna Herrschaft v Graf H. W. v. Houwald Straupitz Herrschaft v Graf H. zu Lynar Lübbenau Herrschaft v Prinz L. zu Schönaich-Carolath Amtitz Majorat Neuv Graf C. v. Hardenberg-Reventlow Hardenberg Majorat v Graf A. H. v. Arnim-Boitzenburg Boitzenburg Majorat Gölsv Graf F. W. v. Redern dorf u. a.

292 Ritterschaft Kurmark Vertretung von Altmark 1

Altmark 2 Altmark 3 Altmark 4

Anhang

PLT 1–2 3–4 5 6 – 9, v 1– 4 5–6 7– 9, v 1–7 8 – 9, v 1 2 3–4 5 6 –7

Prignitz 1

Prignitz 2 Westhavelland Osthavelland Ruppin

Oberbarnim

Niederbarnim

8 – 9, v 1–2 3 –4 5–9 v 1–2 3–9 v 1– 9 v 1–7 8 – 9, v 1–2 3 4, 5 6 –7 8 9, v 1–2 3–4 5–6 7– 8 9 v 1 2–6 7– 8 9 v

Vertreten durch, Hauptgut (aktuelles Staatsamt) Graf J. A. E. v. Alvensleben, Erxleben [1–2: Landtagsmarschall] Graf A. v. Alvensleben, Erxleben [3: Stellvertreter] F. W. A. v. Alvensleben, Weteritz [Stellvertreter] W. v. d. Schulenburg, Probstei Salzwedel (Landrat) W. v. d. Schulenburg-Priemern, Priemern (Landrat) A. K. v. Lewetzow, Klaeden F. L. K. v. Knoblauch, Osterholz (Landrat) W. v. Kröcher, Vinzelberg (Landrat) A. v. Werdeck, Jarchau (Regierungsrat) [zeitweilig auch 7] O. v. Kalben, Vienau A. W. v. Meding, Horst (Landrat) F. L. K. v. Knoblauch, Osterholz [Stellvertreter] A. W. v. Meding, Horst (General-Kommissar) [Stellvertretender Landtagsmarschall] Graf W. v. d. Schulenburg-Wolfsburg, Metzdorf/Rohrberg/Steinecke [Stellvertretender Landtagsmarschall] W. v. Bismarck, Briest G. Gans Edler zu (Frh. von) Putlitz, Laaske H. G. v. Ribbeck, Horst Baron W. v. Romberg, Zaatzke C. v. Jena, Nettelbeck Graf A. v. d. Schulenburg, Lenzerwische F. v. Jagow, Rühstädt J. v. Rohr, Holzhausem C. v. Bredow, Wagenitz A. v. Katte, Roskow Freiherr v.d. Reck(e), Seegefeld Baron F. Digeon von Monteton, Priort (Regierungsrat) v. d. Hagen, Nackel C. v. Romberg, Brunne [Stellvertreter] K. v. Hertefeld, Liebenberg F. W. v. Schenckendorf, Wulkow (Landrat) v. Zieten, Barsikow [Stellvertreter] F. W. v. Schenckendorf, Wulkow (Landrat) Graf A. A. v. d. Schulenburg, Trampe L. v. Rudolphi, Wesendahl Baron A. v. Eckardstein, Prötzel [Stellvertreter] A. v. Bredow, Wölsickendorf [Stellvertreter] Baron A. v. Eckardstein, Prötzel A. v. Bredow, Wölsickendorf A. W. v. Pannwitz, Stolpe (Landrat) F. W. v. Schütze, Schöneiche (Oberregierungsrat) C. v. Treskow, Friedrichsfelde [Stellvertreter] Graf F. L. v. Arnim, Blumberg K. A. v. Veltheim, Schönfließ

Tabelle 3: Der erste Stand auf den Provinziallandtagen Ritterschaft Kurmark Vertretung von Lebus

Teltow Zauche

Luckenwalde

BeeskowStorkow Jüterbog

Belzig

Uckermark 1

Uckermark 2

PLT 1– 4 5–6 7– 8 9 v 1–3 4 5 – 9, v 1– 4 5 6 7 8 9, v 1– 3 4 5–9 9 v 1 2–3 4 5 – 9, v 1– 4 5 6 7– 8 9 v 1–2 3, 4 5–9 v 1 2 –5 6 7 – 9, v 1–2 3–4 5 6–7 8–9 v

Vertreten durch, Hauptgut (aktuelles Staatsamt) L. v. d. Marwitz, Friedersdorf [1: zusammen mit Beeskow-Storkow, 2: Stellvertr. Landtagsmarschall, 3 – 4: Landtagsmarschall] F. H. L. v. Pfuel, Jahnsfelde J. P. Rehfeld, Golzow L. W. Rehfeld, Tucheband L. v. Massow, Steinhöfel (Wirkl. Geh. Rat) Baron W. L. v. Witten, Osdorf W. v. Goertzke, Groß-Beuthen Graf E. v. Häseler, Blankenfelde [5 –7 Stellvertreter] H. v. Rochow, Plessow A. v. Brösigke, Cammer [Stellvertreter] A. v. Arnstedt, Groß-Kreuz Baron H. F. v. Brucken, gen. v. Fock, Stücken (Regierungsrat) W. v. Thümen, Caputh [Sellvertreter] Baron H. F. v. Brucken, gen. v. Fock, Stücken (Oberregierungsrat) A. v. Rochow, Stülpe F. v. Lochow, Petkus [Stellvertreter] A. v. Rochow [Landtagsmarschall] Baron C. O. L. v. Arnim, Bärwalde [zeitweilig Stellvertreter] A. v. Rochow [Landtagsmarschall] zusammen mit Lebus v. Löschebrand, Seelow [Stellvertreter] Becker, Ragow (Oberregierungsrat) E. v. Löschebrand, Selchow (ab 6: Landrat) C. L. v. Heinecken, Bollendorff C. O. L v. Arnim, Bärwalde [Stellvertreter] F. v. Lochow, Petkus H. v. Buchholz, Rietz H. H. v. Thümen, Blankensee A. W. v. Meding, Horst (Oberpräsident) B. F. K. Brand v. Lindau, Schmerwitz v. Freyberg, Sandberg [Stellvertreter] H. F. L v. Tschirschky, (Klein-)Glien (Landrat) L. H. W. v. Oppen, Fredersdorf C. L. B. v. Arnim, Gerswalde O. F. C. v. Arnim, Criewen C. D. v. Winterfeld, Metzelthin (Landrat) [Stellvertreter] O. F. C. v. Arnim, Criewen L. A. v. Winterfeld, Groß-Spiegelberg (Landrat) A. v. Winterfeld, Menkin (Kammergerichtsrat) [Stellvertreter] L. A. v. Winterfeld, Groß-Spiegelberg (Landrat) A. v. Winterfeld, Menkin (Kammergerichtsrat) [6: Stellvertreter] C. D. v. Winterfeld, Kutzerow A. v. Winterfeld, Menkin (Kammergerichtsrat) [Stellvertreter]

293

294 Ritterschaft Neumark Vertretung von Dramburg und Schivelbein

Anhang

PLT 1–2 3–4 5–6 7– 9, v 1–7

Vertreten durch, Hauptgut (aktuelles Staatsamt) F. v. Podewils, Schlentzig L. v. Knebel-Doeberitz, Friedrichsdorf F. v. Podewils, Schlentzig L. Bredow, Golzengut Dramburg (Kreisjustizrat) Arnswalde und A. W. A. v. Waldow, Fürstenau (Landrat, 7: Landesdirektor) [4: Stellv. Friedeberg Landtagsmarschall] 8 –9, v A. v. Brand, Lauchstädt Königsberg 1–3 F. v. Mühlheim, Guhden und Soldin 4 –5 W. Stubenrauch, Deetz (Landrat) 6 L. v. Cranach, Craatzen 7– 9, v G. A. W. v. Witte, Falkenwalde [7: Stellvertreter] Landsberg und 1 L. v. Klitzing, Charlottenhof Sternberg 2– 6 Graf H. Finck v. Finckenstein, Ziebingen [2: Stellvertreter] 7 H. W. v. Schöning, Jahnsfelde 8–9 Graf H. Finck v. Finckenstein, Ziebingen v E. v. Waldow und Reitzenstein Züllichau und 1–2, 4 Fürst Heinrich LX. Reuß, Klemzig Schwiebus 3, 5 Kretschmer, Mertzdorff [3: Stellvertreter] 6 nicht erschienen 7– 8 E. v. Zimmermann, Langmeil 9, v J. Mandel, Wallmersdorf [9: Stellvertreter] Crossen und 1– 9 G. G. v. Zychlinski, Treppeln Cottbuss v F. v. Scholten, Plau Niederlausitz (ab 3. PLT auf Kommunallandtag gewählt) Vertretung von PLT Vertreten durch, Hauptgut (aktuelles Staatsamt) 1 (Guben und 1–2 A. v. Francois, Eckardswalde Sorau) 3 K. O. K. v. Langen, Bornsdorf 4 F. L. L. v. Kleist, Tzschernowitz [Stellvertreter] 5–6 Frhr. B. v. Patow, Erpitz (Landrat) 7– 8 Frhr. R. v. Patow, Groß-Mehso (Oberfinanzrat) 9, v Frhr. K. v. Manteuffel, Drahnsdorf (Landrat) 2 (Lübben) 1– 8 Frhr. C. E. v. Houwald, Schloss Neuhaus 9 A. v Stutterheim, Terpt (Landrat) [als Stellvertreter] v J. E. v. Poncet, Wolfshain (Landrat) 3 (Luckau) 1– 6 G. K. H. v. Larisch, Kümritz 7– 9, v Frhr. O. v. Manteuffel, Drahnsdorf (7: Landrat, ab 8: Oberregierungsrat, ab 9 auch: Direktor im Ministerium des Inneren) 4 (Calau) 1–2 H. O. v. Thielau, Neu-Döbern 3 – 9, v F. G. v. Carlsburg, Schönaich (Landrat und Regierungsrat) 5 (Spremberg) 1– 6 J. F. M v. Oerzen, Jeserigk (DistrictsCommissar) 7– 9, v Frhr. B. v. Patow, Erpitz (Landrat, 9: Regierungsrat) Angaben nach: GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 1, 15, 24, 28, 34, 41, 46 und 52; Verhandlungen 6 –9; BLEICH (Hg.), Landtag, S. 733, S. 736f. Zu den genauen Daten der Provinziallandtage vgl. das Verzeichnis der Protokolle im Quellen- und Literaturverzeichnis: Ungedruckte Quellen, b).

Quellen- und Literaturverzeichnis Abkürzungen ADB ALR BLHA CCM GS GStA Handbuch Hof/Staat NCC NDB Nl. Quast Nl. Rochow Nl. Voß-Buch Protokolle 1841/1843 Verhandlungen 1– 9

Allgemeine Deutsche Biographie Allgemeines Landrecht Brandenburgisches Landeshauptarchiv MYLIUS (Hg.), Corpus Constitutionum Marchiarum Gesetz-Sammlung Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Handbuch über den Preußischen Hof und Staat [COCEJUS (Hg.)], Novum Corpus Constitutionum Neue Deutsche Biographie BLHA, Rep. 37 Garz GStA, VI. HA, Nl. Rochow GStA, VI. HA, Nl. Voß-Buch Protokolle des siebenten/achten Provinzial-Landtages ... 1841/1843 Verhandlungen des ersten [ff.] Provinzial-Landtages ... 1 (1825) – 9 (1846)

Ungedruckte Quellen

a) Verwendete Nachlässe adliger Gutsbesitzer Finck v. Finckenstein, Heinrich, in: Quast, Leopold v. (Nl. Quast), in: Rochow, Adolph v.: Rochow, Gustav v. (Nl. Rochow): Solms-Baruth, Friedrich Graf zu, in: Voß-Buch, Carl Graf v. (Nl. Voß-Buch):

BLHA, Rep. 37, Alt Madlitz. BLHA, Rep. 37, Garz. GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe. GStA, VI. HA, Nl. Rochow. BLHA, Rep. 37, Herrschaft Baruth. GStA, VI. HA, Nl. Voß-Buch.

b) Protokolle der Provinziallandtage 1 (03.10.– 22.12.1824): GStA, I. HA, Rep. 77, Tit. 523b, Nr. 9, Bd. 1. 2 (14.01.– 12.03.1827): GStA, VI. HA, Nl. Rochow-Stülpe, Nr. 3. 3 (11.01.– 25.02.1829): BLHA, Rep. 1, Nr. 1247. 4 (16.01.– 08.03.1831): BLHA, Rep. 1, Nr. 1249. 5 (26.01.– 08.03.1834): BLHA, Rep. 1, Nr. 1251. 6 (29.01.– 15.04.1837): BLHA, Rep. 1, Nr. 1253. 7 (28.02.– 16.05.1841): BLHA, Rep. 1, Nr. 1255 (Druckfassung = Protokolle 1841 in: Nr. 1254). 8 (05.03.– 29.04.1843): BLHA, Rep. 1, Nr. 1257 (Druckfassung = Protokolle 1843 in: Nr. 1256 ). 9 (09.02.– 19.04.1845): BLHA, Rep. 1, Nr. 1260f.

296

Anhang

c) Sonstige ungedruckte Quellen Biblioteka Raczyńskich in Poznań - Rękopis 4047: A. Raczyński: Berlin-Lissabon, Posen und Galizien (Persönliche Erlebnisse – Politik – Klatsch – Kunst – Diplomatie). Aus den Tagebüchern des Athanasius Raczyński 1837 – 1848, hg. v. Joseph A. Graf Raczynski, Manuskript Santiago 1999.

Brandenburgisches Landeshauptarchiv in Potsdam (BLHA) -

Rep. 1 Oberpräsident Rep. 2 A Regierung zu Potsdam Rep. 3 B Regierung zu Frankfurt an der Oder Rep. 6 B Landratsämter Rep. 23 B Neumärkische Stände

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem (GStA) - I. HA, Rep. 74 Staatskanzleramt, H, IX Stände - I. HA, Rep. 77 Ministerium des Inneren, Tit. 514 Verfassungskommission 1815 – 1818 Tit. 522 Ständesachen, allgemeines Tit. 523 Commission in ständischen Angelegenheiten Tit. 523b Ständische Angelegenheiten Brandenburg - BPH, Rep. 192, Wittgenstein [Nachlass des Fürsten Wilhelm Ludwig Georg zu SaynWittgenstein]

Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Textausgabe, hg. v. Hans HATTENHAUER. Frankfurt am Main/Berlin 1970. ALMENRÖDER, Ernst: Das politische Leben in den Brandenburger Provinziallandtagen unter Friedrich Wilhelm III. Diss. Frankfurt am Main 1923. ALVENSLEBEN, Udo v.: Alvensleben, v., in: NDB 1 (1953), S. 231f. ARNIM, Ludwig Achim v., Werke in einem Band hg. v. Karl Heinz HAHN. Berlin 1981. ASCH, Ronald G./DUCHHARDT, Heinz (Hg.), Der Absolutismus – ein Mythos? Strukturwandel monarchischer Herrschaft in West- und Mitteleuropa (ca. 1550 –1700). Köln/Weimar/Wien 1996 (Münstersche historische Forschungen, 9). ASCH, Ronald G./FREIST, Dagmar (Hg.), Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, Köln 2005. ASCH, Ronald G./SCHLÖGL, Rudolf (Hg.), Adel in der Neuzeit. Göttingen 2007 (Geschichte und Gesellschaft, 33.2007,3). ASCH, Ronald G.: Rezension von Meumann, Markus/Pröve, Ralf (Hg.), Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Umrisse eines dynamisch-kommunikativen Prozesses. Münster 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 4 [15.04.2005], URL: (letzter Zugr. 14.04.2010). BAILLEU, Paul: Jordan, Johann Ludwig, in: ADB 14 (1881), S. 506.

Quellen- und Literaturverzeichnis

297

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298

Anhang

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Quellen- und Literaturverzeichnis

299

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300

Anhang

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Quellen- und Literaturverzeichnis

301

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Personenregister Aufgenommen sind die Erwähnungen historischer Akteure sowie der Verfasserinnen und Verfasser von Forschungsliteratur, sofern ihre Arbeiten im Haupttext diskutiert werden. Erwähnungen historischer Akteure in den Anmerkungen, die über eine bloße Quellenangabe hinausgehen sind ebenfalls angegeben und kursiv gesetzt. Bei mehreren Vornamen historischer Akteure sind die Rufnamen, sofern bekannt, kursiv gesetzt. Während des Untersuchungszeitraums setzte sich die Schreibung der Vornamen mit „k“ und „f“ gegen die Schreibung mit „c“ und „ph“ durch, die hier, da sie in den Quellen dominiert, bevorzugt wurde. Die Titel „Baron“ und „Freiherr“ sind weitgehend austauschbar – hier wird die in den Quellen vorherrschende Titelangabe verwendet. Bei adligen Personen, die in den Quellen und in der Forschungsliteratur gelegentlich zusätzlich nach ihrem Hauptgut benannt werden, ist diese Variante in Klammern angegeben. Standeserhöhungen zu Lebzeiten und, wenn dies zur Identifikation notwendig erschien, die Amtsbezeichnung sind ebenfalls in Klammern angegeben. Albrecht, Daniel Ludwig 203 Almenröder, Ernst 30 Alvensleben(-Erxleben), Albrecht Graf von 259, 292 Alvensleben(-Erxleben), Johann August Ernst (1798 Graf) von 221, 232, 292 Alvensleben(-Weteritz), Friedrich Wilhelm August von 292 Ancillon, Johann Peter Friedrich (Jean Pierre Frédéric) 156, 172, 187, 197, 203 Arnim, Carl Joachim Friedrich Ludwig (Achim) von 187 Arnim-Boitzenburg, Adolph Heinrich Graf von 209, 267, 291 Arnim(-Gerswalde), Carl Ludolph Bernhard von 293 Arnim(-Bärwalde), Carl Otto Ludwig von 293 Arnim(-Blumberg), Friedrich Ludwig Graf von 293 Arnim(-Criewen), Otto Friedrich Carl von 293 Arnold, Johann Daniel 117 Arnstedt, Albert von 293 Asch, Ronald G. 15 August, Prinz von Preußen 238 Barclay, David E. 22 Bassewitz, Magnus Friedrich Freiherr von 30, 33f., 51, 56, 132, 250 Bayer (Landrat) 150 Beckedorff, Georg Philipp Ludolph (1840 von) 131–133, 158, 184 Becker (Oberregierungsrat) 293

Berdahl, Robert 26 Berge(n), Johann Philipp Ludwig von 69, 76f., 81 Bernstorff, Christian Ludwig Graf von 157 Beyme, Carl Friedrich (1816 von) 108, 155, 158, 161 Bismarck, Levin Friedrich von 119, 130 Bismarck, Otto Eduard Leopold (1865 Graf, 1871 Fürst) von 268 Bismarck, Wilhelm August Albert Ludwig von 292 Blomberg, Carl Wilhelm Gotthardt von 219 Bonneß, Christoph 230 Boyen, Ludwig Leopold Gottlieb Hermann von 155, 158, 258 Brand(t), Adolph Ernst Paul von 294 Brand(t), Gustav Erdmann Camillus von 291 Brand(t) von Lindau, Benno Friedrich Carl 293 Bratring, Friedrich Wilhelm August 31–33, 36 Braunschweig, Carl Friedrich Wilhelm von 69, 76f. Bredow(-Wölsickendorf), Albert von 292 Bredow(-Schwanebeck), Christoph August von 68, 78, 85f., 87, 108, 167f., 172, 173f., 214, 219f. Bredow(-Wagenitz), Carl Ludwig Friedrich Wilhelm (1840 Freiherr) von 219f., 292 Bredow, Ludwig (Kreisjustizrat) 263, 294 Brenn, Gustav Adolph Ewald Freiherr von 217, 253, 256

322 Briest, Caroline von Siehe Fouqué, Caroline de la Motte Briest, Wilhelm Friedrich August von 133, 138, 152, 161 Brösigke(-Cammer), Albert von 293 Brucken, genannt von Fock, Heinrich Friedrich Baron von 293 Brühl, Friedrich August Adalbert Hans Moritz Deodat Graf von 291 Buchholz, Heinrich von 293 Burgsdorff, Hans Carl Otto Ludwig von 150 Burgsdorff, Henriette Charlotte Luise Albertine Juliane von, geb. von Kameke 150 Burgsdorff, Wilhelm Friedrich Theodor Joachim von 69, 76, 80f., 85f. Carlsburg, Friedrich Heinrich Gustav Sigismund Wagner von 294 Chasôt, Eleonore Gräfin von, geb. von Gansauge 166 Cranach, Lucas von 294 Digeon von Monteton, Carl August Friedrich Baron 256, 292 Dohna-Schlobitten, Friedrich Ferdinand Alexander Graf zu 78 Dohna-Wundlacken, Heinrich Ludwig Adolph Graf zu 71 Dönhoff, Sophie Juliane Friederike (Julie) Gräfin von 166 Dziembowska, Charlotte Amalie von, geb. von Itzenplitz 229 Dziembowski, Adam Ludwig von 229 Eckardstein(-Prötzel), Arnold Baron von 292 Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich 258 Eley, Geoff 10 Erxleben, Otto Ludwig von 291 Finck von Finckenstein, Graf 291 Finck von Finckenstein, Alexander Heinrich Ludwig Graf 150 Finck von Finckenstein, Friedrich Ludwig Carl Graf 50, 64, 80 Finck von Finckenstein, Friedrich Heinrich Leopold Graf 294, 295 Fouqué, Caroline Philippine de la Motte, geb. von Briest, verw. von Rochow 96 François, August Leopold Friedrich Wilhelm von 228, 248, 294 Freytag, Johann Heinrich 53

Anhang Frie, Ewald 12–14, 16, 29 Friedland Siehe Itzenplitz, Henriette von Friedrich II., König von Preußen 44, 45, 50, 212, 243 Friedrich VI., Burggraf von Nürnberg (1417 Friedrich I. Kurfürst von Brandenburg) 162, 273 Friedrich Wilhelm II., König von Preußen 46, 168 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen 23, 46, 53, 84, 100, 105, 127, 163, 165, 168f., 184 –186, 188, 190f., 198f., 201, 213 –216, 222, 234, 236, 256 –258 Friedrich Wilhelm (IV.), Kronprinz (1840 König) von Preußen 23, 172, 184f., 188, 192f., 203, 212, 215f., 257–259, 267 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 169, 243 Friese, Carl Ferdinand 76, 182 Gans Edler Herr zu Putlitz, Gebhard 292 Gansauge Siehe Chasôt, Eleonore Gräfin von Gentz, Friedrich (von) 137 Gerlach, Carl Friedrich Leopold von 56, 69 Gerlach, Ernst Ludwig von 20, 30, 142, 167, 175 –177, 258f., 284 Gerlach, Friedrich Ludwig Leopold von 259 Goldbeck, Carl Friedrich (1778 von) 111f., 120, 275 Goldbeck, Heinrich Julius (1778 von) 53, 56 Goldschmidt, Hans 33f. Görtzke, Wilhelm von 293 Graevenitz, Friedrich August Ferdinand von 111, 120 Grolman, Carl Wilhelm Georg von 220 Grothe, August Friedrich 57 Hagemann, Wilhelm Cornelius 123, 130 Hagen(-Nackel), von der 220, 248f., 292 Hagen, William 10 Haller, Carl Ludwig von 19, 177 Hardenberg, Carl August Freiherr (1814 Fürst) von 18, 21, 55, 59, 64, 84f., 88, 102, 108 –110, 122, 130, 132, 144, 154 –156, 158, 168 –172, 182, 184, 186, 189, 194 –201, 214f., 235, 272 Hardenberg, Friedrich August Burchard Graf von 77 Hardenberg-Reventlow, Christian Heinrich August Graf von 209, 248, 291

Personenregister Häseler, Eduard Herrmann Scipio Graf von 293 Heinecken, Carl Ludwig von 220, 293 Heinrich LX. Fürst Reuß (zu Köstritz) 294 Hertefeld, Karl Freiherr von 292 Herzfeld, Michael 13 Heydebreck, Georg Christian Friedrich von 105, 107f., 166, 173f., 179, 233, 236 Hin(t)ze (Lehnschulze) 69, 120, 205 Houwald, Carl Heinrich Ferdinand Freiherr von 221, 291 Houwald, Christoph Ernst Freiherr von 294 Houwald, Hermann Willibald Freiherr (1840 Graf) von 291 Hüchtker, Dietlind 24 Humboldt, Wilhelm von 154 –156, 158f., 161, 215 Itzenplitz, Henriette Charlotte (1816 Gräfin) von, geb. von Friedland 32, 174 Itzenplitz, Peter Ludwig Alexander Johann Friedrich (1815 Graf) von 111–113, 115 –118, 130, 141, 154, 166f., 174, 200, 204, 220, 229, 293 Itzenplitz, Charlotte Amalie von Siehe Dziembowska Jaczo/Jaxa von Köpenick 191 Jagow, Friedrich Wilhelm Achatz Thomas von 292 Janensch (Amtmann) 150 Jena, Carl Friedrich von 118, 127 Jena, Carl von 292 Jordan, Johann Ludwig (1816 von) 108 Kalben, Otto Philipp Heinrich von 292 Kameke Siehe Burgsdorff, Henriette von Kampfmeier, Wilhelm 227 Karbe, August 120 Karbe, Friedrich Ernst Leopold 140 Karbe, Wilhelm 149 Katte, Albert von 292 Kehr, Eckart 21 Kircheisen, Friedrich Leopold (1798 von) 188 Kleist von Nollendorf, Hermann Ferdinand Heinrich Leopold Graf 291 Kleist, Friedrich Leopold Ludwig von 294 Klewi(t)z, Wilhelm Anton (1803 von) 69, 110 –112, 115f., 121, 123, 127f., 130, 188 Klitzing, Leberecht von 129, 225, 294

323 Knebel-Doebritz, Ludwig von 294 Knesebeck, Carl Friedrich von 156 Knobelsdorff(-Kemnath), von 204 Knobelsdorff(-Sellin), Carl Christoph Gottlob von 81f., 86, 111, 113, 118, 129, 200 Knoblauch, Friedrich Ludwig Karl von 292 Kondylis, Panayotis 18 –20 Königsmark, Hans Valentin Ferdinand (1817 Graf) von 292 Köpcken, Friedrich (1786 von) 105, 229f., 232–234, 243, 248 Koselleck, Reinhart 12, 16 –18, 127, 159, 195f., 285 Kotzebue, August von 132 Kretschmer (Kreis-Commissionsrat) 246, 263, 294 Kröcher, Friedrich Wilhelm Carl von 119, 292 Langen, Kaspar Otto Karl von 294 Larisch, Georg Karl Heinrich von 294 Lehmann, Johann Gottlieb 57 Leist (Lehnschulze) 69, 82 Levinger, Mathew 20, 22, 194, 198 Lewetzow, Alexander Karl Theodosius Wilhelm Ludwig von 292 Lindau Siehe Brand(t) von Lindau Lochow, Ferdinand von 293 Löschebrand, Eduard von 293 Lottum Siehe Wylich und Lottum Ludwig XVIII., König von Frankreich 101 Lynar, Hermann Rochus Graf zu 291 Lynar, Otto Fürst zu 266, 269, 275, 291 Lyotard, Jean-François 13 Malinowski, Stephan 10, 278f. Mandel, Julius 267, 275, 294 Manteuffel, Karl Otto Freiherr von 268, 273, 291, 294 Manteuffel, Otto Theodor Freiherr von 261, 268, 272, 275, 294 Martiny, Fritz 34, 50 Marwitz, Caroline von Siehe Rochow, Caroline von Marwitz, Friedrich August Ludwig von der 16, 20, 64, 66, 79, 80, 87, 96, 101, 130, 143, 149f., 157f., 165, 179, 181f., 189f., 192f., 206, 212f., 216, 225, 227, 231, 233 –235, 241, 244f., 249f., 252f., 280f., 293

324 Massow, Ludwig von 293 Mecklenburg, Carl Friedrich August Herzog von 157, 184 Meding, August Friedrich Wilhelm Werner von 266, 268, 275, 292, 293 Mesenhöller, Mathias 16 Metternich, Clemens Wenzel Lothar Graf (1813 Fürst) von 132f., 196 Meumann, Markus 14f. Mevissen, Gustav (1884 von) 268 Monteton Siehe Digeon von Monteton Motte Fouqué Siehe Fouqué Mühler, Heinrich Gottlob (1833 von) 100 Mühlheim, Friedrich von 142, 144, 156, 294 Müller (Lehnschulze) 69, 82 Müller, Adam Heinrich (1826 Ritter von Nitterdorf) 19, 131, 177, 278 Müller, Hans-Heinrich 34 Müller, Michael G. 15, 24f. Müsebeck, Ernst 24, 30, 127f., 159, 160, 200 Nagler, Carl Ferdinand Friedrich von 98 Neugebauer, Wolfgang 20, 24, 200 Nollendorf, Friedrich Graf Kleist von 216 Nolte, Paul 12–14, 22, 195f. Normann, Friedrich Wilhelm Heinrich von 111 Obenaus, Herbert 18, 194, 196, 233, 269 Oerzen, Julius Ferdinand Maximilian von 294 Oppen, Ludwig Heinrich Wilhelm von 293 Pannwitz, Albrecht Wilhelm von 53, 57, 63, 84, 106, 137, 139 –141, 143f., 146f., 154, 219, 293 Patow, Erasmus Bernhard Freiherr von 268, 294 Patow, Robert Erasmus Freiherr von 294 Petersdorff, Carl Friedrich von 176, 179 Pfuel, Friedrich Heinrich Ludwig von 293 Podewils, Friedrich von 294 Poncet, Julius Eduard von 294 Pröve, Ralf 14f. Pückler-Muskau, Herrmann von 214 Putlitz Siehe Gans Edler Herr zu Putlitz Quast, Otto Christoph Leopold von 29, 65 –71, 75 –79, 82f., 85f., 105f., 108, 111, 120, 122, 137, 139, 141, 143, 145 –147, 154, 156f., 163, 166f., 170, 172, 173 –175, 204f., 214, 218 –220, 295

Anhang Quitzow, August Heinrich von 204 Quitzow, Ernst Wilhelm Albrecht von 119 Raczyński, Atanazy (auch Athanasius) Graf 99 Radowitz, Joseph Maria von 258 Raumer, Carl Georg von 197 Reck(e)-Seegefeld, Freiherr von der 292 Redern, Friedrich Wilhelm Graf von 291 Rehfeld, Johann Philipp 150, 263, 293 Rehfeld, Ludwig Wilhelm 150, 293 Reif, Heinz 9, 25, 26 Reinhard, Wolfgang 14 Reuß Siehe Heinrich LX. Reuß Ribbeck, Hans Georg von 292 Rochow(-Stülpe), Adolph Friedrich August von 96f., 133, 147f., 159, 170, 172, 180f., 187, 191, 212, 224, 230f., 236f., 249, 253, 257f., 261–264, 267, 270f., 277–280, 293, 295 Rochow, Anna Hippolita von 279 Rochow, Caroline Albertine Luise von, geb. von der Marwitz 30, 99, 101, 131, 286f. Rochow, Caroline Philippine Siehe Fouqué, Caroline de la Motte Rochow, Eduard Scipio Rochus von 97 Rochow, Friedrich Eberhard von 152, 279 Rochow(-Reckahn), Gustav Adolph Rochus von 29, 96 – 99, 101–109, 124, 133, 136, 139, 142, 144, 146, 148f., 151–157, 160f., 163, 167, 170, 172, 175f., 187–190, 192f., 201, 204 –206, 211, 214f., 223, 235 –237, 259f., 267, 269f., 277, 279f., 295 Rochow(-Plessow), Hans Carl Dietrich von 7f., 10f., 96f., 133f., 138, 147, 153f., 161f., 166, 183, 221, 248, 293 Rochow, Ludwig Rudolf Carl von 96f. Rochow, Maria Elisabeth von, geb. W(o)erlitz 136, 278f. Rochow(-Golzow), Rochus von 48, 57, 96f., 101–109, 116f., 120, 130f., 133, 146, 161–164, 172, 178, 235, 278f. Rochow, Theodor Heinrich Rochus von 96 –98, 104, 132, 139, 143, 146, 152, 155, 157f., 168, 193, 200, 217, 219, 220f., 235, 248 Rochow, Wichard von 162 Rochow, Wilhelm Rochus von 97, 279

Personenregister Rohr, Heinrich Julius Ludwig von 292 Romberg(-Brunne), Conrad von 200, 249, 292 Romberg(-Zaatzke), Wilhelm Baron von 292 Rudelius, Johann Wilhelm 224, 227 Rudolphi, Leopold von 292 Rundstedt, Joachim Ernst Friedrich von 119 Sack, Johann August 55 Sand, Carl Ludwig 132 Savigny, Friedrich Carl von 258 Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Wilhelm Ludwig Georg Graf (1804 Fürst) zu 100, 132, 157, 184, 186f., 196, 203, 215 Scharnweber, Christian Friedrich 64, 72, 108 Schenckendorf, Friedrich Wilhelm von 292 Scherz, H. 129 Schilden, Friedrich Freiherr von 185, 188, 91 Schiller, Friedrich 191 Schiller, René 32, 33, 281 Schmitz, Christian 197 Scholten, Ferdinand von 294 Schön, Heinrich Theodor von 258f. Schönaich-Carolath, Ludwig Ferdinand Karl Erdmann Alexander Deodatus Prinz zu 291 Schönberg, Moritz Haubold von 203, 209 Schöning, Hans Wilhelm von 294 Schubert, Werner 30 Schuckmann, Friedrich (1834 Freiherr) von 81, 85, 100, 182, 187f., 197f., 203, 217 Schulenburg(-Trampe), Christian Carl Albrecht Alexander Graf von der 292 Schulenburg(-Lenzerwische), Alexander Graf von der 167, 174, 219, 292 Schulenburg(-Wolfsburg), Werner Graf von der 292 Schulenburg(-Priemern), Leopold Wilhelm von der 204, 292 Schulenburg, Otto Ludwig Wilhelm Ferdinand von der 292 Schütz, Christian Wilhelm (1803 von) 130 Schütze, Friedrich Wilhelm (1786 von) 293 Schwerin(-Putzar), Maximilian Heinrich Carl Graf von 267 Skinner, Quentin 24 Solms-Baruth, Friedrich Heinrich Ludwig Graf zu 253, 265f., 269, 275, 291, 295

325 Solms-Sonnenwalde, Wilhelm Carl Peter Theodor Graf zu 209, 291 Stägemannn, Friedrich August 168 Stamm-Kuhlmann, Thomas 21, 194 Stein, Heinrich Friedrich Carl Freiherr vom und zum 55, 106 Stephan, Werner I. 30 Stern, Alfred 128 Straubel, Rolf 30 Stubenrauch, Wilhelm 294 Stülpnagel(-Dargitz), Carl von 101 Stutterheim, Anton von 294 Sully, Maximilien de Béthune, Herzog von 216 Tacke, Charlotte 26 Thaer, Albrecht Daniel 34, 166, 174 Thielau, Heinrich Otto von 294 Thümen, Hans Hermann von 293 Thümen, Wilhelm Hermann Heinrich von 293 Treskow(-Friedrichsfelde), Johann Carl Sigismund von 293 Troschke, Ernst Wilhelm Rudolph von 117 Tschirschky (und Boegendorff), Heinrich Friedrich Levin von 293 Varnhagen von Ense, Karl August 30, 173, 176, 178, 180, 268 Veltheim, Karl Achatz von 293 Vernezobre, Friedrich Ludwig von 140 Vetter, Klaus 24, 30, 128, 159, 160 Vincke, Georg Ernst Friedrich Freiherr von 267, 273 Vincke, Friedrich Ludwig Wilhelm Philipp Freiherr von 122, 203 Vogel, Barbara 21, 195 Voß(-Buch), Carl Otto Friedrich (1840 Graf) von 29, 100, 142, 167, 172, 173, 175 –177, 180, 186, 211, 258, 295 Voß, Otto Carl Friedrich von 48, 50, 54f., 65 – 68, 71, 87, 100, 106, 111, 120 –125, 127, 137, 142f, 145 –147, 154, 159f., 163, 165, 167, 174 –180, 184 –188, 192f., 198, 201, 203 –205, 214f., 269 Waldow(-Fürstenau), Achatz Wilhelm August von 294 Waldow und Reitzenstein, Karl Friedrich Ernst Eduard von 294 Weber, Max 13, 285

326 Wedell, Georg Gottlieb Ferdinand von 204 Werdeck, Adolph von 268, 292 W(o)erlitz Siehe Rochow, Maria Elisabeth von Wienfort, Monika 20 Winterfeld(-Groß-Spiegelberg), Ludwig Adolph von 101, 224, 227, 293 Winterfeld(-Menkin), August Detlof Wilhelm Ehrenreich von 173, 293 Winterfeld(-Metzelthin), Carl Detlof von 293 Winterfeld(-Neuenfeld), Detlof Heinrich Ferdinand von 224 Winterfeld(-Nieden), Moritz Levin von 111, 114f., 118 Winterfeld, Carl Friedrich Gottlob 173 Winterfeld, Vivigenz Alexander Christian von 167, 172, 174

Anhang Witte, Gustav Adolph Wilhelm von 294 Witten(-Osdorf), Wilhelm Leopold (Baron) von 172, 175, 219, 222f., 243, 293 Wittgenstein Siehe Sayn-WittgensteinHohenstein Witzleben, Job von 215 Wülcknitz(-Prendern), Otto Freiherr von 167, 172, 175 Wylich und Lottum, Carl Friedrich Heinrich Graf von 197 Zieten(-Barsikow), von 292 Zieten, Friedrich Christian Ludwig (1840 Graf) von 53, 69, 82, 87, 116, 163f., 204, 256 Zimmermann, Johann Ernst Wilhelm Eduard von 263, 294 Zychlinski, Gustav Gottlob von 220, 294