Impulse zur Fremdsprachendidaktik – Issues in Foreign Language Education [1 ed.] 9783737012232, 9783847112235

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Impulse zur Fremdsprachendidaktik – Issues in Foreign Language             Education [1 ed.]
 9783737012232, 9783847112235

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Wissenschaft und Lehrerbildung

Band 5

Herausgegeben von Peter Geiss und Roland Ißler

Roland Ißler / Uwe Küchler (Hg.)

Impulse zur Fremdsprachendidaktik – Issues in Foreign Language Education

Mit 18 Abbildungen

V&R unipress Bonn University Press

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Veröffentlichungen der Bonn University Press erscheinen bei V&R unipress. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Bonner Zentrums für Lehrerbildung (BZL). © 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: © Barbara Frommann / Universität Bonn Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2511-5731 ISBN 978-3-7370-1223-2

Inhalt

Roland Ißler (Bonn) / Uwe Küchler (Tübingen) Impulse zur Fremdsprachendidaktik. Zur Einleitung . . . . . . . . . . . .

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Impulse zur Fremdsprachendidaktik – Issues in Foreign Language Education Johannes Kramer (Trier) Das Paradies hinter dem Horizont in Antike und Renaissance. Reale und imaginäre Entdeckungsgeschichten für den alt- und neusprachlichen Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Werner Nagel (Feldkirch) Latinitas Pons. Latein – Brückenfunktion im modernen Fremdsprachenunterricht. Didaktische Modelle . . . . . . . . . . . . . . .

49

Sonja Döll-Schmidt (Darmstadt) Salve! – Hello! – Salut! Ein dreisprachiges Arbeitsheft für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

Katrin Siebel (Berlin) Das Schulfach Latein in einem Gesamtsprachencurriculum – Überlegungen zur Förderung von Mehrsprachigkeit . . . . . . . . . . . . 127 Maria Eisenmann (Würzburg) Adaptation, Creation, Transformation – Shakespeare in the EFL Classroom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

6

Inhalt

Roland Ißler (Bonn) Kaffeekultur zwischen café und caffè im bildungsorientierten Französisch- und Italienischunterricht. Zum fremdsprachendidaktischen Potential eines transkulturellen Alltagsphänomens und seiner literarischen Reflexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Christina Bertelmann (Vossenack) Der Holocaust: Ein Thema für den Französischunterricht in Deutschland? 207 Laurenz Volkmann (Jena) Das Erproben interkultureller Begegnungssituationen in critical incidents: Zehn Beispiele für die Komplexität einer viel empfohlenen Lehr-Lern-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Peter Freese † (Paderborn) Teaching The American Dream through Popular Music

. . . . . . . . . . 243

Christoph Oliver Mayer (Berlin / Dresden) Der Eurovision Song Contest als Mittler europäischer Integration? Sprachenbegeisterung im romanischen Fremdsprachenunterricht . . . . . 263 Peter Schildhauer (Bielefeld) More than ‘Just Blogging’: Introducing Blogging as a Practice in English Language Teaching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Theresa Summer (Würzburg) Grammar Education in the Global Village: A Guideline for Grammar Activity Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Bianca Roters (Soest) Professionalisierung durch Forschendes Lernen im Englischstudium . . . 337 Stefan Schustereder (Neuss) Von ABB bis ZfsL – Ein Erfahrungsbericht zur schulpraktischen Lehrerausbildung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Philipp Siepmann (Münster) Teaching Culture across the Curriculum – Entwicklung eines differenzierten kulturdidaktischen Konzepts für den bilingualen Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

Inhalt

7

Representing Poverty and Precarity in a Postcolonial World Maria Eisenmann (Würzburg) The Potential of Postcolonial (Poverty) Literature in the EFL Classroom . 391 Jason Blake (Ljubljana) Up from Poverty? Sports, Postcolonialism, and Poverty in Canada . . . . 409 Stefan Schustereder (Neuss) Poverty and Precarity in EFL Teaching – Social Diversity in German EFL Curricula and Textbooks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441

Impulse zur Fremdsprachendidaktik

Zur Einleitung „Die Grenzen meiner Sprache“, so formulierte es vor 100 Jahren Ludwig Wittgenstein in seinem Tractatus logico-philosophicus (1921), „bedeuten die Grenzen meiner Welt.“1 Der Aphorismus verleiht einer bis heute unschwer nachvollziehbaren Erfahrung Ausdruck, deren Wahrheit sich immer wieder erweist, wenn sprachliche Barrieren die Kommunikation beeinträchtigen. Gilt dies schon für Sprache schlechthin, so wird die Beschränktheit des Ausdrucks erst recht spürbar angesichts des Zusammentreffens verschiedener Sprachen. So ließe sich der Satz, positiv gewendet, auch als ein implizites Plädoyer für den Fremdsprachenerwerb lesen: Mit Fremdsprachen lassen sich ‚die Grenzen meiner Welt‘ überwinden. Ein knappes Jahrhundert später ist die weltweite Verständigung über Grenzen hinweg zunehmend zur Selbstverständlichkeit geworden. Sprachliche Kontakte haben die Menschen aller Erdteile einander nähergebracht; auch wenn es zuletzt unübersehbar gegenläufige Tendenzen gab (Erstarken des Nationalismus, Abschottungsbestrebungen in der Pandemie), werden Grenzen in vielen Bereichen eingerissen und überbrückt. Diese scheinbare Gewissheit darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Fremdsprachen von jeder Generation aufs Neue erfahren und erworben, wachgehalten und gepflegt werden müssen. Die globale Vernetzung erfolgt auf vielen Ebenen und Kanälen und umfasst soziale, politische, wirtschaftliche, d. h. im weitesten Sinne kulturelle Fragen. Denn die grenzüberschreitende Kommunikation erfordert nicht nur pragmatische Fertigkeiten, sondern betrifft den Menschen in seinem gesamten Dasein. Die dadurch erhöhten Anforderungen an die interkulturelle Verständigung haben in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur Eingang in den schulischen Fremdsprachenunterricht gefunden und seine Wirksamkeit erhöht, sondern auch die Fremdsprachendidaktiken als wissenschaftliche Disziplinen und in1 Ludwig Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus, in: Ders.: Schriften, Frankfurt am Main 1960, Satz 5.6, S. 64.

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Roland Ißler / Uwe Küchler

terdisziplinäres Wissensgebiet umgestaltet. Ihre Bildungsverantwortung vergrößert sich proportional zum Bedeutungszuwachs des Fremdsprachenerwerbs. Hat die Europäische Union schon früh das Leitziel des trilingualen Bürgers ins Spiel gebracht,2 so ist seine Verwirklichung gleichwohl bis heute weithin beschwerlich geblieben. Das Englische führt als erste und zumeist obligatorische Fremdsprache den Kanon der Schulsprachen mittlerweile unangefochten an, gefolgt von einem reichen Angebot an Folgefremdsprachen, das in Abhängigkeit von Schulform und Jahrgangsstufe, aber auch von regionalen Unterschieden variiert.3 Während das Französische seinen Status als Weltsprache weiter verteidigt, nicht ohne bisweilen unter Druck zu geraten,4 zeichnet sich in jüngster Zeit in Europa ein spürbarer Zuwachs des Spanischen als Fremdsprache ab, und auch das Italienische zeigt in den deutschsprachigen Ländern weitestgehend stabile Schülerzahlen. Dasselbe gilt für das solide Fundament der klassischen Bildungssprachen, selbst wenn immer wieder praxis- und sachorientierte, pragmatische Kommunikationsziele gegen sie ausgespielt werden. Die folgende Tabelle nach den aktuell neuesten Erhebungen des Statistischen Bundesamts5 spiegelt eine Momentaufnahme der letzten Schuljahre. Schuljahr Sprachen Englisch Französisch

2017/18

2018/19

absolut absolut Allgemeinbildende Schulen 7.122.156 1.440.521

Veränderung zum Vorjahr in % 7.025.004 1.401.189

– 1,4 – 2,7

Latein Altgriechisch

611.507 10.698

597.279 10.815

– 2,3 1,1

Spanisch Italienisch

444.539 47.845

463.968 47.670

4,4 – 0,4

Russisch Türkisch

106.028 44.757

101.862 42.435

– 3,9 – 5,2

75.137

75.483

0,5

Sonstige Sprachen

2 Vgl. Europäische Kommission: Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung. Lehren und Lernen – Auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft, Luxemburg 1996, S. 72. 3 Vgl. Eva Burwitz-Melzer / Hans-Jürgen Krumm / Grit Mehlhorn: An Schulen deutschsprachiger Länder unterrichtete Sprachen, in: Dies. / Karl-Richard Bausch / Claudia Riemer: Handbuch Fremdsprachenunterricht, 6. Auflage, Tübingen 2016, S. 477–479, insbes. S. 477. 4 Vgl. Ingeborg Christ: Zur heutigen Situation des Französischunterrichts in Deutschland, in: Hans-Ludwig Krechel (Hg.): Französisch-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2015, S. 33–49. 5 Auszug aus: Statistisches Bundesamt (Destatis): Schüler/-innen mit fremdsprachlichem Unterricht (Stand 23. Oktober 2019), verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesell schaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Schulen/Tabellen/allgemeinbildende-berufliche schulen-fremdsprachl-unterricht.html [letzter Aufruf am 19. 02. 2020].

Impulse zur Fremdsprachendidaktik

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So sehr die globale Expansion den Fremdsprachenunterricht aufwerten mag, birgt sie doch auch das Risiko, ihn zur Preisgabe seiner Vielfalt und Ausgewogenheit zu zwingen. Ein gegenwärtig weit verbreitetes funktionalistisches Sprachverständnis, das Fremdsprachenlernen im Gefolge des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen allgemein auf rein anwendungsbezogene Sprechkompetenzen reduziert,6 kann leicht zu einer Ausdünnung und Verarmung durch den Fremdsprachenunterricht transportierter Inhalte führen. Kompetenzorientierung, früh beginnender bilingualer Unterricht, Mehrsprachigkeitsdidaktik, die digitale Erweiterung medialer Möglichkeiten und jüngst die Frage der fremdsprachendidaktischen Inklusion werfen viele neue Fragen auf. Eine wesentliche fremdsprachendidaktische Herausforderung liegt nicht zuletzt in dem Festhalten an einer fachwissenschaftlichen Grundierung von Spracherwerbsprozessen.7 Vor dem Hintergrund dieser und vieler weiterer Entwicklungen nimmt die gesellschaftliche Verantwortung der Lehrerbildung in den Fremdsprachenfächern stetig zu. Die Lehrerbildung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, die mit den Fächern Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch sowie Latein und Altgriechisch eine Reihe der wichtigsten in Deutschland unterrichteten modernen und klassischen Schulsprachen umfasst, ist sich dieser Verantwortung sehr bewusst und stellt sich ihr in der Forschung ebenso wie in der Lehre auf vielfältige Weise.8 Zu den spezifischen Charakteristika der Bonner Lehrerbildung zählt das Bekenntnis zur Fremdsprachendidaktik als einer gemeinsamen und fächerübergreifend abgestimmten Aufgabe.

Zum Aufbau Fünfzehn ausgewählte Beiträge zu den fremdsprachendidaktischen Disziplinen der genannten alten und neuen Schulsprachen (Didaktik des Lateinischen und Altgriechischen, Didaktik des Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen) aus einer gemeinsamen Vortragsreihe werden hier erstmals vorgestellt und zusammen mit drei Beiträgen eines englischdidaktischen Teachers’ 6 Vgl. Europarat: Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: Lernen, lehren, beurteilen, Berlin 2001. 7 Vgl. hierzu programmatisch den Eröffnungsband der vorliegenden Buchreihe: Peter Geiss / Roland Ißler / Rainer Kaenders (Hg.): Fachkulturen in der Lehrerbildung, Göttingen 2016 (Wissenschaft und Lehrerbildung, 1). 8 Vgl. auch das Leitbild der Lehrerbildung an der Universität Bonn: Bonner Zentrum für Lehrerbildung (BZL): Fachlich. Kooperativ. Nachhaltig. Lehrerbildung an der Universität Bonn. Leitbild, o. J. [2017], verfügbar unter: https://www.bzl.uni-bonn.de/organisation/170706-leit bild-lehrerbildung.pdf [letzter Aufruf am 19. 02. 2020].

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Roland Ißler / Uwe Küchler

Day in Form eines Sammelbandes präsentiert. In den Aufsätzen wird aus je fachspezifischer Sicht danach gefragt, welche sprach- und bildungsspezifischen Verbindungen sich in konkreten Beispielen aufzeigen lassen bzw. wie mit Migration, Armut und Prekarität im Angesicht rasanter globaler, aber auch lokaler unterrichtspraktischer Veränderungen umzugehen ist. Obwohl die Beiträge aus verschiedenen Bereichen der Fremdsprachendidaktik stammen und, oberflächlich betrachtet, disparat erscheinen mögen, bieten sie doch einen aussagekräftigen Überblick über die Vielzahl an Impulsen, die fachdidaktische Arbeit heute geben kann. Zur Ergänzung und Vertiefung des Lehramtsstudiums aller fremdsprachenbezogenen Studienfächer fand in den Semestern zwischen 2013 und 2016 an der Universität Bonn die fächerübergreifende und -verbindende Gastvortragsreihe „Impulse zur Fremdsprachendidaktik – Issues in Foreign Language Education“ statt.9 Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft, Schule und unterrichtsaffinen Bereichen wie Schulbuchverlagen, Administration und Medien stellten in diesem Rahmen ihre Expertise in den Dienst der universitären Lehrerbildung. Die hier versammelten, aus der Vortragsreihe erwachsenen Beiträge illustrieren insbesondere die Verbindungsstellen zwischen Fachwissenschaft, universitärer Fremdsprachendidaktik und Unterrichtspraxis. Die unterschiedlichen Ansätze und Konzepte stellen für die verschiedenen fremdsprachendidaktischen Disziplinen Anregungen und Impulse bereit. Sie richten sich an Studierende der Lehrämter und ebenso an Lehrende im universitären wie im schulischen Kontext. Die Beiträge der pluridisziplinären Vortragsreihe „Impulse zur Fremdsprachendidaktik“, der sich der Titel des vorliegenden Bandes verdankt, umfassen zum einen thematische Annäherungen an kulturell und interkulturell relevante Inhalte, deren Durchdringung und Weiterentwicklung für den Fremdsprachenunterricht der jeweiligen Fächer aktuelle und traditionelle, zum Teil experimentelle Anregungen bieten. Neben im engeren Sinne englischdidaktischen Aufsätzen sind aus dem Bereich der klassischen und romanischen Sprachen insbesondere Überlegungen zur Mehrsprachigkeitsdidaktik versammelt. Zum anderen enthalten die Beiträge Fragestellungen, welche die Professionalisierung angehender Lehrerinnen und Lehrer und damit die inhaltliche und curriculare Gestaltung universitärer Lehrerbildung und schulpraktischer Lehrerausbildung betreffen. In die Zeit der Bonner Vortragsreihe fiel u. a. die Einführung des Praxissemesters in Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Lehramts-Masterstu9 Im genannten Zeitraum wurde die von den beiden Herausgebern im Rahmen ihrer fachdidaktischen Juniorprofessuren (Englischdidaktik bzw. Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen unter Mitbetreuung der Didaktik der alten Sprachen) ins Leben gerufene Vortragsreihe in enger Abstimmung und Zusammenarbeit gemeinsam organisiert. Seit 2016 setzt Prof. Uwe Küchler die Reihe an der Universität Tübingen als englischdidaktische Veranstaltung fort.

Impulse zur Fremdsprachendidaktik

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diengänge (Master of Education), mit dem die Auseinandersetzung mit Prinzipien des Forschenden Lernens ebenso einherging wie die interinstitutionelle Zusammenarbeit zwischen den Fachdidaktiken der Hochschule und den unmittelbar unterrichtspraktisch tätigen Akteuren an den Schulen und am Studienseminar (Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung). Beides schlug sich in der Reihe nieder, die diesen hochinteressanten Prozess der Umgestaltung seinerzeit in unmittelbarer Synchronie begleitete und so zu ihrer spezifischen Prägung gelangte, und findet nun in den hier aufgenommenen Beiträgen einen nachhaltigen Reflex. Johannes Kramer (Trier) regt dazu an, den altsprachlichen Unterricht um geeignete Lektürebeispiele der modernen, insbesondere romanischen Sprachen zu erweitern, um den kulturellen Hintergrund lateinischer Texte durch den Einbezug ihrer Rezeptionsgeschichte in umfassender Weise wahrnehmen zu können. Anhand von fiktiven Reiseberichten und Beschreibungen historischer Entdeckungsfahrten aus der Antike, dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit zeigt er eine Reihe unerwarteter Parallelen auf und lässt die Texte untereinander in einen kulturgeschichtlich wirksamen Dialog treten. Werner Nagel (Feldkirch), Autor mehrerer Lehrwerke zum mehrsprachigkeitsorientierten Lateinunterricht, entwickelt auf der Grundlage des Sprachvergleichs zwischen dem Lateinischen und den modernen romanischen Sprachen sowie dem Englischen diverse Lerneinheiten, die zu interlingualen Sprachentdeckungen in Fremdsprachenunterricht oder Selbststudium anregen. Eine Besonderheit liegt darin, dass er klassische literarische Textvorlagen mit aktuellen Pressemeldungen zu politischen, zeitgeschichtlichen und kulturellen Themen, mit modernen Übersetzungen und Songtexten kombiniert und durch attraktive inhaltliche Anregungen zeitlos lebendig werden lässt. Sonja Döll-Schmidt (Darmstadt) stellt eine gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern einer zehnten Jahrgangsstufe erstellte mehrsprachigkeitsdidaktische Broschüre vor, die den Fremdsprachenunterricht der Sprachen Englisch, Französisch und Latein verknüpft, um bei jungen Lernenden am Beginn der Gymnasialzeit Neugier auf die künftig noch zu entdeckenden Sprachen zu wecken. Das in Begleitung der Technischen Universität Darmstadt konzipierte Übungsheft zählt zu den frühen, unmittelbar aus der Schulpraxis erwachsenen mehrsprachigkeitsdidaktischen Arbeitsmaterialien und wird hier erstmals einem breiteren Fachpublikum zugänglich gemacht. Ausgehend von der fremdsprachendidaktisch höchst bedenkenswerten und doch nie konsequent umgesetzten Idee eines Gesamtsprachencurriculums, setzt sich Katrin Siebel (Berlin) dezidiert mit dem Potential des Lateinischen zur Förderung von Mehrsprachigkeit auseinander und zeigt Wege auf, dem Lateinunterricht mit Blick auf die gezielte Schulung von Sprachenbewusstheit im Kanon der Schulfremdsprachen einen festen Platz zuzuweisen. Der Beitrag steht

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Roland Ißler / Uwe Küchler

im Kontext der Promotionsstudie der Autorin, die in der vorliegenden Buchreihe erschienen ist.10 Während einige Curricula auf klassische Shakespeare-Lektüre verzichten, versteht es Maria Eisenmann (Würzburg), in ihrem Beitrag die besondere Popularität von William Shakespeare und vielfältige mit seinem Werk verbundene Unterrichtsmöglichkeiten aufzuzeigen. Besondere Attraktivität strahlen neben dem Originaltext selbst auch populärkulturelle Adaptionen oder gar Transformationen aus. Roland Ißler (Bonn) zeichnet die Kulturgeschichte des Kaffeekonsums in Europa und der Welt nach, die in den romanischsprachigen Ländern, vornehmlich in Italien und Frankreich, eine besondere alltagskulturelle Ausprägung erfahren hat. Zumal das Einstiegsalter für Kaffee mit der Wahl des Französischen oder Italienischen als zweiter bzw. dritter Fremdsprache koinzidiert, ergeben sich daraus motivierende Möglichkeiten, über das Genussmittel in die Literatur und Kultur der jeweiligen Zielsprache einzutauchen und sich mit dem auch transkulturell relevanten Phänomen des Kaffees vertieft auseinanderzusetzen. Dies eröffnet auch dem bilingualen Sachfachunterricht neue Perspektiven. Christina Bertelmann (Vossenack) widmet sich einem höchst sensiblen Thema, dessen politischer Bedeutsamkeit sie im modernen Fremdsprachenunterricht Rechnung trägt: Ausgehend von einer aktuellen französischen Comicfassung des Tagebuchs der Anne Frank, lotet sie Möglichkeiten aus, wie die Auseinandersetzung mit dem Holocaust Eingang in den Französischunterricht an deutschen Schulen finden und zu einem verantwortlichen Umgang führen kann. Laurenz Volkmann (Jena) untersucht die vor allem aus dem Interkulturellen Management geläufige Lehr-Lern-Methode der critical incidents, der brenzligen interkulturellen Begegnungsmomente, auf ihre Anwendbarkeit auch im schulischen Fremdsprachenunterricht. Das in anfänglichen Missverständnissen ruhende Erkenntnispotential und die hieraus hervorgerufene kognitive Aktivierung erläutert und veranschaulicht er anhand von zehn critical incidents aus den Bereichen Sprache und Literatur bzw. aus dem direkten Kulturkontakt. Theoretisch fundiert und mit einer Fülle an zeitgenössischen musikalischen Beispielen stellt Peter Freese † (Paderborn) dar, wie das Narrativ des American Dream mittels populärer Musik und Videoclips Eingang in den Englischunterricht finden kann. Dieser Zugang erlaubt es einerseits, sich auf lebensweltliche Interessen der Schülerinnen und Schüler zu beziehen, und andererseits, sich inhaltlich mit der Dynamik des American Dream als Unterrichtsgegenstand auseinanderzusetzen. 10 Vgl. Katrin Siebel: Mehrsprachigkeit und Lateinunterricht. Überlegungen zum lateinischen Sprachwortschatz, Göttingen 2017 (Wissenschaft und Lehrerbildung, 4).

Impulse zur Fremdsprachendidaktik

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Christoph Oliver Mayer (Berlin / Dresden) untersucht die jahrzehntelange Tradition des Eurovision Song Contests als beliebtes Phänomen europäischer Populärkultur und hinterfragt kritisch, inwiefern die auf dem Wettbewerb präsentierten Songs und Chansons die Motivation auf Seiten der Lerner für den romanischen Fremdsprachenunterricht zu steigern vermögen. Dabei spielt gerade die Sprachenfrage eine bedeutende Rolle, da die romanischen Sprachen vom Englischen nicht nur auf der musikalischen Bühne, sondern auch im gesellschaftlichen Wettstreit zunehmend verdrängt werden. Peter Schildhauer (Bielefeld) wendet sich dem Blogging zu und diskutiert es als wichtige Komponente der rasant an Bedeutung gewinnenden digital literacy. Im Blogging sieht er nicht nur ein technologisches Instrument, sondern auch eine Form sozialer Praxis, die es in ihren interaktiven Facetten und Fallstricken zu erproben und zu erlernen gilt. Im Beitrag werden Entstehungszusammenhänge und funktionale Ausdifferenzierungen nachgezeichnet und anschließend zu einem methodologischen Umsetzungsbeispiel des Blogs als Lesejournal hingeführt. Die Rolle der Grammatik im Englischunterricht für die Förderung und Erlangung einer umfassenden, integrativen Kompetenz der Sprachverwendung wird von Theresa Summer (Würzburg) dargestellt. Auf der Basis rezenter theoretischer Konzeptionen bietet sie eine praktische Anleitung für den Grammatikunterricht und stellt variantenreiche Aktivitäten vor. Das neue Austarieren des Verhältnisses von Theorie und Praxis war eine Motivation für die Neugestaltung des Lehramtsstudiums der jüngsten Vergangenheit. Bianca Roters (Soest) nimmt diese Situation als Hintergrund für die Erkundung der Lehrmethode des Forschenden Lernens, die sie anhand von Studien zum Englischunterricht untersucht und im Kontext der Professions- und Expertenforschung einordnet. Im Format des persönlichen Erfahrungsberichts setzt sich Stefan Schustereder (Neuss) exemplarisch mit dem Vorbereitungsdienst in Nordrhein-Westfalen auseinander. Seine Darstellungen geben Einblick in fachliche Hintergründe ebenso wie in organisatorische Abläufe und erlauben die Übertragung von besonderen Lernsituationen und Herausforderungen auch auf das Referendariat anderer Bundesländer. Philipp Siepmann (Münster) befasst sich mit der Erweiterung des Konzepts des Interkulturellen Lernens für den bilingualen Unterricht. Ausgehend von einer Fallstudie vergleicht und differenziert er geläufige kulturdidaktische Konzeptionen, um schließlich mit Hilfe eines methodischen Unterrichtsbeispiels eine Anwendungsmöglichkeit zu verdeutlichen.

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Roland Ißler / Uwe Küchler

Die Fremdsprachendidaktik beschäftigt sich nicht allein mit Spracherwerb, Kompetenzorientierung oder Leistungsbewertung, sondern in besonderem Maße auch mit den jeweiligen sprach- oder sprecherspezifischen Literaturen und Kulturen in ihren diversen medialen Erscheinungsformen. Sie untersucht diese sprachlichen, literarischen und kulturellen Testimonien auf bildungsrelevante Zugänge hin, lotet ihren Bildungswert aus und ist bestrebt, sie verfügbar und zudem nachhaltig wirksam zu machen.11 Eine wichtige Aufgabe der Fremdsprachendidaktik besteht darin, das Wissen über Sprachen, Literaturen, Kulturen und Medien im Kontext historischer wie zeitgenössischer Themen zu durchdringen und nach Möglichkeit für die Schule, für den Fachunterricht und für relevante Lehr- und Lernszenarien aufzuarbeiten.12 Fremdsprachendidaktik kann als eine Kontaktzone verstanden werden, in der wissenschaftliche Erkenntnisse und unterrichtspraktische Ansprüche sich berühren und aufeinander beziehen.13 Derzeitige internationale, gesellschaftspolitische und schulische Entwicklungen erfordern die fokussierte Bearbeitung neuerer und drängender Fragestellungen und Themen – etwa Heterogenität und Inklusion, Ökologie oder auch Armut und Prekarität. Vor diesem Hintergrund haben wir ausgewählte Beiträge eines englischdidaktischen Teachers’ Day zum Thema „Teaching Poverty and Precarity“ in den vorliegenden Band integriert. Dieser Fachtag und seine Vorträge waren integraler Bestandteil der Konferenz „Representing Poverty and Precarity in a Postcolonial World“ der Gesellschaft für Anglophone Postkoloniale Studien (GAPS), die im Mai 2017 von Marion Gymnich, Barbara SchmidtHaberkamp, Klaus P. Schneider und Uwe Küchler an der Universität Bonn ausgerichtet wurde. Mit dem Teachers’ Day selbst und dem Einbeziehen der Vorträge in diesen Band unterstreichen wir unsere gemeinsame Auffassung, dass die Fachwissenschaften und die Fachdidaktiken eng ineinandergreifen müssen.14 Maria Eisenmann (Würzburg) nimmt sich ausgewählter postkolonialer Jugendromane der englischen Literatur an und ergründet deren Potential für den 11 Vgl. am Beispiel der romanischen Kulturen: Roland Ißler: Zeit für Bildung in Zeiten der Effizienzlogik. Ein Gang zum Brunnen oder: Vom Wert kultureller und humaner Bildung für den romanischen Fremdsprachenunterricht, in: Stephan Stomporowski / Anke Redecker / Rainer Kaenders (Hg.): Bildung – noch immer ein wertvoller Begriff ?!, Göttingen 2019, S. 177– 198. 12 Ein Definitionsvorschlag für den Bereich der romanistischen Fachdidaktik findet sich z. B. bei Roland Ißler: Universitäre Lehrerbildung zwischen Tradition und Innovation. Kritische Reflexionen zur Fachkultur der Romanischen Philologie und Fremdsprachendidaktik, in: Agustín Corti / Johanna Wolf (Hg.): Romanistische Fachdidaktik. Grundlagen – Theorien – Methoden, Münster / New York 2017, S. 37–53, hier S. 45f. 13 Vgl. Uwe Küchler: Fremdsprachendidaktik als interdisziplinäre Wissenschaft: Ökologie, Umwelt und die Inhaltsfrage, in: Peter Geiss / Roland Ißler / Rainer Kaenders (Hg.): Fachkulturen in der Lehrerbildung, Göttingen 2016 (Wissenschaft und Lehrerbildung, 1), S. 179– 194, hier S. 183–186. 14 Vgl. Ißler: Universitäre Lehrerbildung zwischen Tradition und Innovation, S. 46–49.

Impulse zur Fremdsprachendidaktik

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Unterricht. Besondere Aufmerksamkeit widmet sie dem Zusammenspiel von vergleichbaren Erfahrungen des coming of age und fremdartigen oder unbekannten Erfahrungen postkolonialer Lebensumstände. Sport-Erzählungen und ihnen eigene Topoi, hier am Beispiel des kanadischen Hockeys analysiert, dienen Jason Blake (Ljubljana) dazu, die Themen von Armut und Postkolonialität zusammenzuführen und anhand von Romanbeispielen zu diskutieren. Einzelne Problempunkte postkolonialen Erzählens – etwa die vereinnahmende Inbesitznahme von Erzählerstimmen oder Kulturgütern – werden im Hinblick auf Unterrichtsgespräche thematisiert und damit die Bedeutung des postkolonialen Geschichtenerzählens für Jugendliche fokussiert. Stefan Schustereder (Neuss) untersucht Rahmencurricula und Lehrwerke für den Englischunterricht auf ihren Umgang mit kultureller Vielfalt und deren Darstellung. Er zeigt, dass die Darstellung von Armut und Prekarität zu häufig auf postkoloniale Zusammenhänge beschränkt bleibt und damit ein eurozentristisches Weltbild perpetuiert. Dabei werden die historische Gewordenheit oder die (postkolonialen) Ursachen von Armut zu wenig oder gar nicht berücksichtigt. Für die finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung unseres Bandes sagen wir dem Bonner Zentrum für Lehrerbildung (BZL) und dem Lehrstuhl Küchler (Universität Tübingen) verbindlich Dank. Bei der redaktionellen Vorbereitung erhielten wir tatkräftige und sachkundige Hilfe von Jan Eric Schnellbacher und Daniel Schönbauer (Bonn) sowie von Marc Kadel (Tübingen) und, in besonders umfangreichem Maße, von Stephanie Liang (Tübingen) und Raphael Heumann (Bonn). Ihnen gilt unser Dank ebenso wie dem Team des V&R-Verlags Göttingen, insbesondere Dr. Julia Schwanke, für die umsichtige und verlässliche Begleitung des Bandes bis zu seiner Publikation. Abschließend danken wir insbesondere allen unseren Autorinnen und Autoren für ihre vielfältigen Impulse in Form von Vorträgen, anregenden Gesprächen und Diskussionen sowie weiterführenden Buchbeiträgen. Wir wünschen allen – ob in der Lehrerbildung und Lehrerausbildung tätigen, ob an Universitäten und Hochschulen, Seminaren und Schulen – mit Fremdsprachendidaktik befassten studentischen und professionellen Leserinnen und Lesern eine anregende Lektüre sowie Mut und Beherztheit und eine glückliche Hand bei der Umsetzung des einen oder anderen Vorschlags. Roland Ißler und Uwe Küchler Bonn und Tübingen, im Sommer 2020

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Roland Ißler / Uwe Küchler

Bibliographie Bonner Zentrum für Lehrerbildung (BZL): Fachlich. Kooperativ. Nachhaltig. Lehrerbildung an der Universität Bonn. Leitbild, verfügbar unter: https://www.bzl.uni-bonn.de/ organisation/170706-leitbild-lehrerbildung.pdf [letzter Aufruf am 19. 02. 2020]. Burwitz-Melzer, Eva / Krumm, Hans-Jürgen / Mehlhorn, Grit: An Schulen deutschsprachiger Länder unterrichtete Sprachen, in: Dies. / Bausch, Karl-Richard / Riemer, Claudia: Handbuch Fremdsprachenunterricht, 6. Auflage, Tübingen 2016, S. 477–479. Christ, Ingeborg: Zur heutigen Situation des Französischunterrichts in Deutschland, in: Krechel, Hans-Ludwig (Hg.): Französisch-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2015, S. 33–49. Europäische Kommission: Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung. Lehren und Lernen – Auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft, Luxemburg 1996. Europarat: Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: Lernen, lehren, beurteilen, Berlin 2001. Geiss, Peter / Ißler, Roland / Kaenders, Rainer (Hg.): Fachkulturen in der Lehrerbildung, Göttingen 2016 (Wissenschaft und Lehrerbildung, 1). Ißler, Roland: Universitäre Lehrerbildung zwischen Tradition und Innovation. Kritische Reflexionen zur Fachkultur der Romanischen Philologie und Fremdsprachendidaktik, in: Corti, Agustín / Wolf, Johanna (Hg.): Romanistische Fachdidaktik. Grundlagen – Theorien – Methoden, Münster / New York 2017, S. 37–53. Ißler, Roland: Zeit für Bildung in Zeiten der Effizienzlogik. Ein Gang zum Brunnen oder: Vom Wert kultureller und humaner Bildung für den romanischen Fremdsprachenunterricht, in: Stomporowski, Stephan / Redecker, Anke / Kaenders, Rainer (Hg.): Bildung – noch immer ein wertvoller Begriff ?!, Göttingen 2019, S. 177–198. Küchler, Uwe: Fremdsprachendidaktik als interdisziplinäre Wissenschaft: Ökologie, Umwelt und die Inhaltsfrage, in: Geiss, Peter / Ißler, Roland / Kaenders, Rainer (Hg.): Fachkulturen in der Lehrerbildung, Göttingen 2016 (Wissenschaft und Lehrerbildung, 1), S. 179–194. Siebel, Katrin: Mehrsprachigkeit und Lateinunterricht. Überlegungen zum lateinischen Lernwortschatz, Göttingen 2017 (Wissenschaft und Lehrerbildung, 4). Statistisches Bundesamt (Destatis): Schüler/-innen mit fremdsprachlichem Unterricht (Stand 23. Oktober 2019), verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesell schaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Schulen/Tabellen/allgemeinbildende-beruf licheschulen-fremdsprachl-unterricht.html [letzter Aufruf am 19. 02. 2020]. Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus, in: Ders.: Schriften, Frankfurt am Main 1960, S. 7–83.

Impulse zur Fremdsprachendidaktik – Issues in Foreign Language Education

Johannes Kramer (Trier)

Das Paradies hinter dem Horizont in Antike und Renaissance. Reale und imaginäre Entdeckungsgeschichten für den alt- und neusprachlichen Unterricht

1.

Voraussetzungen für die Behandlung im Unterricht

Im Fortgeschrittenenunterricht ist es ohne Zweifel förderlich, eine Zeit lang ein bestimmtes Thema anhand der Äußerungen verschiedener Autoren dazu zu behandeln. Wenn das Thema beispielsweise die Situation der Sklaven in der römischen Gesellschaft ist, kann man einschlägige lateinische Quellentexte zusammenstellen und im Lateinunterricht behandeln, und wenn es um die Rolle der Frauen im Frankreich des 16. Jahrhunderts geht, kann man zeitgenössische französische Schriftstellerzitate aufbereiten und so kommentieren, dass die Schülerinnen und Schüler sie mit möglichst großem Erkenntnisgewinn und ohne allzu große Langeweile verarbeiten. Sobald aber Sprachgrenzen überschritten werden müssen, wird die Sache schwieriger, denn dann muss der Spagat zwischen inhaltlichem Anspruch einerseits und sprachlicher Einübung andererseits geschafft werden. Was den altsprachlichen Unterricht anbetrifft, so ist dieses Dilemma ganz manifest: Ein Großteil der Quellen zur römischen Geschichte sind bekanntlich nicht auf Lateinisch, sondern auf Griechisch geschrieben, und beispielsweise sind viele der Aussprüche Caesars, die zu geflügelten Worten geworden sind, nicht in lateinischer, sondern bei Plutarch in griechischer Form überliefert und dann oft in englischer Formulierung bei Shakespeare ins kulturelle Gedächtnis der Welt eingegangen. Will man Schülerinnen und Schülern einen adäquaten Eindruck von der antiken Welt vermitteln, reicht es nicht, in mikroskopischer Langsamkeit ein paar lateinische Originaltexte zu lesen, sondern man muss diese Texte flankieren durch längere Abschnitte in deutscher Übersetzung, zuweilen auch durch Zusammenfassungen von Texten, die zu ausführlich für die Behandlung im Unterricht sind; griechische Texte sind in Übersetzung vorzulegen. In den neueren Sprachen ist die Lage nicht wesentlich anders: Historische Ereignisse, die sich für den Unterricht eignen, sind meistens in verschiedenen Sprachen abgefasst. Für die Entdeckung Amerikas zieht man normalerweise spanische Texte, also z. B. das Bordbuch des Kolumbus oder den Santángel-Brief,

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heran, aber die lateinischen Texte von Pietro Martire d’Anghiera (1457–1526) oder der italienische Bericht von Amerigo Vespucci (1451–1512) bleiben unberücksichtigt – nicht, weil sie weniger wichtig oder literarisch weniger anspruchsvoll wären, sondern weil wir sie aus sprachlichen Gründen aussortieren, denn die Entdeckung Amerikas ist ein Thema für den Spanischunterricht, nicht aber für den Italienisch- oder gar Lateinunterricht. Im Folgenden soll es um reale oder imaginäre Entdeckungsgeschichten gehen, wobei der Unterschied zwischen beiden Perspektiven oft – nicht immer – nur von uns gemacht wird. Während die antiken Darstellungen von Entdeckungen meistens auf Griechisch geschrieben sind, haben wir es in der Neuzeit mit spanischen, italienischen, französischen, lateinischen und gelegentlich deutschen, niederländischen oder englischen Texten zu tun. Im Original ist die Lektüre dieser Quellen kaum Wissenschaftlern, geschweige denn Schülern zuzumuten, andererseits ist der Inhalt so interessant, dass man ihn gerne zum Gegenstand eines schulischen Kurses machen würde. Als Ausweg bietet sich an, in der Schule eine gute Auswahl von übersetzten Texten anzubieten, die einen Gesamteindruck der Überlieferung vermitteln und eventuell zu weiterer Lektüre anregen können. Parallel wird man – je nach den sprachlichen Fächern – ausgewählte Originaltexte anbieten und sie langsam, also mit dem üblichen Tempo der schulischen Lektüre, im Unterricht lesen und erklären. Die Übersetzungen kann man selbst anfertigen, man kann aber auch auf vorhandene Fassungen zurückgreifen. Besonders zu empfehlen ist das bei klassischen epischen Texten: Für die Griechen wirkte die Sprache Homers und Hesiods archaisch, und mutatis mutandis denselben Eindruck erweckt der Stil von Johann Heinrich Voß (1751–1826) für einen heutigen deutschen Leser. Auch für spätere Texte sind oft klassische Übersetzungen vorhanden: Es bietet sich an, Lukian in der Übersetzung des deutschen Aufklärers Christoph Martin Wieland (1733–1813) zu lesen, und für Platon ist die Standardübersetzung die von Friedrich Schleiermacher (1768–1834) und Hieronymus Müller (1785–1861). Die griechischen, lateinischen, spanischen, italienischen Originaltexte sind in jeder Universitätsbibliothek, z. T. auch im Internet, leicht zugänglich und müssen hier nicht mit abgedruckt werden. Es ist nicht Absicht der nachfolgenden Zeilen, den jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aufzuarbeiten – allein mit den wichtigsten Titeln zu Platons Timaios und Kritias könnte man Seite um Seite füllen. Ziel ist es nur, Anregungen für die Gestaltung von schulischen Unterrichtsstunden zu geben, die Gemeinsamkeiten von Entdeckungsgeschichten, ob sie nun wirkliche Ereignisse oder literarische Phantasiewelten darstellen, in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellen. Jeweils ein kurzer Hinweis auf das wichtigste Werk der Sekundärliteratur muss genügen, um einen Wegweiser zu weiterer Lektüre zu bieten.

Das Paradies hinter dem Horizont in Antike und Renaissance

2.

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Homer beschreibt den Besuch des Odysseus auf der Phaiakeninsel Scheria

Die Griechen sind vom Anfang ihrer Geschichte an ein Seefahrervolk, und jeder Seefahrer ist immer neugierig auf das, was jenseits des Vorgebirges liegt, auf das er zufährt – meistens öffnen sich Perspektiven, die man kennt, aber es können auch völlig unerwartete neue Aspekte sein, besonders wenn man in schwerem Wetter unterwegs ist und dann durch die Strömungsverhältnisse in ruhiges Wasser gerät. Am Anfang der griechischen Literatur steht ein Schlachtengemälde, die Ilias, aber auch eine Seefahrergeschichte, die Odyssee. Odysseus erlebt immer wieder, dass er vom Sturm oder sonstigen äußeren Einflüssen in eine neue Umgebung mit neuen Abenteuern versetzt wird, und dieses frische Ambiente ist normalerweise eine Insel. Inseln sind für alle Seeanrainer ein Kosmos für sich, mit besonderen Gesetzmäßigkeiten, mit Menschen eigentümlicher Ausprägung und manchmal mit Wunderdingen, die man von woanders nicht kennt und die eine Besonderheit darstellen. Bevor Odysseus in seine Heimat Ithaka zurückkehren kann und mit dem dreizehnten Gesang der zweite Teil der Odyssee, der Kampf mit den Freiern, einsetzt, erreicht der vielgewanderte Mann, „ἀνὴρ πολύτροπος“, die letzte Station seiner Irrfahrt, die Phaiakeninsel Scheria,1 die viele Eigenschaften einer Paradiesinsel aufweist. In einem schrecklichen Sturm, den Odysseus nur durch die Hilfe Athenes durchstehen kann, landet er am Gestade der Insel: Als nun die Morgenröte des dritten Tages emporstieg, Siehe, da ruhte der Wind; von heiterer Bläue des Himmels Glänzte die stille See. Und nahe sah er das Ufer, Als er mit forschendem Blick von der steigenden Welle dahinsah.2

Freilich war die Insel vom „Getümmel der Wogen“3 („κύματι πηγῷ“) umtobt: Aber so weit entfernt, wie die Stimme des Rufenden schallet, Hört’ er ein dumpfes Getöse des Meers, das die Felsen bestürmte. Graunvoll donnerte dort an dem schroffen Gestade die hohe Fürchterlich strudelnde Brandung, und weithin spritzte der Meerschaum. Keine Buchten empfingen, noch schirmende Reeden die Schiffe, Sondern trotzende Felsen und Klippen umstarrten das Ufer.4

1 Die Literatur zu Scheria (bei Homer „Σχερίη“) ist am einfachsten greifbar im Kommentarband: Alfred Heubeck / Arie Hoekstra: A Commentary on Homer’s Odyssey I, Oxford 1990. 2 Hier und im Folgenden: Homer: Odyssee, nach der Übertragung von Johann Heinrich Voß, München 1962, 5, 390–393. 3 Ebd., 5, 389. 4 Ebd., 5, 400–405.

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Athene rettet ihren Schützling an einen wettergeschützten Ort, wo „zwei verschlungne Gebüsche, ein wilder und fruchtbarer Ölbaum“5 davon künden, dass man sich einem von den Göttern gesegneten Ort nähert. Am Anfang des sechsten Gesangs wird die Stadt der Phaiaken und ihre Herkunft vorgestellt: Diese wohnten vordem in Hypereiens Gefilde, Nahe bei den Kyklopen, den übermütigen Männern, Welche sie immer beraubten und mächtiger waren und stärker. Aber sie führte von dannen Nausithoos, ähnlich den Göttern, Brachte gen Scheria sie, fern von den erfindsamen Menschen, Und umringte mit Mauern die Stadt und richtete Häuser, Baute Tempel der Götter und teilte dem Volke die Äcker. Dieser war jetzo schon tot und in der Schatten Behausung, Und Alkinoos herrschte, begabt von den Göttern mit Weisheit.6

Scheria wird hier als typische Märcheninsel beschrieben: Die Siedlung berührt nicht die wilde Küste, ihre Bewohner sind auf der Flucht vor barbarischen Gegnern vor zwei Generationen auf die zuvor unbesiedelte Insel gekommen, der erste König hat alles errichtet, was eine ideale Stadt ausmacht, also Mauern, Häuser, Tempel und eine überlegte Einteilung des Ackerlandes. Die Insel liegt im Westen, denn die Besiedlung ging von „Hypereiens Gefilden“7 aus, aber sie liegt jetzt „fern von den erfindsamen Menschen“,8 also abseits der Seefahrer-Routen. Folglich hat die Stadt auch keine äußeren Feinde, und so stellt sie Nausikaa, die Tochter des Phaiakenkönigs Alkinoos, dem hilfesuchenden Odysseus auch vor: Denn sehr geliebt von den Göttern Wohnen wir abgesondert im wogenrauschenden Meere, An dem Ende der Welt, und haben mit keinem Gemeinschaft.9

Die Einrichtung der Stadt präsentiert Nausikaa dem Fremden in einer langen Parenthese, als sie ihn bittet, ihrem Wagen durch das unbewohnte städtische Vorland zu Fuß zu folgen, aber beim Erreichen der Stadtmauer den sichtbaren Kontakt zu lösen: Siehe, solange der Weg durch Felder und Saaten dahingeht, Folge mit meinen Mägden dem mäulerbespanneten Wagen Hurtig zu Fuße nach, wie ich im Wagen euch führe. Aber sobald wir die Stadt erreichen, welche die hohe Mauer umringt (an jeglicher Seit’ ist ein trefflicher Hafen, Und die Einfahrt schmal; denn gleichgezimmerte Schiffe 5 6 7 8 9

Ebd., 5, 477. Ebd., 6, 4–12. Ebd., 6, 4. Ebd., 6, 8. Ebd., 6, 203–205.

Das Paradies hinter dem Horizont in Antike und Renaissance

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Engen den Weg, und ruhn ein jedes auf seinem Gestelle. Allda ist auch ein Markt um den schönen Tempel Poseidons, Ringsumher mit großen gehauenen Steinen gepflastert, Wo man alle Geräte der schwarzen Schiffe bereitet, Segeltücher und Seile und schöngeglättete Ruder, Denn die Phäaken kümmern sich nicht um Köcher und Bogen, Aber Masten und Ruder und gleichgezimmerte Schiffe, Diese sind ihre Freude, womit sie die Meere durchfliegen), Siehe, da mied’ ich gerne die bösen Geschwätze, daß niemand Uns nachhöhnte; man ist sehr übermütig im Volke!10

Die Stadt entspricht also, zumindest aus seemännischer Sicht, dem Ideal: Sie hat zwei parallel gelegene Häfen, wo die Flotte auf beiden Seiten der schmalen Einfahrt auf ihren Einsatz wartet. Der mit Steinen gepflasterte Markt umschließt den Tempel des Poseidon, also des Stadtgottes, und der Markt dient vor allem als Werft, denn die Phaiaken sind Seeleute und nicht etwa Kämpfer zu Lande – „sie kümmern sich nicht um Köcher und Bogen“.11 Natürlich ist die Stadt der Phaiaken unermesslich reich, denn was sie dem Fremden auf seine Rückfahrt nach Ithaka als Gastgeschenke mitgeben, ist „mehr, als Odysseus je aus Ilion hätte geführet“.12 Es ist hier nicht der Ort, die kunstvolle Einbettung der Erzählung vom Falle Troias und von den Irrfahrten des Odysseus in ein Gastmahl bei den Phaiaken zu behandeln. Scheria ist jedenfalls ein Idealort am westlichen Rand der Oikumene, und damit keiner der neugierigen griechischen Seeleute auf die Idee käme, den Ort in einer abenteuerlichen Fahrt zu suchen, hat der Dichter der Odyssee dafür gesorgt, dass Scheria für alle Zeit unzugänglich bleiben wird: Poseidon bestraft seine Phaiaken dafür, dass sie allen Fremden ehrenvolle Rückreise gewähren, indem er das Schiff, das Odysseus nach Ithaka gebracht hatte, versteinerte und um die Stadt ein hohes Gebirge zog.13

3.

Hesiods Inseln der Seligen

Sieben Verse bei Hesiod, der im Vergleich zu den hohen poetischen Leistungen der homerischen Gedichte eine vergleichsweise bodennahe Dichtung bietet, malen uns ein Bild der Inseln der Seligen am Rande der Oikumene: Diesen entfernt von den Menschen Verkehr und Wandel gewährend, Ordnete Zeus der Vater den Sitz am Rande des Weltalls, 10 11 12 13

Ebd., 6, 259–274. Ebd., 6, 270. Ebd., 13, 137. Vgl. ebd., 13, 157–198.

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Fern bei den Ewigen dort, wo Kronos übet die Herrschaft. Und sie wohnen nunmehr, mit stets unsorgsamer Seele. An des Okeanos tiefem Gewog’, in der Seligen Inseln. Hochbeglückte Heroen; denn Honigfrüchte zum Labsal Bietet des Jahrs dreimal der triebsame Grund des Gefildes.14

Hesiod kennt Inseln, auf die die glückseligen Heroen („ὄλβιοι ἥρωες“15) nach dem Ende ihres Lebens versetzt werden, um dem finsteren Hades zu entgehen, in den die normalen Sterblichen einziehen müssen. Er nennt diese Inseln programmatisch „μακάρων νῆσοι“16 („Insel der Seligen“), an den Enden der Erde („ἐς πείρατα γαίης“17), weit vom Reich der von Kronos beherrschten Götter entfernt („τηλοῦ ἀπ᾿ ἀθανάτων· τοῖσιν Κρόνος ἐμβασιλεύει“18), in der Nähe der Wirbel des Ozeans („παρ᾿ Ὠκεανὸν βαθυδίνην“19). Das glückliche Heroengeschlecht, das die Inseln bewohnt, kennt keine Sorgen. Die Erde ist so fruchtbar (und natürlich auch das Klima so mild), dass man dreimal im Jahr ernten kann („τοῖσιν μελιηδέα καρπὸν | τρὶς ἔτεος θάλλοντα φέρει ζείδωρος ἄρουρα“20). Eine genauere Beschreibung dieser Inseln gibt es nicht, man hört nichts von Städten, das fruchtbare Land wird nicht näher beschrieben. Wie es oft ist, hat diese dichterische, also unpräzise, Beschreibung spätere Autoren dazu veranlasst, die Inseln der Seligen in der konkreten Welt zu suchen, und bekanntlich hat man den äußersten Westrand der damals zugänglichen Welt, also die Kanarischen Inseln, als insulae fortunatae ausgemacht, nachdem eine Zeit lang Madeira und die kleinere Nachbarinsel Porto Santo als Ende der Welt gegolten hatten. Die Erkundungsreisen, die Juba (50 v. Chr.–3 n. Chr.), der römische Klientelkönig von Mauretanien, organisierte, schufen ein – in den Einzelheiten unvollkommenes – Bild der fortunatae insulae, also der sieben Kanarischen Inseln, von denen Plinius zu berichten weiß, dass sie durch eine Vielzahl von Früchten und Vogelarten, „copia pomorum et avium omnis generis“,21 aber auch durch datteltragende Palmen und Nüsse ausgezeichnet seien, „copia mellis 14 Die Übersetzung folgt wiederum Voß: Hesiod: Werke, übersetzt von Johann Heinrich Voß, Tübingen 1911, Erga, Vers 167–173. – Es bietet sich in diesem Abschnitt ein textkritisches Problem: Der Vers 169 („τηλοῦ ἀπ᾿ ἀθανάτων· τοῖσιν Κρόνος ἐμβασιλεύει“) wird in modernen Ausgaben nach Vers 173 zusammen mit vier nur durch den Papyrus Ryland 54 teilweise erhaltenen Versen eingeordnet. In unserem Zusammenhang geht es aber nicht um den ursprünglichen Text von Hesiod, sondern um die Wirksamkeit des Textes in der Antike, und dafür muss man vom textus receptus ausgehen. 15 Hesiod: Werke, Vers 172. 16 Ebd., Vers 171. 17 Ebd., Vers 168. 18 Ebd., Vers 173. 19 Ebd., Vers 171. 20 Ebd., Vers 172–173. 21 Gaius Plinius Secundus: C. Plinii Secundi naturalis historia, ed. Detlef Detlefsen, Berlin 1866, 6, 205.

Das Paradies hinter dem Horizont in Antike und Renaissance

27

papyrum quoque“22 aufweise, und dass die Insel Canaria ihren Namen „a multitudine canum ingentis magnitudinis“23 hätte. Ein irdisches Paradies ist das nicht unbedingt, eigentlich nur das Bild einer fruchtbaren Gegend, und man sieht, was mit dichterischen Beschreibungen geschieht, wenn sie in die Hände trockener Prosaiker gerät, die sie wörtlich nehmen.

4.

Platon beschreibt die Idealinsel Atlantis

Ein wirkliches Bild einer paradiesischen und wohlgeordneten Insel bietet Platon (428–347) im Timaios und in seiner Fortsetzung, dem (unvollendeten) Kritias,24 beides Dialoge, die der letzten Schaffensperiode Platons angehören, also wohl in das Jahrzehnt um 350 v. Chr. einzuordnen sind: „Il y a lieu de supposer que la Politique et le Timée ont été rédigés à peu d’intervalle, si Platon n’a pas travaillé à la fois aux deux dialogues“.25 Im Timaios, einem Dialog, in dem es um die Entstehung der Welt geht, berichtet Kritias als Anfangserzählung über einen alten Bericht des Solon, wie nach einer Erzählung der Ägypter die Bewohner einer vor den Säulen des Herkules gelegenen Insel Atlantis Athen unterjochen wollten, aber geschlagen wurden; Atlantis sei jetzt im Meer versunken.26 Kritias verspricht eine ausführlichere Erzählung, die Timaios’ Bericht folgen würde.27 Nach dem Timaios erfolgte vor neuntausend Jahren28 ein Angriff auf Athen, wie die Ägypter dem Solon berichtet haben: 24e

[D]as Aufgezeichnete berichtet, eine wie große Heeresmacht dereinst euer Staat überwältigte, welche von dem Atlantischen Meere her übermütig gegen ganz Europa und Asien heranzog. Damals war nämlich dieses Meer schiffbar; denn vor dem Eingange, der, wie ihr sagt, die Säulen des Herakles heißt, befand sich eine Insel, größer als Asien und Libyen zusammengenommen, von welcher den damals Reisenden der Zugang zu

25a

den übrigen Inseln, von diesen aber zu dem ganzen gegenüberliegenden, an jenem wahren Meere gelegenen Festland offenstand. Denn das innerhalb jenes Einganges, von dem wir sprechen, Befindliche erscheint als ein Hafen mit einer

22 Ebd. 23 Ebd. 24 Die Textausgabe von Albert Rivaud (1970) bietet eine ausführliche „Notice“: Platon: Œuvres complètes. 10: Timée, Critias, texte établi et traduit par Albert Rivaud, Paris 1970, S. 1–123 und 232–253. 25 Ebd., S. 23. 26 Vgl. Platon: Sämtliche Werke. 5: Politikos, Philebos, Timaios, Kritias, Übersetzung von Friedrich Schleiermacher und Hieronymus Müller, Hamburg 1959, 25a-d. 27 Vgl. ebd., 27a. 28 Vgl. ebd., 23e.

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engen Einfahrt; jenes aber wäre wohl wirklich ein Meer, das es umgebende Land aber mit dem vollsten Rechte ein Festland zu nennen. Auf dieser Insel Atlantis vereinte sich auch eine große, wundervolle Macht von Königen, welcher die ganze Insel gehorchte sowie viele andere Inseln und Teile des Festlandes; außerdem herrschten sie auch innerhalb, hier in Libyen bis 25b

Ägypten, in Europa aber bis Tyrrhenien. Diese in eins verbundene Gesamtmacht unternahm es nun einmal, euer und unser Land und das gesamte diesseits des Eingangs gelegene durch einen Heereszug zu unterjochen. Da nun, o Solon, wurde das Kriegsheer eurer Vaterstadt durch Tapferkeit und Mannhaftigkeit vor allen Menschen offenbar. Denn indem sie durch Mut und die im Kriege anwendbaren Kunstgriffe alle übertraf,

25c

geriet sie, teils an der Spitze der Hellenen, teils, nach dem Abfalle der übrigen, notgedrungen auf sich allein angewiesen, in die äußersten Gefahren, siegte aber und errichtete Siegeszeichen über die Heranziehenden, hinderte sie, die noch nicht Unterjochten zu unterjochen, uns übrigen insgesamt aber, die wir innerhalb der Heraklessäulen wohnen, gewährte sie großzügig die Befreiung. Indem aber in späterer Zeit gewalti-

25d

ge Erdbeben und Überschwemmungen eintraten, versank, indem nur ein schlimmer Tag und eine schlimme Nacht hereinbrach, eure Heeresmacht insgesamt und mit einem Male unter die Erde, und in gleicher Weise wurde auch die Insel Atlantis durch Versinken in das Meer den Augen entzogen. Dadurch ist auch das dortige Meer unbefahrbar und undurchforschbar geworden, weil der in geringer Tiefe befindliche Schlamm, den die untergehende Insel zurückließ, hinderlich wurde.29

Dieser Bericht liefert sozusagen den Hintergrund zum Atlantisbericht im Kritias: Atlantis,30 eine von vielen Königen beherrschte sehr große Insel, so groß wie Nordafrika ohne Ägypten und Kleinasien zusammen, die den Westteil des alten Europa und Afrikas beherrschte, griff das griechisch bestimmte Europa an und konnte nur durch die Tapferkeit Athens zurückgeschlagen werden. Später ist die Welt dieser Urepoche durch Erdbeben und Überschwemmungen vernichtet worden. Die Einrichtungen dieses untergegangenen Atlantis sind hier noch keineswegs beschrieben; das ist auf den Kritias verschoben.31

29 Ebd., 24e–25d. Es gibt zwei lateinische Übersetzungen des Timaios. Bei der ciceronianischen Übersetzung fehlt leider der Anfang, so dass uns nur die Übersetzung von Calcidius aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. bleibt: Platonis Timaeus interprete Chalcidio, ed. Johannes Wrobel, Leipzig 1876, hier S. 18f. 30 Die ernsthafte und weniger ernsthafte Literatur zu Atlantis ist schier unübersehbar, vgl. die Angaben von Phyllis Young Forsyth: Atlantis. The making of myth, Montreal / London 1980; vgl. auch die Textanthologie von Oliver Kohns und Ourania Sideri (Hg.): Mythos Atlantis. Texte von Platon bis J.R.R. Tolkien, Stuttgart 2009. 31 Vgl. Platon: Timaios, Kritias, 27a.

Das Paradies hinter dem Horizont in Antike und Renaissance

29

Im Kritias, von dem nur der Einleitungsteil erhalten ist, werden die Einrichtungen des alten Athens32 und Atlantis33 verglichen, wobei Solons Aufzeichnungen, in denen er die barbarischen Eigennamen hellenisiert hatte, die Basis bildeten. Poseidon hatte bei der Auslosung der Länder unter den Göttern Atlantis bekommen, und er bevölkerte die Insel mit seinen Nachkommen, wobei Atlas der wichtigste Herrscher wurde: 114d

Die Nachkommenschaft des Atlas aber wuchs nicht bloß im übrigen an Zahl und Ansehen, sondern behauptete auch die Königswürde viele Menschenalter hindurch, indem der Älteste sie stets auf den Ältesten übertrug, da sie eine solche Fülle des Reichtums erworben hatten, wie weder vorher bei irgendeinem Herrschergeschlecht in den Besitz von Königen gelangt war noch in Zukunft so leicht gelangen dürfte, und da bei ihnen für alles gesorgt war, wofür in bezug auf Stadt und Land zu sorgen not tut. Denn vermöge ihrer Herrschaft floß von außen her ihnen vieles zu, das meiste für den Le-

114e

bensbedarf aber lieferte ihnen die Insel selbst. Zuerst, was da an Starrem und Schmelzbarem durch den Bergbau gewonnen wird, und auch die jetzt nur dem Namen nach bekannte Art – damals dagegen war mehr als ein Name die an vielen Stellen der Insel aus der Erde gegrabene Gattung des Bergerzes, welche unter den damals Lebenden, mit Ausnahme des Goldes, am höchsten geschätzt wurde. Ferner brachte die Insel auch alles in reicher Fülle hervor, was der Wald für die Werke der Bauverständigen liefert, und an Tieren eine ausreichende Menge wilder und zahmer. Und so war denn auch das Geschlecht der Elefanten hier sehr zahlreich; bot sie doch ebenso den übrigen Tieren ins-

115a

gesamt, was da in Seen, Sümpfen und Flüssen lebt und was auf Bergen und in der Ebene haust, reichliche Nahrung wie auch in gleicher Weise diesem von Natur größten und gefräßigsten. Was ferner jetzt irgendwo die Erde an Wohlgerüchen erzeugt, an Wurzeln, Gräsern, Holzarten und Blumen oder Früchten entquellenden Säften, das erzeugte auch sie und ließ es wohl gedeihen, sowie desgleichen die durch Pflege gewonnenen Früchte; die Feldfrüchte, die uns zur Nahrung dienen, und das, was wir außerdem – wir bezeichnen die Gattungen desselben mit dem Namen der Hülsenfrüchte

115b

– zu unserem Unterhalt benutzen; was Sträucher und Bäume an Speisen, Getränken und Salben uns bieten, die uns zum Ergötzen und Wohlgeschmack bestimmten, schwer aufzubewahrenden Baumfrüchte und, was wir als Nachtisch dem Übersättigten, eine willkommene Auffrischung des überfüllten Magens, vorsetzen; dieses alles brachte die heilige, damals noch von der Sonne beschienene Insel schön und wunderbar und in unbegrenzten Maße hervor. Da ihnen nun ihr Land dieses alles bot, waren sie auf die Auf-

32 Vgl. ebd., 108e–112e. 33 Vgl. ebd., 112e–121e.

30

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115c

führung von Tempeln und königlichen Palästen, von Häfen und Schiffswerften sowie anderen Gebäuden im ganzen Lande bedacht und schmückten es in solcher Aufeinanderfolge aus.

Diese Beschreibung zählt auf, womit die Natur – oder Poseidon in der götterbezogenen Kosmologie der Antike – die Insel reichlich ausgestattet hat: Die Abfolge der Herrscher entspricht der Idealvorstellung, dass der Sohn dem Vater ohne Zwistigkeiten folgt, und die Insel war unermesslich reich („πλοῦτον μὲν κεκτημένοι πλήθει τοσοῦτον“34), teils durch Zufuhr von außen („πολλὰ […] προσῄειν ἔξωθεν“35), größtenteils aber durch eigene Erzeugnisse („πλεῖστα δὲ ἡ νῆσος αὐτὴ παρείχετο“36). Dann werden Bergbauprodukte aufgezählt, u. a. der „ὀρείχαλκος“,37 den wir nur als Kupferlegierung kennen (in der Übersetzung als „Bergerz“ wiedergegeben), dann Holzprodukte, wohlriechende Pflanzen, Gemüse und Früchte aller Art, für die Herstellung von Nachtisch zu verwendende Früchte; als Parenthese sind Tiere eingeschoben, die allesamt reichlich Nahrung finden, sogar das größte und gefräßigste aller Tiere, der Elefant („ἐλεφάντων ἦν ἐν αὐτῇ γένος πλεῖστον … σύμπασιν παρῆν ἅδην, καὶ τούτῳ κατὰ ταὖτὰ τῷ ζῴῳ, μεγίστῳ πεφυκότι καὶ πολυβορωτάτῳ“38). Anders gesagt: Die Insel ist mit allen Gütern gesegnet, auch mit den wertvollsten, Pflanzen und Tiere sind im Überfluss vorhanden, und die Bewohner können sich dem Bau kunstvoller Tempel und Prachtbauten überall im Lande widmen. Diesen von der Natur vorgegebenen Voraussetzungen fügte der Erfindungsreichtum der Menschen Verbesserungen hinzu: Durch die Meeresringe, die den Königssitz umgaben, wurde ein Kanal zum Meer gegraben, der gleichzeitig als Hafen diente, der Königssitz wurde kunstvoll ausgebaut und mit Tempeln versehen, die Ebene vor dem Königssitz wurde für die Besiedlung aufbereitet, so dass man jährlich zwei Ernten einfahren konnte. Die Bewohner unterlagen einer strikten militärischen Organisation, und die Bewaffnung war streng geregelt. Dieses wohlorganisierte System unterlag der Entartung, weil die göttliche Abkunft sich abschwächte:

34 35 36 37 38

121b

[S]olange noch die göttliche Natur vorhielt, befand sich bei ihnen alles früher Geschilderte im Wachstum; als aber der von dem Gotte herrührende Bestandteil ihres Wesens, häufig mit häufigen sterblichen Gebrechen versetzt, ver-

121c

kümmerte und das menschliche Gepräge die Oberhand gewann: da vermochten sie bereits nicht mehr ihr Glück zu ertragen, sondern entarteten und erschienen, indem sie des schönsten unter allem Wertvollen sich entäußerten, dem, der dies

Ebd., 114d. Ebd. Ebd., 114e. Ebd. Ebd.

Das Paradies hinter dem Horizont in Antike und Renaissance

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zu durchschauen vermochte, in schmachvoller Gestalt; dagegen hielten sie die des Lebens wahres Glück zu erkennen Unvermögenden gerade damals für hochherrlich und vielbeglückt, wo sie des Vollgenusses der Vorteile der Ungerechtigkeit und Machtvollkommenheit sich erfreuten.39

Zeus schickt sich an, das „wackere Geschlecht beklagenswerten Sinnes“40 zur Buße zu bringen, aber an der Stelle bricht der Text ab. Sind der Kritias und die entsprechenden Passagen im Timaios wirklich ein Text, den man als Utopie betrachten muss? Nach unseren Maßstäben schon, denn es ist eine fiktive, in ferner Vergangenheit angesiedelte Erzählung, die bestimmte Vorstellungen des Autors über eine Idealgesellschaft vermittelt. Für die Antike handelt es sich aber um einen historischen Bericht mit ganz genauen Maßangaben, mit Hinweisen über die Produkte des Landes, mit exakten Angaben über die Konstruktion der Kanäle und der Stadt – alles, was man von einer Landeskunde erwarten würde. Das Paradies hinter dem Horizont ist in einer besonderen Perspektive dargestellt: Es liegt nicht irgendwo, sondern es existierte vor 9000 Jahren und ist durch eine Naturkatastrophe unwiederbringlich verloren.

5.

Lukians Phantasiewelten in den Wahren Geschichten

Wirklich utopische Texte hat uns der vielschreibende Satiriker Lukian (€120 n.Chr.–190) aus dem syrischen, heute im Atatürk-Stausee versunkenen Samosata (türk. Samsat) hinterlassen. In einem Ambiente, in dem die phantastischsten Geschichten mit dem Anspruch auf Wahrheit zirkulierten, schrieb er als Einleitung zu seinem Werk, das per antonomasiam „Wahre Geschichten“ heißt: 1, 4

Bei der Lektüre all dieser Schriftsteller tadelte ich sie nicht so sehr wegen ihrer Lügen, da ich sah, daß das auch schon bei Philosophen von Beruf gewöhnlich ist. Darüber aber wunderte ich mich bei ihnen, dass sie meinten, man würde ihre Unwahrheiten nicht merken. Darum kam auch ich aus eitler Ruhmsucht auf den Gedanken, etwas der Nachwelt zu hinterlassen, um nicht allein der Freiheit im Fabulieren unteilhaft zu sein, da ich aber nichts Wahres zu erzählen hatte – ich hatte ja nichts Erwähnenswertes erlebt –, verlegte ich mich auf die Lüge, was in meinem Fall viel verzeihlicher ist als bei den anderen; ich werde nämlich in dem einen Punkt die Wahrheit sprechen, wenn ich sage, dass ich lüge. So glaube ich, einer Anklage von Seiten der anderen entgehen zu können, wenn ich in keinem Punkt die Wahrheit zu sagen eingestehe. Ich schreibe also über Dinge, die ich weder selbst sah noch erlebte noch von anderen erfuhr, ja,

39 Ebd., 121b–121c. 40 Ebd., 121b.

32

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die weder sind noch überhaupt vorkommen könnten. Deshalb sollen meine Leser ihnen unter keinen Umständen Glauben schenken.41

Die Stationen der erdichteten Erzählung, die in der Ich-Form vorgetragen wird, sind zunächst die Seefahrt durch die Säulen des Herkules in den westlichen Ozean („ὁρμηθεὶς γάρ ποτε ἀπὸ Ἡρακλείων στηλῶν καὶ ἀφεὶς ει᾿ς τὸν ἑσπέριον ὠκεανόν“42), stürmische Seefahrt von achtzig Tagen,43 Ankunft auf einer Insel, auf der die Flüsse aus Wein bestehen, Weinstöcke, deren oberer Teil Frauen sind, die beim Geschlechtsverkehr die Männer mit ihnen verwachsen ließe („συνεφύοντο καὶ συνερριζοῦντο“44), Luftfahrt des Schiffes zu einer bewohnten Insel, dem Mond, dessen Bewohner gegen die Bürger der Sonne Krieg führten, Entscheidungsschlacht und Frieden, Beschreibung der Lebensweise der Mondbewohner, Rückkehr zur Erde, die Griechen werden von einem riesigen Wal verschluckt (1, 30–31), richten sich dort ein und verbringen ein Jahr und acht Monate im Wal. Im zweiten Buch der Wahren Geschichten wird der Wal durch ein Feuer, das die Griechen in ihm entfalten, getötet, die Gefangenen verlassen den Bauch des Tieres, gelangen nach einer neuen Seefahrt zur sogenannten Insel der Seligen („ἡ μὲν νῆσος εἴη τῶν μακάρων προσαγορευομένη“45), wo die Reisegesellschaft für sieben Monate die Vorgänge beobachten durfte: 2, 11

Wir wurden in die Stadt geführt und zur Tafel der Seligen gezogen. Diese ganze Stadt ist von gediegenem Golde und ihre Ringmauern von Smaragden. Jedes ihrer sieben Tore ist aus einem einzigen Zimtbaum gearbeitet; der ganze Boden der Stadt und das Pflaster aller Plätze und Gassen in derselben ist von Elfenbein; die Tempel aller Götter sind aus Quaderstücken von Beryll erbaut und die Hochaltäre, worauf die Hekatomben geopfert werden, aus einem einzigen Amethyst. Rings um die Stadt fließt ein Strom des schönsten Rosenöls, hundert königliche Ellen breit und tief genug, um bequem darin schwimmen zu können. Ihre Bäder sind herrliche Gebäude von Kristallglase; sie werden mit Zimt geheizt, und statt gemeinen Wassers werden die Badewannen mit

2, 12

warmem Tau gefüllt. Ihre gewöhnlichen Kleider sind sehr feine purpurfarbene Spinneweben. Sie selber aber haben keine eigentlichen Körper (denn sie sind untastbar und ohne Fleisch oder Bein), sondern nur die Gestalt und Idee davon. […]

2, 13

Das Land ist immer grün und mit allen Arten von Blumen sowohl als von zahmen und schattichten Bäumen besetzt. Ihre Weinreben tragen zwölfmal des

41 Lukian: Werke 2, aus dem Griechischen übersetzt von Christoph Martin Wieland, Berlin / Weimar 1974, 1, 4. 42 Ebd., 1, 5. 43 Vgl. ebd., 1, 6. 44 Ebd., 1, 8. 45 Ebd., 2, 6.

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Jahres; ja die Pfirsich- und Apfelbäume und alle Obstbäume überhaupt sollen sogar dreizehnmal Früchte bringen.46

Gespräche mit berühmten Seligen füllen den mittleren Teil des zweiten Buches der Wahren Geschichten. Dann verabschiedet man sich, kommt zur Insel der Träume („ἡ τῶν ὀνείρων νῆσος“47), zur Insel Ogygia, wo der Inselherrin Kalypso ein Brief von Odysseus, der die Insel der Seligen bewohnt, zu überbringen ist, zur Insel von Wilden mit Ochsenköpfen und Minotaurushörnern, zur Insel der Frauen mit dem Eselsfuß, die die Seeleute im Bett zu überfallen pflegten. Schließlich erreicht man doch die Heimat, und das Buch schließt mit einem Rückblick: 2, 47

Und dies ist es also, was mir bis zu meiner Ankunft in besagtem andern Weltteile auf dem Ozean und während meiner Fahrt durch die Inseln und in der Luft, hernach im Walfische und, nachdem wir wieder herausgekommen, bei den Heroen und unter den Träumen und endlich bei den Ochsenköpflern und Eselsfüßlerinnen begegnet ist.

Lukian hat in seinen Wahren Geschichten alle Ingredienzien zusammengefügt, die aus Seemannsgarn, ausgeschmückten Entdeckungsgeschichten und Berichten von Besuchen bei Menschen und Fabelwesen in weit entfernten Regionen ein Panorama der Wunderlichkeiten entstehen lässt, die auf den Reisenden jenseits der Säulen des Herkules warten, die ja die Grenze zwischen der „normalen“ mediterranen οι᾿κουμένη und der Wunderwelt des „äußeren“ ὠκεανός darstellen. Die Handlung spielt auf Inseln, die durch große Entfernungen voneinander getrennt sind und die, ein typisches Phantasieprodukt, auf mehreren Etagen zu finden sind, im Meer und an verschiedenen Stellen des Weltalls. Die vielen Inseln, die man besucht, sind alle von der Natur bevorzugt: Viele Ernten im Jahr, überall Wein, Luxusprodukte wie Zimt, Pfirsiche, Äpfel und anderes Obst, Flüsse, in denen kein Wasser, sondern Wein fließt. Man begegnet typischen Phantasiewesen: Pflanzen, die in Menschen übergehen, Menschen mit Tierköpfen, Walfischen, die so groß sind, dass in ihrem Bauch Leben möglich ist und sogar Inselwelten existieren. Auch literarische Reminiszenzen spielen eine große Rolle: Auf der Insel der Seligen trifft man die großen Figuren der griechischen Literatur, mit denen man Gespräche führen kann; ein Brief von Odysseus, der auf der Insel der Seligen weilt, an Kalypso auf ihrer Insel Ogygia wird überbracht.

46 Ebd., 2, 11–13. 47 Ebd., 2, 32.

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6.

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Die Brendansreise am Übergang von der Antike zum Mittelalter

In der römischen Kaiserzeit gibt es durchaus Wundergeschichten von Fahrten zu Inseln mit wundersamen Bewohnern, mit außergewöhnlichen Tieren und phantastischen Landschaften, freilich verlagert sich die Richtung, in der man diese Wunderwelten suchte: Die Säulen des Herakles / Herkules sind nicht mehr die Einfahrt in diese im Westen gelegenen Paradieswelten, sondern der Blick geht eher nach Osten, in Richtung der Reichtümer Arabiens und Indiens, die man durch das Rote Meer und über den Indischen Ozean erreichen konnte. Die Seefahrt auf den Gewässern des Atlantiks ist für die Bewohner des Mittelmeeres kaum noch Anlass für Wundererzählungen. Anders sieht es natürlich für die Bewohner der westlichen Länder aus, die nicht aufhören konnten, von Ländern hinter dem Abendhorizont zu träumen. Typisch dafür ist die Westfahrt des heiligen Brendan, der wohl im 6. Jahrhundert in Irland lebte. Er ist der Protagonist der mittelalterlichen Navigatio Sancti Brendani, deren lateinischer Text im 7. bis 10. Jahrhundert entstand und Anfang des 12. Jahrhunderts von einem Mönch Benedeit zum altfranzösischen Voyage de Saint Brendan umgearbeitet wurde. Dieser Text dient vor allem dem Lob des mönchischen Lebens, das auf den vielen Inseln, die besucht werden, in verschiedenen Ausprägungen gelebt wird.48 Die Brendansreise, die Kolumbus wahrscheinlich gelesen hat, weist alle Elemente auf, die wir aus antiken Reiseberichten kennen: Der Mönch Brendan bittet Gott, ihm das Paradies zu zeigen („Deu prïer prent plus suvent,/ que lui mustrast cel paraïs“49), und er wählt 14 Mönche als Gefährten aus, um sein Schiff aus Fichtenholz und Ochsenhaut zu bemannen. Eine erste Reise führt in eine unbewohnte Stadt, zu einer Insel der Schafe, zu einem riesigen Fisch („n’est pas terre, ainz est beste“50), zu einem Vogelparadies („c’est as oiseus li paraïs“51). Dort machen sie ihr Schiff seetüchtig für den zweiten Teil der Reise; sie kommen zur Mönchsinsel des Albeus, zu einer Insel mit berauschenden Quellen, sehen einem Kampf der Seeungeheuer zu und beobachten einen Kampf zwischen Greifen und Drachen; eine kostbare Hyazinthsäule trägt einen Baldachin, und in der Höllenschmiede wird ein rauchbedeckter Berg sichtbar, der von Judas befeuert wird. Am Ende führt ihr Gastgeber sie durch Nebel und Wolken zu einer Mauer aus Edelsteinen, in der sich ein Zugang zum Paradies öffnet, das Bäume, Wiesen, Blüten, Kräuter 48 Zur lateinischen und romanischen Textgeschichte vgl. Giovanni Orlandi: „Navigatio sancti Brendani“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6: Lukasbilder bis Plantagenêt, München 1993, S. 1063–1066. 49 Benedeit: Le voyage de Saint Brendan, übersetzt und eingeleitet von Ernstpeter Ruhe, München 1977, Vers 48f. 50 Ebd., Vers 469. 51 Ebd., Vers 546.

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aufweist; alles blüht und trägt Frucht, und dieser Überfluss herrscht überall („cele plentét par tut en vait“52). Der Jüngling, der den Führer abgibt, verschließt die herrlichsten Teile des Paradieses vor Brendans Augen, weil kein Sterblicher sie sehen darf, und geleitet die Teilnehmer der Brendansreise in einer dreimonatigen glücklichen Fahrt nach Irland zurück („en treis meis sunt en Irlande“53).

7.

Neue Entdeckungen zu Beginn der Neuzeit

Im Mittelalter schrumpfte das Weltbild im Vergleich zur Antike erheblich, und man darf sich nicht wundern, wenn das Interesse an Inseln hinter dem westlichen Horizont nicht ausgeprägt ist. So ist die Wiederentdeckung des Weges zu den Kanarischen Inseln und die Entdeckung der Azoren und Madeiras zu Beginn des 15. Jahrhunderts wirklich ein Neueinsatz. Neuere Ansätze waren auch im Indienhandel nötig, nachdem die mohammedanischen Mamelucken 1291 mit Akkon den letzten christlichen Stützpunkt im Nahen Osten erobert hatten und der Indienhandel über die Ostroute praktisch zusammengebrochen war: Genua und Portugal versuchten, einen Seeweg nach Indien um Afrika herum zu eröffnen, und Marco Polo erschloss vor 1292 den Landweg nach China und Indien. In der Wissenschaft hatte sich das Bild einer kugelförmigen Erde, das u. a. von den antiken Autoritäten Aristoteles, Eratosthenes und Ptolemaios vertreten worden war, weitgehend durchgesetzt, weil es auch vom viel gelesenen Isidor von Sevilla popularisiert worden war. Honorius Augustodunensis (1080–1150) hatte im Kapitel „De forma terrae“ seines Werkes Imago mundi die Kugelgestalt der Erde propagiert.54

8.

Kolumbus’ Brief an Santángel

Wir besitzen vom Entdecker der neuen Welt, Cristóbal Colón oder Christoph Kolumbus,55 einen Bericht, den er auf seiner Rückreise am 15. Februar 1493 vor den Azoren schrieb und am 3. März von Lissabon aus abschickte;56 dieser Brief an Luís de Santángel, den Sekretär von König Ferdinand und Verwalter der Privatschatulle, wurde schnell in Nachdrucken und Übersetzungen verbreitet. Ganz 52 53 54 55

Ebd., Vers 1756. Ebd., Vers 1819. Vgl. Honorius Augustodunensis: Imago mundi, ed. Henry Lewis, London 1928. Zur Person von Christoph Kolumbus vgl. Frauke Gewecke: Christoph Kolumbus, Frankfurt am Main 2006. 56 Am einfachsten zugänglich ist der Text in: Ilaria Luzzana Caraci / Mario Pozzi: Scopritori e viaggiatori del Cinquecento 1, Milano / Napoli 1996, S. 25–41.

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lapidar heißt es darin, dass Kolumbus in 33 Tagen von den Kanaren nach Indien gelangt sei, denn bis zum Ende seines Lebens blieb Kolumbus davon überzeugt, Indien erreicht zu haben – er glaubte, die Festlandprovinz Cataio aus dem Reisebericht von Marco Polo erreicht zu haben, erfuhr aber von Einheimischen, mit denen er mühevoll Kontakt herstellte, dass es sich um eine große Insel handele, nämlich Kuba, das er nach dem Namen des spanischen Thronfolgers Juana nannte. Von dort aus fuhr er weiter nach Hispaniola (heute politisch Haïti und República Dominicana), die er als Wunder („La Española es maravilla“) darstellt: Alle diese Inseln sind von erstaunlicher Fruchtbarkeit; doch gilt dieses in ganz besonderer Weise von letzterer Insel. An ihrer Küste öffnen sich zahlreiche Häfen, die in Europa schwer ihresgleichen finden; viele große Flüsse münden hier ins Meer. Das Land ist hochgelegen und wird von zahlreichen Gebirgsketten mit bedeutenden Erhebungen durchzogen, noch mehr, als dies auf der Insel Teneriffa der Fall ist. Alle diese Berge sind äußerst vielgestaltig und begehbar, von verschiedenerlei Bäumen besetzt und von solch erstaunlicher Höhe, daß sie den Himmel zu berühren scheinen. Meines Erachtens verlieren diese Bäume niemals ihren Blätterschmuck: sie waren so schön grün leuchtend wie die Bäume in der spanischen Heimat im Monat Mai. Einige von ihnen blühten, während andere fruchtbeladen waren. Dazwischen vernahm man den Sang der Nachtigallen und zahlreicher anderer Vögel, in jenem Monat November, da ich mich dort befand. Es gibt dort sechs oder acht verschiedene Arten von Palmen, deren wundersame Mannigfaltigkeit erstaunlich ist. Überdies sieht man dort außergewöhnlich viele Pinien, weite bepflanzte Ländereien und zahllose Vogelarten. Auch Honig und die verschiedensten Fruchtarten findet man dort. Das Innere des Landes ist stark besiedelt und reich an Erzgruben.57

Die Beschreibung stellt nur positive Eigenschaften heraus: Es gibt schiffbare Flüsse, die Berglandschaft ist zugänglich und von immergrünen großen Bäumen bestanden, die teilweise Früchte tragen, verschiedene Palmen zeichnen die Landschaft aus. Das literarische Erbe der paradiesischen Landschaften macht sich deutlich bemerkbar: Nachtigallen gibt es auf den karibischen Inseln nicht, sie gehören aber zum europäischen locus amoenus; gleichzeitige Blüte und Ernteperiode deuten ebenso Fruchtbarkeit an wie der Hinweis auf Honig, der keineswegs ein typisches Produkt der Antilleninseln ist. Das Augenmerk des Entdeckers richtet sich wie selbstverständlich darauf, was man mit den Inseln anfangen könnte, und natürlich werden die Begierden angesprochen, die die Europäer von der – für einen Ausläufer Indiens gehaltenen – Exotik erwarten: Gold, Gewürze, Erzbergwerke. Die ‚Spanische Insel‘ [Hispaniola] ist ein wahres Naturwunder: ihre zahlreichen Gebirge, weiten Ebenen und fruchtbaren Landschaften eignen sich in hervorragender Weise zur Anlage von Pflanzungen, zur Viehzucht und zur Errichtung von Städten und 57 Christoph Kolumbus: „Ein Brief an Luis de Santángel“, in: Ders.: Bordbuch, übersetzt von Anton Zahorsky, Frankfurt am Main 2006, S. 288f.

Das Paradies hinter dem Horizont in Antike und Renaissance

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Ortschaften. Von der Schönheit der natürlichen Seehäfen kann man sich kein rechtes Bild machen, wenn man sie nicht mit eigenen Augen gesehen hat. Die Flüsse sind äußerst zahlreich, sehr breit und viele von ihnen sind goldhaltig. Bäume, Früchte und Pflanzen der ‚Spanischen Insel‘ unterscheiden sich sehr von jenen, die auf der Insel Juana gedeihen; hier gibt es viele Gewürze und große Goldminen, wie auch andere Erzgruben.58

Zur Beschreibung des Paradieses gehört es auch, dass die Einwohner wie die Menschen vor dem Sündenfall erscheinen: Die Bewohner dieser Insel sind genau so wie jene aller andern Inseln, die ich entdeckt und worüber ich Kunde erhalten habe, ohne Unterschied des Geschlechts vollkommen nackt, wie sie Gott erschaffen: einige Frauen bedecken einen einzigen Körperteil mit einem Blatt oder einem Wollappen, den sie zu diesem Zwecke selbst verfertigen. Sie kennen weder Eisen noch Stahl, besitzen keine Waffen, mit denen sie umzugehen wüßten, nicht etwa deshalb, weil es ihnen an körperlicher Kraft gebrechen würde, sondern weil sie von Natur aus äußerst furchtsam sind. […] Weiß man aber ihr Zutrauen zu gewinnen und ihre Furcht in den Wind zu schlagen, so erwiesen sie sich als so ehrliche und freigiebige Menschen, daß es niemand für möglich halten würde, der es nicht selbst erlebt hat.59

Diese paradiesischen Menschen müssen natürlich – gemäß dem Grundauftrag der Reise des Kolumbus – für den christlichen Glauben gewonnen und zu treuen Untertanen der Katholischen Könige gemacht werden: Ich hingegen gab ihnen tausenderlei gefällige und gute Dinge, die ich bei mir hatte, um ihre Anhänglichkeit zu gewinnen und sie dem Christentum nahezubringen, vor allem aber in der Absicht, daß sie ihre Hoheiten lieben lernen und ihnen und der ganzen Nation Kastiliens zu dienen bereit wären. Auch hoffte ich, daß sie uns die Naturprodukte, die sie in so reicher Fülle besaßen und deren wir so nötig bedurften, dafür abtreten würden. Sie huldigen weder einer Sekte noch einem Götzendienst. Doch waren sie alle vom Glauben durchdrungen, daß alle Macht und alles Gute vom Himmel kommen. So waren sie auch felsenfest davon überzeugt, daß ich samt meinen Schiffen und all meinen Leuten vom Himmel herabgestiegen sei.60

Kolumbus berichtet, „daß die Männer auf allen diesen Inseln sich mit einer einzigen Frau begnügten,“61 also mit anderen Worten wie gute Christen und nicht wie zügellose Wilde leben würden; nur die Stammesoberhäupter haben zwanzig Frauen, das typische Königsprivileg. Es gibt Gütergemeinschaft vor allem in den Lebensmitteln, und „die Frauen arbeiteten [mehr] als die Männer“.62 58 59 60 61 62

Ebd., S. 289f. Ebd., S. 290. Ebd., S. 291. Ebd., S. 294. Ebd., S. 295.

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Die literarische Erwartung ging dahin, dass man Ungeheuer oder von der gewohnten Norm abweichende Menschen finden würde, aber Kolumbus berichtet, dass er so etwas nicht gefunden habe: „Auf diesen Inseln konnte ich keine Ungeheuer in Menschengestalt feststellen, wie viele glauben machen wollen, sondern fand überall Leute von angenehmem Äußern. Es sind auch nicht Neger, wie in Guinea.“63 Aber es gibt kein irdisches Paradies ohne ein Negativbild: Auf einer Insel namens Quaris, wohl eine Entstellung von Carib, also Puerto Rico, wohnt „eine Bevölkerung […], die auf allen diesen Inseln für äußerst wild gehalten wird, da sie Menschenfleisch verzehrt“.64 Sie rauben die anderen Inseln aus und tragen „nach Frauenart lange Haare […] und [pflegen] Bogen und Pfeil zu gebrauchen“.65 Sie sind nicht feige, sondern „sehr angriffslustig“,66 und sie unterhalten Beziehungen zu den Frauen von Matinino, ein deutlicher Reflex der antiken Amazonen-Geschichte: Diese wilden Männer unterhalten rege Beziehungen zu den Frauen von Matinino, der ersten Insel, der man begegnet, wenn man von Spanien nach Indien fährt, worauf sich nicht ein einziger Mann befindet. Diese Frauen beschäftigen sich nicht mit Dingen, die ihrem Geschlecht geziemen, sondern handhaben ausschließlich Bogen und Pfeil und bedecken ihre Waffen mit Kupferplättchen, da sie reichlich viel Kupfer besitzen.67

Zusammenfassend stellt der Santángel-Brief eine Welt friedlicher, wissbegieriger Eingeborener dar, an deren Peripherie es angriffslustige Männer und auch Frauen gab, die aber nicht wirklich ins tägliche Leben eingriffen. Die neue Welt ist unermesslich reich, und ihre Einwohner warten sozusagen nur auf die Bekehrung. In einem zusammenfassenden Paragraphen zählt Kolumbus für die Katholischen Könige noch einmal auf, was seine Reise gebracht hat: Abschließend können Ihre Hoheiten, wenn man bloß die Ergebnisse dieser Reise, die mit solcher Eile durchgeführt wurde, berücksichtigt, schon jetzt gewiß sein, daß ich ihnen so viel Gold verschaffen kann, als sie nur wollen, wenn sie mir nur einigermaßen dabei behilflich sein wollten. Überdies werden ihnen Gewürze, Baumwolle und Mastixharz in jedem gewünschten Ausmaße zu Gebote stehen, was von großem Vorteil ist, wenn man bedenkt, daß letzteres nur in Griechenland auf der Insel Chios gewonnen wurde, welches die Signoria (von Venedig) zu jedem Preis verkaufen konnte. Auch Aloe und Sklaven werden von dort in jeder gewünschten Menge eingeführt werden können. Ich glaube, auch Rhabarber und Zimt gefunden zu haben […].

63 64 65 66 67

Ebd. Ebd. Ebd., S. 296. Ebd. Ebd.

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[D]ie Bekehrung so vieler Völker zu unserem Glauben [wird] dem Christentum neuen Aufschwung geben – ganz zu schweigen vom materiellen Wohlstand, den dies alles im Gefolge haben wird.68

Kolumbus muss sich rechtfertigen, weil seine Schiffe nicht voller indischer Reichtümer sind. Er weist also darauf hin, dass er bei weiteren Fahrten leicht Gold in jeder gewünschten Menge heranschaffen kann („yo les daré oro quanto ovieren menester“69); in Zukunft sind Gewürze (especiería), Baumwolle (algodón) und Mastixharz (almástiga) zu erwarten, auch Aloe (lignáloe), Rhabarber (ruybarvo) und Zimt (canela). Man kann einige Bewohner der neu entdeckten Inseln zu Sklaven machen, vor allem aber viele Völker zum Christentum bekehren. Heute liest man meistens das Bordbuch des Kolumbus, das aber nicht zur Publikation bestimmt war, sondern uns nur in einer Kopie von Bartolomé de las Casas bekannt geworden ist, die seinerseits die Kopie einer Kopie ist und zahlreiche Kürzungen aufweist. Publikumswirksamkeit im Jahre der Rückkunft von Kolumbus hatte jedoch nur der Brief an Santángel, der zunächst in Spanisch im März 1493 in Barcelona publiziert wurde und der Ende April 1493 in einer lateinischen Übersetzung in Rom herauskam; italienische, französische, katalanische und deutsche Versionen erschienen bald darauf.

9.

Pietro Martire d’Anghiera berichtet auf Latein über die Neue Welt

Eine Konkurrenz zur eigenen Darstellung des Kolumbus bildete jedoch noch im November 1493 der lateinische Bericht, den Pietro Martire d’Anghiera für ein gelehrtes Publikum verfasste, obwohl er nie seine Heimat verlassen hatte.70 Die Ausschmückungen des Berichtes betreffen beispielsweise die Kariben. Sie sind der Grund dafür, warum die friedlichen Inselbewohner zunächst furchtsam vor den Männern des Kolumbus weggelaufen waren: Vom Hörensagen erfuhren die Spanier, nicht weit von jenen Inseln lägen die Eilande gewisser Wilder, die sich von Menschenfleisch nährten. Das sei auch der Grund, so erklärten die Eingeborenen Españolas, weshalb sie so ängstlich bei der Ankunft der 68 Ebd., S. 296–298. 69 Hier und in diesem Absatz: Luzzana Caraci / Pozzi: Scopritori e viaggiatori, S. 38f., Hervorhebung J.K. 70 In der Gesamtausgabe von 1530 wird dieser Bericht als „Decas prima“ in zehn in Kapitel unterteilte Bücher überführt. Die deutsche Übersetzung von Hans Klingelhöfer bietet eine gute „Einführung“ zu Person und Werk: Pietro Martire d’Anghiera: Acht Dekaden über die Neue Welt, übersetzt, eingeführt und mit Anmerkungen versehen von Hans Klingelhöfer, Darmstadt 1972.

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Fremden geflohen seien, da sie diese für ‚Kannibalen‘ gehalten hätten. Denn so oder ‚Kariben‘ nennen sie jene Wilden. Die Eilande jener ekelhaften Menschenfresser lägen weiter südlich, ungefähr halbwegs vor den übrigen Inseln. Die Eingeborenen klagten auch darüber, ihre Küsten würden ständig durch Einfälle der Kannibalen heimgesucht. Jene gingen auf Menschenraub aus wie Jäger, die in den Wäldern gewaltsam und mit Fallen den wilden Tieren nachstellen. Knaben, die sie fangen, kastrieren sie, so wie wir junge Hühner oder Schweinchen je nach dem zarter oder fetter zum Verspeisen aufziehen. Wenn die so Gemästeten groß und fett geworden sind, fressen jene Wilden sie auf. Menschen in höherem Alter aber, welche ihnen in die Hände fallen, töten und zerlegen sie sogleich. Die inneren Teile sowie Arme und Beine essen sie frisch, die übrigen Stücke pökeln sie ein und heben sie längere Zeit auf, wie wir es mit Schweineschinken tun. Frauen zu verspeisen gilt aber als verboten und schändlich. Wenn sie Jugendliche weiblichen Geschlechts erbeuten, dann ernähren und hüten sie diese zum Kindergebären, wie wir Hennen, Mutterschafe, Rinder und andere Nutztiere zur Zucht gebrauchen. Alte Frauen aber halten sie als Sklavinnen und nutzen ihre Dienste aus.71

Pietro Martire d’Anghiera weiß nicht mehr über diese truculenti und obscœni, als man aus dem Santángel-Brief herauslesen kann, aber er schmückt das Bild der Cannibales oder Caribes dahingehend aus, dass er sie wie Tiere darstellt: Für sie sind gefangene pueri dasselbe wie pulli gallinacei oder porci für die zivilisierten Spanier, d. h. man lässt sie durch Kastration größer und fetter werden und verspeist sie dann („comedunt“72). Die menschlichen Teile werden eingesalzen („membra sale condita“73), wie wir Schweineschinken zubereiten. Frauen dürfen nicht gegessen werden („mulieres comedere apud eos nephas est“74); ältere Frauen werden zu Sklavinnen gemacht („vetulas ad obsequia praestanda pro servis habent“75), junge Frauen werden ernährt und gepflegt, um Nachkommen zu gewinnen, so wie wir es bei der Zucht von Hühnern, Schafen, Rindern und anderen Tieren tun („iuuenes ad subolem procreandam non aliter atque nos gallinas, oues, iuuencas & caetera animalia curant et custodiant“76). Die Kariben behandeln eindeutig die Menschen, deren sie habhaft werden, so, wie man normalerweise Tiere behandelt: mästen, durch Kastration den Fettansatz befördern, einsalzen. Die Frauen werden auf ihre Reproduktionsfähigkeit eingeschränkt, und wenn diese nicht mehr gegeben ist, müssen sie als Sklavinnen dienen. Die Nachbarvölker haben vor den Kariben Angst, so, wie man vor Wölfen und Bären Angst hat. Die Landeserzeugnisse von Hispaniola werden kurz beschrieben: rübenähnliche Wurzeln mit Kastaniengeschmack namens ages, eine andere Wurzel na71 72 73 74 75 76

Ebd., I, 1,3, S. 29. Pietro Martire d’Anghiera: Opera, Graz 1966, S. 40. Ebd., S. 41. Ebd. Ebd. Ebd.

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mens Iucca, Getreide zum Brotbacken namens maizium. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Gold, das aus Flüssen gewonnen wird. Dass Pietro Martire d’Anghiera auf ein klassisch gebildetes Publikum abzielt, sieht man an dem Paragraphen I 1,4: [S]o zeigen […] die Papageien und viele andere Dinge, die die Spanier mitbrachten, daß diese Inseln durch Nachbarschaft oder natürliche Verbindung mit dem indischen Festland in Beziehung stehen. Besonders denke man an Aristoteles – am Ende seines Buches über ‚Himmel und Erde‘ – an Seneca und andere Kenner der Kosmographie, welche die Ansicht vertreten, von Spanien aus über das Meer nach Westen gerechnet seien die Küsten Indiens nicht sehr weit entfernt. In den entdeckten Ländern bringt die Natur auch Harz, Aloe, Baumwolle und eine Menge ähnlicher Dinge in Hülle und Fülle hervor. Wie bei den Chinesen erntet man Wolle von Bäumen. Auch verschiedenfarbige runzlige Körner, schärfer im Geschmack als kaukasischer Pfeffer, brachten die Spanier mit, ferner Zweige von gefällten Bäumen, die im Aussehen dem Zimt, im Geschmack und Duft, im Mark und in der äußeren Rinde dem Ingwer ähnlich sind.77

Der Verweis auf die Kugelgestalt der Erde bei Aristoteles78 und auf die bei Seneca angedeutete Möglichkeit, bei günstigem Wind auf Westkurs von Spanien nach Indien zu gelangen,79 richtet sich an Leser mit humanistischer Bildung, für die es wichtig ist, dass moderne Entdeckungen mit den Ansichten antiker Autoren übereinstimmen, besonders wenn es solche wissenschaftlichen Autoritäten wie Aristoteles und Seneca sind.

10.

Amerigo Vespucci, das paradiesische Leben und die Menschenfresser

Während also Pietro Martire d’Anghiera, ein typischer Stubenhocker mit humanistischer Bildung, einem gebildeten Publikum die Parallelen zwischen der vermeintlichen Indienfahrt des Kolumbus und antiken Voraussagen über die Möglichkeit einer solchen Fahrt in schönem Latein nahezubringen versuchte, waren die Erwartungen einer breiten Leserschaft anderes gelagert: Es ging um Abenteuer in einer unbekannten, von Überraschungen geprägten Welt. Den allgemeinen Geschmack traf Amerigo Vespucci (1454–1512), der kein Entdecker war, sondern nach unserer Terminologie ein Kartograph und Reise77 Pietro Martire d’Anghiera: Acht Dekaden, I 1,4, S. 31. 78 Vgl. [Aristoteles:] Aristotelis De caelo libri quattuor, ed. Donald Allan, Oxford 2005, II 4 = 286b10–287b21. Der erste Satz dieses Kapitels macht die Ansicht des Philosophen deutlich: „σχῆμα δ᾿ ἀνάγκη σφαιροειδὲς ἔχειν τὸν οὐρανόν“. 79 Seneca: Naturales quaestiones, ed. Thomas H. Corcoran, London 1971–1972, I. praefatio, 13: „Quantum est enim, quod ab ultimis litoribus Hispaniae usque ad Indos iacet? Paucissimorum dierum spatium, si navem suus ferat ventus“.

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journalist, der die Entdeckungsfahrt von Alonso de Hojeda (1465–1515) nach Mittelamerika im Jahre 1499 begleitete. Der Kontinent Amerika ist bekanntlich nach Vespuccis Vornamen benannt, was seinem Brieftraktat De Novo Mundo zu verdanken ist, der 1503 in Paris erschien und einen enormen Erfolg hatte; Vespucci hatte das Werk aus dem Italienischen übersetzen lassen, aber vom Original fehlt jede Spur. Für die folgende Übersetzung wurde das italienische Original eines Briefes an Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici (1463–1503) verwendet, den Vespucci im Jahre 1502 in Lissabon verfasste: Nun zur Beschreibung des Landes, der Bewohner, der Tiere und Pflanzen und der anderen dem Menschen dienenden, von ihm geschaffenen Dinge, die wir an diesen Orten fanden. Dieses Land ist sehr anmutig; es ist von zahllosen grünen und gewaltigen Bäumen bewachsen, die nie ihr Laub abwerfen, einen sehr süßen und aromatischen Duft verbreiten und zahllose Früchte hervorbringen, von denen viele wohlschmeckend und gesund sind; das offene Land ist voller Kräuter und Blumen und Wurzeln, die sehr süß und wohlschmeckend sind, so dass ich mich manchmal über den süßen Duft von Kräutern und Blumen, den Geschmack von Früchten und Wurzeln so sehr wunderte, daß ich dachte, in der Nähe des irdischen Paradieses zu sein. Wie sollen wir die zahllosen Vögel schildern, ihre verschiedenen Gefieder, Farben, Gesänge, die Vielfalt von Art und Schönheit; ich will mich darüber nicht verbreiten, weil ich zweifle, ob mir geglaubt würde. Wer könnte die Waldtiere zählen, die Menge der Löwen, Panther, Katzen – nicht wie in Spanien, sondern bei den Antipoden – so viele Luchse, Affen und Meerkatzen verschiedenster Art, und viele von gewaltigen Körpermaßen, und so viele andere Tiere sahen wir, daß ich glaube, so viele Arten hätten kaum in der Arche Noahs Platz gefunden, und so viele Wildschweine und Böcke und Hirsche und Damhirsche und Hasen und Kaninchen; aber Haustiere sahen wir keine.80

Amerigo Vespucci liefert eine Erklärung des Landes („dichiarazione della terra e delli abitanti e delli animali e delle pianti“81): Es handelt sich um ein sehr anmutiges Land („terra molto amena“82), wo die Bäume die Blätter nicht verlieren, gut riechen und viele Früchte tragen, und auf den Feldern wachsen Kräuter, Blumen und Wurzeln (erbe, fiori e radice). Der Reisejournalist fällt ein zusammenfassendes Urteil, von dem er hofft, dass seine Leser es sich zu eigen machen mögen: „Ich dachte, in der Nähe des irdischen Paradieses zu sein“83 („infra me pensavo esser presso al paradiso terresto“84). Es folgt eine Liste der Tiere, die irgendwie den Eindruck macht, einem Wörterbuch entnommen zu sein: bunte Vögel, wilde Tiere (animali silvestri) verschiedener Art und Größe, wie sie kaum 80 Eberhard Schmitt (Hg.): Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion. Bd. 2: Die großen Entdeckungen, München 1984, S. 175-181, hier S. 177. Der italienische Text findet sich in: Luzzana Caraci / Pozzi: Scopritori e viaggiatori, S. 273–280, hier S. 275f. 81 Luzzana Caraci / Pozzi: Scopritori e viaggiatori, S. 275. 82 Ebd. 83 Schmitt: Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion, Bd. 2, S. 177. 84 Luzzana Caraci / Pozzi: Scopritori e viaggiatori, S. 275.

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in der Arche Platz gefunden hätten, und schließlich Tiere, auf die man in Europa Jagd macht, wie Wildschweine, Böcke, Hirsche, Damhirsche, Hasen und Kaninchen (porci salvatichi, cavrioli, cerbi, dani, lepre, conigli). Die Natur der Neuen Welt ist also nur in positivem Licht zu sehen, die Pflanzen sind wohlriechend und nahrhaft, die Tieren sind teils kolossal, teils jagdbar; auf Gefahren wird nicht hingewiesen, es ist wirklich ein paradiso terresto, aber der Mensch hat in diese Natur nicht eingegriffen, denn es gibt keine Haustiere („animali dimestichi nesuno ne vedemmo“85). Der Beschreibung der Tiere folgt ein Abschnitt über die vernunftbegabten Lebewesen (animali razionali), also über die Menschen: Wir fanden das Land von Menschen bewohnt, die völlig nackt gingen, Männer und Frauen, ohne darüber die geringste Scham zu empfinden. Ihre Körper sind wohlgeformt und die Körperteile stehen im richtigen Verhältnis, die Farbe ist weiß, die Haare sind schwarz, der Bartwuchs dünn oder nicht vorhanden. Ich unternahm einiges, ihr Leben und ihre Bräuche kennenzulernen, weshalb ich 27 Tage unter ihnen aß und schlief, und folgendes erfuhr ich bei ihnen.86

Zunächst berichtet Amerigo Vespucci hier über ein irdisches Paradies, wo von Natur aus schöne Menschen naturgemäß leben (vivono secondo natura) und keinen Privatbesitz, sondern nur Gütergemeinschaft haben („non tengono infra loro beni propi, perché tutto è comune“87) und keine Gesetze, keinen Glauben kennen („non tengono né legge né fede nesuna“88); diese Menschen haben keine eigenen Häuser, sondern sie leben zu 500 oder 600 Menschen in großen Gemeinschaftshäusern, wo sie in Hängematten schlafen („dormono in rete tesute di cotoni, coricate ne l’aria senza altra copertura“89). Diese Bevölkerung bietet sich als Material für die christliche Mission geradezu an, denn sie haben keinen Begriff von der Unsterblichkeit der Seele („non conoscono immortalità d’anima“90). Die Nahrung besteht aus Früchten und Wurzeln, außerdem aus Fischen und anderen Meerestieren. So weit, so wenig spektakulär, aber dann kommt die Sensation: Das Fleisch, das sie normalerweise essen, ist Menschenfleisch („la carne che mangiano, massime la comune, è carne umana“91), denn die Jagd auf Landtiere ist kaum möglich, weil sie keine Hunde haben. Es herrscht Vielweiberei, und die Frauen haben leichte Geburten, so dass eine große Fruchtbarkeit herrscht. Vor der Heirat muss der nächste männliche Verwandte – abgesehen vom Vater – die Mädchen 85 86 87 88 89 90 91

Ebd., S. 276. Schmitt: Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion, Bd. 2, S. 177. Luzzana Caraci / Pozzi: Scopritori e viaggiatori, S. 276. Ebd. Ebd., S. 276f. Ebd., S. 276. Ebd., S. 277.

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entjungfern („quando li loro figliuoli, cioè le femine, sono in età d’ingenerare, el primo che·lle corompe, hae a esser, del padre infuori, el più prossimo parente che hanno; dipoi, così corotte, le maritano“92).

11.

Die Menschenfresserei bei Sebastian Münster

Die Menschenfresserei wird zum Topos der Entdeckungsliteratur: Eine reiche und paradiesische neue Welt leidet unter einem einzigen Übel, der Menschenfresserei. Dieses Thema beherrscht eigentlich alle Texte des 16. Jahrhunderts. Ein deutliches Beispiel findet man in dem meistverbreiteten geographischen Handbuch des 16. Jahrhunderts, der Cosmographia von Sebastian Münster (1488–1552), der 1550 seinem Publikum unter Rückgriff auf Kolumbus und Amerigo Vespucci die amerikanischen Menschenfresser vorführt. Dort heißt es (in einer leicht modernisierten Form des deutschen Textes von 1550): Dieweil nun Kolumbus auf dieser Insel war mit seinen Mitgefährten, klagten ihm die Einwohner große Not über etliche Völker, die sie Kannibalen nennen: Wie sie aus ihrem Land zu anderen Inseln schifften und Leute fingen, sie tot schlugen und fraßen, und nicht anders mit ihnen umgingen als ein Tiger oder Löwe mit einem zahmen Tier. Die Knaben kastrierten sie und mästeten sie, bis sie fett wurden, behandelten sie also, wie man es mit den Kapaunen tut. Aber die Älteren ermordeten sie sofort, warfen das Gedärm weg, aßen die anderen ihrer Glieder, desgleichen die Extremitäten wie Hände und Füße, aber das Übrige salzten sie und behielten es. Die Weiber fraßen sie nicht, sondern bewahrten sie wegen der Nachkommenschaft, ebenso wie man die Hennen hält wegen der Eier. Aber die alten Weiber bewahrten sie zur Dienstleistung. Deswegen flieht jedermann, wenn die Kannibalen zu diesen Inseln kommen, und niemand wartet auf sie, denn sie sind stark und grimmig, und zehn von ihnen können es mit hundert anderen aufnehmen.93

In der lateinischen Fassung, die Sebastian Münster für ein humanistisch gebildetes Publikum verfasst hat und die ebenfalls 1550 erschien, ist Cannibali anthropophagi ein Unterkapitel von Buch 5, De Nouis insulis. Neben dem Bild, das zwei als Metzger dargestellte Männer beim Zerteilen eines Menschen mit dem Hackebeil darstellt, liest man: Was die Tatsache anbelangt, dass die Inselbewohner zunächst beim Anblick unserer Leute geflohen sind, so machten sie das, weil sie glaubten, es handele sich um Kannibalen, also wilde Völker, die bei den Speisen das menschliche Fleisch bevorzugen. Die Unsrigen waren an ihnen vorbeigefahren und hatten sie im Süden gelassen. Die Inselbewohner hatten sich ganz traurig bei uns beklagt über das wilde Verhalten der 92 Ebd. 93 Vgl. Sebastian Münster: Cosmographey oder Weltbeschreibung [Cosmographia], aus dem Lateinischen übersetzt, o.O. [Basel] 1550.

Das Paradies hinter dem Horizont in Antike und Renaissance

45

Kannibalen, weil sie gegen sie nicht anders wüteten als ein Tiger und Löwe gegen zahme Tiere. Denn wenn sie noch nicht erwachsene Knaben ergreifen, schneiden sie ihnen die Hoden ab und mästen sie wie wir die Kapaune, die Erwachsenen aber töten sie sofort und weiden sie aus, um die frischen Eingeweide und die äußeren Glieder zu essen. Den Rest salzen sie und bewahren ihn auf, so wie wir Schinken und Wurst jeder Art. Frauen essen sie nicht, sondern bewahren sie im Hinblick auf die Nachkommenschaft, wie wir Hennen im Hinblick auf die Eier bewahren. Wenn es sich um eine alte Frau handelt, dann muss sie Dienste leisten. Wenn die Kannibalen auftauchen, ergreifen die Einwohner der Inseln die Flucht, und auch wenn sie Pfeile verwenden, haben sie dennoch nicht genug Kraft, um gegen die Kannibalen bestehen zu können.94

In diesem Abschnitt wird in die Beschreibung der zutiefst friedlichen und leicht zu beeinflussenden Ureinwohner das negative Gegenbild eingeführt, die Cannibali anthropophagi, die das Verhalten wilder Bestien gegenüber friedfertigen Tieren zeigen, schlimmer noch, die ihresgleichen aufessen und mit menschlichen Vorratstechniken bevorraten.

12.

Von wirklichen Entdeckungen zu imaginären Reisen

Kolumbus, Amerigo Vespucci, Pietro Martire d’Anghiera und andere Beschreiber von Reisen in den Westen schilderten Seefahrten, die wirklich stattgefunden haben oder von denen man dies jedenfalls glauben machen wollte. Der Erfolg dieser Berichte war sozusagen ein Stimulus, um Berichte von Reisen, die nur in der Vorstellung erfolgten, anzuregen. Hier ist natürlich vor allem der englische Lordkanzler und Märtyrer des Katholizismus, Thomas Morus oder Thomas More (1478–1535) zu nennen, dessen 1515 erschienener Text De optimo rei publicae statu deque nova insula Utopia dem Genus den Namen „Utopie“ (griechisch οὐ ‚nicht‘ und τόπιον ‚Ort‘) verlieh, aber auch Francis Bacon (1561–1626) mit seiner Nova Atlantis (1627 in lateinischer Sprache erschienen) und die Città del sole (1602; lat. Civitas Solis 1623) von Thomas Campanella (1568–1639) sind hier anzuführen, die alle ihren Ausgangspunkt in Platons Timaios haben. Hier beginnt die Geschichte der modernen Utopie, die an dieser Stelle natürlich nicht nachgezeichnet werden kann. Im 16. Jahrhundert ist die Sprache, in der die Utopien abgefasst werden, noch durchgehend das Lateinische, im 17. Jahrhundert beginnen die Volkssprachen auf ihr Recht zu pochen – ein Schritt, den die Beschreibungen der wirklichen Entdeckungsreisen in die Neue Welt schon an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhunderts gemacht hatten. Wenn man es schafft, Schülerinnen und Schülern einen Blick für die Faszination griechischer, lateinischer, spanischer und italie94 Vgl. ebd.

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Johannes Kramer

nischer Texte über tatsächlich geschehene oder nur im Reich der Phantasie erlebte Reisen nach Westen zu vermitteln, dann hat eine Lehreinheit de explorationibus ihr Ziel erreicht.

Bibliographie Primärtexte Anghiera, Pietro Martire d’ [Petrus Martyr de Angleria]: Opera, Graz 1966 (Nachdruck der Ausgabe von Miguel d’Eguiá, Alcalá 1530). Anghiera, Pietro Martire d’: Acht Dekaden über die Neue Welt, übersetzt, eingeführt und mit Anmerkungen versehen von Hans Klingelhöfer, Darmstadt 1972. [Aristoteles:] Aristotelis De caelo libri quattuor, ed. Donald Allan, Oxford 2005. Benedeit: Le voyage de Saint Brendan, übersetzt und eingeleitet von Ernstpeter Ruhe, München 1977. Hesiod: Theogonia, Opera et dies, Scutum, ed. Friedrich Solmsen, Oxford 1970. Hesiod: Werke, übersetzt von Johann Heinrich Voß, Tübingen 1911. Homer: Odyssee, nach der Übertragung von Johann Heinrich Voß, München 1962. [Homer:] Homeri Opera 3–4, ed. Thomas W. Allen, Oxford 1917. Honorius Augustodunensis: Imago mundi, ed. Henry Lewis, London 1928. Kolumbus, Christoph: „Ein Brief an Luis de Santángel“, in: Ders.: Bordbuch, übersetzt von Anton Zahorsky, Frankfurt am Main 2006, S. 287–299. [Lukian:] Luciani Opera 1, ed. M. D. MacLeod, Oxford 1972. Lukian: Werke 2, aus dem Griechischen übersetzt von Christoph Martin Wieland, Berlin / Weimar 1974. Luzzana Caraci, Ilaria / Pozzi, Mario: Scopritori e viaggiatori del Cinquecento 1, Milano / Napoli 1996. Münster, Sebastian: Cosmographey oder Weltbeschreibung [Cosmographia], aus dem Lateinischen übersetzt, o.O. [Basel] 1550. Platon: Œuvres complètes. 10: Timée, Critias, texte établi et traduit par Albert Rivaud, Paris 1970. Platon: Sämtliche Werke. 5: Politikos, Philebos, Timaios, Kritias, Übersetzung von Friedrich Schleiermacher und Hieronymus Müller, Hamburg 1959. [Platon:] Platonis Timaeus interprete Chalcidio, ed. Johannes Wrobel, Leipzig 1876. Plinius Secundus, Gaius: C. Plinii Secundi naturalis historia, ed. Detlef Detlefsen, Berlin 1866. Seneca: Naturales quaestiones, ed. Thomas H. Corcoran, London 1971–1972.

Das Paradies hinter dem Horizont in Antike und Renaissance

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Sekundärliteratur Forsyth, Phyllis Young: Atlantis. The making of myth, Montreal / London 1980. Gewecke, Frauke: Christoph Kolumbus, Frankfurt am Main 2006. Heubeck, Alfred / Hoekstra, Arie: A Commentary on Homer’s Odyssey I, Oxford 1990. Kohns, Oliver / Sideri, Ourania (Hg.): Mythos Atlantis. Texte von Platon bis J.R.R. Tolkien, Stuttgart 2009. Orlandi, Giovanni: „Navigatio sancti Brendani“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6: Lukasbilder bis Plantagenêt, München 1993, S. 1063–1066. Schmitt, Eberhard (Hg.): Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion, Bd. 2: Die großen Entdeckungen, München 1984.

Werner Nagel (Feldkirch)

Latinitas Pons. Latein – Brückenfunktion im modernen Fremdsprachenunterricht. Didaktische Modelle

Das Fach Latein steht, was seinen Stellenwert im Bildungskanon höherer Schulen und Hochschulen und damit auch seine Position in den Lehrplänen betrifft, immer wieder im Mittelpunkt heftiger Diskussionen. An dieser Stelle ist keine theoretische Abhandlung zu dieser Thematik vorgesehen. Vielmehr werden praxisbezogene, unmittelbar in der Unterrichtsarbeit einsetzbare Units vorgestellt, die für Lehrende und Lernende in Einzelarbeit und Teamwork erlebbar machen, dass die Brückenfunktion des Lateinischen im modernen Fremdsprachenunterricht in mehrfacher Hinsicht höchst gewinnbringend genutzt werden kann. Im Referat mit obigem Titel am 9. November 2015 im Institut für Klassische und Romanische Philologie der Universität Bonn wurden fünf Einheiten vorgestellt: 1. Grußworte (Transferbeispiel Latein – Spanisch, Portugiesisch, Italienisch, Französisch) 2. Von der Weltsprache Latein zur Weltsprache Englisch (Latein – Englisch) 3. Die Öffnung der Mauer – Ende und Wende (Latein – Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Italienisch) 4. Mit einer Übersetzung zum Spanischen „über-setzen“ (Latein – Spanisch) 5. Trennung in Andrea Bocellis Sogno und Catulls Carmen 8 (Latein – Italienisch) Die Exempla sind gleichzeitig mit ihrer unmittelbaren Verwendbarkeit im Unterricht höherer Schulen für die Lehramtskandidaten der modernen Fremdsprachen Modelle, die sie anregen sollen, ähnliche Einheiten im Rahmen ihres Studiums und darüber hinaus in ihrer Unterrichtstätigkeit zu „kreieren“. Weiters erleben sie, dass Lateinkenntnisse in Verbindung mit dem Wissen über charakteristische Entwicklungslinien einen raschen und leichten Zugang insbesondere zu den romanischen Sprachen bringen. In dieser Kombination kommt ein Leitgedanke der interkomprehensiven Didaktik zum Tragen, nämlich von der

50

Werner Nagel

bekannten Sprache aus mittels Zusatzinformationen und -erfahrungen zum Textverständnis in einer neuen, verwandten Sprache zu gelangen.1 Schließlich ist ein Teil der Unterrichtseinheiten in der Verbindung neusprachlicher mit lateinischen Texten so angelegt, dass in ihnen die humanitas der römischen Literatur als der alle Jahrhunderte überdauernde Wertehintergrund aufleuchtet.2

1.

Grußworte

Am Beispiel paralleler Grußformen im Spanischen, Portugiesischen, Italienischen und Französischen werden typische Veränderungen im Rahmen der Entwicklung des Lateinischen zu den romanischen Sprachen erarbeitet. Sechs lateinische Vokabeln ermöglichen die Analyse von Grußformeln in den vier Sprachen zu drei verschiedenen Tageszeiten. Folgende lateinische Wörter werden den entsprechenden neusprachlichen Vokabeln zugeordnet und markante Veränderungen in der zweiten und vierten Spalte vermerkt. bonus gut, dies Tag, diurnus zum Tag gehörig, nox, noctis Nacht, serus spät, tardus langsam, spät Spanisch buenos días bonus dies buenas tardes

Veränderung

Portugiesisch bom dia

Veränderung

-o- > -uee-Deklination > aDeklination boa tarde

1 Vgl. Peter Doyé: Intercomprehension. Guide for the development of language education policies in Europe: from linguistic diversity to plurilingual education, Language Policy Division DG IV – Directorate of School, Out-of-School and Higher Education, Council of Europe, Strasbourg 2005, S. 17–18: „To make pupils aware of the existence of the respective vocabulary in the family to which their language belongs, to show them how they can use it for the understanding of texts in the new language […] is the task of the Intercomprehension teacher in the lexical domain.“ 2 Ein besonderer Dank gilt Herrn Jun.-Prof. Dr. Roland Alexander Ißler für seine Einladung, am Institut für Klassische und Romanische Philologie der Universität Bonn im Rahmen der Vorlesungsreihe „Impulse zur Fremdsprachendidaktik – Issues in Foreign Language Education“ zu referieren und meine Unterrichtsmodelle zu veröffentlichen. Ein herzliches Dankeswort gilt auch Herrn Jun.-Prof. Dr. Uwe Küchler, der mit ihm gemeinsam diese Veranstaltungs- und Publikationsreihe leitet.

51

Latinitas Pons

Spanisch buenas noches

Veränderung

Portugiesisch boa noite

Italienisch buon giorno

Französisch bonjour

buona sera

bonsoir

buona notte

bonne nuit

Veränderung

Lösungen: Spanisch buenos días bonus dies

buenas tardes bonus tardus

Veränderung -o- > -uee-Deklination > aDeklination

-o- > -uePlural -s

buenas noches bonus

-o- > -ue-

nox, noctis

-ct- > -ch-

Portugiesisch bom dia bonus dies

boa tarde bonus

Veränderung Wegfall der Endung Nasalierung -m e-Deklination > aDeklination

Ausfall -n-

tardus boa noite bonus nox, noctis

Ausfall -n-ct- > -it-

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Werner Nagel

Italienisch buon giorno bonus diurnus

Veränderung

Französisch bonjour

-o- > -uodi- > gi-

bonus diurnus

buona sera bonus serus

Wegfall der Endung di- > j-

bonsoir -o- > -uo-

bonus serus

buona notte bonus nox, noctis

Veränderung

Wegfall der Endung -erus > -oir

bonne nuit -o- > -uo-ct- > -tt-

bonus nox, noctis

weibliche Endung -e -ct- > -it-

Folgende romanische Wörter lassen sich aufgrund obiger Beobachtungen zum Wortstamm und zum Entwicklungsverlauf verstehen bzw. ergänzen: Lateinische Wurzel dies Tag nox, noctis Nacht portus Hafen

Spanisch

Portugiesisch

Italienisch

Französisch

diario

diário . ornal di- > j-

. . . rnale di- > . .

. ournal di- > .

pernoctar

per . . . . are -ct- > -it. . . .o

per . . . . are -ct- > -tt.o.. .



. . . . to -o- > -ue-

.... Wegfall Endg.

tectum Dach focus Feuer, Herd

. . . .o . . . go

teto . . go

. . . .o . . . .o

toit feu

lectus Bett

. . . .o -ct- > -ch-

. . . .o -ct- > -it-

. . . .o -ct- > -tt-

lit

Lösungen: S: puerto, techo, fuego, lecho; P: jornal, pernoitare, porto, fogo, leito; I: giornale, pernottare, porto, tetto, fuoco, letto; F: journal, port

53

Latinitas Pons

2.

Von der Weltsprache Latein zur Weltsprache Englisch

Schritt 1: Latein als Brücke zum Englischen entdecken In diesem Abschnitt wird der hohe Anteil lateinischer Wurzeln im englischen Vokabular bewusst gemacht und in der Erarbeitung lateinischer Präfixe und Suffixe im Englischen vielseitig verwendete und verwendbare Elemente in der Brückenfunktion des Lateinischen aufgezeigt. Zum Einstieg werden die Bedeutungen der im Folgenden verwendeten lateinischen Wörter gesichert, indem diese den deutschen Übersetzungen zugeordnet werden. Lateinisches Wort facere/factus (fectus) iacere/iactus (iectus) premere/pressus ferre natio clamare uti/usus mittere/missus lex, legis sonare/sonatus legere/lectus struere/structus trahere/tractus ludere/lusus ponere/positus currere/cursus

Deutsche Bedeutung ziehen machen tragen rufen schicken, lassen drücken Gesetz tönen bauen gebrauchen werfen spielen setzen, legen Volk laufen sammeln, lesen

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Werner Nagel

Lösungen: Lateinisches Wort facere/factus (fectus) iacere/iactus (iectus) premere/pressus ferre natio clamare/clamatus uti/usus mittere/missus lex, legis sonare/sonatus legere/lectus struere/structus trahere/tractus ludere/lusus ponere/positus currere/cursus

Deutsche Bedeutung machen werfen drücken tragen Volk rufen gebrauchen schicken, lassen Gesetz tönen sammeln, lesen bauen ziehen spielen setzen, legen laufen

Nun werden die englischen Wörter mit den lateinischen Wurzelwörtern und den ihnen entsprechenden Fremdwörtern/Lehnwörtern und deren Bedeutungen im Deutschen verbunden. Englisch

Lateinisches Wurzelwort

admission subtraction abuse collection proclamation prelude excursion perfect consonance objectivity apposition instructor difference depressive international reservation

mittere/missus clamare/clamatus ludere/lusus facere/factus (fectus) uti/usus sonare/sonatus iacere/iactus (iectus) ponere/positus struere/structus currere/cursus ferre legere/lectus premere/pressus trahere/tractus natio servare/servatus

Fremdwort/Lehnwort und/ oder Bedeutung im Deutschen Zulassung, Einlass international Proklamation/Verkündigung Präludium/Vorspiel Exkursion/Ausflug Differenz/Unterschied Missbrauch, missbrauchen Objektivität Apposition/Beifügung perfekt, vollendet Subtraktion/Abziehen Kollektion/Sammlung deprimiert, depressiv Instruktor/Lehrer Reservierung/Vorbestellung Konsonanz/Gleichklang

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Latinitas Pons

Lösungen: Englisch

Lateinisches Wurzelwort

admission subtraction abuse collection proclamation

mittere/missus trahere/tractus uti/usus legere/lectus clamare/clamatus

prelude excursion perfect consonance objectivity apposition instructor difference depressive international

ludere/lusus currere/cursus facere/factus (fectus) sonare/sonatus iacere/iactus (iectus) ponere/positus struere/structus ferre premere/pressus natio

reservation

servare/servatus

Fremdwort/Lehnwort und/ oder Bedeutung im Deutschen Zulassung, Einlass Subtraktion/Abziehen Missbrauch, missbrauchen Kollektion/Sammlung Proklamation/Verkündigung Präludium/Vorspiel Exkursion/Ausflug perfekt, vollendet Konsonanz/Gleichklang Objektivität Apposition/Beifügung Instruktor/Lehrer Differenz/Unterschied deprimiert, depressiv international/zwischenstaatlich Reservierung/Vorbestellung

Schritt 2: Lateinische Präfixe und Suffixe als Brückenbogen zum englischen Vokabular und incentives für kreative Wortschatzarbeit Ziel dieses Abschnittes ist das Herausarbeiten von lateinischen Präfixen und Suffixen als vielseitige Bedeutungsträger und deren Verwendung in der Wortschatzarbeit. 2.1

Präfixe

In den oben aufgelisteten englischen Wörtern ist dem Wortstamm eine Vorsilbe bzw. ein Präfix vorgelagert und am Ende eine Nachsilbe bzw. ein Suffix angefügt. Zunächst werden die lateinischen Präfixe erarbeitet, indem sie in der Liste durch Unterstreichen markiert werden. Beispiel: Engl. admission/Zulassung enthält den lateinischen Wortstamm miss- von mittere/missus schicken, lassen. Eingeleitet wird das Wort mit dem Präfix ad-/zu-. Lösungen: admission, subtraction, abuse, collection, proclamation, prelude, excursion, perfect, consonance, objectivity, apposition, instructor, difference, depressive, international, reservation.

Eine Auswahlliste aktueller lat. Präfixe im Englischen dient als Grundlage weiterer Beobachtungen im Wortbildungsbereich.

56

Werner Nagel

Lateinisches Präfix ab- (abs-, a-) ad- (ac-, af-, ag-, al-, an-, ap-, as-, at-) com- (co-, coll-, con-, corr-) dedis- (diff-) ex- (e-, ef-) in- (ill-, im-, ir-) interob- (o-, of-, op-) perpraeprore- (red-) sub- (suc-, suf-, sug-, sup-, sur-, sus-)

Deutsche Bedeutung weg-, miss-, unzuzusammen mit herab-, ab-, wegauseinanderausin, ein-, in … hinein, aber auch: unzwischengegendurchvorfürzurück-, wiederunter-

Mit Hilfe der oben genannten lateinischen Grundwörter und der aufgelisteten Präfixe gilt es möglichst viele englische Wörter, auch Wortfamilien, zu bilden. Die mehrfachen Variationen bei ab-, ad- usw. ergeben sich durch Assimilation/Anpassung des Endlautes an den Anlaut des folgenden Wortstammes. Beispiel (zum Wortstamm miss- von mittere/missus schicken, senden): Präfix com- (aus con-), de-, inter-, ob-, per-, pre-, pro-, re-, sub-

2.2

Wortbildungen commission, commit, commitee, demission, intermit, omit, permit, premise, promise, remise, submit

Suffixe

Das zweite Element, das die Bedeutung eines Wortes entscheidend prägt, ist die Nachsilbe, das Suffix. Die in der folgenden Tabelle eingetragenen lateinischen Suffixe werden in der englischen Vokabelliste von Schritt 1 markiert und dann in der 2. Spalte parallel zum lateinischen Suffix eingetragen: Lateinisches Suffix -ntia -tas, -tatis -tio, -sio, -io, -ionis -tor, -toris (-sor, -soris) -ivus -alis, -e

Englisches Suffix

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Latinitas Pons

Lösungen: Auswahlliste von lateinischen Suffixen im Englischen (mit Bedeutungsangabe): Lateinisches Suffix -ntia -tas, -tatis -tio, -sio, -io, -ionis -tor, -toris -ivus -alis, -e

Bedeutung Eigenschaft, Zustand, Verhalten, dt.: -nz Eigenschaft, Zustand, Verhalten, dt.: -tät, -heit, -keit Handlung (im Verlauf), dt.: -ung handelnde Person/Sache, dt.: -tor Eigenart, dt. -lich, gehörend zu, dienend zu, dt.: -iv Zugehörigkeit, Art, dt. -lich, -al

Englisches Suffix -nce -ty -tion, -sion, -ion -tor -ive -al

In Kombination lateinischer Grundwörter mit Suffixen (zusätzlich auch mit Präfixen) werden englische Vokabeln geformt. Beispiele: Lateinisches Präfix

Lateinisches Suffix

Englisches Wort



Lateinischer Wortstamm ag-(ere)/act-(us)

-tor

actor Schauspieler, Täter

re-

ag-(ere)/act-

-tio

ad- (ac-)

clam-(are)

-tio

reaction Reaktion, Rückwirkung acclamation Beifall

dis-

son-(are)

-antia

sub-

prem-(ere)/press(us) leg-(ere)/lect-(us)

-ivus

e-

-alis

dissonance Dissonanz, Missklang suppressive unterdrückend electoral die Wahl betreffend

In freier Kombination obiger und weiterer Präfixe, Suffixe und Wortstämme werden englische Wörter „konstruiert“ und mittels eines Lexikons verifiziert. So entsteht der Stammbaum einer großen Wortfamilie. Präfixe: ab(s-), at-, con-, de-, dis-, ex-, pro-, re-

Wortstamm: trahere/tractus ziehen

Suffixe: -ive, -tion, -tor

58

Werner Nagel

Beispiel einer Wortfamilie im Englischen: abstract, abstraction attract, attraction, attractive contract, contraction, contractor detract, detraction, detractor distract, distraction extract, extraction, extractive, extractor protract, protraction, protractor retract, retraction, retractor

Vorschläge für die Bildung weiterer Wortfamilien mit den lateinischen Basiswörtern: facere (ficere), factus (fectus) machen; ferre, latus tragen; gradi (gredi), gressus gehen; habere (hibere), habitus haben, halten; tenere (tinere), tentus haben, halten; iungere, iunctus verbinden; tendere, tentus (tensus) spannen; capere (cipere), captus (ceptus) fangen, nehmen, erfassen Schritt 3: Brückenbogen noch weiter spannen – lateinische Präfixe und Suffixe im Spanischen, Portugiesischen, Italienischen und Französischen In folgender Auswahlliste werden lateinische Suffixe in den neusprachlichen Varianten angegeben. Latein

Englisch

Spanisch

-ntia -tas, -tatis -tio, -sio, -io, -ionis -tor, -toris, -sor, -soris -ivus -alis, -e

-nce -ty -tion, -sion, -ion -tor -sor -ive -al

-ncia -d/-(t)ad -ción, -sión, -ión -dor -sor -ivo/-iva -al

Portugiesisch -nça/-ncia -dade -ção, -são, -ão -dor -sor -ivo/-iva -al

Italienisch

Französisch

-nza -tà -zione, -sione, -ione -(t)tore -sore -ivo/-iva -ale

-nce -té -tion, -sion, -ion -teur -seur -if/-ive -al/-ale, -el/-elle

Unter Verwendung dieser Varianten lateinischer Suffixe in den romanischen Sprachen werden von den englischen Wörtern ausgehend die entsprechenden Parallelen in den neuen Sprachen gebildet. Unterschiede in Orthographie und Lautbildung sind angegeben bzw. markiert. In einigen Fällen kommen die „theoretisch“ gebauten Wortbildungen nicht vor, sondern werden durch andere (verwandte) Wortstämme vertreten. Auch von der Bedeutung her sind Abweichungen zu berücksichtigen. Achtung vor false friends! Deshalb liegen bei diesen Übungen immer die Lexika zur Einsichtnahme bereit.

59

Latinitas Pons

Englisch admission subtraction abuse collection proclamation prelude excursion perfect consonance objectivity apposition instructor difference depressive international reservation

Spanisch Portugiesisch ........ admis . . . . . . . . .c. . . (resta) . . . .o . . . .o . . lec . . . . .l. . .. . . ............ ........... . . . . . . io . . . . . . io ........ ......... . . . . eito . . . . . ..o . . . . . . . . . . . . . . . . .â. . . . objet . . . . . . . objet . . . . . . apo . . . . . apo . . . . . . . . . . . .t. . .......... . . fe . . . . . dife . . . . . . .......... . . . . esi . . . . . . . . .c. . . . . . . . . . . .c. . . .. .......... reservación

Italienisch ammi . . . . . . sottra . . . . . . . . .o .......... ............. . . . . . . io es . . . . . . . . . . . . . tto .......... obiett . . . . . ........... is . . . tt . . . .......... .......... . . . . . . .z. . . . . . ri . . . . . . . . . . (nicht mehr in Verwendung)

Französisch ......... soust . . . . . . . . . .s .......... ............ . .é. . . . ......... . a . . ait .......... ........... .......... ........... . . . .é. . . . . dé . . . . . . . ............. ré . . . . . . . . .

Spanisch admisión (resta) abuso colección proclamación preludio excursión perfecto consonancia objetividad aposición instructor diferencia depresivo internacional reservación

Italienisch ammissione sottrazione abuso collezione proclamazione preludio escursione perfetto consonanza obiettività apposizione istruttore differenza depressivo internazionale (riservazione)

Französisch admission soustraction abus collection proclamation prélude excursion parfait consonance objectivité apposition instructeur différence dépressif international réservation

Lösungen: Englisch admission subtraction abuse collection proclamation prelude excursion perfect consonance objectivity apposition instructor difference depressive international reservation

Portugiesisch admissão subtracção abuso colecção proclamação preludio excursão perfeito consonância objetividade aposição instrutor diferença depressivo internacional reservação

Den Abschluss dieser Unit bildet der kreative, Englisch und die romanischen Sprachen einbeziehende Umgang mit Präfixen und Suffixen in Verbindung mit lateinischen Basiswörtern/Wortstämmen. Als lateinische Basiswörter bieten sich an: claudere (cludere), clausus (clusus) schließen – dicere, dictus sagen, sprechen – ducere, ductus führen – iacere, iactus (iectus) werfen – prehendere, prehensus (= prendere, prensus) fassen, ergreifen – sentire, sensus wahrnehmen, fühlen, meinen – spondere, sponsus geloben, sich verpflichten – specere (spicere), spectus sehen, schauen.

60

Werner Nagel

Anhang: Weitere „Brückenelemente“ Zusätzlich zu den bisher verwendeten Suffixen bieten sich weitere Elemente für eine Wortschatzarbeit quer durch die modernen Fremdsprachen an: Lateinisches Englisch Suffix Bedeutung Substantiva: -mentum -ment instru-men- instru-ment tum Mittel, Ergebnis, Instrument, dt.: -ment

Spanisch

Portugiesisch

Italienisch

Französisch

-mento instrumento

-mento instrumento

-mento stru-mento

-ment instru-ment

-ous amorous

-oso amoroso

-oso amoroso

-oso amoroso

-eux amoureux

-ic Celtic

-ico celtico

-ico celtico

-ico celtico

-ique celtique

-arius agr-arius agrar-, den Ackerbau betreffend; Zugehörigkeit, dt.: -ar -bilis flexi-bilis biegsam; Möglichkeit, Fähigkeit, dt.: -lich, -bar, -wert, -sam

-arian agrarian

-ario agrario

-ario agrário

-ario agrario

-aire agraire

-ble flexible

-ble flexíble

-vel fléssivel

-bile flessibile

-ble flexible

-ns, -ntis arroga-ns anmaßend, arrogant; Eigenschaft, dt.: -nt, -nd

-nt arrogant

-nte arrogante

-nte arrogante

-nte arrogante

-nt arrogant

Adjektiva: -osus amor-osus voll Liebe, amourös; Fülle, dt.: -voll -icus Celticus keltisch; Zugehörigkeit, dt.: -isch

61

Latinitas Pons

Lateinisches Englisch Suffix Bedeutung Verben: -itate -itare agere > agi- agitate tare hin und her bewegen; wiederholte oder heftige Handlung, dt.: -itieren

3.

Spanisch

Portugiesisch

Italienisch

Französisch

-itar agitar

-itar agitar

-itare agitare

-iter agiter

Die Öffnung der Mauer – Ende und Wende

Abb. 1: Berlin, Brandenburger Tor vor dem Fall der Mauer. Foto: DI Werner Neyer.

Im lateinischen Originaltext von Vergils Aeneis und in internationalen newspaper reports begegnen wir dem schicksalsbestimmenden Faktum, das durch die Öffnung einer Mauer gesetzt wird. Wir lernen die mehrfach parallelen Reaktionen kennen, welche angesichts dieser Umwälzung bei den Zeitgenossen in Antike und Gegenwart ausgelöst wurden.

62

Werner Nagel

Gleichzeitig verbinden sich mit der Reflexion über menschliche Aussagen des Textes Beobachtungen zum vielfältigen Beziehungsnetz Latein – romanische Sprachen, im Besonderen zu Französisch. Wir knüpfen Verbindungen im Bereich Wortkunde und nutzen sie als Mittel zum Textverständnis. Gleichzeitig erarbeiten wir Parallelen und Unterschiede in der sprachlichen Gestaltung bei Vergils Dichtung und dem Bericht eines modernen Journalisten heraus. Schritt 1: Die Öffnung einer Mauer: Was sie im sagenumwobenen Troia … Vergil Aeneis 2, 1–56 Aeneas berichtet vor Königin Dido von der Öffnung der Mauern Troias und von den dadurch vor Ort ausgelösten Reaktionen und Folgen. Die Verse 1–24 leiten zu dem für unsere Thematik wichtigen Teil der Erzählung (V. 25–56) über. V. 1–13: Einführung des Berichtes des Aeneas über das tragische Ende von Troia, das er selbst sah und in der Erzählung nochmals schmerzvoll miterlebt. Aufgrund des großen Interesses an seinem und seiner Leute Schicksal will er zu erzählen beginnen. V. 12–24: Die Griechen bauen das „Troianische Pferd“. Es wird heimlich mit Soldaten gefüllt. Die Feinde täuschen vor, abgefahren zu sein, und verstecken sich am verlassenen Strand von Tenedos. 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39

nos abiisse rati et vento petiisse Mycenas. Ergo omnis longo solvit se Teucria luctu; panduntur portae, iuvat ire et Dorica castra desertosque videre locos litusque relictum: hic Dolopum manus, hic saevus tendebat Achilles; classibus hic locus, hic acie certare solebant. Pars stupet innuptae donum exitiale Minervae et molem mirantur equi; primusque Thymoetes duci intra muros hortatur et arce locari, sive dolo seu iam Troiae sic fata ferebant. At Capys, et quorum melior sententia menti, aut pelago Danaum insidias suspectaque dona praecipitare iubent subiectisque urere flammis, aut terebrare cavas uteri et temptare latebras. Scinditur incertum studia in contraria vulgus.

V. 25–39: Die Reaktionen der Bevölkerung und die geteilten Meinungen im Hinblick auf die zu treffenden Maßnahmen rücken in den Mittelpunkt der Erzählung.

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Primus ibi ante omnis magna comitante caterva Laocoon ardens summa decurrit ab arce, et procul ‚o miseri, quae tanta insania, cives? creditis avectos hostis? aut ulla putatis dona carere dolis Danaum? sic notus Ulixes? aut hoc inclusi ligno occultantur Achivi, aut haec in nostros fabricata est machina muros, inspectura domos venturaque desuper urbi, aut aliquis latet error; equo ne credite, Teucri. quidquid id est, timeo Danaos et dona ferentis.‘ Sic fatus validis ingentem viribus hastam in latus inque feri curvam compagibus alvum contorsit. Stetit illa tremens, uteroque recusso insonuere cavae gemitumque dedere cavernae. At, si fata deum, si mens non laeva fuisset, impulerat ferro Argolicas foedare latebras, Troiaque nunc staret, Priamique arx alta maneres.

V. 40–56: Laokoons Eingreifen und Scheitern

Unter Verwendung der folgenden Anmerkungen wird der Inhalt des Textes V. 25–56 erarbeitet. Anmerkungen zum lateinischen Text V. 25–56 V. 25–30: abeo, ire, ii, iturus weggehen; reor 2. ratus sum glauben;3 ventus Wind; peto 3. petivi, petitus hingehen; ergo daher; solvo 3. solvi, solutus lösen; Teucria Landschaft von Troia; luctus, -us Trauer; pando 3. pandi, passus öffnen; iuvo 1. iuvi, iutus erfreuen; Doricus dorisch; desero 3. deserui, desertus verlassen; litus, -oris Küste; relinquo 3. reliqui, relictus zurücklassen; hic hier; Dolopes Volk am Pindus; manus, -us Schar; saevus schrecklich; tendo 3. tetendi, tentus spannen, Zelt aufstellen; classis, -is Flotte; acies, -ei Schlachtlinie; certo 1. kämpfen; soleo 2. solitus sum pflegen. V. 31–34: pars Teil; stupeo 2. ui anstaunen, bewundern; innuptus unvermählt; donum Geschenk; exitialis unheilvoll; moles Masse, massiver Bau; miror 1. bewundern; equus Pferd; duco 3. duxi, ductus ziehen, führen; intra innerhalb, hinein; murus Mauer; hortor 1. ermuntern; arx, arcis Burg; loco 1. stellen; sive … seu entweder … oder; dolus Hinterlist; iam schon; sic so; fatum Schicksal, Wille der Götter; fero, fers, ferre, tuli, latus tragen, mit sich bringen. V. 35–39: at aber; melior besser; sententia Meinung; mens, mentis Sinn, Geist; aut … aut … aut entweder …oder … oder; pelagus Meer; Danai Griechen; insidiae Hinterlist; suspectus verdächtig; praecipito 1. stürzen; iubeo 2. iussi, iussus befehlen; subicio 3. ieci, iectus unter etwas werfen, legen; uro 3. ussi, ustus verbrennen; terebro 1. durchbohren; cavus hohl; uterus Bauch; temptare versuchen, überprüfen; latebra Versteck; scindo 3. scidi, scissus spalten; incertus unsicher; studium Interesse; contrarius entgegengesetzt; vulgus Volk, Menge. 3 Die Ziffern nach Verben bezeichnen die diversen Konjugationen.

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V. 40–49: primus erster; ibi dort; ante vor; omnis jeder, ganz; magnus groß; comito(r) 1. begleiten; caterva Schar; ardeo 2. arsi, arsurus brennen; summus höchster; procul von ferne; miser elend; tantus so groß; insania Wahnsinn; civis Bürger; credo 3. didi, ditus glauben; aveho 3. vexi, vectus wegführen, -fahren; hostis Feind; ullus irgendein; puto 1. meinen; careo 2. ui, iturus frei sein von; notus bekannt; Ulixes Odysseus; includo 3. clusi, clusus einschließen; lignum Holz, hölzerner Bau; occulto 1. verbergen; Achivi Griechen; fabrico 1. bauen; machina Maschine; inspicio 3. spexi, spectus hineinschauen; domus Haus; venio 4. veni, ventus kommen; desuper von oben herab; urbs, urbis Stadt; aliquis irgendein; lateo 2. ui verborgen sein; Teucri Troianer; error Fehler, Täuschung; quidquid was auch immer; timeo 2. ui fürchten. V. 50–56: fari, fatus sum sprechen; validus stark; ingens gewaltig; vis Kraft; latus Seite, Flanke; ferus wild; curvus gebogen, hohl; compages Gefüge; alvus Bauch; contorqueo 2. torsi, tortus schleudern; sto 1. steti, status stehen; tremo 3. ui zittern; recutio 3. cussi, cussus erschüttern; insono 1. ertönen; gemitus Seufzen, Ächzen; do 1. dedi, datus geben; caverna Hohlraum; deum = deorum der Götter; laevus linkisch, töricht; impello 3. puli, pulsus bewegen; ferrum Eisen, eiserne Waffe; foedo 1. verwüsten; nunc jetzt; altus hoch; maneo 2. mansi, mansus bleiben. Im lateinischen Text werden zunächst die jeder Frage entsprechenden sinntragenden Begriffe/Stichwörter/Namen unterstrichen und dann die Fragen beantwortet: 1. Welche Gefühle werden bei der Bevölkerung ausgelöst? 2. Welche Aktionen folgen von Seiten des Volkes? Welche Erinnerungen steigen in ihnen hoch? 3. Welche Personen tauchen namentlich auf ? 4. Welche Schritte werden von der ersten und zweiten Person gesetzt bzw. gefordert? 5. Wozu führen die einander widersprechenden Aufforderungen beim Volk? Das ganze entsprechende Zitat wird durch Unterstreichen hervorgehoben. 6. In welcher gefühlsmäßigen Verfassung befindet sich Laokoon? 7. Wie stuft er das Verhalten der Leute ein? 8. Mit welchem zum Sprichwort gewordenen Satz beendet er seinen Aufruf ? 9. In welcher Handlung gipfelt seine leidenschaftliche Aktion? 10. Womit schließt der Berichterstatter/Dichter seine Erzählung?

Lösungen: Die zu unterstreichenden Begriffe/Stichwörter/Namen werden im Folgenden zusammen mit einer Übersetzung bzw. Erläuterung angeführt.

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1.

solvit se Teucria luctu V. 26 – Trauer schwindet, iuvat V. 27 – Freude, stupet V. 31 – Staunen über das Geschenk, mirantur V. 32 – Bewunderung der Größe des Pferdes. 2. ire V. 27, videre castra desertosque locos V. 27–28, Dolopum manus V. 29 … tendebat Achilles V. 29, classibus … locus acie certare solebant V. 30. Sie wollen hingehen und die Orte der kriegerischen Auseinandersetzungen besichtigen: dort, wo die Doloper und Achilles ihre Zelte hatten, den Schiffslagerplatz und das Schlachtfeld. 3. Thymoetes V. 32, Capys V. 35. 4. Thymoetes: duci intra muros … in arce locari V. 33 – fordert dazu auf, das Pferd hinter die Mauern zu ziehen und auf der Burg aufzustellen. Capys et quorum melior sententia V. 35… pelago praecipitare V. 36–37 … urere V. 37 … terebrare cavas V. 38 … temptare latebras V. 38 – Capys und die, die gescheitert waren, befehlen das Pferd ins Meer zu stürzen … es anzuzünden oder das Versteck der Hohlräume zu durchbohren und zu schauen, was dahinter ist. 5. scinditur incertum studia in contraria vulgus V. 39 – es wird in zwei entgegengesetzte Lager gespalten. 6. ardens V. 41 – brennend vor Zorn und Sorge. 7. insania V. 42 – Wahnsinn. 8. Quidquid id est, timeo Danaos et dona ferentes V. 49 – Furcht vor den Griechen, auch wenn sie Geschenke bringen. 9. hastam in latus inque … alvum contorsit V. 50–52 – er schleudert eine Lanze in den Bauch des Pferdes. 10. Troiaque nunc staret, Priamique arx alta maneres V. 56 – Persönlicher Kommentar des Erzählers/Dichters (mit der direkten Anrede an Troia mit „du“) zum Geschehenen: Troia würde noch stehen, wenn die Götter es anders gewollt hätten bzw. wenn die Troianer nicht verblendet gewesen wären.

Schritt 2: … und in Berlin auslöste Paris Match, 10. November 2009 „Nous sommes libres“, chantent les jeunes Allemands. J’ai vraiment l’impression de vivre l’Histoire en direct. Les bras se tendent à tous ceux qui veulent monter sur le „rempart*4 contre le fascisme“, „qui sera* là pendant encore cent ans“, affirmait Erich Honecker. Des filles de l’Ouest débouchent* une bouteille de champagne, d’autres du vin et de la bière. Les milliers de gens qui escaladent le

4 Anmerkung (im Text mit Sternchen*): déboucher entkorken, j’ai habeo, jamais jemals, prisonnier engl. prisoner, rempart Bollwerk, sera er, sie, es wird sein.

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mur ressemblent à des prisonniers* qui se précipiteraient vers la porte ouverte de leur camp. Jamais* je n’ai ressenti, ni assisté, à une telle joie collective. Nun gilt es, sich mit dem Bericht des französischen Journalisten vertraut zu machen, der bei den Ereignissen vom 9. November 1989 dabei war. Folgende in alphabetischer Reihenfolge angeordneten lateinischen Wurzelwörter können Nicht-Französisch-Kennern bei der Lösung helfen. Die lateinischen Wörter werden über die von derselben Wurzel gebildeten französischen Vokabeln im Text geschrieben. abertus, affirmare, alter, annus, assistere, brachium, cantant, centum, contra, filia, -ius, gaudium, gens, historia, impressio, iuvenis, liber, mille, mons, montis, murus, nec … nec, nos, porta, qui, praecipitare, scalae, sentire, similis, sumus, super, talis, tendere, totus, versus, verus, vivere, vinum, volunt. Anmerkungen: abertus offen, affirmare bekräftigen, alter der andere, annus Jahr, assistere dabei stehen, brachium Arm, cantant sie singen, centum hundert, contra gegen, filia, -ius Tochter, Sohn, gaudium Freude, gens Volk, historia Geschichte, impressio Eindruck, iuvenis jung, liber frei, mille tausend, mons, montis Berg, murus Mauer, nec … nec weder … noch, nos wir, porta Tor, praecipitare kopfüber herabstürzen, qui welcher, scalae, -arum Stiege, sentire fühlen, wahrnehmen, similis ähnlich, sumus wir sind, super über, talis so beschaffen, tendere spannen, ausstrecken, totus ganz, Pl. alle, unus ein, versus hingewendet, zu, verus wahr, vivere leben, vinum Wein, volunt sie wollen. Lösungen: Die lateinischen Wurzelwörter stehen über dem entsprechenden französischen Wort. nos sumus liber cantant iuvenis „Nous sommes libres“, chantent les jeunes Allemands. verus impressio vivere historia J’ai vraiment l’impression de vivre l’Histoire en direct. brachium tendere totus qui volunt mons super contra Les bras se tendent à tous ceux qui veulent monter sur le „rempart contre le fascisme“, qui centum annus affirmare „qui sera là pendant encore cent ans“, affirmait Erich Honnecker. filia, -ius unus alter vinum Des filles de l’Ouest débouchent une bouteille de champagne, d’autres du vin et de la bière.

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mille gens scalae murus similis Les milliers de gens qui escaladent le mur ressemblent à des prisonniers qui se praecipitare versus porta abertus sentire nec…nec précipiteraient vers la porte ouverte de leur camp. Jamais je n’ai ressenti, ni assistere unus talis gaudium assisté, à une telle joie collective.

Die folgenden Fragen zum Inhalt werden stichwortartig mit Zitaten aus dem Französischen beantwortet: 1. Was erfahren die Jugendlichen so intensiv und verkünden es laut? 2. Wie reagieren die Jugendlichen noch auf die Öffnung der Mauer? 3. Welches Bild wird wach, als die Menge die Mauer hochsteigt? 4. Welche Funktion hätte die Mauer in den Augen der Machthaber haben sollen?

Lösungen: 1. Nous sommes libres. 2. Chantent – Les bras se tendent – veulent monter sur le rempart – débouchent champagne vin bière. 3. Des prisonniers qui se précipiteraient vers la porte ouverte de leur camp. 4. „Rempart contre le fascisme“ – cent ans.

Schritt 3: Wie der Dichter und der Journalist sie sahen … Betreffend den Inhalt der beiden Texte wird der Bericht des Journalisten über die Geschehnisse in Berlin mit der Dichtung Vergils zur Öffnung der Mauer von Troia in folgenden Punkten verglichen. Bei Zutreffen wird + gesetzt. Troia Vergil Ende der Trauer, Freude Besichtigung und Begehung der Mauer und der Stätte tragischer Ereignisse Akzeptanz der Öffnung der Mauer Kritik an der Öffnung der Mauer Offene Wünsche totale Ablehnung

Berlin Paris Match

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Lösungen: Ende der Trauer, Freude

Troia Vergil +

Berlin Paris Match +

Besichtigung und Begehung der Mauer und der + Stätte tragischer Ereignisse Akzeptanz der Öffnung der Mauer +

+

Kritik an der Öffnung der Mauer Offene Wünsche totale Ablehnung

+

+

+

+

Betreffend den Einsatz sprachlicher Gestaltungselemente wird der bei Vergil emotional am stärksten betonte Abschnitt mit dem Auftreten des Laokoon (v. 40–56) und der Erlebnisbericht des französischen Journalisten im Hinblick auf folgende Gesichtspunkte analysiert. In den mit Sternchen* bezeichneten Punkten sind die entsprechenden Passagen einzufügen. direkte Rede direkte Frage Steigerungslinie Zitate*, Gnomen* Anaphern (Wortwiederholungen)* Alliterationen (gleiche Anlaute)* Einbringen der ersten Person*, persönlicher Kommentar des Berichterstatters*

Vergil Anzahl:

Paris Match Anzahl:

o ja o nein o unbedeutend

o ja o nein o unbedeutend

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Lösungen: Vergil direkte Rede direkte Frage

Anzahl: 4x

Paris Match Anzahl: 1x

Steigerungslinie (Zutreffendes ankreuzen) Zitate*, Gnomen*

x ja o nein o unbedeutend Quidquid id est, timeo Danaos et dona ferentis

o ja o nein x unbedeutend le rempart contre le fascisme

Anaphern* Alliterationen*

aut … aut … aut comitante caterva, dona … dolis Danaum, machina muros, domos … desuper, Danaos … dona

n’ai … ni tendent à tous précipiteraient vers la porte

J’ai vraiment l’impression de vivre l’Histoire en persönlicher Kommentar des Berichterstatters* At, si fata deum, si direct. mens non laeva Jamais je n’ai resfuisset, impulerat senti, ni assisté, à ferro Argolicas une telle joie colfoedare latebras lective. Troiaque nunc staret, Priamique arx alta maneres.

Einbringen der ersten Person*,

Schritt 4: … und wie die politische Nachwelt sie deutet Im Folgenden werden Stellungnahmen führender Politiker anlässlich des 20Jahr-Jubiläums aus italienischen, spanischen und portugiesischen Medien eingefügt.5 Es geht darum, auch bei Nicht-Kenntnis einer oder mehrerer Sprachen, auf dem Weg über das Lateinische die Aussagen der Zitate zu erschließen. 5 Die zitierten Stellungnahmen stammen aus den folgenden Quellen: „Il mondo unito per la caduta del Muro. Merkel: ‚Un giorno di svolta epocale‘“, in: il Giornale, 09.11.09, http:// www.ilgiornale.it/news/mondo-unito-caduta-muro-merkel-giorno-svolta-epocale.html [17.07.19]; „Il muro di Berlino, vent’anni dopo. La Merkel: ‚Festa per tutta l’Europa‘“, in: Corriere della sera, 09.11.09, ultima modifica: 10.11.09, http://www.corriere.it/esteri/09_novem bre_09/muro_berlino_celebrazioni_germania_16351202-cd39–11de-b7a9–00144 f 02aabc. shtml [17.07.19]; „Gorbachov pide que la Comisión mejore sus relaciones con Moscú“, in: El Mundo, 10.11.09, https://www.elmundo.es/elmundo/2009/11/10/union_europea/1257856365. html [17.07.19]; „,La libertad no nace por sí misma, hay que luchar por ella y defenderla siempre‘“, in: El Mundo, 10.11.09, https://www.elmundo.es/elmundo/2009/11/09/internacio nal/1257796236.html [17.07.19]; „Sócrates considera queda do Muro advento de ‚novo paradigma mundial‘“, in: Diário de Noticias, 09.11.09, https://www.dn.pt/portugal/interior/socra tes-considera-queda-do-muro-advento-de-novo-paradigma-mundial–1415534.html [17.07.19].

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In der unten angegebenen Liste lateinischer Vokabeln werden jene Wörter gesucht, die mit den – im Text unterstrichenen – italienischen, spanischen oder portugiesischen Vokabeln vom Ursprung her verwandt sind und die so einen Hinweis auf die Bedeutung der neusprachlichen Wörter und den Inhalt geben. In den Anmerkungen ist die deutsche Bedeutung der lateinischen Grundwörter angeführt. il Giornale: Il mondo unito per la caduta del Muro Merkel: „Un giorno di svolta* epocale“ *svolta/Wendepunkt Corriere della sera: Merkel: „Riunificazione incompiuta“ El Mundo: Recordando el Muro, Gorbachov pide mejor relación entre Europe y Rusia Medvédev: „Dividía también Europa“ El presidente ruso, Dmitri Medvédev, subrayó en su discurso ante las decenas de miles de personas reunidas en el corazón de Berlín que el muro que dividía la ciudad „dividía también toda Europa“. „No debemos olvidar que su caída fue posible gracias a los cambios* en la Unión Soviética y otros países de Europa“, señaló. También comentó que la caída del Muro „trajo bienestar, progreso y paz“ a todo el continente. *cambio/Wechsel, Veränderung Sarkozy: „Un sueño de Europa“ Los hombres y mujeres que lucharon contra el muro de Berlín tenían „un sueño de Europa“, indicó Sarkozy en su breve intervención. Diário de Noticias: Sócrates considera queda do Muro advento de „novo paradigma mundial“. O primeiro-ministro afirmou hoje em Berlim que a queda do muro, há 20 anos*, „significou um novo paradigma … “ „Alguns também previram um mundo mais unipolar, mais concentrado ou concebido com base na pax americana, da concentração num único bloco, num único país, mais influente em todo o mundo“, referiu José Sócrates. *há 20 anos/vor zwanzig Jahren

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Anmerkungen: Lateinische Basiswörter mit Übersetzung: adventus Ankunft; affirmare bekräftigen; alter der andere; ante vor; bene+stare „wohl-stehen“; brevis kurz; cadere fallen; civitas Bürgerschaft, Stadt; complere erfüllen; concipere begreifen, abfassen; considerare betrachten; cor Herz; debere schulden, müssen; decem zehn; dies Tag; dividere trennen; fuit ist gewesen; gratia Dank; hodie heute; homo Mensch, Mann; indicare anzeigen, angeben; inter zwischen; intervenire dazwischenkommen, -treten; intra innerhalb; luctari kämpfen; magis mehr; melior besser; mille tausend; mulier Frau; mundus Welt; murus Mauer; oblivisci vergessen; pagus Gau; pax Frieden; petere suchen, verlangen; posse können; praevidere voraussehen; progressus Fortschritt; recordari sich erinnern; referre zurücktragen, sprechen; relatio Beziehung; somnium Traum; signum Zeichen; tenere haben, halten; trahere ziehen; totus ganz; unus eins; unicus einzig. Lösungen: Folgende lateinische Wörter liegen den neusprachlichen Texten zugrunde. il Giornale: il mondo lat. mundus Welt; unito lat. unus eins; lat. unire einigen; caduta lat. cadere fallen; muro lat. murus Mauer Merkel: un lat. unus ein; giorno diurnus zum Tag gehörig Corriere della sera: riunificazione ri-, lat. re- zurück, wieder; lat. unus eins; lat. facere machen; -zione lat. -tio bezeichnet eine Handlung; incompiuta lat. in- un-; compiuta lat. complere füllen, erfüllen El Mundo: recordando lat. recordari sich erinnern; muro lat. murus Mauer; pide lat. petere suchen, verlangen; mejor lat. melior besser; relación lat. relatio Beziehung; entre lat. inter zwischen

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Medvédev: „Dividía también Europa“ subrayó sub- lat. sub- unter, rayó lat. radius Strahl; ante lat. ante vor; decenas lat. decem zehn; miles lat. mille tausend; reunidas re- lat. re- wieder, zurück, lat. unus eins; corazón lat. cor Herz; que lat. quod dass; que lat. qui, quae, quod welcher, welche, welches; dividía lat. dividere trennen; ciudad lat. civitas Bürgerschaft, Stadt; también lat. tam so, lat. bene gut; toda lat. totus ganz; debemos lat. debere schulden, müssen; olvidar lat. oblivisci vergessen; su lat. suus sein, ihr; caída lat. cadere fallen; fue lat. fuit ist gewesen; posible lat. posse können; gracias lat. gratia Dank; cambio Wechsel; otros lat. alter der andere; países lat. pagus Gau; señaló lat. signum Zeichen; comentó lat. commentari erwägen, überlegen; trajo lat. trahere ziehen; bienestar lat. bene+stare „wohl-stehen“; progreso lat. progressus Fortschritt; paz lat. pax Frieden; todo lat. totus ganz. Sarkozy: „Un sueño de Europa“ hombres lat. homo Mensch, Mann; mujeres lat. mulier Frau; lucharon lat. luctari kämpfen; tenían lat. tenere haben, halten; sueño lat. somnium Traum; indicó lat. indicare anzeigen, angeben; intervención lat. intervenire dazwischenkommen, -treten. Diário de Noticias: considera lat. considerare betrachten; queda lat. cadere fallen; advento lat. adventus Ankunft; mundial lat. mundus Welt; afirmou lat. affirmare bekräftigen; hoje lat. hodie heute; significou lat. signum Zeichen; previram lat. praevidere voraussehen; mais lat. magis mehr; concebido lat. concipere begreifen, abfassen; único lat. unicus einzig; país lat. pagus Gau; todo lat. totus ganz; mundo lat. mundus Welt; referiu lat. referre zurücktragen, referieren, sprechen. Von der oben erarbeiteten Basis aus ist der Text inhaltlich so weit verständlich, dass eine Zuordnung und eine Einschätzung versucht werden kann. Wer hat diese Aussage gemacht? Wie ist sie einzustufen? 1) bienestar, 2) mais influente em todo o mundo, 3) mejor relación entre Europa e Rusia, 4) progreso y paz, 5) paradigma mundial, 6) riunificazione incompiuta, 7) sueno de Europa, 8) svolta epocale, 9) único país Zeitgenossen positiv eher kritisch offene Wünsche

Merkel

Gorbachov

Medvédev

Sarkozy

Sócrates

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Lösungen: Zeitgenossen positiv

Merkel 8) svolta epocale

kritisch

6) riunificazione incompiuta

offene Wünsche

4.

Gorbachov

Medvédev Sarkozy 1) bienestar, 7) sueno de 4) progreso Europa y paz

Sócrates 5) paradigma mundial, 9) unico país, 2) mais influente em todo o mundo

3) mejor relación entre Europe y Rusia

Mit einer Übersetzung vom Lateinischen zum Spanischen „über-setzen“

Anhand einer Übersetzung von Catulls Widmungsgedicht (Carmen 1) ins Spanische wird der Blick auf Parallelen im Wortmaterial und auf entwicklungsbedingte Unterschiede in der Grammatik des Lateinischen und Spanischen gerichtet. Darüber hinaus wird zur Aufdeckung einer textlichen und damit auch inhaltlichen Abweichung der spanischen Übertragung vom zugrundeliegenden lateinischen Original hingeführt. Schritt 1: Auf der Suche … nach den nugae von Parallelen im Wortbestand, … In einem ersten Vergleich des Catull-Textes mit der spanischen Übersetzung werden zu den lateinischen Vokabeln die von der Wurzel her deckungsgleichen spanischen Wörter bzw. zu den spanischen die lateinischen Parallelen gesucht und in die Tabelle eingetragen.

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Catull: Carmen 16 Cui dono lepidum novum libellum 1 arida modo pumice expolitum? Corneli, tibi: namque tu solebas meas esse aliquid putare nugas, iam tum, cum ausus es unus Italorum 5 omne aevum tribus explicare cartis, doctis, Iuppiter, et laboriosis! Quare habe tibi, quidquid hoc libelli, qualecumque: quod, o patrona virgo, plus uno maneat perenne saeclo. 10

Dedicatoria a Cornelio Nepote7 A quién voy a dedicar este elegante y nuevo libro recién alisado con la áspera piedra pómez? A ti, Cornelio, pues tú eras quien solías dar algún valor a mis poesías de ocasión, cuando tú, el único de los itálicos, te atreviste a escribir una historia universal en tres volúmenes, cultos, por Júpiter, y muy elaborados. Acepta, pues, esta nadería de libro, y, por insignificante que sea, pueda gracias a su protector sobrevivir más de una generación.

1

5

10

Anmerkungen zur spanischen Übersetzung: voy a lat. vado gehen, statt Futurformen (vgl. engl. going to); por insignificante que sea so unbedeutend es auch sein mag; nadería Nichtigkeit; gracias a dank (mit Genitiv). (weitere Anmerkungen am Ende von Schritt 2). Die Parallelen werden einander zugeordnet. Catull novum

Spanische Übersetzung (Verkleinerungsform) libro a ti pómez

solebas el único de los itálicos tribus

Lösungen: Catull novum libellum

spanische Übersetzung nuevo (Verkleinerungsform) libro

tibi pumice

a ti pómez

solebas unus Italorum

solias el único de los itálicos

tribus

tres

6 Catull: Carmen 1, in: Günter Lachawitz (Hg.): Catull und Vagantenlyrik: Auswahl, Textband, Wien 1986 (Orbis Latinus), S. 18. 7 Übersetzung zu Catull aus: Catulo: Poesías, Traducción, introducción y notas de Antonia Ramírez de Verger, Madrid 1994, S. 49.

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Nun werden aus der spanischen Übersetzung die jeweiligen Parallelen den lateinischen Wörtern zugeordnet. Catull

Übersetzung

Vers Wendung 1 Cui

Fall Z. Wendung 3. Fall Sg. 1

2 3

arida … pumice tibi

6. Fall Sg. 2 3. Fall 3

5 6

unus Italorum tribus … cartis

2. Fall Pl. 5 6. Fall Pl. 6

10

plus … uno saeclo

6. Fall Sg. 10

Unterschied

Welcher Schluss über die Entwicklung der Fälle kann aus dem Vergleich gezogen werden? (a, b oder c wird ausgewählt). a) Die Endungen fallen einfach weg; b) die Fälle bleiben erhalten; c) die Fälle verschwinden und ihre Funktion wird durch Präpositionen ersetzt.

Lösungen:

Catull Vers Wendung 1 Cui

Fall Z 3. Fall Sg. 1

Übersetzung Wendung A quien

Unterschied a statt 3. Fall

2 3

arida … pumice tibi

6. Fall Sg. 2 3. Fall 3

con la … pómez A ti

con statt 6. Fall a statt 3. Fall

5 6

unus Italorum tribus … cartis

2. Fall Pl. 5 6. Fall Pl. 6

el único de los itálicos en tres volúmenes

de statt 2. Fall en statt 6. Fall

10

plus … uno saeclo

6. Fall Sg. 10 más de una generación de statt 6. Fall

Lösung zur Multiple-Choice-Frage: c) Schritt 2: … nach Parallelen trotz unterschiedlichem Wortmaterial, … Auch bei weiteren, von der Wurzel her nicht deckungsgleichen spanischen Vokabeln lassen sich deren Bedeutungen erkennen. Grund: Weitere lateinische Wurzeln liegen den spanischen Formulierungen zugrunde. Die lateinischen Wörter werden zu den deutschen Übersetzungen gestellt. Latein: accipere/acceptus

aliquis

occasio, occasionis quando

dare

magis

scribere

supervivere

valor

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wann, als: annehmen:

geben: Gelegenheit:

mehr: schreiben:

irgendeiner:

überleben:

Wert:

wann, als: quando

geben: dare

mehr: magis

annehmen: accipere/acceptus irgendeiner: aliquis

Gelegenheit: occasio, occasionis überleben: supervivere

schreiben: scribere

Lösungen:

Wert: valor

Die spanischen Entsprechungen werden zu den lateinischen Vorgaben bzw. die lateinischen Entsprechungen zu den spanischen Phrasen gestellt. Es ist zu beachten, dass die parallel zu setzenden Phrasen vereinzelt in Details der Bedeutung voneinander abweichen können. S: acepta L: omne aevum … explicare chartis

esta nadería de libro meas … nugas

dar algún valor

plus uno saeclo

maneat perenne

esse aliquid putare mis poesías de ocasión habe tibi quidquid hoc libelli, qualecumque escribir una historia universal más de una generación pueda … sobrevivir

Lösungen: esse aliquid putare

dar algún valor

meas … nugas habe tibi

mis poesías de ocasión acepta

quidquid hoc libelli, qualecumque omne aevum … explicare cartis

esta nadería de libro escribir una historia universal

plus uno saeclo maneat perenne

más de una generación pueda … sobrevivir

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Anmerkungen zur spanischen Übersetzung: recién jüngst, lat. recens, ntis; alisar glätten (Wortwurzel unbekannt); piedra lat. petra Fels; quien welcher, lat. quem; atreviste pretérito indefinido 2. Sg. von atreverse wagen, lat. tribuere sibi sich zuteilen; muy sehr, lat. multum; pues folglich, denn, lat. post; pueda Konj. Präs. von poder können; más lat. magis. Schritt 3: … und nach Ungereimtheiten – trotz Parallelen Der spanische Übersetzer8 verwendet an einer Stelle einen vom üblichen Originaltext abweichenden lateinischen Text. Um den Unterschied herauszufinden, gilt es folgende Textvarianten mit der spanischen Übersetzung zu vergleichen: V. 8–10: Quare habe tibi, quidquid hoc libelli, qualecumque quidem, quod patroni ut ergo plus uno maneat perenne saeclo. V. 8–10: Quare habe tibi, quidquid hoc libelli, qualecumque quidem, quod o patrona virgo plus uno maneat perenne saeclo.

Zeile 8–10: Acepta, pues, esta nadería de libro, y, por insignificante que sea, pueda gracias a su protector sobrevivir mas de uma generación.

Anmerkung: ergo nachgestellt hat die Bedeutung wegen, um … willen (= span. gracias a) Lösung: Der spanischen Übersetzung liegt der lateinische Text in der Variante „patroni ut ergo“ (wegen deines Förderers) statt „o patrona virgo“ (o schützende Jungfrau) zugrunde. Statt der jungfräulichen Muse, die als Schützerin angerufen wird, ist es in der spanischen Übersetzung Catulls Förderer Cornelius Nepos, dank dessen sein Werk ewig bestehen bleiben möge.

5.

Trennung in Andrea Bocellis Sogno und Catulls Carmen 8

In diesem Abschnitt begegnen wir dem Trennungsschmerz Liebender in kontrastierenden Situationen, lernen Strategien zu seiner Bewältigung kennen und erleben ihre dichterische und musikalische Gestaltung mit.

8 Text nach George Patrick Goold: Catullus, London 1983, S. 35 und 227, der eine Bitte an eine weitere Gönnerin, die Muse, angesichts des Gönners überflüssig findet.

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Schritt 1: Sogno – inhaltlich erschließen Als bewegender Einstieg in die Thematik wird Andrea Bocellis Lied Sogno vorgespielt.9 Andrea Bocelli: Sogno Va ti aspetterò Il fiore nel giardino segna il tempo Qui disegnerò il giorno poi del tuo ritorno Sei così sicura del mio amore Da portarlo via con te Chiuso nelle mani Che ti porti al viso Ripensando ancora a me E se ti servirà Lo mostri al mondo Che non sa che vita c’è Nel cuore che distratto sembra assente Non sa che vita c’è In quello che soltanto il cuore sente Non sa

1

5

10

15

Qui ti aspetterò E ruberò i baci al tempo Tempo che non basta a cancellare Coi ricordi il desiderio che Resta chiuso nelle mani Che ti porti al viso Ripensando a me E ti accompagnerà Passando le città da me Da me che sono ancora qui E sogno cose che non so di te

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25

Dove sarà che strada farà Il tuo ritorno Sogno Qui ti aspetterò E ruberò i baci al tempo Sogno Un rumore … il vento che mi sveglia E sei già qua

Übersetzung Geh ich werde auf dich warten Die Blume im Garten gibt die Zeit an Hier werde ich dann den Tag deiner [Rückkehr zeichnen Du bist meiner Liebe so sicher Dass du sie mit dir wegnimmst Eingeschlossen in die Hände Die du dir zum Antlitz hebst Immer wieder und noch in Gedanken an mich Und wenn es dir nützt Zeigst du sie der Welt Die nicht weiß wie das Leben ist In einem Herzen, das auseinander gerissen [abwesend scheint Nicht weiß wie das Leben ist In jenem der nur das Herz fühlt Nicht weiß Hier werde ich auf dich warten Und der Zeit die Küsse rauben Einer Zeit die nicht genügt Mit den Erinnerungen die Sehnsucht [auszulöschen die in den Händen eingeschlossen bleibt die du dir zum Gesicht hebst immer wieder in Gedanken an mich Und sie wird dich begleiten Beim Durchstreifen der Städte nach mir Nach mir der ich noch hier bin Und Dinge träume die ich von dir nicht weiß Wo es sein wird welche Straße Deine Rückkehr bringen wird Ich träume

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Hier werde ich auf dich warten Und der Zeit die Küsse rauben Ich träume Ein Rauschen … der Wind der mich weckt Und schon bist du da

Zur Erschließung des Textes stehen zunächst die Kernaussagen im Mittelpunkt, die sich im Rahmen der zahlreichen Wiederholungen abzeichnen. Die Textwiederholungen werden entsprechend der Anzahl ihres Aufscheinens gesucht und eingetragen. 9 Text und Musik stammen von Giuseppe Vessicchio und Giuseppe Servillo, Edizioni Suvini Zerboni SpA / Sugarmusic Edizioni Musicali Srl / Mascotte Edizioni Musicali Srl, 1998; nachfolgend zitiert nach dem Booklet der gleichnamigen Audio-CD: Andrea Bocelli: Sogno, Insieme Srl / Polydor 314 547 222–2, Milano 1999, S. 5.

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4 x wiederholt: ................................................... 3 x wiederholt: ................................................... 2 x wiederholt: ..................................................................................................................................

Lösungen:

4 x wiederholt: sogno 3 x wiederholt: (Qui hier) ti aspetterò 2 x wiederholt: (amore, desiderio) Chiuso nelle mani Che ti porti al viso Ripensando (ancora) a me

Das Lied kreist um die Bedeutungsfelder Trennung: Liebe – Traum sowie Liebende und Außenwelt. Die damit verbundenen Stichwörter werden vorgegeben – in lateinischer Sprache mit Wörtern, welche die Wurzel der Entsprechungen im italienischen Lied sind und so wie Stützbogen zu dieser Sprache und zum Inhalt des Textes hinführen. Die italienischen Entsprechungen werden in der Form, in der sie im Lied vorkommen, in der zweiten Spalte eingetragen. Die sprachlichen Anmerkungen weiter unten sind dabei eine Hilfe. Liebe und Traum amor ............................................................................................................. amore desiderium .................................................................................................. pensare ......................................................................................................... sentire .......................................................................................................... recordari ...................................................................................................... re-tornare .................................................................................................... basium ......................................................................................................... aspectare ...................................................................................................... somnium, somniare .................................................................................. (e)xvigilare .................................................................................................. Liebende und Außenwelt cor ................................................................................................................. cuore sentire .......................................................................................................... mundus ........................................................................................................ non sapere ................................................................................................... civitas ........................................................................................................... clausus/clusus ............................................................................................. securus ......................................................................................................... manus .......................................................................................................... visum ............................................................................................................

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Lösungen: Liebe und Traum amor – Liebe ............................................................................................... desiderium – Sehnsucht ........................................................................... pensare – sich Gedanken machen .......................................................... sentire – fühlen .......................................................................................... recordari – sich erinnern .......................................................................... re-tornare – Rückkehr .............................................................................. basium – Kuss ............................................................................................ aspectare – hinschauen ............................................................................. somnium, somniare – träumen ............................................................... (e)xvigilare – aufwachen ...........................................................................

amore desiderio ripensando sente ricordi ritorno baci aspetterò sogno sveglia

Liebende und Außenwelt cor – Herz ................................................................................................... sentire – fühlen .......................................................................................... mundus – Welt ........................................................................................... non sapere – nicht wissen ........................................................................ civitas – Stadt ............................................................................................. clausus/clusus – eingeschlossen .............................................................. securus – sicher .......................................................................................... manus – Hand ............................................................................................ visum – Gesicht ..........................................................................................

cuore sente mondo non sa città chiuso sicura mani viso

Der Inhalt wird schlagwortartig formuliert, z. B. Warten auf die Geliebte – Träumen von ihr in der Ferne und bei der Rückkehr – vom gegenseitigen Vertrauen in die Liebe erfüllt sein. Die Welt versteht den Liebenden nicht. Sprachliche Erläuterungen: Zeilen 1–3 sogno: Traum, ich träume, von lat. somnium Traum, somniare träumen va geh, 2. Person Singular Imperativ von lat. vad-ere gehen; va (va’, vai), vada, andate, vadano ti Personalpronomen 2. Person Singular, direktes Objekt, lat. te aspetterò 1. Person Singular Futur Aktiv Indikativ von ital. aspettare warten auf, lat. aspectare (immer wieder) hinschauen. Futur wird aus dem Infinitiv (ohne Schluss-e, bei a-Konjugation -er statt -ar) + Endungen (-ò, -ai, -à, -emo, -ete, -anno) gebildet fiore lat. flos, floris Blume, fl- > fi- wie bei ital. fiume < lat. flumen nel: in (lat. in) + Artikel il giardino Garten, fränkisch gardo umzäunter Ort segna 3. Person Singular Präsens Aktiv Indikativ zu segnare zeichnen, mit einem Zeichen (lat. signum) versehen tempo lat. tempus, Wechsel in die o-Deklination

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qui hier, lat. ecc(um) hic disegnerò 1. Person Singular Futur Aktiv Indikativ von disegnare zeichnen (vgl. segnare) giorno Tag, lat. diurnus zum Tag gehörig poi lat. post nach del: di + Artikel il tuo lat. tuus dein, Possessivpronomen 2. Person Singular ritorno: Rückkehr, lat. re + tornare zurück-drehen Zeilen 4–8 sei du bist, 2. Person Singular Präsens Indikativ zu essere sein, lat. esse, vulglat. essere, Präsens: sono, sei, è, siamo, siete, sono così so, lat. eccum sic sicura lat. securus sicher mio mein, lat. meus, Possessivpronomen 1. Person Singular da + Infinitiv mit konsekutiver Bedeutung: dass… portare via wegtragen lo lat. illum con te lat. tecum chiuso: clusus PPP zu vulglat. cludere (lat. claudere) nelle: in < lat. (i)n ill(is) + Artikel le mani Plural zu mano (feminin) < lat. manus (feminin) Hand che Relativpronomen maskulin und feminin ti lat. tibi dir und lat. te dich porti 2. Person Singular Präsens Aktiv Indikativ zu portare tragen, bringen al: a + Artikel il viso Gesicht, lat. visum ripensando a wiederholt denkend an; Gerundio, lat. re+pensare erwägen ancora noch, lat. hanc hora(m) Zeilen 9–15 se: lat. si wenn servirà 3. Person Singular Futur Aktiv Indikativ zu servire, lat. servire dienen mostri 2. Person Singular Präsens Aktiv Indikativ und Konjunktiv zu mostrare lat. monstrare zeigen mondo lat. mundus Welt sa 3. Person Singular Präsens Aktiv Indikativ zu sapere wissen, kennen: so, sai, sa, sappiamo, sapete, sanno c’ hier, vulglat. hicce < hic qui cuore lat. cor Herz distratto auseinandergerissen, lat. distractare von distrahere, ital. distrarre

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sembra 3. Person Singular Präsens Aktiv Indikativ zu sembrare scheinen, provenzalisch semblar, lat. similare (zu similis ähnlich) assente abwesend, lat. absens, absentis quello jener, lat. eccu(m) + illu(m) soltanto nur, lat. solo + tanto sente 3. Person Singular Präsens Aktiv Indikativ zu sentire, lat. sentire fühlen Zeilen 16–26 ruberò 1. Person Singular Futur Aktiv Indikativ zu rubare stehlen baci Plural zu bacio, lat. basium Kuss tempo lat. tempus, Umwandlung in o-Deklination basta 3. Person Singular Präsens Aktiv Indikativ von bastare genügen. vulglat. *bastare, gr. βαστάζειν (bastázein) tragen cancellare lat. cancellare mit einem Gitter schließen, ein Gitter über das Geschriebene ziehen, (durch)streichen coi: con mit + Artikel i ricordi Erinnerungen, lat. recordari sich erinnern desiderio lat. desiderium Sehnsucht resta 3. Person Singular Präsens Aktiv Indikativ zu restare, lat. re-stare zurückbleiben accompagnerà 3. Person Singular Futur Aktiv Indikativ, begleiten, mittellat. companio wer das gleiche Brot isst (lat. cum + panis) passando Gerundio zu passare, vulglat. *passare, zu lat. passus Schritt città lat. civitas Bürgerschaft, Stadt da von, zu, lat. de + ab sono lat. sum ich bin cose Plural zu cosa, lat. causa Sache, ersetzt allmählich lat. res so 1. Person Singular Präsens Aktiv Indikativ zu sapere, lat. sapere wissen Zeilen 27–36 dove wo, lat. de + ubi wo sarà 3. Person Singular Futur Aktiv Indikativ zu vulglat. *essere, klass. lat. esse sein farà 3. Person Futur Aktiv Indikativ zu fare lat. facere machen un unbestimmter Artikel, lat. unus ein rumore Geräusch, lat. rumor, -oris Ruf, Gerücht vento Wind, lat. ventus sveglia wecken, 3. Person Singular Präsens Aktiv Indikativ, vulglat. e(x)vigilare aufwachen già lat. iam schon qua hier, lat. (ec)cu(m) hac

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Schritt 2: Sogno – sprachlich vertiefen Die folgenden Übungsunterlagen geben die Möglichkeit, ausgewählte Aspekte der Entwicklung des aus lateinischer Quelle stammenden italienischen Wortmaterials zu erarbeiten.

2.1

Nomina – Lautbildung

Das Ziel ist die Beobachtung entwicklungsbedingter Veränderungen vom Lateinischen zum Italienischen im Bereich der Substantive und Adjektive. Zunächst werden in der 3. Spalte die italienischen Parallelen zu den lat. Wörtern eingetragen und in der 4. Spalte die Veränderungen beschrieben. Lateinisches Basiswort flos, floris, m.

Deutsche Übersetzung Blume

Italienisches Wort fiore

Veränderungen fl > fi

Parallelbeispiele fiamma

tempus, temporis, n. Zeit diurnus zum Tag gehörig securus sicher manus, manus, f. Hand monstro, monstrare cor, cordis, n.

zeigen Herz

somnus, somni, n. Schlaf somnium, somnii, n. Traum ventus, venti, m. clusus (clausus)

Wind geschlossen

In der 5. Spalte werden zu den jeweils beschriebenen entwicklungsbedingten Gesetzmäßigkeiten Parallelbeispiele aus folgender Liste eingefügt: buono, carro, chiave, costruire, decoro, fiamma, giornale, ogni, portico, ritorno

Diesen italienischen Wörtern liegen folgende lateinischen Wörter zugrunde: bonus gut; carrus, -i, m. Karren; clavus, -i Schlüssel; construere bauen; decus, decoris, n. Schmuck; diurnus zum Tag gehörig; flamma, -ae, f. Flamme; omnis jeder, ganz; porticus, -us, f. Säulenhalle (u-Deklination); re-tornare zurück-drehen.

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Lösungen: Lateinisches Basiswort flos, floris, m.

Italienisches Wort fiore

Veränderungen fl>fi

Parallelbeispiele fiamma

tempus, temporis, n. Zeit

tempo

decoro

diurnus

zum Tag gehörig

giorno

kons. Dekl. n. > o-Dekl., m. di > gi, u > o

securus manus, manus, f.

sicher Hand

sicura mani

e>i u-Dekl. > oDekl.

ritorno portico

monstro, monstrare cor, cordis, n.

zeigen Herz

mostri cuore

Ausfall n vor s costruire o > uo buono

somnus, somni, n. Schlaf somnium, somnii, n. Traum ventus, venti, m. Wind

sogno sogno vento

mn > gn

o-Dekl.: us > o carro

clausus (clusus)

chiuso

cl > chi

2.2

Deutsche Übersetzung Blume

geschlossen

giornale

ogni

chiave

Verbalformen

2.2.1 Präsensformen: Präsens Aktiv Indikativ In diesem Überblick zu den italienischen und lateinischen Konjugationsgrundformen gilt das Augenmerk der den Text beherrschenden 1., 2. und 3. Person Singular Präsens Aktiv Indikativ der 1. Konjugation. Die Beispiele aus dem Text werden zu den vorgegebenen Musterformen eingetragen, so dass Parallelen und Unterschiede zwischen den lateinischen und italienischen Verbalendungen deutlich werden: Beibehalten des -o in der 1. Person Singular, Wegfall des -t in der 3. Person Singular und Ersatz des Bindevokals -a durch -i in der 2. Person Singular (möglicherweise beeinflusst von der 2. Person der 3. und 4. Konjugation).

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Konjugation auf -are: Lateinisch

Italienisch

cant – o

cant – o

cant – as cant – at

cant – i cant – a

cantamus cantatis cantant

cantiamo cantate cantano

Beispiele aus dem italienischen Text

Lösungen: zu lat. canto: sogno, so, sono; zu lat. cantas: porti, mostri, sei; zu lat. cantat: segna, sembra, resta, sveglia, sa. Anmerkungen: so und sa (zu lat. 3. Konj. sapere, ital. 2. Konjugation), sono (Hilfszeitwort lat. sum und lat. sunt). In der Liste fehlen è (Hilfszeitwort lat. est) und sente (3. Person Präsens Aktiv Indikativ 4. Konjugation von sentire) 2.2.2 Futurformen Keine einzige einfache Futurform (außer dem Futur von esse/sein) ist in die romanischen Sprachen gelangt. Bereits im 2. Jahrhundert n. Chr. wurde habeo mit Infinitiv Präsens in der Bedeutung des Futurs (ohne die Nuance des Müssens) verwendet. Von hier ist es nur ein kleiner Schritt zu den Futurformen des Italienischen, des Spanischen, Portugiesischen und Französischen. Im Italienischen ergibt sich folgendes Futur-Schema: cant – er – ò cant – er – ai cant – er – à cant – er – emo cant – er – ete cant – er – anno

Wie beim Präsens kommen im Lied nur Singularformen vor. Diese werden den Personen im Schema zugeteilt. (Das Endungsschema der 1. Konjugation mit -ergilt für alle Konjugationen. Nur bei der vierten Konjugation steht statt -er- -ir-).

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Lösungen: 1. Person Singular: aspetterò, disegnerò, ruberò; 3. Person Singular: servirà, accompagnerà, sarà, farà Schritt 3: Catulls Carmen 8 und Andrea Bocellis Sogno – „Trennung“ im Vergleich Das Thema „Trennung von der Geliebten“ und Strategien zur Überwindung des seelischen Schmerzes haben über alle Zeiten hinweg die Dichter beschäftigt. Gaius Valerius Catullus, einer der bedeutendsten Lyriker der Weltliteratur, ist ein beeindruckendes Pendant aus dem alten Rom des 1. Jahrhunderts v. Chr. Seine vom persönlichen Leben, von seinen Leidenschaften und Emotionen geprägten Gedichte sind von keinem Geringeren als Carl Orff eindrucksvoll vertont worden. Als Einstieg zum Carmen 8 des Catull empfiehlt es sich, dieses Lied aus Orffs Carmina Catulli vorzuspielen und die Stimmung im Kontrast zu Bocelli erleben zu lassen. Eine Beschäftigung/Auseinandersetzung mit dem Text ist mit Hilfe der beigefügten Anmerkungen vorgesehen. Catull: Carmen 810 Miser Catulle, desinas ineptire et, quod vides perisse, perditum ducas.

5

Anmerkungen desinas: höre auf (Konjunktiv Präsens anstelle des Imperativs) – fortgesetzt mit ducas (halte für…); ineptire töricht, dumm sein; perire zugrunde gehen; perdere zugrunde richten; fulsere = fulserunt, von fulgeo, -ere, fulsi leuchten; Fulsere quondam candidi tibi soles, quondam einmal, einst; ventitare cum ventitabas, quo puella ducebat amata nobis, quantum amabitur nulla. Frequentativum zu venire: immer wieder kommen; nobis (Dativus auctoris) = Ibi illa multa cum iocosa fiebant, a nobis mit Bezug auf den Dichter (von quae tu volebas nec puella nolebat. mir); iocosus scherzhaft (mit erotischer Fulsere vere candidi tibi soles. Nuance); nec … nolebat: doppelte Verneinung = verstärkte Bejahung: wollte gerne; Nunc iam illa non vult: tu quoque, impotens, noli

10 nec, quae fugit, sectare nec miser vive, sed obstinata mente perfer, obdura!

impotens Schwächling; sectare Imperativ 2. Person Singular zu sectari: Intensivum zu sequi: nachlaufen; obstinata mente entschlossenen Sinnes; perferre durchhalten; obdurare hart sein; requirere suchen; invitus gegen den Willen; nulla: statt non;

10 Catull: Carmen 8, in: Lachawitz (Hg.): Catull und Vagantenlyrik, S. 21.

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Vale, puella, iam Catullus obdurat nec te requiret nec rogabit invitam: At tu dolebis, cum rogaberis nulla. 15 Scelesta, vae te! Quae tibi manet vita? Quis nunc te adibit? Cui videberis bella? Quem nunc amabis? Cuius esse diceris? Quem basiabis? Cui labella mordebis? At tu, Catulle, destinatus obdura.

scelesta Unselige; vae te wehe dir; Cuius esse diceris? Wessen Geliebte wirst du genannt werden?; labellum, -i, n. Lippe; mordere beißen; destinatus entschlossen.

Es folgt ein Vergleich von Andrea Bocellis Sogno und Catulls Carmen 8.

3.1

Formale Elemente im Textvergleich

Ausgehend von formalen Elementen werden Catulls und Bocellis Gedanken und Reaktionen angesichts der Trennung von der Freundin herausgearbeitet: 3.1.1 Futurformen Bocelli: Seine Erwartung auf die Rückkehr der Freundin kommt in den Futurformen zum Ausdruck: aspetterò (3x), designerò, servirà, ruberò, accompagnerà, sarà, farà. Catull: Seine düster drängenden Fragen, betreffend die Zukunft seiner Geliebten und ihren nächsten Liebhaber, spiegeln sich in den Futurformen seiner Fragesätze: Quis nunc te adibit? Cui videberis bella? Quem nunc amabis? Cuius esse diseris? Quem basiabis? Cui labella mordebis? mit dem gehäuften Einsatz der Fragewörter mit dem Anlaut qu- und cu-. Dazu gehört auch Catulls Bekenntnis seiner nicht mehr zu übertreffenden Liebe: V. 5 Quantum amabitur nulla. 3.1.2 Vergangenheitsformen Bocellis Traum schwebt in der Gegenwart und Zukunft. Daher findet sich bei ihm kein Verb in der Vergangenheitsform. Bei Catulls weit ausholenden Blick in die „sonnenbeglückte“ Vergangenheit spielen die Formen des Perfekts und die Wiederholung betonenden Imperfekts eine tragende Rolle: fulsere (2x), ventitabas, ducebat, fiebat, volebas, nolebat. 3.1.3 Imperative, Interjektionen und Konjunktive Bocelli verwendet nur einmal (V.1 Va) einen Imperativ, nie eine Interjektion.

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Catull setzt ebenfalls – an seine Geliebte gerichtet – nur einen Imperativ ein: vale (V.12). Er steigert ihn aber mit dem in V.15 folgenden scaelesta und der Interjektion vae (te) zu einer tragischen Verfluchung. Eine ganze Reihe von Imperativen richtet der Dichter an sich selbst: tu quoque, impotens, noli. Nec … sectare nec miser vive, sed obstinata mente perfer, obdura und wiederholt am Schluss des Gedichtes seinen Vorsatz an sich selbst: desinas ineptire et … perditum ducas. 3.1.4 Indikativ Präsens Bocellis Text ist geprägt von einer Fülle von Formen des Indikativ Präsens: ti porti al viso (2x), mostri al mondo, non sa (2x), che vita c’è (2x), il cuore sente. Sie schildern den seelischen Zustand dessen, der sich, ganz vom Gefühl in der Gegenwart erfasst, in die Zukunft hineintragen lässt: tempo che non basta; il desiderio che resta chiuso; da me che sono ancora qui; sogno (3x). In ihnen weist er auf seinen Trennungsschmerz hin und sein absolutes Vertrauen in die Treue seiner Geliebten. Mit der Präsensform stellt er seinen Traum von ihrer Rückkehr als gegenwärtiges Geschehen in den Mittelpunkt. Bei Catull sind es vier lapidare Sätze mit präsentischen Verben zur gegenwärtigen Lage: Er sieht: Alles ist verloren, sie will nicht, sie entflieht, er bleibt hart: quod vides perisse, perditum ducas, non vult, quae fugit, obdura (Das manet vita hat bereits futurische Bedeutung).

3.2

Verstand und Gefühl im Widerspruch

Schon in den formalen Elementen wird der Kontrast der beiden Gedichte und der seelischen Verfassung ihrer Autoren deutlich. Bei Catull ringt der Dichter mit heftigen Emotionen, mit Seitenhieben auf seine untreue Geliebte um eine Abkehr von seiner Liebe und markiert dies in einer radikalen Absage an das Gefühl: At tu, Catulle, destinatus obdura. Bocelli, vom Vertrauen in die Treue seiner Geliebten erfüllt, die seine Liebe mit Händen schützt, wird von völliger Hingabe an sein Gefühl getragen: In quello che soltanto il cuore sente und erlebt so seinen Traum von ihrer Rückkehr: Sogno.

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Sonja Döll-Schmidt (Darmstadt)

Salve! – Hello! – Salut! Ein dreisprachiges Arbeitsheft für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 5

Eine Reihe hessischer Gymnasien bietet neben Englisch auch Spanisch oder Französisch als erste Fremdsprache an. An altsprachlichen Gymnasien wie dem Darmstädter Ludwig-Georgs-Gymnasium (LGG), das inzwischen auf eine über 385-jährige Geschichte zurückblickt, ist die erste Fremdsprache grundsätzlich Latein. Am LGG lernen die Schülerinnen und Schüler sowohl Latein als auch die zweite Fremdsprache Englisch parallel bereits ab der fünften Klasse. Mit der achten Jahrgangsstufe entscheiden sie sich fakultativ für das Erlernen einer dritten bzw. vierten Fremdsprache – für Altgriechisch oder / und Französisch. Aufgrund dieses vielfältigen Sprachenangebots stellt sich am LGG die Frage, inwiefern Synergien innerhalb des Fremdsprachenkanons genutzt werden können, um Mehrsprachigkeit möglichst effizient zu vermitteln und den Spracherwerb, insbesondere im lexikalischen Bereich, optimal zu fördern. In Zusammenarbeit mit dem Sprachenzentrum der Technischen Universität Darmstadt unter Leitung von Prof. Dr. Britta Hufeisen und der Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern einer zehnten Klasse des Ludwig-Georgs-Gymnasiums entstand 2010 in einer Projektwoche das nachfolgend abgedruckte dreisprachige Arbeitsheft Salve! – Hello! – Salut! für die Jahrgangsstufe 5. Einfache bis mittelschwere Texte gleichen Inhalts stehen hier auf Englisch, Französisch und Latein nebeneinander, um die enge Verwandtschaft zwischen Latein und den modernen Sprachen zu verdeutlichen. Ziel dieses Arbeitsheftes ist es, Synergien methodisch bewusst zu machen und die Lernenden zu eigenständigen Transfers zwischen den Sprachen zu befähigen. Die Übungen können unabhängig voneinander eingesetzt werden, sinnvoller ist es jedoch, die Lektionen in der vorgegebenen Reihenfolge zu behandeln, da sie aufeinander aufbauen und in zunehmendem Maße lexikalisch und syntaktisch anspruchsvoller werden.

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Sonja Döll-Schmidt

Internationalismen und Schulwortschatz zur Förderung der kommunikativen Kompetenz Die Arbeitsaufträge beginnen mit einführenden Übungen wie dem Sammeln von englischen und französischen Nomina, die selbstverständlich in den deutschen Wortschatz integriert sind. Da diese Nomina mit Hilfe von Illustrationen in den Lehnsprachen geschrieben werden sollen, wird den Kindern bewusst, dass Orthografie und Aussprache, im Gegensatz zum Lateinischen, voneinander abweichen. Sie erfahren ferner, dass es im Englischen nur einen bestimmten Artikel gibt (auf die französischen Artikel wird dabei bewusst noch nicht eingegangen) und Substantive in den modernen Fremdsprachen grundsätzlich klein geschrieben werden, sofern sie keine Eigennamen sind.1 Wie evident die Synergien sind, zeigt das Kapitel „Internationalismen“,2 das die Muttersprache einbezieht, auf abstrakte Begriffe weitgehend verzichtet und bei den Fremdwörtern nur Beispiele mit dem Suffix -ion (z. B. Illustration, Nation, Region, Religion) anführt, die Zehnjährige problemlos verstehen. In einer Reflexionsphase können weitere Begriffe gesammelt und in die dafür vorgesehenen Spalten eingetragen werden. Da beim Erlernen moderner Fremdsprachen die kommunikative Kompetenz im Vordergrund steht, bieten die Texte ab Seite 14 des Workbooks Sprechanlässe, die dem sozialen Umfeld der Kinder entnommen sind, d. h. überwiegend mit dem Thema Schule zu tun haben. Alle neusprachlichen Lehrwerke des Anfangsunterrichts beinhalten Lektionen, in denen es darum geht, sich miteinander bekannt zu machen, über die Familie, die eigenen Hobbys und die neue Schule zu reden. Das kontextuelle englische Vokabular sollte den meisten Kindern aus ihrer Grundschulzeit bekannt sein. Sowohl der englische als auch der lateinische Lesetext3 stellen demzufolge für einen Großteil der Schülerinnen und Schüler keine Schwierigkeiten bezüglich der Aussprache dar. Anders verhält es sich bei dem französischsprachigen. Hier muss, wie auch bei den folgenden Lektionen, Satz für Satz der Lehrkraft nachgesprochen, Aussprache und Intonation imitiert werden. Eine sinnvolle Synergie-Übung, die sich bei dieser Lektion des Arbeitsheftes didaktisch-methodisch an die Tabellen der Internationalismen anschließt, ist die Zuordnung weiterer Vokabeln, die in allen drei Sprachen gleich sind. 1 Vgl. Sonja Döll-Schmidt / Christina Gentzik / Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 des Ludwig-Georgs-Gymnasiums: Salve! – Hello! – Salut! Dreisprachiges Arbeitsheft, Darmstadt 2010, S. 10f. Das Arbeitsheft findet sich nachfolgend in seiner ursprünglichen Fassung abgedruckt. 2 Ebd., S. 12f. 3 Vgl. ebd., S. 14.

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Fremdsprachenlernen durch imitatives Lesen und Aussprechen Je jünger Schülerinnen und Schüler sind, desto größer ist ihre Bereitschaft, imitativ zu lernen. Lernen aufgrund von Nachahmungen ist eine der wichtigsten Formen sozialen Lernens überhaupt und stellt eine wesentliche Förderung interkultureller Kompetenzen beim Erwerb von Fremdsprachen dar. Diese Bereitschaft junger Menschen sollte genutzt werden, um mit Hilfe von pattern drills4 bestimmte Strukturen (z. B. Imperative) zu üben oder über vertraute Inhalte wie Familie, Freizeit, Hobbys und Schule (z. B. über Stundenpläne, Fächer, Vorlieben für oder Abneigungen gegen einzelne Unterrichtsfächer5) zu sprechen. Hier ist es wichtig, möglichst viele Schülerinnen und Schüler zu Wort kommen zu lassen, da nicht nur faktische, sondern auch emotionale Informationen übermittelt werden können. Die letzten Texte des Arbeitsheftes, die bewusst auch das Deutsche einbeziehen,6 sind sprachlich wie inhaltlich wesentlich komplexer als die vorangehenden Übungen und nehmen erfahrungsgemäß sehr viel Zeit in Anspruch. Wiederholte Lese- und Ausspracheübungen haben sich hier bestens bewährt. Ein bekanntes Märchen der Gebrüder Grimm, Schneewittchen und die sieben Zwerge,7 gleich in vier Sprachen einem relativ großen Publikum, das überwiegend aus Großeltern, Eltern und Geschwisterkindern besteht, präsentieren zu können, ist für die Fünftklässler ein wahres Highlight und zeigt, dass sich die vielen Stunden der Beschäftigung mit dem mehrsprachigen Arbeitsheft gelohnt haben. Dazu sollten die Dialogteile auswendig gelernt werden; die Erzähler können den jeweils einführenden Text nach entsprechender Übung lesend wiedergeben.

Ausblick Die Fragebogenaktion am Ende des Projekts,8 das in zwei von drei Parallelklassen des Ludwig-Georgs-Gymnasiums durchgeführt wurde, hat eine eindeutig positive Resonanz gezeigt. Das Ergebnis der Befragung wurde in der Dilthey Kastanie, dem Jahrbuch des Ludwig-Georgs-Gymnasiums, veröffentlicht.9 Das mehrsprachige Arbeitsheft Salve! – Hello! – Salut! könnte durch eine ganze Reihe von zusätzlichen Übungen ergänzt werden, wie die Vorschläge der 4 5 6 7 8 9

Vgl. ebd., S. 16ff. Vgl. ebd., S. 18f. Vgl. ebd., S. 26ff. Vgl. ebd., S. 29. Vgl. ebd., Anlage. Dilthey Kastanie, Jahrgang 2010/11, S. 100ff.; Jahrgang 2011/12, S. 100ff.

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Probanden zu Frage 14 des Fragebogens gezeigt haben: Diese reichen von Bastelanleitungen, Kochrezepten, Gedichten und Songtexten bis hin zur Aufnahme von italienischen, spanischen und japanischen Texten. Eine Überarbeitung und Ergänzung des Arbeitsheftes, unter Umständen unter Einbeziehung weiterer moderner Fremdsprachen, ist jederzeit möglich.

Bibliographie Dilthey Kastanie, Jahrgang 2010/11. Dilthey Kastanie, Jahrgang 2011/12. Döll-Schmidt, Sonja / Gentzik, Christina / Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 des Ludwig-Georgs-Gymnasiums: Salve! Hello! Salut! Dreisprachiges Arbeitsheft, Darmstadt 2010.

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Bereits 1995 bezeichnete die Europäische Kommission es als notwendig, dass jeder EU-Bürger zusätzlich zu seiner Muttersprache in der Lage ist, in zwei weiteren Sprachen der Gemeinschaft zu kommunizieren.1 In diesem Sinne verfasste der Europarat 2001 hinsichtlich der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas den Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GeR), u. a. mit dem Ziel, die Mehrsprachigkeit zu fördern.2 Diese sprachenpolitische Trilinguismus-Deklaration für die EU sieht vor, zusätzlich zur Muttersprache möge jeder über zumindest partielle Kompetenzen in zwei weiteren Sprachen verfügen, kurz: Muttersprache plus zwei. Vom Standpunkt des deutschen Gymnasiums erscheint diese Intention nicht neu, kennzeichnet es doch jede Abiturientin und jeden Abiturienten, Kenntnisse in mindestens zwei Fremdsprachen erworben zu haben. Die zentrale Aussage, die die altsprachliche Didaktik herausfordert, liegt nun darin, dass die EU-Sprachenpolitik auf effektive kommunikative Kompetenzen in zwei modernen Fremdsprachen abzielt.3 Das Lateinische zählt nicht zur Gruppe der plus zwei-Sprachen, kann aber dennoch, so die These, im Hinblick auf individuelle Mehrsprachigkeit eine relevante Rolle spielen. Deshalb geht es hier um folgende Fragen: Welche für die Kommunikation und das Zusammenleben in Europa relevanten sprachlichen Kompetenzen werden im Lateinunterricht gefördert? Wie kann Mehrsprachigkeit im Lateinunterricht gefördert werden (beides im Abschnitt 1)? Wo ist das 1 Vgl. Europäische Kommission: Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung, Lehren und Lernen. Auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft, Brüssel 1995, http://europa.eu/documents/comm/white_papers/pdf/com95_590_de.pdf [26. 07. 2019], hier S. 62. 2 Vgl. Europarat: Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, Berlin 2001, hier S. 12. 3 Sprachen- und bildungspolitisch wird für die EU gefordert, jedem EU-Bürger die Möglichkeit zu geben, „die Fähigkeit zur Kommunikation in mindestens zwei Gemeinschaftssprachen neben seiner Muttersprache zu erwerben und zu erhalten“, denn jeder „sollte drei Gemeinschaftssprachen beherrschen.“, Europäische Kommission: Weißbuch, hier S. 46.

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Fach Latein sinnvollerweise in der gymnasialen Sprachenfolge zu positionieren (Abschnitt 2)? Die Schlussbetrachtung liefert ein Resümee und weitere Impulse (Abschnitt 3).

1.

Förderung sprachlicher Kompetenzen im Lateinunterricht

Der Kompetenz-Begriff hat sich im 21. Jahrhundert in der Lateindidaktik ebenso wie in den modernsprachlichen Fachdidaktiken etabliert. Die 2005 überarbeiteten Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung (EPA) sehen für das Fach Latein die drei Bereiche Sprache, Text,4 Kultur vor, in denen jeweils methodische Kompetenzen und Kenntnisse nachzuweisen sind.5 Entsprechend rekurrieren die aktuellen kompetenzorientierten bundesdeutschen Rahmenpläne, Kerncurricula und Bildungsstandards für den Lateinunterricht auf diese Dreiteilung.6 In den Bereich der Sprachkompetenz gehören auch die Reflexion über Sprache und die Bewusstmachung sprachlicher Strukturen.7 Das Nachdenken und Sprechen über Sprache bestimmt den Lateinunterricht in weit höherem Maße als den Unterricht in modernen Fremdsprachen und den Deutschunterricht. Latein ist das Schulfach für Sprachreflexion schlechthin – traditionell und wünschenswerterweise verstärkt in der Zukunft.

4 Bei der Umstellung auf Kompetenzen im Fach Latein wurden der Inhaltsbereich Sprache in Sprachkompetenz und der Bereich Literatur in Textkompetenz überführt. Dass der Begriff Literatur durch Text ersetzt wurde, wird zu Recht kritisch betrachtet, da zu befürchten ist, dass durch die Einführung der Textkompetenz als neuer lateindidaktischer Kategorie der fachspezifische Inhaltsbereich Literatur und der zugehörige literarische Bildungswert verloren gehen können und einem funktionalen, d. h. rein entschlüsselnden Umgang mit Texten untergeordnet scheinen, vgl. Peter Kuhlmann: Fachdidaktik Latein kompakt, 3. Aufl., Göttingen 2012, hier S. 20. Daher wird für das Fach Latein die Modellierung einer literarischen Kompetenz statt einer reinen Textkompetenz gefordert, vgl. Stefan Kipf / Andrea Beyer / Ann Catherine Liebsch / Stefanie Zimmermann: Zwischen Aktualität und historischer Forschung: Entwicklungstendenzen in der Fachdidaktik Latein, in: Seminar – Lehrerbildung und Schule 23, 4 (2017), S. 5–18, hier S. 5f. 5 Vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Einheitliche Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung Latein i. d. F. vom 10. 02. 2005, hier S. 7f. Online verfügbar unter: http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/ veroeffentlichungen_beschluesse/1980/1980_02_01_EPA_Latein.pdf [26. 07. 2019]. 6 So sind die drei Kompetenzen Sprache, Text und Kultur im Kerncurriculum für Niedersachsen als neue „Leitkategorien“ für den Lateinunterricht festgeschrieben, vgl. Peter Kuhlmann: Fachdidaktik Latein kompakt, hier S. 18. 7 Vgl. ebd., S. 17. Damit Lernende über Sprache(n) reflektieren können, ist auch die Aneignung einer sprachbeschreibenden Terminologie erforderlich, die beim Vergleichen von Sprachen weiteren Nutzen entfalten kann.

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Da hier die Förderung von Mehrsprachigkeit im Lateinunterricht sowie die theoretischen Möglichkeiten, die Verzahnung des Fachs mit anderen Schulfremdsprachen zu optimieren, betrachtet werden, geht es im Weiteren allein um den Kompetenzbereich Sprache. Anders als bei den modernen Fremdsprachen ist im Lateinunterricht die Zielsprache nicht Latein. Die Sprachproduktion findet vielmehr in der Umgebungssprache Deutsch statt, die auch die Zielsprache beim Rekodieren ist, d. h. beim Übersetzen aus dem Lateinischen. Die Rezeption lateinischer Sprache ist hingegen zentral beim Lesen und beim Dekodieren lateinischer Wörter und Texte. Die Niveaubeschreibungen des für die modernen Sprachen maßgeblich gewordenen Referenzrahmens GeR berücksichtigen die Sprachkompetenzen in den alten Sprachen nicht. Auch thematisiert der GeR nicht die Relevanz, die altsprachliche Kenntnisse beim Auf- und Ausbau von Mehrsprachigkeit haben können. Daher werden nachfolgend für eine Annäherung an das die Mehrsprachigkeit fördernde Potenzial des Lateinunterrichts Schnittstellen beleuchtet, die zwischen der Lateindidaktik und der Mehrsprachigkeitsdidaktik (1.1) sowie der Didaktik für Deutsch als Zweitsprache (1.2) bestehen, ebenso wie die Faktoren, die beim konsekutiven gesteuerten Erwerb mehrerer Sprachen wirksam sind (1.3).

1.1

Mehrsprachigkeit fördern

Mehrsprachigkeitskompetenz wird gegenwärtig „verstanden als Fähigkeit, Kenntnisse einer Sprache und des Sprachlernprozesses für das Erlernen einer anderen Fremdsprache zu nutzen.“8 Es wird vermutet, dass Mehrsprachigkeitskompetenz Vorteile bewirkt beim Hinzulernen typologisch nicht weit entfernter Fremdsprachen, indem vorhandene Wissensbestände aktiviert werden.9 Von Romanisten initiiert, untersucht die Mehrsprachigkeitsdidaktik10 mögliche Synergieeffekte innerhalb der romanischen Sprachfamilie. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf interlinguale Zusammenhänge und auch deren lernökonomische Nutzung.11 So sollte es sich als zeitsparend erweisen, wenn im 8 Vgl. Wolfgang Hallet / Frank G. Königs: Mehrsprachigkeit und vernetzendes Sprachlernen, in: Dies. (Hg.): Handbuch Fremdsprachendidaktik, Seelze 2010, S. 302–307, hier S. 303. 9 Vgl. Raphael Berthele: Mehrsprachigkeitskompetenz als dynamisches Repertoire – Vorüberlegungen zu einer integrierten Sprachdidaktik, in: Franziska Bitter Bättig / Albert Tanner (Hg.): Sprachen lernen – lernen durch Sprache, Zürich 2010, S. 225–239, hier S. 234f. Auf dieser Annahme basiert auch das Konzept EuroComprehension. 10 Vgl. Franz-Josef Meißner / Marcus Reinfried (Hg.): Mehrsprachigkeitsdidaktik: Konzepte, Analysen, Lehrerfahrungen mit romanischen Fremdsprachen, Tübingen 1998. 11 Vgl. Johannes Müller-Lancé: Der Wortschatz romanischer Sprachen im Tertiärsprachenerwerb, Tübingen 2006, hier S. 29.

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mehrsprachigkeitsdidaktisch angelegten Lernprozess die jeweiligen Elemente herausgefiltert werden, die zu den lexikalisch-semantischen Spezifika einer Einzelsprache innerhalb einer Sprachenfamilie gehören, so dass im Grunde nur diese (wenigen) Abweichungen zu lernen sind. Ein Lernziel der Mehrsprachigkeitsdidaktik ist die Interkomprehension verwandter Sprachen. Interkomprehension bedeutet das partielle Verstehen einer Sprache, die man nicht formal gelernt hat.12 Voraussetzung für die Interkomprehension ist die Verwandtschaft von Sprachen, damit interlinguale Transferbasen erkannt und genutzt werden können; dabei sollten die nicht erlernten Sprachen möglichst transparent sein.13 Das Vergleichen sprachlicher Strukturen ist bei der Interkomprehension, die das lexikalische Erschließen einzelner Wörter sowie das Verstehen von Texten innerhalb einer Sprachenfamilie intendiert, eine zentrale Methode, um rezeptive Kompetenzen zu fördern. Der Auf- und Ausbau allein rezeptiver Fertigkeiten ist mit dem Verständnis von Mehrsprachigkeitsförderung im GeR vereinbar14 und wird bei der Lernmethode EuroComprehension systematisch für das Leseverstehen genutzt. Die Anleitung zur Erschließung der romanischen Sprachenfamilie, EuroComRom,15 setzt die Beherrschung des Deutschen sowie Schulkenntnisse in einer romanischen Sprache voraus. Von den Verfassern wird Französisch als Brückensprache empfohlen, da übergreifend wirksame panromanische Sprachstrukturen (Lexik, Morphosyntax) besonders gut ausgeprägt seien. Auch Englischkenntnisse werden bei der lexikalischen Erschließung romanischer Sprachen als hilfreich eingeschätzt aufgrund der starken romanischen und auch lateinischen Prägung des Englischen.16 Hingegen wird die Bedeutung von Lateinkenntnissen für den rezeptiven Zugang zur Romania für gering gehalten: So ist unter Mehrsprachigkeitsdidaktikern der Standpunkt verbreitet, Latein werde in der romanischen

12 Vgl. Marcus Bär: Förderung von Mehrsprachigkeit und Lernkompetenz. Fallstudien zu Interkomprehensionsunterricht mit Schülern der Klassen 8 bis 10, Tübingen 2009, hier S. 24. 13 Vgl. Franz-Joseph Meißner: Transfer und Transferieren, in: Horst G. Klein / Dorothea Rutke (Hg.): Neuere Forschungen zur Europäischen Interkomprehension, Aachen 2004, S. 39–66, hier S. 42. 14 Laut GeR ändert die Perspektive der Mehrsprachigkeitsförderung das Ziel des Sprachunterrichts ganz grundsätzlich: Man könne es nicht mehr in der Beherrschung einer, zweier oder vielleicht dreier Sprachen sehen, wobei jede isoliert gelernt und dabei der ideale Muttersprachler als höchstes Vorbild betrachtet wird. Vielmehr liege das Ziel darin, ein sprachliches Repertoire zu entwickeln, in dem alle sprachlichen Fähigkeiten ihren Platz haben, vgl. Europarat: GeR, hier S. 17. 15 Vgl. Horst G. Klein / Tilbert D. Stegmann: EuroComRom – die sieben Siebe: Romanische Sprachen sofort lesen können, Aachen 2000. 16 Vgl. ebd., hier S. 13.

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Interkomprehension nicht benötigt, was jedoch nicht heißen solle, Latein sei dafür nicht nützlich.17 Da individuelle Mehrsprachigkeitskompetenz aber das gesamte vorhandene sprachliche Repertoire umfasst, ist es zumal im schulischen Kontext vielmehr notwendig, auch Latein zu berücksichtigen, das Potenzial dieser Sprache zu benennen und systematisch einzubeziehen. Offenheit für die Förderung rezeptiver Mehrsprachigkeit ist in der Lateindidaktik erkennbar, auch wenn der Terminus Mehrsprachigkeit erst ansatzweise Eingang in den Diskurs der Lateindidaktik gefunden hat.18 Im 21. Jahrhundert wird Latein zu Recht „als ein stabilisierendes Integrationsfach im offenen Schulsprachenangebot“ bezeichnet19 und auch auf das Potenzial des Lateinischen für die Entwicklung rezeptiver Teilfertigkeiten hingewiesen.20 Empirische Untersuchungen belegen, dass für erfolgreiches lexikalisches Erschließen zuvor mindestens eine Fremdsprache traditionell, d. h. rezeptiv und produktiv, gelernt worden sein muss.21 Latein wird in Deutschland als Tertiärsprache erlernt, da der Lateinunterricht frühestens nach Englisch oder aber Französisch einsetzt und bei Lernenden nichtdeutscher Herkunftssprache zudem nach dem Erlernen von Deutsch als Zweitsprache (DaZ) stattfindet – somit ist die Bedingung beim Lateinunterricht erfüllt.

17 Vgl. Horst G. Klein: Frequently Asked Questions zur romanischen Interkomprehension, in: Ders. / Dorothea Rutke (Hg.): Neuere Forschungen zur Europäischen Interkomprehension, Aachen 2004, S. 15–37, hier S. 28. 18 Vgl. Katrin Siebel: Mehrsprachigkeit und Lateinunterricht. Überlegungen zum lateinischen Lernwortschatz, Göttingen 2017 (Wissenschaft und Lehrerbildung, 4), hier S. 189–191. 19 Laut Nickel ist die Aufgabe des Fachs nicht nur die Stärkung einer allgemeinen Disposition und Qualifikation für das Lernen weiterer Fremdsprachen, sondern auch die Vermittlung eines Instrumentariums von Methoden der Sprachbeschreibung (d. h. Grammatik als System mit entsprechender Fachsprache) und der Sprachreflexion zum Zweck eines vertieften Sprachbewusstseins, vgl. Rainer Nickel: Lexikon zum Lateinunterricht, Bamberg 2001, hier S. 199. Mit der oben zitierten Formulierung „Integrationsfach“ ist eher die sprachen- und fächerübergreifende Zusammenarbeit gemeint als die Integration und besondere Förderung von Sprechern, die über lebensweltliche Mehrsprachigkeit verfügen, da sprachliche Heterogenität in Lerngruppen zu Beginn des 21. Jahrhunderts kein wichtiges Thema in der Lateindidaktik war. 20 Laut Töchterle sei Lateinunterricht die „wohl beste denkbare Starthilfe“, um den Erwerb von Teilkompetenzen ab der dritten Sprache zu unterstützen, Karlheinz Töchterle: Überlegungen zu Latein als Basissprache für Mehrsprachigkeit, in: Lew N. Zybatow (Hg.): Sprachenkontakt – Mehrsprachigkeit – Translation. Innsbrucker Ringvorlesungen zur Translationswissenschaft V, Frankfurt am Main 2007, S. 235–243, hier S. 242. 21 Vgl. Johannes Müller-Lancé: Tertiärsprachen aus der Sicht der Kognitiven Linguistik: Überlegungen zu Fremdsprachenunterricht und Fremdsprachenfolge, in: Ders. / Claudia Maria Riehl (Hg.): Ein Kopf – viele Sprachen: Koexistenz, Interaktion und Vermittlung, Aachen 2002, S. 133–149, hier S. 142.

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Beim Inferieren22 im Lateinunterricht ist der Rückgriff auf aktive und passive Kenntnisse in mindestens einer anderen Fremdsprache möglich. Grundlage für die erfolgreiche Anwendung von Inferenzstrategien, die die Basis aller Mehrsprachigkeitsansätze23 darstellen, ist aktiv beherrschtes Vokabular.24 Im Bereich der Lexik heißt dies, dass bekannte Wörter bzw. bekannte Morpheme dabei helfen, die Bedeutung unbekannter Wörter zu erschließen. Einen Lateinunterricht vorausgesetzt, der zum lexikalischen Inferieren anleitet, können auch Lateinkenntnisse beim rezeptiv-mehrsprachigen Arbeiten verstärkt genutzt werden.

1.2

Sprachbildung fördern

Angesichts der zunehmenden Zahl von Lernenden nichtdeutscher Herkunftssprache ist die sprachsensible Ausrichtung aller Schulfächer erforderlich. Die Förderung von Sprachbildung als übergeordnetes Ziel25 richtet sich jedoch an alle Lernenden, unabhängig davon, ob Deutsch ihre Erst- oder Zweitsprache ist: So bezeichnet schulische Sprachbildung „systematisch angeregte Sprachentwicklungsprozesse aller Schülerinnen und Schüler und ist allgemeine Aufgabe des Unterrichts in allen Fächern. Sie erfolgt nicht beiläufig, sondern gezielt, indem die Lehrkraft geeignete Situationen aufgreift, sprachlich bildende Kontexte plant und gestaltet.“26 Aufgrund seines sprachreflektierenden Profils bietet sich der Lateinunterricht besonders dafür an, „zum Hort des Sprachvergleichs an Schulen“27 zu werden, denn hier entfällt das Problem einer möglichen Sprachenvermischung, die nur in 22 Beim Spracherwerb bezeichnet das Inferieren, im Englischen anschaulich als informed guessing bezeichnet, die Interaktion von vorhandenem deklarativem und prozeduralem Wissen. Mehrsprachigkeitsdidaktische Konzepte wie EuroCom beruhen auf dem Prinzip von Inferenz, vgl. Johannes Müller-Lancé: Wortschatz romanischer Sprachen, hier S. 144. 23 In der Mehrsprachigkeitsdidaktik geht man davon aus, dass die Fertigkeit des Inferierens gefördert werden kann, wenn im Unterricht eine Auseinandersetzung mit Inferenzstrategien sowie mit etymologischen Aspekten stattfindet „mit dem Ziel der Erhöhung des so genannten Wiedererkennungstransfers durch Vergrößerung der Suchbreite.“ Steffi Morkötter: Language Awareness und Mehrsprachigkeit, Frankfurt am Main 2005, hier S. 69f. 24 Vgl. Johannes Müller-Lancé: Tertiärsprachen, hier S. 142. 25 Daher umfasst der RLP für Berlin und Brandenburg ein Basiscurriculum Sprachbildung, vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin und Ministerium für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg (Hg.): Rahmenlehrplan Teil B. Fachübergreifende Kompetenzentwicklung (unterrichtswirksam ab dem Schuljahr 2017/18), hier S. 4–12. 26 Ebd., S. 12. 27 Johannes Müller-Lancé: Sprachvernetzung in Kopf und Unterricht, in: Sabine Doff / Stefan Kipf (Hg.): English meets Latin. Unterricht entwickeln – Schulfremdsprachen vernetzen, Bamberg 2013, S. 13–31, hier S. 29.

Das Schulfach Latein in einem Gesamtsprachencurriculum

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der fremdsprachlichen Produktion auftritt;28 der Unterricht in den alten Sprachen trägt aber unter den Schulfremdsprachen das Alleinstellungsmerkmal, dass die Umgebungssprache Deutsch die Kommunikations- und Zielsprache ist. Durch das Anfertigen sprachlich einwandfreier deutscher Übersetzungen wird der Erwerb des sog. bildungssprachlichen Registers im Lateinunterricht bereits unterstützt, ohne dass eine Neuausrichtung des Fachprofils erforderlich ist. Der Begriff Bildungssprache ist bereits Ende der 1920er Jahre in der Pädagogik nachweisbar29 und wurde aus gegebenem Anlass neu in die aktuelle Bildungsdiskussion eingeführt.30 Die Wiederbelebung des Begriffs im deutschsprachigen Diskurs hängt mit der Erkenntnis von Bildungsforschern zusammen, dass Kinder und Jugendliche – teils aus Migrantenfamilien mit DaZ, teils einsprachige Kinder aus bildungsfernen Milieus – bei den Bildungschancen benachteiligt sind. Die Suche nach Erklärungen führte u. a. zu Ursachen, die auch in der Gestaltung von Schule und Unterricht liegen. Dazu gehört der Mangel an schul- und bildungsrelevanten sprachlichen Fähigkeiten. Im Gegensatz zum Register Alltagssprache ist Bildungssprache31 für den Bildungserfolg relevant, weil sie das Medium32 ist, in dem schulisches Wissen vermittelt und auch der Nachweis einer erfolgreichen Aneignung dieses Wissens und Könnens erbracht wird.33 Das Register Bildungssprache ist geprägt von der konzeptionellen Schriftlichkeit, die in schriftlichen ebenso wie in mündlichen Äußerungen zu finden ist.34 Konzeptionelle Schriftlichkeit zeichnet sich durch sprachliche Mittel und 28 Vgl. ebd. 29 Vgl. Ingrid Gogolin / Imke Lange: Bildungssprache und Durchgängige Sprachbildung, in: Sara Fürstenau / Mechthild Gomolla (Hg.): Migration und schulischer Wandel: Mehrsprachigkeit, Wiesbaden 2011, S. 107–127, hier S. 107. 30 Verantwortlich dafür ist die Erziehungswissenschaftlerin Ingrid Gogolin, vgl. Inger Petersen / Tanja Tajmel: Bildungssprache als Lernmedium und Lernziel des Fachunterrichts, in: Rudolf Leiprecht / Anja Steinbach (Hg.): Schule in der Migrationsgesellschaft. Ein Handbuch, Band 2, Schwalbach/Ts. 2015, S. 84–111, hier S. 85f. 31 Als typisch bildungssprachliche Mittel gelten u. a. differenzierende und abstrahierende Ausdrucksweisen, Fachbegriffe, unpersönliche Konstruktionen wie Passiv- und man-Sätze, nominale Zusammensetzungen, komplexe Attribute, Satzgefüge wie Konjunktional- und Relativsätze sowie erweiterte Infinitive, vgl. Ingrid Gogolin / Imke Lange: Bildungssprache und Durchgängige Sprachbildung, hier S. 114. 32 Bildungssprache begegnet in Unterrichtsmaterialien und Aufgabenstellungen sowie im Unterrichtsgespräch; zudem außerhalb der Schule im mündlichen Sprachgebrauch (Vortrag, Predigt) und auch im Vorstellungsgespräch, vgl. ebd., hier S. 111. 33 Vgl. Ingrid Gogolin: Bildungssprache, in: Hans Barkowski / Hans-Jürgen Krumm (Hg.): Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Tübingen 2010, hier S. 29. 34 Die Begriffe konzeptionell mündlich sowie konzeptionell schriftlich stammen aus der romanistischen Linguistik und wurden von Peter Koch und Wulf Oesterreicher geprägt, vgl. Peter Koch / Wulf Oesterreicher: Sprache der Nähe – Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte, in: Romanisti-

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Strukturen aus, mit denen komplexe und abstrakte Inhalte unabhängig von der konkreten Interaktionssituation ausgedrückt werden können.35 Damit handelt es sich um ein anspruchsvolles Register, das von den Lernenden das Verstehen und Verwenden von Sprache aufgrund individuell vorhandener lexikalischer und grammatischer Kompetenz verlangt.36 Insbesondere DaZ-Lernenden kann das bildungssprachliche Register bei der Bedeutungserschließung von Wörtern und Phrasen unmittelbar aus der Situation heraus Schwierigkeiten bereiten.

1.3

Faktorenmodell (Hufeisen)

Wenn Lernende nach ihrer Muttersprache Kompetenzen in weiteren Sprachen erwerben,37 sind die bei dieser Progression relevanten Faktoren zu bedenken. Zur Veranschaulichung der Komplexität, die die Progression des individuellen Spracherwerbs kennzeichnet, hat Britta Hufeisen ein Modell38 vorgelegt, das unterschiedliche Einflüsse auf den individuellen Spracherwerb abbildet. Zur eindeutigeren Bestimmung der individuellen Sprachenfolge verwendet Hufeisen in ihrem Faktorenmodell die Kennzeichnung L1 für die Muttersprache sowie L2, L3, Lx für alle weiteren Sprachen.39 Die von Sprache zu Sprache zunehmenden Einfluss- und Steuerungsfaktoren lassen sich folgendermaßen abbilden: Beim Erwerb der ersten Sprache, der Muttersprache (L1), sind nur die sprachlichen Universalien vorhanden sowie die Lernumwelt. Bei der ersten Fremdsprache (L2) bringt der Lernende zudem seine bisherigen Lebens- und Lernerfahrungen und Lernstrategien in den Lernprozess ein sowie seine L1 als Bezugs- und Vergleichsgröße. Im Vergleich dazu nehmen beim Erlernen einer

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sches Jahrbuch 36 (1985), S. 15–34. Die DaZ-Forschung hat dieses Kontinuum rezipiert, um das Verhältnis von gesprochener und geschriebener Sprache zu beschreiben. Bei der konzeptionellen Schriftlichkeit kommt das mündliche Register in etwa dem Anspruchsniveau schriftlicher Texte gleich im Hinblick auf die Präzision bei der Wortwahl, bei der Verwendung von Fachsprache, bei grammatischer Richtigkeit und auch der Vollständigkeit im Satzbau. Vgl. Heidi Rösch: Deutsch als Zweit- und Fremdsprache, Berlin 2011, hier S. 84. Vgl. ebd., hier S. 249. Hinsichtlich der Begriffe Lernen und Erwerben besteht in der Spracherwerbsforschung im deutschsprachigen Raum die Tendenz, die Dichotomie gesteuertes Lernen vs. ungesteuertes Erwerben nicht mehr strikt als solche zu propagieren. Aufgrund fließender Übergänge zwischen beiden Erwerbsformen werden die Begriffe vielmehr als ein Kontinuum betrachtet, vgl. Johannes Müller-Lancé: Tertiärsprachen, hier S. 32. Laut GeR werden die Begriffe Spracherwerb und Sprachenlernen teils als gleichbedeutend verwendet, teils als Oberbegriff, der den jeweils anderen Begriff einschließt, vgl. Europarat: GeR, hier S. 137. Vgl. Abb. 1 und Britta Hufeisen: L3 – Stand der Forschung – Was bleibt zu tun?, in: Dies. / Beate Lindemann (Hg.): Tertiärsprachen. Theorien, Modelle, Methoden, Tübingen 1998, S. 169– 183, hier S. 171f. Vgl. ebd., S. 169.

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Abb. 1: Faktorenmodell für L1 bis L4, aus: Britta Hufeisen: L3 – Stand der Forschung – Was bleibt zu tun?, in: Dies. / Beate Lindemann (Hg.): Tertiärsprachen. Theorien, Modelle, Methoden, Tübingen 1998, S. 169–183, hier S. 171f.

zweiten Fremdsprache (L3) die Faktoren noch einmal stark zu, da diese beim Lernen einer L3 nicht nur komplexer geworden sind, sondern sich auch qualitativ deutlich vom Lernen einer L2 unterscheiden; zum einen durch die erworbenen Kompetenzen in einer anderen Fremdsprache, zum anderen durch spezifische Fremdsprachenlernerfahrungen und -strategien, die nicht deckungsgleich sind mit allgemeinen Lebens- und Lernerfahrungen.40 Der große Entwicklungsschritt liegt Hufeisen zufolge daher bei der Aneignung einer L3. Das Erlernen einer zweiten Fremdsprache unterscheidet sich deutlich vom Erwerb der ersten,41 u. a. weil vorhandene Sprachlernerfahrungen, geeignete Sprachlernstrategien und auch das Wissen um den eigenen Lerntyp den Aneignungsprozess bereichern und in der Regel erleichtern.42 Zudem wird die Tertiärsprache kognitiver und konstruktivistischer gelernt; der Lernprozess kann als systematischer bezeichnet werden, ohne jedoch linguistische Vollständigkeit anzustreben, und zeichnet sich durch Bewusstmachung und stärker selbstge40 Vgl. ebd., hier S. 171. 41 Vgl. Britta Hufeisen: Individuelle und subjektive Lernerbeurteilungen von Mehrsprachigkeit. Kurzbericht einer Studie, in: International Review of Applied Linguistics in Language Teaching 36 (1998), S. 121–135, hier S. 121. 42 Vgl. Alexandra Wojnesitz: „Drei Sprachen sind mehr als zwei“. Mehrsprachigkeit an Wiener Gymnasien im Kontext von Migration, Münster 2010, hier S. 47.

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steuertes Lernen aus.43 Beim Lernen einer L4 sowie ggf. weiteren Sprachen nimmt der Bereich der Fremdsprachenerfahrungen nicht mehr so fundamental zu wie beim Schritt von der L2 zur L3.44

2.

Gesamtsprachencurriculum

Auch im Hinblick auf die Abstimmung verschiedener Sprachen im System Schule sind die Überlegungen von Hufeisen inspirierend. Zum einen hat sie sich mit den Möglichkeiten auseinandergesetzt, curriculare Mehrsprachigkeit zu fördern (2.1), zum anderen hat sie ein Gesamtsprachencurriculum entworfen, das trotz seiner utopischen Züge Aufmerksamkeit verdient (2.2). Auf dieser Basis werden Thesen aufgestellt zur Positionierung des Fachs Latein in einem Gesamtsprachencurriculum (2.3).

2.1

Curriculare Mehrsprachigkeit

Hufeisen führt neben den hier zumindest exemplarisch genannten Sachfächern sämtliche Sprachen an, die im deutschen Schulsystem begegnen können.45 Dazu gehören außer Deutsch und den etablierten modernen Fremdsprachen Englisch, Französisch, Spanisch auch Italienisch, Russisch sowie DaZ und der Herkunftssprachenunterricht. Zudem nennt sie Nachbarsprachen, hier vertreten durch Polnisch und Dänisch, sowie Latein46 als Unterrichtsfächer, in denen curriculare Mehrsprachigkeit stattfinden kann (vgl. Abb. 2). Mit ihrer Akzeptanz gegenüber Latein unterscheidet sich Hufeisen von der Herangehensweise vieler Mehrsprachigkeitsdidaktiker, die die romanischen Sprachen exklusive deren Ursprungssprache Latein fokussieren. Der in der Grafik in der Schnittmenge markierte bilinguale Sachfachunterricht kann auch als integriertes Sachfach- und Sprachenlernen bzw. als Content and Languages Integrated Learning (CLIL) bezeichnet werden. CLIL geschieht in Lern- und Unterrichtskontexten, in denen bei der Vermittlung von Fachinhalten 43 Vgl. Britta Hufeisen: Deutsch als Tertiärsprache, in: Gerhard Helbig (Hg.): Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch. Berlin / New York 2001, S. 648–653, hier S. 652. 44 Vgl. Britta Hufeisen: L3 – Stand der Forschung, hier S. 172. 45 Vgl. Britta Hufeisen: Gesamtsprachencurriculum: Einflussfaktoren und Bedingungsgefüge, in: Dies. / Madeline Lutjeharms (Hg.): Gesamtsprachencurriculum – Integrierte Sprachendidaktik – Common Curriculum. Theoretische Überlegungen und Beispiele der Umsetzung, Tübingen 2005, S. 9–18, hier S. 15. 46 Das Fach Latein steht hier exemplarisch für die beiden alten Sprachen, wie eine Rückfrage bei Hufeisen bestätigte.

Das Schulfach Latein in einem Gesamtsprachencurriculum

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Abb. 2: Wo curriculare Mehrsprachigkeitsdidaktik in der Schule stattfinden kann, aus: Britta Hufeisen: Gesamtsprachencurriculum: Einflussfaktoren und Bedingungsgefüge, in: Dies. / Madeline Lutjeharms (Hg.): Gesamtsprachencurriculum – Integrierte Sprachendidaktik – Common Curriculum. Theoretische Überlegungen und Beispiele der Umsetzung, Tübingen 2005, S. 9– 18, hier S. 15.

zumindest partiell eine andere Sprache als die Erstsprache der Lernenden eingesetzt wird.47 Letzteres ist mit Latein in der Schnittmenge unrealistisch, da Sprachproduktion nicht zum Fachprofil der alten Sprachen48 gehört.

2.2

Gesamtsprachencurriculum (Hufeisen)

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts gibt es auch im deutschsprachigen Raum theoretische Ansätze dazu, die einzelnen Sprachenfächer besser aufeinander abzustimmen.49 Das intendierte Produkt, ein das schulische Sprachenangebot bündelnder Rahmenplan, wird charakterisiert als ein Versuch, im Hinblick auf die Sprachentwicklung des Menschen ein Gesamtkonzept sprachlicher Bildung 47 Vgl. Kim Haataja: CLIL, in: Hans Barkowski / Hans-Jürgen Krumm (Hg.): Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Tübingen 2010, hier S. 38. 48 Vgl. Katrin Siebel: Mehrsprachigkeit und Lateinunterricht, hier S. 181–184. 49 Vgl. Karl-Richard Bausch / Beate Helbig-Reuter: Überlegungen zu einem integrativen Mehrsprachigkeitskonzept: 14 Thesen zum schulischen Fremdsprachenlernen, in: Neusprachliche Mitteilungen 56, 4 (2003), S. 194–201; Britta Hufeisen: Gesamtsprachencurriculum (2005).

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Katrin Siebel

zu erarbeiten, indem geprüft wird, wann ein günstiger Zeitpunkt für die Förderung bestimmter Sprachen ist, wie sich der Unterricht in verschiedenen Sprachen koordinieren und wie sich Synergien nutzen lassen.50 Hufeisen entwickelte ihr Gesamtsprachencurriculum als einen Alternativvorschlag für die Progression beim Fremdsprachenerwerb im deutschen Schulsystem. Sie versteht dabei ein Gesamtsprachencurriculum als „die curriculare Manifestation sprachenübergreifenden Unterrichts“.51 Auslöser für ihre Kritik und ihren Gegenentwurf war die etablierte Situation: Die Erkenntnis, dass das Erlernen verschiedener Sprachen, angefangen vom Erwerb der Erstsprache bis zum Erlernen von Fremdsprachen, in Abhängigkeit zueinander steht und ein hohes Maß an positiven Transferpotenzialen bietet, bleibt curricular bisher marginalisiert. Dies lässt sich grundlegend an der strikten Trennung der einzelnen Sprachencurricula erkennen, aber auch an der fachdidaktischen Trennung. Deutlich werden hier die immer noch dominanten Einflüsse der kontrastiven Linguistik, die einen Sprachentransfer vor allem aus Fehlerperspektive betrachtete und nicht als Möglichkeit, Sprachen sogar effektiver lernen zu können. Mögliche Synergien im Fremdsprachenlernen, wie sie die Mehrsprachigkeitsforschung aufzeigt, sind bisher strukturell nicht angelegt, ein Fächer übergreifender didaktischer Ansatz der Sprachendidaktik wird somit behindert.52

Ihr Gesamtsprachencurriculum soll dazu beitragen, solide Kompetenzen im Deutschen und in mindestens zwei weiteren Sprachen aufzubauen, Fächergrenzen zu überwinden, die einzelsprachlichen Aspekte auf ihre Schnittmengen hin zu untersuchen und gemeinsame Forschungsfragen für die Sprachendidaktiken zu generieren. Für die Schulpraxis soll das Gesamtsprachencurriculum eine Matrix darstellen, anhand deren die einzelnen Schulen je nach den gegebenen Voraussetzungen ein für sie passendes Curriculum installieren können, das „dem zukunftsorientierten, übergeordneten Ziel einer echten integrativen Mehrsprachigkeit gerecht“ wird.53

50 Vgl. Hans-Jürgen Krumm: Gesamtsprachencurriculum, in: Hans Barkowski / Ders.: Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Tübingen 2010, hier S. 102. 51 Britta Hufeisen: Gesamtsprachencurriculum, curriculare Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitsdidaktik – Utopie, Allheilmittel für den fächerübergreifenden ((Fremd) Sprachen-) Unterricht oder Schreckgespenst aller AnglistInnen und EnglischlehrerInnen? in: Karl-Richard Bausch / Eva Burwitz-Melzer / Frank G. Königs / Hans-Jürgen Krumm (Hg.): Fremdsprachenlernen erforschen: sprachspezifisch oder sprachenübergreifend?, Tübingen 2008, S. 97– 106, hier S. 97. 52 Britta Hufeisen / Nicolas Neuner: DaZ im Rahmen eines Gesamtsprachencurriculums aus der Perspektive der Mehrsprachigkeitsforschung, in: Christian Efing / Nina Janich (Hg.): Förderung der berufsbezogenen Sprachkompetenz, Paderborn 2006, S. 155–170, hier S. 163. 53 Britta Hufeisen / Nikolas Neuner: Mehrsprachigkeitsforschung und Gesamtsprachencurriculum, in: Ursula Behr (Hg.): Mehrsprachigkeit/Sprachlernbewusstheit (II), Jena 2006 (Materialien des Zentrums für Didaktik [ZfD], 6), S. 60–72, hier S. 71.

Das Schulfach Latein in einem Gesamtsprachencurriculum

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In ihrer Konzeption berücksichtigt Hufeisen Erkenntnisse der Spracherwerbsforschung. Zur Optimierung des individuellen Lernprozesses sind neben den fremdsprachenspezifischen Kenntnissen auch Strategien zu vermitteln,54 die den Lernenden im Unterricht bewusst(er) gemacht werden. Zudem greift Hufeisen Ansätze der Tertiärsprachendidaktik, der Mehrsprachigkeitsdidaktik und der Rezeptiven Mehrsprachigkeit auf, um sie einer konsequenten Struktur des integrierten Sachfach- und Sprachenlernens zuzuführen.55

Abb. 3: Entwurf für ein Gesamtsprachencurriculum, aus: Britta Hufeisen: Gesamtsprachencurriculum: Weitere Überlegungen zu einem prototypischen Modell, in: Rupprecht Baur / Dies. (Hg.): „Vieles ist sehr ähnlich“. Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Aufgabe, Baltmannsweiler 2011, S. 265–282, hier S. 272.

Bei einer zwölf oder dreizehn Jahre andauernden Schulbildung sieht Hufeisens Gesamtsprachencurriculum den Erwerb von drei Fremdsprachen vor, der jeweils auf vier Jahre angelegt ist: Die L2 ist obligatorisch und setzt im zweiten Lernjahr 54 Vgl. ebd., hier S. 66. 55 Vgl. Britta Hufeisen: Gesamtsprachencurriculum: Weitere Überlegungen zu einem prototypischen Modell, in: Rupprecht Baur / Dies. (Hg.): „Vieles ist sehr ähnlich“. Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Aufgabe, Baltmannsweiler 2011, S. 265–282, hier S. 270f.

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Katrin Siebel

ein, wobei es sich nicht um Englisch handeln sollte. Die L3 beginnt im vierten Lernjahr und ist ebenfalls obligatorisch. Die L4 ab dem sechsten Lernjahr ist hingegen die erste fakultative Wahl.56 Nach jeweils zwei Jahren Unterricht ist die Überführung in bilingualen bzw. immersiven Unterricht in jeweils zwei Sachfächern vorgesehen. Die Begrenzung aller Sprachkurse auf vier Jahre soll den Lernenden Freiraum für den Erwerb weiterer sprachlicher Kompetenzen bieten. Für zusätzliche Fremdsprachen (L5, Lx) sind in Hufeisens Entwurf ebenfalls vier intensive57 Lernjahre vorgesehen. Besondere Aufmerksamkeit in diesem Gesamtsprachencurriculum erhält Deutsch.58 Diese Sprache wird in allen Lernstufen des Modells unterrichtet, sei es als Erst-, Zweit- oder Fremdsprache. Der Deutschunterricht soll das Sprachenbewusstsein und das Sprachenlernbewusstsein initiieren und fördern. Auch der Unterricht in DaZ, ebenso durchgängig in das Gesamtsprachencurriculum integriert, ist fortzusetzen,59 bis jeder DaZ-Lernende das altersgemäße Niveau der Alltagssprache bzw. BICS60 sowie der Bildungssprache bzw. CALP61 erreicht und entsprechend in der Verkehrssprache kommunizieren und sprachhandeln kann. Zudem ist Unterricht in den Herkunftssprachen fest in Hufeisens Gesamtsprachencurriculum verankert, denn sie betrachtet diese nicht nur als konsti56 Vgl. ebd., hier S. 271f. N.B. Die dort entnommene Grafik bildet den von Hufeisen beschriebenen Beginn der Sprachen leider nicht präzise ab. 57 Vgl. ebd., hier S. 272. Die Stundenzahl für intensiven Unterricht wird zwar nicht in Zahlen definiert, aber es müsste sich dabei wohl um drei oder mehr Stunden Unterricht pro Woche handeln. 58 Angesichts des Stundenabbaus bei Fremdsprachen ist Hufeisen insbesondere besorgt um die Sicherung von Deutsch (als Zweitsprache der Lernenden nichtdeutscher Herkunftssprache an deutschsprachigen Schulen sowie als Fremdsprache im nichtdeutschsprachigen Kontext) zugunsten solcher Fächer wie Informatik oder Wirtschaft. Auch warnt sie vor dem Fokus auf Englisch als vermeintlich einzig relevanter Fremdsprache. Durch die Verbindung des Sprachenlernens mit dem Sachfachlernen würde ein solches Curriculum keine weiteren Stunden für die Fremdsprachen in Anspruch nehmen, vgl. ebd., hier S. 267. 59 Die Nutzung des intensiven Förderangebots in DaZ wird verglichen mit der Nutzung eines Paternosters, der den Lernenden von Anbeginn bis zum Abschluss der Schullaufbahn jederzeit zur Verfügung steht, vgl. ebd., hier S. 271. 60 Das Akronym BICS steht für Basic Interpersonal Communicative Skills und bezeichnet die Fähigkeit, konzeptionell mündliche Äußerungen in der Alltagskommunikation produzieren zu können, vgl. Imke Mohr: BICS, in: Hans Barkowski / Hans-Jürgen Krumm (Hg.): Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Tübingen 2010, S. 28. 61 Das Akronym CALP steht für Cognitive Academic Language Proficiency und geht wie BICS auf den Zweitspracherwerbsforscher Jim Cummins zurück. Als Begriffspaar bezeichnen sie den Unterschied zwischen kontextualisierter Alltagssprache und dekontextualisierter Bildungssprache. Dabei umfasst CALP den fachlich angemessenen Gebrauch sprachlicher Mittel und das Wissen über fachtypische Textsorten; diese Fähigkeit ist vorauszusetzen für erfolgreiches Lernen in der Schule und darüber hinaus, vgl. Udo Ohm: CALP, in: Hans Barkowski / Hans-Jürgen Krumm (Hg.): Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Tübingen 2010, S. 34.

Das Schulfach Latein in einem Gesamtsprachencurriculum

141

tutiven Bestandteil der individuellen Sprachenbiografie, sondern auch des Curriculums.62 Zwar schätzt Hufeisen selbst die Realisierung ihres Gesamtsprachencurriculum-Modells nunmehr als utopisch63 ein, dennoch ist ihr Entwurf ein wichtiger Impuls; angesichts der Zunahme an Geflüchteten in den Klassenräumen ist er aktueller denn je. Zudem ist über die Dauer und Reihenfolge von schulischen Sprachkursen zu diskutieren. In diesem Zusammenhang ist auch abzuwägen, als wievielte Fremdsprache Latein unterrichtet werden könnte und welche Besonderheiten jeweils zu bedenken wären.

2.3

Gesamtsprachencurriculum und Latein

Insgesamt ist die Verortung des Fachs Latein in einem Gesamtsprachencurriculum gut vereinbar mit der o.g. These, dass Lateinunterricht als Integrationsfach im Schulsprachenangebot fungieren kann. Hinsichtlich der kognitiven Anforderungen und der Motivation ist der Beginn mit Latein in Klasse 6 bzw. 5 geeignet. Dabei kann auf die vorhandenen Sprachkompetenzen, auf Sprachenlernbewusstsein sowie Strategien-Wissen rekurriert werden, die sich die Lernenden in modernen Fremdsprachen, im Deutschen und ggf. in einer Herkunftssprache bereits angeeignet haben. Für dieses Einstiegsalter liegen zudem zahlreiche Lehrmaterialien vor. Abzuraten wäre von einem früheren Beginn des Lateinunterrichts angesichts der kognitiven Anforderungen und des fehlenden sprachlichen Fundaments einer rezeptiv wie produktiv erlernten Fremdsprache, das die Voraussetzung ist für Erfolg beim Vergleichen sprachlicher Strukturen sowie beim interlingualen Transfer. Latein könnte im Gesamtsprachencurriculum von Hufeisen auch ab Klasse 8 oder Klasse 10/11 als vierte oder fünfte fakultative Sprache einsetzen.64 Letzteres mag altersmäßig wiederum von Vorteil sein hinsichtlich der Reife und Motivation, aber es verbleiben nur noch zwei bzw. drei Jahre Unterrichtszeit am Gymnasium. Zudem ist es fraglich, wie viele Lernende die Motivation mitbringen, vier oder sogar fünf Fremdsprachen zu erlernen. 62 Vgl. Britta Hufeisen / Nikolas Neuner: DaZ im Rahmen eines Gesamtsprachencurriculums, hier S. 158f. 63 „Ich stelle meine Überlegungen zum Gesamtsprachencurriculum in dem Wissen an, dass es sich mit ziemlicher Sicherheit niemals realisieren lässt, weil viel zu viele Verwaltungsvorschriften dies verunmöglichen, weil zu viele Bedenkenträger – insbesondere Eltern, die solche Vorschläge in der Regel für bare Überforderung ihrer Kinder halten – Gegenargumente bereit halten werden und weil zu viel scheinbar Neues daran ist.“, Hufeisen: Gesamtsprachencurriculum: Weitere Überlegungen, hier S. 265. 64 Für DaZ-Lernende wären das dann nicht die L5 oder L6, sondern schon die L6 oder L7.

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Katrin Siebel

Würde Latein im Gesamtsprachencurriculum von Hufeisen als L4 bzw. L5 für DaZ-Lernende unterrichtet, geschähe dies auch in Übereinstimmung mit der Forderung der Europäischen Kommission nach der Aneignung von Kompetenzen in Muttersprache plus zwei. Diese Aussage trifft natürlich auch für das gegenwärtige Sprachencurriculum zu: Wird Latein als L4 unterrichtet, handelt es sich bei Muttersprachlern des Deutschen um die dritte Fremdsprache nach zwei modernen. Inspirierend für die Positionierung der Lateindidaktik hinsichtlich des Potenzials der Sprache zur Anbahnung von Mehrsprachigkeitskompetenz ist eine Forderung seitens der Mehrsprachigkeitsdidaktiker. So schlägt Meißner vor, das „Richtziel Kommunikationsfähigkeit in vier Grundfertigkeiten in zwei modernen Fremdsprachen um plus rezeptive Kompetenz in weiteren Fremdsprachen“ zu erweitern.65 Dieses Ziel weist nicht nur über Muttersprache plus zwei hinaus, sondern schließt das Potenzial des Lateinischen für die Förderung von Mehrsprachigkeit ein. Da Latein keine reguläre Kommunikationssprache ist, entfällt die von Hufeisen postulierte Option der Überführung in bilingualen bzw. immersiven Unterricht nach zwei Jahren. Als Alternative zur Immersion könnte ein Kursangebot zur sprachlichen Allgemeinbildung66 in das Gesamtsprachencurriculum integriert werden, das die Sprache Latein und das Funktionieren von Sprache in den Mittelpunkt stellt. In diesem Sinne haben Schweizer Lateindidaktiker einen Vorschlag vorgelegt, den lateinischen „Sprachunterricht zu einer lebendigen sprachlichen Allgemeinbildung modernen Zuschnitts weiterzuentwickeln.“67 Ihr Anliegen, im Lateinunterricht Sprache und Allgemeinbildung zu vermitteln, verstehen die Autoren 1) als einen zentralen Bestandteil der gymnasialen Bildung, 2) als Grundlage für die Beschäftigung mit Sprache und Literatur, mit Denken und Logik sowie 3) als Hilfe zum Verständnis von sprachlichen Grundtatsachen68 des Lateins, des Deutschen und der modernen Fremdspra65 Franz-Josef Meißner: Mehrsprachigkeitsdidaktik revisited: über Interkomprehensionsunterricht zum Gesamtcurriculum, in: Fremdsprachen Lehren und Lernen 34 (2005), S. 125–145, hier S. 127. 66 Ähnlich bereits Nickels Standpunkt, dass Latein als Reflexionssprache in einem diversifizierten Angebot mehrerer Kommunikationssprachen zudem einen wichtigen Beitrag zu einer allgemeinen Sprachbildung leisten könne, vgl. Rainer Nickel: Lexikon zum Lateinunterricht, S. 199. 67 Theo Wirth / Christian Seidl / Christian Utzinger: Sprache und Allgemeinbildung. Neue und alte Wege für den alt- und modernsprachlichen Unterricht am Gymnasium, Zürich 2006, hier S. 16. 68 Damit meinen Wirth / Seidl / Utzinger sprachtheoretische Grundlagen, die in ihrer Publikation thematisiert und für den Unterricht angemessen reduziert dargestellt werden. Dazu gehören synchronische Erscheinungen wie z. B. der Zeichencharakter der Sprache, Grundlagen der Kommunikationstheorie, Metapher und Metonymie als wichtige Denkformen sowie die Offenheit der Sprache hinsichtlich Grammatik und Wortschatz, aber auch dia-

Das Schulfach Latein in einem Gesamtsprachencurriculum

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chen. Dabei richtet sich die Schweizer Publikation ausdrücklich als eine didaktische Handreichung an Lehrkräfte aller Sprachenfächer, nicht etwa exklusiv an die Lehrenden der alten Sprachen. Mit diesem Ansatz verfolgen die Autoren „ein in der Fachdidaktik noch eher ungewohntes, aber – wie wir immer deutlicher feststellen – zukunftsträchtiges Ziel: die Überwindung der Fachgrenzen im gymnasialen Sprachunterricht, verbunden mit einer Vertiefung der Sprachbetrachtung: Sprache wird zum Erkenntnisobjekt und zum Inhalt gymnasialer Bildung.“69 Dieser Ansatz, der Sprachtheorie in den Mittelpunkt stellt und diese den Lernenden partiell und didaktisch reduziert zugänglich machen möchte, scheint zugleich vielversprechend, um in der Schule durch Sprachreflexion den Aufbau von Sprachenbewusstsein sowie Mehrsprachigkeit zu fördern. Methodisch würde dabei das Vergleichen von Sprache eine zentrale Rolle spielen. So kann auf der Ebene der Grafie der Sprachenvergleich z. B. Schreibweisen in verwandten Sprachen aufklären, wenn deren Orthografie stark etymologisierend geprägt ist, so dass Lateinkenntnisse in diesem Zusammenhang als interlinguale Lesehilfen dienen.70 Anders als bei EuroComRom wären am Lernort Schule aufgrund der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit vieler Lernender auch Sprachen in den Vergleich einzubeziehen, die nicht mit dem Lateinischen verwandt sind. So ist häufig die Sprachenfolge L1 Türkisch – L2 Deutsch – L3 Englisch – L4 Latein anzutreffen, die die Möglichkeiten des Reflektierens über Sprache(n) im Lateinunterricht enorm erweitern kann.

3.

Schlussbetrachtung

Latein ist trotz oder vielleicht gerade wegen der Alleinstellungsmerkmale gegenüber den modernen Schulfremdsprachen sowie angesichts der Tradition des Schulfachs im 21. Jahrhundert eine gesellschaftlich akzeptierte Sprache, wie auch die Schülerzahlen belegen.71 Daher wäre es abwegig, Lateinkenntnisse im Zusammenhang gesamtcurricularer sowie sprachenübergreifender Überlegungen auszuklammern.

chronische Phänomene wie die Geschichtlichkeit von Sprache, interlinguale Spracheinflüsse oder auch Sprachökonomie und Bedeutungsveränderungen, vgl. ebd., hier S. 17f. 69 Ebd., hier S. 9. 70 Vgl. Johannes Müller-Lancé: Sprachvernetzung, hier S. 29. 71 Das Maximum lag im 21. Jahrhundert bisher im Schuljahr 2008/09 bei annähernd 833.000 Lernenden in Deutschland, vgl. Katrin Siebel: Mehrsprachigkeit und Lateinunterricht, hier S. 155.

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Katrin Siebel

Denkbare Entscheidungen zur Auswahl und Abfolge von Fremdsprachen sind auch mit der Frage nach der sinnvollen Dauer von Sprachkursen verbunden. Hinsichtlich der Länge von Sprachkursen ist vielfach dieselbe Tendenz zu vernehmen: Weniger ist mehr. Daher wird dafür plädiert, nicht mehr „schulische Langkurse“ zu verfolgen, sondern sich – und dies ganz im Sinne von Hufeisens Gesamtsprachencurriculum – nach vier oder fünf Jahren Schulunterricht in einer Fremdsprache einer neuen zuzuwenden.72 Dieser Ansatz überzeugt, denn anders als durch eine Reduzierung der Dauer von Unterrichtsjahren, zumal angesichts der dominierenden Fremdsprache Englisch, scheint eine Diversifizierung des Angebots an Schulfremdsprachen kaum realisierbar.73 Bezüglich der Reihenfolge rät Müller-Lancé aus seiner linguistischen Perspektive Folgendes zur Fremdsprachenwahl im gegenwärtigen Schulsystem: Schüler, die sprachunbegabt seien und in ihrem späteren Leben nie wieder etwas mit Fremdsprachen zu tun haben wollten, sollten mit der wichtigsten Sprache beginnen, also mit dem Englischen, da diese ihr Leben lang mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre beste Fremdsprache bleiben werde. Für die Schüler, die ein Studium anstrebten oder im Laufe ihres Lebens gerne internationale Kontakte pflegten oder auch einfach nur ein kulturelles Grundinteresse hätten, sei es relativ unerheblich, mit welcher Sprache sie begännen.74 Als Voraussetzung für die Positionierung von Latein im Kanon der Schulfremdsprachen darf als gegeben angenommen werden, dass Latein für alle Lernenden aufgrund des früh beginnenden Fremdsprachenunterrichts in der Primarschule eine Tertiärsprache ist, die mindestens als zweite Fremdsprache erlernt wird. Deshalb ist es für die Lateindidaktik ratsam, verstärkt die Erkenntnisse der Tertiärsprachenforschung zu rezipieren. Etablierte sich das Fach Latein am Gymnasium mit regulärer Sprachenfolge als dritte Fremdsprache, wäre dies im Sinne der europäischen Sprachenpolitik. Auch wäre für die Lateindidaktik, in Anlehnung an Meißner, das oben dargestellte sprachliche Repertoire in der Form Muttersprache + zwei moderne Fremdsprachen + rezeptive Kompetenzen in Latein attraktiv. Ein solches sprachliches Bildungsziel schließt das Potenzial des Lateinischen für die Förderung individueller Mehrsprachigkeit ein; es könnte und sollte daher auch von Vertretern der altsprachlichen Didaktik im Hinblick auf den Nutzen des Lateinunterrichts artikuliert werden.75 Nicht zuletzt sind Ansätze zur Interkomprehension und zur Förderung der rezeptiven Mehrsprachigkeit auch für die Lateindidaktik anschlussfähig. Re72 73 74 75

Vgl. Johannes Müller-Lancé: Wortschatz romanischer Sprachen, hier S. 466. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 461f. Die Entwicklung von der additiven zur curricularen Mehrsprachigkeit wurde in der Lateindidaktik rezipiert, vgl. Siebel: Mehrsprachigkeit und Lateinunterricht, hier S. 83.

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zeptive Kenntnisse in Latein sowie eine im Lateinunterricht ausgeprägte Sprachenbewusstheit könnten bei jedem Lernenden zur individuellen Mehrsprachigkeit gehören, vorausgesetzt, der Erwerb entsprechender Kompetenzen wird im Lateinunterricht ermöglicht. In der Englischdidaktik werden sogar explizit optimistische Einschätzungen zur Wirksamkeit sprachenübergreifender Ansätze formuliert: Gerade Lateinlerner sind es gewohnt, Sprache intensiv zu reflektieren und genau zu analysieren. Betont man zusätzlich die bildende Funktion des lebenslangen Sprachenlernens, ist das Argument zu relativieren, dass Latein als ‚alte‘ Sprache keinen Beitrag zu einem mehrsprachigen Profil leisten könne. Daher ist es verwunderlich, warum dem Fach Latein in der Debatte um Mehrsprachigkeit bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird […].76

Eine praktikable Option zur Diversifizierung des sprachlichen Spektrums bieten auch Unterrichtsmodelle, in denen zwei Fremdsprachen inhaltlich aufeinander abgestimmt und sprachenübergreifend unterrichtet werden. Solche sprachenübergreifenden Unterrichtsmodelle, die bereits praktiziert werden,77 ermöglichen eine Win-win-Situation für die involvierte moderne Sprache sowie für das Fach Latein. Die Lateindidaktik erhält dabei die Gelegenheit, das fachspezifische Potenzial im Hinblick auf die Förderung der Mehrsprachigkeitskompetenz in der Unterrichtspraxis zu benennen und sich didaktischen und methodischen Ansätzen der modernen Fremdsprachen verstärkt zu öffnen. Angesichts der starken Entwicklung der Schülerzahlen im Fach Spanisch wäre es naheliegend, eine unterrichtliche Verzahnung von Latein- und Spanischunterricht zu entwickeln. Nicht zuletzt ist Lateinunterricht als ein Integrationsfach zu begreifen, das aufgrund der Rolle des Deutschen als Kommunikations- und Zielsprache die Bedürfnisse Lernender nichtdeutscher Herkunftssprache mehr berücksichtigen kann als der Unterricht in modernen Fremdsprachen. Wie jeglicher Fremdsprachenunterricht sollte sich auch der Lateinunterricht vom monolingualen Habitus, der Deutsch als L1 voraussetzt, verabschieden.78

76 Annina Lenz: Sprachenverbindende Vokabelübungen und interlinguale Sprachenbewusstheit, in: Christiane Fäcke / Hélène Martinez / Franz-Joseph Meißner (Hg.): Mehrsprachigkeit. Bildung – Kommunikation – Standards, Stuttgart 2012, S. 165–179, hier S. 168f. 77 So verzahnt das in Baden-Württemberg entwickelte sog. Biberacher Modell, in anderen Bundesländern Latein Plus genannt, zu Beginn der Sekundarstufe I die Fächer Englisch und Latein, vgl. Katrin Siebel: Mehrsprachigkeit und Lateinunterricht, S. 224–226. 78 Für weitere Überlegungen dazu vgl. Ingrid Gogolin: Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule, Münster 1994.

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Bibliographie Bär, Marcus: Förderung von Mehrsprachigkeit und Lernkompetenz. Fallstudien zu Interkomprehensionsunterricht mit Schülern der Klassen 8 bis 10, Tübingen 2009. Bausch, Karl-Richard / Helbig-Reuter, Beate: Überlegungen zu einem integrativen Mehrsprachigkeitskonzept: 14 Thesen zum schulischen Fremdsprachenlernen, in: Neusprachliche Mitteilungen 56, 4 (2003), S. 194–201. Berthele, Raphael: Mehrsprachigkeitskompetenz als dynamisches Repertoire – Vorüberlegungen zu einer integrierten Sprachdidaktik, in: Bitter Bättig, Franziska / Tanner, Albert (Hg.): Sprachen lernen – lernen durch Sprache, Zürich 2010, S. 225–239. Europäische Kommission: Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung, Lehren und Lernen. Auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft, Brüssel 1995. Online verfügbar unter: http://europa.eu/documents/comm/white_papers/pdf/com95_590_de.pdf [26. 07. 2019]. Europarat: Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, Berlin 2001. Gogolin, Ingrid: Bildungssprache, in: Barkowski, Hans / Krumm, Hans-Jürgen (Hg.): Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Tübingen 2010, S. 29. Gogolin, Ingrid: Der monolinguale Habitus der multilingualen Schule, Münster 1994. Gogolin, Ingrid / Lange, Imke: Bildungssprache und Durchgängige Sprachbildung, in: Fürstenau, Sara / Gomolla, Mechthild (Hg.): Migration und schulischer Wandel: Mehrsprachigkeit, Wiesbaden 2011, S. 107–127. Haataja, Kim: CLIL, in: Barkowski, Hans / Krumm, Hans-Jürgen (Hg.): Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Tübingen 2010, S. 38. Hallet, Wolfgang / Königs, Frank G.: Mehrsprachigkeit und vernetzendes Sprachlernen, in: Dies. (Hg.): Handbuch Fremdsprachendidaktik, Seelze 2010, S. 302–307. Hufeisen, Britta: Deutsch als Tertiärsprache, in: Helbig, Gerhard (Hg.): Deutsch als Fremdsprache. Ein internationales Handbuch, Berlin / New York 2001, S. 648–653. Hufeisen, Britta: Gesamtsprachencurriculum, curriculare Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitsdidaktik – Utopie, Allheilmittel für den fächerübergreifenden ((Fremd) Sprachen-)Unterricht oder Schreckgespenst aller AnglistInnen und EnglischlehrerInnen? in: Bausch, Karl-Richard / Burwitz-Melzer, Eva / Königs, Frank G. / Krumm, HansJürgen (Hg.): Fremdsprachenlernen erforschen: sprachspezifisch oder sprachenübergreifend?, Tübingen 2008, S. 97–106. Hufeisen, Britta: Gesamtsprachencurriculum: Einflussfaktoren und Bedingungsgefüge, in: Dies. / Lutjeharms, Madeline (Hg.): Gesamtsprachencurriculum – Integrierte Sprachendidaktik – Common Curriculum. Theoretische Überlegungen und Beispiele der Umsetzung, Tübingen 2005, S. 9–18. Hufeisen, Britta: Gesamtsprachencurriculum: Weitere Überlegungen zu einem prototypischen Modell, in: Baur, Rupprecht / Dies. (Hg.): „Vieles ist sehr ähnlich“. Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Aufgabe, Baltmannsweiler 2011, S. 265–282. Hufeisen, Britta: Individuelle und subjektive Lernerbeurteilungen von Mehrsprachigkeit. Kurzbericht einer Studie, in: International Review of Applied Linguistics in Language Teaching 36 (1998), S. 121–135.

Das Schulfach Latein in einem Gesamtsprachencurriculum

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Katrin Siebel

Ohm, Udo: CALP, in: Barkowski, Hans / Krumm, Hans-Jürgen (Hg.): Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Tübingen 2010, S. 34. Petersen, Inger / Tajmel, Tanja: Bildungssprache als Lernmedium und Lernziel des Fachunterrichts, in: Leiprecht, Rudolf / Steinbach, Anja (Hg.): Schule in der Migrationsgesellschaft. Ein Handbuch, Band 2, Schwalbach/Ts. 2015, S. 84–111. Rösch, Heidi: Deutsch als Zweit- und Fremdsprache, Berlin 2011. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Einheitliche Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung Latein i. d. F. vom 10. 02. 2005, http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1980/19 80_02_01_EPA_Latein.pdf [26. 07. 2019]. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin und Ministerium für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg (Hg.): Rahmenlehrplan Teil B. Fachübergreifende Kompetenzentwicklung (unterrichtswirksam seit dem Schuljahr 2017/18). Siebel, Katrin: Mehrsprachigkeit und Lateinunterricht. Überlegungen zum lateinischen Lernwortschatz, Göttingen 2017 (Wissenschaft und Lehrerbildung, 4). Töchterle, Karlheinz: Überlegungen zu Latein als Basissprache für Mehrsprachigkeit, in: Zybatow, Lew N. (Hg.): Sprachenkontakt – Mehrsprachigkeit – Translation. Innsbrucker Ringvorlesungen zur Translationswissenschaft V, Frankfurt am Main 2007, S. 235–243. Wirth, Theo / Seidl, Christian / Utzinger, Christian: Sprache und Allgemeinbildung. Neue und alte Wege für den alt- und modernsprachlichen Unterricht am Gymnasium, Zürich 2006. Wojnesitz, Alexandra: „Drei Sprachen sind mehr als zwei“. Mehrsprachigkeit an Wiener Gymnasien im Kontext von Migration, Münster 2010.

Maria Eisenmann (Würzburg)

Adaptation, Creation, Transformation – Shakespeare in the EFL Classroom

Ben Jonson anticipated Shakespeare’s dazzling future when he declared in the preface to the First Folio in 1623: “He was not of an age, but for all time!”1 While most people know that William Shakespeare is the most popular dramatist and poet the Western world has probably ever produced, the question must be asked whether it is really sensible to teach 16th century literature to 21st century students. In the 1990s already, Rex Gibson gave an easy answer to the complex question “Why teach Shakespeare?” by responding “Why not?”2 And in fact, there are many reasons why Shakespeare should be taught in English language classrooms such as his popularity, unbroken presence and enormous influence on theatrical stages around the world.3 Above all, it is particularly the timelessness of his oevre suggested by Ben Jonson’s famous words, which is also mirrored in school curricula, and as an aspect of British cultural life, Shakespeare plays an important role in foreign language education. Since teaching literature in EFL classes Shakespeare’s work has always been a major topic and in the past, there have been several publications for teaching Shakespeare in German classrooms. In the 1980s and 1990s Rüdiger Ahrens’ threepart William Shakespeare – Didaktisches Handbuch4 has been the most important landmark on teaching Shakespeare in Germany. The continued interest is also reflected in many new perspectives on teaching Shakespeare in Roland Petersohn’s and Laurenz Volkmann’s two-volume publication Shakespeare didaktisch.5 While these books were published in German, there were two 1 Stephen Greenblatt / Howard Abrams Meyer (Eds.): Sixteenth/Early Seventeenth Century. The Norton Anthology of English Literature, London 2012, p. 1168. 2 Rex Gibson: Teaching Shakespeare. A Handbook for Teachers, Cambridge 1998, p. 1. 3 For more arguments see Rüdiger Ahrens: Why Read a Shakespeare Play in Class?, in: Werner Delanoy / Maria Eisenmann / Frauke Matz (Eds.): Learning with Literature in the EFL Classroom, Frankfurt am Main 2015, pp. 181–182. 4 Rüdiger Ahrens (Ed.): William Shakespeare: Didaktisches Handbuch, München 1982. 5 Roland Petersohn / Laurenz Volkmann (Eds.): Shakespeare didaktisch I. Neue Perspektiven für den Unterricht, Tübingen 2006; Shakespeare didaktisch II. Ausgewählte Dramen und Sonette, Tübingen 2006.

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important handbooks in English, namely Rex Gibson’s Teaching Shakespeare6 and James Stredder’s The North Face of Shakespeare. Activities for Teaching the Plays.7 Both testify a steady commitment to dealing with the bard in the EFL classroom and add yet more perspectives to the field. Both books do not only give overviews of the current state of Shakespeare scholarship but also detailed descriptions of practical, performative approaches considering the principles of active learning. Two recently published collections of essays with the title Shakespeare in the EFL Classroom, by Maria Eisenmann and Christiane Lütge,8 as well as Teaching the Bard Today, by M. Eisenmann,9 aim at providing new innovative insights into a wide range of components in current approaches of teaching Shakespeare for all ages. In addition to all of these printed volumes, there are great [teaching re-] sources on the Internet, for example the Folger Shakespeare Library,10 which offers a huge variety of materials such as excellent character connection charts for all plays. Furthermore, the Folger Education Department continually works to incorporate Shakespeare and performance in the classroom. It also publishes a variety of manuals and resources for classroom use, which offer an ideal startingpoint for researching into a specific text with various teaching suggestions, websites to explore and lesson plans for teachers. Another vital source for activities and teaching ideas is Shakespeare’s Globe Education Website,11 which offers a number of learning resources for both students and teachers. These include printed publications and online resources such as actor interviews and blogs. Above that, teachers and their learners can take part in virtual tours around the Globe Theatre.12 These digital offers allow learners to use real-world materials, which have been conceptualised for a general online audience and not specifically for German learners. According to situated learning this enhances real communication situations and offers opportunities for interaction outside the classroom, which makes them especially useful for foreign language teaching. In the classroom the focus can be put on real-life tasks, which usually increase students’ interest and motivation. 6 Rex Gibson: Teaching Shakespeare, Cambridge 1998. 7 James Stredder: The North Face of Shakespeare. Activities for Teaching the Plays, Stratfordupon-Avon 2004. 8 Maria Eisenmann / Christiane Lütge (Eds.): Shakespeare in the EFL Classroom, Heidelberg 2014. 9 Maria Eisenmann (Ed.): Teaching the Bard Today – Shakespeare-Didaktik in Forschung und Lehre, Berlin 2019. 10 Cf. Folger Shakespeare Library: http://www.folger.edu [accessed 22 February 2016]. 11 Cf. Shakespeare’s Globe: Learn, https://www.shakespearesglobe.com/learn/ [accessed 03 October 2020]. 12 Cf. Shakespeare’s Globe: Teaching Resources, https://www.shakespearesglobe.com/learn/ #teaching-resources [accessed 03 October 2020].

Shakespeare in the EFL Classroom

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This short overview shows that Shakespeare and his work have remained in place over the last decades and are still present in the German EFL classroom. A major reason for the author’s continued popularity is his enormous diversity of topics and high scope of themes. Dealing with “anthropological variations of human life”13 and world-renowned materials such as tragic love in Romeo and Juliet, bloody history in Macbeth or magical worlds in A Midsummer Night’s Dream creates a tremendous fascination and offers many oppurtunities for learners today to grapple with various characters, their fates and life situations. Shakespeare in particular invites students to develop a deep understanding of his characters. They are introspective and have inner lives and thoughts which are expressed in their monologues and dialogues. His character development is so well designed that audiences of today still can identify with their emotions and learn from these close encounters with otherness. If you take a tragedy like Hamlet, the added value for students is easy to understand. With a reflective young protagonist with profound thoughts, a love story, generation conflicts, the play offers enormous potential for identification for 21st century students. One very important reason for the immense popularity of Shakespeare’s plays in the school curriculum may be their infinite capacity for adaptation, creation and transformation. For hundreds of years, his work has been interpreted and performed in various ways.14 Today, the variety of adaptations and transformations is amazing, including audiovisual or visual formats and their potential for teaching with a view to intertextual connections. The large number of postcolonial rewrites, films, comics, manga versions and animated clips available on the market, especially on the Internet, holds new challenges and chances for the EFL classroom and is likely to increase even more in the future. Methodological questions for classroom application and pedagogic reflections concerning questions of media literacy play an important role in this context. In order to develop an understanding of Shakespeare’s adaptations the following examples suggest specific analytical tasks as well as creative activities for the advanced EFL classroom.

Writing Back – Postcolonial Adaptations Among the wealth of adaptations, creations and transformations of Shakespeare’s works are the so-called postcolonial rewrites, which seem to have gained increasing prominence in the last few years. For a long time, traditional and conventional postcolonial studies and postcolonial writing, the New English 13 Rüdiger Ahrens: Why Read a Shakespeare Play in Class?, p. 182. 14 Cf. Maria Eisenmann / Christiane Lütge (Eds.): Shakespeare in the EFL Classroom, p. 7.

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Cultures and Literatures, have not been integrated into the EFL classroom. This, however, is changing increasingly and rapidly. Due to globalisation issues and the spread of the English language, a widening perspective on countries and territories beyond the “inner circle”15 of Great Britain and the United States are taking place.16 The concept of “writing back” refers to postcolonial authors who have sought to rewrite colonial versions of history, which portrayed places and people as exotic and savage in contrast to the civilised and enlightened centre of the British empire, thus undertaking postcolonial reinterpretations of works from the colonial canon.17 The term “writing back” was coined by Salman Rushdie in a 1982 article for the Times and a creative dialogue with European culture and literature started. Above all, it is the classics of British literature, such as texts by William Shakespeare, in which this process can most often be depicted. By integrating and comparing these postcolonial rewrites with the original texts, an (inter-)cultural discourse can be enhanced in the classroom, which promises a great advantage for EFL teaching purposes. Teaching rewrites, however, instructurs must not forget that, for German students, postcolonial content is rather complex and distant. A spontaneous approach cannot be expected, because most of the students have never been confronted with this phenomenon in their everyday lives. Thus, when teaching rewrites, it is necessary to clarify what postcolonialism means from a theoretical perspective, at least very briefly. A suitable approach to this with EFL students would be to develop an understanding on the fundamental dichotomies based on Edward Said’s central points of critique directed at imperialism and orientalism, e. g. self/other, West/East, white/black, etc.18 In this context, Homi Bhabha’s concept of “hybridity”19 can be used as a viewpoint in order to attract attention to cultural overlapping and how to overcome those binary ways of thinking. One of Shakespeare’s best plays carving out these fundamental dichotomies is Othello. It is a play set in a multicultural society centering on topics such as cultural and religious difference, interracial relations, racism, and the construction of stereotypes. All of those issues where then and are now of great social and political relevance. It would go beyond the scope of this contribution to comment on all existing postcolonial rewrites of Shakespeare’s Othello. Over the past decades many literary adaptations have been 15 Braj B. Kachru: The Handbook of World Englishes, Malden, MA, 2006. 16 Cf. Maria Eisenmann: A Chain of Othellos, in: Maria Eisenmann / Christiane Lütge (Eds.): Shakespeare in the EFL Classroom, Heidelberg 2014, p. 228. 17 Cf. Bill Ashcroft / Gareth Griffiths / Helen Tiffin: The Empire Writes Back. Theory and Practice in Post-colonial Literatures, London 2003, p. 32. 18 Cf. Edward W. Said: Orientalism, New York 1978, p. 124 19 Homi K. Bhabha: The Location of Culture, London 1994.

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published, mostly written from a black, postcolonial perspective. Let me just mention the following: – African perspective: Murray Carlin’s drama Not Now, Sweet Desdemona (1969)20 – Sudanesian perspective: Tayeb Salih’s novel Season of Migration to the North (1969)21 – US-American perspective: Amiri Baraka’s drama Dutchman (1964)22 and C. Bernard Jackson’s drama Iago (1979)23 – Canadian perspective: Ken Mitchell’s Cruel Tears (1975)24 and Djanet Sears’ Harlem Duet (1997)25 The following discussion applies to the latter mentioned. This example will be reviewed with regard to its teaching potential and how to implement it in the advanced EFL classroom. Harlem Duet is a “non chronological prelude or prequel”26 to Shakespeare’s Othello. The play is not set in Shakespeare’s time and takes place in three time periods. It is imagined as a prequel to Shakespeare’s Othello with an African-American woman named Sybil, called Billie, as Othello’s first wife, whom Othello leaves in favour of a white woman. Sears’ focus is very much on racial prejudice; thus she felt compelled to rewrite Othello: “I have a […] dream that one day in the city where I live, at any given time of the year, I will be able to find at least one play that is filled with people who look like me, telling stories about me, my family, my friends, my community. […] As a veteran theatre practitioner of African Descent, Shakespeare’s Othello had haunted me since I first was introduced to him. Sir Laurence Olivier in blackface. […]”27 What Djanet Sears calls “blackface” is a form of theatrical make-up used predominantly by non-black performers to represent a black person. The practice gained popularity during the 19th century and contributed to the spread of racial stereotypes. In the 20th century famous

20 Murray Carlin: Not Now, Sweet Desdemona, Nairobi 1969. 21 Tayeb Salih: Season of Migration to the North, Johannesburg 1969. 22 LeRoi Jones (aka Amiri Baraka): Dutchman and the Slave, New York City 1971. // Amiri Baraka: Dutchman, Cherry Lane Theatre, New York City 1964, performance. 23 C. Bernard Jackson: Iago, Inner City Cultural Center, Los Angeles 1979, performance. 24 Ken Mitchell: Cruel Tears, directed by Brian Richmond, Persephone Theatre, Saskatoon 1975, performance. 25 Djanet Sears: Harlem Duet, Nightwood Theatre, Toronto 1997, performance. 26 Djanet Sears: The Weeds of Internalized Colonialism: The Adventures of a Black Girl in Search of Her Own Stories, in: Dieter Kastovsky / Gunther Kaltenböck / Susanne Reichl (Eds.): Anglistentag 2001 Wien. Proceedings, Trier 2002, pp. 97–111. 27 Djanet Sears: Harlem Duet, Winnipeg 1997, p. 14.

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film adaptations featuring Orson Welles (1952), Laurence Olivier (1965) and Anthony Hopkins (1981) are no exceptions to this tradition.28 Harlem Duet is a revision of Shakespeare’s tragedy, in which Sears criticises the dominant ethnocentric white discourse that survived in the course of historiography. This is achieved by creating three different time levels or three closely linked lifetimes, which all contextualise Othello: “[…] an effect of Harlem Duet is to give Othello a context: he comes from somewhere, has a country, a world, a view. He is not the exotic Moor whose history we know only as the romance by which he courts Desdemona. He is a representative diasporic black man: over time, we see him as slave, we see him as performer, we see him as Harlem dweller and contemporary academic”.29 Most of the key motifs are already introduced in the prologue. Those which are directly related to Othello appear in all timelines, such as the handkerchief, the quotations, murder and the failing husband. All three women are left by their husbands at a point in their lives in which they were expecting Othello’s help. Their lives seem to be wrecked as their plans for the future are destroyed. These are parallels to Othello, where Desdemona is killed by her husband because he didn’t trust her. The focus of Harlem Duet is not only on Billie’s humiliation, it is all very much about history. In order to show the timelessness of the situation, Sears sets the play in three distinct periods. In 1860, Othello and Billie live in a United States just before the Emancipation Proclamation came into force in 1863. In 1928, they exist during the Harlem Renaissance but most of the action occurs in the present in the Harlem apartment Othello and Billie share at the symbolic corner of Malcolm X and Martin Luther King Boulevards. in contemporary Harlem they live with the ghosts of Martin Luther King and Malcolm X. In order to sensitise the students to racial views in Harlem Duet the following tasks can be put forward:30 – Describe the different responses to blackness the author depicts. – What role does skin colour play for Othello? What role does it play for Billie? – To which extent does the setting “at the corner of Malcolm X and Martin Luther King boulevards”31 indicate to the different views?

28 Orson Welles: Othello, Marceau Films / United Artists, Morocco / Italy 1952; Stuart Burge: Othello, BHE Films / National Theatre of Great Britain, United Kingdom 1965; Jonathan Miller: Othello, BBC, United Kingdom 1981. 29 Leslie Sanders: Othello Deconstructed: Djanet Sears’ Harlem Duet, in: Djanet Sears (Ed.): Testifyin’: Contemporary African Canadian Drama, Vol. 1, Toronto 2000, pp. 557–558. 30 Cf. Maria Eisenmann: A Chain of Othellos, p. 235. 31 Djanet Sears: Harlem Duet, p. 17.

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The setting provides a strong contrast between the two perspectives of Malcolm X and Martin Luther King’s “dream”. Martin Luther King was the spokesperson and leader in the civil rights movement in the 1950s and 1960s. He was well known for using the tactics of nonviolence based on his Christian beliefs. While his main focus was on the equality of man, Malcolm X’s view of the world was very much tainted with anger, bitterness and the desire to get back at the world that treated him unfairly. In this context students could be asked to find out about the different black movements and political positions of Martin Luther King and Malcolm X. Billie and Othello represent these two diametrically opposed black philosophies – she supports violence and separation, whereas he stands for nonviolence and works towards integration into white society. Othello rejects Billie’s racist view very strongly: “[…] my culture is not my mother’s culture – the culture of my ancestors. My culture is Wordsworth, Shaw, Leave it to the Beaver, Dirty Harry. I drink the same water, read the same books. You’re the problem if you don’t see beyond my skin. If you don’t hear my educated English, if you don’t understand that I am a middle class educated man. I mean, what does Africa have to do with me.”32 By rejecting Billie’s racist view, Othello takes on the role of the educated black man who feels misunderstood by his own race and no longer wants to belong to it. This thought refers back to Homi K. Bhabha who introduces the idea that by accepting higher education from the coloniser, the colonised separates from himself and his people which in a way leads to “Otherness” by education.33 In this context students can be asked to discuss the sentence, in which Billie directly refers to Shakespeare by saying: “The Shakespeare’s mine, but you can have it”.34 With sentences like these, Sears breaks the logocentric, androcentric European way of thinking that implies the linearity of a text or a story. She writes back to a literary canon which is dominated by white men and which Shakespeare belongs to. These texts have been enshrined in imperial rule, despite the ambivalence offered in Shakespeare’s Othello in relation to the construction of stereotypes. Sears infiltrates the political manifestation of domination and oppression in the sense of appropriation through a different discourse.

32 Ibid., p. 73. 33 Homi K. Bhabha: Foreword, in: Fanon, Frantz: Black Skin, White Masks, London 1986, p. xvi. 34 Djanet Sears: Harlem Duet, p. 52.

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Comics, Graphic Novels, Mangas In addition to postcolonial adaptations comics, graphic novels and mangas provide a unique opportunity to deal with the fact that reading is both an individual and at the same time a multi-dialogic process. TEFL magazines and other recent publications came up with catchy titles such as “Shakespeare Goes Graphic”,35 “Hamlet Goes Manga”,36 “Shakespeare Comics in the Classroom”37 or “Selling Shakespeare: Comic Books, Graphic Novels and Manga”.38 In opening up the literary canon, multimodal text adaptations, creations and transformations of Shakespeare’s works have been increasingly acknowledged as artistic products worthy of scholarly attention. Furthermore, the multi-modal and multi-codal character of the media provide numerous reference points for a multiliteracy education. However, the combination of Shakespeare and comics, Shakespeare comic adaptations already started in the 1940s,39 is not perceived as positive as may be expected or as Fisher points out: In the realm of literature, hardly a greater contrast seems to be conceivable: here the personification of high culture, the embodiment of learning and the epitome of a refined literary tradition, there the quintessence of a debased popular taste, the symbol of mass consumerism and proof that our civilization has gone awry. The idea of cladding Shakespeare in the grotesque and childish costumes of comics may appear almost sacrilegious to many.40

One reason for this viewpoint may well be that Shakespeare enthusiasts still feel that illustrations limit the learners’ imagination, the original Shakespearean texts do not get enough attention and, what is more, comic adaptations are not able to do justice to the original. But I would argue in favour of using comics, graphic novels and mangas, because these adaptations bridge what once seemed to the educational world a chasm between low and high culture. Furthermore, all theories of post-structuralists, deconstructivists and representatives of the New Historicism or recent research in the areas of performance, such as Theatre Studies and Film Studies, are based on a polyphonic text comprehension, which

35 Christian Ludwig: Shakespeare Goes Graphic: Grafische Adaptationen von A Midsummer Night’s Dream, in: Praxis Fremdsprachenunterricht, 3 (2014), pp. 8–10. 36 Nancy Grimm: Hamlet Goes Manga: Texts, Topics, Teaching, in: Maria Eisenmann / Christiane Lütge (Eds.): Shakespeare in the EFL Classroom, Heidelberg 2014, pp. 183–199. 37 Pascal Fischer: Shakespeare Comics in the Classroom, in: Christian Ludwig / Frank Erik Pointner (Eds.): Teaching Comics in the Foreign Language Classroom, Trier 2013, pp. 155–181. 38 Peter Holland: Selling Shakespeare: Comic Books, Graphic Novels and Manga, in: Anglistik 25, 1 (2014), pp. 77–89. 39 Cf. Pascal Fischer: Shakespeare Comics in the Classroom. 40 Ibid., p. 155.

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can already be seen as a starting point of a creative, pluralistic and very open approach to understanding the original text. What really makes these comic books useful pedagogically is that the cutting required by the medium inescapably interprets Shakespeare by reshaping plots and modifying characters, by directing attention to themes and dramatic structures, by reflecting cultural values and bias, by posing open-ended questions.41

Above these benefits, graphic adaptations can simply function as a sensible alternative or as an addition to films or theatre performances,42 Thus they fulfil the following wide range of demands and curricular requirements for media literacy: “Die Schüler vertiefen ihre Fertigkeiten im interpretierenden und produktionsorientierten Umgang mit unterschiedlichen Textarten aus verschiedenen Medien und arbeiten verstärkt auch sprachlich-stilistische und formalstrukturelle Gestaltungsmittel heraus.”43 This also means to utilise the cognitive and emotional proximity of the learners’ living environments and experiences of their daily lives.44 The teacher’s role is to mediate between the students’ worlds and the values supplied by the texts. This enhances an open, dynamic discourse which is in a constant state of flux and, hence, leads to a permanent dialogue between texts and learners. Teachers today have to respond to the changed media experience students bring into the classroom. Pupils, who grew up with the Internet, have a different approach to literary texts and other patterns of reception in literary work than earlier generations. The large number of comics, graphic novels and mangas available on the market, especially on the Internet, holds manifold chances for the EFL classroom and is likely to increase even more in the future. Methodological questions for classroom application and pedagogic reflections concerning questions of media literacy play an important role in this context. The advent of new media and a broader definition of what constitutes literature have shifted attention to hybrid multi-modal and multi-codal media, such as comics, which belong to the students’ everyday lives. Living in a visual culture, students constantly have to be able to encode and decode procedures in order to master their everyday lives. By reading comics and graphic novels, the students learn about the strong interrelationship of text and images, similar to deciphering linguistic signs. At the same time comic fiction and graphic novels call 41 Ibid., p. 166. 42 See, for example, the Bavarian curriculum, Gymnasium G8, classes 11/12: Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München: “Begegnung mit dem elisabethanischen Weltbild anhand von Auszügen aus dem Werk Shakespeares, wenn möglich in Verbindung mit Theateraufführungen und Verfilmungen”, http://www.isb-gym8-lehrplan.de/content serv/3.1.neu/g8.de/id_26513.html [accessed 22 February 2016]. 43 Ibid. 44 Cf. Roland Petersohn / Laurenz Volkmann (Eds.): Shakespeare didaktisch I, pp. 9–10.

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for visual literacy, an advanced skill, where students need to learn to recognise certain symbols and decode their meaning, much in the same way they do while reading texts. This helps students with their reading competences and analytic capabilities. Thus, the learners gain knowledge into understanding that each visual representation of a Shakespearean text (whether as picture, film or comic) is a new, independent interpretation. In fact, comics are very close to staging a play because recipients are confronted with the dramatic form of the text on a visual level. Hence, learners can become “co–creators of the story’s meaning”45 on a textual and visual level. Comics, graphic novels, and mangas have recently drawn more academic attention.46 In the past, comic books were often regarded with considerable suspicion but in “recent years, the proliferation of research on comics and graphic narratives has endowed this medium with some legitimacy”47 or as Wolk puts it “comics have grown up”.48 In the course of opening up the contemporary literary canon, comics and graphic novels have been increasingly acknowledged as artistic products worthy of scholarly attention.49 They are nowadays an integral part of EFL teaching not only in the fields of autobiographics,50 gender studies,51 teaching and learning 9/11,52 but also in the form of 45 Marion D. Perret: ‘And Suit the Action to the Word’: How a Comics Panel Can Speak Shakespeare, in: Robin Varnum / Christina T. Gibbons (Eds.): The Language of Comics. Word and Image, Jackson (MS) 2001, pp. 136. 46 See e. g. Daniela Elsner: Films, Graphic Novels & Visuals: Developing Multiliteracies in Foreign Language Education – An Interdisciplinary Approach, in: Daniela Elsner / Sissy Helff / Britta Viebrock (Eds.): Films, Graphic Novels & Visuals: Developing Multiliteracies in Foreign Language Education – An Interdisciplinary Approach, Münster 2013; Scott McCloud: Understanding Comics, New York 2009; Sigrid Norris / Carmen Daniela Maier: Interactions, Images and Texts: A Reader in Multimodality, Berlin 2014; Frank Serafini: Reading the Visual. An Introduction to Teaching Multimodal Literacy, New York 2014; Douglas Wolk: Reading Comics: How Graphic Novels Work and What They Mean, Cambridge 2008. 47 Lan Dong: Introduction. Reading and Teaching Graphic Narratives, in: Lan Dong (Ed.): Teaching Comics and Graphic Narratives: Essays on Theory, Strategy and Practice, Jefferson, NC, 2012, p. 5. 48 Douglas Wolk: Reading Comics, p. 3. 49 Cf. Achim Hescher: Reading Graphic Novels: Genre and Narration, Berlin 2016; Christian Ludwig / Frank Erik Pointner (Eds.): Teaching Comics in the English Language Classroom, Trier 2013. 50 Cf. Wolfgang Hallet: Graphic Novels: Literarisches und multiliterales Lernen mit ComicRomanen, in: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch, 46, 117 (2012), pp. 2–8; Christian Ludwig: Narrating the ‘Truth’: Using Autographics in the EFL-Classroom, in: Werner Delanoy / Maria Eisenmann / Frauke Matz (Eds.): Learning with Literature in the EFL Classroom, Frankfurt am Main 2015, pp. 299–320. 51 Cf. Lan Dong: Introduction. Reading and Teaching Graphic Narratives, in: Lan Dong (Ed.): Teaching Comics and Graphic Narratives: Essays on Theory, Strategy and Practice, Jefferson, NC, 2012, p. 5–10. 52 Cf. Christina Meyer: Teaching Visual Literacy through 9/11 Graphic Narratives, in: Lan Dong (Ed.): Teaching Comics and Graphic Narratives: Essays on Theory, Strategy and Practice, Jefferson, NC 2012, pp. 53–65; Maria Eisenmann: Shadows and Superheroes in 9/11 Graphic

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literary adaptations, e. g. teaching Shakespeare with comics, graphic novels and mangas.53 As far as their literary, aesthetic and intellectual qualities are concerned, comics stand on equal footing with other modern media such as film and the Internet.54 The terminology in comic studies is by no means uniform. Some scholars55 support the view that comics are a (popular) medium in their own right, although an independent media theory of comics and graphic novels has not yet been conceptualised and seems to be a desideratum.56 Furthermore, a clear distinction between comics and graphic novels has not yet been established. Very often the definition by Scott McCloud of comics as “juxtaposed pictorial and other images in deliberate sequence, intended to convey and/or to produce an aesthetic response in the viewer”57 is also applied to graphic novels, which can be defined as “book length, high-quality comic books that introduce children and adults to a wide range of literary fiction and non-fiction subjects […]”.58 In addition to rich cultural knowledge and multiliteracy promoted through these highly diversified genres, they support the acquisition of all four sub-skills, that is speaking, listening, writing and reading, and thus to achieve a general improvement in communicative competence.59 Mangas differ from comics and graphic novels to some extent: “Manga, translated from the Japanese roughly as ‘whimsical picture’, is a form of graphic art that was developed in Japan in the late 19th century”.60 In the meantime, mangas are a higly respected genre not only in Japan but on the worldwide publishing market. Today many symbols and stylistic elements of modern manga are strongly influenced by European novels and American films. Although each artist has his or her own style, drawings are generally done in pen and ink, mostly in black and white, with an emphasis on clean lines. Except for highly realistic

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Novels, in: Christian Ludwig / Frank Eric Pointner (Eds.): Teaching Comics in the Foreign Language Classroom, Trier 2013, pp. 183–212. Cf. Pascal Fischer: Shakespeare Comics in the Classroom; Nancy Grimm: Hamlet Goes Manga. Cf. Maria Eisenmann / Christiane Lütge (Eds.): Shakespeare in the EFL Classroom, p. 8. Cf. Kristin Fletcher-Spear / Merideth Jenson-Benjamin / Teresa Copeland: The Truth about Graphic Novels: A Format, Not a Genre, in: The Alan Review 40 (2013), pp. 37–44 and Christian Ludwig / Frank Erik Pointner (Eds.): Teaching Comics in the English Language Classroom. For further discussion see e. g. Achim Hescher: Reading Graphic Novels, pp. 30ff. Scott McCloud: Understanding Comics, p. 20. Anthony S. Burdge: Graphic Novels, in: The Oxford Encyclopedia of Children’s Literature, Vol. 2, Oxford 2001, pp. 166. Cf. Eva Burwitz-Melzer: Approaching Literary and Language Competence: Picturebooks and Graphic Novels in the EFL Classroom, in: Janice Bland / Christiane Lütge (Eds.): Children’s Literature in Second Language Education, London 2013, p. 63. Nancy Grimm: Hamlet Goes Manga, p. 186.

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series, most characters have very large, almond-shaped eyes, and their other body parts often are humorously out of proportion. Eye size and shape are usually enlarged and exaggerated, while mouth and nose are depicted rather small in comparison. Hair can be dramatically long, especially on heroes and heroines. Feelings and states of a character are often represented by symbols and delineated in an exaggerating and caricaturing manner. To elicit the character’s mood, thoughts, and feelings, manga uses visual codes, such as trembling, shock depicted as thick black lines around the character or sadness illustrated as giant tear drops. In the following, I will suggest an approach how to work with a Shakespeare manga in the advanced EFL classroom. As teachers cannot suppose that their learners are familiar with the use of comic-specific vocabulary, at least some basic terms (panel, gutter, speech balloon, closure, etc.) should be introduced beforehand. For an in-depth work with this specific vocabulary Scott McCloud’s introductory book Understanding Comics61 is particularly suitable. Furthermore, teachers have to introduce the basic terminology for discussing paralinguistic and non-verbal forms of communication such as facial expression, gesture, posture, interpersonal distance/personal space. It may thus be ensured that the students can be enabled to analyse precisely and appropriately. The “nunnery scene” (III,i) of Shakespeare’s Hamlet: The Manga Edition by Adam Sexton and Tintin Pantoja serves as an example.62 Working with an adaptation based on a literary text still seems to be a highly demanding task for most students. Therefore, the students’ first steps of analysis require temporary support structures provided by teachers. Before beginning the actual panel analysis, scaffolding is important in order to equip them with the necessary knowledge and skills to successfully accomplish the task. After a first reading of the protagonist’s famous soliloquy “To be, or not to be”, the learners can first be asked to describe what they see. When it comes to panel analysis, the following questions should be in the focus: – What do we see? – What can we read in the speech balloons and captions? – How do text and image interact?63

61 Scott McCloud: Understanding Comics. 62 Adam Sexton / Tintin Pantoja: Shakespeare’s Hamlet: The Manga Edition, Hoboken, NJ, 2008, p. 76. 63 Christian Ludwig: Shakespeare Goes Graphic, p. 8.

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Original

Shakespeare’s Hamlet: The Manga Edition

To be, or not to be: that is the question: Whether ’tis nobler in the mind to suffer The slings and arrows of outrageous fortune, Or to take arms against a sea of troubles, And by opposing end them? To die: to sleep; No more; and by a sleep to say we end The heart-ache and the thousand natural shocks That flesh is heir to, ’tis a consummation Devoutly to be wish’d. To die, to sleep; To sleep: perchance to dream: ay, there’s the rub (III,i, 56–65)

(Adam Sexton / Tintin Pantoja: Shakespeare’s Hamlet: The Manga Edition, Hoboken, NJ, 2008, p. 76)

As this is a graphic adaptation, in a second step also the question should be discussed how the panel illustrates and interprets the original text. Against this background the points of analyses should focus on the setting, narrative, character and text.64 For the depicted panel, the following answers can be expected from advanced EFL students: – The setting is in Hamlet’s richly decorated and lavishly furnished bedroom. The background with the bed is rather dark, due to a candle it is lighter in the foreground. His (wet?) clothes are hanging on a rod in front of a fireplace. On a table in front of him you can see a bottle, a glass and a dagger. – The narrative is the first part of Hamlet’s soliloquy “To be, or not to be”. – The character is Hamlet who can only be seen from behind. He is covered in a blanket sitting in front of the fireplace. – There are no speech balloons or thought balloons, just white printed text against a black background.65

Comics and mangas based on Shakespeare’s plays do not only illustrate but also interpret the original text and point to the disparity between author and artist.66 64 Cf. Nancy Grimm: Hamlet Goes Manga, pp. 186–187. 65 Ibid., p. 192. 66 Cf. Christian Ludwig: Shakespeare Goes Graphic, p. 10.

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This means decoding single panels has to take place on several levels, including the strong interrelationship of text and images as well as linguistic signs. In comics the use of language is often supported by visualisations which have the potential for facilitating a deeper understanding than the verbal dimension can achieve on its own. By providing sensible scaffolding while carrying out panel analyses a deeper and more profoundly reflective understanding of the orginial text can be expected.

Film Adaptations Films are a widely appreciated medium in foreign language classrooms and have been employed in EFL teaching contexts for more than fifty years. Like comics, film adaptations can increase the affective involvement with the text and, through learner-centred tasks, can encourage students to reflect on the play and its filmic adaptations. Thus, films can train the students’ visual literacy to be understood as an integral part of a general literacy. One of the amazing phenomena of the film world in the last decades is the remarkable presence of Shakespeare on screen. Shakespeare’s works come to life in the cinema or on TVand thereby find a way into the recreational world of many students. The adaptation of Shakespeare’s works in films also enjoy great popularity in English teaching contexts. Almost every year, new film versions are released that appeal to mass audiences and can be very beneficial for EFL teaching. Films are not only motivating, they also enhance the learners’ language skills by enabling them to listen to language while having visual clues to support verbal comprehension or, as Anke Bauer and Carola Surkamp posit: “Many goals can be pursued with their application: the visualisation of the plot and the dialogue can increase the comprehension of the text; the audio-visual medium of film can reveal the performance dimension of dramatic texts and also their acoustic and visual dimensions; working with text and film can also serve to increase motivation.”67 However, film literacy is more than listening plus viewing. Only recently have scholars of TEFL perceived films as multimodal texts which combine visual images and sound in a very particular way.68 The combination of visual and auditory semiotic systems enhances the development of multiliteracies. Fur67 Anke Bauer / Carola Surkamp: Shakespeare in Film, Filming Shakespeare: Different Versions of Hamlet in the EFL Classroom, in: Maria Eisenmann / Christiane Lütge (Eds.): Shakespeare in the EFL Classroom, Heidelberg 2014, pp. 110. 68 Cf. John A. Bateman / Karl-Heinrich Schmidt: Multimodal Film Analysis: How Films Mean, New York 2014; Britta Viebrock: Feature Films in English Language Teaching, Tübingen 2016, p. 13.

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thermore, the exclusive or additional work with film adaptations of Shakespeare’s texts offers students access to a variety of plays and enhances media literacy at the same time. Generally, guidelines on how to deal with the original texts also apply for handling film adaptations. There is no need to watch the whole film or concentrate on one film only. The appeal lies in comparing the different adaptations of one and the same play or scene which can be used as different readings of the text and serve as the foundation for interpretation. In order to compare different film versions, it can be sufficient to just focus on cinematographic transpositions of one particular scene taken from the dramatic text such as the following:69 – the scene after the night of love in Romeo and Juliet (III,v) – the “nunnery scene” (III,i) or “mousetrap scene” (III,ii) in Hamlet – the witches’ prophecies (I,i) in Macbeth – Miranda’s encounter with the “stranded” (V,i) in The Tempest Due to the large repertoire of films on the market, students have the chance to gain short exemplary insights into the milestones of film history, such as Baz Luhrmann’s popular adaptation of Romeo and Juliet70 (1996), Kenneth Branagh’s and Michael Almereyda’s Hamlet adaptations71 (1996/2000) or Al Pacino’s film adaptation Looking for Richard72 (1996), which takes yet another perspective focusing very much on the process of filmmaking itself. When it comes to comparing multiple adaptations of the same play, comparing films from different decades can be particularly informative, because it can expose how each adaptation is influenced by the culture and the era it was created in. Because the witches’ prophecies (I,i) is one of the most crucial scenes in Macbeth, it offers decisive potential for the medium of film. Therefore, it will be analysed in detail in the Macbeth film adaptations by Orson Welles (1948), Roman Polanski (1971), Michael Bogdanov (1998), and Justin Kurzel (2015).73 To see how this setting can be brought to life and vision with all the possibilities a film has to offer is an interesting task for students and promotes awareness about the differences between film and drama as well as different interpretations of the 69 See Werner Kamp: Shakespeare im Film, in: Roland Petersohn / Laurenz Volkmann (Eds.): Shakespeare didaktisch. Neue Perspektiven für den Unterricht, Tübingen 2006, p. 125. 70 Baz Luhrmann: William Shakespeare’s Romeo + Juliet, 20th Century Fox, United States 1996. 71 Kenneth Branagh: Hamlet, Castle Rock Entertainment / Columbia Pictures, United Kingdom / United States 1996; Michael Almereyda: Hamlet, Buena Vista Pictures, United States 2000. 72 Al Pacino: Looking for Richard, 20th Century Fox, United States 1996. 73 Orson Welles: Macbeth, Mercury Productions, United States 1948; Roman Polanski: Macbeth, Columbia Pictures, United Kingdom / United States 1971; Michael Bogdanov: Macbeth, Channel Four Films, United Kingdom 1998; Justin Kurzel: Macbeth, StudioCanal, United Kingdom / France 2015.

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play. In terms of scaffolding the following worksheet provides students’ guidelines while watching the different film clips: Witches’ prophecies in Macbeth (I,i)

Orson Welles Roman (1948) Polanski (1971)

Michael Bogdanov (1998)

Justin Kurzel (2015)

setting action visual effects (costumes, scenery, lighting) speech/voice(s) soundtrack/music camera (distance, angle, movement)

The chosen adaptations illustrate the film directors’ varied aesthetic signatures, different points of view and foci and demonstrate how large a scope of interpretation Shakespeare’s Macbeth allows. The four film versions accentuate very different aspects of the play, and it becomes obvious how clearly the director’s own handling impacts upon the end result and that they are all products of their time.

Animated Shakespeare, Shakespeare in Shorts and in Lego Next to feature film versions, there are countless formats available that can introduce Shakespeare’s work at an early age. They offer an array of different ways of cautiously approach his plays and sonnets through comic strips, videoclips, animated movies and animated shorts. It is obvious that animated adaptations transform and interpret the text, foregrounding particular issues. Although some scholars and teachers may think that animating Shakespeare ‘inappropriately’ reduces the author’s masterpieces, animations, like many other adaptations, shorten the text, but do not necessarily simplify it. Very often the animation of puppets presents edutainment and is an excellent introduction to the play not only for younger but also for more experienced students. It can stimulate the discussion of performance and camera work since animation creates its movements fluidly because of the animator’s control over the drawings or figures which form the basis of motion. One of the most popular examples is Shakespeare: The Animated Tales,74 a series of TV-adaptations of the bard’s plays, originally broadcast on BBC 2 between 1992 and 1994. 74 BBC: Shakespeare: The Animated Tales, http://www.bbc.co.uk/programmes/b006v9 mm [accessed 22 February 2016].

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In order to create their own animated Shakespeare video with images, video clips, and music, students can also engage in digital storytelling by using Internet tools such as Vyond.75 The application allows students to develop videos in which characters speak with lip-synchronization and move around. They can choose from character models, backdrops and other elements to create their videos easily and quickly, without having to draw or download anything. This kind of graphic adaptation offers students the opportunity to produce their own animated films. This online application is a very creative approach that can facilitate a better understanding of Shakespeare’s language, the characters as well as a practical application of media literacy, or as Nancy Grimm and Julia Hammer put it: “Digital storytelling pushes students beyond creating simple slide shows or presentations about the text, requiring them to incorporate their own opinions and perspectives.”76 If carefully prepared and planned, digital storytelling can make literary texts come alive. In terms of scaffolding, productive, meaningful and stimulating tasks activate and motivate students as well as develop their critical awareness. The tool caters to creative approaches to understanding Shakespeare’s plays by inviting students to discuss their creative choices and collaborate in creating the animated film. Furthermore, students can publish their digital stories on a blog and encourage classmates to view and comment on them. This way Vyond offers a wide range of creative options for students to select and discuss and thus facilitates media literacy. Among computer animated films there are many different animation techniques such as cartoons, puppet or silhouette animation, clay motion or Shakespeare in Lego.77 After importing these images (Lego figures, puppets or paper cut-outs) into a computer, they can then be sequenced into a film with the help of free film software such as Windows Movie Maker or iMovie.78 It is also possible to add a soundtrack in which students insert sound effects or music and read out dialogues from the play or the lines of the sonnet. Similar to these animated versions, teachers can make use of other popular approaches that enable an encounter with this extraordinary author. Students can be introduced into understanding Shakespeare’s sonnets and plays with a 75 Vyond: https://www.vyond.com/ [accessed 22 February 2016]. 76 Nancy Grimm / Julia Hammer: Performative Approaches and Innovative Methods, in: Werner Delanoy / Maria Eisenmann / Frauke Matz (Eds.): Learning with Literature in the EFL Classroom, Frankfurt 2015, pp. 334–335. 77 Cf. Roswitha Henseler / Stefan Möller / Carola Surkamp: Filme im Englischunterricht. Grundlagen, Methoden, Genres, Seelze-Velber 2011, p. 147. 78 Windows Movie Maker: TopWin-Movie-Maker, , https://www.topwin-movie-maker.com/de/ [accessed 22 February 2016]; Apple: iMovie, https://www.apple.com/de/imovie/ [accessed 22 February 2016].

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very particular form of multiliteracies approach, the so-called “Shakespeare in Shorts”.79 This allows students to transform Shakespeare’s texts into their own designs, namely into short films. First, students decide which of Shakespeare’s texts to choose, as both the plays as well as the sonnets represent very different designs. Of course, the plays offer multimodality, because they represent a script that invites students to transform it into their own individual practice and product. Students can act out scenes by themselves, create brick films or choose Barbie figures as well as sock-puppets in their life action short films. These forms of interaction allow students to develop their own understanding, access and interpretation of Shakespeare, his time and his works. Active methods have a stimulating effect on students’ imagination and involve them in speaking and acting in the target language. Through the production of short films based on the author’s works, this approach helps students “to make Shakespeare their own, as they inhabit the imaginative worlds of the plays through action”.80 And this conforms exactly to multiliteracies approach developed by the New London Group, who state that a learning process is only really successful when students transform a text into another genre or design. By producing short films students create their own meaning and thus make the learned knowledge their own.81 There are many types of short films students could create as well as various techniques and a range of computer software for the production process. Students can use mobile phones, digital photo or video cameras to shoot their films. It is important to note that the transformation of knowledge based on one of Shakespeare’s plays or sonnets into new contexts still seems to be a highly demanding task for most students, both cognitively and linguistically. Therefore, the students’ own film productions require temporary support structures provided by teachers, such as situated learning and scaffolding, in order to equip them with the necessary knowledge and skills to successfully accomplish the task.

Conclusion To conclude, it can be stated that the almost unlimited variety and capacity of working with adaptations, creations and transformations of Shakespeare’s plays and sonnets offers an enriching opportunity to learners to access this outstanding playwright’s work. Whatever the creators’ intentions are, they all help students to realise how popular, relevant and fascinating Shakespeare’s works 79 Cf. Frauke Matz / Michael Rogge: Shakespeare in Shorts: A Multiliteracy Approach to Teaching Shakespeare, in: Maria Eisenmann / Christiane Lütge (Eds.): Shakespeare in the EFL Classroom, Heidelberg 2014, pp. 315–330. 80 Rex Gibson: Teaching Shakespeare, p. xii. 81 Cf. Mary Kalantzis / Bill Cope: Literacies, Cambridge 2012, pp. 357–359.

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still are even in our digital culture and how diversely it is being perceived and interpreted. This shows that Shakespeare is an author whose topics and contents still matter to contemporary dramatists, whose characters still have identification potential for the 20th and 21st century audience, and whose plays can be adapted to depict a variety of situations. Whether adapted as a film or postcolonial rewrite, music, painting, graphic novel or manga, the works of art do not take a step further away from the source but reveal each artist’s individual reading of the text. In a way, all adaptations and rewrites reflect on people finding their ways of life in modern settings, which brings about new possibilities for interpretation.

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Roland Ißler (Bonn)

Kaffeekultur zwischen café und caffè im bildungsorientierten Französisch- und Italienischunterricht. Zum fremdsprachendidaktischen Potential eines transkulturellen Alltagsphänomens und seiner literarischen Reflexe 1.

Fremdsprachenunterricht mit Bildungsrelevanz durch Verknüpfung sprachlicher und kultureller Bildung: Zur Einführung

Im kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht rücken regelmäßig reale Alltagsgegenstände ins Zentrum des Interesses, die aufgrund ihres offenkundigen Lebensweltbezugs als authentische Testimonien einer bestimmten fremdsprachigen Kultur erkennbar sind. An ihnen konkretisiert sich die Anwendung zielsprachlicher Kommunikationsgewohnheiten, deren Dienst sich die auf funktionale Verständigung zielende Fremdsprachendidaktik verschrieben hat. Leicht jedoch kann dabei übersehen werden, dass viele alltägliche Phänomene auf kulturelle Traditionen verweisen und in hohem Maße die (gemeinsame) europäische Kulturgeschichte reflektieren oder sogar den Blick auf historische Bezüge von internationaler, interkontinentaler bzw. globaler Tragweite lenken. Eine nicht nur an der Oberfläche der Dinge verharrende didaktische Erschließung und unterrichtliche Beschäftigung mit solchen Unterrichtsgegenständen kann dem Fremdsprachenunterricht mithin oftmals bildungsrelevante Zugänge eröffnen, die sich nicht selten mit den Interessen interkulturellen Lernens in Einklang bringen lassen und so neben der Ausbildung funktionsbezogener sprachlicher Kompetenzen auch zur Einsicht in kognitive Bildungszusammenhänge und affektive Erfahrungen, zur Stärkung reflektierten Fremdverstehens, zu Empathie und interkultureller Handlungsfähigkeit sowie zu kultureller Bildung beitragen können. In diesem Sinne möchte der hier vorgestellte Ansatz dazu ermuntern, kulturhistorische Hintergründe auch in einem auf den funktionalen Spracherwerb ausgerichteten kommunikativen Fremdsprachenunterricht nicht außer Acht zu lassen, sondern sie anhand von interkulturellen bzw. transkulturellen Themenfeldern auszuleuchten und in inhalts- und bildungsorientierten Unterrichtssequenzen produktiv zu machen.

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Roland Ißler

Ein solches inter- und par excellence transkulturell einschlägiges Themenfeld, das sowohl einen anregenden und bildungsrelevanten historischen als auch einen aktuellen und lebensnahen Rundgang durch die romanischen Kulturen erlaubt und überdies dem mehrsprachigkeitsorientierten Unterricht aktivierende Zugänge eröffnet, repräsentiert der Kaffeegenuss in Europa. Als Alltagsphänomen bietet er nicht nur Einblicke in die Lebenswirklichkeit der Zielkulturen des (romanischen) Fremdsprachenunterrichts, sondern auch anwendungsbezogene Implikationen; als Kulturphänomen zieht er die Aufmerksamkeit eines ganzen Spektrums verschiedenartiger inter- und transkulturell relevanter Fragestellungen auf sich, wie sie hier exemplarisch aufgefächert werden sollen. Das vorgestellte Thema eignet sich dabei nicht nur für die Einbindung mehrsprachigkeitsdidaktischer Anteile, sondern in Ansätzen auch für den bilingualen Sachfachunterricht.1 Die folgenden Ausführungen gehen von der Prämisse aus, dass es sich bei kultureller Bildung um eine Querschnittsaufgabe handelt, an deren Ausschärfung alle Fächer ihren Anteil haben sollten, zu deren Entwicklung sich jedoch der moderne Fremdsprachenunterricht in besonderer Weise eignet.2 Am Beispiel des Kaffees lässt sich das produktive Zusammenfließen fremdsprachendidaktischer Überlegungen mit Erkenntnissen diverser Bezugswissenschaften, etwa der Geschichtswissenschaft, der Soziologie und Geographie, verdeutlichen, nicht ohne dass reiches Anknüpfungspotential auch zu literaturästhetischen Fragestellungen besteht. Im Folgenden soll daher unter Bezugnahme auf einzelne fachlich motivierte Zugänge zur Kaffeekultur – als biologischen, geographischen, ökonomischen, kulturwissenschaftlichen, soziologischen und nicht zuletzt literarisch-ästhetischen Gegenstand – vor allem das fremdsprachendidaktische Potential des Untersuchungsobjekts herausgearbeitet und im Verlauf der Darstellung verschiedentlich mit unterrichtspraktischen Impulsen und exemplarischen Anstößen belegt werden. Die am Beispiel des Kaffeegenusses angebotenen Überlegungen mögen je nach Bedarf und Anschlussfähigkeit dazu anregen, sie zu einer eigenständigen Unterrichtsreihe auszugestalten; sie bieten aber ebenso Impulse für Einzelstunden oder kleinere, in sich geschlossene Unterrichtssequenzen. Außerdem ist das Thema geeignet, im bilingualen Sachfachunterricht bzw. als 1 Bei dem Beitrag handelt es sich um eine stark erweiterte Neufassung des Vortrags „Café – Caffè? Transkulturelles sinnliches Erleben im Französisch- und Italienischunterricht“ vom 20. November 2015 auf der 6. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Sprachendidaktik (ÖGSD) an der Universität Salzburg, „Sprachen und Kulturen: Vermitteln und vernetzen“ (20.– 21. November 2015). 2 Vgl. Roland Ißler: Universitäre Lehrerbildung zwischen Tradition und Innovation. Kritische Reflexionen zur Fachkultur der Romanischen Philologie und Fremdsprachendidaktik, in: Agustín Corti / Johanna Wolf (Hg.): Romanistische Fachdidaktik. Grundlagen – Theorien – Methoden, Münster 2017 (Salzburger Beiträge zur Lehrer/innen/bildung. Der Dialog der Fachdidaktiken mit Fach- und Bildungswissenschaften, 1), S. 37–53, hier insbes. S. 49–51.

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bilinguales Modul eingesetzt zu werden, zumal es vielfältige Verzahnungsmöglichkeiten mit den Fächern Geographie, Biologie und Geschichte bietet.

2.

Kaffee als Alltagsphänomen

Mit dem Kaffeegetränk verbindet sich ein merkwürdiges Paradox. Der großen Bekanntheit und Verbreitung auf der einen Seite steht auf der anderen die kulturelle Distanz gegenüber, die sich mit den Ursprungsregionen und Herkunftsländern des Genussmittels verbindet: „Trotz aller Nähe bleibt [der Kaffee so] doch in vielerlei Hinsicht ein unbekannter Begleiter unseres Alltags. Dabei stellt die unscheinbare, koffeinhaltige Bohne schon seit Jahrhunderten eine wichtige kulturelle Brücke zwischen Übersee und Europa dar.“3 Das Konsumieren von Kaffee gehört in Frankreich und Italien (ebenso wie in Deutschland) zu den oft unhinterfragten Verrichtungen des alltäglichen Lebens und begegnet Fremdsprachenlernenden in mehr oder weniger starker Akzentuierung in wohl jedem Lehrwerk des Französischen und Italienischen. Insbesondere in der Erwachsenenbildung eingesetzte Lehrbücher gehen großenteils sogar explizit auf den Genuss von Kaffeespezialitäten ein, aber bereits in Lehrwerken der Sekundarstufe ist der Kaffee ein frequentes Phänomen. Das Einstiegsalter für den Kaffeekonsum in Europa korrespondiert dabei ungefähr mit dem Beginn des Erwerbs der zweiten bzw. dritten Fremdsprache, so dass sich die Auseinandersetzung mit der Kaffeethematik auch aufgrund ihres lebensweltlichen Bezugs gerade für die Sprachen Französisch und Italienisch anbietet.4 Dass sich die Trinkgewohnheiten in den genannten Ländern gleichwohl deutlich voneinander unterscheiden, ist Fremdsprachenlehrwerken oft wiederum nur implizit oder erst auf den zweiten Blick zu entnehmen. Die lernerseitige habituelle Erfahrung kontrastiert hier mit fremden Gebräuchen, wie die folgenden Beispiele des Kulturvergleichs zwischen Italien und seinen deutschsprachigen Nachbarländern zeigen: 3 Martin Krieger: Kaffee. Geschichte eines Genussmittels, Köln / Weimar / Wien 2011, S. 5. 4 Im Rahmen einer Unterrichtsreihe könnte hier eine Rechercheaufgabe in Form eines geplanten WebQuests (Internetrecherche) ansetzen, in der u. a. das Einstiegsalter für Kaffee in Frankreich und Italien ermittelt werden soll. Als Rechercheliste wäre auf die Adressen diverser Internet-Foren zu verweisen, in denen Schülerinnen und Schüler über ihre Trinkgewohnheiten und Eltern über die ihrer Kinder diskutieren. Die Verwendung derartiger Quellen spiegelt den zwar authentischen Sprachgebrauch wider, zeigt dadurch jedoch auch jede fehlerhafte Sprachverwendung ungefiltert. Hier ist abzuwägen, inwieweit der entsprechenden Lerngruppe ein mündiger Quellenumgang zuzutrauen bzw. ob dieser auf der entsprechenden Spracherwerbsstufe möglicherweise eher hinderlich ist. Zur Lehrmethode des WebQuest vgl. Wolfgang Mattes: Methoden für den Unterricht. Kompakte Übersichten für Lehrende und Lernende, Paderborn 2011, S. 158f. und 260f. (mit Protokollbogen).

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Wie lange dauert eine Kaffeepause? In Deutschland und der Schweiz – und besonders in österreichischen Kaffeehäusern – will sie mit Bedacht genossen sein. Das beginnt schon morgens, mit dem Frühstückskaffee, Brötchen und der Zeitung: Gefragt ist Ruhe für das Ritual. Auch im weiteren Verlauf des Tages lässt sich Aufschub mit einem Kaffee gewinnen, bevor es an große Aufgaben geht. […] Kommt Kuchen hinzu, kann eine Kaffeepause Stunden dauern. Die italienische Sitte, an der Bar einen Espresso im Stehen hinunterzustürzen und sofort weiterzuziehen, irritiert daher noch heute alle deutschen Kaffeetanten und -onkel.5

Ein evidenter Unterschied liegt in der Selbständigkeit des italienischen caffè, seiner Unabhängigkeit von einer festen Nahrung oder Speise: „nei paesi nordici e negli USA la principale funzione del caffè è quella di accompagnare, durante i pasti, ogni tipo di piatto. In Italia, invece, il caffè è riservato alla colazione o alle pause nel corso della giornata.“6 Bevor sich die italienische Kaffeekultur auch nördlich der Alpen ausbreitete, machten Generationen von Italientouristen Jahr für Jahr die Erfahrung, dass in ihrem Urlaubsland Kaffee nicht gleich Kaffee ist: Wer in Italien einen caffè bestellt, erhält in der Regel einen caffè espresso, zubereitet mit Wasserdampf unter Hochdruck. In den 1950er Jahren erklärte der Reiseschriftsteller Reinhard Raffalt, dessen Reise nach Neapel Rekordauflagen erzielte, seinen mit Italiens Küche noch kaum vertrauten deutschen Lesern das Phänomen caffè noch so: Caffè-aranciata-acquaminerale-vino-birra-panini-cognac. Jetzt ist unser Ehrgeiz geweckt: obwohl wir wissen, daß der Mann Deutsch kann, wollen wir nun versuchen, herauszufinden, was er uns in seiner Litanei alles anbietet. Prego, hören Sie genau hin, per esempio: caffè, das kann nur Kaffee sein. Aber achten Sie bitte auf den Unterschied der Aussprache, er sagt nicht: Kaffee, sondern: caffè, kaff-fä [sic!]. Und wenn Sie diesen Kaffee trinken, dann werden Sie merken, daß es kein Kaffee ist, sondern eben ein caffè, von einer Qualität, die uns im ersten Moment erschreckt, im zweiten entzückt.7

Die in den zitierten Texten geäußerte Irritation – sei es, dass sie sich an der inzwischen auch außerhalb Italiens bekannten 25 Milliliter-Miniaturtasse, an der eiligen Trinkgewohnheit oder der starken Röstung des Kaffees entzündet – deutet einen harmlosen Fall eines sogenannten critical incident oder hot spot an,8 5 Carola Rönneburg: Grazie mille! Wie die Italiener unser Leben verschönert haben, Freiburg 2005, S. 53. 6 Roberto Ubbidiente: Oro nero – La cultura del caffè in Italia: usi, costumi, teatro e letteratura, in: Fs. Kattenbusch, Institut für Romanistik, HU Berlin, 2012, http://www.festschrift-katten busch.de/ubbidiente-caffe.html [22. 01. 2016], S. 2. 7 Reinhard Raffalt: Eine Reise nach Neapel …e parlare italiano. Ein Sprachkurs durch Italien, 13. Auflage, München 1999, S. 27; vgl. auch Markus Ebert: Come diventare italiano in 30 lezioni. Dall’Amore allo Zabaione, München 2016, Kap. 2: „Caffè e brioche“, S. 11–13. 8 Vgl. etwa Hans Jürgen Heringer: Interkulturelle Kompetenz. Ein Arbeitsbuch mit interaktiver CD und Lösungsvorschlägen, Tübingen / Basel 2012, S. 75ff.; 41. Hans Jürgen Heringer schlägt die sperrige Definition vor, critical incidents seien „kleine Erlebnisse in interkulturellen Si-

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wie sie aktuell zum Beispiel in interkulturellen Trainings mit Vorliebe eingesetzt werden – oftmals gleichwohl in rein synchronischer Präsentation und ohne ihnen kulturgeschichtlich auf den Grund zu gehen. Ausgehend von solchen Missverständnissen, Fremd- oder Unbestimmtheitserfahrungen in anderen Ländern und kulturellen Kontexten, lässt sich das in den verschiedenen Nationen offensichtlich sehr unterschiedlich gehandhabte Phänomen des Kaffeegenusses im Unterricht nachverfolgen. Die Gegenüberstellung von Differenzen allein ist jedoch wenig erhellend und wird wenig nachhaltig sein, wenn sich nicht mehr als eine an der Oberfläche verbleibende Beschäftigung daran anschließt. Gleichzeitig lässt sich hierbei nach der Permeabilität kultureller Grenzen und dem Kulturwandel durch Transfer fragen. Dass etwa die Tassengröße längst auch in Deutschland der italienischen Espressokultur folgt, wie sich ohnehin die italienische Küche nördlich der Alpen großer Popularität erfreut oder der italienische Morgen-Cappuccino mit Milchschaum-Verzierung (vgl. Abb. 1) hierzulande zum beliebten Nachmittags-Digestif avanciert, lässt sich als transkulturelle Entwicklung deuten, die Schülerinnen und Schüler in ihrer lebensweltlichen Umgebung bis in die eigenen Küchenschränke hinein unmittelbar nachvollziehen können.

Abb. 1: Cappuccino mit Milchschaum-Verzierung. Foto: Roland Ißler.

tuationen, in denen zumindest einer der Partner ein Problem sieht, wo ihm etwas unangenehm aufgefallen ist, was er auf kulturelle Differenzen zurückführt.“ (S. 75). Vgl. auch den Beitrag von Laurenz Volkmann in diesem Band.

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Selbst der in Deutschland verbreitete Kaffeekonsum in Verbindung mit Kuchen oder Keksgebäck in Form eines sogenannten Kaffeekränzchens, eine wohl ebenso oft ironisch verspottete wie verbreitete und gepflegte Tradition, bietet durchaus Anlass für kulturkritische Reflexionen und Untersuchungen. Erst kürzlich hat die Tatsache, dass die nachmittägliche Kaffeemahlzeit seitens des Staates kultiviert (oder sogar politisch instrumentalisiert) wurde, den Journalisten Florian Meinel zu politischen Spekulationen angeregt. Zur festlichen Kaffeetafel des Bundespräsidenten im Schlossgarten von Bellevue anlässlich der Feier des Grundgesetzes schreibt er: Und die Idee mit dem Geburtstagskra¨ nzchen? Sie ist […] schlichtweg genial: Etwas weniger Staatliches als die Kaffeetafel im Park gibt es u¨ berhaupt nicht. Selbst die Ansa¨tze einer republikanischen Tradition sind in Deutschland an den Tafeln der Aufkla¨ rer in den Caféha¨usern geblieben. Ikonographisch unterla¨ uft das Kaffeetrinken jede Repra¨sentation und fu¨ hrt gerade als totale Vermeidung des Politischen den alten Gegensatz von Staat und Verfassung durch seine groteske Übersteigerung ad absurdum. Fu¨ r die vom Bundespra¨ sidenten in diese Koalition und an diese Kaffeetafel gezwungenen Regierungsvertreter fu¨ hrt spa¨ testens nach dem hintersinnigen Schauspiel im Park nichts mehr daran vorbei: Die Verfassung ist kein Schutz der unpolitischen Gesellschaft vor den Zumutungen von Staat und Politik, sondern eine Institution jener Form politischer Freiheit, die Staat heißt.9

Die Frage, inwieweit die private Kaffeetafel in den Familien gegenwärtig hierzulande präsent oder eine aussterbende Gewohnheit ist, führt wiederum zu einer Reflexion über den generationellen und gesellschaftlichen Wandel eigener Gepflogenheiten und Bräuche, deren Diskussion im Fremdsprachenunterricht gerade im Vergleich mit den zielsprachlichen Gesellschaften einen wichtigen Platz einnimmt. Tatsächlich ist der scheinbar allgemeinverständliche und leicht übertragbare Internationalismus Kaffee eine Fundgrube für interkulturelle Auseinandersetzungen; daran anknüpfende Wortschatzarbeit kann ein ganzes Wortfeld ermitteln: Mit dem Getränk lexikalisch eng verbunden sind beispielsweise das Café als Gaststätte, das wiederum auch jüngere Lerner und Personen anspricht, die statt Kaffee (und Kuchen) z. B. lieber Kaltgetränke oder auch Hauptmahlzeiten konsumieren (vgl. auch in den Kombinationen café-bar, café-restaurant oder cafétéria u. a.), sowie die eingenommene Mahlzeit, selbst wenn zu dieser unter Umständen gar kein Kaffee eingenommen wird. Das französische Lexem umfasst sogar weitere semantische Differenzierungen: „le café 1) (boisson) Kaffee, 2) (établissement) Bar, Kneipe, 3) (plante) Kaffee, 4) (arôme) Mokka-, 5) (moment 9 Florian Meinel: Steinmeiers Kaffeezeremonie. Zum siebzigsten Geburtstag des Grundgesetzes ließ der Bundespra¨ sident im Park von Schloss Bellevue Kaffee ausschenken. Was wollte er dem Volk damit sagen?, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Mai 2019.

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de repas).“10 Insbesondere im Französischunterricht lässt sich auch ein beidseitig, d. h. deutsch-französisch ebenso wie französisch-deutsch beachtenswerter faux ami ansprechen. Denn auch das deutsche Lexem Café ist trotz seiner französischen Etymologie und Graphie nicht einfach unreflektiert übertragbar, sondern findet eine – allerdings deutlich seltenere – Entsprechung im französischen salon de thé. Die Betrachtung diverser internationaler Kaffeespezialitäten bringt schnell die unterschiedlichsten Kaffeekulturen und Trinkgewohnheiten in verschiedenen Regionen und Nationen ans Licht.11 Wer wüsste auf Anhieb den Unterschied zu nennen zwischen café au lait, café frappé, café arabe, bavaroise und café crème, zwischen caffellatte, caffè macchiato, ristretto, cappuccino und affogato oder, um auch spanische Serviervorschläge einzubeziehen, carajillo und café con hielo? Die zusammengesetzte Wortbildungsstruktur, die viele dieser Bezeichnungen teilen, bestehend aus Nomen + Adjektiv (z. B. café arabe) bzw. Nomen + Partizip (z. B. café frappé, caffè macchiato), begünstigt auch den Einsatz im Grammatikunterricht; anhand einer Kaffeekarte lassen sich etwa die Genus-NumerusKongruenz oder die Stellung von Adjektiven ebenso exemplifizieren oder wiederholen wie die Pluralbildung zusammengesetzter Substantive. Unterrichtspraktisch schließen sich hier klassische Schüleraktivitäten an wie die vorbereitete oder spontane szenische Gestaltung fremdsprachiger Kurzdialoge zwischen Gast und Bedienung bei der Getränkebestellung in einem Café, die aber auch, um den Rahmen des Konventionellen zu transzendieren, Nachfragen des Gastes und die einfache Beschreibung verschiedener Kaffeesorten durch die oder den barista oder auch die Erfindung neuer Sorten mit Phantasienamen einschließen kann, bei der wiederum Wortbildungsstrategien eingeübt werden.12 Das Genussmittel Kaffee erlaubt nicht zuletzt einen affektiven Zugang. Ästhetik und Sinnlichkeit, verkörpert durch Duft und Geschmack des Heißgetränks, spielen eine bedeutende Rolle im Zusammenhang mit Konsumgewohnheiten; Spezifikum eines Genussmittels ist ja gerade das Hinausgehen über eine bloß nährende Wirkung des Produkts. Im Rahmen welcher schulischen oder unterrichtlichen Veranstaltung, etwa anlässlich eines Begegnungsnachmittags, Schulfestes o. ä., im Einzelfall auch immer eine Umsetzung möglich ist – das eigene Ausprobieren fremdsprachiger Rezepte, zum Beispiel in Form einer Kaffeeverkostung, kann bekanntermaßen gerade bei jugendlichen Lernenden zu

10 Harrap’s Universal Dictionnaire Français – Allemand 1999, nouvelle édition 1999, Edinburgh / Stuttgart, S. 100. 11 Vgl. etwa die nach Ländern sortierte Auflistung der Online-Enzyklopädie Wikipedia, s.v. Liste der Kaffeespezialitäten, o. J., https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Kaffeespezialitäten [17. 01. 2020]. 12 Siehe auch Abschnitt 7.

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einem Zuwachs an Motivation führen und ein besonderes interkulturelles Interesse begründen.

3.

Kaffee als Kulturphänomen: Kulturtransfer und biologische, geographische und ökonomische Spurensuche

Die Vielfalt an Kaffeespezialitäten, die allein die genannten europäischen Länder bereithalten, mag den Eindruck nahelegen, dass Kaffee hier schon immer getrunken worden sei. Tatsächlich aber war die Kaffeepflanze im europäischen Raum niemals heimisch, sondern gedeiht unter ganz anderen klimatischen Bedingungen; die Kaffeebohne ist mithin in ganz Europa ein Importprodukt und eröffnet als solches wiederum neue – biologische und geographische ebenso wie ökonomische – Frageperspektiven. Die weit verbreitete Sorte Coffea arabica verweist nur scheinbar auf eine Herkunft aus dem arabischen Raum. Auch dass die türkische Kaffeekultur 2013 offiziell in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde, suggeriert nahöstliche Ursprünge, die sich bei näherer Betrachtung nur zum Teil als richtig erweisen. Wie von selbst tun sich scheinbare Widersprüche auf und ergeben Fragen über den Ursprung der Kaffeepflanze, die im Unterrichtsgespräch zur Hypothesenbildung einladen: Wie erklärt sich vor dem Hintergrund der vermeintlich arabischen Kaffeekultur der große Weltmarkt des Kaffees in lateinamerikanischen Ländern? Wo liegt der Ursprung dieses in allen europäischen Nationen so beliebten Getränks? Wie gelangte der Kaffee nach Europa und von wo wurde er früher und wird er heute bezogen? Die Fragen verweisen auf einen komplexen Kulturtransfer, den zu beleuchten sich im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts durchaus lohnt. Der vermeintliche Ursprung des Kaffees in der arabischen Welt ermöglicht dabei interessante Einblicke in den regen Kulturaustausch vergangener Jahrhunderte, der sich aufgrund der Vermittlung durch Reiseberichte entwickelte,13 und bietet auf verschiedenen Ebenen die Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit frühen interkulturellen Wechselbeziehungen zwischen Europa und den anderen Erdteilen. In Ansätzen lässt sich sogar die ökonomische Globalisierung in ihrer Genese daran nachvollziehen.14

13 Vgl. Annerose Menninger: Kaffee, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online, hg. von Friedrich Jaeger, Brill Online, 2014, http://referenceworks.brillonline.com/entries/enzyklopaedie-derneuzeit/kaffee-a1986ooo [25. 01. 2016], Kap. 4.1. 14 Vgl. ebd., Kap. 2; Ralph Kauz: Weltmarkt, in: Ludger Kühnhardt / Tilman Mayer (Hg.): Bonner Enzyklopädie der Globalität, Bd. 1, Wiesbaden 2017, S. 785–793.

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Die Geschichte der Kaffeekultur bietet schon insofern Überraschungen, als sie mehr als nur einen Kulturraum streift. Trotz seiner wissenschaftlichen Bezeichnung Coffea arabica stammt der bis fünf Meter erreichende Kaffeestrauch aus der Familie der Rubiaceae (Rötegewächse) nicht etwa aus dem Nahen Osten, sondern aus Afrika, genauer aus dem fruchtbaren, vulkanisch geprägten tropischen Hochland des einstigen Königreichs Kaffa im heutigen Äthiopien.15 Jemenitische Händler sollen die rotbeerige Pflanze entdeckt und in ihrer Heimat erstmals angebaut haben; die Hafenstadt Mocha, ein frühes Zentrum des Kaffeehandels, der im Jemen schon bald eine Monopolstellung erlangt, ist bis heute Synonym für das arabische Heißgetränk (Mokka), das sich in dieser Form vermutlich aber erst im 15. Jahrhundert auf der arabischen Halbinsel etabliert. Erst durch menschliches Zutun ist die ursprüngliche Coffea-Pflanze also über den afrikanischen Kontinent hinausgelangt. Nachdem bereits im Rahmen der Kreuzzüge neue Wege für den Gewürzhandel erschlossen worden sind, erreichen die ersten Kaffeebohnen über Reisende auch Europa. Mit der durchaus nicht nur von Skepsis gegenüber dem fremden Genussmittel geprägten Aufnahme, sondern schließlich großen Faszination und damit einhergehenden Nachfrage nach dem neuen Welthandelsgut beginnt der Kaffeeanbau auch in anderen Regionen auf der südlichen Halbkugel der Erde. Ab dem 17. Jahrhundert kultivieren die europäischen Expansionsmächte erste Kaffeepflanzen in ihren Kolonien und legen damit den Grundstein für eine rasante globale Marktentwicklung und einen bald auch politisch relevanten Welthandel, deren ökonomische Folgen bis in die Gegenwart spürbar sind.16 Ähnlich wie die Kolonialwaren Tee, Kakao und Tabak hat der Kaffeegenuss seit dieser Zeit in Frankreich und Italien große Verbreitung gefunden. Nicht zuletzt über den französischen Kolonialismus war die afro-arabische Kaffeepflanze in die anderen Teile der Welt gelangt und ist bis heute eines der wichtigen globalen Anbau- und Exportprodukte geblieben. In vielen europäischen Industriestaaten steigt der Verbrauch des Bohnenkaffees seit der Nachkriegszeit zunächst „im Gleichschritt mit dem wachsenden Massenwohlstand immer steiler an“17 und ist spätestens „seit dem Übergang zur Wohlstandsgesellschaft zum wirklichen Alltagsgetränk aufgestiegen“.18 Auch wenn gegenwärtig die Nachfrage wieder leicht sinkt, lässt sich der Welthandel mit Kaffee in den unterschiedlichsten Formen und Formaten grundsätzlich noch immer als expandierender Markt betrachten:

15 Vgl. Martin Krieger: Kaffee, S. 46–72. Die etymologische Herleitung des Kaffees von dem Namen des Königsreichs ist ungeklärt, vgl. ebd., S. 51. 16 Vgl. Annerose Menninger: Kaffee, Kap. 2. 17 Hans-Jürgen Teuteberg: Kaffee, in: Thomas Hengartner / Christoph Maria Merki (Hg.): Genussmittel. Ein kulturgeschichtliches Handbuch, Frankfurt am Main / New York 1999, S. 92. 18 Ebd., S. 112.

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[w]eltweit boomt das Geschäft mit Kapseln, kalt aufgebrühtem Kaffee und Latte macchiato. Das Marktforschungsunternehmen Euromonitor bezifferte den Wert des Kaffeemarktes für das vergangene Jahr [2018] mit bis zu 200 Mrd. $, wobei in der Zahl neben dem Detailhandel auch Kaffeehausketten enthalten sind. Die Wachstumsrate im Kaffeegeschäft wird von Analytikern bis 2025 mit 5,5 % beziffert. Das Übernahmekarussell in der Branche dreht sich schnell.19

Über aktuelle Entwicklungen von Anbau und Ernte, Aufbereitung und Weiterverarbeitung, Inhaltsstoffen und gesundheitlichen Wirkungen der Kaffeebohne über Handel und Preis, Transportwege und Logistik bis hin zu Röstung und Herstellung sowie internationalen Zubereitungsarten informiert umfassend der Deutsche Kaffeeverband als Repräsentant der Kaffeewirtschaft auf nationaler Ebene.20

4.

Kaffee als soziales Phänomen: Zubereitungsweisen und Kaffeehauskultur

Im Laufe der Zeit entwickeln sich unterschiedliche Zubereitungsweisen, bei deren Herausbildung wiederum Frankreich und Italien eine besondere Rolle spielen. Die noch heute im Zusammenhang mit dem türkischen Mokka übliche Aufgussmethode, bei der die Kaffeebohnen in der Pfanne geröstet, im Mörser zerstoßen und in zerkleinerter Form mit Wasser mehrfach aufgekocht werden (à la turque), wird bald durch erste Filterversuche abgelöst. Ende des 17. Jahrhunderts finden endlich in Wiener Kaffeehäusern erprobte Filterungen des Kaffees Verbreitung (à la viennoise), und im 18. Jahrhundert entwickelt der Marquis de Belloy eine neue Filterzubereitung, bei der das Kaffeepulver in ein gelöchertes Gefäß gefüllt wird, bevor man es mit kochendem Wasser übergießt (à la Dubelloy). Erst aus jüngerer Zeit stammt das in Italien erfundene Perkolations- oder Dampfverfahren im Espresso-Kocher mit Steigrohr (napoletana) – weltbekannt in Gestalt des auf Alfonso Bialetti zurückgehenden „Moka Express“ aus Aluminium (1933), eines bedeutenden italienischen Beitrags zum modernen Design für den privaten Gebrauch.21 In den romanischen Ländern sind die Filter- und Dampfmethode bis heute die gängigen Arten der Kaffeezubereitung, während sich etwa die ursprüngliche, ungefilterte Zubereitung im osteuropäischen Raum (so auch in Teilen Ostdeutschlands) gehalten hat.

19 Gerald Hosp: Kaffee könnte zum Luxusgut werden, in: Neue Zürcher Zeitung, 01. Oktober 2019. 20 Vgl. Deutscher Kaffeeverband, Webseite, www.kaffeeverband.de [17. 01. 2020]. 21 Vgl. Roberto Ubbidiente: Oro nero, S. 10. Zum italienischen Design vgl. auch Frank Baasner / Valeria Thiel: Kulturwissenschaft Italien, Stuttgart 2004 (Uni-Wissen Italienisch), S. 121ff.

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Abb. 2: Von der interkulturellen Begegnung zeugt das Frontispiz von Dufours Genussmitteltraktat schon im 17. Jahrhundert: Philippe Sylvestre Dufour: Traitez Nouveaux & curieux du café, du thé et du chocolate, Lyon 1688, https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k855985n [17. 01. 2020].

Daran anknüpfend kann es sich im Rahmen einer größeren Unterrichtsreihe lohnen, Kaffeezeiten und, damit verbunden, unterschiedliche Frühstücksgewohnheiten im internationalen Vergleich zu betrachten und zu diskutieren. In diesem Zusammenhang lassen sich auch herkunftsbedingte Unterschiede innerhalb einer Lerngruppe selbst thematisieren und so im Klassenverband der interkulturelle Dialog mit Blick auf „cultural awareness, kulturelles Bewusstsein,

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[…] in Anlehnung an language awareness“ pflegen.22 Auch Bildimpulse können dies unterstützen: Eine Auswahl an Reproduktionen historischer Gemälde zum Kaffeeverzehr in der Familie oder im öffentlichen Raum bietet u. a. die kulturgeschichtliche Dokumentation über Genussmittel von Wolfgang Schivelbusch.23 Die Bilder eignen sich dazu, im fremdsprachlichen Unterrichtsgespräch die historische Distanz zur Gegenwart zu überbrücken und Unterschiede zu heutigen Gewohnheiten zu benennen: Kaffee, Tee und Schokolade interessieren den höfischen Menschen des 17. und 18. Jahrhunderts nicht nur als exotische Getränke, sondern ebenso als Gelegenheit der Selbstinszenierung. Das kunstvolle Service und der Mohrenjunge, der bedient, sind für den aristokratischen Geschmack im Grunde wichtiger als der Genußartikel selber. […] Man geht so weit, sich zum Kaffeetrinken eigens ins zugehörige [türkische] Kostüm zu kleiden.24

Das menschliche Bedürfnis nach Dialog und Geselligkeit ist dabei selbst eines der wesentlichen Motive, die zur Verbreitung und Beliebtheit des Kaffeekonsums entscheidend beigetragen haben. Das unter soziologischen Gesichtspunkten wohl bemerkenswerteste Phänomen, das mit dem Kaffeegenuss einhergeht, ist die Kaffeehauskultur, die sich, ausgehend von den urbanen Zentren im Nahen Osten, in Europa in kurzer Zeit verbreitet25 und deren gesellschaftliche Bedeutung für die europäische Kulturgeschichte kaum überschätzt werden kann (vgl. Abb. 2). Philippe Sylvestre Dufour beschreibt im 17. Jahrhundert die Kaffeehauskultur im öffentlichen Raum als eine türkische Tradition: Les Turcs, generalement parlant ne se contentent pas de boire du Café en particulier dans leurs maisons: il y a encore dans les endroits les plus considerables des villes, quantité de boutiques publiques, qu’ils apellent [sic!] Cahué-Kanè, ou Maisons à boire du Café […]. Ils s’y rendent presque à toutes heures, pour y en prendre, sans distinction de qualité à la reserve des Grands: […] Les affaires d’Etat s’y mettent quelquefois sur le tapis. […] Les Maîtres de ces lieux-là, par une Politique interessée, les rendent les plus agreables, & les plus commodes qu’ils peuvent; ils y entretienent [sic!] même des chanteurs, & des joüeurs d’instrumens, pour donner du plaisir à ceux qui y sont.26

Nachdem der Kolonialwaren- und Kaffeehandel in Europa immer weiter expandiert ist und die Bohnen nicht mehr allein der aristokratischen Schicht zur 22 Basil Schader: Sprachenvielfalt als Chance. Hintergründe und 101 praktische Vorschläge für den Unterricht in mehrsprachigen Klassen, Zürich 2013 (12004), S. 51. 23 Wolfgang Schivelbusch: Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft. Eine Geschichte der Genußmittel, München 1980, S. 74–79. 24 Ebd., S. 30f. 25 Vgl. Annerose Menninger: Kaffee, Kap. 1; 3; 4. 26 Philippe Sylvestre Dufour: Traitez Nouveaux & curieux du café, du thé et du chocolate. Ouvrage également necessaire aux Medecins, & à tous ceux qui aiment leur santé, 2. Auflage, Lyon 1688, S. 29f. Vgl. auch Abb.2.

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Verfügung stehen, sondern auch für das Bürgertum erschwinglich geworden sind, kann sich das Kaffeehaus als Ort des freiheitlichen Denkens und als städtisches Zentrum der Aufklärung etablieren. Erste europäische Kaffeehäuser entstehen zum Beispiel 1647 in Venedig, 1650 in Oxford und Danzig, 1652 in London, 1671 in Marseille, 1672 in Paris und Amsterdam, 1673 in Bremen, 1683 in Wien, 1721 in Berlin und 1750 in Rom;27 das 1689 in Paris von dem findigen Florentiner Kellner, Limonadenhändler und Geschäftsmann Procopio dei Coltelli eröffnete „Café Procope“, bis heute unter dem Namen „Le Procope“ ein bekanntes Restaurant in der Rue de l’Ancienne Comédie, gilt als Stammlokal der philosophes der französischen Aufklärung und bleibt bis in die napoleonische Zeit ein wichtiges Literatencafé.28 Mit der europäischen Eleganz, durch die Procopio die zuvor türkische Kaffeehauseinrichtung ersetzt, macht er das Getränk in Paris salonfähig. Während der Adel an der Trinkschokolade und das einfache Volk am Wein festhalten,29 avanciert der Kaffee zum beliebtesten Getränk gerade der seinerzeit auch wirtschaftlich erstarkenden Bourgeoisie, dessen Genuss – legendär etwa im Falle des Schriftstellers Honoré de Balzac – auch im privaten Raum stattfindet. Nicht nur als Stimulans, auch als Heilmittel wird Kaffee angesehen und nicht selten von Medizinern empfohlen; das Getränk scheint gleichermaßen Kraft und Läuterung zu verheißen und korrespondiert so auf geradezu ideale Weise mit der wachsenden politischen Stärke und rationalen Nüchternheit des bürgerlichen Standes. So sind einer schon aus dem Jahr 1690 überlieferten „Inscription eines Caffe-Hauses“ in Leipzig die Worte zu entnehmen: Wer drey/ vier Tage hat/ ja wol die gantze Woche/ Mit Wein und starckem Bier den Magen angefüllt/ Daß er vor Schwachheit fast pfeifft auf dem letzten Loche/ Und sich nichts finden will/ das dieses Übel stillt, Wem [sic!] Stein und Podagra hält auff dem Bett’ gefangen/ Wem Grimmen in dem Bauch und das Gedärme kneipt; Davor er lassen muß sich warme Tücher langen/ Und sorgen daß er stets in guter Wärme bleibt. Wer auff der Reise hat in Franckreich was bekommen/ Wer aus Italien Rubinen mit gebracht/ Wem das Gesichte hat der Kupffer eingenommen/ Welcher die Finnen sich zum Feinde hat gemacht. 27 Vgl. Martin Krieger: Kaffee, S. 152ff.; Hans-Jürgen Teuteburg: Kaffee, S. 87ff. 28 Vgl. die Selbstdarstellung mit historischen Hintergründen unter https://www.procope.com [03. 07. 2018]. Schon Jahrzehnte früher hatte der Gründer mit der Herstellung von Speiseeis auf sich aufmerksam gemacht; vgl. Klaus Thiele-Dohrmann: Europäische Kaffeehauskultur, München / Zürich 1999, S. 207. 29 Vgl. Roberto Ubbidiente: Oro nero, S. 10.

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Die müssen allzumahl den Caffe-Tranck gebrauchen/ Kein besser Mittel ist vor sie auff dieser Welt. Dabey Taback so viel/ als sie selbst gut deucht/ schmauchen/ So wird seyn aller Schmertz vollkommen hingefällt. Wer seine Tugend will zur Probe auch empfinden/ Der sauffe Morgens früh den Kopff im Weine voll/ So bald er trinckt Caffe, wird aller Rausch verschwinden/ Und wieder nüchtern seyn/ wäre er gleich noch so toll.30

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts hat sich die Mode bereits so weit etabliert, dass die „Caffés“ in Diderots und d’Alemberts Encyclopédie ein eigenes Lemma erhalten, an welchem sich die spezifische Koinzidenz des sozialen und geistigen Orts ablesen lässt: „ce sont des lieux d’établissement desquels l’usage du caffé a donné lieu: on y prend toutes sortes de liqueurs. Ce sont aussi des manufactures d’esprit, tant bonnes que mauvaises.“31 In ähnlicher Weise hat Montesquieu schon 1721 dem persischen (!) Protagonisten Usbek seines Briefromans Lettres persanes die Feststellung in den Mund gelegt, dass „Le café est très en usage à Paris: il y a un grand nombre de maisons publiques où on le distribue. Dans quelques unes de ces maisons on dit des nouvelles; dans d’autres on joue aux échecs.“ und voller (Selbst-)Ironie für die französische Gesellschaft hinzugefügt: „Il y en a une où l’on apprête le café de telle manière qu’il donne de l’esprit à ceux qui en prennent; au moins, de tous ceux qui en sortent, il n’y a personne qui ne croie qu’il en a quatre fois plus que lorsqu’il y est entré.“32 Das Kaffeehaus als Gegenstück zum aristokratisch dominierten Salon wird bei allem Spott schon nach kurzer Zeit zum neutralen Ort der öffentlichen Meinungsbildung, an dem sich eine zunehmend vom Herrendienst befreite politische Kultur herausbilden und bald sogar ein folgenreicher unabhängiger Journalismus entstehen kann. Jules Michelets (1798–1874) Vergleich der ganzen französischen Hauptstadt mit einem „grand café“33 erweist bis ins 19. Jahrhundert hinein die Wirkmacht und Strahlkraft des Kaffeehauses als eines Ortes der Öffentlichkeit.34 30 Hans-Joachim Schulze: Ey! wie schmeckt der Coffee süße. Johann Sebastian Bachs KaffeeKantate in ihrer Zeit, Leipzig 1985, S. 11f., Hervorhebung d. Verf. 31 O. A.: Caffés, s. m. (Hist. nat. bot.), in: Denis Diderot / Jean le Rond d’Alembert (Hg.): Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, par une société de gens de Lettres, Bd. 2, Paris 1751, S. 529. 32 Charles de Secondat de la Brède, baron de Montesquieu: Lettres persanes de Montesquieu, précédés de son éloge par d’Alembert, Paris 1828, Lettre XXXVI, S. 83. 33 „Paris devient un grand café“, zitiert nach Roberto Ubbidiente: Oro nero, S. 9. 34 Zum Kaffeehaus in Italien vgl. Maria Malatesta: Il caffè e l’osteria, in: Mario Isnenghi (Hg.): I luoghi della memoria. Strutture ed eventi dell’Italia unita, Bari 1997, S. 53–66. Einen kleinen Rundgang durch die Kaffeehausgeschichte in Italien unter Bezugnahme auf Italo Svevo und

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5.

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Kaffee als literarisches und ästhetisches Phänomen

Natürlich findet auch das Kaffeegetränk selbst Eingang in die Encyclopédie. Der entsprechende Artikel beginnt mit den Worten: CAFFÉ, s.m. (Hist. nat. bot.) Depuis environ soixante ans, disoit M. de Jussieu en 1715, que le caffé est connu en Europe, tant de gens en ont écrit sans connaître son origine, que si l’on entreprenoit d’en donner une histoire sur les relations qu’on nous en a laissées, le nombre des erreurs seroit si grand, qu’un seul memoire ne suffiroit pas pour les rapporter toutes.35

Tatsächlich finden sich in literarischen Texten Belege in großer Fülle für das in Europa neu aufgekommene Modegetränk und die mit ihr verbundene Kaffeehauskultur. Mit dem caffettiere etwa, dem Vorläufer des heutigen barista, gelangt ein ganz neuer Berufsstand in die Literatur. „Tutti cercan di fare quello che fanno gli altri. Una volta correva l’acquavite, adesso è in voga il caffè“, konstatiert einer seiner fiktionalen Vertreter, Ridolfo, in Carlo Goldonis (1707–1793) Komödie La bottega del caffè (Das Kaffeehaus, 1750).36 Dass Voltaire zu deren Verbreitung in Frankreich beiträgt, indem er sich zu seiner fünfaktigen Komödie Le café ou l’Ecossaise (1760) neben dem Kaffee selbst auch von diesem Werk anregen lässt, bleibt schon dem Dramaturgen und aufmerksamen Leser Gotthold Ephraim Lessing nicht verborgen.37 In La sposa persiana lässt Goldoni den Kaffee schließlich in Verbindung mit den folgenden Reimen kredenzen und serviert damit selbst „forse la prima ricetta letteraria del caffè“:38 Curc[uma:] Ecco il caffè signore, caffè in Arabia nato, (Alì beve il caffè mentre ella ragiona E dalle caravane in Ispaan portato. L’arabo certamente sempre è il caffè migliore: Mentre spunta da un lato, mette dall’altro il fiore. Nasce in pingue terreno, vuol ombra e poco sole;

35 36 37 38

Umberto Saba in Triest, Filippo Tommaso Marinetti in Florenz und Giacomo Casanova in Rom bietet u. a. die Webseite des Turineser Kaffee-Unternehmens Lavazza: „I caffè letterati“, https://www.lavazza.it/it/magazine/coffee-culture/coffee-sips/i-caffe-letterari.html [17. 01. 2020]. Denis Diderot / Urbain de Vandenesse: Caffé, s. m. (Hist. nat. bot.), in: Denis Diderot / Jean le Rond d’Alembert (Hg.): Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, par une société de gens de Lettres, Bd. 2, Paris 1751, S. 527. Carlo Goldoni: La bottega del caffè, in: Tutte le opere di Carlo Goldoni, a cura di Giuseppe Ortolani, 2. Auflage, Milano 1954, Bd. III, S. 7. Vgl. Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie, hg. und kommentiert von Klaus L. Berghahn, Stuttgart 1995, 12. Stück, S. 69–72; vgl. schon Lessings Briefwechsel mit Moses Mendelssohn vom Februar 1761. Roberto Ubbidiente: Oro nero, S. 10.

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Piantare ogni tre anni l’arboscello si suole. Il frutto non è vero che esser debba piccino; Anzi deve esser grosso, basta sia verdolino. Usarlo indi conviene di fresco macinato, In luogo caldo e asciutto con gelosia guardato. Alì[:] Caffè buono e ben fatto. (rendendo la tazza Curc[uma:] A farlo vi vuol poco: Mettervi la sua dose, e non versarlo al fuoco. Far sollevar la spuma, poi abbassarla a un tratto Sei, sette volte almeno: il caffè presto è fatto.39

Von dem heute wenig bekannten, seinerzeit aber über die Maßen gefeierten Dichter Jacques Delille (1738–1813) stammt eine Ode in klassischen Alexandrinerversen, die das beliebte Getränk mit euphorischen Worten besingt. Auf bemerkenswert aktuelle Weise hebt sie das interkontinentale Zusammenspiel der „deux mondes“ hervor, indem sie den Kaffeegenuss als interkulturelles Phänomen heraufbeschwört: Le café. Il est une liqueur, au poète plus chère, Qui manquait à Virgile, et qu’adorait Voltaire. C’est toi, divin café, dont l’aimable liqueur, Sans altérer la tête, épanouit le cœur. Aussi, quand mon palais est incrusté par l’âge, Avec plaisir encore je goûte ton breuvage. Que j’aime à préparer ton nectar précieux! Nul n’usurpe chez moi ce soin délicieux. Sur le rechaud brûlant moi seul tournant ta graine, A l’or de ta couleur fais succéder l’ébène; Moi seul contre la noix, qu’arment ses dents de fer, Je fais, en le broyant, crier ton fruit amer; Charmé de ton parfum, c’est moi seul qui dans l’onde Infuse à mon foyer ta poussière féconde; Qui, tour à tour calmant, excitant tes bouillons, Suis d’un œil attentif tes légers tourbillons. Enfin de ta liqueur lentement reposée, 39 Carlo Goldoni: La sposa persiana, in: Tutte le opere di Carlo Goldoni, a cura di Giuseppe Ortolani, Bd. IX, Milano 1950, Bd. IX, S. 574f. Der auf die Gewürzpflanze verweisende Name Curcuma unterstreicht die orientalistisch-exotistische Sicht, von der seinerzeit auch die Wahrnehmung des Kaffeegetränks geprägt ist. Roberto Ubbididente nennt über diese tragicommedia hinaus folgende Komödien, in denen allein Goldoni ebenfalls explizit auf das Kaffeegetränk anspielt: L’uomo di mondo, La vedova scaltra, Le femmine puntigliose, La putta onorata, La buona moglie, Il cavaliere e la dama, L’avvocato veneziano, Il padre di famiglia, Il teatro comico, Il contrattempo und Le donne curiose (vgl. Roberto Ubbidiente: Oro nero, S. 10f.).

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Dans le vase fumant la lie est déposée; Ma coupe, ton nectar, le miel américain Que du sac des roseaux exprime l’Africain, Tout est prêt: du Japon l’émail reçoit tes ondes, Et seul tu réunis les tributs des deux mondes. Viens donc, divin nectar, viens donc, inspire-moi. Je ne veux qu’un désert, mon Antigone, et toi. A peine j’ai senti ta vapeur odorante, Soudain de ton climat la chaleur pénétrante Réveille tous mes sens: sans trouble, sans chaos, Mes pensers plus nombreux accourent à grands flots. Mon idée était triste, aride, dépouillée: Elle rit, elle sort richement habillée, Et je crois, du génie éprouvant le réveil, Boire dans chaque goutte un rayon du soleil.40

Auch die bekannte, für die italienische Öffentlichkeit höchst innovative Zeitung Il Caffè, gegründet von dem Mailänder Aufklärer Pietro Verri und zwischen Juni 1764 und Mai 1766 in zehntägigen Intervallen erscheinend, trägt ihren Titel nicht ohne Grund; er spielt auf die neue Trinkmode, vor allem aber auf deren gesellschaftspolitische Bedeutung an.41 Beide stehen im 18. Jahrhundert erst am Anfang ihrer Entwicklung: Aus kleinen finsteren Kaffeehöhlen mit rauchgeschwärzten Decken und Wänden entwickelte sich eine weitverzweigte Kaffeehauskultur mit Künstlercafés und gutbürgerlichen Konditoreien, politischen Kaffeehäusern und Konzertcafés, Lese-, Schach- und Billardcafés und Kristallpalästen mit Kaffeeausschank. Kaffeehäuser wurden Diskussionssäle und Spielhallen, Poststationen und Notunterkünfte, Spielplätze der Phantasie in einer Atmosphäre der Vertrautheit und, ab 1933, lebenswichtige Zufluchtsort für Emigranten.42

Die kulturhistorisch bedeutsame Rolle des Kaffeehauses beschränkt sich mithin nicht auf die Epoche der Aufklärung und den französischen und italienischen Kulturraum, sondern geht weit über sie hinaus. Noch im 20. Jahrhundert wird etwa der Schriftsteller Stefan Zweig die besondere Atmosphäre der Wiener Kaffeehauskultur und des darin sich bildenden Künstlerkollektivs anschaulich beschreiben:

40 Jacques Delille: Le café, in: F. Kreyssig (Hg.): Trois siècles de la littérature française. Anthologie française destinée à l’usage des classes supérieures de nos écoles secondaires, Bd. 1, Berlin 1876, S. 320f.; Hervorhebung d. Verf.s. 41 Ein Auszug aus der programmatischen „Storia naturale del caffè“, mit der Pietro Verri seine neu gegründete Zeitschrift 1764 einleitet, findet sich wiederabgedruckt bei Roberto Ubbidiente: Oro nero, S. 16–18 (Appendice). 42 Klaus Thiele-Dohrmann: Europäische Kaffeehauskultur, S. 10.

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Aus jeder öffentlichen Bibliothek holten wir uns Bücher […]. Aber unsere beste Bildungsstätte für alles Neue blieb das Kaffeehaus. Um dies zu verstehen, muß man wissen, daß das Wiener Kaffeehaus eine Institution besonderer Art darstellt, die mit keiner ähnlichen der Welt zu vergleichen ist. Es ist eigentlich eine Art demokratischer, jedem für eine billige Schale Kaffee zugänglicher Klub, wo jeder Gast für diesen kleinen Obolus stundenlang sitzen, diskutieren, schreiben, Karten spielen, seine Post empfangen und vor allem eine unbegrenzte Zahl von Zeitungen und Zeitschriften konsumieren kann. […] So wußten wir alles, was in der Welt vorging, aus erster Hand, wir erfuhren von jedem Buch, das erschien, von jeder Aufführung, wo immer sie stattfand, und verglichen in allen Zeitungen die Kritiken; nichts hat vielleicht so viel zur intellektuellen Beweglichkeit und internationalen Orientierung des Österreichers beigetragen, als daß er im Kaffeehaus sich über alle Vorgänge der Welt so umfassend orientieren und sie zugleich im freundschaftlichen Kreise diskutieren konnte. Täglich saßen wir stundenlang, und nichts entging uns. Denn wir verfolgten dank der Kollektivität unserer Interessen den orbis pictus der künstlerischen Geschehnisse nicht mit zwei, sondern mit zwanzig und vierzig Augen.43

Hatte der Schriftsteller Dino Buzzati in seinem Roman Un amore bereits 1964 Goldonis Bottega del caffè innerhalb der literarischen Fiktion aktualisierend ins Medium des Fernsehens überführt, so zeugen in der Nachkriegszeit von der Beliebtheit des Kaffeehauses auch verschiedene neue mediale Formen, in denen das Kulturphänomen fortlebt. Die Kultursendung Das literarische Kaffeehaus des Norddeutschen Rundfunks als Vorläufer der später vom Zweiten Deutschen Fernsehen daraus entwickelten Literatursendung Das literarische Quartett ist nur ein Beispiel für die gelungene Verbindung des öffentlichen kulturellen Diskurses mit dem Genuss von Kaffee. Solche medial vermittelten Kaffeehausgespräche bleiben nicht etwa auf Europa beschränkt, wie zum Beispiel die Sendereihe Un café avec… des senegalesischen Fernsehens (senepeople.tv) zeigt. Auf den nostalgischen Nachhall landeskundlicher Lehrbuchinhalte aus dem Französischunterricht und seine authentische Entsprechung in der Lebenswirklichkeit alludiert schließlich der 2013 erschienene Roman Vor der Wand von Michael Göring, der einen Kurztrip dreier Schüler nach Paris evoziert: Ende März [1972] begannen die Osterferien. Georg hatte sich mit Roland und Volker zu einer Paris-Reise verabredet […]. Sie erreichten Paris am frühen Morgen bei zarter Märzsonne, unausgeschlafen und hungrig. […] Der Kaffee und die Croissants in dem kleinen Café am Gare du Nord halfen, die Lebensgeister zu wecken. […] Doch dann zog es sie zu den Champs-Elysées und sie suchten das „George V.“, weil genau dieses Café in einer Lektion in ihrem Klett-Französischbuch eine Rolle gespielt hatte. „Deux messieurs s’installent à la terrasse du Café Georges Cinq“, begann Roland und die beiden fielen

43 Stefan Zweig: Die Schule im vorigen Jahrhundert, in: Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, 42. Auflage, Frankfurt am Main 2016, S. 57f.

Kaffeekultur zwischen café und caffè

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sogleich ein, sodass auf einmal alle drei einen längeren Lehrbuch-Text zitierten, der den herangeeilten Ober sprachlos am Tisch stehen ließ.44

6.

Kaffee als inter- und transkulturelles Phänomen: Traditionelle Kaffeekulturen im Zeichen der Globalisierung – kultureller Wandel oder Erosion?

Die Globalisierung des Marktes, die der Verbreitung der Kaffeekultur in Europa einst zu großem Auftrieb verhalf, setzt sich weiter fort und zeigt zunehmend Auswirkungen auch auf die französische und italienische Kaffeetradition, die sich ihrerseits wiederum neuen interkontinentalen Einflüssen gegenübersieht. Aktuell ist beispielsweise in der internationalen Presse von der Sorge um die ‚Amerikanisierung‘ des italienischen caffè zu lesen. US-amerikanische Unternehmen ersetzen das traditionelle europäische Kaffeehaus mit individuellem Charakter durch Kaffeehausketten mit oft standardisiertem Inventar, traditionelle Kaffeegetränke wie den Cappuccino hingegen durch neue Kreationen und wortschöpferische Franko- oder Italoamerikanismen wie „Frappuccino“, „Honey Blossom Macchiato“ u. ä., die in Papp- und Kunststoffbechern zum Mitnehmen angeboten und konsumiert werden. „Il primo ‚Frappuccino‘ sarà servito a Milano nel 2016“, kommentiert beispielsweise die Tageszeitung Il Corriere della Sera die Nachricht von der Expansion des US-amerikanischen Marktführers nach Italien.45 Auffällig und bemerkenswert ist, wie die oft mehrsprachige, italianisiertenglische Benennung einzelner Getränkekreationen die italienische Kaffeekultur einerseits evoziert und andererseits zugleich hinter sich zu lassen versucht. Dieser Mechanismus kann übrigens an vielen weiteren sprachlichen Beispielen aus der Produktwerbung auch von Schülerinnen und Schülern mit Gewinn und unter gezielter Förderung ihrer language awareness untersucht werden. Welche Funktion der jeweiligen Sprache zukommt, lässt sich anhand von englischen Bezeichnungen auf italienischen Getränkekarten ebenso zeigen wie an italienischen Getränkenamen in anglophonen Gebieten. Dabei ist frappant, dass der italo-amerikanische Kulturaustausch längst noch nicht so weit fortgeschritten ist wie die Italianisierung der Kaffeekultur(en) in Europa: „Starbucks has a new drink, but no one understands WTF a latte macchiato is“, heißt es auf Twitter. […] Im Vergleich zu anderen Kaffeesorten, die die Amerikaner sonst bei 44 Michael Göring: Vor der Wand, Hamburg 2013, S. 152f. (Hervorhebung d. Verf.s). 45 Zu kulturimperialistischen Amerikanisierungstendenzen im Spannungsfeld zwischen ‚Nationalcharakter‘, postnationaler Welt und Globalisierung vgl. kritisch Laurenz Volkmann: Fachdidaktik Englisch: Kultur und Sprache, Tübingen 2010, S. 117ff.

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Starbucks gewöhnt sind, ist so ein Latte Macchiato ja auch ziemlich langweilig. Man denke nur an den „Peppermint White Chocolate Mocha Light Frappuccino“, der Amerikaner an trüben Tagen erfrischt, oder den ‚Pumpkin Spice Latte“, der ihm kalte Wintertage mit Kürbiskuchengewürz und Schlagsahne versüßt. So ein Latte Macchiato kann da kaum mithalten.46

Zeitgeschichtlich und kulturpolitisch virulente Fragen wie die nach der Bewahrung der ‚Reinheit‘ kultureller Güter, auf die einzelne Nationen oder Regionen einen Herkunftsanspruch erheben, können in einer Lerngruppe im Fremdsprachenunterricht – zumal angesichts des aktuellen öffentlichen Ringens um nationale oder supranationale Interessen im europäischen wie globalen Kontext – überdies zu höchst engagierten Pro-Kontra-Debatten führen: Wie legitim ist beispielsweise die individuelle Variation einer kulinarischen Spezialität durch einzelne Personen oder Unternehmen? Lässt sich die lokale Ausprägung einer solchen Spezialität überhaupt ‚schützen‘ und, wenn ja, wovor oder vor wem?47 Ist die interkulturelle Differenz der Kaffeekultur andererseits nicht selbst solchen Prozessen der Aneignung und modischen Abwandlung zu verdanken? Oder verbirgt sich hinter der erwähnten Unternehmensstrategie tatsächlich eine kulturelle Umwälzung, der sich eine ganze ‚Kulturnation‘ zu Recht entgegenstellen sollte? Welchen Wert hat Tradition in einer international vernetzten Gesellschaft der Globalität?48 Es lohnt sich, Fragen wie diese im Fremdsprachenunterricht nicht aus dem Weg zu gehen. Gerade in Zeiten, in denen eine plurikulturelle Gesellschaft immer wieder herausgefordert wird, lässt sich mit ihnen auf der scheinbar banalen Ebene der Kaffeetrinkgewohnheiten und ihren regionalen und nationalen Diversitäten ein wichtiger Beitrag zur demokratischen Erziehung leisten. In der Folge sollen durch die Fortentwicklung dieser und weiterer genannter Überlegungen Impulse für den romanischen Fremdsprachenunterricht vorgestellt werden, die entweder in Einzelstunden oder in Unterrichtsreihen überführt oder gegebenenfalls auch fächerübergreifend bzw. fächerverbindend ausgestaltet werden können.49 46 Sophie Burfeind: What the fuck [sic!] is ‚Latte Macchiato‘? Starbucks verwirrt die USA mit einem neuen Getränk, in: Süddeutsche Zeitung, 05. Januar 2016. 47 Vgl. auch die 2017 erfolgte Aufnahme der „Kunst des neapolitanischen Pizzabackens“ in den Bestand des Immateriellen Kulturerbes durch die UNESCO (Gerhard Matzig: Pizza wird Kunst, in: Süddeutsche Zeitung, 07. Dezember 2017). 48 Vgl. hierzu u. a. Laurenz Volkmann: Fachdidaktik Englisch, S. 117ff.; Roland Ißler: Universitäre Lehrerbildung zwischen Tradition und Innovation. 49 Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf eine im September 2019 im Bonner Zentrum für Lehrerbildung eingereichte Masterarbeit zur Kulturgeschichte des Kaffees im Fach Italienisch, die interkulturelle Unterschiede in den Kaffeekulturen in Deutschland, Italien und der Türkei aufzeigt und Anregungen für den Unterricht daraus entwickelt; vgl. Kübra Nur Sari: Kulturschock oder Fremdverstehen? Förderung der interkulturellen Kompetenz im Fach Ita-

Kaffeekultur zwischen café und caffè

7.

191

Die Kulturgeschichte des Kaffees und ihr fremdsprachendidaktisches Potential: Anregungen und Arbeitsvorschläge für einen bildungsrelevanten und kommunikativen Französisch- und Italienischunterricht

Die meisten der hier versammelten Anregungen und thematischen Aspekte lassen sich, wie angedeutet, fremdsprachendidaktisch auf vielfältige Weise nutzen. Indem der Kaffeegenuss Schülerinnen und Schülern als Alltagsphänomen geläufig ist, weist er einen deutlichen lebensweltlichen Bezug auf und kann, zum Gegenstand einer kleinen oder auch größeren Unterrichtsreihe erhoben, ohne Einbuße an Authentizität und dabei mit sehr unterschiedlichen bildungsrelevanten Schwerpunktsetzungen vertieft werden.

7.1

Impulse für sprachliches Handeln in kommunikativen Rollenspielen

Obwohl sich eine ganze Reihe weiterer unterrichtlicher Aktivitäten rund um den Kaffee anbieten,50gelangt der auf funktionale sprachliche Kompetenzen abzielende Fremdsprachenunterricht oftmals nicht über die gleichsam obligatorische Kaffee- und Getränkekarte einer Bar oder eines Restaurants hinaus. In aktuell gebräuchlichen Fremdsprachenlehrbüchern, insbesondere des Italienischen (und hier vor allem in der Erwachsenenbildung), ist eine detaillierte Kaffeekarte mit Preisliste als Kulisse für Rollenspiele im Umkreis der Situation „Al bar“ regelmäßig anzutreffen. Rekurrente Aufgabenstellungen hierzu zielen zum Beispiel deutlich auf sprachliches Handeln und trainieren in mehr oder weniger großer Gestaltungsfreiheit die Konversation zwischen Kellner und Gast: Lavorate in coppia. Arbeiten Sie zu zweit. Lesen Sie sich gegenseitig die Bestellungen vor, die der Kellner notiert hat.51 Lavorate in gruppi. Bilden Sie kleine Gruppen. Sie sind in einer Bar: Was bestellen Sie? Eine Person übernimmt die Rolle der Bedienung, notiert die Bestellung und fasst sie anschließend zusammen.52 lienisch. Eine exemplarische Untersuchung der Kaffeekulturen in Deutschland, Italien und der Türkei, Masterarbeit Universität Bonn, unveröffentlichtes Manuskript, Bonn 2019. 50 Vgl. etwa diverse Beispiele zum Thema „caffè – Kaffee“ bei Peggy Katelhön / Martina Nied Curcio: Hand- und Übungsbuch zur Sprachmittlung Italienisch – Deutsch, Berlin 2012, S. 86f. Das Buchcover dieses Bandes zeigt übrigens eine fotographische Gegenüberstellung einer tazzina di caffè und einer Tasse Filterkaffee. 51 Azzurro più. Italienisch Intensivkurs mit Audio-CD [B1+], von Renate Merklinghaus und Linda Toffolo, Stuttgart 2008, S. 23. 52 Allegro nuovo A1. Kurs- und U¨ bungsbuch Italienisch, mit Audio-CD, von Renate Merklinghaus, Nadia Nuti und Linda Toffolo-Ku¨ nnemann, Stuttgart 2015, S. 34.

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oder zwischen verschiedenen Gästen: Offro io! Invitate i compagni. Sie sind in einer bar. Laden Sie die anderen ein und fragen Sie sie, was sie möchten.53

bzw., unter Verlust des Rollenspielcharakters, als Übungsdialog zwischen Fremdsprachenlernenden: Scegli qualcosa da mangiare e da bere dal menù e parlane con un/a compagno/a.54

Natürlich lassen sich auf der authentischen Textgrundlage einer Getränkekarte kommunikative Strategien, wie man sie etwa zum Bestellen von Getränken oder zum kolloquialen Austausch über Gewohnheiten, Vorlieben und Geschmack in der alltagssprachlichen Konversation tatsächlich benötigt, im Rollenspiel dialogisch erproben: J’aime beaucoup… le café…; Je préfère le thé au café…, et toi? Tu bois une tasse de café? – Non, merci, je ne bois jamais de café.55

Bei sorgfältiger Vorentlastung mit kontextbasiertem Wortschatz gestattet es das szenische Spiel, auch spontan lustige Sketche rund um einen Kaffeehausbesuch zu erfinden. Humorvolle Anregungen dazu lassen sich beispielsweise aktuellen Erfahrungsberichten und Alltagsreflexionen aus Internet-Blogs wie dem der „Lulu from Montmartre“ entnehmen: Mardi matin, alors que j’avais rendez-vous au garage pour faire réviser ma voiture, l’hoˆ tesse d’accueil me dit en arrivant „Bonjour madame From Montmartre, est-ce que je peux vous offrir un café?“. „Non merci, c’est gentil“ lui réponds-je alors (elle est bizarre cette phrase non?) sans donner plus d’explications. […] Et là, j’ai repensé au nombre incalculable de fois où je m’étais retrouvée dans cette situation. Car non, définitivement, je ne bois JAMAIS de café! […] de là à croire que je ne suis pas comme tout le monde… Il n’empeˆche qu’aujourd’hui, en société, boire un café est un vrai rituel, et que bien souvent au lieu de proposer quelque chose à boire, on propose un café. […] Un expresso, c’est rarement bouillant, et quand c¸a l’est, on souffle dessus et en deux minutes le café est bu. Alors que le thé… Quand tu bois du thé à la fin d’un repas, tu n’as souvent pas d’autre choix que de te bruler [sic!] si tu veux eˆtre raccord avec les buveurs de café et quitter la table en meˆme temps qu’eux, ou alors t’entendre dire „on y va? […]“56

53 Con piacere A1. Lehr- und Arbeitsbuch Italienisch, mit 2 Audio-CDs, von Lorenza Zorzan, Renate Merklinghaus u. a., Stuttgart 2010, S. 25. 54 Scopriamo l’italiano. Italienisch interlingual. Lehr- und Arbeitsbuch mit interaktiver ÜbungsCD-Rom, von Michaela Rückl u. a., Wien 2012, S. 143. 55 Découvertes 2. Série jaune, für den schulischen Französischunterricht, von Birgit Bruckmayer, Laurent Jouvet, Ulrike C. Lange u. a., Stuttgart / Leipzig, S. 64. 56 Lulu from Montmartre: Non je ne bois pas de café, so what? 16 janvier 2014, http://www.lulufrom montmartre.com/2014/01/non-je-ne-bois-pas-de-caf%C3%A9-so-what.html [21. 01. 2020].

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7.2

193

Impulse für den Grammatikunterricht: Nationalitätsadjektive und Komparative

Aber auch Grammatikunterricht lässt sich themenbezogen vor dem Hintergrund interkultureller Vergleiche gestalten, etwa indem die Verwendung der (substantivierten) Nationalitätsadjektive bzw. der Einsatz des Komparativs mit einer europäischen oder globalen Statistik oder Infographik über Kaffeekonsum im Ländervergleich eingeführt, erarbeitet oder wiederholt werden, zum Beispiel:57 Les Polonais consomment moins de café que les Finlandais. En revanche, les Espagnols boivent plus de café que… etc.

Der einmal angestrengte Ländervergleich lässt sich wiederum direkt auch für interkulturelle Perspektivwechsel nutzbar machen, um die Lernenden eigene Erfahrungen mit von ihnen schon bereisten Ländern austauschen zu lassen. Hier könnten u. a. Unterschiede des Kaffeetrinkens zwischen Deutschland bzw. Österreich und Italien bzw. Frankreich benannt und hinterfragt werden.58 Realitätsnäher gestaltet werden kann dies zum Beispiel durch kurze Dialogsequenzen in einem Hotel mit internationalen Frühstücksgästen.

7.3

Impulse für die schriftliche und mündliche Textproduktion: Wortbildung durch eigene Rezeptkreationen und Debattenkultur

Das Thema der Kaffeekultur, ggf. auch unter dem Aspekt der Modegetränke, eignet sich auch hervorragend zur Textproduktion. Schülerinnen und Schüler können so ihre eigene kreative Getränkekarte entwerfen und, je nach Altersgruppe, Namen oder Rezepte für neue Kaffeespezialitäten kreieren. Trotz der Abhängigkeit von der für den Unterricht zur Verfügung stehenden Zeit ist es wünschenswert, ganzheitliche Ansätze nicht auszusparen. Mit allen Sinnen erprobte Kaffeegetränkevarianten, die neu erfunden oder auf der Grundlage einfacher authentischer Rezepte selbst zubereitet wurden, führen garantiert zu größerem sprachlichem Erfolg und nachhaltigerer Behaltensleistung in der Anwendung der Fremdsprache. Um auch das dialogische Sprechen zu trainieren, eignen sich möglichst polarisierend ausgewählte Zitate, welche die Schülerinnen und Schüler zu einer Stellungnahme herausfordern. Ein provokativer Satz kann als Unterrichtsein57 Entsprechende Schaubilder finden sich u. a. bei Gerald Hosp: Kaffee könnte zum Luxusgut werden. 58 Vgl. z. B. die Übung „Cosa mangi a colazione?“ (Azzurro più, S. 22). Selbst weniger repräsentative landestypische Trinkgewohnheiten werden in Lehrbüchern übrigens durchaus thematisiert: „Le ‚Buttermilch’, tu connais?“ (Découvertes 2, S. 65).

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stieg ebenso motivierend wirken und das Unterrichtsgespräch befeuern wie eine Reizwortdiskussion oder Pro-Kontra-Debatte59 im Rahmen einer thematischen Reihe, etwa zu einer anekdotisch überlieferten Aussage wie den folgenden: Si racconta che il Papa Clemente VIII, dopo aver assaggiato una tazza di caffè, disse „Questa bevanda è così deliziosa che sarebbe un peccato lasciarla bere ai soli miscredenti. Sconfiggiamo Satana impartendole la benedizione per farne una bevanda veramente cristiana“.60 „La Tierra no es herencia de nuestros padres sino un préstamo de nuestros hijos.“61

7.4

Impulse für ästhetisches Lernen: Kaffeegenuss und Lesecafé in der Schule

Die Tatsache, dass Kaffee ein sinnlich erfahrbares Phänomen ist und den Lernenden mit seinem Duft, seiner Farbe und seinem Geschmack unmittelbar affiziert, muss im Unterricht nicht unberücksichtigt bleiben, zumal sich die auch im übertragenen Sinne anregende Wirkung des Kaffees durchaus motivational nutzen und idealerweise sogar außerunterrichtlich fortsetzen lässt. So könnte der Genuss von Kaffee mit großem didaktischem und überdies sinnlich-ästhetischem Gewinn mit der Einrichtung eines Lesecafés bzw. einem fremdsprachlichen Debattierclub verbunden und dabei das Kaffeehaus als soziales Kulturphänomen unmittelbar im Klassenverband oder in der Lerngruppe durch eigene Anschauung und aktive Erprobung nachempfunden und geteilt werden.62 Rotierende Gruppenarbeiten wie die des „World Café“, das mit seinem Namen sogar selbst an die Sozialform des Kaffeehauses anknüpft,63 bieten Möglichkeiten der binnendifferenzierten Erschließung und eröffnen dabei zudem Reflexionsräume auch auf einer Metaebene: Der Begriff betont einerseits die besondere Kaffeehausatmosphäre, die durch die Gestaltung von Gästetischen und der Rollenaufteilung in Gastgeber und Gäste kreiert

59 Vgl. Wolfgang Mattes: Methoden für den Unterricht, S. 116f. 60 Zitiert nach: Lavazza 2017, „Il caffè italiano“, https://www.lavazza.it/it/magazine/coffee-cultu re/coffee-sips/il-caffe-italiano.html [17. 01. 2020]. 61 „Wir erben die Erde nicht von unseren Vorfahren, wir leihen sie von unseren Kindern.“ Zitiert nach: Lavazza 2017, https://www.lavazza.de/de/tierra-de.html#/bio/detail [17. 01. 2020]. An das Sprichwort aus dem lateinamerikanischen Anbaugebiet des Kaffees lassen sich umweltethische Debatten anknüpfen. 62 Vgl. auch öffentliche Angebote wie das „Sprachcafé International“ des Asta-Referats für Internationale Studierende an der Universität Bonn. 63 Vgl. Wolfgang Mattes: Methoden für den Unterricht, S. 84f.

Kaffeekultur zwischen café und caffè

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werden kann, und macht andererseits deutlich, dass die Methode zur Bearbeitung und Diskussion von Themen mit globaler Bedeutung geeignet ist.64

7.5

Impulse für den Literaturunterricht: Auf einen Kaffee mit Philosophen und Schriftstellern

In die Beschäftigung mit Kaffeekultur im Unterricht lässt sich natürlich auch die Arbeit mit literarischen Texten integrieren. Ausgewählte Auszüge oben zitierter Texte, zum Beispiel ein Dialog einer Komödienszene aus Goldonis Bottega del caffè, können von der Lerngruppe erarbeitet, möglicherweise in eine aktuell gebräuchliche Sprache umformuliert und in szenischem Spiel dargestellt werden. Ferner könnte der Artikel „Caffé“ der Encyclopédie fortgesetzt und aktualisiert werden, indem die Entwicklung der letzten 250 Jahre mit im Unterricht erarbeiteten Handelsstatistiken u. ä. darin einfließen. Auch Sprachmittlungsaufgaben lassen sich konzipieren, mittels deren Texte des 18. oder 19. Jahrhunderts in eigenen Worten Aktualisierungen erfahren. Eine Gruppenarbeit könnte ferner darauf abzielen, eine Ode nach dem Muster Delilles oder, poetologisch weniger spezifisch, einen Werbetext auf ein Lieblingsgetränk zu verfassen. Denkbar sind auch der fiktive Entwurf eines historischen Gesuchs um königliche Genehmigung oder eine Bekanntmachung der Eröffnung eines neuen Kaffeehauses im Paris des 18. Jahrhunderts: Wie könnte Procopio (bzw. einer seiner fiktiven oder tatsächlichen Nachahmer) sein neues Literatencafé ankündigen, um sich eine diskussionsfreudige bürgerliche Stammkundschaft zu sichern? Wie richtet er den Raum ein? Wie sollten Mitarbeiter qualifiziert sein, damit Procopio sie einstellen kann? Wie könnten Bürger der Stadt seine neuartige gastronomische Idee aufnehmen? Aus diesen Überlegungen lassen sich sowohl zahlreiche schriftliche als auch mündliche Textproduktionen ableiten, etwa in Form eines Briefwechsels oder informellen Gesprächs im Stadtviertel Saint-Germain-des-Prés. Auch historische Entwicklungen wie der Aufstieg des Bürgertums lassen sich hier integrieren, indem die Dialogpartner diversen Ständen zugeordnet werden, so dass etwa Angehörige des niederen Adels auf Bürger und Dienerschaft treffen. Durch die vorherige oder begleitende Lektüre literarischer Texte des 18. Jahrhunderts wie der oben erwähnten Komödien Goldonis oder Voltaires oder auch durch historische Sachtexte werden soziale

64 Ebd., S. 84. Vgl. daneben auch das methodische Arrangement „Place du marché“ in: Christin Grieser-Kindel / Roswitha Henseler / Stefan Möller: Le guide des méthodes. 33 Methoden für einen kooperativen und individualisierenden Französischunterricht in den Klassen 5–12, Paderborn 2013, S. 168–171.

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Konflikte zwischen den Ständen nachvollziehbar und können sowohl im Italienisch- als auch im Französischunterricht produktiv ausgestaltet werden. Dass sich in demselben Viertel im 20. Jahrhundert die berühmten Literatentreffpunkte Café de Flore und Café des Deux Magots ansiedeln werden, in dem wie schon im siècle des Lumières wiederum Philosophiegeschichte geschrieben wird, bietet für das Fach Französisch eine zusätzliche Möglichkeit, die Unterrichtsreihe um zugängliche Texte von und über das Intellektuellenpaar Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre zu erweitern oder gegebenenfalls sogar eine separate Reihe zum Existentialimus anzuschließen.65 Nicht zu unterschätzen ist das Potential auch älterer Texte, wenn sie mit Bedacht ausgewählt sind und sich in die Unterrichtsreihe sinnvoll einbetten lassen. Die Auseinandersetzung mit einem historischen Text wird von vielen Schülerinnen und Schülern als eine motivierende und herausfordernde Abwechselung angesehen und könnte im Rahmen einer Projektarbeit vertieft werden. Als interessante Annäherung an einen Originaltext des späten 17. Jahrhunderts können die Genussmitteltraktate von Philippe Sylvestre Dufour, De l’Usage du caphé, du thé et du chocolate (1671) bzw. Traitez nouveaux et curieux du café, du thé et du chocolate (1688) gelten,66 die in kleine, überschaubare Kapitel gegliedert67 und über das Online-Portal der Bibliothèque nationale de France (www.gallica.fr) leicht verfügbar sind. Sie eröffnen zudem die Perspektive des Vergleichs zwischen dem Unterrichtsgegenstand und weiteren aus anderen Erdteilen importierten Genussmitteln.

65 Sartre ist als Schulautor bekanntlich seit Jahren in den Curricula des Französischunterrichts verankert. Als erzählerischen Einstieg in die Philosophiegeschichte vgl. das Einleitungskapitel aus: Sarah Bakewell: Das Café der Existenzialisten. Freiheit, Sein und Aprikosencocktails, aus dem Englischen von Rita Seuß, München 2018, S. 13–50. 66 Philippe Sylvestre Dufour: De l’Usage du caphé, du thé et du chocolate, Lyon 1671, S. 1–47; Ders.: Traitez Nouveaux & curieux du café, du thé et du chocolate, S. 1–216. 67 So zum Beispiel in der späteren Ausgabe (Dufour 1688) zu Herkunft und Import der Kaffeebohnen (Chapitre II: „Du lieu d’où vient le Café, & de la quantité qu’il en sort toutes les années“), zur Legendenbildung um die Entdeckung des Kaffees (Chapitre III: „De quelle maniere le Café a été découvert“), zu Zubereitung und Dosierung (Chapitre VI: „De quelle sorte on doit faire cuire la farine du Café pour en boire, quelle doze on en doit prendre, & de quelle mauiere [sic!] on doit s’en servir“) oder zur gesundheitlichen Aufklärung (Chapitre XII: „De l’utilité du Café pour les maladies de la tête, & s’il tient les personnes éveillées.“). Die Lektüre erhellt, dass sich heutige Informationsbroschüren, Webseiten und Ratgeber rund um das Thema Kaffee noch immer mit ähnlichen Fragen auseinandersetzen; vgl. z. B. auch die o.g. Webseite des Deutschen Kaffeeverbandes. Schülerinnen und Schüler könnten an Beispielen wie diesen den zeittypischen praktisch-aufklärerischen Ansatz des Traktats in actu verfolgen, wie der Autor, selbst Kaffeehändler, sie vor allem in der „Preface“ darlegt.

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7.6

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Impulse für den Geographieunterricht und ökologische Debatten im Fremdsprachenunterricht: Klimawandel und Nachhaltigkeit

Selbst die aktuelle umweltpolitische Debatte um Klimawandel und globalökologische Maßnahmen zur Gegensteuerung lässt sich mit der Kaffeethematik verbinden, denn mit der Veränderung der biologisch-klimatischen Wachstumsvoraussetzungen der Kaffeepflanze verschieben sich auch die Anbaugebiete, was wiederum ökonomische Schwankungen zur Folge hat: Die Vielfalt der Kaffeesorten ist durch die Dominanz Brasiliens und Vietnams gefährdet, und in der Branche steigen auch die Sorgen wegen des Klimawandels. Kaffee reagiert empfindlich auf Temperaturveränderungen. Davon sind vor allem ArabicaSorten betroffen. Mit steigenden Temperaturen müssten die Kaffeeplantagen in höhere Lagen verlegt werden, wo jedoch tendenziell weniger Land verfügbar ist. Dies könnte zu weniger qualitativ hochwertigem Kaffee führen und die Suche nach Spezialitätenkaffee noch intensiver machen.68

Diese und weitere ökologisch-marktwirtschaftliche Zusammenhänge lassen sich von Schülerinnen und Schülern im fortgeschrittenen Fremdsprachenunterricht herauspräpapieren und mit Diagrammen und kurzen Erläuterungen darstellen, wodurch nebenbei, zumindest ansatzweise, der wiederholt vernehmbaren Forderung nach elementarer ökonomischer Bildung begegnet werden mag. Fragen, die wie diese die Korrelation zwischen klimatischen Bedingungen und Welthandel betreffen, haben ihren Platz vor allem im Geographieunterricht, so dass sich über sie Schnittmengen zum bilingualen Sachfachunterricht ergeben, die hier nur angedeutet werden können. Wird der Kaffee im Erdkundeunterricht nicht explizit thematisiert, so begegnet er doch als exemplarisches Handelsgut im Rahmen der Beschäftigung mit dem Welthandel. Zu zeigen sind daran u. a. die Abhängigkeit vieler Entwicklungsländer von meist nur einem Wirtschaftsgut und die Konsequenzen dieser Abhängigkeit für den Aufbau der eigenen Wirtschaftskraft, die fatalen Folgen von Monokulturen in Plantagenwirtschaft sowie deren Besitzstrukturen und ReInvestitionen, die miserablen Austauschbedingungen (terms of trade) für die monostrukturierten Länder, die durch die wertsteigernde Weiterverarbeitung der Kaffeebohnen durch die Nehmerländer noch zusätzlich ins Hintertreffen geraten. Der Siegeszug des Kaffees weltweit kann zudem festgemacht werden an den klimatischen Standortvoraussetzungen der Kaffeepflanze; klassische und neue Anbauregionen wären in Atlasarbeit zu identifizieren und schließlich mit Hilfe des Gini-Koeffizienten deren Entwicklungsstand und Relation zur gesamten Vermögensverteilung zu überprüfen. Beispielhaft verwiesen sei in diesem

68 Gerald Hosp: Kaffee könnte zum Luxusgut werden.

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Zusammenhang auf Lehrwerke, in denen Kursschwankungen der dominanten Kaffeesorten und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung wichtiger Kaffee-Exportländer thematisiert werden und von Schülerinnen und Schülern im Fach Erdkunde bzw. Histoire-Géographie ausgewertet werden sollen.69 Zu diskutieren wäre neben der Beschäftigung mit Fair-Trade-Strukturen auch die Frage der Nachhaltigkeit angesichts steigender Zahlen von Einwegbechern für kaffeehaltige Heißgetränke; entsprechende Debatten werden vor dem Hintergrund der aktuellen Klimaprotestbewegung Fridays for Future von Jugendlichen oftmals sehr emotional geführt, so dass es sich unbedingt lohnt, sie in den Fremdsprachenunterricht bzw. in den fremdsprachlichen Sachfachunterricht hineinzuziehen.70

7.7

Impulse für das interkulturelle Lernen: Eine Werbekampagne im Fremdsprachenunterricht

Anregungen zu kleineren oder komplexeren Fragestellungen, die die Kulturgeschichte des Kaffees betreffen, finden sich, wie bereits gezeigt wurde, in unterschiedlichen Sachtexten zur kulturellen Tradition des Getränks. Auch die oben bereits erwähnte aktuelle Werbekampagne des italienischen Kaffeeherstellers Lavazza bietet hierzu reichhaltiges und zudem reizvolles Material in der Zielsprache und soll daher hier, wenn auch in gekürzter Form, zumindest exemplarisch hervorgehoben werden. Das Unternehmen hat das Phänomen des Kulturwandels im Bereich des Kaffeekonsums deutlich erkannt und in kreativer wie produktiver Weise aufgegriffen; so bewirbt Lavazza seine Produkte selbst dezidiert mit einer Akzentuierung interkultureller Aspekte. Neben der Selbstinszenierung als Global Player versammelt die seit 2017 verfügbare Internet-Werbekampagne unter dem Titel La cultura del caffè nel mondo eine Reihe nützlicher Hintergrundinformationen über diverse nationale Besonderheiten des Kaffeegenusses in Europa und den USA („Il caffè nelle abitudini di consumo in Europa e Usa“).71 Die Werbetafeln, 69 Vgl. z. B. das Diagramm „L’instabilité des cours de café“ innerhalb einer Unterrichtsreihe zu „Des mondes en quête de développement“, in: Jacqueline Jalta / Jean-François Joly u. a.: L’Espace mondial. Géographie TesES, L, S, Paris 2008, S. 249. 70 Vgl. u. a. das Meinungsforum „Nachhaltigkeit: Ho¨ rt bei Coffee to go die Vernunft auf ?“, in: Süddeutsche Zeitung, 22. Februar 2016, http://www.sueddeutsche.de/wissen/ihr-forum-nachhal tigkeit-hoert-bei-coffee-to-go-die-vernunft-auf-1.2874672 [17. 01.2020]. Die „Positionen des Deutschen Kaffeeverbandes zum Thema Nachhaltigkeit“ sind nachzulesen unter http://www. kaffeeverband.de/kaffeewissen [17. 01.2020] bzw. http://www.kaffeeverband.de/de/kaffeewisse n/nachhaltigkeit#kaffeewissen-slider-202 [17.01. 2020]. 71 Lavazza: https://www.lavazza.it/it/magazine/coffee-culture/coffee-sips/cultura-del-caffe.html [17. 01. 2020].

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die zudem von mehreren weiteren informativen Texten und Kurzfilmen (Videoclips und -animationen) über die Kulturgeschichte des Kaffees flankiert werden,72 enthalten für den Italienischunterricht eine ganze Reihe gebrauchsfertiger Kurztexte, die sich nicht nur sprachlich für den Fremdsprachenerwerb eignen, sondern auch zu interkulturellen Fragestellungen und Erkenntnissen wie den folgenden anregen: Wie werden die verschiedenen Kaffeekulturen aus italienischer Sicht wahrgenommen? Wie werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten klassifiziert, erklärt und eingeschätzt? Welches Selbstbild vermittelt der Text in Bezug auf den italienischen Kaffeekonsum? Cultura del caffè La tradizione del caffè ha origini antiche in tutto il mondo, sebbene con preparazioni diverse. DA NORD A SUD: L’EUROPA E LA SUA MULTIFORME CULTURA DEL CAFFÈ I nordeuropei sono abituati a bere grandi quantità di caffè, anche se piuttosto diluito. […] Non importa come e dove: in tutto il mondo, il caffè unisce le persone e favorisce la socializzazione. NON SOLO TEA TIME: I BRITANNICI E IL CAFFÈ Anche in Gran Bretagna il caffè ha una lunga tradizione: qui già a metà del XVII secolo aprirono i primi caffè, dove, però, veniva servito anche il tè. […] Ancora oggi in Gran Bretagna il tè viene preferito al caffè, onorando la tradizione del tè pomeridiano („tea time“). […] CON GUSTO: LA CULTURA DEL CAFFÈ ALL’ITALIANA L’Italia è il Paese del caffè per eccellenza: qui l’espresso è qualcosa di sacro. […] L’espresso si beve durante tutto l’arco della giornata, per prendersi una breve pausa, di solito al bancone del bar, in pochi secondi. L’espresso vero e proprio, infatti, si beve in due o tre sorsi. Chi ha bisogno di più caffeina ordinerà un „caffè doppio“, ossia un doppio espresso. In Italia il cappuccino si beve tradizionalmente solo a colazione, di solito accompagnato da un dolce, ad esempio il cornetto. Il latte contenuto nel cappuccino viene considerato come parte del pasto, perciò si evita di consumarlo nel resto della giornata perché troppo sostanzioso. A pranzo, a cena o anche la sera tardi gli italiani preferiscono l’espresso. […] 72 Vgl. etwa: https://www.lavazza.it/it/magazine/coffee-culture/manifesto.html [17. 01. 2020]; https://www.lavazza.it/it/magazine/coffee-culture/coffee-sips/i-caffe-letterari.html [17. 01. 2020]; https://www.lavazza.it/it/magazine/coffee-culture/coffee-sips/il-caffe-italiano.html [17. 01. 2020]; https://www.lavazza.it/it/magazine/coffee-culture/coffee-sips/storia-del-caffe. html; [17. 01. 2020]. Die französische Homepage des Unternehmens versammelt wiederum Anregungen und Rezepte zum Kochen und Anrichten u. a. kaffeehaltiger Speisen, https:// www.lavazza.fr/fr/magazine/coffee-culture/coffees-sips/la-5eme-edition-de-feu-vif-mook-d edie-a-la-gastronomie.html [17. 01. 2020]; z. B. eines „Risotto de café et de fontine avec des figues au café et à la cannelle“, https://www.lavazza.fr/fr/magazine/coffee-culture/coffees-sip s/la-5eme-edition-de-feu-vif-mook-dedie-a-la-gastronomie.html [17. 01. 2020] oder „Filet de bœuf aromatisé au café“, https://www.lavazza.fr/fr/magazine/inspiring-cooking/cook-it-righ t/filetto-di-manzo-aromatizzato-al-caffe.html [17. 01. 2020].

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CULTURA DEL CAFFÈ IN GERMANIA Anche i tedeschi hanno un rapporto molto intenso con il caffè, sebbene in Germania non vi sia una cultura del caffè così spiccata come in Italia. Ognuno beve il caffè come più gli piace, a ogni ora del giorno, più o meno forte, con o senza zucchero o latte, al distributore automatico o fatto da una modernissima macchina per espresso. […] GLI OLANDESI E IL „KOFFIETIJD“ […] Di tanto in tanto ci si concede un caffellatte o un latte macchiato, che in Olanda si chiama „koffie verkeerd“, ossia „caffè alla rovescia“, per descriverne la composizione: anziché caffè con un goccio di latte, è latte con un goccio di caffè. Questa bevanda viene servita in un bicchierino piuttosto piccolo, che non ha niente a che fare con le tazze del café au lait francese. CAFÈ AU LAIT CONDITO CON IL SAVOIR VIVRE FRANCESE Nessun altro paese è noto come la Francia per il suo Savoir Vivre, quell’arte di vivere, che, aggiunta alla passione per il caffè, costituisce un importante tassello della cultura nazionale. […] Il caffè viene consumato prevalentemente a casa, dove viene preparato con la macchina o la French Press (caffettiera plunger), invenzione tutta francese risalente al 1900. I bar restano, nonostante la preferenza per un consumo più intimo, molto frequentati, godendo, anche in Francia, di una lunga tradizione. Qui si è soliti bere il Cafè au lait, accompagnandolo con un croissant o con il „french toast“, toast coperto con qualche cucchiaino di marmellata. Il caffelatte [sic!] francese è composto per metà da caffè filtro molto caldo e intenso o un doppio espresso e da un’altra metà di latte, spesso con schiuma. Il caffelatte perfetto è quello che vede versare contemporaneamente latte e caffè in una scodella spessa, detta „Bol“. Nel corso della giornata i francesi amano deliziare il palato con un espresso („petit noir“) o un caffè nero („cafè [sic!] noir“) talvolta allungato con acqua e per questo definito „Lungo“. Spesso dopo cena viene ordinato un Cognac in aggiunta al caffè nero o, in alternativa, un Cafè Granit, un dolce e intenso caffè con liquore di moka. La pausa caffè è oggi un rito che accomuna Europa e America. USA – DAL „FREE REFILL“ ALLE MISCELE DI PREGIATI CAFFÈ Gli americani amano il caffè. Nei ristoranti come nei Bagel-Shop si può rifornire gratuitamente la propria tazza con caffè filtro con un solo cenno. Le Coffee Houses popolano le grandi metropoli americane, come in nessun altro modo altrove, con una ricca offerta di caffè: con latte, freddo, cappuccino, con vaniglia e tanti altri gusti quanti non se ne può nemmeno immaginare. […] In America come in Italia il caffè è divenuto decisamente una piacevole e irrinunciabile abitudine quotidiana.73

Texte wie diese im Unterricht zu verwenden, setzt, das sei betont, eine medienkritische Haltung und einen bewussten Umgang auch mit digitalen Medien 73 https://www.lavazza.it/it/magazine/coffee-culture/coffee-sips/cultura-del-caffe.html [17. 01. 2020], „Pubblicato il 18 luglio 17“.

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voraus. Die Voreingenommenheit der Quelle und Textsorte und ihr mit Produktwerbung verbundener Kontext sollten auch im Fremdsprachenunterricht bedacht und thematisiert werden, zumal gerade die Produktreklame in den Sachtexten kaum explizit erfolgt. Fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler können weiterführende Gedanken dazu entwickeln, welch subtile Wege die Werbung in diesem konkreten Fall beschreitet, welches Konzept damit verfolgt und welcher Adressatenkreis hier angesprochen wird. Für weiterführende Untersuchungen über Funktionsweise und Wirkung von Werbung kann auch ein Exkurs in historische Werbeplakate von Interesse sein. Die reich illustrierte und kolorierte Seite der Firma Trébucien, die im 19. Jahrhundert auch literarische Texte wie Fabeln Jean de La Fontaines mit Reklame für Schokoladen- und Kaffeespezialitäten verbindet, enthält bereits instruktive Angaben zu Ernte, Herstellung und Genuss des „Café des Gourmets“ (vgl. Abb. 3).

7.8

Impulse für den mehrsprachigkeitsorientierten Unterricht: Sprachmittlung mit interlingualer Decodierung

Für den mehrsprachigkeitsorientierten Unterricht geeignet, hält das italienische Unternehmen separate Webseiten in verschiedenen Sprachen und für mehr als 40 Länder auf vier Kontinenten bereit, die zwar formal gleiche Strukturen, inhaltlich jedoch allenfalls Ähnlichkeiten und nur in einzelnen Fällen Überschneidungen aufweisen.74 Aus den verschiedenen Materialien lassen sich ohne großen Aufwand mit reichem sprachlichem und kulturgeschichtlichem Ertrag plurilinguale Sprachmittlungsaufgaben gestalten, in denen die Schülerinnen und Schüler Textteile und diverse sachliche Informationen sinngemäß in eine jeweils andere Zielsprache übertragen. Die Verwandtschaft der romanischen Sprachen erleichtert die interkomprehensionsbasierte interlinguale Texterschließung auf lexikalischer und morphologischer, grammatikalischer, syntaktischer und schließlich semantischer Ebene, wie sie zum Beispiel die EuroComRom-Methode vorsieht.75 Durch geschickte Verteilung auf verschiedene Gruppen, idealerweise nach verschiedenen Lernervariablen binnendifferenziert gestaffelt, lässt sich ein breites Spektrum unterschiedlicher Teilaspekte der Kaffeethematik erarbeiten; die Schülerinnen- und Schülergruppen präsentieren dabei die von ihnen gewählten Inhalte (Geschichte des systematischen Kaffeeanbaus, Alltag in Kaf74 Vgl. die Webseite https://www.lavazza.com/en/utils/all-countries.html [17. 01. 2020] mit einer Auswahl von Landessprachen, auf die über weitere Links direkt verbunden wird. 75 Vgl. Horst G. Klein / Tilbert D. Stegmann: EuroComRom – Die sieben Siebe: Romanische Sprachen sofort lesen können, 3. Auflage, Aachen 2000 (Editiones EuroCom, 1).

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Abb. 3: Anonymus, Série encyclopédique des lec¸ons de choses illustrées. Feuille n° 5, Histoire industrielle. Le café [le Café des gourmets de l’usine Trébucien], Paris: Glücq, 1881, http://catalog ue.bnf.fr/ark:/12148/cb413886607 [20. 01. 2020].

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feeplantagen, Kosten umweltschonenden Anbaus, Handelswege und Vermarktung, Röstverfahren, Mahl- und Aufbrühmethoden, Rezepte, literarische Cafés, Anekdoten zum Kaffeekonsum u.v.m.) 76 einander wechselseitig.

8.

Sprachliche und kulturelle Bildung: Impuls und Ausblick

Den Fremdsprachenunterricht in den Dienst der authentischen alltäglichen Kommunikation zu stellen, kommt der Forderung nach gelingender zielsprachiger Verständigung und Schulung funktionaler Sprachverwendung in allen sprachlichen Grundfertigkeiten, den sog. kommunikativen Kompetenzen Hörverstehen/Hör-Sehverstehen und Sprechen, Leseverstehen, Schreiben und Sprachmittlung, ohne Zweifel entgegen. In der bloßen Kommunikationsfähigkeit aber darf sich der Bildungsauftrag des fremdsprachlichen Unterrichts nicht erschöpfen;77 dieser sollte vielmehr Anregungen bieten, über sie hinauszuweisen und Anlässe schaffen, in denen die Persönlichkeit der Sprecherinnen und Sprecher herausgefordert wird und durch die sich kulturelle Zusammenhänge erschließen.78 Gerade das nicht Formale und Messbare, das nicht unmittelbar Gebrauchsfertige und Operationalisierbare lässt dabei oft einen inspirationsreichen, aktivierenden Raum entstehen, aus dem Bildung erwachsen kann. Bemerkenswert ist, dass hierzu nicht etwa abstrakte oder gar als lebensfern wahrgenommene Sondierungen erzwungen werden müssen, sondern dass oftmals der neugierig forschende Blick in die Vorbedingungen und Genese der aktuellen Situation oder der historische Vergleich genügen, um Einsichten in die Gegenwart und für die künftige Entwicklung zu gewinnen. Dass ein Alltagsphänomen wie der als bis heute weltweit kultiviertes Genussmittel bekannte Kaffee dem Unterrichtsgegenstand zudem eine meist vernachlässigte ästhetische Dimension verleiht, begünstigt die Absicht, literarisches und ästhetisches Erleben mit dem interkulturellen Fremdsprachenunterricht zu harmonisieren. Wie gezeigt wurde, eröffnet der Kaffee in dieser Hinsicht schnell ein breites Spektrum an kulturhistorischen Entdeckungen und Erkenntnissen, die es ermöglichen, die sprachlichen Ziele mit tiefergehenden Bildungserleb76 Vgl. z. B. „Ex Machina: Réflexion sur les Machines à Café“ [https://www.lavazza.fr/fr/magazine /coffee-culture/coffee-hacks/ex-machina.html]; „Historia del café“, https://www.lavazza.es/es/ revista/coffee-culture/coffee-sips/historia-del-cafe.html [17.01. 2020]; „C de café“, https://www.l avazza.es/es/revista/coffee-culture/the-coffee-book/c-de-cafe.html [17.01. 2020]. 77 Vgl. auch Laurenz Volkmann: Fachdidaktik Englisch, S. 9 u. ö. 78 Vgl. Harro Müller-Michaels’ Definition von Bildung als „das Vermögen, Wissen, Können und Verantwortung so zu entwickeln, dass daraus das Bedürfnis wird, alle eigenen Möglichkeiten ganz auszuschöpfen, um über sich hinauszuwachsen.“ Harro Müller-Michaels: Grundkurs Lehramt Deutsch, Stuttgart 2009 (Uni-Wissen Germanistik), S. 42.

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nissen zu verknüpfen. Auf diese sollte nicht verzichtet werden, denn sie geben dem Sprachenlernen erst seine dringend erforderliche Rückbindung an kulturelle Traditionen und fremde wie eigene Identitätskonstitutionen. Sie betten die (fremd)sprachliche Bewusstheit didaktisch in ein kulturelles Selbstverständnis ein, indem sie organisch, nicht künstlich herbeigeführt, an die Lebenswelt und den persönlichen Erfahrungsbereich der Lernenden anschließen, ohne an der Oberfläche der wahrgenommenen Wirklichkeit stehenzubleiben. Als für die Fokussierung und Ausschärfung derartiger Einsichten besonders produktiv erweist sich, wie das Beispiel der Kulturgeschichte des Kaffees bezeugen mag, die intentionale Verknüpfung von sprachlicher und kultureller Bildung.

Bibliographie Allegro nuovo A1. Kurs- und U¨ bungsbuch Italienisch, mit Audio-CD, von Renate Merklinghaus, Nadia Nuti und Linda Toffolo-Ku¨ nnemann, Stuttgart 2015. Azzurro più. Italienisch Intensivkurs mit Audio-CD [B1+], von Renate Merklinghaus und Linda Toffolo, Stuttgart 2008. Baasner, Frank / Thiel, Valeria: Kulturwissenschaft Italien, Stuttgart 2004 (Uni-Wissen Italienisch). Bakewell, Sarah: Das Café der Existenzialisten. Freiheit, Sein und Aprikosencocktails, aus dem Englischen von Rita Seuß, München 2018 [Originalausgabe: At the Existentialist Café. Freedom, Being and Apricot Cocktails, London 2016]. Brack, Sara M.: Die Geheimnisse der Kaffeekultur. Von der Wiederentdeckung des Gourmetgenusses, Bentwisch / Rostock 2008. Burfeind, Sophie: What the fuck is ‚Latte Macchiato‘? Starbucks verwirrt die USA mit einem neuen Getränk, in: Süddeutsche Zeitung, 5. Januar 2016. Con piacere A1. Lehr- und Arbeitsbuch Italienisch, mit 2 Audio-CDs, von Lorenza Zorzan, Renate Merklinghaus u. a., Stuttgart 2010. Découvertes 2. Série jaune, für den schulischen Französischunterricht, von Birgit Bruckmayer, Laurent Jouvet, Ulrike C. Lange u. a., Stuttgart / Leipzig 2013. Delille, Jacques: Le café, in: Kreyssig, F. (Hg.): Trois siècles de la littérature française. Anthologie française destinée à l’usage des classes supérieures de nos écoles secondaires, Bd. 1, Berlin 1876, S. 320–321. Deutscher Kaffeeverband, Webseite, www.kaffeeverband.de [17. 01. 2020]. Diderot, Denis / Vandenesse, Urbain de: Caffé, s. m. (Hist. nat. bot.), in: Diderot, Denis / Rond d’Alembert, Jean le (Hg.): Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, par une société de gens de Lettres, Bd. 2, Paris 1751, S. 527–259. Dufour, Philippe Sylvestre: De l’Usage du caphé, du thé et du chocolate, Lyon 1671, S. 1–47. [Dufour, Philippe Sylvestre:] Traitez Nouveaux & curieux du café, du thé et du chocolate. Ouvrage également necessaire aux Medecins, & à tous ceux qui aiment leur santé. Par Philippe Sylvestre Dufour. Seconde edition, Lyon 1688. Ebert, Markus: Come diventare italiano in 30 lezioni. Dall’Amore allo Zabaione / Wie man Italiener wird in 30 Lektionen. Von Amore bis Zabaione, München 2016.

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Goldoni, Carlo: La bottega del caffè, in: Tutte le opere di Carlo Goldoni, a cura di Giuseppe Ortolani, Bd. III, 2. Auflage, Milano 1954, S. 1–80. Goldoni, Carlo: La sposa persiana, in: Tutte le opere di Carlo Goldoni, a cura di Giuseppe Ortolani, Bd. IX, Milano 1950, S. 515–593. Göring, Michael: Vor der Wand, Hamburg 2013. Grieser-Kindel, Christin / Henseler, Roswitha / Möller, Stefan: Le guide des méthodes. 33 Methoden für einen kooperativen und individualisierenden Französischunterricht in den Klassen 5–12, Paderborn 2013. Harrap’s Universal Dictionnaire Français – Allemand, nouvelle édition 1999, Edinburgh / Stuttgart 1999. Heringer, Hans Jürgen: Interkulturelle Kompetenz. Ein Arbeitsbuch mit interaktiver CD und Lösungsvorschlägen, Tübingen / Basel 2012. Hosp, Gerald: Kaffee könnte zum Luxusgut werden, in: Neue Zürcher Zeitung, 01. Oktober 2019. Ißler, Roland: Kulturelles Gedächtnis, in: Kühnhardt, Ludger / Mayer, Tilman (Hg.): Bonner Enzyklopädie der Globalität, Bd. 2, Wiesbaden 2017, S. 909–922. Ißler, Roland: Universitäre Lehrerbildung zwischen Tradition und Innovation. Kritische Reflexionen zur Fachkultur der Romanischen Philologie und Fremdsprachendidaktik, in: Corti, Agustín / Wolf, Johanna (Hg.), Romanistische Fachdidaktik. Grundlagen – Theorien – Methoden, Münster 2017 (Salzburger Beiträge zur Lehrer/innen/bildung. Der Dialog der Fachdidaktiken mit Fach- und Bildungswissenschaften, 1), S. 37–53. Jalta, Jacqueline / Joly, Jean-François / Reineri, Roger / Riquier, José: L’Espace mondial. Géographie TesES, L, S, Paris 2008. Katelhön, Peggy / Nied Curcio, Martina: Hand- und Übungsbuch zur Sprachmittlung Italienisch – Deutsch, Berlin 2012. Kauz, Ralph: Weltmarkt, in: Kühnhardt, Ludger / Mayer, Tilman (Hg.): Bonner Enzyklopädie der Globalität, Bd. 1, Wiesbaden 2017, S. 785–793. Klein, Horst G. / Stegmann, Tilbert D.: EuroComRom – Die sieben Siebe: Romanische Sprachen sofort lesen können, 3. Auflage, Aachen 2000 (Editiones EuroCom, 1). Krieger, Martin: Kaffee. Geschichte eines Genussmittels, Köln / Weimar / Wien 2011. Lavazza, Webseite des Unternehmens mit diversen Internet-Präsentationen zur Kaffeekultur, 2017, https://www.lavazza.com/en/utils/all-countries.html [17. 01. 2020]; https:/ /www.lavazza.it/ [17. 01. 2020]; https://www.lavazza.fr [17. 01. 2020]; https://www.lavaz za.es [17. 01. 2020]. Le Procope, Webseite, o. J., https://www.procope.com [03. 07. 2018]. Lessing, Gotthold Ephraim: Hamburgische Dramaturgie, hg. und kommentiert von Klaus L. Berghahn, Stuttgart 1995. Lulu from Montmartre: Non je ne bois pas de café, so what? 16 janvier 2014, http://www.lulu frommontmartre.com/2014/01/non-je-ne-bois-pas-de-caf%C3%A9-so-what.html [21. 01. 2020]. Malatesta, Maria: Il caffè e l’osteria, in: Isnenghi, Mario (Hg.): I luoghi della memoria. Strutture ed eventi dell’Italia unita, Bari 1997, S. 53–66. Mattes, Wolfgang: Methoden für den Unterricht. Kompakte Übersichten für Lehrende und Lernende, Paderborn 2011. Matzig, Gerhard: Pizza wird Kunst, in: Süddeutsche Zeitung, 07. Dezember 2017.

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Christina Bertelmann (Vossenack)

Der Holocaust: Ein Thema für den Französischunterricht in Deutschland?

Im Folgenden geht es um die grundsätzliche Frage, warum der Holocaust mit Schülerinnen und Schülern thematisiert werden soll, welche Position dabei dem schulischen Fremdsprachenunterricht Französisch zufällt und wie didaktische Umsetzungen konkret aussehen können. Vorangestellt sei den Überlegungen in diesem Beitrag die These von der fundamentalen Rolle, die der Holocaust für die menschliche Identität in der Postmoderne spielt.1 Die Erfahrung des Holocaust hat das Selbstverständnis des modernen europäischen Menschen zutiefst erschüttert; als kollektives Trauma erstreckt sich diese Erfahrung bis heute.2 Sie findet einen besonderen Ausdruck in der literarischen und filmischen Verarbeitung. Hier wird dem Erinnern als einem Wesenselement des Menschen ein besonderer Raum gegeben und die Vergangenheit weiterhin lebendig gehalten.3 Die Behandlung des Themas Holocaust im Schulunterricht bietet die Chance, Schülerinnen und Schüler mit dieser für die heutige europäische Gesellschaft grundlegenden Erfahrung zu konfrontieren, ihr Bewusstsein für ihre Verantwortung gegenüber der Vergangenheit zu schärfen und im Sinne interkultureller Verständigung zu wirken. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der deutschfranzösischen Freundschaft von besonderer Bedeutung und entspricht dem Verständnis eines Fremdsprachenunterrichts, der neben dem Kompetenz- auch einen Bildungsbegriff fokussiert, welcher nicht nur fremdsprachliche Basisfertigkeiten für relevant hält, sondern auch soziokulturelles Wissen und das Be1 Vgl. hierzu meine Dissertation: Christina Bertelmann: Tier / Maschine / Avatar. Der Mensch als Mischwesen im zeitgenössischen französischen und italienischen Roman, Bochum 2013, Kapitel V und VI. Dort erläutere ich die Bedeutung des Holocaust für das Selbstverständnis des modernen Menschen anhand detaillierter Analysen u. a. von Primo Levi: Se questo è un uomo und Robert Antelme: L’espèce humaine. 2 Vgl. hierzu z. B. Sabine Bode: Die vergessene Generation: Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen, 4. Auflage, Stuttgart 2004 und dies.: Kriegsenkel: Die Erben der vergessenen Generation, 9. Auflage, Stuttgart 2014. 3 Vgl. hierzu Jan Assmann / Tonio Hölscher (Hg.): Kultur und Gedächtnis, Frankfurt am Main 1988 sowie Maurice Halbwachs: La mémoire collective, édition critique établie par Gérard Namer, Paris 1997.

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wusstmachen der Zugehörigkeit zu einem historischen Kontext ins Zentrum stellt, um die Schülerinnen und Schüler zu mündigen Bürgern der Gesellschaft zu erziehen. In diesem zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist mit den letzten Prozessen gegen überlebende Täter die juristische Aufarbeitung des Holocaust im öffentlichen Raum noch gegenwärtig.4 Von besonderer Aktualität ist das Thema Holocaust im Unterricht im Zusammenhang mit den Aspekten Identitätsverständnis und Fremdenfeindlichkeit. Diese prägen die moderne heterogene Gesellschaft in Deutschland und Frankreich in ganz unterschiedlicher Weise. Vergleichendes interkulturelles Lernen kann hier zu einem besseren Verständnis der aktuellen Situation in beiden Ländern vor dem Hintergrund der globalen Migrationsbewegungen und dem Aufsteigen der Rechtspopulisten in Europa beitragen.5

Das Schicksal der Anne Frank in einer bande dessinée Die Behandlung des Holocaust im schulischen Fremdsprachenunterricht Französisch kann nur ausschnitthaft erfolgen. Ein aufgrund seines hohen Identifikationspotentials für ältere Schülerinnen und Schüler geeigneter Text ist Das Tagebuch der Anne Frank, der als europäischer Kanon- und Referenztext intermedial bis in die Gegenwart rezipiert wird.6 Das Schicksal der Anne Frank ist 4 So z. B. mit dem Urteil gegen John Demjanjuk in München 2011 (http://www.demjanjukprozess.de/inex.htm [25. 07. 2019]), dem Urteil gegen Oskar Gröning in Lüneburg im Juli 2015 (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-07/auschwitz-prozess-groening-zu-vierjahren-haft-verurteilt [25. 07. 2019]) oder dem Urteil gegen Reinhold Hanning in Detmold im Juni 2016 (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/auschwitz-wachmann-reinhold-hanning-ei ne-historische-entscheidung-a-1098295.html [25. 07. 2019]). Vgl. zudem Wolfgang Janisch: Kleine Rädchen in der Tötungsmaschinerie, in: Süddeutsche Zeitung, 14. Juli 2020, https://www. sueddeutsche.de/politik/justiz-ss-wachmann-kz-stutthof-1.4966853 [04. 10. 2020]. 5 Vgl. Malte Buhse: Rassismus ist absolutes Tabuthema, in: Zeit online, 08. August 2013, http://www.zeit.de/2013/33/rassismus-schueler-konfliktforscher [25. 07. 2019] und dpa: Jeder Fünfte unter 30 kennt Auschwitz nicht, in: Zeit online, 25. Januar 2012, http://www.zeit.de/ gesellschaft/2012-01/umfrage-auschwitz [25. 07. 2019] zum Bewusstsein von Rassismus bei Lehramtsanwärtern und Unkenntnis des Holocaust. 6 Vgl. hierzu Anne Frank: Le journal d’Anne Frank, texte établi par Otto H. Frank et Mirjam Pressler, nouvelle édition courante adaptée du néerlandais par Nicolette Oomes et Philippe Noble à partir de la traduction de l’édition critique par Philippe Noble et Isabelle RosselinBobulesco, Paris 2011. Zu Rezeptionen und Adaptationen: Sid Jacobson / Ernie Colón: anne frank. The Anne Frank House authorized graphic biography, New York 2010; die Theaterfassung Le journal d’Anne Frank von Eric-Emmanuel Schmitt 2013, von der im Internet kein Mitschnitt zu sehen, aber Kritiken zu lesen sind, vgl. http://www.eric-emmanuel-schmitt.com /news.cfm?nomenclatureid=1788&newsid=193 [25. 07. 2019]. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den ersten deutschen Kinofilm über Anne Frank, Das Tagebuch der Anne Frank von Hans Steinbichler, aus dem Jahr 2016.

Der Holocaust: Ein Thema für den Französischunterricht in Deutschland?

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gerade auch deshalb für Schülerinnen und Schüler ergreifend, weil sie den vielen jugendlichen Opfern des Nationalsozialismus ein Gesicht gibt. Wie die herrschenden politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse plötzlich in ein ganz normales Leben einbrechen, wird über die Zeugnisse der Anne Frank an einer konkreten Person greifbar. Eine herausragende Adaptation des Tagebuchs ist der 2016 in Frankreich erschienene Comic Journal d’Anne Frank von dem Autoren- und Zeichnerpaar Antoine Ozanam und Nadji, welchen ich im Folgenden zur Behandlung im Französischunterricht vorstellen möchte.7 Er illustriert in eindrucksvollen Bildern die Zeit des Verstecktseins von Anne Frank und ihrer Familie und fokussiert die Auseinandersetzung Annes mit den anderen Erwachsenen, das Erwachen der ersten Liebe und ihr Erwachsenwerden in einem Umfeld, das durch den Einbruch der Politik in das persönliche Leben der Figuren vom Verlust der Freiheit und ständiger Angst geprägt ist. Die Vorteile einer bande dessinée (BD) als Bild-Text-Kombination liegen auf sprachlicher Ebene in der erheblich erleichterten Zugänglichkeit und der ganz eigenen Lektüreerfahrung, gegeben durch die Gleichwertigkeit der Bildebene zum Text und die Möglichkeit des freien Leseflusses. Insgesamt ist das Lesen einer BD mit einem besonderen ästhetischen Reiz verbunden. Grundsätzlich bieten BDs eine hohe Lesemotivation für Schülerinnen und Schüler und ermöglichen ein individualisierendes und differenzierendes Lernen.8 Für den Einsatz im Fremdsprachenunterricht haben BDs einen weiteren gewichtigen Vorteil: Während die Komplexität in Bezug auf den Text deutlich reduziert ist, bieten die zahlreichen Leerstellen vielfältige Anknüpfungspunkte, um selbst sprachlich-kreativ den Text auszugestalten, wie z. B. durch Perspektivwechsel oder Szenisches Spiel (s. u.). In dieser BD ist diese grundsätzliche Eigenheit des Comics in Bezug auf das Schicksal der Anne Frank besonders augenfällig und eindringlich. Das Ende der BD bringt diesen Umstand mit einer ganz in Schwarz gedruckten Seite zum Ausdruck, die die Imagination und Reflexion des Lesers in besonderem Maße anregt.9 Charakteristika des Journal d’Anne Frank sind der reduzierte Zeichenstil und die zugleich eindrucksvolle Mimik der Figuren, die Arbeit mit starken Farbkontrasten sowie das In-den-Vordergrund-Stellen des Tagebuchs bzw. des 7 Antoine Ozanam/ Nadji: Journal d’Anne Frank, Strasbourg / Paris 2016. 8 Vgl. Marie-Françoise Vignaud (Hg.): BD – la vie en bulles [Der fremdsprachliche Unterricht Französisch 97 (2009)], préface: „[La BD] est un support de lecture plus proche des jeunes publics auxquels elle offre différents rythmes de lecture, une sorte de lecture libérée, puisque d’un simple coup d’œil, ils peuvent balayer des pages entières d’images, sauter les textes puis revenir en arrière, une lecture va-et-vient, selon leur bon plaisir.“ In dieser Ausgabe befindet sich auch eine umfassende Auswahlbibliographie zu BDs, vgl. ebd., S. 8. 9 Vgl. Antoine Ozanam / Nadji: Journal d’Anne Frank, S. 131f.

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Schreibprozesses.10 Die Befindlichkeit der Protagonistin und ihre Probleme als Heranwachsende kommen in ihrem beengten Umfeld verdichtet zum Ausdruck.11 Dies wird in der BD zeichnerisch auf originelle Weise dargestellt, so z. B. ihre Verzweiflung, wenn sie sich des Horrors ihrer Situation bewusst wird,12 oder der Kampf mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten, die sich kaum zu einer einheitlichen Anne zusammenfügen lassen.13 Unbedingt sollte diese BD als Ganzschrift gelesen werden, um den inhaltlichen und ästhetischen Wert der Lektüre nicht zu schmälern und die oben erklärten Vorzüge der Arbeit mit einer BD nicht zu beeinträchtigen.

Arbeitsmöglichkeiten mit der BD Journal d’Anne Frank im fremdsprachlichen Unterricht Französisch Bei der Arbeit mit dieser BD stehen neben dem Schulen der literarischen Kompetenz, der Erweiterung des Wortschatzes und dem Erarbeiten von Faktenwissen die persönliche Meinungsbildung im Austausch mit anderen und der Ausdruck einer eigenen Position im Zentrum. Die Schülerinnen und Schüler haben zahlreiche sinnvolle Gelegenheiten zu sprechen, Meinungen zu vertreten, zu beurteilen und zu begründen. So erweitern sie ihre Text- und Medienkompetenz sowie ihre funktionale kommunikative Kompetenz. Darüber hinaus bietet der Comic in besonderer Weise die Möglichkeit eigenständigen Lernens, was die Lernmotivation der Schülerinnen und Schüler steigert. Dabei können verschiedene Lerntempi berücksichtigt und binnendifferenzierend verschiedene Lernertypen angesprochen werden. Der Comic eignet sich für den fortgeführten Französischunterricht in der Q1 oder Q2 im 6./7. bzw. 4./5. Lernjahr in Leistungsoder Grundkurs. Er bietet die Möglichkeit, die von den Richtlinien gewünschte Komplexität des Französischunterrichts zu erfüllen.14 Im Folgenden werden verschiedene Aspekte einer möglichen Unterrichtsreihe mit diversen Methoden skizziert, die als offene Sammlung verstanden werden 10 11 12 13 14

Vgl. ebd., S. 31; 47; 66. Vgl. ebd., S. 65; 82f. Vgl. ebd., S. 118. Vgl. ebd., S. 129f. Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Kernlehrplan für die Sekundarstufe II Gymnasium / Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen Französisch, Düsseldorf 2014, http://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_SII/f/KLP_GOSt_Franzo esisch.pdf [25. 07. 2019], S. 15 (Kap. 2, Kompetenzbereiche und Kompetenzerwartungen): „Insgesamt ist der Französischunterricht in der gymnasialen Oberstufe jedoch nicht allein auf die aufgeführten Kompetenzerwartungen und Themenfelder eingeschränkt, sondern soll Schülerinnen und Schülern ermöglichen, auf vielfältige Weise darüber hinausgehende Fähigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, weiterzuentwickeln und zu nutzen.“

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soll. In Auswahl und variabler Stundenzahl können hier Aspekte erarbeitet werden, die insgesamt keine Klausurreihe bilden, sondern als Projektarbeit in der Oberstufe umgesetzt werden können. Im Vordergrund steht das individualisierende, eigenverantwortliche Arbeiten der Schülerinnen und Schüler.15 Leitgebend ist dabei der vom Kernlehrplan geforderte „Paradigmenwechsel von der Input- zur Outputorientierung.“16 Die besondere Eignung des Comics für einen umfassenden Kompetenzerwerb liegt auch in den zahlreichen Möglichkeiten für die Schülerinnen und Schüler, kreativ zu arbeiten und Empathie zu üben. Die Arbeit mit dem Comic ermöglicht die „Auseinandersetzung mit komplexen, realitätsnahen und anwendungsorientierten Aufgabenstellungen“.17 Fundament der unten näher ausgeführten Methoden und Sozialformen ist eine umfassende, auf Vernetzung angelegte Wortschatzarbeit. Das Sprachniveau dieser BD ist relativ anspruchsvoll. Umgangssprachliche Wendungen, wie sie für viele andere BDs typisch sind, kommen praktisch nicht vor. Eine effektive Methode des eigenständigen und zugleich arbeitsteiligen Lernens ist das Erstellen von Annotationsblättern als Vokabelhilfen durch die Schülerinnen und Schüler selbst.18

Möglichkeiten didaktischer Umsetzungen 1.

Einstieg in die Reihe, Sensibilisierung für das Medium Comic

Im Gegensatz zum klassischen Einstieg in die Arbeit mit einer BD, der häufig darin besteht, dass eine case oder planche gezeigt wird, bei der der Inhalt der bulles getilgt ist, sodass die Aufmerksamkeit zunächst auf die bildliche Darstellung gelenkt wird, ist es hier günstig, umgekehrt vorzugehen, nämlich den Schülerinnen und Schülern den Text der Einstiegsseite ohne Bilder auf Folie vorzulegen.

15 Ebd., S. 12 (Kapitel 1, Aufgaben und Ziele des Faches): „[…] dem Leitbild des aktiven, kooperativen und selbstständigen Lernens. In diesem Sinne bietet der Französischunterricht vielfältige und anregungsreiche Lerngelegenheiten, bei denen die Schülerinnen und Schüler ihr Können und Wissen in gut organisierter und vernetzter Weise erwerben, vertiefen und reflektieren sowie zunehmend mehr Eigenverantwortung für den Erwerb von Kompetenzen übernehmen können.“ 16 Ebd., S. 10. 17 Ebd., S. 12. 18 Vgl. Otto-Michael Blume: Au bord de l’éclatement. Beziehungsgeflechte in der BD No limits analysieren, in: Marie-Françoise Vignaud (Hg.): BD – la vie en bulles [Der fremdsprachliche Unterricht Französisch 97 (2009)], S. 30–35.

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„Chère Kitty, Un jour, tu es arrivée …“ „Joyeux anniversaire, Anne !“ „Je crois que c’est le plus beau cadeau de tous les temps !“ „Attends de découvrir les autres …“ „Pas la peine !“ Ding Dong ! Die Schülerinnen und Schüler werden im bekannten Dreischritt des REP-Schemas, das vom eigenständigen Arbeiten über den Austausch mit einem Partner zur Präsentation in der Gruppe geht (réfléchir – échanger – présenter), nun dazu aufgefordert, Mutmaßungen über die gegebene Situation und Personenkonstellation anzustellen. Sie diskutieren anschließend ihre Ergebnisse. In einem zweiten Schritt sollen sie überlegen, in welcher Art diese Situation zeichnerisch umgesetzt sein kann. Dazu beschreiben sie entweder ihre Ideen oder fertigen selbst eine Skizze an. I 1. Lisez le texte. Réfléchissez : de quelle situation est-ce qu’il s’agit ? Quels personnages participent au dialogue ? 2. Discutez vos idées avec votre partenaire ! 3. Présentez vos idées à la classe ! II 1. Réfléchissez à une possible réalisation en BD ! 2. Échangez avec votre partenaire ! 3. Au choix : Décrivez votre idée en écrivant un petit texte ! // Dessinez votre idée ! Die Präsentation und Besprechung der Ergebnisse werden im Hinblick auf die verschiedenen Spezifika einer BD gebündelt.19 Somit ist eine gelungene Bewusstmachung der Eigenheiten des Mediums sichergestellt und die Motivation der Schülerinnen und Schüler wird angeregt. 19 Vgl. hierzu das Kapitel „L’art de la bande dessinée“ in Eliane Grandet / Cécile Veneman: Horizons. Atelier: La BD, Stuttgart 2011, S. 16–30. Dieses ist unterteilt in die Kategorien „graphisme“, „mise en page“, „plans, angles, mouvement“, „couleur“, „texte et paraverbal“ und bietet Anregungen für zielführende Fragestellungen. Außerdem ist es eine gute Vorlage für die Erstellung eines Übersichtsblattes mit den wichtigsten Informationen. Von besonderem Wert ist auch das letzte Kapitel („Atelier: Réaliser sa propre BD“), welches in einem Minikurs zum eigenen Zeichnen anleitet.

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Nach der Erarbeitung der Einstiegsseite bietet sich ein Gespräch über den weiteren Verlauf der Geschichte an, in dem die Schülerinnen und Schüler dazu aufgefordert werden, Hypothesen zu bilden.20 Sicher ist das Schicksal der Anne Frank den meisten bekannt; wenige werden allerdings das Tagebuch selbst gelesen haben. Hier ist es also zum einen interessant, auf inhaltlicher Ebene den Blick der Schülerinnen und Schüler auf die Situation des langen Eingesperrtseins im Versteck zu lenken, sodass sie sich intensiver in die Heranwachsende hineinversetzen. Zum anderen wird, aufbauend auf die Einstiegsarbeit, auf einer Metaebene immer wieder der Fokus auf die Anbindung der Geschichte an das Medium Comic gelegt. Im weiteren Verlauf der Erarbeitung der BD stehen klassische Methoden wie das Füllen von Leerstellen durch die eigene Einsetzung von Text in geweißte bulles, die Analyse und gemeinsame Betrachtung einzelner sowie die Entwicklung eigener cases. Dies kann auch gut auf gebündelte Art arbeitsteilig und binnendifferenzierend erfolgen, wenn das Material für die Gruppen in vervielfältigter und angepasster Form ausgeteilt wird: → Vous travaillez en groupe, d’abord avec la page sans texte : 1. Décrivez la composition des images du strip et analysez de plus près l’attitude des personnages et l’usage des couleurs. (travaillez à 2) 2. Réfléchissez à ce que les personnes pourraient dire dans ce strip. (travaillez à 2) 3. Présentez ensuite vos résultats et discutez-en. (travaillez à 4) → Regardez ensuite la page avec le texte. 4. Comparez votre version à l’original. Analysez le rapport des images aux paroles et expliquez les différences entre les deux versions. (travaillez à 2) 5. Imaginez ce qui pourrait se passer par la suite. Dessinez votre propre bandeau. N’oubliez pas de placer votre texte dans les bulles ! (travaillez à 2) 6. Préparez la présentation en classe.

20 Eynar Leupold verweist auf das Inferieren als wesentlichen Teil des Verstehensprozesses, vgl. Eynar Leupold: Französisch lehren und lernen. Das Grundlagenbuch, Seelze 2010, S. 312f.

214 2.

Christina Bertelmann

Vertiefung: intermedialer Vergleich

In Form eines Gruppenpuzzles wird ein Textausschnitt aus dem Tagebuch der Anne Frank mit einer passenden planche der BD verglichen. Die Analyseergebnisse werden im Plenum gebündelt. Im Anschluss erfolgt ein persönlicher schriftlicher Kommentar. Im Gruppenpuzzle arbeiten zunächst die Gruppen A und B getrennt. Anschließend werden Vertreter beider Gruppen gemischt, sodass sich A und B in Kleingruppen gegenseitig ihre Ergebnisse vorstellen können. Gruppenpuzzle: → groupe A: Résumez l’extrait du texte. Faites ensuite le portrait d’Anne en examinant comment elle se présente elle-même et ses sentiments (contenu des phrases, choix des mots). → groupe B: Résumez le contenu des bandes. Faites ensuite le portrait d’Anne en examinant comment elle et ses sentiments sont présentés (contenu des phrases, choix des mots, représentation graphique). Im Plenum: → Comparez les résultats des analyses de l’extrait du texte et de la BD. Précisez en quoi consistent les différences ! Einzelarbeit schriftlich: → Commentez ensuite les effets que ces deux extraits produisent et expliquez : Lequel vous impressionne le plus et pourquoi ?

3.

Perspektivübernahme

3.1

Verfassen fiktiver Monologe / Dialoge, Tagebucheinträge, Briefe

Über die Methode der Perspektivübernahme wird ein wesentlicher Beitrag zum Leseverstehen geleistet; Imagination und Empathie werden hier in hohem Maße angeregt.21 Für das Genre BD sind zahlreiche Leerstellen charakteristisch, sodass sich auch im Journal d’Anne Frank viele Anknüpfmöglichkeiten für Monologe, Dialoge oder Tagebucheinträge aus der Sicht anderer Figuren als Anne anbieten. 21 Vgl. Kaspar Spinner: Kreativer Deutschunterricht: Identität – Imagination – Kognition, Stuttgart 2001.

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Sehr zu empfehlen ist für das Verfassen der Texte die Arbeit in einer Schreibwerkstatt, in der die Schülerinnen und Schüler zunächst eigenständig schreiben, dann aber mehrfach die Gelegenheit bekommen, ihre Ergebnisse in der Kleingruppe zu präsentieren. Dies kann mündlich durch Vorlesen oder schriftlich durch das Durchreichen der Texte durch die Gruppe erfolgen, wobei von jedem Mitglied schriftliche Kommentare gesammelt werden. So profitieren die Schülerinnen und Schüler von einem geschützten Raum, in welchem sie konstruktives Feedback (mithilfe zuvor festgelegter Kriterien) erhalten und anschließend die Möglichkeit haben, ihre Texte zu überarbeiten. Die Präsentation von Ergebnissen und deren Begutachtung in einem Gallery Walk stellen für die Schülerinnen und Schüler eine besondere Würdigung ihrer Arbeitsergebnisse dar und geben diesen einen offiziellen Rahmen. Dabei müssen die Schülerinnen und Schüler hier andere Ergebnisse bewerten und vergleichen und zugleich ihre eigenen Ergebnisse vertreten. Dies erhöht den Motivationsanreiz.22 3.2

Stellungnahme zum Verhalten der Figuren

Ein sinnvoller Sprechanlass ist das Vorbereiten einer Stellungnahme zum Verhalten der Figuren, welche sich an vielen Stellen anbietet. Hier wird wieder die Empathiefähigkeit der Schülerinnen und Schüler gestärkt, zugleich schärfen sie ihre Urteilskraft. An das Lesen von ausgewählten Szenen schließt sich im Plenum ein leicht zu organisierendes Carrousel23 an, in welchem alle Schülerinnen und Schüler der Gruppe untereinander in einen kurzen mündlichen Austausch treten. Die entsprechende Frage, die alle gemeinsam mit wechselnden Partnern diskutieren sollen, wird über Folie angezeigt, die vorgegebene Zeit mit einem akustischen Signal angegeben. Auf diese Weise können die Schülerinnen und Schüler zunächst verschiedene Meinungen sammeln, bevor sie dann kurz Zeit bekommen, um sich auf einen eigenen Standpunkt festzulegen. Dieser kann entweder mit einem Positionsstreifen mündlich abgefragt werden oder in Form einer prise de position schriftlich erfolgen.

22 Vgl. zu den Methoden Schreibwerkstatt und Gallery Walk: Ludger Brüning / Tobias Saum: Erfolgreich unterrichten durch Kooperatives Lernen, 2 Bände, Essen 2009. 23 Vgl. hierzu auch Otto-Michael Blume: Sprechen und Schreiben fördern, in: Hans-Ludwig Krechel (Hrsg.): Französisch-Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2007, S. 131–179, hier S. 156.

216 4.

Christina Bertelmann

Ein szenisches Spiel erarbeiten

Hier handelt es sich um eine besondere Art der Perspektivübernahme und des Füllens von Leerstellen. Wieder bieten sich zahlreiche Anknüpfungspunkte innerhalb der BD an. Eine schauspielerische Umsetzung fordert die Schülerinnen und Schüler in ihrer ganzen Persönlichkeit auf der intellektuellen, sprachlichen und körperlichen Ebene. Sie üben sich hier ernsthaft in Empathie, denn die Rolle muss glaubhaft gespielt werden, um die anderen zu überzeugen. Es ist eine sehr anspruchsvolle, aber auch sehr motivierende Möglichkeit der Auseinandersetzung. Im Anschluss an eine ausgewählte Stelle der BD denken die Schülerinnen und Schüler sich in der Gruppe eine dazu passende folgende Szene aus, zu der sie selbst einen Dialog schreiben. Diesen üben sie zur Präsentation ein, wobei sie sich an zuvor festgelegten Kriterien orientieren. Im Plenum werden dann die verschiedenen Szenen präsentiert. Währenddessen füllen die zuschauenden Schülerinnen und Schüler mithilfe der bekannten Kriterien einen Beobachtungsbogen aus. Abschließend werden das gelungenste Szenario und die gelungenste Präsentation gewählt.

5.

Diskussion

Zum Ende der Reihe sollte auf einer Metaebene diskutiert werden, ob den Schülerinnen und Schülern grundsätzlich die Lektüre des Tagebuchs der Anne Frank noch zeitgemäß erscheint. Hier üben sie sich in der differenzierten Meinungsbildung und im Vertreten einer eigenen Position im mündlichen Austausch. Interessante Diskussionspunkte sind die Aktualität des Schicksals von Anne und ihrer Familie im 21. Jahrhundert sowie die Frage, ob sich Lehren aus der Geschichte ziehen lassen. Als Methoden zum Sammeln von Argumenten bieten sich das Carrousel sowie die Vier-Ecken-Methode an.24 Eine Podiumsdiskussion bietet den SuS die Möglichkeit, mit zuvor festgelegten Rollen auf gelenkte Weise Meinungen auszutauschen. Denkbar ist hier ein Bezug zur Gegenwart mit der Aufnahme von rechtspopulistischen Positionen.

24 Vgl. Ludger Brüning / Tobias Saum: Erfolgreich unterrichten durch Kooperatives Lernen.

Der Holocaust: Ein Thema für den Französischunterricht in Deutschland?

6.

217

Kritische Stellungnahme zu Antoine Ozanams Vorwort / Einen Brief an den Autor bzw. Zeichner schreiben

Eine andere Möglichkeit der abschließenden Reflexion auf einer Metaebene ist die schriftliche Auseinandersetzung mit Antoine Ozanams Vorwort, in welchem er seinen ideellen Anspruch darlegt. Hier können die Schülerinnen und Schüler kritisch hinterfragen und Stellung dazu nehmen, ob und warum sie dies positiv bewerten, oder mögliche Einwände wie z. B. die Unangemessenheit der Darstellung im Medium Comic vorbringen. Alternativ dazu kann ein (fiktiver oder wirklich abzuschickender) kritischer Leserbrief an den Autor oder den Zeichner des Journal verfasst werden, in welchem die Schülerinnen und Schüler auch dezidiert auf die Wirkung eingehen, die das Werk auf sie persönlich hat. Au choix : → Relisez la préface d’Antoine Ozanam et examinez ses arguments et son point de vue. Prenez position ! → Vous avez la possibilité d’écrire une lettre à Antoine Ozanam / Nadji dans laquelle vous exprimez votre opinion personnelle concernant son Journal. Rédigez cette lettre !

Schluss Mit der Behandlung des Schicksals der Anne Frank und dessen Verarbeitung im zeitgenössischen französischen Comic kann der Französischunterricht neben der Vermittlung von grundlegenden Lese-, Sprech- und Schreibkompetenzen in der französischen Sprache einen wichtigen Beitrag zur persönlichen Bildung der Schülerinnen und Schüler leisten, indem er ihnen in der Begegnung mit den Figuren die grundlegende Bedeutung des Holocaust konkret vor Augen führt. Die Schülerinnen und Schüler erweitern über die Auseinandersetzung mit dem Comic ihr soziokulturelles Bewusstsein, vertiefen ihre Empathiefähigkeit, schulen ihre ästhetische Wahrnehmung, praktizieren den Austausch mit anderen und schärfen ihre selbständige Urteilskraft. Vor allem aber lernen sie mit der BD Journal d’Anne Frank auch, wie vielfältig, tiefgründig und gewinnbringend der Umgang mit Literatur sein kann.

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Bibliographie Primärtexte Frank, Anne: Le journal d’Anne Frank, texte établi par Otto H. Frank et Mirjam Pressler, nouvelle édition courante adaptée du néerlandais par Nicolette Oomes et Philippe Noble à partir de la traduction de l’édition critique par Philippe Noble et Isabelle Rosselin-Bobulesco, Paris 2011. Ozanam, Antoine / Nadji: Journal d’Anne Frank, Strasbourg / Paris 2016.

Sekundärliteratur Assmann, Jan / Hölscher, Tonio (Hg.): Kultur und Gedächtnis, Frankfurt am Main 1988. Bertelmann, Christina: Tier / Maschine / Avatar. Der Mensch als Mischwesen im zeitgenössischen französischen und italienischen Roman, Bochum 2013. Blume, Otto-Michael: Au bord de l’éclatement. Beziehungsgeflechte in der BD No limits analysieren, in: Marie-Françoise Vignaud (Hg.): BD – la vie en bulles [Der fremdsprachliche Unterricht Französisch 97 (2009)], S. 30–35. Blume, Otto-Michael: Sprechen und Schreiben fördern, in Krechel, Hans-Ludwig (Hg.): Französisch Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2007, S. 131–179. Blume, Otto-Michael / Lange, Ulrike / Schumacher, Silke / Semsch, Klaus: Horizons. Atelier: Sicher ins Abitur, Stuttgart 2013. Bode, Sabine: Die vergessene Generation: Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen, 4. Auflage, Stuttgart 2004. Bode, Sabine: Kriegsenkel: Die Erben der vergessenen Generation, 9. Auflage, Stuttgart 2014. Brüning, Ludger / Saum, Tobias: Erfolgreich unterrichten durch Kooperatives Lernen, 2 Bände, Essen 2009. Buhse, Malte: Rassismus ist absolutes Tabuthema, in: Zeit online, 08. August 2013, http://www.zeit.de/2013/33/rassismus-schueler-konfliktforscher [25. 07. 2019]. Demjanjuk-Prozess: http://www.demjanjuk-prozess.de/inex.htm [25. 07. 2019]. dpa: Jeder Fünfte unter 30 kennt Auschwitz nicht, in: Zeit online, 25. Januar 2012, http://www.zeit.de/gesellschaft/2012-01/umfrage-auschwitz [25. 07. 2019]. dpa: Oskar Gröning zu vier Jahren Haft verurteilt, in: Zeit online, 15. Juli 2015, http:// www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-07/auschwitz-prozess-groening-zu-vierjahren-haft-verurteilt [25. 07. 2019]. Grandet, Eliane / Veneman, Cécile: Horizons. Atelier: La BD, Stuttgart 2011. Halbwachs, Maurice: La mémoire collective, édition critique établie par Gérard Namer, Paris 1997. Jacobson, Sid / Colón, Ernie: anne frank. The Anne Frank House authorized graphic biography, New York 2010. Janisch, Wolfgang: Kleine Rädchen in der Tötungsmaschinerie. Im Prozess gegen Bruno D., SS-Wachmann im KZ Stutthof, geht es um die schwierige Frage, ob Helfer, die nicht in einem Vernichtungslager arbeiteten, dennoch wegen Beihilfe zum Mord zu verurteilen

Der Holocaust: Ein Thema für den Französischunterricht in Deutschland?

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sind, in: Süddeutsche Zeitung, 14. Juli 2020, https://www.sueddeutsche.de/politik/justi z-ss-wachmann-kz-stutthof-1.4966853 [04. 10. 2020]. Krechel, Hans-Ludwig (Hrsg.): Französisch-Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2007. Leupold, Eynar: Französisch lehren und lernen. Das Grundlagenbuch, Seelze 2010. Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Abiturvorgaben NRW 2017 für GK und LK fortgeführt, https://www.standardsicherung.schulministeri um.nrw.de/cms/zentralabitur-gost/faecher/getfile.php?file=3532 [25. 07. 2019]. Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Kernlehrplan für die Sekundarstufe II Gymnasium / Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen Französisch, Düsseldorf 2014, http://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_SII/f/K LP_GOSt_Franzoesisch.pdf [25. 07. 2019]. Schmitt, Eric-Emmanuel: Le journal d’Anne Frank, http://www.eric-emmanuel-schmitt. com/news.cfm?nomenclatureid=1788&newsid=193 [25. 07. 2019]. Schulz, Benjamin: Urteil im Auschwitz-Prozess: ‚Sie haben zugesehen, wie Menschen in Gaskammern ermordet wurden‘, in: Spiegel online, 17. Juni 2016, http://www.spiegel.de /panorama/justiz/auschwitz-wachmann-reinhold-hanning-eine-historische-entschei dung-a-1098295.html [25. 07. 2019]. Spinner, Kaspar: Kreativer Deutschunterricht: Identität – Imagination – Kognition, Seelze 2001. Vignaud, Marie-Françoise (Hg.): BD – la vie en bulles [Der fremdsprachliche Unterricht Französisch 97 (2009)].

Laurenz Volkmann (Jena)

Das Erproben interkultureller Begegnungssituationen in critical incidents: Zehn Beispiele für die Komplexität einer viel empfohlenen Lehr-Lern-Methode

Von der Theorie zur Praxis der interkulturellen Begegnung The proof of the pudding is in the eating – so lautet ein englisches Sprichwort, frei übersetzt als Probieren geht über Studieren. Auf den Fremdsprachenunterricht übertragen, könnte diese Sentenz ein Kernproblem der schulischen Vermittlung einer lebenden Sprache illustrieren: Erst in der Praxis der realen, gegebenenfalls auch virtuell geprägten Begegnungssituation außerhalb des Klassenzimmers kann die im Europäischen Referenzrahmen, in den KMK-Standards und Lehrplanvorgaben der 16 Bundesländer paradigmatisch geforderte interkulturelle kommunikative Kompetenz als wirklich praktizierte Kommunikationskompetenz zum Tragen kommen. Erst die Praxis der Begegnung kann zeigen, ob vielfach einstudierte kommunikative Akte in der Fremdsprache gelingen oder scheitern. Es gilt entsprechend als Gemeinplatz didaktischer Konzeptionen, dass Lehr-Lern-Szenarien möglichst realitätsnahen Charakter aufzuweisen hätten. Ziel sei es, schülernahe Themen, Kommunikationsimpulse und -szenarien zu modellieren sowie Anlässe und Anreize zum Erlernen und Erproben der entsprechenden sprachlichen Mittel zu schaffen. Die Fremdsprachendidaktik hat in jüngster Zeit die im Bereich der Interkulturellen Wirtschaftskommunikation1 entwickelten und vielfach empfohlenen wie praktizierten Methodenarsenale der critical incidents für sich entdeckt.2 1 Vgl. Gerhard Apfelthaler: Interkulturelles Management. Die Bewältigung kultureller Differenzen in der internationalen Unternehmenstätigkeit, Wien 1999; Robert Gibson: Intercultural Business Communication: Fachsprache Englisch, Berlin 2000; Jürgen Straub: Lerntheoretische Grundlagen, in: Arne Weidemann / Jürgen Straub / Steffi Nothnagel (Hg.): Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? Theorie und Praxis von Lehrmethoden in der Universitäts- und Hochschulausbildung, Bielefeld 2010, S. 31–98. 2 Vgl. die Diskussion bei Lothar Bredella: Überlegungen zur Lehre interkultureller Kompetenz, in: Arne Weidemann / Jürgen Straub / Steffi Nothnagel (Hg.): Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? Theorie und Praxis von Lehrmethoden in der Universitäts- und Hochschulausbildung, Bielefeld 2010, S. 99–120; Laurenz Volkmann: Fachdidaktik Englisch: Kultur und Sprache, Tübingen 2010; Laurenz Volkmann: Literary Literacy and Intercultural Competence:

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Critical incidents als modellartige, ein Schlaglicht auf interkulturelle Missverständnisse oder Spannungssituationen werfende Begegnungsszenarien fiktionaler oder nichtfiktionaler Art liefern das didaktische Versprechen, durch eingehende Rezeption, genauere Analyse, vielfältiges Experimentieren und Erproben interkultureller Begegnungssituationen sowie durch einen gewissen Grad der Generalisierung ihrer Aussagekraft eine optimale, auf pragmatische Kompetenzentwicklung ausgerichtete Lehr-Lern-Situation gestalten zu können. Im vorliegenden Beitrag geht es darum, die viel versprechenden didaktischen Möglichkeiten des Einsatzes von critical incidents eingehender auszuloten und anhand von zehn Beispielen aufzuzeigen, dass derartige Miniszenarien durchaus hohes Lehr-Lern-Potenzial mit sich tragen. Zugleich soll gezeigt werden, dass sie höchst unterschiedliche Komplexitätsdimensionen entfalten (können), welche in Programmen oder Empfehlungen zur Anwendung von critical incidents bisher zu wenig beachtet wurden. Die Erörterung von zehn unterschiedlichen critical incidents soll dabei nach der folgenden knappen Einbettung in gegenwärtige Konzeptionen von interkultureller kommunikativer Kompetenz geschehen.

Critical incidents und interkulturelle kommunikative Kompetenz Das Beschreiben von oder Hinweisen auf (mögliche) critical incidents, so mag zunächst aus Sicht der Fremdsprachendidaktik vermerkt sein, ist im Grunde genommen fester Bestandteil des bisherigen Englischunterrichts, ohne dass jener Terminus konkret verwendet beziehungsweise methodisch eingehender darauf eingegangen wurde.

Furthering Students’ Knowledge, Skills and Attitudes, in: Werner Delanoy / Maria Eisenmann / Frauke Matz (Hg.): Learning with Literature in the EFL Classroom, Frankfurt am Main 2015, S. 49–66; Vera Busse: Critical Incidents: Zwischen Cultural Awareness und kultureller Reduktion, in: Praxis Fremdsprachenunterricht 2 (2017), S. 13–15.

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Critical incident 1 Look left – look right

Abb. 1: Straßenmarkierung zum Linksfahrgebot in Großbritannien. Foto: Laurenz Volkmann.

Das Linksfahrgebot in Großbritannien und vielen Ländern des Commonwealth sowie die damit dringend notwendige Beachtung der entsprechend anderen Verkehrsregeln sollten spätestens vor einer Schulexkursion nach London zu den Lerninhalten des Englischunterrichts gehören. Das abgebildete Signal stellt also eine ausdrückliche Warnung vor kritischen Situationen für Fußgänger dar. In der Regel wird eine derartige Instruktion weniger mit der Erörterung interkultureller Bedeutungsfacetten – wie etwa der historischen Bedingtheit des Linksverkehrs – zu tun haben, zumindest aber das Thema des kulturell Fremden oder Anderen aufwerfen. Tiefer gehende Dimensionen der Alteritätsbegegnung lassen sich dann ansprechen, wenn typisch englischsprachige Redewendungen oder Sprichwörter thematisiert werden. Critical incident 2 „Money talks“ – „Time is money“

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Die interkulturelle Forschung hat dazu angeregt, derartige Redewendungen als Ausdruck einer kulturspezifischen Einstellung zu bestimmten Kulturstandards – hier die pragmatische Einstellung zu Geld als Kernkapital sozialer Beziehungen – zu verstehen und auf der Basis kontrastiver Vergleiche mit der Eigenkultur Aussagen über Mentalitätsunterschiede zu tätigen. Verbunden wird dies mit Empfehlungen zu kommunikativem Handeln in der Zielkultur.3 Die bisher vorgestellten critical incidents sind dabei eher Vorformen der Miniszenarien, also critical incidents in nuce, und dienen hier zum argumentativen Hinführen, zur thematischen Einbettung von critical incidents in die Konzeption von interkultureller kommunikativer Kompetenz. In den genannten Minibeispielen zeigt sich, dass critical incidents einen Doppelcharakter aufweisen: Sie sind einerseits textuelle oder semiotisch encodierte, modellhaft erscheinende Quellen, andererseits fordern sie auf zur Erläuterung, Behandlung und zum kognitiv-erklärenden und auch spielerisch-experimentellen Umgang mit dem Ziel, optimierte kommunikative Handlungskompetenz mit Bezug auf die Zielsprache oder Zielkultur zu verschaffen. Wie wenig sich letztlich das Verständnis von interkultureller Kompetenz in den letzten Jahrzehnten, trotz Standardisierungs-, Outputorientierung und Überlegungen zum transkulturellen Lernen in globalisierten, auch virtuell bestimmten Szenarien, verändert hat, zeigt eine Definition aus dem Jahre 1991: Intercultural competence […] identifies the ability of a person to behave adequately and in a flexible manner when confronted with actions, attitudes and expectation of foreign cultures. Adequacy and flexibility imply an awareness of the cultural differences between one’s own and the foreign culture and the ability to handle cross-cultural problems which result from these differences. Intercultural competence includes the capacity of stabilizing one’s self-identity in the process of cross-cultural mediation […].4

Der hierbei angesprochene Aspekt der Wechselbeziehung zwischen fremder und eigener Perspektive ist als hermeneutische Herausforderung und als dynamischer kommunikativer Mediationsprozess der Perspektivenübernahme, des Perspektivwechsels und der Perspektivenkoordination verschiedener interner und externer Sichtweisen eingehender beschrieben und modelliert worden.5 Am einfluss3 Vgl. Gerhard Apfelthaler: Interkulturelles Management, S. 36. 4 Meinert Meyer: Developing Transcultural Competence: Case Studies of Advanced Language Learners, in: Dieter Buttjes / Michael Byram (Hg.): Mediating Languages and Cultures: Towards an Intercultural Theory of Foreign Language Education, Clevedon 1991, S. 137. 5 Vgl. etwa Heinz Antor: Die Vermittlung Interkultureller Kompetenz an der Universität: Das Beispiel Kanada, in: Laurenz Volkmann / Klaus Stierstorfer / Wolfgang Gehring (Hg.): Interkulturelle Kompetenz, Tübingen 2002, S. 156; Ansgar Nünning: Fremdverstehen und Bildung durch neue Weltansichten: Perspektivenvielfalt, Perspektivenwechsel und Perspektivenübernahme durch Literatur, in: Wolfgang Hallet / Ansgar Nünning (Hg.): Neue Ansätze und Konzepte der Literatur- und Kulturdidaktik, Trier 2007, S. 135.

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reichsten für die Definition, Modellierung und Kategorisierbarkeit interkultureller kommunikativer Kompetenz gilt nach wie vor das Modell von Michael Byram, welches neben der kritischen interkulturellen Abwägung verschiedener Perspektiven (savoir s’engager) verschiedene Dimensionen fokussiert:6 So das savoir être, welches Byram als „curiosity and openness, readiness to suspend disbelief and judgment about other culture“ definiert. Ausdifferenzierend und mit aktueller Terminologie formuliert,7 handelt es sich dabei um Teilkompetenzen wie Ambiguitäts- und Frustrationstoleranz, die Fähigkeit zur Stressbewältigung und Komplexitätsreduktion, Empathie, Rollendistanz, Vorurteilsfreiheit, Infragestellen von Ethnozentrismus, Toleranz oder Respekt gegenüber anderen Kulturen, interkulturelle Lernbereitschaft etc. Den zweiten Bereich der savoirs (knowledge) konzeptualisiert Byram mit Bezug auf das Wissen des Kommunizierenden über die Zielkultur(en) sowie den Prozess der Interaktion, es handelt sich demnach um prozedural nutzbar zu machende faktenbasierte soziokulturelle, politische, ökonomische, geographische u. a. Wissensbestände. Der dritte von Byram genannte Kompetenzbereich ist der des savoir apprende / faire sowie des savoir comprendre, vor allem geht es dabei um „the skills for interpreting and relating as well as skills of discovery and interacting”.8 In Anlehnung an Straub et al. beinhaltet dies das Verständnis unterschiedlicher Kulturphänomene und kultureller Zusammenhänge (inkl. eigenkultureller Handlungszusammenhänge) bei Wahrnehmung, Denken, Einstellungen sowie bei differenten wie gleichartigen Verhaltens- und Handlungsweisen, mit Bezug auf individuelle wie kollektive Muster.9 Es beinhaltet insbesondere verhaltensbezogene und praxisbezogene Dimensionen wie Fähigkeit, Willen und Bereitschaft zur Kommunikation, soziale Kompetenz sowie die Fähigkeit, Beziehungen und Vertrauen zu fremdkulturellen Interaktionspartnern aufzubauen. Übertragen auf die Fokussierung von critical incidents lassen sich somit verschiedene Komponenten der Kompetenzentwicklung beschreiben: In der Auseinandersetzung mit critical incidents entdecken die Lernenden kulturelle Differenzen wie Gemeinsamkeiten, sie erkennen die soziokulturelle Geprägtheit des jeweils anderen (kommunikativen) Verhaltens der Beteiligten. Sie erörtern und erproben Möglichkeiten erfolgreichen Kommunizierens, trotz erkannter kultureller Unterschiede. Spezifizieren lassen sich diese Elemente sowie die didakti6 Michael Byram: Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence, Clevedon 1997, S. 34; Nancy Grimm / Michael Meyer / Laurenz Volkmann: Teaching English, Tübingen 2015, S. 166. 7 Vgl. Jürgen Straub / Steffi Nothnagel / Arne Weidemann: Interkulturelle Kompetenz lehren. Begriffe und theoretische Voraussetzungen, in: Dies. (Hg.): Wie lehrt man interkulturelle Kompetenz? Theorie und Praxis von Lehrmethoden in der Universitäts- und Hochschulausbildung, Bielefeld 2010, S. 19. 8 Ebd. 9 Vgl. ebd.

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schen Dimensionen von critical incidents anhand einer kurzen Szene aus der erfolgreichen Filmkomödie Crocodile Dundee. Im australischen Outback entwickelt sich folgender Wortwechsel zwischen der US-amerikanischen Journalistin Sue Charlton und dem Aboriginal Neville Bell:10 Critical incident 3 Neville Bell: Oh no, you can’t take my photograph. Sue Charlton: Oh, I’m sorry, you believe it will take your spirit away. Neville Bell: No, you got a lens-cap on it.

Ironisch wird hier mit stereotypen Vorstellungen von Wildheit und Zivilisation gespielt: Die amerikanische Protagonistin glaubt in ihrer Replik im Sinne sprachlicher repair work ihren vermeintlichen interkulturellen faux pas berichtigen zu wollen, sie versetzt sich in die vermutete Mentalität des Eingeborenen, der clichéhaft dem wilden Denken verbunden scheint und entsprechend das Fotografieren als Raub seiner Seele verstehen könnte. Der wirkliche Grund für den Hinweis auf die Modalität des Nicht-Könnens, keinesfalls des Nicht-Dürfens, welchen die englische Grammatik in der ambivalenten Semantik der Negation des Hilfsverbs can bedingt, erscheint entsprechend viel banaler und allerweltlicher – und der Hinweis des Aboriginals signalisiert lakonisch eine deutliche Vertrautheit mit den technischen Geräten der Zivilisation. Mit dieser Interpretation des durchaus vielschichtigen Spiels mit Stereotypen in dieser Szene kann bereits gezeigt werden, dass Vorannahmen über die kulturelle Geprägtheit des jeweiligen Kommunikationspartners selbst konterkariert werden können, da – gewissermaßen in einer endlosen Feedbackschleife – eine jeweilige Berücksichtigung der Vorannahmen des Anderen selbst zu Kommunikationsproblemen führen kann. Die hier nur knapp angedeutete Analyse der Oberflächen- und Tiefenstruktur des Kurzdialogs deutet zugleich auf eine gängige interpretatorische Herangehensweise an kulturell geformte Kommunikationssituationen hin. Als prägend hat sich in der Literatur wie in Seminaren oder Kursen zu critical incidents das so genannte iceberg model von Kulturen erwiesen.11 Es funktioniert mit einer scheinbar einfachen Gegenüberstellung von sichtbaren, greifbaren bzw. manifest werdenden kulturellen Phänomenen (Spitze des Eisbergs) mit dem weit größeren Anteil von unsichtbaren, semiotisch zu entschlüsselnden Kulturkonzepten oder Kulturdimensionen, welche den Oberflächenelementen zugrunde liegen. Kulturelle Manifestationen wie Essen, Trinken, Kleidung, Spiele, Literatur, Kunst, 10 Peter Fahman (Regie): Crocodile Dundee, Australien 1986. 11 Vgl. Robert Gibson: Intercultural Business Communication, S. 16; Grimm et al.: Teaching English, S. 160.

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typische Gebräuche, aber auch nonverbales wie verbales Verhalten sind demnach Ausdruck von je kulturell different zu definierenden Mustern, also kulturellen Standards beim Umgang mit Zeit, Raum, Macht, Geschichte, Individualität, Kollektivität, Unsicherheit, Maskulinität und Femininität und Natur.12 Beim Umgang mit critical incidents geht es demnach um die Fokussierung auf die Oberflächen- wie Tiefenstruktur des jeweiligen Szenarios. Die Oberflächenstruktur, ein Narrativ oder hier ein Minidialog, wird in Form eines fiktiven, realitätsnahen oder humorvoll überzogenen Textes in einem gedruckten, filmischen oder darstellerischen Medium präsentiert. Diese Oberflächenstruktur dient dazu, einen bestimmten interkulturellen Sachverhalt sinnbildlich zu präsentieren. Die Tiefenstruktur des Sachverhalts gilt es dann mit verschiedenen Verfahrensweisen aufzudecken und für optimierte praktische Handlungsempfehlungen aufzuarbeiten.13 Der Umgang mit critical incidents kann dabei nach der Präsentationsphase in unterschiedlicher Kombination und mit Bezug auf unterschiedliche Elemente folgende methodische Vorgehensweisen beinhalten: – Beschreibung und / oder Umschreibung des Szenarios, mit oder ohne Deutung – Erklärung des interkulturellen Missverständnisses auf der Oberflächenebene – Unterschiedliche Interpretationen des Missverständnisses und (optional) Beurteilungen – Bezug auf Interpretations- und Lösungsvorschläge durch Experten – Eigene Formulierung von Lösungsvorschlägen – Reflexion über entdeckte interkulturelle Unterschiede auf Oberflächen- wie Tiefenebene – Übertragung auf andere critical incidents mit (oder ohne) ähnlichen kulturellen Thematiken – Rollenspiele, gelenkt oder ungelenkt, Präsentation von gelungenen und nicht gelungenen Szenen, mit oder ohne Reflexion über die Tiefenstrukturen Aus Sicht der philosophischen Hermeneutik hat Lothar Bredella zum Einsatz von critical incidents folgende Wertung formuliert: Positiv ist an den ‚critical incidents‘ hervorzuheben, dass sie das Bewusstsein für unterschiedliche Interpretationen einer Situation schärfen, zur Reflexion anregen und somit vorschnelle Schlüsse verhindern. Aber es besteht bei ihnen die Gefahr, dass sie zur Stereotypenbildung beitragen und Menschen als Exemplare ihrer Kultur betrachten. Problematisch werden sie, wenn sie die Auffassung nahe legen, dass wir mit dem Erwerb der Regeln und Kulturstandards der fremden Kultur problemlos und störungsfrei an der Kommunikation teilnehmen können.14

12 Vgl. eingehender Gerhard Apfelthaler: Interkulturelles Management, S. 9f. 13 Vgl. Lothar Bredella: Überlegungen zur Lehre interkultureller Kompetenz, S. 105. 14 Ebd.

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Zudem gilt zu beachten, dass critical incidents unter Umständen implizit westliche, eurozentrische oder ethnozentrische Wertmaßstäbe anlegen – etwa das angelsächsische Modell der Kommunikation bevorzugen sowie nicht in ausreichendem Maße globalisierende und transkulturelle Entwicklungen berücksichtigen.15 Die folgenden Beispiele sollten demnach in aufsteigender Manier den trügerischen Eindruck in Frage stellen, dass critical incidents eine Art kommunikative Passe-partout-Garantie für das Gelingen der Begegnung mit anderen Kulturen liefern können.

Modellierte Beispiele für critical incidents Wie bereits erwähnt, finden sich critical incidents als Lehr- und Lernbeispiele vor allem im Bereich des interkulturellen Trainings. In der Regel wird hierbei eine typisierte, an authentische Fälle angelehnte Situation des culture clash beschrieben und mit entsprechenden Aufgaben- und Aktivitätentypen verbunden. Als exemplarisch kann hierfür der 2000 im Cornelsen-Verlag erschienene Ratgeber Intercultural Business Communication von Robert Gibson gelten. Die von Gibson in Anlehnung an Geert Hofstede et al. kategorisierten Kulturstandards wie Zeit, Raum oder Höflichkeit werden jeweils an illustrativen Beispielsituationen in ihrer Bedeutung für den interkulturellen Austausch erörtert.16 Folgendes, an eine reale Situation angelehntes Szenario wird beispielsweise im Abschnitt zu unterschiedlichen Konzeptualisierungen von Raum vorgestellt: Critical incident 4 A German guest professor in the USA kept his office door closed and was surprised that very few students came to see him for advice – his American colleagues seemed more popular. He wondered if the Americans rejected him because he was German. He was especially irritated one day when he found that the students had stuck a sign on the door saying ,Beware of the dog‘.

Gibson erklärt diese interkulturellen Missverständnisse bezeichnenderweise nur aus der Sicht der Amerikaner, welche ein anderes Raumverständnis hätten, eben ein offeneres, gerade im Geschäftsleben, dem die Anordnung von Großraumbüros mit cubicles entspräche. Die Einzelperson versteht sich als offen zugänglich und kapselt sich nicht ab, wie im Fall des deutschen Gastprofessors, dessen geschlossene Bürotür per se Unzugänglichkeit demonstriere. Problematisch an 15 Vgl. Robert Gibson: Intercultural Business Communication. 16 Vgl. Gerhard Apfelthaler: Interkulturelles Management; Alexander Thomas: Interkulturelle Kompetenz. Grundlagen, Probleme und Konzepte, in: Erwägen – Wissen – Ethik 14 (2003), S. 137–150.

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einer derart zuspitzenden Deutung ist allerdings, dass es einerseits eine sehr stereotype, geradezu karikaturhaft teutonische Beispielfigur wählt, die Reaktion der amerikanischen Seite unkommentiert und unbewertet lässt sowie vor allem lediglich andere Verständnisse von Raum zur Interpretation des Szenarios heranzieht. Deutlich liegt dabei der Fokus auf dem offeneren Konzept der Amerikaner. Nicht berücksichtigt werden dabei geschlossenere Raumverständnisse von Amerikanern in anderen Kontexten (man denke an das Stereotyp der stark bewaffneten Absicherung privaten Grundbesitzes in den USA). Zudem greift die tiefenanalytische Interpretation, es handele sich um unterschiedliche Raumkonzepte, in zweifacher Hinsicht zu kurz. Geht es doch, erstens, um weitere Kulturdimensionen wie Alter, Hierarchien und in diesem Fall konkret um die Fähigkeit, auf andere Kulturen sensibel zu reagieren. Zweitens wäre ideologiekritisch zu hinterfragen, welche historischen Wurzeln und Funktionen die opendoor policy im Kontext bürokratischer, kapitalistischer oder bildungspolitischer Ausprägungen von Organisations-, Verwaltungs- und Bildungsstrukturen aufweist, zwingt sie doch die Akteure, allseits transparente und damit kontrollierbare Mitglieder ihrer beruflichen Organisation zu sein. Erst mit diesen an Foucault17 erinnernden Fragestellungen und einer anthropologisch ausgerichteten dichten Beschreibung im Sinne von Clifford Geertz könnten Schichten der Tiefendimension eines derartigen critical incident aufgedeckt werden.18 Somit erweist sich dieses hier exemplarisch ausgewählte Lernbeispiel als bedeutend komplexer als zunächst erscheinend und gerät in der von Gibson vorgestellten Form eher in Gefahr, über den Ratschlag hinaus, als Lehrperson – auch im übertragenen Sinne – eher eine offene Tür zu pflegen, stark vereinfachte und gegebenenfalls verfälschte Erkenntnisprozesse anzuregen. Auch für den Bereich des schulischen oder universitären Lernens wurden alters- und zielgruppengerechte critical incidents sowie entsprechende Ratgeberformate und Sensibilisierungsprogramme entwickelt. Eine kurze Internetrecherche mit den entsprechenden Stichworten zeugt von der Beliebtheit dieser interkulturellen Kleinstdramen, welche beispielswiese auf der britischen Internet-Plattform The Interculture Project in Form einer Reihe von typischen Krisennarrativen vorgestellt werden. Dies geschieht jeweils mit der Anregung, sich dazu selbst Gedanken zu machen. Folgendes Beispiel sei hier exemplarisch zitiert:19

17 Michael Foucault: Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt am Main 1997. 18 Vgl. Clifford Geertz: Thick Description: Toward an Interpretive Theory of Culture, in: Ders.: The Interpretation of Cultures: Selected Essays, New York 1973, S. 3–30. 19 The Interculture Project: Intercultural Incidents, o. J., http://www.lancaster.ac.uk/users/inter culture/deliver11.htm [08. 10. 2019].

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Critical incident 5 An English Language Assistant in Austria, Jane was working with the teacher Hans in his class. Every week they’d practice a different sound with the pupils; this week it was ,u‘ as in cup, gull, hut. After Jane had read the first couple of examples Hans stopped her, asked the group how she was reading and agreed with them her accent was Northern. He asked if she would mind using a Southern pronunciation. ,Yes she bloody well would‘- she thought! The more she thought about it the more annoyed she was. Hans said ,They will copy you. They repeat what they hear‘. Jane knew her accent wasn’t too strong. She resolved that in future she would not be bullied into altering her accent. Hans could find another method if he wanted. Was Jane right or wrong?

Interessant an diesem wie weiteren Beispielen der Webseite ist hier zwar die karikaturhafte Zuspitzung des Ereignisses, welche im Übrigen ein Charakteristikum vieler in interkulturellen Trainings verwendeten critical incidents ist, die mit der Überbetonung von kulturellen Differenzen operieren, seien diese (meist) fiktionaler, fiktionalisierter oder in ein Narrativ eingekleideter, auf realen Ereignissen basierender Art. Deutlich wird in diesem Beispiel ein Entscheidungsdilemma entwickelt: Auf der einen Seite steht das Bedürfnis oder Verlangen der österreichischen Lernenden nach standardisiertem native-speaker input. Gewünscht ist wohl ein dem Estuary English angeglichener Akzent. Dieses Bedürfnis ist möglicherweise geformt durch die Tradition der bis vor kurzem absolut unhinterfragten Priorisierung bestimmter privilegierter Formen oder Dialekte des Englischen, teilweise auch verursacht durch Vorstellungen und Usancen von standardisiertem sprachlichen Input aus Lehrwerk-Hörbeispielen. Auf der anderen Seite steht das Wertschätzen individueller sprachlicher Identität und lokaler Dialekte sowie die Akzeptanz nicht-standardisierter Dialekte – das Dilemma stellt sich als höchst komplex heraus und wirft, da aus der Sicht der Betroffenen geschildert, zudem tendenziell ethisch-moralische Grundsatzfragen auf. Indem keine Antwort gegeben wird, steht der Rezipient oder die Rezipientin vor der Herausforderung, abwägende und möglicherweise kontrovers zu diskutierende Lösungsansätze zu formulieren. Die Nähe von critical incidents zur humorvollen Übertreibung und damit zur Karikatur oder zum Spiel mit Clichés und Vorurteilen bzw. sogar das Thematisieren derartiger Vorurteile in der satirisch pointierten Darstellung klang in den bisherigen Ausführungen bereits an. Ein Beispiel hierfür liefert der Cartoon von Theresa Mönnich:20

20 Künstlername Frollein Motte, die Abbildung findet sich in Grimm et al.: Teaching English, S. 152.

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Critical incident 6

Abb. 2: Frollein Motte, „Do you guys in India have computers and stuff ?“. Quelle: Grimm et al.: Teaching English, S. 152.

In drei untereinanderstehenden Bildern entwickelt sich ein peinliches Szenario: Eine als europäisch oder amerikanisch markierte Person stellt dabei zunehmend unsensiblere Fragen; was zunächst wie ein Small Talk erscheint, endet in einem interkulturellen Affront. Ihr Gesprächspartner, als Inder markiert, erscheint zunächst überrascht, dass ihm als Vertreter einer computeraffin geltenden Supermacht überhaupt eine derartige, von Unwissenheit zeugende Frage gestellt

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wird, und die Fragen der Person links steigern sich in ihrer Arroganz oder Ignoranz, gipfelnd in der westliche Superiorität ausdrückenden Frage nach basalen zivilisatorischen Annehmlichkeiten. Deutlich weist der Cartoon auf die Notwendigkeit kultursensiblen Verhaltens hin bzw. überhaupt auf die Notwendigkeit, direkte oder indirekte Signale der Superiorität der eigenen Kultur zu vermeiden. Damit ist die Aussage hier relativ einfach und wäre im Bereich der interkulturellen Dos and Don’ts zu verorten, wobei die dabei aufzustellenden Regeln für die Begegnung mit dem indischen Gegenüber durchaus universellen Charakter aufweisen würden. Es bleibt allerdings die Frage, ob Lernende die mit Hilfe dieses Cartoons erlernten Benimmregeln in ähnlichen Situationen tatsächlich umsetzen können.21

Literarische critical incidents Im Folgenden seien zwei critical incidents aus der Literatur aufgeführt. Literarischen Werken wird im Sinne der Hermeneutik des Fremdverstehens ein besonders herausragendes Potenzial zur individuellen Auseinandersetzung mit anderen Kulturen zugesprochen, beispielsweise aufgrund der im Appellcharakter literarischer Texte angelegten Herausforderung zur Identifikation mit (fremdkulturellen) Protagonisten sowie zur entsprechenden Perspektivenübernahme und Teilhabe an fremdkulturellen Diskursen.22 Wenn dies im Modus der Satire und Übertreibung geschieht, erhalten literarische Texte eine der Karikatur äquivalente Funktion, wie dies beispielhaft in einer Kurzgeschichte der neuseeländischen Autorin Katherine Mansfield manifest wird. Berühmt wurde Mansfield durch Klassiker der englischsprachigen Kurzgeschichte wie die Initiationsgeschichten The Garden Party und The Voyage; sie veröffentlichte bereits im Jahre 1911 die Kurzgeschichtensammlung In a German Pension, welche eine bitterböse Schilderung eigener Erfahrungen in einem bayerischen Kurort liefert. Der Leser/ Die Leserin nimmt dabei die deutschen Charaktere der Geschichten, etwa in der im Folgenden auszugsweise zitierten Vignette Germans at Meat, durch die Augen einer jungen Engländerin wahr und ist mit der Ich-Erzählerin schockiert ob der teutonischen Direktheit, der unpassenden Bemerkungen sowie des rüden Konversationsstils. Die Gespräche an der Essenstafel der Pension drehen sich dabei um Schweinefleisch und Alkohol, Gepflogenheiten rund um die Verdauung und weitere im englischsprachigen Raum eher tabuisierte The21 Vgl. für eine genauere Analyse Laurenz Volkmann: Literary Literacy and Intercultural Competence, S. 63. 22 Vgl. Ansgar Nünning: Fremdverstehen und Bildung durch neue Weltansichten; Laurenz Volkmann: Literary Literacy and Intercultural Competence.

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men, welche für die Engländerin in schockierender Direktheit abgehandelt werden. Der folgende Abschnitt mag die Peinlichkeit der Situation verdeutlichen:23 Critical incident 7 The servant brought in veal, with sauerkraut and potatoes. ,I eat sauerkraut with great pleasure,‘ said the Traveller from North Germany, ,but now I have eaten so much of it that I cannot retain it. I am immediately forced to –‘ ,A beautiful day,‘ I cried, turning to Fräulein Stiegelauer. ,Did you get up early?‘ ,At five o’clock I walked for ten minutes in the wet grass. Again in bed. At half past five I fell asleep and woke at seven, when I made an ,overbody‘ washing! Again in bed. At eight o’clock I had a cold-water poultice, and at half past eight I drank a cup of mint tea. At nine I drank some malt coffee, and began my ,cure‘. Pass me the sauerkraut, please. You do not eat it?‘ ,No, thank you. I still find it a little strong.‘ ,Is it true,‘ asked the Widow, picking her teeth with a hairpin as she spoke, ,that you are a vegetarian?‘ ,Why, yes; I have not eaten meat for three years.‘ ,Im-possible! Have you any family?‘

Es ist bekannt, das Katherine Mansfield in späteren Jahren ihrer eigenen Darstellung der Deutschen gegenüber recht kritisch war, fürchtete sie doch, in den Jahren des Ersten Weltkriegs, dass ihre satirischen Vignetten als antideutsche Propaganda missbraucht werden könnten. So lässt sich dieser critical incident durchaus auch im Sinne einer Bewusstmachung von historischen Dimensionen von Stereotypen verwenden sowie mit der Frage verbinden, inwieweit die hier dargestellten Situationen nur mehr als historische Karikatur zu verstehen wären. Die Literaturdidaktik hat die besondere Bedeutung literarischer Werke von Minoritäten hervorgehoben und dabei erkannt, dass bei der Lektüre entsprechender Texte vielfache Perspektiven angeboten werden, so unter anderem die Binnenperspektive einer unterdrückten oder marginalisierten Minorität auf die Zielkultur selbst sowie die Möglichkeiten der Perspektivenübernahme und Empathieentwicklung des Lesers aus der anderen Kultur.24 Ein Beispiel wäre die dem Bereich der Young Adult Fiction zuzuordnende autobiographisch geprägte Erzählung der kanadischen Métis-Autorin Maria Campbell, Halfbreed, welche 23 Katherine Mansfield: Germans at Meat, in: Laurenz Volkmann (Hg.): Tales from the Global Village, München 2007, S. 13. 24 Vgl. Norbert Ropers: Vom Anderen her Denken: Empathie als paradigmatischer Beitrag zur Völkerverständigung, in: Reiner Steinweg / Christian Wellmann (Hg.): Die Vergessene Dimension internationaler Konflikte: Subjektivität, Frankfurt am Main 1990; Lothar Bredella: Überlegungen zur Lehre interkultureller Kompetenz; Keith Oatley: Why Fiction is Good for You, Literary Review of Canada, July/August 2011, http://reviewcanada.ca/magazine/2011/ 07/why-fiction-is-good-for-you/ [08. 10. 2019].

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das Erwachsenwerden einer von kultureller Hybridität geprägten Kanadierin inmitten einer sie diskriminierenden und marginalisierenden Umwelt schildert. Eine Passage des Textes bietet einen intrakulturellen critical incident. Die junge Protagonistin berichtet von einem Termin im Sozialamt, bei dem sie abschätzend und von oben herab in höchst stigmatisierender Manier als minderwertige „Indianerin“ behandelt wird. Interessant ist hierbei einerseits die von Campbell gewählte billige Kleidung, die sie gewissermaßen zur Selbststigmatisierung verwendet, um als bedürftige Minoritätenangehörige zu erscheinen; andererseits interessiert vor allem die Reaktion der Verwaltungsangestellten, die in ihrer ethnozentrischen Perspektive gefangen bleibt. Sie wirkt unfähig, ihr Gegenüber als Individuum zu begreifen und zu behandeln: Critical incident 8 I went to the Office in a ten-year-old threadbare red coat, with old boots and a scarf. I looked like a Whitefish Lake Squaw, and that’s exactly what the social worker thought. He insisted that I go to the Department of Indian Affairs, and when I said I was not a Treaty Indian but a Halfbreed, he said if that was the case I was eligible, but added, ,I can’t see the difference – part Indian, all Indian. You’re all the same.‘ I nearly bit my tongue off trying to look timid and ignorant. I answered a hundred questions and finally he gave me a voucher for groceries and bus tickets, and told me to be sure I found a cheap apartment or house, because government money was not to be wasted. I left his office feeling more humiliated and dirty and ashamed than I had ever felt in my life.25

Die Passage wirft zahlreiche Fragen auf zum Thema Selbststigmatisierung und zum Stigmamanagement sowie zur Wahrnehmung von und Umgang mit dem Fremdem – sowie insgesamt zu Fragen der Stereotypenbildung und zum Umgang mit Stereotypen. Komplexere Dimensionen ergeben sich zudem mit der Aussage der Protagonistin, dass der Akt des „putting on a welfare coat to get government money“26 in gewissem Sinne ebenso erniedrigend sei wie das Verkaufen der eigenen Identität, wenn sie sich im Indianerkostüm während der alljährlich stattfindenden Festivitäten der Calgary Stampede präsentiere und damit ihre eigene Métis-Identität als Spektakulum für Touristen im Akt der kulturellen Mimikry aufgebe. Deutlich wird hier der besondere Wert der Literatur als potenzielle Quelle für Empathie, also der Fähigkeit, interne Perspektiven von fiktionalen wie nicht-fiktionalen Charakteren zu übernehmen. Dies betont die interkulturelle Literaturdidaktik: In empathizing with another, whether she be actual or fictional, one imagines the situation she is in from her point of view; one imaginatively represents to oneself her beliefs, desires, hopes, fears, and so on as though they were one′s own. And in both cases,

25 Maria Campbell: Halfbreed, Halifax 1983, S. 155. 26 Ebd.

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one may come actually to feel what the other in question, be she actual or fictional, is imagined as feeling.27

Exkursionen und critical incidents Literarische Begegnungen lassen erkennen, dass die Dimensionen der Begegnung mit dem Fremden durchaus komplexer und problembeladener sein können, als dies interkulturelle Sensibilisierungsprogramme suggerieren mögen. Dennoch stellen sie lediglich eine sekundäre Begegnung mit der fremden Kultur und ihren Vertretern dar. Im Einklang mit dem am Anfang dieses Beitrags angeklungenen Motto, dass erst die reale Begegnung in der interkulturellen Situation Aufschluss über interkulturelles Komplexitätsmanagement bieten kann, seien im Folgenden zwei echte Begegnungen geschildert. Es handelt sich dabei um Situationen in Lehr-Lern-Kontexten von Exkursionen in der Fremdkultur, zum einen um einen Museumsbesuch in den USA, zum anderen um den Aufenthalt in einem indischen Restaurant in London. Beide Beispiele mögen aufzeigen, dass die viel geforderte Empathie oder das Know-how über korrektes Verhalten allein nicht ausreichen, um mit interkulturell herausfordernden Situationen zurechtzukommen. Sie werfen darüber hinaus Fragen auf, ob es interkulturell adäquates Verhalten in den geschilderten Situationen überhaupt geben könnte, und verdeutlichen, dass in interkulturellen Begegnungen, seien sie fiktionaler, seien sie realer Art, „nicht nur Empathie-, sondern auch […] Urteilsfähigkeit“28 zu fördern und im Einzelfall zwischen beiden abzuwägen ist. When in Rome, do as the Romans – zielkulturadäquates Verhalten wird gerne als Leitfaden für interkulturelle Coachings formuliert. Entsprechend sollte man in der Regel im englischsprachigen Kulturraum im Restaurant darauf warten, einen Sitzplatz zugewiesen zu bekommen. Diese Benimmregel – oftmals signalisiert durch Wait to be seated-Hinweise – dürfte inzwischen auch deutschen Touristen weitgehend bekannt sein. Weniger geläufig sind die Gepflogenheiten beim Ordern von Getränken an der Bar oder beim Zahlen der Rechnung für Gruppen in Bars oder Restaurants. Im Vorfeld einer Exkursion mit neunzehn Studierenden und drei Exkursionsleitenden nach London im Mai 2017 wurde der gemeinsame Besuch eines indischen Restaurants in der Nähe der Brick Lane geplant. Unter anderem wurden interkulturelle Aspekte mit Bezug auf indische Essgewohnheiten und die Besonderheiten der indischen Küche angesprochen. Aufgabe des diesen Teil der Exkursion planenden und durchführenden Stu27 Alex Neill: Empathy and (Film) Fiction, in: David Bordwell / Noel Carroll (Hg.): PostTheory: Reconstructing Film Studies, Madison 1996, S. 191. 28 Lothar Bredella: Überlegungen zur Lehre interkultureller Kompetenz, S. 117.

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dentenduos war es auch, sich Gedanken über das Bezahlen der Rechnung des Restaurantbesuchs zu machen. Lösungswege sollten eruiert werden mit Bezug auf die Herausforderung, wie die Gepflogenheit in Großbritannien (und vielen anderen Ländern) zu berücksichtigen seien: nämlich, dass für Gruppen eine Rechnung erstellt wird, die gemeinsam zu zahlen ist. Den Usancen entsprechend zahlt jeder Teilnehmer der Gruppe nicht seinen wirklich konsumierten Anteil, sondern den durch die Teilnehmerzahl der Gruppe geteilten Betrag, in diesem Fall wäre also die Rechnung durch 22 zu teilen, mit zusätzlicher Beteiligung am Trinkgeld. Trotz eingehender Diskussion britischer Gepflogenheiten ergab sich am Ende des Restaurantbesuchs ein eindeutig von den Teilnehmenden gewünschtes Verfahren: Die studentischen Organisatoren dieses Exkursionsteils gingen mit der detaillierten Rechnung von Individuum zu Individuum und sammelten exakt die Summe von jedem ein, welchen die Person für Essen und Trinken ausgegeben hatte. Critical incident 9 Besuch eines indischen Restaurants in London: Wer bezahlt welchen Anteil der Rechnung?

Abb. 3: Handschriftliche Rechnung aus einem Londoner Restaurant. Foto: Laurenz Volkmann.

Das Verfahren dauerte eine gute Stunde, zur Verwunderung des Kellners, der auf meine Rückfrage hin betonte, dass dieses umständliche Vorgehen für ihn durchaus ein Novum darstellte. Eine eingehende Diskussion bei der anschließenden Debriefing-Runde vor dem Restaurant offenbarte eine deutliche Abneigung der deutschen Studierenden gegenüber der Vorstellung, die Rechnung im Sinne britischer Generosität oder gemeinsamen Teamgeists in gleiche Beträge

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aufzuteilen. Detailliert wurde auf kulturell differierende Konzepte von Fairness, Gleichheit und Folgen von egalitärem Verhalten eingegangen sowie auf mögliche historische Ursachen bezüglich individuellem Verhalten und Gruppenverhalten. Interessant aus der Perspektive des Fremdverstehens war hierbei, dass die Teilnehmer durchaus die britische Position nachvollziehen konnten, diese allerdings moralisch und ethisch als ungerecht empfanden und dabei die deutsche Art der gerechteren Bezahlung der Rechnung nachhaltig präferierten, auch wenn sie erkannten, dass diese aus britischer Sicht zumindest ungewöhnlich erschien. Es wurde offensichtlich, dass es sich hier durchaus um eine komplexe Dilemmasituation handelte, bei der kein richtiges Verhalten definierbar erschien, sondern situations- und gruppenspezifisch eine interkulturell eher problematische Handlungsentscheidung verteidigt wurde. Dass interkulturelle critical incidents in der Realität nicht immer klar auflösbar sind, kann noch deutlicher am nächsten Beispiel erörtert werden. Dieses weist eine noch weitergehende ethische Dilemmasituation auf. Der Besuch des privat geführten, staatlich geförderten Museums für Bürgerund Menschenrechte in Atlanta, Georgia, fand im Rahmen einer zweiwöchigen Exkursion im Mai 2016 mit Studierenden und Lehrenden der Universitäten Paderborn und Jena sowie der Kennesaw State University, Atlanta, als bi-nationale Exkursion unter dem Motto Georgia with the Germans statt. Geleitet wurde die Exkursion von zwei deutschen Universitätslehrern und einer deutschamerikanischen Dozentin.29 Neben anderen historisch bedeutsamen Museen und Gedenkorten standen mehrere Besuche der Stätten auf dem Programm, die mit dem Wirken des großen amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King Jr. (MLK) verbunden sind. Neben dem Coca-Cola-Museum befindet sich das Center for Civil and Human Rights, Atlanta, welches von der etwa 20-köpfigen Gruppe an einem Vormittag besucht wurde. Nach einer kurzen Einweisung erhielten die Mitglieder der Exkursion mehrere Stunden Zeit, sich das Museum eigenständig oder in Kleingruppen zu erschließen, um sich am Ende vor dem Museum zu der üblichen Debriefing-Runde zu treffen. In dieser Runde fand eine sehr ausführliche, stark emotional geprägte Zusammenfassung der überwältigenden Eindrücke statt. Der folgende Auszug aus dem von den Studierenden geführten Exkursionstagebuch liefert einen knappen Einblick in diese Wahrnehmung.30

29 Vgl. Christoph Ehland / Sabine Smith (Hg.): KSU UPB Maymester 2016: Georgia with the Germans, Paderborn 2017, https://kw.uni-paderborn.de/fileadmin/fakultaet/Institute/angli stik-amerikanistik/Ehland/Magazin.pdf. 30 Die Namen wurden mit Initialen anonymisiert, das in der Handschrift abgedruckte englische Original bleibt hier unkorrigiert, Christoph Ehland / Sabine Smith (Hg.): Georgia with the Germans, S. 24; Foto: Laurenz Volkmann.

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Critical incident 10

Abb. 4: Ausstellungswand im Center for Civil and Human Rights, Atlanta. Foto: Laurenz Volkmann. [W]e arrived at the Centre for Civil + Human Rights. K. and W. to leave their pocket knives at the door […]. We started at a small MLK themed room that focused on his use of love to overcome adversity. After, we went up to the second floor that showed what life was like in the south in the years of segregation. There were profiles on pro-seg governors as well as videos showing the things they said (quite disturbing). There was an exhibit on the different Jim Crow laws that were prevalent in states like Georgia and Kentucky. I really enjoyed the guidelines for how to be a non-violent peaceful protester. One of the things that hit me the hardest was the sit-in activity they had. It has you put on headphones and sit at a ,bar‘ and learn what it was like to be an African-American. There are sounds of a large crowd entering and screaming at you to leave. There are also death threats made. It was scary. Another element that got to me was the video of MLK’s funeral while his speech about what he wants is said at his funeral. That made me tear up a little. It’s sickening to think a man was killed because he promoted peace, love, and unity.

Deutlich in der Schilderung des Studierenden wird hier die starke emotionale Betroffenheit, die Wirkung der multimedialen, multisensorischen Gestaltung des Museums, welches vor allem im Keller mit den Ausstellungsstücken aus Kings Leben noch sehr museal in Vitrinen und mit wenigen Videos auf Bildschirmen präsentiert wird. Im Hauptteil der Ausstellungen erleben die Besucher erschreckende Geräuschkulissen, durch interaktive Bild-Ton-Präsentationen in einem verdunkelten labyrinthartigen Gang werden starke Affekte und Emotionen hervorgerufen, gipfelnd in der erwähnten Großleinwandaufführung zur Trauerfeier nach der Ermordung Martin Luther Kings. Unerwähnt in der studentischen Schilderung bleibt hier die Steuerung der Emotionen durch die Museumsarchitektur, die Auswahl, Präsentation und Zusammenstellung der Expo-

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nate. Nach der Abteilung zum Tod Kings sowie zu dessen Folgen erklimmt der Besucher eine heller werdende Wendeltreppe, welche ihn in den ersten Stock führt, in immer lichter werdende Raumkonstellationen, in welchen nicht allein verschiedene Formen der Menschenrechtsverletzung und Ungerechtigkeiten auf globaler Ebene präsentiert werden. Dies beinhaltet die Präsentation von dämonisch von der Wand starrenden Diktatoren, von Mao über Hitler bis zu gegenwärtigen Gewaltherrschern wie Assad. Darüber hinaus erfolgt an Stellwänden ein Überblick, von der Erderwärmung bis zur global ungleichen Ressourcenverteilung, zu gegenwärtigen Ungerechtigkeiten und Problemlagen. Eine kritische Sichtweise des Museums würde bemängeln, dass hier eine Glorifizierung Martin Luther Kings inszeniert wird, als amerikanischer Heilbringer über seinen Tod hinaus und, wie insinuiert wird, für eine riesige Palette gegenwärtiger globaler Probleme. Andere, amerikanische wie nicht-amerikanische Akteure für eine bessere Welt und andere Lösungsansätze bleiben im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln. Dazu noch, was durchaus aus europäischer Sicht schwerwiegender wirkt, erscheint mit Martin Luther Kings Wirken das amerikanische Problem der Minderheitendiskriminierung geradezu überwunden, so dass, wie deutlich wird, nun globale Probleme nach amerikanischem Muster einer Lösung zugeführt werden mögen. Eine diskurskritische Analyse könnte hier durchaus mehr als nur verdeckte Ausprägungen des amerikanischen Exzeptionalismus bzw. der Ideologie amerikanischen kulturellen Sendungsbewusstseins erkennen. Die Leiter der Exkursion, welche diese zweite, kritische Perspektive auf die dem Museum zugrundeliegende Konzeption durchaus deutlich erkannten und untereinander thematisierten, standen bei der Debriefing-Runde vor dem Museum vor einem Dilemma: Sollte die empathische Reaktion der Studierenden konterkariert, sogar dekonstruiert werden durch Verweise auf die ideologische „Machart“ des Museums? Könnte durch eine derartige Gegenperspektive nicht insgesamt eine US-kritische Stimmung die bi-nationale Gruppe irritieren? Die Leiter der Exkursion entschlossen sich, die erwähnte kritische Perspektive erst Wochen später bei einem gemeinsamen Treffen zur Erinnerung an die Exkursion ausführlich zu diskutieren, in dem Seminarraum einer westfälischen Universität, weit entfernt vom Museum und somit ohne Gefahr, tief empfundene Empathie nachhaltig zu untergraben.31 Diese bewusste Entscheidung einer verzögerten Kognitivierung emotional empfundener Fremdbegegnung mag in Einklang mit der Forderung Claire Kramschs stehen, dass interkulturelle Sprecher wohl zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Kommunikation abwägen 31 Vgl. Laurenz Volkmann: Visiting the Center for Civil and Human Rights, Atlanta. A ‘Critical Incident’ of Sorts, in: Christoph Ehland/ Sabine Smith (Hg.): Georgia with the Germans, S. 20– 25.

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sollten – „to select those forms of accuracy and those forms of appropriateness that are called for in a given social context of use“.32 Es bleibt darüber hinaus eine offene Frage, welche von der Fremdsprachendidaktik wie überhaupt von der interkulturellen Forschung und Lehre kaum beachtet wurde: Wenn es das erklärte Lernziel der interkulturellen Didaktik ist, „Orientierungsfähigkeit in der fremden Kultur und die Fähigkeit, sich in einer interkulturellen Situation (sprachlich) adäquat zu verhalten“,33 zu fördern, dann müsste dabei die bisher eher positiv beurteilte Fähigkeit zur Empathie und die Förderung von Empathie neu bewertet werden. Es ist für diese notwendige Neuorientierung bezeichnend, dass zwei in letzter Zeit publizierte Monographien aus pädagogischer, soziologischer und psychologischer Sicht die dunklen Seiten der Empathie hervorheben:34 Nämlich dass Empathie durchaus manipulativ erzeugt werden kann, zu lediglich sekundären Identifikationsakten führen mag und unter Umständen zum Verlust der eigenen Position sowie zum Freund-Feind-Denken und kritiklosen Parteiergreifen führt. Für den Einsatz von critical incidents im Fremdsprachenunterricht bedeutet dies, wie gezeigt, dass es hierbei keinesfalls nur um simple Miniszenarien von culture clash gehen sollte, aus denen klare Handlungsanweisungen für reale Begegnungssituationen abzuleiten wären, sondern dass bei genauerer Betrachtung critical incidents oftmals deutlich Dimensionen von individuell unterschiedlich zu bewertenden Entscheidungssituationen liefern, welche emotionale und kognitive Aspekte gleichermaßen beinhalten.

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32 Claire Kramsch: The Privilege of the Intercultural Speaker, in: Michael Byram / Michael Fleming (Hg.): Language Learning in Intercultural Perspective, Cambridge 1998, S. 27. 33 Lothar Bredella: Überlegungen zur Lehre interkultureller Kompetenz, S. 107. 34 Vgl. Paul Bloom: Against Empathy: The Case for Rational Compassion, New York 2017; Fritz Breithaupt: Die dunklen Seiten der Empathie, Berlin 2017.

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Laurenz Volkmann

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Peter Freese † (Paderborn)

Teaching The American Dream through Popular Music

The following suggestions are based on two obvious premises: (1) in almost all German states the American Dream is either a mandatory or a highly recommended topic in the advanced EFL classroom, and (2) almost all German students are at least to some extent interested in American pop music. Against this background, it seems logical to combine the demands of the curriculum with the extracurricular interests of the students and to explore whether one can approach the American Dream through pop music or at least enliven the traditional approach with relevant songs. The promise of such a procedure is confirmed by an unnamed writer who, in February 2012, published an article titled “Music and the Reshaping of the American Dream” on the homepage of Saving Country Music. In it he asked whether “the idea of The American Dream, where you can come to this country as a poor immigrant, pull yourself up by your boot straps, afford to send your kids to college, and have middle to upper class wealth become a possibility for your family, is dying.”1 He argued that “personal wealth and material possessions” no longer serve as indicators of ‘success’ and that “now people are realizing that the wealth they were working to accumulate was at the expense of their life experience, their family life, their natural propensity as humans to explore, and many times, at the expense of their health.” Finally, he concluded that instead of declaring the death of The American Dream, perhaps it is changing from one that uses traditional economic parameters to gauge its health, to ones that instead gauge the happiness and fulfillment of the individual. Instead of people craving wealth, they are craving simplicity. Money and wealth will always be important, but the promise of wealth as a bridge to happiness is a broken one.

Asking himself what all this has to do with music, he maintained:

1 Kyle Coroneos: “Music and the Reshaping of the American Dream”, Saving Country Music, 14 Feb. 2012, http://www.savingcountrymusic.com/music-and-the-reshaping-of-the-americandream [accessed 10 May 2020].

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Peter Freese

Music is the weapon of the great awakening, and the bullhorn in the reshaping of The American Dream. […] So instead of looking at politics or ideological movements as realistic agents of change, we should look towards art and music, and let the lessons of artistic expressions enter our hearts. So to the many people who will declare the death of The American Dream, I declare that it has just begun.

Before one can decide whether this writer is right, however, one must ascertain what is meant by the protean concept of the American Dream, for which, despite the plethora of material, nobody has yet been able to provide a generally accepted definition. It was James Truslow Adams who, in 1931, coined the term in his book The Epic of America, when he spoke about the American Dream as “the dream of a land in which life should be better and richer and fuller for every man, with opportunity for each according to his ability or achievement,” and warned that this dream “is not a dream of motor cars and high wages merely, but a dream of a social order in which each man and each woman shall be able to attain to the fullest stature of which they are innately capable, and be recognized by others for what they are, regardless of the fortuitous circumstances of birth or position.”2 It is no accident that the Dream notion, which goes back to the very discovery of America, belatedly got its name in the Great Depression in which its promise was further away from the reality than ever before, and it is no surprise that those who tried in vain to accomplish the Dream would develop the complementary concept of the American Nightmare.3 From Adams onward, the Dream has figured most prominently in public discourse whenever the reality left much to be desired. In the face of many popular simplifications one needs to keep in mind that Adams already warned against thinking of the Dream in merely materialistic terms and would have emphatically rejected its faulty reduction to “the idea that the US is a place where everyone has the chance of becoming rich and successful”4 offered by a well-known reference work. What the Dream really promises is not only material success but unhampered self-fulfillment, and it was President Clinton who made that clear when he defined its meaning by asserting that “if you work hard and play by the rules, you should be given a chance to go as far as your God-given ability will take you.”5

2 James Truslow Adams: The Epic of America, New York 1931, p. 404; here quoted from the reprint in: Peter Freese (ed.): The American Dream: Humankind’s Second Chance?, Stuttgart 2011, p. 10. 3 See, for example, Fabian Everding: The American Nightmare: About the Failure of the American Dream, and http://america.day-dreamer.de/contra.htm [accessed 10 May 2020], which is geared to German EFL teaching. 4 Longman Dictionary of English Language and Culture, Longman 1992, s.v. “American Dream.” 5 William Jefferson Clinton in a statement to the Democratic Leadership Council, 1993; quoted from Peter Freese (ed.): The American Dream: Humankind’s Second Chance?, Stuttgart 2011, p. 14.

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Since the Dream concept has constantly adapted to and shifted with changing historical circumstances, a search for relevant pop songs should not be based on a general definition of this oscillating notion but rather on the major ingredients of the Dream. These ingredients are:6 – the future-oriented belief in a steady improvement of individual, communal and societal conditions of existence, that is, in social progress; – the conviction that everybody can realize their highest ambitions by means of their own endeavors, that is, the belief in the attainability of individual success; – the certainty that God has singled out America as his chosen country and appointed the Americans to convert the rest of the world to true Americanstyle democracy, that is, the belief in American exceptionalism or what the nineteenth century called manifest destiny; – the assurance that, in the context of civilization’s irresistible westward movement, ever new borderlines are to be crossed and obstacles to be surmounted, that is, the idea of the continual challenge of respective frontiers; – the belief in the American form of government of the people, by the people and for the people as the sole guarantor of liberty and equality; and – the idea that immigrants of different nationalities, different ethnic stock, different religions and languages can be fused into a new nation, that is, the conviction expressed in the idea of the melting pot or its recent mutation, the multicultural quilt. There are of course further facets such as the cult of newness, the glorification of youth, the belief in unhampered mobility and the chances for ever new beginnings, all of which can be subsumed under the six basic constituents. But one also needs to be aware that in the course of time all the promises of the Dream have frequently been exposed as unfulfilled or, worse, distorted into their very opposites: – The promise of progress has been disproved by the recognition that scientific inventions and technological advancements have poisoned lakes and rivers, killed forests by acid rain, defaced once beautiful landscapes, polluted the air, and are threatening the disturbance of earth’s ecological balance through climate change. – America’s serious writers from William Dean Howells to Henry Miller have repeatedly denounced what William James called the “bitch-goddess” of success and shown that the rat race for financial gain and social status can lead to the loss of one’s personality and the neglect of one’s family. This is shown in Arthur Miller’s Death of a Salesman (1949) by Happy’s deluded belief about 6 For details see Peter Freese: “America”: Dream or Nightmare: Reflections on a Composite Image, Essen 1994.

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his dead father that “he had a good dream. It’s the only dream you can have – to come out number-one man.”7 The concept of manifest destiny or America’s sense of mission has ever so often been abused as a mere justification for power-politics or military and economic gain, as for example in the 2003 invasion of Iraq that was wrongly based on the notion that Iraq possessed weapons of mass destruction and that the Iraqi government posed an immediate threat to the U.S. and its allies. The promise of endless expansion and the challenge of ever new frontiers from Frederick Turner’s western frontier via Horatio Alger’s open frontier of opportunity to President Kennedy’s open frontier of space have become increasingly difficult to sustain. The touted values of liberty and equality were exposed as mendacious labels when Martin Luther King articulated his hope that African Americans might finally be allowed to participate in the Dream. One could add the voices of Native Americans deprived of their land and liberty; Chinese (coolies) good enough to work on the transcontinental railroad but then rejected by the Chinese Exclusion Act; Japanese from California remembering the bitter experience of the relocation camps after Pearl Harbor; or Chicano workers describing the squalor of their barrios. With regard to the promise of the melting pot, Nathan Glazer and Daniel P. Moynihan have conclusively demonstrated in their seminal study Beyond the Melting Pot that “the point about the melting pot […] is that it did not happen.”8

All of these constitutive ingredient of the Dream, which are usually taught in the EFL classroom by means of historical documents, political speeches and cartoons or literary evocations, have been dealt with in numerous pop songs. Approaching the Dream through a medium which combines text and music opens intriguing new possibilities, and I will demonstrate that by discussing one exemplary song each for the three crucial ingredients of immigration, equality, and success, and then briefly refer to some other songs that are thematically relevant. […]

7 Arthur Miller: Collected Plays, London 1978, p. 222. 8 Nathan Glazer / Daniel Patrick Moynihan: Beyond the Melting Pot: The Negroes, Puerto Ricans, Jews, Italians, and Irish of New York, Cambridge, Mass 1963, p. ***.

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Immigration and Neil Diamond’s “America” (1980)

During his election campaign, Donald Trump declared that, due to Obama’s mismanagement, the Dream was dead but that, if he were elected president, he would make it achievable again.9 But with his promise to build a wall on the Mexican border, his attempts to ban immigrants from predominantly Muslim countries, his plans for reducing legal immigration, and his announcement to deport the 800,000 dreamers given temporary protection under Obama’s “Deferred Action for Childhood Arrivals,” he has tried to reduce diversity, advance a white nationalism, and deny America’s identity as an open immigrant society, thus endangering the concept of the melting pot as one of the Dream’s crucial ingredients.10 This conundrum, which is just one among many other indicators that the traditional Dream is endangered,11 can of course be brought into the EFL classroom with the help of documents, political speeches or satirical cartoons, but it can be more convincingly introduced with popular songs as will be shown in the following. Neil Diamond (*1941), whose grandparents had immigrated to the U.S. from Poland and Russia, grew up in multicultural Brooklyn and became one of the world’s best-selling artists of all time. One of his eleven No. 1 singles is the patriotic song “America” that was released in 1980 and is still extremely popular. Michael Dukakis chose it as the theme song for his 1988 presidential campaign, it was used to promote the 1996 Olympics in Atlanta, Howard Wolowitz and Amy Farrah Fowler sang it at the top of their voices in an episode of the popular TV series Big Bang Theory, and Diamond performed it at the centennial rededication of the Statue of Liberty in 2016. In his live performances after the 9/11 attacks on the Twin Towers he updated it by changing the last lines “They’re comin’ to America” into “Stand up for America.” Diamond’s patriotic and celebratory tribute to immigration into the U.S. past and present is a modern variation of the promise which the Statue of Liberty declares in Emma Lazarus’ famous sonnet “The New Colossus,” when she says: “Give me your tired, your poor, / Your huddled masses yearning to breathe free, /

9 In his speech of June 16, 2015, in which he announced his candidacy, Trump said: “Sadly, the American dream is dead. But if I get elected president, I will bring it back bigger and better and stronger than ever before, and we will make America great again”, The Washington Post, https://www.washingtonpost.com/news/post-politics/wp/2015/06/16/full-text-donald-trump -announces-a-presidential-bid/?noredirect=on&utm_term=.304452eb961d [accessed 10 May 2020]. 10 All of these activities are highly ironic since Trump and his family are themselves products of immigration. 11 See, for example, the frightening diagnosis in Noam Chomsky: Requiem for the American Dream: The 10 Principles of Concentration of Wealth & Power, New York 2017.

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the wretched refuse of your teeming shore. / Send these, the homeless, tempesttost to me, / I lift my lamp beside the golden door!”12 Diamond’s text reads: Far, We’ve been traveling far Without a home But not without a star Free, Only want to be free We huddle close Hang on to a dream On the boats and on the planes They’re coming to America Never looking back again, They’re coming to America Home Don’t it seem so far away Oh, we’re traveling light today In the eye of the storm In the eye of the storm Home To a new and a shiny place Make our bed and we’ll say our grace Freedom’s light burning warm Freedom’s light burning warm Everywhere around the world They’re coming to America Ev’ry time that flag’s unfurled They’re coming to America Got a dream to take them there They’re coming to America Got a dream they’ve come to share They’re coming to America They’re coming to America They’re coming to America They’re coming to America They’re coming to America

12 Quoted from the reprint in Peter Freese (ed.): From Melting Pot to Multiculturalism: E pluribus unum? München 2005, p. 8.

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Today, Today, Today, Today, Today My country ‘is of thee (today) Sweet land of liberty (today) Of thee I sing (today) Of thee I sing Today, Today, Today Today, today, today…13

With “we huddle close,” Diamond refers to Emma Lazarus’ “huddled masses,” and with “sweet land of liberty” he evokes Samuel Francis Smith’s patriotic 1831 song “My country, ‘tis of thee / Sweet land of liberty,” which served as the de facto national anthem until “The Star-Spangled Banner” was adopted in 1931. With its powerful melody, its dynamic arrangement, and its assertive repetitions, Diamond’s song dramatically evokes how oppressed people from all over the world, who “want to be free,” are dreaming of “coming to America.” Since they are sustained by “a dream they’ve come to share” and despite all obstacles “hang on to [that] dream,” they embark on laborious journeys and, guided by a “star,” try to make it to “a new and a shiny place” where “freedom’s light [is] burning warm” and “that flag’s unfurled.” Viewing a video of Diamond’s performance,14 EFL students will experience how an enthusiastic audience responds to his lines, how they begin to sing along with him, how at the mentioning of “sweet land of liberty” their emotions explode into frenetic applause, and how at the end they give him a standing ovation. Some of the people in the audience may themselves be immigrants while others have immigrant parents or grandparents, and therefore Diamond’s appeal to their shared beliefs despite their different ethnic origins, that is, to their unity in diversity, brings them together. Their reactions will show the students more convincingly than written texts or immigration statistics could ever do, how Diamond’s patriotic song evokes a fundamental American attitude and deals with a major promise of the Dream.

13 The lyrics of this and all the other songs quoted are easily available on several websites on the internet. 14 The original video can be found on YouTube: BubbaBigDude: “Neil Diamond – America – Original Video – DTS Sound”, Youtube, 13 Jan. 2012, https://www.youtube.com/watch?v=hcv8CFJzu4 [accessed 10 May 2020]. – Another version, which combines the song with historical photographs of immigrants, projects the lyrics into these pictures, and thus offers promising teaching possibilities, is available under: Courtney S: “Neil Diamond America Video with Lyrics”, Youtube, 08 Jan. 2017, https://www.youtube.com/watch?v=bCQ-GjHfbYw [accessed 10 May 2020].

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2.

Peter Freese

Equality and Afroman’s “The American Dream” (2001)

A crucial aspect of the Dream, which is closely related to the history of immigration, is its promise of equality, and it is obvious that this promise stands in stark opposition to the reality of racism. This discrepancy has always been a preferable topic in the German EFL classroom, and for many years one of the standard texts has been Martin Luther King Jr.’s famous 1963 speech “I Have a Dream.” It cannot be denied that the de jure equality which King helped to accomplish has not yet led to de facto equality and that with regard to sundry aspects of daily life blacks are still worse off than whites. In the days of Trump, racism is once more raising its ugly head as glaringly demonstrated by the AltRight marchers flying swastika flags and chanting “Sieg Heil” in Charlottesville, Virginia, the very place where the architect of the Declaration of Independence founded his university.15 Against this background, it seems appropriate to complement King’s speech with a sort of street version of the same plea and to exchange the Reverend’s clerical rhetoric with a ghetto rapper’s ironical slang. In 2001, Joseph Edgar Foreman a.k.a Afroman (*1974), who is best known for his hit single “Because I Got High,” released a rap called “The American Dream.” This song is a convincing complaint about the ongoing rejection and disregard of blacks: Yes! Yes! Thank you for inviting me here for my final speech. Ladies and gentlemen, homosexuals, lesbians, and transvestites, allow me to introduce myself as the Hungry Hustler, Afroman. I am the American Dream. Even though the government tried to experiment with me by placing me in the projects, I’m still the American Dream. Surrounded by drugs, jeopardized my life by living around thugs, but I’m still the American Dream. Kicked outta Palmdale High School because I was considered a distraction to the educational process. I’ve traveled through the complete metamorphosis of the justice system, and I’m still the American Dream. Entered Juvenile Hall as a tadpole; hopped outta prison as a bull frog, but I’m still the American Dream. The most rejected, disrespected, when I went for a job I was never selected, but I am still the American Dream. And right about now, 15 See, for example, Maggie Astor / Christina Caron / Daniel Victor: “A Guide to the Charlottesville Aftermath,” The New York Times, 13 August 2017, https://www.nytimes.com/2017/08/ 13/us/charlottesville-virginia-overview.html [accessed 10 May 2020].

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I find it quite serendipitous to see that all of you some-timin’, wishy-washy, two-faced, back-stabbin’, conniving hypocrites have accumulated here in my midst to persecute my character with such flagrant slanderousity, but I counter-attack by calling it constructive criticism, and all of your negativity has been recycled into motivation, and I am still the American Dream. Amazing Grace, how sweet the sound that saved a wretch like me. I once was lost, but now I’m found; was blind, but now I see. There’s a lot of people out there who can identify with me. Young lady right here, you may be a single teenaged mother, but you are still the American Dream. The lady next to you, yes. Your breasts may not be as big as men think they should be, but you are still the American Dream. Young man, you may not be a baller, shot caller, with 20 inch blades on the impala, but you are still the American Dream. Young man right here, you may have spent all your money on a hood rat bitch and didn’t get no pussy last night, but you are still the American Dream. Yes sir, I am just like Ham. I’m for the black man, the mexican, and even poor white, all human beings that have no rights. So put down your past, pick up your future, follow me as we journey through the Red Sea, cause I have been to the mountain top, I’ve seen the Promised Land, mine eyes have seen the glory of the Underground Category. My mind has been delivered. My spirit has been reinstated from the Corporate World’s modern-day slavery. I’ve been emancipated. Free at last! Free at last! Fuck a drug test, I’m fittin’ to roll some grass. Love, peace, and Afro grease, Fro-ever! Buccooocc! A-E-I-O-U, and sometimes W. ‘Cuz I’m high, cuz I’m high, cuz I’m high.16

Teaching experience has shown that this rap immediately appeals to students and that they are willing and able to decipher its unexpectedly complex text with the help of the rap dictionaries available on the internet. The rapper, who introduces himself with the self-ironic alliterative stage name “the Hungry Hustler, Afroman,” catches his listeners’ attention by addressing his “final speech” not to the conventional “ladies and gentlemen” but to “homosexuals, lesbians, and transvestites.” He then introduces his hook, the insistent and often repeated demand “I am the American Dream,” and explains his deplorable state by enumerating the vicious circle of his socially induced failures. Having grown up in a neglected housing project among drugs and thugs, he enters school as a disadvantaged 16 An audio is available on YouTube: videogamer619: “Afroman – The American Dream”, Youtube, 09 Dec. 2007, https://www.youtube.com/watch?v=XKMKuRoMkmg [accessed 10 May 2020].

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student and is soon kicked out as “a distraction to the educational process.” As a victim of the zero-tolerance policy which funnels underprivileged youths with behavioral problems directly into the so-called ‘school-to-prison pipeline,’ he finds himself in “juvenile hall,” a prison for young delinquents, and – as a tadpole grows into a bullfrog – matures there from a small-time criminal into a seasoned one. After his release, he is “rejected” and “disrespected” because of his prison record, and when he applies for a job he is “never selected.” But in spite of his downward career he insists that he still is the American Dream and has a right to partake in his country’s promise. He furiously rejects his critics as “wishy-washy” (lacking in strength of character or purpose; ineffective),17 “two-faced” (acting one way in one place and different in another), “back-stabbing” (pretending to be your friend but then talking bad about you to others), “conniving” (plotting or planning to conspire), and “hypocritical.” And when he finds the condescending way in which his critics “persecute [his] character” not only “serendipitous” (come upon or found by accident; fortuitous; good; beneficial; favorable)18 but full of “flagrant slanderousity,” he mixes his street slang not only with a difficult word like “metamorphosis,” but also with a rarely used adjective that belongs to an elevated speech level, and then even goes a step further by transforming the rather rare adjective “slanderous” (untrue and intended to damage the reputation of the person it refers to) into the home-made noun “slanderousity.” And since he will not give in, he “recycles” the negative things said about him into “constructive criticism” and despite all obstacles feels “motivated” to once more repeat his claim that he, too, is the American Dream. The rapper then moves into the religious sphere and, with his reference to “Amazing Grace,” evokes the famous 1779 Christian hymn and classic AfricanAmerican spiritual which is one of the best-known and most widely adapted songs in the English-speaking world and which promises that the soul can be delivered from despair through the mercy of God regardless of sins committed. Maintaining, in the traditional vocabulary of conversion and redemption, that he has progressed from being “lost” to having been “found” and from being “blind” to “see[ing],” he argues that he is just one of many and thereby elevates his personal predicament into an exemplary one. He maintains that he is not the only person who is wrongly rejected and discriminated against, but that he shares his 17 All explanations are based on the Urban Dictionary, https://www.urbandictionary.com/ [accessed 10 May 2020]. 18 One needs to keep in mind, however, that the Urban Dictionary offers this entry for “serendipitous”: “An expression used by individuals to sound confident and smart when explaining why something is successful, but in reality they have no fucking clue. The individual often believes they are the only person to ever have used this word in a sentence, and will often wear a shit-eating grin upon saying it.”

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fate with a “single teenaged mother,” a woman whose body does not comply with the ruling beauty standards, a shy young man who is not getting the desired social recognition because he has no crimes to brag about, and a man who fails to buy the desired sexual satisfaction. With regard to the last two, he uses such rap terms as “baller” (a thug that has ‘made it’ and is living large; originally referring to ball players that made it out of the streets into rich professional players) and “shot caller” (an individual in a gang who has an elevated status and ‘calls the shots’), both referring to people who can afford to ride “with 20 inch blades” in an “impala” (an expensive and high-status car by Chevrolet Motors). And here, in classic rap tradition, he makes use of an unidentified source, namely, the Houston rapper Troy Lane Birklett (*1966) a.k.a. Lil’ Troy’s rap “Wanna Be a Baller,” the first stanza of which reads: “Wanna be a baller, shot caller / Twenty-inch blades on the Impala / Call her, getting’ laid tonight / Swisha rolled tight, got sprayed by Ike / I hit the highway, making money the fly way / But there’s got to be a better way! /A better way, better way, yeah.”19 Having talked about a young man who has vainly spent all his money on “a hood rat bitch” (a neighborhood dumb bitch constantly striving for attention when she is unwanted), the rapper switches once more to another referential level. By stating in passing that he is “just like Ham,” he evokes the biblical story of ‘the Curse of Ham’ (Genesis 9:20–27) that was misused to justify black slavery from the Bible, and insists that he speaks “for the black man” in general. He then extends his argument to “all human beings that have no rights,” be they black, Mexican or “even poor white,” and moves back to the language of the Christian preacher by exhorting his listeners to no longer think about the pains of the past but look forward to the promises of the future, and by referring to such well-worn motifs as the Israelites’ “journey through the Red Sea” and the true believer’s view of “the Promised Land” from “the mountain top.” He then contrasts “the glory of the Underground Category” with “the Corporate World’s modern-day slavery,” that is, the “underground” of a free and independent counter-culture with the mainstream of the mendacious values and attitudes that characterize the major companies. And because his “mind has been delivered” he proclaims that he is now “free at last” and thereby uses the immortal phrase which Martin Luther King borrowed from a spiritual of the same name when, on August 28, 1963, he ended his “I Have a Dream” speech with “Free at last. Free at last. Thank God Almighty we are free at last.”20 19 Available on YouTube: LilTroyVEVO: “Lil’ Troy – Wanna Be A Baller”, Youtube, 16 June 2009, https://www.youtube.com/watch?v=InGtiEXQyF0 [accessed 10 May 2020]. 20 Martin Luther King: I Have a Dream, in: Peter Freese (ed.): The American Dream: Humankind’s Second Chance?, p. 22–23.

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But then, in yet another sudden turn, the rapper goes back to the topic of drugs which figured so prominently in his hit “Because I Got High,” declares that he does not care about “a drug test,” maintains that he is “fittin’ to roll some grass,” and now evokes another and mundane trinity: “love, peace, and Afro grease.” His puzzling “A-E-I-O-U” is no reference to the standard set of vowels in the Latin alphabet but a slang proclamation of joy which is pronounced “aye-yoo,” and its cryptic connection with “and sometimes W” might be yet another tongue-in– cheek reference to the 1983 hit single and award-winning MTV music video “AEIOU Sometimes Y” by the New York computer sampling duo Ebn-Ozn.21 The question whether Afroman’s convincing accusation of social injustices and his – ironically undercut? – usage of traditional religious consolations are regrettably invalidated by his retreat into the escape world of drugs will certainly provide an occasion for a fruitful discussion in the EFL classroom.

3.

Personal Success and Casting Crowns’ “American Dream” (2003)

The best-known ingredient of the American Dream is the notion of personal success, and ever so often it has been understood in merely materialistic terms. This understanding was especially prominent among the ‘yuppies,’ the young urban professionals of Ronald Reagan’s eighties, when anybody who had not made his first million by the age of thirty was considered a failure. But later it began to dawn on many people that certain non-material aspects might be more important for a fulfilled life than money, and a spate of new how-to-books – and many songs about the Dream – concentrated no longer on how to get rich but how to get happy, have an intact family, gain reliable friends, and so on. In 1999, a student worship band formed in Daytona Beach, Florida, which was led by a youth pastor who was also a singer and songwriter and focused on what he thought of as religious discipleship through music. The band named itself Casting Crowns after a passage in Revelation 4: 10–11,22 approached the topics of its songs from a decidedly Christian perspective, and built its lyrics around quotations from the Bible. In 2001, they relocated to Stockbridge, Georgia, and won some regional competitions, and in 2003 their first commercial album titled 21 Available on YouTube: pipsich: “Ebn Ozn – AEIOU Sometimes Y”, Youtube, 15 Nov. 2010, https://www.youtube.com/watch?v=kAAldg3I3uQ [accessed 10 May 2020]. 22 “The twenty-four elders will fall down before Him who sits on the throne, and will worship Him who lives forever and ever, and will cast their crowns before the throne, saying, ‘Worthy are You, our Lord and our God, to receive glory and honor and power; for You created all things, and because of Your will they existed, and were created.”, New American Standard Bible (NASB).

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Casting Crowns quickly made them the fastest selling debut artists in the history of Christian rock, and some of their later albums even reached platinum status. The message of their popular song “American Dream” is that the singleminded pursuit of the American Dream in merely materialistic terms is bound to end in a financial success which, at a closer look, turns out to be a human failure because the pursuit of money and status symbols must be paid for by the loss of human understanding and love. (1) All work no play may have made Jack a dull boy But all work no God has left Jack with a lost soul But he’s moving on full steam He’s chasing the American dream And he’s gonna give his family finer things (2) Not this time son I’ve no time to waste Maybe tomorrow we’ll have time to play And then he slips into his new BMW And drives farther and farther and farther away (3) Cause he works all day and tries to sleep at night He says things will get better; Better in time Chorus: So he works and he builds with his own two hands And he pours all he has in a castle made with sand But the wind and the rain are comin’ crashing in Time will tell just how long his kingdom stands His kingdom stands (4) His American Dream is beginning to seem More and more like a nightmare With every passing day “Daddy, can you come to my game?” “Oh Baby, please don’t work late.” Another wasted weekend And they are slipping away (5) ‘Cause he works all day and lies awake at night He tells them things will get better It’ll just take a little more time Chorus: So he works and he builds with his own two hands And he pours all he has in a castle made with sand But the wind and the rain are comin’ crashing in Time will tell just how long his kingdom stands His kingdom stands (6) He used to say, “Whoever dies with the most toys wins” But if he loses his soul, what has he gained in the end?

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I’ll take a shack on the rock Over a castle in the sand (7) Now he works all day and cries alone at night It’s not getting any better Looks like he’s running out of time Chorus: ‘Cause he worked and he built with his own two hands And he poured all he had in a castle made with sand But the wind and the rain are coming crashing in Time will tell just how long his kingdom stands His kingdom stands (8) All they really wanted was You All they really wanted was You All they really wanted was You23

The song consists of eight irregular stanzas with between three and seven lines and changing rhyme schemes with assonances such as “waste-play-away” or “day-game-late-away” instead of pure rhymes. A chorus is repeated three times after stanzas 3, 5 and 7, and the storyline is strengthened by a pattern of repetition and variation with most stanzas containing elements that remain the same and elements that mark the gradual increase of the protagonist’s failure. Stanza 1 opens with a traditional proverb, which is still common in popular media: “All work and no play makes Jack a dull boy” means that a person becomes both bored and boring without time off from work. Here it is applied to the song’s unhappy protagonist who is “chasing the American Dream” with the well-meaning intention to “give his family finer things.” Whereas it is bad enough that his obsession with “work” and his neglect of “play” have made him “a dull boy,” it is much worse that his pursuit of material goals and his neglect of spiritual aims – “all work no God” – have turned him into “a lost soul.” In stanza 2, it is said that Jack has “no time to waste” (an echo of Benjamin Franklin’s “time is money” and Jay Gatsby’s time-table) and therefore neglects his child – “not this time son” – and tells him that “maybe tomorrow” he will find time to “play” with him. Then he gets into his status symbol – “his new BMW” – and “drives farther and farther and farther away,” becoming ever more estranged from his son. And in stanza 3, Jack, who is working “all day,” finds no rest at night – “he tries to sleep” – and consoles himself with the unfounded hope that “things will get better; / Better in time.” In the chorus, Jack’s wrong priorities are diagnosed in Biblical terms when it is pointed out that a person who dedicates his whole life to “chasing the American Dream” is building the “castle” of his ambitions on shaky foundations. The lines 23 Several audios and videos are available on YouTube.

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“So he works and he builds with his own two hands / And he pours all he has in a castle made with sand / But the wind and the rain are comin’ crashing in / Time will tell just how long his kingdom stands” refer to Jesus’ parable about wise and foolish builders in Matthew 7: 24–27: Therefore everyone who hears these words of mine and puts them into practice is like a wise man who built his house on the rock. The rain came down, the streams rose, and the winds blew and beat against that house; yet it did not fall, because it had its foundation on the rock. But everyone who hears these words of mine and does not put them into practice is like a foolish man who built his house on sand. The rain came down, the streams rose, and the winds blew and beat against that house, and it fell with a great crash.

In stanza 4, Jack’s hotly pursued “American Dream is beginning to seem / More and more like a nightmare.” Both his son, whose game Jack has no time to attend, and his wife, whose wish to come home for the evening he cannot fulfill, “are slipping away” from him, and another weekend that should be devoted to his family is “wasted.” Stanza 5 meaningfully repeats and varies stanza 3, with “cause he works all day” remaining the same, but “[he] tries to sleep at night” now becoming “[he] lies awake at night,” and with the reference to a better future being slightly rephrased. In stanza 6, it is pointed out that Jack used to say “Whoever dies with the most toys wins,” thus quoting a popular saying that humorously refers to the materialistic evaluation of somebody’s status solely on the basis of his possessions. But although by now he might have amassed many “toys,” he is in danger of losing his “soul.” And now an unspecified “I” comments on Jack’s mistakes by varying the Biblical parable and saying: “I’ll take a shack on the rock / Over a castle in the sand.” In stanza 7, stanzas 3 and 5 are taken up and varied once more. The statement that Jack “works all day” remains unchanged, but the “tries to sleep at night” of stanza 3 and “lies awake at night” of stanza 5 are now changed into “and cries alone all night,” thus showing that Jack’s situation is gradually deteriorating. The concluding stanza 8 consists of a single line which is thrice repeated. In yet another abrupt change of perspective, the singer now no longer talks about Jack but addresses him directly: “All they really wanted was you” – and not your money and your status symbols. This song, then, emphatically criticizes the popular version of the Dream as an exclusively materialistic promise, rejects such a reduced understanding as a dangerous error and ‘proves’ that by references to the Bible as well as to folk wisdom (“all work and no play”). It also shows that a functioning family is more important than financial gain, pleads for a return to spiritual values, and thus can serve as a springboard for discussing central aspects of the Dream.

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Some Further Examples

In 1979, Frank Zappa, one of the most innovative American singers and songwriters, who released more than sixty albums with his band The Mothers of Invention, brought out his song “Bobby Brown Goes Down”. The sexual content of this sarcastic comment on the disturbing effects of the women’s liberation movement’s fight for equal rights on certain males who lost their macho prerogatives, made it unfit for broadcast in the U.S., but it became extremely famous in Europe. The song deals with a self-styled personification of the Dream named Bobby Brown, who sings about himself: Oh God I am the American dream I do not think I’m too extreme An’ I’m a handsome sonofabitch I’m gonna get a good job ‘n’ be real rich.24

After a frightening sexual encounter with a lesbian woman named “Freddi” he loses his belief in his potency and becomes a closet homosexual and a “sexual spastic” involved in S&M activities. This song, which has been widely and controversially debated, throws a light on the Dream concept from an ironically refracted gender perspective. In 1982, the Los Angeles punk rock band Bad Religion released their album How Could Hell Be Any Worse? It contains the song “American Dream,” which delivers a wholesale rejection of the Dream notion: I hate my family, hate my school, speed limits and the golden rule. Hate people who aren’t what they seem, more than anything else, American Dream. American Dream’s gonna swallow you whole, it’s bursting at the seam, It’ll sweep you away, so enjoy it today, tomorrow you’ll be old thus useless. American Dream… American Dream…. American Dream, that’s ok, ‘cause no one dare give you away. I hate my job, I hate your god, I hate hypocrites and common slobs. Hate people who aren’t what they seem, more than anything else, American Dream. Promise me today I’ll have a Chevrolet, with whitewalls on the side, One boy, one girl, comfortable lies The American Dream… American Dream… American Dream, that’s ok, ‘cause no one dare give you away. American Dream! (bleah!)25 24 A video is available on YouTube: Moertler: “Frank Zappa – Bobby Brown *Official Video*”, Youtube, 28 Feb. 2012, https://www.youtube.com/watch?v=ZUq_T_Bhau8 [accessed 10 May 2020]. 25 An audio is available on YouTube: cuntsound: “American Dream – Bad Religion”, Youtube, 09 Nov. 2007, https://www.youtube.com/watch?v=1vXHbJJYwb0 [accessed 10 May 2020].

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In 1994, four Armenian-Americans formed the heavy-metal band System of a Down, and by now they have sold over 40 million records worldwide and been nominated for four Grammy Awards. The title of the 2002 song “A.D.D.” from their album Steal This Album is typical of their dense and ambiguous lyrics because it stands not only for “American Dream Denial” but also refers to the disease known as Attention Deficit Disorder (ADD) and thus relates the problems with absent-mindedness and lack of concentration that are symptoms of ADD to the American Dream. The song insinuates that many Americans have not yet realized that the traditional Dream has been replaced by what is really an imperialist and materialist aberration. The opening lines read: We fought your wars with all our hearts, You sent us back in body parts, You took our wills with the truth you stole, We offer prayers for your long lost soul. The remainder is, An unjustifiable, egotistical, power struggle, At the expense of the American Dream, Of the American dream, of the American, of the American.26

In 2012, Malcolm Kelley and Tony Oller formed a duet and mixed their initials – MK and TO – to name themselves MKTO, also meaning ‘Misfit Kids and Total Outcasts,’ and in 2014 they produced a song called “American Dream.” In its refrain they ask “whatever happened to the American Dream,” and speculate that it might have gone and “nothing is the way it used to be.” Therefore, one must say “goodbye to white picket fences,” which stand for the old dream of a house of one’s own, and pursue other aims. These aims are defined, with a passing nod to Bruce Springsteen in their “we were born to run,” when they sing that they “don’t want two kids and a wife” and that they “don’t want a job,” but “just want a life.” It remains open whether this song, which ends with This ain’t the same summer song that you used to know So baby, let’s live and die before we’re getting old You know that nothing is the way it used to be So tell me whatever happened to the American Dream,27

is nostalgic about the loss of the old Dream concept or happy that it has disappeared and now everyone can search his or her personal version of self-fulfillment. But like the song by Casting Crowns, which is clearly anti-materialistic 26 An audio is available on YouTube: SOADCD: “System Of A Down – A.D.D. #6”, Youtube, 07 Sep. 2007, https://www.youtube.com/watch?v=OoMePNDh-BE [accessed 10 May 2020]. 27 A video is available on YouTube: MKTOVEVO: “MKTO – American Dream”, Youtube, 28 April 2014, https://www.youtube.com/watch?v=NPLeuBXoPXI [accessed 10 May 2020].

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and in favor of moral values, MKTO’s song deals with changes in the American value system and offers plenty of food for classroom debates. In conclusion, the few songs about the American Dream from Neil Diamond to MKTO are only a small selection from a broad range of thematically relevant songs,28 which constitute a veritable treasure trove of teaching material for the EFL classroom. These songs cannot only integrate the extracurricular interest of the students into classroom work and, thereby, activate new forms of listening comprehension but their controversial comments on the oscillating concept of the Dream can open new and promising approaches to a crucial topic.29

Bibliography Print Adams, James Truslow: The Epic of America, New York 1931, p. 404 Chomsky, Noam: Requiem for the American Dream: The 10 Principles of Concentration of Wealth & Power, New York 2017. Freese, Peter: ‘America’: Dream or Nightmare: Reflections on a Composite Image, Essen 1994.

28 See Eleanor Kagan: “The Mix: The Sound of Your American Dream”, NPR, 01 July 2012, http s://www.npr.org/2012/07/01/155867822/the-mix-the-sound-of-your-american-dream?t=153 5561216221 [accessed 10 May 2020]. Kagan recalls that “we asked you what your American Dream sounds like. You told us: The sound of your “American Dream” is steeped in music that’s distinctly and historically American, from blues and gospel to classic rock and protest music, to punk and hip-hop. It sounds hopeful, cynical, urgent and exuberant, often in the same song. You suggested songs that are about not getting what you want and persevering anyway. These are songs about understanding your own life through the struggles of others, anthems about your frustrations and fears, and lyrics that speak truth to power. This is music that clings to a vision for a brighter future.” And she provides ample material by adding a playlist of over two-hundred songs that had been named, with cross references to detailed articles about a dozen of them. 29 Teachers shying away from contemporary pop music will find suitable songs about the Dream in musicals. “I Like to Be in America,” a crucial song in Leonard Bernstein’s West Side Story (1957), which, based on Shakespeare’s Romeo and Juliet, deals with the rivalry between the teenage street gangs of the Puerto Rican Sharks and the white Jets in the New York of the 1950s, evokes the Dream, seasoned with some skeptical irony, from a Puerto Rican perspective (text under: https://www.songtexte.com/songtext/leonard-bernstein/west-side-st ory-america-13cac50d.html [accessed 10 May 2020]; video under: https://www.youtube.com /watch?v=NPlcE3GcoFc [accessed 10 May 2020]). In Miss Saigon, Claude-Michel Schönberg’s 1989 adaptation of Puccini’s Madame Butterfly, which deals with a tragic romance between a Vietnamese bargirl and an American GI in Saigon during the war in the 1970s, in the bestknown song, “The American Dream,” the Dream is emphatically denounced as a thoroughly mendacious concoction (text under: http://www.songlyrics.com/miss-saigon/the-americandream-lyrics/ [accessed 10 May 2020]; several videos on YouTube).

Teaching The American Dream through Popular Music

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Christoph Oliver Mayer (Berlin / Dresden)

Der Eurovision Song Contest als Mittler europäischer Integration? Sprachenbegeisterung im romanischen Fremdsprachenunterricht

Bei der 61. Austragung des ursprünglich 1956 als Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne und als gemeinsame Liveübertragung der European Broadcasting Union (EBU) ins Leben gerufenen Eurovision Song Contests (ESC) im schwedischen Stockholm (Mai 2016) sang nur noch eine Wettbewerberin komplett in einer romanischen Sprache. Dabei handelte es sich nicht um eine Vertreterin der seit Beginn der Veranstaltung teilnehmenden Länder Frankreich, Italien oder Belgien, sondern um die Sängerin Zoë aus Österreich! Deren Titel „Loin d’ici“, in der Endabrechnung letztlich Dreizehnter, erhielt schließlich von den Zuschauerinnen und Zuschauer im Televoting mehr Stimmen (Platz 8) als die von der Jury bevorzugten Beiträge Frankreichs (Gesamtrang 6), Italiens (Gesamtrang 9) und Belgiens (Gesamtrang 10). Abgeschlagen auf dem 22. Platz landete als weiterer romanischer Teilnehmer des Finales Spanien, während die (potentiell) ja ebenfalls zur Romania zu zählenden Länder Schweiz, San Marino und Moldawien bereits in den vorangehenden Halbfinals gescheitert waren und das ursprünglich gemeldete Rumänien aufgrund nicht bezahlter Schulden bei der EBU kurz vor dem Wettbewerb gesperrt wurde. Immerhin wurden die Beiträge Italiens und Frankreichs noch zum Teil in der jeweiligen Landessprache vorgetragen, wenn sie auch umfangreiche englische Passagen enthielten. Spanien präsentierte jedoch zum ersten Mal bei dem Wettbewerb, an dem es seit 1961 ununterbrochen teilnimmt, ein Lied ganz in der vermeintlich internationalen Popmusiksprache Englisch. Alle anderen genannten romanischen Länder praktizieren dies ohnehin schon seit Jahren, während seit einiger Zeit Luxemburg, Monaco und Andorra der Veranstaltung fernbleiben und Portugal zuletzt pausierte. Obwohl somit bis auf Mazedonien und BosnienHerzegowina die anderen 39 Teilnehmerländer des Jahres 2016 allesamt Englisch wählten, das eigentlich nur die Landessprache von drei EBU-Mitgliedern (Vereinigtes Königreich, Irland, Malta) darstellt, verwundert der Sprachengebrauch der romanischen Länder dennoch. Gerade vor dem Hintergrund einer großen Popularität von Latinomusik, angesichts der Tatsache, dass bis dato der Wechsel von Sprachen innerhalb eines Songs nie erfolgreich war und ob der vergangenen

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Christoph Oliver Mayer

positiven Reaktionen auf die Rückkehr der italienischen Sprache in den Song Contest, scheint sich hier mit der Entscheidung der sich unter den für das Finale stets vorqualifizierten Big Five befindenden romanischen Fernsehanstalten Frankreichs, Italiens und Spaniens eine Verarmung sprachlicher Vielfalt abzuzeichnen, sich auch bei ihnen das Globish durchgesetzt zu haben und das Faszinosum ESC,1 der als kultureller Mittler der europäischen Integration stets zwischen nationalen Repräsentationen und europäischen Bekenntnissen schwankte, bedroht zu sein. Oder nicht?

1.

Der Grand Prix Eurovision als Motivator für Multikulturalität und Sprachenbegeisterung

Seit Anbeginn der europäischen Fernsehgeschichte stellt der Gesangswettstreit unter den Mitgliedsstaaten der EBU das größte Live-Ereignis des Jahres und damit ein ideales Schaufenster für nationale Populärkultur sowie die Gelegenheit zur Ausbildung von gemeinsamem Geschmack dar. In den Anfangsjahren dominierte das (französische) Chanson, bevor mit dem legendären Sieg der schwedischen Gruppe Abba („Waterloo“) 1974 die Popmusik Einzug hielt und, auch dank der kurzfristigen Öffnung der Sprachenregelung, die Stunde der anglophonen Beiträge geschlagen hatte. Als außergewöhnliches Fernseh-Event war die Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt aber längst etabliert.2 Auch wenn die EBU selbst in weiteren Sendeformaten Europa im öffentlich-rechtlichen Fernsehen einen besonderen Platz einräumte und Olympische Spiele, Fußballländerspiele und sonstige Sportgroßereignisse die mediale Präsenz der europäischen Nationen garantierten, so konnte doch der Durchschnittszuschauer eigentlich nur einmal im Jahr durch die musikalischen Beiträge am Grand Prix Eurovision mehrere andere europäische Sprachen hören und einen Einblick in die Kultur-, respektive Musiklandschaft der ansonsten medial unterrepräsen-

1 Die Forschungsliteratur zur Thematik ist in den letzten Jahren umfangreicher und internationaler geworden. Einen Überblick für die Forschung bis 2005 bietet Irving Wolther: Kampf der Kulturen. Der ,Eurovision Song Contest‘ als Mittel national-kultureller Repräsentation, Würzburg 2006, S. 21–23. Für die Zeit danach siehe Christoph Oliver Mayer: Rezension zu Christine Ehardt / Georg Vogt / Florian Wagner (Hg.): Eurovision Song Contest. Eine kleine Geschichte zwischen Körper, Geschlecht und Nation, Wien 2015, in: MEDIENwissenschaft 1 (2016), S. 99–104. 2 Für diese Zeit formuliert Jean-Pierre Hautier: La folie de l’Eurovision. Les meilleurs anecdotes!, Vottem 2010, S. 15.: „L’Eurovision, c’est le programme que l’on ne manque pas.“ – Darüber hinaus wäre auf weitere Fernsehsendungen der EBU wie Spiel ohne Grenzen ebenso zu verweisen wie auf Eurovisions-Sendungen im deutschen Fernsehen wie Einer Wird Gewinnen oder Wetten, dass…?.

Der Eurovision Song Contest als Mittler europäischer Integration?

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tierten Nachbarstaaten nehmen.3 Die Veranstaltung spielt also seit jeher eine wichtige Rolle als Mittler von deklarativem Wissen. Da der Grand Prix Eurovision von Anfang an vor allem mit der Verkündung der Jury-Ergebnisse assoziiert war und diese in französischer Sprache zumindest wiederholt wurden bzw. der Wettbewerb regelgemäß in Französisch moderiert wurde, etablierte sich just dadurch (nicht nur) im deutschsprachigen Raum ein Basiswissen über französische Zahlen und Ländernamen nach dem Motto „Royaume-Uni huit points“ sowie eine Vorstellung von französischer Aussprache.4 Aber auch die anderen Nationen und Sprachen, inklusive der direkten Nachbarn, waren selten so stark medial vertreten. Wo sonst, wenn nicht an diesem Fernsehabend kamen die Durchschnittsdeutschen so intensiv mit französischer Sprache, italienischer Canzone oder portugiesischer Folklore in Kontakt? Die jährlich wiederkehrende und im Vorfeld prominent beworbene Veranstaltung weckte das Interesse für Sprachenvielfalt und ein Bewusstsein für Multikulturalität bei vielen Zuschauerinnen und Zuschauern, und das von Jugend an.5 Der „Schmelztiegel aller Arten von Menschen und Sprachen“6, der bereits in den deutschen Vorentscheidungen und der Auswahl der Interpreten sichtbar wurde, wenn z. B. die Skandinavierinnen Wencke Myhre, Gitte Haenning oder Siw Malmkvist, genauso aber auch die Britin Ireen Sheer als Repräsentantinnen Deutschlands gekürt wurden, kreierte schließlich „supranationale Syn-

3 Dass daran ein Interesse bestand, zeigen die Erfolge diverser Interpreten sowohl mit Liedern in ihrer Nationalsprache als auch mit Übersetzungen. Ein frühes Erfolgsbeispiel ist Udo Jürgens, aber auch Nana Mouskouri, Karel Gott und Rudi Carrell waren frühe Grand Prix-Teilnehmer. Auch der Spanier Raphael konnte nach seinen Teilnahmen 1966 und 1967 eine internationale Karriere starten. 4 Siehe z. B. den Titel der Publikation von Milena Fessmann / Kerstin Topp / Wolfgang Kriegs (Hg.): L’Allemagne Deux Points. Ein Kniefall vor dem Grand Prix, Berlin 1998. 5 Hier wären die persönlichen Bekenntnisse zahlreicher Fernsehschaffender, Blogger und Publizisten als Beleg zu nennen, die allesamt biographisch früh vom ‚Virus‘ des Song Contests infiziert wurden. Vgl. hierzu einschlägige Publikationen wie Jan Feddersen: Wunder gibt es immer wieder – Das große Buch zum Eurovision Song Contest, Berlin 2010 oder Andy Roberts: Flying the Flag. A celebration and contemplation of the United Kingdom’s 50 years in the Eurovision Song Contest. 1957 to 2007, Bloomington 2009, der von „Bathtime with Abba“ (S. 3) erzählt. In Fessmann / Topp / Kriegs (Hg.): L’Allemagne Deux Points wird der „Kniefall vor dem Grand Prix“ praktiziert und es kommen u. a. Prominente wie Götz Alsmann, Thomas Hermanns, Georg Uecker und Matthias Frings zu Wort. Siehe genauso Werner Vogel u. a. (Hg.): The very best of Song Contest, Wien 2015, S. 6, wo von der „Klangkulisse unseres Lebens“ die Rede ist. Clemens Dreyer / Claas Triebel: Ein bisschen Wahnsinn. Wirklich alles zum Song Contest, München 2011, S. 1, sprechen von „Hochstimmung, Speichelfluss“. 6 So Wolfgang Müller im Interview mit dem isländischen Interpreten Paul Oscar, in: Fessmann / Topp / Kriegs (Hg.): L’Allemagne Deux Points, S. 120.

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ergieeffekte“7, die sich auch in multikulturellen Gesangsgruppen (von Dschinghis Khan 1979 bis Sürpriz 1999) zeigten. Interpretinnen und Interpreten konnten dementsprechend Karrieren in anderen europäischen Ländern starten (z. B. Mary Roos, Sévérine, Vicky Leandros), Welthits entstanden (z. B. das als „Volare“ bekannte „Nel blu dipinto del blu“ des Italieners Domenico Modugnu 1958 oder „Eres Tú“ von der spanischen Gruppe Mocedades 1973) genauso wie nationale Gassenhauer (vgl. „Zwei kleine Italiener“ von Conny Froboess 1962). Beiträge wurden in zahlreichen anderen Sprachen aufgenommen (vgl. 1983: Ofra Hazas Beitrag „Chai“ für Israel, z. B. in Deutsch als „Frei“, oder aber Jugoslawiens Daniel, dessen „Dzˇuli“ in Englisch und Deutsch erfolgreich war) und Einblicke in die nationalen Künstlerszenen wurden ermöglicht, wenn etwa Italien die Sieger des Festivals von San Remo entsandte und sich von Matia Bazar bis Umberto Tozzi, von Alice bis Raf international erfolgreiche Sängerinnen und Sänger präsentierten oder wenn über die Landesgrenzen hinaus bekannte Repräsentanten als Moderatoren der Veranstaltungen aufgeboten wurden (Victor Laszlo für Belgien 1986; Lolita Moreno für die Schweiz 1989). Die Popmusik- und Unterhaltungsindustrie Europas wurde daher über Jahre hinweg weitgehend mitbestimmt vom ESC, dessen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich sicher sein konnten, Auftritte in anderen Sendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu bekommen (von der ZDFHitparade und dem Blauen Bock bis zu Schlag den Raab), dessen verdienstvollste Moderatorinnen und Moderatoren dafür aufgeboten wurden (von Carolin Reiber bis Barbara Schöneberger) und das dafür in weiteren Sendeformaten (wie Die Chart-Show oder der ZDF-Fernsehgarten) ausreichend Platz einräumte. Aber auch für die Zuschauer selbst konnte der Grand Prix zum motivierenden Mittler werden8: Reisen in andere Länder wurden angestoßen, denn nicht ohne Grund wurden auch kleinere Städte zu Austragungsorten (Harrogate 1982; Bergen 1986) und wurde die Sehnsucht nach Reisen explizit musikalisch geweckt („Amsterdam“ 1981; „Venedig im Regen“ 1991). Fremdsprachenlernen wurde angeregt, und über die dargebotenen Lieder wurden einzelne Passagen aus anderen europäischen Sprachen verinnerlicht (vgl. das als „Ciao, ciao bambina“ bekannte „Piove“ von Domenico Modugno 1957), Europäerinnen und Europäer 7 Georg Uecker: Ring Ding Bin Bom oder: Wenn Käseigel im linguistischen Nirvana schwitzen; in: Fessmann / Topp / Kriegs (Hg.): L’Allemagne Deux Points, S. 80–87. Dieser kurze Beitrag gehört bis heute zum Besten, was über den Song Contest je geschrieben wurde und ist auch nicht veraltet. 8 Vgl. z. B. so unterschiedliche Studien wie Dafna Lemish: ,My Kind of Campfire‘: The Eurovision Song Contest and Israeli Gay Men, in: Popular Communication: The International Journal of Media and Culture 2.1 (2004), S. 41–63 und Mari Pajala: Mapping Europe: Images of Europe in the Eurovision Song Contest, in: View. Journal of European Television History & Culture 1.2 (2012), S. 3–10.

Der Eurovision Song Contest als Mittler europäischer Integration?

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bekamen eine Ahnung von Sprachen wie Finnisch oder Portugiesisch. Im Ausland bereits präsente Bands wie Clouseau aus Belgien (1991) oder Interval-Acts wie die Hothouse Flowers aus Irland (1988) konnten von Fans beim ESC ebenso wiederentdeckt werden wie etwa der Spanier Peret, der 1971 mit „Borriquito“ einen Nr. 1-Hit in Deutschland gehabt hatte und beim ESC 1974 mit „Canta y sé feliz“ auf die europäische Bühne zurückkehrte. Die Begeisterung für die Romania wurde ganz besonders geweckt, war sie doch bis 1991 überaus dominant vertreten: 13-mal fand der Wettbewerb in romanischen Ländern statt (zweimal in der Schweiz, dreimal in Frankreich, viermal in Luxemburg, einmal in Spanien, einmal in Belgien und zweimal in Italien), 16-mal gewannen Beiträge in romanischer Sprache (zweimal Schweiz, viermal Frankreich, viermal Luxemburg, je zweimal Italien und Spanien, je ein Sieg für Belgien und Monaco). Seitdem sind allerdings keine Siege mehr zu verzeichnen gewesen, und auch der Anteil der romanischen Nationen und Sprachen rückte durch die Ost-Erweiterung in den Hintergrund. Dadurch hat sich weniger das Zuschauerinteresse als das Interesse der übertragenden Sender verringert: Italien bzw. die RAI stieg 1998 bis 2012 aus dem Wettbewerb aus, in Frankreich wechselte die Ausstrahlung 1983 von TF 1 zu Antenne 2 und schließlich 1999 zu France 3. Dennoch bieten noch die italienischen Beiträge der 1980er sowie die französischen Wettbewerbslieder der 1990er besonders interessante Beispiele für gezielte nationale Repräsentation.9 In den 1980er Jahren schlitterte der Wettbewerb parallel zu den ersten deutschen Erfolgen allmählich in eine vermeintliche Krise, die sich eigentlich aber nur darin zeigte, dass im Folgejahrzehnt vor allem Ethno- und World-Music, insbesondere keltisches Liedgut, dominierten, was den Vorwurf einbrachte, hier würde gegen den Musikmarkt produziert. Was ansonsten ein Ausweis von Qualität ist und dem Schlager-Image des ESC entgegenlief, wurde medial genauso arg kritisiert. Aber warum? Doch wohl eher, weil die Begeisterung für andere europäische Kulturen und Sprachen deutlich abgenommen hatte, weil man im Zuge der Osterweiterung verunsichert auf sich selbst blickte und mit neuen, ästhetisch durch den Kommunismus verarmten Kulturen konfrontiert war. Vorbei waren anscheinend die Faszination für das existentialistische Paris, vorüber die Sehnsucht nach Italien, und alles, was nicht sofort Kapital versprach, wurde beargwöhnt. Dabei kann man weiterhin so vieles aus dem Wettbewerb lernen: Wann sonst wurde portugiesischer Fado präsentiert, wo hörte man schon Rätoromanisch? Als der Song Contest 2002 in Tallinn stattfand, nutzen die Veranstalter 9 Vgl. hierzu Christoph Oliver Mayer: Les contributions françaises au Concours de l’Eurovision pendant les années ’80: la France se présente comme „multi-culturelle“, in: Timo Obergöker / Isabelle Enderlein (Hg.): La chanson française depuis 1945. Intertextualité et intermédialité, München 2008, S. 219–232 bzw. Christoph Oliver Mayer: Italien beim Eurovision Song Contest – zwischen Nationalrepräsentation und Europagedanken, in: Italienisch 2 (2014), S. 78–90.

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diesen zur Bewerbung Estlands und die Kommentatoren vermittelten Wissen über Estlands Singende Revolution.10 Dieselbe Veranstaltung präsentierte eine überaus große musikalische und inszenatorische Vielfalt: Neben Drag-Queens aus Slowenien (Sestre) und einem Latino aus Österreich (Manuel Ortega), sangen eine Volksmusikantin für die Schweiz (Francine Jordi), eine blinde Sängerin für Deutschland (Corinna May) und eine Casting-Show-Teilnehmerin (Rosa) aus Spanien. Auf den ersten Plätzen landeten allerdings eine Musical-Einlage aus Lettland (Marie N.) und eine schlecht singende Schönheit aus Malta (Ira Losco). Sprachenbegeisterung und kulturelles Wissen im Zeichen der europäischen Vielfalt stehen somit beim ESC im Zentrum und sind dergestalt deckungsgleich mit den Zielen des Sprachunterrichts: Multilinguale Experimente oder „linguistische Crossover“11 gab es schon zu Zeiten, als eigentlich noch in der Nationalsprache gesungen werden sollte (Schweden 1965; Norwegen 1973). Im Jahr 2000 kamen aus Zypern italienische Textzeilen („Nomiza“) und aus Deutschland unverständliches Gebabbel („Wadde hadde dudde da“). 2007 sang Rumänien („Liubi, liubi, I Love You“) in sechs Sprachen, die Ukraine mit Verka Serduchka genauso wie die deutsche Gruppe Sürpriz 1999 viersprachig; Litauen („Strazdas“) hatte 1999 in Schemaitisch gesungen, Frankreich war schon mit bretonischen (1996), kreolischen (1992) und korsischen Liedern (1993 bzw. 2011) angetreten. Katalanisch durfte man trotz einigen katalanischen Sängern (schon 1962 trat Victor Balanguer, ein berühmter katalanischer Sänger, für Spanien an) erst mit dem ersten Auftreten Andorras 2004 vernehmen. Island sang 2010 auf Französisch („Je ne sais quoi“), ebenso schon mal Bosnien 1999 („Putnici“) und Zypern 2007 („Comme ci, comme ça“); Österreich (2005; „Y asì“) und Norwegen (2007; „Ven a bailar conmigo“) präsentierten Spanisches, Lettland entschied sich 2007 für Italienisch („Questa notte“) ebenso wie schon Rumänien 2006 (Mihai Tra˘istariu: „Tornerò“). Legendär war auch die Moderation der deutschen Präsentatorin Marlène Charell anlässlich des Grand Prix Eurovision in München 1983, die alle Ansagen derart langsam dreisprachig zum Besten gab, dass man den Eindruck gewinnen konnte, hier würde Sprachunterricht nach der direkten Methode erteilt. Schließlich wird direkt deklaratives Fakten-Wissen vermittelt. Die Austragungsorte der Veranstaltungen werden geographisch verortet.12 Die kleinen 10 Vgl. Jean-Pierre Hautier: La folie de l’Eurovision, S. 170: „Et si, grâce au concours, les spectateurs savent en plus que Riga est la capitale de la Lettonie, tant mieux.“ 11 Mario R. Lackner / Oliver Rau: Friede, Freude, Quotenbringer. #60JahreSongcontest, Ranshofen 2015, S. 202. Siehe auch Clemens Dreyer / Claas Triebel: Ein bisschen Wahnsinn, S. 77. 12 Vgl. John Kennedy O’Connor: Eurovision Song Contest. Das Beste aus sechs Jahrzehnten, Hamburg 2015, S. 80 spricht sogar davon, dass Riga, Lausanne und Baku erst durch den ESC in Europa bekannt geworden seien, was zumindest für das irische Millstreet oder das britische Harrogate sicherlich auch gilt.

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Länder bekommen ihre Bühne. Die Nennung von Städten, Prominenten und Ereignissen vom Brandenburger Tor (Norwegen 1990) bis zu bekannten Komponisten (Österreich 1980; „Du bist Musik“) trägt nicht nur dazu bei, dass jeder Europäer die Lieder versteht, sondern hilft auch, das Wissen um die lieux de mémoire zu verstetigen. Ein Lied wie „Somewhere in Europe“ von Liam Reilly (Irland 1990) berichtet von neuralgischen Treffpunkten in Europa: Amsterdam, Sevilla, Brüssel, vor allem aber der Trevi-Brunnen in Rom, die Champs-Élysées in Paris und Trafalgar Square in London sowie der Schwarzwald und die Adria werden aufgezählt. Die portugiesische Gruppe Da Vinci besingt 1989 in „Conquistador“ Portugals Seefahrer-Vergangenheit und vermittelt im Refrain das Wissen um die ehemaligen portugiesischen Kolonialgebiete: „fui ao Brasil, Praia e Bissau, Angola, Moçambique, Goa e Macau. Ai fui até Timor“.13 Die Berichterstattung rund um den Wettbewerb vertieft die Geschichtlichkeit der Veranstaltung selbst. Die Fans des Wettbewerbs bereiten Internetseiten diesbezüglich auf, und die EBU wirkt durch entsprechende Publikationen und Merchandising an der Vermehrung des Wissens mit.14

2.

Der Eurovision Song Contest und die Diversität in der Einheit

Dem Wettbewerb wurde Ende der 1990er Jahre ein zeitgemäßes Design verpasst. Die Aufgabe der Sprachenregel, d. h. der Pflicht zum Singen in einer eigenen Nationalsprache, ging dabei einher mit dem 1998/99 eingeführten Televoting, das zuletzt jedoch wieder von einem Juryergebnis begleitet wurde. Seit dem Fall des Kommunismus allerdings wuchs die Veranstaltung derart an, dass nun alljährlich mehr als 40 Teilnehmerländer zu verzeichnen sind; 2016 waren es 43. Umso mehr gilt: „Der Eurovision Song Contest ist Europa“,15 auch wenn genau genommen mit Israel, Marokko und Australien bereits drei außereuropäische Mitglieder der EBU teilgenommen haben, während bis auf Liechtenstein, die 13 Da Vinci: Conquistador, Audio-CD, Discossete 1989. 14 Vgl. www.eurovision.tv oder Fankompendien wie das zu Athen: o. A.: The Official Fan Book Eurovision Song Contest Athens 2006, London 2006. Dort werden alle Teilnehmerländer vorgestellt, und zwar in Bezug auf die Eigengeschichte des Wettbewerbs. Vgl. ebd., S.68 die Vorstellung der Schweiz: „Switzerland hosted and won the very first ESC back in 1956 […]. Despite its only winners being in French, Switzerland has entered in all four of its national languages.“ Vgl. aber auch Internetseiten wie die der OGAE (Organisation Générale des Amateurs de l’Eurovision) und deren einzelnen nationalen Untergruppen (z. B. für Deutschland www.ogae.de). 15 Jan Feddersen: Wunder gibt es immer wieder, S. 11. Ebd., S.12: „Ein Kontinent, der mehr ist als alle Nachbarschaften zusammen, eine Chiffre für die Antiprovinz, für offene Grenzen und Möglichkeiten, die es einst nicht gab.“ Timna Brauer in Mario R. Lackner / Oliver Rau: Friede, Freude, Quotenbringer, S. 332 nennt den Wettbewerb „Baustein für Europa“.

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Färöer-Inseln und den Vatikan sowie den Kosovo alle Staaten Europas bereits mehr als einmal mitgewirkt haben. Die territoriale Vielfalt des Wettbewerbs ist dabei ein wichtiger Baustein und spiegelt das Grundprinzip Europas von der Vielfalt in der Einheit wider. Englisch wurde schließlich seit 1998 endgültig zur dominanten Sprache des Wettbewerbs, wovon schon der neue Name Song Contest zeugt.16 Aber der Aspekt der national-kulturellen Repräsentation ist dennoch dadurch nicht verlorengegangen; Musikindustrie und -kultur des jeweiligen Landes sollen abgebildet werden. Daher zeigt der ESC sehr gut, wo nur noch Englisch auf dem Musikmarkt dominiert und wo auch die Nationalsprache noch in den einheimischen Hitparaden eine Rolle spielt, wie etwa in den großen romanischen Ländern. Ab und an werden trotz des gemeinhin bevorzugten Englischs Dialekte und Varianten präsentiert oder es wird in Fantasiesprachen gesungen.17 Sprachvarianten und Minderheitensprachen erweitern das Spektrum linguistischer Außendarstellung, während die Interpreten selbst ethnische und kulturelle Minderheiten verkörpern, bisweilen ebenso eher minoritäre Musikstile auf die Bühne bringen und somit eine Vielfalt von Subkulturen aufscheint. Frankreichs Repräsentanten um das Jahr 2010 herum zeigen das sehr gut: Nach dem Comedian Sébastien Tellier, der erst nach herber Kritik französische Passagen in sein englisches Lied „Divine“ einbaute und den dafür die damalige Ministerin für Kultur und Kommunikation Christine Albanel in Schutz nehmen musste, wurde mit der gebürtigen Lothringerin Patricia Kaas die vielleicht bekannteste Chansonsängerin 2009 nach Moskau gesandt.18 2010 durfte Jessy Matador aus dem Kongo sein „Allez, olà, olé“ zum Besten geben, der seine stupide Fußball-Hymne mit Zouk-Rhythmen bereicherte. Im Jahr danach präsentierte Frankreich mit dem Korsisch singenden Tenor Amaury Vassili und seinem opernhaften „Sognu“ genau das Gegenteil. 2012 schließlich wurde die Indonesierin Anggun ausgewählt, die einen DiscoDance-Song vorstellte. 16 Näheres zur Änderung der Sprachenregel bei Jan Feddersen: Ein Lied kann eine Brücke sein. Die deutsche und internationale Geschichte des Grand Prix Eurovision, Hamburg 2002, S. 330. Vgl. aber auch Goeff Tibballs: The Good, the Bad and the Wurst. The 100 Craziest Moments from the Eurovision Song Contest, London 2016, S. 117: „thereby allowing UK viewers to appreciate the full banality of the lyrics for the first time“. Werner Vogel u. a. (Hg.): The very best of Song Contest haben 56 verschiedene Sprachen gezählt. Angloamerikanische Publikationen bewerten den Übergang zum Englischen deutlich positiver, vgl. Des Mangan: This is Sweden Calling. Everything you’ve ever wanted to know about the Eurovision Song Contest but were laughing too hard to ask!, Sydney 2004, S. 120. 17 Goeff Tibballs: The Good, the Bad and the Wurst, S. 128f. spricht dabei von einer „language barrier“. 18 Siehe auch Christoph Oliver Mayer: Die deutsch-französische Freundschaft und der Grand Prix de la Chanson de l’Eurovision, in: Dieter Hüser / Ulrich Pfeil (Hg.): Populärkultur und deutsch-französische Mittler. Akteure, Medien, Ausdrucksformen, Bielefeld 2015 (Jahrbuch des Frankreichzentrums der Universität des Saarlandes 14/2014), S. 153–166.

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Der Trend zum International Cowriting19 erhöht aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass Schülerinnen und Schüler die einen oder anderen Akteure oder Musikmacher kennen. Die finnischen Monsterrocker Lordi oder die schwedische Gruppe The Ark waren in Deutschland keine Unbekannten, als sie beim ESC an den Start gingen. Gleichzeitig kann die temporäre Popularität bestimmter Musikstile, Stilikonen oder Musiksprachen durchaus ohne Rückwirkung auf den ESC bleiben. Alex Christensen war 2009 absolut glücklos, als er die BurlesqueTänzerin und Ehefrau von Schockrocker Marilyn Manson, Dita Von Teese, mit auf die Bühne des Song Contests holte und damit seinen miserablen deutschen Beitrag übertünchen wollte, und das, obwohl er kurz zuvor einen europaweiten Hit hatte (allerdings mit dem Titel „Du hast den schönsten Arsch der Welt“, der ihn für den NDR dennoch contest-würdig erscheinen ließ). Ähnlich gingen auch schon Prominente wie DJ BoBo, Bonnie Tyler, Cascada, die No Angels, Kate Ryan oder Blue unter. 2013 konnte Frankreich trotz des parallelen Erfolgs von Zaz mit Amandine Bourgeois (Rang 23) nicht bestehen, und auch die spanische Folkgruppe El Sueño de Morfeo versagte, obwohl zeitgleich Latino- und Ethnomusik boomte (Rang 25). Dagegen punkteten Skabands aus Griechenland (Rang 6) und Electrosounds aus Norwegen (Rang 4). Mittlerweile wird die Veranstaltung als ein Fest der Völkergemeinschaft inszeniert, die insbesondere auch Randgruppen vorbildlich integriert, insbesondere Migrantengruppen und Mitglieder der LGBTQ-Community.20 Die Vielfalt des Angebots kann eben auch unterschiedlichen Identitätsbildungen Rechnung tragen oder aber: Um im Bewerb aufzufallen, muss man mit Randständigem punkten, was für die auf der Bühne eine Frau küssende Finnin Krista Siegfrieds 2013 ebenso gilt wie für Österreichs weitaus erfolgreichere bärtige Drag Queen Conchita Wurst 2014. Was für die Kunst im Allgemeinen gilt, das trifft hier umso mehr zu: Durchschnittsware und Unauffälliges langweilt. So erklärt sich, warum der ESC Minderheiten so positiv integriert und an diesem Beispiel gelebter Respekt und Toleranz im Unterricht behandelt werden kann, sowie dass sich das Interesse sprachlicher wie sexueller Minderheiten hier hervorragend abbildet. Während diese Gruppen nicht durch Einschaltquotenmessungen berücksichtigt werden, bildet sich die Präsenz von Migrantengruppen bei den Telefonabstim19 So Julian Vignoles / Kyran O’Brien: Inside the Eurovision Song Contest: Music, Glamour and Myth, Dublin 2015, S. 69. Ein Beispiel dafür wäre der bis dato 12-mal beim ESC aktive schwedische Komponist Thomas G:son, der auch für Spanien 2007, 2012 und 2015 als Komponist tätig war. 20 Vgl. hierzu u. a. Maximilian Bauer: Die Song-Contest-Fangemeinde in Österreich. Eine Analyse, in: Christine Ehardt / Georg Vogt / Florian Wagner (Hg.): Eurovision Song Contest. Eine kleine Geschichte zwischen Körper, Geschlecht und Nation, Wien 2015, S. 283–295. Der Charakter der Völkerverständigung zeigt sich überdies in den jährlichen wechselnden Mottos, vgl. 2016 „Come together“, das auf „Building bridges“ (2015) folgte.

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mungen genauso ab wie die der Homosexuellen beim Kameraschwenk ins Publikum. Die Diversität der europäischen Gesellschaft wird jedoch aufgefangen durch ein eindeutiges Signal für Akzeptanz und Toleranz. Prominente Identifikationsfiguren werden in die Berichterstattung eingebunden, etwa in Frankreich, wenn 2006 Michel Drucker als Kommentator und 2008 Jean-Paul Gaultier als CoKommentator verpflichtet wurden, oder in Deutschland 1989, als Thomas Gottschalk kommentierte. Auch wenn Entwicklungen wie die Verlagerung des Programms in randständige Fernsehsender wie Phoenix und Eins Festival in Deutschland bedenkliche Signale aussenden und die zwischenzeitliche Fokussierung auf den Camp-Charakter der Veranstaltung durchaus auch diskriminierende Distanzierung praktiziert, funktioniert die öffentliche Wahrnehmung dennoch weitestgehend integrativ bezüglich der sexuellen Minderheiten, allerdings eher konfliktträchtig hinsichtlich der Migrantengruppen, denen oft falscher Patriotismus unterstellt wird und die nur selten ins Blickfeld gerückt werden, allenthalben indirekt, wenn es Juryvotings zu begründen gilt. Gleichzeitig ist der ESC aber eben dadurch ein Schlachtfeld der Politik, spiegelt er doch die politische Verfasstheit und die Veränderungen Europas wider.21 Einmal im Jahr stellt sich die Populärkultur der Frage, wie sie es mit der europäischen Identifikation hält, wer oder was zu Europa gehört und wer nicht. Damit wird so etwas wie „European awareness“22 produziert: Europa wird vergegenwärtigt, fokussiert, thematisiert und problematisiert. Davon zeugen auch diverse Beiträge: Toto Cutugnos Siegertitel „Insieme 1992“ aus dem Jahr 1990 besingt mehr oder weniger den Vertrag von Maastricht;23 Spaniens Rosa erklärte 2002 „Europe’s Living a Celebration“; Frankreichs Cocktail Chic thematisierten 1986 die „Européennes“; Montenegro präsentierte 2012 mit „Euro Neuro“ Kritik im Zeichen der Währungskrise. Die Befindlichkeiten der einzelnen Mitgliedsstaaten werden virulent, wenn (Neu-)Mazedonien mit dem offiziellen Namen Former Yougoslavian Republic of Macedonia auftritt, wenn aufgrund des HolocaustGedenktags Israel absagt oder erfolgreiche Proteste von Fans zum Rückzug von Xavier Naidoo als deutschem Vertreter 2016 führten. 21 Vgl. Christine Ehardt / Georg Vogt / Florian Wagner (Hg.): Eurovision Song Contest. Eine kleine Geschichte zwischen Körper, Geschlecht und Nation, Wien 2015, Vorwort, S. 9; Karen Fricker / Milija Gluhovic (Hg.): Performing the ‚New‘ Europe. Identities, Feelings, and Politics in the Eurovision Song Contest, New York 2013, Vorwort, S. 3 sprechen vom „mirror“, aber auch vom „driver of changing conceptions“. Siehe außerdem Matthias Breitinger: Europe 12 points! Die Geschichte des Eurovision Song Contest, Hamburg 2016, S. 216. 22 Karen Fricker / Milija Gluhovic (Hg.): Performing the ‚New‘ Europe, S. 10. Dass der Begriff passgenau auf didaktische Konzepte wie „cultural awareness“ oder „language awareness“ aufbaut, ist wohl eher Zufall, aber für unseren Zweck sehr gut nutzbar. 23 Und wurde deshalb sogar von Otto von Habsburg: Zurück zur Mitte, Wien 1991, S. 176 als Beweis für das zunehmende Selbstbewusstsein Europas zitiert.

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Obwohl vordergründig völkerverbindend, weckt der Bewerb jedoch auch den Patriotismus der Zuschauerinnen und Zuschauer und fördert zunächst einmal die Identifikation mit dem ‚eigenen‘ Beitrag.24 Gleichzeitig aber darf für den eigenen nationalen Beitrag eben nicht abgestimmt werden. Genauso wird auf der Basis des subjektiven Musikgeschmacks trotz eventueller nationaler Stereotype und Animositäten die Bevorzugung anderer Ländervertreter denkbar. Leichthin kann hiermit die Erfahrung gemacht werden, dass das Lied, das einem am besten gefällt, von einem Land kommt, dem man politisch eher skeptisch gegenübersteht. 2015 wie 2016 waren es die russischen Beiträge, die den musikalischen Geschmack des Publikums am besten trafen und nur aufgrund der Juryvotings und vermutlich weiterer politischer Enthaltungen nicht den Sieg davontrugen.25 Der Spagat zwischen Verantwortungsbewusstsein und Fähigkeit zur Abstraktion, Engagiertheit und Renegatentum wird zum individuellen Anlass, selbst Stellung zu beziehen oder sich zu verorten. Und dies gilt ebenso für die Selbstpositionierung hinsichtlich aktueller Debatten, denn die Idee, was dieses Europäisch-Sein ausmacht, wandelt sich naturgemäß.26 Der ESC wurde im Übergang von der seriösen Abendunterhaltung hin zu einem Partyevent, der sich Mitte der 1990er Jahre vollzog, paradoxerweise gleichzeitig repolitisiert. Die Debatten um Conchita Wurst oder um den ukrainischen Sieg 2016 zeigen dies. Sind es momentan die Konstruktionen Ost-Europas, die um virulente oder historische Konflikte kreisen und die vermeintlich längst beantwortete Fragen nach Menschenrechten gerade für Minderheiten aufs Neue stellen, so entzünden sich an den Fragen von Gender und Queerness innerhalb des Westens relevante Grundfragen.27 Politische Debatten waren eher unterschwellig immer im ESC präsent: Die ursprüngliche Brisanz des gemeinsamen Kulturstreits zwischen ehemaligen Kriegsgegnern wurde abgelöst von Fragen nach dem Umgang mit den faschistischen Regimen in Spanien und Portugal, mit dem Konflikt um Zypern und der Auflösung Jugoslawiens. Heute 24 Für Matthias Breitinger: Auch Unterhaltung ist politisch, in: Zeit online, 15. 05. 2016, www.zeit.de/kultur/musik/2016-05/eurovision-song-contest-kommentar [25. 07. 2019] ist es „der paradoxe Nationalismus einer Show, die ganz Europa für einen Abend zusammenführen soll und die einzelnen Staaten doch gegeneinander antreten lässt“. 25 Hierzu bereits Nicholas Charron: Impartiality, friendship-networks and voting behavior: Evidence from voting patterns in the Eurovision Song Contest, in: Social Networks 35 (2013), S. 484–497. 26 Siehe u. a. Catherine Baker: Wild Dances and Dying Wolves: Simulation, Essentialization and National Identity at the Eurovision Song Contest; in: Popular Communication: The International Journal of Media and Culture 6.3 (2008), S. 173–189. 27 Vgl. z. B. die Debatte um den Brexit 2016 bei Dean Vuletic: Britain, Europe and the Eurovision Song Contest, in: UCL European Institute, 13. 05. 2016, https://ucl-brexit.blog/2016/05/13/bri tain-europe-and-the-eurovision-song-contest/ [25. 07. 2019]. Er weist darauf hin, dass David Cameron nach dem Verbleib im ESC nach einem eventuellen Ausstieg aus der EU gefragt worden sei.

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zeigt sich der ESC als politisch in den Diskussionen um autokratische Regime von Aserbaidschan bis Ungarn oder um Grenzkonflikte in Armenien oder auf der Krim. Während das politische Europa sich von Katalonien bis Schottland, vom Brexit bis zur Flüchtlingsfrage oftmals zentrifugal präsentiert, wird die europäische Integration direkt in den Beiträgen gesucht, auch weil Popularität nur durch eine derartige Position zu gewinnen ist. Jenseits linguistischer Strategien der gegenseitigen Annäherung über Internationalismen, Toponyme und Lautmalerei,28 rücken bestimmte Themenfelder wie Musik und Frieden in den Mittelpunkt. Das gemeinsame kulturelle Erbe in Hoch- und Populärkultur wird direkt besprochen, aber auch die regionalen Eigenheiten werden betont (Frankreich 1993: „Mamma Corsica“) und teilweise überstrapaziert, so z. B. im Fall von „I love Belarus“ (Weißrussland 2011). Städte und Länder in und außerhalb Europas, von Palma (Norwegen 1961) über Lappland (Finnland 1977) bis Las Vegas (Schweden 2005) werden gerne besungen. Einerseits ist die Referenz auf Gemeinsames wohl nur durch extreme Reduktion denkbar, vgl. die Dominanz von Songtiteln wie „Adieu“, „Él“, „Hora“, „Olé olé“ oder „Bem bem“, „Ciao amore“ oder „Love Games“. Rein klangliche Spielereien wie „Ding a dong“ (Niederlande 1975) fallen ebenso auf wie internationale Begriffe wie „Do re mi“ (Norwegen 1983), „Hurricane“ (Österreich 1983) oder „Terminal 3“ (Irland 1984). Wenn Spanien Titel wie „Lady lady“ (1984) oder „Made in Spain“ (1988) präsentiert, ist dies keineswegs ein Ausweis von Banalität, denn „Lady lady“ ist eine durchaus anspruchsvolle, inhaltsschwere Ballade. Selbstreferenzen (Irland 2008: „Irlande douze pointe“; Litauen 2006: „We are the winners“; Island 2006: „Congratulations“) mit affirmativer wie ironischer Intention, das direkte Besingen Europas (Italien 1993: „Sole d’Europa“; Belgien 1983: „Euro-Vision“) und das oft zu konstatierende Name-dropping29 erwecken den Eindruck einer Gemeinsamkeit in der Menge von Einzelphänomenen und sind dadurch zugleich auch für fremdsprachliche Lernerinnen und Lerner leicht zugänglich. Das Prinzip der Einheit durch Vielfalt erlaubt also die Präsentation von Folklore (Ungarn 2005, Bosnien-Herzegowina 2006) und das Besingen des eigenen Landes (Griechenland 1993, Spanien 1988) genauso wie das Schwelgen in europäischen Gemeinsamkeiten. Die Allgegenwart europäischer Stars auf der Bühne (Andrew Lloyd Webber 2009, Las Ketchup 2002) wird durch die Integration von Weltstars (Interval-Act 2016: Justin Timberlake) noch überboten. Hinzu kommt, dass der Wettbewerb nicht nur als musikalische Veranstaltung

28 Vgl. u. a. Matthias Breitinger: Auch Unterhaltung ist politisch, S. 121ff. 29 Dies entspricht dem, was Umberto Eco: Die unendliche Liste, Berlin 2009, das Konzept der Liste nennt.

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funktioniert:30 Die Gleichberechtigung der kleinen und der großen Staaten wird gelebt, gerade eben auch im Nachbarschafts- und Freundschaftsvoting, und europäische Identität wird umso mehr geformt, als gerade nicht nur ein Segment der Hochkultur, sondern die Populärkultur das europäische Wir-Gefühl kreiert. Dafür wurde dem ESC am 28. April 2016 sogar in Aachen die Médaille Charlemagne pour les Médias Européens (Karlsmedaille) verliehen, und zwar explizit für seinen Beitrag zum „Haus Europa“: „Nur selten erhalten wir Bürgerinnen und Bürger Europas die Möglichkeit, uns über die Grenzen hinweg miteinander verbunden zu fühlen. Der Eurovision Song Contest stellt eine solche Gelegenheit dar. Durch die Präsentation der einzelnen Teilnehmerländer rücken diese dem Zuschauer näher und werden greifbar. Die Zuschauerinnen und Zuschauer erhalten für einen Abend eine Vorstellung darüber, welche Möglichkeiten ein vereintes Europa tatsächlich haben könnte.“31

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Motivation zum Fremdsprachenunterricht

Auch oder gerade wenn mittlerweile 90 % der Beiträge in Englisch bzw. vereinfachtem Globish gesunden werden, geht die Interkulturalität des Wettbewerbs nicht verloren.32 Die landesspezifischen Inszenierungen, die Wahl eines repräsentativen Musikstils, der Gebrauch von nationalen Symbolen wie Flaggen, auch um die Unterscheidbarkeit für die Televoter zu gewährleisten, haben eher zugenommen und lenken das Augenmerk darauf, dass Interkulturelles Lernen mehr berücksichtigen muss als rein linguistische Aspekte (und dass einsprachiger Unterricht vielleicht sogar alles andere als authentisch ist). Damit rücken zum einen außersprachliche Aspekte in den Mittelpunkt. Zum anderen entsteht auch Interesse am Anderen. Während die Identifikation mit der eigenen Nation durchaus impliziert wird, offeriert doch gerade das Moment der Ästhetik, wie oben ausgeführt, eine Öffnung auch zu vermeintlich unsympathischen Nationen und damit die Voraussetzung für Fremdverstehen.33 30 Fraser Nelson: Eurovision Song Contest is the real union of Europe, in: The Telegraph, 25. 05. 2012, https://www.telegraph.co.uk/culture/tvandradio/eurovision/9289950/Eurovision-Song -Contest-is-the-real-union-of-Europe.html [25. 07. 2019] schreibt: „One night of Eurovision says more about European politics than a year of debates in the Strasbourg parliament.“ 31 Michael Kayser, Vorsitzender des Vereins Médaille Charlemagne, zitiert nach Europe Direct Aachen, www.europedirect-aachen.de, 08. 03. 2016. 32 Vgl. Tobias Weingold: Success in English only? Der Einsatz von Sprachen beim Eurovision Song Contest, in: Christine Ehardt / Georg Vogt / Florian Wagner (Hg.): Eurovision Song Contest. Eine kleine Geschichte zwischen Körper, Geschlecht und Nation, Wien 2015, S. 30–45; Irving Wolther: Kampf der Kulturen, S. 149 spricht von der „schlechten Aussprache“. 33 Dieses Paradoxon aus nationalistischem Wettstreit und Überwindung von Grenzen verwundert immer noch Beobachter, vgl. Mario R. Lackner / Oliver Rau: Friede, Freude, Quo-

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Das Fernseherlebnis ESC vermittelt also durchaus kulturelle Unterschiede. Dabei scheint es zwar von gewisser Wichtigkeit zu sein, die Eigengeschichte des Wettbewerbs und damit auch der europäischen Kultur zu kennen, die Veranstaltung lebt aber davon, dass der Horizont Europas immer mehr erweitert wird.34 Es soll geradezu eine Vielfalt hinsichtlich des Geschmacks angeboten werden, was Länder wie Frankreich (hinsichtlich ihrer Multikulturalität) und Italien (bezüglich der Musikstile) durchaus seit Jahren praktizieren. Wenig Eigenprofil entwickeln hingegen Nationen wie Belgien oder die Schweiz, die teils wenig charismatische ausländische Künstler einkaufen (2016 sang für die Schweiz wieder einmal eine Kanadierin, für San Marino war es ein Türke), teils internationale Musikstile profillos imitieren (Belgien präsentierte im selben Jahr Funkmusik). Fokussiert man bestimmte neuralgische Aspekte des ESC, so wäre das Thema der Minderheiten von besonderer Relevanz und kann als motivierender Anlass für einen differenzierten Blick genutzt werden. Während sich zwischen öffentlicher Wahrnehmung und Realität große Diskrepanzen finden lassen, was im Falle der Repräsentation der LGBTQ-Community genauso auffällt wie bei ethnischen Minderheiten oder Migrantengruppen, bietet der Abgleich mit der Realität ein ganz anderes Bild. Angeblich war 1997 der isländische Beitrag der erste „offen schwule“ Act auf der ESC-Bühne, was sicherlich bezüglich der Wahrnehmung durch einen Großteil des deutschen Fernsehpublikums stimmt, denn die Inszenierung war deutlich mit Motiven homosexueller Ästhetik unterlegt und es konnte 1997 eben auch von Seiten der Fernsehkommentatoren auf die sexuelle Orientierung des Sängers hingewiesen werden. Dass aber von Cliff Richard bis Jürgen Marcus bereits Jahrzehnte vorher unzählige andere schwule Künstler am ESC teilgenommen haben, der luxemburgische Siegertitel von JeanClaude Pascal aus dem Jahr 1961 „Nous les amoureux“ sogar schwule Liebe thematisiert und manche Ikonen wie Marianne Rosenberg gerade aus dem Kontext der Grand-Prix-Vorentscheidungen geboren wurden, wird dabei ignoriert. Dasselbe gilt z. B. für die Präsenz schwarzer Musiker, wobei oft behauptet

tenbringer, S. 148, die von einer „Janusgesichtigkeit“ sprechen. Emotionen werden aber eben nicht nur durch Flash-Mobs geweckt, vgl. Marilena Zaroulia: ,Sharing the Moment‘: European Affect and Utopian Performatives in the Eurovision Song Contest, in: Karen Fricker / Milija Gluhovic (Hg.): Performing the ‚New‘ Europe. Identities, Feelings, and Politics in the Eurovision Song Contest, New York 2013, S. 31–52. 34 In diesem Sinne ergänzungswürdig: Mari Pajala: Europe, with Feeling: The Eurovision Song Contest as Entertainment, in: Karen Fricker / Milija Gluhovic (Hg.): Performing the ‚New‘ Europe. Identities, Feelings, and Politics in the Eurovision Song Contest, New York 2013, S. 77– 93.

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wird, dass diese erst nach 2000 vermehrt zu sehen waren.35 Diese Fehlperzeption mag viele Gründe haben, vom Ausnahmecharakter kolonialer Künstler (Milly Scott für die Niederlande 1966; Eduardo Nascimento für Portugal 1967) in der Frühzeit angefangen bis zu nur vereinzelt auftretenden schwarzen Gruppenmitgliedern in den 1970er Jahren (Silver Convention; Deutschland 1977). Jedoch war nicht erst ab einem gewissen Zeitpunkt nach 2000 die multikulturelle Repräsentation die Normalität in der Showbranche und auf der ESC-Bühne konnten Wess (Italien 1975), Debbie Cameron (Dänemark 1981), Joëlle Ursull (Frankreich 1990), Humphrey Campbell (Niederlande 1992), Stella Jones (Österreich 1995) oder Marie-Line (Frankreich 1998) doch ihr Land repräsentieren, ohne dass sich die an die mediale Präsenz von internationalen Künstlern seit langem gewohnten Zuschauerinnen und Zuschauer wundern mussten.36 Wer sich eher für die linguistischen Komponenten interessiert, wird fündig, wenn die Sprache selbst zum Gegenstand der Beiträge wird, etwa wenn die Fatals Picards für Frankreich 2007 ihr „L’amour à la française“ in reinstem Franglish präsentieren.37 Angesichts des oben genannten englischsprachigen Beitrags „Divine“ von Sébastien Tellier 2008, ob der Haltung Frankreichs zu Anglizismen und zur Mehrsprachigkeit bzw. der Minderheitssprachencharta und vor dem Hintergrund des erstmal seriös verwendeten Englisch im Beitrag von 2016, bieten sich zahlreiche Diskussionen an, die Schülerinnen und Schüler mit Sprachenpolitik in Kontakt bringen. Analog dazu lässt sich auch bei Spanien, hier in Gestalt des Comedian Rodolfo Chikilicuatre („Baila el chiki-chiki“, 2008) und dem komplett in Englisch gesungenen Beitrag von 2016 sowie der spanischen Historie diese legitime Frage stellen.38 Dabei fällt die Absenz von Regionalsprachen, zugleich aber auch die regionale Vielfalt der Beiträgerinnen und Beiträger auf. Schon deren erste Repräsentantin Conchita Bautista 1961 kam aus Andalusien. Besonders interessant ist zudem die von Anfang an gegebene panhispanische Ausrichtung nach Südamerika. 1964 wurde mit Los TNT eine in Buenos Aires lebende uruguayanische Rock’n’ Roll-Band mit italienischen Wurzeln 35 Vgl. Albert Meijer in Keri Phillips: Sixty years of the Eurovision Song Contest, in: abc, 19. 05. 2015, https://www.abc.net.au/radionational/programs/rearvision/sixty-years-of-the-eurovisi on-song-contest/6478242 [08. 03. 2016]. 36 Hier wäre bereits an Josephine Baker zu erinnern. Für das deutsche Fernsehen wäre Roberto Blanco zu nennen. Und für den ESC auf die vielen Backgroundsänger und -musiker hinzuweisen, die schon seit 1966, als der US-Amerikaner Sahib Shibab Schweden auf der Flöte begleitete, allgegenwärtig sind. 37 Vgl. John Kennedy O’Connor: Eurovision Song Contest, S. 108, der aber keinen blassen Schimmer von diesem Phänomen hat und von „stereotypen Phrasen mit jeder Menge Englisch zwischendrin“ spricht. 38 Zu Spanien vgl. Christoph Oliver Mayer: Der Eurovision Song Contest im Fremdsprachenunterricht: Spanien und Portugal zwischen Nationalrepräsentation und Europagedanken, in: ZRomSD 7.1 (2013), S. 1107–1127.

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entsandt und damit auch dem zunehmenden Interesse am lateinamerikanischen Musikmarkt Rechnung getragen, der ab 1970 auch den ESC sukzessive ins eigene Fernsehprogramm aufnimmt. Als 1985 mit Paloma San Basilio eine in Südamerika wiederum sehr bekannte Künstlerin und Musicaldarstellerin ausgewählt wird, ist dies auch ein Signal, zumal gerade „Eres Tú“ dort zu einem veritablen Gassenhauer geworden war. Während lange und viel über kulturelle Allianzen beim Voting gesprochen und geschrieben wurde und dabei oft apologetisch die Begeisterung für Lieder aus bestimmten gemeinsamen Kulturräumen zumindest impliziert wird,39 ist es laut Pierre Bourdieu um den Geschmack deutlich nuancierter bestellt, zumal im Zeitalter der modernen Massenmedien.40 Wer zum Ergebnis kommt, dass deutschsprachige Länder sich gegenseitig oft bepunkten würden, irrt und hat doch Recht. Allerdings sind die Punkte an Stefan Raab und seine Entourage durch die Verbreitung von seinen Pro-7-Sendungen im deutschsprachigen Raum zu erklären, die den jeweiligen Interpreten eine gewisse Popularität verschafften. Auch Künstler aus Österreich können mitunter etwas von der Empfangbarkeit des ORF im bayerischen Grenzraum profitieren, während zu Zeiten des exklusiven Juryvotings Deutschland, Österreich und die Schweiz geradezu prädestiniert waren, sich gegenseitig zu ignorieren. Geschmack wird medial vermittelt und ist ein interaktives Resultat einschlägiger Peer-Groups, was sich auch im Sprachunterricht abbilden und thematisieren lässt. In Deutschland betrug der Zuschaueranteil 2016 unter den jüngeren Zuschauern immerhin 46 %, sodass hier von einer umfangreichen Wahrnehmung ausgegangen werden kann und muss.41 Neutrale und objektive Geschmacksurteile gibt es insofern nicht. Der Song Contest gehört nicht nur selbst mittlerweile zum Allgemeinwissen dazu,42 er erlaubt es den Beobachtern, eingehende Erfahrungen über den kulturellen Hintergrund der Teilnehmerländer auch über einen langen Zeitraum zu gewinnen.43 Die Eigengeschichte des Wettbewerbs ist Teil des nationalen Kollektivbewusstseins, insbesondere, wenn man an die in Spanien äußerst populäre 39 Vgl. die Studie von Garcia / Tanase, besprochen und zitiert in Zack Beauchamp: The Eurovision Song Contest, explained, in: Vox, 14. 05. 2016, https://www.vox.com/2016/5/14/11667 716/eurovision-song-contest-2016-logo-timberlake [25. 07. 2019]. 40 Vgl. Pierre Bourdieu: La distinction. Critique sociale du jugement, Paris 1979 bzw. Ders.: Sur la télévision. Suivi de l’Emprise du journalisme, Paris 1996. 41 Vgl. die einschlägigen Referenzseiten www.quotenmeter.de und www.dwdl.de. 42 Auch die Einschaltquoten deuten darauf hin, vgl. Tim Moore: Null Punkte – Ein bisschen Scheitern beim Eurovision Song Contest, übers. v. Olaf Bentkämper, Bielefeld 2007, S. 20, bzw. Matthias Breitinger: Auch Unterhaltung ist politisch, der von rund 200 Mio. Zusehern ausgeht. 43 Aufschlussreich diesbezüglich ist das Interview in Mario R. Lackner / Oliver Rau: Friede, Freude, Quotenbringer mit Dewayne, einem ESC-Fan aus den USA, vgl. S. 250ff. Ähnlich auf den Punkt bringt dies Irving Wolther: Kampf der Kulturen, S. 279: „Der Eurovision Song Contest ist das effektivste Mittel, um Europa in drei Stunden komplett zu verstehen“.

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Fernsehserie Cuéntame cómo pasó (2001ff.) denkt, die ihren zeitgeschichtlichen Rückblick mit dem ersten spanischen Grand Prix-Sieg im April 1968 starten lässt. Hier wären auch die beiden deutschen Siege von Nicole (1992) und Lena (2010) zu nennen, ebenso die Begeisterung rund um Guildo Horn (1998). Bei der Aufarbeitung dieser Historie kann mitunter auf umfangreiches statistisches Material zurückgegriffen werden.44 Aber auch die parodistische Aufarbeitung und die satirische Selbstironie, mit der dem Gigantismus des ESC und seinem Selbstverständnis als Galashow durch die beiden Moderatoren der Veranstaltung 2016 sowohl im Semifinale als auch im Finale in Gestalt eines Potpourris unter dem Motto „That’s Eurovision“ begegnet wurde, bieten genügend Anlass für komplexere Lernaufgaben. Um noch ein konkretes Beispiel zu nennen, so wäre Sprachenlernen als solches durch den ESC zu motivieren. Ganz der Idee von Interkomprehension folgend, kann ein mit der Veranstaltung von 1991 konfrontierter deutschsprachiger Fremdsprachenlernender, der über Englischkenntnisse verfügt und eine romanische Sprache lernt, nahezu die Titel aller 22 Wettbewerber verstehen bzw. sich erschließen. Neben den beiden deutschen und den drei englischsprachigen helfen Sprachkenntnisse bei den französischen und luxemburgischen Beiträgen erheblich weiter. Die vier restlichen romanischen (Schweiz: „Una canzone per te“; Italien: „Comme e ‘ddoce o mare“; Spanien: „Bailar pegados“; Portugal: „Lusitana paixão“) können mit kleinen Hilfen interkomprehensiv erfasst werden. Holländisch und Schwedisch sind problemlos aus dem Deutschen abzuleiten, so auch der Siegertitel „Fångad ov en stormwind“. Der serbische („Brazil“), zypriotische („SOS“), norwegische („Mrs Thompson“) und isländische („Nina“) Beitrag liefern keine Schwierigkeiten dank des Gebrauchs von Internationalismen, was evtl. auch für das lautmalerische finnische „Hullo Yö“ gilt. Mit spezifischen Sprachkenntnissen können das griechische „I anixi“, das hebräische „Kan“ und das türkische „Iki Dakiki“, vielleicht auch dank mehrsprachiger Schülerinnen und Schüler erschlossen werden. Allein der sperrige Titel des erfolglosen dänischen Beitrags „Lige der hvor hjertet star“ dürfte alle Beteiligten vor erheblichen Schwierigkeiten stellen, könnte aber auch Anlass dafür sein, Vermutungen über die Korrelation zwischen Erfolg und Songtitel anzustellen. Auch wenn das „Massenphänomen für Einzelgänger“45 nicht zuletzt durch deutsche Initiative46 zu einem sprachlich einseitigen Bewerb geworden sein mag 44 Alle Zahlen und Daten bis 2010 finden sich bei Simon Barclay: Complete & Independent Guide to The Eurovision Song Contest, Marston Gate 2010. Neuere und aktuellste Informationen sind ohnehin im Internet, unter www.eurovision.tv, verfügbar. 45 Werner Vogel u. a. (Hg.): The very best of Song Contest, S. 6. 46 Matthias Breitinger: Auch Unterhaltung ist politisch benennt den NDR in Gestalt des nicht immer glücklich agierenden Jürgen Meier-Beer als Haupttriebkraft für das Ende der Sprachenpflicht, vgl. S. 154–156.

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und diesbezüglich die Misere des romanischen Fremdsprachenunterrichts abbildet, so motiviert es doch dazu, über Europa nachzudenken, so begeistert es für die Vielfalt und stellt jedes Jahr aufs Neue die Frage nach der Selbstpositionierung zum ESC, zu dessen Show und zum populärkulturellen Europa.

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Christoph Oliver Mayer

Tibballs, Geoff: The Good, the Bad and the Wurst. The 100 Craziest Moments from the Eurovision Song Contest, London 2016. Uecker, Georg: Ring Ding Bin Bom oder: Wenn Käseigel im linguistischen Nirvana schwitzen, in: Fessmann, Milena / Topp, Kerstin / Kriegs, Wolfgang (Hg.): L’Allemagne Deux Points. Ein Kniefall vor dem Grand Prix, Berlin 1998, S. 80–87. Vignoles, Julian / O’Brien, Kyran: Inside the Eurovision Song Contest: Music, Glamour and Myth, Dublin 2015. Vogel, Werner u. a. (Hg.): The very best of Song Contest, Wien 2015. Vuletic, Dean: Britain, Europe and the Eurovision Song Contest, in: UCL European Institute, 13. 05. 2016, https://ucl-brexit.blog/2016/05/13/britain-europe-and-the-eurovision -song-contest/ [25. 07. 2019]. Weingold, Tobias: Success in English only? Der Einsatz von Sprachen beim Eurovision Song Contest, in: Ehardt, Christine / Vogt, Georg / Wagner, Florian (Hg.): Eurovision Song Contest. Eine kleine Geschichte zwischen Körper, Geschlecht und Nation, Wien 2015, S. 30–45. Wolther, Irving: Kampf der Kulturen. Der ,Eurovision Song Contest‘ als Mittel nationalkultureller Repräsentation, Würzburg 2006. Zaroulia, Marilena: ,Sharing the Moment‘: European Affect and Utopian Performatives in the Eurovision Song Contest, in: Fricker, Karen / Gluhovic, Milija (Hg.): Performing the ‚New‘ Europe. Identities, Feelings, and Politics in the Eurovision Song Contest, New York 2013, S. 31–52.

Peter Schildhauer (Bielefeld)

More than ‘Just Blogging’: Introducing Blogging as a Practice in English Language Teaching

1.

Introduction

Digital media are pervasive in our lives. In fact, they have been with us for such an amount of time that the label new media does not even fit anymore.1 Today’s adolescents, often referred to as digital natives,2 naturally use smartphones, tablets, and laptops for a range of cultural practices from watching YouTube videos over chatting via WhatsApp to socializing on Instagram.3 It is not surprising, then, that researchers and practitioners alike have suggested implementing various digital tools and genres into contemporary classroom settings. One of the most prominent among these appears to be the blog. In spite of the apparent usefulness of the Internet for teaching purposes, an analysis of several classroom blogging scenarios4 has identified two problematic aspects: first, it appears that introducing blogs to the classroom, that is enabling students to use blog software such as WordPress before anything else, is a crucial step that is sometimes underestimated. Second, blogs are often used as a mere tool only, for instance as an interactive platform accompanying “traditional”

1 Cf. Martin Luginbühl: Media Linguistics: On Mediality and Culturality, in: 10plus1: Living Linguistics 1 (2015), p. 9. 2 Cf. Marc Prensky: Digital Natives, Digital Immigrants, in: On the Horizon 9, 5 (2001). 3 Cf. JIM-Studie 2018: Jugend, Information, Medien: Basisuntersuchung zum Medienumgang 12–19-Jähriger, Medienpädagogischer Forschungsdienst Südwest, 2018, https://tinyurl.com/ JIM2018study; Axel Krommer: Authentische Kommunikation in Digitalen Medien: Schluss mit Simulationen, in: Magazin Sprache des Goethe-Instituts, 2018, https://www.goethe.de/de/ spr/mag/21180151.html [25. 10. 2019]. 4 Cf. Peter Schildhauer: Blogging Our Way to Digital Literacies? A Critical View on Blogging in Foreign Language Classrooms, in: 10plus1: Living Linguistics 1 (2015), pp. 182–195, http:// tinyurl.com/schildhauer15 [25. 10. 2019].

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Peter Schildhauer

teaching,5 as a substitute for a traditional pen-and-paper reading journal,6 or as a digital portfolio.7 However, blogging is more than just using a software to create a website that is by default structured chronologically. Blogging is a social practice, or rather, it features as an umbrella term for a whole range of practices such as corporate blogging,8 research blogging,9 and personal blogging.10 Blogging as a social practice can feature as a valuable subject in its own right. This aspect, however, is often neglected. In this article, I would like to tackle these two problematic aspects by discussing ways of introducing blogging to the English Language Teaching (ELT) classroom that could serve to exploit these unused potentials.

2.

Blog as a Technical Tool and Blogging as a Social Practice

If blogging is to become a subject in its own right, we need to make a distinction between blog as a general term for websites that are produced with the help of blog systems such as Blogger, and blogging as a collective label for several social practices. Consequently, on the one hand the term blog has a concrete technical dimension. Many blog-systems offer a range of key functionalities similar to the one presented in Table 1, which uses the example of WordPress.com.11

5 Cf. Doris de Almeida Soares: Understanding Class Blogs as a Tool for Language Development, in: Language Teaching Research 12, 4 (2008), pp. 517–533. 6 Cf. Thomas Raith: Weblogs als Lesetagebücher im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht – Ergebnisse einer Vergleichsstudie, in: Andreas Müller-Hartmann / Marita Schocker-v. Difurth (eds.): Aufgabenorientiertes Lernen und Lehren mit Medien, Frankfurt am Main 2008, pp. 297–310. 7 Cf. F. Rippberger: Blogs im Französischunterricht – ein Mehrwert für handlungs- und produktionsorientierte Lektürearbeit im Fremdsprachenunterricht der E2?, Fulda 2014. 8 Cf. Cornelius Puschmann: The Corporate Blog as an Emerging Genre of Computer-mediated Communication: Features, Constraints, Discourse Situation, Göttingen 2010. 9 Cf. Anna Mauranen: Hybridism, Edutainment, and Doubt: Science Blogging Finding Its Feet, in: Nordic Journal of English Studies 13, 1 (2013), pp. 7–36. 10 Cf. Stine Lomborg: Navigating the Blogosphere: Towards a Genre-based Typlogoy of Weblogs, in: First Monday 14, 5 (2009), http://tinyurl.com/lomborg2009 [25. 10. 2019], and: Social Media, Social Genres: Making Sense of the Ordinary, New York 2014; Peter Schildhauer: The Personal Weblog: A Linguistic History, Berlin 2016. 11 See Peter Schildhauer: The Personal Weblog, Chapter 4 for a more detailed account.

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More than ‘Just Blogging’

Table 1: Key Functionalities of Blog-Systems, Exemplified on WordPress.com posts

draft mode Authors can draft, peer-review, and edit posts before publishing them. timestamp categories and tags

interactivity

permalink comment function

Blogging is based on chronology. By default, blog-systems add information about time and date of publication to each post. Each post can be assigned to several (broader) categories or (more fine-grained) tags. Both may link several posts that deal with a specific topic. Thereby, bloggers can embed each post in a network of previous ones and establish cross-connections among their thoughts. Each post receives an individual hyperlink, which eases identifying the post and referencing it on other blogs. The permalink thereby enables conversations that spread over several blogs. Just as in other social media, readers can comment on each post, provided the author enables this option. The comment function thereby enables discussions that take place on one and the same blog.

multithemes modality

The typical blog layout comprises a header, a sidebar, a body (presenting the posts) and a footer. Blog-systems offer a range of ready-made designs (called themes on WordPress), which usually allow for customising each layout element. Typically, authors can also embed widgets, i. e. apps that display pictures, latest comments, or the blogger’s tweets. images and Embedding images has become very easy. Typically, users of videos free blog-systems cannot upload videos directly to their blog but are allowed to embed YouTube videos.

admin- user manistration agement privacy options

Several users can work on one blog. They may be assigned several roles such as administrator, author, or simply reader. There are visibility options for each post such as password protection and limiting visibility to users who have been assigned reader status for that blog.12

Blogging as a practice, on the other hand, appears in many facets, as pointed out above. I would like to sketch some aspects of personal blogging here as this is undoubtedly the prototypical way of blogging,13 which students and pupils will certainly be most familiar with.14 Blogging began in the mid-to-late 1990s with websites called weblogs. Back then, bloggers used their sites mainly to post hyperlinks to interesting websites

12 In light of privacy and copyright issues, visibility can potentially be limited to the students of the blogging class only. 13 Personal blogging was quite likely also the root for many other blogging practices, see Peter Schildhauer: The Personal Weblog, Chapter 8.3. 14 My statements are based on a diachronic blog corpus that is described and analysed in more detail in Peter Schildhauer: The Personal Weblog.

286

Peter Schildhauer

they came across. Usually, they briefly commented on these hyperlinks, indicating their own expertise in a certain field: New Frontier sites: Calvary Presbyterian Church, Barreau du Québec, The Pixel Pen. It seems like I’m pointing to HotWired’s Packet channel every day. Today’s piece by Simson Garfinkel is an invaluble explanation of how MAE West works. Our ISP, Conxion, is linked into MAE West, which means that DaveNet and Scripting News come thru the MAE system (I think…).15 Blogger Rebecca Blood labelled this practice filtering,16 and this term has been in use ever since. I argue elsewhere that this practice lost its prominence around the millennium,17 when blogging turned from a niche into a mainstream phenomenon and other uses of the format gained ground (see below). Despite this development, filtering can still in recent years be considered a popular blogging practice.18 However, the core post type after the beginning of the new millennium contains reports and reflections on subjectively important events in the bloggers’ lives and is labelled sharing experience. June 24, 2006 BOOM! I was sitting at home Friday evening and then a suprise power outage occured. This is weird because NES never loses power. The power came back on for a few minutes and then went out again. This time it didn’t come back on again. […] Everybody in the neighborhood is walking outside asking if they had power and exchanging what nots. As my neighbors were leaving to have drinks elsewhere I saw this huge explosion on the other side of the interstate. […] I call 911 to report what I saw and it turns out that a utility pole that caught fire and the transformer on top blew up. That was one hell of a transformer (more than meets the eye, robots in disguise)! The power was out for only

15 “Wednesday, June 4, 1997”, Scripting News, n.d. http://tinyurl.com/scripting-weblog [25. 10. 2019]; DIABLOC corpus see Peter Schildhauer: The Personal Weblog. 16 Cf. Rebecca Blood: The Weblog Handbook: Practical Advice on Creating and Maintaining your Blog, Cambridge 2002, pp. 6–9. 17 Cf. Peter Schildhauer: The Personal Weblog, p. 251. 18 Cf. ibid., pp. 254–255.

More than ‘Just Blogging’

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an hour and a half and then it came back on. I realized a couple of things during this power outage. I like electricity and beer keeps colder with it.19 In posts of this kind, hyperlinks only occur occasionally, for example in order to supply missing background knowledge. The focus is on reporting an event in a coherent way and drawing a personal conclusion, which Chris Loyd does in a playful way: “I like electricity and beer keeps colder with it.” This reflective element is also important in other post types. In Schildhauer (2018),20 I have argued that, thereby, blogging as a practice is a way of finding, and actively shaping, one’s own identity. Considering language use, the example exhibits a high number of 1st person pronouns. This degree of subjectivity appears to be a feature of blogging in general. Additionally, the timestamp mentioned above enables what Puschmann calls blog deixis.21 Bloggers can use deictic expressions such as now, yesterday, tonight etc. as readers can establish their reference with the help of the timestamp. In fact, bloggers appear to follow an “ethos of immediacy”22 in that their writing reflects on events of the immediate past. Apart from these observations, a unique blogging style is hard to find: posts range from colloquial to poetic, they might exhibit features typical of online language such as acronyms (lol), emoticons, reduplications (awww), and typos – or they might resemble standard writing.23 Personal blogging is apparently a mainly language-based activity. When bloggers use images, they typically do so in order to illustrate and verify the contents of the verbal text and use the complex links possible between both sign systems creatively. In sum, blogging is more than just a “mundane form in which people [tell], pointlessly, what they had for lunch”.24 It is a subjective, reflective and creative 19 Chris Loyd: “BOOM!” Chris Loyd’s Blaahhg, 2006, http://tinyurl.com/chrisloyd-pb [25. 10. 2019]; DIABLOC corpus see Peter Schildhauer: The Personal Weblog. 20 Cf. Peter Schildhauer: Blogs in der Krise? Die Auswirkungen Sozialer Netzwerke auf die Textsorte Personal Weblog, in: Coline Baechler / Eva Martha Eckkrammer / Johannes MüllerLancé / Verena Thaler (eds.): Medienlinguistik 3.0 – Formen und Wirkung von Textsorten im Zeitalter des Social Web, Berlin 2018, pp. 254–255. 21 Cf. Cornelius Puschmann: Blogging, in: Herring, Susam C./ Stein, Dieter/ Virtanen, Tuija (eds.): Pragmatics of Computer-mediated Communication, Berlin 2013, pp. 83–84. 22 Adam Reed: ‘My Blog is Me’: Texts and Persons in UK Online Journal Culture (and Anthropology), in: Ethnos 70 (2), 2005, p. 227. 23 Cf. Marta de Gerdes: Textual and Linguistic Attributes of American English Weblogs, in: Peter Schlobinski / Torsten Siever (eds.): Sprachliche und textuelle Merkmale in Weblogs: Ein internationales Projekt, Hannover 2005, p. 118. 24 Scott Rosenberg: Postscript: “Four Cases for the Persistence of Blogging”, in: Say everything, 2010, http://tinyurl.com/23cckbsb [25. 10. 2019].

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Peter Schildhauer

practice with its own history of roughly 20 years. While I have looked only at personal blogging in this brief outline, the existence of forms such as research blogging and corporate blogging shows that the practice has clearly established itself in professional contexts as well.

3.

Classroom Blogging in Foreign Language Teaching: Benefits and Problems

3.1

Overview

Blogs can be implemented in the classroom in various ways. In passive blogging, students read blog posts but they neither post nor comment themselves. In active blogging, we can differentiate several possible scenarios according to the main author of the respective blog.25 Tutor blogs are mainly run by the teachers themselves and often serve as information portal providing syllabi, assignments, and sources.26 Learner blogs are kept by individual students and class blogs provide a mixed form in which both teachers and students work in a collaborative way on one blog-site. In the following, I will discuss selected benefits as well as problematic issues that have arisen in classroom practice so far by having a cursory glance at some examples.27

3.2

Audience Benefits and Three Dilemmas: Privacy, Copyright, and Correctness

Raith provides an example for the use of learner blogs: In a 9th grade, he offered blogs as an alternative to a traditional pen-and-paper reading journal in a sequence on Jaqueline Woodson’s novel If You Come Softly.28 At the beginning of the sequence, his students chose the medium they wanted to work with. The posts (or journal entries, respectively) originated mainly as while-reading tasks that asked for reflecting on certain passages of the novel. Later, the students exchanged and discussed their reactions to the reading, for which they used the comments function in the blog group. Raith states that, in the perception of many 25 Cf. Aaron Patric Campbell: “Weblogs for Use in ESL Classes”, in: The Internet TESL Journal, 2003, http://iteslj.org/Techniques/Campbell-Weblogs.html.de [25. 10. 2019]. 26 Cf. André Hoffmann: Web 2.0-Technologien: Überblick, Diskussion und Vorschläge für die Verwendung im Englischunterricht, Hamburg 2011, pp. 10–11. 27 See Peter Schildhauer: Blogging Our Way to Digital Literacies, for a more comprehensive account. 28 Cf. Thomas Raith: Weblogs als Lesetagebücher.

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students (with and without weblog), the potential mass audience of the Internet made the weblog-students reflect on their readings in a more personal way and utter their opinions more frequently than students who kept a hand-written reading journal.29 He attributes this positive effect to the role of a potential mass audience that his blog students had in mind. However, while the potential mass audience can certainly serve as a motivating factor, it also has its drawbacks. Consider the following off-topic comment on one of Raith’s learner blogs: Hi Maria, your blog is very good. I think you will get a 1 for it. Maybe we can meet us for going to cinema in the next week. See you tommorow in the OEG. HDL30 The author of the comment obviously does not consider how dangerous it can be to arrange meetings online, providing information about dates and places for everyone to see. What is more, the URLs of Raith’s learner blogs contain the students’ real names and grade (9b). Raith states that the issue of privacy protection should be raised in future similar sequences.31 Potentially, a dilemma arises: complete safety can only be reached by using a “private” setting. In that case, however, the motivating factor of an unknown mass audience immediately gets lost. In order to keep this motivating aspect and simultaneously reach a sufficiently high level of security, the use of pseudonyms could be made obligatory and students could be asked to use other communication channels to exchange potentially dangerous information. This would, ideally, contribute to raising the students’ media awareness. This aspect also played a role in Rippberger’s class blog, which was used as a digital portfolio and included audio posts besides written ones:32 because of their potential audience, both the students and the teacher were so concerned about the correctness of their blog posts that they subscribed to a highly intense peerreviewing process before publishing any post. This constitutes a second potential dilemma: while authentic blogging does not need to strictly follow standards of orthographic and grammatical correctness and might also contain several features of non-standard and online language, classroom blogging is subject to educational standards – among others, of acquiring correct use of the standard language.33 29 30 31 32 33

Cf. ibid., p. 308. Maria’s Blog, 2005, from Raith 2008’s learner group. Thomas Raith: Weblogs als Lesetagebücher, p. 309. Cf. F. Rippberger: Blogs im Französischunterricht. See e. g. Kultusministerium Sachsen-Anhalt: Fachlehrplan Gymnasium/Fachgymnasium Englisch, Magdeburg 2015.

290

Peter Schildhauer

Finally, questions of copyright are often neglected but actually constitute another audience-related dilemma. When students copy-and-paste content from the Web,34 their action becomes relevant in terms of copyright law. In Germany, the Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte grants content creators the exclusive rights for making works available to the public.35 A member of the public is every person without any relation to another member of an audience or to the person showing a work.36 This entails that using works or parts of them in closed groups (such as school classes) is unproblematic: if a blog is set up as private and can, thereby, only be viewed by the members of a learner group, students could embed external content without necessarily asking for consent. Showing (parts of) a work on a public blog, however, requires the consent of the work’s creator, which often includes extensive research. This dilemma entails, essentially, once more a decision between easy use of Web-based resources (blog set on “private”) and potential mass audience (public blog).

3.3

The Importance of Time, Guidance, and Tutoring

Particularly revealing in terms of potential pitfalls of classroom blogging is de Almeida Soares’s study of the Action6 project, which she carried out with her own students.37 This class blog accompanied the course work of a sixth grade in Brazil: “I expected my students would feel like uploading songs and including hyperlinks to games they enjoyed as well as publishing their written assignments”.38 The teacher also tried to initiate communicative exchanges by inviting teachers from other countries such as Argentina, Portugal, and the US to visit the blog and leave comments together with their students. However, her students used the blog rather seldom – for both posting assignments and leaving as well as replying to comments. Her research revealed that, even though her students enjoyed working with the blog, there were a number of potential obstacles:

34 For instance Reading Journal of Maria, 2005, http://mariab-9b.blogspot.com/ [25. 10. 2019], where one of Raith’s students posts poems and pictures she finds on the Web to enrich her while-reading-tasks. 35 Cf. Urheberrechtsgesetz: Copyright Law of the Federal Republic of Germany, 2018, https:// dejure.org/gesetze/UrhG, §15 [25. 10. 2019]. 36 Cf. ibid., §15.3. 37 Cf. Doris de Almeida Soares: Action6 Classroom Blog, 2004, https://tinyurl.com/action6pro ject [25. 10. 2019]. 38 Doris de Almeida Soares: Understanding Class Blogs, p. 521.

More than ‘Just Blogging’

291

Table 2: Potential Obstacles in Classroom Blogging (based on de Almeida Soares 2008) scaffolding

affective factors

software skills As no introductory tutorial had been offered, some students reported on problems managing the blog software. guided vs. free In guided activities, students knew what to blog about. Left blogging alone, they were apparently unsure. time When students could use some time in the classroom for blogging, they were much more motivated than when asked to blog at home. interaction Students were excited about strangers’ comments but some with strangers found it hard to start interacting with people they had never seen before. preference of Some students would have enjoyed blogging more if they had personal blogs had the opportunity of keeping their own blog.

Beyond the aspects mentioned so far, the respective age group of the students quite likely plays a role as well: While very young learners are usually less inhibited and thus take higher risks, the students in this class were approaching adolescence, during which inhibition becomes more important as a factor hindering L2 output,39 especially in an unknown environment. At the same time, the learners’ level of proficiency was probably not high enough to counteract these inhibition effects. De Almeida Soares’ observation about the lack of software skills might seem surprising. In fact, a common argument for the use of blogs in classrooms is that adolescents use blogs (actively) in their free time. Classroom blogging could then make use of competences already acquired outside school. However, it is likely that de Almeida Soares’ class is not an exceptional case. The 2014 JIM study (n=1200) suggests that only 3 % of German adolescents post and/or comment on blogs;40 the 2018 JIM study does not even list this activity anymore.41 In general, then, teachers should presuppose a rather low degree of familiarity with blogging. In sum, this overview has shown that classroom blogging apparently needs an extended introduction phase that addresses technology-related issues as well as aspects of cyber-security, copyright, and correctness. Even beyond the in-

39 Douglas H. Brown: Principles of Language Learning and Teaching: A course in Second Language Acquisition, New York 2014, pp. 147–148. 40 Cf. JIM-Studie 2014: Jugend, Information, (Multi-) Media: Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland, Medienpädagogischer Forschungsdienst Südwest, 2014, http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf14/JIM-Studie_2014.pdf, p. 30 [25. 10. 2019]. 41 The study documents the interesting result that the blogging platform Tumblr, which enables sharing images, texts, audio and video files, is more popular with older adolescents (frequented by 2 % of the 12–13 year-olds as compared to 6 % of the 18–19 year-old adolescents; JIM 2018, p. 39). However, JIM (2018) does not state whether the platform is used actively (sharing content) or rather passively.

292

Peter Schildhauer

troductory phase, teachers might need to provide guidance and invest lesson time.

4.

Suggestions: Introducing Blogging to Your Classroom

4.1

General Framework: From Passive to Active Blogging

On her blog, Bündgens-Kosten argues for the implementation of passive blogging scenarios in ELT: By reading such texts [here: novels, P.S.], you develop a feeling for the expectations held concerning these types of texts. […] The same, I’d argue, applies to blogs, and especially to blogging in EFL. Of course, reading blogs is not only relevant when you plan to have students write blogs in class. In current English textbooks, publishers like to include ’modern’ text types such as blog posts or emails. Yet, the imitation-blog posts and fake e-mails are sometimes so badly done, it is nearly hilarious […]. Adding a blog post or two – printed on paper, if need be – can give students a better idea of how these texts look like ’in the wild’.42

I would like to subscribe to Bündgens-Kosten’s view and stress that what she describes is, in fact, the first step to acquiring blogging as a practice. BündgensKosten reports on a teacher who guides students to blogging via several small steps – including passive blogging: 1. reading blog posts on the teacher’s blog providing information on the nature of blogging, 2. introducing the basics of a blog software, 3. highly structured blogging tasks, transition from passive to active blogging, 4. independent writing, that is free active blogging.43 This succession of steps constitutes a suitable general framework for guiding students to (active) classroom blogging. In what follows, I will discuss two practical suggestions that take up several steps of this framework.

42 Judith Bündgens-Kosten: “Reading Blogs in EFL – but which Blogs?”, in: Life, Language and E-Verything, 25 May 2015, https://tinyurl.com/jbk2015 [25. 10. 2019]. 43 Judith Bündgens-Kosten: Das Tagebuch im Internet? Wie Lehrerinnen und Lehrer Blogs im Unterricht einführen, in: Coline Baechler / Eva Martha Eckkrammer / Johannes MüllerLancé / Verena Thaler (eds.): Medienlinguistik 3.0: Formen und Wirkung von Textsorten im Zeitalter des Social Web, Berlin 2018, pp. 323.

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4.2

293

Santa Goes Online – a Christmas Worksheet

The first suggestion was inspired by a list of blogs worth reading in ELT which Bündgens-Kosten compiled on her blog Life, Language and E-Verything.44 One of these blogs is classified as A1 / A2 and contains letters to Santa Clause.45 This blog provides an authentic46 intercultural experience as well as insights into blogging at the same time. It can be used in pre-Christmas sessions with younger learners of 5th and 6th grade. The worksheet on the following page makes use of three posts from this blog. The tasks on the worksheet are focused on the actual topic of Christmas wish lists. The first task is a reading comprehension task that asks the students to list the items wished for from two of the three posts. Charlie’s post is excluded from this task as it provides a ready-made list already. The second task connects the wishes uttered in the blog posts with the students’ own wishes. This partner interview does not only practice the oral competence of uttering wishes using “I would like (to have)…” but also triggers intercultural comparisons: It is certainly interesting that the prime wish of the Krishna kids is “[s]now falling in Fijii”, while Charlie wishes for videos, PC games and guitar equipment – to be placed in stockings, of course. In any case, students will be delighted to communicate and compare their own wishes in a pre-Christmas lesson. The final task practices writing. As the owner of SantaBlog states that children can send their wish lists via e-mail, the tasks take up this incentive to render the activity potentially communicative in an authentic way. Depending on the learner group, teachers might decide to provide more than the beginning of the e-mail only. Apart from the actual Christmas topic, the worksheet implicitly introduces the students to authentic colloquial language, such as “Howdy” and “Wazzup”. Besides, there are features that are usually attributed to language use online such as the capitalisation in Charlie’s “THANK YOU”, the neglect of punctuation in Breanna’s post, several full stops in a row to indicate pauses and/or thinking processes in the Krishna Kid’s post etc. Additionally, the question of correctness arises in instances such as “by the elf ’s” and “stocing”. As part of raising language awareness, teachers could discuss these instances with the students. 44 Cf. Judith Bündgens-Kosten: “Reading Blogs in EFL”. 45 Santa Claus Letters, n.d., https://santa.blogs.com [25. 10. 2019]. 46 Authenticity is a widely-debated term in Foreign Language Teaching. According to the dimensions suggested by Bündgens-Kosten (2013), SantaBlog can be considered culturally authentic as it provides a text produced by and for members of an anglophone target culture who share a stock of ‘Christmas tokens’ such as Santa Clause, reindeers, and the tale that Santa delivers presents through the chimney. Furthermore, SantaBlog falls under linguistic authenticity as the posts on this blog were produced for “a non-language learning context”, see Judith Bündgens-Kosten, Authenticity, p. 277.

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In the general framework provided above, this Christmas worksheet is situated in the first phase – passive blogging. It provides the potential to be used as a first encounter with blogging as a practice and as a first step to classroom blogging. Of course, teachers might also use it as what it is in the first place: a nice Christmas worksheet.

More than ‘Just Blogging’

295

296 4.3

Peter Schildhauer

Introducing Learner Blogs as Reading Journals

The worksheets on the following two pages are designed for 9th grade or higher and might serve as a prelude to a scenario similar to Raith’s, i. e. the use of learner blogs as reading journals.47 The worksheets are aimed at the second and third phase of the general framework presented beforehand: they guide through the first steps with blog software and provide small and highly structured blogging tasks. In order to work with these sheets, students should have encountered blogs already and, ideally, discussed features of blog language. Worksheet #1 guides the students through the steps of setting up a WordPress.com blog. Even though the WordPress interface is very intuitive, the worksheet provides students with additional security. Furthermore, it explicitly cautions the students on cyber-security, urging them not to use their real names and any other potentially dangerous information, and makes them aware of what information will eventually show on their blog or when they leave comments. Ideally, teachers reflect on these hints with the learner group in order to increase their understanding for the reasons of these security measures. After completing worksheet #1, the students should share their blog’s URL with the teacher (e. g. via e-mail), who then compiles a list of all URLs and makes this list available to the class again. Only then can students comment on others’ posts. If the teacher (or the learner group) decides to blog in private, then every student has to “invite” all the others to his or her own blog and assign the reader role to them. For public blogging, this step is not necessary.

47 Cf. Thomas Raith: Weblogs als Lesetagebücher.

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Worksheet #2 opens with an invitation to explore the dashboard and personalise one’s blog. Among others, this task is based on the assumption that students will identify more strongly with a personalised blog that is “truly their own” and, hence, be more motivated to work with it. The second task provides a first, clearly defined blogging activity in the context of a sequence based on a novel. However, in light of the copyright considerations outlined above, it is problematic as soon as the learner group and / or teacher decides for public blogging. Strictly speaking, students would have to ask the creator of the image they chose for consent in that case. Teachers might consider providing an e-mail template as the following to help their students in that: Dear …, my name is ……. and I am a student at … I would like to use your image … (link: …) on my blog on the novel … Do you give your consent? Of course, I will tag the image with your name and URL. With kind regards, …

The final task introduces the activity of commenting. By providing guiding questions, a word count, and a possible beginning, it aims at eliciting comments that can serve to initiate first discussions on the content of the sequence: the novel. Later on, the learner blogs can serve as reading journals just as in Raith’s example.48 However, by extending the introduction phase to passive blogging, this scenario combines the aspects differentiated above: Students use the blog as a technical tool for their reading journal, but, at the same time, they get to know blogging as a practice – and are encouraged to try their hands on actual blogging.

5.

Why All the Effort? Digital Literacies and Contemporary Challenges

At the end of this chapter, one question arises: if introducing blogs in ELT, and especially treating blogging as a teaching objective in its own right, requires such an effort – why should this effort be made in the first place? The answer lies in profound shifts in contemporary society that entail a shift of teaching objectives for ELT. Already in the 1990s, the New London Group pointed to societal changes connected to, among others, “new communication media”:49

48 Cf. ibid. 49 The New London Group: A Pedagogy of Multiliteracies: Designing Social Futures, in: Harvard Educational Review 66, 1 (1996), pp. 64.

300

Peter Schildhauer

– To a growing extent, information is presented by means of several, interrelated modes such as written and spoken language, image, layout, but also sound and video. Texts have become increasingly complex from a semiotic point of view. – The authors also detect a development towards diversity in the social domains of private, public, and working lives. All three fields are characterised, among others, by an increasing linguistic variation. Digital media fuel this tendency: tweeting, writing e-mails, and blogging are different communicative practices and part of one or more of these spheres. These changes have implications for how we define literacy (or, more adequately: literacies50), i. e. key competences to be acquired in school and university. In a classical view, literacy means the ability to read and write. Reading and writing, in turn, were traditionally associated with standard language and confined to print media. However, being print-literate does not necessarily entail being, for instance, blog-literate. Therefore, several authors have argued for broadening the view from classical literacy to digital literacy.51 By drawing on several strands of literacy research, I have suggested a list of core facets of digital literacies that is reproduced here as the first column of Table 3 in an earlier paper.52 I have also argued that blogging as one of the oldest genuine Web-based practices can serve as a prime example to acquire digital literacies. In order to illustrate this, the second column of Table 3 takes up aspects from section 2 above. Table 3: Blogging as a Prime Example of Digital Literacies Digital Literacies – the ability to… Blogging means… …use several resources to create meaning …combining language, image and other semiotic systems …mix and modify existing products …collecting and evaluating hyperlinks …engage with new technologies creatively …creative use of blog-software …think critically …adopt appropriate social identities …engage in social networking …work jointly towards solutions

…evaluating hyperlinks and reflecting on the blogger’s experience …a pronounced subjective and reflective element in many blogging practices …the potential of multiple authorship and discussions on the same / on different blogs

50 Cf. Kathy Ann Mills: A Review of the ‘Digital Turn’ in the New Literacy Studies, in: Mastin Pinsloo / Mike Baynham (eds.): Literacy Studies, Los Angeles 2013, p. 362. 51 Cf. Rodney H. Jones / Christoph A. Hafner: Understanding Digital Literacies: A Practical Introduction, London / New York 2012, p. 12. 52 Cf. Peter Schildhauer: Blogging Our Way to Digital Literacies?, p. 184.

More than ‘Just Blogging’

301

The main benefit of blogging in the ELT classroom is not that it is motivating or a practical alternative to traditional pen-and-paper formats. Rather, it is one way of meeting contemporary challenges. We cannot ignore the diversity of communicative practices that has arisen in the context of the digital age. However, the time in our lessons is limited and we cannot deal with every digital practice there is. We rather have to look for a multi-faceted exemplar that can be used to develop several key competences. Blogging, which has inspired a range of social media practices and which is used in private and professional contexts alike, provides exactly that.

6.

Conclusions and Outlook

Based on a distinction between blog as a technical tool and blogging as a collective term for social practices, I have focussed on classroom blogging in ELT in this chapter. By reviewing several examples from classroom blogging practice in foreign language teaching, I showed that it is especially the idea of a potential mass audience in blogging that appears to constitute an additional motivational factor. However, I have also shown that particularly the potential audience triggers questions of copyright, cybersecurity, and correctness that teachers need to treat carefully in their specific teaching scenarios. The two most important aspects of this review were the following: first, the classroom blogging scenarios use blogs as a tool but neglect the potential of dealing with blogging as a practice. Second, an extended introductory phase is needed to cope with several potential problems of blogs in the classroom, and to introduce the social practice of blogging. I have then presented a general framework of how to lead students to autonomous blogging and discussed two suggestions: a Christmas worksheet for a younger learner group as an example of passive blogging and two worksheets for intermediate and/or advanced learners leading to first steps in active blogging. I have acknowledged the fact that introducing blogging in that extended way takes time and effort. However, by pointing out several changes and challenges of contemporary society, I have made a point in arguing that classroom blogging is more than a nice digital alternative to pen-and-paper formats. Blogging in the classroom develops key competences of digital literacies and, therefore, prepares our students for the challenges of their current and future lives. Challenge accepted.

302

Peter Schildhauer

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More than ‘Just Blogging’

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Theresa Summer (Würzburg)

Grammar Education in the Global Village: A Guideline for Grammar Activity Design

1.

The Classroom as a Global Village?

1.1

Current Global Developments

Due to the rise of international travel and global consumerism, the English language has become of great importance as a means of interacting with others. English is thereby used as a lingua franca by speakers worldwide – in real life as well as in the digital world. In addition, increasing migration across the world means that many people today are raised in bi- or multicultural environments. Statistical measures in Germany reveal that in 2015, every third student at German schools had a ‘migration background’.1 Migrants and refugees coming to Germany in recent years, for instance, have imported new languages as well as cultural traditions and norms. It is not rare, therefore, for a child to grow up with parents from different cultural backgrounds in a country in which another language is spoken different to that mostly spoken at home. This does not only mean that a child will be learning different languages. It also means that it will continuously be engaged in what Alter refers to as “frame switching” whereby a person “can perceive the world either through the frame of one culture or through the frame of another”.2 In other words, while being immersed in different cultures, bi- or multicultural people will not only switch between two or more different linguistic codes, but also between the respective cultures, their ways of thinking, and how they perceive actions around them.

1 Cf. Statistisches Bundesamt (Destatis): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit: Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2017, 2018, https://www.destatis.de/DE/ Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Publikationen/DownloadsMigration/migrationshintergrund-2010220177004.pdf ?__blob=publicationFile&v=4 [accessed 16 May 2019]. 2 Adam Alter: Drunk Tank Pink and Other Unexpected Forces that Shape how we Think, Feel, and Behave, New York 2013, p. 147.

306

Theresa Summer

What is more, children growing up without some other direct cultural influences in their homes will automatically be engaged in crosscultural encounters when interacting with other people in the real world or online. Consequently, the chances for a person to be considered ‘monocultural’ as opposed to bi- or multicultural are rather slim in today’s world. This goes hand in hand with the concept of transculturality and transcultural learning: People are considered to be “hybrid personalities in a multifaceted world”.3 Everyone is influenced by other cultures and people from and with different cultural backgrounds in everyday life. In effect, even though specific cultural traits exist, it would be wrong to assume that people, or learners in the context of EFL education, live and grow up in purely monocultural environments. So what implications does this have for foreign language education? In most parts of the world, and in Europe in particular, foreign language educators are confronted with multiple cultural identities in a multicultural classroom – the features of which will be discussed in the following section.

1.2

Grammar Education in the Multicultural Classroom

Every foreign language classroom differs in its specific linguistic and cultural habitat. Depending on the region (e. g. which federal sate in Germany), the city or town (e. g. a multicultural city such as Berlin or Frankfurt as opposed to a small village in a rural area), the school type, and individual learners, every classroom comprises a unique setting. Statistical figures in Germany reveal great differences between specific regions: For instance, whereas 36 % of students in Berlin and the ‘old’ federal states had a ‘migration background’ in 2015, this only applied to 10 % of students in the ‘new’ federal states.4 Importantly, these statistical measures of people with a ‘migration background’ by definition only take into account people who are not German citizens from birth or whose parent or parents is/are not German citizens from birth.5 It needs to be mentioned in this context that a person without an official ‘migration background’ is not necessarily monocultural or monolingual. Depending on their grandparents’ backgrounds or their individual experiences, for instance, seemingly ‘German’ students may well have had more inter- or transcultural experiences than meets the eye. From my personal experi3 Jennifer Meier: Learning about culture in the EFL classroom: Then and Now, in Theory and Practice, in: Theresa Summer (ed.): Culture and Literature in EFL Education: Relating Theory to Practice, Berlin 2019, p. 50. 4 Cf. Statistisches Bundesamt: Bevölkerung mit Migrationshintergrund. 5 Cf. Statistisches Bundesamt p. 4; original: “Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt.“

Grammar Education in the Global Village

307

ence as a teacher in different schools, I have never in my whole career encountered a monocultural classroom. It is very common in Germany to find classrooms with children speaking or at least understanding other languages including Turkish, Arabic, Russian, Polish, and Italian, to name but a few examples. As such, the multicultural classroom can be considered a global village to some extent. Volkmann speaks of the “global village”6 referring to the current trends of globalisation that have resulted in a greater spread of the English language through the World Wide Web and the shrinking of cultural boundaries. He argues that the foreign language classroom should therefore not only focus on the multiculturality of life, but also discuss potentially ‘dark sides’ such as the dangers of heteronomy in the process of globalisation (“die Gefahren der Fremdbestimmung im Globalisierungsprozess”).7 This could, for instance, also include a consideration of global learning by dealing with issues such as the SDGs (Sustainable Development Goals) set by the United Nations in 2015 “to achieve a better and more sustainable future for all”8 by 2030. Focusing on content in addition to linguistic competences by, for example, training grammatical structures while focusing on global challenges related to poverty, the environment, climate change, justice and injustice, inequality, or peace, can act as a small contribution to achieving these goals in practice. Although globalisation influences young generations more than ever before, the differing cultural and linguistic influences of children are also significant. Greater diversity does not result in the homogeneous forming of a group. Looking at the impact of migration and the increasing number of refugees coming to Germany reveals that significant cultural differences persist. These stand in contrast to the notion of the world becoming a small, uniform village. It takes time, willingness, and education for different cultures to meet, adapt, and learn from one another. Seeing the classroom as a multicultural place thus highlights its diversity and presents new options for learners to practise tolerance and expand their horizons. The underlying argument of this paper is that this multicultural classroom must be considered also in the context of grammar education. In addition to the observation that the EFL classroom comprises a multicultural sphere, the central goal of foreign language teaching must be considered: intercultural communicative competence (ICC). This has, for approximately the past three decades, been considered the key competence learners should achieve. It comprises the development of a set of specific skills, knowledge, and attitudes.9 6 Laurenz Volkmann: Fachdidaktik Englisch: Kultur und Sprache, Tübingen 2010, p. 4. 7 Ibid., p. 125. 8 United Nations: About the Sustainable Development Goals, n.d., https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-development-goals/ [accessed 16 May 2019]. 9 Cf. Michael Byram: Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence, Clevedon 1997, p. 34.

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Currently, we can witness further developments in this field and researchers are proposing the integration of a concept called intercultural citizenship education (ICE).10 It includes an “emphasis on civic action in the community”11 and a focus on content and the educational function of foreign language learning as a whole. In that respect, this contribution takes the perspective of foreign language education as a starting point for putting grammar education in its proper place. In accordance with the aforementioned notion of ICE, the term grammar education is applied in order to highlight the central importance of combining the teaching of content and global issues with the teaching and learning of language-related competences, i. e. grammatical competence. In this context, the choice of the term education rather than teaching, in accordance with Byram “encapsulates the purpose then and now: to locate the teaching of foreign (and other) languages within general pedagogy”.12 It is emphasised thereby that teachers also consider the “educational value and not only instrumental use for languages”.13 This also has implications for grammar teaching or, as it were, grammar education. Grammatical competence comprises a central component of foreign language education across all English language curricula. In Byram’s words, linguistic competence entails the ability “to communicate in speaking or writing, to formulate what they [learners] want to say/write in correct and appropriate ways”.14 In other words, using a language is a central component of grammatical competence, which exemplifies how closely linked intercultural and linguistic competence are. This is summed up in the Common European Framework as follows: the grammar of a language may be seen as the set of principles governing the assembly of elements into meaningful labelled and bracketed strings (sentences). Grammatical competence is the ability to understand and express meaning by producing and recognising well-formed phrases and sentences in accordance with these principles (as opposed to memorising and reproducing them as fixed formulae).15

10 Cf. Michael Byram: From Foreign Language Education to Education for Intercultural Citizenship: Essays and Reflections, Clevedon 2008, pp.177–190; Michael Byram / Irina Golubeva / Han Hui / Manuela Wagner (Eds.): From Principles to Practice in Education for Intercultural Citizenship, Bristol 2016. 11 Melina Porto / Stephanie Ann Houghton / Michael Byram: Intercultural Citizenship in the (Foreign) Language Classroom, in: Language Teaching Research, 2017, p. 2, https://doi.org/10. 1177/1362168817718580. [accessed 16 May 2019]. 12 Michael Byram: From Foreign Language Education to Education for Intercultural Citizenship, p. 227. 13 Ibid., p. 228. 14 Michael Byram / Bella Gribkova / Hugh Starkey: Developing the Intercultural Dimension in Language Teaching: A Practical Introduction for Teachers, Strasbourg 2002, pp. 9–10. 15 Council of Europe (ed.): Common European Framework of Reference for Languages: Learning, Teaching, Assessment, Cambridge 2001, pp. 112–113.

Grammar Education in the Global Village

309

In an era, in which multicultural influences are more evident than ever before, the question arises, what role should be attributed to grammar education today and how grammatical competence is best achieved. The next section addresses these issues.

2.

The Role of Grammar and Grammatical Accuracy

2.1

Defining Grammar

The term grammar can be approached and defined from different perspectives. From a pedagogical and learning goal-oriented point of view, grammar is considered to be part of the language system and thus a competence, more specifically referred to as grammatical competence.16 It represents an important part of functional communicative competences and, therefore, serves as a facilitator in communication processes. Second, from a methodological point of view, grammar can be considered a component of foreign language education. This perspective entails a consideration of which methodological means are most suitable for developing grammatical competence. In the context of foreign language education, a consideration of both perspectives is essential. In order to achieve grammatical competence, specific methodological decisions have to be made. In other words, when formulating a lesson goal based upon developing grammatical competence in some way, suitable activities need to be designed when deciding upon how to best train a particular grammatical form. In present day discussions, scholars have moved away from seeing grammar as the mere structural framework of a language. Grammar comprises not only language forms or rules, but also a variety of different meanings that can be expressed through the use of specific forms. In Ur’s words, “a competent speaker […] will be able to apply these rules so as to convey his or her chosen meaning effectively and acceptably”.17 Accuracy is no longer considered the ne plus ultra, but rather, the question as to whether the speaker or writer is able to express the intended meaning of a specific message. In an attempt to visualise this argument, Graph 1 illustrates grammatical accuracy on a continuum. On the one hand, it shows that the features accuracy and meaning are two separate components of a message. In other words, a sentence may be incorrect (e. g. *He play football) but its meaning is likely to be 16 Cf. ibid., 2001, p. 113; and Kultusministerkonferenz (KMK): Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die allgemeine Hochschulreife, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18. 10. 2012, Köln, 2012, p. 14. 17 Penny Ur: Grammar Practice Activities: A Practical Guide for Teachers, Cambridge 2009, p. 3.

310

Theresa Summer

understood by the recipient. On the other hand, Graph 1 shows how closely linked the aspects of effectiveness (in terms of conveying the meaning effectively) and acceptability (in terms of grammatical accuracy) are and that they must be seen on a continuum. From the perspective of foreign language learning, two questions are essential: 1) Are linguistic norms in terms of grammatical accuracy adhered to in an utterance?, and 2) Is the correct meaning conveyed? These two features often go hand in hand but, equally, an inaccurate message may convey the correct meaning without causing misunderstandings.

Graph 1: Grammatical accuracy on a continuum

Let us consider an example that illustrates the features of grammatical accuracy and effectiveness focusing on the use of the simple past and the present perfect in spoken language. If a person who enters a room says “Look! I found a 50 € note lying on the floor!” every listener is going to understand the meaning conveyed just as in the sentence “Look! I’ve found a 50 € note lying on the floor!”. EFL teachers are very likely to perceive the second utterance to be the correct one as the present perfect is considered to be used when a link between the present and the past can be observed. In spoken language, the distinction between these two tenses is less important. Crucially, the meaning is conveyed in both sentences. Furthermore, there is a difference between grammatical correctness in terms of linguistic accuracy (e. g. *Where you go?) and the question as to whether the correct meaning is conveyed or not (e. g. *I became a present.). Whereas a proficient speaker of English is likely to understand the meaning of the grammatically incorrect sentence *Where you go? (Where are you going?), answer it accordingly, and thus keep a conversation going, the same speaker is less likely to understand what is meant by *I became a present. Unless he or she is a proficient German speaker and aware of the common German-English interference mistake of bekommen (to get) and to become, s/he will wonder about the reason for stating such a sentence. In effect, whereas a sentence may be grammatically correct, the meaning of a message may not be conveyed correctly. A central question arises for EFL teachers: What is most important for my teaching context? Do gap-filling exercises focusing on the difference between both tenses and illustrating the use of signal words make sense? Or is it not more important (especially in the early stages of learning) to primarily focus on the

Grammar Education in the Global Village

311

form of both tenses and, for instance, irregular verbs so as to avoid learners uttering the less understandable phrase “I finded a 50 € note on the floor!”? (This may be decoded correctly semantically by a listener but it may briefly interrupt the conversation. The listener may, for example, understand “founded” and only then realise that the verb intended was “to find” as opposed to “to found” from the context of the utterance.) As a result, teachers should consider carefully which grammatical forms are to be dealt with, in what detail, and how. In this context, it needs to be stated that it is of utmost importance to avoid detailed explicit grammar teaching and form-focused drilling in an isolated manner. Of course, this type of grammar teaching may ensure grammatical accuracy in written exercises or form-focused tests but it is unlikely to aid learners in the actual acquisition of the target structures and using them while interacting in authentic situations – a vital goal of competence-oriented syllabuses.

2.2

The Issue of Spoken Grammar

The issue of grammatical accuracy discussed above is also related to the concept of spoken grammar. Linguists who have analysed corpora of spoken language provide detailed outlines of features of spoken grammar used by proficient speakers of English in communicative settings. This should be of interest to EFL educators because teaching English as a tool for communication requires a consideration of how English is actually used in real-time by proficient speakers of English and not merely a consideration of written grammars. In recent years, a new approach emerged in the field of corpus analysis in which grammar is not considered to be something fixed, static, and rule-based. Rather, grammar is seen as something procedural uttered by speakers on the basis of previously received input and their specific requirements. Referred to as “emergentism” by Haselow, this approach defines grammar as a something dynamic: [G]rammar is a dynamic phenomenon, based on routinized patterns that are adapted to concrete situational uses of language, and that the structure of spontaneous speech is derivable from principles of mental processing and of how speakers organize conversational interaction.18

In proposing an alternative to structuralist and generative approaches to grammar, an emergentist perspective therefore takes into account that the use of grammatical structures is subject to adaptations. In other words, “‘[g]rammar’ is, in this sense, the result of a continual process of local adaptation of a structure18 Alexander Haselow: Spontaneous Spoken English: An Integrated Approach to the Emergent Grammar of Speech, Cambridge 2017, p. 1.

312

Theresa Summer

produced-so-far to the speaker’s concrete communicative needs and intentions”.19 Implications for grammar education need to be discussed in this context. First and foremost, due to the dynamic nature of language use, it seems valid to point out that grammatical accuracy as such needs to be reconsidered and dealt with in a new light from a pedagogic perspective. The points raised in the previous section (and illustrated in Graph 1) go hand in hand with this point of view. What is more, differences between spoken and written grammar deserve to be integrated into teaching practices. This, for instance, means providing learners with examples of spoken grammar as well as interactive and consciousness-raising activities.20 While integrating such activities, language educators are thus not only teaching grammar for communication purposes, but they are also illustrating to learners how grammar is actually used in authentic spoken language. A further important argument for focusing on spoken language use is that it has motivational potential and can be perceived as useful by learners. Empirical evidence for this argument has been provided by Timmis’s study.21 His methodology for teaching spoken grammar was considered to be “useful” or “very useful” (92 %) and “interesting” (80 %) by learners. If a consideration of features of spoken grammar can contribute to an increase of motivation among learners, this should thus not be ignored. In the classroom, this means that mechanical drills, purely form-focused gapfilling exercises, and a focus on teaching ‘the tenses’ with signal words as though this link applies in all cases and provides a useful guideline for communication, are insufficient for developing grammatical competence. In fact, two main aspects need to be considered in practice: Activities22 would have to be designed in such a way that 1. they require a focus on meaning and illustrate the communicative nature of grammar, and 2. engage learners in speaking the grammar before completing written exercises so that they experience grammar for what it is: a significant part of communicative interaction. 3. Before practical implications will be discussed in greater detail, the following section will consider the importance of the language in focus: English.

19 Ibid., p. 20. 20 Cf. Ronald Carter / Michael McCarthy: Spoken Grammar: What is it and how can we Teach it?, in: ELT Journal 49, 3 (1995), p. 217. 21 Cf. Ivor Timmis: Introduction: Teaching Grammar, in: Maria Eisenmann / Theresa Summer (Eds.): Basic Issues in EFL Teaching and Learning, Heidelberg 2013, pp. 122–123. 22 The term activity is used as an umbrella term for anything the learners do including exercises (primarily form-focused) and tasks (primarily meaning-focused).

Grammar Education in the Global Village

2.3

313

The Issue of Global English

When inspecting grammar education from a global perspective, a further issue deserves attention: the rise of Global Englishes. The English language is increasingly used as a lingua franca across the world and, as Crystal notes, “[t]here has never been a language so widely spread or spoken by so many people as English”.23 With people using and learning English across the world, and not only in Great Britain and the United States, it has come into fashion and is indeed necessary to question whether Standard American, British English, or another variety should serve as a basis for EFL teaching. As Volkmann rightly observes, this includes the debate over whether utterances such as “I have seen her yesterday” which can be semantically decoded correctly are to be considered acceptable or correct.24 The question of which variety of English should serve as a basis for EFL education is challenging. There is undoubtedly a need for some type of standard that teachers and learners alike can refer to and use as their basis for language development. If no common ground exists as to what is considered grammatically correct or acceptable, this might lead to misunderstandings in some situations. What is more, the learning of English is, to some people, related to prestige and has an influence on the forming of groups and the construction of identities. Volkmann summarises this as follows: Wer die Gleichheit aller Varietäten des Englischen postuliert oder gar einem fehlerhaften Global English das Wort redet, verkennt auf eklatante Weise die Funktion von Sprache und Sprachbeherrschung als verbal-kommunikatives Distinktionsmerkmal, als Instrument der Gruppenbildung und Identitätszuweisung.25

Today, the challenge, therefore, is to add meaning to the teaching of English by dealing with intercultural issues and potentially social injustices also when teaching grammatical forms. To begin with, this might include an activity that encourages learners to respond personally. For instance, while focusing on the simple present, learners could be asked to describe their own daily routine and compare it to their classmates. While engaging in such personalised activities, it remains open to debate which English should serve as the basis for EFL education. It seems valid to argue, however, that if learners are to develop inter- and transcultural communicative competence, features of lingua franca English cannot be ignored.

23 David Crystal: English as a Global Language, Cambridge 2003, p. 189. 24 Cf. Laurenz Volkmann: Fachdidaktik Englisch, p. 154. 25 Ibid., p. 155.

314 2.4

Theresa Summer

Grammar Teaching in Textbooks

Looking at grammar from different perspectives and acknowledging the global dimension of English as well as the use of linguistic forms in spoken language, these aspects should be considered and put into practice in teaching materials. My textbook evaluation study that showed great need for improvement of textbooks also stressed this.26 It revealed that the selected collection of coursebooks mostly aims to develop grammatical competence through form-focused exercises, which amounted to 75 % in total. In addition, productive activities dominated (81 %)27 which shows that textbooks put a great emphasis on the production of grammatically correct sentences rather than providing options for the processing of input. Regarding the design of teaching materials, it can be concluded, that there is a need to integrate a greater variety of grammar activities such as receptive and communicative activities, discovery activities, and meaning-focused tasks.

3.

Concepts for Grammar Education

3.1

The Interventionist vs. Non-Interventionist Position

Researchers have proposed different models and explanations to illustrate how grammatical competence develops. In an attempt to simplify the differences between these models, it is common to describe two opposing positions: 1) the interventionist position that considers explicit grammar teaching to be beneficial and thus proposes the use of form-focused activities, and 2) the non-interventionist position that considers input as more essential and attributes a minor role to grammar teaching.28 In trying to relate the two positions, Gass provides a model of SLA (Second Language Acquisition) that shows how these positions interrelate and thus contribute to a better understanding of the language learning and acquisition process.29 Her model proposes five stages: 1) apperceived input, 2) comprehended input, 3) intake, 4) integration, and 5) output. As regards the first stage of apperceived input or apperception, also referred to as “the stage of enlightenment” or “selective cuing”,30 these terms are used to represent a more dynamic view of how acquisition takes place. In arguing that “[s]ome language data filter through to the learner, and some do not”, Gass holds that the first stage 26 Cf. Theresa Summer: An Evaluation of Methodological Options for Grammar Instruction in EFL Textbooks, Heidelberg 2011, p. 211. 27 Cf. ibid., p. 212. 28 Cf. Ivor Timmis: Introduction: Teaching Grammar, pp. 120–121. 29 Cf. Susan M. Gass: Input, Interaction, and the Second Language Learner, New York 2018, p. 3. 30 Ibid., p. 4.

Grammar Education in the Global Village

315

of input ultilisation is a cognitive act in which the learner recognises a new linguistic item and is able to relate it to existing knowledge thus realising that “some gap needs to be filled”.31 From a practitioner’s perspective, it makes sense to give merit to both positions or, in accordance with Gass’s model, to combine them. In the context of teaching English to learners in a non-English speaking country, for example to students in Germany, where the English input in everyday life is usually limited to the classroom, pop songs, and the World Wide Web, it makes sense to ‘intervene’ in the acquisition process by providing learners with information about the structural framework and how a language works. As Haß asserts, this could especially help weaker learners in developing communicative competences.32 Depending on individual learner differences, grammar instruction is likely to have a different effect on different learners. Yet, it is valid to argue and indeed supported by research that explicit grammar instruction can have beneficial effects on EFL development.33 In the context of English education at primary and secondary schools, not only individual learner differences deserve to be considered but also learners’ age and what implications this factor has for fostering grammatical competence. While inspecting the role of age in the learning and teaching of grammar, DeKeyser recently identified a crucial paradox of EFL education in the classroom: Whereas children under six can acquire a language like a native speaker in all domains, a gradual decline of this attainment from the age of six to sixteen can be observed.34 Crucially, the way in which they learn changes over time as their capacity to acquire a language implicitly declines. Children draw on implicit (rather than explicit) knowledge and are not consciously aware of the knowledge they have about language and thus draw on phonological short-term memory and aptitude for learning.35 The paradox educators are confronted with is that the classroom only provides a few hours of English instruction per week, but more exposure would be needed for implicit learning to take place effectively. However, whereas there is not enough time for implicit learning, explicit learning is a great challenge for most young learners. DeKeyser summarises the implications for EFL education by referring to some important practical tips: Young learners 31 Ibid. 32 Original: “Phasen der Sprachbetrachtung (=‘Grammatikunterricht’) helfen allen Lernern – besonders aber den weniger begabten – beim Erwerb von kommunikativer Kompetenz.”, in Frank Haß: Wie viel Grammatik braucht der Mensch?, in: Englisch 5–10, 32 (2015), p. 28. 33 Cf. John M. Norris / Lourdes Ortega: Effectiveness of L2 Instruction: A Research Synthesis and Quantitative Meta-Analysis, in: Language Learning, 50, 3 (2000), pp. 415–528. 34 Cf. Robert M. DeKeyser: Age in Learning and Teaching Grammar, in: John I. Liontas (ed.): The TESOL Encyclopedia of English Language Teaching, 2017, pp.1–4, https://doi.org/10.1002/ 9781118784235.eelt0106 [accessed 16 May 2019]. 35 Cf. ibid.

316

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should be provided with a good quantity and quality of input in an atmosphere that maximises implicit learning. Furthermore, they should be given support in comprehension and production, and they should be encouraged to repeat collocations and formulaic sequences.36 To sum up, teachers need to consider their learners’ age when developing grammar activities and consider the fact that young learners profit from implicit learning more whereas older learners are more capable of dealing with language explicitly. Inspecting research in the field of foreign language acquisition reveals that we do know something about how grammatical competence is attained – for instance regarding the role age plays in explicit vs. implicit learning, as outlined above. What is more, sound theories of SLA have been presented that make comprehensible claims regarding the development of grammatical competence.37 It seems valid, however, to argue that some questions will never be answered. This is most probably because learning a foreign language is a very individual and unique process. First, learners differ in their language backgrounds, individual learning profiles, opportunities they have or make use of for receiving English input (e. g. through films or books) or seeking opportunities to produce output (e. g. while chatting online and playing computer games). Second, the learning process is influenced by contextual factors such as the particular setting and the teacher or educator. As Hattie asserts, “[t]here is no recipe, no professional development set of worksheets, no new teaching method, and no band-aid remedy. It is a way of thinking: ‘My role, as a teacher, is to evaluate the effect I have on my students’. It is to ‘know thy impact’.”38 Whereas the question ‘How much time should be devoted to grammar teaching and learning?’ cannot be answered concretely, especially when taking into account that every student has an individual learning profile, it is more beneficial to try and find an answer to the most central question foreign language educators are confronted with in practice: How should we teach grammar and promote the development of grammatical competence? Crucially, the teachers’ impact on their students is vital combined with their selection and development of learning activities.

36 Cf. ibid., pp. 3–4. 37 Cf. Susan M. Gass: Input, Interaction, and the Second Language Learner. 38 John Hattie: Visible Learning for Teachers: Maximizing Impact on Learning, New York 2012, pp. 22–23.

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3.2

317

Current Concepts for Grammar Education

Grammar materials that are motivating for students and offer a valuable guideline for teachers are still in high demand. This is shown by the wide range of extra materials that is published devoted to grammar teaching and learning.39 Taking a look at the manifold literature dealing with the methodology for grammar teaching reveals that we can witness a whole array of different concepts. These have moved away from focusing on one specific method based on one specific theoretical model such as the Direct Method or Ziegésar’s 5-phase model for grammar instruction from the 1990s.40 Rather, these concepts acknowledge the multitude of methodological options available for different learner profiles. Some influential concepts published in recent years are described below in order to provide a brief overview of the methodological variety for grammar education. A collection of grammar activities is provided by Ur. Divided into different chapters based on grammatical forms, this book contains playful, communicative, and creative activities that can serve as a useful collection of ideas for teachers.41 The aim of these activities is “to assist learners to master the most important grammatical usages that will enable them to convey meanings effectively and acceptably”.42 By explaining the features of her activity design in detail and giving practical tips,43 this book provides a valuable collection with a whole range of ideas for teachers of different levels and age groups. Whereas the use of pictures also plays an important part in Ur’s collection of activity, Kieweg takes this as the very basis for his publication Grammatik visualisieren.44 He shows how the function of grammatical forms can be illustrated through the use of visual aids. The book features numerous pictures showing specific situations and authentic contexts with short dialogues. The use of specific forms and functions is exemplified. In addition, Kieweg presents different visualisation techniques (e. g. cartoons, jokes, timelines) that can be used to facilitate the anchoring of forms and functions.

39 See, to name but a few: Werner Kieweg: Grammatik visualisieren: Bildimpulse zur Festigung grammatischer Kompetenzen im Englischunterricht, Seelze 2012; Engelbert Thaler: 10 Modern Approaches to Teaching Grammar: Methoden und Materialien für den Englischunterricht (Sek. I und II), Paderborn 2012; Martin Bastkowski (ed.): Grammar in Motion: Englisch 5–10, 51 (2020). 40 Cf. Detlef von Ziegésar / Margaret von Ziegésar: Einführung von Grammatik im Englischunterricht: Materialien und Modelle, München 1992. 41 Cf. Penny Ur: Grammar Practice Activities. 42 Ibid., p. 3. 43 Cf. ibid., p. 11–26. 44 Cf. Kieweg: Grammatik visualisieren: Bildimpulse zur Festigung grammatischer Kompetenzen im Englischunterricht.

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A collection of different approaches to grammar teaching is presented by Thaler in his method guide that advocates his concept referred to as “balanced grammar teaching”.45 This consists of a combination of traditional (inductive, deductive and text-based approaches) as well as modern approaches (teaching grammar through songs, films, jokes, games, corpora-based teaching).46 In sum, it provides a basic overview of different methodological options available for the teaching of grammar in general. Thaler’s argument for a balanced approach to grammar teaching is also worth considering. Yet, what this book does not offer is a theoretical framework or a conceptual guideline that puts grammar in its place. Acknowledging that there is a multitude of methodological options available still raises the question which approach is most valuable, when, and why. “Balance” alone in that respect does not do this complex matter justice. The language goal (which specific grammatical form is in focus), the competences to be acquired, and individual learner profiles, are fundamental aspects that influence methodological decisions. Overall, integrating a variety of different grammar activities and making use of the contextual nature of language by integrating visual aids is vital so as to foster motivation and provide different learning opportunities for different learner profiles. There is no specific approach, method, or activity that suits the teaching of all grammatical forms. Rather, there is a wide variety of methodological options (including approaches, methods, and activities) teachers can choose from. In order to choose from such approaches or activities or develop them for a specific educational setting, EFL teachers require some form of guideline. When choosing an approach or activity, balance by itself, is insufficient. In the recently published journal Grammar in Motion, a flexible model is proposed involving three phases: 1) engage, 2) discover, 3) activate.47 In the following section, I propose an outline of design features to illustrate how teachers can design grammar activities.

45 Thaler: 10 Modern Approaches to Teaching Grammar. 46 The term method is used as a general all-encompassing term for anything that can be carried out by learners in the classroom without making a distinction between method and approach in the historical and theoretical sense. 47 Cf. Martin Bastkowski / Theresa Summer: Grammatik bewegungsreich vermitteln: Wie sich sprachliche Phänomene motivierend einführen lassen, in: Grammar in Motion: Englisch 5– 10, 51 (2020), pp. 24–29, here p. 26.

Grammar Education in the Global Village

4.

A Guideline for Grammar Education

4.1

How to Design Grammar Activities

319

In current discussions surrounding the development of foreign language competences in general, numerous theoretical concepts and pedagogic principles are promoted by researchers and practitioners. On the basis of a consideration and an analysis of these combined with an insight into the current state of affairs surrounding EFL education, as outlined above, an attempt is made in this section to list key features of grammar activities. The idea behind this is to provide a starting point for the design of grammar activities rather than promoting one specific method or approach that claims to suit all learner profiles and all grammatical structures. Table 1 illustrates a total of five features of grammar activities. These are combined with a list of questions that serve as a guideline for teachers or materials developers when planning a grammar lesson sequence. The model presented here consists of five features of grammar activities. It acts as a theoretical framework as well as a practiceoriented guideline for designing grammar activities. In sum, the features of grammar activities presented in Table 1 aim to relate theoretical aspects with practical considerations by illustrating guiding questions that for teachers when designing grammar activities and lesson sequences. Table 1: Design Features of Grammar Activities and Questions from the Teacher’s Perspective Grammar activity features

Guiding questions for teachers

1. contextualised

– Which context is suitable for introducing the grammatical structure? – Which topic that is relevant and of interest to learners could be in focus? – Do learners have to focus on meaning (primarily and initially) in order to complete activities? – How can I create real-life and authentic situations in activities? – Which outcome is in focus that ensures and proves that learners focus on meaning?

2. meaning-focused

3. multi-skill-focused – How can I integrate the speaking of the target structure in the beginning of the lesson sequence? – How can I integrate other skills and competences? 4. lexical – Which word combinations of the target structure (chunks) are frequent? – How can I integrate them in the texts and activities? 5. varied & interesting – Which different types of activities can I include in the sequence? – Which creative, engaging, and motivating activities are suitable?

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The first feature ‘contextualised’ is concerned with the integration of relevant and interesting topics in foreign language education. Even if a specific grammatical structure sets the key goal of a lesson sequence, the underlying argument of this listing this feature first is that foreign language learning should always take place in a contextualised manner by creating a situational setting with a real communicative function. Having identified many activities that deal with grammatical structures in an isolated way by listing random sentences with the prime goal to get learners to fill in correct verb forms, there is a great need to change this and promote a contextualised approach to grammar education.48 Arguments for this can be provided from different strands of theory and research.49 In short, providing a context when teaching grammatical structures is vital for numerous reasons: When learners are provided with a topic and a communicative setting, they are able to make associations. Consequently, they can associate to the new learning matter, which is likely to aid the acquisition process. What is more, providing a context allows learners to identify situations in which the target structure is actually used and this may potentially motivate them to notice and identify the target structure. In practical terms, teachers are thus required to get creative and think of or find relevant and interesting topics in which the target structure can be embedded. Teaching English through content and focusing on global issues is also proposed in the model of Intercultural Citizenship Education (ICE).50 This model, to name but one example, could be considered as an impulse for integrating grammar education in lesson sequences that are primarily concerned with topics or global issues and use these as starting points for noticing grammatical structures. Consequently, rather than teaching grammar in an isolated fashion, state the target structure as the lesson topic and complete form-focused exercises, attempts can be made to integrate grammar education during crosscurricular projects and when dealing with global topics. Notably, however, it is challenging to include a focus on specific content in early stages of EFL learning in which basic vocabulary and grammar must yet be developed. In this case, a focus on content can be supplemented with simpler, everyday-life contexts or playful activities (see appendix: Example 1). Scrivener in the introduction of his best-selling title Teaching English Grammar lists “contexts” as the first key notion in presenting and practising grammar. He describes these as “simple, easy-to-convey situations, scenes or stories that will help to

48 Cf. Theresa Summer: An Evaluation of Methodological Options, pp. 272–293. 49 Cf. ibid., pp. 113–119. 50 Cf. Melina Porto / Stephanie Ann Houghton / Michael Byram: Intercultural Citizenship in the (Foreign) Language Classroom, pp. 1–15, https://doi.org/10.1177/1362168817718580 [accessed 16 May 2019].

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clarify the meaning or use of a language item”.51 Through storytelling in which the teacher describes interesting situations to learners or through presenting everyday life topics, the teaching of grammar can be contextualised differently at varying levels of proficiency. The second feature ‘meaning-focused’ is related to the previous feature and highlights that grammar activities should not only encourage a focus on form (because they are, by nature, grammar activities), but rather focus on meaning. This means that, in accordance with the first feature, any lesson or lesson sequence that aims to develop grammatical competence, should focus on a specific context, topic, and if possible, a real-life situation. If this is catered for, learners are given a chance to relate to an activity and identify its use for using English outside the classroom. More specifically, the activities should encourage a focus on meaning. In other words, learners should only be able to successfully complete an activity if they understand the language – for instance, the sentences listed in an activity. The approaches of Task-Based Language Teaching (TBLT) and Task-Supported Language Teaching (TSLT), the latter of which aims to make tasks accessible to classrooms that are not based on a curriculum that is task-based and thus uses tasks to support the learning process, provide theoretical grounding for this feature.52 By and large, advocates of the integration of tasks hold that integrating tasks, i. e. activities that are meaningful, related to real life, and focus on the production of an outcome, are useful instruments in fostering SLA and provide a suitable groundwork for competence-based lesson design. The argument here is that grammatical competence can be trained in either the pre-, while- (main), or post-task phase. In a pre-task, for instance, basic new language items can be presented as chunks to learners as the teacher presents a model task using the target structure. An example would be a short interview in which students ask the teacher questions written down on cards, which are then answered by the teacher (e. g. surrounding the topic money, see appendix: Example 4). As such, although no explicit focus on form would be required here, the target language items can be integrated and presented at this stage (although with a primary focus on meaning). In the main task, learners could make use of the new grammar by reproducing given sentences in a milling around activity (Example 4) – thus reproducing the target structure. In addition, an explicit focus on form could be included in the post-task phase that guides learners’ in discovering the form and function of the target form through a discovery activity. In effect, 51 Jim Scrivener: Teaching English Grammar: What to Teach and How to Teach it, London 2010, p. 8. 52 Cf. Rod Ellis: Task-based Language Learning and Teaching. Oxford: OUP, 2003; and Andreas Müller-Hartmann / Marita Schocker-von Ditfurth (Eds.): Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht. Task-Based Language Learning and Teaching, Tübingen 2014.

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provided that the primary focus is on meaning throughout the task sequence, grammar practice is integrated in a meaningful way. The feature ‘multi-skill-focused’ is listed as the third feature. If the goal is to develop learners’ competence, it is vital for learners to be able to not only ‘write grammar’ but also to ‘speak the grammar’ as it is used in specific contexts. In traditional approaches to grammar instruction that involve the presentation, practice, and production of the target structure, speaking the target structure is often neglected. The argument of this model, however, is that the target structure must practised orally by all learners in a contextualised setting from the very beginning so that they can actively experience the new structure in an authentic situation and identify its communicative use. Larsen-Freeman in that respect developed the concept of “grammaring”, which refers to the ability to use grammar correctly, appropriately, and in a meaningful way.53 In effect, this concept complies with the notion of ‘speaking the grammar’ presented in this paper. This notion of ‘speaking the grammar’ goes beyond the concept of drilling that typically involves students’ choral repetition of grammatical items as proposed by Scrivener. By modelling a sentence and asking learners to repeat it, individually or in pairs, the goal of drilling is to help students notice a structure and improve their pronunciation.54 The concept ‘speaking the grammar’ furthermore aims to contribute to the foreign language development process by providing learners with an opportunity not only to repeat but also to rehearse the target structure in the form of reproductive output. An example activity is milling-around in which learners are given a sheet with questions in the target structure. While asking their partners the questions, they rehearse the structure while primarily focusing on meaning and noting down their partner’s answer. Consequently, rather than merely repeating the teacher’s phrases, learners are actively engaged in the meaning-making process. The feature ‘multi-skill-focused’ also refers to the fact that additional skills can be integrated while practising grammar. To give another example learners may be asked to mediate texts or short sentences from English to their L1 or vice versa – in written or oral form. The fourth feature ‘lexical’ promotes the teaching of grammatical chunks rather than mere isolated structures and grammar rules. In practice, this means teaching common chunks such as ‘Have you ever …?’ or ‘If I were you …’ when teaching the appropriate forms. A theoretical basis for this has been provided by Lewis in his Lexical Approach, which considers input and output through lexical

53 Diane Larsen-Freeman: Teaching Language: From Grammar to Grammaring. Boston 2003, p. 19. 54 Cf. Jim Scrivener: Teaching English Grammar, p. 8.

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323

items as vital for SLA.55 When selecting grammatical chunks for teaching to make grammar education ‘lexical’, it is important to select chunks that are commonly used and therefore aid learners in becoming communicatively competent. A chunk is commonly defined as “a sequence of words which native speakers feel is the natural […] way of expressing a particular idea or purpose”.56 Grammatical chunks can thus consist of any combination of grammatical structures that are frequently used, as shown in the examples in Chapter 4. Last but not least, the feature ‘varied and interesting’ aims to encourage the integration of a wide variety of different activity types. In an attempt to cater for different learner types and different learning profiles, it is acknowledged that every learner group and its individuals are unique. Consequently, in referring to the pedagogic principle of differentiation and the outline of different learner types and profiles,57 these should be catered for by including a variety of activities that allow learners to pursue different avenues of getting engaged with grammatical structures.58 What is more, key to successful learning and engaging foreign language lessons is the extent to which the activities provided by the teacher are interesting for learners. The feature ‘interesting’ deserves special attention as this is frequently missing in grammar materials. In my study of grammar activities in textbooks I identified that in spite of some visible efforts to make grammar practice more contextualised, especially grammar exercises mostly fail to initiate form-meaning connections.59 If an activity bears little relevance to learners’ lives, allows little freedom for creative thinking, and fails to initiate engaging communication, learners are likely to perceive grammar as dull and fail to acknowledge its indispensable use for spoken and written interaction. Consequently, in order to promote intrinsic motivation, it is of key importance to make a grammar activity interesting. Ur provides a detailed outline of factors that contribute to interest.60 These include the topic, a visual focus, open-endedness, information gaps, personalisation, maximum participation, game-like features, entertainment, and role-playing. Consequently, activities that address a specific learner-centred topic and involve them at a personal level are more likely to raise 55 Cf. Michael Lewis: The Lexical Approach: The State of ELT and a Way forward, London 1993; and Michael Lewis: Teaching Collocations: Further Developments in the Lexical Approach, Hove 2000. 56 Seth Lindstromberg / Frank Boers: Teaching Chunks of Language: from Noticing to Remembering, Esslingen 2008, p. 7. 57 E. g. Howard Gardner: Intelligence Reframed: Multiple Intelligences for the 21st Century, New York 1999. And David Nunan: Language Teaching Methodology: A Textbook for Teachers, New York 1991. 58 A great variety of different grammar activities can, for instance, be found in Penny Ur: Grammar Practice Activities, 2009. 59 Theresa Summer: An Evaluation of Methodological Options, pp. 290–293. 60 Cf. Penny Ur: Grammar Practice Activities, pp. 13–19.

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their interest than purely form-focused exercises that deal with random and decontextualized issues. Similarly, Haß refers to different features of motivating grammar instruction such as an interest in the topic, acknowledging the reasons and use of learning, social relevance (teamwork, competition) and experiencing success.61 By taking some of these features that can contribute to interest into account, it can be assumed that learners will experience grammar learning as a more meaningful and enjoyable activity. To sum up, a grammar activity that aims to develop grammatical competence should – be contextualised (in order for learners to make associations and be motivated), – be meaning-focused (so that learners are confronted with authentic situations and perceive grammar as a meaningful component of language), – involve a number of different skills (including speaking the target structure), – be lexical in nature (to provide opportunities for the acquisition of lexical chunks and help develop collocational competence), and – be varied and interesting (so that different learning profiles are addressed and the learning processes is activated). In order to relate theory to practice, these features are shown in Graph 2. The socalled grammar activity generator presents an attempt to illustrate the five prominent features of grammar activities. It can serve as a basis for grammar activity design as well as for the evaluation of an activity in pedagogic resources. In practice, an educator can also use this to “tweak” an activity from the textbook. This could mean adapting it, changing individual features, or extending it by adding a pre-task or pre-teaching grammatical chunks, providing a communicative element, or asking students to present an outcome by personalising an activity. The collection of these features (of grammar activities) can be used as a guideline by material writers and educators to design a grammar activity. By attempting to integrate all of these features, it is argued here, that the learning of grammar will be experienced as more valuable than the completion of purely form-focused exercises which are still very common in practice books and textbooks. If learners are encouraged to perceive the use of grammatical structures in relevant contexts and are also encouraged to decode the meaning of an utterance, it can be assumed that they will be able identify the purpose of doing a language activity and authenticate it, thereby relating it to everyday situations in which they may need to use a specific grammatical item.

61 Cf. Frank Haß: Wie viel Grammatik braucht der Mensch?, p. 30.

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Graph 2: Grammar Activity Generator (own graph)

The attempt to provide a guideline for the design of grammar activities goes hand in hand with the notion of a Postmethod pedagogy. This acknowledges the fact that there is no one specific method that provides a basis for EFL teaching. Kumaravadivelu, who advocates this concept, asserts that we must consider the parameters of particularity (taking into account local characteristics), practicality (encouraging teachers “to theorize from their practice and practice what they theorize”), and possibility (social, political, educational, and institutional forces).62 This means that in each unique educational setting, educators should make pedagogical decisions according to their possibilities and their learners’ needs. The Grammar Activity Generator presented here aims to provide a guideline for educators so that they can develop or choose the materials for their learners on the basis of a theoretical model focusing on classroom use.

4.2

Practical Examples

In order to illustrate how the theoretical model above can be put into teaching practice, different types of grammar activities are presented and explained. These comprise a collection of activities focusing on different grammatical structures to

62 Balasubramanian Kumaravadivelu: Beyond Methods: Macrostrategies for Language Teaching, New Haven 2003, p. 184.

326

Theresa Summer

show ways in which the Grammar Activity Generator can be applied when designing teaching materials.

4.3

Example: Lettergories

The playful activity “Lettergories”63 is foremost receptive and communicative in nature. It is based on the game “Scattergories” (similar to the German game Stadt-Land-Fluss) and involves the naming of objects within a set of specific categories based on a given initial letter. It can be designed in such a way that a specific linguistic form (or more forms) are presented or trained. In the different categories, short sentences are formed in the target structure (e. g. The film was …; On Sunday my friend X played …; This morning I saw … etc.). From the perspective of foreign language acquisition, the benefits are manifold: When learners play the game, they are quietly reading sentences with the target form within the given time limit. These sentences thus comprise the language input because the learners are reading and processing the sentences while thinking of a suitable word beginning with the given initial letter. Hence, they are focusing on meaning. After completing the activity, learners reproduce the target structure orally by reading the different categories and their answers. Crucially, learners are not required to form correct sentences themselves. They are first of all asked to read the sentences quietly while completing the game and then they are asked to read the phrases out loud while comparing answers. As such, skills integration is catered for (combining reading and speaking) and input is provided for communicative interaction. The example provided (Example 1) shows how this activity can be designed to focus on different grammatical forms: forms of ‘to be’ (is vs. are), the simple past, the present perfect, and if–clauses type 2. The activity is suitable for a range of different grammatical forms as well as age groups and can be modified in numerous ways. If, for instance, it is too challenging for learners to find words beginning with a certain letter, this can be simplified by asking learners to find a word with the letter in it. Due to its playful and repetitive nature, students are provided with plenty of grammatical input while focusing on meaning and being given room for creativity while presenting their own ideas.

63 Theresa Summer: Shopping for food at Camden Lock Market: Vokabular und chunks zum Thema take away food im interkulturellen Kontext kommunikativ anwenden, in: Englisch 5– 10, 29 (2015), p. 25.

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4.4

327

Example: Guessing Activities

A grammar guessing activity provides some form of language input that requires learner cooperation and communication so that an action or event can be guessed by a partner or a group of learners together. Input in the target structure may be provided depending on whether the aim of the activity is to introduce or practise a grammatical structure and function. The activity “guessing stories” (see Example 2) initiates a meaningful engagement with target language. It presents learners with different situations that are described in a short sentence (for example, “A teacher is laughing in the classroom.”) and, through meaningful interaction, learners are required to guess what may have led to this situation using the simple past. For instance, when confronted with the sentence “A teacher is laughing in the classroom”, a student may say “I think a student told him/her a funny joke”. If this activity is used to introduce the simple past, the grammatical chunks provided in the speech bubbles can be given to learners as grammatical input. If it is used to practise the simple past, the chunks can be presented as a form of input scaffolding. Guessing activities are frequently used to practise the present progressive: In pairs or groups students mime an action and ask “What am I doing?” while the partner guesses what the intended action is (for example “You are reading a book.”, “You are talking on the phone”., “You are playing football.” etc.).64 In this example, learners additionally become aware of the function of the present progressive as they experience what is happening at that specific moment in time. In sum, this activity is contextualised (dealing with the situation “at school” or “in the shopping centre”), learners focus on meaning, it involves reading and speaking, it is lexical in nature because grammatical chunks are provided, and it is likely to raise interest because learners are allowed to present their own ideas.

4.5

Example: Interactive Movement Activities

An interactive movement activity involves communication as well as some form of movement, which therefore fosters interaction among different students (potentially the whole class) and allows learners to work at their own individual pace. The need for grammar practice that is communicative and interactive in nature has been acknowledged by material writers in the last decades. The publication of the edited journal Grammar in motion, for example, provides a collection of interactive movement activities for introducing and practising

64 Penny Ur: Grammar Practice Activities, p. 270.

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different grammatical structures.65 Common examples that have been published in practice-oriented materials are, for instance, tandem activities that involve the practising of grammatical forms orally in pre-structured dialogues.66 The activity type presented here additionally fosters movement in the classroom, similarly to “Find somebody who …”. The signature run (Example 3) is a type of interactive movement activity that provides a list of questions dealing with one particular topic – in this case “school” or “spare time”. While learners walk around the classroom to find a partner, they ask each other a question and give answers (yes/no with the additional communicative phrase). While uttering questions and answers in the simple present, learners are processing chunks such as “Do you like …?” and “What do you think of …?” that are repeated throughout the questions. This form of processing is considered beneficial. Lindstromberg and Boers, for instance, stress the importance of rehearsal and allowing students to re-notice chunks.67 It can be strongly assumed that the continuous repetition of these two phrases will thus result in learners acquiring the form “Do you …?” because they have “spoken the grammar” numerous times in a meaningful context. This context is provided through the additional communicative focus on “likes and dislikes” including phrases such as “is keen on” or “is crazy about …”. These could be dealt with in greater detail in a post-activity to foster the acquisition of these phrases. A further option would be to integrate an ecological focus in this activity. For instance, learners could ask each other questions related to their daily habits in order to reflect critically upon the environmental impact of different forms of behaviour. Example 4 is a milling around activity.68 It has been designed to practise conditional clauses type 2. Each learner is given a worksheet with the task instruction and the questions to be asked while milling around in the classroom (see Example 4). The context is “money” and students are required to ask each other personal questions and, therefore, interact while being given room to present and discuss their own ideas and points of view. Questions such as “What would you do if you won 1 million euros?” or “Who would you give money to if your grandma gave you 2000 € to give to people in need”? can serve as a starting point for discussing global issues. Equally, this type of activity could be designed

65 Cf. Bastkowski (ed.): Grammar in Motion. 66 See, for instance, Alfred Baur: Grammar Tandem Activities: Englisch, Klasse 7–10, Stuttgart 2010. 67 Cf. Seth Lindstromberg / Frank Boers: Teaching Chunks of Language, pp. 83, 169. 68 Cf. Christin Grieser-Kindel / Roswitha Henseler / Stefan Möller: Method Guide. Methoden für einen kooperativen und individualisierenden Englischunterricht in den Klassen 5–12, Paderborn 2009.

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in such a way (also combined with other grammatical structures) focusing primarily on, for instance, environmental or ecological topics. Overall, the activities described above illustrate how the grammar activity generator can provide the means for implementing important theoretical concepts into practice. Depending on the educational context, the grammatical focus, and the learners’ needs, they can, of course, be modified accordingly.

5.

Conclusion: From Grammar Teaching to Grammar Education

This contribution follows the spirit of a variety of recent pedagogic concepts including, to name but a few, lexical or chunks-based teaching and learning, Intercultural Citizenship Education (ICE), differentiation, and a focus on tasks. In adopting a recent perception of what grammar actually is, grammar is not seen as an isolated competence, but rather as an integrated competence that provides “the set of resources for the accomplishment of communicative tasks”.69 We must turn our critical eye inward and review whether traditional methods as well as approaches and their ways of teaching grammar, which have long prevailed in the EFL classroom and in textbooks, cater for the development of grammatical competence – especially in today’s multicultural world. Foreign language education today is far more than teaching the structural framework of a language and helping learners to fill in the correct gaps of random sentences. As Ur puts it, “[t]he learning of grammar should be seen in the long term as one of the means of acquiring a thorough mastery of the language as a whole, not as an end in itself”.70 What is more, the teaching of grammar can be very well combined with global learning and teaching relevant content. This paper aimed to provide a practical guideline based on theoretical concepts for designing engaging and interesting activities that are goal-oriented regarding the development of grammatical as well as other competences. In practice, teachers are confronted with a number of restrictions including the curriculum, the media available, and the school setting. At the same time, however, teachers have great freedom regarding the content and topic they choose for teaching a specific grammatical form, how they interpret and put into practice curricular guidelines, the type of input they provide, the forms of classroom interaction they choose as well as other methodological concerns such as activity and test design. If this freedom is acknowledged and taken into consideration, grammar learning can be integrated into the EFL classroom appropriately and effectively. 69 Alexander Haselow: Spontaneous Spoken English, p. 42. 70 Penny Ur: Grammar Practice Activities, p. 5.

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Empirical research, as referred to in this paper, does not provide conclusive evidence in favour of particular activities or a particular approach. As such, while continuing to analyse how effective specific activities are, we need to move away from the search for the ultimate method and also from adopting one specific approach for grammar teaching. Grammar teaching must be seen as a central but simultaneously as an integrated part of foreign language learning and teaching. In this context, I call for a consideration of grammar education. The teaching and learning of grammar, from this perspective, is embedded within a contextualised educational framework that aims to provide meaningful as well as relevant activities for learners. In other words, grammar education in the global village calls for the development of grammatical competence to receive an appropriate place in EFL education – one that is central, but one that does not quantitatively outweigh the development of other skills and competences. Second, grammar education should be approached in such a way that, from a methodological perspective, it facilitates an intercultural exchange and embodies the learning of grammar to be meaningful and appropriate, not purely concerned with correctness.

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Appendix Example 1: Lettergories

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334 Example 2: Guessing Stories

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Example 3: Signature run

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336 Example 4: Milling around

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Bianca Roters (Soest)

Professionalisierung durch Forschendes Lernen im Englischstudium

Vor dem Hintergrund der Reformen in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung und der Ausweitung der Praxisphasen, beispielsweise durch die Einführung des Praxissemesters in Nordrhein-Westfalen, erfährt das hochschuldidaktische Konzept des Forschenden Lernens neue Aufmerksamkeit. Ein Ziel der Ausbildung einer forschenden Haltung ist es, eigenen Routinen reflektiert zu begegnen – ganz im Sinne eines reflektierenden Praktikers.1 Diese Fähigkeit zur Adaption an sich kontinuierlich verändernde Rahmenbedingungen ist zudem (nicht nur) im Fremdsprachenunterricht von besonderer Bedeutung, muss jedoch längerfristig in entsprechenden Lern- und Reflexionsgelegenheiten trainiert werden.

Professionstheoretischer Zugang: Expertiseforschung und reflexive Prozesse Ein professionstheoretischer Ansatz zur Erfassung von Lehrerprofessionalität, der auch empirisch untermauert wurde, ist die kognitionspsychologische Expertiseforschung.2 Aus Sicht der Expertiseforschung ist das Wissen der Experten3 anders strukturiert als das der Novizen; Experten sehen beispielsweise die Choreografie von und Interdependenzen im unterrichtlichen Kontext. Fachspezifisches und fachdidaktisches Wissen und Können sind dafür wesentliche Grundlagen. Experten wenden jedoch in bestimmten Situationen nicht einfach nur ihr Wissen an, sondern erfinden das Problem zunächst neu, stellen neue Fragen an die Situation, ohne direkt in Routinen zu verfallen. Diese reflexive 1 Vgl. Donald A. Schön: The reflective practitioner: How professionals think in action, New York 1983.; Educating the Reflective Practitioner, San Francisco 1988. 2 Vgl. Rainer Bromme: Der Lehrer als Experte: Zur Psychologie des professionellen Wissens, Bern 1992. 3 Gender-Hinweis: In der deutschen Sprachregelung ist die ausschließliche Verwendung der männlichen Form allgemein anerkannt. Aus Gründen der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit nur die männliche Form verwandt. Die weibliche Form ist dabei immer eingeschlossen.

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Herangehensweise spielt auch bei der Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen, Sachverhalte zu strukturieren und vorhandenes Wissen situativ einzusetzen, eine Rolle, da Novizen und Experten eine unterschiedliche kognitive Wahrnehmung unterrichtlicher Situationen haben.4 Der Handlungsplan eines Experten ist also flexibler und entsteht im jeweiligen situativen Kontext. Schocker-von Ditfurth kritisiert, dass die Expertiseforschung außer Acht [ließe], dass auch Lehramtsstudent/innen durch die jahrelange Beobachterrolle als Schüler/innen und Tätigkeiten in pädagogischen oder quasi-pädagogischen Kontexten entsprechende Verhaltensdispositionen entwickelt haben könnten, die durchaus auch eine gewisse steuernde und entlastende Funktion während des Unterrichtens erfüllen.5

Dieser Aussage ist insofern zuzustimmen, als das implizite Wissen6 direkt mit dem Handeln in der Situation verknüpft ist und sich die Analyse und die nachträgliche Reflexion des (Experten)Wissens als schwierig erweisen. Gruber legt deshalb in seiner Argumentation einen Schwerpunkt auf eine Form der Expertise, die sich in einem ersten Schritt durch eine Reflexion des Wissens auszeichnet: „Die fortschreitende Verfeinerung von Expertise wird insbesondere über die reflexive Elaboration von Wissen erreicht.“7 Reflexionskompetenz könnte demnach einen Zugang zu zwar entlastenden Routinen, aber vielleicht nicht in jeder Unterrichtssituation tragfähigen Handlungsmustern schaffen. Expertise im Sinne einer Könnerschaft im unterrichtlichen Handeln zeichnet sich dadurch aus, dass in der eigentlichen Erfahrung selbst neue Informationen schnell mit bedeutsamen Mustern abgeglichen werden, und zwar vor dem Hintergrund eines profunden fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Wissens. Deshalb ist die Ausbildung von Erfahrungswissen so bedeutsam. Da sich Wahrnehmungskategorien schon früh bilden – wie die Expertiseforschung argumentiert –, zum Teil sogar durch mehr oder weniger reflektierte eigene Schulerfahrungen als Beobachter/in von unterrichtlichen Prozessen, ist es für angehende Lehrpersonen besonders wichtig, ihre Wissensbestände zu reflektieren und sich möglichst ihrer subjektiven Theorien, z. B. über Qualitätsmerkmale einer guten Englischlehrkraft oder über LehrLernprozesse innerhalb einer Fremdsprache, bewusst zu werden.8 Dies ist insofern 4 Vgl. ebd., S. 42. 5 Marita Schocker-v. Ditfurth: Forschendes Lernen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung: Grundlagen- Erfahrungen-Perspektiven, Tübingen 2001, S. 41. 6 Vgl. Rainer Bromme: Der Lehrer als Experte, S. 13, 121. 7 Hans Gruber: Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern – Ein Blick aus der Expertenforschung, in: Andreas Hartinger / Maria Fölling-Albers (Hg.): Lehrerkompetenzen für den Sachunterricht, Bad Heilbrunn 2004 (Probleme und Perspektiven des Sachunterrichts, 14), S. 21–33, hier S. 26. 8 Vgl. Karin Aguado: Forschendes Lernen und Lehren als Strategien zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern, in: Sabine Hoffmann / Antje Stork (Hg.): Lernerorientierte Fremdsprachenforschung und -didaktik, Tübingen 2015, S. 297–307, hier S. 302.

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besonders relevant, als Özkul in ihrer Studie herausfand, dass „angehende Englischlehrende in ihrer Entscheidung deutlich durch das eigene – positive oder negative – Unterrichtserleben geprägt sind und dass diese Entscheidung offenbar häufig bereits während der ersten Jahre des Englischunterrichts fällt.“9 Subjektive Theorien und Konzepte über „Merkmale guten Englischunterrichts“ gelten als relativ stabil, wie auch Tsui in ihren Studien zur Entwicklung von Fremdsprachenlehrerexpertise bestätigt: The factors that play an important part in shaping teacher’s conceptions of teaching and learning include their personal background and life experiences, their disciplinary training, their teaching and learning experiences, and their professional training, if they have any. These conceptions have a powerful influence on the way teachers make sense of their work. They may also be very resistant to change.10

Durch die kontinuierliche Reflexion der eigenen Rolle, der eigenen Wissensbestände und des praktischen Erfahrungswissens werden die Grundlagen für reflexive Professionalisierungsprozesse schon zu einem frühen Zeitpunkt gelegt. Mit Gruber lässt sich im Hinblick auf längerfristig angelegte Professionalisierungsprozesse Folgendes argumentieren: Eine „reflektierte Praxis [ist] notwendig, die zu Erfahrung führt, die auf die eigene Wissensbasis explizit rückbezogen werden kann.“11 Inwieweit beliefs in einem solchen phasenübergreifenden Professionalisierungsmodell langfristig veränderbar sind, ist eine individuelle und / oder empirische Frage, da als Konstrukt beliefs nur indirekt erfassbar sind und nicht leicht reflektiert werden können. Als mögliche Lernform, reflexive Prozesse schon im Studium anzubahnen und die Fähigkeit auszubilden, unterrichtliches Handeln aus einer gewissen Distanz theoriegeleitet zu betrachten, gilt das Forschende Lernen.12

9 Senem Özkul: Berufsziel Englischlehrer/in: Berufswahlmotive der Lehramtsstudierenden in Anglistik/Amerikanistik, München 2011. 10 Amy B.M. Tsui: What Shapes Teachers’ Professional Development?, in: Jim Cummins / Chris Davison (Hg.): International Handbook of English Language Teaching, Norwell 2007, S. 1053– 1066, hier S. 1055. 11 Hans Gruber: Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern, S. 31. 12 Vgl. Ralf Schneider / Johannes Wildt: Forschendes Lernen im Berufspraktischen Halbjahr, in: Barbara Koch-Priewe / Fritz-Ulrich Kolbe / Johannes Wildt (Hg.): Grundlagenforschung und mikrodidaktische Reformansätze zur Lehrerbildung, Bad Heilbrunn 2004, S. 151–169. Für eine Übersicht über Ansätze Forschenden Lernens im deutschsprachigen Raum siehe Barbara Koch-Priewe / Jörg Thiele: Versuch einer Systematisierung der hochschuldidaktischen Konzepte zum Forschenden Lernen, in: Bianca Roters / Ralf Schneider / Dies. / Ders. / Johannes Wildt (Hg): Forschendes Lernen in Praxisstudien – Hochschuldidaktik, Professionalisierung, Kompetenzentwicklung, Bad Heilbrunn 2009, S. 271–292.

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Forschendes Lernen in universitären Lerngelegenheiten Wird die Entwicklung von Fremdsprachenlehrerprofessionalität als phasenübergreifendes Modell konzeptualisiert, werden auch während der ersten Phase adäquate Lern- und Reflexionsgelegenheiten benötigt. Das Prinzip des Forschenden Lernens beinhaltet den sukzessiven Aufbau von Reflexions- und Forschungskompetenz, durch die die Studierenden befähigt werden, eigene Unterrichtserfahrungen im (Fremdsprachen-)Unterricht theoriegeleitet zu reflektieren und – je nach Forschungsfrage – mit den Ergebnissen der empirischen (Unterrichts-)Forschung in Beziehung zu setzen. Mit Huber lässt sich Forschendes Lernen und sein Mehrwert als Lernform in universitären Seminaren folgendermaßen definieren: Forschendes Lernen zeichnet sich vor anderen Lernformen dadurch aus, dass die Lernenden den Prozess eines Forschungsvorhabens, das auf die Gewinnung von auch für Dritte interessanten Erkenntnissen gerichtet ist, in seinen wesentlichen Phasen – von der Entwicklung der Fragen und Hypothesen über die Wahl und Ausführung der Methoden bis zur Prüfung und Darstellung der Ergebnisse in selbstständiger Arbeit oder in aktiver Mitarbeit in einem übergreifenden Projekt – (mit)gestalten, erfahren und reflektieren.13

Es bieten sich mit Blick auf schulpraktische Ausbildungsphasen verschiedene Varianten an, forschende Lernprozesse bei Studierenden anzuregen (vgl. Tabelle 1). Diese lassen sich – in Abhängigkeit von institutionellen Rahmenbedingungen der Ausbildungsprogramme und der Einzelschulen – in unterschiedlichen Involvierungsgraden realisieren: Tabelle 1: Varianten forschender Lernprozesse und ihre Verortung14 Erforschung fremden Unterrichts Erforschung eigenen Unterrichts Erforschung von Schulentwicklungsprozessen Fallarbeit zu Diagnose und Förderung Forschende Auseinandersetzung mit biographischen Zugängen und/oder eigenem Professionalisierungsprozess

ab 1. Ausbildungsphase in Absprache zwischen Studierenden/ Referendaren & Mentoren Praxisphasen und Referendariat Universitäre Phase Beruflicher Kontext, Fachschaft, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Studierenden ab 1. Ausbildungsphase hohe individuelle Reflexionskomponente ab 1. Ausbildungsphase

13 Ludwig Huber: Warum forschendes Lernen nötig und möglich ist, in: Ders. (Hg.): Forschendes Lernen im Studium: Aktuelle Konzepte und Erfahrungen, Bielefeld 2009, S. 9–35, hier S. 11. 14 Vgl. Koch-Priewe / Thiele: Versuch einer Systematisierung der hochschuldidaktischen Konzepte zum Forschenden Lernen, S. 276–279.

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Studierende befinden sich in der universitären Lehrerbildung, insbesondere in den schulischen Praxisphasen, an einem bestimmten Zeitpunkt ihrer individuellen (berufs-)biografischen Professionalisierung. Durch die Durchführung kleiner empirischer Forschungsprojekte werden die in der universitären Ausbildung anzubahnenden Lehrerfunktionen um eine forschende Haltung gegenüber schulischer Praxis erweitert, um auf diese Weise die individuelle Professionalisierung voranzubringen: „Vor allem die Befähigung, eigenen und fremdgestalteten Unterricht zu beobachten, zu analysieren und zu besprechen, muss den [zukünftigen] Lehrenden auf Meta-Ebenen von den ersten Erfahrungen in den schulpraktischen Studien […] vermittelt werden.“15 Eine forschend-reflexive Haltung zur (eigenen) Praxis führe dazu, dass sich die eigene Lehrtätigkeit nicht wissenschaftsfern, sondern wissenschaftsnah (weiter-)entwickele, da im forschenden Lernprozess selbst immer wieder theoretische Annahmen und empirische Befunde integriert werden, sozusagen als Reflexionsfolie für die eigenen Forschungsprojekte und -ergebnisse. Damit verbunden ist die Annahme, dass über forschende Lernprozesse ein höherer Grad an Reflexionskompetenz erworben werden kann.16 Dies wiederum lässt sich erst aus der Retrospektive, z. B. anhand von Unterrichtsreflexionen, beantworten. Ein umfassender empirischer Beweis steht in diesem Zusammenhang noch aus. Professionalisierung durch Forschendes Lernen ist ein individueller Prozess der beruflichen Entwicklung, der neben der Aneignung professionellen Wissens auch durch Reflexion befördert wird, um langfristig das eigene Handeln kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Forschendes Lernen im Englischstudium – Eine andere Perspektive auf Englischunterricht Ein Seminarkonzept, dessen Bestandteil Forschendes Lernen im Sinne der Einbindung kleiner empirischer Forschungsprojekte ist, setzt eine andere hochschuldidaktische Choreografie bei der Seminarplanung und -gestaltung voraus. Im Folgenden werden exemplarisch Seminarbausteine vorgestellt, die den forschenden Lernprozess der Studierenden begünstigen könnten:

15 Rainer Angermann: Die Funktion der Unterrichtsevaluation im Kontext der Praxisforschung: Unterricht als Gegenstand forschend lernender Lehrerinnen und Lehrer am Arbeitsplatz Schule, Kassel 2005, S. 95. 16 Vgl. Wolfgang Fichten: Forschendes Lernen in der Lehrerbildung, in: Cecile Sandten / Ulrike Eberhardt (Hrsg.): Neue Impulse der Hochschuldidaktik, Wiesbaden 2010, S. 159.

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Seminarbaustein 1: Universitäre Lerngelegenheit Lehrende

– ggf. Oberthema des Seminars festlegen, beispielsweise „Differenzierung im Englischunterricht“ – Grundlagentexte zu Forschungsmethodik und Oberthema bereitstellen – Transparenz in den theoretischen und empirischen Erwartungen an eine Forschungsskizze herstellen

Studierende

– möglicher Ausgangspunkt: subjektive Vorstellungen von Englischunterricht: – Was hat Sie in Ihrem eigenen Englischunterricht gestört? / Was hat Ihnen besonders gefallen? – Welche Facette von Englischunterricht würden Sie gerne näher „erforschen“? – Entwicklung einer (biografisch motivierten) Forschungsfrage – Erstellung einer Forschungsskizze mit Erhebungs- und Auswertungsinstrumenten

Seminarbaustein 2: Praxisphase Lehrende

– Prozessbegleitung durch Feedbackschleifen – bei der Modifikation der Forschungsskizze (hier auch Schulbuchanalysen denkbar, falls andere Erhebungsinstrumente nicht eingesetzt werden können) – im Schreibprozess – Vorbereitung der Studierenden auf doppelte Rolle (Forschen & Unterrichten)

Studierende

– Kontaktaufnahme mit Mentoren in den Schulen – Abgleich der Forschungsskizze an schulischen Rahmenbedingungen – Durchführung des Forschungsvorhabens

Seminarbaustein 3: Prozessreflexion Lehrende & Studierende

– Nutzung einer Online-Plattform als Reflexionsgelegenheit über beobachteten / durchgeführten Englischunterricht und für Rückfragen zum Forschungsprozess – Gemeinsame Reflexionsprozesse über Merkmale und Bestandteile „guten“ Englischunterrichts

Praxisbeispiel Aus fremdsprachendidaktischer Perspektive bieten sich im forschenden Lernprozess diverse Bereiche an, in deren Kontext die Studierenden Daten erheben können: Fragetechniken, Fehlerkorrektur, Wechsel der Unterrichtsprache, Länge der Redebeiträge der Schülerinnen und Schüler im Verhältnis zur Lehrkraft und viele weitere Facetten. Da diese Themenkomplexe grundlegend sind, können sie

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vermutlich in fast jeder Englischstunde beobachtet werden. Die Abstimmung zwischen Forschungsfrage und schulischem Erhebungskontext wird dadurch erleichtert. Im Folgenden wird – in aller Kürze – ein Beispiel eines forschenden Lernprozesses aus einem universitären Seminar zum Thema „Theorie und Praxis des Englischunterrichts“ vorgestellt. Tabelle 2: Beispiel einer Forschungsskizze aus dem Seminar „Theorie und Praxis des Englischunterrichts“ – Sprechanteil Schülerinnen und Schüler – Lehrkraft im Englischunterricht Fragestellung / Hypothese

„Wer mehr im Unterricht redet, ist am Thema / Fach interessierter und ist daher ein besserer (Englisch)-Schüler*in.“

Theoretischer Bezugsrahmen Forschungsdesign und Datenerhebung

Hauptbezugsrahmen: Ergebnisse der DESI-Videografiestudie, Bereich Unterrichtssprache und Sprechanteile17

Ergebnisse

Beteiligung männlich / weiblich etwa ausgeglichen (gemessen am Beteiligungspunkte-System, Berücksichtigung der jeweiligen Geschlechtsgruppenstärke) Mädchen: lange Beteiligungen (> 5 Sekunden) Mädchen: 16x beteiligungsstärkstes Unterrichtsmitglied; Jungen: 8x geschlechtsspezifische Beteiligung scheint themenabhängig Rolle der Lehrkraft

zur Diskussion gestellt Reflexion des forschenden Lernprozesses

Erhebungsinstrument: Beobachtungsbogen (Anzahl der Schülerinnen und Schüler, prozentualer Anteil m / w, Länge der Beiträge > 5 Sekunden) Annahme: Längere Beteiligungen = höhere Sprechkompetenz Kontext der Erhebung: 19 Beobachtungseinheiten in der gymnasialen Mittelstufe (neunjähriges Gymnasium; Klassen 7, 9, 10) → DESI: hoher Sprechanteil der Schülerinnen und Schüler als Qualitätsmerkmal „guten“ Englischunterrichts + ausgeprägte Kompetenzen der Mädchen

„In meinem Forschungsprojekt konnten – um einen Zusammenhang zwischen Unterrichtsbeteiligung, Geschlecht und Leistung herzustellen – diejenigen Lernenden nicht berücksichtigt werden, welche zwar leistungsstark sind, sich jedoch kaum mündlich am Unterricht beteiligen.“ „Um die bessere Performanz der Schülerinnen bestätigen zu können, hätten zusätzlich individuelle Leistungstests durchgeführt werden müssen.“

Forschendes Lernen bietet im universitären Ausbildungskontext den Vorteil, dass die Studierenden über einen längeren Zeitraum, häufig über zwei Semester, 17 Tuyet Helmke / Andreas Helmke / Friedrich-Wilhelm Schrader / Wolfgang Wagner / Günter Nold / Konrad Schröder: Die Videostudie des Englischunterrichts, in: DESI-Konsortium (Hg.): Unterricht und Kompetenzerwerb in Deutsch und Englisch, Weinheim 2008, S. 47–48.

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an einer eigenen Fragestellung und einem eigenen Projekt arbeiten, das sich idealerweise auch noch auf Aspekte der eigenen Schulerfahrung rückbezieht. Der gesamte Lernprozess beinhaltet Phasen des Suchens, Experimentierens, des Abgleichens zwischen theoretischen Annahmen und unterrichtlicher Praxis und des Aushaltens einer Ergebnisoffenheit. Die Kompetenzen, die Studierende in diesen Prozessen erwerben, lassen sich durchaus auch auf Unterrichtsplanungsphasen übertragen, und zwar in folgenden Bereichen: – anzustrebende Kompetenzen und Kernziel(e) festlegen – Material / Methode / Unterrichtsablauf bestimmen – Vorwissen der Schülerinnen und Schüler sowie mögliche Schwierigkeiten antizipieren – Unterricht durchführen – Abweichungen vom Plan reflektieren Im Verlauf des forschenden Lernprozesses kann sich auch die Fähigkeit der professionellen Wahrnehmung von Unterricht durch die systematische Beobachtung und Analyse von Merkmalen des Englischunterrichts verändern: Mit fortschreitendem Praktikum lässt sich bei allen Studierenden die zunehmende Fähigkeit zur Perspektivenübernahme nachweisen: Sie konzentrieren sich immer weniger auf ihre eigene Person und nehmen statt dessen die Merkmale der Unterrichtssituation wahr, wie sie auch vermehrt die fachdidaktische Perspektive in ihre Überlegungen einbeziehen.18

Empirische Ergebnisse zur Reflexionskompetenz von Fremdsprachenstudierenden zeigen, dass die Art und Weise, wie die Studierenden über Unterricht und (eigenes) unterrichtliches Handeln reflektieren, eng mit ihrer Rollenwahrnehmung verbunden ist.19 Dies entspricht auch Befunden aus der Expertiseforschung, in der vor allem Novizen verstärkt ihre eigene Rolle und ihr eigenes Handeln in ihren Reflexionen thematisieren.20 Je weiter der Professionalisierungsprozess vorangeschritten ist, desto mehr sind sie in der Lage, Unterricht aus der Perspektive der Lernprozesse der SuS zu reflektieren.

18 Marita Schocker-v. Ditfurth: Forschendes Lernen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung, S. 398; vgl. weiter auch Bianca Roters: Pre-Service Teachers’ Professional Growth as Leaders – Empowerment through Research-oriented Reflective Practice and Didactic Expertise, in: Cheryl J. Craig / L. Orland-Barak (Hg.): International Teacher Education: Promising Pedagogies, Bingley 2015. 19 Vgl. Bianca Roters: Pre-Service Teachers’ Professional Growth as Leaders. 20 Vgl. Rosie Turner-Bisset: Expert teaching: Knowledge and pedagogy to lead the profession, London 2001.

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Eine Variante und Weiterführung des Forschenden Lernens, in der „Reflexivität an das eigene Handeln gebunden [wird]“,21 ist die vor allem in der angloamerikanischen Lehrerbildung häufiger vorkommende Aktionsforschung.22 Vorteil ist, dass im Fokus der unterrichtlichen Reflexionen das eigene Handeln als zukünftige Lehrkraftsteht und so Forschendes Lernen mit der Entwicklung einer adaptiven Wahrnehmung von Unterricht verknüpft ist: I will offer some final thoughts for my future. Throughout my first round of postsecondary education preparation, I have learned the valuable lessons of persistence, fortitude, and wonder. There is always something new to encounter, whether from a new book, a new research study, or even from my own practice. The act of teaching may be tiring and the act of teaching may be annoying at some times, but it is truly never boring. On the topic of education, John Dewey is noted for having said the following: ,Not perfection as a final goal, but the ever-enduring process of perfecting, maturing, refining is the aim of living‘. Dewey was clearly concerned with the journey and not with the destination. With my first jump into the world of educational research a successful one, I am ready again. There is much road to be traveled; in fact, I am already walking.23

Ausblick Vor dem Hintergrund aktueller bildungspolitischer und institutioneller Entwicklungen im Rahmen schulischer Inklusion bietet sich Forschendes Lernen als Lernmethode an, um in universitären Seminaren Differenzierungsmöglichkeiten zu erfahren und langfristig gesehen durch den systematisch aufgebauten und strukturierten Forschungsprozess die eigene Diagnosefähigkeit zu schärfen. Verschiedene Facetten inklusiver Arbeit werden auf diese Weise berücksichtigt: 21 Andreas Feindt: Studentische Forschung im Lehramtsstudium: Eine fallrekonstruktive Untersuchung studienbiografischer Verläufe und studentischer Forschungspraxen, Opladen 2007 (Studien zur Bildungsgangforschung, 15), S. 271. 22 Ursprünglich geht die Aktionsforschung auf Kurt Lewin zurück, siehe Action research and minority problems, in: Journal of Social 2 (1946). In der Aktionsforschung wird professionelles Handeln über die systematische Reflexion und Erforschung der eigenen Praxis erreicht. Eine Besonderheit dieser Form empirischer Forschung ist die Übereinstimmung zwischen Handelnden und Forschenden, denn hierbei ist die Lehrperson gleichzeitig auch Forscher. In diesem Zusammenhang ist auch die Genese der Forschungsfragen zu sehen: Sie stammen weniger aus externer, theoriegeleiteter Fragestellung, sondern eher aus einer Problemstellung der Praxis. Forschungsziel sollten nicht wissenschaftliche Kenntnisse im Sinne der Grundlagenforschung sein, sondern eine Verbesserung der schulischen Praxis, vgl. Herbert Altrichter / Peter Posch: Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht: Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsevaluation durch Aktionsforschung, 4. Auflage, Bad Heilbrunn 2007, S. 13. 23 Bianca Roters: Professionalisierung durch Reflexion in der Lehrerbildung: Eine empirische Studie an einer deutschen und einer US-amerikanischen Universität, Münster 2012, S. 290– 291.

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individuelle (Lern-)Ausgangslagen, Diagnose und Förderung sowie die Kooperation in multiprofessionellen Teams. Eine biografisch motivierte Fragestellung berücksichtigt die individuelle Ausgangslage der Studierenden. Das Forschungsdesign ist – mit Ausnahme von Gruppenarbeiten – individuell an die jeweilige Situation in der Praktikumsschule angepasst und entsprechend ist auch die theoriegeleitete Reflexion der Ergebnisse individuell. Die Diagnose von Lernausgangslagen der Schülerinnen und Schüler könnte zum Gegenstand eines forschenden Lernprozesses gemacht werden. Gemeinsam in Gruppen gestaltete kleinere Forschungsprojekte können auch insofern anschlussfähig an Diskurse der Individualisierung und Differenzierung sein, als strukturierte Arbeit im Team Absprachen und Schwerpunktsetzungen erforderlich macht, in denen die Studierenden auch für den späteren Lehrerberuf in inklusiven Kontexten nützliche Kompetenzen ausbilden können. Langner merkt mit Blick auf die Ausgestaltung hochschuldidaktischer Seminare an: StudentInnen lernen im Rahmen der Hochschuldidaktik weder ein individualisiertes und binnendifferenziertes Arbeiten kennen, noch werden Motive für den LehrerInnenberuf thematisiert und eine kritische Perspektive auf das eigene Handeln in ausreichendem Maße entwickelt.24

Aus der Perspektive des teacher learning ist die universitäre Ausbildungsphase eine erste wichtige Professionalisierungsphase. Richards & Farrell unterscheiden auf konzeptioneller Ebene vier Facetten von teacher learning, die durchaus auch schon für die Ausbildung leitend sein könnten und sollten:25 teacher learning as – skill learning im Sinne eines Kompetenzerwerbs – cognitive process: Einfluss der beliefs und Denkprozesse auf unterrichtliches Handeln – personal construction: aktive Konstruktion von professionellem Wissen in entsprechenden Lerngelegenheiten (z. B. self-monitoring in journal writing) – reflective practice: Ausbildung von Erfahrungswissen durch praktisches Handeln und (theoriegeleitete) Reflexion (z. B. self-monitoring, case studies, observation of teaching). Das Zusammenspiel des Erwerbs von Fachwissen, pädagogischem und fachdidaktischem Wissen, der damit einhergehende Prozess der kognitiven Aktivierung sowie die aktive Konstruktion des professionellen Wissens sowie angeleitete und strukturierte Lern- und Reflexionsgelegenheiten, in denen unterrichtliche 24 Anke Langner: Kompetent für einen inklusiven Unterricht: Eine empirische Studie zu Beliefs, Unterrichtsbereitschaft und Unterricht von LehrerInnen, Wiesbaden 2015, S. 323. 25 Vgl. Jack Richards / Thomas Farrell: Professional development for language teachers: Strategies for teacher learning, New York 2005, S. 6f.

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Praxis als Reflexionsfolie gesehen wird, kann dazu führen, die Wahrnehmungskategorien im Sinne der Expertiseforschung schon früh auszubilden. Empirisch kann hier sicherlich noch von einem Forschungsdesiderat gesprochen werden. Insgesamt gesehen sind Professionalisierung und die Entwicklung einer forschenden Haltung ein kontinuierlicher Lern- und Entwicklungsprozess, der dann besonders erfolgreich ist, wenn auf individueller Ebene Reflexion angeregt und umgesetzt wird.

Bibliographie Aguado, Karin: Forschendes Lernen und Lehren als Strategien zur Professionalisierung von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern, in: Hoffmann, Sabine / Stork, Antje (Hg.): Lernerorientierte Fremdsprachenforschung und -didaktik, Tübingen 2015, S. 297–307. Altrichter, Herbert / Posch, Peter: Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht: Unterrichtsentwicklung und Unterrichtsevaluation durch Aktionsforschung, 4. Auflage, Bad Heilbrunn 2007. Angermann, Rainer: Die Funktion der Unterrichtsevaluation im Kontext der Praxisforschung: Unterricht als Gegenstand forschend lernender Lehrerinnen und Lehrer am Arbeitsplatz Schule, Kassel 2005. Bromme, Rainer: Der Lehrer als Experte: Zur Psychologie des professionellen Wissens, Bern 1992. Feindt, Andreas: Studentische Forschung im Lehramtsstudium: Eine fallrekonstruktive Untersuchung studienbiografischer Verläufe und studentischer Forschungspraxen, Opladen 2007 (Studien zur Bildungsgangforschung, 15). Fichten, Wolfgang: Forschendes Lernen in der Lehrerbildung, in: Sandten, Cecile / Eberhardt, Ulrike (Hrsg.): Neue Impulse der Hochschuldidaktik, Wiesbaden 2010, S. 127–182. Gruber, Hans: Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern – Ein Blick aus der Expertenforschung, in: Hartinger, Andreas / Fölling-Albers, Maria (Hg.): Lehrerkompetenzen für den Sachunterricht, Bad Heilbrunn 2004 (Probleme und Perspektiven des Sachunterrichts, 14), S. 21–33. Helmke, Tuyet / Helmke, Andreas / Schrader, Friedrich-Wilhelm / Wagner, Wolfgang / Nold, Günter / Schröder, Konrad: Die Videostudie des Englischunterrichts, in: DESIKonsortium (Hg.): Unterricht und Kompetenzerwerb in Deutsch und Englisch, Weinheim 2008, S. 345–363. Huber, Ludwig: Warum forschendes Lernen nötig und möglich ist, in: Ders. (Hg.): Forschendes Lernen im Studium: Aktuelle Konzepte und Erfahrungen, Bielefeld 2009, S. 9– 35. Koch-Priewe, Barbara / Thiele, Jörg: Versuch einer Systematisierung der hochschuldidaktischen Konzepte zum Forschenden Lernen, in: Roters, Bianca / Schneider, Ralf / Dies. / Ders. / Wildt, Johannes (Hg): Forschendes Lernen in Praxisstudien – Hochschuldidaktik – Professionalisierung – Kompetenzentwicklung, Bad Heilbrunn 2009, S. 271–292. Langner, Anke: Kompetent für einen inklusiven Unterricht: Eine empirische Studie zu Beliefs, Unterrichtsbereitschaft und Unterricht von LehrerInnen, Wiesbaden 2015.

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Lewin, Kurt: Action research and minority problems, in: Journal of Social 2 (1946), S. 34–46. Özkul, Senem: Berufsziel Englischlehrer/in: Berufswahlmotive der Lehramtsstudierenden in Anglistik / Amerikanistik, München 2011. Richards, Jack / Farrell, Thomas: Professional development for language teachers: Strategies for teacher learning, New York 2005. Roters, Bianca: Professionalisierung durch Reflexion in der Lehrerbildung: Eine empirische Studie an einer deutschen und einer US-amerikanischen Universität, Münster 2012. Roters, Bianca: Pre-Service Teachers’ Professional Growth as Leaders – Empowerment through Research-oriented Reflective Practice and Didactic Expertise, in: Craig, Cheryl J. / Orland-Barak, Lily (Hg.): International Teacher Education: Promising Pedagogies, Bingley 2015, S. 31–49. Schneider, Ralf / Wildt, Johannes: Forschendes Lernen im Berufspraktischen Halbjahr, in: Koch-Priewe, Barbara / Kolbe, Fritz-Ulrich / Wildt, Johannes (Hg.): Grundlagenforschung und mikrodidaktische Reformansätze zur Lehrerbildung, Bad Heilbrunn 2004, S. 151–169. Schocker-v. Ditfurth, Marita: Forschendes Lernen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung: Grundlagen, Erfahrungen, Perspektiven, Tübingen 2001. Schön, Donald A.: The reflective practitioner: How professionals think in action, New York 1983. Schön, Donald A.: Educating the Reflective Practitioner, 3. Auflage, San Francisco 1988. Tsui, Amy B. M.: What Shapes Teachers’ Professional Development?, in: Cummins, Jim / Davison, Chris (Hg.): International Handbook of English Language Teaching, Norwell 2007, S. 1053–1066. Turner-Bisset, Rosie: Expert teaching: Knowledge and pedagogy to lead the profession, London 2001.

Stefan Schustereder (Neuss)

Von ABB bis ZfsL – Ein Erfahrungsbericht zur schulpraktischen Lehrerausbildung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung Bonn

Der Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Schulen, im vorliegenden Beispiel an Gymnasien und Gesamtschulen in den Fächern Englisch und Geschichte, wird umgangssprachlich auch als Referendariat bezeichnet und scheint bei Studierenden, Lehramtsanwärterinnen und auch bei bereits ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern immer wieder negative Erfahrungen und Erinnerungen auszulösen. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, einen Überblick über Inhalte und Abläufe, Struktur und Herausforderungen des Vorbereitungsdienstes am Beispiel der Lehrerausbildung am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung zu geben. Dabei bietet der Beitrag neben einer allgemeinen Einführung zum Vorbereitungsdienst am Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen und einem Überblick über die einzelnen Stationen der Ausbildung zudem auch Informationen und Hilfestellungen zu Prüfungsleistungen, Herausforderungen und Hindernissen der Ausbildung auf Basis eigener Erfahrungen des Autors. Es ist die Intention des Beitrages, dem Phänomen Referendariat etwas von seinem Schrecken und seiner negativen Konnotation zu nehmen und Studierenden in Lehramtsstudiengängen eine persönliche, aber auch etwas positivere Vorstellung ihrer zukünftigen Zeit als Lehramtsanwärter zu vermitteln.

Der Vorbereitungsdienst im Land Nordrhein-Westfalen Seit dem Beschluss im Jahr 2009,1 ein Praxissemester im Rahmen der Lehramtsstudiengänge einzuführen, erstreckt sich die Dauer des Vorbereitungsdiensts für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen im Land Nordrhein-

1 Vgl. Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Rahmenkonzeption zur strukturellen und inhaltlichen Ausgestaltung des Praxissemesters im lehramtsbezogenen Masterstudiengang, Köln / Düsseldorf 2010, https://www.schulministerium.nrw.de/doc s/bp/Lehrer/Lehrkraft-werden/Lehramtsstudium/Praxiselemente/Praxissemester/Zusatzver einbarung-Rahmenkonzeption.pdf [24. 10. 2019], S. 2.

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Westfalen in der Regel über insgesamt 18 Monate.2 Die Länge des Vorbereitungsdienstes betrug ursprünglich 24 Monate, wurde aber aufgrund der Auslagerung einiger Ausbildungsinhalte, wie auch in verschiedenen anderen Bundesländern, mit der Einführung eines Praxissemesters im universitären Teil der Lehrerausbildung entsprechend angepasst. Dabei ist es überraschend, dass die Verkürzung der Ausbildung direkt im Anschluss an diese Entscheidung vorgenommen wurde, die Einführung des Praxissemesters innerhalb der universitären Ausbildung jedoch noch mehrere Jahre andauerte und teilweise an Universitäten erst im Jahr 2015 in die Praxis umgesetzt werden konnte. De facto hatte dies zur Folge, dass mehrere Ausbildungsjahrgänge eine um insgesamt 6 Monate verkürzte Ausbildung durchliefen, in welcher verschiedene Ausbildungsinhalte nur verkürzt oder nicht Teil des universitären Bildungsprogramms waren. So hatten Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter in Nordrhein-Westfalen im Ausbildungsjahrgang Gymnasium und Gesamtschule 2014/2015, die auch ihr Studium im Land NRW absolviert hatten, noch nicht am Schulpraxissemester teilgenommen.3 Die Dienstorte sind sowohl die jeweiligen Ausbildungsschulen selbst sowie das ZfsL; der Dienstherr, also der weisungsgebende Vorgesetzte, ist jedoch ausschließlich das ZfsL, dessen Veranstaltungen und Termine immer Vorrang vor Veranstaltungen und Terminen der Ausbildungsschulen haben. Der Beginn des Vorbereitungsdienstes ist je nach Bundesland unterschiedlich, in NRW beginnt die Ausbildung am 1. Mai eines jeden Jahres. Seit dem Jahr 2007 bietet das Land aufgrund einer großen Nachfrage an Lehrkräften zudem auch einen Beginn der Ausbildung zum 1. November an; dieses Angebot muss jedoch jedes Jahr von neuem geprüft und bei Bedarf von weiteren Lehrkräften für die Schulen in NRW beschlossen werden. Da beide Termine immer auf Feiertage fallen, verschiebt 2 Ich selbst konnte meine Ausbildung aufgrund von beruflicher Vorerfahrung verkürzen, da ich bereits fünf Jahre als Lehrer an einer staatlich anerkannten Privatschule in Baden-Württemberg gearbeitet hatte. Hierzu existiert eine Regelung, die es erlaubt, bis zu 50 % der bereits abgeleisteten Arbeitszeit, maximal jedoch sechs Monate, für die Ausbildung anzuerkennen, vgl. Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen: Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung – OVP) vom 10. April 2011, https://recht.nrw.de/lmi/owa /br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000681 [24. 10. 2019], §7 Abs. 2. 3 Dies hingegen ist am vorliegenden Beispiel für NRW der Fall. Der Autor hatte das Praxissemester bereits 2003 am Seminar für schulpraktische Lehrerausbildung, heute Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung, in Tübingen im Land Baden-Württemberg absolviert. Die Ausbildung in NRW wird in den Regierungsbezirken des Landes in Arnsberg, Detmold, Köln, Düsseldorf, Münster und Köln angeboten. Die Ausbildung im Regierungsbezirk Köln wird an den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) in den Städten Aachen, Bonn, Engelskirchen, Jülich, Köln und Leverkusen durchgeführt. Der vorliegende Beitrag bezieht sich auf persönliche Erfahrungen und Eindrücke der Ausbildung im Ausbildungslehrgang für das Gymnasium und die Gesamtschule 2014/2015.

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sich der Start der Ausbildung jeweils um einen oder mehrere Tage. Am ersten tatsächlichen Diensttag versammeln sich die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter zu einer Einführungsveranstaltung, in deren Rahmen die Struktur der Ausbildung und verschiedene formale und inhaltliche Einführungen angeboten werden. Es folgen die Vereidigung der Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter zu Beamtinnen und Beamten auf Widerruf und die Übergabe der Ernennungsurkunden. Der Beamtenstatus bringt wichtige Veränderungen in unterschiedlichen Bereichen mit sich, beispielsweise im Hinblick auf ihre bisherige gesetzliche Krankenversicherung. Beamte auf Widerruf sind beihilfeberechtigt und oft lohnt sich für das Referendariat bereits der Wechsel in eine der privaten Krankenversicherungen, welche häufig Tarife speziell für Referendare anbieten.

Überblick der Quartalsleistungen In der regulären Ausbildung, d. h. ohne Verkürzung oder Verlängerung der Ausbildungszeit beispielsweise aufgrund früherer beruflicher Erfahrungen oder durch das Nichtbestehen von Prüfungen, gliedert sich der Vorbereitungsdienst in insgesamt sechs Ausbildungsquartale zu jeweils drei Monaten. Jedes dieser Ausbildungsquartale erfordert verschiedene inhaltliche und formale Leistungen, welche auf den ersten Blick durch Ihren Umfang verunsichern können. Hier begegnet Anwärterinnen und Anwärtern eine erste Herausforderung der Ausbildung rein formaler Art, nämlich den Überblick über eine ganze Reihe formeller Vorgaben, Deadlines und vor allem von Dokumenten (Doks) zu behalten. Zu Beginn überrascht der Umfang der Ausbildungsdokumentation, welche verlangt, mehrere Dutzend (verschiedene) Dokumente im teilweisen oder auch gesamten Verlauf ihrer Ausbildung kontinuierlich zu führen, zu vervollständigen sowie von verschiedenen an der Ausbildung beteiligten Personen kontrollieren und zu bestimmten Terminen gegenzeichnen zu lassen. Insbesondere die zahlreichen über die Ausbildung verteilten Abgabedaten dieser unterschiedlichen Dokumente können Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter, allerdings mitunter auch die an der Ausbildung beteiligten Fach- und Seminarleitungen durch ihre Fülle verwirren. Gleichzeitig erschien mir persönlich auch der sprachliche Einstieg in den Vorbereitungsdienst häufig irritierend, da die Kommunikation innerhalb der Ausbildung stark vom Einsatz von Akronymen geprägt ist.4 4 Die gängigen Akronyme werden im Folgenden exemplarisch immer wieder in Klammern geführt, um interessierte Studierende für die regelmäßige Verwendung dieser in der Ausbildung zu sensibilisieren sowie dem interessierten Leser die umfangreiche Präsenz der Akro-

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Im ersten Ausbildungsquartal beginnen die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter (LAA) mit dem Unterricht in den Ausbildungsschulen sowie mit den Fachseminaren am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL). Der Unterricht am ZfsL gliedert sich in die Fachseminare in den beiden, in manchen Fällen auch in den drei Unterrichtsfächern, welche die jeweilige spezifische Fachdidaktik behandeln, sowie in die Ausbildung in Pädagogik und allgemeiner Didaktik im sogenannten Kernseminar. Insgesamt beträgt die Unterrichtszeit am ZfsL im ersten Ausbildungsquartal sieben Unterrichtsstunden pro Woche, dazu kommen noch Seminartage vor Ort sowie Modulveranstaltungen. An den Seminartagen vor Ort treffen sich die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter mit der Kernseminarleitung (KSL) an ihren Ausbildungsschulen; dort hospitieren sie sich gegenseitig in Unterrichtssitzungen und diskutieren und erarbeiten Seminar- und Unterrichtsinhalte vor Ort. Des Weiteren kommen im ersten Ausbildungsquartal pro Woche außerdem noch 14 Stunden Unterricht an der jeweiligen Ausbildungsschule hinzu; diese gliedern sich in Unterricht unter Anleitung (UuA) durch die Ausbildungslehrer an der Schule, in den Ausbildungsunterricht (AU) sowie in die Hospitation in verschiedenen Klassenstufen. Zu Beginn des ersten Quartals kann dies auch noch in Fächern erfolgen, die nicht Ausbildungsfächer sind. Formell müssen außerdem eine Reihe von Leistungen im ersten Ausbildungsquartal absolviert werden, dazu gehören das Auswertungs- und Planungsgespräch (APG) mit der Kernseminarleitung, der oder dem Ausbildungsbeauftragten (ABB) und den anderen Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern der jeweiligen Schulgruppe. In manchen Fällen kann hier auch die Schulleitung (SL) der Ausbildungsschule teilnehmen und beratend mitwirken. Im Rahmen dieses Gesprächs werden Inhalte der Ausbildung und die Kooperation zwischen dem ZfsL und der Schule besprochen; wenn möglich, werden bereits zu diesem Zeitpunkt auch individuelle Ausbildungs- und Beratungsbedarfe identifiziert und konkretisiert. An dieses Auswertungs- und Planungsgespräch schließt das Entwicklungsund Perspektivgespräch (EPG) mit der Fachseminarleitung (FL) und der oder dem Ausbildungsbeauftragten nach einem ersten (bewerteten, aber unbenoteten) Unterrichtsbesuch (UB) an.5 Im Entwicklungs- und Perspektivgespräch werden erste Eindrücke der Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter als Lehrperson im Unterricht diskutiert und mögliche Entwicklungs- und Ausbildungsperspektiven erörtert und vereinbart. Im Zentrum stehen dabei noch keine inhaltlichen Aspekte, vielmehr werden das Verhalten im Klassenraum, die nyme zu verdeutlichen, welche auch die Arbeitssprache während der Ausbildung nachhaltig prägen. 5 Weitere Informationen zu Unterrichtsbesuchen und zur Differenzierung zwischen bewerteten und benoteten Unterrichtsbesuchen s. u.

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Kommunikation und der Umgang mit den Schülerinnen und Schülern (SuS) und das Auftreten in der Lehrsituation beobachtet, analysiert und in einem gemeinsamen Gespräch mögliche Entwicklungsperspektiven diskutiert. Auch hier kann die Schulleitung teilnehmen. Neben diesen beiden Gesprächen sind die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter daher auch angehalten, einen ersten Unterrichtsbesuch in ihren beiden Fächern durchzuführen; an diesen schließt ein Reflexionsgespräch mit einer Bewertung durch die Fachseminarleitung an. Hier ist es wichtig zu beachten, dass eine Bewertung, aber noch keine Benotung stattfindet. Dies bedeutet, dass dieser erste Besuch zu diesem Zeitpunkt noch keine Note beinhaltet, welche am Ende der Ausbildung in die Gesamtnote einfließen könnte. Der Fokus dieses ersten Besuches liegt vielmehr auf dem Verhalten im Klassenraum, der Kommunikation mit der Lerngruppe sowie der Auswahl von Themen und Unterrichtsmaterialien und soll als Einstieg in die Betreuung sowie zum Austausch und zur Beratung von Entwicklungsperspektiven zwischen der Fachleitung und den Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern dienen. Zu diesen Gesprächen, Treffen und Sitzungen im ersten Quartal kommen schließlich noch die Ausbildungssitzungen in der Ausbildungsschule selbst hinzu. Einem von den Schulen auszuarbeitenden Ausbildungsprogramm folgend werden in der jeweiligen Schulgruppe regelmäßige Sitzungen mit den Ausbildungsbeauftragten durchgeführt, in denen schulspezifische Themen behandelt und der Verlauf der Ausbildung reflektiert und diskutiert werden. Dabei ergänzt das Ausbildungsprogramm der Schule die Themen der vor allem im Kernseminar am ZfsL behandelten Arbeit mit für die jeweilige Schule besonders bedeutsamen Inhalten, beispielsweise dem schulischen Beratungskonzept, der Verwaltungsorganisation oder Sitzungen zur Arbeit der Abteilungs- oder auch der Schulleitung. Schließlich bleibt im Hinblick auf das erste Ausbildungsquartal zu betonen, dass alle diese Sitzungen, Termine und Gespräche von Beginn an mit verschiedenen Dokumenten der eingangs bereits erwähnten Ausbildungsdokumentation (Doks) zu dokumentieren und fristgerecht an die Leitung des ZfsL, die Kernseminarleitung oder die Fachseminarleitungen einzureichen sind. Das bedeutet, dass jede der hier beschriebenen Leistungen in einem oder mehreren unterschiedlichen Doks dokumentiert und auch von allen Beteiligten gegengezeichnet werden müssen, beispielsweise das Ausbildungsperspektivgespräch, das Entwicklungsgespräch oder natürlich auch die ersten Unterrichtsbesuche. Im zweiten Ausbildungsquartal verändert sich der Ausbildungsunterricht an der Ausbildungsschule mit dem Schuljahreswechsel (im Falle eines Ausbildungsbeginns im Mai nach den Sommerferien) bzw. mit dem Halbjahreswechsel im Februar (im Falle eines Ausbildungsbeginns im November). Das Unterrichtsvolumen an der Ausbildungsschule bleibt bei 14 Stunden bestehen, diese

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verteilen sich noch immer auf Unterricht unter Anleitung, Ausbildungsunterricht und Hospitationen wie bereits im ersten Quartal, jedoch entfallen nun auch neun Stunden auf eigenen, sogenannten bedarfsdeckenden Unterricht (BdU). Die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter erhalten in diesem Ausbildungsquartal eigene Klassen, welche sie in ihren jeweiligen Fächern unterrichten. Bei Bedarf und auf Wunsch kann in dieser Phase auch die Klassenleitung einer Klasse übernommen werden, um dieses Tätigkeitsfeld ihres Berufes bereits in der Ausbildung kennenzulernen und erste Erfahrungen zu sammeln. In den Ausbildungsschulen kommt auch im zweiten Quartal wieder der Ausbildungsunterricht durch die oder den Ausbildungsbeauftragten hinzu, welcher weiterhin regelmäßig, im Allgemeinen etwa alle zwei Wochen, besucht werden muss. Im Seminar bleibt es im zweiten Ausbildungsquartal ebenfalls bei einem Ausbildungskontingent von etwa sieben Unterrichtsstunden im Kern- sowie in den Fachseminaren. Hinzu kommen noch Langzeitaufgaben in den Fachseminaren, beispielsweise die Ausarbeitung von Klassenarbeiten mit Erwartungshorizonten oder die Formulierung pädagogischer Diagnosen einzelner Schülerinnen und Schüler mit einem passenden Lernförderplan. Auch diese Arbeiten müssen zu bestimmen Fristen vorgelegt werden und fließen auch in die Bewertung am Ende der Ausbildung durch die Fachseminarleitung ein. Außerdem müssen Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter ebenfalls an sogenannten Modulnachmittagen teilnehmen; hier werden bestimmte Fachthemen in Modulform bearbeitet. Dies bedeutet, dass die Themen über ein oder mehrere Quartale verteilt in mehreren, unregelmäßig stattfindenden Nachmittagssitzungen bearbeitet werden. Themen dieser Modulnachmittage können beispielsweise den bilingualen Fachunterricht oder vertiefende didaktische Themen wie sprachsensiblen Unterricht umfassen. Auch hierfür gibt es ein entsprechendes Dokument, mit dem die Teilnahme dokumentiert und von der Fachseminarleitung bestätigt wird. Hinzu kommt ab dem zweiten Quartal noch die ausbildungsbegleitende kollegiale Beratung innerhalb der Schulgruppe, also für alle Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter an einer Schule: Diese Beratung bietet Gelegenheit, Probleme und Herausforderungen innerhalb der Schulgruppe zu diskutieren, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln. Hierfür wird eine kurze Einführungsveranstaltung zum Ablauf und zur Organisation kollegialer Beratungen durch das ZfsL angeboten. Im Anschluss führen die LAA in ihren Schulgruppen einmal pro Quartal eigenverantwortlich diese kollegiale Beratung durch und müssen sie in einem dafür zur Verfügung gestellten Dokument fristgerecht dokumentieren. Die Themen der Beratung können alle aktuellen Probleme und Herausforderungen umfassen, also beispielsweise im Umgang mit Lerngruppen oder mit der Ausbildung selbst.

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Des Weiteren wird für das zweite Quartal noch empfohlen, eine erste von insgesamt zwei Personenorientierten Beratungen mit Coachingelementen (PoB +C) mit der Kernseminarleitung durchzuführen. In diesem Gespräch wird ein den Wünschen und Bedürfnissen der Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter angepasstes Beratungsgespräch angeboten, in welchem frei über bestimmte Aspekte der Ausbildung oder auch die Zeit danach, beispielsweise die eigene Profilschärfung oder die Stellensuche, gesprochen werden kann. Auch dieser Teil der Ausbildung ist anhand eines Dokumentes von allen Beteiligten zu dokumentieren. Schließlich sollte im zweiten Ausbildungsquartal noch in jedem der beiden Unterrichtsfächer ein weiterer Unterrichtsbesuch durchgeführt werden. Dieser dann jeweils zweite Unterrichtsbesuch wird, wie schon der vorherige Besuch, durch die Fachleitung in einem anschließenden Gespräch bewertet; auch hierbei kommt es wie schon beim ersten Besuch noch zu keiner Benotung, diese ist den mindestens drei folgenden Besuchen vorbehalten. Das dritte Ausbildungsquartal ist dem zweiten im Grunde sehr ähnlich, da in dieser Phase die im zweiten Quartal begonnenen Ausbildungsbereiche weitergeführt werden. Dies bedeutet für die Arbeit an der Ausbildungsschule weiterhin 14 Stunden Unterricht unter Anleitung und Ausbildungsunterricht. Darin enthalten sind auch weiterhin etwa neun Stunden bedarfsdeckender Unterricht und die Fortführung der Ausbildungssitzungen mit der oder dem Ausbildungsbeauftragten. Des Weiteren muss auch die Arbeit im Bereich der kollegialen Beratung der Schulgruppe fortgesetzt werden. Auch das Ausbildungskontingent am ZfsL umfasst weiterhin sieben Stunden Ausbildungszeit, verteilt auf Kernseminar- und Fachseminarsitzungen, darin sind zum Teil auch die bereits beschriebenen Modulnachmittage, zum Teil verpflichtend, zum Teil auch als freiwilliges Angebot, enthalten. Ein zweiter Termin zur Personenorientierten Beratung mit Coachingelementen kann bereits in diesem Ausbildungsquartal bei Bedarf in Anspruch genommen werden. Eine wichtige Veränderung im dritten Ausbildungsquartal ist die Qualität und Bewertung der Unterrichtsbesuche. Generell stehen in dieser Ausbildungsphase meist die dritten Unterrichtsbesuche pro Fach an, welche nun, im Unterschied zu den vorherigen beiden Besuchen, benotet werden und damit in die abschließende Benotung durch die Fachleitung am Ende der Ausbildung eingehen. Die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter erhalten damit erstmals keine informelle Bewertung mehr für die in den Unterrichtsbesuchen festgestellten Leistungen, sie erhalten nun eine Note im bekannten Notenbereich zwischen 1 und 6. Diese Note wird in die Benotung des Fachleitergutachtens eingehen, auf welches im Folgenden noch einzugehen ist. Selbstverständlich müssen auch in dieser Ausbildungsphase sämtliche Leistungen, Besuche, Beratungen, Coachings

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und auch Modulteilnahmen in den jeweiligen dafür vorgesehenen Dokumenten dokumentiert und bestätigt werden. Im vierten, wie auch im fünften und im sechsten, Ausbildungsquartal werden Unterricht und Ausbildung an den Ausbildungsschulen in der gewohnten Form fortgeführt. Auch die Veranstaltungen am ZfsL werden wie im vorhergehenden Quartal fortgesetzt, pro Fach wird ein vierter Unterrichtsbesuch, ebenfalls benotet, mit der jeweiligen Fachseminarleitung koordiniert und durchgeführt. Hinzu kommt hierbei noch ein weiterer von insgesamt zwei verpflichtenden Unterrichtsbesuchen durch die jeweilige Kernseminarleitung, welche jedoch ausschließlich eine beratende Funktion haben und keine Benotung beinhalten. Neben der bereits beschriebenen verpflichtenden Dokumentation all dieser Veranstaltungen seitens der Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter muss beim regulären Ausbildungsverlauf im vierten Ausbildungsquartal auch die Meldung zur Zweiten Staatsprüfung erfolgen. Dies ist einer der sehr wenigen Kontakte mit dem Prüfungsamt.6 Unter Meldung versteht man hierbei lediglich die schriftliche Ankündigung, dass zum Ende der Ausbildungszeit die Staatsprüfung abgelegt werden soll. Dies ist insofern bedeutsam, als, sollte diese Meldung nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erfolgen, die Staatsprüfung als „nicht bestanden“ gewertet wird, ohne dass die Lehramtsanwärterin oder der Lehramtsanwärter dazu angetreten ist. Ein weiteres, dann bereits letztes Antreten zur Prüfung ist zwar noch möglich, allerdings wird die Ausbildungszeit in diesem Fall um maximal sechs weitere Monate verlängert; über die genaue Verlängerung entscheidet der jeweilige Sachbearbeiter des Prüfungsamtes. Innerhalb dieses verlängerten Ausbildungszeitraums kann die Prüfung wiederholt (bzw. im Grunde genommen erstmals angetreten) werden, die Koordinierung des Termins liegt dann bei den Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern selbst. Der wiederholte Prüfungstermin muss dann aber (mindestens einen Tag) nach dem Ende der 18-monatigen Ausbildungszeit terminiert werden. Im regulären Ausbildungsverlauf, das bedeutet, wenn kein Antrag auf Verkürzung gestellt oder genehmigt wurde, wird aufgrund der Bedeutung der Meldung für die Prüfung mehrfach durch die Kern- und Fachseminarleitungen, die Leitung des ZfsL sowie durch die Ausbildungsbeauftragten auf die Meldepflicht zur Prüfung hingewiesen.7 Im fünften und vorletzten Ausbildungsquartal gibt es keine Änderungen im Hinblick auf den Gesamtumfang von insgesamt 14 Stunden Unterricht unter Aufsicht und Ausbildungsunterricht, davon werden auch weiterhin neun Stun6 Eine weitere, bedeutsame Rolle spielt das Prüfungsamt bei der Durchführung der Prüfung, auf die im Folgenden noch einzugehen ist. 7 Auf die Möglichkeit einer Verkürzung der Ausbildungszeit wird im Folgenden noch eingegangen.

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den bedarfsdeckender Unterricht in Eigenverantwortung erteilt. Auch dieses Quartal beinhaltet sieben Stunden Ausbildungskontingent in den Kern- und Fachseminaren, die bereits bekannten Langzeitaufgaben und Modulnachmittage, die Fortsetzung der kollegialen Beratung innerhalb der Schulgruppen sowie insgesamt die noch immer damit verbundene Dokumentationspflicht und die Abgabefristen. Wichtig ist jedoch, dass das fünfte Ausbildungsquartal die letzte Ausbildungsphase ist, in der die pro Fach verpflichtenden insgesamt fünf Unterrichtsbesuche durch die jeweiligen Fachseminarleitungen sowie der letzte der beiden verpflichtenden Unterrichtsbesuche durch die Kernseminarleitungen absolviert werden können. Dies bedeutet, dass die für die Benotung der Ausbildung angesetzten Unterrichtsbesuche bis zum Ende des fünften Ausbildungsquartal alle absolviert sein müssen, damit im Anschluss die Gutachten verfasst werden können. Im sechsten und letzten Ausbildungsquartal werden weiterhin 14 Stunden Unterricht unter Aufsicht, Ausbildungsunterricht und Hospitation in den Ausbildungsschulen abgeleistet, jedoch werden die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter in diesem letzten Teil nicht mehr zu bedarfsdeckendem Unterricht herangezogen. Die unterrichteten Klassen werden daher zu Beginn der letzten Ausbildungsphase von einer Lehrerin oder einem Lehrer ihrer jeweiligen Ausbildungsschule übernommen. Daraus ergibt sich, dass die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter im letzten Ausbildungsabschnitt vor ihrer eigentlichen Prüfung keine eigenen Klassen mehr unterrichten, was die Wahl der Prüfungsklassen beispielsweise bei einem Schuljahreswechsel mit einer neuen Zusammensetzung von Klassen vereinzelt komplizieren kann. Hier ist eine langfristige Planung der Prüfungsklassen mit Blick auf eine neue Zusammensatzung nach den Sommerferien, beispielsweise beim Wechsel von der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II, dringend zu empfehlen. Die Ausbildungssitzungen an den Schulen werden auch in diesem Quartal wie gewohnt fortgesetzt, ebenso wie die Dokumentationspflicht aller Aufgaben und Leistungen. Dies trifft auch für die Sitzungen am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung zu. Im Falle des Ausbildungsganges für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen kommt spätestens in diesem Teil der Ausbildung noch die mehrtägige schulfremde Hospitation, beispielsweise an einer Grundschule, hinzu, diese ist ebenfalls verpflichtend und zu dokumentieren. Bei Bedarf gibt es in diesem letzten Teil der Ausbildung die Möglichkeit, die jeweilige Fachseminaroder Kernseminarleitung zu bis zu zwei weiteren, freiwilligen Unterrichtsbesuchen einzuladen, diese haben jedoch keine benotende, sondern lediglich eine beratende Funktion. Die kollegiale Beratung wird, sofern sie bis zu diesem Zeitpunkt in dem vorgegebenen Umfang noch nicht absolviert wurde, ebenfalls weitergeführt und dokumentiert.

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Schließlich wird im sechsten und letzten Ausbildungsquartal, nach vorheriger Anmeldung der Prüfungsklassen und -themen, auch die Staatsprüfung durchgeführt, auf welche aufgrund ihrer hervorgehobenen Bedeutung in der Ausbildung im folgenden Teil noch im Detail eingegangen wird. Die Ausbildung selbst schließt nach Ablauf der 18 Monate mit der Verabschiedung und der Übergabe der Zeugnisse am letzten Ausbildungstag ab, damit werden die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter auch aus dem Beamtenverhältnis auf Zeit wieder entlassen.

Unterrichtsbesuche und Prüfungen Wie bereits beschrieben, sind während der Ausbildungszeit insgesamt fünf Unterrichtsbesuche pro Fach durch die Fachseminarleitung zu absolvieren; davon werden zwei Unterrichtsbesuche bewertet, drei weitere werden benotet. Im Kontext dieser Besuche muss man generell die Terminabsprache mit der jeweiligen Fachleitung im Vorfeld beachten. Fachseminare können 15 bis 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben, von denen alle pro Quartal einen Unterrichtsbesuch absolvieren müssen; eine frühzeitige Planung und auch Terminvereinbarung mit der jeweiligen Fachleitung ist daher dringend zu empfehlen. Daneben erwarten auch die Schulleitung, die Ausbildungsbeauftragten und die Kernseminarleitung Einladungen zu Unterrichtsbesuchen, auch dies erfordert eine sorgfältige Terminplanung im Vorfeld. Die Unterrichtsbesuche selbst dauern in der Regel eine Unterrichtsstunde, meist also 45 Minuten. Es können auch 60 Minuten sein, wenn dies die reguläre Unterrichtszeit an der jeweiligen Schule ist. Im Anschluss an die Stunde wird Zeit zur Reflexion gegeben, in der Regel etwa zehn bis 15 Minuten, daran schließt sich die Nachbesprechung des Unterrichtsbesuches an, welche etwa eine Stunde, in besonderen Fällen, also bei intensivem Beratungsbedarf, gelegentlich auch länger dauert. Im Sinne einer Vorbereitung auf die unterrichtspraktische Prüfung am Ende der Ausbildung folgt das Nachgespräch eines Unterrichtsbesuches durch die Fachseminarleitung zumindest im ersten Teil dem Ablauf des Nachgespräches der unterrichtspraktischen Prüfung: Es wird Zeit gegeben, ein Resümee zur vergangenen Stunde zu formulieren und zu den im Unterrichtsentwurf formulierten Zielen und Inhalten der Stunde Stellung zu nehmen. Im Anschluss an diese Stellungnahme haben alle Anwesenden des Gespräches, also Fachseminarleitung und Ausbildungsbeauftragte, gegebenenfalls auch Kernseminarleitung und Schulleitung, Gelegenheit, Fragen zur Stunde, zum Unterrichtsentwurf oder auch zu Inhalten und methodischen und didaktischen Entscheidungen zu stellen. Im Anschluss an diese Fragerunde folgt dann ein Beratungsgespräch

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durch die Fachseminarleitung zu Erfolgen und Entwicklungsmöglichkeiten der Stunde zusammen mit Zielvereinbarungen über die weiteren Schritte der Ausbildung. Am Ende der Beratung des dritten, vierten und letzten Unterrichtsbesuches wird außerdem Gelegenheit gegeben, die Note der Fachseminarleitung zu erfahren. Im Beratungsgespräch findet außerdem auch der Unterrichtsentwurf der Stunde Beachtung. Ziel ist es hierbei, schrittweise von Unterrichtsbesuch zu Unterrichtsbesuch alle Inhalte zu entwickeln und zu üben, welche zum Ende der Ausbildung Bestandteil des Unterrichtsentwurfes der Staatsprüfung sind; das heißt, dass zu jedem Unterrichtsbesuch ein verkürzter, aber immer umfangreicher werdender Stundenentwurf vorzulegen ist. Dieser Schreibprozess wird auch durch den Unterricht in den Fach- und Kernseminaren begleitet; gleichzeitig verfügen die ZfsL auch über hauseigene, an den Vorgaben der Prüfungsämter orientierte Formatvorlagen und Formulierungshilfen. Auch hier empfiehlt sich eine frühzeitige Recherche und Vorbereitung. Zur Benotung der Unterrichtsbesuche möchte ich außerdem noch anmerken, dass der Ausbildungskontext, anders als im täglichen Unterrichts- und Benotungsbetrieb an den Schulen, keinen formalisierten oder einheitlichen Erwartungshorizont vorgibt und die Fachseminarleitung in der Benotung und deren Begründung sehr frei erscheinen. Daher kann es auch von Fachseminar zu Fachseminar zu starken Unterschieden in der Erwartungshaltung und der Bewertung von Leistungen kommen. Für die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter bedeutet dies, kontinuierlich Gebrauch von Beratungs- und Feedbackangeboten aller an der Ausbildung Beteiligter zu machen und sich immer wieder über Ausbildungs- und Bewertungsstand aus Sicht insbesondere der Fachleitungen sowie der Schulleitung zu informieren.

Die unterrichtspraktische Prüfung (UPP) Die unterrichtspraktische Prüfung erfolgt, nach erfolgreicher Meldung beim Prüfungsamt, im sechsten und letzten Ausbildungsquartal. Durch die hohe Anzahl der Prüfungen kann der jeweilige Prüfungstermin sowohl an den Beginn als auch an das Ende des Quartals gelegt werden; die Entscheidung hierüber treffen das Prüfungsamt und das ZfsL, der Termin wird im Vorfeld rechtzeitig mitgeteilt. Für die Prüfung wird eine der beiden Fachseminarleitungen als Mitglied der Prüfungskommission gewählt, welcher insgesamt zwei Prüferinnen und Prüfer sowie eine Prüfungsvorsitzende oder ein Prüfungsvorsitzender angehö-

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ren.8 Das ZfsL bestimmt eine weitere Fachseminarleitung von einem anderen Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung für die Prüfung im zweiten Ausbildungsfach, den Prüfungsvorsitz übernimmt meist eine Schulleiterin oder ein Schulleiter, in der Regel von einer fremden Schule. Die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter vereinbaren mit der Kommission für den Prüfungstag einen Prüfungsbeginn, die Kommission findet sich etwa eine Stunde vor der ersten unterrichtspraktischen Prüfung in der Schule ein und erhält die Unterrichtsentwürfe der beiden Prüfungsstunden zur Vorbereitung, bevor die Prüfung im ersten Unterrichtsfach beginnt. Im Anschluss an die erste Prüfung kommt es, wie im Rahmen der Unterrichtsbesuche der Fachseminarleitung geübt, zu einem Prüfungsgespräch. Auch hier erhalten die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter wieder etwa zehn Minuten Zeit zur Reflexion und eröffnen das Gespräch im Anschluss mit einem eigenen Statement zu Ziel und Inhalten der Stunde. Daran anschließend bekommen alle Mitglieder der Prüfungskommission Gelegenheit, Fragen zu stellen; im Anschluss ziehen sich die Kommissionsmitglieder zur Besprechung und die Prüflinge zur Vorbereitung der darauf folgenden, zweiten Unterrichtsstunde zurück. Diese zweite Unterrichtsstunde im jeweils anderen Fach verläuft wie die erste Stunde und schließt ebenfalls mit einer Reflexion der Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter und einer Fragerunde durch die Prüfungskommission zu Planungs- und Handlungsentscheidungen, zu möglichen Handlungsalternativen sowie zur pädagogischen und fachdidaktischen Begründung der Entscheidung ab, welche zur gezeigten Prüfungsstunde geführt haben. Basis für beide Prüfungsgespräche sind dabei neben der Stunde selbst auch die vorzulegenden Unterrichtsentwürfe. Nach einer weiteren Pause, welche die Kommission wieder zur Beratung und die Prüflinge zur Vorbereitung nutzen, folgt das abschließende Prüfungsgespräch, welches auch als Kolloquium bezeichnet wird. Die Lehramtsanwärterinnen oder Lehramtsanwärter beginnen das Gespräch mit einem Statement. Dabei haben sie zehn Minuten Zeit, einen Einblick in ein für ihre Ausbildung und ihre zukünftige Tätigkeit relevantes und selbst gewähltes Themengebiet zu geben, beispielsweise zu Beratungskonzepten, pädagogischen Konzepten oder dem Umgang mit besonders heterogenen Lerngruppen an ihrer Ausbildungsschule; an dieses Eingangsstatement knüpft das folgende Gespräch an. Mögliche Themengebiete ergeben sich aus verschiedenen für die Ausbildung bedeutsamen Schwerpunkten des ZfsL, aus denen die Prüflinge ihr individuelles Thema wählen und vorbereiten können. Das Prüfungsgespräch, oder Kolloquium, dauert etwa 8 Außerdem ist zu beachten, dass gegebenenfalls Ferien im Herbst oder Sommer in das Quartal fallen, welche das Zeitfenster für die Prüfungen verkleinern.

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eine Stunde und gibt allen Mitgliedern der Prüfungskommission nochmals Gelegenheit, den Prüfling zu Inhalten und Erfahrungen der Ausbildung sowie zu Ideen, Plänen und Vorstellungen zur zukünftigen Tätigkeit zu befragen. Dabei ist anzumerken, dass das Kolloquium mehr einem abschließenden Austausch und Reflexionsgespräch als einer mündlichen Prüfung entspricht. Im Anschluss an das Kolloquium berät die Kommission über die Benotung der Leistungen in der gesamten Prüfung, welche den Prüflingen nach der Beratung mitgeteilt wird und den Tag der unterrichtspraktischen Prüfung abschließt.

Benotung der Prüfung und der Ausbildung insgesamt9 Die abschließende Note der Prüfung setzt sich aus drei unterschiedlichen Teilnoten zusammen, dazu gehören das Schulleitergutachten (25 %), das Langzeitgutachten der Fachleiter (25 %) sowie die Unterrichtspraktische Prüfung (UPP) (50 %). Das Schulleitergutachten, welches nach einer Besprechung mit der Schulleitung ausgehändigt wird, bewertet die Leistungen der Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter innerhalb und außerhalb des Unterrichts und reflektiert die Einschätzung der Schulleitung zu ihrer Arbeit über die gesamte Ausbildungszeit hinweg; hier fließen auch Berichte der Ausbildungsbeauftragten und der einzelnen Ausbildungslehrerinnen und Ausbildungslehrer an der Schule sowie die Unterrichtsbesuche der Schulleitung selbst hinein. Auch das gemeinsame Gutachten der Fachleiter wird den Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern nach einer Besprechung ausgehändigt. Dieses gemeinsame Gutachten entsteht durch die Zusammenführung der Einzelgutachten der beiden Fachleitungen, welche wiederum die Leistungen in den beiden Fachseminaren, darunter auch die Ergebnisse der Langzeitaufgaben sowie die Leistungen der Unterrichtsbesuche beinhalten. Hierbei ist zu beachten, dass die Benotung dieses Gesamtgutachtens keine rechnerische Note, sondern vielmehr eine pädagogische Note beinhaltet, welche durchaus von einer rechnerischen Note auf Basis der beiden Einzelgutachten abweichen kann.10 Dies trifft im Übrigen auf alle Noten zu, mit welchen die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter im Laufe ihrer Ausbildung bewertet werden. Die Unterrichtspraktische Prüfung trägt weitere 50 Prozent zur Abschlussnote bei. Insgesamt errechnet sich die Gesamtbewertung der UPP aus den Einzelnoten der beiden Unterrichtspraktischen Prüfungen (diese entsprechen 30 % der Gesamtnote), der schriftlichen Unterrichtsentwürfe zu diesen beiden Prüfungen 9 Vgl. Ministerium des Innern NRW: OVP, § 34. 10 Dies bedeutet beispielsweise, dass ein Ergebnis der Einzelgutachten von 2.0 im Gesamtgutachten durchaus 2.5 ergeben kann, wenn Fachleitungen dies als angemessen empfinden.

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(diese entsprechen 10 % der Gesamtnote) sowie der Bewertung des Kolloquiums (dieses entspricht 10 % der Gesamtnote). Die Abschlussnote wird wie Schulnoten im Bereich von 1 bis 4 formuliert, bei einer Bewertung schlechter als 4 gilt die Prüfung als nicht bestanden.

Die Zeit zwischen Unterrichtspraktischer Prüfung und Verabschiedung Im Anschluss an die Prüfung setzt sich das Ausbildungsprogramm wie gewohnt fort, das heißt, es sind weiterhin 14 Stunden Unterricht unter Anleitung sowie Ausbildungsunterricht beziehungsweise Hospitation abzuleisten; es ist jedoch kein bedarfsdeckender Unterricht mehr zu leisten. Hinzu kommen, wie gewohnt, sieben Stunden Ausbildungskontingent am ZfsL sowie, falls noch nicht abgeschlossen, die kollegiale Beratung und, bei Bedarf, weitere Beratung durch die Fachleitungen und die Kernseminarleitungen. Gegen Ende der Ausbildungszeit organisieren die Ausbildungsjahrgänge häufig eigenständig eine abschließende Exkursion für den gesamten Ausbildungsjahrgang, welche ebenfalls noch in dieser Phase durchgeführt wird. Das Ende des Vorbereitungsdienstes wird mit einer Abschlussfeier und der Übergabe der Examenszeugnisse zum 30. April bzw. zum 31. Oktober erreicht, je nachdem wann die Ausbildung begonnen wurde.

Chancen und Herausforderungen der schulpraktischen Ausbildung Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Ausbildung neben einigen Herausforderungen auch eine ganze Reihe von Chancen zur persönlichen und professionellen Weiterbildung sowie zur beruflichen Profilbildung bietet. Gerade durch meine eigene Fachkombination mit den Fächern Englisch und Geschichte hatte ich Gelegenheit, eine Zusatzausbildung für den bilingualen Sachfachunterricht in der Fachkombination Englisch und Geschichte zu absolvieren. Ganz allgemein werden mittlerweile jedoch verschiedenste Sprach- und Sachfachkombinationen für eine Zusatzausbildung im bilingualen Sachfachunterricht angeboten, beispielsweise auch Französisch und Erdkunde oder Englisch und Biologie. Diese Ausbildung bedeutete in meinem Fall, dass ich zwei der verpflichtenden Unterrichtsbesuche im Fach Geschichte in bilingualem Unterricht durchführen musste, um dort Wissen und Inhalte anzuwenden, welche ich in den fünf bis sechs zusätzlichen Modulveranstaltungen gewonnen und erarbeitet hatte. Hinzu kam natürlich die Gelegenheit, weitere Erfahrungen im bilingualen Unterrichten, im Unterricht unter Anleitung, in Hospitation sowie im eigenen bedarfdecken-

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den Unterricht zu sammeln. Um diese Zusatzqualifikation erfolgreich abzuschließen, musste ich außerdem die unterrichtspraktische Prüfung im Fach Geschichte im bilingualen Unterricht absolvieren, auch waren Aspekte dieser Ausbildung Gegenstand des abschließenden Gespräches nach der Prüfung. Trotz eines deutlichen Mehraufwandes empfand ich die Ausbildung als sehr hilfreich und interessant, zum einen weil sie einen weiteren und neuen Blick auf das Unterrichten im Fach Geschichte sowie auf die Wortschatzarbeit und auf unterschiedlichste Differenzierungsmöglichkeiten im Fach Englisch ermöglichte, zum anderen weil es mir so gelang, die Unterrichtsarbeit in meinen beiden Fächern interessant und konstruktiv miteinander zu verbinden. Die gleichen positiven Aspekte treffen auf die unterschiedlichen Zusatzqualifikationen zu, welche während meiner Ausbildung als Module am ZfsL angeboten wurden. Zum einen war es mir möglich, am sogenannten MEMO-Projekt zur Entwicklung und Anwendung bilingualer Unterrichtsmodule teilzunehmen; dies bot sich insbesondere im Rahmen meiner Ausbildung im Unterrichten von bilingualem Sachfachunterricht an. Das Projekt beinhaltete vier bis fünf zusätzliche Sitzungen mit Fokus auf die Entwicklung und Durchführung bilingualer Unterrichtsmaterialien in verschiedenen Fächern und auf unterschiedlichen Sprachen; darunter waren alle in der Schule angebotenen Fremdsprachen in verschiedensten Kombinationen mit natur-, gesellschafts- und geisteswissenschaftlichen Fächern vertreten, auch beispielsweise im Fach Sport wurden bilinguale Unterrichtsreihen entwickelt. Zum Abschluss musste ich eine von mir entwickelte bilinguale Unterrichtsreihe im Fach Geschichte verschriftlichen, welche ich im Rahmen meines eigenen bedarfsdeckenden Unterrichts auch durchgeführt hatte. Zum anderen wurde im Rahmen der Ausbildung auch ein Zertifikat für das Unterrichten von Deutsch als Zweitsprache angeboten, welches insbesondere im Hinblick auf die sprachliche Heterogenität in Lerngruppen sowie im Hinblick auf die steigende Anzahl von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in unserem Schulsystem äußerst hilfreich erscheint. Auch hierfür wurden drei bis vier Sitzungen angeboten, in denen verschiedene Methoden und Strategien vorgestellt und erarbeitet wurden, die den Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern in ihrer beruflichen Praxis helfen werden mit Lerngruppen auch im Bereich Deutsch als Zweitsprache / Deutsch als Fremdsprache zu arbeiten. Um das Zertifikat erfolgreich abzuschließen, mussten die LAA Unterrichtsmaterialien für eine solche Lerngruppe entwickeln und mit verschiedenen Strategien und unterstützenden Angeboten ausstatten, um Lernende mit unterschiedlichen Kompetenzniveaus in der deutschen Sprache bei der Arbeit mit den jeweiligen Unterrichtsmaterialien und -inhalten zu unterstützen. Die vielseitigen und spannenden Angebote des ZfsL und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Entwicklung und Herausbildung beruflicher Kompe-

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tenzen und Spezialisierungen habe ich daher als einen großen Vorteil der schulpraktischen Ausbildung erlebt. Neben all diesen positiven und hilfreichen Aspekten bleiben die Herausforderungen der Ausbildung natürlich nicht aus, diese sind jedoch meist eher organisatorisch begründet. Eine der für mich größten Herausforderungen während der Ausbildung begegnete mir in der mangelnden Kommunikation zwischen den an der Ausbildung beteiligten Institutionen und Ausbildungspersonen: Dies zeigte sich in meinem persönlichen Fall durch die Zuweisung in ein Fachseminar, welches die von mir belegte Zusatzqualifikation für bilingualen Sachfachunterricht nicht beinhaltete und von dem ich nur auf eigene Initiative und Organisation in ein passendes Seminar wechseln konnte. Gleichzeitig wurde ich einer Ausbildungsschule zugeordnet, welche keinen bilingualen Sachfachunterricht anbot, was mir jedoch von den Fachlehrern und der Schulleitung dann in Modulform in meinen Klassen nach Rücksprache mit den Schülerinnen und Schülern und den Eltern ermöglicht wurde. Schließlich führte diese nicht optimale Kommunikation zwischen Schule, ZfsL und Prüfungsamt dazu, dass zu meiner Unterrichtspraktischen Prüfung kein Prüfungsvorsitzender erschien. Später erfuhr ich, dass sich dieser im Vorfeld beim Prüfungsamt krank gemeldet hatte; leider wurde diese Information weder dem ZfsL noch an die anderen Mitglieder der Prüfungskommission weitergeleitet. Dank dem Engagement der Schulleitung und meiner eigenen Fachleiterin konnte am gleichen Morgen noch vom Prüfungsamt unabhängig ein anderer Vorsitzender für die Prüfungskommission organisiert werden, ohne die Unterrichtspraktische Prüfung neu terminieren und an einem späteren Zeitpunkt durchführen zu müssen. Meine Prüfung verzögerte sich daher nur um zwei Stunden. Eine weitere Herausforderung der Ausbildung ist das Informations- und Dokumentenmanagement von Seiten der an der Ausbildung Beteiligten und des ZfsL. In den zwölf Monaten meiner Ausbildung erhielt ich insgesamt 1483 EMails im Kontext der schulpraktischen Ausbildung. Neben der Tatsache, dass der Speicherplatz meines E-Mail-Providers dieser Informationsfülle nicht gewachsen war, war es auch immer wieder eine Herausforderung, zentrale von weniger relevanten Informationen in dieser Informationsflut zu unterscheiden, insbesondere im Hinblick auf die verschiedenen Vorgaben von Abgabeterminen für die bereits erwähnten Dokumente sowie im Hinblick auf eine Fülle von Fristen und Terminen. Auch das Zeitmanagement kann als Herausforderung wahrgenommen werden, welche neben der eigentlichen Vorbereitung, Durchführung und Reflexion des Unterrichts natürlich auch Termine der Fach- und Kernseminare sowie deren Vor- und Nachbereitung beinhaltete. Insbesondere die Terminierung von Langzeitaufgaben und Zusatzmodulen machte das Zeitmanagement zusätzlich kompliziert. Alles in allem waren die Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter schließlich gezwungen, etwa sieben Stunden eigenständigen Unter-

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richts pro Woche mit Vorbereitung und Nachbereitung, etwa fünf Stunden Ausbildungsunterricht pro Woche ebenfalls mit Vor- und Nachbereitung sowie weitere sieben Stunden Begleitprogramm (zuzüglich Vor- und Nachbereitung, Langzeitaufgaben, Seminartage, Seminartage vor Ort, kollegiale Beratung, Hospitationsprojekte, etc.) zu bewältigen. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, sich bereits im Vorfeld der Ausbildung umfangreich mit den eigenen Strategien zu Zeit- und Organisationsmanagement auseinanderzusetzen und die eigene Zeit und die eigenen Ressourcen in der Ausbildungszeit gründlich und detailliert zu planen und zu organisieren.

Fazit Die schulpraktische Ausbildung am ZfsL habe ich selbst als fordernde, aber insgesamt sehr angenehme und spannende Zeit erlebt. Die Herausforderungen sowohl im Zeitmanagement als auch in der Bewältigung der Fülle von Aufgaben gestalteten die Ausbildung in Phasen gelegentlich hektisch; auch die Kommunikation der an der Ausbildung beteiligten Institutionen empfand ich zu Beginn und vor allem am Ende meiner Ausbildung als Herausforderung. Gleichzeitig hatte ich persönlich den Eindruck, dass die beteiligten Institutionen von meinem Antrag auf Verkürzung der Ausbildungszeit wenig angetan waren, vor allem weil mir wiederholt von Seiten des ZfsL, des Prüfungsamtes und der Schule in verschiedenen Kontexten empfohlen wurde, diesen Antrag wieder zurückzunehmen. Da die Verkürzung der Ausbildungszeit jedoch nur im Einzelfall durchführbar ist, wird dies die Mehrheit der Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter nicht betreffen. Insgesamt erscheint es ratsam, sich auf das die Ausbildung begleitende umfangreiche Dokumentationssystem sowie eine Flut von Nachrichten, Terminen und Aufgaben von allen an der Ausbildung beteiligten Institutionen einzustellen. Auch im Hinblick auf die Benotung der Unterrichtsbesuche empfehle ich den angehenden Auszubildenden etwas Gelassenheit: Die Gutachten, welche am Ende der Ausbildung verfasst werden, nehmen die Noten der drei abschließenden Besuche in jedem Fach auf, reflektieren jedoch nicht die einzelnen Leistungen, sondern vielmehr die Entwicklung und den Leistungsverlauf über die gesamte Ausbildungszeit hindurch. Gleichzeitig empfehle ich im Hinblick auf die Benotung durch die verschiedenen an der Ausbildung beteiligten Personen und Institutionen dringend, kontinuierlich Gebrauch von Beratung und Feedback zu machen und mit Fachseminarleitung und Schulleitung über die gesamte Ausbildungszeit regelmäßig im Gespräch zu bleiben. Schließlich bleibt mein Rat an die zukünftigen Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter, neben diesen für ihre Ausbildung sicherlich zentralen, aber

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für ihre zukünftige Tätigkeit manchmal nicht unmittelbar relevanten Aspekten den eigentlich besonderen und wichtigen Inhalt ihrer Ausbildung und ihrer späteren Arbeit nicht aus den Augen zu verlieren: das Unterrichten von und das Arbeiten mit den Schülerinnen und Schülern in ihren Klassen.

Bibliographie Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen: Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung – OVP) vom 10. April 2011, https://recht.nrw.de /lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000681 [24. 10. 2019]. Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Rahmenkonzeption zur strukturellen und inhaltlichen Ausgestaltung des Praxissemesters im lehramtsbezogenen Masterstudiengang, Köln / Düsseldorf 2010, https://www.schulministerium .nrw.de/docs/bp/Lehrer/Lehrkraft-werden/Lehramtsstudium/Praxiselemente/Praxisse mester/Zusatzvereinbarung-Rahmenkonzeption.pdf [24. 10. 2019].

Philipp Siepmann (Münster)

Teaching Culture across the Curriculum – Entwicklung eines differenzierten kulturdidaktischen Konzepts für den bilingualen Unterricht

1.

Einleitung

Der vorliegende Beitrag versucht dem Anspruch dieses Bandes, der Fremdsprachendidaktik neue Impulse zu geben, in zweifacher Hinsicht zu genügen: Zum einen wird eine konzeptuelle Aufweitung interkulturellen Lernens im bilingualen Unterricht angeregt; zum anderen wird der Weg zur Entwicklung dieses Konzepts beschrieben, der schulpraktische Unterrichtsentwicklung mit fremdsprachendidaktischen Forschungsmethoden verbindet und somit einen Anstoß zu einem intensiveren Dialog zwischen Theorie und Praxis geben soll. Die im Folgenden vorgestellte Fallstudie zur Implementierung eines differenzierten kulturdidaktischen Konzepts ist exemplarisch für einen Zugang zu fachdidaktischer Forschung, der hier als Graswurzeldidaktik bezeichnet werden soll: Gemeint sind damit Kooperationen zwischen Schulpraxis und Fachdidaktik, in denen Forschungsfragen aus konkreten Anliegen und Problemstellungen einer Lehrkraft, Fachschaft oder eines Schulkollegiums entwickelt werden. Dazu gehören Unterrichtsentwicklungsprojekte, in die Bachelor- und Masterstudierende sowie Promovenden im Rahmen einer Qualifikationsarbeit eingebunden werden und in denen qualitative und quantitative Methoden der Fremdsprachenforschung, wenn auch in abgewandelter, reduzierter Form zum Einsatz kommen, sowie Lehramtsseminare, die sich im Sinne des forschenden Lernens mit realen Fallstudien auseinandersetzen, Lösungen entwickeln und diese mit den Lehrkräften diskutieren, als auch auf längere Sicht angelegte Kooperationen zur Entwicklung eines unterrichtsbezogenen Aspekts (z. B. Individualisierung, Einsatz digitaler Medien, Förderung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern, etc.). Kooperationspartner solcher Forschungsprojekte sind potenziell alle an Schule beteiligten Gruppen, seien es Lehrkräfte, Studierende, Referendarinnen und Referendare, Praktikantinnen und Praktikanten, Schülerinnen und Schüler oder deren Eltern. Der Begriff Graswurzeldidaktik impliziert, dass der Impuls für fremdsprachendidaktische Forschung von der Praxis des fremdsprachlichen und bilingualen Unterrichts ausgeht. So gesehen versteht sich dieser Ansatz als Er-

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Philipp Siepmann

gänzung einer zunehmend professionalisierten, empirisch orientierten Fremdsprachenforschung, deren Forschungsgegenstände sich eher im akademischen Diskurs herausbilden, deren Ergebnisse aber häufig erst mit großer Verzögerung Eingang in die schulische Praxis finden, nicht selten top-down im Rahmen von verbindlichen Vorgaben durch die zuständigen Ministerien. Den Ausgangspunkt für die Erarbeitung eines differenzierten kulturdidaktischen Konzepts bildete eine Initiative der neun bilingual unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen eines Gymnasiums in Nordrhein-Westfalen, ein fächerübergreifendes Konzept zur Umsetzung fachsprachlicher und interkultureller Lernziele des bilingualen Unterrichts zu erstellen. Dabei sollten die Sichtweisen und Ideen möglichst aller beteiligten Kolleginnen und Kollegen berücksichtigt und ein systematisches Vorgehen gesichert werden. Aus diesem Grund wurden Verfahren der empirischen Fremdsprachenforschung und daran angelehnte Methoden eingesetzt. Im Rahmen des Projekts wurden drei Aspekte betrachtet: Zweisprachigkeit: Welche Rolle spielen Schulsprache und Fremdsprache im Unterricht? Welche sprachlichen Lernziele verfolgen die Lehrkräfte neben den fachbezogenen Zielen? Bilinguale Diskurskompetenz: Wie werden fachsprachliche Kompetenzen aufgebaut? Welche fachbezogenen und fachübergreifenden sprachlichen Strukturen werden wann und auf welche Weise eingeführt? Interkulturelles Lernen: Welche Rolle spielt das Lernziel des interkulturellen Lernens im bilingualen Sachfachunterricht in den jeweiligen Fächern? Welche Themen eignen sich in den verschiedenen Fächern dazu und welche Methoden werden eingesetzt?

Der Aspekt der Zweisprachigkeit wurde im Rahmen einer Masterarbeit an der Universität Duisburg-Essen mithilfe von Experteninterviews untersucht.1 Die Studie zeigte, dass sowohl der Einsatz der Schulsprache und der Fremdsprache als auch die sprachlichen Ziele innerhalb des bilingual unterrichtenden Kollegiums sehr stark variieren. Es wurden daher in der Folge Leitlinien über die Zweisprachigkeit des Unterrichts formuliert, die auf der einen Seite ein Maß an Vergleichbarkeit gewährleisten, während auf der anderen Seite Spielraum für individuelle Schwerpunkte bleibt. Zum Thema der Förderung bilingualer Diskurskompetenz wurde ein kollegiumsinterner Workshop durchgeführt, in dessen Rahmen die Grundlage für ein fächerbezogenes und fächerübergreifendes Curriculum fachsprachlicher Kompetenzen gelegt wurde. Abschließend zu dieser Phase wurde die Nutzung so genannter skills pages,2 die in einem fach- und jahrgangsübergreifenden Ordner gesammelt werden, beschlossen. 1 Saskia Winking: Conceptualizing a CLIL Framework. The Teacher’s Perspective, Masterarbeit, unveröffentlichtes Manuskript, 2018. 2 Als skills pages werden in diesem Zusammenhang spezielle Methodenblätter bezeichnet, die fachspezifische Arbeitsweisen oder fachsprachliche Aspekte wie Diskursfunktionen einführen.

Teaching Culture across the Curriculum

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Die Erarbeitung eines Konzepts für (inter)kulturelles Lernen schließlich wird in diesem Beitrag exemplarisch dokumentiert. Dazu soll im nachfolgenden Abschnitt aufgezeigt werden, dass es zu Beginn des Unterrichtsentwicklungsprojekts zwischen dem in der Fachliteratur postulierten Potenzial des bilingualen Unterrichts, interkulturelle Lernprozesse zu initiieren und der praktischen Umsetzung an dieser Schule noch eine gewisse Kluft zu beklagen gab. Dies wurde zum Anlass genommen, ein differenziertes kulturdidaktisches Konzept zu erarbeiten, das im dritten Abschnitt dieses Beitrags theoretisch dargelegt wird. Der vierte Abschnitt wendet sich der praktischen Implementation dieses Konzepts in den bilingual unterrichteten Sachfächern der Schule zu. Anhand eines unterrichtspraktischen Beispiels zum Thema Hurricane Katrina: Natural or Manmade Disaster? aus dem bilingualen Geographieunterricht der Einführungsphase wird im fünften Abschnitt eine mögliche Umsetzung des Konzepts skizziert.

2.

Interkulturelles Lernens im bilingualen Sachfachunterricht zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Bilingualer Unterricht war insbesondere in seiner Frühzeit in den 1960er Jahren auch ein politisches Projekt. Die Einrichtung deutsch-französischer Zweisprachenzüge auf beiden Seiten der Grenze war ein schulpolitisches Zeichen der Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg.3 Interkulturalität war somit von Beginn an ein fester Bestandteil des bilingualen Unterrichts in Deutschland und wird in den Vorgaben der Länder, wie nachfolgend am Beispiel Nordrhein-Westfalens gezeigt, auch heute noch ersichtlich: Bilingualer Unterricht fördert das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen und die Schülerinnen und Schüler erwerben interkulturelle Kompetenz, d. h. sie können: – die Perspektive des Partnerlandes einnehmen, – Verstehensprobleme in dieser Perspektive vorwegnehmen, – ihr eigenes Land für Partner der anderen Kultur und Sprache darstellen.4

Tatsächlich bietet der bilinguale Sachunterricht sowohl in den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen als auch naturwissenschaftlichen Fächern vielfältige Gelegenheiten, fachbezogene Gegenstände in interkultureller Perspektive zu betrachten. Als Beispiele seien die international sehr unterschiedlich geführten 3 Vgl. Stefan Breidbach / Britta Viebrock: CLIL in Germany: Results from Recent Research in a Contested Field of Education, in: International CLIL Research Journal 1,4 (2012), S. 5. 4 Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Bilingualer Unterricht in Nordrhein-Westfalen, 2018, https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulsystem/Un terricht/Lernbereiche-und-Faecher/Sprachlich-literarischer-Lernbereich/Bilingualer-Unter richt/index.html [06. 05. 2019].

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Philipp Siepmann

technologiebezogenen Debatten um Atomenergie, Fracking und Gentechnik oder die gesellschaftspolitische Debatte um Zuwanderung zwischen Deutschland und Großbritannien genannt. Diese Themen bieten vielfach nicht nur auf der inhaltlichen Ebene Anlass zu konstruktiver Diskussion, sondern ermöglichen auch eine kritisch-kontrastierende Betrachtung auf sprachlicher Ebene, wie ein Vergleich des englischen Begriffs des genetic engineering mit seiner deutschen Entsprechung Genmanipulation zeigt.5 Neben interkultureller Kompetenz lässt sich durch die Einnahme dieser vergleichenden Perspektive also auch das sprachliche Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler fördern, im besten Sinne des content and language integrated learning. Die Anbindung an die spezifischen fachlichen Perspektiven eröffnet überdies Zugänge zur kulturellen Dynamik der globalisierten Welt sowie zu realen inter- und transkulturellen Aushandlungsprozessen, die der Fremdsprachenunterricht aufgrund zeitlicher und fachmethodischer Beschränkungen nicht allein abdecken kann. Dadurch entsteht die Möglichkeit – oder vielmehr die Notwendigkeit – eines differenzierteren und komplexeren Zugangs zu Kultur im bilingualen Sachfachunterricht. Die praktische Umsetzung eines solchen differenzierten kulturdidaktischen Konzepts setzte zu Beginn des Projekts eine Analyse darüber voraus, über welche Erfahrung bilingual unterrichtende Lehrkräfte überhaupt mit interkulturellem Lernen in ihren Fächern verfügen, welche Themen sie dazu wählen und welche Methoden sie einsetzen. Das Gymnasium, an dem das Projekt durchgeführt wurde, gehörte zu den ersten in Nordrhein-Westfalen, an dem in den frühen 1970er Jahren ein deutsch-englischer bilingualer Zweig eingerichtet wurde. In zumeist drei Klassen eines fünfzügigen Jahrgangs werden, mit der 7. Klasse einsetzend, Biologie, Erdkunde und Politik auf Englisch unterrichtet, wobei in jedem Schuljahr nur ein neues Fach eingeführt wird. In Bezug auf den Aspekt des interkulturellen Lernens sollten drei Fragen durch einen Fragebogen untersucht werden, auf dem die Lehrkräfte Aussagen zu drei Fragekomplexen machen: – Welche formale Ausbildung zum Thema des interkulturellen Lernens im bilingualen Unterricht haben die Lehrkräfte erhalten? – Über welche unterrichtspraktische Erfahrung mit interkulturellem Lernen im bilingualen Unterricht verfügen sie? – Welche Einstellungen haben die Lehrerinnen und Lehrer zu interkulturellem Lernen und verschiedenen Ansätzen der Kulturdidaktik?

5 Eine umfassendere Auseinandersetzung mit dem Potenzial naturwissenschaftlicher Diskurse für interkulturelles Lernen findet sich bei Julian Sudhoff: Interkulturelles Lernen im Bilingualen Unterricht: Studie zur Konzeption eines Kriterienkatalogs zur qualitativen Analyse von Lehrwerken, Diss., Essen 2012, https://duepublico2.uni-due.de/servlets/MCRFileNodeServlet/ duepublico_derivate_00029596/Dissertation_Julian_Sudhoff.pdf [06. 05. 2019], S. 120–129.

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Teaching Culture across the Curriculum

Hinsichtlich der ersten Frage zeigte sich ein auffälliger Befund: Keine der Lehrkräfte gab an, eine substantielle formale Ausbildung hinsichtlich interkultureller Kompetenz im Rahmen von Studium, Referendariat oder Weiterbildung erhalten zu haben. Erfahrungen mit diesem Thema resultieren also im Wesentlichen aus eigener Initiative, interkulturelles Lernen im bilingualen Unterricht umzusetzen und dabei gegebenenfalls auf Vorwissen und Erfahrungen aus dem Fremdsprachenunterricht zurückzugreifen. Um die Einstellung der Lehrkräfte zu interkulturellem Lernen zu ermitteln, wurde eine Likert-Skala eingesetzt, mittels derer sich persönliche Einstellungen der Befragten messen lassen. Die Befragten drücken auf einer Skala von 1 („stimme überhaupt nicht zu“) bis 5 („stimme voll und ganz zu“) ihre Zustimmung zu einer Reihe von Aussagen aus, ergänzt durch eine Angabe „ich weiß nicht/habe keine Meinung dazu”. Die Ergebnisse (= durchschnittliche Zustimmung) werden in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. Werte größer als 3 zeigen relative Zustimmung an, Werte unter 3 relative Verneinung einer Aussage (vgl. Tab. 1). Tab. 1: Aussagen der Lehrkräfte zu interkulturellem Lernen im bilingualen Unterricht (5 = stimme voll und ganz zu, n = 9) Aussage

Durchschnittl. Zustimmung

(1) Mein Fach kann zu interkulturellem Lernen beitragen. (2) In meinem bilingualen Unterricht findet interkulturelles Lernen regelmäßig statt.

3,5 3

(3) Ich plane in meinem bilingualen Unterricht bewusst Phasen ein, die auf interkulturelles Lernen zielen. (4) In der Planung eines jeden Unterrichtsvorhabens achte ich darauf, dass auch die interkulturelle Kompetenz der Schülerinnen und Schüler gefördert wird.

3,3

(5) Es ist mir ein persönliches Anliegen, die interkulturelle Kompetenz der Schülerinnen und Schüler zu fördern. (6) Ich bin mit der Förderung interkultureller Kompetenz in meinem bilingualen Unterricht aktuell zufrieden.

4,3

(7) Ich würde interkulturellem Lernen in Zukunft gerne mehr Aufmerksamkeit schenken. (8) Ich würde gerne mehr über Konzepte und Methoden interkulturellen Lernens im bilingualen Unterricht erfahren/lernen.

4,4

2,5

3,4

5

Aus diesen Werten lassen sich zwei wesentliche Aussagen hinsichtlich des interkulturellen Lernens im bilingualen Unterricht an dieser Schule ableiten: Zum einen fand interkulturelles Lernen, obwohl es von vielen Kolleginnen und Kollegen als für ihr Fach relevant eingeschätzt wird, bislang noch nicht durchgehend Beachtung in der Planung von Unterrichtsreihen und einzelnen Einheiten (vgl. Items 1–4).

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Philipp Siepmann

Aktuell sind viele Kolleginnen und Kollegen noch nicht vollumfänglich mit der Förderung interkultureller Kompetenz in ihrem Unterricht zufrieden (Item 6). Zum anderen zeigten sich die Lehrkräfte aber sehr daran interessiert, sich auf diesem Feld weiterzubilden und es zukünftig verstärkt zu berücksichtigen (Items 5, 7, 8). Für die Entwicklung eines kulturdidaktischen Konzepts für den bilingualen Unterricht an dieser Schule bedeutete dies für die Lehrkräfte, sich mit verschiedenen theoretischen Ansätzen der Kulturdidaktik auseinanderzusetzen und ihr Potenzial für den eigenen Unterricht zu reflektieren. Im Folgenden wird daher ein knapper Überblick über die Forschungslage zum interkulturellen Lernen im bilingualen Unterricht gegeben und anschließend eine konzeptuelle Erweiterung des interkulturellen Lernens im engeren Sinne um weitere, für den bilingualen Unterricht funktionale Ansätze vorgenommen.

3.

Theoriebezug: Annäherung an ein differenziertes kulturdidaktisches Konzept für den bilingualen Unterricht

In der didaktischen Forschung zum bilingualen Unterricht hat der Aspekt des interkulturellen Lernens, anders als in Bezug auf den Fremdsprachenunterricht, relativ wenig Beachtung erhalten. Dennoch zeichnen sich in der Didaktik des bilingualen Unterrichts ähnliche Tendenzen ab wie in der Fremdsprachendidaktik. Insbesondere vollzieht sich ein Wandel des Kulturbegriffs: Die lange vorherrschende Verquickung von Sprache mit (National)Kultur sowie binären Kategorien von Eigenem und Fremdem wird einer grundlegenden Revision unterzogen. Diese Entwicklungen werden im Folgenden nachvollzogen und ihre Implikationen für die praktische Umsetzung eines differenzierten kulturdidaktischen Konzepts diskutiert.

3.1

Interkulturelles Lernen

Konzepte interkulturellen Lernens zielen darauf ab, fremde Kulturen (z. B. die britische, amerikanische oder afro-amerikanische) zu verstehen und dabei zu erkennen, dass Identität, Sprache und Sichtweise durch die eigene Kultur geprägt sind. Sie sollen ein grundlegendes Wissen über die Gesellschaft und die Lebensweisen, Brauchtümer und kulturelle Traditionen der Zielkultur vermitteln. Weiterhin sollen sie die Fähigkeiten fördern, Missverständnisse und Konflikte zu antizipieren und als Vermittler zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen aufzutreten.

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Als besonders einflussreich im Bereich der Fremdsprachendidaktik hat sich das Modell der intercultural communicative competence nach Michael Byram erwiesen,6 prägte es doch die entsprechenden Passagen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) 7 und in der Folge auch nationale Bildungsstandards sowie die in Deutschland auf Landesebene geltenden Kernlehrpläne. Byrams Konzept verbindet interkulturelles Orientierungswissen, Fertigkeiten im Umgang mit interkulturellen Situationen und interkulturelles Bewusstsein (knowledge, skills, attitudes) mit kommunikativer Kompetenz. Interkulturell kompetente Fremdsprachenlernende sind folglich in der Lage, in einer Kommunikationssituation mit einem Muttersprachler der Zielsprache nicht nur sprachliche, sondern auch interkulturelle Missverständnisse zu antizipieren und in daraus resultierenden Konflikten zu vermitteln. Auf den bilingualen Sachfachunterricht übertragen, bedeutet diese Zielsetzung, kulturelle Unterschiede in Bezug auf einen fachbezogenen Unterrichtsgegenstand zu erkennen und zu erklären. Die Perspektivübernahme und Perspektivenkoordination sind wesentliche Elemente interkulturellen Lernens im bilingualen Unterricht. Dazu übernehmen Schülerinnen und Schüler in der Auseinandersetzung mit einem fachbezogenen Gegenstand die Innenperspektive einer mit der Partnersprache verbundenen Bezugskultur und vergleichen sie mit der eigenkulturellen Perspektive. Beispielsweise lässt sich über den Vergleich des englischen Begriffs nuclear energy mit seiner deutschen Entsprechung Atomkraft, die hierzulande sehr negativ konnotiert ist, ein Vergleich der Diskurse über diesen Energieträger in Deutschland und in den USA oder Großbritannien initiieren. Jedoch ist angesichts der Pluralität heutiger Gesellschaften eine kritische Reflexion des den interkulturellen Konzepten zugrundeliegenden binären Kulturbegriffs geboten, welcher von einer Gegenüberstellung von Nationalkulturen und einer Einheit von Nationalstaat, Sprache und Kultur ausgeht. Es bedarf daher einer zusätzlichen Reflexionsebene, die Schülerinnen und Schüler dazu befähigt, die Grenzen eines solchen tradierten Kulturbegriffs und die Bedingungen der Herausbildung von Kulturen und kulturellen Identitäten in einer durch Globalisierung zunehmend vernetzten Welt zu reflektieren. So verläuft, um an das oben angeführte Beispiel anzuknüpfen, auch der Diskurs über die Zukunft der Energieversorgung heute grenzüberschreitend und wird von transnationalen Organisationen und Akteuren (mit)bestimmt. Beispielsweise ist die Umweltbewegung angesichts eines steigenden Bewusstseins über den Kli6 Michael Byram: Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence, Clevedon 1997. 7 Council of Europe: Common European Framework of Reference for Languages: Learning, Teaching, Assessment (CEFR), Strasbourg 2001.

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mawandel zu einer globalen Bewegung avanciert. Dies setzt eine Ausweitung didaktischer Konzepte für den bilingualen Unterricht voraus, und zwar nicht nur auf theoretischer, sondern ebenso auf unterrichtspraktischer Ebene mit konkreten Themenstellungen und angemessenen Methoden. Im Folgenden wird das Konzept des interkulturellen Lernens um drei weitere Zugänge zu Kultur im bilingualen Unterricht erweitert.

3.2

Transkulturelles Lernen

Konzepte transkulturellen Lernens entstanden aus einer Kritik an Konzepten interkulturellen Lernens und dem diesen zugrunde liegenden Kulturbegriff, die im deutschsprachigen Raum etwa seit Mitte der 1990er Jahre insbesondere durch den deutschen Kulturphilosophen Wolfgang Welsch erhoben wurde.8 Der Kern dieser Kritik betrifft den zumeist national oder ethnisch fundierten Kulturbegriff, auf dem das Konzept der Interkulturalität und pädagogische / didaktische Ansätze interkulturellen Lernens fußen. Während interkulturelle Konzepte der Wirkmacht von kultureller Identität und Differenz auf das Individuum eine starke Bedeutung beimessen, betonen transkulturelle Konzepte Prozesse der kulturellen Vermischung und Adaption vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung vieler Lebensbereiche. Transkulturelle Ansätze in Pädagogik und Didaktik verlagern den Blick von nationalen Kulturen und binären Differenzkategorien auf grenzüberschreitende, transnationale Kulturen wie sie z. B. in Diasporagemeinschaften zu finden sind sowie auf die Formation von hybriden kulturellen Identitäten.9 Bereits in den späten 1990er Jahren erweitert Hallet die Perspektive auf die eigene und fremde Kultur um Themen, die sich in kulturübergreifenden intercommunities herausbilden.10 Konsequent entwickelt Hallet diesen Gedanken weiter, indem er bilingualen Unterricht als „transkulturellen Diskursraum“11 beschreibt. Dieser sei von der kulturellen Binarität zwischen eigener und fremder Kultur, die interkulturellen Konzepten zugrunde liege, gelöst. Zugleich rückt er 8 Wolfgang Welsch: Transkulturalität. Zur veränderten Verfasstheit heutiger Kulturen, in: Zeitschrift für Kulturaustausch 45, 1 (1995), S. 39–44. 9 Für eine ausführlichere Diskussion der kulturtheoretischen Grundlagen transkultureller pädagogischer und didaktischer Konzepte, vgl. Philipp Siepmann, Inter- und transkulturelles Lernen in der Sekundarstufe II. Das Modell der Transnational Cultural Studies, Frankfurt am Main 2016. 10 Wolfgang Hallet: The Bilingual Triangle. Überlegungen zu einer Didaktik des Bilingualen Sachfachunterrichts, in: Praxis des neusprachlichen Unterrichts 48, 2 (2001), S. 115–125. 11 Wolfgang Hallet: Transkulturelles Lernen im CLIL-Unterricht, in: Bernd Rüschoff / Julian Sudhoff / Dieter Wolff (Hg.): CLIL Revisited. Eine kritische Analyse zum gegenwärtigen Stand des bilingualen Sachfachunterrichts, Frankfurt am Main 2015, S. 290.

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damit von eindeutigen, mit der Partnersprache verbundenen Zielkulturen ab. Ähnlich versteht Breidbach die transkulturelle Öffnung der Didaktik des bilingualen Sachfachunterrichts. Er kritisiert das „Prinzip des Kontrastiven Lernens, denn es setzt möglicherweise Vorstellungen von Kollektiven voraus, die es sehr wahrscheinlich so nicht (mehr) gibt“.12 Demgegenüber warnt Sudhoff, „[e]ine Schieflage zugunsten kulturübergreifender und globaler Inhalte scheint das Gleichgewicht und damit auch das interkulturelle Lernpotenzial des bilingualen Unterrichts zu beeinträchtigen.“13 Er führt diesen Trend auf die Besonderheit des Englischen als globale lingua franca zurück und die damit einhergehende Vorstellung, „dass es sich um einen kulturungebundenen Kode handelt.“14 Er wendet ein, dass „das fehlende englisch-muttersprachliche kulturelle Fundament impliziert, dass die jeweiligen Kommunikationspartner ihre eigenen kulturellen Hintergründe in die englischsprachig vermittelten Interaktionen einfließen lassen“.15 Gerade dies eröffne produktive Lernanlässe durch die „Konstruktion von Inter-Kulturen (inter-cultures) beziehungsweise […] das situative Erschaffen von Übergangskulturen (temporary cultures).“16 Damit wiederum liegt Sudhoff auf einer Linie mit Hallet: Im CLIL-Unterricht finden Aushandlungsprozesse und Bedeutungskonstruktionen […] innerhalb von und zwischen Diskurswelten statt, zugleich aber auch innerhalb und zwischen verschiedenen Sprachen und darüber hinaus zwischen alltagsweltlichen, wissenschaftlichen und didaktischen Diskursen. Der didaktische Raum des bilingualen Sachfachunterrichts lässt sich in der Tat auch in der Metapher des third space fassen, in dem Elemente aus einer Vielzahl verschiedener Diskurse und Kulturen aufeinander treffen und verschmelzen, sodass vormalige kulturelle Grenzen sich ‚verflüssigen‘ (hybridisieren) und auflösen.17

Ein solches Verständnis des bilingualen Unterrichts als transkultureller Diskursraum bzw. third space bedingt aus Hallets Sicht allerdings eine Abkehr von binären Differenzkategorien und einer Verengung auf den nationalen Kulturbegriff. Es erfordere die Auseinandersetzung mit einer „Vielzahl kultureller Differenzen und Differenzerfahrungen jenseits (oder unterhalb) der Makroebene gesamtgesellschaftlicher kultureller und sozialer Strukturen“, mit der „Kulturalität, sprachliche[n] Vielfalt und prinzipielle[n] Mehrsprachigkeit der Wissenschaften“, aber auch ihrer „Transkulturalität […] im Sinne eines trans12 Stephan Breidbach: Transkulturalität: Paradigma für den bilingualen Sachfachunterricht, in: Johannes Eckert / Michael Wendt (Hg.): Interkulturelles und transkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht, Frankfurt am Main 2003, S. 230. 13 Julian Sudhoff: Interkulturelles Lernen im Bilingualen Unterricht, S. 105. 14 Ebd., S. 113. 15 Ebd. 16 Ebd., S. 114. 17 Wolfgang Hallet: Transkulturelles Lernen im CLIL-Unterricht, S. 296.

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kulturellen Gültigkeitsanspruchs ihrer Erkenntnisse und deren Kommunikation in gemeinsamen Wissenschaftssprachen.“18 In diesem Zusammenhang treten transnationale und transkulturelle Diskurse im bilingualen Unterricht in den Vordergrund. So lässt sich im Fach Biologie beispielsweise die sich insbesondere über soziale Medien grenzüberschreitend formierende Diskurs der so genannten anti-vaxxer bzw. Impfgegner oder -kritiker, in dem sich eine grundsätzlich wissenschaftsskeptische Haltung offenbart. Im Bereich der geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächer eignen sich Fragen der Migration und Diskurse über die Grenzen des Eigenen und Fremden einer Kultur, deren soziale Konstruiertheit dadurch erkennbar wird. Ebenso lässt sich die Formation kultureller Identität und der Kulturbegriff selbst aus historischen, geographischen und sozialwissenschaftlichen Perspektiven beleuchten. Zusammengefasst soll transkulturelles Lernen ein Bewusstsein dafür vermitteln, unter welchen Bedingungen Individuen in unserer globalisierten Welt eine kulturelle Identität herausbilden. Es soll zeigen, wie Kulturen sich angesichts zunehmend grenzüberschreitender Interaktion durch Handel, Migration und Kommunikation dynamisch entwickeln. In diesem Kontext wird auch thematisiert, welche Rolle dabei traditionelle Identitäten und Vorstellungen von Kultur spielen, welche Grenzen der Ausbildung hybrider Identitäten gesetzt sind und wie die Aushandlung von Identitäten zur Integration und Ausgrenzung beiträgt. Der Kulturbegriff wird damit kritisch reflektiert. Interkulturelle und transkulturelle Konzepte werden im Rahmen dieses differenzierten kulturdidaktischen Konzepts nicht, wie beispielsweise bei Welsch, als unvereinbar verstanden. Da traditionelle Kulturbegriffe den Diskurs und die alltägliche kulturelle Praxis weiterhin prägen und viele Themen der bilingualen Sachfächer in nationalen Diskursen ausgehandelt werden, während andererseits mehr und mehr lebensweltliche kulturelle Praktiken grenzüberschreitend und von hybridem Charakter sind, muss beiden Ansätzen im fremdsprachlichen und bilingualen Sachfachunterricht Raum gegeben werden. Als komplementäre Konzepte tragen sie zu einer kritischen Reflexionsfähigkeit über Kultur in unserer Zeit bei.19

3.3

Global Education

Vor dem Hintergrund von Globalisierung und zunehmend globalen Herausforderungen unserer Zeit, wie Klimawandel, Verschmutzung der Ozeane, Migration aus Krisengebieten, Ressourcenknappheit und -konflikte, soll global 18 Ebd., S. 303. 19 Vgl. hierzu Philipp Siepmann: Inter- und transkulturelles Lernen in der Sekundarstufe II, S. 84–87.

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education ein Bewusstsein über diese Probleme und die Handlungsmöglichkeiten von Individuen vermitteln.20 Darüber hinaus soll es die Schülerinnen und Schüler ermutigen, eine eigene Haltung dazu zu entwickeln, diese zu kommunizieren und mit Mitschülerinnen und Mitschülern zu diskutieren. Während die Möglichkeiten des Fremdsprachenunterrichts zur vertieften Auseinandersetzung mit global issues freilich begrenzt sind – liegt die Priorität doch stets auf dem Spracherwerb – bietet der bilinguale Unterricht einen deutlich geeigneteren Rahmen für global education. Der Sachfachunterricht vermittelt die nötigen Sachkompetenzen, die Komplexität von globalen Prozessen zu erfassen und Zusammenhänge im Mensch-Umwelt-System zu erklären. Ein Beispiel aus dem Erdkunde- bzw. Geographieunterricht ist eine Untersuchung der Auswirkungen der exportorientierten Rosenproduktion am Ufer des Lake Naivasha in Kenia auf die Nahrungsmittelversorgung, das Ökosystem und die öffentliche Gesundheit in der Region. Auf derartige Fallbeispiele bezogen vermitteln die Fächer außerdem fachbezogene Urteilskompetenz und Handlungskompetenz. Ein Mehrwert des bilingualen Unterrichts im Vergleich zum deutschsprachigen liegt in der Verwendung der Fremdsprache als lingua franca, um global bedeutsame Anliegen zu diskutieren und einem (gedachten) internationalen Publikum zu kommunizieren. Der unterrichtliche Diskurs modelliert somit die Kommunikation in transnationalen Gemeinschaften, wie sie sich z. B. im Internet herausbilden. Hier überlagern sich die Zielsetzungen der global education mit jenen des interkulturellen Lernens, da grenzüberschreitende Diskurse über globale Herausforderungen sehr unterschiedliche kulturelle Einbettungen und Bedeutungszuschreibungen erfahren und Akteure ihre eigenen, auch kulturell geprägten Sichtweisen in diese Diskurse einbringen. Deshalb erfordert die Auseinandersetzung mit globalen Themen auch eine Bewusstmachung der eigenen Perspektive und die Einnahme fremder Sichtweisen auf diese, wie durch Konzepte interkulturellen Lernens intendiert. Zugleich aber erfordert die Erarbeitung von Strategien im Umgang mit globalen Herausforderungen, aus unterschiedlichen lokalen Wissensbeständen und Werthaltungen heraus neue, transkulturelle Lösungsansätze zu entwickeln, im Gegensatz zur globalen Anwendung einer – üblicherweise westlich bzw. durch Industrieländer geprägten – Strategie. Hier leistet transkulturelles Lernen einen entscheidenden Beitrag, indem es ein Verständnis von Prozessen der kulturellen Hybridisierung und der Entstehung transkultureller bzw. dritter Räume vermittelt. So wird deutlich, dass alle hier separat aufgeführten Konzepte in einer komplementären, synergetischen Verbindung stehen und keinesfalls in Konkurrenz zueinander zu betrachten sind.

20 Vgl. Kip Cates: Global Education, in: Michael Byram (Hg.): Routledge Encyclopedia of Language Teaching and Learning, London 2000, S. 241–243.

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Philipp Siepmann

Citizenship Education

Citizenship education nimmt eine übergeordnete und verbindende Rolle ein: Globale Probleme werden nicht im Klassenraum gelöst und die Aushandlung kultureller Differenz im transkulturellen Diskursraum des bilingualen Unterrichts darf sich nicht auf diesen beschränken. Ziel sollte es sein, Schülerinnen und Schüler zur Partizipation an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen zu befähigen und motivieren. Folglich zielt es auf die politische Bildung und das Demokratielernen. Der Begriff der citizenship education wird nachfolgend als Sammelbegriff für unterschiedliche pädagogische Konzepte verwendet, die das Konzept der citizenship jenseits des Nationalstaats begreifen und somit bürgerliches Engagement in transnationalen bzw. globalen Kontexten fördern sollen. Angesichts des Aufkommens nationalistischer und rechtspopulistischer Bewegungen weltweit, des Brexits und Konflikten über Flucht und Migration innerhalb der Europäischen Union, ist es von großer Bedeutung, dass kulturelles Lernen einen Beitrag zur Demokratiebildung leistet. Der von Michael Byram entwickelte Ansatz der education for intercultural citizenship integriert politische Bildung und interkulturelles Lernen.21 Schülerinnen und Schüler sollen so Wissen über demokratische Institutionen und Prozesse erwerben, Werte wie Toleranz und Gleichheit kultivieren, eine Bereitschaft entwickeln, ihre eigene, kulturell geprägte Sichtweise zu überwinden, um in internationalen Kontexten und Projekten zu gemeinsamen Lösungen zu gelangen. Ein gegenüber Byrams Ansatz um ökologische Aspekte erweitertes Konzept ist jenes der education for cosmopolitan citizenship.22 Ausgehend von der Annahme, dass sich im Zeitalter der Globalisierung Vergesellschaftung und Demokratisierung nicht mehr nur auf der Ebene von Nationalstaaten, sondern vermehrt in transnationalen bzw. Diasporagemeinschaften vollziehen, entwickeln Osler und Starkey ein pädagogisches Programm, das sich am Leitbild eines cosmopolitan citizen orientiert. Diese/r ist sich ihrer/seiner Identität bewusst und achtet die Diversität ihrer/seiner Mitmenschen, setzt sich aktiv für die Durchsetzung von Menschen- und Bürgerrechten auf lokaler sowie globaler Ebene ebenso wie für die Bewahrung des kulturellen Erbes und der Umwelt ein. Die Autoren fordern, die Interessen junger Menschen ernst zu nehmen und sie folglich nicht als „citizens-in-waiting“,23 sondern als vollwertige Bürger zu verstehen. Entspre-

21 Michael Byram: From Foreign Language Education to Education for Intercultural Citizenship, Clevedon 2008. 22 Audrey Osler / Hugh Starkey: Learning for Cosmopolitan Citizenship: theoretical debates and young people’s experiences, in: Educational Review 55, 3 (2003), S. 243–254. 23 Ebd., S. 247.

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chend sind Unterrichtskonzepte zu erarbeiten, die aktives bürgerliches Engagement über nationale Grenzen hinweg fördern. Diese Zielsetzung lässt sich am ehesten durch den direkten Austausch mit Gleichaltrigen aus anderen europäischen Ländern und die Teilnahme an Austauschprogrammen, Auslandspraktika und Wettbewerben erreichen. Mithilfe neuer Medien lassen sich u. a. so genannte eTwinning-Projekte mit europäischen Partnerschulen umsetzen. In der gemeinsamen Auseinandersetzung mit naturund gesellschaftswissenschaftlichen Fragestellungen werden unterschiedliche kulturelle Einbettungen wissenschaftlicher Diskurse erkennbar, ebenso aber treten die Vorzüge einer geteilten Sprache als Medium der Aushandlung von Bedeutung und zum Wissenstransfer in den Vordergrund. Zur Demokratieerziehung gehört heute auch, eine kritische Auseinandersetzung mit Quellen unterschiedlicher Art und Herkunft und die Aneignung von Methoden, diese auf Zuverlässigkeit zu prüfen. Daher lassen sich im Zusammenhang mit diesem Ansatz auch Ziele des neuen Medienkompetenzrahmens für NRWoder ähnlicher Konzepte anderer Bundesländer umsetzen.24

4.

Implementation eines differenzierten kulturdidaktischen Konzepts für den bilingualen Unterricht

Im Rahmen der Befragung der Lehrkräfte sollte die Relevanz der im vorherigen Abschnitt skizzierten kulturdidaktischen Konzepte in den bilingualen Sachfächern Biologie, Erdkunde und Politik eingeschätzt werden. Dazu wurden den Lehrkräften kurze Definitionen vorgelegt, auf deren Grundlage sie eine Rangskala bestimmen sollten (Mehrfachnennungen der gleichen Rangordnung möglich). Die Fachkolleginnen und -kollegen stuften die Eignung der Konzepte mittels Rangzahlen von 1 bis 4 ein (Mehrfachbelegung eines Rangs möglich). Die Ergebnisse (vgl. Tab. 2) belegen, dass eine stärkere Differenzierung der Konzepte interkulturellen Lernens in bilingualen Sachfächern sinnvoll ist: Mit Ausnahme der global education, welche in allen Fächern die höchste Zustimmung erhält, wird die Bedeutung der übrigen Ansätze in allen Fächern etwa gleich hoch eingeschätzt. Zu jedem der vier Konzepte sollen mittelfristig exemplarische Unterrichtseinheiten zusammengestellt werden, die der Orientierung dienen.

24 Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Medienkompetenzrahmen NRW, 2019, https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulsystem/Medien/Medi enkompetenzrahmen/Medienkompetenzrahmen_NRW.pdf [06. 05. 2019].

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Tab. 2: Rangordnung der Eignung unterschiedlicher kulturdidaktischer Ansätze für bilinguale Sachfächer (1 = höchste Relevanz) Fach Biologie Erdkunde Politik Durchschnitt

Interkulturelles TranskulturelLernen les Lernen 3 2 2 3 2 2,33

3 2,66

Global education 1 1

Citizenship education 4 3

1 1

1 2,66

Ausgehend von diesen Erkenntnissen sollte die Implementation der vier Konzepte kulturellen Lernens konkretisiert werden, indem von den Kolleginnen und Kollegen für jedes Konzept exemplarische Themen zusammengetragen wurden. Es zeigte sich, dass sich in jedem Fach Gelegenheiten bieten, jeden der vier Ansätze umzusetzen. Abschließend wurden noch geeignete Methoden gesammelt, die sich zur Realisierung des jeweiligen didaktischen Konzepts eignen (vgl. Tab. 3). Diese Themenübersicht wurde in das fächerübergreifende Curriculum für den bilingualen Unterricht aufgenommen, um Lehrkräften, aber auch Schülerinnen und Schülern und deren Eltern Orientierung über die Umsetzung interkultureller Lernziele in den verschiedenen Fächern zu geben. Seitens der Lehrkräfte wurde ein Austausch von good-practice-Unterrichtsbeispielen beschlossen und damit die Erstellung eines geteilten Materialpools. Anhand dieser Beispiele lassen sich besonders geeignete Methoden, aber auch Herausforderungen und Grenzen der verschiedenen Ansätze diskutieren. Neben konkreten Unterrichtsbeispielen könnten auch Methodenkarten erstellt werden, um Schülerinnen und Schülern fachübergreifende methodische Kompetenzen kulturellen Lernens zu vermitteln. Im Folgenden soll ein good-practice-Beispiel aus dem bilingualen Geographieunterricht der Sekundarstufe II skizziert werden.

5.

Ein Umsetzungsbeispiel aus dem bilingualen Geographieunterricht: Hurricane Katrina: natural or man-made disaster?

Das Themenfeld Naturgefahren bietet im Geographieunterricht die Möglichkeit, die komplexen Wechselwirkungen im Mensch-Umwelt-System zu betrachten. Sie erfordern zum einen, die naturgeographischen Grundlagen ihrer Entstehung nachzuvollziehen. Zum anderen müssen die naturräumlichen, sozialen, technologischen Faktoren betrachtet werden, die eine bestimmte Region oder Bevölkerungsgruppe besonders anfällig gegenüber den Auswirkungen von Naturereignissen machen (Vulnerabilität). Dabei spielen auch kulturell und ethnisch

– Social and individual construction of cultural identity – Hybrid identities and cultures – deconstruction of culture-related concepts – body biography

– Social welfare systems in contrast: USA vs. Germany

– Democracy and its institutions – The European Union – The changing world of work

– eTwinning project on sustainability – Ethical questions of research in life sciences – The European Union from a geographical perspective – Projektkurs Debating Europe

Citizenship education: Grundlagen für ein gemeinsames Leben in Demokratie in transnationalen Gemeinschaften legen

– producing a TV broadcast to raise – student exchange program awareness of global issues (Netherlands, Sweden, Italy, – business game (e. g., the entrepreFrance) neur’s perspective on global sour- – eTwinning cing) – debating contests

– Economic globalization and the global division of labor

– GMOs in agriculture – Homo sapiens: The universal human condition – The global scientific community – Climate change – Population growth versus the earth’s carrying capacity – Migration – Globalization and disparities

– Evolution: The concept of “race” – The transnational antivaxxer movement – Migration and its implications for culture and identity – The „border“ as a constructed and disputed concept

– Creationism in the United States – GMOs in agriculture: USA vs. EU – Life in different climate zones – Hurricane Katrina: natural or manmade disaster? – Journey and experiences of refugees

– role play Fachüber-grei– text and media anafende Methoden lysis kulturellen Ler– webquest / web resenens arch

Politik

Erdkunde

Biologie

Global education: Globale Probleme erkennen und Handlungs- sowie Kommunikationsstrategien zum Umgang mit ihnen entwickeln

Transkulturelles Lernen: Kulturelle Übergänge und “hybride” Identität im globalen Zeitalter reflektieren

Interkulturelles Lernen: Zwischen Kulturen vermitteln, mit kultureller Differenz positiv umgehen

Tab. 3: Themen für (inter)kulturelles Lernen im bilingualen Unterricht

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begründete Konflikte innerhalb einer Region oder zwischen Bevölkerungsgruppen eine Rolle. Besonders dramatisch zeigten sich die soziokulturellen Implikationen von Naturkatastrophen in den Auswirkungen von Hurricane Katrina im Südosten der Vereinigten Staaten im Spätsommer 2005, insbesondere in der Metropolregion New Orleans. Eine besonders unglückliche Kombination naturräumlicher Vulnerabilität (Lage vieler Orte im Mississippi-Delta unter dem Meeresspiegel bzw. dem Wasserspiegel des Mississippi), technologischer Vulnerabilität (Baufälligkeit und Abhängigkeit von Deichen und Sperrmauern, die den Fluten schließlich nachgaben) und sozialer Vulnerabilität (extreme Segregation städtischer Wohnviertel nach sozialer Schicht und ethnischer Zugehörigkeit) führte zu einer in den USA nie dagewesenen Krisensituation mit hunderten Todesopfern und materiellen Rekordschäden. Aus geographischer Sicht lässt sich Katrina auf der Mikroebene verschiedener Stadtteile von New Orleans, auf der Mesoebene der Entstehung tropischer Stürme in der Region, sowie auf der Makroebene des Einflusses des Klimawandels auf die Zahl und Windstärke tropischer Stürme betrachten. Wirklich lehrreich wird eine Unterrichtseinheit zu Katrina jedoch erst durch Einbeziehung sozial- und kulturgeographischer Aspekte: Welche Rolle spielt die extreme Segregation innerhalb der Stadt? Wie lässt sich diese räumliche Trennung nach Ethnizität historisch erklären? Weshalb führte das Krisenmanagement zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte über strukturellen Rassismus? Aus diesen Fragen lassen sich Lernziele ableiten, deren Schwerpunkt zwar auf interkulturellem Lernen liegt, aber auch zu Zielen des transkulturelles Lernens, der global education und citizenship education beitragen: – Interkulturelles Lernen: Die Schülerinnen und Schüler erkennen durch die Übernahme und Koordination von Augenzeugenperspektiven, dass die Auswirkungen des Wirbelsturms und des fehlgeschlagenen Krisenmanagements abhängig von der sozialen Vulnerabilität insbesondere der armen, afroamerikanischen Bevölkerung sind. Sie betrachten Hurricane Katrina im Kontext historisch gewachsener Ungleichheitsstrukturen in den USA, speziell im Südosten des Landes. – Transkulturelles Lernen: Die Schülerinnen und Schüler reflektieren die Bedeutung soziokultureller Ungleichheitsverhältnisse und den Einfluss von race, class und gender im Zusammenhang mit Naturgefahren auf unterschiedlichen Maßstabsebenen (z. B. regional, global) in Betrachtung weiterer Raumbeispiele. – Global Education: Die Schülerinnen und Schüler untersuchen die Entstehung von meteorologischen Naturgefahren wie Zyklonen sowie ihre globale Verbreitung und identifizieren besonders vulnerable Regionen.

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– Citizenship Education: Die Schülerinnen und Schüler diskutieren und kommunizieren Anpassungsstrategien für Bevölkerungen in durch Naturgefahren bedrohten Regionen. Der Einstieg in die Unterrichtssequenz erfolgt über ein Zitat des Geographen Neil Smith, der in Bezug auf Hurricane Katrina urteilte, „[t]here is no such thing as a natural disaster.“25 Dieses wird in Kontrast zu Bildern der Betroffenen – vorwiegend Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner im Zentrum von New Orleans – gestellt und so kognitive Dissonanz hervorgerufen. Die Schülerinnen und Schüler stellen Vermutungen über diese Aussage an, bevor der zweite Teil des Zitats offengelegt wird: „In every phase and aspect of a disaster – the contours of disaster and the difference between who lives and who dies is to a greater or lesser extent a social calculus.“26 Diese Aussage sollte zunächst sprachlich geklärt werden, bevor die Schülerinnen und Schüler versuchen, sie in eigenen Worten zu erläutern und sie auf die Bilder der Betroffenen zu beziehen. Wenn auch plakativ, richten sie das Augenmerk sogleich auf die soziokulturelle Dimension der Katastrophe, was Gelegenheit gibt, die Zielstellung der Sequenz zu beschreiben, nämlich, den Zusammenhang zwischen Naturkatastrophen und sozio-kulturellen Konflikten zu untersuchen. In der ersten Einheit wird Hurricane Katrina als Naturereignis auf der Mesoebene betrachtet. Themenaspekte dieser Einheit sind die Entstehung und die Zugbahn tropischer Wirbelstürme im Karibischen Meer bzw. dem Golf von Mexiko sowie die Chronologie der Ereignisse nach dem landfall Katrinas.27 Die zweite Einheit betrachtet die lokalen Auswirkungen des Wirbelsturms in New Orleans. Mittels Karteninterpretation werden die besonders betroffenen Gebiete, die an Lake Pontchartrain und den Mississippi angrenzen, identifiziert. Durch einen Vergleich mit einer Karte der Verteilung bestimmter ethnischer Gruppen sowie sozialer Schichten über das Stadtgebiet erkennen die Schülerinnen und Schüler, dass es vorwiegend von einer armen, afroamerikanischen Bevölkerung bewohnten Gebiete sind, in denen die Schäden besonders hoch sind. Dies gibt Anlass, den Zusammenhang von naturräumlich privilegierten, d. h. höheren Lagen und der Ansiedlung privilegierter Schichten zu erörtern und damit die Problematik der ethnischen Segregation in New Orleans zu thematisieren. Um das enorme Konfliktpotenzial zu verstehen, welches Katrina auf der gesellschaftspolitischen Ebene entfesselt hat, werden in der dritten Einheit der 25 Neil Smith: There is no such thing as a natural disaster, 11. Juni 2006, https://items.ssrc.org/un derstanding-katrina/theres-no-such-thing-as-a-natural-disaster [06. 05. 2019]. 26 Ebd. 27 Unterrichtsmaterialien und praktische Hinweise finden sich in Philipp Siepmann: ,There is no such thing as a natural disaster‘. Hurrikan Katrina in Augenzeugenberichten, in: Praxis Geographie 1, Braunschweig 2015, S. 39–44.

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Sequenz die kulturellen Implikationen des Sturms untersucht. Zum Einstieg bietet sich Kanye Wests wütendes Statement während einer Benefiz-Sendung im amerikanischen Fernsehen an, in dem er skandierte, „George Bush doesn’t care about black people.“28 Auf das in der vorangegangenen Einheit erworbene Vorwissen und mögliches Hintergrundwissen zur afroamerikanischen Kulturgeschichte zurückgreifend, ordnen die Schülerinnen und Schüler diese Aussage ein. Im weiteren Verlauf dieser Einheit wird mit dem Lernziel der Perspektivübernahme und Perspektivenkoordination ein Zugang gewählt, der weniger die empirisch nachweisbare, strukturelle Diskriminierung von Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern im Katastrophenmanagement in New Orleans betrachtet, als vielmehr die Wahrnehmung und Verarbeitung der Katastrophe durch die Betroffenen in den Blick nimmt. Basierend auf Augenzeugenberichten aus dem oral-history-Band Voices from the Storm29 erarbeiten die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen Rollenkarten für eine Talkshow zum Thema Hurricane Katrina – Natural or man-made disaster?. Einige der Augenzeugen – vorwiegend Weiße – berichten von geringen Schäden und einer raschen Evakuierung, wohingegen jene, die im Zentrum von New Orleans leben, von massiver Schikanierung durch die Polizei und das Militär berichten. Für die Talkshow, die von ein bis zwei Schülerinnen bzw. Schülern moderiert wird, entsenden die Gruppen eine Sprecherin bzw. einen Sprecher. Die übrige Lerngruppe bildet das Publikum, welches sich Notizen zum Wohnort, zur ethnischen und sozialen Herkunft und zu den Erfahrungen während und nach dem Sturm macht. In einem anschließenden Unterrichtsgespräch wird die Bedeutung des strukturellen Rassismus für die Auswirkungen des Sturms auf die Bevölkerung reflektiert. Die Fallstudie zu Hurricane Katrina und die gewonnenen Einblicke in die soziokulturellen Implikationen seiner Auswirkungen auf die Bevölkerung ermöglichen es den Schülerinnen und Schülern, die Bedeutung der soziokulturellen Kategorien race, class und gender in Bezug auf das Konzept der sozialen Vulnerabilität zu reflektieren. Diese Einsicht lässt sich wiederum transferieren auf weitere Raumbeispiele. Hierzu erarbeiten sie zunächst die Entstehung und räumliche Verbreitung von Zyklonen. Vor dem Hintergrund der Prognosen des IPCC, welche von einer Zunahme meteorologischer Naturgefahren infolge des Klimawandels ausgehen, entwickeln die Schülerinnen und Schüler in einer kleinen Projektarbeit schließlich Anpassungsstrategien für verschiedene Regionen der Welt unter Einbeziehung der zuvor behandelten soziokulturellen As-

28 „Heber Brown, III“ (Youtube-Nutzername): Kanye West: George Bush doesn’t care about Black people, o.D., https://www.youtube.com/watch?v=UJUNTcOGeSw [06. 05. 2019]. 29 Lola Vollen / Chris Ying (Hg.): Voices from the Storm: The people of New Orleans on Hurricane Katrina and its aftermath, San Francisco 2008.

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pekte. Diese Strategien können auf unterschiedlichem Wege kommuniziert bzw. publiziert werden, z. B. in Form eines Padlets,30 einem speziellen Blogformat.

6.

Fazit und Ausblick: Impulse für die Didaktik des bilingualen Sachfachunterrichts

Die in diesem Beitrag präsentierte Fallstudie hat gezeigt, dass der bilinguale Unterricht ein großes Potenzial zur Umsetzung eines differenzierten Konzepts kulturellen Lernens bietet, das Lehrkräfte bereit sind auszuschöpfen oder in Ansätzen bereits nutzen. Da es aber häufig an formaler Ausbildung zu diesem Thema (wie auch zum bilingualen Unterrichten insgesamt) fehlt, ist ein hohes Maß an Eigeninitiative und Einsatzbereitschaft erforderlich, welches angesichts zunehmender Aufgabenfülle und damit einhergehender Belastung von Lehrkräften nicht immer aufgebracht werden kann. So sollten Schulen, z. B. im Rahmen von Pädagogischen Tagen, einen zeitlichen Rahmen bereitstellen für einen kollegialen Austausch von Ideen, Erfahrungen und Materialien, der auf lange Sicht Abläufe effizienter macht und zur Qualitätssteigerung von Unterricht beiträgt. Dies ist umso wichtiger dort, wo durch fächerübergreifende Arbeit gemeinsame, überfachliche Lernziele verfolgt werden. Von einer gezielten Kooperation mit der fremdsprachendidaktischen Forschung profitieren beide Seiten gleichermaßen, da didaktische Konzepte nahe an der Unterrichtspraxis entwickelt, erprobt und implementiert werden können. Um diese eingangs als Graswurzeldidaktik bezeichnete Form der fremdsprachendidaktischen Forschung zu realisieren und Synergieeffekte zu nutzen, bedarf es des Aufbaus mittelfristiger und langfristiger Netzwerke und Partnerschaften zwischen universitären Fachdidaktiken, Schulen, Studienseminaren und anderen Institutionen. Dies setzt die grundsätzliche Bereitschaft beider Seiten – Vertreterinnen und Vertretern der Forschung und der Praxis – voraus, sich auf ein solches, häufig aufwendiges und folglich zeitintensives Unternehmen einzulassen. Es muss für alle Akteursgruppen Gelegenheiten geben, ihre Sichtweise darzustellen, auch Zweifel und Kritik zu äußern. Über das Vorgehen und die Ziele in der Entwicklung von Unterricht sollte gemeinsam entschieden werden. Unter diesen Voraussetzungen bietet ein solcher Ansatz die Chance, Unterrichtsentwicklung zu dynamisieren und neue Entwicklungen in Pädagogik und Didaktik schneller der Praxis zugänglich zu machen.

30 Siehe Padlet: http://www.padlet.com [06. 05. 2019].

386

Philipp Siepmann

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Teaching Culture across the Curriculum

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Representing Poverty and Precarity in a Postcolonial World

Maria Eisenmann (Würzburg)

The Potential of Postcolonial (Poverty) Literature in the EFL Classroom

1.

Defining Postcolonial Young Adult Literature

Although literature learning in EFL teaching can look back upon a long history, it was not until the turn of the century that young adult fiction was taught in schools. Traditionally, literary learning was strongly focused on canonized texts. When colonial experiences and descriptions of colonial life in English literature were to be evoked in the EFL classroom, ‘dead white male authors’ such as Kipling, Conrad, Maugham, or Forster were read. For a long time, the New English Cultures and Literatures were not integrated into the EFL classroom. This situation, however, is changing rapidly in EFL teaching. There is an increasing tendency towards opening the classroom to literature dealing with postcolonial topics and integrating the emerging body of writings from other Anglophone locations across the world such as Australia, India, the Caribbean, or South Africa. But how can postcolonial young adult literature be defined and how can it be integrated into our classrooms? The genre of postcolonial literature certainly raises more questions than it gives answers about how to categorize these works. When this term is used in the context of teaching English, it usually refers to the literary theory and body of literature that focuses on the experiences of nations colonized by Britain. The literature that has emerged in response to colonialism represents numerous countries from various regions of the world, such as the Americas, the African continent, and South Asia. Elizabeth Sybil Durand describes the challenge of defining postcolonial young adult literature as follows: Locating post-colonial young adult texts can pose some challenges because they are not always categorized as ‘post-colonial’, but rather tend to fall under the more generalized labels of ‘multicultural’, ‘global’ or ‘international’. While multicultural texts do include the experiences of immigrants from post-colonial nations, these stories often focus on the immigrant’s experience of adjusting to or assimilating into western culture, whether in Europe, North America, or Australia. Such insights are certainly important for readers to have. However, post-

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Maria Eisenmann

colonial texts merit special consideration because they are culturally and historically specific.1 Thus, postcolonial literature offers a perspective beyond a Western cultural context, as their narratives are told from within their own national background, highlighting a colonial history that has shaped socio-cultural life and continues to influence the economic and political contexts of the various geographic locations Postcolonial young adult literature often provides stories written for and about young adults who are either growing up in the time of colonization or in its aftermath, such as Khaled Hosseini’s The Kite Runner , Witi Ihimaera’s Whale Rider or Bali Rai’s (Un)arranged Marriage.2 Usually literary texts are selected for the EFL classroom which tell of the lives of (young) people from other cultures, drawing also from the whole field of children’s and young adult literature.3 However, it is not always young adult fiction which is read in our today’s classrooms. Very often texts not specially written for teens are read in EFL contexts, for instance, Aravind Adiga’s The White Tiger, John Maxwell Coetzee’s Disgrace or Jhumpa Lahiri’s The Namesake.4 No matter what example is chosen, all of the texts mentioned show the various ways in which characters navigate the geographical, cultural, social, economic, and political landscapes at play in that particular culture and time period. Very often the texts are written by authors who are members of the group depicted, making attempt to represent their cultures from their own insider perspectives.5 Usually told from the teen perspective, the stories focus on multifacetted processes of hybrid concepts of identity set in transcultural and globalised worlds. Imagination and empathy enhance intercultural and transcultural learning as these novels show the many similarities young people have, very often problems specific to adolescents and their crossing the threshold between childhood and adulthood, especially regarding bullying, violence, social norms, friendship, love and gender roles, to name but a few. Also global concerns such as social inequity, discrimination,

1 Cf. Elizabeth Sybil Durand: Forging Global Perspectives through Post–colonial Young Adult Literature, in: The ALAN Review 40, 2 (2013), pp. 21–28, here p. 22. 2 Khaled Hosseini: The Kite Runner, London 2003; Witi Ihimaera: Whale Rider, Auckland 2002; Bali Rai: (Un)arranged Marriage, London 2001. 3 The protagonists do not necessarily have to be young. Laurenz Volkmann criticises what he calls ‘ageism’ – the fact that in recent publications only young protagonists have been favoured. For further discussion of the phenomenon of ‘ageism’ (cf. Laurenz Volkmann: Opportunities and Challenges for Transcultural Learning and Global Education via Literature, in: Werner Delanoy / Maria Eisenmann / Frauke Matz (Eds.): Learning with Literature in the EFL Classroom, Frankfurt am Main 2015, pp. 177–189, here p. 251.). 4 Aravind Adiga: The White Tiger, New York 2008; John Maxwell Coetzee: Disgrace, London 1999; Jhumpa Lahiri: The Namesake, London 2003. 5 Cf. Elizabeth Sybil Durand: Forging Global Perspectives, p. 23.

The Potential of Postcolonial (Poverty) Literature in the EFL Classroom

393

violence, poverty and precarity offer multiple opportunities for EFL teaching and foster students’ political awareness and critical thinking skills. One topic shared by both postcolonial young adult literature and traditional young adult literature is that of identity.6 In young adult fiction, adolescence is seen as a unique phase of life with very specific challenges. The stories are very often narratives of individual attainment, of maturity and self-knowledge related to the process of growing up, which is characterized by a search for identity and the need to belong.7 This is particularly challenging in the context of growing up during or after colonization, which brings additional complications for young adults whose identities and the choices they can make are shaped and constrained by the social, cultural, political, and historical contexts of the countries where the stories take place.8 As coming of age narratives, postcolonial young adult texts are particularly suitable for the EFL classroom because they offer some familiar experiences and challenges about growing up, while also giving readers the opportunity to learn about cultural facets and consider a different worldview. Very often postcolonial young adult literature mirrors what can go wrong, and thus helps students to see how potentially problematic developments can nonetheless inspire change and encourage those involved to work together in order to achieve a common goal, for instance, students can learn not only about the abuse of power, but can be enabled to see political structures in order to develop an ethical commitment towards them. This introduces a global perspective to the EFL classroom, aims to raise social and political awareness and seeks to provide opportunities for students to participate in meaningful, socially relevant debates and ultimately to develop an opinion and a voice of their own. This all can lead to challenging big-scale life questions about the current state of the world, which can in turn provide an opportunity for students to learn through inquiry which nurtures social responsibility.9 With a focus on global responsibility, students can be taught about historical consciousness and current

6 Cf. for instance Sabine Doff / Frank Schulze-Engler: Beyond ‘Other Cultures’: Transcultural Perspectives on Teaching the New Literatures in English, Trier 2011; Gabriele Blell / Sabine Doff: It takes more than two for this tango: Moving beyond the self/other-binary in teaching about culture in the global EFL-classroom, in: Zeitschrift fu¨r Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 19, 1 (2014), pp. 77–96; Maria Eisenmann: Crossovers – Postcolonial Literature and Transcultural Learning, in: Werner Delanoy / Maria Eisenmann / Frauke Matz (Eds.): Learning with Literature in the EFL Classroom, Frankfurt am Main 2015, pp. 217–236. 7 Cf. Michael Cart: “The value of young adult literature”, in: YALSA, January 2008, http:// www.ala.org/yalsa/guidelines/whitepapers/yalit [05. 10. 2019]. 8 Cf. ibid., p. 23. 9 Cf. Steven Wolk: Reading for a Better World: Teaching for Social Responsibility with Young Adult Literature, in: Journal of Adolescent & Adult Literacy 52, 8 (2009), pp. 664–673, here p. 666.

394

Maria Eisenmann

problems such as political conflicts, war, constitutional rights, propaganda, etc. and have generative classroom discussions.

2.

Postcolonial Literature in the EFL Classroom

2.1

Intercultural and Transcultural Competences

Why is it beneficial to make use of postcolonial literature in the EFL classroom? What could be potential learning goals and competences? It is widely accepted that contemporary postcolonial young adult literatures, which also represent global Englishes (varieties of the English language), are particularly suitable for intercultural and transcultural learning.10 But postcolonial concepts of culture and identity such as hybridity or transculturality, or the idea that the foreign language classroom can be seen as a hybrid “Third Space”,11 have entered discourses in foreign language education only in the last decade.12 The term “Third Space” was coined by Claire Kramsch to refer to the space between cultures which language learners may reach as they develop intercultural (communicative) competence.13 In the 1990s, EFL methodology put strong emphasis on taking cultural differences and the culture-specific meanings of language in communication into consideration.14 The concept of culture was focused on cultural difference, rather than cultural diversity,15 but this kind of understanding is

10 Cf. for instance, Maria Eisenmann / Nancy Grimm / Larenz Volkmann (Eds.): Teaching the New English Cultures and Literatures, Heidelberg 2010; Werner Delanoy: From ‘Inter’ to ‘Trans’? Or: Quo Vadis Cultural Learning?, in: Maria Eisenmann / Theresa Summer (Eds.): Basic Issues in EFL Teaching and Learning, Heidelberg 2013, pp. 177–189. 11 Homi Bhabha: The Location of Culture, London 1994, p. 36. 12 Cf. Werner Delanoy: From ‘Inter’ to ‘Trans’?; Laurenz Volkmann: Fachdidaktik Englisch: Kultur und Sprache, Tu¨ bingen 2010. 13 Cf. Claire Kramsch: The Symbolic Dimensions of the Intercultural, in: Language Teaching 44, 3 (2011), pp. 354–367, and: Teaching Foreign Languages in an Era of Globalization. Introduction, in: Modern Language Journal 98, 1 (2014), pp. 296–311. 14 Cf. for instance, Michael Byram: Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence, Clevedon 1997; Lothar Bredella: Das Verstehen des Anderen. Kulturwissenschaftliche und literaturdidaktische Studien, Tu¨ bingen 2010. 15 Cf. Homi Bhaba: The Location of Culture, 1994. The distinction that Bhabha made between difference and diversity in the 1990s was based on the issue to give a voice to the postcolonial people and other subjuguated beings, for example women or minorities who were eager to emphasise their differences in a post-modern society, for example, Judith Butler (Judith Butler: Gender Trouble – Feminism and the Subversion of Identity, New York 1990), Chris Weedon (Chris Weedon: Key Issures in Postcolonial Feminism: A Western Perspective, in: Gender Forum – An Internet Forum for Gender Studies, 2002, pp. 43–54), Homi Bhabha and many others in post-colonial, feminist and gender studies.

The Potential of Postcolonial (Poverty) Literature in the EFL Classroom

395

history and more than obsolete and outdated.16 In the context of today’s EFL teaching there is a need for a redefinition of the term “Third Space”, in which learners must negotiate meaning in the constant presence of diversity. This experience explains the uniqueness of each person or context as a ‘hybrid’ and leads to one of the most important teaching aims in the context of intercultural and also transcultural learning – the overcoming of ethnocentric and nationalistic perspectives.17 In this context, the transcultural dimension should be regarded as a change of perspective rather than as a profound conceptual change. The learners gain the ability to recognize that many features of today’s world can be interpreted in different ways. In particular, postcolonial writing can make a contribution to taking transcultural developments into account and facing social realities that go beyond the notions of nation and national cultures. Today, against the background of intercultural learning, there seems to be a common consensus that the EFL classroom should offer its take on cultural encounter with an emphasis on culture as contextual knowledge while also not overemphasizing cultural differences and working on the larger interface of human values.18 Beyond national identity, culture can be regional, functional, organizational, generational as well as gendered Due to social, cultural and global developments in the last decades, there has been an urgent need to think about cultural concepts in more complex ways than prevailing myths and stereotypes allow. Despite political challenges such as Brexit, Great Britain’s attempt to leave the European Union, and Trump, an American president who abuses his power and has an idiosyncratic view of what he calls right and justice, we live in a postnational era, in which national identities lose their importance relative to cross nation and self-organized or supranational and global entities, merely providing opportunities for communicative contact with members of other cultures does not necessarily promote intercultural learning.19 An intercultural perspective implies the transformational engagement of the learner in the act of learning. The goal of learning is to decenter learners from their preexisting assumptions and practices and to develop an intercultural identity through engagement with an additional culture.20 The borders between self and other are explored, problematized, and redrawn. In times in which teaching about culture, class, race,

16 Cf. Werner Delanoy: From ‘Inter’ to ‘Trans’?; Laurenz Volkmann: Fachdidaktik Englisch, 2010. 17 Cf. Werner Delanoy: From ‘Inter’ to ‘Trans’?; Maria Eisenmann: Crossovers; Maria Eisenmann et al.: New English Cultures and Literatures. 18 Cf. Werner Delanoy: From ‘Inter’ to ‘Trans’?; Maria Eisenmann: Crossovers. 19 Cf. Claire Kramsch: Symbolic Dimension, and: Teaching Foreign Languages. 20 Cf. ibid.

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Maria Eisenmann

ethnicity and gender has moved beyond the self/other-binary,21 identity and self/ other relations have to be approached differently. This means transferring one discourse system into another or translating culture(s) in global times has become an epistemological challenge and transcultural as well as global issues should be favoured over a focus on specific cultures. Hence, working across cultures in the EFL classroom requires mutual understanding, finding common ground and empathy. Due to globalisation and the spread of the English language,22 newly developed curricula explicitly ask to teach cultures and literatures outside the Anglophone ‘mainstream’, which is the UK and the USA.23 Increasingly, English-speaking cultures, that is the target cultures, now encompass Great Britain, the USA, all native-speaker countries, and all areas on this planet where English is used in lingua franca situations. During the past few years, numerous books have been published which include what was formerly known as the New English Cultures and Literatures in classroom contexts.24 Reasons for this change may be found in attitudes and theories that take up concepts of both the “global village”25 and the critique of Eurocentrism and Orientalism, as exposed by Edward Said.26 Cultural conflicts and causes of misunderstanding are particularly dramatised in postcolonial literature, multicultural novels, and minority texts that deal with the subjects of race and ethnicity. Postcolonial literatures are very often termed the “‘new literatures (in English)’ which accentuates the recentness of their histories, or ‘world literatures’ which defines their ‘global’ nature and amplifies the geographic spread of colonialism, past and present”.27 In particular, the New English Literatures offer manifold connections to a wide variety of cultures around the globe in a way that makes them suitable for exploring questions of 21 Cf. for instance, Sabine Doff / Frank Schulze-Engler: Beyond ‘Other Cultures’; Gabriele Blell / Sabine Doff: It takes more than two. 22 According to Kachru there is an inner circle (English as primary language, for instance, the UK), outer circle (English as second language, e. g. India), and expanding circle (English as foreign language, e. g. Germany). What is most significant is the growth in the expanding circle, which has resulted in English being used between non-native speakers at least as much as between native and non-native English speakers, c.f. Braj B. Kachru: The Handbook of World Englishes, Malden, MA 2006. 23 Cf. Laurenz Volkmann: Opportunities and Challenges. 24 E. g. Sabine Doff / Frank Schulze-Engler: Beyond ‘Other Cultures’; Britta Freitag / Silke Stroh / Uta von Reinersdorff: Cultural Identities on the Move, in: Der fremdsprachliche Unterricht Englisch 95 (2008), pp. 2–6; Julie Mullaney: Postcolonial Literatures in Context, London 2010; Volker Raddatz: ‘Gemeinsam sind wir stark’. Synergien von Fachdisziplin und Fachdidaktik am Beispiel postkolonialer Literatur im Fremdsprachenunterricht, in: Daniela Caspari / Lutz Ku¨ ster (Eds.): Wege zu interkultureller Kompetenz. Fremdsprachendidaktische Aspekte der Text- und Medienarbeit, Frankfurt am Main 2010, pp. 147–156. 25 Marshall McLuhan: Understanding Media: The Extension of Man, New York 1965. 26 Edward W. Said: Orientalism, New York 1978. 27 Julie Mullaney: Postcolonial Literatures in Context, pp. 3–4.

The Potential of Postcolonial (Poverty) Literature in the EFL Classroom

397

‘cultural learning’. The texts all focus on fundamental and existential concerns of human existence as well as postcolonial issues, such as losing home, flight, expulsion, the abuse of political power and the resulting life in poverty and precarity. All of these cross-cultural issues raise the question of the individual’s responsibility. By dealing with topics of general human concern, these texts go beyond mere interculturality and promote transcultural competences.

2.2

Global Education through Postcolonial Young Adult Literature

Since the 1990s, humanities have been contributing to ecocritical debates starting within the field of ecocriticism. Due to the global growth of ecological challenges the field of research has expanded into the area of ecological education.28 There are diverse and varied definitions and also approaches of ecocriticism, pointing to ecocriticism as “the study of the relationship between literature and the physical environment”29 or as “[the] study of the relationship between literature and the environment conducted in a spirit of commitment to environmentalist praxis”.30 Environmental responsibility and the call for commitment have acquired great importance also in the context of EFL teaching. One of the major attempts is to make students understand how environmental global issues concern us all, stressing commonalities in order to ensure the survival of humankind in view of global challenges.31 In the last decade within this shift towards culturality, concepts of global issues have increasingly prevailed in EFL teaching. Global problems caused by growing inequality are likely to remain topical and controversial themes for the foreseeable future. Also, global concerns such as poverty and precarity have increasingly been discussed.32 In today’s EFL classrooms, there are multiple opportunities to deal with global issues of social inequity, discrimination, violence, poverty and precarity. This can be an enriching experience of great educational value, which means to provide important models for understanding the place of the local in an increasingly globalised world. In other words, global education and raising environmental awareness is concerned with teaching is28 29 30 31

Cf. ibid., pp. 396–397. Ibid., p. 396. Ibid., p. 396. See e. g. Sylvia Mayer / Graham Wilson (Eds.): Ecodidactic Perspectives on English Language, Literatures and Cultures, Trier 2006. 32 Cf. Julia Hammer / Maria Eisenmann / Rüdigers Ahrens (Eds.): Anglophone Literaturdidaktik – Zukunftsperspektiven für den Englischunterricht, Heidelberg 2012; Stephanie Knaup: Escaping the Darkness: Rural poverty in India as depicted in the novel The White Tiger by Aravind Adiga (Sekundarstufe II), in: Englisch betrifft uns 2 (2014), pp. 9–15, pp. 18–19.

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Maria Eisenmann

sues of global learning and developing an ethical stance on issues of environmental and also global importance New or re-named concepts of global education, global learning and transcultural competence have become indispensable key terms in EFL discourse.33 However, it is not just an exemplary or representative theme selection on global issues. It is all about enhancing students’ emancipatory, critical-reflexive skills needed in order to raise an awareness for global-local interdependencies.34 Furthermore, it is about the development of identifying the current planetary threat and actively addressing these dangers in a shared ethics of responsibility.35 Focussing on global issues such as social inequity, discrimination, violence, poverty and precarity as well as teaching according to ecodidactic principles has thus become of utmost importance in today’s classrooms. Hempel and Matz clustered Volkmann’s seven principles of ecological education36 into four ecodidactic principles.37 While they do strongly focus on the relationship between humans and the natural environment, they all point to broader principles and ideas, such as the ideas of human responsibility and interconnectivity. The idea that our actions have consequences and that even individual actions may have global implications is emphasized and that everything (and everyone) is related to everything else becomes ever more important in a globalized continuously changing world. Thus, students have to be taught to address the structural causes of poverty and related injustice which might pave the way for a more just, secure and sustainable global future. We are all confronted with climate change, shortage of resources, global injustice and financial crises, ecological disasters, terrorism, migration and displacement. In light of this, postcolonial young adult fiction offers what Ulrich Beck has called “reflexive modernization”.38 The threats, dangers and risks of 33 See for example Reinhold Freudenstein: Global Issues im Englischunterricht, in: Praxis des neusprachlichen Unterrichts 46, 3 (1999), pp. 237–249; John Parham: The Deficiency of Environmental Capital: Why Environmentalism Needs a Reflexive Pedagogy, in: Sylvia Mayer / Graham Wilson (Eds.): Ecodidactic Perspectives on English Language, Literatures and Cultures, Trier 2006, pp. 7–22; Sylvia Mayer / Graham Wilson (Eds.): Ecodidactic Perspectives, 2006; Laurenz Volkmann: Ecodidactics als Antwort auf die planetarische Bedrohung? Zum Einsatz von Ecopoetry im Englischunterricht, in: Julia Hammer / Maria Eisenmann / Ru¨ diger Ahrens (Eds.): Anglophone Literaturdidaktik – Zukunftsperspektiven fu¨r den Englischunterricht, Heidelberg 2012, pp. 393–408. 34 Cf. Laurenz Volkmann: Ecodidactics, p. 394. 35 See Ulrich Beck: World at Risk, Cambridge 2012. 36 Cf. Laurenz Volkmann: Fachdidaktik Englisch, p. 203. 37 Cf. Margit Hempel / Frauke Matz: Ecodidactics im Englischunterricht der Oberstufe: Dystopian Fiction für ökologische Bildung, in: Maria Eisenmann / Margit Hempel / Christian Ludwig (Eds.): Medien und Interkulturalität im Fremdsprachenunterricht: Zwischen Autonomie, Kollaboration und Konstruktion, Duisburg 2013, pp. 169–181, here p. 172. 38 Ulrich Beck: World at Risk, p. 55.

The Potential of Postcolonial (Poverty) Literature in the EFL Classroom

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modernity, the elimination of inequalities and abuses in the field of economy, politics, society, ethnic groups, gender relations, all influence today’s writing, which is focused on the “permanent transformation, accumulation and multiplicity of distinct, often spurious risks – ecological, biomedical, social, economic, financial, symbolic and informational – that characterizes the ambivalence and incalculability of world risk society”.39 This is exactly the society that today’s teenagers grow up in and they have to be prepared to meet these issues in future. Ecodidactics, global education as well as inter/transcultural learning touch upon some of these risks and aim at equipping students to respond to them adequately. All of the approaches aim at preparing future generations for the challenges they face today. International pedagogy has just recently generated into the direction of environmental education in the context of cultural and literary studies approaches. A transition towards such environmentally-oriented ecocritical concepts can also be found in German classroom contexts, for example when dealing with dystopian and post-apocalyptic fiction, which provide some important and valuable stimuli for research but also for university and classroom teaching contexts. However, the question must be asked to what extent the relatively new ecodidactic approach40 can be justified in the field of teaching English as a foreign language (TEFL) and why the objectives of environmental education should be embedded into the disciplines of humanities such as teaching language, literature and culture. The most important impact of humanities most probably lies in enriching ecological discussions by appreciating contradictory scientific doctrines and various opinions or as Parham puts it: This fact, that environmental education is regarded by many of its practitioners as a matter of raising awareness by fostering the ‘correct’ sympathies, values and imagination, implies that humanities disciplines such as literary and cultural studies have an important contribution to make to an education founded on environmental principles.41

This way, the EFL classroom is seen as a potentially empowering discourse which can help learners develop creative abilities and critical thinking. A monological, lopsided focus on ecodidactic methodology can be avoided and students can be 39 Ibid., p. 66. 40 See, for example, Sylvia Mayer / Graham Wilson (Eds.): Ecodidactic Perspectives on English Language, Literatures and Cultures, Trier 2006; Laurenz Volkmann: Ecodidactics als Antwort auf die planetarische Bedrohung? Zum Einsatz von Ecopoetry im Englischunterricht, in: Hammer, Julia / Eisenmann, Maria / Ahrens, Rüdiger (Eds.): Anglophone Literaturdidaktik – Zukunftsperspektiven für den Englischunterricht, Heidelberg 2012, pp. 393–408. 41 John Parham: The Deficiency of Environmental Capital: Why Environmentalism Needs a Reflexive Pedagogy, in: Sylvia Mayer / Graham Wilson (Eds.): Ecodidactic Perspectives on English Language, Literatures and Cultures, Trier 2006, p. 9.

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enabled not only to take part in global discourses, but also to reflect on their responsibility as individuals. Consequently, teaching and learning does not mean following the common tenet or preaching to the converted,42 but using the opportunity for open, democratic constructive interdisciplinary exchanges of ideas. Since many of today’s postcolonial novels portray global ecological degradation caused by political conflicts and show how these environmental issues have an immense impact on the inner world of their fictional societies, they lend themselves to being taught according to ecodidactic principles. This can be exemplified, for example, in Lloyd Jones’s novel Mister Pip, here the people are caught in the throes of war on the island of Bougainville facing the threats to peace, environmental issues, the consequences of an uncontrolled technological development and inequality between social classes and ethnic groups.43

3.

An Example: Teaching Michael Williams’s Now Is the Time for Running

Selecting an appropriate novel for the classroom is not easy. Basically, teachers should choose a text that focuses on adolescent issues that secondary students will find engaging. Teachers have to find a text that a large number of students are able to relate to, empathise or even identify with the characters. In the following Michael Williams’s contemporary realistic fiction Now Is the Time for Running will be used as an example in terms of the theme of poverty and precarity. Teaching students according to the above-mentioned and explained ecodidactic principles shows a way into a more just, secure and sustainable global future. Therefore, an education for global citizenship should include opportunities for young people to develop their skills as agents of change. Now Is the Time for Running is a young adult novel, one of YALSA’s 2012 Best Fiction for Young Adults winners, which is based on actual events in Zimbabwe. This example, in which the author addresses and represents postcolonial issues, such as losing home, flight, expulsion, dictatorship and military violence from the perspective of an adolescent coming of age in postcolonial times, appears as suitable means of getting students acquainted with the particular realities of other beings, in this case a young protagonist of present-day postcolonial South Africa and Zimbabwe.

42 Cf. Laurenz Volkmann: Ecodidactics, p. 396. 43 Cf. Lloyd Jones: Mister Pip, New York 2006.

The Potential of Postcolonial (Poverty) Literature in the EFL Classroom

3.1

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The Author and his Story

Michael Williams is a South African novelist and writer of (radio) plays and musicals. He has also written operas for young people based on African mythology as well as the libretti for symphonic operas that have premiered around the world. In addition to his work at the Cape Town Opera, he is the author of several books, including the young adult novel Crocodile Burning , and most recently, the two young adult novels Diamond Boy and Now Is the Time for Running.44 Each centers, in part, on characters attempting to make the dangerous – and often fatal – journey from Zimbabwe to South Africa. The violence associated with xenophobia is something that has influenced much of Williams’s writing, particularly of late. The comparative social and economic success that followed Nelson Mandela’s release from prison in 1990, and the subsequent end of apartheid, has drawn many refugees, from places like Rwanda, Somalia, and Zimbabwe, seeking better circumstances: There’s a great deal of hatred for the foreigner coming into our country from the black people who themselves were oppressed and victimized during the apartheid regime. It’s resulted in a lot of serious violence; a lot of refugees were killed.”45 These political events and human fates had a great impact on the novel Now Is the Time for Running whose story is based on actual events: In May 2008 in South Africa, xenophobic riots targeted tens of thousands of migrants and refugees, many of whom were from Zimbabwe and seeking asylum in South Africa. The xenophobic attacks, which mostly happened in the Alexandra township, were just one example of the prejudice and violence that refugees in South Africa were experiencing. A number of international newspapers covered the story as several of those refugees were killed in these attacks.46 One particularly graphic image was widely circulated as representing the extent of violence in the riots – a man set on fire. In the postscript of the book, Williams explains that he was moved by these incidents and his own conversations with three homeless Zimbabwean young men and decided to weave them into the novel, which is set in the first decade of the new millennium: “If people knew who that burning man was and how he came to be in South Africa, would they have killed him? To better answer that question I decided that I had to find out more about refugees and how they came to be in my 44 Michael Williams: Crocodile Burning, New York 1992; Diamond Boy, New York 2014; Now Is the Time for Running, New York 2011; and The Billion Dollar Soccer Ball, Cape Town 2009. 45 Jeremiah Chamberlin: “Stories That Sing: A Profile of Michael Williams”, in: Poets & Writers online, January/ February 2019, http://www.pw.org/content/stories_that_sing_a_profile_of _michael_williams?cmnt_all=1 [05. 10. 2019]. 46 G. Underhill / S. Khumalo: “No justice for burning man”, in: Mail & Guardian Online, 30 July 2010, http://mg.co.za/article/2010–07–30-no-justice-for-burning-man [05. 10. 2019].

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country.”47 The stories the three young refugees told him of their journey from Zimbabwe to Cape Town inspired him to write this novel.

3.2

The Novel

Now is the Time for Running is an impressive example of great multicultural literature, because it is about the sociocultural experiences of an underrepresented group, in this case refugees from Zimbabwe. Thus it helps to foster multicultural literacy by enabling students as global participants to gain a better understanding of both their own culture and the cultures of others. Now is the Time for Running is a book about two brothers, Deo and Innocent, living in Zimbabwe with a love for soccer and making a journey to find a better life after their city and family are massacred. The two boys are the only ones who survive and they are forced to leave their home in Zimbabwe after their family is killed in political violence on the president’s orders. In the opening chapters of the novel, 14-year-old Deo witnesses the decimation of his hometown of Gutu, Zimbabwe, by soldiers who accuse the villagers of opposing the current president’s reelection. They abuse his older mentally impaired brother Innocent and then kill everyone in his town while Deo is trying to save his brother. Through the help of friends and strangers, Deo and Innocent escape and cross the border into South Africa. They face many dangers during their journey and when they get to South Africa they are confronted with xenophobia, violence and poverty. As Deo and Innocent find themselves in Johannesburg, South Africa, they notice that the place they thought would save them is the toughest place they have ever been. Through the brothers’ journey, readers get a current portrait of Zimbabwe and South Africa – two countries in the “aftermath of colonialism”.48 It is a well written book and there are many benefits for using it in the EFL classroom. First, it is very suitable for advanced learners because students are exposed to a novel of high asthetic value, well understandable authentic language and context. This allows students to interact with the text, interpret events and discuss opinions in the classroom. Second, students also develop their reading competences, extending vocabulary and developing various strategies to anticipate word meaning from the context, or to reconstruct the meaning of the text by applying their own background knowledge. In this way, the text provides a necessary springboard for developing communicative competence. Third, this novel can have a motivational impact on the students while reading and can thus 47 Michael Williams: Author’s note, in: Now Is the Time for Running, New York 2011, p. 231. 48 A. Hickling-Hudson / J. Matthews / A. Woods (Eds.): Disrupting Preconceptions: Postcolonialism and Education. Flaxton, Queensland, Australia 2004, p. 3.

The Potential of Postcolonial (Poverty) Literature in the EFL Classroom

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become a starting point for exploring different perspectives which leads to discussions in order to find others’ interpretations. Hence, students learn about different worlds, achieving a better understanding of the foreign cultures of Zimbabwe as well as South Africa. Now is the Time for Running looks at cultural issues having to do with treatment of immigrants and at making the African refugee experience relateable to advanced EFL students. Due to the abovementioned criteria this book would be great to read with students to help them see the challenges refugees face and consequently be more open-minded and accepting of their cultural differences. The author does not shy away from including the horrors that happen in those situations but also does not overly describe these things in a way that would traumatize a young reader. Deo’s experiences walk the fine line between adventure and horror. There are a few instances of implied rape (a woman is taken away and hurt by soldiers, for example) that include very little detail. The horrifying murders and beatings that take place in the book are described simply and without a lot of detail, for example when Mugabe’s soldiers arrive armed with guns, destroy the brothers’ village and kill most of the residents in the beginning of the novel. Also the drug addiction faced by the main character Deo is not downplayed and rather handled in a realistic manner that in no way makes the drug seem positive. Deo drifted into this crisis after having escaped from the Flying Tomato farm, when he finds himself penniless and lost. He ends up living in the streets and becomes one of the glue-sniffing street kids in South Africa leading a miserable life. The mentioned horrors that are told in this story are beyond recognition of those of us living in secure places such as Germany. Deo and Innocent’s struggles are more than just being poor and hungry, they are the fear of being killed. For quite a long time the brothers are living under a bridge with a diverse group of other transients when race riots erupt. After days of searching, Deo finds Innocent murdered. Eighteen months later, Deo, living on the streets and sniffing glue, is recruited to participate in the Street Soccer World Cup. With the guidance of the coach Deo and his teammates, many of whom are also refugees, figure out who they are and where they are going. So, the novel has quite a hopeful ending, which some readers may find overoptimistic or rather imposed, but most will probably be glad for Deo’s sake in the face of his destiny.

3.3

Teaching Ideas

Regardless of the action- or product-oriented reading procedures (straightthrough, chapter-by-chapter or segment approach) chosen, the reading process can be accompanied by pre-, while- and post-reading activities, which help to provide appropriate scaffolding. Commonly known, pre-reading activities such

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as predicting the plot from the text’s title or book cover or reading the first sentence can help to activate previous knowledge and raise reader expectations. In order to prepare students both emotionally as well as in terms of language and content the teacher can ask the students to have a look at the Homeless World Cup Website49 – an organisation which supports a network of more than 70 local grassroots football projects around the world. Their mission is to act as a global advocate for the socially-marginalized and homeless. They operate as street football partners in 450 locations, reaching more than 100,000 homeless people every year. So far, the Homeless World Cup and its partners have impacted the lives of 1 million homeless people around the globe. Students can find out about their projects and report in presentations in class. While reading the novel with a focus on poverty and precarity students should be pointed to and sensitised for the sociocultural, economic, and political situation of contemporary postcolonial Zimbabwe and South Africa. In terms of global education, raising environmental awareness and in developing an ethical stance on issues of environmental and also global importance, the following while-reading tasks can be very helpful: – While reading the novel, make a list of all the information the author gives about poverty in the novel. – In a second step, get together in groups and discuss the historical and/or political reasons for poverty. – In your group, design a poster about your findings and present it to the class. Compare and discuss your results in class. By dealing with poverty and consequently with hunger as a topic of general human concern, the novel goes beyond mere interculturality and promotes education for global citizenship and transcultural competences. Hunger is a constant theme from the very beginning of the novel and closely connected to colonialism, for instance in this example: “The president […] said we were hungry because the white man was blocking the food from coming into our country. He is right about the problem of our food. We eat only enough to keep us hungry”.50 There is another example when the soldiers arrive in their village and ask for food: “[Soldier]: ‘Bring me the food.’ This is not what I expected. Does he not know we have nothing, that there is no food here? I see the adults look at one another as if he has asked them for diamonds, or gold bars, or television sets. Food? Why would he want what we do not have”.51 There is a permanent food shortage, a totalitarian government, military oppression, and hyperinflation. The 49 Homeless World Cup: www.homelessworldcup.org [05. 10. 2019]. 50 Michael Williams: Now Is the Time for Running, p. 6. 51 Ibid., p. 12.

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author includes several accounts of Zimbabwe’s unstable economy. In one scene, for example, a character remarked how devalued the currency had become: “Two hundred [South African] rands – today that is twenty billion Zim dollars. Tomorrow it might be thirty billion”.52 This novel was also originally published in South Africa under the title The Billion Dollar Soccer Ball,53 and before he flees to South Africa, Deo describes stuffing a billion Zim dollars in his soccer ball: I know where Amai [mom] hides our money. […] I find several fifty million dollar notes, a few more hundred million dollars. There is no time to count it all. It’s not much, but it will buy us some food. The only problem is how to carry all the notes. I stuff them into the leather pouch. The money fills out the ball nicely, and I find a piece of string and sew up the patch. I toss the ball into the air. Nobody will know I have a billion dollars in my soccer ball.54

The recent economic realities in Zimbabwe reveal that hyperinflation indeed made it possible for Deo to be in possession of a billion dollars. By depicting recent social, political, and economic issues happening in Zimbabwe students learn that poverty and precarity are closely linked to immigration and xenophobia in South Africa. Once Deo and his brother cross into South Africa, they find an opportunity to earn a living even though they are illegal immigrants – they pick tomatoes on a farm located near the border. However, this respite is temporary as Deo soon experiences the wrath of the out-of-work farmers from the neighboring village. Deo and Innocent don’t understand why they are so angry until his friend Philani explains: Before the people started coming across the river from Zimbabwe, the men from Khomele village worked on the Flying Tomato Farm. […] There are thousands of people who come to find work in South Africa. And it is hard for the men from Khomele. They lose their jobs, and then they see people come from across the river eating the food they used to eat and getting the money they used to get. They’re very angry, and who can blame them?55

This fast-paced and affecting narrative shows how xenophobia results from struggling for resources and the fight to survive. This all provides the students with a realistic account of the current social, political, and economic issues at play in postcolonial Zimbabwe and South Africa. The author reveals the complex nature of oppression in post-Apartheid South Africa, which is no longer solely based on race but on nationality and is intimately intertwined with economics and the fight over resources.

52 53 54 55

Ibid., p. 79. Michael Williams: The Billion Dollar Soccer Ball. Ibid., p. 32. Ibid., pp. 124–125.

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Using Now Is the Time for Running with EFL students opens up multiple opportunities for them to learn through inquiry and class discussion. For instance, teachers and students could explore the historical events that have led to Zimbabwe’s recent economic and political struggles. As a post-reading activity they could also conduct research on similar current events at play in their own national contexts, for instance, immigration issues and refugees coming to Germany and other countries, and have a conversation that considers immigration and xenophobia in global, national, and local contexts. This allows them to relate to the novel, to reflect, and question what they have read, which enhances global education and transcultural learning.

4.

Conclusion

Novels like Now Is the Time for Running show that reading stories about people who have experienced colonization and/or its aftermath is not only valuable, but also necessary. These narratives inform students about the experiences of youth around the world in the recent and distant past. This may help teachers and students cultivate empathy towards the protagonists and thus make a contribution to taking transcultural developments into account and facing social realities that go beyond the notions of nation and national cultures. Cart explains that one of the chief values of young adult literature is “its capacity to offer readers an opportunity to see themselves reflected in its pages”.56 However, postcolonial young adult literature like Williams’s Now Is the Time for Running might also evoke a tension for readers who can identify with parts of the narrative, but never all of it. In other words, the experience of coming of age might be familiar to readers, but the cultures, events, and places depicted in the novels will likely not reflect readers’ own experiences. Thus, postcolonial young adult literature presents rich opportunities for classroom discussion. The literature explores multiple topics about the challenges of growing up and invites students and teachers not only to reflect on their own experiences coming of age, but also to examine their own backgrounds and the roles they can play in society: Classroom inquiry nurtures social responsibility, and living a socially responsible life means to live a life of inquiry. […] No longer is the curriculum simply the novel or the facts to be learned but, rather, the students and their teacher together using books, other authentic resources, and their own opinions and experiences to create the ‘living curriculum’ as a true community of learners.57

56 Michael Cart: The Value of Young Adult Literature. 57 Steven Wolk: Reading for a Better World, p. 666.

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Like Wolk I believe that the questions that come out of these conversations can lead students to become democratic citizens on local and global scales.

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Jason Blake (Ljubljana)

Up from Poverty? Sports, Postcolonialism, and Poverty in Canada

Here is a story formula we all know: an athlete, musician or genius is found far from the madding cry, faces challenges, and ultimately prevails. To quote from Neil Lazarus’s keynote lecture at the 2017 GAPS conference, this country-to-city tale “is one of the central topoi of modern fiction.”1 If we replace country with ghetto or with extreme poverty, we have the ideal sports trajectory, perhaps the quintessential modern-day Bildungsroman. Beginning with a focus on actual hockey stories in Canada, this paper first looks at sports as an individual’s potential ticket out of poverty, while also addressing the downside of that career trajectory, specifically, ignoring education. It then considers postcolonialism and poverty in Canada, before finishing with a reading of W.P. Kinsella’s (1935–2016) story “Truth” (1986) – a funny and insightful hockey story about a Cree team that travels from a reserve to win a tournament in town. Keeping the foreign language classroom in view, the paper moves from mythologized tales of escaping poverty, to the matter of poverty in a wealthy country, to considering how students can discuss how fact informs or misinforms Kinsella’s story. Because “Truth” is written by a white author in the narrative voice of a Cree, it brings into focus matters of postcolonialism and appropriation of voice. Each of these topics is highly relevant. Though the British Empire is no longer, the long shadow of colonialism remains important, including how it falls upon poverty. Appropriation of voice and the broader category of cultural appropriation, meanwhile, monopolize headlines as (usually) more privileged groups borrow, adapt, or steal everything from stories to hairstyles from other cultures.

1 Neil Lazarus: Stone upon Stone: Land, Labour and Consciousness in World-Literary Perspective, lecture, University of Bonn, May 25 2017.

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Up from Poverty The real-life Canadian version of the sports success narrative is that of Gordie Howe. Born in 1928 in Floral, Saskatchewan, “Mr Hockey” was one of nine children. His family was poor and Howe lived his formative years in the Great Depression. His was a bleak outlook, but after he managed to acquire a pair of skates, stuffing them with newspaper to make them fit, he went on to find fame and relative fortune by playing one of Canada’s national sports (the other being lacrosse). Howe’s story is archetypal in that if we replace the Canadian prairies with an impoverished area of Brazil, we have the tale of Edson Arantes do Nascimento, better known as Pelé. The degrees of poverty may differ, but the narrative building blocks of the rags-to-riches story remain the same. Real-life stories of rising from poverty are so alluring that sometimes reality gets things wrong and popular historians or sportswriters have to tweak the details. For example, as Robert Pitter points out, reports on basketball star Michael Jordan frequently “ignored his middle-class roots and the advantages that this gave him over working-class or poor blacks”.2 Ringing in the background of Pitter’s observation is the bizarre belief that those who are born poor learn to work harder because of their desire to escape the ghetto. The generic sports success story is a radically individualist, stridently capitalist myth in which success (often measured in financial terms) depends solely on effort and gumption and talent.3 In some instances, mythical thinking implies that going to school hungry is somehow an advantage. If, as any primary school teacher will tell you, it is hard for children to learn if they arrive at school hungry, it is harder still to train without enough calories to fuel the body. Stories about an escape from poverty are heart-warming precisely because they spring from universal desires for a happy end, for a change in one’s social condition, one’s lot in life; but such stories are dangerous because they can lead to an obsession with sports. It is easy for young people to lie to themselves, to think that the only way out of a difficult social and financial situation is to train harder, even if that means ignoring education as a real option for future upward mobility. This single-mindedness is what Leon Culbertson has called the “bad faith” that occurs when young people ignore education, engaging instead in a complete

2 Robert Pitter: Racialization and Hockey in Canada: From Personal Troubles to a Canadian Challenge, in: David Whitson / Richard Gruneau (Eds.): Artificial Ice: Hockey, Culture and Commerce, Peterborough 2006, pp. 123–139, here p. 127. 3 See Robert G. Hollands: Masculinity and the Positive Hero in Canadian Sports Novels, in: Arete 4,1 (1986), pp. 73–84.

Up from Poverty? Sports, Postcolonialism, and Poverty in Canada

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mind–body split by forgoing school as they view their bodies as the only means out of a precarious social situation.4 To return to Gordie Howe, one “Mr. Hockey” biography claims his story is the “Canadian equivalent […] of little George Washington cutting down the cherry tree. It’s a tale that was already being told in elementary school readers a generation ago”.5 Howe’s tale begins like a fairy tale: “At the very bottom of the Depression, a poor woman came knocking at the Howes’ door […]” and, in the words of Howe’s mother, the woman had “a grain sack filled with things and asked me if I would buy it to help her feed her baby. I didn’t have much to offer but I reached into my milk money and gave her a dollar and a half. We dumped the contents of the sack on the floor. Out fell a pair of skates. Of course Gord pounced on them.”6 Through a bit of luck, much effort, and a great amount of natural talent, Gordie skated away to fame and fortune. He was like the fairy tale hero who, after having once been generous, is rewarded by being allowed to live happily ever after. The “typical plot structure and common elements” of sports stories, writes Iris Bremec, “resemble fairy tales or traditional legends, or […] the great American success story”.7 So the basic elements of the Howe story are enticingly literary, and it cannot be denied that incredible but true stories may be attractive to otherwise reluctant young learners who may be more interested in sports than in literature. In such cases, tales about sports heroes are better reading-bait than fairy tales. That being said, it is odd that the Howe story was “being told in elementary school readers”, since Howe did not excel in the classroom and it appears that he (like many young people back in the Depression) never graduated from high school. Though Howe’s story may well attract hockey-loving readers, the moral of his tale appears to be that not staying in school is the key to success. For young readers of today, imagining a time when many left school to help support their families, or when education was not a given, is difficult. Teachers can highlight this historical background of the Howe story as they lead discussions with their students. It would be a biased act of presentism to censure Howe for leaving school to earn money for himself and his family during the Depression, as our criticism would be coloured by our 21st-century attitudes on the value of education. Yet, several decades later, the same disturbing message continues to echo through sports autobiographies. Don’t devote yourself to school, they seem to say. For 4 Cf. Leon Culbertson: The Paradox of Bad Faith and the Technological Attitude to the Sporting Body, in: Dusˇan Macura / Milan Hosta (Eds.): Philosophy of Sport and Other Essays, Ljubljana 2004, pp. 193–208. 5 Roy MacSkimming: Gordie: A Hockey Legend, Vancouver 2012, p. 20. 6 Ibid. 7 Iris Bremec: American Football as a Violent Sport – and Michael Oher’s Rags-to-Riches Journey, B.A. Thesis, University of Ljubljana 2016, p. 56.

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instance, in Bob Probert’s Tough Guy: My Life on the Edge, a 2010 biography published soon after his premature death, we read, “I only showed up at school to meet girls or hang out with my friends. I was failing almost every subject – never cracked a book. I barely went to class.”8 Probert was “an enforcer,” whose role was to instil fear in the other team through physical intimidation. In another enforcer’s biography, Tie Domi’s Shift Work, we read: “Sports was my medicine; it was how I got by [in school]”9 – as if school were a sickness and sports the cure. Bob Probert and Tie Domi (who, incidentally, spent a fair amount of time punching each other during hockey games) differ from Howe because they were not born into poverty. Presumably, they would have had an array of career options available to them. My third example, Reggie Leach’s The Riverton Rifle: My Story: Straight Shooting on Hockey and on Life, sings from the same songbook but is more conditioned by socioeconomics. Born in 1950, Reggie Leach is an Ojibway hockey player who truly did rise from unfortunate economic circumstances, making it from a small Canadian village to become a star player for the National Hockey League’s Philadelphia Flyers for most of the 1970s. He was a leading goal scorer in the world’s premier professional hockey league. When Leach had the chance to move away from his hometown of Riverton, Manitoba, in pursuit of a hockey dream, he recalls, “I told [the coach] I was ready [to] play on a top junior team, but not one that required its players go to school. I still had no interest in academics”.10 There is a profoundly confessional quality to Reggie Leach’s tale. Like many professional hockey players in past decades, Leach was an alcoholic; unlike many professional hockey players, he had to combat the “drunken Indian” stereotype and endure racial slurs such as “dirty Indian”.11 In other words, whereas Howe had to overcome only poverty on his way to hockey glory, Leach had to overcome prejudice as well. In light of this history of prejudice, the IMDB blurb for the 2017 film adaptation of Richard Wagamese’s 2012 novel Indian Horse rings all too true: “A talented hockey player […] must find his own path as he battles stereotypes and alcoholism.”12 Viewers of a certain age will likely see traces of Leach in Wagamese’s fictional character. Thomas King writes astutely about the “drunken Indian” stereotype in The Inconvenient Indian: A Curious Account of Native People in North America. 8 Bob Probert: Tough Guy: My Life on the Edge, Chicago 2010, p. 31. 9 Tie Domi: Shift Work, Toronto 2015, p. 31. 10 Reggie Leach: The Riverton Rifle: My Story: Straight Shooting on Hockey and on Life, Vancouver 2016, p. 22. 11 Ibid., p. 37. 12 IMDB: Indian Horse, summary/blurb, April 13 2018, https://www.imdb.com/title/tt5672286/ [25. 10. 2019].

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There he maintains that “[w]hite drunks tend to be invisible, whereas people of colour who drink to excess are not” – that is, white alcoholics “get to make their mistakes as individuals and not as representatives of an entire race”.13 In King’s thinking, Leach would then be robbed of individuality as others turned him into a representative case of alcoholism, likely ignoring the role of poverty. As an inspiring postlude to his hockey career, Leach later overcame his addiction and devoted himself to helping others with similar problems, including First Nations for whom “trauma has echoed through several generations”.14 The example of Reggie Leach is crucial because it brings together the two topics of this volume: postcolonialism and poverty in the Canadian context.

Canada, Postcolonialism, and Poverty To call Canada postcolonial is misguided whenever the label refers to settler Canada, for whom group trauma has not echoed through the generations. There may be similarities between Canada and India in that Canada is a former colony of Great Britain (and, before that, of France), but, as Linda Hutcheon points out, “when Canadian culture is called post-colonial today the reference is very rarely to the Native culture”.15 Though technically not a misnomer, the term postcolonial in Canada requires a footnote clarifying which segment of Canada’s population is meant. In musing about Canada as a postcolonial country, Terry Goldie offers a wry account of the fuzzy logic that is at play: “The white Canadian looks at the Indian. The Indian is Other and therefore alien. But the Indian is indigenous and therefore cannot be alien. So the Canadian must be alien. But how can the Canadian be alien within Canada?”16 Goldie reminds us of two erroneous answers that have been provided to wriggle out of this logical predicament: incorporation of the Other through adopting symbols, or arguing in absurd essentialist terms that Canada “really began with the arrival of the whites”17 – that is, by simply forgetting history (a topic to which I will return when looking at the W.P. Kinsella story). 13 Thomas King: The Inconvenient Indian: A Curious Account of Native People in North America, Toronto 2013, p. 187. 14 Reggie Leach: The Riverton Rifle, p. 181. 15 Linda Hutcheon: “Circling the Downspout of Empire”: Post-Colonialism and Postmodernism, in: Cynthia Sugars (Ed.): Unhomely States: Theorizing English-Canadian Postcolonialism, Peterborough 2004, pp. 71–93, here p. 74. 16 Terry Goldie: The Representation of the Indigene, in: Bill Ashcroft / Gareth Griffiths / Helen Tiffin (Eds.): The Post-Colonial Studies Reader, London and New York 1995, p. 174. 17 Ibid.

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Goldie’s witty almost-syllogism might be overly complex for classroom use. In contrast, Karen Froman argues that using humorous “material from well-known Native comics”18 is an effective way of getting students to think about history and appropriation. She retells the following joke: a white bigot says, “Why don’t you people go back where you came from?” “So I camped in his backyard,” is the reply.19 This joke smoothly and succinctly introduces the themes of bigotry and perceptions of the other or alien, and the essentialism inherent in the question of just who the real North Americans are. If postcolonial is very often misguided in Canada, poverty is no less thorny. Canada is a wealthy nation by any global standards, and the most abject poverty in Canada pales against poverty in most other parts of the world. Indeed, the tragedy in Canada is that poverty of any sort exists. “In a country as wealthy as Canada,” argues Jim Silver, “we could largely eliminate poverty if governments and the citizens who elect them were to choose to do so”.20 For less prosperous countries, this task is a more difficult one (which marks another distinction between Canada and less wealthy postcolonial countries). Though the Canadian government still does not have an official poverty line,21 which makes progress difficult to chart, recent decades do appear to have seen improvement. Silver cautiously points out that the poverty level in Canada has remained at about 3 million for thirty-five years (Canada’s population, meanwhile, has increased from around 25 million to around 37 million), which is a step forward. Poverty in Canada, however, is “increasingly racialized – disproportionate numbers of Aboriginal people and non-white newcomers are poor, and this is likely to continue to be the case since these categories of people are among the most rapidly growing in Canada”.22 Half of all Aboriginal children live in poverty, many reserves suffer from a lack of clean water and proper housing, and infant mortality rates are higher among the First Nations population than among whites. Precisely because Canada enjoys a generally positive reputation as a just and wealthy country, teachers might encourage students to research poverty in Canada. A quick internet search will yield such disturbing headlines as “Clean running water still a luxury on many native reserves”, “Why can’t we get clean water to First Nation reserves?”, and “Why is Canada denying its indigenous 18 Karen Froman: Buffalo Tales and Academic Trails, in: Drew Hayden Taylor (Ed.): Me Funny, Vancouver / Toronto / Berkeley 2006, pp. 118–123, here p. 118. 19 Ibid.: The author of the joke appears to be American-born Charlie Hill, Oneida-MohawkCree. 20 Jim Silver: About Canada: Poverty, Halifax / Winnipeg 2014, p. 10. 21 On the challenges and hurdles involved, see Chantal Collin: Measuring Poverty: A Challenge for Canada, Library of Parliament, Oct. 18 2008, https://lop.parl.ca/content/lop/Research Publications/prb0865-e.pdf [25. 10. 2019]. 22 Jim Silver: About Canada, p. 12.

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peoples clean water?” Newspaper and magazine headlines concretely show poverty as a dismal aspect of Canadian society, while also indicating a split between Canada as a colonial and a postcolonial country. Has the settler population appropriated water as well as land? How can one account for the absurd incongruity of lacking drinking water in a country known for its many freshwater lakes and rivers? Concrete examples from contemporary sources can stoke students to discuss various types of poverty and appropriation within particular Canadian postcolonial surroundings.

Back to Hockey – Teaching W.P. Kinsella’s 1986 Story “Truth” Living in poverty means that one is “excluded from anything resembling a ‘normal’ life.”23 Though hockey has become a very expensive sport in recent decades, exclusion from hockey is not symbolically akin to exclusion from such luxuries as champagne breakfasts and yachting. Why not? Because in Canada, so the mythology, a “normal life” includes some sort of engagement with hockey. Hockey ideology in Canada, notes Sam McKegney, “involves the pervasive lie […] that hockey is inevitably a vehicle for intercultural inclusion and social harmony.”24 The nation that plays together presumably stays together. Through popular narratives told and retold in television commercials, accounts of legendary hockey greats, and in hockey fiction, hockey is popularly put forth as a national language or cornerstone of Canadian unity. The reality, however, does not seem to support this narrative of national inclusion through hockey. Even the seemingly archetypal or timeless Gordie Howe story is dated, because 21st-century hockey has become too expensive, meaning that “the days of young men from working-class families in rural Canada going on to succeed in the National Hockey League are over.”25 Mary Louise Adams observes that in hockey arenas “[p]oor people are noticeable by their absence. And even in Canada’s largest cities, the culture of the public arena tends to be white”.26 In other words, hockey exists as a source of ethnic and economic division rather than as a common focal point.

23 Ibid., p. 10. 24 Sam McKegney / Trevor J. Phillips: Decolonizing the Hockey Novel: Ambivalence and Apotheosis in Richard Wagamese’s Indian Horse, in: Angie Abdou / Jamie Dopp (Eds.) Writing the Body in Motion, Edmonton 2018, pp. 167–184, here p. 172. 25 Richard Gruneau: Goodbye, Gordie Howe: Sport Participation and Class Inequality in the “Pay for Play” Society, in: David Taras / Christopher Waddell (Eds.): How Canadians Communicate V: Sports, Edmonton 2016, pp. 223–246, here p. 223. 26 Mary Louise Adams: Freezing Social Relations: Ice, Rinks, and the Development of Figure Skating, in: John Bale / Patricia Anne Vertinsky (Eds.): Sites of Sport: Space, Place, Experience, London / New York 2004, pp. 57–72, here p. 72.

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Against this backdrop, W.P. Kinsella’s 1986 story “Truth” highlights hockey as a gulf rather than a bridge between white Canada and Indians. The reasons for choosing this text for classroom purposes are complicated and many. First, the vocabulary and length of the story (about 3700 words or five A4 pages) make “Truth” accessible to high school students studying English as a foreign language. Second, the story picks up on the themes of both postcolonialism and poverty. Third, because the story is laced with humour and thus fun to teach, which is of course crucial for motivation. The fourth reason is most topical and most crucial: Kinsella is guilty of appropriation of voice – that is, of writing in the voice of First Nations characters that are removed from his own ethnicity. As Gerald Vizenor writes in a December 1987 Los Angeles Times review of The Fencepost Chronicles, “[t]he author plays Indian for a white audience.”27 Much of the English in “Truth” is non-standard and, as will be seen from the extracts quoted below, many sentences sacrifice grammar for sprightliness of expression. Especially in the foreign classroom, Kinsella’s invented speech variety can be a danger because students may equate non-grammatical speech with lack of education or of intelligence. However, even if we agree with Vizenor’s moral concerns about how Kinsella “plays Indian”, we can still benefit from the text by using it to delve into such topics as stigma associated with ways of speaking, and whether one has the right to represent another group’s (alleged) way of speaking. In other words, the teacher can use the story “Truth” to scrutinize and skewer stereotypes. Regardless of the pedagogical approach the teacher takes – and regardless of whether one believes an author should be allowed to write in the (necessarily invented) voice of another group – the fact that Kinsella was not Indigenous must be mentioned and discussed. Though it is hard to imagine that Kinsella’s story would be published these days, merely criticizing his authorial decisions would be missing a pedagogical bus. Now that Canadian Indigenous writing is booming,28 the tired argument that there is a paucity of fine Indigenous writers no longer holds. On the other hand, Cree author Beth Cuthand – quoted in Kenneth Williams’s splendid resource kit for teaching indigenous literature – says, “we actually have Kinsella to thank for an increased awareness and sensitivity to a 27 Gerald Vizenor: Playing Indian for the White Man, review of The Fencepost Chronicles by W.P. Kinsella; in: Los Angeles Times, December 20, 1987. For a parallel but real-life example of “playing Indian,” see Andrew Holman’s ribald account of two travelling Cree and Ojibway hockey teams who played hockey for American audiences in ceremonial headdresses and with made-up names. “In dressing up and acting as ‘imaginary Indians’”, writes Holman of these occasional hockey teams, “these real Natives were having a laugh at their paying customers’ expense.” Andrew C. Holman: Telling Stories About Indigeneity and Canadian Sport: The Spectacular Cree and Ojibway Indian Hockey Barnstorming Tour of North America, 1928, in: Sport History Review, 43 (2012), pp. 178–205. 28 See Daniel Heath Justice: Why Indigenous Literatures Matter, Waterloo 2018.

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First Nation voice.”29 These conflicting viewpoints can feed discussion of appropriation of voice as we ask students direct questions such as: Should Kinsella be allowed to write in the voice of a Cree? Of a less-well-off group? Can a story become less culturally sensitive as time passes? What does it mean to have characters speaking in non-standard English? Kinsella’s story “Truth” begins with an unruly event at a hockey arena: No matter what they say it wasn’t us that started the riot at St. Edouard Hockey Arena. The story made quite a few newspapers and even got on the Edmonton television, the camera showing how chairs been ripped out of the stands and thrown onto the ice.30

If students do not immediately see the division, teachers can easily draw their attention to the firm delineation between us and them and the narrator’s desire to tell our version of the “Truth” that is questioned and highlighted in the story’s title – all the while noting that our version of it is muddled by the fact that Kinsella is white. He is therefore adopting a medial position as he puts on another group’s voice. Though the story, against all images of hockey as a road to harmony, implies an absolute division between white and native, Kinsella adopts a slippery middle ground in speaking of them (that is, the whites) as he plays Indian: “None of them come right out and say us Indians was to blame for the riot; they just present what they think are the facts and leave people to make their own minds up. How many do you think decide the white men was at fault?”31 Kinsella neatly leaves the rhetorical question about blame unanswered, meaning that a white author is accusing other whites of being bigoted. Like many comic tales, “Truth” starts with a money-making scheme. A “small town hockey tournament” in the Franco-Albertan town of St. Edouard is offering 1000 dollars to the winning team.32 A character named Frank from a local reserve sees an opportunity and approaches Sports Canada for funding. Kinsella downplays the government’s status by having his narrator quip, “I’m not sure what Sports Canada is, but I know they figure if they give all us Indians enough hockey sticks […], we forget our land claims, quit drinking too much, get good jobs so we can have the weekends off to play games.”33 This passage is amazingly compact, bristling as it does with competing viewpoints, epistemologies and causalities (alongside the stereotypes about drinking and unemployment). “I’m not sure” is counterbalanced by an awareness of how white Canada thinks, and 29 Quoted in Kenneth Williams: Cultural Appropriation and Aboriginal Literature, Windspeaker 2018. 30 W.P. Kinsella: “Truth”, in: Rick Wilber (Ed.): The Essential W.P. Kinsella, San Francisco 2015, pp. 1–11, here p. 1. 31 Ibid. 32 Ibid. 33 Ibid., p. 2.

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the plump causality of “if they give us Indians enough hockey sticks” is strikingly not in accord with the forgetting of land claims. Like many passages in “Truth”, this one is a pleasure to read and interpret but also disturbing as it points to the real-world difficulties hovering over Kinsella’s story – including the omnipresent question of whether Kinsella should be writing about a fictional reserve at all. As Gerald Vizenor notes, “humor is no excuse to exploit negative preconceptions about tribal people.”34 In direct opposition to the joke Froman tells of camping in the white bigot’s backyard, we have the story of who is telling the story. This is a very useful theme for discussion because students have to query the tension between appropriateness and humour. An Indigenous comedian can tell a joke about camping in a white man’s backyard, but should Kinsella be allowed to reinforce stereotypes in an intelligently comic story? Predictably, “Truth” ends with the underdogs winning the big game, aided by their 400-pound goalie Etta, who is larger than the net and who, tired of being struck by pucks, leaves the ice and blocks the net through magic: “It is like Etta bricked up the front of the goal with invisible bricks.”35 Final score: “Hobbema Wagonburners 1, St. Edouard Bashers 0.”36 This should be the end of the sports story. Wisely for a story that is not only about hockey, Kinsella continues beyond the final result. The Bashers’ loss to a rag-tag bunch of non-hockey players causes mental damage to the locals and the local team. The solution? “The Bashers decide to start the tournament over the next day, playing against teams they can beat. They agree to pay us $2500 to go home and never enter their tournament again.”37 The riotous game and post-game shenanigans end with superficial harmony: The Hobbema Wagonburners receive more money than the wily Frank had hoped for at the start when he approached Sports Canada; the Bashers can save face by ignoring the loss to a hapless team. The white tournament-hosts undo history by pretending the game never happened. Like those creative thinkers who believe Canada “really began with the arrival of the whites”,38 the white hosts, who set up the tournament in order to win it, decide the tournament really begins once the cash-strapped Hobbema Wagonburners leave town. They demand an impossible forgetting of the immediate past and an ignoring of any First Nations presence in that past. “Truth” ends with the very opposite of hockey as a national glue, with a strange denial of First Nations’ rich history of hockey – indeed, Michael Robidoux even speaks of 34 35 36 37 38

Gerald Vizenor: Playing Indian. W.P. Kinsella: Truth, p. 9. Ibid., p. 10. Ibid., p. 11. Terry Goldie: The Representation of the Indigene, 1995, p. 174.

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informal hockey environs as a place where “Native Americans consciously accept or reject qualities of the sport to make it their own”.39 The ending of the story asserts and confirms division in both racial and economic terms.

Conclusion: Back to School? To bring this paper full circle, I return to Reggie Leach, the Ojibway player who as a young man “still had no interest in academics”.40 The astute reader will recognize a glimmer of hope in the qualifier “still” and realize that the words are spoken in the voice of an older, wiser self that is looking back upon the folly of youth. Decades later, after defeating alcoholism and moving to a community on Manitoulan Island, Ontario, also with the aim of helping young First Nations kids grow through hockey, Leach changed his outlook. “To overcome poverty”, he notes, “stronger supports need to be in place so that kids finish their schooling. Kids who are sent outside the community for higher education need to know they have community support […] to encourage them to stay in school. […] The bottom line is that education is the only sure way out of poverty.”41 These words may sound hackneyed and generalized, and perhaps they are; but they neatly reject the focus on individualism and the bad faith that sports is the only way out of a precarious situation.

Bibliography Adams, Mary Louise: Freezing Social Relations: Ice, Rinks, and the Development of Figure Skating, in: Vertinsky, Patricia Anne / Bale, John (Eds.): Sites of Sport: Space, Place, Experience, London / New York 2004, pp. 57–72. Bremec, Iris: American Football as a Violent Sport – and Michael Oher’s Rags-to-Riches Journey, B.A. Thesis, University of Ljubljana 2016. Collin, Chantal: Measuring Poverty: A Challenge for Canada, Library of Parliament, Oct. 18 2008, https://lop.parl.ca/content/lop/ResearchPublications/prb0865-e.pdf [25. 10. 2019]. Culbertson, Leon: The Paradox of Bad Faith and the Technological Attitude to the Sporting Body, in: Macura, Dusˇan / Hosta, Milan (Eds.): Philosophy of Sport and Other Essays, Ljubljana 2004, pp. 193–208. Domi, Tie: Shift Work, Toronto 2015. 39 Michael Robidoux: Stickhandling Through the Margins: First Nations Hockey in Canada, Toronto 2012, p. 25. 40 Reggie Leach: The Riverton Rifle, p. 22. 41 Ibid., p. 123.

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Froman, Karen: Buffalo Tales and Academic Trails, in: Taylor, Drew Hayden (Ed.): Me Funny, Vancouver / Toronto / Berkeley 2006, pp. 118–123. Goldie, Terry: The Representation of the Indigene, in: Ashcroft, Bill / Griffiths, Gareth / Tiffin, Helen (Eds.): The Post-Colonial Studies Reader, London / New York 1995, pp. 232–236. Gruneau, Richard: Goodbye, Gordie Howe: Sport Participation and Class Inequality in the “Pay for Play” Society, in: Taras, David / Waddell, Christopher (Eds.): How Canadians Communicate V: Sports, Edmonton 2016, pp. 223–246. Hollands, Robert G.: Masculinity and the Positive Hero in Canadian Sports Novels, in: Arete 4, 1 (1986), pp. 73–84. Holman, Andrew C: Telling Stories About Indigeneity and Canadian Sport: The Spectacular Cree and Ojibway Indian Hockey Barnstorming Tour of North America, 1928, in: Sport History Review, 43 (2012), pp. 178–205. Hutcheon, Linda: “Circling the Downspout of Empire”: Post-Colonialism and Postmodernism, in: Sugars, Cynthia (Ed.): Unhomely States: Theorizing English-Canadian Postcolonialism, Peterborough 2004, pp. 71–93. IMDB: Indian Horse, summary/blurb, Apr 13 2018, https://www.imdb.com/title/tt5672286/ [25. 10. 2019]. Justice, Daniel Heath: Why Indigenous Literatures Matter, Waterloo 2018. King, Thomas: The Inconvenient Indian: A Curious Account of Native People in North America, Toronto 2013. Kinsella, W.P.: “Truth”, in: Wilber, Rick (Ed.): The Essential W.P. Kinsella, San Francisco 2015, pp. 1–11. Lazarus, Neil: Stone upon Stone: Land, Labour and Consciousness in World-Literary Perspective, lecture, University of Bonn 2017, May 25 2017. Leach, Reggie: The Riverton Rifle: My Story: Straight Shooting on Hockey and on Life, Vancouver 2016. MacSkimming, Roy: Gordie: A Hockey Legend, Vancouver 2012. McKegney, Sam / Phillips, Trevor J.: Decolonizing the Hockey Novel: Ambivalence and Apotheosis in Richard Wagamese’s Indian Horse, in: Abdou Angie / Dopp, Jamie (Eds.): Writing the Body in Motion, Edmonton 2018, pp. 167–184. Pitter, Robert: Racialization and Hockey in Canada: From Personal Troubles to a Canadian Challenge, in: Whitson, David / Gruneau, Richard (Eds.): Artificial Ice: Hockey, Culture and Commerce, Peterborough 2006, pp. 123–139. Probert, Bob: Tough Guy: My Life on the Edge, Chicago 2010. Robidoux, Michael: Stickhandling Through the Margins: First Nations Hockey in Canada, Toronto 2012. Silver, Jim: About Canada: Poverty, Halifax / Winnipeg 2014. Vizenor, Gerald: Playing Indian for the White Man: The Fencepost Chronicles by W.P. Kinsella, in: Los Angeles Times, 20 Dec. 1987, http://articles.latimes.com/1987-12-0/ books/bk–29947_1_frank-fencepost [25. 10. 2019]. Williams, Kenneth: “Cultural Appropriation and Aboriginal Literature”, Ammsa, n.d. , http://www.ammsa.com/sites/default/files/html-pages/old-site/classroom/CLASS3 appropriation.html. [25. 10. 2019].

Stefan Schustereder (Neuss)

Poverty and Precarity in EFL Teaching – Social Diversity in German EFL Curricula and Textbooks

In 2015, the United Nation’s General Assembly formulated its goal to abolish global poverty within 15 years until 2030. With this ambitious plan, the Assembly did not only react to a widening of the gap between rich and poor that has continued to gain momentum since the turn of the millennium; this goal was also a result of the increasing pressure on the political decision makers by the public, by numerous NGOs and by the media to act out against poverty and precarity worldwide. While the public interest and protest developed alongside a growing quality and quantity of information about and media coverage of both of these topics on the one hand, they have – on the other hand – only marginally found their way into teaching curricula and school textbooks in Germany and, consequently, into the state-authorized canonical knowledge taught in schools in Germany.1 My paper will discuss in what way EFL curricula and textbooks have begun to resemble and to contribute to a discourse of poverty and precarity in the past two decades in EFL teaching in general. It will show that the depiction of poverty and precarity particularly in EFL textbooks can be found within a postcolonial context but also in an exclusively European perspective. It will, furthermore, illustrate that examples of these topics are often presented from a strong Eurocentric perspective and tend to include a pejorative view of non-European countries and cultures, particularly in Africa. In addition, they often appear positivistic, constructing a dichotomy between European and non-European countries while ignoring both cultural diversity and social and historical origins of poverty and precarity depicted in the examples.2 This rather ambiguous si1 See Thomas Höhne: Schulbuchwissen. Umrisse einer Wissens- und Medientheorie des Schulbuches, Frankfurt am Main 2006, p. 18–19 or Lässig, Simone: Textbooks and Beyond: Educational Media in Context(s), in: Journal of Educational Media, Memory and Society 1, 1 (Spring 2009), p. 1–20. On the role of textbooks in school education and their particular importance in EFL learning, see Eckhardt Fuchs, et al.: Das Schulbuch in der Forschung, Göttingen 2014, p. 9. 2 On the problem of the “unawareness, or blatant ignorance”, of existing political or economic inequalities in ICC teaching, see Laurenz Volkmann: Intercultural Learning and Postcolonial

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tuation, as this paper will argue, contradicts the growing relevance of intercultural communicative competence and the increasing importance it has received in various curricula of the German states, or Bundesländer. When looking at the current guidelines outlined in teaching curricula and regulations of Germany’s most populated state, North Rhine-Westphalia, the teaching of and learning about cultural as well as social diversity are both parts of the regulations that provide the basis for school education in Germany.3 This can be seen particularly with the requirements for foreign language teachers and is outlined in relation to the students in the classroom, the competences and topics covered in class as well as the materials used to cover these topics. Following the educational standards for foreign language teaching in the Gymnasium issued by the Standing Conference of Minister of Education and Cultural Affairs of the German Bundesländer, the Kultusministerkonferenz or KMK, social and cultural diversity of the student body, in addition to the students’ gender and native languages, must be taken into consideration by schools, political decision makers and teachers alike. These standards clearly outline the role of social diversity in education, stating that “[b]ei der Umsetzung der Bildungsstandards im Unterricht muss jedoch selbstverständlich die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden, die unter anderem mit ihrem sozialen und kulturellen Hintergrund, ihrer Herkunftssprache und ihrem Geschlecht verbunden ist.”4 Providing the basis for all state-issued and schoolimplemented curricula, these educational standards thus outline four main characteristics of student diversity that need to be taken into consideration when teaching a foreign language: their social background, their cultural background, their native language and their gender. Of course, the implementation and the everyday work with all of these characteristics would deserve a closer look at how these guidelines are translated into the state-issued as well as the school-implemented curricula but, within the context of the topic of my paper and the limited space available, the first characteristic of social diversity will be in the Studies: “Never the Twain Shall Meet”, in: Maria Eisenmann / Theresa Summer (Eds.): Basic Issues in EFL Teaching and Learning, Heidelberg 2013, p. 169–180, p. 169 in particular. 3 In Germany, curricula development lies in the responsibility of each individual state. While following respective federal recommendations and guidelines, state policy decides on the content of each German state’s curricula. Textbooks also need to be state-approved before they are allowed to be used in German schools. North Rhine-Westphalia is used here as an example because it is the most populated state of the country. This paper uses examples from textbooks published by Cornelsen publishers, one of the three major textbook publishers in Germany. Although textbooks need to be approved by each state individually, there are only marginal differences between the different state’s versions. 4 Kultusministerkonferenz: Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18. 10. 2012, p. 19.

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focus of the following analysis while cultural characteristics will also be touched upon. The aforementioned guidelines consider the topic of social diversity again in the context of one of several if not the main area of teaching in the German EFL classroom, the intercultural communicative competence (ICC). Here, the standards formulate one of the central goals that students should reach when taught in German Gymnasium: Die Schülerinnen und Schüler können ihr Orientierungswissen über die Zielkulturen in vielfältigen Situationen anwenden: Aspekte der Alltagskultur und Berufswelt, Themen und Probleme junger Erwachsener, gegenwärtige politische und soziale Bedingungen, historische und kulturelle Entwicklungen einschließlich literarischer Aspekte sowie Themen von globaler Bedeutung.5

Moving away from the social and cultural diversity of the learners themselves, the standards here define the topics more closely that need to be covered when working with the target cultures in the German EFL classroom. Focusing on young adults is justified by the possibilities of identification they offer for the learners in the Gymnasium who are usually within a similar age range. The same is true for the focus on the everyday lives as well as the working realities of these young adults that are offering the learners a clear relationship of the topics covered in class and their own everyday realities. In this regard, the standards also include not only present-day realities of political and social living conditions in the target cultures, for example Great Britain, the USA or South Africa, but also specifically include the historical and the cultural developments that led to these conditions. Consequently, curricula and school textbooks in German EFL classrooms should not only teach students about the present social conditions of young adults living in the target cultures but are also required to explain the historical and cultural developments behind this present state, a circumstance that naturally has been of specific interest for postcolonial issues, as will be discussed shortly. Taking a closer look at these rather general standards provided by the KMK, two aspects become of particular interest. The first is the question of how these standards are realized in the state-issued curricula, the second is how they are included and made available by textbooks used in the classrooms. As for the first aspect, the standards, originally intended for the German Gymnasium and the Alevels, Abitur in German, also found their ways into the state-issued curricula in German middle schools such as the Realschule. Taking a closer, exemplary look at the state of North Rhine-Westphalia, a close if not verbatim passage can be found in the curriculum for EFL teaching in the Realschule: “Sie [the students] können 5 Ibid., p. 33.

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in der Auseinandersetzung mit den politisch, sozial und kulturell geprägten Lebensumständen von Menschen der anglophonen Bezugskulturen kulturspezifische Wertvorstellungen, Einstellungen und Lebensstile verstehen und mit eigenen Vorstellungen vergleichen.”6 As would be expected, the curriculum is more specific than the standards issued by the KMK stating that students are required to understand the living conditions, political, social and cultural, in the target cultures as well as to compare them with their own. Similar to the KMK standards, the Middle School curriculum also specifically mentions a focus on the social living conditions in the target cultures whereas it does not include a required considering of the historical or cultural developments leading to these conditions. Still, while the educational standards issued by the KMK were directed at the development of curricula in the German Gymnasium, the middle school curricula also explicitly include the social living conditions in the target cultures as required topics in the EFL classroom. This is also the case when taking a closer look at the state-issued curriculum at the Gymnasien in North Rhine-Westphalia. Similar to the Middle School-curriculum, students in the Gymnasium are required to develop skills in intercultural understanding: “Sie [the students] können in der Auseinandersetzung mit den politisch, sozial und kulturell geprägten Lebensumständen von Menschen der anglophonen Bezugskulturen kulturspezifische Wertvorstellungen, Einstellungen und Lebensstile verstehen und mit eigenen Vorstellungen vergleichen.”7 It appears that the requirements on the curriculum for the Gymnasium found its way into the Middle School-curriculum or vice versa. Be that as it may, the attention paid to the learning of social and other living conditions in the target cultures is apparent for both school forms as it is emphasised in both state-issued curricula. For the Gymnasium, the state-issued curricula emphasize the role of EFL teaching in the context of cultural as well as social understanding and competence: trägt insbesondere auch der Englischunterricht im Rahmen der Entwicklung von Gestaltungskompetenz zur kritischen Reflexion geschlechter- und kulturstereotyper Zuordnungen, zur Werteerziehung, zur Empathie und Solidarität, zum Aufbau sozialer Verantwortung, zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Sicherung der

6 Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Kernlehrplan Englisch für die Realschule in Nordrhein-Westfalen Englisch, 1. Auflage, 2004, [accessed 19 February 2015], p. 11. 7 Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Kernlehrplan Englisch für die Sekundarstufe II Gymnasium/ Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen, 1. Auflage, 2014, http://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_SII/e/GOSt_Englisch _Endfassung3.pdf [accessed 19 February 2015], p. 17.

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natürlichen Lebensgrundlagen, auch für kommende Generationen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, und zur kulturellen Mitgestaltung bei.8

The requirements for the Gymnasium are, to a certain extent, more complex and also more diverse than it is the case in the Middle School-curriculum. Students in the Gymnasium are required to be able to reflect, that is to compare critically, cultural and gender stereotypes in order to develop an understanding of a variety of issues including values, empathy, solidarity, social responsibility as well as the basis of a democratic society among other aspects. It is interesting to see that, again, particularly the EFL classroom is assigned with the development of such issues which, besides other areas, are supposed to explicitly contribute to the students’ development of social responsibilities that are, also repeatedly, mentioned in close relationship with cultural understanding and tolerance. This is further specified in another passage of the Gymnasium curriculum focusing on text and media competences. Here, the curriculum states that “Textund Medienkompetenz umfasst die Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler, Texte selbstständig, zielbezogen sowie in ihren historischen und sozialen Dimensionen [my emphasis] zu verstehen und zu deuten sowie eine Interpretation zu begründen.”9 Clearly, students will require materials, either in the form of texts or in the form of other media, in order to develop and implement these skills when working with these materials. The curriculum furthermore emphasizes that students need to understand materials in their social as well as their historical dimensions. The curriculum here again draws from the KMK standards that, as shown above, already made the connection between social everyday realities and their historical development. Students, thus, need to learn to work with and understand materials in regard to both the present realities and their historical development and, as the curriculum points out, need to achieve this understanding individually as well as independently. The situation as outlined in the educational standards by the KMK and implemented by the state-issued curricula for both Middle School and Gymnasium in Germany thus shows three central aspects for the argument made in this paper: – First, the learning about the social living conditions in the target cultures is one of the central topics in EFL learning which holds a prominent position in the social and cultural education of students in both school forms. Neither the standards nor the curricula offer specific information on the role of poverty and precarity in this topic. However, it is to be assumed that both issues are considered to be included within the general topic of social living conditions in the target cultures as well as their cultural and historical developments.

8 Ibid., p. 13. 9 Ibid., p. 17.

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– Second, students are required to learn not only to understand about the present and past of social living conditions in the target cultures but are also expected to be able to compare these with their own social past and present. – Third, texts and other media are explicitly mentioned as materials that can and should be employed in the classroom work in order to teach students necessary competences to work with such materials within their educational environment as well as beyond. In the everyday reality of the EFL classroom, these materials can be found in the form of textbooks, which remain a central source for working materials in German schools particularly in EFL teaching.10 Keeping these three aspects in mind, my paper will now take a closer look at how they are reflected in EFL teaching materials used in both the Middle School system as well as in the German Gymnasium. I chose specifically materials that address poverty and precarity as I understand these topics, as stated above, to be included in what the educational standards and curricula describe as social and cultural education. The textbook Work with English by the German textbook publisher Cornelsen has been used for several years and in several editions when teaching students in Middle Schools. The 4th edition of Work with English was published in 2012 and the textbook offers a number of chapters that address the social and cultural work of English-speaking countries and also provides several examples on the topics addressed in this paper. In the second chapter, the book addresses diversity under the headline “Everybody’s different”. Here, the book offers pictures of white and non-white families, of parents with an adopted child, of older generations with a child, of a single parent as well as same-sex parents in order to initiate classroom discussions and exchange and thus covering a variety of modern family combinations. On the following page, a seemingly diverse collection of characters is continued when looking at people with an immigrant background living in Germany (Fig. 1):11 Here, the textbook provides three examples of youths with an immigrant background living in Germany. Taking a closer look, however, provides some details on how these three youths came to Germany. While the first example speaks of grandparents who immigrated to Germany, the third example informs the reader that the girl came to Germany because her father is now working in the country. Both girls, eventually, identify either with a German or a European identity. The example of the boy, though, represents a significant contrast here: he immigrated to Germany with his family as a refugee from his seemingly war10 See Eckhardt Fuchs, et al.: Das Schulbuch in der Forschung, Göttingen 2014, p. 96. 11 Shaunessy Ashdown, et al.: Work with English, 4th ed., Berlin 2012, p. 18.

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Fig. 1: “Germany is our home”, from: Shaunessy Ashdown, et al.: Work with English, 4th ed., Berlin 2012, p. 18.

torn home country, the Democratic Republic of Congo, hoping for a good education and job perspective in Germany. Thus, the boy is the only example that makes no mention at all of a possible national identity. At the same time, it conveys the reader the image of a war-stricken African country from where the boy escaped with his family to Germany, where he hopes for a successful future. Consequently, the depiction of the multi-ethnic background of the female examples appears much more detailed and complex whereas their hopes and wishes for their future remain, in the first example, unknown or, in the second example, vague and restricted to language skills. The example of Lionel, however, focuses on something entirely different: here the goals are to have a good life, a

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good education and a job perspective in a democratic country. Thus, this example not only completely ignores the question of a possible ethnic identity, in contrast to the other two examples, but also demonstrates a completely different topic, that is an outlook to the future. This difference in the depiction of people with mixed-European and nonEuropean ethnic backgrounds seems surprising but is elaborated on in the following textbook pages (Fig. 2):12

Fig. 2: “Life in the Democratic Republic of Congo”, from: Shaunessy Ashdown, et al.: Work with English, 4th ed., Berlin 2012, p. 19.

Here, the topic introduced by the example of Lionel on the previous page is continued with a grammar exercise using the example of the life in the Democratic Republic of Congo (DRC). Again, the reader learns about the war in the country and that many people from the DRC are refugees in other countries, establishing a connection with the information found in the previous text example above. The text also offers some details about the country itself mentioning its rural character, the presence of natural resources as well as the numerous ethnic groups and languages. Finally, the reader learns that Congo used to be a colony of Belgium. This text, seen individually as well as in the context of the examples presented on the previous page, leads to a variety of questions concerning its depiction of the Congo and the country’s characteristics. First of all, the depiction of poverty and precarity in the DRC is explicit and also brought into context with the conflict and wars in the country. Poverty, thus, is shown in the context of two issues here, refugees and war, as it is explicitly placed within an African country as well as a postcolonial context.

12 Ibid., p. 19.

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It remains open if armed conflicts or poverty are the reasons for people fleeing the country, presumably both issues have a part in this, but the text explicitly states that people escape from the DRC to other countries, connecting this text with the example of Lionel on the previous page. This contrasts a poor and wartorn African country with a seemingly happy life in Europe with educational and professional goals for the people living there. The postcolonial binarism in form of a Manichean duality,13 that is a reduction of a complex and multi-layered issue into a simplified binary opposition, implicitly introduced by the first text example is, thus, re-introduced and now explicitly developed in the second text that draws the negative, if not primitive, image of an African state as counterexample to a European country like Germany. This is further contributed to by the significant statement that “Many do not get [an] education” contrasting a, for many people in the DRC, non-existent education system with a system full of opportunities for a refugee boy in Germany, as we learned in the example of Lionel on the previous page. However, the text appears to offer a more diverse picture of the DRC: it informs the learner about the Congolese population, the urban and rural population and its natural resources. Unfortunately, the information about the 60 million people living in the DRC remains isolated, students are given neither information about the population in their own country, that is Germany, nor on the urban and rural distribution of the German population. The textbook also offers no tasks or incentives to research these numbers in order to be able to establish a comparison between the DRC and Germany and, therefore, fails to offer the learners with an opportunity to compare their social and cultural present with the one in the DRC. Instead, the text informs the students that people in DRC are poor and unable to benefit from the rich natural resources, presumably due to the conflict. Following this strategy, I argue that the text does two different things: first, it draws an image of the entire Congolese population as a victim of violence and war, a surprising and undifferentiated view which, unfortunately, agrees with the previous statement of “many do not get [an] education” discussed above. Again, the learner faces the stereotype, one might add postcolonial, of a poor, uneducated and suffering population in Africa.14 Consequently, the text then fails to mention any context about the conflicts of natural resources in the DRC: namely, that a variety of militias as well as the government have pursued year-, if not decade13 On the issue of binary constructions in postcolonial studies, see Homi K. Bhabha: The Location of Culture, New York 1994 or Abdul R. JanMohamed: The Economy of Manichean Allegory, in Bill Ashcroft, et al. (Eds.): The Post-colonial Reader, New York 1995, pp. 18–19. 14 This is only one example of the perpetuation of stereotypes, prejudices and clichés based on depictions and discourses grounded in a colonial mind-set in intercultural learning that has been criticized before in Laurenz Volkmann: “Never the Twain Shall Meet”, p. 170.

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long conflicts over numerous natural resources which are sold to mostly European and North American companies, particularly in the tech sector, and end up in products bought by people living in first world countries. Here, establishing a connection between the conflicts in the DRC and the use of natural resources from these countries in the everyday lives, of German consumers, could have offered a number of controversial topics and opportunities to draw connections with and pursue comparisons between the social and cultural realities of the learners’ everyday lives and the culture depicted in the textbook.15 Unfortunately, the textbook avoids any critical approach to the topic. Instead, the text proceeds with information about the country, sometimes in a rather undifferentiated language (what exactly can be understood by “an unbelievable number of languages”?), again with no information or task that would enable students to develop the knowledge or skills for any form of comparison. Finally, the text gives a last piece of information about the DRC for the learners that strikes particularly surprising: “Many speak French. This is [an] official language because the country once was [a] colony of Belgium.” Adding to the facts presented in this example, the textbook fails to take a closer look at the colonial past of the country beyond simply mentioning it to have been a Belgian colony. Again, this would have been an opportunity to learn about the postcolonial past of the DRC, but since the postcolonial present of the country found no mentioning in the textbook materials it appears consistent to remain silent about its past as well. This final passage, however, leads to an even more general questioning of the material used here: how is it possible that a former Belgian colony, with French as its official language, is used as a reference culture in an EFL textbook? Consequently, aside from, one might claim, traditional postcolonial binarisms and stereotypes presented here to the learners, the text thus remains ignorant of any postcolonial topics or influences. In addition, the choice of the example country used for this exercise also comes as a surprise: The Democratic Republic of Congo has no connection whatsoever with the English language, and thus the EFL classroom, which leaves the author of this paper wondering about the motivation of the textbook authors and publishers in their choice of text material as well as their choice of a reference culture. While this is not the place for a detailed discussion of an entire textbook, the following example offers an idea that the passages discussed above are not an isolated issue. On a later page, Work with English contains a text titled “A pair of Jeans”, informing the learners about the different countries and people involved 15 The lack of a problematization of present-day consequences of (post)colonialism in intercultural learning was also pointed out by Volkmann, see Laurenz Volkmann: “Never the Twain Shall Meet”, p. 170.

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in the production of a pair of jeans. The students learn that the jeans, before being sold in London, travel there from Tunisia over France and are produced from cotton in Benin in West Africa. Here, the text provides some details: Where did the cotton come from? Italdenim buys cotton from several places, but mainly from Benin in West Africa. Some of it comes from Nestor Zinkponon’s small farm, where 48 people work in the fields for about 60p (around 65–70 cents) a day. In a bad year, Mr Zinkponon makes just £ 10 (around € 12) profit from 1 tonne of cotton. That’s enough to buy one leg of a pair of Lee Cooper jeans. The only way to make money out of cotton is to have plenty of family members who work for free, says Mr Zinponon, who has two wives. ‘Some farmers have six or eight wives.’16

In addition to the low pay of the cotton producers in Benin, their dependence on cheap or free workers and the fact that farmers marry more women in order to have more people working for no money, the text also provides us with information on the production process in Tunisia: In Ras Jebel, a small town of 3000 people, Lee Cooper clothes are made in three factories. In the factory which made our jeans, 500 women work at sewing machines. Each has a small task to do: zips, pockets, legs. Each works like a robot: bonuses depend on fast work. There are no safety guards on the machines and the women concentrate hard, keeping their fingers away from the sharp needles. Trained machinists make about 58 p (around 65–70 cents) an hour.17

Again, the text describes the low wages of workers and seamstresses in lowincome countries while, at least implicitly, pointing out the context and consequences of European consumerism. It ignores, however, Europe’s postcolonial heritage and the historical and contemporary role of European policies and European aid organizations in the creation of these working conditions, the destruction of the local garment industries in particular. The reasons why the authors and publishers of Work with English again chose former French colonies as reference cultures for an EFL classroom remains unknown once more. It is unlikely, though, that this decision could be explained with a lack of former English colonies that are today Third World and low-income countries producing consumer goods for Europe or the rest of the Western world under inhumane working and production conditions. In terms of a possible critical discussion of these aspects, the textbook does not provide many choices of tasks and opportunity. What it does offer, however, is a task on the following page where students work with materials on how to plan and develop a European shopping centre. Here, the book supplies the learners with different floor plans to choose from and to discuss as well as with incentives 16 Shaunessy Ashdown, et al.: Work with English, p. 113. 17 Ibid.

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on how to make shopping centres more fun. This structuring of the materials, again, confronts learners with an overwhelming contrast of poor low-paid workers in African countries, marrying numerous wives to have workers they do not need to pay, and European or German people building fun shopping centres perpetuating the aforementioned binarism and stereotypical images. This short analysis of text material provided in a Middle School textbook has shown that the depiction of poverty and precarity in EFL textbooks suffers from a number of weaknesses. The materials discussed above mostly fail to offer students with any opportunity to compare social and cultural conditions between their own living realities, or Lebenswelt, and the conditions depicted via the examples in the textbook. In addition, the materials seem to propagate (postcolonial) binarisms and stereotypes particularly of countries in Africa, thus perpetuating a negative if not primitive image of these countries to students educated in German Middle Schools. In addition, the examples discussed employ non-English speaking countries as reference cultures in an EFL textbook, again for no apparent reason. This leads to the question of how textbooks used in a German Gymnasium approach this issue. For this reason, I would like to take a closer look at Context Starter, a book for students in grade 10 and 11 in the German Gymnasium, published by Cornelsen in 2014. It offers a variety of materials that, at least indirectly, touch the subject of poverty and precarity. The learner encounters it in a first task focusing on the analysis of charts and data about the fears of teenagers in the US (Fig. 3).18 Financial troubles rank third in this list of teenage fears and thus are offered as a subject for analysis and discussion working with the material in class. In addition, the material also provides the opportunity for a critical reflection of these results as well as for a comparison of these findings with the learners’ own fears and thoughts as can be seen in the tasks following the text: they focus on a class survey where learners should download a questionnaire and reflect on how data can be collected “as efficiently as possible”.19 They are asked to carry out the survey and compare the results with those provided by the textbook and present their results in class. Seen in the context of the expectations of the educational standards of the KMK as well as the requirements listed in the curricula, these tasks thus not only offer materials to analyse and learn about cultural and social realities in a reference culture of EFL but also employ materials that can support the students’ skills when working with texts and other media as well as their developing the

18 Graham Carl Bamber, et al.: Context Starter, Berlin 2014, p. 17. 19 Ibid.

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Fig. 3: “Teen fears”, from: Graham Carl Bamber, et al.: Context Starter, Berlin 2014, p. 17.

skills for comparing their own cultural and social reality with the realities in an English-speaking country. This first, if short but in general promising example thus fulfils the expectations issued by the German educational authorities to a much higher degree than the previous passages discussed above. Furthermore, this first impression is confirmed when taking a closer look at another example found in a textbook from the same series, Context, which is the version used in the following two final years of the German Gymnasium. Context addresses diversity as a very general topic which also, again very implicitly, addresses the topic of poverty and precarity when introducing the concept of ethnic neighbourhoods, again using the USA as a reference culture (Fig. 4).20 Within the scope of the argument made here, this text example is of interest for three reasons. First, it puts the existence of ethnic neighbourhoods in the first paragraph in a broad, one might want to say rather general, but still correct historical context, thus offering the learners information on how the social reality of ethnic neighbourhoods came into existence. In addition, the second paragraph focuses more detailed on former ethnic neighbourhoods of African-Americans in the US explaining how the settlement of African-Americans in pre-1968 America influenced housing prices and the value of properties, consequently inviting learners to reflect on the relationship between ethnic neighbourhoods and poor and rich people living in different urban areas. Thirdly, the following task, as seen with previous tasks as well, again

20 Irene Bartscherer et al.: Context, Ausgabe Nordrhein-Westfalen, Berlin 2015, p. 141.

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Fig. 4: “Dealing with diversity”, from: Irene Bartscherer et al.: Context, Ausgabe NordrheinWestfalen, Berlin 2015, p. 141.

invites students not only to analyse the text beyond a general reading but also to compare its information and data with their own living realities, again inviting them to reflect cultural and social living conditions in Germany and to compare them with the US. A similar but more detailed while still balanced example can be found in the same textbook focusing on the European financial crisis. The text introduces Melissa Abadia, a young woman from Spain who, facing the financial crisis and the resulting unemployment in her home country, decides to leave and settle in the Netherlands in order to find work and build a new life.21 She left her home following the financial crisis in 2008 and moved to the Netherlands in order to find work. Although highly educated, there were no career options in her home country and she was forced to leave her home in spite of her being home sick and her “hating the fact that I have to do this.” She arrived in Amsterdam where she found herself looking for work among other young people from various European countries. She felt alienated and strange but succeeded in finding some short-term positions that were still better than her non-paid internships in Spain. Eventually, her short-term jobs led her to a permanent contract in the retail business in the Netherlands where she began building a future for herself far away from her home. The text thus uses the example of a 23-old woman, at least offering a possible but distant identification for students in grade 11 or later who would be around 16 years or slightly older. It connects well with the first example taken from a German Gymnasium textbook discussed above that focused on fears and problems of teenagers in Europe and the US and included financial issues. In addition, the accompanying tasks invite students again to go beyond a mere un21 Ibid., p. 162.

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derstanding of the story and approach a contextualization with the situation of young people and employment in Europe in general, thus are addressing the fear of precarity in a young person’s life:22 The following tasks thus address the text competence of the learners via one question about her live in Amsterdam and the consequences of youth unemployment in Europe in general but also instructing the learners for write a short summary of the text. This is followed by two grammar tasks focusing on direct and indirect speech as well as a creative writing task. Here, learners are encouraged to form groups and take over Ms. Abadia’s perspective and formulate a diary entry about her experiences as an immigrant. For the first task, it remains unclear, however, where learners would draw information they can use in order to point out the consequences of youth unemployment in Europe in general. All in all, with this example the learners are not offered with a possibility to compare the situation explained in the text with their own social reality by the tasks provided in the textbook. They are, nevertheless, encouraged to further work with the information provided by the young woman from Spain who now lives in the Netherlands and to take her perspective to work with a creative writing task. Another interesting aspect is, again, the choice of reference culture. The text focuses on a young woman in Spain who moves to the Netherlands, both countries that can hardly be considered as reference cultures in the EFL classroom. Regarding the impact of the financial crisis in Great Britain, it seems likely that an example of a young unemployed person from there would have been available. Alternatively, a young person from a European country moving to Great Britain in order to find work and settle for a new life would also have been a possible option to at least include one reference culture. Both options would have offered numerous additional possibilities for learners to access information and further knowledge about the cultural and social realities of an English speaking country and to continue with additional materials and sources written in English. In conclusion, the discussion above has shown that poverty and precarity are, at least implicitly, present in both the educational standards of the KMK and the school curricula for English both in German Middle Schools and the German Gymnasium. They are recommended for younger as well as more advanced learners and brought into context with the development of text and media analysis skills as well. For the Middle School, or Realschule, the curriculum explicitly states a focus on the present situation and condition but does not demand to include information or details about past conditions which are, however, demanded by the Gymnasium-curriculum. Consequently, it was to be expected that poverty and precarity are featured in textbooks used in Middle 22 Ibid., p. 163.

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Schools and the German Gymnasium and that they are equipped with additional materials and tasks that enable students to further develop their text and media competences in particular as well as their overall intercultural communicative competence in general. Looking at textbook examples used in German Middle Schools, in this case in the Bundesland North Rhine-Westphalia, a discussion of Work with English published by the German publisher Cornelsen, has shown that the book fulfils this requirement as it features detailed information on the lives of young people in Germany and, to a certain extent, addresses aspects of poverty and precarity among young people today. Following the curriculum, Work with English does not address issues of the past or venture to put recent conditions into a historical context. However, the examples above have shown the textbook to draw a simplistic and far from diverse image of poverty and precarity among people living outside First World countries, in this particular case in countries in Africa. Here, the textbook reproduces postcolonial binarisms and stereotypes using the examples of poverty, civil war, poor living conditions and a lack of education in African countries, which is already a too general approach to grasp the concept of multicultural Africa altogether. These are contrasted with social success stories of immigrants moving to or living in First World countries like Germany, outlining their wish for education, employment and success in their new homes. In regards to the use of reference cultures, materials provided in Work with English surprise as the textbook makes plenty of use of former Belgian or French colonies where the official languages might feature European languages like French, but that can hardly be considered as reference cultures for the EFL classroom. In addition, Work with English offers students working with the materials neither tasks nor texts or further materials to develop intercultural communicative competence in terms of a reflection of poverty and precarity in their own culture, their own culture’s role in creating and taking advantage of poverty and precarity in Third World-countries or a comparison of their own cultural and social realities, or Lebenswelt, with materials presented in the textbook. Following the respective curriculum, EFL textbooks used in the German Gymnasium appear to draw a more diverse image of poverty and precarity in the world both today and in the past. Here, we find examples of these issues in ethnic neighbourhoods in the USA or of people living in and moving between European countries in order to escape the harsh financial realities following the Global and European financial crisis in 2008, thus these textbooks explicitly address the everyday reality of young people. When addressing poverty and precarity in the USA, Context not only introduces students to African-Americans living in such conditions but also offers them a historical context of the present-day situation, thus covering the present and the past, at least to a certain extent, as required in the curriculum. In regard to the use of different reference cultures, Context

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Starter uses examples taken from a US context whereas the sequel, Context, uses examples taken from Spain and the Netherlands. Again, we find reference cultures with no connection with the English language. In this regard, as well as in regard to Work with English, there is no explanation for the neglecting of more authentic and more appropriate choices for the EFL classroom by the authors and publishers of the respective textbooks. The tasks found in Context Starter offer students the opportunity to compare the materials on ethnic neighbourhoods in the USA with their own living conditions and realities, albeit the textbook fails to provide material or information where to access information on such issues in these tasks. The tasks presented in Context, however, have an explicit focus on grammar whereas they do not offer any opportunity to reflect on the social situation in the students’ own Lebenswelt or present tasks encouraging a comparison of cultural and social realities between the learners’ lives and the examples taken from the text. Regarding the role of poverty and precarity in EFL textbooks, the examples discussed in this paper thus offer a diverse situation that leaves some room for suggestions for further development. While the depiction of present-day realities of poverty and precarity has found its way into the textbooks used both in Middle School and the German Gymnasium, the choice of tasks as well as the choice of reference cultures used in this context come as a surprise. First and foremost, in order to fulfil the expectations voiced in the educational standards by the KMK and the curricula of the educational authorities, a first step would be to better focus the choice of materials and examples to countries where the English language at least plays a significant role. Furthermore, in order to allow students to learn about the social realities in other cultures and compare them with their own, textbooks must either include materials that allow such comparisons or provide students with information about how to access appropriate materials beyond the textbook in order to further develop their skills and knowledge within the intercultural communicative competence. Finally, considering the normative role of textbooks in the creating of identities, cultural values and cultural and social knowledge of learners, it surprises that (postcolonial) binarisms between rich and poor, European and African, South European and Western European cultures still prevail and continue to communicate simplistic and stereotypical images of what is a much more facetted, diverse and complex world. The choice, the use and the presentation of materials used to learn about cultural and social diversity in the German EFL classroom thus could and should reflect the growing importance of an intercultural (communicative) competence appears recommendable, particularly in the light of the rise of nationalism, ethnic stereotypes and a growing xenophobia in the country and all over Europe in recent years.

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Abbildungsverzeichnis

Umschlagabbildung Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universita¨ t Bonn, Akademisches Kunstmuseum. Copyright: Barbara Frommann / Universita¨t Bonn. Entnommen aus der Fotogalerie der Universita¨t Bonn, „Die Uni Bonn in Bildern“, verfu¨ gbar unter: https://cams.ukb.uni-bonn.de/hkom/album/Gebaeude%20und%20Museen/Aka demisches%20Kunstmuseum/index.html#Akademisches_Kunstmuseum_06_ LR.jpg [05. 10. 2020]. Werner Nagel: Latinitas Pons. Latein – Brückenfunktion im modernen Fremdsprachenunterricht. Didaktische Modelle Abb.: Berlin, Brandenburger Tor vor dem Fall der Mauer. Foto: DI Werner Neyer. Katrin Siebel: Das Schulfach Latein in einem Gesamtsprachencurriculum – Überlegungen zur Förderung von Mehrsprachigkeit Abb. 1: Faktorenmodell für L1 bis L4, aus: Hufeisen, Britta: L3 – Stand der Forschung – Was bleibt zu tun?, in: Dies. / Lindemann, Beate (Hg.): Tertiärsprachen. Theorien, Modelle, Methoden, Tübingen 1998, S. 169–183, hier S. 171f. Abb. 2: Wo curriculare Mehrsprachigkeitsdidaktik in der Schule stattfinden kann, aus: Hufeisen, Britta: Gesamtsprachencurriculum: Einflussfaktoren und Bedingungsgefüge, in: Dies. / Lutjeharms, Madeline (Hg.): Gesamtsprachencurriculum – Integrierte Sprachendidaktik – Common Curriculum. Theoretische Überlegungen und Beispiele der Umsetzung, Tübingen 2005, S. 9–18, hier S. 15. Abb. 3: Entwurf für ein Gesamtsprachencurriculum, aus: Hufeisen, Britta: Gesamtsprachencurriculum: Weitere Überlegungen zu einem prototypischen Modell, in: Baur, Rupprecht / Dies. (Hg.): „Vieles ist sehr ähnlich“. Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Aufgabe, Baltmannsweiler 2011, S. 265–282, hier S. 272.

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Abbildungsverzeichnis

Maria Eisenmann: Adaptation, Creation, Transformation – Shakespeare in the EFL Classroom Abb.: Sexton, Adam / Pantoja, Tintin: Shakespeare’s Hamlet: The Manga Edition, Hoboken, NJ, 2008, p. 76. Roland Ißler: Kaffeekultur zwischen café und caffè im bildungsorientierten Französisch- und Italienischunterricht. Zum fremdsprachendidaktischen Potential eines transkulturellen Alltagsphänomens und seiner literarischen Reflexe Abb. 1: Cappuccino mit Milchschaum-Verzierung. – Foto: Roland Ißler. Abb. 2: Dufour, Philippe Sylvestre: Traitez Nouveaux & curieux du café, du thé et du chocolate, Lyon 1688, https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k855 985n [17. 01. 2020]. Abb. 3: Anonymus, Se´rie encyclope´dique des lec¸ons de choses illustre´es. Feuille n° 5, Histoire industrielle. Le cafe´ [le Cafe´ des gourmets de l’usine Tre´bucien], Paris: Glücq, 1881, http://catalogue.bnf.fr/ark:/12 148/cb413886607 [20. 01. 2020]. Laurenz Volkmann: Das Erproben interkultureller Begegnungssituationen in critical incidents: Zehn Beispiele für die Komplexität einer viel empfohlenen Lehr-Lernmethode Abb. 1: Straßenmarkierung zum Linksfahrgebot in Großbritannien. – Foto: Laurenz Volkmann. Abb. 2: Frollein Motte, „Do you guys in India have computers and stuff ?“, in: Grimm, Nancy / Meyer, Michael / Volkmann, Laurenz: Teaching English, Tübingen 2015, S. 152. Abb. 3: Handschriftliche Rechnung aus einem Londoner Restaurant. – Foto: Laurenz Volkmann. Abb. 4: Ausstellungswand im Center for Civil and Human Rights, Atlanta. – Foto: Laurenz Volkmann. Stefan Schustereder: Poverty and Precarity in EFL Teaching – Social Diversity in German EFL Curricula and Textbooks Fig. 1: “Germany is our home”, from: Ashdown, Shaunessy, et al.: Work with English, 4th ed., Berlin 2012, p. 18. Fig. 2: “Life in the Democratic Republic of Congo”, from: Ashdown, Shaunessy, et al.: Work with English, 4th ed., Berlin 2012, p. 19. Fig. 3: “Teen fears”, from: Bamber, Graham Carl, et al.: Context Starter, Berlin 2014, p. 17. Fig. 4: “Dealing with diversity”, from: Bartscherer, Irene, et al.: Context, Ausgabe Nordrhein-Westfalen, Berlin 2015, p. 141.

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Dr. Christina Bertelmann, StR’ i.E. Franziskus-Gymnasium Vossenack Dr. Jason Blake University of Ljubljana Sonja Döll-Schmidt, OStR’ i.R. Ludwig-Georgs-Gymnasium Darmstadt Prof. Dr. Maria Eisenmann Universität Würzburg Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Freese † Universität Paderborn Dr. Roland Ißler, AR Universität Bonn Prof. Dr. em. Johannes Kramer Universität Trier Prof. Dr. Uwe Küchler Universität Tübingen Prof. Dr. Christoph Oliver Mayer Humboldt-Universität zu Berlin / Technische Universität Dresden Mag. Dr. Werner Nagel, OStR i.R. Stella Matutina / Bundesgymnasium Feldkirch

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Dr. Bianca Roters QUA-LiS NRW, Soest Dr. Peter Schildhauer, AR Universität Bielefeld Dr. Stefan Schustereder Theodor-Schwann-Weiterbildungskolleg Neuss Dr. Katrin Siebel Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW), Berlin Dr. Philipp Siepmann Universität Münster Dr. Theresa Summer Universität Würzburg Prof. Dr. Laurenz Volkmann Universität Jena