Im Glanz der Krone [3 ed.]

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Im Glanz der Krone [3 ed.]

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Wieder ein großer Bucherfolg:

Der zweite Band der Lebenserinnerungen Herzogin Viktoria Luises Mit 60 Illustrationen N iluTfs

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der zweiten Umsiiiiagklappe

D er erste Band der Erinnerungen, der unter dem Titel „Ein Leben als Tochter des Kaisers“ herausgegeben wurde, hat ein großes, welt­ weites Echo gefunden. Das Buch war ein Lebensbericht, in dem naturgemäß der Ab­ schnitt bis zum Jahre 1914 nur einen kleinen Raum beanspruchen konnte. Dem Wunsch vieler Leser folgend, berichtet die Herzogin in dem neuen Band über die Epoche, die man die „gute alte Zeit“ nennt. Sie selbst sagt: „Dieses Buch unterscheidet sich von dem vorangegangenen darin, daß jenes einen Überblick über mein Leben gab, bis in unsere unmittelbare Gegenwart; die nun vorgeleg­ ten Aufzeichnungen handeln allein von der Zeit, die noch im Glanz der Krone stand und die zu erleben mir vergönnt war.“ —Das letzte Mitglied der kaiserlichen L’amilie schil­ dert das Leben am deutschen Kaiserhof! Nie­ mals bisher ist mit solcher Ausführlichkeit und Detailkenntnis berichtet worden. Exakt in der Darstellung, immer wieder bisher unveröffentlichte Tagebücher und Aufzeich­ nungen ihrer Eltern und Großeltern heran­ ziehend, amüsant, humorvoll und freimütig in ihrem Urteil, breitet die Verfasserin ein buntes und fesselndes Panorama der Jahre vor uns aus, die als das goldene Zeitalter in die Geschichte eingegangen sind. —Auch für diesen Band gilt der Satz: „Eine sprachliche und geistige Noblesse durchzieht das ganze Werk. Es ist nicht nur gut zu verschenken, sondern auch gut zu lesen.“

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Im G k n z der Krone

GÖTTINGER VERLAGSANSTALT

Bildernadiweis: Staatsbibliothek Berlin, Süddeutsdier Verlag, Oscar Tellgmann, Ullstein-Bilderdienst, Privatbesitz, Archiv der Göttinger Verlagsanstalt. Sdiutzumschlagporträt: Karin Lose.

36.—50. Tausend

3. Auflage — 1968 Alle Rechte Vorbehalten, audi die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung. © 1967 by Göttinger Verlagsanstalt, Göttingen-Hannover Druck: Graphische Betriebe A. Madsack & Co. GmbH., Hannover ßuchbinderisdie Verarbeitung; Großbuchbinderei W. Langelüddecke, Braunschweig Printed in Germany

D er Erinnerung an m eine Eltern

Wenn ich jetzt eine weitere Aufzeichnung der Öffentlichkeit über­ gebe, so glaube ich, ein Wort des Dankes voranstellen zu sollen: Meinen Dank für die rührende Aufnahme, die mein Buch, das vom Verlag unter dem Titel »Ein Leben als Tochter des Kaisers« herausgegeben wurde, gefunden hat. Die weite Zustimmung hat mich überrascht. Viele tausend Briefe gingen in den letzten Monaten bei mir ein, aus dem In- und Ausland, in deutscher und auch fremder Sprache, von Menschen aller Stände, jeden Herkommens und Alters. Und bei den Gelegenheiten, da ich in mehreren Städten dem Wunsch nachgekommen bin, mein Buch mit einer Signatur zu versehen, konnte ich mit Tausenden meiner Leser sprechen. Es war ein bewegendes Erlebnis, ihnen die Hand geben zu können. Auch sie stammten aus allen Gauen unseres Vaterlandes, aus Nord, Süd und West, und sehr viele nannten die Länder und Provinzen Ost­ deutschlands ihre Heimat. Ganz besonders habe ich mich jedoch über die jungen Menschen gefreut, die zu mir über meinen Lebensbericht sprachen. Ich hatte bei seiner Niederschrift gesagt, daß er dazu dienen möge, den Älteren unter uns die Erinnerung zu erhalten und der jüngeren Generation ein getreues Bild aus schicksalsschweren Zeiten zu vermitteln. Welch ein beglückendes Gefühl, erleben zu dürfen, daß dieser Wunsch Wirklichkeit geworden, erfahren zu können, daß mein Anliegen verstanden worden ist! Dieses neue Buch unterscheidet sich von dem vorangegangenen darin, daß jenes einen Überblick über mein Leben gab bis in unsere unmittel­ bare Gegenwart; die nun vorgelegten Aufzeichnungen handeln allein von der Zeit, die noch im Glanz der Krone stand und die zu erleben mir vergönnt war. Wie zuvor habe ich mich wiederum bemüht, zeitgenössische Doku­ mente sprechen zu lassen. Ich bin der Meinung, sie helfen eine vergangene Zeit zu verstehen und vermitteln ein präziseres und anschaulicheres Bild, als es das nachträglich beschreibende Wort zu tun vermöchte. Zudem waren sie zum Teil bisher nicht bekannt. Ich bin glücklich, daß mir bei der Gestaltung dieses Buches wieder Mitarbeiter zur Seite standen, die mich sachverständig beraten haben. Ihnen gilt erneut mein besonderer Dank. Braunschweig, im Oktober 1967

INHALT Schlüssel zur Vergangenheit........................................... 11 Aus der Ahnengalerie.....................................................21 Unser F r itz ................................................................... 47 Der Augustenburger.....................................................77 Kensington Palace........................................................103 P o tsd a m ...................................................................... 123 Die Kaiserin................................................................. 153 Der Weiße S a a l ........................................................183 H o f b a l l ...................................................................... 207 H ofchargen................................................................. 223 B undesfürsten............................................................ 245 Reichsboten................................................................. 265 Auf den Weltmeeren...................................................289 Im bunten Rock............................................................ 307 Die kleine R esid e n z...................................................341 Anhang: Namenverzeichnis......................................... 359 Stammtafeln................................................................. 371

Schlüssel zur Vergangenheit

Die Vorstellung, noch einmal zur Feder zu greifen, war mir nicht nur fremd, sondern — warum soll idi es verschweigen — auch wenig sympathisch. Journalisten, die mich wohlmeinend gefragt hatten, wie ich mich als neue Autorin fühle, hatte ich dahin beschieden, daß es schon nicht leicht sei, Schriftstellerin zu werden — es zu sein aber sei noch weitaus schwerer. Dennoch wurde ich, einmal mehr, einmal weniger drängend, mit der Frage konfrontiert, mich erneut an den Schreibtisch zu setzen. Stimmen wurden laut, die bedauerten, daß ich in meinen bisherigen Schilderungen über jene Epoche, die wir als »Die gute alte Zeit« zu bezeichnen pflegen, nicht ausführlicher berichtet hätte. »Die Erinnerung ist das einzige Para­ dies, aus dem wir nicht vertrieben werden können«, schrieb mir eine Lese­ rin. Mit diesem Wort von Jean Paul unterstrich sie den von ihr und vielen anderen an mich herangetragenen Wunsch, über jene Jahre, die strahlend zu uns herüberleuchten, mehr von mir zu hören. Ein naher Verwandter aus der jungen Generation, Sproß eines der ältesten deutschen Fürsten­ häuser, überraschte mich mit der Feststellung, daß es gerade meine Auf­ gabe sei, ihm und seinen Altersgenossen aus der alten Zeit das weiter­ zugeben, was zu wissen für sie von Bedeutung wäre. Gewiß, so sagte ich mir, mein Buch hatte eine Darstellung vom Verlauf meines Lebens gegeben, und jene gute alte Zeit, die aus vielen langen Friedensjahren erwachsen war, endete eben bereits, als ich eine junge Frau war, damals, als unsere Männer zu den Waffen greifen mußten, als »in Europa die Lichter ausgingen«. Und wieviel mehr hatte ich doch über mein Leben zu berichten gehabt, als lediglich aus jenem ersten Lebensabschnitt zu schöpfen! Meinte ich doch zu sehen, daß sich der Weg unseres Volkes über Flöhen und durch Tiefen seit der Jahr­ hundertwende in deutlichen Konturen, die es verdienten, festgehalten zu werden, in allen Stationen meines Lebens widerspiegelt. Wenn ich in meinem Braunschweiger Fieim über die Anregungen zu einem weiteren Buch dann und wann nachdachte, wanderte mein Blick gelegentlich zu einem Service, das ich hier aufgestellt habe. Es ist ein Geschenk meiner Brüder zu meiner Silberhochzeit. Mein Bruder August Wilhelm hatte es damals übernommen, das Präsent auszuwählen. In seiner feinen, sinnigen Art ließ er bei der Berliner Porzellan­ manufaktur zwölf entzückende Mokkatassen malen, deren Motive die Stätten unserer glücklichen Kindheit und Jugend zeigten. Das viel­ geliebte Marmorpalais — das kostbare Neue Palais, für uns Geschwister Mittelpunkt der gemeinsamen Erinnerungen — das ehrwürdige könig­ 1 3

liehe Schloß zu Berlin, Sdiauplatz ruhmreidier Vergangenheit und traditionsmächtiger Staatsakte — das westpreußische Cadinen, einst Inbegriff ungestörten Landlebens — Rominten mit seinen Wäldern — und weiter: Wilhelmshöhe — Homburg — Charlottenhof — Lindstedt — Cecilienhof — und schließlich Sanssouci und die Pfaueninsel. Selige Erinnerung! Über ein halbes Jahrhundert ist seit damals vergangen. Welch eine weite Spanne! Was alles ist seitdem geschehen! So konnte es kaum ausbleiben, daß ich, wenn ich so meinen Gedanken weiter und weiter nachging, jäh abbrach. Bilder dunkler Tage drängten nach vorn. Ich sah meinen Bruder Oskar. Vor meinen Augen stand plötzlich wieder jene grauenvolle Zeit, da unser Land im Inferno des zweiten Weltkrieges zusammengeschlagen wurde. Oskar, der stets nur als Soldat gelebt und gedacht hatte, harrte in Potsdam aus. Bis zum sdirecklichen Ende. Ein General, der — da Hohenzoller — ohne militäri­ sches Kommando war und auf Lu ft schützwache stand, Brände löschte und dort mit zupadete, wo er nur helfen konnte. Idi durchlebte in der Erinnerung wieder die Zeit, da ich in Blankenburg am Harz, unserem damaligen Wohnsitz, voller Sorge seinen Nachrichten entgegensah, wie ich in seinen Briefen lesen mußte: »Nun sind in Berlin fast alle Stätten vernichtet oder schwer mitgenommen, mit denen unsere Kindheits- und Jugenderinnerungen besonders verbunden waren . . . alles Trümmer!« Und: »Wie gut, daß der geliebte Papa diese furchtbare Zerstörung alles dessen, was ihm lieb und teuer war, nicht mehr zu erleben brauchte.« Ein anderes Mal hatte mir mein Bruder geschrieben: »Es bleibt nichts mehr übrig als die stolze Erinnerung, die einem niemand aus dem Herzen reißen kann.« Dann, an einem kalten Januartag des durch quälende Not gezeichneten ersten Winters nach dem Kriege, stand mir mein Bruder Oskar auf der Marienburg, wo mein Mann und ich uns gerade nach unserer Flucht aus dem von den Russen besetzten Blankenburg not­ dürftig eingerichtet hatten, gegenüber. Er war gänzlich überraschend gekommen. Verzweiflung sprach aus seinem Gesicht. Er, der stets Be­ dächtige und zu Rat Bereite, war am Ende seiner Kraft, wußte nicht mehr ein noch aus. Wir waren entsetzt über die Verfassung, in der sich Oskar, der mir von meinen Brüdern stets am nächsten gestanden hatte, befand. Nicht lange, und wir wußten, was in ihm vorging. Er fühlte 14

sich entehrt; glaubte nicht, daß er mit der Schmach, die er auf sich lasten fühlte, weiterleben könne. Es waren sdireckliche Stunden. Die leidvolle Eröffnung, die uns Prinz Oskar madite, ging in ihrem Geschehen auf die Tage zurück, da Berlin in einem Feuerorkan unter­ zugehen schien. Er vertrat damals meinen ältesten Bruder Wilhelm während einer längeren Erkrankung in dessen Eigenschaft als Chef des Hauses Hohenzollern. Im März 1945 erhielt ich von Oskar eine Mit­ teilung, die er im gleichen Wortlaut auch den Brüdern übersandt hatte. Er schrieb: »Heute habe idi die tieftraurige Pflicht, Dir die erschütternde Nachricht zugehen zu lassen, daß unser von allen verehrter Präsident Freiherr von Plettenberg — nachdem er am 3. 3. zu einer Vernehmung abgeführt wurde — nach Aussage der dortigen Dienststelle am 10. 3. gestorben ist. Sein Leben war Arbeit, er hatte keinen Feind.« Wenige Tage später berichtete mein Bruder: »Morgen wird der gute Plettenberg auf unserem lieben alten Bornstedter Friedhof beigesetzt. Döhring hält die Feier ab. Es soll nur ein ganz kleiner Kreis sein. Nidit einmal die arme Frau wird daran teilnehmen können, weil wir trotz fortgesetzter Versuche sie technisch einfach nicht erreichen konnten. Man darf an ihr Leid gar nidit denken.« Kurt Frhr. v. Plettenberg war der Generalbevollmäditigte unseres preußischen Hauses gewesen. Als Mitwisser der Verschwörung des 20. Juli wurde er verhaftet. Als man ihn zwingen wollte, Namen von Mitbeteiligten preiszugeben, wählte er den Freitod, ehe seine Willens­ kraft in der Folter untergehen könnte. Nodi kurz vor seiner Verhaftung hatte der pflichtgetreue Plettenberg ein Wertstück mit beinahe einmaliger nationaler Symbolkraft vor der Zerstörung gerettet: die preußische Königskrone. Mir liegt hierüber ein Bericht vor, den ich selbst sprechen lassen will: »Es war Weihnachten 1944. Die Reichshauptstadt, schwer getroffen durch Brand- und Sprengbomben, sank in Trümmer. Auch der Berliner Dom, in dessen Grüften Schätze der Hohenzollern lagerten, war teilweise zerstört. Von Bückeburg kommend, traf der Generalbevollmächtigte des früheren preußischen Königshauses, Frhr. v. Plettenberg, in Kleinen­ bremen, einem unweit der Weser gelegenen Dorf, ein und suchte den dortigen Pfarrer, Martin Strathmann, auf, der ihm als ein zuverlässiger Mann bekannt war. Herr v. Plettenberg fragte den nicht wenig er­ staunten Geistlichen: >Wäre nicht der Keller Ihrer Kirche ein geeigneter Ort, die preußische Königskrone aufzunehmen?< Pfarrer Strathmann überlegte. Dann gab er zur Antwort: >Ich will es tun. Ich glaube, eine 1 5

Möglichkeit zu sehen, es tun zu können. Kommen Sie, wir müssen es uns ansehenl< Beim Sdiein der Kerze stieg man ins Gewölbe hinab, und unter der Kellertreppe wählten die beiden den Platz, der ihnen zweck­ mäßig schien.« Der Bericht fährt fort: »Nach acht Tagen war der Freiherr mit dem Schatz aus Berlin zurück. Er hatte ihn während der Autofahrt in einer gelöteten Kassette auf seinen Knien gehalten. Nun mußte er eingemauert werden. Als Helfer hatte der Pfarrer den Maurermeister Friedridi Ackmann und den Kirchendiener Friedrich Aldag ausgewählt. Als das Auto aus Berlin abends gegen 20 Uhr in Kleinenbremen eintraf, sagte der Pastor zu seinen beiden Getreuen nur drei Worte: >Es ist soweit!< Wieder stieg man die steile Treppe hinab. Der Geistlidie hielt die Kerze, der Maurer mauerte, und der Kirchendiener handlangerte. Unter die letzten Stufen schob man die Kassette. Eine halbmeterhohe Wand wurde gezogen, verputzt, und der Putz mit Kohlenstaub so versdimiert, daß sidi die Stelle von den übrigen Wänden des Kellers nicht mehr abhob. Wer wollte vermuten, daß hier Preußens Königskrone läge?« Ein Jahr lang predigte Pfarrer Strathmann von der Kanzel über dem Gewölbe, das den Schatz barg. Keiner der Kirdigänger ahnte etwas davon. Überhaupt schien die Preußenkrone vergessen. Und der Gottes­ mann sah voller Zuversicht dem Tage entgegen, da er die Krone wieder dem preußischen Haus übergeben konnte. Doch es kam anders: »Eine Stelle der englischen Besatzungsmacht hatte von dem Versteck erfahren. Pfarrer Strathmann sagte später: >Ich habe lange unter dem Verdacht gelitten, daß die Kunde aus meinem Dorf gekommen sein könnte. Meine Leute aber haben geschwiegen wie das Grab.< Tatsächlich rührte die Kenntnis der Engländer von einer Aktennotiz her, die nicht knapper gehalten sein konnte und von der vermutet wird, daß sie von Herrn v. Plettenberg selbst stammte. Die wenigen Worte lauteten: >Kirche zu Kleinenbremen< und >vermauertIch werde jede Auskunft verweigernSchiller< unter den kyrillischen Buchstaben. Am ausgebrannten Schloß hat sich seit Kriegsende nicht viel geändert. Der Schloßpark ist verwildert. . . Auf den Friedhöfen wurden die deutschen Gräber überwalzt.« Ähnlich klang es in einem Brief, der mir zu Anfang dieses Jahres eine Kunde über Potsdam bringen sollte. »So haben wir denn«, hieß es da, »noch einmal einen Gang auf den Bornstedter Friedhof gemacht und haben hier stille Zwiesprache gehalten mit all den vielen guten Freunden aus vergangenen Zeiten, die hier zur letzten Ruhe sich zusammen­ 18

gefunden haben. Von den Grabsteinen grüßten uns die Namen der alten brandenburgisch-preußisdien Familien, Hofprediger, Oberbürgermeister, die Lehrer und Ärzte, die Hofdamen und Kabinettsräte, Kriegsminister, Generale und Kadetten. Sie alle ruhen beieinander auf einem Friedhof, dessen neuer Teil gut gepflegt, dessen älterer Teil völlig dem Verfall und der Verunkrautung ausgesetzt ist.« In Berlin, Potsdam und Königsberg versank eine Welt. Über meine Empfindungen brauche idi gewiß nichts weiter zu sagen. Doch während mich all dies beschäftigte, auch in Verbindung mit der Frage, ob ich noch einmal über jene vergangene Zeit schreiben sollte, brachte mir die Post ein kleines Paket, mit dessen Inhalt es eine besondere Bewandtnis hatte. Beim Auswickeln fand ich einen schweren Schlüssel. Einen Schlüssel, dachte ich. Idi nahm das Begleitsdireiben des Einsenders zur Hand und erfuhr, daß es sich um einen Schlüssel zum Berliner Schloß handelte, »passend seinerzeit zu einer Eingangspforte am Schloßplatz, gegenüber dem Neptunsbrunnen. Der Schlüssel ist ein besonderes Erinnerungs­ stück«, hieß es weiter, »das ich hoch in Ehren gehalten habe.« Idi las, daß der Verfasser des Schreibens während des Krieges bei einer Ab­ teilung der Berliner Kommandantur Dienst getan hatte, die im Schloß untergebracht war. Damit er seine Dienststelle jederzeit schnell erreichen konnte, war ihm der Schlüssel ausgehändigt worden. Seine Diensträume hatten sich dort befunden, wo einst meine Brüder in ihrer Jugend ge­ wohnt hatten. Und so führte ihn sein täglicher Weg nach dem Passieren der Pforte über den äußeren Schloßhof, der von dem bronzenen Stand­ bild des Heiligen Georg mit dem Drachen beherrscht wurde, zu dem Eingang, den wir Geschwister immer den »unsrigen« nannten, da er zu den Privaträumen meiner Mutter führte, vorbei an meinen, im ersten Stock gelegenen Zimmern und — die sogenannte Prinzentreppe hinauf — zu den Wohnungen meiner Brüder und ihrer Erzieher. Ich habe den Schlüssel oft in die Hand genommen. Dann faßte ich den Entschluß, ihn weiterzugeben an den Chef des Hauses Hohenzollern, an meinen Neffen Louis Ferdinand. Mir selbst aber hatte der Sdilüssel das Tor geöffnet zu den vielen schönen Erinnerungen der Jugendzeit, an die Jahre, da wir in den alten Räumen des Residenzschlosses lebten und tagein tagaus über die vielen Treppen und Korridore, durch die Galerien und Säle gingen. Und ich gewann die Überzeugung, daß ich noch einmal jener vergangenen Zeit nachgehen sollte, deren Zeugen — die Menschen wie die Bauten — dahinsterben. 1 9

Aus der Ahnengalerie

»Die Hohenzollern sind Menschen wie alle andern. Es versteht sich daher von selbst, daß unser Haus im Lauf der fünf Jahrhunderte seiner Herrschaft sehr verschiedene Persönlichkeiten hervorbrachte. Energische Charaktere werden durch schwächere abgelöst, Begabte durch Minder­ begabte, Fähige durch Minderfähige.« Das sind Worte meines Vaters. Doch solche Erkenntnis hatte in dem Bild, das ich in meiner Kindheit von Menschen und Dingen hatte, be­ greiflicherweise keinen Platz. Als sich in mir eine Vorstellung von dem Rang abzuzeichnen begann, den mein Vater in Staat und Gesellschaft innehatte, lernte ich damit auch zugleich, daß er nur ein Glied in einer langen Generationenfolge war. Die machtvolle Geschichte der Zollern prägte sich mir so bildhaft ein wie die englischen Kindergeschichten, die mir unsere Gouvernanten aus ihrem Heimatland erzählten. Die brandenburgischen Kurfürsten und die preußischen Könige boten sich mir als Heldengestalten dar; sie erschienen mir wie eine einzige große Sieges­ allee; und die Hauptdaten ihres Lebens lernte ich wie das Einmaleins. Zwei Gestalten meiner Vorfahren waren es, die in meiner Vor­ stellungswelt aus der Ahnenreihe des preußischen Hauses weit herausrag­ ten und die meine kindliche Phantasie besonders beschäftigten. — Mein jüngster Bruder Joachim und ich durften abends, ehe wir zu Bett gingen, noch zu meiner Mutter gehen und eine Weile bei ihr sitzen. Sie selbst saß zu dieser Stunde meist im Arbeitszimmer meines Vaters mit einem Buch oder einer Handarbeit beschäftigt. Meine Mutter häkelte dann wohl Kinderbettdecken, die sie für die von ihr betreuten Waisenhäuser be­ stimmte; doch auch ihre eigenen Kinder und später ihre Enkel wurden hiermit bedacht. Wir Kinder liebten diese Decken sehr und haben uns erst spät, als wir fast schon erwachsen waren, von ihnen getrennt. Leise betraten wir Geschwister das Zimmer, und genauso behutsam bewegten wir uns zu meiner Mutter hin. Der Vater, der sich mit Lektüre beschäftigte oder Schriftsachen bearbeitete, sollte nicht gestört werden. Oft las uns meine Mutter mit gedämpfter Stimme etwas vor. Am be­ liebtesten waren Bücher, die von Friedrich dem Großen oder der Königin Luise erzählten. Meist waren sie mit Bildern von Röchling und anderen Malern der preußischen Geschichte ausgestattet. Fragte mich meine Mutter, was sie mir vorlesen und zeigen sollte, dann gab ich prompt zur Antwort: »I want to see Frederick the Great« — »Ich möchte Friedrich den Großen sehen.« Mein Vater hörte es, und ich erinnere mich, wie er mit seiner Arbeit innehielt und über seine Brille für einen kurzen Augenblick zu mir herüberschaute. 2 3

Idi wurde nie müde, die Erzählungen über den großen Preußenkönig zu hören und seine Bilder zu bewundern. Viele dieser Darstellungen stehen mir noch heute vor Augen. So das Röchling-Gemälde, das den Alten Fritz auf seinem schönen Schecken zeigt, allein daherreitend und hinter einem Baum ein Kroat, der eben auf ihn anlegen will. Wie eben höre ich die dazu gegebene Erläuterung: »Ein gefährlicher Moment. Doch der König hob seinen Stock und deutete auf die Mündung des Gewehrs und sagte; >Kerl, Er hat ja gar kein Pulver auf der Pfanne!< Der Mann war so verblüfft, daß er seine Waffe fallen ließ und davonrannte.« — Audi jenes Bild, das den König nach der schweren und verlustreichen Niederlage von Kolin zeigte, blieb so deutlich haften wie die begleiten­ den Worte meiner Mutter: »Erschöpft machte Friedridi der Große Rast in einem Dorf. Ein Reiter trat auf ihn zu, um ihm in einem Hut Wasser zu reichen, das er aus einem Pferdeeimer geschöpft hatte. Er sagte: >Trink Euere Majestät und laß Bataille Bataille sein! Es ist nur gut, daß Sie leben. Unser Herrgott gibt uns schon wieder Siege!< Der König fragte: >Haben alle zu trinken?< Der Soldat antwortete: >Nein, es gibt kaum einen Tropfen.< Darauf dankte ihm der König, daß er an ihn gedadit habe, aber er trank nicht.« Als ich einige Jahre älter war, faszinierte mich eine Marmor­ abbildung im Sterbezimmer des Königs in Sanssouci. Sie zeigte den sterbenden König, in seinem Lehnstuhl sitzend, den Kopf leicht vorge­ beugt und das durchgeistigte Gesicht zur Terrasse gerichtet. Ich glaubte zu sehen, wie die Augen des großen Preußenkönigs ein letztes Mal die Ferne suchten, als höre er von dort den Schritt seiner Regimenter, das leise ferne Trommeln beim Avancieren der Schlachtkolonnen, als wehe von weit her der Jubel von Hohenfriedberg herüber, als verspüre er noch einmal den Schmerz von Kolin, dem dann doch erlösend Roßbach und Leuthen folgten. Wieder später verstand ich die wahre Bedeutung König Friedrichs, seine überragende Leistung in einer historischen Entwichlungsreihe, die mein Vater mit den Worten beschrieben hat: »Der Große Kurfürst hatte die Grundlagen gefestigt und seinem Staat die Wehrmacht zur Ver­ teidigung geschaffen. Sein Sohn hatte aus Brandenburg-Preußen das Königreich entwickelt und damit seinem Lande die ihm gebührende äußere Stellung und das Ansehen verschafft, die es beanspruchen durfte. Mit Friedrich Wilhelm I. bestieg ein Erzieher, ein Landesvater den Thron, der entschlossen war, seinen Landeskindern die Arbeit, d. h. die 2 4

persönliche Leistung für das Ganze, Staat und Heimat, einzuprägen und ihre Entwicklung bis zur höchsten Potenz zu steigern.« Diese Fortschritte in der Entwicklung der preußischen Lande waren schon den Zeitgenossen bewußt geworden. So schrieb der sächsische Gesandte v. Manteuffel da­ mals an den Feldmarschall Flemming: »Ich weiß nicht, ob Ew. Exzellenz sich noch erinnern, daß wir früher einmal unsere Meinung über den jetzigen König von Preußen dahin feststellten, seine Staaten würden von seiner Regierung Segen haben. Ich bin mehr als je von der Richtigkeit dieser Voraussage überzeugt.« König Friedrich II., der solches Erbe antrat, stellte seine Auffassung von den Pflichten des Regenten unter die Devise: »Ich bin der erste Diener meines Staates.« Ohne Ruhe und Rast widmete er sich den Staats­ angelegenheiten. »Toujours en vedette« — »Immer auf dem Posten«. Danach handelte er, in der Verwaltung seines Landes, in der Außen­ politik, im Militärischen. »Die Beamten mußten damit rechnen, daß jede Sache vom König selbst untersucht werde, und die Untertanen waren sicher, daß ihre Eingaben und Beschwerden nicht unter den Tisch fielen, sondern daß alles wirklich vor den König komme, welcher nicht duldete, daß irgend etwas verschleppt werde, und sich um den Einzelfall genauestens kümmerte.« Das ist das Urteil eines so kritischen Betrachters wie Thomas Mann. Den Tageslauf des Monarchen hat einer seiner Minister wie folgt beschrieben: »Nachdem der König am Abend und am Morgen die Depeschen seiner auswärtigen Gesandten und die Militär- und Ver­ waltungsberichte seiner Generale und Minister gelesen hatte, ließ er je nach der Menge der Geschäfte um 4 oder 5 Uhr des Morgens seine drei Kabinettssekretäre der Reihe nach kommen und diktierte ihnen, dem einen die Antworten auf die Berichte an die auswärtigen Gesandten, die er mir dann zugehen ließ, den beiden anderen die Anweisungen und Antworten an die Staatsminister oder die Generale in Militär-, Finanzund Justizangelegenheiten, ebenso die Antworten auf die Briefe und zahllosen Eingaben von Privatleuten, und dies alles so detailliert und durchdacht, besonders in den glänzend abgefaßten Depeschen, daß die Sekretäre nur Titel, Formalien und Daten hinzuzusetzen brauchten. Wenn diese Geschäfte um 7 oder 8 Uhr erledigt waren, ließ er den Generalleutnant von Rohdich, Kommandanten von Potsdam, eintreten und nach ihm seine Adjutanten, denen er mündlich die militärischen Orders und den Tagesbefehl für die Garnison gab. Gegen 11 Uhr ließ er die vorgenannte Gesellschaft (die Grafen Schwerin, Görtz, Lucchesini, 2 5

Pinto und Hertzberg) kommen und unterhielt sich mit uns bis Mittag, wo er uns verabschiedete und allein sein Diner einnahm. Nach dem Diner Unterzeichnete er alle Depeschen und Briefe, die er am Morgen diktiert hatte und die ihm seine Sekretäre zu dieser Stunde in Reinschrift vorlegen mußten. Um 5 Uhr hatte er uns wieder bestellt und hielt uns bis um 8 Uhr bei sich, wo er uns zum Abendessen ent­ ließ. Den Rest des Abends ließ er sich von seinem Vorleser die Werke einzelner antiker Schriftsteller, wie Cicero, Plutarch u. a., von neuem vorlesen, las dann seine neuen Depeschen und genoß dann die geringe Menge Schlaf, die ihm sein Zustand erlaubte.« König Friedrich verzehrte sich in seiner Arbeit. Kurz vor seinem Ableben sagte er zu dem Marchese Lucchesini: »Ich sehe den Tod nahen, aber bis zum letzten Augenblick werde ich mich mit den Staatsgeschäften befassen und bei der Arbeit sterben.« Dieser Fürst gab dem Absolutismus in seiner Zeit ein neues Gesicht, zu dessen markantesten Zügen die Toleranz zählte. Schon im Jahr seines Regierungsantritts brachte er jenen Satz zu Papier, dessen Inhalt seither dem Rüstzeug freiheitlicher Bekenntnisse angehört: »Die Religionen Müsen alle Toleriret werden, und Mus der Fiscal nuhr das Auge darauf haben, das keine der andern abrug Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden.« Auch auf dem Gebiet des Rechts setzte der König eine grundlegende Reform ins Werk, die in dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten ihre Gestalt fand. Niemand dürfte kompetenter für eine Be­ urteilung der staatspolitischen Leistung des Preußenkönigs sein als jener Rechtsdenker, der als Schöpfer des Allgemeinen Landrechts in die Ge­ schichte eingegangen ist, Carl Gottlieb Svarez. Er beschrieb damals die »Grundsäulen des Systems der Preußischen Staatsverfassung« mit den Worten: »Die regelmäßigste Ordnung in der ganzen Staatsverwaltung, die strengste Aufsicht auf eine prompte und unparteiische Rechtspflege, die stets wachsame Vorsorge, daß nicht ein Stand, eine Klasse der Nation die Rechte der anderen schmälere, daß der Ärmere und Niedere von seinem reichen und mächtigeren Mitbürger nicht unterdrückt werde, die unermüdete Sorgfalt für Gründung und Unterstützung gemeinnütziger Anstalten, wodurch der Wohlstand der Particuliers befördert, wodurch der Landbau, Manufacturen und Fabriken in Aufnahme gebradit wer­ den können, die Achtung für die bürgerliche Freiheit, für die Rechte und 2 6

das Eigentum der Untertanen, endlich die vollkommenste Religions- und Gewissensfreiheit.« Der König war nicht nur Staatsmann. Er war audi Soldat. Auch hier strahlendes Vorbild in Kriegskunst und persönlicher Tapferkeit. »Attaquez donc toujours!« — »Angreifen, immer angreifen!« Er dekretierte: »Es verbietet der König hierdurch allen Offizieren von der Kavallerie bei infamer Kassation, sich ihrer Tage in keiner Aktion vom Feinde attadcieren zu lassen, sondern die Preußen sollen allemal den Feind attackieren.« — An Graf Schwerin schrieb er: »Wir werden, lieber Marschall, viele Feinde zu bekämpfen haben, aber ich fürchte nichts. Ich habe ausgezeichnete Generale, bewundernswerte Truppen, und wenn der Himmel mich nidit des Verstandes beraubt, hoffe auch ich selbst, meine Pflidit zu erfüllen.« In der blutigen Schlacht, die der König bei Zorndorf den auf die Mark Brandenburg vordringenden Russen lieferte, sprang er in einer der kritischen Phasen vom Pferd, riß einem Fähnrich die Fahne aus der Hand und führte mit gezogenem Degen das Regiment Bülow gegen den Feind, die zurückflutenden Truppen wieder nach vorn reißend. So war der Mann beschaffen, der schon zu seiner Zeit »der Große« genannt wurde; über den Goethe, an seine Jugend zurückdenkend, sagte, sie — Vater, Mutter, Schwester und er — alle hätten »fritzisdi« gedacht und der ihm als »der Polarstern« erschienen war, »um den eine Welt sich dreht, er selbst ruhig und unbeweglich in ihrer Mitte.« Als sich 1912 der Geburtstag Friedrichs des Großen zum zwei­ hundertsten Male jährte, gedachte mein Vater seiner in einer Festsitzung der Akademie der Wissenschaften im Weißen Saal des königlichen Schlosses: »Alles, was wir Großes und Gutes in unserem Land be­ wundern, ist auf den Fundamenten begründet, die er gelegt hat.« Der Kaiser gelobte: »Uns aber ziemt es, des großen Königs Werk auszu­ bauen und die Kräfte zu nutzen, die Gottes Weisheit und unendliche Güte in ihm unserem Preußenvolk geschenkt hat. Dazu an meinem Teile zu wirken, wird man mich stets bereit finden.« — In jene Zeit fiel auch ein Erinnerungstag an Königin Luise, ihr 100. Todestag. Ich hielt mich damals einige Wochen in Wilhelmshöhe auf. Dort erreichte mich zum 19. Juli ein Bild der Königin, deren Namen ich trage. Mein Vater schickte es mir eigens zu diesem Gedenktag. In anderen Jahren, wenn wir nicht von Potsdam abwesend waren, be­ gaben wir uns am Sterbetag der Königin nach Charlottenburg und legten 2 7

im Mausoleum einen Kranz nieder. Doch auch im März, an ihrem Ge­ burtstag, gedachten wir ihrer. Die schöne Insel im Tiergarten mit dem Denkmal der Königin wurde dann zu einem Erlebnis. Mein Vater achtete darauf, daß die Gärtner trotz oft noch winterlicher Temperaturen ein Frühlingsbild erstehen ließen. Wir gingen mit unseren Eltern früh­ morgens dorthin. Im Anschluß an unseren Besuch wurde die Insel frei­ gegeben, und in Scharen trat dann auch die Bevölkerung an das Stand­ bild der Königin heran. Und wenn sie zu ihr hinaufschauten, mochte manch einer von ihnen still die Worte sagen, die Goethe zu ihrem letzten Geburtstag gefunden hatte: »Es glänzen die Wolken, es teilt sich der Flor, Da scheint uns ein Bildchen, ein göttliches, vor.« Wie bei Friedrich dem Großen entsinne ich mich noch heute in vielen Einzelheiten der Schilderungen, die mir meine Mutter in den abendlichen Stunden im Zimmer meines Vaters vom Leben der Königin Luise gegeben hat. Ich sehe noch die Zeichnung vor mir, die die fünfzehnjährige Prin­ zessin Luise mit ihrer jüngeren Schwester Friederike im Hof des Frank­ furter Patrizierhauses von Goethes Mutter darstellte. Die Schwestern vergnügten sich dort an einer Pumpe, während die »Frau Rath« von einer Treppe aus dem lustigen Treiben zusah. Friederike, erläuterte meine Mutter, sei bei solchen Streichen stets die Anführerin gewesen, und im übrigen hätten diese feuchten Spiele natürlich das Entsetzen der Gouvernanten hervorgerufen. Die »Frau Rath«, sagte meine Mutter, ließ die Mädel gewähren. Und sie fügte hinzu: »Das Leben Königin Luises ist später auch ernst genug geworden.« Eine andere Szene zeigte die Königin mit ihrem Mann und der Oberhofmeisterin Gräfin Voß. Der König stürmt in das Zimmer seiner Gattin, glaubt, daß es ihm gelungen sei, ohne bemerkt zu werden, über Hintertreppen die Gemächer der Königin zu erreichen, um einmal ohne jedes Hofzeremoniell mit ihr Zusammentreffen zu können. Doch schon naht die gestrenge Oberhofmeisterin. Mit Entsetzen vernimmt sie die Worte Friedrich Wilhelms, er könne schließlich zu seiner Frau gehen, wann es ihm passe. Mein Bruder Joachim und ich waren entzückt über den Verweis, den der König der pedantisch förmlichen Gräfin erteilte. Daneben aber konnten wir uns nicht genug darüber wundern, daß da­ mals das Leben in der königlichen Familie so streng reglementiert ge­ wesen war. Unsere Eltern und wir lebten doch so ganz anders mit­ einander! 2 8

Noch ein anderes Bild der Königin Luise grub sich tief in das Be­ wußtsein der kleinen Prinzessin ein, die da den Erzählungen ihrer Mutter lauschte: die Königin auf der Flucht nach Memel. In der klirren­ den Kälte des Januars 1807. Sie selbst schwer erkrankt und voller Schmerz über die Niederlage Preußens. Wir Kinder hörten mit ehr­ furchtsvollem Staunen, wie sich die preußische Königin nach Tilsit be­ gab, um Napoleon zu milderen Friedensbedingungen zu bewegen. Wir vernahmen die Sätze, die Königin Luise an ihren Vater nach Meddenburg schrieb; »Glauben Sie ja nicht, daß Kleinmut mein Haupt beugt. Zwei Hauptgründe habe ich, die mich über alles erheben. Der erste ist der Gedanke, wir sind kein Spiel des blinden Zufalls, sondern wir stehen in Gottes Hand, und die Vorsehung leitet uns; der zweite, wir gehen mit Ehren unter!« Das Schicksal der Königin Luise hat viel Ähnlichkeit mit dem der letzten deutschen Kaiserin. Beide siechten dahin in Gram über die drückende Not ihres Landes; beider Tod bedeutete den Getreuen ein Opfer für die gereckte Sache. Vielleicht liegt auch hierin ein Grund der Verehrung, die ich unwandelbar bis auf den heutigen Tag meiner Vor­ fahrin entgegenbringe. Doch auch in dem strahlenden Glück ihrer Brautund Ehejahre und eines Familienglückes, dessen gütiger Mittelpunkt sie waren, ist die Ähnlichkeit der zwei preußischen Königinnen nicht zu übersehen. Königin Luise, diese »liebreizende Fürstin aus dem Mecklenburger Haus«, wie mein Vater sie genannt hat, gewann im Laufe der Jahre mit all den Zeichnungen und Gemälden, die ich von ihr gesehen und durch all die Berichte, die ich über sie gehört hatte, für mich so greifbare Gestalt, als hätte ich sie noch selbst zu ihren Lebzeiten gekannt. Ich sah die junge Braut in ihrer erblühenden Schönheit vor mir, eine aufrecht einher­ schreitende, scklanke Erscheinung, mit herrlichen Armen und Schultern, den Kopf umwallt von aschblonden Locken, große, dunkelblaue Augen unter der weißen Stirn und eine feine, weiche Röte auf den Wangen — ich sah sie, den schönen Kopf ganz leicht gesenkt, »als drücke sie die Fülle ihrer Schönheit und ihres Glücks«. Ick meinte, miterlebt zu haben, wie sie im Kronprinzen-Palais und in Charlottenburg wohnte und dann, im Frühjahr, stets der Enge der Hauptstadt entfloh, um idyllische Wochen im Potsdamer Stadtsckloß zu verbringen. Wie zum Greifen nahe erschien mir die Szene im Krönungssckloß der preußiscken Könige in Königsberg, als die bezaubernde junge Königin, vom Jubel ihrer Landes­ kinder getragen, die Königshuldigungen mit entgegennahm. 2 9

Weldier Wandel schon wenige Jahre später! Wieder Königsberg. Dieses Mal als Flüchtling. Allein, getrennt von ihrem Mann und ihren Kindern. In diesen bitteren Tagen war es, daß die Königin, in einem ärmlichen Quartier in Orteisburg, in ihr Notizbuch die Verse aus Goethes »Wilhelm Meister« eintrug: »Wer nie sein Brot mit Tränen aß, Wer nie die kummervollen Nächte Auf seinem Bette weinend saß. Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte. Ihr führt ins Leben uns hinein, Ihr laßt den Armen schuldig werden; Dann überlaßt ihr ihn der Pein, Denn alle Schuld rächt sidi auf Erden.« Dann kam Tilsit. Ein schwacher Hoffnungsfunke glomm auf. Würde sich der triumphierende Napoleon zu schonender Behandlung Preußens bewegen lassen? Ich möchte hier einen Bericht sprechen lassen, der den Vorzug der Unmittelbarkeit mit dem Umstand vereinigt, daß er so gut wie nicht bekannt ist. Er hat seine eigene Geschichte. Es sind Schilderungen der Gräfin Lisinka Tauentzien, einer Hofdame der Königin Luise, die in einer Niederschrift ihrer Cousine, der Gräfin Sophie Schwerin, einer ge­ borenen Gräfin Döhnhoff, festgehalten worden sind. Wohl um die Er­ innerungen für die Familie zu bewahren, wurden sie gedruckt, dodi nur in wenigen Exemplaren. Eines davon hat mein Großvater, Kaiser Friedrich III., gelesen. Er ließ von den Aufzeichnungen — soweit sie seine Großmutter Königin Luise betrafen — eine Abschrift anfertigen. Die wie gestochen in deutscher Schrift beschriebenen Folioseiten wurden zu einem Buch gebunden. Eigenhändig vermerkte mein Großvater auf dem Vorsatzblatt: »Mein Privateigentum, und wegen der bisher noch nicht bekanntgewordenen bemerkenswerten Aufzeichnungen über die Königin Luise auf meinen Befehl aus dem gedruckten Buch abgeschrieben. 1874. Friedrich Wilhelm Kronprinz.« Der Band ging nach dem Tode der Kaiserin Friedrich in den Besitz ihrer jüngsten Tochter, der Land­ gräfin Margarethe von Hessen, über, und von ihr wiederum kam er in den Besitz der hessischen Familie. Das ist der Weg, auf dem dies Dokument erhalten blieb. 3 0

Lassen wir nun die Gräfin Tauentzien sprechen; Juli 1807. Man befand sich in Memel, »in immer steigender Sorge über das Vorrücken des Feindes, der sich nach der Einnahme von Königs­ berg schon dem Njemen nahte«. Die Gräfin berichtete; »Der Entschluß der Flucht nach Rußland — für’s erste nach Mitau — war gefaßt, alle Reiseanstalten getroffen. Schon ganz fertig und nur noch auf die Pferde wartend, saß ich mit der Truchs in dem aufgeräumten Zimmer, als der König hereintrat und sich auf einen der gepackten Koffer setzte. >Wir reisen nicht!< sagte er und teilte uns die Nachricht von dem geschlossenen Waffenstillstände und alle näheren Umstände in großer Traurigkeit, aber mit seiner gewohnten Güte mit. Wann die Zusammenkunft der Monarchen in Tilsit beschlossen ward, und wann der König sich dorthin oder nach seinem Hauptquartier in Pictupöhnen verfügte, erinnere ich mich nicht genau, — auch nicht, in­ wieweit der Plan der Zusammenkunft der Königin mit Napoleon ihm zusagte, — doch glaube ich, daß die Idee hauptsächlich vom Feldmar­ schall Kalchreuth ausging. — Die Königin begab sich nun in’s Preußische Hauptquartier nach Pictupöhnen, von wo sie am verhängnisvollen Tage der Zusammenkunft nach Tilsit fuhr. Es war gegen 1 Uhr, als sie mit der Gräfin Voß und mir den Wagen bestieg. Die Königin trug einen weißen Crepe mit Silber gestickt, ihren Perlenschmuck und ein Diadem von Perlen im Haar; sie war ln der ängstlichsten Spannung, aber trotz aller Gemütsbewegungen dieser Zeit erinnere ich mich kaum, sie schöner gesehen zu haben als gerade in diesen, für sie so schweren Tagen. Der König empfing sie beim Aus­ steigen an dem Hause, das er in Tilsit bewohnte. Feldmarschall Kalch­ reuth kam ihr fast frohlockend entgegen, sagte ihr, wie der Kaiser sich freue, sie zu sehen, wie er zu ihr kommen werde, und überflutete sie so mit seinen freudigen Hoffnungen und Verheißungen, daß die Königin ganz erschöpft sagte; >Ach, jetzt bitte ich, schweigen Sie, daß ich zur Ruhe komme und meine Gedanken sammeln kann!< Jetzt trat auch Hardenberg hinzu, ihr von neuem die Lection zu machen. In dem heißt es; >Der Kaiser kommt!< Und man sieht ihn mit der ganzen Suite kommen, grüßen, aber an dem Hause vorüberreiten, als habe er seine Absicht geändert, — dann aber umkehren und absteigen. Der König war ihm mit allen Adjutanten (General Pfuel und Koeckeritz, Oberstallmeister Jagow und dem Feldmarsdiall Kalchreuth) bis an die Haustür entgegengegangen. Gräfin Voß war oben an der 31

Treppe stehengeblieben, ich war mit dem König hinuntergekommen. >La Reine est lä haut?< (>Ist die Königin oben?Voila la Comtesse Tauentzien, qui vous demande la gräce de son pere< (>Die Gräfin Tauentzien, die Sie um Gnade für ihren Vater bittetAh!< sagte er, sich nach mir umsehend und mit freundlicher Miene. Wenn seine totenähnliche Färbung nicht ge­ wesen, mußte sein Kopf für Züge und Ausdrude angenehm erscheinen. Als ich hinaufkam, war der König, der den Kaiser nur zur Königin hineingeführt und sie dann beide allein gelassen hatte, wie auch Gräfin Voß verschwunden, und ich stand nun im Vorzimmer mit der enormen Suite des Kaisers unter allen Marschällen allein da. Als der Kaiser aus dem Zimmer der Königin kam und sich ohne weitere Begleitung unsererseits entfernte, stürzte ich zur Königin hinein und fand sie in gänzlich veränderter Stimmung wahrhaft beglückt durch die Hoffnungen, die Napoleon ihr gegeben. Sie hatte im Verlauf der Unterhaltungen Magdeburg, sie hatte Schlesien und Westphalen zurück­ gefordert. >Vous demandez beaucoupmais je vous promets d’y songer< (>Sie verlangen viel, aber ich verspreche Ihnen, darüber nachzudenkenEst ce du crepe? — de la gaze dTtalie?< (>Ist das Krepp? — italienische Gaze?Parleronsnous de chiffons dans un moment aussi solemnel?< (>Sollen wir in einem so feierlichen Augenblick von Putz sprechen?Savez-vous donc< fragte Napoleon, >que mes hussards ont ^te sur le point de vous prendre?< (>Wissen Sie eigentlich, daß meine Husaren drauf und dran waren, Sie gefangenzunehmen?J’ai peine ä le croire, Sire, puis que je n*ai pas vu de Fran9 ais< (>Es fällt mir sdiwer, das zu glauben, Sire, da ich keinen Franzosen gesehen habeKommen Sie! Kommen Sie!< rief sie mir zu, als idi ihr entgegeneilte, >idi muß Ihnen erzählen!< Sie war so voller Hoffnung und Zuversicht, daß sie sagte: >Nun bin ich zu allem bereit, — findet man es nötig, so will ich ganz in Tilsit bleiben !Les choses sont bien changeeset les conditions effrayantes< (>Die Dinge haben sich sehr geändert und die Bedingungen erschreci:endComment donc, la Reine de la Prusse porte un turban? Ce n’est pas pour faire la cour ä l’Empereur de Russie, qui CSt en guerre avec les Turcs!< (>Siehe da, die Königin von Preußen trägt einen Turban. Damit läßt sich nicht dem Kaiser von Rußland, der sich 3 3

im Krieg mit den Türken befindet, die Cour machen !C’est plutot, je crois, pour faire ma cour k RustanEs gesdiieht eher, glaube ich, um Rustan die Cour zu machenSire, Vous m’avez cruellement trompee!< (>Sire, Sie haben mich grausam getäuschtKaiser und Reich< eigentlich nur ein Kreuz für sich selbst wie audi für das preußische Königtum überhaupt.« Einwand auf Einwand erhob der König. Bismarck entgegnete er: »Was soll mir der Charakter-Major?« Dem Kronprinzen bekannte er: »Das Aufreibendste und für mich durch und durch Erschütternde ist die deutsche Titelfrage, die fast wie ein fait accompli schon vor mir liegt. . . Ich soll es mit meinem eingefleischten Preußenherzen erleben, den Namen, der so Großes erreicht und geschaffen hat, zurücktreten zu sehen vor einem anderen.« Als der Norddeutsche Reichstag beschloß, eine Deputation unter Führung des Präsidenten Simson — der nebenbei bemerkt bereits 1849 König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone angeboren hatte — ins Hauptquartier zu entsenden, um den König zu bitten, den Kaisertitel anzunehmen, war er höchst ungehalten. Der Kronprinz notierte: »Der 4 0

König will nidits vom Empfange der Abgeordneten wissen.« Der König fürchtet, »daß die Absendung jener Volksvertreter den Schein verbreitet, als ob der Antrag auf Wiederherstellung von Kaiser und Reich früher vom Reichstage als von den Fürsten ausgegangen sei.« Erst als eine Depesche des bayerischen Königs ihm bestätigte, daß alle deutschen Fürsten der Übertragung der Kaiserkrone mit ihrer Unterschrift zu­ gestimmt hatten, war er bereit, die Deputation zu empfangen. Nun endlich willigte er ein, stimmte zu, daß am 18. Januar im Spiegelsaal, der »Salle des Glaces«, des Schlosses zu Versailles die Kaiserproklama­ tion stattfände. Wie er aber darüber dachte, zeigte sich beim Vortrag des Hausministers, Graf Schleinitz, über das Arrangement. Nein, sagte der König, er wolle im Spiegelsaal keinen Thron errichtet haben, über­ haupt keine Erhöhung, keinen »haut pas«. »Denn«, begründete er, »wenn wir uns jetzt im Sommer befänden, würde die Feier im Freien vor sich gehen.« Noch bei einer anderen Gelegenheit ließ er wissen, was er von allem hielt. Es ging um die Frage, ob nun alle Prinzen des preußischen Hauses Kaiserliche Hoheiten sein sollten oder allein der Kronprinz. Wilhelm schrieb an seinen jüngeren Bruder, den Prinzen Karl: »Ich halte die preußische Familie für geschichtlich so hochstehend und durch die Taten, die Preußen namentlich vor 56 Jahren und 1866 vollbrachte, so glorreich dastehend, daß ich todunglücklich bin, den preußischen Königstitel in zweite Linie treten zu sehen! Daher wünsche ich, daß die Familie die Königlich Preußische verbleibe, um recht klar zu beweisen, daß die Art, wie mir die Kaiserwürde zugeht, durchaus nichts ist, was den preußischen Namen zurücksetzt. Ich kann es nur ansehen, als daß ich den Charakter als Kaiser erhalte (wie man charakterisierter Oberstleutnant usw. wird), da es expreß heißt: Der König von Preußen trägt als Oberpräsidialmacht den Titel Kaiser. Daraus geht klar hervor, daß nur der König persönlich gemeint sein soll, so daß es sogar kontrovers ist, ob der Kronprinz die K. K. Hoheit führen soll. Jedenfalls muß die Frage historisch erörtert werden, und dazu gehört Zeit, also ist Aufschub geboten.« Mein Vater berichtete über die bescheidene Lebensweise und die Sparsamkeit Wilhelms I. Manches Beispiel hatte er selbst erlebt und auch persönlich seine eigenen Erfahrungen machen müssen, denn er bezog, wie alle Prinzen, seine Apanage vom Chef des Hauses, nicht also von seinem Vater. Er mußte, wenn er irgendwelche finanziellen Wünsche hatte, damit bei seinem Großvater einkommen. »Das hatte zur 41

Folge«, sagte mein Vater, »daß etwaige Zuschüsse, die für Reisen oder anderes erbeten werden sollten, da sie meine laufenden etatsmäßigen Mittel überstiegen, vom König selbst erbeten werden mußten, und der König sich die Entscheidung vorbehielt, ob die Ausgabe zweckmäßig und zu gewähren oder als unzweckmäßig abzulehnen sei.« Mein Vater erbat Urlaub und Mittel, um im Anschluß an seine Studienzeit in Bonn eine Studienreise nach Ägypten machen zu dürfen. Der alte Kaiser lehnte ab. Der Ablehnung verfiel auch die Bitte meines Vaters, den Kronprinzen in dessen Stabe nach Spanien begleiten zu dürfen. Mein Vater bemerkte hierzu: »Ich habe ohne mit der Wimper zu zucken gehorcht; und habe es nie bereut.« Mein Vater erzählte auch von den Tischsitten des alten Kaisers. Es geschah nicht selten, daß er zum Essen in das Kaiser-Wilhelm-Palais beordert wurde und der Großvater sich allein mit seinem Enkel zu Tisch setzte. »Diese Stunden des intimen Zusammenseins sind mir unvergeß­ lich«, sagte mein Vater und fuhr fort: »Das Essen fand in solchen Fällen immer in dem Salon vor seinem Schreibzimmer statt, an einem kleinen grünen Whisttisch, der sehr wacklig war und eine überaus vorsichtige Behandlung verlangte. Zum Braten wurde eine Flasche Sekt auf den Tisch gestellt, die der Kaiser selbst entkorkte und aus der er eigen­ händig sich und mir je zwei Glas einschenkte. Nach dem zweiten Glas pflegte er die Flasdie gegen das Licht zu halten und in der Höhe des Inhalts einen Bleistiftstrich auf dem Etikett zu machen; damit wollte er, sparsam wie er war, kontrollieren, ob die Diener die Flasche aufhoben oder etwa seinem Befehl entgegen ihm am nächsten Tage eine frische vorsetzten.« Bei den Gelegenheiten, da ich durch die Gemächer meines Urgroß­ vaters gehen durfte, fiel mir in seinem Arbeitszimmer ein Bild ins Auge, das ein entzückendes Mädchengesicht zeigte. Ich erkundigte mich und erfuhr, es sei ein Bildnis der Prinzessin Elisa Radziwill. Sie war seine Jugendliebe gewesen. Wenn man so will: seine große Liebe. Prinz Wilhelm kannte die liebliche und anmutige Elisa schon seit frühester Jugend. Die Radziwills waren eine angesehene und begüterte Familie. Ein von Friedrich Wilhelm III. angefordertes Rechtsgutachten sprach ihnen allerdings die Ebenbürtigkeit mit dem preußischen Königshause ab. Söhne aus einer Ehe des Prinzen Wilhelm mit der Prinzessin Elisa hätten kein Thronfolgerecht gehabt. Da die Ehe Friedrich Wilhelms IV., des damaligen Kronprinzen, tatsächlich kinderlos blieb, kam dieser 4 2

Frage mehr als nur theoretische Bedeutung zu. Prinz Wilhelm gehorchte seinem Vater und verzichtete auf die Heirat. Er opferte sein persön­ liches Glück. Es hat midi immer beeindruckt, wie groß und tief damals in der preußischen Familie das Pflichtgefühl gewesen ist. Die Romanze zwischen Prinzessin Elisa und Prinz Wilhelm war zu jener Zeit Gespräch an den europäischen Höfen. Sie fand, wie man sagte, »aux yeux de toute l’Europe« — vor den Augen ganz Europas — statt. Elisa starb sehr früh an einem Lungenleiden. Wilhelm verlobte sich 1828, einunddreißigjährig, mit Prinzessin Augusta von SachsenWeimar. Feinfühlend sagte sie ihm: »Möchte ich Ihnen doch jemals die ersetzen können, die ich ersetzen soll.« Von meiner Mutter erfuhr ich, daß auch das Bildnis Elisa Radziwills, dem der Kaiser bis zu seinem Tode einen bevorzugten Platz Vorbehalten hatte, seine eigene Geschichte hatte. Im Jahre 1848 mußte Prinz Wilhelm unter dem Druck der aufgeputschten revolutionären Massen auf Befehl des Königs Berlin verlassen und nach England gehen. Seine Gemahlin gab ihm das Bild Elisa Radziwills mit. Er sollte es audi im Exil nicht missen. Die Gemahlin Wilhelms I., Augusta, kam aus Weimar. Und zwar dem Weimar Goethes. Ihr Großvater, Großherzog Karl August, Goethes großer Gönner, regierte noch, als Augusta sich mit dem preußischen Prinzen verlobte. Auch Goethe nahm noch trotz seines hohen Alters bestimmenden Anteil am gesellschaftlichen Leben der Residenz. Ein Jahr vor dieser Verlobung hatte die ältere Schwester Augustas, Prin­ zessin Marie, Prinz Wilhelms Bruder Karl geheiratet. So entstanden nahe Beziehungen zwischen Potsdam und Weimar. Goethe war voll des Lobes über die preußischen Prinzen. Mit »Freude und Bewunderung« begegnete er den »so verschiedenartig wohlgebildeten« Prinzen Wilhelm und Karl. »Sie haben ein ganz frisches Leben in unsere Zirkel gebracht«, äußerte er sich, »und das Behagen unseres Großherzogs an ihnen und an dem neu eingeleiteten Verhältnis war nur mit Rührung anzusehen.« In Augusta sah der Dichterfürst eine »bedeutende und liebens­ würdige Prinzessin, die frauenzimmerliche und prinzeßliche Eigen­ schaften auf so vollkommene Weise verbindet, daß man wirklich in Ver­ wunderung gerät, und ein Gefühl von Hochachtung und Neigung in uns entsteht«. Auch von Wilhelm v. Humboldt liegt aus der Weimarer Zeit ein Zeugnis seiner Bewunderung für Prinzessin Augusta vor. Ihm war ihr fester und selbständiger Charakter auf gefallen. »Ihr lebendiger und 4 3

durchdringender Geist«, konstatierte er, »spridit aus ihrem Blick, und ihre Züge sind im höchsten Grade bedeutungsvoll.« Die Weimarer Prinzessin, die dann preußische Königin und die erste deutsche Kaiserin wurde, war eine überaus würdige Erscheinung. Zeit ihres Lebens blieb sie rege an geistigen und kulturellen Dingen, aber auch an der Politik interessiert. Sie war in ihrem Urteil so selbständig, wie man ihr das schon in ihren frühen Jahren nachgerühmt hatte. Vollendet war die Art, in der sie zu repräsentieren wußte. Mein Vater hat sie hierin immer bewundert. Er hatte sie in ihrem Alter, wenn sie Cercle hielt, geleitet und am Arm führen müssen. »Damals«, erzählte er, »fan­ den bei den Hoffesten noch Steh- und Sprechcouren statt, die äußerst anstrengend waren. Erst nach dem Unfall meiner Großmutter ist der Hof zu Defiliercouren übergegangen, wie ich sie zu meiner Zeit grund­ sätzlich eingeführt habe. Ich habe bei jenen Sprechcouren immer die große Kunst bewundern müssen, mit der meine Großmutter jedem in hübscher Form etwas Verbindliches und doch Individuelles zu sagen verstand.« Mein Vater erläuterte, daß Kaiserin Augusta schon in ihrer Jugend in Weimar die Kunst des Repräsentierens erlernt hatte. Im Alter von vierzehn Jahren, berichtete er, wurden zu ihrem Unterricht eine Anzahl leerer Stühle aufgestellt, die sie als bestimmte Personen zu be­ trachten und entsprechend anzureden hatte. Kaiserin Augusta machte auf ihre Umwelt den Eindruck, sehr for­ mell und zeremoniös, ja vielleicht auch überbetont reserviert zu sein. In der Familie, im kleinen Kreis, war sie eine ganz andere. Zu meinem Vater war sie stets herzlich und warm und liebevoll um ihn besorgt. Meine Mutter hatte zur Kaiserin — wie auch zu dem alten Kaiser — ein besonders reizendes Verhältnis. Sie freute sich, daß sie der als streng geltenden Kaiserin stets ein freundliches Lächeln abgewinnen konnte, wenn sie mit ihren Kindern bei ihr erschien. Manches Mal, wenn sie allein waren, schloß sie meine Mutter in die Arme. Aber, so erzählte mir meine Mutter, sobald jemand dazukam, nahm die alte Kaiserin wieder ihre unnahbare Haltung an. Große Bewunderung zollte meine Mutter der sozialen Arbeit der Kaiserin, die vor allem auf dem Gebiet des Roten Kreuzes und der Familienhilfe hervorragend und wegbereitend gewirkt hat. Diese Hin­ wendung zu der Aufgabe, die Not anderer zu lindem, hat auch ihre einzige Tochter, Prinzessin Luise, ausgezeichnet. Meine Großtante Luise, die 1856 den damaligen badischen Thronfolger heiratete, ist in ihrer 4 4

Arbeit für den Gedanken des Roten Kreuzes aufgegangen. In einer vor kurzem unter dem Titel »Ein neues Licht« erschienenen Monographie hat Kurt Gihring umfangreiches Material über die Werke der Nächsten­ liebe und Barmherzigkeit der Großherzogin Luise veröffentlicht. Der Verfasser beschreibt, wie schon, ehe noch der Schweizer Kaufmann Henri Dunant von der Schweiz aus, nachdem er im Krimkrieg zum erstenmal die Gründung nationaler Hilfsgesellschaften zur Vorsorge in Kata­ strophenfällen aller Art erwogen hatte, hierzu aufrief, die Großherzogin in der gleichen Richtung gedacht und bereits erfolgreich tätig geworden war. Die Tochter der Großherzogin, Viktoria, die spätere Königin von Schweden, hat wiederum von ihrer Mutter die Hinwendung zur Arbeit des Roten Kreuzes übernommen und sich gerade im ersten Weltkrieg vom neutralen Schweden aus für die Opfer des Krieges — Gefangene und Verwundete — eingesetzt. Meine Großtante Luise von Baden habe ich sehr verehrt. Ich hatte das Glüch, daß sie sehr viel Anteil an meinem Lebensweg nahm. Von Kindheit an habe idi ihr brieflich über mein Wohlergehen Bericht er­ stattet. Und meine Großtante ließ sich keine Gelegenheit entgehen, mich mit einem Geschenk zu erfreuen. In der Liebe und Ehrfurcht, die mein Vater ihr entgegenbrachte, lag der eigentliche Grund dafür, daß meine Verlobung bei ihr in Karlsruhe stattgefunden hat. Fünfundachtzigjährig starb sie 1923. Welch eine Zeitspanne, die sie ihren einzigen Bruder, meinen Großvater, überlebt hat!

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Q ueen V ictoria

Kaiser Wilhelm I.

Kaiser Friedrich III. f ] ugendbildnis)

Kaiserin Friedrich (als Kronprinzessin)

Unser Fritz

Mein Großvater, Kaiser Friedridi III., war seinem Vater nach kaum mehr als einem Vierteljahr in den Tod gefolgt. 99 Tage hatte er regiert. Seine Regierung war nur ein Interim. Darin wird nicht zum geringsten der Grund zu suchen sein, daß die Erscheinung des alten Kaisers für unsere Familie und den Berliner Hof im gleichen, wenn nicht gar höheren Grade gegenwärtig blieb wie die seines Sohnes. Auch in der Vorstellung des Volkes blieb dieser mehr »der Kronprinz«, der Sieger von Königgrätz, Weißenburg und Wörth, »unser Fritz«, wie man ihn nannte. Es ist gesagt worden, der Gang der Weltgeschichte wäre anders ver­ laufen, hätte Kaiser Friedrich in einer längeren Regierungszeit seine Vorstellungen und Pläne verwirklichen können. Dieser Meinung begegnet man bis auf den heutigen Tag. Erst jetzt noch, da ich diese Zeilen schreibe, las ich von einer amerikanischen Darstellung, die herausgefunden zu haben glaubt, daß, wenn Kaiser Friedrichs Krankheit hätte geheilt wer­ den können, dieser englandfreundliche, liberale Kaiser in einer längeren Regierungszeit die Feindschaft zwischen England und Deutschland abge­ tragen hätte. Und, so hieß es wörtlich: »Ohne diese Feindschaft aber hätte es den ersten Weltkrieg nicht gegeben, ohne den ersten Weltkrieg keinen Lenin, keinen Hitler und keinen zweiten Weltkrieg.« Ich halte nichts von spekulativer Geschichtsbetrachtung. Ich halte auch nichts davon, wenn einem einzelnen Menschen die übermenschliche Fähigkeit zugeschrieben wird, die von den elementaren Kräften eines Zeitalters getriebenen Zeitströmungen in andere Bahnen zwingen zu können. Ist es nicht vermessen, für eine Einzelperson in Anspruch neh­ men zu wollen, daß es ihr hätte gelingen können, die geballte Kraft des Industriezeitalters und des aus ihm erwachsenen Imperialismus gewal­ tiger Weltreiche, einem Verkehrspolizisten gleich, in bequeme Bahnen zu dirigieren? — Andererseits gibt es keinen Zweifel, daß mein Groß­ vater in manchem anders entschieden hätte als sein Sohn. Schon allein die unterschiedlichen Anschauungen der Generationen würden dies bewirkt haben. Das Bild meines Großvaters ist in die Geschichte eingegangen als das eines Mannes von rechenhafter teutonischer Gestalt, geschmückt mit einem imposanten blonden Vollbart. Tatsächlich war er in seiner Jugend von zarter Gestalt. Seine Gesundheit gab zu mancherlei Bedenken Anlaß. Das führte sogar dazu, daß sich am preußischen Hofe eine Richtung bemerkbar machte, die den Sohn des Prinzen Karl, Prinz Friedrich Karl, 4 9

den späteren Feldmarschall, als Thronanwärter an Stelle seines Vetters eingesetzt sehen wollte. Der Plan ging wieder unter; der legitime Thron­ erbe entwickelte sich zu einer imponierenden Persönlichkeit. Das mar­ tialische Bild aber, das man sich gemeinhin von ihm machte, entsprach jedoch in keiner Weise seiner wirklichen Natur. Er war sensibel, »fast zart und weich zu nennen«, wie mein Vater sagte. »Er empfand mit allem, was leiden mußte, herzliches Mitgefühl.« Meine Mutter erwähnte, wann immer sie zu mir über ihren Schwiegervater gesprochen hat, seine unendliche Güte. Sie wußte manches Beispiel seiner vornehmen Gesin­ nung zu geben. Meine Mutter schilderte mir auch, wie mein Großvater gleich nach der Geburt meines ältesten Bruders zu ihr geeilt war, ihr lange die Hand küßte und zu ihr sagte: »Schwiegertochter, ich danke Dir. Du hast mich so glücklich gemacht.« Die Sensibilität meines Großvaters bedeutete nicht, daß er unent­ schlossen oder gar labil gewesen ist. In handschriftlichen Aufzeichnungen des Generalfeldmarschalls Graf Blumenthal fand ich hierüber wertvolle Aufschlüsse. Blumenthal hatte im dänischen Krieg, besonders aber im Krieg gegen Österreich und 1870/71, wo er Generalstabschef meines Großvaters war, besser wohl als jeder andere die Möglichkeit, sich ein zutreffendes Urteil über den Kronprinzen zu bilden. Bereits 1854, bei einer Generalstabsreise unter General v. Reyher in die Niederlausitz, hatte er ihn näher kennengelernt. »Ich konnte mich damals davon über­ zeugen«, notierte Graf Blumenthal in seiner Niederschrift, die er im Jahre nach dem Tode meines Großvaters anfertigte, »daß er, trotz noch nicht genügender militärischer Ausbildung, eine einfach klare und natür­ liche Anschauung vom Kriege hatte. Er sprach nicht nur gern über stra­ tegische Situationen, sondern ließ sich auch durch gute Gründe überzeugen und belehren, ohne an einer vorgefaßten Ansicht oder Meinung unmoti­ viert festzuhalten.« Der Feldmarschall erläuterte fortfahrend: »Gerade diese Eigenschaft mag damals oberflächliche Beurteiler veranlaßt haben, ihn für schwan­ kend und unentschlossen und trotz seiner hervorragend imponierenden und schönen äußeren Erscheinung nicht für eine Soldatennatur zu halten. Mir erschien er ganz anders, und glaubte ich schon zu jener Zeit zu erkennen, daß er Eigenschaften besaß, die ihn nicht nur für seine hohe Bestimmung, sondern auch zum Führen im Krieg sehr geeignet machen würden. Der Feldzug gegen Dänemark im Jahre 1864 gab mir mehrfach Gelegenheit, diese Ansicht bestätigt zu finden . . . Ich hatte mehrfach Gelegenheit, den günstigen Einfluß Sr. Königlichen Hoheit auf die ent­ 5 0

scheidenden Operationen der I. Armee wahrzunehmen, wenn dieselben durch Befehle, Instruktionen und politisdie Nachrichten aus Berlin gekreuzt wurden und oft, trotz abweichender Ansicht des kommandie­ renden Generals, geändert werden mußten. Hierbei hat der Kronprinz mehrfadi den Vermittler gespielt und war dabei stets für eine kräftige, nicht zu sehr durch politische Bedenken gehemmte Kriegführung.« Der Kronprinz, urteilte der Feldmarschall, war »ein Feind aller halben Maßregeln« und »stets dafür, Entscheidungen herbeizuführen«. In der Charakterisierung meines Großvaters fand ich nodi die bezeichnenden Sätze: »Äußerlich immer ruhig und gelassen, ließ er sich auch nicht leicht zu Übereilungen verleiten, liebte es vielmehr, wenn die Zeit es gestattete, die Situationen zu besprechen und sie nach allen Seiten zu beleuchten. Hatte er aber einen Entschluß gefaßt und die erforder­ lichen Befehle gegeben, dann blieb er fest, und waren die Versudie Unberufener, ihn zu anderer Ansicht zu bringen, stets vergeblich. Er hatte es richtig erkannt, daß ein Schwanken in einem einmal gefaßten Entschluß fast noch gefährlidier ist wie Übereilung.« Weiter heißt es: »Seine Herzensgüte gestattete ihm nidit, denen, die ihm in der besten Absicht ihre Ansichten vortrugen, scharf und bestimmt entgegenzutre­ ten. .. Wie wenig kannten ihn diejenigen, die da glaubten, seine Ent­ schlüsse beeinflussen zu können, weil er ihnen nadigebend und leicht zu überzeugen erschien . . . Die Gewißheit, daß einmal gegebene Befehle nur durch die allerzwingendsten Gründe geändert werden würden und daß weder Einfluß Unberufener nodi Vorliebe für Details oder einzelne Per­ sönlichkeiten an denselben etwas ändern konnte, gab den Unterführern ein Gefühl der Sicherheit, das nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Es vermehrte die Verehrung und das Vertrauen zu dem geliebten Führer, für den jeder einzelne gern seinen letzten Blutstropfen herge­ geben hätte.« Über die Siege meines Großvaters und der von ihm befehligten aus bayerischen, württembergischen, badischen, hessischen und schlesisdien Regimentern zusammengestellten III. Armee bei Weißenburg und Wörth über die Truppen des französischen Marschalls Mac Mahon vermerkte Graf Blumenthal: »Von wie hohem Wert es für den weiteren Fortgang des Krieges, für den König und das Vaterland sein mußte, daß die ersten beiden Sdilachten dieses Krieges so glänzend gewonnen waren, das fühlte wohl jeder von uns, aber noch näher lag uns augenblicklich der Gedanke daran, was wir unter so sicherer und bewährter Führung nodi ferner würden leisten können. Der Kronprinz war in wenigen Tagen der Abgott 51

seiner Armee geworden. Zuversicht und unbedingtes gegenseitiges Ver­ trauen waren wie ein elektrischer Funke in die aus so verschiedenen Elementen eben erst formierte Armee gekommen.« Schon sehr früh war an den Höfen von St. James und Berlin der Gedanke an eine nähere Verbindung der englischen und der preußischen Familie durch eine Heirat des preußischen Thronerben mit der ältesten Tochter der Königin Victoria und ihres Gemahls, Alberts von SachsenCoburg und Gotha, herbeizuführen, aufgekommen. Die Queen und der Prince Consort waren gleichermaßen von dieser Idee eingenommen wie die damalige Prinzessin Augusta. 1851, anläßlich der Weltausstellung in London, trafen die beiden Familien zusammen. Mein Großvater zählte 19 Jahre, meine Großmutter, die Princess Royal, — 10 Jahre. Die kleine Victoria spielte viel mit der beinahe gleichaltrigen Luise von Preußen, und deren Bruder, dem man das Heiratsprojekt angedeutet hatte, fand ausreichend Muße, das Kind zu betrachten, das er möglicherweise einmal heimführen sollte. Ich glaube, ich sage nicht zu viel, wenn ich meine, daß sich mein Großvater damals in England verliebte, in das Land, in seine Geschichte, seine Sitten und seine Landschaften, und nicht zuletzt wohl auch in das an seinem Potsdamer Zuhause gemessen legere Familienleben, das die Queen und der Prince Consort zusammen mit ihren Kindern führten. 1855 war mein Großvater wieder in England. Seine Aufzeichnungen und Briefe von diesem Besuch sagen eigentlich alles. In seinem Tagebuch notierte er: »Die Königin wie der Prinz sind sehr gütig und voller Auf­ merksamkeiten für mich, und ich bin rasch in eine Art von gemütlichem Verkehr mit beiden getreten, was mit der Königin besonders leicht ist. Sie zeigt Teilnahme für alles, was ich mitteile, und ist gut und wohl­ wollend in höchstem Maße.« Er fuhr fort: »Princess Royal drückt mir immer mit großer Herzlichkeit die Hand morgens und abends und sehr fest; es ist viel Anmut in ihrem Wesen, und das Kindliche an ihr gefällt mir. Nie hätte ich sie wiedererkannt, wenn ich an 1851 denke, denn besonders der Mund ist sehr viel hübscher geworden und geschlossener. Der Königin sieht sie gar nicht ähnlich, und ohne eine Beaute zu sein, finde ich ihre Züge, so wie ich’s gern habe bei jemandem, auf dessen brillierendes Äußere es nicht ankommt; denn darauf bin ich nie ausge­ gangen. Entspricht hier das Innere meinen bisherigen Vermutungen und Anschauungen, so möge sie nur noch ein bißchen wachsen, und ich wünsche nichts mehr.« 5 2

An seine Eltern schrieb der junge Prinz: »Ich sende Euch diese Zeilen bloß, um Euch mitzuteilen, daß es mir zumute ist, als könnte ich kaum länger mehr zurückhalten, den beiden Herrschaften hier meine erste Erklärung zu machen. Princess Royal ist so mit jedem Tage besser, so daß ich ohne Übertreibung glaube annehmen zu dürfen, daß wir wohl zueinander passen werden. Heute wieder machten wir ä 4 eine Fahrtund Reitpartie, bei der ich sehr oft neben ihr ritt und sie allerliebst mit mir sprach und Teilnahme für mich aussprach. Ich fühle mich ganz glüddich bei dem Gedanken, und gelingt die Sache, so ist nächst Gottes Gnade Euer Segen und Eure Liebe gewiß der beste Leiter für mich gewesen. Ich mußte Euch dies schreiben, es drängte mich dazu, denn viel­ leicht ist heute schon der Vorabend.« Schon am folgenden Tag hieß es in einem Brief an die Eltern: »Mein Brief von gestern abend wird Euch wohl vorbereitet haben, daß kaum noch ein Tag vergehen konnte, ehe ich der Königin und dem Prinzen meinen Antrag stellte. Es ist soeben geschehen!! Wie die Antwort der Eltern lautete, werdet Ihr Euch denken können, aber bis s ie es erfährt, soll Ostern abgewartet werden, wo die Einsegnung stattfindet.« Der Prinz fuhr fort: »Liebe gute Eltern, Ihr teilt meine Herzensfreude und meine Stimmung, die keine Darstellung zu schildern vermag. Ich emp­ finde eine Seligkeit, die ich nie gekannt, und unbeschreiblich ist meine Dankbarkeit gegen Gott, der alles so gnädig und wunderbar leitete.« Ausführlich hielt mein Großvater die Ereignisse dieses Tages in seinem Notizbuch fest: »Beim Frühstück ging es sehr gemütlich zu mit den Kindern, und schon vorher hatte Princess Royal aus Don Juan etliches auf dem Klavier gespielt ä 4 mains mit Princess Alice. Wäh­ rend wir saßen, kamen Porträts in Öldruck von Princess Royal an, die recht gut sind. Als die Kinder alle heraus waren und ich mit den zwei Herrschaften allein blieb, sagte ich beiden, ob ich einer Sache Erwähnung tun dürfte, die zwischen meinen Eltern und ihnen nie berührt worden sei, nämlich meinen Wunsch, zur Englischen Familie in ein nahes Verhältnis treten zu dürfen. Kaum endete ich diesen Satz, als die Königin, die Tränen in den Augen und strahlend, mir die Hand reichte und mich umarmte, und der Prinz mir warm die Hand drückte. Ich äußerte, daß keine Übereilung mich zu diesem Schritte getrieben, vielmehr Princess Royal mir in ihrem ganzen Wesen so wohl gefalle, daß dies meinen Wunsch, den ich längst gehegt, erst recht befestigt habe. 5 3

Der Königin standen häufig die Tränen in den Augen, und der Prinz, sichtlich bewegt, saß und kauerte bald auf diesem, bald auf jenem Möbel, und beide Herrschaften deuteten unverhohlen ihre Freude und Zufrie­ denheit an. Darauf sagte ich, daß es natürlich den Eltern überlassen bleiben müßte, wann der geeignete Zeitpunkt herbeigekommen sei, es der Princess mitzuteilen. Beide Herrschaften wünschten die zu Ostern stattfindende Einsegnung abzuwarten; womit ich natürlich einverstanden war, da es begreiflich ist, daß die Jugend und Unbefangenheit der Princess nicht zu früh durch so ernste Sachen unterbrcxhen würde, ob­ wohl sie für ihr Alter merkwürdig entwickelt ist. Dann fragte ich die Eltern, wie sie’s gehalten zu haben wünschten wegen der Mitteilung an Princess Royal, wenn der Zeitpunkt heran­ gerückt wäre; der Prinz meinte, es würde doch wohl am erwünschtesten für beide Betreffende sein, wenn ich es selber täte, worauf ich natürlich erwiderte, daß dies ganz und gar meine Meinung sei und ich sehr dafür wäre.« Mein Großvater fuhr fort: »Ich bat beide Herrschaften, nun zu ent­ scheiden, wie lange mein Aufenthalt hier noch dauern dürfe, und der Prinz meinte, es wäre wohl gut, wenn es nicht zu lange währte, des Aufsehens wegen, und er möchte raten, im ganzen 14 Tage anzunehmen. Das größte Geheimnis müsse nun beobachtet werden, was der Zeitungen wegen sehr schwer sein würde. Die einfachste Antwort und Abfindung wäre wohl für alles, zu sagen, daß nichts festgesetzt oder abgemacht sei. Die Königin wünschte nur, daß die Herzogin von Kent in Kenntnis gesetzt würde, was sie selber tun wolle. Ich meinerseits sagte, daß außer den Eltern und Wiwi (gemeint war Prinzessin Luise, die Schwester des Prinzen) ich natürlich es nur dem Könige und der Königin mitteilen würde, wobei die Königin sagte, daß unser König immer sehr freundlich für sie gesonnen sich gezeigt habe; ich bejahte es natürlich und erwähnte die verschiedenen Andeutungen wegen meiner Heirat, die er gemacht, wie auch seine bereitwillig rasche Genehmigung zu dieser Reise; endlich, daß er wohl auch trotz der politischen Verhältnisse immer gut portiert sei für England. Die Königin meinte nun, daß wohl unsere Königin weniger für meine Absichten geneigt gewesen wäre, worauf ich aber ihre freundlichen Äußerungen bei meiner Abreise erwähnte. Beide Herrschaf­ ten meinten nun, daß wohl in Preußen wie in England die Stimmung eine zufriedene damit sein würde, was ich für mein Vaterland bestimmt bejahen zu können glaubte. Papa und Mama seien sehr hoch angesehen in England, sagte die Königin.« 5 4

Weiter schrieb mein Großvater: »Für mich ist’s, als begänne ein neuer Lebensabschnitt, sagte ich, und gar freundlich nahm dies die Königin auf und sagte, daß Princess Royal bereits vor einem Jahr einmal meiner erwähnt hätte, als sie ihrer Zukunft einst gedachte. Dann ward noch von einzelnen Gerüchten gesprochen, über Prinzessinnen, die mir bestimmt gewesen sein sollten, und erwähnte die Königin eine Äußerung von Mama, wie schade es sei, daß ich keine jüngere Schwester für den Prinzen von Wales habe, für den einst die Wahl recht schwer sein würde, um nicht kleinstaatliche und kleinhöfische Gewohnheiten mit herzubringen, sagte der Prinz. Für Preußen könnte es gewiß nicht schädlich sein, daß eine Prinzessin aus einem Lande käme, wo die Hofatmosphäre nicht cliqueartig einwirkte, wegen des häufigen Personalwechsels.« Dann hieß es: »Princess Royal’s Erziehung müßte, obwohl sie bis Ostern immer noch etwas bei den übrigen Kindern bleiben sollte, nun auch auf deutsche Richtung hin geleitet werden, wovon sie aber nie fremd geblieben sei, da sie stets für deutsches Wesen besonderes Interesse gezeigt habe, und ja beide Eltern auch so viel Deutsches an sich besäßen. Ich äußerte dann manches noch, was mir an Princess Royal gefiele, und die Königin sagte, sie habe immer geglaubt, sie würde mir nicht hübsch genug sein . . . Mit einer herzlichen Umarmung und Versicherungen der Freude über die Aussicht der Annäherung der beiden Familien schieden wir voneinander nach diesem langen, über alles gemütlichen und ange­ nehmen Gespräch.« Mein Großvater schloß: »Mir ist heute, seit ich meine Erklärung getan und sie so aufgenommen worden, als wäre eine plötzliche Ver­ änderung mit mir vorgegangen; ich sehe nun auf einmal ganz anders gestimmt in die Zukunft, wenn ich hoffe, mit Princess Royal einst durchs Leben mit seinen Mühen und Freuden vereint zu gehen. Denn mir scheint es, daß wir zueinander passen und gegenseitig eine Abneigung nicht stattfindet. Gott sei gelobt, der es bis jetzt so geführt hat und weiter zum Besten leiten möge!« Als sich mein Großvater zur Heimreise anschichtc, sandte er noch schnell einen Brief voraus nach Berlin: »Liebe gute Eltern! Die letzten Stunden meines Verweilens auf englischem Boden sind in kurzer Frist verstrichen und werden mit einem Ausflug nach Richmond beschlossen. Wie merkwürdig gestimmt verlasse ich dies schöne Land, das ich vor kaum drei Wochen noch, so gespannt, ich möchte sagen bange und erwar­ tungsvoll, betrat! Käme nur das Frühjahr bald heran, ich kann es kaum 5 5

erwarten, ehe ich wieder zu dieser teueren lieben Familie zurückkehren werde.« Mein Großvater ist mit seiner Gemahlin so glücklich geworden, wie er es sich als Bräutigam erträumt hat. Auch in ihren staatspolitischen Anschauungen harmonierten beide weitgehend. Mein Großvater war nach dem Wunsch seiner Mutter liberal erzogen worden. Sein deutscher Liberalismus traf sich mit den liberalen Ideen seiner im parlamentarisch-konstitutionellen England aufgewach­ senen Gemahlin. Daß es zu Reibungen mit Wilhelm I. und dessen Kanzler kam, nimmt kaum wunder. Gefördert wurde dies noch durch eine Haltung meiner Großmutter, die mein Vater mit den Worten be­ schrieben hat: »Sie hat im Gegensatz zu vielen deutschen Prinzessinnen, die ins Ausland geheiratet haben, ihre Heimat immer höher gestellt, nichts ging ihr darüber. Man wird das subjektiv nicht nur verstehen, sondern sogar ehren müssen.« Dieser Charakterzug meiner Großmutter fand eine Komponente darin, daß sie nicht nur in Deutschland alles Englische lobte, sondern in England andererseits alles Deutsche. Ihrem Hofmarschall Freiherr v. Reischach, der die Frage an sie gerichtet hat, warum sie alles Englische bevorzuge, gab sie zur Antwort: »Ich ergreife immer die Partei des Abwesenden; in England reagiere ich umgekehrt.« König Eduard VII., der Bruder meiner Großmutter, bestätigte das für seinen Teil mit den Worten: »Wenn meine Schwester in England war, so schlug sie immer Schlachten für Deutschland und lobte alles Deutsche in den Himmel.« Da meine Großmutter nun aber in Deutschland lebte, konnte es bei dieser Einstellung nicht ausbleiben, daß sie häufig die englischen Interessen verteidigte. Das Verhältnis zu Bismarck war von Anbeginn gespannt. Die liberale Denkweise meiner Großmutter vertrug sich nicht mit seinem preußischen Konservativismus, seinen »mittelalterlichen Anschauungen«, wie sie es nannte. Und in der Außenpolitik war man von England aus bestrebt, den preußischen Konnex mit Rußland, der auch verwandtschaftlich begründet war — Prinzessin Charlotte, eine Schwester Wilhelms I., war die Gemahlin von Zar Nikolaus I. — zu lodcern. In dem Jahr, da mein Großvater als Freier vorsichtige Fühler in London ausgestreckt hatte, war Bismarck der Königin von England und dem Prinzgemahl in Paris begegnet. »Der Prinz in seiner schwarzen Uniform, schön und kühl, sprach höflich mit mir, aber in seiner Haltung lag eine gewisse übel­ wollende Neugier, aus der ich abnahm, daß ihm meine antiwestmächt5 6

liehe Einwirkung auf den König nicht unbekannt war«, liest man in den Aufzeichnungen Bismarcks. Seine Schilderung fuhr fort: »In den Augen des Prinzen war ich, was ich natürlich nicht dem momentanen Eindruck bei meiner Vorstellung, sondern anderweitiger Sach- und Aktenkunde entnahm, ein reaktionärer Parteimann, der sich auf die Seite Rußlands stellte, um eine absolutistisdie Junkerpolitik zu fördern. Es konnte nicht befremden, daß diese Ansicht des Prinzen und der damaligen Partei­ genossen des Herzogs von Coburg sidi auf die Tochter des erstem, welche demnächst unsere Kronprinzessin wurde, übertragen hatte. Schon bald nach ihrer Ankunft in Deutschland, im Februar 1858, konnte ich durch Mitglieder des Königlichen Hauses und aus eignen Wahrnehmungen die Überzeugung gewinnen, daß die Prinzessin gegen mich persönlich vorein­ genommen war.« Und noch einmal auf seine damalige Begegnung mit der Queen ein­ gehend, sagte Bismardc: »Die Königin Victoria sprach auf jenem Balle in Versailles mit mir deutsch. Ich hatte von ihr den Eindruck, daß sie in mir eine merkwürdige, aber unsympathische Persönlichkeit sah, doch war ihre Tonart ohne den Anflug von ironischer Überlegenheit, den ich bei dem Prinzen Albert durchzufühlen glaubte. Sie blieb freundlich und höflich wie jemand, der einen wunderlichen Kauz nicht unfreundlich behandeln will.« Das permanente Spannungsverhältnis zwischen meinen Großeltern und Bismarck läßt sich deutlich verfolgen. Es hinderte aber nicht gelegent­ liche Übereinstimmung und das gerade in Fragen von weitreichender Bedeutung. Im Krieg gegen Österreich war es mein Großvater, der dem Kaiser den Entschluß, einen baldigen Waffenstillstand herbeizuführen und der Donaumonarchie schonende Friedensbedingungen zu geben, abgerungen hat — nachdem Bismarck hiermit gescheitert war und sich bereits mit Rücktrittsabsichten trug. Mein Großvater, der wußte, was in dem Kanzler vorging, war damals in Nikolsburg zu ihm gegangen und hatte ihm, indem er seine Hand auf Bismarcks Schulter legte, gesagt: »Sie wissen, daß ich gegen den Krieg gewesen bin. Sie haben ihn für notwendig gehalten und tragen die Verantwortung dafür. Wenn Sie nun überzeugt sind, daß der Zweck erreicht ist und jetzt Friede geschlossen werden muß, so bin ich bereit. Ihnen beizustehen und Ihre Meinung bei meinem Vater zu vertreten.« 5 7

Diese Haltung meines Großvaters wirft ein bezeichnendes Licht auf seinen Charakter. Sie wird noch deutlicher durch die Vorgeschichte jenes Geschehens: Die preußischen Generale waren in den Julitagen des Jahres 1866 entschiedene Gegner eines vorzeitigen Waffenstillstandes oder Friedens­ schlusses. Der »glüchliche und interessante Feldzug« — um eine Formu­ lierung Blumenthals zu zitieren — sollte fortgesetzt werden. Bismarck faßte ihre Meinung in dem Satz zusammen: »Allen Generalen war die Abneigung gemeinsam, den bisherigen Siegeslauf abzubrechen.« Mein Großvater, Oberbefehlshaber der ruhmreichen II. Armee, teilte absolut diese Ansicht der Generalität. Eine Episode, die ich in den persönlichen Aufzeichnungen seines Stabschefs, Graf Blumenthal, fand, verdient fest­ gehalten zu werden. Sie ist aufschlußreich in mehrerer Hinsicht. Wenige Tage nadi der Schlacht von Königgrätz stellte sich im Haupt­ quartier meines Großvaters der österreichische Feldmarschalleutnant V . Gablenz ein. In Blumenthals Bericht heißt es hierüber: »Am nächsten Morgen wurde ich plötzlich geweckt, und erschien auf meinem Zimmer ein alter Bekannter, der österreichische General v. Gablenz, und teilte mir mit, er befände sich auf der Fahrt nach Pardubitz, zu unserem Könige, könne aber nicht weiterkommen, da seine todmüden Pferde vollständig versagten; er bäte mich um frische Pferde. Da er sehr ermüdet schien, so machte ich ihm ein bequemes Lager auf meinem Sofa und ließ ihn eine halbe Stunde ruhen.« »Während ihm dann Frühstück gebracht wurde«, erzählt Blumenthal, »ließ ich den Kronprinzen wecken, der auch sofort auf sprang und mir sagte: >Der will Waffenstillstand schließen; das darf aber nicht sein, ich muß vorher zum Könige nach Pardubitz, um Vorstellungen dagegen zu machen; wir müssen den Gablenz aufhalten, lassen Sie ihn in einer halben Stunde zu mir kommen.Charakter-Major< offen widersprach.« Allerdings waren die Gewichte der Argumentation dieses Mal in anderer Weise verteilt als einige Jahre zuvor in Nikolsburg. Bismarck berichtete hier­ über: »Der Kronprinz unterstützte mich durch passive Assistenz in Gegenwart seines Herrn Vaters und durch gelegentliche kurze Äuße­ 6 0

rungen seiner Ansicht, die aber meine Gefechtsposition dem Könige gegenüber nicht stärkten, sondern eher eine verschärfte Reizbarkeit des hohen Herrn zur Folge hatten. Denn der König war noch leichter geneigt, dem Minister als seinem Herrn Sohne Konzessionen zu machen, in gewissenhafter Erinnrung an Verfassungseid und Ministerverantwortlidikeit. Meinungsverschiedenheiten mit dem Kronprinzen faßte er vom Standpunkte des pater familias auf.« Es gehört zu den rational nicht faßbaren Merkwürdigkeiten des Lebens, daß sich bei meinem Großvater, als er in der Blüte seiner Jahre stand, eine Vorahnung seines späteren Sdiidcsals einstellte. Depressionen kamen, Schwermut. Ironisierend sprach er selbst von »Weltschmerz­ anfällen«. Zu Geheimrat Hinzpeter, dem Erzieher meines Vaters, sagte er, er werde nicht mehr zur Regierung kommen, der Enkel werde dem Großvater folgen. Er klagte, daß ihm wohl keine Gelegenheit gegeben sein würde, die Pläne für seine Regierungszeit in die Tat umzusetzen. 1887, nodi regierte der greise Kaiser, diagnostizierten medizinisdie Kapazitäten eine Krankheit, die den Kronprinzen gefesselt hielt, als Kehlkopfkrebs. Im Staatsanzeiger wurde im November jenes Jahres amtlich bekanntgegeben: »Nadi den Nachrichten aus San Remo ist leider kein Zweifel mehr darüber möglich, daß das Leiden Seiner Kais. Königl. Hoheit des Kronprinzen in der Tat carcinomatiöser Natur ist. Über die weitere Behandlung wird eine zuverlässige Nadiridit erst möglich sein, nachdem der auf Allerhöchsten Befehl nadi San Remo gesdiickte Dr. Schmidt hier mündlich Bericht erstattet haben wird.« »Our Fritz is dying«, hieß es in der englischen Presse. »Unser Fritz stirbt«. Eine Woge des Mitgefühls mit dem schweren mensdilichen Leid des deutschen Thronfolgers lief um die ganze Welt. In einem Pressebericht aus London hieß es: »The gloom that is feit in the Fatherland over the condition of good old Wilhelm’s heir casts a far-readiing shadow, and which is especially dark here in England. Prince Frederick William is dear to English hearts. He is cordially liked here, and an unfeigned sorrow is feit for his sad and helpless condition. No one would be very much surprised to hear of his death, and nearly all who speak of him seem to consider his case as hopeless, and his death only a question of a short time.« Zu deutsdi: »Die Niedergeschlagenheit, die im Vaterland über den Zustand des Erben des guten alten Wilhelm empfunden wird, wirft einen weitreichenden Schatten, der hier in England besonders dunkel ist. 61

Prinz Friedridi Wilhelm hat einen Platz in den englisdien Herzen. Er wird hier von Herzen geliebt, und man fühlt ehrlichen Kummer über seinen traurigen und hilflosen Zustand. Niemand würde von der Nachridit seines Todes sehr überrascht sein, und fast alle, die von ihm sprechen, scheinen seinen Fall als hoffnungslos und seinen Tod nur als eine Frage einer kurzen Zeit zu betrachten.« Die Zeitung »The Chicago Herald« berichtete damals aus England: »The gravest rumors are daily put in circulation. About 4 o’cloch this afternoon it was whispered about that the Prince had died. This was soon afterwards denied, but the denial did not come soon enough to relieve the stock market of the dire effect of such dismal news. Russian Securities immediately feil over two points, and very little business was done in other Securities. The market became very dull and flat, and brokers exceedingly cautious.« »Täglich zirkulieren die ernstesten Meldungen. Heute um 4 Uhr nach­ mittags wurde gemunkelt, der Prinz sei gestorben. Dies wurde bald danach widerrufen, aber der Widerruf kam nicht schnell genug, um den Aktienmarkt von der schlimmen Wirkung solch düsterer Neuigkeiten zu entlasten. Russische Staatspapiere fielen sofort über mehr als 2 Punkte und das Geschäft in anderen Wertpapieren war ganz gering. Der Markt wurde sehr träge und flach, und die Makler außerordentlich vorsichtig.« Dieser Pressebericht datiert vom November 1887 — Monate, bevor mein Großvater starb. Wie Kaiser Friedrich selbst die Mitteilung seiner Ärzte aufgenommen hat, darüber erzählte mein Vater, der in jenen schrecklichen Tagen bei meinen Großeltern in San Remo weilte: »Nachdem der Spruch der Ärzte zu Protokoll genommen war, erhielt Professor Schrötter von seinen Kollegen den Auftrag, meinem Vater über das Ergebnis ihrer Bespre­ chungen Bericht zu erstatten. Wir Kinder waren bei dieser furchtbaren Eröffnung nicht zugegen, es wäre über unsere Kraft gegangen; nur meine Mutter stand dem geliebten Gatten in dieser schweren Stunde zur Seite. Mein Vater nahm sein Todesurteil — denn das war es — gleich einem Helden entgegen, aufrecht, fest den Ärzten ins Auge schauend. Dann dankte er ihnen in voller Ruhe für die Mühe, die sie sich seinetwegen gemacht hätten. Die vorgeschlagene Operation lehnte er bei dem ihm dargelegten zweifelhaften Ausgang durch eine schriftliche Erklärung ab ... Als wir Kinder dann nach dem Fortgang der Ärzte, im Tiefsten erschüt­ tert, zum Vater kamen und, unserer nicht mehr mächtig, in Tränen zerflossen, da war er es, der uns mit der stillen Heiterkeit seiner Seele 62

zu trösten und aufzurichten suchte. In sein Tagebuch aber trug er am Abend dieses schidtsalssdiweren Tages ein: >Somit werde idi wohl mein Haus bestellen müssenNein< oder >Ja< durch den Reitknecht bitten? Mit 1000 Grüßen Dein treu gehorsamster Sohn.« Kaiser Friedrich ging freudig auf die Anregung meines Vaters ein und erteilte noch am selben Tag den entsprechenden Befehl. — Die drei Garderegimenter defilierten an ihrem Allerhöchsten Kriegsherrn vorbei. Erst nach Beendigung des Brigade-Exerzierens war ihnen die Mitteilung von dem bevorstehenden Ereignis gemacht worden. Mein Vater erzählte hierüber: »Jubelnd und singend wurde die Strecke vom Tegeler Schieß­ platz nach dem Park von Charlottenburg zurückgelegt. Innerhalb des Parktores ließ ich, entsprechend dem besonderen Befehl des Kaisers, Kompaniekolonnen formieren, dann wurde mit schlagenden Tambours 6 4

Kaiserin Auguste Viktoria

(Gemälde von H. v. Angeli, 1880)

Eine Seite aus dem Tagebuch Kaiserin Auguste Viktorias.

und spielenden Regimentsmusiken die Gartenfassade des Charlotten­ burger Schlosses entlang der Parademarsch ausgeführt. Mein Vater saß während des Vorbeimarsches in voller Uniform, den Helm auf dem Haupte, den Körper mit aller Gewalt in straffe Haltung gezwungen, in seinem offenen Wagen; idi selbst hielt am Wagenschlag schräg hinter ihm. Es war ein unvergeßlicher, alle Teilnehmer tief ergreifender Vorgang. Als die Regimenter vorbeidefiliert waren, drüdcte er mir in tiefer Bewegung weinend die Hand, zeigte nur immer auf sein Herz und überreichte mir einen Zettel, auf dem geschrieben stand: >Das sind nun m e i n e TruppenZufrieden, und eine große Freude empfunden.Victoria ich und die Kinder< —; er wollte seiner Genugtuung Ausdruck geben, daß alle seine Lieben um ihn waren. Es waren seine letzten Worte. Aber erst nach mehreren Stunden kam die Erlösung. Noch einmal blickte er uns mit seinen gütigen blauen Augen fest und liebevoll an, dann sank er langsam in die Kissen zurück.« 6 5

Das geschah am 15. Juni 1888. Nur neunundneunzig Tage hatte die Regierungszeit meines Großvaters gedauert. Sein tragisches Schicksal war zugleich das seiner Gemahlin. Wie es in ihr aussah, läßt sich ihren Briefen an die Mutter in England entnehmen. »Wenn Fritz stirbt, so ist es mir vollkommen gleichgültig, was aus mir wird.« Etwas später schrieb sie: »Ich komme mir vor wie ein Wrack, wie ein sinkendes Schiff, so zer­ brochen und niedergeschlagen.« Und an dem Tag, da mein Großvater in die Ewigkeit einging, klagte sie: »Oh! Mein Mann, mein Liebling, mein Fritz!. . . ich bin seine Witwe, nicht mehr seine Frau! Wie soll ich das ertragen. . . Jetzt sind alle Kämpfe vorüber, ich muß auf meinem Weg allein weiter wanken.« Die Worte, die ein angesehener Historiker des Heimatlandes meiner Großmutter, George Gooch, über sie fand, scheinen mir wert, wieder­ gegeben zu werden. Er sagte: »Die begabte Prinzessin, die ihr Leben im harmonischen Familienkreise begann, einen der edelsten Männer ihrer Zeit heiratete und damit rechnen konnte, über die größte Kontinental­ macht zu herrschen, mußte es erleben, daß all ihre Träume und Pläne durch eine Reihe von Schicksalsschlägen zerstört wurden, bis ihr Glück in Trümmern lag und die unglückliche Witwe, unbeachtet und fast ver­ gessen, eines langsamen und qualvollen Todes harrte, der ihren Leiden ein Ende machen sollte. Dieses erbarmungslose Schicksal läßt an eine grie­ chische Tragödie in modernem Gewand denken.« Im Jahre nach dem Tode meines Großvaters hat meine Großmutter ein zum Kauf angebotenes großes Landhaus im Taunus, bei Kronberg, erworben. Hier wollte sie ihren eigentlichen Wohnsitz nehmen. Mit großer Sorgfalt widmete sie sich den Plänen für den Ausbau zu einem Schloß, dem sie den Namen »Friedrichshof« zu geben beabsichtigte. Viele Einzelheiten des Umbaus wurden von ihr selbst entworfen. Ihr Architekt mußte sich in England über Stil und Bau der dortigen Landhäuser unter­ richten. Mit besonderer Liebe nahm sich meine Großmutter der Garten­ anlagen an. Alles und jedes sollte so werden, wie sie es liebte. Das galt natürlich auch für die Inneneinrichtung und das Mobiliar. »Ich kenne jedes Möbelstück, jedes bedeutet für mich ein Stück Geschichte, und mein Herz gehört ihm«, äußerte sie sich. 1893 waren die Arbeiten so weit gediehen, daß meine Großmutter das Schloß beziehen konnte. »Fried­ richshof« wurde der Mittelpunkt ihres Lebens. Fast zwei Drittel des Jahres hat sie dort verbracht. 6 6

Von Bad Homburg aus, wo wir uns oft im Frühsommer aufhielten, besuchten wir meine Großmutter. Wir fuhren mit dem schönen Jucker­ gespann meines Vaters, meist vierspännig, und mit leichten Jagdwagen. Obwohl es sich um eine Art Familienausflug und um einen Besuch bei der Großmama handelte, wurde stets eine nicht zu übersehende zusätz­ liche Sorgfalt für die Vorbereitungen aufgewandt. Das betraf nicht nur die Garderobe von uns Geschwistern; wir wurden vor allem eingehend zu gutem Benehmen ermahnt. Es hieß dann auch, die Großmama sei kränklich, und deshalb hätten wir uns in jeder Weise artig aufzuführen. Wir Geschwister hatten sehr bald heraus, daß solche Präparationen ihren eigenen Grund hatten. Wir trafen bei meiner Großmutter mit griechischen und hessischen Vettern zusammen, ebenfalls Enkelkindern der Kaiserin. Aber wie staunten wir immer wieder, wenn wir sahen, was sich die Vettern, die wir im übrigen sehr gern mochten, bei unserer Groß­ mutter herausnehmen durften. Unbegrenztes Staunen erfaßte uns, wenn sie auf silbernen Teebrettern die Treppen herunterrutschten. Als wir wieder einmal mit den Vettern im Park spielten, geschah es, daß wir in die Stallungen gerieten und mein Vetter Georgie, wie wir den ältesten Sohn des damaligen griechischen Kronprinzenpaares, den späteren König Georg II. von Griechenland nannten, Kuhglocken fand. Wir hingen uns die Glocken um und veranstalteten einen rechten Lärm. Irgendwann wurden meine Brüder und ich uns bewußt, daß wir damit wohl etwas sehr Verbotenes angestellt und ein Strafgericht zu gewärtigen hätten. Wunderbarerweise geschah aber nichts dergleichen, nachdem Georgie sich als »Anstifter« bekannt hatte. Ein andermal nahmen wir, d. h. meine Brüder und ich, in einem Zimmer, das in einem der Türme des Schlosses gelegen war, Tee. Wir hatten rechtschaffen Durst, da wir vom Spielen gekommen waren. Und weil der Tee heiß war, nahm ich den Löffel und rührte in der Tasse. In diesem Augenblick kam unsere Großmutter herein, sah es und wies mich auf der Stelle zurecht: »We are not in a Zoological Garden!« Also: »Wir sind nicht im Zoologischen Garten!« Was so viel heißen sollte wie: Wir sind hier nicht unter wilden Tieren! Ich war erschüttert. Zu allem Überfluß erhielt ich auch noch von meinen Brüdern vorwurfsvolle Blicke, obwohl auch sie in der Zuhilfenahme eines Tee­ löffels keinen faux pas sahen, der eine solche Zurechtweisung als ange­ bracht erscheinen ließ. Kurz gesagt, wir Geschwister glaubten zu erkennen, daß unsere Groß­ mutter mit uns strenger umging als mit ihren anderen Enkelkindern. 6 7

Irgendwann meinten wir dann zu wissen, daß der Grund hierfür in den Spannungen zwisdien unserem Vater und seiner Mutter zu suchen wäre. Mein Vater hat über das Verhältnis zu seiner Mutter in unserer Jugend nicht mit uns gesprochen. Er erwähnte sie überhaupt nur selten. Unsere Mutter sprach gelegentlidi zu uns über die Großmutter; sie erzählte nur das Beste, es fiel nie ein kritisches Wort. Fest steht, daß es kein herzliches Verhältnis zwischen Mutter und Sohn gegeben hat. Später einmal sagte mein Vater: »Im ersten Jahrzehnt ihrer Ehe lebte meine Mutter, wie idi von Hinzpeter weiß, ganz ihrem geliebten Mann, da war sie mehr liebende Frau als Mutter und ließ ihre ersten drei Kinder mit gewollter Härte und bewußter Strenge erziehen.« Er fuhr fort: »Die jüngeren Kinder haben sie weit mehr als fürsorgende Mutter ge­ kannt und sie abgöttisch verehrt. Vielleicht hat auch der Tod meines Bruders Sigismund, bei dem ihr warmes Mutterherz durchbrach, viel zu dieser Wandlung, die nach 1870 eingetreten ist, beigetragen; sie hat den Verlust dieses Sohnes und den 13 Jahre später erfolgten Tod meines Bruders Waldemar nie verwunden.« Als bestimmende Charaktermerkmale der Kaiserin Friedrich nannte mein Vater unbeugsame Energie, große Leidenschaftlichkeit und Impul­ sivität, sowie Neigung zu Debatte und Widerspruch. Wörtlich sagte er: »Eine heiße Liebe zur Macht kann ihr nicht abgesprochen werden.« Gerade diese aber war es, die zu weiterer Entfremdung von Mutter und Sohn geführt hat. Im Wirkungsfeld der politischen Kräfte nahmen beide sehr unterschiedliche Positionen ein, und es gab Berater, die das Ihrige dazu beitrugen, daß es keinen Ausgleich gab. Wie viel liegt doch in dem Satz, den meine Großmutter nach dem Tode ihres Gemahls an die Queen geschrieben hat: »Nun ist alles umsonst gewesen.« Wie viel sagt auch ihr nunmehriges Bemühen um ein besseres Verhältnis zu ihrem Sohn, über den sie jetzt ihrer Mutter nach London schrieb: »Ich muß Wilhelm vieles zubilligen, da sein Verhältnis zu mir systematisch vergiftet wurde und man ihm jahrelang eingeredet hat, das größte Unglück sei gewesen, daß sein Papa auf mich hörte und Vertrauen zu mir hatte, und daß ich ein Feind Deutschlands sei und gefährliche Überzeugungen hätte usw.« Und wie aufschlußreich ist gerade auch in diesem Zusammenhang das Urteil ihres Bruders Eduard, des damaligen Prince of Wales, über seinen Neffen, der soeben den deutschen Kaiserthron bestiegen hatte. Nach einer langen Unterredung mit ihm äußerte sich Eduard, der Kaiser sei »klug und vernünftig und nur bemüht zu tun, was richtig ist«, und fügte in Klammern gesetzt 6 8

hinzu: »das heißt, wenn man ihm gestattet, so zu handeln«. — Später, als König, hat sich Eduard nicht immer so freundlich geäußert. Am Neujahrstag des Jahres 1900 schrieb meine Großmutter an ihre greise Mutter nach England: »Meine ersten Worte heute morgen und mein Motto für das Jahrhundert: >God save the Queen!Nur noch ein paar MinutenIch möchte Sie um einen Dienst bitten. Ich 7 0

wünsche, daß Sie meine Briefe an sich nehmen und nach England zurück­ schaffen.< »Als ich ihr meine Bereitwilligkeit aussprach, die Briefe unter meine Obhut zu nehmen, schien sie erfreut und fuhr ein wenig träumerisch fort: >Ich werde sie Ihnen heute nacht um ein Uhr senden und weiß, daß ich mich auf Ihre Verschwiegenheit verlassen kann. Niemand darf wissen, daß Sie die Briefe mitgenommen haben; auf keinen Fall darf Willi sie bekommen oder jemals erfahren, daß sie in Ihrem Besitz sind.< »Unser Gespräch wurde von neuem durch den Eintritt der Pflegerin unterbrochen, die meinte, die Kaiserin habe gesagt: >Nur noch ein paar MinutenHereinBriefe< ein Paket gemeint habe, das ich ohne Schwierigkeit in einem meiner Koffer hätte unterbringen können. »Aber diese großen verschnürten Kisten waren etwas ganz anderes, und es war ein schwieriges Problem, sie nach England zu bringen. Jeder Versuch, sie zu verstecken oder durchzuschmuggeln, mußte verderblich sein, da das ganze Schloß voller Geheimpolizei steckte. Aber wie sollte man das plötzliche Vorhandensein dieser wie vom Himmel gefallenen Kisten erklären? Ich schrieb also auf das Schild der einen Kiste: >Vorsicht! Bücher!< und auf das der anderen: >Vorsicht! Porzellan!< und meine Pri­ vatadresse. Ich hatte mich nämlich kurz entschlossen, sie ohne jeden Ver­ such des Verheimlichens neben meine leeren Koffer auf den Korridor zu stellen. »Am 1. März 1901 verließen wir Friedrichshof, um nach London zurüdczukehren. Soldaten der Garnison brachten das Gepäck die Treppen hinunter. Währenddessen sprach ich in der Halle mit dem Kaiser und konnte so den Zug der Soldaten beobachten, die Koffer, Taschen, De­ peschenbeutel usw. vorbeitrugen. Als die beiden schwarzen Kisten kamen, sahen sie so anders aus als das übrige Gepäck, daß ich bei dem Gedanken nervös wurde, es könne vielleicht jemand zu wissen wünschen, was sie enthielten. Aber niemand schien sie zu beachten, und der Kaiser redete immer weiter. Als sie aus der Halle verschwanden, atmete ich auf, aber nicht für lange, denn unglücklicherweise waren sie zuletzt auf den Ge­ päckwagen geladen worden, der gerade unter den Fenstern der großen Halle stand, und mit dem Leinwandverdech schien etwas in Unordnung zu sein. Die anderen Gepäckwagen waren schon verdeckt, aber gerade dieser blieb offen, und die beiden Kisten mit ihren neuen Stricken und Schildern sahen mich an. Der Kaiser aber sprach über ein Thema, das ihn fesselte, immer weiter, und natürlich hörten alle, auch ich, aufmerk­ sam zu. Zu meiner großen Erleichterung wurde endlich die Leinwand­ hülle über das Gepäck gezogen, und wenige Minuten später hörte ich den Wagen davonrumpeln.« — Das ist der Bericht Sir Frederick Ponsonbys. Er liest sich nicht nur wie ein Kriminalroman, er hat auch den Vorzug, einer zu sein, denn — er ist frei erfunden. Und wie in dieser Spezies der Unterhaltungsliteratur der Täter in der Regel zu Fall kommt, weil er etwas übersehen hat, was ihn der Tat überführen kann, so erging es hier dem Autor selbst. Ponsonby ahnte nicht, daß meine Großmutter ein Tagebuch führte. 7 2

Am dritten Tag seiner Anwesenheit in Kronberg, schrieb Ponsonby, habe das Gespräch mit der Kaiserin-Witwe stattgefunden. Das war der 27. Februar 1901. An diesem Tag findet sich im Tagebuch meiner Groß­ mutter die Eintragung: »Saw Fritz Ponsonby later in the day in the sittingroom. Went downstairs. Mossy and Sophie played the piano.« Also: »Später am Tage sprach ich mit Fritz Ponsonby im Wohnsalon. Ging nach unten. Mossy und Sophie spielten Klavier.« — Während Ponsonby erzählte, die Kaiserin-Witwe sei so geschwächt gewesen, daß eine Pflegerin ihr Gespräch mit ihm beendet habe, ging meine Groß­ mutter in Wirklichkeit nach dem Ende der Unterhaltung nach unten, um dem Klavierspiel ihrer Töchter Margarethe und Sophie zu lauschen. Weit ärger ist jedoch, was Ponsonby über den weiteren Fortgang der Affaire geschrieben hat. Wenn man seiner Erzählung folgt, aß er an diesem Tag mit meinem Vater zu Abend, um sich dann auf sein Zimmer zu begeben, wo er erwartungsvoll der Sendboten der Schloßherrin harrte. Im Tagebuch meiner Großmutter hieß es am 26. Februar, also schon am Vortage: »William came here to luncheon and left Homburg for Berlin in the evening.« — »Wilhelm kam zum Mittagessen nach hier und ver­ ließ am Abend Homburg, um nach Berlin zu fahren.« Das heißt: Mein Vater kam an diesem Tage nach Kronberg; abends reiste er bereits von Homburg nach Berlin ab. An jenem 27. Februar weilte er bereits in Ber­ lin. Das Essen, das Ponsonby geschildert hat, wobei er sogar die Teil­ nehmer namentlich aufführte, fand überhaupt nicht statt. Mein Vater hat Homburg am 26. Februar um 19.45 Uhr verlassen und ist am 27., dem Hochzeitstag meiner Eltern, um 8 Uhr in Berlin ein­ getroffen. Über den folgenden Tag konnte man in den Zeitungen lesen: »Berlin, 28. Febr. Der Kaiser unternahm heute morgen den gewohnten Spaziergang im Tiergarten, hörte im Auswärtigen Amte den Vortrag des Reichskanzlers Grafen Bülow und empfing um 10^/* Uhr, in das König­ liche Schloß zurückgekehrt, den Kriegsminister v. Goßler und den Chef des Militärkabinetts v. Hahnke zum Vortrag. — Auf der Rückfahrt nach dem Schloß entging der Kaiser nur knapp einem Zusammenstoß mit einem elektrischen Straßenbahnwagen. Die kaiserliche Equipage kam im schnellen Trabe die Linden herauf vom Brandenburger Tore her. Gerade als sie die Straße am Opernhause passierte, kam vom Kastanienwäldchen her ein Wagen der Linie Danziger Straße—Rixdorf über die Linden. Ob der Fahrer die kaiserliche Equipage nicht sah, oder infolge der Glätte der Schienen nicht bremsen konnte, genug, die Elektrische sauste direkt auf die Equipage des Kaisers los, und ein Zusammenstoß schien unvermeid73

lieh, als der kaiserliche Kutscher die Pferde im letzten Augenblick herum­ riß und hielt. So streifte der elektrische Wagen die Equipage nur leicht. Der Kaiser bog sich vor ans Fenster und nahm die gefährliche Situation, in der er geschwebt, in Augenschein. Die sich schnell ansammelnde Menge freundlich grüßend, setzte er dann die Fahrt nach dem Schlosse fort.« Über den Verlauf des nächsten Tages sagten die Zeitungsberichte: »Berlin, 1. März, Abends. Heute Morgen unternahm der Kaiser den gewohnten Spaziergang im Tiergarten und hörte dann im Auswärtigen Amte den Vortrag des Reichskanzlers Grafen Bülow. Zwischen 10*/* und 12 Uhr Vormittags besuchte der Kaiser die Ateliers des Bildhauers Lud­ wig Cauer und des Malers Professor Hertel und fuhr darauf zum fran­ zösischen Botschafter Marquis de Noailles. Darauf empfing der Kaiser im Schlosse den württembergischen Ministerpräsidenten General der Infanterie Freiherrn Schott von Schottenstein in Audienz.« Sir Frederick Ponsonby ließ meinen Vater während dieser Tage un­ bekümmert weiter in Schloß Kronberg auftreten. Ja, er machte ihn zu einer der Hauptfiguren in jener bis ins Detail ausgemalten Szene des 1. März, in der die geheimnisvollen Kisten aus dem Schloß getragen werden: Er unterhielt sich währenddessen mit dem Kaiser — »und der Kaiser redete immer weiter« — »der Kaiser aber sprach über ein Thema, das ihn fesselte, immer weiter, und natürlich hörten alle aufmerksam zu ...« Ein Produkt freien ungehemmten Fabulierens ist auch die Behauptung, daß »das ganze Schloß voller Geheimpolizei stechte«. Es hat im Schloß Kronberg nie eine Überwachung gegeben. Aber an dieser Stelle der Er­ zählungen Ponsonbys wird vollends deutlich, wohin und auf wen der Verfasser mit seinen Unwahrheiten zielte. Ein Historiker, der noch in letzter Zeit die Ponsonby-Story unbesehen als historischen Tatbestand ausgab, schrieb: »Das Schloß war damals bereits von Geheimpolizei um­ zingelt, und Sir Frederick Ponsonby mußte eine außerordentliche Probe seiner Erfindungsgabe ablegen, um die Kästen aus dem streng über­ wachten Schlosse herauszubringen.« In der Tat, Ponsonby hat eine außerordentliche Probe seiner Erfindungsgabe abgelegt — beim Aus­ denken seiner Geschichte. Nur die Wahrheit hat er dabei gänzlich igno­ riert. Schade, daß auch jene Historiker, die seinen Bericht übernommen haben, nicht auf den Gedanken gekommen sind, den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Sie hätten es dabei nicht einmal nötig gehabt, das Tagebuch meiner Großmutter einzusehen. Ein Blick in eine beliebige Tageszeitung hätte genügt. Denn dort läßt sich schnell nachlesen, wann der Kaiser 7 4

Homburg verließ und um welche Stunde er in Berlin angekommen ist. Dem Homburger »Taunusboten« hätten sie sogar die Details der Abfahrt entnehmen können: »Auf dem Bahnhof hatten sidi zur Verabschiedung der Bataillonskommandeur v. Uthmann, Oberbürgermeister Dr. Tetten­ born, Baurat Jacobi und Landrat Dr. v. Meister eingefunden, mit wel­ chen sich Seine Majestät noch freundlichst unterhielt und ihnen zum Abschied die Hand reichte. Als sich der Zug dann in Bewegung setzte, winkte Seine Majestät vom Wagen aus noch lange grüßend den Zurück­ gebliebenen zu.« Die Ponsonby-Story erfüllte ihren Zweck: Sie half ihrem Verfasser aus finanzieller Verlegenheit — sie erläuterte, wieso er sich für befugt hielt, fremde Briefe zu publizieren — sie ließ die Briefe meiner Großmutter, denen sie als Einführung vorangestellt war, in der Vor­ färbung einer bestimmten Tendenz erscheinen — und sie »enthüllte« der Öffentlichkeit das Gesicht des deutschen Kaisers, demonstriert an seinem Verhalten gegenüber der eigenen Mutter! Und das alles zauberte die Erfindungsgabe Sir Frederick Ponsonbys aus einem einfachen, beinahe trivialen Vorgang: Meine Großmutter hatte Material für eine Lebensbeschreibung ihres Gemahls gesammelt. Hierzu erbat sie von der Queen die Briefe, die sie ihr geschrieben hatte, damit Auszüge gemacht werden könnten. Zwecks Rückgabe der Briefe — die Queen war inzwischen gestorben — wandte sie sich, zuständigkeits­ halber, an den Privatsekretär des Königs. Das war der Weg, auf dem die Briefe wieder dahin gelangen mußten, wohin sie gehörten: in das könig­ liche Archiv in Windsor. Daß sie dort nicht anlangten, wurde offenbar, als sie fast drei Jahrzehnte später, längst war auch Eduard VII. ge­ storben, von Ponsonby auf den Büchermarkt gebracht wurden.

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Der Augustenburger

Die älteste Erinnerung, die ich an meine Großmutter mütterlicher­ seits habe, ist ein köstliches Gebäck, das es gab, wenn ich bei ihr zu Besuch war und das sie uns, da sie wußte, wie sehr wir es schätzten, audi zu Weihnachten nach Potsdam gesandt hat. Es waren die sogenannten Wiebeles, eine Art Vanilleplätzdien, aus ihrer württembergischen Heimat. Meine Großmutter war eine Prinzessin zu Hohenlohe-Langenburg. Dieses alte und verzweigte fränkische Geschlecht ging durch die napoleonische Rheinbundsakte seiner Souveränitätsrechte verlustig. Auch das Fürstentum Hohenlohe-Langenburg wurde hiervon betroffen. Es wurde zu Württemberg geschlagen. Meine Großmutter Adelheid war eine Tochter des Fürsten Ernst zu Hohenlohe-Langenburg und seiner Gemahlin Feodora, einer geborenen Prinzessin zu Leiningen. Prinzessin Feodora, meine Urgroßmutter, war wiederum eine Tochter der Prinzessin Viktoria von Sachsen-Coburg, die — in erster Ehe mit dem Fürsten zu Leiningen verheiratet — nach dem Tode ihres Gemahls in zweiter Ehe Herzog Eduard von Kent, einen jüngeren Sohn König Georgs III. von England heiratete. Einziges Kind dieser Ehe war Queen Victoria. Sie und meine Urgroßmutter Feodora waren also Halbschwestern. Ich liebte an meiner Großmutter ihren reizenden süddeutschen Dia­ lekt, der so ganz zu der wohltuenden mütterlichen Wärme paßte, die sie ausstrahlte. Oft habe ich an ihrem Bett gesessen, wenn sie das Frühstück nahm oder mir, ohne zu ermüden, erzählte. Sie war damals schon über sechzig Jahre alt und trug, bevor sie sich erhob, eine kleine seidene Mütze, die sie in verschiedenen Farben besaß und die ihr reizend standen. Es bedurfte keiner sonderlichen Phantasie, um zu ahnen, daß sie in der Jugend ausnehmend hübsch gewesen sein mußte. In ihrer Jugendzeit war sie wiederholt in London bei ihrer Tante, der Queen, zu Besuch gewesen. Dort hatte sie die Aufmerksamkeit des französischen Botschafters, Graf Walewsky, erweckt. Der Graf, am Rande bemerkt ein Sohn Napoleons I. aus dessen oft zitierter roman­ tischer wie wohl auch politisch bedeutsamer Liaison mit der polnischen Gräfin Marie Walewska, resümierte, daß die anmutige blutjunge deutsche Prinzessin, die der englischen Königin so nahestand, die geeignete Gemahlin für seinen Kaiser, Napoleon IIL, sein könnte. In einer Auf­ zeichnung von Lord Malmesbury, dem englischen Außenminister, hieß cs darüber: »Walewsky ist angekommen, um die Hand der Prinzessin Adelheid von Hohenlohe, der Nichte der Königin, für den Kaiser Napoleon zu erbitten. Ich habe diese Anfrage kommen sehen und die 79

Königin davon unterriditet.« Später notierte Lord Malmesbury: »Die Königin begann, von der beabsichtigten Heirat ihrer Nichte zu sprechen. Ihr prinzlicher Gemahl hat einen darauf bezüglidien Brief des Fürsten Hohenlohe gelesen, dessen Hauptinhalt darin bestand, daß er viel Schwierigkeiten hierbei sich erheben sehe, und namentlich betonte er die Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses und der Nationalität. Die Königin und Prinz Albert sprachen ohne Leidensdiaft von dem Gegen­ stand, indem sie das Für und Wider erwogen. Die Königin«, fuhr der Minister fort, »machte dann noch eine Anspielung auf das gewöhnliche Schicksal aller königlichen und kaiserlichen Frauen in Frankreich seit 1789, aber sie schien im Grunde dieser Verbindung doch nicht abhold.« Trotz nochmaliger Werbung scheiterte das Eheprojekt des franzö­ sischen Kaisers. Die siebzehnjährige süddeutsche Prinzessin war nicht so ganz mit dem Korb, den man erteilt hatte, einverstanden. »Ich dummes Ding weinte«, sagte sie rückerinnernd einmal in späteren Jahren. »Ich wäre damals so gern Kaiserin der Franzosen geworden!« Dann setzte sie hinzu: »Ich wußte ja auch nicht, welch ein viel besserer und edler Lebensgefährte mir bestimmt war.« Napoleons Wahl fiel schließlich auf die Spanierin Eugenie de Gusmän Gräfin Montijo. Prinzessin Adelheid wurde 1856 mit dem Erbprinzen Friedrich von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg getraut. Prinz Friedrich von Schleswig-Holstein, mein Großvater, stand zu dieser Zeit in Potsdam beim 1. Garde-Regiment zu Fuß. Das allein sagt über seine allgemeinen Lebensverhältnisse nicht viel aus. Er war, so würde man es heute nennen, politischer Flüchtling. Sein ganzer Lebens­ weg stand im Banne der deutsch-dänischen Auseinandersetzungen. Sie waren ein dramatisches Kampffeld im Konflikt der nationalstaatlichen Entwicklungstendenzen des vorigen Jahrhunderts. Mein Großvater war von Anbeginn persönlich engagiert. Die zwei deutschen Herzogtümer waren seit dem Mittelalter mit der Krone Dänemarks verbunden gewesen, seit die Stände der beiden deut­ schen Länder König Christian I. von Dänemark, aus dem Hause Olden­ burg, 1460 zum Herzog von Schleswig und Grafen von Holstein aus­ gerufen hatten, unter der Bedingung, daß die beiden Länder auf ewig ungeteilt blieben, »dat se bliven ewich tosamende ungedelt.« Als in der Mitte des vorigen Jahrhunderts überall die national- und einheitsstaatlichen Kräfte in Bewegung gerieten, war der Konfliktstoff zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein auch zur Stelle. Die regie8 0

Schloß Kronberg 1900. S i t z e n d v. L: Adolf zu Schaumburg-Lippe, Friedrich Karl v. Hessen, Heinrich v. Preußen, der Kaiser, Konstantin v. Griechenland, Albert v. Schleswig-Holstein, Ernst Ludwig v. Hessen. K i n d e r v . L: Alexander, Helene und Georg v. Griechenland. S teh en d v. L: Prinzessin Heinrich v. Preu­ ßen, Sophie V. Griechenland, Charlotte v. Sachsen-Meiningen, die Kaiserin, Kaiserin Friedrich, Viktoria zu Schaumburg-Lippe, Margarethe v. Hessen.

Oben: Ausfahrt in Bad Homburg (i. d. Mitte: Prinzessin Viktoria Luise) Unten: Ausritt vom Neuen Palais (links die Kaiserin)

rende Linie des dänisdien Hauses war im Mannesstamm am Aussterben. Nadi dem dänischen Königsrecht bedeutete das für Dänemark, daß die Thronfolge im Wege der weiblichen Erbfolge weiterlief. Nach dem alten Redit der Herzogtümer gab es nur die männliche Thronfolge. Es war eine ähnliche Situation, wie sie sich 1837 für England und Hannover ergeben hatte, und die dazu führte, daß dort Prinzessin Victoria Königin wurde und hier der Herzog von Cumberland, ihr Onkel, König von Hannover. Von dänischer Seite wurde der Versuch unternommen, den Herzog­ tümern das dänische Erbfolgerecht zu oktroyieren. Erbfolgeberechtigt war nach dem Erlöschen der männlichen Linie des dänischen Hauses das Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg. Das wurde in Kopenhagen ignoriert. 1848 setzte sich die Bevölkerung der Herzog­ tümer zur Wehr gegen die Danisierung. Die Mitglieder des angestammten Fürstenhauses standen in ihrer Mitte. Der Bruder des Herzogs Christian August, Prinz Friedrich von Augustenburg-Noer, gehörte der Provisori­ schen Regierung der Herzogtümer, die in Kiel ausgerufen wurde, an. Er übernahm den Oberbefehl über die Truppen. Auch der älteste Sohn des Herzogs, mein Großvater, nahm an den sich entwickelnden Gefechten teil: vor Fridericia und schließlich auch in der Verzweiflungsschlacht bei Idstedt. Zu Beginn der Kämpfe war mein Großvater 18 Jahre alt. Nach dem Sieg über ein dänisches Geschwader im Hafen von Eckernförde, bei dem die Dänen das Linienschiff »Christian VIII.« und die Fregatte »Gefion« verloren, wurde ihm die ehrenvolle Aufgabe zuteil, die er­ oberte Flagge des Linienschiffs nach Frankfurt zu bringen und sie dem Reichsverweser, Erzherzog Johann, zu überreichen. Aus der kurzen An­ sprache, die mein Großvater dabei an den Reichsverweser richtete, sind die Worte überliefert; »Möge bald der ersehnte Tag erscheinen, an welchem die deutsche Flagge als Symbol deutscher Einheit und deutschen Ruhms flattert auch über Schleswigs Auen und über dieser Trophäe.« Preußische Truppen, aber auch Kontingente anderer Bundesstaaten, hatten die Schleswig-Holsteiner unterstützt. Unter dem Druck der Groß­ mächte zog König Friedrich Wilhelm IV. seine Truppen wieder zurück und gab die Provisorische Regierung preis. Die Dänen triumphierten. In Übereinstimmung mit den Mächten wurde eine neue Thronfolgeordnung erlassen, die auch für Schleswig-Holstein Gültigkeit haben sollte. Zum Thronerben wurde Prinz Christian aus dem Hause Glücksburg bestimmt. Herzog Christian August, der Chef des Hauses Augustenburg, das für 81

die deutsdie Sache eingetreten war, wurde gezwungen, die Herzogtümer zu verlassen, seine Besitzungen einschließlich des Schlosses Augustenburg gegen eine Abfindung an die dänisdie Krone abzutreten und auf seine Erbansprüche zu verzichten. Der Herzog nahm seinen neuen Wohnsitz in Preußen, in der Nieder­ lausitz. Er erwarb die Herrschaft Primkenau im Kreise Sprottau. Hier verlebten auch meine Großeltern das erste Jahr ihrer Ehe. Dann siedelten sie nach dem nicht weit entfernten Rittergut Dölzig bei Sommerfeld im Kreise Sorau über, das der Herzog für seinen ältesten Sohn gekauft hatte. Ich habe Dölzig leider nicht selbst kennengelernt. Es wurde als ein Besitz beschrieben, der sich durch idyllische Einsamkeit auszeichnete. Rund 4000 Morgen, weite Ackerflächen und Wiesen mit Wald und Teichen, sowie mit Brauerei, Brennerei, Sägewerk und Ziegelei. Das Herrenhaus ein Gebäude in bürgerlichem Rahmen, einfach, ohne jeden Prunk, umgeben von uralten Eichen. In dieser ländlichen Zurückgezogenheit schlesischen Gutslebens wurde 1858 dem jungen Paar nach einem Sohn die erste Tochter geboren, Prinzessin Auguste Viktoria. Den Namen erhielt sie nach zwei ihrer Taufpaten, der damaligen Prinzessin Wilhelm von Preußen und späteren Kaiserin Augusta, sowie der Prinzessin Friedrich Wilhelm und späteren Kaiserin Viktoria. Mir kam das oft merkwürdig vor, daß also meine Mutter nach meiner Großmutter und nach meiner Urgroßmutter väterlichererseits benannt worden war. Doch es war alles andere als ein Zufall. Auch bei den beiden ältesten Söhnen des Erbprinzen Friedrich und seiner Gemahlin hatten König Friedrich Wilhelm IV. und mein Großvater Pate gestanden. Hierin spiegelte sich die enge Verbindung, die zwischen meinem schleswig-holsteinischen Großvater und der preußi­ schen Familie bestand, genauer gesagt die Freundschaft zwischen meinen beiden Großvätern. Meine Großväter hatten sich als Kommilitonen in Bonn näher kennengelernt. Als Fritz Holstein, wie mein preußischer Großvater ihn nannte, bei der Garde in Potsdam stand, hatte sich eine Freundschaft herausgebildet. Meine Großväter schätzten sich außerordentlich. Auch in ihren politischen Ansichten gab es viel Übereinstimmung. Was meinem preußischen Großvater an dem Holsteiner so besonders gefiel, faßte er einmal in die Worte: »Er ist so vernünftig und freidenkend!« Daß er lebhaften Anteil an der schleswig-holsteinischen Frage nahm, versteht sich schon aus dem nationalen Gedanken, wie er vom deutschen Liberalis­ 8 2

mus des vorigen Jahrhunderts als mächtige Triebfeder der Staatspolitik hervorgebracht wurde. Seine Ansicht war: »Sdireiendes Unredit ist aber den Augustenburgern erwiesen, indem in den Herzogtümern sie unbestreitbare Erben sind und Christian Glücksburg König werden soll, um über sie hinweg die Herzogtümer unzertrennlich mit Dänemark zu vereinigen.« Als dann 1863 König Friedrich VII. von Dänemark ge­ storben war und Prinz Christian von Schleswig-Holstein-SonderburgGlücksburg ihm auf den Thron folgte, stand für meinen preußischen Großvater fest: »Fritz Holstein ist in meinen Augen jetzt rechtmäßiger Herzog von Schleswig-Holstein und Lauenburg.« Er wiederholte: »Prinz Christian rechtmäßiger König von Dänemark, aber nicht der Herzog­ tümer, deren unbestreitbarer rechtmäßiger Herzog der von SchleswigHolstein-Sonderburg-Augustenburg ist, also Fritz, weil sein Vater quasi verzichtete, während Fritz und alle übrigen protestierten.« Das Jahr 1864 sah meine beiden Großväter Seite an Seite im Kampf gegen Dänemark. Der preußische Kronprinz war, wie er sagte, »von dem Wunsdi beseelt, mich an jedem echt deutschen Unternehmen zu beteiligen« und »zu Hause zu bleiben, wenn unsere Truppen vor den Feind kommen sollten, war mir unmöglich.« König Wilhelm und seine Berater waren aus mancherlei Gründen dagegen gewesen, daß der Kron­ prinz in diesem Feldzug ein Truppenkommando führte. Er wurde dem Hauptquartier des Oberbefehlshabers, Feldmarschalls Wrangel, bei­ gegeben. Unter großen Schwierigkeiten bemühte er sich dort, Fehlentsdieidungen zu korrigieren. Der betagte Wrangel war bekanntlich nicht ohne Eigensinn und hielt sich nicht an den von Moltke aufgestellten Operationsplan. Entscheidend hat mein Großvater an dem Unternehmen gegen die Düppeler Schanzen mitgewirkt. Auch seine Feuertaufe erhielt er im dänischen Feldzug, und zwar vor der Front der tapferen öster­ reichischen »Schwarz-Gelben Brigade« neben deren Kommandeur, dem Herzog von Württemberg. Mein Großvater Holstein, der in dem 48er Aufstand der Herzog­ tümer bei der Truppe gekämpft hatte, stand dieses Mal im Zentrum der politischen Vorgänge. An dem Tag, da König Friedrich VII. von Dänemark gestorben war, hatte Herzog Christian August ein bereits für diesen Fall vorbereitetes Dokument unterzeichnet, nach dem er seine Rechte auf Schleswig-Holstein, auf deren Ausübung er selbst Verzicht geleistet hatte, seinem ältesten Sohn übertrug, der nunmehr auch den Herzogstitel annahm. 8 3

Mein Großvater hatte sich für diese Aufgabe bereit gehalten. Nach dem Sturz König Ottos I. von Griechenland, eines Sohnes Ludwigs I. von Bayern, im Jahre 1862, war ihm die Krone der Hellenen angetragen worden. Er hatte abgelehnt. Jetzt erließ er, noch von Dölzig aus, eine Proklamation, mit der er in den Kampf der Herzogtümer eingriff: »Mein Recht ist Eure Rettung«. Dort hieß es von jetzt an: »Los von Dänemark unter Führung des angestammten Hauses.« Als die ersten Bundestruppen — Hannoveraner und Sachsen — nach Holstein einmarschierten, wurde mein Großvater in vielen Orten des Landes als Herzog Friedrich VIII. ausgerufen. In Kiel wurde eine herzogliche Regierung gebildet, und eine Allgemeine Landesversammlung, an der rund 20 000 Delegierte aus allen Teilen des Landes teilnahmen, forderte ihn auf, in seine Heimat zurückzukehren. Jubelnd empfangen zog der Herzog in Kiel ein. Eine Welle der Sympathie umwogte ihn. »Die öffentliche Meinung«, kon­ statierte Bismarck, »war in den gebildeten Mittelständen Deutschlands ohne Zweifel augustenburgisch.« Auch die herzogliche Familie folgte von Dölzig nach. In KielDüsternbrook erwarb mein Großvater die sogenannte Schliemannsche Villa. Die Erwartungen aber, mit denen er wieder in die Heimat ge­ kommen war, erfüllten sich nicht. Die Politik Bismarcks machte sie zunichte. Der Kanzler verfolgte hinsichtlich der Herzogtümer ein ent­ gegengesetztes Ziel, von dem er später sagte: »Ich habe von Anfang an die Annexion unverrückt im Auge behalten.« Schon von Anbeginn der militärischen Besetzung der Herzogtümer war offenkundig geworden, daß die Preußen im Unterschied zu Österreichern, Hannoveranern und Sachsen der Sache des Herzogs Schwierigkeiten bereiteten. Über die Spannungen, die nach der Niederlage Dänemarks und der Abtretung der Herzogtümer an Österreich und Preußen entstanden, hat mir ein Tagebuch meiner Großmutter Holstein, das idi von meiner Mutter erhielt, sehr anschaulich Aufschluß gegeben. Bewegendes Zeugnis gaben die Aufzeichnungen zudem von den bitteren Enttäuschungen, die auf die Augustenburger zukamen. Deutlich läßt sich das Geschehen aus einem Eintrag ablesen, den meine Großmutter nach dem Vertrag von Gastein machte. Der Vertrag übertrug bekanntlich Österreich die Ver­ waltung von Holstein und Preußen die von Schleswig, während Lauen­ burg gegen eine Geldentschädigung Preußen einverleibt wurde. Meine Großmutter notierte in ihrer schwer lesbaren, weitgezogenen Schrift: »Heute sieht und spricht Fritz in Kiel Feldmarschall von Gablenz. Wie 8 4

es scheint, ißt Fritz mit ihm, denn er bestellte Orden und Anzug. Gott gebe gnädiglich, daß diese entrevue gute Früchte trage. Gablenz erließ eine so hübsche vernünftige Proclamation an die Holsteiner bei Übernahme der Statthaltercharge in Kiel für Ankunft dort am 15. September. Während General Man teuffei echt preußisch bombastisch und anmaßend seine Statthalterschaft in Schleswig übernahm, ist Gablenz gleich vertretend im Lande vorgestellt, und die Kieler wie Altonaer ihn bei seiner Ankunft bewillkommneten. Lauenburg ist ja nun seit der Gasteiner Zusammenkunft Kaiser Franz Josephs und König Wilhelms v. Pr. und dem dort abgemachten abscheulichen Beschlüsse von Oesterreich an Preußen verkauft. Gott gnade den Herzogtümern, daß sie nicht auch verschachert werden. Jedenfalls sind die Preußen aus Holstein abgezogen und haben sich aber leider in Schleswig festgesetzt und regieren mit Beamtenabsetzung zum Jammer der ganzen Bevölke­ rung, während Oesterreich die Regierung in Holstein übernommen und Gablenz zum Statthalter eingesetzt hat. Das also hat die Gasteiner Convention zuwege gebracht, what a mess. Ich fürchte vorläufig langes Warten.« Es berührt mich doch heute sehr, wenn ich noch einmal sehe, wie mein preußischer Großvater in jenen zwei schweren Jahren, als es um die Ent­ scheidung in Schleswig-Holstein ging, gegen die offizielle preußische Politik und für meinen Großvater Holstein Partei ergriffen hat. Die politischen Folgen des dänischen Krieges haben ihn, wie mein Vater es ausdrückte, »sehr bewegt und mitgenommen. Sein Gefühl stand ganz auf der Seite des edlen, deutschdenkenden, vornehmen, geraden Herzogs Friedrich. Durch die in der Frage der Herzogtümer von Bismarck be­ folgte Politik wurde das Gerechtigkeitsgefühl des Kronprinzen verletzt, und er wurde ihr Gegner.« — Der Kronprinz bediente sich in dieser Sache sehr harter Worte. So vermerkte er nach dem Empfang einer Nach­ richt des Augustenburgers: »Brief vom armen Fritz Holstein, betrübt, aber zum Ausharren entschlossen, deutlich Bismarcks ganzes infames Spiel witternd.« Vom Premierminister v. Bismarck-Schönhausen sprach er als von einem »geschworenen Feind der augustenburgischen Familie«. Ein andermal nahm er Herzog Friedrich mit der Erklärung in Schutz: »Die Geschichte ist aus Hamburg intrigiert und stammt aus dem König­ lich Preußischen Geheimen Preßbureau, in welchem Halunken gegen Fritz Holstein schreiben.« Der Krieg gegen Österreich entschied über das Schicksal der Herzog­ tümer und über das Herzog Friedrichs. Die Realpolitik Bismarcks erwies 8 5

sich als erfolgreich. Es war für ihn nicht leicht gewesen, seinem König die Einwilligung zum militärischen Vorgehen gegen Österreich-Ungarn abzuringen. Meinen Großvater wiederum hatte er überhaupt nicht über­ zeugen können. Und mein Vater, damals noch ein Kind, begegnete zum erstenmal — voll staunender Verwunderung — den Wechselfällen der Politik. 1864 hatte er, von den Fenstern des Kronprinzenpalais aus, die auf dem Marsch nach Dänemark durch Berlin marschierenden, von der Bevölkerung begeistert begrüßten österreichisch-ungarischen Truppen gesehen, hatte sich nicht satt sehen können an dem prachtvollen Schau­ spiel, das das königlich-ungarische Infanterie-Regiment Nr. 34 in seinen blitzsauberen schneeweißen Uniformröcken und den hellblauen Bein­ kleidern bot, als es an dem preußischen König vorbeidefilierte. »Ein unvergeßlicher Anblick«, erinnerte sich mein Vater und setzte hinzu: »Und nun sollten das mit einem Male Feinde sein?! Das wollte auch in mein kleines Kinderhirn nicht hinein.« Im Frieden von Prag trat Österreich seine Rechte an Schleswig-Hol­ stein an Preußen ab. Das bedeutete die Annexion. Bismarcks Rechnung war so gut aufgegangen, daß der Kronprinz resignierend feststellen mußte: »Allerdings aber sehe ich für Schleswig-Holstein unter den heuti­ gen Verhältnissen keine andere Möglichkeit, als daß auch jene Länder preußisch werden, denn wie soll man Bismarck mit dem Herzog Friedrich zusammenbringen?« Wie ein Stoßseufzer liest sich der dann folgende Satz: »Man wird eigentlidi an sich selber irre.« Mein holsteinischer Großvater verließ Kiel. Seine Familie folgte ihm. Kurze Zeit hielt man sich noch in Dölzig auf. Dann wurde es verkauft, und man übersiedelte nach Gotha, wo mein Großvater ein Haus besaß, das »Holsteinsche Palais«. Es machte den Eindruck eines in einem Garten gelegenen komischen alten Kastens, vorn zur Allee ein großes Gebäude, an das hinten wie angeklebt zwei Anbauten angefügt waren, deren Stockwerke in der Höhe nicht mit denen des Hauptgebäudes überein­ stimmten, so daß man in den Korridoren bald treppauf, bald treppab gehen mußte. Dort lebten meine Großeltern mit ihren Kindern sehr zurückgezogen und ohne jeden Aufwand. Im Januar 1867 kam es zu einer denkwürdigen Begegnung meiner beiden Großväter. Meine Großeltern Holstein befanden sich in BadenBaden. Bei einem Besuch in Karlsruhe beim Großherzog von Baden eröffnete dieser ihnen, daß er in den nächsten Tagen den preußischen Kronprinzen erwarte. Mein Großvater Holstein sagte hierzu kein Wort. 8 6

Von Baden-Baden aus sdirieb er dann allerdings dem Großherzog, daß er den Kronprinzen dodi gern Wiedersehen möchte, er könnte aber hierzu nidit den ersten Schritt tun. Wenn der Großherzog ihn einladen würde, so würde er kommen. Über die Beweggründe, die ihn bei diesem Ent­ schluß leiteten, schrieb er: »Dem Kronprinzen mögen Unterlassungs­ sünden zur Last fallen, gemeint hat er es ehrlich . . . Jedenfalls ist er der einzige, der möglicherweise eine Verständigung herbeiführen kann, die die Herzogtümer befriedigt, auf die wir uns einlassen können.« Über die Begegnung selbst fand ich folgende Niederschrift meiner Großmutter, die, glaube ich, sehr anschaulich ist: »Heute habe ich von einem anderen Wiedersehen zu berichten, nachdem wir erst vor 2 Tagen dort waren und jetzt zu einem Rendezvous mit dem Kronprinzen von Preußen. Ich hatte Kanonenfieber ehe ich ihn sah, und hatte stark die Absicht, ihm möglichst viele Spitzen zu geben. Aber Fritz wollte hiervon nichts wissen, verbot es und disponierte mit des Kronprinzen Liebens­ würdigkeit für Friedrich und mich — überwand freilich schnell meine nicht allzu große Courage auf Spitzengeben! — Malio (Prinzessin Amalie, die ältere Schwester Herzog Friedrichs) hätte wohl anders gefegt.« — Meine Großmutter fuhr fort: »Der gute freundliche Groß­ herzog empfing uns dann. Nachdem ich Hut und Mantel abgelegt hatte, gingen wir in den Salon der Großherzogin, die dort mit dem Kronprin­ zen und Maroussie (Prinzessin Maria von Baden) uns erwartete. Gleich rasch kam der gute Kronprinz auf uns zu, drückte Friedrich und mir tüchtig die Hände und küßte mich! Ich zitterte, es war mir eigen zu Mute zwischen Entrüstung und Eindruck, ihn wiederzusehen! Er sprach gleich sehr freundlich mit uns und erkundigte sich nach den Kindern, fand mich wohlaussehend, sah aber blaß aus. Gleich darauf nahm mich die Groß­ herzogin in ihr Schreibzimmer, dann war meine Conversation mit dem Kronprinzen zu Ende, dafür aber hatte Fritz lange Zeit, wenigstens Stunde Beratung mit ihm, was mich wahrhaft freute, zumal sich der gute Kronprinz so mißbilligend über die große Politik geäußert, Fritz wiederholt seiner unverminderten Freundschaft versichert haben soll. Fritz war ganz zufrieden mit seiner Conversation und rühmte den Kronprinzen.« Mein Großvater selbst vermerkte über das Gespräch mit dem Kron­ prinzen, daß es keinen Sinn gehabt habe, über die Vergangenheit zu strei­ ten, das erbittere nur, deshalb habe er auch seiner Frau »verboten, damit zu kommen. Aber«, sagte er, »ebensowenig habe ich mit meiner Stellung hinter dem Busch gehalten.« Er schloß mit der Feststellung: »Niemand 8 7

bestimmt jetzt, also der Kronprinz nicht und ich nicht. Aber der statt­ gefundene Gedankenaustausch ist für mich sehr befriedigend, wie ich es nur wünsdien konnte.« Von preußischer Seite bot man Herzog Friedrich eine Entschädigung in Geld und Grundbesitz an. Er lehnte ab. Er sei nicht bereit, erklärte mein Großvater, eine Regelung einzugehen, die nicht auch zugleich den Herzogtümern diene und: mehr wert als einige Millionen sei ihm die Überzeugung der Schleswig-Holsteiner, daß sein Haus bis zuletzt treu und ohne Selbstsucht zum Lande und dessen Recht gestanden habe. Der alte Herzog Christian August starb 1869 in Primkenau. Nun siedelte die Familie meines Großvaters nach dorthin über, also nach Preußen. Das kommende Jahr sah meinen Großvater als bayerischen General im deutsch-französischen Krieg. Über meine Großmutter Viktoria fragte er bei König Wilhelm an, ob er sich dem Stabe des Kron­ prinzen anschließen dürfe. Wilhelm I. willigte ein. Ihre erste Begegnung fand auf der Höhe von Fr^nois statt, bei Sedan, am 1. September 1870. Meine beiden Großväter waren zugegen, als der französische General Reille entblößten Hauptes König Wilhelm das Kapitulationsschreiben Napoleons III. überreichte. Auch in Versailles, bei der Kaiserproklama­ tion, war Herzog Friedrich zugegen. Nidit minder begeistert wie alle anderen. Er war sich bewußt, daß er seinen eigenen Beitrag zur deutschen Einigung erbracht hatte, wenn er selbst und sein Haus dabei auch ein Opfer der Politik Bismardcs geworden waren. Voller Stolz bekundete er: »Daß ohne mein Auftreten die Herzogtümer nicht von Dänemark getrennt worden wären, das weiß ich, und es wird nicht gelingen, dieses Blatt der Geschichte, das mir gehört, auszureißen.« Es gibt wohl kaum ein eindringlicheres Zeugnis für die Denkungsart meines Großvaters als jene kleine Episode, die sidi im Winter 1876/77 ereignet hat. Damals hielt sich die Schwester des Herzogs, Prinzessin Amalie, im südfranzösischen Pau auf. Meine Großtante war eine sehr resolute Frau und auch als solche bekannt. Ich erinnere mich noch, wie man ihr, auch wenn sie bei uns in Potsdam zu Besuch war, entsprechend behutsam begegnete. Ihre intransigente Einstellung in der Annexions­ frage war allen nicht minder geläufig. Als nun mein Großvater seine zwei ältesten Töchter, Auguste Viktoria und Karoline Mathilde, nach Pau sandte, um dort bei ihrer Tante die Kenntnisse in der französischen Sprache zu vervollständigen, ersuchte Herzog Friedrich seine Schwester, mit den beiden Prinzessinnen nicht zu politisieren und immer im Auge zu behalten, daß sie Deutsche seien. — 8 8

Ich glaube, das Wesen meiner Mutter, ihre Charakterzüge, wie sie später dem ganzen Volke offenbar wurden und zu der Liebe und Ver­ ehrung beitrugen, die der Kaiserin überall entgegengebracht wurden, lassen sich nur erfassen, wenn man weiß, wie sie aufgewachsen ist. Ich meine auch, daß bei einer Beurteilung meines Vaters niemals übersehen werden sollte, wen er sich zur Gemahlin nahm. Und sicher war das in ihrer Jugend geformte Wesen meiner Mutter die Grundlage für das so überaus glückliche und harmonische Familienleben, das meine Brüder und ich von unseren Eltern schon mit in die Wiege gelegt bekommen haben. Primkenau, die Stätte, an der meine Mutter ihre Jugend verlebte und das bis zuletzt, bis zur Besetzung Schlesiens durch die sowjetischen Truppen im Besitz der schleswig-holsteinischen Familie geblieben ist, habe ich unendlich geliebt. Der Ort selbst, ein kleines unscheinbares Städtchen, zählte wohl wenig mehr als 2000 Einwohner. In einem herrlidien Park lag das Schloß. Breit und behaglich. Man sah ihm an, daß es in seinen Baulichkeiten auf das Leben und die bescheidene Hofhaltung der herzoglichen Familie abgestimmt war. Über den Zinnen eine lange Fahne: blau-weiß-rot. Die Farben Schleswig-Holsteins. Mitten im Schlesierland. Zur Rückseite des Schlosses gab es die in der Blütezeit prachtvoll leuchtende Roseninsel. Der Boden der Landschaft war nicht gut, eher dürftig zu nennen. Sand, auch Moor. Viel Mühe hatte der alte Herzog darauf verwandt, dem öden oder versumpften Grund den schönen Park abzuringen. Ein paar nur bescheiden gewachsene Eichen sagten aus, daß die Natur dennoch der gärtnerischen und forstlichen Energie des Schloßherren Grenzen gezogen hatte. So vermittelte Prim­ kenau alles andere als die Vorstellung eines üppigen Herrensitzes. Viel­ leicht war es die selbstverständliche Schlichtheit, die mir Primkenau ans Herz wachsen ließ. Die Hofhaltung war sehr begrenzt. Die Hofchargen waren so gut wie nicht besetzt. Respektsperson war ein Fräulein v. Krogh, eine alte Hofdame. Mehrere Jahrzehnte lang hat sie im Dienst der Familie gestanden. Aufschlußreich ist, was eine Gouvernante, die für eine der Prinzessinen engagiert worden war, über ihren Dienstantritt in Prim­ kenau zu erzählen wußte. Sie schrieb: »Ich machte Fräulein v. Krogh meinen Besuch und bat sie, mich etwas in das Zeremoniell einzuführen; aber was sie sagte, gab an Dunkel und Vieldeutigkeit den delphischen Orakelsprüchen von einst nichts nach, bis auf einen praktischen Vers: >Komme nie zu deinem Firscht, wenn du nicht gerufen wirscht!Prinzessin Viktoria trägt einen Ring!Stellen Sie sich vor den Thron. Ich werde es Ihnen zeigen. Ich bin ja der einzige, der noch so ausexerziert ist.< Mit diesen Worten marschierte er selbst im Weißen Saal des Berliner Schlosses am Thron vorbei. Es war ein überwältigender Anblick, wie der alte König in unnachahmlicher Würde mit Hut und Sponton die Ehrenbezeugung der friderizianischen Zeit erwies. Wir glaubten, den Glanz und den Ruhm der Armee Fried­ richs des Großen leibhaftig vor unseren Augen zu sehen.«

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Kensington Palace

Von der Hochzeit meiner Eltern möchte ich den Blick noch einmal auf die Zeit lenken, da sie Verlobte waren, genauer gesagt, auf einen Besuch in England. Damals, nach der Verlobung in Gotha, trafen sich meine Eltern in Windsor. Dort lebte — in Cumberland-Lodge — der Onkel meiner Mutter, Prinz Christian von Schleswig-Holstein, ein Bruder meines Großvaters. Prinz Christian war mit einer Tcxhter der Queen, Prinzessin Helene, einer jüngeren Schwester meiner Großmutter Viktoria verheiratet. Auch diese Ehe war bei einem Besuch der Queen in Coburg vorbereitet worden. Mein Großonkel Christian bekleidete zwar den Rang eines preußischen Generalobersten und stand k la suite des 3. Garde-Ulanen-Regiments, doch er war eigentlich in England zu Hause. Nach Deutschland kam er nur selten, sozusagen auf Besudi. Das geschah zumeist im Herbst, zur Jagd. Wir sahen ihn dann auch bei uns im Neuen Palais. Mein Vater stellte ihm stets einen Hirsch im Wildpark zur Verfügung. Prinz Chri­ stian war passionierter Jäger. Noch im hohen Alter überraschte er immer wieder durch seine Treffsicherheit im Schießen. Dies war um so bemer­ kenswerter, weil er bei einer Treibjagd durch den Fehlschuß eines anderen Jägers ein Auge verloren hatte. Wir Geschwister kannten unseren Großonkel als einen jovialen, netten alten Herrn, der auch gern Spaß mit uns trieb. Ich entsinne mich noch, wie wir sieben Kinder einmal zu seiner Begrüßung angetreten waren. Er musterte unsere Reihe, um dann nicht ohne einen gewissen Ernst zu sagen: »Ich glaube, Ihr müßt aber doch noch einmal hinauf­ gehen und unter den Betten nachsehen; dort muß noch einer liegen, den Ihr vergessen habt!« Wir jüngsten unter den Geschwistern, mein Bruder Joachim und ich, waren von dieser Rede irgendwie beeindruckt, und — wenn auch nur für eine Sekunde — kam mir der Gedanke: Sollen wir wirklich nachsehen?! Der älteste Sohn meines Großonkels, Prinz Christian Viktor, war englischer Offizier. Sein zweiter Sohn, Prinz Albert, diente in der preußischen Armee. Er stand in Potsdam bei den Leib-Garde-Husaren und war als Rittmeister eine Zeitlang Chef der Leibeskadron. »Abby«, wie wir ihn nannten, sprach ein recht gefärbtes Deutsch, mit ausge­ sprochen englischem Akzent. Es ließ sich nicht überhören, daß er in England aufgewachsen war. Amüsement gab es, wenn er seine Eskadron kommandierte. Die zackigen deutschen Kommandos in der malenden englischen Aussprache zu vernehmen, wirkte auf die Zuhörer immer wieder ungemein komisch. 1 0 5

In der Familie Sdileswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg galt Prinz Albert als zukünftiger Chef des Hauses. Die Ehe Herzog Ernst Günthers mit Dorothea von Sachsen-Coburg und Gotha war kinderlos geblieben. So ging die Erbfolge auf die Linie des Prinzen Christian über. Dessen einziger männlicher Erbe war aber nach dem frühen Tode des ältesten Sohnes mein Vetter Abby. Trotz dieser auf ihn zukommenden Aufgabe hat Prinz Albert nicht geheiratet. Meine Mutter hat oft mit ihm hierüber gesprochen. Sie meinte, ihm ins Gewissen reden zu müssen. Doch er hatte sich entschieden, nicht zu heiraten. Er blieb bei seiner Überzeugung, die er meiner Mutter gegenüber in die Worte faßte: »Ich kann nur heiraten, wenn ich wirklich jemanden liebe; und da ich jeman­ den liebe, den ich nicht heiraten kann, so bleibe ich ledig.« — Mit dem Tode Alberts ist das Haus Augustenburg dann 1931 im Mannesstamm ausgestorben. Das Erbe ging auf Adoptivkinder Herzog Ernst Günthers aus dem Hause Glücksburg über. Seine Gemahlin, Dorothea, die bis 1945 in Primkenau lebte, starb 1967 in Württemberg auf Schloß Taxis. Sie hat ihren Gemahl um 46 Jahre überlebt. Ähnliche Erlebnisse bei der Bewältigung der deutschen Sprache wie bei unserem Vetter Abby gab es bei dem jungen Herzog von Albany, Carl Eduard. Im Zuge der Erbfolge war ihm die Regierung des Herzogtumes Sachsen-Coburg und Gotha zugefallen. Diese Thronfolge beruhte letzlich darauf, daß nach dem Tode Herzog Emsts II., der ohne Erben geblieben war, die Anwartschaft auf den Thron an die Linie seines Bru­ ders Albert, des Gemahls der Queen Victoria, übergegangen war. So übernahm denn 1893 der zweite Sohn der Queen, Prinz Alfred, Herzog von Edinburgh, die Regierung in Coburg. Er hatte bis dahin als Offizier der Royal Navy Dienst getan. Als junger Mann hatte es ihm nur wenig behagt, daß er die christliche Seefahrt aufgeben müsse, um einen Her­ zogsthron zu besteigen. »Affie (das war der familiäre Rufname Alfreds) denkt nach, wie er den englischen Seemann mit dem Herzogtum Coburg vereinigen könnte und fragte mich um Rat«, notierte mein Großvater bei einem Besuch in England. Der Rat, den er seinem damals achtzehnjäh­ rigen Schwager gab, lautete: »Ich meine, er könne Admiral in England sein, Seedienst treiben, wie er Lust hätte, und durch einen tüchtigen Minister Ländchen administrieren lassen.« Mit fortschreitendem Alter verlor dieses Problem jedcxh für Prinz Alfred an Bedeutung. Vermählt war er mit der Großfürstin Maria Alexandrowna, der Tochter Zar Alexanders II. von Rußland. Auch er hinterließ keine 1 0 6

männlichen Erben. Bei seinem Tode ging die Thronfolge auf den Sohn seines verstorbenen jüngeren Bruders Leopold, des Herzogs von Albany, über, nachdem der zunächst berechtigte dritte Sohn der Queen, der Herzog von Connaught, für sich und seinen Sohn zugunsten seines Neffen verzichtet hatte. Und so überquerte im Jahre 1900 wiederum ein Mitglied des englischen Königshauses, dieses Mal ein Enkel der Queen, den Kanal, um den Thron eines deutschen Fürstentums zu besteigen. Carl Eduard, der neue Herzog, war damals 16 Jahre alt. Er hatte bis dahin das Eton-College besucht. Da er noch nicht volljährig war, übte zunächst sein Vormund, Erbprinz Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, die Regierung aus. Während dieser Zeit bereitete sidi Carl Eduard auf die Übernahme seines Amtes vor, wobei es nicht zuletzt audi um eine Eingewöhnung in die neue Heimat ging. Zu diesem Zwedc siedelte er nach Potsdam über, wo er mit seiner Mutter, einer geborenen Prin­ zessin zu Waldcck und Pyrmont, die Villa Ingenheim bezog. »Charly«, wie er in unserer Familie genannt wurde, besuchte die Hauptkadetten­ anstalt in Lichterfelde, studierte mit meinem Bruder Eitel Fritz Staats­ und Verwaltungsrecht bei Professor Zorn in Bonn und trat schließlich als Leutnant in das 1. Garde-Regiment zu Fuß ein. Oft kam er zu meinen Brüdern ins Neue Palais. In der ersten Zeit spielte er mit ihnen auch in ihrem großen Turnsaal. Er war ein sehr lustiger Junge. Wir sprachen viel englisch mit ihm, was eigentlich nicht dem Sinn seines Potsdamer Aufenthaltes entsprach. Aber Charlys Deutsch war anfangs wirklich lückenhaft, und wir Geschwister wiederum waren mit der englischen Sprache aufgewachsen. Das lag schon an unseren englischen Gouvernanten. Wie sehr wir als Kinder mit dieser Sprache lebten, veranschaulicht ein Vorfall, der sich im ersten Unterrichtsjahr meines Bruders Eitel Fritz zugetragen hat. Er wurde von seinem Lehrer nach dem Wappentier des preußischen Hauses gefragt. Der Lehrer war über die Antwort des kleinen Prinzen entsetzt. Er verstand: »ein Igel«. Ja, der Pädagoge war wirklich entsetzt! Unsere Mutter hatte einige Mühe, ihn zu beschwich­ tigen. Das Mißverständnis lag einfach darin, daß Eitel Fritz, dem natür­ lich der Adler als das preußische Wappentier geläufig war, bis dahin dieses heraldische Symbol nur in der englischen Sprache genannt hatte: »Eagle.« Und das klingt in der Tat genauso wie das deutsche Wort »Igel«. In Berlin, vor einem großen Hofball, hat sich Carl Eduard mit meiner Cousine Viktoria Adelheid von Schleswig-Holstein-Sonderburg1 0 7

Glücksburg verlobt. Sie war eine Toditer des Herzogs Friedrich Fer­ dinand und seiner Gemahlin Karoline Mathilde, einer Schwester meiner Mutter. Meine Cousine war eine besonders reizende Erscheinung, und der junge Herzog wurde allgemein zu seiner Wahl beglückwünscht. Wir zählten Carl Eduard nun ganz zu unserer Familie. Als meine Mutter mit meinen Brüdern Eitel Fritz und Oskar eine Reise nach Taormina unter­ nahm, schloß er sich an. Wenige Monate nach seinem Regierungsantritt, fand auf Schloß Glücksburg die Hochzeit statt. Meine Eltern, vier meiner Brüder und ich nahmen hieran teil. Der Kaiser und die Kaiserin kamen mit mir vom ostpreußischen Rominten, wo wir uns zwei Wochen aufgehalten hatten. In Pillau bestiegen wir die kaiserliche Yacht »Hohenzollern« und nahmen Kurs auf Glücksburg. Es war Oktober und die Ostsee sehr unruhig. Im Tagebuch meiner Mutter fand ich hierüber die Sätze: »Das Wetter war schlecht, die See bewegt, Sissy kämpfte mutig. Ich hatte sehr Angst für die Hochzeit.« Aber ich überstand alles gut; wir kamen auch zur rechten Zeit an. Wir behielten Wohnung auf der »Hohenzollern«, von wo aus wir uns zu den jeweiligen Veranstaltungen begaben. Als ich dann, gemeinsam mit acht Cousinen und Lotta von Oldenburg, die sich gerade am Tage zuvor mit meinem Bruder Eitel Fritz verlobt hatte, in der Rolle einer Brautjungfer auftrat, waren alle Bedrängnisse der Seefahrt für mich vergessen. In der ersten Regierungszeit Carl Eduards hörte man die Erzählung, daß in Coburg ein Ortsfremder, der einen Posten befragt hatte, wer denn dort oben auf dem Schloß wohne, die Antwort erhalten hatte: »Ein englischer Prinz.« Doch diese Vorstellung wurde vom Herzog bald selbst revidiert. Im ersten Weltkrieg kämpfte er an der Ost- und Westfront. In späteren Jahren bekleidete er Ämter wie das des Präsidenten des Deut­ schen Roten Kreuzes und des Vizepräsidenten der Internationalen Liga der Rot-Kreuz-Gesellschaften. Er war Präsident der Vereinigung Deut­ scher Frontkämpferverbände und Präsident des Internationalen Front­ kämpferverbandes. Als Herzog Carl Eduard 1954 starb, bekannten sich seine Freunde und Mitarbeiter in einem Nachruf zu ihm mit den schlichten Worten: »Wir verlieren den besten Vorgesetzten, Kameraden und Freund.« — Die Heiratspolitik der Queen führte zu weiteren Verbindungen ihrer Familie mit deutschen Häusern. Auch ihr Sohn Arthur, der Herzog von Connaught, ging eine preußische Heirat ein. Er vermählte sich mit Prin1 0 8

Zessin Luise Margarete von Preußen. Sie war die älteste Tochter des Prinzen Friedrich Karl, der als einer der großen Heerführer der deut­ schen Einigungskriege bekannt wurde. Im Hinblick auf die militärisdie Passion gab es manche Ähnlichkeit zwischen Sdiwiegervater und Schwiegersohn. Es scheint, als hätte der Umstand, daß der alte Welling­ ton, Englands ruhmreicher Feldherr in den Kriegen gegen Napoleon, bei der Taufe Prinz Arthurs Pate gestanden hat, ihm das Soldatische mit in die Wiege gelegt. Der Herzog von Connaught kämpfte in den Kolonien, in Ägypten und Indien, wurde Generalfeldmarschall und Generalinspekteur der englischen Armee. Er bekleidete aber auch den Rang eines preußischen Feldmarschalls und war zudem Chef des ZietenHusaren-Regiments, dem auch sein Sohn Arthur, der englischer Husarenoffizier war, ä la suite gestellt war. Ich bin dem Herzog von Connaught öfter begegnet. Er war eine ungemein sympathische Erscheinung. Der Herzog von Windsor hat unserem gemeinsamen Großonkel nachgerühmt, in seinem Charakter habe sich ein großes Verständnis der menschlidien Natur mit einem strengen Pflichtgefühl verbunden. »Wie durch einen unsichtbaren Kreisel wurde sein Leben durdi einen Kodex von persönlicher Rechtlichkeit und unbeirrtem Pflichtgefühl im Gleichgewicht gehalten. Seine Sitten waren untadelig; seine Höflichkeit gab den einfachsten Handlungen Würde und Natürlichkeit.-« Man kann am Herzog von Connaught nicht vorübergehen, ohne einer für ihn typischen Eigenart Erwähnung getan zu haben. Sie läßt sich nicht treffender schildern als mit den Worten des Herzogs von Windsor: »Onkel Arthur war natürlich schon eine ehrwürdige Figur meiner Kinderzeit gewesen. Dennoch begriff ich seine großen Fähigkeiten erst, als idi ins öffentliche Leben trat. Er war damals in den Siebzigern, immer noch eine gute soldatische Figur, wenn auch etwas gebeugt. Er war zwar nicht der beste militärische Taktiker, aber in der Sachkenntnis von Uni­ formen war ihm niemand über. Es gab mehr als hundert Regimenter in der britischen Armee, jedes mit seinen eigenen geheiligten Traditionen von Kleidung — Schnüre, Abzeichen, Knöpfe, Gürtel und Kopf­ bedeckung. Onkel Arthur schien ein genaues Verzeichnis jeder Uniform, ihrer Geschichte und wie sie zu tragen sei, im Kopf zu haben. Wenn angekündigt wurde, daß er eine Truppe besichtigen würde, verbreitete sich Schrecken unter allen Dienstgraden. Er musterte jeden Offizier und jeden Soldaten von Kopf bis Fuß. 1 0 9

>Mein Bester, Sie sind Grenadier, nicht wahr?< So hörte man ihn ein­ mal sarkastisch einen nichtsahnenden Offizier fragen mit der gaumigen Aussprache, die für alle Kinder Königin Victorias bezeichnend war. >SirWarum in Teufels Namen tragen Sie dann die Sporen des Coldstream-Regiments?< fragte Onkel Arthur.« — Der Herzog Eduard weiß noch eine andere Geschichte vom alten Connaught zu erzählen. »Auch idi hatte einmal das Mißgeschick, >aufzufallenGuter Jungeweißt Du nicht, daß Du unvorschrifts­ mäßig angezogen bist? Du bist in Wachuniform, während Du doch in Paradeuniform zu sein hast.< Im ersten Falle war eine rote Feldbinde mit weißem Lederportepee erforderlich, im anderen Falle eine goldene Feld­ binde mit Troddel. Ich wandte mein Pferd und ritt beschämt zum YorkHouse zurück, wo man mir, ohne daß ich abstieg, den richtigen Gürtel umlegte. Daß er mich so vor einer peinlichen militärischen Blamage bewahrt hatte, gab ihm sichtlich Genugtuung. Bei jeder folgenden Ge­ burtstagsparade versäumte er nie, mich an den Vorfall zu erinnern. >Weißt du noch, wie du in der falschen Uniform zur Parade wolltest? Ein Glück, daß ich’s noch rechtzeitig gesehen habe.TassenkopfLIttle PrincessKleine Prinzessin< zu sehen!« — Sehr ernst nahmen meine Eltern die Unterweisung ihrer Kinder im christlichen Glauben. Der Kaiser und die Kaiserin waren fromm und gläubig im tiefsten Sinne des Wortes. Dem Religionsunterricht wurde von ihnen hervorragende Bedeutung beigemessen, wobei sie sich persön­ lich in den Unterrichtsstunden von den Fortschritten der Unterweisungen überzeugten. In den Jahren vor dem Beginn der eigentlichen Religions­ stunden war es unsere Mutter selbst, die uns mit dem christlichen Glauben vertraut machte. Wir saßen in ihrem Wohnzimmer, und sie erzählte uns meist anhand der »Knorreschen Bilderbibel« aus der biblischen Geschichte. Ich entsinne mich noch heute vieler Einzelheiten, so sehr beeindruckten uns die Erläuterungen, die uns unsere Mutter gab. In Erinnerung ist mir allerdings auch, welche Wege dabei manchmal die kindliche Phantasie ging. Die Geschichte vom armen Mann, dem Gicht­ brüchigen, der geheilt wurde, aufstehen konnte, sein Bett nahm und fort­ ging, begehrte ich zu wiederholten Malen zu hören. Ich hatte dabei meine Messingbettstelle vor Augen und stellte mir vor, wie schwer der arme Mann zu tragen gehabt hätte. — Meine Mutter sprach mit uns Kindern auch das Abendgebet. Sie ging hierzu zu meinen Brüdern hinauf und kam auch zu mir an mein Bett. Sie versäumte es nie. Waren Gäste anwesend oder selbst bei Fest­ lichkeiten, entschuldigte sie sich für diese Zeit. Man erzählte, daß sie bei einer solchen Gelegenheit einmal gesagt habe: »Ich darf es meine Kinder nicht entgelten lassen, daß ich die Kaiserin bin, ich muß mit ihnen beten.« Als ich sechs Jahre alt war, erkrankte einer meiner Brüder an Diphtherie. Um einer Ansteckung vorzubeugen, wurden mein jüngster Bruder und ich im Marmor-Palais untergebracht, während meine Mutter bei dem Kranken blieb. Mein Vater, der damals aus dem Manöver zurückkehrte, zog zu uns. In dieser Zeit kam er wie selbstverständlich abends an mein Bett, um mit mir das Nachtgebet zu sprechen. Im Winter desselben Jahres kehrten der Kaiser und die Kaiserin von ihrer Palästinareise zurüdt. Gespannt lauschte ich den Erzählungen meiner Mutter, hörte von der orientalischen Pracht, die die osmanischen Be­ hörden zum Empfang des Kaiserpaares entfaltet hatten, von türkischen 1 4 6

Würdenträgern und Beduinenscheichs, von einer Straße in Jerusalem, die den Namen »Kronprinz-Friedridi-Wilhelm-Straße« trug und an die Palästinareise meines Großvaters erinnerte. Ich hörte von der Ehren­ pforte, die von den jüdischen Einwohnern der Stadt errichtet worden war, daß ein hoher Rabbiner dort meinen Vater begrüßt und in Hebräisch ein Gebet für ihn gesprochen hatte und daß Kinder eines Jüdischen Waisenhauses zur Begrüßung ein Lied gesungen hatten, das mit den Worten ausklang: »Gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn! Willkommen, deutscher Kaiser, willkommen, deutsche Kaiserin, in Jerusalem!« Meine Mutter erzählte auch von einem Vorfall, der sie in große Verlegenheit gebracht hatte. Sie war bekanntlich eine ausgezeichnete und passionierte Reiterin. Kein Wunder, daß sie von den schönen AraberPferden entzückt war. Bei irgendeinem Anlaß bewunderte sie eines dieser Pferde, das ihr ins Auge gefallen war und richtete dabei einige lobende Worte an den Reiter. Sie ahnte nicht im entferntesten, was sie damit angerichtet hatte. Der Reiter schwang sich vom Pferd, gab meiner Mutter die Zügel in die Hand und sagte: »Es gehört Dir!« Meine Mutter war sprachlos. Nicht nur, weil sie beim besten Willen nicht wußte, was sie mit dem Pferd anfangen sollte, sondern auch über die Reaktion seines bisherigen Herrn, der sich nicht bewegen ließ, das Pferd zu behalten. Ratsuchend wandte sich die Kaiserin an die einheimischen Herren ihrer Begleitung und erfuhr, daß es ein Gesetz der Gastfreundschaft sei, dem Gast einen von ihm bewunderten Gegenstand zu schenken. Zum Glück wußte man einen Rat, auf welche Weise die Kaiserin dem Eigen­ tümer das Pferd zurückgeben könne, ohne ihn zu verletzen: Ein Ge­ schenk dürfe zurückgegeben werden, wenn man selbst ein Geschenk hin­ zufüge. Erleichtert überreichte sie dem Reiter von den mitgeführten Gastgeschenken ein Zigarettenetui. Er nahm es mit Worten des Dankes an — und auch das Pferd wechselte wieder seinen Besitzer. Unter den Reiseandenken, die uns die Kaiserin mitbrachte, befanden sich köstliche türkische Süßigkeiten. Viel entzückter war ich aber von den Steinen, die an die Heiligen Stätten erinnern sollten. In meiner Kinderphantasie stellte ich mir vor, daß vielleicht der Heiland über sie geschritten wäre. Am schönsten von allen Reiseerzählungen deuchten mich diejenigen, in denen von den Stätten die Rede war, an denen Jesus gelebt und gelitten hatte: Bethlehem, Gethsemane, der ölberg und das Heilige Grab. 1 4 7

Auf sehr sonderbare Weise wurde mir viele Jahre später die Reise meiner Eltern ins Heilige Land in Erinnerung gerufen. Es war in der Zeit nadi dem Zusammenbruch nach 1945. Mein Mann und ich wohnten schon auf der Marienburg. Da erreichte mich die Nachricht, daß ich meinen Bruder August Wilhelm, der in einem amerikanischen Internie­ rungslager gefangengehalten wurde, kurz sehen könnte. Mein Bruder hatte die Erlaubnis erhalten, eine Fahrt, die er zu einer Zeugenverneh­ mung machen mußte, für einige Stunden in Schloß Wolfsgarten, beim Prinzen Ludwig von Hessen, zu unterbrechen. Bei der Vernehmung ging es um einen Diebstahl von Schmuck meiner Tante, der Landgräfin Margarethe von Hessen und ihrer Schwieger­ tochter Marie Alexandra, einer Tochter meines Schwagers Max von Baden, die bei einem Luftangriff auf Frankfurt ihr Leben verloren hatte. Eine andere Schwiegertochter meiner Tante Margarethe, die Landgräfin Mafalda, Tochter des Königs von Italien, die im Konzentrationslager Buchenwald den Tod fand, hatte während des Krieges diesen Schmuck in ein sicheres Versteck gebracht. Angehörige der US-Besatzung spürten ihn auf und stahlen ihn. Nach schwierigen Fahndungen konnten die Täter schließlich ermittelt und ein Teil der Schmuckstücke sichergestellt werden. Seiner Identifizierung diente auch die Vernehmung meines Bruders August Wilhelm. Ich brauche kaum zu sagen, was ich empfand, als ich meinem Bruder in Wolfsgarten gegenüberstand. Wieviel Grauenvolles hatte sich ereignet, seit wir uns zuletzt gesehen hatten, und in welch trauriger körperlicher Verfassung mußte ich ihn antreffen! Im Zimmer war ein amerikanischer Soldat zugegen, der meinem Bruder als Wache beigegeben war. Ich hatte Zweifel, ob es ratsam sei, offen zu sprechen. August Wilhelm bemerkte mein Zögern und gab mir durch ein aufmunterndes Kopfnicken zu ver­ stehen, daß ich freimütig reden könne. Der Wache war unser stummes Fragen und Antworten anscheinend nicht verborgen geblieben, denn der Soldat wandte sich an mich und sagte gänzlich unvermittelt: »Im Zimmer meines Vaters hat das Bild Ihres Vaters gehangen.« Ich war mehr als überrascht und habe ihn verblüfft angesehen. Dann erfuhr ich den Zusammenhang: Sein Vater war Rabbiner in Palästina gewesen. Während der Jerusalem-Reise meines Vaters hatte er ihn im Namen seiner Gemeinde begrüßt und ihm Brot und Salz gereicht. Mein Vater übergab ihm sein Bild, und so hing das Bild des deutschen Kaisers in dem Zimmer eines Rabbiners in Palästina. Den Ort kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Die dramatische Situation in Wolfsgarten wird das 1 4 8

verständlich machen. Ich erinnere aber, daß der Soldat sagte, es sei eine jüdische Siedlung gewesen und er das erste Kind, das dort geboren wurde. — Aus meinen Kindheits- und Jungmädchenjahren ragt das Jahr der Vorbereitung auf die Konfirmation greifbar heraus. Für die jüngeren Generationen wird es möglicherweise nicht einfach sein zu verstehen, mit welcher Sorgfalt und Anteilnahme sich im Kaiserhaus Eltern und Erzieher dem herangewachsenen Kind in diesen Monaten gewidmet haben. Schon bei der Einsegnung meiner Brüder wurde ich mit großem Ernst auf die Bedeutung dieses kirchlichen Aktes hingewiesen. Im Tage­ buch meiner Mutter fand ich eine Aufzeichnung, die sidi auf die Kon­ firmation meines Bruders Adalbert bezieht, die nicht in Potsdam statt­ fand und bei der mein Bruder Joachim und ich nicht anwesend sein konnten. Meine Mutter vermerkte: »Der Konfirmation von Adalbert am 18. Okt. in Homburg durften die Kleinen nicht beiwohnen. Ich ließ aber einen kleinen Gottesdienst ansetzen, damit sie doch auch den Ein­ drude des Tages hatten.« Im Tagebuch meiner Mutter fand idi über meine eigene Vorberei­ tungszeit die Eintragung: »Ich versuche jetzt möglichst viel mit ihr zu sein, wohne auch immer dem sehr guten Religionsunterricht bei, wenn ich zuhause bin.« Zu meinem siebzehnten Geburtstag, der nur wenige Wochen vor meiner Einsegnung lag, ließ mir mein Vater, der nicht in Potsdam weilte, durch meine Mutter einen Brief überreichen, in dem er mir die Bedeutung des neuen Lebensabschnittes vor Augen führte. Noch am selben Tage habe ich ihm geantwortet: »Mein inniggeliebter Vater. Mein Herz ist so erfüllt von Deiner rührenden Liebe und nicht weiß ich, wo ich anfangen soll. Dir zu danken. Wie gnädig hast Du mich besdienkt mit all den herrlichen Sachen. Aber am schönsten war Dein Brief. Ich wünschte, ich könnte zu Dir hinfliegen, um Dir dankend die Hand zu küssen. Mein lieber, lieber Vater, Dein Brief soll mir eine Richtschnur für mein Leben sein und, sollte ein Zweifel in mir aufsteigen, so will ich ihn lesen, und dann bin ich gewiß, daß ich das Rechte tun werde. In der Losung waren gerade so schöne Sprüche heute. Der eine >Folge mir nachHerr, wohin sollen wir gehen, Du hast Worte des ewigen Lebens, und wir haben geglaubt und erkannt, daß Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.< Gerade diesen Spruch habe ich als Richtschnur für mein Leben erwählt, denn jetzt, wo das Leben mit all seinen Versuchungen vor mir liegt, ist meine erste Frage zu Gott: >Herr, wohin wirst Du mich führen?< Und nur eine Antwort kann ich erhalten: >Laß Dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.Mit den letzten Sonnenstrahlen, nach herrlicher Fahrt hier pünktlich ohne jede Störung angelangt. Die Herbstfärbung der prachtvollen Laub­ wälder entzückend. Die kahlen Höhen der Schnee-Eifel charakteristisch für dieses mich immer mehr anmutende Land, dessen Bevölkerung mich auf der dreitägigen Fahrt überall gleich enthusiastisch begrüßte und die Ortschaften in rührendster Weise ausgeschmückt hatte. In Münstereifel enthält die aus dem 12. Jahrhundert stammende romanische Pfarrkirche einen sehr schönen Sarkophag eines Ritters von Bergheim. In Daun Früh­ stückspause. Dank meiner Fürsorge hat der Ort seit meiner letzten An­ wesenheit eine sehr gute Wasserleitung bekommen und dafür einen hüb­ schen Brunnen in romanischem Stil mit meinem Reliefbild errichtet. Das Ganze ist gelungen. In Gerolstein erwartete mich Mirbach. Ich sah die Fundamente der dort nach Schwechtens Plan zu erbauenden Kirche, welche sehr hübsch gelegen den Evangelischen der ganzen Umgegend, so Gott will, ein Segen werden wird. In Prüm eine großartige Abtei, welche zu weltlidien Zwecken umgebaut wird und eine sehr große Pfarrkirche mit einem von Großpapa geschenkten Sarkophag des Kaisers Lothar I. In Kyllburg Teepause! Ein überraschend gutes Hotel, wo viele Fremde ver­ kehren, um in dem Kyll-Fluß Forellen zu angeln; die zahlreichen Rui­ nen, meist von den Franzosen zerstörte alte Kirchen, Schlösser, geben der ganzen Gegend einen romantischen Charakter. Du hättest gewiß große Freude daran. Wetter gut, 19 Grad Wärme mittags. Der reine Sommer. Alle wohl. Wilhelm.« Heinrich v. Angeli hat ein Gemälde der Kaiserin geschaffen, das ich immer als besonders gut gelungen angesehen habe. Er malte es in ihrer Verlobungszeit. Die Lieblichkeit und Güte, die dieses Bild ausstrahlt, sind ihr das ganze Leben lang zu eigen gewesen. Das Gemälde hing ursprüng­ lich in der Bildergalerie in Berlin, zusammen mit einem Bild, das Angeli zur gleichen Zeit, wohl als Pendant, von meinem Vater gemalt hatte. Später hat das Bild meiner Mutter in meinem Zimmer gehangen. Täglich sah ich es vor mir, und jede Einzelheit prägte sich mir ein. Das Kleid, das sie trug, war der Mode entsprechend mit Drapierungen und Rosen ge­ ziert; mit Rosen hatte Angeli auch die liebliche Gestalt der Prinzessin umgeben. Als dieses Gemälde entstand, malte meine Großmutter Vik­ toria im Atelier des Künstlers. Angeli, der sah, wie schön die Rosen ge­ langen, die meine Großmutter gerade malte, wandte sich an sie mit der 1 5 6

Bitte: »Kaiserliche Hoheit, Sie malen die Rosen viel schöner als ich. Bitte, übernehmen Sie selbst die Rosen am Kleid Ihrer Schwiegertochter.« So war das Gemälde mir in zweifacher Weise lieb und teuer, weil es eben auch die Erinnerung an meine Großmutter trug. Wir Geschwister haben unsere Mutter unsagbar geliebt. Sie war für uns das Abbild einer Mutter schlechthin und ist es unser ganzes Leben hindurch geblieben. »Der Mittelpunkt für uns Kinder war, seit ich den­ ken kann, unsere geliebte Mutter«, sagte mein ältester Bruder in seinen Erinnerungen. »Von ihr ist Liebe und ist Wärme ausgegangen und zu uns gekommen. Was auch jemals unsere jungen Herzen an Freude oder Leid bewegen mochte, sie hat Verstehen und ein Mitschwingen und Mitempfin­ den dafür gehabt. Alles Beste unserer Kindheit, nein mehr: alles Beste an dem, was Elternhaus und Familie nur geben können, danken wir ihr. Denn was sie uns in jener frühen Jugend gewesen ist, das ist sie uns ge­ blieben, auch als wir zu Jünglingen und Männern reiften, das ist uns diese gütigste und beste Frau, für die leben nur helfen, spenden und sich zum Wohle anderer hingeben und verschwenden heißt, auch heute noch.« Zwei Episoden aus unserer Kindheit veranschaulichen die Liebe, mit der wir an unserer Mutter gehangen haben. Die eine ereignete sich im Religionsunterricht. Der Lehrer erläuterte seinen prinzlichen Zöglingen, daß die Menschen nun allemal Sünder sind. Er hatte kaum zu Ende ge­ sprochen, da sprang mein Bruder Eitel Fritz auf und widersprach: »Aber Mama ist nicht sündig!« Der arme Religionslehrer wußte nicht, was er darauf erwidern sollte. Er hub bedächtig zu einer theologischen Erklä­ rung an, doch mein Bruder war nicht zu überzeugen. Nein, seine Mutter sei keine Sünderin, und das dürfe man auch nicht sagen! Die andere Episode geht darauf zurück, daß ich in meinen frühen Kindertagen eine Abneigung gegen weißhaarige Personen hatte. Ich weiß nicht, was die Ursache hierfür gewesen sein mag, es war einfach so. Eines Tages entdeckte mein Bruder Joachim, daß unsere Mutter ergraute. Hilflos weinend saß er im Bett und gab, als man ihn besorgt nach dem Grund fragte, schluchzend zur Antwort: »Wenn Mama weiß wird, dann wird Sissy sie nicht mehr mögen und Angst haben.« Es war schwer, ihn zu beruhigen. Zufrieden stellte ihn erst die Wahrnehmung, daß ich zu unserer Mutter genau so freundlich blieb wie zuvor — trotz der weißen Haare. Unter meiner Korrespondenz fand ich eine Anzahl Briefe, die mir wieder vor Augen führten, mit welcher Liebe wir an unserer Mutter 1 5 7

hingen und wie wir Kinder uns stets bemühten, ihr Gutes zu erweisen. In einem Brief von mir an meinen Vater heißt es: »Nun bist Du schon zwei Tage in dem himmlischen Rominten und genießt die Ruhe und Stille nach allen Anstrengungen. Hoffentlich bleibt das Wetter gut und günstig für die Hirsche. Wie freue idi mich, daß Du gleich zu Anfang Erfolg gehabt hast. — Ich habe eine große, große Bitte, lieber Vater, es handelt sich um Mama. Mama hat mir gesagt, sie käme am Montag wieder zurück. Nun weiß ich, wie gut Rominten für Mama ist, und diese ganze lange Reise nur für 5 Tage ist doch viel zu anstren­ gend. Könntest Du, lieber Vater, nicht einfach sagen, sie möchte länger bleiben. Natürlich bin ich selig, wenn Mama hier ist, aber ein paar Tage sind für mich doch ganz gleich, aber für Mama sind sie so nötig, und wenn Mama denkt, ich sei traurig oder allein, so bitte sage, es ginge mir so gut und ich bäte auch so, daß sie bliebe. Hoffentlich ist dies keine unbescheidene Bitte. Nicht wahr, lieber Vater Du verstehst, wie es ge­ meint ist.« Ein anderer Brief stammt aus den schweren Wochen nach dem Tode der Lieblingsschwester meiner Mutter. Meine Tante Feodora war lange Jahre schon leidend gewesen, und doch kam ihr Tod für uns alle über­ raschend. Aus Wilhelmshöhe schrieb ich damals an meinen Vater: »Wir haben eine sehr ruhige Zeit hier gehabt, und trotzdem finde ich, daß die arme Mama noch recht angegriffen und oft ziemlich müde aus­ sieht. Sie ist doch sehr runter seit dem Tode unserer armen Tante. Darum bedarf sie noch sehr der Ruhe. Aber, mein liebster Vater, ich als Tochter habe Dir das gesagt, und Mama würde sehr böse sein, wenn sie hörte, daß ich Dir dies gesagt habe. So bitte ich, laß es sie nicht merken. Denn sie selber sagt ja immer, daß es ihr ausgezeichnet geht.. .« Als die Silberne Hochzeit des deutschen Kaiserpaares heranrückte, standen die Kaiserin und der Kaiser im Alter von 47 Jahren. Sie hatten früh geheiratet und waren noch relativ jung. Aber es waren eben schon 25 Ehejahre, auf die sie zurücksahen und die entscheidend das Bild des Kaiserpaares in den Augen unseres Volkes geprägt hatten. So konnte der Reichskanzler zu jenem 27. Februar mit Recht feststellen, daß das ganze Volk »in reiner Befriedigung aufblickt zu dem Vorbild echt deutschen Familienlebens und Familienglücks auf dem Kaiserthron.« Er setzte hin­ zu: »Wenn eine Dynastie, die über ein großes Volk herrscht, wahrhaft volkstümlich sein soll, so muß sie diejenigen Eigenschaften besitzen, die typisch sind für die von ihr geleitete Nation. Der Deutsche hat es mit 1 5 8

Familiensinn und mit Familienleben immer ernst genommen seit den Anfängen unserer Geschichte.« Gegenüber den Staatsgeschäften hat sich die Kaiserin sehr zurüdtgehalten, das heißt nicht, daß sie kein Urteil hatte. Im Gegenteil. Es gab eine Anzahl von politischen Fragen, die sie sehr beschäftigten, und ihr Interesse wurde zusehends größer, als in der Weltpolitik wie im Inneren die Krisen heraufzogen. Direkten Einfluß hat sie selten genommen. Daß mein Vater gern auf sie gehört hat und wünschte, auch andere sollten sich Anregungen der Kaiserin nicht verschließen, zeigt die Antwort, die er dem Reichskanzler Fürst Bülow auf dessen Glückwünsche zum 25. Ehe­ jubiläum erteilte. Idi zitiere sie in ihrem ganzen Wortlaut. Aus ihr ergibt sich, daß mein Vater in seiner Erwiderung nur von der Kaiserin gespro­ chen hat und Kanzler und Staatsministerium deutlich ermahnte, ihren Empfehlungen nadizugehen. Die Worte meines Vaters geben auch Auf­ schluß über die Richtung, in der die Kaiserin im gegebenen Fall ihren Einfluß zur Geltung brachte und bringen sollte. Er erklärte: »Ich sage meinen herzlidistenDank für die Worte, dieEw.Durdilaucht soeben im Namen des Staatsministeriums an uns geriditet haben. Das Staatsministerium hat im Laufe seiner Arbeiten wiederholt die Freude gehabt, Einwirkungen ihrer Majestät der Kaiserin und Königin nach­ geben und sie ausführen zu können, und so hoffe ich, daß die Fierren auch in fernerer Zukunft ihre Arbeiten mit mir gemeinsam ausführen und stets im Auge behalten werden und nicht vergessen, daß die erste Frau Deutschlands, die Königin von Preußen, wie alle deutschen Frauen, mäßigend und leitend auch auf ihre Gedanken einwirken soll. So hoffe ich, daß Gott auch in den nächsten Jahren unsere Arbeit segnen möge.« An diesem Hochzeitsjubiläum lagen die Tage schon in weiter Ver­ gangenheit, da meine Eltern — als Prinz und Prinzessin Wilhelm — noch eine private Lebensphäre kannten und mehr oder weniger zurück­ gezogen im schönen Marmorpalais am Heiligen See wohnten, wo sie so­ viel mehr Zeit für sidi und ihre Kinder hatten. Viele Aufgaben waren seitdem meiner Mutter zugewadisen: in der Hofhaltung, in der Repräsen­ tation und nicht zuletzt auf dem Gebiet der sozialen Arbeit. Meiner Mutter zur Seite standen die Damen und Herren ihres Hof­ staates. Will man von diesen sprechen, so muß man eine Bemerkung vorausschicken: Drei ihrer Damen haben länger als 30 Jahre, eine von ihnen sogar 40 Jahre im Dienst meiner Mutter gestanden. — Die Rang­ höchste unter ihnen war Gräfin Therese Brochdorff, die Oberhofmeiste­ 1 5 9

rin. Gräfin Brockdorff war fünfunddreißig Jahre alt, als sie zur Ober­ hofmeisterin bei meiner Mutter bei deren Eheschließung ernannt wurde. Sie selbst war bereits verwitwet. Ihr Vater war General der Infanterie Frhr. v. Loen, der einstige Generaladjutant König Friedrich Wil­ helms IV. Als Oberhofmeisterin unterstand Gräfin Brockdorff der ge­ samte Hofstaat meiner Mutter. Aber auch für uns Kinder war sie ab­ solute Respektsperson. Meine ersten Eindrücke von ihr waren — aus der Kinderperspektive gesehen — nicht eben günstig. Allzuoft geschah es, daß ich ihretwegen meine Mutter verlassen mußte. Ich hatte bei ihr im Salon gesessen, und dann trat die Oberhofmeisterin herein, um Vor­ trag zu halten. Für mich lag darin die Aufforderung, zu gehen. Es kam schon einmal vor, daß ich bleiben durfte. Irgendwann begann ich dann jedoch zu stören, was mir einen mißbilligenden Blick der Gräfin eintrug. Ein anschauliches und zutreffendes Bild der Oberhofmeisterin meiner Mutter gab eine der Hofdamen, die über mehrere Jahrzehnte unter ihr Dienst getan hat. Sie schrieb: »Der Entschluß, aus der Zurückgezogenheit ihres Witwenlebens aufs neue in die große Welt einzutreten, fiel ihr zunächst nicht leicht. Nachdem sie aber die junge Prinzessin kennen­ gelernt und einen tiefen Eindruck von ihr erhalten hatte, ging sie mit der ganzen Glut ihres warmen Herzens an die ihr gestellte große Aufgabe heran. Dank ihrer großen Begabung und ihrem umfassenden Wissen, ihrer ernsten Lebensauffassung und ihrer bewundernswerten Pflichttreue war sie geschaffen zu einer Oberhofmeisterin, wie sie sein mußte und wie sie nur überaus schwer zu finden ist. Nie dachte sie an sich selbst, sie lebte nur für andere. Durch und durch wahrhaft und gerade, tief religiös, abhold jeglicher Sdimeichelei, vertrat sie stets offen und ehrlich ihre Meinung. Jede Überheblichkeit lag ihr fern, ihre geistige Größe bedrückte nie, sondern zog hinauf.« Weiter hieß es: »Die Prinzessin schenkte ihrer Oberhofmeisterin von Anfang an unbeschränktes Vertrauen; dankbar erkannte sie die hin­ gebende Treue und Fürsorge an, mit der sie ihr in mancherlei Schwierig­ keiten half und ihr das Einleben in die neuen Verhältnisse erleichterte. So wurde die Gräfin ein Segen für den ganzen Hof, in erster Linie für die jungen Herrschaften und uns Damen. Sie verstand es ausgezeichnet, uns in unsere Pflichten einzuführen. Diese bestanden hauptsächlich im persönlichen Dienst, in der Begleitung der Prinzessin auf Spaziergängen und Fahrten, bei inoffiziellen Reisen usw., während die täglichen Vor­ träge, die Korrespondenz, die Audienzen und Regelung des Verkehrs mit der Gesellschaft der Oberhofmeisterin zustanden. Aus der gestrengen Vor1 6 0

Hofball im Weißen Saal (G e m ä ld e v o n G eorg Schoehel) Eulenburg Maxim. Lyncker Scholl der Kaiser Szögyeny-Marich die Kaiserin die Kronprinzessin Fürstenberg Tirpitz Heeringen Moltke Sir Edward Goschen Platen-Hallermund Friedeburg Neipperg Dommes Holzing Gersdorff Brockdorff Spitzemberg Kronprinz Müller Harnack

Galatafel im Weißen Saal. Linke Reihe v. r.: Kronprinzessin Cecilie, Herzog v. Cumberland, Königin Mary v. England, der Kaiser, Herzogin Thyra v. Cumberland (verdeckt), der Kronprinz, Großherzogin v. Hessen. Rechte Reihe v. r.: Prinzessin Eitel Friedrich, Georg V. v. England, die Kaiserin, Herzog Ernst August, Herzogin Viktoria Luise, Zar Nikolaus IL, Großherzogin Luise V. Baden, Prinz Waldemar v. Dänemark.

gesetzten wurde sie für uns bald >d i e GräfinSilbernen 25< eine große schöne Brillantschnalle, an einem Band um den 1 6 4

Hals oder an der Taille zu tragen. Die meinige hat als Mittelstück einen noch größeren Brillanten als mein Sultanstein. Gräfin Brockdorff machte sich sehr stolz als >Dame de Portrait du Roi et de la ReineChristus ist auferstanden!< ist der Freudenruf erst recht für alle Betrübten und von Kummer gebeugten Seelen! Ihn rufen wir stolz und getrost dem Toben und Lärmen und Dräuen der ganzen Welt entgegen! Er triumphiert, Er herrscht doch und wird richten, Er behält das Feld, und das Reich muß uns doch bleiben! Darum, trotzdem es so gar böse, dunkel und trostlos in der Welt aus­ sieht und das Böse scheinbar triumphiert und schlichten frommen Glauben verspottet. Er ist doch der Sieger und wird die Seinen nicht ver­ lassen! Schwer ist der Zusammenbruch bei uns, den wir uns schämend miterleben und ansehen mußten! Und das Herz will einem dabei schier zerbrechen! Aber noch viel schlimmer war doch der Zusammenbruch bei den Jüngern und Freunden des Herrn, als sie rat- und hoffnungslos um sein Kreuz am Karfreitag standen. Alles war anscheinend verloren, der Glaube lief Gefahr zu erlöschen. Da kommt der Ostermorgen. Nicht die Hohenpriester, nicht Pilatus mit seinem Amtssiegel auf dem Grabe, nicht die römischen Wachen davor behielten Recht! >Der Herr ist auferstanden!< hieß es, und damit wurde für uns die feste Aussicht und An­ wartschaft auf das ewige Leben durch die Erlösung von Sünden durch ihn erkämpft und ein für alle Mal verbürgt! Jetzt haben wir und unser armes Vaterland irdischen Karfreitag! Das Ostern wird mit Gottes Hilfe folgen! Kopf hoch!« — Der Ostermontag war der große Tag für uns Kinder. Im Schloß Bellevue fand das Ostereiersuchen statt. Wenn es das Wetter zuließ, im Park. Es war so etwas wie ein kleines Fest. Gäste waren eingeladen worden, und auch unsere Kinderschar war durch Spielkameraden und Freundinnen erweitert worden. Die Gäste erhielten Geschenke in der Form von Eiern aus der Berliner Porzellanmanufaktur mit Ansichten von Berlin und Potsdam. Wir Kinder aber stürzten, sobald das Zeichen zum Beginn des Suchens gegeben wurde, los, um so viele Eier wie mög­ lich zu entdechen. Wir fanden Eier aus Schokolade und Marzipan, aber auch bunte Pappeier, die kleine Geschenke enthielten. Wie es jeder rechte Familienvater tut, hatte auch der Kaiser beim Verstechen mitgetan. 1 7 3

Meine Mutter hatte Vorsorge getroffen, daß keiner von den kleinen Gästen, der sich vielleicht beim Suchen aus Schüchternheit zurückgehalten hatte, zu kurz kam. Wir alle mußten unsere Beute abliefern, und an Hand einer Liste, die von den Damen meiner Mutter mit geschäftiger Genauigkeit geführt wurde, erhielt jedes Kind den gleidien Anteil. Großes Vergnügen bereitete es im übrigen, wenn sich auch Er­ wachsene an dem Suchspiel beteiligten. Ich selbst habe es nicht mehr er­ lebt, aber meine Brüder erzählten davon, wie Moltke sie beim Ostereier­ suchen unterstützt hatte. Mit einigem Recht konnte eine der Hofdamen hierzu anmerken: »Mit dem alten Feldmarsdiall zusammen Ostereier gesucht zu haben, das können dodi nicht viele Menschen von sich sagen!« — Nachdem wir vom Suchen weidlich erschöpft waren, begann die Kaffeetafel, genauer gesagt, gab es Schokolade zu trinken, und ein großes Osterlamm aus Biskuit, das in jedem Jahr unsere Großtante Baden schenkte, wurde dazu verzehrt. — Das Weihnachtsfest im Neuen Palais bedeutete für uns Geschwister den Höhepunkt des Jahres. Irgendwie lebte diese Vorstellung auch bei den Erwachsenen. Auf einen Brief, den idi meinem Vater zu Weih­ nachten 1940 nadi Doorn sandte — es war das letzte Weihnachtsfest, das er erleben konnte —, antwortete er mir: »Du hast die lieben Er­ innerungen an die herrlichen Weihnachtsfeiern im lieben, alten Muschel­ saal wieder so wadigerufen durch Deine Besdireibung, daß man alles ganz deutlich vor sich sah! Ja, das waren schöne Zeiten, die in ihren herrlichen Bildern unvergessen bleiben!« Schon lange vor dem Heiligen Abend begannen die Vorbereitungen, deren Fäden alle bei der Kaiserin zusammenliefen. Es galt nicht nur die Geschenke für unsere große Familie und das Gefolge vorzubereiten. Auch Krankenhäuser, Kinderkrippen und Bekannte in Nah und Fern wurden bedacht. Bereits in der ersten Adventswoche glich der Marmorsaal der Werkstatt des Christkindes. Kleider, Anzüge, Kindersachen und Spiel­ zeug begannen sich zu türmen. Unter der persönlichen Regie meiner Mutter wurden die Geschenksendungen von ihren Hofdamen zusammen­ gestellt. Vielerlei gab es dabei zu überlegen, denn die Empfänger der Sendungen waren Menschen aller Stände, in Stadt und Land. Auch die Familien unserer Landsitze, wie Cadinen und Rominten, wurden be­ schenkt. Wir Kinder durften die Sachen, die wir zu verschenken wünschten, selbst Zusammentragen. Natürlich hatten wir unsere besonderen Lieb1 7 4

linge. Bei mir war es die Familie des Cadiner Schmiedemeisters Glenzendorf. Das lag schon allein daran, daß ich mich vom Tun und Treiben in der alten Dorfschmiede, mit ihrem Amboß, dem Blasebalg und nicht zu­ letzt den Pferden magisch angezogen fühlte. Beim Packen der Weih­ nachtspakete kannte meine Sorge für die Familie des Schmieds keine Grenzen. Was immer mir gefiel, trug ich für sie herbei. Meiner Mutter konnte das nicht verborgen bleiben, und ich höre sie noch rufen: »Aber doch nicht alles für die Glenzendorfs. Die andern müssen doch auch etwas haben!« Ihre Damen wurden dann angewiesen, mich etwas korri­ gierend zu beraten. Manchmal gab es beim Einpacken der Geschenke recht komische Momente, denn die Hofdamen waren ja unverheiratet und mit Kinder­ sachen nicht eben vertraut. Meine Mutter, die an Hand einer Liste packen ließ, verlangte zum Beispiel: »Winterkleidung für einen sechs­ jährigen Jungen!« Die Hofdamen griffen aus einem Kleiderstoß irgend etwas heraus, das einem sechzehn- oder siebzehnjährigen Burschen passen mochte. »Um Gottes Willen«, meinte dann die Kaiserin, »das ist doch nichts für ein sechsjähriges Kind!« Mit einem Lächeln fügte sie hinzu: »Aber das können Sie ja auch nicht wissen.« Das Anschaffen, Auswählen und Verpacken der vielen Geschenke hielt meine Mutter und ihre Hofdamen während der ganzen Advents­ zeit in Atem. Während dieser Wochen übte unser Familienchor Weih­ nachtslieder ein, darunter stets eines, das für unseren Vater gesungen werden sollte. Den Familienchor bildeten wir sieben Geschwister, wobei wir durch Claire v. Gersdorff und zwei Adjutanten verstärkt wurden. Die Leitung lag in den Händen Pastor Kesslers. Es muß für ihn eine nicht eben leichte Arbeit gewesen sein, uns musikalisch unter einen Hut zu bringen. In der Adventszeit saßen wir viel im Salon meiner Mutter. Unter ihrer Anleitung wurden Weihnachtsgeschenke gebastelt. Daneben fertig­ ten wir Spritzarbeiten, klebten Bücher, worin mein Bruder August Wil­ helm eine ausgezeichnete Fertigkeit besaß. Ich selbst erhielt kleine Näh­ arbeiten übertragen, die ich allerdings wenig schätzte; lieber beschäftigte ich mich mit Stickereien, etwa bei der Anfertigung kleiner Lampen­ schirme. In diesen Wochen durften wir auch Weihnachtseinkäufe machen. Das war ein geradezu sensationelles Vergnügen. Um das zu verstehen, muß man wissen, daß wir Geschwister uns im allgemeinen nicht so frei be­ 1 7 5

wegen durften wie andere Kinder unseres Alters. In den Straßen spa­ zierenzugehen oder gar Einkäufe in Geschäften zu madien, war uns nicht gestattet. Vor Weihnachten nun war das anders. In Begleitung unserer Mutter fuhren wir mit der Bahn nach Berlin, um von unserem Taschengeld Einkäufe zu tätigen. Alles war so ungewohnt und trug den pridcelnden Reiz des Neuen. Außerdem waren wir stolz, bei den Ge­ schäftsleuten selbst als Käufer auftreten zu können. Wenn ich später hierüber gesprochen habe, sah ich stets wieder unseren Bruder Oskar vor mir, wie er aus einem der Ladengeschäfte herauskam und sein Wechsel­ geld vorzeigend ausrief: »Ich habe schon wieder etwas herausbekom­ men!« Um dann, als er es nachzählte, schnell hinzuzusetzen: »Und so­ gar mehr Geld, als ich hingegeben habe!« Es hatte aber alles seine Richtigkeit, nur Oskar hatte sich In der Aufregung verzählt. Einen Tag vor Heiligabend wurde den Schloßbediensteten beschert. Es waren ihrer nicht wenige. Die Kaiserin übergab die Geschenke jedem einzeln und richtete dabei auch an den Beschenkten einige persönliche Worte. Diese Art der Bescherung hatte es früher nicht gegeben. Sie wurde erst von meiner Mutter eingeführt. Sie kannte es so von Prlmkenau, und schon zum ersten Weihnachtsfest nach der Thronbesteigung ihres Gemahls hat sie es gegen die Ansicht des Oberhofmarschalls durch­ gesetzt, daß auch den Bediensteten beschert wurde und sie nicht einfach Geld erhielten. Die Bescherung fand In der oberen, neben dem Marmor­ saal gelegenen Galerie statt. Lange Tische waren aufgebaut, an einem großen Tannenbaum brannten die Lichter, und jeder erhielt das Ge­ schenk, das er sich gewünscht hatte. Eine ältere Angestellte war in den Wochen zuvor im Aufträge meiner Mutter herumgegangen und hatte sich die Wünsche der Leute notiert. — Dann kam der Heilige Abend. Auch jetzt lag die Bescherung in der Hand der Kaiserin. Während sie alles richtete, unternahm mein Vater einen Spaziergang rund um das Schloßgelände. Mit diesem weihnacht­ lichen Spaziergang hatte es eine eigene Bewandtnis: Jeder, der dem Kaiser hierbei begegnete, erhielt von ihm 10 Mark. Da hub wie auf ein geheimes Zeichen hin vor den Häusern ein Scheuern, Harken oder Schneeschippen an, wurde gefegt, wo es nichts zu fegen gab. Manch einer hatte mit einem Mal etwas Wichtiges auf dem Weg zu tun, auf dem der Kaiser daherkommen würde. Sie taten es nicht vergebens. Jeder erhielt die 10 Mark, obgleich der Kaiser zuerst eigentlich nur an die Posten ge­ dacht hatte, die am Heiligen Abend Wache zu stehen hatten. 1 7 6

Besuch in London. Oben: Der Kaiser und König Georg V., vorn links der Herzog v. Wales. Unten: Eintreffen in Buckingham Palace. 1. Reihe Hofchargen, danach Wilhelm II. und Georg V., Kaiserin Auguste Viktoria und Königin Mary, Herzog Eduard und Princess Victoria, Prinzessin Viktoria Luise und der Herzog v. Connaught.

Oben. Auf Corfu: v. r. König Georg I. v. Griechenland, Prinz Georg v. Griechenland, Prinz August Wil­ helm, Konstantin u. Sophie v. Griechenland, der Kaiser, Herzog v. Connaught. Unten. Auf Brioni: v. r. Prinz August Wilhelm, Erzherzog Franz Ferdinand, der Kaiser, Prinzessin Viktoria Luise, Herzogin v. Hohenberg, Prinzessin August Wilhelm.

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Audi wir Kinder, die wir in der Vorweihnachtszeit unser Taschen­ geld arg strapaziert hatten, sind einmal auf die Idee gekommen, ange­ sichts der leeren Kassen unserem Vater auf seinem Spaziergang zu be­ gegnen. Alle, wie wir waren, mein Bruder Joachim an der Spitze, liefen ihm entgegen. »Das ist ja unglaublich«, rief mein Vater, als wir ihn um­ ringten. »Ihr wollt auch noch etwas haben?!« Nicht ohne einen Seufzer meinte er: »Aber es ist wohl Euer Recht.« Wir jubilierten. Die Ebbe in unseren Kassen war behoben. Der Kaiser, der sonst nur mit der Uhr lebte, kannte an diesem Tage keine Stunde. Nach dem Spaziergang setzte er sich in sein Zimmer und wartete geduldig, bis meine Mutter ihre Arbeiten zu Ende geführt und sich der Familienchor im Silberzimmer eingefunden hatte. Die einge­ übten Lieder erklangen, und danach sagten wir die Weihnachtsgeschichte auf. Solange alle sieben Geschwister im Elternhaus lebten, war dies Auswendigaufsagen nicht problematisch. Schwierig wurde es, als einige der Brüder uns verließen und wir ihre Passagen mit übernehmen mußten. Anschließend fand das festliche Weihnachts-Diner statt. Stets gab es dieselben traditionellen Gerichte: Karpfen, »blau« oder als sogenannter Bierkarpfen, eine alte Berliner Spezialität: Karpfenstücke in Biersauce mit Mohnkugeln aus Schlagsahne und Meerrettich. Dann wurde die Weih­ nachtsgans oder wohl auch einmal Pute gereicht. Den Beschluß machte der Plumpudding, der mit Alkohol übergossen und brennend herein­ getragen wurde. Jeder war darauf bedacht, daß auch sein Stück brannte, da man sagte, das bringe Glück. Dieses speziell englische Gericht hatte der Kaiser von seiner Mutter übernommen, wie auch eine andere Spezia­ lität, die er sehr schätzte, die sogenannten »mince-pie«, Pasteten mit einer Rosinen- und Apfelfüllung. Als während des Krieges die ausländi­ schen Bezeichnungen durch deutsche Wörter ersetzt wurden, traten auf der kaiserlichen Speisekarte statt Mince-Pies »Fleischtörtchen« in Er­ scheinung. Mein Vater protestierte: »Mince-Pie bleibt Mince-Pie! Ich habe sie schon als Kind gehabt, warum soll sich das ändern!« Nach dem Diner versammelte man sich vor dem Muschelsaal. Er war wie geschaffen für die Weihnachtsbescherung. In unseren Kinderjahren durften wir noch nicht am Weihnachts-Diner teilnehmen, und dann war jetzt der Augenblick gekommen, der uns aus fürchterlicher Aufregung erlöste. Einer der älteren Brüder erschien als Abgesandter, um uns zu holen. Nun warteten alle auf das Ertönen der Glocke, die ankündigte, daß die Türen geöffnet würden. Zuvor hatte sich mein Vater mit dem guten alten Kammerdiener Schulz im Muschelsaal eingeschlossen, um 1 7 7

seine Gesdienke auszupacken und auf die einzelnen Gabentisdie zu ver­ teilen. Die Freude beim Anblick der Weihnachtslichter und der Gabentische war die gleiche wie in allen deutschen Familien. Mag sein, daß es bei uns etwas mehr Trubel und Wirbel gab als bei mancher Bescherung in anderen Häusern. Wir Kinder waren eben unser sieben! Eine Besonder­ heit bestand darin, daß jeder von uns einen eigenen Tannenbaum hatte; sie waren in der Größe unserem Alter entsprechend abgestuft. An unseren Tischen angekommen, hieß es noch einmal warten, bis die Eltern jedem einzelnen seine Geschenke überreichten. Auch wir hatten Wünsche äußern dürfen, die wir auch oft erfüllt fanden. Die größte Überraschung erlebte ich, als ich ein Geschenk erhielt, von dem ich zwar immer geträumt hatte, daß das Christkind — einen Weihnachtsmann kannten wir nicht — es mir bringen möchte. Doch ich hatte nicht im geringsten geahnt, daß dieser Wunsch in Erfüllung gehen würde. Dann öffneten sich während der Bescherung die Türen, und herein trabten zwei entzückende kleine Araberpferdchen, eines für Joachim und eines für mich. Fassungslos standen wir da und vermochten vor Glück kein Wort zu sagen. Als wir erwachsen waren, gingen wir am Vorabend des Heiligen Abends in den Saal, um unserem Vater und den Herren seiner nächsten Umgebung beim Ausschmücken zu helfen. Viel von dem alten Reiz war nun leider verloren. Wir schmückten gegenseitig unsere Weihnachts­ bäume. August Wilhelm und ich hatten die Aufgabe, die große Krippe aufzubauen. Sic war sehr alt und sah so aus, als wäre sie schon ein Jahr­ hundert und länger in unserer Familie. Einige ihrer Figuren waren be­ schädigt, aber das störte niemanden. Jedes Jahr wurde sie wieder hervor­ geholt und am selben Platz aufgestellt. An der Bescherung im Muschelsaal nahmen die Hofdamen meiner Mutter, die Herren des persönlichen Gefolges meines Vaters und auch die Erzieher und Erzieherinnen teil. Sie alle wurden mit der gleichen liebevollen Sorgfalt bedacht wie wir. In den Aufzeichnungen der Gräfin Keller fand ich hierzu eine kurze Schilderung, die ich wiedergeben will. Die Gräfin hatte sich am Tage vor Heiligabend eine Verletzung zuge­ zogen, so daß sie das Fest nicht in der gewohnten Weise mit uns ver­ bringen konnte. In ihrer Eintragung heißt es: »Die Kaiserin ist rührend gut für mich. Trotz der vielen Beschäftigung und der Unruhe des Tages kam sie gestern viermal zu mir, und heute morgen war sie schon vor der Kirche bei mir, baute mir gestern abend in meinem Zimmer mit dem 1 7 8

Prinzen Adalbert meine Geschenke auf, und nachmittags kam sie mit allen Prinzen, der kleinen Prinzessin und den übrigen zum Chor Ge­ hörenden in meine Stube, und da sangen sie mir auf Prinz Joachims An­ regung ein Weihnachtslied.« Am ersten Weihnachtstag begab sich die kaiserliche Familie zum Gottesdienst in die Garnisonkirche. Sie war festlich geschmückt, und das Spielwerk an der Orgel mit seinen noch aus der friderizianischen Zeit stammenden Rokokofiguren schien mir so recht zur Weihnachtsstimmung zu passen: Die kindlichen Putten bliesen die Trompete, schlugen die Pauke, und die Adler links und rechts bewegten wie aufwärtsfliegend ihre Schwingen. Zwischen Weihnachten und Neujahr wurden im Neuen Palais kleine Feste für die Jugend arrangiert. In der Kindheit durften wir unsere kleinen Freunde und Freundinnen einladen; in den großen Räumen wurde dann »Verstecken« gespielt oder audi »Gespenster«. Unter dem noch frischen Eindrude der Bescherung des Heiligen Abends mangelte es diesen Festen und Spielen nicht gerade an Ausgelassenheit. Audi Theater­ besuche standen auf dem Programm. Meistens sahen wir ein Lustspiel, wie »Das Glashaus«, ein uraltes Stück, das wir besonders liebten. Bei jenen Aufführungen wußten wir nie, wer sich köstlicher amüsierte, unser Vater oder wir. Der Silvesterabend verlief bei uns ruhig. Es gab kein rauschendes Fest, wie sie zu diesem Anlaß vielfach stattfinden. Wir waren lustig, aber es herrschte keine Ausgelassenheit. Es wurde auch nie sehr spät, denn am nächsten Morgen galt es schon in der Frühe aufzustehen, um uns nach Berlin zu den Neujahrsfeierlichkeiten zu begeben. Meist lag Potsdam am Silvesterabend in tiefem Schnee, oder leichtes Schneetreiben hüllte alles in einen geheimnisvollen Schleier. Was würde das neue Jahr bringen? Noch einmal ging man in den Muschelsaal, um das Weihnachtsbild für einen Augenblick zurückzurufen. Wenn die Familie sich am Abend zusammengefunden hatte, wurde Punsch gereicht. Kurz vor Mitternacht zogen meine Eltern einige Damen und Herren des Hofstaates hinzu; doch es war stets nur ein kleiner Kreis, der beiein­ ander war, wenn das alte Jahr ausklang. Es kam auch vor, daß man schon vor Mitternacht auseinanderging und sich zur Ruhe begab. Wohl nur ein Mal wurde Silvester in anderer Weise begangen, am Ende des Jahres 1899, an der Schwelle eines neuen Jahrhunderts. Am 1 7 9

Nachmittag begaben sich meine Eltern mit meinen älteren Brüdern nach Berlin. Joachim und ich blieben im Neuen Palais zurück. In einer Schil­ derung dieser Neujahrsnacht hieß es: »Am Silvesternadimittag die Kaiserin und die Prinzen nadi Bellevue begleitet, abends vergnügten wir uns mit Bleigießen. Dann aber stieg man nicht ins Bett, sondern in den Couranzug und zog um 11 Uhr in feierlichem Zuge in die Schloßkapelle zur würdigen Feier des Eintritts in das neue, das zwanzigste Jahrhundert! Oberhofprediger Dryander sprach ergreifend. Es folgte eine große Defilier- und Gratulationscour im Weißen Saal in der Art der Neujahrscour, nur in weit größerem Kreise mit Einschluß der Damen. »Der Anblick war feenhaft: die glänzenden Toiletten, die Galauni­ formen der Hof- und Zivilbeamten wie die der Offiziere kamen in diesem großen Rahmen noch viel mehr zur Geltung als bei den Couren im Rittersaal. Ganz eigenartig fiel in diesem farbenprächtigen Bilde die Äbtissin vom Heiligen Grabe, Frau v. Rohr, in ihrem langen, sdileppenden schwarzen Gewände auf, das natürlich dicht am Halse geschlossen war, mit ihrer wunderlichen weißen Haube und dem lang herabwallen­ den weißen Sdileier, in den Händen den prunkenden, mit Halbedel­ steinen besetzten Äbtissinnenstab, den Seine Majestät dem Stift ver­ liehen hatte. Sie wirkte wie eine Erscheinung aus einer früheren Welt, fast unheimlich erschien sie manchen. Nach Beendigung dieser Feierlich­ keit blieben wir, die nächste Umgebung unseres Kaiserpaares, mit diesen und den fünf ältesten Prinzen nodi lange im Pfeilersaal vereint, den Beginn des neuen Jahrhunderts feiernd.« — Ich selbst habe midi in Potsdam am Silvesterabend stets schon vor Mitternacht zurückgezogen. Es hatte sich der Brauch gebildet, aus unse­ ren Kinderjahren her, daß ich in der letzten Stunde des alten Jahres meinen Bruder Oskar aufsuchte. Ganz still saßen wir zwei in seinem Zimmer und erwarteten den Jahreswechsel. Manchmal las er mir aus seinen schönen Gedichten vor, bis die Uhr der Garnisonkirche zwölf schlug. Wir hatten das Fenster geöffnet und hörten, wie die Glocken der ehrwürdigen Kirche das neue Jahr einläuteten. Das Geläut der anderen Kirchen setzte ein, von den Kirchtürmen erklangen hell und feierlich Posaunenchöre, und Böller schossen Salut. Hand in Hand saßen wir dann und lauschten den leise verklingenden Glocken. Gemein­ sam sprachen wir das Vaterunser und trennten uns mit dem innigen Wunsch, es möge für die Eltern und uns ein gesegnetes neues Jahr werden. 1 8 0

Der Neujahrsmorgen begann sehr früh. Wir fuhren nach Berlin, ins königliche Schloß. Ein ausgefüllter Tag begann. In einem Bericht aus jenen Tagen hieß es: »Die Reihe der großen Winterfeste des Hofes im königlichen Schloß wird unter Kaiser Wilhelm II. ebenso wie unter seinen Vorgängern durch den großen Neujahrsempfang und die damit verbundene Cour am 1. Januar eröffnet. Dieser Cour geht ein um 10 Uhr morgens beginnender Gottesdienst in der königlichen Kapelle, und diesem wieder die Neujahrsbeglückwünschung der Majestäten voran. Der Kaiser und die Kaiserin in großer Galatradit erscheinen um 9^4 Uhr im Kapitelsaal, dann in der Roten Sammetkammer, und nehmen die Glückwünsche der dort Versammelten, in der Schwarzen Adlerkammer die der dort anwesenden Mitglieder der königlichen Familie und der fremden fürstlichen Gäste entgegen. Allein begibt sich der Kaiser dann noch zur Bildergalerie, wo die Herren seines militärischen Gefolges ver­ sammelt sind, um mit diesen zu sprechen. Im Kapitelsaal treffen die Kaiserin, die Prinzen und Prinzessinnen wieder mit dem Kaiser zu­ sammen, und der ganze Zug, an der Spitze der >große VortrittAn mein Volk< und Erinnerungen an die Freiheitskriege.« Noch einmal wurde das Saalinnere neu gestaltet. Berlin war Haupt­ stadt des Deutschen Reiches geworden, und der preußische Hof wandelte sich zum deutschen Kaiserhof. Dem Umfang der kaiserlichen Repräsen­ tation wurden die Baulichkeiten des Weißen Saales nicht mehr gerecht. Vor allem aus der Lage des Raumes ergaben sich Schwierigkeiten. Ein Bericht sagte darüber: »Als Abschluß der wie Perlen einer Kette hinter­ einandergereihten Festräume, zu dem als dem Mittelpunkt der Feste und dem Aufenthalt der Majestäten naturgemäß alles hindrängt, ohne Nebenraum seitlich und dahinter, wo das Eosandersche Portal eine unübersteigbare Sdiranke bildet, bereitete der Saal dem bequemen Verkehr einer großen Festgesellschaft außerordentliche Schwierigkeiten. Nur zwei Türen, die noch dazu zur Ausdehnung des Saales wenig günstig auf einer Seite nahe beieinander lagen, vermittelten den Verkehr von und zu ihm; ein Zurückfluten war nur den Kommenden entgegen möglich, ein Stauen und damit zum mindesten eine große Unbehaglichkeit unvermeidlich.« Schon unter Wilhelm I. wurde eine Änderung dieser Verhältnisse er­ wogen. Mein Vater nahm sich dann der Aufgabe an. Nach einer Idee des Baurats Heyden und einem Entwurf von Hofbaurat Ihne wurde der Schloßfreiheitflügel um mehrere Meter in den Schloßhof hineingerückt. Durch die Vorverlegung der Portalwand wurde eine langgestreckte breite Galerie gewonnen, mit Öffnungen zum Saal und zur Schloßtreppe. Eine Erweiterung, die »die bequeme Ausbreitung der Festgesellschaft sowie das Zu- und Abströmen derselben in ausgiebiger Weise gestattet, auch 1 8 8

den Festzügen nach und von der Kapelle einen sdiönen und würdigen Weg sdiafft«. Als 1902, nadi achtjähriger Arbeit, die Neugestaltung ihren Abschluß gefunden hatte, war ein Thronsaal entstanden, der dem Rang der deut­ schen Kaiserkrone entsprach. In einer Schilderung aus jenen Tagen hieß es: »Jetzt steht das große Werk vollendet da. Die Wände sind bis Unter­ kante Hauptgesims mit Marmor bekleidet, der Sockel mit >verde di maregiallo die Siena< in orna­ mentierten Bronzeleisten, die Pilaster und Säulen mit Pavonazzo, die Teilungen und Gliederungen der Wände, die Umrahmungen der Öff­ nungen und Fenster sowie die Leibungen derselben, die kleinen ionischen Säulen der Diplomatenloge, die Brüstungen mit ihren Balustern mit leiditgeadertem Karrara, die Füllungen der Längswände mit hellem >verde di mare< — nicht in Platten, sondern monumental in konstruktiven Blökken. So vornehm die technische Ausführung ist, so vornehm ist die Er­ scheinung dieser Marmorausstattung. Unter schwierigen Verhältnissen mit fortgesetzten Sorgen bis zum letzten Stück beschafft, hat das tadel­ lose Material mit der fast ohne Ausnahme glüchlichsten Zeichnung und Färbung den Saal zu einem Glanzstück der Raumausstattung aller Zeiten gemacht. »Dazu die in Kupfer getriebenen und vergoldeten Ornamente vor­ züglichster Arbeit an Trophäen, Masken, Blumengehängen, Kapitellen und Basen, Wandschildern der Beleuchtung, das in Stuckmarmor und teil weiser Vergoldung hergestellte Hauptgesims und darüber die Decke in ihrem reidien Goldschmuck. — Wenn König Friedrich I. hier eine Kapelle bauen und >mit dem schönsten italienischen Marmor an gehöri­ gen Orten überzogen, als ein Kunststück der Bildhauerei aller Welt vor Augen stellen< wollte, heute ist das Wollen des erhabenen Ahnherrn zur Tat geworden. An derselben Stelle und in gleicher Ausdehnung wie diese gewollte Kapelle steht der Hauptfestsaal des Schlosses als ein Kunststüdc aller Welt vor Augen! »Die zwölf Kurfürsten des Alabastersaales, die im Weißen Saal bis­ lang eine Stätte gefunden hatten, sind in dem neuen Saal nidit wieder zur Aufstellung gekommen, dafür wurden als hervorragendste Zierde die Marmorstatuen der Könige Preußens, den Großen Kurfürsten als den Begründer des preußischen Staates miteingeschlossen, in den Nischen der Längswände aufgestellt. Eine neue Zeit blickt damit auf die Festgesell­ schaft herab, die Kurfürstenzeit liegt weit zurück, und die alten Statuen 189

scäimücken jetzt die Hauptzugänge zu den Festräumen, die Wendeltreppe und namentlich die Weiße-Saal-Treppe, gleichsam als eine Vorbereitung und Vorstufe für ihre im Saal stehenden großen Nadikommen.« Die Geschichte des Weißen Saales ist die Geschichte der preußischen Monarchie. Jeder, der in Preußen Rang und Namen gehabt hat, hat in diesem Raum gestanden. Was hat dieser Saal nicht alles gesehen, an hei­ teren Festen wie feierlichen Staatsakten, Höhepunkten des Hof- und Staatslebens, wie viele Szenerien, Generationen und Epochen, seit dem Tag, da die Stimme des Hofmarschalls den Damen und Herren des ver­ sammelten Hofes das Nahen der Majestäten, König Friedrich Wil­ helms I. und seines illustren Gastes, des Königs von Polen und Kur­ fürsten von Sachsen, ankündigte! Wer wollte all die vielen Ereignisse und Bilder aufzeichnen! Hier fand die Hochzeit der Lieblingsschwester Friedrichs des Großen statt, als sie sich 1731 mit dem Erbprinzen von Bayreuth vermählte. »Ce fut dans cette derni^re salle que se fit la c^r^monie de mon mariage«, schrieb die spätere Markgräfin. »In diesem letzten Saal fand die Zere­ monie meiner Hochzeit statt.« Es war der Weiße Saal. »Apr^s avoir fait et re9 u les felicitations on me fit asseoir sur un fauteuil sous le dais ä cot^ de la reine. Le prince h^r^ditaire commenja le bal avec ma soeur d’Anspac. II ne dura qu’une heure apr^s quoi on se mit ä table . . . Apr^s le Souper nous repassämes dans la premi^re salle oü tout etait prepare pour la danse de flambeaux ...« Also: »Nachdem man die Glückwünsche ausgesprochen und entgegengenommen hatte, ließ man mich unter dem Thronbaldachin auf einem Sessel an der Seite der Königin Platz nehmen. Der Erbprinz begann mit meiner Schwester von Ansbach den Ball. Er dauerte nur eine Stunde, worauf man sich zur Tafel begab . . . Nach dem Souper gingen wir in den ersten Saal zurück, wo alles für den Fadceltanz vorbereitet war ...« Hier wurde auch — an einem Heiligen Abend — die Hochzeit der Königin Luise gefeiert. In einer alten Beschreibung der Vermählung des damaligen Kronprinzen mit der meddenburgischen Prinzessin kann man nachlesen: »Damit dieses Fest ein wahres Volksfest im eigentlichen Sinne des Wortes werden möchte, befahl der König, daß eine beträchtliche Zahl Einlaßkarten zu den Zimmern des Schlosses verteilt werden sollte. Die Vermählung geschah mit stiller Pracht, der Würde des König­ lichen Hauses angemessen, doch ohne unzweckmäßige Verschwendung. 1 9 0

Gegen 6 Uhr abends versammelten sich die sämtlichen Prinzen und Prin­ zessinnen in den Zimmern der regierenden Königin, wo der erhabenen Braut die Diamantenkrone des Königlichen Hauses aufgesetzt wurde. Bald nachher begab sich der ganze Hof in die Zimmer der verwitweten Königin, um sie zu der Feierlichkeit der ehelichen Einsegnung abzurufen. Von da ging nun das ganze in Berlin anwesende Königliche Haus, mit dem hohen Brautpaare voran, nach dem hell erleuditeten weißen Saal, wo sich schon die Staatsminister, Generale, die fremden Gesandten und der Adel versammelt hatten. Mitten im Saal war, wie bei allen Ver­ mählungsfeierlichkeiten des Königlidien Hauses, ein Thronhimmel von rotem mit goldnen Kronen gestickten Sammet erriditet; darunter stand ein Tisch und ein sogenannter Trauschemel, beide ebenfalls mit rotem Sammet bekleidet. Das Königliche Brautpaar trat vor den Geistlichen, den Ober-Consistorialrat Sack, und die Königliche Familie nebst dem ganzen Hofe bildeten einen glänzenden Kreis umher, hinter welchem noch viele andere nicht zum Hofe gehörende Personen standen. Es herrschte feierliche Stille. Nach einer kurzen Rede wechselten die hohen Verlobten die Ringe und wurden nach dem Gebrauch der evangelisch-reformierten Kirche zusammengegeben. Als die eheliche Einseg­ nung geschehen war, gab eine Fackel dem im Lustgarten aufgefahrenen Geschütz ein Zeichen, und nun verkündeten zweiundsiebenzig Kanonen­ schüsse das hocherfreuliche Ereignis.« — Unter dem Thronhimmel des Weißen Saales stand Friedrich Wil­ helm IV., als er im Mai 1848 die neugewählte preußische Nationalver­ sammlung eröffnete, die dem Königreich eine Verfassung geben sollte. Am selben Platz leistete er 1850 den Eid auf die »Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat«, die den Übergang zur konstitutionellen Monarchie bedeutete. Hier reichte Wilhelm I. nach den Jahren des Verfassungskonflikts, als er siegreich aus dem Krieg gegen Österreich heimgekehrt war, den oppositionellen Abgeordneten die Hand zur Versöhnung und erbat für die Politik seines Kanzlers Bismarch, der mehrere Jahre ohne einen von dem sich den erhöhten Wehrausgaben widersetzenden Abgeordnetenhaus genehmigten Staatshaushalt regiert hatte, die Indemnität, die nachträg­ liche Billigung der Steuern und Ausgaben. »Liebe Herren von beiden Häusern des Landtags«, hatte der König die Thronrede begonnen, und 191

gesdilossen hatte er mit den Worten: »Aber, meine Herren, es wird nicht wieder Vorkommen.« — Im folgenden Jahr erlebte der Weiße Saal wieder einen Staatsakt, der eine weitere Etappe auf dem Wege zur Gründung des deutsdien Reiches darstellte, und wieder stand, wie immer in den Jahrzehnten von 1862 bis 1890, Bismarck am Fuße des Thrones. Wilhelm I. eröffnete den Reidistag des Norddeutschen Bundes, jenes Bundes norddeutscher Für­ sten und Städte, in dem Bismardc eine Vorstufe eines geeinten Deutsch­ lands sah. Deutlich klang das Ziel in der Rede des Königs an: »Einst mächtig, groß und geehrt, weil einig und von starken Händen geleitet, sank das deutsche Reich nicht ohne Mitschuld von Haupt und Gliedern in Zerrissenheit und Ohnmacht. Des Gewichtes im Rate Europas, des Einflusses auf die eigenen Geschicke beraubt, ward Deutsch­ land zur Walstatt der Kämpfe fremder Mächte, für welche es das Blut seiner Kinder, die Schlachtfelder und Kampfpreise hergab. »Niemals aber hat die Sehnsucht des deutschen Volkes nach seinen verlorenen Gütern aufgehört, und die Geschichte unserer Zeit ist erfüllt von den Bestrebungen, Deutschland und dem deutschen Volke die Größe seiner Vergangenheit wieder zu erringen. »Wenn diese Bestrebungen bisher nicht zum Ziele geführt, wenn sie die Zerrissenheit, anstatt sie zu heilen, nur gesteigert haben, weil man sich durdi Hoffnungen oder Erinnerungen über den Wert der Gegen­ wart, durch Ideale über die Bedeutung der Tatsachen täuschen ließ, so erkennen wir daraus die Notwendigkeit, die Einigung des deutschen Vol­ kes an der Hand der Tatsachen zu suchen und nicht wieder das Erreich­ bare dem Wünschenswerten zu opfern.« — Dann kam der denkwürdige Tag, da Wilhelm I. verkünden konnte: »Wir haben erreicht, was seit der Zeit unserer Väter für Deutschland erstrebt wurde: die Einheit und deren organische Gestaltung, die Siche­ rung unserer Grenzen, die Unabhängigkeit unserer nationalen Rechts­ entwicklung.« Man schrieb den 21. März 1871. Das Deutsche Reich war wiedererstanden. Im Weißen Saal des königlidien Schlosses in Berlin war zum erstenmal der Deutsche Reichstag zusammengetreten, und der König von Preußen hielt seine erste Thronrede als deutscher Kaiser. Im Stenographischen Bericht des Reichstages kann man über das Bild, das der Thronsaal an diesem Tage bot, nachlesen: »In dem Weißen Saale, in welchem die Generale unter den Arkaden nach der Lustgarten­ seite, die Wirklichen Geheimen Räte, die Räte Erster Klasse und die Vortragenden Räte in den Ministerien in der zweiten Abteilung der 1 9 2

Nischen unter der Tribüne auf der Kapellenseite, die Abgeordneten zum Reichstage dem Throne gegenüber Aufstellung nahmen, waren rechts und links vom Throne Hauts-pas und hinter dem ersten eine Tribüne für Ihre Majestät die Kaiserin und Königin, für Ihre kaiserliche und könig­ liche Hoheit die Kronprinzessin, für die anwesenden durchlauchtigsten fürstlichen Damen und für die Prinzessinnen des königlichen Hauses, mit einem Eingang vom Königinnengemach, aufgeschlagen.« Voller Stolz konnte man auf das vollbrachte Werk blicken. Der Kai­ ser schaute aber auch auf die Zukunft. Er sagte: »Möge die Wiederher­ stellung des Deutschen Reiches für die deutsche Nation auch nach innen das Wahrzeichen neuer Größe sein; möge dem deutschen Reichskriege, den wir so ruhmreich geführt, ein nicht minder glorreicher Reichsfriede folgen, und möge die Aufgabe des deutschen Volkes fortan darin be­ schlossen sein, sich in dem Wettkampfe um die Güter des Friedens als Sieger zu erweisen. Das walte Gott!« Dann trat Bismardc vor und verkündete der Versammlung: »Auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers erkläre ich im Namen der verbündeten Regierungen den Reichstag für eröffnet.« Das erste Parlament des Deut­ schen Reiches erlebte seine Geburtsstunde. Unter den königlichen Prinzen, die der feierlichen Eröffnung des ersten Reichstages beiwohnten, befand sich auch mein Vater. Er war 12 Jahre alt. Eher als er es ahnen konnte, stand er — im Alter von 29 Jahren — selbst als Kaiser dort, umgeben von den deutschen Fürsten, seinem Hof­ staat, den Mitgliedern des Bundesrates und den Abgeordneten des Reichs­ tages. Über diese erste Reichstagseröffnung meines Vaters berichtete eine der Hofdamen: »Nach Schluß des Gottesdienstes folgten wir den Herrschaften nach dem Königinnenzimmer, dem Ausbau der Bildergalerie. Gräfin Oriola schloß sich uns an, auf besondere Einladung der Kaiserin. Diese führte den kleinen Kronprinzen an der Hand; im Königinnenzimmer stand die Herrin unter dem Bild der Königin Luise und ließ den impo­ santen Kaiserzug an sich vorüberziehen. Welch stolzer Augenblidd Die Reichsinsignien wurden paarweise vorausgetragen: die Krone von dem Oberstkämmerer, dem Grafen Otto zu Stolberg-Wernigerode, das Reichspanier von dem Feldmarschall Grafen Blumenthal, das Zepter von dem Generaladjutanten v. Stiehle, das Reichsschwert von dem General V . Meerscheidt-Hüllessem, der Reichsapfel vom General der Infanterie V. Strubberg. Es machte einen unerhört starken und feierlichen Eindruck, 1 9 3

als unser junger kaiserlidier Herr nahte, rechts von ihm schritt König Albert von Sadisen, links der Prinzregent von Bayern, gefolgt von allen regierenden deutschen Fürsten oder ihren Thronfolgern.« Der Bericht fuhr fort: »Der Zug betrat den Weißen Saal; die Kai­ serin mit Kronprinz Wilhelm, den Prinzessinnen und uns begab sich auch dorthin. Meine Herrin sah herrlich aus, als sie da rechts neben dem Throne, auf dem der Kaiser sich niedergelassen hatte, auf dem Haut-pas stand, gesdimüdct mit dem Schwarzen Adlerorden, den ihr der Kaiser zu diesem Tage verliehen hatte, vor sich den Sohn, voll Würde, Stolz und doch großer Demut, eine wahre Fürstin! Die mit kräftiger Stimme ge­ sprochene Thronrede des Kaisers wurde oft durch laute Beifallsrufe unter­ brochen. — Nach der Feierlichkeit empfing die Kaiserin im Königinnen­ zimmer sämtliche Fürsten. Sie traten alle heran und küßten ihr die Fland, zuletzt auch Bismarck. Er verbeugte sich tief vor ihr und war sichtlich bewegt. Ein hübscher Augenblick war es auch, als er die Hand des klei­ nen Kronprinzen nahm.« Am darauffolgenden Tag war der Weiße Saal wieder Schauplatz eines Staatsaktes: der Eröffnung des preußischen Landtages. Das Bild glich dem vom Vortage. Nur der Kreis der Würdenträger war ein an­ derer. Die deutschen Landesfürsten waren nicht zugegen, und statt der Reichstagsabgeordneten standen die Mitglieder der beiden Kammern, des Herrenhauses und des Abgeordnetenhauses, vor dem Thron des Königs. Zugegen waren wieder meine Mutter, die königlichen Prinzen und Prinzessinnen; Bismarck, in seiner Eigenschaft als preußischer Ministerpräsident, hatte seinen traditionellen Platz an den Stufen des Thrones eingenommen, und hinter dem Thronsessel stand der greise Feldmarschall Moltke. — Als unser Jahrhundert gerade einige wenige Monate alt war, gab mein Bruder Wilhelm den Anlaß für eine Galaveranstaltung im Weißen Saal. Es war der 6. Mai 1900, der Tag seiner Großjährigkeitserklärung. Zahlreich waren die Fürsten, die sich hierzu in Berlin eingefunden hat­ ten. An ihrer Spitze der alte Kaiser Franz Joseph. Morgens fand ein Festgottesdienst in der Schloßkapelle statt. Nach einer Predigt Dryanders leistete der Kronprinz den Fahneneid. Ich war noch ein Kind, doch nie werde ich den zutiefst ergreifenden Augenblick vergessen, in dem mein Bruder unserem Vater an geweihter Stätte den Soldateneid leistete. — Im Anschluß an die kirchliche Feier war eine Cour; abends große Galatafel im Weißen Saal und Cercle. 1 9 4

Ich selbst durfte an dem Ehrentag meines Bruders Wilhelm nur in der Sdiloßkapelle anwesend sein. Eine Teilnahme an den Veranstaltun­ gen im Weißen Saal kam für mich noch nidit in Frage. Er war tabu, doch keineswegs Terra incognita. Bedeutung und Pracht der Staatsakte und Feiern, deren Schauplatz er war, verklärten die Berichte, die ich als Kind über die glanzvollen Begebenheiten im Thronsaal des königlichen Schlos­ ses hörte. Mit den Jahren wurde ich dann unmittelbare Zuschauerin und schließlich auch persönlich Mitwirkende. Blicke ich heute zurück, so sehe ich in dem lichtdurchfluteten großen Saal eine lange Kette von Ereignissen an mir vorüberziehen: Staats­ besuche, Festakte, Parlamentseröffnungen, Galatafeln, Defiliercouren, Hofbälle. Als schönstes Bild erscheint mir — wie sollte es anders sein — mein Hodizeitstag: die Gratulations-Defiliercour, bei der mein Mann und ich unter dem Thronhimmel standen, zu unserer Rechten mein Va­ ter, die Herzogin von Cumberland, Königin Mary von England und Zar Nikolaus von Rußland, und zur Linken meine Mutter, der Herzog von Cumberland, die Kronprinzessin und König Georg von England. Ich denke daran, wie ich bei einem der Umgänge des Fackeltanzes von Zar Nikolaus und König Georg geleitet wurde, beide in preußischer Uni­ form, der Zar in der seines westfälischen Husarenregiments, der König im Weiß seiner Kürassiere. Das liebste Bild aber ist mir jenes, da ich beim Fackeltanz an der Seite meines Mannes einherschritt und wir gemeinsam, uns voran der Oberst-Marschall und zwölf Fackeln tragende Pagen, den Tanz eröffneten. Nie ist mir der Weiße Saal strahlender und festlicher erschienen! Unter den Hof- und Staatsveranstaltungen, die im königlichen Schloß stattfanden, hatte das Fest vom Schwarzen Adlerorden die älteste Tra­ dition. Es ging auf den 18. Januar 1701 zurück, auf die Krönung des ersten preußischen Königs in Königsberg. Friedrich I. hatte an diesem Tag einen Orden gestiftet, dessen Bedeutung er in der Präambel der Ordensstatuten unter anderem in die Worte faßte: »Damit das Gedächtnüß der von Gott Uns verliehenen Crohn ver­ ewiget, und Sein Nähme davor öffters gerühmet und gelobet. Unser Königreich und Vaterland, auch so viel mehr geehret, und nicht weniger das löbliche, tugendhaffte Verhalten vieler Unserer getreuen Unterthanen und Vasallen, welche eine Ehren-Erhebung allen andern Belohnungen weit vorzuziehen pflegen, erkennet, beehret und hervorgezogen, auch die Posterität zu einer so rühmlichen Nachfolge aufgemuntert werde, nach 1 9 5

dem löblichen Exempel vieler anderer Könige, einen neuen Ritterlichen Orden stifften, denselbigen an dem gegenwärtigen Tage Unserer Kröhnung als König in Preussen feyerlichst einführen, und mit dem Nahmen ORDINIS AQUILAE BORUSSICAE, oder des Königl. Preußischen schwartzen Adler-Ordens beehren wollen.« Der schwarze Adler, das Wappen des neuen Königreiches, war das Sinnbild des Ordens; als Wahlspruch erhielt er den Wahlspruch des Königs »Suum cuique«; die Farbe des Ordensbandes, orange, wählte Friedrich I. in Erinnerung an seine Mutter, die Kurfürstin Luise, die dem Ffaus Oranien entstammte. Zu den Insignien des Schwarzen Adlerordens gehörten der Ordensstern, der an der linken Brustseite getragen wurde, die Ordenskette und ein inkarnatroter, himmelblau gefütterter Samt­ mantel. Der Schwarze Adlerorden blieb in seiner ganzen Geschichte das, wozu ihn sein Stifter bestimmt hatte: die vornehmste Auszeichnung, die der preußische König zu vergeben hatte. Friedrich I. hat während seiner Regierungszeit siebenundfünfzig Ritter ernannt. Ähnlich begrenzt ist der Kreis der Ordensträger unter allen seinen Nachfolgern geblieben. Da in den Orden allein Angehörige des Adels aufgenommen wurden, war für nichtadlige Persönlichkeiten mit der Verleihung die Nobilitierung ver­ bunden. Jedes Jahr zum 18. Januar versammelten sich die Ritter des Ordens im königlichen Schloß, um das Fest des Schwarzen Adlerordens zu be­ gehen. Der eigentlichen Kapitelsitzung ging die Investitur der neuen Ritter voraus. Sie war eine eindrucksvolle Zeremonie und fand im Ritter­ saal statt. Die Kaiserin und wir Prinzessinnen standen dabei rechts vom Thron, allerdings nicht im Saal selbst, sondern in einem Durchgang. Es sollte damit zum Ausdrudc gebracht werden, daß es sich um eine Ver­ sammlung von Rittern handelte, also um den begrenzten Kreis der Ordensmitglieder. Wir hatten große Toilette angelegt. Pagen trugen unsere Courschleppen. Eine feierliche Stimmung herrschte, wenn der Kaiser in der Uniform des Regiments der Gardes du Corps den Saal betrat, auf den Thron zuschritt und die Stufen des Thrones emporstieg. Dort setzte er sich den Adlerhelm auf; das galt als Zeichen für den Beginn der Investiturzere­ monie. Angetan mit den weiten roten Ordensmänteln näherten sich nun die zwei als Paten fungierenden Herren mit dem neu ernannten Ritter. Mit vorgeschriebenen Schritten und dreimaliger Verbeugung vor dem Kaiser führten sie ihn an den Thron. Kniend legte er das Ordensgelübde 1 9 6

ab. Sodann bekleideten ihn die »Parrains«, wie die Paten genannt wur­ den, mit dem Ordensmantel. Ein Page brachte dem Kaiser auf einem roten Samtkissen die für den neuen Ritter bestimmte Ordenskette, die der Kaiser ihm selbst umlegte. Dann umarmte er den Beliehenen mit drei­ maligem Kuß, der sogenannten Akkolade. Mit drei Verbeugungen traten die Herren vom Thron zurück, um in der Reihe der Ritter den Platz als jüngste Ordensmitglieder einzunehmen. Die Ordensketten bestanden aus reinem Gold und waren mit den Emblemen des Schwarzen Adlerordens verziert. Sie waren sehr alt und wurden beim Tode des Ritters zurückgegeben. Da es üblich war, den Namen des Trägers einzugravieren, stellte jede dieser Ketten ein be­ merkenswertes Erinnerungsstück preußischer Vergangenheit dar. Mein Vater bemühte sich, bei der Verleihung des Ordens eine Kette zu finden, die eine Verbindung des neuen Ritters zu einem ihrer früheren Träger erkennen ließ. So erhielt mein Mann die Kette seines 1906 verstorbenen dänischen Großvaters, König Christians IX. In dem stets in gleicher Weise ablaufenden Zeremoniell des Ordens­ festes bereitete eigentlich nur Adolph v. Menzel einmal eine Unter­ brechung. Die Ursache lag in der zwergenhaften Statur des großen Malers und in seiner bekannten spontanen künstlerischen Faszination. Es war ein merkwürdiges Schauspiel, wie bei seiner Investitur mein Vater sich tief zu ihm hinunterbücken mußte, um die Akkolade zu vollziehen. Mein Bruder Wilhelm erzählte auch von einem Vorgang, der mir selbst nicht in Erinnerung geblieben war und der sich am Schluß eines der Ordens­ feste zutrug, als die Ritter zu zweit am Thron vorbeidefilierten, ihre Verbeugung vor dem Kaiser machten, um dann zum Ausgang zu schrei­ ten. Der Rangordnung entsprechend mußte Menzel neben dem baum­ langen Hausminister v. Wedel gehen. Einmal geschah es nun, als das ungleiche Paar am Throne vorbeidefilierte, daß in Menzel urplötzlich der Künstler erwachte und er stehen blieb. »Er schien völlig zu ver­ gessen, wo er war«, sagte mein Bruder. »Ich habe es mit angesehen, wie er plötzlidh, nach kurzem Kopfruchen, die Arme in die Seiten stemmte, und völlig von dem malerischen Eindruck befangen, meinen Vater lange und eindringlich fixierte. — Der alte Wedel hatte mittlerweile seine Verbeugung längst korrekt abgeliefert, war im Abmarsch begriffen und bemerkte nun zu seinem Schrecken, daß sein Partner noch immer vor dem Throne stand.« »Ich weiß nicht«, fuhr der Kronprinz fort, »was mir in dem Augen­ blick die größere Freude machte: das ratlose, entgeisterte Gesicht des 1 9 7

Hausministers, der sich da durdi den kleinen Mann in einen unerhörten Bruch von Tradition und Etikette hineingezogen fühlte, oder der kleine Meister, der den Kopf bald rechts, bald links ruckte und unbekümmert um die anderen nach ihm auf den Kaiser starrte. Endlich faßte Wedel sich ein Herz und zupfte Menzel fest am Ärmel. Die Störung aber nahm der scheinbar recht cholerische Meister bitter übel. Wenn ein Blick fauchen kann vor Wut, dann war es dieser, den er jetzt mit zurückgeworfenem Kopf bis in die Augenhöhe seines langen Partners stieß. Dann aber griff er in die Schleppe und stolperte zornig, beleidigt aus dem Saal. Das war, als dächte er: Nee — so’n Fest, wo man sich nicht mal seine Leute ein wenig ansehen darf!« Wie das Fest des Ordens vom Schwarzen Adler, ging auch das sogenannte Krönungs- und Ordensfest auf den Tag der Erhebung Preußens zum Königreich zurück. Es wurde zumeist an dem auf den 18. Januar folgenden Sonntag begangen. Wie sein Name sagt, diente es nicht nur der Erinnerung an die Königskrönung von 1701, es war außer­ dem ein Ordensfest, bei dem Ordensträger geehrt werden sollten. Der 18. Januar war der Tag, an dem in der Regel die Ordens­ verleihungen ausgesprochen wurden. Überwiegend handelte es sich dabei um die Dekoration mit dem von Wilhelm I. gestifteten »Kronen-Orden« und mit dem »Roten Adlerorden«. Letzteren hatte Friedrich Wilhelm II. als »Zweiten Orden des Königreichs« eingeführt. Seine Insignien bestanden nach dem Erneuerungsdekret von 1792 »in einem weiß email­ lierten mit acht Spitzen und oben mit der Königlichen Krone versehenen Kreuze, zwischen dessen mit zackiger Goldarbeit ausgefüllten Spitzen der Brandenburgische Adler, und in der Mitte die verzogenen Anfangs­ buchstaben FWR zu sehen sind.« Die Devise des Ordens lautete: »Sincerc et constanter« — »Rechtschaffen und standhaft«. Der Rote Adlerorden wurde wie die meisten Orden in mehreren Klassen verliehen; sie reichten vom Großkreuz bis zu einer IV. Klasse. Entsprechend weit war auch der Kreis seiner Träger gezogen. Das Ordenswesen spielte im Staatsleben jener Epoche eine große Rolle. Kritiker des Staates kritisierten auch seine Orden. Es hat in der Geschichte auch nicht an Versuchen gefehlt, die Orden überhaupt ab­ zuschaffen. Wiederum wurde, wie ich einer Verlautbarung entnahm, allein in Westdeutschland, d. h. in einem Teil unseres gespaltenen Vater­ landes, über 70 000 mal der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutsch­ land verliehen. In der alten Zeit kam den Ordensverleihungen eine ganz 1 9 8

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besondere Bedeutung zu. Eine der Grundlagen des preußischen Staates war es, daß man dem König nicht der Bezahlung sondern der Ehre wegen diente. »Travailler pour le roi de Prusse« — »Für den König von Preußen arbeiten«, das war viele Jahre ein geflügeltes Spottwort auf die keinen materiellen Gewinn erstrebenden preußischen Staats­ diener. Diese nahmen den Satz auf und machten ihn voll Stolz zu ihrem Leitspruch. Die Anerkennung durdi den König galt mehr als eine Ge­ haltsverbesserung, die Dekoration mit dem Roten Adlerorden bedeutete mehr als ein Aufsteigen zur nächsthöheren Besoldungsstufe. So galt für die Orden allgemein die Begründung, die Friedrich I. einst gegeben hatte: Sie waren Auszeichnungen für jene, »welche eine Ehren-Erhebung allen anderen Belohnungen weit vorzuziehen pflegen«. Zum besseren Verständnis mag es sich empfehlen, noch ein Wort über das Beamtentum anzufügen. Daß es korrekt, unbestechlidi und fachlich qualifiziert war, ist bekannt. Wie sparsam und bescheiden es dabei war, sagen schon einige wenige Ziffern: 1905 erhielt ein preußischer Ober­ präsident, der höchste Beamte einer Provinz, ein Jahresgehalt von 21 000 Mark, ein Regierungsrat 7200, ein Kanzleisekretär 3800, ein Bahnstationsvorsteher 1. Klasse 4200, ein Lokomotivführer 2200 Mark. Das war, um es zu wiederholen, das Gehalt für ein ganzes Jahr. Wie es damals in der Verwaltung aussah, darüber berichtete ein preußischer Landrat: »Der Allensteiner Landrat bekam 6000 MK. als Dienstaufwand. Das ist doch eine recht anständige Summe für damalige Zeit, wird man viel­ leicht sagen. Nun aber höre man: Damit waren zu unterhalten zwei Pferde, dazu der verheiratete Kutsdier, ferner die Angestellten des Land­ ratsbüros (!). Der Landrat erhielt als Staatsbeamter nur den Kreis­ sekretär und den Steuersekretär, — bei größeren Landratsämtern, wie auch Allenstein, kamen ein zweiter Steuersekretär und ein Assistent dazu. Wer aber erledigte die unendlich große Anzahl der auszufüllenden Vor­ drucke, Schriften, Abschriften, einfachen Briefschaften etc.? Das machten die Flilfskräfte, die der Landrat anstellte, angefangen von den schon älteren, einigermaßen eingefuchsten Schreibkräften bis hinunter zu den sogenannten >TintenspionenLeibgarde der Kaiserinind^cence< und darüber, daß ihre Schwiegertöchter einen von ihr gemißbilligten Tanz cinführten. Sie ließ ein erneutes Verbot an ihre Töchter ergehen und wandte die Blicke ab, um ihre Schwiegertöchter nicht Walzer tanzen zu sehen.« Der Walzer, wie ihn Strauß und Lanner populär gemacht haben, war selbst am Wiener Hof lange Zeit nicht hoffähig. Man erzählte die schöne Geschichte von dem Hofball, auf dem er schließlich doch das erste Mal getanzt wurde. Die anwesende Jugend setzte sich, hingerissen von den schwungvollen Klängen, über die Vorschrift hinweg. Dem General­ adjutanten Kaiser Franz Josephs, dem Grafen Paar, erschien das wie ein Sakrileg, ein Frevel an den unberührbaren Gesetzen des Zeremoniells. Nicht ohne Empörung eilte er zu seinem Herrn: »Majestät, darinnen spüln’s dön Straußschen Walzer!« Langsam zu ihm aufblickend fragte der Kaiser: »Ja, freit es denn die Leit?« Um dann, als der Graf dies bejahte, hinzuzusetzen: »Wenn’s sie freit, dann laßt sie halt.« Im Pfeilersaal habe ich meinen ersten Ball erlebt. Am 2. Januar 1910. Wie sollte ich das Datum vergessen! Bei diesem Fest tanzte ich auch meinen ersten Kotillon, wie man jenen Tanz am Schluß des Balles nannte, bei dem die Damen den Herren, denen sie ein Zeichen der Zuneigung gewähren wollten, eine Schleife überreichten. Die Damen wiederum erhielten Blumen dediziert. Zu diesem ersten Ball hatte ich als Tänzer einen Herrn von dem Regiment gewählt, zu dessen Chef midi mein Vater kurz nach meiner Einsegnung gemacht hatte. Es war der Leutnant 2 1 5

Schmidt vom 2. Leibhusaren-Regiment in Danzig-Langfuhr, der gerade nach Berlin kommandiert war. Als ich mich mit meinem Tänzer nach dem Kotillon-Walzer zu einer Stuhlreihe begab, wo wir Platz nahmen und zu plaudern begannen, erschien — unübersehbar — meine Obergouvernante Fräulein v. Saldern und setzte sich auf einen Stuhl hinter uns. Es schickte sidi nicht, daß eine junge Dame meines Standes sich allein mit einem Herrn unterhielt. Ja, das war die alte Zeit! Zu den Festen, die ich während der Saison besuchte, gehörten Bälle bei den Botschaften und bekannten Familien. Als einige meiner Brüder heirateten, gab es auch bei ihnen Hausbälle. Besonders reizvoll waren die Feste in der italienischen Botschaft arrangiert. Die Marchesa Pansa ließ sich immer wieder etwas Nettes und Geschmadcvolles einfallen. So gab es für den Kotillon kleine Geschenke, die die Pansas aus Italien besorgt hatten. Bei einem dieser Bälle kam, als es zum Schluß ging und der Kotillon beginnen sollte, die Marchesa schreckensbleich in den Saal ge­ stürzt: All die so sorgfältig ausgewählten Geschenke waren fort! Ein Dieb hatte sich während des Festes eingeschlichen und alles gestohlen. — V.

Eine Schilderung der großen Hofveranstaltungen bliebe unvoll­ ständig, wollte man nicht der Pagen Erwähnung tun. Sie gehörten nidit nur bildlidi in die höfische Szenerie, sie hatten einen festen Platz im Zeremoniell. Das Korps der Pagen rekrutierte sich aus adligen Selektanern und Primanern der Hauptkadettenanstalt in Großlichterfelde. Es war im übrigen der einzige Vorrang, den adlige Schüler in der Kadettenanstalt genossen. Die erste Auswahl wurde dabei von dem Kommando des Kadettenkorps getroffen, das dem Hof besonders tüchtige Kadetten­ unteroffiziere vorschlug. Den Vorschlägen lagen Photos bei, nach denen wiederum Leibpagen und Hofpagen ausgewählt wurden. Die Hofpagen bildeten das Gros der Pagen. Die Leibpagen waren für ein Jahr, während dessen sie zum Hofstaat gehörten, jeweils zu zweien zum Dienst bei den Mitgliedern der königlichen Familie bestimmt. Andere hohe Fürstlichkeiten erhielten, wenn sie zu Festlichkeiten in Berlin weilten, ebenfalls einen Leibpagen zugeteilt. Die Pagen unterstanden einem sogenannten Pagengouverneur. Es war im allgemeinen ein Leutnant, der als Adjutant beim Kommandeur des Kadetten-Korps geführt wurde. Er hatte nicht nur ihre Dienst­ einteilung vorzunehmen. Seine Aufgabe war es auch, die jungen Herren für den Dienst vorzubereiten, den sie bei Hofe zu verrichten hatten. Das 2 1 6

war nicht unbedingt eine leichte Aufgabe. Im großen Vortritt der Maje­ stäten einherzuschreiten oder Spalier zu stehen, bereitete keine sonder­ lichen Schwierigkeiten. Bei manchen Gelegenheiten kam es nur auf schnelles Begreifen an. So etwa, wenn der Schah von Persien während der Tafel von seinem Pagen einen Strohhalm verlangte. Da in der Küche des Schlosses keiner aufzutreiben war, sandte der Page einen Lakaien ins nächstgelegene Cafe, und schon hatte der persische Herrscher das gewünschte Utensil. Anders stand es schon um die Behandlung der Courschleppen, vor allem bei den Galatafeln. Diese Kunstwerke von Spitzen und Stickerei waren der besonderen Obhut des Pagen anvertraut. Behutsam mußte er die Schleppe seiner Dame drei- oder viermal über der Stuhllehne zu­ sammenfalten. Sie mußte so gelegt werden, daß sich die Trägerin wäh­ rend der Tafel unbesorgt anlehnen konnte, ohne daß sie selbst sich geniert fühlte oder gar die Schleppe gedrückt wurde. Und wiederum mußte alles so berechnet werden, daß das schönste Stück der Schleppe sichtbar blieb. Das erforderte nicht nur Gewandtheit, sondern zudem Übung. »Was der Soldat nicht übt, das kann er nicht«, hieß ein geflügeltes Wort In den Kasernen der alten Armee. Danach wurde auch hierbei verfahren: Mit Pferdedecken übte man in der Hauptkadettenanstalt das Zusammen­ legen der Courschleppen. Das Tragen der Schleppen war im übrigen außerordentlich beliebt. Page einer Dame sein zu können, war, wie man sah und hörte, das, was eine Page sich erträumte. Und wenn die Dame dazu noch jung und hübsch wa r . . . Wer möchte es nicht verstehen! Da ereignete sich jene kleine Episode, die damit begann, daß eine junge Prinzessin auf dem Weg zum Weißen Saal einen Schuh verlor, einen kleinen Atlasschuh. Der Page hob ihn auf und — steckte ihn ein. Niemand, so glaubte er, hätte den Vorgang bemerkt. Die Prinzessin setzte ihren Weg mit nur einem Schuh fort und blieb so beim Diner, beim Cercle, während des ganzen Festes. Schließlich, als der Page sie zu ihrem Wagen geleitete, forderte sie ihren Schuh zurück. Das Gesicht des Pagen braucht nicht weiter ausgemalt zu werden. Die Prinzessin ließ ihm bald darauf allerdings einen Ehrendegen als Geschenk überreichen. Sie hatte nicht übersehen, wie es um den jungen Mann stand, der da ihren Schuh hatte entführen wollen. Vielleicht hatte er aber auch einen der Instruktionssätze, die den Pagen mit auf den Weg gegeben wurden — »Ihr müßt so nett ausschauen, daß jede Prinzessin versucht ist. Euch einen Kuß zu geben« — gut befolgt. 2 1 7

Idi erinnere midi an ein Bild meines ersten Balles. Von meinem Vater hatte ich hierzu einen großen Strauß rosafarbener Nelken bekommen. Mein Page nahm, als er sich einmal unbeobachtet glaubte, ganz ver­ stohlen das Bukett und senkte seinen Kopf ganz tief hinein, um den Duft einzuatmen. Schnell legte er es dann wieder fort; niemand sollte es gewahr geworden sein. Besondere Künste wurden den Pagen bei den Galatafeln abverlangt, denn dabei mußten sie den Mitgliedern der fürstlichen Häuser servieren. Trotz allen Vorübens stellten sich immer wieder kleinere oder größere Malheurs ein. Das Hantieren mit Saucieren und schweren Silberplatten erwies sich eben als nicht ungefährlich. Die Skala der Unfälle erstreckte sich vom leichten Überschwappen der Sauce bis zum Placieren eines ganzen Gänsebratens auf einem roten Galarock der Garde-Kürassiere. Eine Kuriosität stellte jene ledergefütterte oder mit Wachstuch ver­ sehene Tasche in der Uniform der Pagen dar, wie sie an den Höfen vergangener Jahrhunderte als Requisit vieler Trachten und Uniformen üblich gewesen war. Sie hatte einst dazu gedient, Speisen von der fürst­ lichen Tafel, mehr oder weniger erlaubt, nach Hause zu führen. Selbst­ verständlich wanderten weder Gänsekeulen noch Filets in die Rock­ taschen der Pagen. Aber oft geschah es, daß man von dem Konfekt, das zum Schluß der Tafel angeboren wurde, reichlich auf den Teller nahm, Menükarten und Musikprogramm darauflegte, und seinem Pagen mit einer Geste zu verstehen gab, alles in den Tiefen der hierfür bestimmten Rocktasche verschwinden zu lassen. Die Pagen entwickelten hierin eine große Geschicklichkeit. Ich möchte allerdings bezweifeln, daß auch die Erlernung dieser Fertigkeit auf dem Übungsprogramm in der Haupt­ kadettenanstalt gestanden hat. Die Uniform der Pagen bestand aus einem ponceauroten Rock mit silbernen Tressen, zu dem ein Spitzenjabot und Spitzenmanschetten getragen wurden, sowie weißer Kniehose, weißseidenen Strümpfen und sdiwarzen Schnallenschuhen. Zur weiteren Ausschmückung diente ein flaches, schwarzes Barett und ein zierlicher Stichdegen. Daß die Pagen den Weg von Großlichterfelde bis ins königliche Schloß in Kutschwagen des kaiserlichen Marstalls zurücklegen mußten, was immerhin beinahe zwei Stunden in Anspruch nahm, lag, so sagte man, in der Sorge be­ gründet, sie könnten beim Benutzen der Eisenbahn ihre Monturen be­ schmutzen. Ich weiß nicht, ob das tatsächlich der ausschlaggebende Grund war. Sicher ist jedoch, daß man mit ihnen sehr vorsichtig umging. Spitzenjabots, Spitzenmanschetten und Seidenstrümpfe wurden erst im 218

Schloß angelegt, und während die Pagen zu viert in den einzelnen Wagen zum Schloß fuhren, trugen sie graue Leinenüberzüge, die fast bis auf die Füße hinunterreichten. Die Überhänge abzulegen, war streng unter­ sagt. Man kann sich denken, wie es den jungen Herren gegen den Strich ging, ihre schönen Monturen nicht zeigen zu können. Sie halfen sich da­ mit, daß sie die Ärmel des Kittels hochstreiften und ihn vorn weit öffneten, um möglichst viel vom leuchtenden Rot und dem Silber der Tressen sehen zu lassen. So zeigten sie sich, den Degenknauf in der Hand, am Fenster ihrer Kutschen den Straßenpassanten. Erich v. Manstein erinnert sidi: »Es war zumeist eine bitterkalte Fahrt von mehreren Stunden, aber sie wurde doch sehr genossen. Besonderen Spaß machte es uns, wenn — natürlich versehentlich — die Wache am Brandenburger Tor vor uns ins Gewehr trat, weil der Posten in den Hofkutschen irgend­ welche Prinzen oder hohen Würdenträger vermutete.« Bei ihrem Eintreffen im Schloß erwartete die Pagen zunächst einmal ein gutes Frühstück. Diener trugen große Schüsseln mit belegten Broten heran und schenkten Bouillon ein. Die Küche richtete sich stets auf reich­ liche Mengen ein. Der Appetit der Kadetten war sprichwörtlich. Auch nach dem Dienst wurden die jungen Herren beköstigt. Wieder war für sie in der Bibliothek gedeckt; diesmal wurde eine Mahlzeit mit vier bis fünf Gängen serviert, und je zwei erhielten eine Flasche Wein. War das Essen beendet, wurden Spitzenjabots, Spitzenmanschetten und Seiden­ strümpfe wieder abgelegt, und zurück ging es in den Hofkutschen nach Lichterfelde. Zur Erinnerung an ihre Pagenzeit erhielten die Kadetten von den Fürstlichkeiten, denen sie gedient hatten, zumeist einen Ehrensäbel als Geschenk. Aber auch goldene Uhren, Manschettenknöpfe und andere Schmuckstücke wurden geschenkt. Die Pagen wurden überhaupt mit Achtung behandelt. Mein Vater pflegte bei der Tafel seinen Pagen zuzutrinken. Oft reichte er ihnen sein eigenes Sektglas, damit sie daraus auf sein Wohl tränken, was als besondere Auszeichnung galt. Franz V . Papen, der nachmalige Reichskanzler, berichtete im Rückblick auf seinen Pagendienst über die respektvolle Haltung, die der Oberhof­ marschall den Pagen bezeigte: »Graf Eulenburg war für jeden von uns ein Vorbild in der Güte und Liebenswürdigkeit, mit der dieser alte Herr und Inhaber der höchsten Ämter dem Jüngsten von uns genau so begeg­ nete wie dem ältesten Kommandierenden General.« Da die kaiserliche Familie in den ersten Monaten des Jahres im Berliner Schloß wohnte — wie überhaupt der gesamte Hof während 2 1 9

dieser Zeit nadi dort übergesiedelt war —, wuchsen wir Geschwister von frühester Jugend im Bannkreis der großen Hof- und Staatsveranstal­ tungen auf. Für midi als Mädchen bedeutete es schon eine Freude, dabei­ zusein, wenn unsere Mutter vor einem der großen Feste frisiert und ihr das funkelnde Diadem aufgesetzt wurde. Die Kammerfrau, Fräulein V . Beaulieu, sah meine Anwesenheit nicht so gern. Für sie war das Garderobemachen etwas sehr Wichtiges, und sie verstand da keinen Spaß. Sie hatte in der Tat auch eine große Verantwortung, denn der Kronschmuck, den meine Mutter anlegte, war ihrer Obhut anvertraut. War der Safe aufgesperrt, dann wollten wir Kinder immer bestimmen, was angelegt werden sollte. Unsere Vorschläge waren ein rechtes Kunter­ bunt, und erst allmählich lernten wir, was wozu paßte und was nicht. Gelegentlich durften mein Bruder Joachim und ich die große Cour­ schleppe unserer Mutter tragen, bis zum Pfeilersaal, wo wir sie, feierlich und wichtig, an die dort wartenden Pagen übergaben. Der Pfeilersaal lag im ersten Stockwerk. Er diente als Vorsaal zu den Wohnräumen meiner Eltern. Charakteristisch für ihn war das Oval seines Raumes. Wände und Säulen waren aus grauem und rötlichem Stuckmarmor, und die Decke schmückte ein Gemälde Johann Christoph Kimpfels, das die olympischen Götter darstellte. Die Wohnung meiner Eltern befand sich an der Südfront, dem Neptunsbrunnen gegenüber. Sie war einst von Friedrich dem Großen angelegt worden. Sein Vater, der Soldatenkönig, hatte im Erdgeschoß gewohnt, und zwar an der Nord­ seite. Von hier aus konnte er jederzeit den Lustgarten, der Exerzierplatz war und auf dem seine »Langen Kerls« gedrillt wurden, erreichen. In den von Friedrich dem Großen eingerichteten Räumen hat auch Friedrich Wilhelm IV. gelebt. Meine Wohnung befand sich ebenfalls im ersten Stock. Wie die darüber liegenden Räume meiner Brüder lag sie an der Front zur Schloß­ freiheit. Wir blickten auf das Denkmal Wilhelms I. Besonders liebte ich mein kleines, mit entzückenden Spiegeln und feinen Ornamenten ver­ sehenes Eßzimmer. Es war ein Eckzimmer, von dem ich das Tun und Treiben in den angrenzenden Straßen übersehen konnte, aus dem die Droschkenkutscher nicht wegzudenken waren. Bei großer Hitze setzten die Kutscher ihren Pferden Strohhüte auf, aus denen die Ohren so lustig herausschauten. Am Hochzeitstag meines Bruders Wilhelm hatten sie ihre Droschkenpferde mit Strohblumen in allen Farben geschmückt; sie schienen hierin zu wetteifern. Im Winter, wenn die Straßen glatt und 22 0

gefroren waren, sah ich immer voll Mitleid auf die braven Pferde hin­ unter, die oft ausrutschten, weil das Pflaster am Denkmal uneben war. Die Berliner Drosdiken! Wie all und jedes in der Haupt- und Residenzstadt war auch das Droschkenwesen mit der Gesdiichte des königlichen Hofes aufs engste verknüpft. Am Weihnachtsmorgen des Jahres 1739 war in Berlin zum erstenmal eine öffentliche Droschke ge­ fahren. Im Tabakskollegium Friedrich Wilhelms I. hatte man sich zuerst über die Notwendigkeit besserer Verkehrsmittel unterhalten. Mit könig­ licher Kabinettsorder wurde einer besonderen Kommission die Ange­ legenheit übertragen und ein Reglement erlassen. Doch die ersten Miets­ kutschen erfreuten sich keines sonderlichen Zuspruchs. »Vom Publico wurde von der ungewohnten Bequemlichkeit noch wenig Gebrauch gemacht«, hieß es in einem alten Bericht. Die Fahrgäste gehörten durch­ weg der Hofgesellschaft an. Der König hatte befohlen, sich fleißig der neuen Einrichtung zu bedienen, damit sie in Gang käme. Erneut nahm er sich der Sache an. Durch Allerhöchstes Reglement wurde die »Ber­ linische Privilegierte Fiakergesellschaft« ins Leben gerufen, und der Soldatenkönig versprach, die Herstellungskosten für vierzehn Droschken je 100 Taler aus seiner Schatulle zuzuschießen. Höchstpersönlich prüfte er den Entwurf für die ersten der neuen Kutschen. Sie waren stattliche Exemplare ihrer Gattung: Das Gestell war rot angestrichen, das Coupe olivfarben, oben mit schwarzem Leder bekleidet und mit gelben Nägeln und Leisten verziert. Nach anfänglichen Schwierigkeiten begann das Geschäft der Berliner Kutscher zu florieren. Der Alte Fritz bediente sich der Fiaker auch für sich selbst. »An einen Fiacken, welcher Sr. Königl. Majestät nach der Redoute gefahren«, liest man in den Listen der königlichen Schatullrechnungen. Oder: »Der Fiaquer No. 21 hat am 19. Januar Ihro Königl. Majestät nach der Redoute gefahren.« 8 Groschen wurden gewöhnlich für die Fahrt be­ zahlt. Der König von Preußen fuhr Taxi! Tempora mutantur — die Zeiten ändern sich! Als auf der Schloßfreiheit das Nationaldenkmal für Kaiser Wil­ helm I. gebaut wurde, gab es auf dieser Seite des Schlosses sehr viel Lärm, jedenfalls tagsüber. Nachts, wenn die Arbeit ruhte, beschäftigte mich jedoch das Jaulen eines Hundes, der dort Wache halten sollte. Dann kreiste meine kindliche Phantasie, ich war damals vier bis fünf Jahre alt, um die Baustelle und die Arbeiten, die auf ihr verrichtet wurden. Es war eine mir bis dahin unbekannte Welt. 221

Am Tage der hundertsten Wiederkehr des Geburtstages des alten Kaisers fand die Enthüllung des Denkmals statt. Ganz Berlin war auf den Beinen, und in ganz Deutschland war Feiertag angesetzt worden. Von den Zimmern meiner Brüder aus konnten Oskar, Joadiim und ich das großartige malerische Schauspiel mitansehen. Vor dem zur Schloß­ freiheit führenden Eosander-Portal waren Tribünen errichtet, mit einem baldachinartigen Zelt für die Fürstlichkeiten. Unter den zahlreichen Fürstlichkeiten, die nach Berlin gekommen waren, befanden sich Prinz­ regent Luitpold von Bayern, König Albert von Sachsen und König Wilhelm von Württemberg. Neben dem Denkmal hatten Abordnungen von Garde-Regimentern und der kaiserlichen Marine Aufstellung ge­ nommen. An den Seiten des Platzes drängte sich eine vieltausendköpfige Menge. Mein Vater leitete die Denkmalsenthüllung persönlich. Er war zu Pferde und trug die Uniform der Gardes du Corps. Nach einem Gebet von Hofprediger D. Faber sank unter dem Geläut der Glocken und den Salutschüssen der Garde-Feldartillerie die Hülle des von Reinhold Begas geschaffenen Reiterstandbildes. Meine Großmutter, die Kaiserin Fried­ rich, und meine Mutter legten Kränze nieder. Danach nahm mein Vater am Fuße des Monuments die Parade der Truppen ab. Von unserer »Loge« aus sahen wir, wie unsere vier ältesten Brüder mit dem 1. GardeRegiment zu Fuß, die silberbesdilagenen friderizianischen Grenadier­ mützen auf dem Kopf, vorbeimarschierten, um dann aus der Kolonne herauszutreten und an der Seite unseres Vaters Aufstellung zu nehmen. An Abwechslung mangelte es nicht, wenn wir in Berlin wohnten. In Potsdam lebten wir ruhiger. Meine Mutter hat sich darüber offenbar Gedanken gemacht. In ihrem Tagebuch fand ich über mich die Notiz: »Baby interessierte die ganze Unruhe der Stadt sehr, nur hatte sie erst etwas Angst vor der Klingel der Pferdebahn. Es war ein sehr kalter Winter, viel Schnee, Glatteis, die Kinder fuhren trotzdem aus.« Einige Jahre später vermerkte sie: »Jetzt ist die große Aufregung der Über­ siedlung nach Berlin. Möchten die Kinder nur wohl bleiben.« Und wieder ein paar Jahre danach notierte meine Mutter: »Zu Neujahr übersiedelten wir. Berlin bekommt Sissy nie so gut. Sie kommt nidit genug an die Luft, muß so viel beim Unterricht sein, hetzt sich überhaupt sehr ab.« Und wie für sich selbst zum Trost ergänzte sie: »Sie lernt ja sehr gut, die Lehrer sind eigentlich immer zufrieden.«

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. . .

:V#WWfc .

Die »Braunschweig« hat die »Viktoria Luise« im Schlepp. ( A q u a r e l l v . A d o l f Bock).

An Bord SMS »Hohenzollern«: stehend v. 1. v. Jenisch, v. Valentini, Dr. v. Niedner, Gräfin Klinckowstroem, Prinz u. Prinzessin August Wilhelm, Maxim, v. Lyncker, Graf Platen-Hallermund, der Kaiser, Graf Dietrich Hülsen-Haeseler, Viktoria Luise, Frl. v. Saldern, v. Müller, v. Plessen. Sitzend v. r. V. Karpf, V . Chelius.

Hofchargen

Das Leben des Hofes, die Angelegenheiten des königlichen Hauses und die persönlichen Belange des Kaisers und Königs bildeten einen großen Aufgabenkreis, dessen Betreuung in der Hand des Hofstaates lag. Der historischen Überlieferung entsprediend gab es eine Anzahl Hofchargen, die aus Gründen der Tradition oder der verwaltungs­ mäßigen Bedeutung ihres Amtes untersdiiedliche Ränge einnahmen. Auf der höchsten Stufe der höfischen Rangordnung standen die »Obersten Hofdiargen«. Sie ragten sichtbar aus dem Kreis des Hof­ staates heraus. Die Institution ihrer Ämter reichte bis ins Mittelalter zurück, und ihre Inhaber waren markante Repräsentanten des Adels. Die Obersten Hofchargen traten bei den großen Veranstaltungen von Hof und Staat in Erscheinung. Sie versahen ihr Amt der Ehre halber. Eine Dotation gab es nicht; sie wäre sicher als beleidigend empfunden worden. Rangmäßig stand an erster Stelle der Oberst-Kämmerer. Er war der höchste Würdenträger des Staates. Daß er den ersten Platz einnahm, hatte historische Gründe: Im alten Reich, dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, hatte Kurbrandenburg das Amt des Erzkämmerers inne. Zu meiner Zeit war Fürst Friedrich zu Solms-Baruth OberstKämmerer. Sein Vorgänger war Fürst Christian Kraft zu HohenloheOehringen, der wiederum Fürst Otto zu Stolberg-Wernigerode nach­ gefolgt war. Fürst Solms, der erbliches Mitglied des preußischen Herren­ hauses war, hatte die Übernahme des Amtes ausdrücklich davon ab­ hängig gemacht, daß er weiterhin dort seine Stimme frei und nach eigenem Gutdünken abgeben könne. Zu den Obersten Hofchargen gehörte als Oberst-Schenk Fürst Her­ mann von Hatzfeld, Herzog zu Trachenberg. Er war Oberpräsident von Schlesien, Mitglied des Herrenhauses und des Reidistages. Fürst Hugo von Radolin, einst Oberhofmarschall meines Großvaters, Botschafter in Konstantinopel, Petersburg und Paris, fungierte als Oberst-Truchseß. Oberst-Jägermeister war viele Jahre Herzog Hans Heinrich von Pleß. Auch er gehörte dem Herrenhause an. Das Amt des Oberst-Marschalls bekleidete Fürst Maximilian Egon zu Fürstenberg. Die Fürstenbergs sind ein schwäbisches Adelsgeschlecht, das sich bis ins 11. Jahrhundert verfolgen läßt. Sie waren als sehr vermögend bekannt. Umfangreiche Besitzungen in verschiedenen Ländern führten dazu, daß ihr Familienhaupt erbliches Mitglied der ersten Kammern des Großherzogtums Baden und des Königreichs Württemberg, des Herren­ hauses des österreichischen Reichsrates sowie des preußischen Herren­ hauses war. Fürst Maximilian Egon hat meinem Vater sehr nahe­ 2 2 5

gestanden. Das lag nicht in seiner Hof würde begründet; diese ging be­ reits selbst auf die Freundschaft zurüch, die meinen Vater mit dem Fürsten verband. Ein amerikanischer Journalist schrieb einmal: »Fürst Fürstenberg, ein deutsch-österreichischer Grandseigneur und Multimillionär, ist die Macht hinter dem Throne. Kein Mann der höchsten Kreise hat den gleichen Einfluß; wenige haben jemals das Vertrauen Wilhelms II. in so aus­ gedehntem Maße genossen. Selbst altem Geschledite entstammend, ist Fürstenberg ein Untertan, der vom Kaiser wie seinesgleichen behandelt wird, und sein Rat wurde öfter dem der Kanzler und Minister vor­ gezogen.« Der ausländische Beobachter fügte hinzu: »Seine Schlösser in Lana und Prag, seine Stadthäuser in Wien und Karlsruhe und seine wunderbaren und ausgedehnten Jagdgründe und Güter im Schwarzwald waren der Schauplatz glanzvoller Gastgebereien, die die Empfänge von Kaisern und Königen übertrafen. In einem Alter von fünfzig Jahren, römisch-katholischer Religion, ist er vermöge seiner einzig dastehenden internationalen Herkunft, seines kolossalen Reichtums und seiner intimen Beziehungen zum Kaiser eine der markantesten und mächtigsten Gestalten des modernen Europa.« Diese Beurteilung ist in ihrem Resultat weit über die Gegebenheiten hinausgeschossen. »Die Macht hinter dem deutschen Throne«, das war Fürstenberg sicher nicht, ebensowenig wie er der Hofnarr war, für den manche Kritiker ihn angesehen wissen wollten. Er war Soldat und Sportsmann, etwas Musiker, Künstler und wohl auch Archäologe, ein Mann mit vielseitigem Wissen und mannigfachen Interessen. Er war in seinem Leben durch Höhen und Tiefen gegangen; stets war er, wenn man so sagen darf, wieder obenauf. Das Schicksal hat es immer gut mit ihm gemeint. Sein Naturell war durch seine Herkunft mit viel öster­ reichischem Einschlag geformt. Auf der anderen Seite sind Monarchen, auch wenn sie ein noch so schönes Familienleben ihr eigen nennen, oft einsame Menschen, die selten einen wirklichen Freund haben, mit dem sie sich aussprechen und bei dem sie geistige Entspannung finden können. Wer unter denen, die Ver­ antwortung zu tragen haben, kennt nicht das Gefühl, sich einmal von seinem gewohnten Denken absetzen zu müssen. Das war es, was meinen Vater mit Fürst Fürstenberg verband. Mit seinem österreichischen Charme wußte er meinen Vater zu fesseln. Bonmots, Histörchen und Witze waren bei ihm an der Tagesordnung. Er hatte etwas Jungenhaftes an sich, das, wie sein Lachen, einfach mitriß. Oft waren seine Späße 2 2 6

alles andere als geistreich, aber stets waren sie bildhaft, wie etwa diese Bemerkung, die er zu uns an Bord der »Hohenzollern« im Hafen von Corfu machte, als wir von der Reeling aus sahen, wie unser ganzes Gepäck auf ein nidit gerade stabiles Boot verladen wurde, das es separat zum Kai bringen sollte. Da meinte Fürstenberg: »Wenn das Schiff ken­ tert, und alles geht im Wasser perdu, dann kann man sich nur noch erschießen. Aber mein Revolver ist im Koffer 5, und der ist dann auch weg.« Mir kam es manchmal so vor, als wenn der Fürst sich etwas zu häufig bei meinem Vater einstellte, daß er sich für unentbehrlich hielt. Ich glaube aber nicht, daß er sich dabei in den Vordergrund spielen wollte; mit Sidierheit kann ich sagen, daß er damit weder persönliche Vorteile noch gar politische Macht erlangen wollte. Mein Vater war alljährlich einmal beim Fürsten Fürstenberg auf Schloß Donaueschingen zu Gast, und zwar zur Jagd. Ich habe ihn einmal dorthin begleitet. Es war ein herrlicher Besitz, einstmals Residenz des Fürstentums Fürstenberg, dessen Landeshoheit 1806 untergegangen war. Baden, Hohenzollern-Sigmaringen und Württemberg hatten es sich ein­ verleibt. Das Schloß, seine Gartenanlagen und der Schloßpark, in dem die »Donauquelle« entspringt, vermittelten mir einen imposanten Ein­ druck. Diesen Platz beherrschte die Gestalt der Gemahlin des Fürsten, der Fürstin Irma, einer geborenen Gräfin Schönborn-Buchheim. Sie sah fabelhaft aus. Zudem strahlte sie eine Ruhe und Ausgeglichenheit aus, die sie zum festen Pol in der Familie machten. Das hieß aber nicht, daß »Tante Irma«, wie sie von uns genannt wurde, die Untätigkeit liebte. Man kannte sie nidit ohne eine Beschäftigung, und sogar auf Bällen, wenn es ihr zu langweilig wurde, pflegte sie zu stricken. Es war ein ur­ komischer Anblidc, wie die Fürstin da aus einem eleganten kleinen Beutel ihre Stricksadien hervorzog und dann mit Nonchalance zu stricken be­ gann. Ihre Kinder waren mehr nach dem Vater geschlagen und eine fröh­ liche, manchmal recht ausgelassene Gesellschaft. Gelegentliche Streiche konnte ihnen niemand so recht übelnehmen. Man hörte dann wohl sagen: Die Fürstenbergs haben Ureigenschaften, und man muß sie anders ein­ schätzen als gewöhnliche Menschen. In späteren Jahren bin ich nur selten mit Fürstenbergs zusammen­ getroffen. Der eigentliche Berührungspunkt war ihr schönes an einem Steilrand der oberschwäbischen Hügellandschaft gelegenes Schloß Hei­ ligenberg, das sie nach dem Verlust ihres böhmischen Besitzes als ständi­ gen Wohnsitz gewählt hatten. Sie waren Nachbarn der im nahe ge­ legenen Salem wohnenden Familie meines Schwagers Max von Baden, 2 2 7

mit der sie auch verwandtschaftlich verbunden waren, und so kam es, daß man sich bei festlichen Anlässen sah. Das freundschaftliche Ver­ hältnis zwischen meinem Vater und dem Fürsten klang nach 1918 lang­ sam ab. Beigetragen hat dazu auch ihr unterschiedliches Verhältnis zum Nationalsozialismus. Der Kaiser verstand nicht, daß sich sein lang­ jähriger persönlicher Vertrauter für das neue, ihm nicht genehme Staats­ oberhaupt engagierte. Fürst Fürstenberg starb 1941 auf Heiligenberg, wenige Wochen nach dem Tode seines einstigen Herren. — Den Obersten Hofchargen folgten im Rang die »Oberhofchargen«: Ober-Gewandkämmerer, Ober-Mundschenk, Ober-Stallmeister, OberJägermeister, Ober-Schloßhauptmann, Ober-Küchenmeister und der Generalintendant der königlichen Schauspiele. Denkt man zurück an die Persönlichkeiten, die diese zumeist ehrenamtlichen Funktionen versahen, dann tauchen wieder bekannte Namen der alten Zeit auf: unter ihnen die Grafen Friedrich und Ludwig Perponcher-Sedlnitzky, Graf Maxi­ milian Pückler, Graf Ernst v. Wedel, Graf Ludwig v. d. AsseburgFalkenstein, Graf Bernhard zu Dönhoff, Freiherr Heinrich v. HeintzeWeissenrode, Graf Georg v. Kanitz, Freiherr Walter v. Esebech. Den Oberhofchargen schlossen sich einige »Vize-OberhofChargen« und eine Reihe »HofChargen« an. Von letzteren führten die Mehrzahl den Titel Schloßhauptmann, andere waren Zeremonienmeister oder Hof­ meister. Daneben gab es noch die Kammerherren und einige Kammer­ junker. Kammerherr, das war ein Ehrentitel, der zum Ausdruck brachte, daß sein Träger mit der Würde ausgezeichnet war, persönlichen Dienst bei den Majestäten leisten zu dürfen. Zu meiner Zeit lebten noch mehrere Kammerherren, die unter Friedrich Wilhelm IV. ernannt worden waren. Da auch seine Nachfolger Ernennungen vorgenommen hatten, war die Zahl der Kammerherren nicht eben gering. Nimmt man einmal die Liste der Kammerherren zur Hand, dann gewinnt man ein Bild von der Hofgesellschaft, wie ich sie gekannt habe. — Zur Dienstleistung wurden die Kammerherren nur selten herangezogen. Meist nur, wenn mein Vater oder meine Mutter sich in der Provinz aufhielten, in der der betreffende Würdenträger lebte. Nur wenige versahen regelmäßigen Dienst bei Hofe; sie nannte man »diensttuender Kammerherr«. Während die genannten Hofchargen in ihrer Mehrzahl bei den großen Veranstaltungen von Hof und Staat in Erscheinung traten, ver­ langten andere Hofämter eine permanente Dienstleistung, einige davon sogar mit weitreichender Verantwortung. Hierzu gehörte zunächst ein­ 2 2 8

mal der Minister des königlichen Hauses, wie seine offizielle Bezeichnung lautete. Sein Aufgabengebiet umfaßte die Erledigung der persönlichen Angelegenheiten des Kaisers und der Mitglieder des preußischen Hauses sowie die Verwaltung des gesamten Kronvermögens. Viele Jahre stand auf diesem Posten in der Person Wilhelm v. Wedels ein erfahrener Jurist. Er kam aus dem Staatsdienst, wo er Regierungspräsident in Magdeburg gewesen war. Herr v. Wedel hatte auch dem Reichstag an­ gehört, zeitweilig sogar als Reichstagspräsident. Zwanzig Jahre diente er meinem Vater als Minister des königlichen Hauses. Sein Nachfolger wurde Graf August Eulenburg. Er hat dieses Amt bis zu seinem Tode, 1921, innegehabt. Eulenburg kam aus der Armee. Zunächst 1. Garde-Regiment zu Fuß, dann persönlicher Adjutant meines Großvaters. Nach Eintritt in den Hofdienst stieg er die Leiter der Hierarchie der Hofämter Stufe für Stufe empor: Kammerherr und Hof­ marschall meines Großvaters in dessen Zeit als Kronprinz — Vize-Ober­ zeremonienmeister — Ober-Zeremonienmeister. Mein Vater ernannte ihn zum Oberhof- und Hausmarschall. In diesen Ämtern unterstand ihm die gesamte Verwaltung des Hofes. Die Anordnung der Hoffestlichkei­ ten, das Hofzeremoniell, die Audienzen, die Reisen des Kaisers, die Ver­ waltung der königlichen Schlösser, die Dienstaufsicht über das Hof­ personal — das alles gehörte zu seinen Obliegenheiten. Fast ein Vierteljahrhundert lang hat er dieses Amt versehen. Er war eine feine, vornehme Persönlichkeit, zugleich ein kluger Mann, streng in seinem Verantwortungsgefühl, aber auch mit einem gütigen Herzen. Manch schwierige Situation wußte er mit großem Takt zu meistern. Die distinguierte, würdige Erscheinung Graf Eulenburgs, mit seinem gepfleg­ ten weißen Vollbart und dem offenen klaren Blick, der gleicherweise Energie und Verständnis ausstrahlte, nimmt in meiner Erinnerung einen so beherrschenden Platz ein, daß ich mir den Kaiserhof ohne ihn über­ haupt nicht vorzustellen vermag. Als er 1914 im Alter von 76 Jahren von seinen Marschallämtern zurücktrat, um nur noch als Minister des königlichen Hauses zu fungieren, schrieb ein Pressebericht in einem Rück­ blick auf seine Tätigkeit: »Wie viele glänzende Feste hat nicht das alte preußische Königsschloß an der Spree in den Jahren der Regierung unseres Kaisers gesehen. Drei Söhne und eine Tochter haben dort ihre Hochzeitsfeier gehalten. Unser Kaiserpaar hat dort seine Silberhochzeit gefeiert, das glänzende Kaiser­ jubiläum des vergangenen Jahres, dazu die jährlich wiederkehrenden 2 2 9

Ordensfeste und die Reihe der Winterfestlichkeiten, und keines hat statt­ gefunden, bei dem nicht der prachtvolle Hofmarsdiallstab in den Hän­ den des Oberhof- und Hausmarschalls Grafen zu Eulenburg durdi drei­ maliges Aufstoßen auf den Fußboden ehrfurchtsvolle Stille in das leichte Stimmengewirr der zahlreich versammelten Gäste in den lichtdurdatränkten Räumen des Weißen Saales und der anliegenden Prunk­ gemächer brachte. Und dann trat die hohe Gestalt des höchsten Hof­ beamten in seiner prunkvollen Uniform hervor, hinter ihm die glänzende Schar der andern Beamten und Kammerherren, und in feierlichem Zuge ersdiienen die Herrscher- und Fürstenpaare.« Die jüngste Tochter Graf Eulenburgs, Viktoria, war Ehrendame bei meiner Mutter. Sie liebte, wie wir wußten, einen Offizier des 1. GardeRegiments zu Fuß, ohne ihn heiraten zu können. Der Leutnant von Schweinitz hatte viele Geschwister, und die Familie war nicht so be­ mittelt, wie es erforderlich gewesen wäre, um ihm die Heirat einer Dame aus einem ebenfalls nicht sehr begüterten Hause, wie es das Eulenburgs war, zu ermöglichen. Ein Jahr verging nach dem anderen, ohne daß sich für die beiden jungen Menschen eine Chance zum Heiraten ergab. Da entschloß sich meine Mutter, helfend einzugreifen. Sie bat Graf Eulenburg zu sich und eröffnete ihm, sie wolle die für die Gründung eines standesgemäßen Hausstandes notwendigen Mittel beisteuern. Der alte Graf lehnte ab. Doch meine Mutter ließ nicht lodcer, bis sie ihn überzeugt hatte, daß er dieses Geschenk seiner Kaiserin annehmen müsse. Schließlich küßte er tief bewegt meiner Mutter die Hand. »Nur Eurer Majestät kann ich mich beugen, von niemand sonst könnte ich so etwas annehmen.« Nun ließ meine Mutter freudestrahlend die Toditer zu sich kommen. Fassungslos hörte sie von ihrem Glück. Den anderen gegenüber ließ sich die junge Gräfin, so schwer es ihr auch fallen mochte, nichts anmerken. Sie war erzogen, ihre Gefühle nicht zur Schau zu stellen. Am späten Nachmittag dieses Tages spielten wir Tennis. Viktoria Eulenburg war eine ausgezeichnete Spielerin. Aber dieses Mal wollte ihr nichts gelingen. Sie spielte schlecht und zerstreut. »Vicky«, sagte meine Mutter zu ihr, »ich glaube, für heute ist es genug. Gehen Sie zu Ihren Eltern. Sie haben dienstfrei.« — Im Amt des Oberhof- und Hausmarschalls folgte Graf Eulenburg der bisherige Ober-Zeremonienmeister Freiherr v. Reischach. Er ent­ stammte einem alten schwäbischen Adelsgeschlecht. Seine Gemahlin war 2 3 0

eine Prinzessin von Ratibor und Corvey. Wie Graf Eulenburg kam er aus der Armee; er hatte beim Regiment der Gardes du Corps gestanden. Von dort trat er in den Hofdienst des damaligen Kronprinzen, meines Großvaters, über. Nach dessen Tod diente er meiner Großmutter als Hofmarschall. Frhr. v. Reischach war ein Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle. Seine Tätigkeit als Hofmarschall der Kaiserin-Witwe erforderte ein großes Maß an Takt. Er war ihm angeboren. — Als am 13. August 1901 der Zug, mit dem meine Großmutter von Kronberg nach Potsdam über­ geführt wurde, langsam in den Bahnhof Wildpark einfuhr, wo mein Vater, König Eduard von England und andere Trauergäste ihn erwarteten, waltete der Hofmarschall zum letzten Mal seines Amtes. Mit den Worten »Ihre Majestät die Kaiserin — Königin Friedrich« verkündete er die Ankunft seiner toten Herrin. Mein Vater übernahm Reischach in seinen Hofdienst. Nach kurzer Zeit wurde er Ober-Stallmeister und danach Ober-Zeremonienmeister. Er gab eine tadellose Figur ab, wovon auch die breite Öffentlichkeit Notiz nahm. In einem Pressebericht über den Staatsbesuch König Eduards in Berlin las ich: »... dem Galawagen voran Gardedragoner, rechts und links vom Wagenschlag General von Kessel und Ober-Stall­ meister Baron Reischach: grau geworden, aber noch immer die alte statt­ liche Erscheinung zu Pferde wie einst, als er noch Leutnant war.« Dem Oberhof- und Hausmarschall waren zwei Hofchargen zuge­ ordnet, die jeweils einen seiner beiden Aufgabenbereiche zu versehen hatten: ein Hausmarschall und ein Hofmarschall. Als H a u s m a r ­ s c h a 11 fungierte Freiherr Maximilian v. Lyncker, der zugleich Gene­ ralintendant der königlichen Schlösser war. Er war General, sehr gründ­ lich, sehr streng und gelegentlich sogar grob. Das waren Eigenschaften, die er für seine dienstliche Tätigkeit vielleicht auch brauchte, denn er war für die Verwaltung von über siebzig Schlössern verantwortlich und hatte deren Bedienstete zu beaufsichtigen. Meine Mutter hatte gelegentlich Meinungsverschiedenheiten mit ihm, wenn es um Renovierungen ging. So pflegte er bei der Ausstattung der Schlösser nicht gerade sehr einfalls­ reich vorzugehen, etwa uniform alles mit einer rosa Tapete versehen zu lassen. Meine Mutter aber war auf Stil und Individualität bedacht. Lyncker war sparsam und achtete auf jeden Pfennig, im Dienst wie zu Hause. Er und seine Familie lebten einfach und ohne Aufwand; Luxus wurde nicht geduldet. Die Zuständigkeiten des H o f m a r s c h a l l s wurden von einem Inhaber dieses Amtes wie folgt beschrieben: »Ich hatte zunächst die 2 3 1

selbständige Leitung der Küche. Um einen Begriff dieses Ressorts zu geben, führe ich an, daß mir 3 Küchenmeister, 12 Mundköche und 3 Campagneköche unterstanden. Ferner hatte ich die Verantwortung für die Kellereien, für die Lagerbestände, die in ihrem Wert zwischen 1 200 000 Mark und annähernd 2 Millionen schwankten, und für alle Einkäufe. Es unterstanden mir die Silberkammern, Kaffeeküdie, Weiß­ zeugkammer, Waschanstalt und Wäschereinigung, die Livreesachen (bei großen Festlichkeiten konnten bis 600 Mann in Gala eingekleidet wer­ den), Kassenrevision, Flandwerker, Brennmaterialien, Wasserfahrzeuge und Matrosenstation; bei Hoffestlichkeiten Zeremoniell und Ein­ ladungen, Personalien. Auf Reisen hatte einer von uns Marschällen stets die Gesamtverantwortlichkeit.« In dieser Aufzeichnung findet sich auch eine Beschreibung der ge­ meinsamen Arbeit des Grafen Eulenburg mit dem Hausmarschall und dem Hofmarschall. Es heißt dort: »Da immer einer von uns dreien den persönlichen Dienst beim Kaiser hatte, so folgt daraus, daß wir in allen Dingen gemeinsam arbeiteten und immer alle drei über jedes Wichtigere informiert sein mußten. Hieraus wieder entwickelte sich eine nicht un­ erhebliche Arbeitslast, jedoch auch eine große Vielseitigkeit und ein Zu­ sammenkommen der verschiedenartigsten interessanten Dinge. Am besten veranschaulicht unsere Tätigkeit der Verlauf eines Tages beim Aufent­ halt des Kaisers im Berliner Schloß. Etwa um 9.30 Uhr hatte Graf Eulen­ burg den täglichen Vortrag bei Seiner Majestät. Im Anschluß daran fan­ den wir drei uns zusammen; dringendere Ressortangelegenheiten mußten vorher erledigt sein. Die Eingänge, Gesuche, Anerbietungen usw. wurden geprüft. Es folgten Beratungen über Organisationsänderungen, sonstige Vorgänge und besonders über Reisen. Diese Reisepläne nahmen stets sehr viel Zeit in Anspruch, da sie monatelang bis in die kleinsten Details vorbereitet werden mußten.« Und weiter: »Einen breiten Raum beanspruchten ferner die juristi­ schen Angelegenheiten. Hierzu hatte fast täglich Geheimer Oberregie­ rungsrat Rath ein- bis zweistündigen Vortrag. Ankäufe von Land oder Häusern, Streitobjekte, Pachtverträge, Wegelasten, Gerechtsame aller Art, Unterstützungen, Verwaltung eigener Fonds, Pensionierungen, Ver­ nehmungen bei besonderen Vorkommnissen usw. bildeten die hauptsäch­ lichsten Themata dieser Beratung. Eine weitere intensive Tätigkeit bilde­ ten die baulichen Verhältnisse. Ein Oberhofbaurat und vier Hofbauräte waren dauernd in regster Tätigkeit und hatten, je nach entsprechender Veranlassung, Vortrag. Bei außergewöhnlichen Verhältnissen wurde in 2 3 2

vereinzelten Fällen auch noch Hofbaurat Ihne hinzugezogen. Die jähr­ lichen extraordinären Bauten gingen bis zur Höhe von zwei Millionen Mark. Hierzu kamen die Ankäufe von Skulpturen, Bildern, Gobelins und ähnlichen Dingen. Die verschiedenartigsten diplomatischen und höfischen Verhältnisse spielten natürlich ebenfalls in diesen Gesamt­ betrieb hinein und machten ihn noch bunter. — Im ganzen endete unsere Tätigkeit nachmittags zwischen 4 und 5.30 Uhr. Der diensttuende Mar­ schall mußte aber abends um 8 Uhr wieder zur Tafel im Schloß sein.« Ich habe mehrere Hofmarschälle erlebt. Zunädist den Freiherrn von und zu Egloffstein. Er kam aus der Militärlaufbahn und war vor der Übernahme in den Hofdienst zuletzt Kommandeur eines InfanterieRegiments gewesen. Ihm folgte Freiherr v. Trotha, der bei der GardeInfanterie gestanden hatte. Als er 1903 zum Hofmarschall meines älte­ sten Bruders ernannt wurde, trat Graf Zedlitz-Trützschler an seine Stelle, dessen Nachfolger wiederum General v. Gontard wurde. Robert Graf v. Zedlitz und Trützschler kam aus einer renommierten Beamtenfamilie. Sein Großvater war Regierungspräsident gewesen, sein Vater nacheinander Oberpräsident von Posen, Hessen-Nassau, Schlesien und schließlich preußisdier Kultusminister. Als solcher brachte er eine Schulgesetz-Vorlage ein, die von liberaler Seite wegen ihres betont kon­ fessionellen Charakters stark kritisiert wurde. Auf Veranlassung meines Vaters wurde sie von der Regierung wieder zurückgezogen; der Minister trat zurück. — Hofmarschall Graf Zedlitz-Trützschler war Soldat ge­ wesen. Er hatte im 1. Garde-Regiment zu Fuß gedient; mein Vater war sein Bataillons-Kommandeur gewesen. Für einige Jahre war er persön­ licher Adjutant des Prinzen Joachim Albrecht von Preußen, der einer Nebenlinie unseres Hauses angehörte, die auf Prinz Albrecht, den jüng­ sten Sohn Friedrich Wilhelms II., zurüdcging. Graf Zedlitz-Trützschler war sieben Jahre lang Hofmarschall meines Vaters. Er war stets korrekt und diensteifrig. Man konnte den Eindruck gewinnen, daß er vielleicht des Guten zuviel tat. Jedenfalls nahm er seine Stellung bei Hofe nicht allein ernst, sondern auch wichtig. Späße mochte er gar nicht. Das führte wiederum dazu, daß man ihn gern hänselte. Und da er keinen Humor zeigte, lag er uns allen sehr wenig. Während einer Reise, bei der er meinen Vater begleitete, erkrankte er. In einem langen Gespräch, das Graf Eulenburg mit ihm am Krankenbett führte, erklärte er, daß er sich gesundheitlich außerstande sehe, seinen Dienst weiter zu versehen. Auf sein Abschiedsgesuch teilte ihm Eulenburg unter 2 3 3

anderem mit: »Ich kann Ihnen sagen, daß Seine Majestät heute morgen Allerhöchst-Seinem Bedauern über Ihr Abschiedsgesuch mit den an­ erkennendsten Worten über Ihre Hofmarschallstätigkeit Ausdruck gab.« Graf Zedlitz-Trützschler zog sich auf sein Gut zurück, das er von nun an selbst bewirtschaftete. Niemand hätte damals für möglich gehalten, was sich dann unmittel­ bar nach dem Ende des Kaiserreiches ereignete: Graf Zedlitz-Trützschler veröffentlichte unter dem Titel »Zwölf Jahre am deutschen Kaiserhof« sensationelle Enthüllungen. Er, der diese vielen Jahre dem Kaiser in einer der höchsten Vertrauensstellungen gedient hatte, beklagte sich nun darüber, »wie schwer es war, einer solchen Persönlichkeit in aufrichtiger Treue und Wahrheit zu dienen«. Der erstaunte Leser erfuhr, daß Deutschland unter dem Kaiser am Rande des Despotismus gestanden habe. »Unsere Erziehung, unsere Einrichtungen und Anschauungen er­ zeugen oder begünstigen Streberei. Der Streberei folgt Byzantinismus und dem Byzantinismus nur zu natürlich Despotismus.« Man vernahm, daß der Graf einst am liebsten nach Amerika gegangen wäre, um sich als Selfmademan Selbständigkeit und Unabhängigkeit persönlich zu erwer­ ben, und welch trister Moment es für ihn gewesen war, als der Ruf, Hof­ marschall des Kaisers und Königs zu werden, an ihn erging: »Meinem Erstaunen gesellte sich sehr bald ein Gefühl der Besorgnis: Würde es mir wohl möglich sein, der, wie ich wußte, sehr schwierigen und verantwortlichen Stellung gerecht zu werden? Schwer schien mir der Entschluß, so plötzlich meine militärische Laufbahn ganz aufgeben zu müssen. Mit Trauer dachte ich an meine Familie, der ich wohl erheblich mehr entzogen würde, als dies in meinem militärischen Beruf der Fall gewesen sein würde. Andererseits sagte ich mir, daß meine militärischen Aussichten für absehbare Zeit nicht gefördert würden, wenn ich mich der hier gestellten Aufgabe entzöge.« Trotz dieser Bedenken hatte sich Zedlitz-Trützschler schon auf die erste Frage Eulenburgs und im ersten Gespräch mit ihm bereit erklärt, das Amt des Hofmarschalls zu übernehmen. Seine besorgten und trauri­ gen Gedanken hat der Graf, so erklärte er, schon bei Antritt seines Amtes notiert: Sie trugen das Datum »Ende Mai 1903«. Darin bestand überhaupt das Attraktive der Enthüllungen des Grafen ZedlitzTrützschler, daß sie nach der Erklärung ihres Verfassers nicht erst nach­ träglich, nach 1918, zu Papier gebracht worden waren. Er sagte: »Es ist kein Tagebuch, das ich geführt habe, sondern ich machte nur dann Auf2 3 4

Zeichnungen, wenn idi in meinem an Verantwortung, Sorgen und Un­ ruhe reichen Leben Zeit und Gelegenheit dazu fand, aber immer un­ mittelbar nach den darin berührten Ereignissen.« Hierin sollte wohl eine Erklärung dafür liegen, daß der Graf der Öffentlichkeit nur nega­ tive, herabsetzende Schilderungen über den Herrn, dem er viele Jahre ge­ dient hatte, vorlegte. Zedlitz-Trützschler offenbarte weiter: »Die Erkenntnis, daß ich mit den Anschauungen, die ich hier kurz angedeutet habe, in schroffem Gegensatz zu den Persönlichkeiten, mit denen ich beruflich und gesell­ schaftlich täglich zu tun hatte, stand, ließ in mir ein Gefühl der Verein­ samung erwachsen, und diesem wiederum entsprang das Bedürfnis, wenigstens ab und zu mit mir selbst Zwiegespräche zu pflegen über das, was ich sah. So entstanden die nachfolgenden Aufzeichnungen, gewisser­ maßen als Selbstgespräche, in denen ich mich bemühte, vor mir selbst in vollster Aufrichtigkeit Rechenschaft abzulegen über das, was ich dachte, da ich es nicht aussprechen durfte.« Sollte das zutreffen, so bedeutet es zugleich, daß der Hofmarschall dem Kaiser gegenüber nicht aufrichtig war, wie er es hätte sein müssen. Er schwieg, wo er selbst meinte, es sei Pflicht, zu reden. Er hätte von den Damen meiner Mutter lernen können, über die er sich notierte: »Wie oft habe ich bewundert, daß Gräfin Brockdorff oder Fräulein v. Gersdorff mit einem Freimut vor Seiner Majestät Fragen, auch politischer Art, diskutieren, der bei Herren leider nur selten vorkommt.« Die Veröffentlichungen des Grafen Zedlitz-Trützschler wurden zu ihrer Zeit allein schon wegen ihres Genres als Enthüllungsliteratur vom breiten Publikum verschlungen und erreichten viele Auflagen. Dem literarischen Ergebnis stellte sich jedoch ein höchstpersönliches zur Seite: Der Verfasser wurde ein vereinsamter Mann. Einem Geständnis gleich klangen die Worte, die er seinem Buch mitgab, als es zum fünften Mal aufgelegt wurde: »Nicht jeder ist wie ich bereit, einsam zu leben und einsam zu sterben.« Aufzeichnungen, die denen des Grafen Zedlitz-Trützschler ähneln, machte auch der Admiral v. Müller. Sie wurden erst vor nicht allzu langer Zeit herausgegeben, und zwar von seinem Sohn. Es sind zwei stattliche Bände, die da unter den Titeln »Regierte der Kaiser?« und »Der Kaiser...« erschienen. Der Verfasser dieser Niederschriften ent­ stammte einer sächsischen Familie. Sein Vater war Landwirtschafts­ chemiker. Georg Alexander Müller trat als Siebzehnjähriger in die 2 3 5

kaiserliche Marine ein und machte eine gute Karriere. Er tat Dienst als persönlicher Adjutant meines Onkels Heinrich. Mein Vater verlieh ihm den erblichen Adel; Müller war zu dieser Zeit Kapitän zur See. Bald wurde er Flügeladjutant meines Vaters, dann Chef des Marinekabinetts und Generaladjutant. In der militärischen Stufenleiter rückte er bis zum Admiral auf. 16 Jahre lang stand er an der Seite meines Vaters: stets dienstbeflissen, ergeben, sich unentbehrlich machend. Mir war Herr von Müller zu devot. Seine Unterwürfigkeit war bekannt und gab Anlaß zu zahlreicher Kritik an dem Admiral, dem man vorwarf, zum Höfling ge­ worden zu sein. Das war der Mann, der Aufzeichnungen verfaßte, in denen sich Kritik auf Kritik am Kaiser aneinanderreihte. Ich will mich darauf beschränken zu zitieren, was Eridi Dombrowski 1965 in der »Frankfurter Allgemeinen« anläßlich der Veröffentlichung des zweiten Bandes der Müllerschen Aufzeichnungen sagte: »Damit ver­ vollständigte sich vor unseren Augen das Porträt Müllers selbst, und wir fragen uns, ob er als ein wirklich kompetenter Kritiker seines Herren angesehen werden darf. Seine Aufzeichnungen lassen ihn an den ver­ schiedensten Stellen zwar als einen über den Durchschnitt befähigten Marineoffizier, aber doch als einen labilen Charakter, weich und wider­ spruchsvoll, erkennen.« Der bekannte Publizist resümierte: »Ein Mann, der Unentschlossenheit im Auftreten in einer Entschlossenheit in seinen Tagebüchern abreagierte.« Ein Kommentar, den ich an anderer Stelle in der »Frankfurter Allge­ meinen« las, lautete: »Admiral v. Müller und sein Sohn haben alle Ehren, die der Monarch zu vergeben hatte, stolz und lächelnd entgegengenom­ men. Es ist bezeichnend für den Sohn, Sven v. Müller, mit diesen Memo­ iren die >jüngste Vergangenheit entrümpeln zu wollenEntrümpelung< gegeben! Der Kaiser, der Kronprinz, Tirpitz und viele andere sind tot und können sich nicht mehr wehren!« Mein Vater liebte die Diskussion und schätzte ein freies Wort. Einer seiner Flügeladjutanten, der Oberstleutnant v. Hahnke, ein Sohn des Feldmarschalls und langjährigen Chefs des Militär-Kabinetts, pflegte, wenn er hierauf angesprochen wurde, zu sagen: »Seiner Majestät konnte man alles, selbst unbequemste Wahrheiten sagen, sofern man Haltung und Form wahrte. Wenn jemand behauptet. Seine Majestät habe seinen Rat nicht hören wollen, so zeugt das davon, daß der Ratgeber seinen 2 3 6

Rat entweder ungebeten aufgedrängt oder seinen angeblichen Rat in un­ gehöriger Form vorgebracht hatte.« Es hat aber zu allen Zeiten, in allen Staaten, an jedem Hof und in jeder Gesellschaft jenen Typ des Beraters gegeben, der peinlich darauf bedacht war, nie eine Meinung zu äußern, die der des Monarchen oder Vorgesetzten nicht entsprach oder ihr gar entgegengesetzt war. In den Memoiren des Grafen Zedlitz-Trützschler fand ich diesen Typ mit den Worten skizziert: »Die Vorsicht im Gespräch trieb er bis zur äußersten Spitze und lebte trotzdem in steter Angst, eine Unvorsichtigkeit zu sagen.« Der Graf wählte diese Beschreibung für einen Diplomaten, dem er nicht sehr gewogen war. Ich meine allerdings, diese Charakterisierung gilt in gewissem Sinne auch für ihn selbst und den Admiral v. Müller. Der englische Historiker J. Daniel Chamier hat sich mit den Fragen beschäftigt, die sidi bei diesem Thema stellen. Er gelangte zu dem Ergeb­ nis: »In der Tat war wohl niemand ungeeigneter als Wilhelm, die feine­ ren Formen der Schmeichelei, ihr feiges Stillschweigen und ihre lügne­ rische Rede, ihre verstellten Ansichten und verleugneten Glaubens­ bekenntnisse zu entdecken. Er nannte lachend Oberst Russell einen Schmeichler, weil dieser ihm der Wahrheit entsprechend gesagt hatte, er habe in einem neuen Buche nur das Seine Majestät betreffende Kapitel gelesen: ein gutes, rundes, ins Gesidit gesagtes Kompliment — das war Wilhelms Vorstellung von der Kunst der Schmeichelei. So würde er selbst sie anwenden, wenn er dazu genötigt wäre. Um aber zu erraten, daß seine Begleiter, während sie vor ihm schweifwedelten, in geheimen Niederschriften, die ans Licht kommen sollten, sobald es einträglich war, ihm die Schuld an ihrer eigenen Feigheit zuschrieben, dazu war sein Geist zu sehr jeder Unlauterkeit unfähig.« In diesem Zusammenhang drängt sich wie von selbst der Name des Fürsten Bülow auf. Ich habe über ihn an anderer Stelle ausführlich ge­ schrieben und kann mich hier darauf beschränken, eine der Praktiken nachzutragen, die ihn als Schmeichler mit Raffinement ausweisen. Wenn Bülow Gäste bei sich empfangen hatte, an deren guter Meinung über ihn selbst er interessiert war, dann wandte er gelegentlich folgenden Trick an: Wenn der Besucher sich verabschiedete und das Zimmer gerade ver­ lassen hatte, ließ Bülow die Tür etwas offenstehen und sagte drinnen recht laut und vernehmlich zu seiner Frau: »Welch ein bedeutender Mensch!« Man sagte, er habe dieses Verfahren auch in der Weise prakti­ ziert, daß er während einer Unterhaltung den Nebenraum aufsuchte und dabei vergaß, die Tür zu schließen. 2 3 7

Daß Reichskanzler Bülow alle Register dieses Fadies beherrsdite, war eine der schmerzlichen Erfahrungen, die mein Vater machen mußte. In der großen innenpolitischen Krise, die unter dem Namen »Daily-Telegraph-Affaire« bekannt ist, spielte er mit falschen Karten, um zum Schaden der kaiserlichen Autorität sein eigenes Image zu retten. Mein Vater mochte es kaum glauben, in welchen moralischen Abgrund er plötzlich bei seinem Kanzler sah. »Sein Auftreten mir gegenüber stand in zu schroffem Gegensätze zu der Zuvorkommenheit und Anerkennung, die Bülow mir sonst bekundet hatte«, sagte er und fuhr fort: »Ich hatte mich an die liebenswürdigen Formen des Fürsten so gewöhnt, daß die mir jetzt zuteil gewordene Behandlung unverständlich war.« Der Engländer Chamier meinte in bezug auf die hohen Würden­ träger am deutschen Kaiserhof, daß es zwischen jenen Schlacken reines Gold gegeben habe. Ich kann nur sagen: Erscheinungen wie Bülow, Müller und Zedlitz-Trützschler waren die Ausnahmen in der Vielzahl der Persönlichkeiten, die in den drei Jahrzehnten der Regierungszeit meines Vaters am deutschen Kaiserthron gestanden haben. Und welch weite Welt trennt selbst noch die, die man wegen ihres Schmeichlertums oder wegen ihrer Labilität tadelt, von jenem Typus, dem man früher nur in Rußland oder auf dem Balkan begegnete und an den sich viele Völker inzwischen gewöhnt zu haben scheinen, an jene Amtsträger nämlich, die aus ihrer Position bare Münze schlagen. Nie werde ich die Geschichte vergessen, die mein Vater mir bei der Rückkehr von einem Besuch in Bulgarien erzählte. In Sofia hatte Zar Ferdinand ihm bei den üblichen Empfängen die Herren seiner Regierung und andere hohe Würdenträger vorgestellt. Meist auf französisch lobte er dabei ihre Verdienste in den höchsten Tönen. Im Weitergehen zum nächsten sagte er dann leise, in deutsch, zu meinem Vater: »Er ist der größte Hammeldieb seiner Gegend.« Und beim nächsten dann feierlich, wieder in französisch: »Mein lieber Wilhelm, dieser hervorragende Finanzmann sorgt für das Land.« Und im Weitergehen wieder auf deutsch: »Die Hälfte geht in die eigene Tasche.« — Besondere Erwähnung verdient der Hausmarschall Generalmajor Hans V . Gontard. Er entstammte einem französischen Adelsgeschlecht, das im 17. Jahrhundert in Deutschland einwanderte und war ein Nach­ komme Carl V . Gontards, des Baumeisters Friedrichs des Großen. Gene­ ral V . Gontard kam aus der Garde-Infanterie. Er war Flügeladjutant meines Vaters und Gouverneur meiner Brüder gewesen. Das Vertrauen, 2 3 8

das ihm als Prinzenerzieher entgegengebracht wurde, hatte er glänzend gerechtfertigt. Er wurde Generaladjutant und, nadi dem Tode des Grafen Eulenburg, auch Minister des königlichen Hauses. Gontard dachte nicht nur militärisdi; er war ein feinsinniger, gebildeter Mann. Bei meinem Bruder August Wilhelm hatte er es sehr geschickt verstanden, dessen künstlerische Neigungen und Anlagen zu fördern und reifen zu lassen. Mein Bruder Oskar hing mit Verehrung, man kann wohl sagen Liebe, an ihm. Gontards väterlicher Rat blieb uns allen zeit seines Lebens erhalten. Auch mein Mann und ich haben ihn oft aufgesudit, wenn wir einen Ratgeber benötigten. Wie selbstverständlich war es Gon­ tard, der meinen Vater ins Exil begleitete und dort nicht eher ruhte, bis er für seinen Herrn ein eigenes Heim gefunden hatte. Gontard war ein Mann des Ausgleichs. Stets bemühte er sich, zu schlichten und zu versöhnen. Diese Eigenschaft kam meinen Brüdern in ihrem Verhältnis zu unserem Vater sehr zustatten. Gab es einmal Schwierigkeiten, wie sie immer zwischen Vätern und Söhnen auftreten, und Gontard wurde hinzugezogen, so konnten sie schnell beigelegt wer­ den. Anders stand es mit Generaloberst Hans v. Plessen, der als dienst­ tuender Generaladjutant und Kommandant des Hauptquartiers eine Stellung innehatte, die einen weiten Kreis von Zuständigkeiten um­ schloß. Mein Bruder Wilhelm machte ihn wiederholt für Meinungsver­ schiedenheiten zwisdien sich und unserem Vater verantwortlich. Er meinte, Plessen habe in solchen Fällen den Graben nicht zugeschüttet, sondern noch vertieft. Das mag zutreffen. Sicher hatte der Generaloberst nicht die gütige Art, die Gontard auszeichnete. Plessen neigte dazu, in Fragen, die Personen betrafen, eher ungünstig als positiv zu urteilen. Er war streng und allzu unnadisichtig. Vielleicht tat er in dieser Richtung sogar einiges zuviel. Jedenfalls führten die Entscheidungen, an denen er mitwirkte, gelegentlich zu Mißstimmungen, und sei es auch nur, weil nicht der richtige Ton gewählt wurde, denn; C’est le ton qui fait la musique. Aber vielleicht sehe ich das alles eben zu sehr aus dem Blickwinkel der damals jungen Generation. Mein Vater sagte, »daß er d e r General­ adjutant war wie August Eulenburg d e r Hofmarschall«. Was Plessen auszeichnete, war seine Pflichttreue und seine Ergebenheit gegenüber dem Kaiser. Seine persönlidie Stellung beruhte nicht zuletzt darauf, daß er seit Jahrzehnten der Maison militaire, dem militärischen Gefolge des deutschen Kaisers, angehörte. Rund 40 Jahre lang versah er diesen Dienst. Er war Garde-Infanterist gewesen, eine elegante Erscheinung bis 2 3 9

Ins hohe Alter, hatte an den Feldzügen von 1866 und 1870/71 teil­ genommen. Unter anderem war er Kommandeur des 1. Garde-Regiments zu Fuß. Seine letzte Dienststellung bei der Truppe war die des Komman­ deurs einer Infanterie-Brigade. Nodi der alte Kaiser hatte ihn zu einem seiner Flügeladjutanten und zum Kommandeur der Schloßgarde ernannt. Das militärische Gefolge des Kaisers führte als Institution die Be­ zeichnung »Hauptquartier Sr. Majestät des Kaisers und Königs«. Es setzte sich, wenn man der Rangskala von oben nach unten folgt, aus dem Vortragenden Generaladjutanten und Chef des Militärkabinetts, dem diensttuenden Generaladjutanten und Kommandanten des Hauptquar­ tiers, den diensttuenden Generalen ä la suite und den diensttuenden Flügeladjutanten zusammen. Außerdem gehörte ihm der Generalkapitän der Schloß- und Leibgarde und Kommandeur der Leibgendarmerie an. Auf diesem Posten stand der Generaladjutant Generaloberst Friedrich V . Sdioll, ein baumlanger Kavallerist. Das Hofballgemälde von Schoebel zeigt ihn, angetan mit der friderizianischen Uniform, wie sie von der Schloß- und Leibgarde getragen wurde, im Vordergrund neben dem Kaiser stehend. Scholl war Darmstädter und hatte bei großherzoglich hessischen Kavallerie-Regimentern gestanden, ehe er diensttuender Flügeladjutant meines Vaters wurde. Die zweifellos bedeutendste Stellung im militärischen Gefolge des Kaisers nahm der Vortragende Generaladjutant ein, da dieser zugleich Chef des Militärkabinetts war. Diese Einriditung war eine Besonderheit des preußisch-deutschen Militärwesens. An sidi war das Militärkabinett eine Abteilung des Kriegsministeriums, die für die Personalangelegen­ heiten der Armee zuständig war. Hier wurden alle Beförderungen, Ver­ setzungen, Verabschiedungen und die ehrengerichtlichen Angelegenheiten des Offizierkorps der Armee bearbeitet. Diese Abteilung des Kriegs­ ministeriums war selbständig und ihr Chef nur dem Kaiser verantwort­ lich. Die enge persönliche Bindung des Offizierkorps der alten Zeit an den Monarchen, wie sie von alters her überkommen und auch noch in dem im vorigen Jahrhundert entstandenen Massenheer selbstverständlich war, gelangte auch hierin zum sichtbaren Ausdruck: Das Amt, das über die personellen Fragen der Armee zu entscheiden hatte, war nicht dem Chef der Militärverwaltung, dem Kriegsminister, unterstellt, sondern dem Kaiser direkt. Die entsprechenden Aufgaben in der kaiserlichen Marine erledigte ebenfalls eine selbständige Institution, das Marine­ kabinett. 2 4 0

Berlin W., Behrenstraße 66 — das war lange Zeit ein Begriff in der alten Armee. Ein Haus, noch im 18. Jahrhundert erbaut, in dem einst die aus dem Hause Brandenburg-Sdiwedt stammende Landgräfin Philip­ pine, die Witwe des Landgrafen Philipp II. von Hessen-Kassel, eines Feldmarschalls des Alten Fritz, gewohnt hatte. Später, noch unter Fried­ rich Wilhelm IIL, war hier der Große Generalstab eingezogen. In diesem Haus hatten die Tische gestanden, an denen die Operationspläne für die Feldzüge von 64, 66 und 70/71 erdacht und ausgearbeitet wurden. Moltke hatte hier seinen Arbeitsplatz und zugleich seine Wohnung. In den siebziger Jahren wechselten die Bewohner. Das Militärkabinett be­ zog das schlichte und dürftig ausgestattete Haus. Jeder Quadratmeter zeugte von preußischer Sparsamkeit und Einfachheit. Wie zuvor der Chef des Generalstabes nahm der Chef des Militärkabinetts mit seiner Familie Wohnung im Hause Behrenstraße 66. Amt und Ansehen des Chefs des Militärkabinetts waren von General Emil V . Albedyll geprägt worden, an den ich mich selbst nicht mehr er­ innern kann. Er war der erste Kabinettschef nach der Gründung des Deutschen Reiches. Mein Vater sagte von ihm: »Seine Fähigkeiten für diesen Posten waren hochbedeutend, denn umfangreiches Wissen, untrüg­ liches Gedächtnis, scharfer Verstand und eine außerordentliche Arbeits­ kraft prädestinierten ihn zu seiner verantwortlichen Stellung. Er kannte in der Tat die ganze Rangliste auswendig, ihm waren die Lebensläufe nicht nur der Offiziere, die jetzt im Heere standen, sondern auch von deren Vätern geläufig.« Der erste Chef des Militärkabinetts, an den ich mich persönlich er­ innere, ist der alte Generalfeldmarschall Wilhelm v. Hahnke. Er war ein Stück Altpreußentum, in Haltung und Anschauung. Hochgewachsen, mit einem scharf geschnittenen Gesicht, das von mächtigen Augenbrauen und einem großen Schnurrbart beherrscht war, stellte er eine würdige und sympathische soldatische Erscheinung dar. Als sein Haar noch pech­ schwarz war, soll er wegen seines etwas bräunlich-olivfarbenen Teints nach einem Südländer ausgesehen haben. Hahnke hatte auf den Schlacht­ feldern von Düppel, Königgrätz und Sedan mitgestritten. Georg Bleib­ treu hat in einem bekannten Bild die Szene der Schlacht bei Sedan fest­ gehalten, in der Hahnke, der dem Hauptquartier meines Großvaters angehörte und gerade von einem Granatsplitter verwundet war, diesem meldete, daß die französische Armee umzingelt sei. Man sieht den dama­ ligen Major, wie er, von seinem Ordonnanzritt zurückkehrend, mit not­ 241

dürftig verbundenem Kopf, sein Pferd am Zügel führend, den steilen Hang zur Höhe emporsteigt und dem Kronprinzen seine Meldung über­ bringt. Mein Großvater pflegte audi privaten Umgang mit Hahnke und dessen Familie. Mein Vater erzählte, wie beide häufig im Tiergarten spazierengingen, während ihre Jungen, nämlidi mein Vater, sein Bruder Heinrich und drei Söhne Hahnkes hinter ihnen hergingen. Hahnke wurde in den folgenden Jahren ein Teil der militärischen Ausbildung meines Vaters übertragen; er unterriditete ihn im technischen Detail­ dienst des Generalstabsoffiziers, wie etwa in der Anfertigung von Opera­ tionsbefehlen. »Er lehrte mich audi«, erzählte mein Vater, »bei Auf­ stellung von Befehlen und Abfassung von Meldungen im Gebrauch des knappen militärischen Stils; dabei hielt er mit peinlicher Gewissenhaftig­ keit darauf, daß Datum, Journalnummer, Anschrift usw. genau auf den richtigen Platz gesetzt wurden.« Noch unter dem alten Kaiser wurde Hahnke Kommandant von Pots­ dam und Kommandeur einer Garde-Infanterie-Division. Mein Vater er­ nannte ihn zum Generaladjutanten und wenig später zum Chef des Militärkabinetts. Als er nach dreizehn Jahren aus Altersgründen aus­ schied, wurde er zum Gouverneur von Berlin und Oberbefehlshaber in den Marken ernannt. Mein Vater sagte über ihn: »Sein kristallener Charakter, sein klarer Blick für alle Ehren- und Standesfragen der Offi­ ziere, sein unbestechliches, gesundes Urteil, in dem sich ebensosehr seine unerbittliche Strenge wie sein gütiges Wohlwollen zu verraten pflegte, bildeten eine Gewähr dafür, daß in seinen Händen das Schicksal des preußischen Offizierkorps gut aufgehoben war.« An die Stelle Hahnkes trat Graf Dietrich v. Hülsen-Haeseler. Mein Vater hat sich ihm freundschaftlich verbunden gefühlt. Er entstammte väterlicher- und mütterlicherseits alten preußischen Soldatenfamilien. Einer seiner Vorfahren war der Generalleutnant Dietrich v. Hülsen, an den eine der überlebensgroßen Figuren an Christian Rauchs Reiterdenk­ mal Friedrichs des Großen, das früher Unter den Linden stand, erinnerte. Graf Hülsen-Haeseler, der von meinem Vater in den Grafenstand ver­ setzt wurde, war der älteste Sohn des früheren Generalintendanten der königlichen Schauspiele, Botho v. Hülsen, und dessen Gemahlin, einer Gräfin Haeseler, die als Dichterin hervorgetreten ist. Wie sein Bruder Georg, der dem Vater als Generalintendant der königlichen Schauspiele nachfolgte, war auch ihm musisches und künstlerisches Talent von Haus aus mitgegeben worden. Doch der Soldat in ihm überwog. Als Fahnen­ 2 4 2

junker im Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-Regiment hatte er den Krieg gegen Frankreich mitgemacht, wo er sich das Offizierspatent er­ warb, um sich dann in der Garde-Infanterie hochzudienen. Auch HülsenHaeseler war zunächst als Flügeladjutant verwendet worden, ehe er zum Vortragenden Generaladjutanten avancierte. Als durch seinen plötzlichen Tod sein Amt vakant wurde, fiel die Wahl meines Vaters auf den General Freiherrn Moritz v. Lyncker. Was die musische Veranlagung betraf, war er wohl das Gegenteil von HülsenHaeseler. Wir nannten ihn den »Militär-Lyndcer«, um ihn von Maxi­ milian von Lyncker, dem Hausmarschall, zu unterscheiden. In dieser Be­ zeichnung schwang vielleicht etwas mehr mit als eben nur das Unter­ scheidungsmerkmal. Mein Vater soll ihm bei seinem Amtsantritt mit auf den Weg gegeben haben: »Aber nicht wahr, lieber Lyncker, nicht nur trockene Vorträge, hin und wieder eine kleine lustige Geschichte.« Gene­ ral V . Lyncker war aus hartem Holz geschnitzt. Man hörte, wenn von ihm gesprochen wurde, schon einmal das Wort »Dickkopf« fallen. Über jeden Zweifel erhaben waren seine gerade, makellose Gesinnung, sein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und sein fachliches Können. Auch er war aus der Garde-Infanterie hervorgegangen, auch er gehörte zur Leutnants­ generation des preußisch-französischen Krieges, an dem er im KaiserFranz-Garde-Grenadier-Regiment teilgenommen hatte. Bei St. Privat war er schwer verwundet worden. Später war er für einige Zeit Adju­ tant meines Großvaters gewesen. Mein Bruder Wilhelm, dessen Erziehung in seiner Hand gelegen hat, beschrieb ihn mit den Worten: »In der Plöner Zeit ist der spätere Gene­ ral von Lyncker mein und meines Bruders Eitel Friedrich Gouverneur gewesen. Er war der Typ des vornehmen preußischen Offiziers der alten Schule. Seiner unbeirrbar ernsten Natur wurde es nicht immer leicht, sich in die Ideenwelt von uns unfertigen Menschlein hineinzuversetzen und damit die natürliche Handhabe zu unserer Leitung zu finden. Und richtige Kinder sind wir damals doch noch gewesen! Für ihn gab es nur Dienst und Pflicht, Schule und Arbeit — und wieder Dienst und Arbeit.« Mein Bruder fuhr fort: »Als ich erst etwas reifer war, gerieten wir öfter aneinander. Ich war als junger Mensch sicher kein Musterjüngling für das Schaufenster eines Knabenpensionates — aber daß so viel an mir auszu­ setzen gewesen wäre, wie General von Lyncker festzustellen wußte, kann ich wirklich nicht glauben. Dazu kam, daß seine etwas spröde und harte Art, ohne daß er das wollte, auf mich oft verletzend wirkte.« 2 4 3

Aus der Zahl der Adjutanten will ich nur noch einige Namen er­ wähnen: Da war General von Chelius, der meinem Vater sdion in der Zeit, da er Kommandeur des Leib-Garde-Husaren-Regiments war, als Adjutant zur Seite gestanden hatte. — Dann Generaloberst von Kessel. Er hatte ebenfalls meinem Vater schon vor dessen Thronbesteigung als persönlicher Adjutant gedient. Er wurde dann persönlicher Adjutant meines Großvaters und danach wiederum von meinem Vater als dienst­ tuender Flügeladjutant übernommen. »Er ist mir sein Leben lang ein treuer Freund und Berater gewesen«, sagte mein Vater über ihn. Unge­ naue Geschichtsschreibung hat ihm immer wieder die Verantwortung für die Verweigerung des Schießbefehls im November 1918 zugeschrieben. Die Anordnung ging vom Oberbefehlshaber in den Marken und Gouver­ neur von Berlin aus. Das war Kessels letzte Dienststellung. Jedoch, er war wenige Wochen vor der Revolution zur großen Armee abberufen worden. Weiter ist Admiral Graf v. Platen-FIallermund zu nennen, der einige Jahre Kommandant der kaiserlichen Yacht »Hohenzollern« war und auch das Amt eines Hofmarschalls versah. Er kam aus einer hannover­ schen Adelsfamilie. Sein Vater war königlich hannoverscher GeneralErbpostmeister und Oberkammerherr gewesen. Seine Gemahlin, eine Hofdame meiner Mutter, war eine Tochter des Reichstagspräsidenten Graf Udo zu Stolberg-Wemigerode. — Der überlange General v. Plüskow war Kommandeur der ersten Garde-Infanterie-Brigade gewesen. Im Hofdienst hatte er die Leib-Kompanie und die Schloß-Garde-Kompanie befehligt. Seine hünenhafte Statur hatte meinen Vater, als er ihn König Eduard von England vorstellte, zu dem Wortspiel veranlaßt: »Mein Generaladjutant plus qu’haut«. Name reiht sich an Namen: Friedeburg, Mutius, EstorfT, Caprivi, Palleske, Schulenburg, Rothkirch und Trach, Holzing, Berstett, Senden, Schweinitz, Grumme, Soden. Ich will nur noch einen weiteren Namen herausgreifen, den des Generals v. Dommes. Wie Chelius war er Kom­ mandeur der Leib-Garde-Husaren in Potsdam gewesen. Während dieser Zeit heiratete er meine Hofdame Elsi Kanitz. General v. Dommes diente seinem kaiserlichen Herren treu und ergeben, in Glück und Unglück. Er stand ihm in Amerongen und Doorn zur Seite. Er war es auch, der mich nach dort an das Krankenlager meines Vaters rief, als der Tod sich an­ zukündigen begann.

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Bundesfür sten

Bei einem Besudi in der alten Kaiserstadt Aachen sprach mein Vater einmal von dem Symbol des Kaisertums, der Kaiserkrone. Er tat es mit Worten sehr persönlidier Erinnerungen. »Vom Vater für meinen einsti­ gen Beruf erzogen«, sagte er, »wuchs ich heran, in Bewunderung und Ehrfurcht vor der Kaiserkrone, die ich dann mit ihrer Last und Ver­ antwortung von ihm übernommen habe.« Mein Vater erläuterte: »Von meiner Kindheit an habe ich beobachten können, mit welchem Interesse er sich dem Studium der deutschen Kaiser und ihrer Tradition hingab und wie er von der Macht ihrer Stellung und von dem Glanze der alten deutschen Kaiserkrone erfüllt war. Wenn ich als Knabe in seinem Zimmer weilte und mein Wohlverhalten einen Lohn verdient hatte, ließ er mich in einem Prachtwerke blättern, in welchem die Kleinodien, In­ signien, Gewänder und Waffen der Kaiser und schließlich die Krone selbst in bunten Farben dargestellt waren. Wie leuchteten ihm die Augen, wenn er dabei von den Krönungsfeiern in Aachen mit ihren Zeremonien und Mählern erzählte, von Karl dem Großen, von Kaiser Barbarossa und ihrer Herrlichkeit! Stets schloß er damit: >Das alles muß wiederkom­ men, die Macht des Reiches muß Wiedererstehen, und der Glanz der Kaiserkrone muß wieder aufleuchten!Nein, die nicht, die sehen wir alle Tage mit Mama an, und einmal den Tag ist es genugden lieben Onkel< aus.« Der Bericht sdiloß: »Es war wirklich ergreifend, die beiden so miteinander zu sehen, den würdigen ernsten Herzog des Wittelsbacher Hauses und den jungen deutschen Kron­ prinzen!« — Als im Juni 1913 mein Vater sein 25jähriges Regierungsjubiläum be­ ging, fanden sich alle Bundesfürsten und die Vertreter der freien Hanse­ städte ein, um gemeinsam ihre Glüdcwünsdie darzubringen. Ihr Sprecher war der damalige Prinzregent Ludwig. Er sagte unter anderem: »Euere Kaiserliche und Königliche Majestät! »Ganz Deutschland begeht in festlicher Stimmung den Tag, an dem Euere Majestät auf ein fünfundzwanzigjähriges, segensreldies Walten als Deutscher Kaiser und König von Preußen zurückblidcen kann. Die deutschen Bundesfürsten und die Vertreter der Senate der Freien und Hansestädte, die mit dem führenden Bundesstaate Preußen in engster, unauflöslidier Gemeinschaft im Deutsdien Reiche vereinigt sind, fühlen sich in erster Linie berufen, dieser freudigen Stimmung feierlichen Ausdrudk zu geben. Sie haben sich deshalb heute hier versammelt, um Euerer Majestät die wärmsten Glück- und Segenswünsdie darzubringen. »Als imjahre 1888 der Gründer des neuen Deutschen Reidis, Euerer Majestät unvergeßlicher Herr Großvater, reich an Jahren, reicher noch an großen Erfolgen heimgegangen und die Heldengestalt Kaiser Fried­ richs allzufrüh und viel beklagt dahingeschieden war, haben Euere Maje­ stät in jungen Jahren mit hohem Idealismus und ernstem Pflichtbewußt­ sein die Würden und Aufgaben des Königs von Preußen und Deutschen Kaisers angetreten. >Allzeit Mehrer des Deutschen Reichs zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an Gütern und Gaben des Frie­ dens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und GesittungThen I will not let Picky go to the war.Pray, God bless Papa in the train with the soldiers.Scharfe Patronen, Königliche Hoheit.< Sie sah zu mir auf und sagte, daß ich sie ihr zeigen solle. Ich antwortete: >Das ist verboten, Königlidie Hoheit.< Zweifelnd sah sie mich an. Dann lief sie zu ihrem Vater.« Die Erzählung fährt fort: »Ich beobachtete, daß sie auf ihn einredete. >So ’ne kleine KrabbeDas Gewehr überPatronen321

tasdie aufEs ist dem Posten verboten, Geschenke anzunehmenJa, es ist schon richtig.< Mit der Tochter an der Hand entfernte er sich wieder. Nach Dienstschluß erhielt ich von meinem Vorgesetzten den Taler, den ich zurüchgewiesen hatte. Der Kaiser hatte ihn mir nach­ geschickt.« — In einem anderen Brief las ich folgende Erinnerung eines Angehöri­ gen des Lehr-Infanterie-Bataillons: »Wir nahmen, es mag wohl Juli oder August gewesen sein, von einem Übungsmarsch kommend, den Weg zur Kaserne in Eiche über die Mopke, als es hieß, Prinzessin Viktoria Luise steht auf der Terrasse vor dem Neuen Palais. Im gleichen Moment war unsere Müdigkeit verschwunden, alle Augen blickten zum Palais. Schon fingen die Tambours zu schlagen an, das Kommando ertönte, und mit Augen rechts und angezogenem Gewehr marschierten wir im strammen Paradeschritt an unserem Prinzeßchen vorbei. Mit einem niedlichen Knickschen quittierte es dankend unsere Ehrenbezeigung.« Die Erziehung meiner Brüder für den Soldatenberuf lag von frühe­ ster Jugend an in den Händen militärischer Gouverneure. Eine besonders intensive Vorbereitung war die Einreihung in die Kadettenanstalt. Es war eine harte Schule der Zucht und Ordnung, aber sie war bewährt und bildete eine der Grundlagen für den Nachwuchs des großartigen Offizierkorps der alten Armee. Ich meine zu erinnern, daß die Brüder 14 Jahre alt waren, wenn sie auf die Kadettenanstalt in Plön kamen und dort in die Untersekunda eintraten. Sie gingen alle frohen Mutes dorthin. Nur Joachim fiel es nicht so leicht. Auch ich, die ich, da er mir an Jahren am nächsten, mit ihm aufgewachsen war, bangte seinem Fortgang kummererfüllt entgegen. »Am 8. stand uns allen ein schrecklicher Tag bevor«, notierte sich unsere Mutter, »und zwar der Abschiedstag vom armen Joachim. Auch er sollte nach Plön. Um es ihm zu erleichtern, nahm ich Sissy mit nach Plön . . . Zu rasch verflogen die 2—3 Tage. Wir mußten Joachim schweren Her­ zens zurücklassen; da es aber für Sissy doch zu schwer geworden wäre, nahm ich sie nach Glücksburg mit.« 3 2 2

Im Kadettenkorps trugen die Prinzen die übliche sdimucklose strenge Montur. Alles war einfach und nüditern, kurz gesagt spartanisch. Auf dem Exerzierplatz wurden meine Brüder in einer Exerzierabteilung ge­ meinsam mit anderen Kadetten gedrillt. Nichts wurde ihnen geschenkt. Wollte es einmal nicht recht gehen, wie etwa bei Eitel Fritz während eines Dauerlaufs, dann hieß es: >^Prinz Fritz, bitte reißen Sie sidi zu­ sammen, steht alles so in der königlichen Turnvorschrift, von Ihrem Herrn Vater persönlich unterschrieben!« Ich bin häufig in Plön zu Besuch gewesen. Da ich immer »wie die Brüder« sein wollte, interessierte ich mich für alles und nahm gelegent­ lich auch an den Spielen ihrer Kameraden teil. Beim »Greifspielen« im Hof des alten Schlosses der holsteinischen Herzöge, in dem die Kadetten­ anstalt untergebracht war, ereignete es sich dabei einmal, daß einer der Kadetten midi »gefangennahm« und dies mit dem Ausruf »ich habe sie« verkündete. Mir gefiel das gar nicht und ich versuchte, mich zu be­ freien, wobei idi mich reichlich wild aufführte. Prompt erhielt ich von dem jungen Mann eine Ohrfeige gelangt. Der Vorgang wurde von einem der Erzieher bemerkt. Er war empört, daß der Kadett ein Mädchen und zudem die Prinzessin geohrfeigt hatte. Der Kadett erhielt den Befehl, sidi sofort in der besten Montur bei der Kaiserin zu melden und wegen seines ungebührlichen Benehmens um Verzeihung zu bitten. Der Kadett erzählte später hier­ über: »Mit schlotternden Knien trat ich den Gang an. Ihre Majestät fragte mich: >Was hat sie denn gemacht?< Ich sagte: >Sie hat mich ge­ bissen.Recht hast Du gehabt.Weißen Saal< Aufstellung genommen. Zuerst kamen Primaner und Selektaner, dann die Kompanien, der Reihe nach von 1 bis 10. Auf dem linken Flügel standen die Jungen, die sich zur Kriegsmarine gemeldet hatten, und ganz zum Schluß kamen wir Plöner. »Der Kommandeur der Hauptkadettenanstalt meldete dem Kaiser, der uns mit einem frischen >Guten Morgen, Kadetten!< begrüßte. >Guten Morgen, Eure Majestät!< sdiallte es im Chor. Dann begann der Kaiser langsam die Front abzuschreiten. Jeder mußte Namen und Beruf des Vaters nennen. Die Kompanien, die nicht an der Reihe waren, durften rühren. »Geduldig hatte sich der Kaiser von jedem der 320 Kadetten sein Sprüchlein angehört. Dann begab er sich in die Mitte des Weißen Saales, worauf ein Flügeladjutant die Allerhöchste Kabinettsorder über die Ehr­ begriffe des Offiziersstandes verlas, die uns auch später beim Regiment jährlich einmal vorgelesen wurde: >Je mehr anderwärts Luxus und Wohl­ leben um sich greifen, um so ernster tritt an den Offiziersstand die Pflicht heran, nie zu vergessen, daß es nicht materielle Güter sind, welche ihm die hochgeehrte Stellung im Staate und in der Gesellschaft erworben haben und erhalten werden. Nicht nur, daß die kriegerische Tüchtigkeit des Offiziers durch eine verweichlichende Lebensweise beeinträchtigt wer­ den könnte, sondern völlige Erschütterung des Grund und Bodens, worauf der Offiziersstand steht, ist die Gefahr, welche das Streben nach Gewinn und Wohlleben mit sich bringen würde.< »Dann hielt der Kaiser eine Ansprache, kurz und abgehackt, laut und vernehmlich, in der er uns nochmals an die Pflichten des Offiziersberufes erinnerte und aus der mir noch die Worte im Gedächtnis geblieben sind >Schwarzseher dulde ich nicht in meiner Armee !< Er schloß mit dem Gruß >Adieu, Kadetten!< — >Adieu, Eure Majestät!< — und verließ den Saal. Leise, wie wir gekommen, gingen wir wieder hinaus.« Nach ihrer Rückkehr aus Plön dienten meine Brüder — mit Aus­ nahme Adalberts, der ja Seeoffizier wurde — in der Armee. Der Kron­ 3 2 4

prinz war Kompanieoffizier und danach Hauptmann und Kompaniechef im 1. Garde-Regiment zu Fuß. Dann Eskadronschef im Regiment der Gardes du Corps, wiederum beim 1. Garde-Regiment, nun als Komman­ deur des 1. Bataillons und sdiließlich Oberst und Kommandeur des 1. Leibhusaren-Regiments in Danzig-Langfuhr. Seine Dienstzeit in der Truppe wurde allerdings mehrfadi unterbrochen. Er studierte Rechts­ und Staatswissenschaften in Bonn und wurde in die Geschäfte des Finanzministeriums und des Reichsmarineamtes wie in die allgemeine Verwaltung eingearbeitet. Außerdem wurde er für ein halbes Jahr zur Dienstleistung beim Großen Generalstab kommandiert. Der General­ stabschef, Graf Moltke, äußerte sich während einer Generalstabsreise über meinen Bruder: »Es macht mir Freude, den Kronprinzen In die Verhältnisse unserer Grenzlande einzuführen. Er Ist voller Interesse bei der Sache. Es steckt viel gute Anlage in ihm, der junge Most kann ein­ mal guten Wein geben.« Eitel Fritz stand beim 1. Garde-Regiment zu Fuß, dessen Komman­ deur er wurde, und bei den Leib-Garde-Husaren — Oskar bei den Pasewalker Kürassieren, dem Regiment unserer Mutter, danadi wurde er Kommandeur der Liegnitzer Königs-Grenadiere — Joachim als Ober­ leutnant beim 2. kurhessischen Husaren-Regiment in Kassel. Alle haben sie eine Zeitlang Dienst als Kompanieoffizier im 1. Garde-Regiment zu Fuß getan, auch August Wilhelm, der unter den Brüdern der einzige war, der nicht den Soldatenberuf ergriffen hat, sondern die Laufbahn der inneren Verwaltung einschlug. In dem ersten Armeebefehl nach seinem Regierungsantritt hatte mein Vater erklärt: »So gehören wir zusammen — ich und die Armee —, so sind wir für einander geboren.« Er hat stets danach gehandelt. Die Armee, deren Oberster Kriegsherr er war, hat nicht auf den Lorbeeren der vergangenen Siege ausgeruht. Einer der großen Soldaten Frankreichs, Marschall Foch, konstatierte, wie beriditet wird, die deutsche Armee von 1914 sei die beste Armee der Welt gewesen. Mein Vater hatte das Glück, Persönlidikeiten als militärische Denker, Erzieher und Vorbilder zu finden, die ihresgleichen suchen. Allen voran Graf Schlieffen, der brillante Generalstabschef, und Colmar Freiherr v. d. Goltz, der unerreichte Militärwissenschaftler und Organisator. Geradezu legendären Ruf genoß der alte Feldmarschall Graf Haeseler. Ich glaube, man kann sagen, er war der Zuchtmeister der deutschen Armee. Haeseler kam aus dem Kadettenkorps, war Zietenhusar gewesen. 3 2 5

hatte an den Feldzügen von 64, 66 und 70/71 teilgenommen, im letzte­ ren als Generalstabsmajor unter Feldmarschall Prinz Friedrich Karl. Die Bedeutung, die Goltz als kommandierender General des I. Armee-Korps und als Generalinspekteur der Festungen für die Verteidigung Ost­ preußens gewann, kam ihm für den Westen zu. Dreizehn Jahre lang stand er an der Spitze des XVI. Armee-Korps in Metz. Seinen Ruf als militärischer Erzieher hatte er in Perleberg begründet, wo er eine Reihe von Jahren Kommandeur des 11. Ulanen-Regiments war, das später in Saarburg lag und audi seinen Namen trug. Wie es da und damals zuging, veranschaulicht eine Erzählung des Freiherrn v. d. Goltz. Haeseler habe ihm, berichtete er, einmal eine Einladung über­ sandt und dabei hinzugefügt: »Kommen Sie Sonnabend, denn da ist in Perleberg der amüsanteste Tag.« Goltz stand zu dieser Zeit in Branden­ burg. Er hatte am Freitag einen langen Rekognoszierungsritt zu unter­ nehmen, den er besdileunigte, damit er rechtzeitig die Bahn erreichte. Er fuhr die Nacht hindurch und traf morgens um 5 Uhr in Perleberg ein. Vor der Tür des Hotels, das er aufsuchen wollte, erwartete ihn ein Gefreiter mit zwei Pferden, der ihm einen mit Bleistift beschriebenen Zettel Haeselers überreichte. Der Gast las: »Mein lieber Goltz. Sobald Sie dieses Schreiben erhalten, reiten Sie gleich nach . . . ab.« Goltz schwang sich aufs Pferd und jagte, ohne das bestellte Zimmer betreten zu haben, zum Treffpunkt. Er fand seinen Gastgeber bei einer großen Felddienstübung. Sie dauerte bis Mittag. Danach hatte Haeseler die Er­ kundung eines Kavallerie-Übungsplatzes für das nächste Jahr, Instruk­ tion im Gelände und anderen Dienst angesetzt. Goltz erzählte hierüber: »Der Mond stand am Himmel, als wir nadi Hause kamen, und Haeseler war sicherlich — übrigens audi nicht mit Unrecht — der Meinung, daß er mich herrlich amüsiert hätte.« Graf Haeseler stellte an seine Untergebenen die höchsten Anforderun­ gen an Leistung und Bedürfnislosigkeit — aber er stellte sie auch an sich selbst, besser gesagt gerade an sich selbst. »Lernen, was Mensch und Pferd vermögen, ohne daß es ihnen schadet«, hieß einer seiner Ausbildungs­ grundsätze. Goltz berichtete: »Ich sah in Graf Haeseler einen Mann vor mir, der schon in den ersten Tagen unserer gemeinsamen Tätigkeit die Arbeit mehrerer mit Gelassenheit abtat, von der sich jeder einzelne wahrscheinlich für überlastet gehalten hätte. Ich fragte mich oft ver­ gebens, wann denn eigentlich Graf Haeseler ruhe, esse oder trinke.« — Ich selbst war immer wieder erstaunt, wenn der Graf bei den großen 3 2 6

Diners an der Tafel saß und Milch statt Wein trank. Kritische oder fragende Blicke nahm er genausowenig wahr, wie irgendein wohl­ gefälliges Schmunzeln. Er war eine Persönlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn ich dem Feldmarschall begegnet bin — im Kaisermanöver, beim Fest des Ordens vom Schwarzen Adler oder bei Hofver­ anstaltungen — immer erinnerte mich sein Kopf irgendwie an einen Nußknacker. Das mag respektlos klingen, aber der alte Haeseler würde es wohl nicht übelnehmen. Der Kopf des wortkargen Feldmarschalls zeigte markante Züge, eine scharfe Nase, einen verkniffenen Mund mit kräftig vorspringendem Kinn. Sein unvorschriftsmäßig langes weißes Haar quoll unter der Tschapka oder Mütze hervor und reichte bis auf den Kragen seiner Uniform, die den Eindruck erweckte, als wäre sie so alt wie er selbst. Seine Gestalt war hager und die Beine etwas wind­ schief. Man wunderte sich, wie er eigentlich das Gleichgewicht hielt, und dachte dabei an die Knochen- und Rippenbrüche, die er sich in seinen langen Dienstjahren geholt hatte. Und dennoch, wenn der Graf bei einer Defiliercour am Thron vorbeischritt und mit dem erhobenen Feld­ marschallstab seinen Gruß erwies, dann richteten sich aller Augen mit Achtung auf ihn, und jeder dachte: »Ja, das ist eben der alte Haeseler!« Und es erschien ihnen, als wenn Hunderte von Schwadronen ihm folgend am Kaiser vorbeiritten. In der Armee, die in ihren großen Traditionen von Männern wie Goltz, Haeseler und Schlieffen weitergebildet war, gab es für zwei Be­ griffe keinen Platz: Rückzug und Kapitulation. Damals erzählte man jene Geschichte, die sich noch unter Friedrich Wilhelm IV. zugetragen hatte, die aber für das Denken der Armee charakteristisch war: Der König hatte bei einer Nachtübung, bei der er selbst die Truppen, die gegen Spandau angesetzt waren, befehligte, die Festung gestürmt, jeden­ falls hatte sich ein entsprechender theoretischer Manöversieg eingestellt. Der König ließ zur Übergabe blasen. Doch die Besatzung rührte sich nicht. Ungehalten befahl er den Festungskommandanten, General Pet^ry, ans Tor. Der General ließ den Durchguck des Tores öffnen und meldete sich bei seinem Monarchen. In schroffem Ton erteilte der König noch einmal den Befehl, die in der Übung eroberte Festung zu öffnen. Der Kommandant antwortete mit einem einzigen Satz, und der lautete im schönsten Berlinisch: »Uff Ehre, Eure Majestät, auch nich mal im Spaß!« Sagte es, zog seinen Kopf zurück und schlug die Torklappe 3 2 7

wieder zu. Mein Vater erzählte uns dazu, wie der König diese Haltung nicht nur akzeptiert, sondern auch anerkannt hätte. Auch ihm selbst begegnete einmal eine ähnlidäe Situation: Oberst Freiherr v. Bissing, Kommandeur der Gardes du Corps, hatte einem der in seinem Regiment stehenden Prinzen einen Anpfiff erteilt, der die­ sem zu weit zu gehen schien. Er meldete sich beim Kaiser und beschwerte sich über seinen Obersten. Mein Vater war der Meinung des Prinzen, daß der Regimentskommandeur über das Ziel hinausgeschossen wäre, und ließ Bissing das wissen. Der nahm es zur Kenntnis — und gab dem Prinzen drei Tage Hausarrest wegen Verlassens des vorschriftsmäßigen Beschwerdeweges. Bissing hat das nicht im geringsten geschadet. Er wurde bald zum Generalmajor befördert und stieg die militärische Stufenleiter bis zum Generalobersten hinauf. Manöver, Paraden und Uniformen, das ist die Vorstellung, die sich einstellt, wenn von der Armee des Kaiserreichs gesprochen wird. Ein Soldatenkind, wie ich es war, brannte darauf, bei dem Kaisermanöver, das alljährlich stattfand, dabeizusein. Ich glaube, mit ein oder zwei Ausnahmen ist mir das auch gelungen. Selbst als es einmal aus Unter­ richtsgründen für unerwünscht erklärt wurde, konnte ich meinen Reli­ gionslehrer, Superintendent Händler, dafür gewinnen, daß er mit mir von Wilhelmshöhe aus ins Manövergelände fuhr. Die Manöver waren ein großes militärisches Ereignis. Nicht nur, weil sich bei ihnen der Ausbildungsstand der Truppe erweisen sollte. Sie stellten auch den Zeitpunkt dar, in dem sich Jahr für Jahr wieder­ kehrend das Schidcsal der älteren Offiziere entschied. Hier stellte es sich heraus, ob der Oberst oder General für das nächsthöhere Kommando be­ fähigt war oder ob er für den gefürchteten blauen Brief vorgemerkt wurde, für den Abschied oder wie man sagte »den Zylinder«. So ging man nicht ohne gespannte Erwartung ins Manöver, und Aufregung gab es bei den Kommandeuren so gut wie bei den Subalternoffizieren und den Mannschaften. Ich denke da an eine Geschichte, die mein Vater mir aus einem Manöver in Ostpreußen erzählte. Auf dem »Feldherrnhügel«, dem Platz der Manöverleitung, erwartete er die Ankunft eines Meldereiters. Schon von weitem hörte er ihn im schönsten Dialekt schreien: »Mäldung, Mäldung an seine Majästet den Kaiser!« Alles sprang zur Seite, so wild preschte der Meldereiter, ein Ulan vom Insterburger Regiment, heran. Schon hielt er vor seinem Kaiser. Der Tag seines soldatischen Lebens 3 2 8

war gekommen. Aber die Meldung, ja, die Meldung brachte er nicht heraus. Mein Vater fragte ihn. Doch das verzweifelte Gesicht des Ulanen verriet schon alles. Er sagte: »Nun habe ich es verjassen!« Einige Herren in der Umgebung meines Vaters waren entsetzt. Er aber sagte wie tröstend: »Mein Junge, geh erst mal Dich erholen, iß und trink etwas. Vielleicht fällt es Dir wieder ein.« Der Truppenübungsplatz, den ich am häufigsten besucht habe, war Döberitz, der Übungsplatz des Garde-Korps. Er war der Platz, auf dem die Brigade- und Regimentsübungen der Kavallerie und Infanterie statt­ fanden. Wie oft habe ich hier den herrlichen Anblick einer KavallerieAttacke erleben dürfen, und wie oft hörte ich hier das »Marsch, Marsch! — Hurra!« der in langen Linien vorstürmenden Infanterie! Unzählige Male war ich dort, zu Pferde, mit dem Wagen oder später mit dem Auto. Wenig mehr als 20 Kilometer lag der Platz vom Zentrum Berlins entfernt. Nach Döberitz fuhren wir aber auch gern, wenn keine Übungen an­ gesetzt waren. Es war ein herrliches Fleckchen Erde. Das kleine märkische Dorf, dessen Bewohner den militärischen Notwendigkeiten hatten weichen müssen, mit seinen hübschen alten Häusern mit den tief herunterreichenden Dächern und seiner idyllischen kleinen Dorfkirche zog mich an. Alles war einfach und schlicht, wie in all den Dörfern in der Mark. Und die Umgebung zeigte eine landschaftliche Schönheit und Eigenart, wie sie eindrucksvoller kaum zu denken ist. Tiefe Mulden und Schluchten durchzogen die hügelige Landschaft. Tümpel und Teiche, üppig mit Wasserpflanzen bedeckt, Heidekraut, Brombeeren und Kiefern, wohin man kam. Im Frühling, wenn der Ginster blühte, glichen die Talränder einem riesigen Meer gelber Blüten, über dem Bienen und Käfer lustig umhersurrten und -schwirrten. Ein einziges großes Bild ländlichen Friedens! Wir sind häufig nach dort hinausgefahren, gelegentlich auch zum Picknick. Mein Bruder August Wilhelm und ich schwärmten geradezu hierfür. Eitel Fritz und Oskar waren anderer Meinung. Sie liebten es, in der Freizeit auf einem der vielen Seen um Potsdam zu segeln oder Kahn zu fahren. Für Landausflüge bevorzugten sie andere Gegenden als Döberitz. Das war verständlich. Ich höre noch Oskar, wie er zu August Wilhelm sagte: »Wenn Du so viele Kilometer dort in Hitze und Staub zu Fuß gelaufen wärest wie ich, dann wüßtest Du auch etwas Besseres als einen Ausflug nach Döberitz.« Im Herbst aber, bei den Roten Jagden, waren wir allesamt leiden­ schaftlich in Döberitz dabei. Es ist tatsächlich auch etwas Eigenes, hinter 329

der Meute zu reiten. Ein Fluidum geht von den Parforce-Jagden aus, das jeden ganz ergreift, die Reiter und die Pferde. Leidite Nebel lagen meist über den Äckern und Wegen, über die wir zum Rendezvous ritten. Beim Eintreffen meines Vaters stimmten die Jagdhörner den »Fürsten­ gruß« an, und die grauen Umhänge der Reiter wurden abgelegt. Ffell leuchtete dann das Rot der Röcke. Ein malerisches Bild, zumal wenn die Sonne eines sdiönen Herbsttages die Szene besdiien. Man saß auf, es wurde angeblasen, und langsam setzte sidi das Feld der Reiter in Bewegung. Die Hörner ließen ein fröhliches Lied ersdiallen, und die Meute fing bereits an, unruhig zu werden. Früher hatte man mit einem Wildschwein gejagt, wie man etwa in Frankreich noch lange den Hirsch gehetzt hat. Ich habe das noch erlebt, war aber sehr froh, als man sich entschloß, nicht mehr lebende Tiere zu hetzen, sondern mit der so­ genannten Schleppe zu reiten. — Nach einem herrlichen Ritt, bei dem man darauf achten mußte, daß der Kaiser oder der Master nicht über­ holt wurden, was als verpönt galt, erklang das Halali. Dann wurden die Brüche verteilt. Es war ein schönes Schlußbild, wie die roten Röcke und die dampfenden Pferde in einem weiten Halbkreis meinen Vater umstanden und die Reiter die Eichen- oder Tannenzweige von ihm in Empfang nahmen. Einen besonderen Charme strahlten die Armee-Jagdrennen aus, die im reizvollen Grunewald stattfanden. Das mit einer Terrasse versehene Häuschen, von dem aus unsere Familie das Rennen verfolgte, war in seinem Stil gelungen der Umgebung angepaßt. Die ganze Atmosphäre bei dieser Veranstaltung war gelockert. Viel trug sicher dazu bei, daß wir die Reiter persönlich kannten. Man war ihnen bei den Festen des Winters begegnet und hatte mit ihnen getanzt. Stets war die Spannung groß, wer wohl am besten abschneiden würde. Die meisten Namen sind mir noch heute geläufig: Bachmayr von den Leib-Garde-Husaren, Graf Holdk von den 3. Garde-Ulanen, Egan-Krieger von den Leibhusaren, Zobeltitz, die beiden Brüder Mitzlaff und manch anderer. Mit Be­ wunderung verfolgten wir ihre sportlichen Leistungen, und nicht weniger Interesse brachten wir den Erzählungen über ihre oft recht ausgelassenen Streiche im Kasino oder der Gesellschaft entgegen. Die glanzvollste Parade war die alljährliche Frühjahrsparade in Potsdam. Wer sie nicht erlebt hat, wird schwerlich begreifen, welcher Zauberklang in dem Wort »Frühjahrsparade« mitschwang. Potsdam hatte sein schönstes Blütenkleid angelegt, wenn die Regimenter der 3 3 0

Garnison wie aus dem Sdimuckkasten genommen im Lustgarten zur Parade angetreten waren. Da blitzte und funkelte es, und wie aus einem Guß standen die Reihen der Regimenter. Mein Vater ritt vom Neuen Palais durch die Straßen der Stadt zum Paradeplatz, während meine Mutter und ich im offenen Wagen, vier­ spännig, fuhren und uns dann ins Stadtschloß begaben, von wo aus wir der Parade zusahen. Meine Brüder und Vettern befanden sich in Reih und Glied bei den Paradetruppen. Beim Erscheinen meines Vaters erklang der Präsentiermarsch, Kom­ mandos erschallten, und dann ritt er die Front ab. Das nahm einige Zeit in Anspruch. Danach ritt er auf das Schloß zu, vor dem er den Vorbei­ marsch abnahm. Es war ein Kunststüch, all die Truppen — Infanterie, Kavallerie und Artillerie — auf der verhältnismäßig kleinen Fläche des Lustgartens exerziermäßig zu bewegen. Doch es klappte stets tadellos. Zur Zeit meines Vaters wurde in der Garde-Infanterie zum Vorbei­ marsch der friderizianische Gewehrgriff wieder eingeführt, bei dem das Gewehr nicht auf, sondern senkrecht an der linken Schulter geführt wurde, wobei die rechte Hand ebenfalls an der Waffe gehalten wurde. Das war recht eindrucksvoll. Ich selbst kannte jedes Kommando, jeden Griff, mir waren die Abstände, die die Kompanien zu halten hatten, ebenso geläufig wie das Zählen, das dem Kommando »Frei weg!« voran­ ging. Für ein Mädchen mag das erstaunlich sein, aber schließlich wuchs ich mit Brüdern auf, und sie lebten in der Welt des Soldaten. Am Tag der Frühjahrsparade fand zumeist eine Wohltätigkeitsver­ anstaltung statt, die durch einen Blumenkorso gekrönt wurde. Es war der »Blumentag« oder »Margueritentag«. Auch unsere Familie und der Hof beteiligten sich hieran. Unsere Wagen wurden rundherum mit Blu­ men geschmückt — gelben Rosen, Maiglöckchen und Margueriten — und unter großer Begeisterung der Bevölkerung fuhren wir durch die Stadt. In den Wagen führten wir ebenfalls Blumen mit, die wir Freunden und Bekannten zuwarfen. Dieser Blumenkorso war ein lustiges und buntes Treiben, das dem Paradetag einen fröhlichen Abschluß gab. Ein ganz anderes Bild als der große Paradetag in Potsdam bot die Herbstparade auf dem Tempelhofer Feld. Sie war weniger eine Parade als eine Truppenschau. Das Tempelhofer Feld, das seinen Namen nach dem Tempelherrenorden trug, der in der Mitte des 13. Jahrhunderts hier eine Komturei errichtet hatte, war seit eh und je der Platz, auf dem die preußischen Könige die großen Revuen ihrer Truppen gehalten haben. 3 3 1

In einer bejahrten Chronik fand ich diese Beschreibung aus der Zeit Friedridi Wilhelms I.: »Am Tage der Hauptrevue saß der König schon morgens um zwei Uhr zu Pferde, und sodann defilierten die Regimenter in größter Stille und Ordnung durdi das Kottbuser Tor nach dem Tempelhofer Berg zu, wo der bereits angekommene König hielt und alles an sich vorbei­ marschieren ließ. Wenn darauf die Linie der Infanterie gerichtet worden, ritt der König die Fronte hinauf, wobei das Saitenspiel gerührt und mit den Fahnen salutiert wurde. Sodann begab er sidi nadi dem Zentrum der Linie, wo die Signalkanone stand. Hier wurden Feldstühle hin­ gesetzt. Die kleinen Prinzen erhielten von einem Pagen, der zwei Schach­ teln in der Tasche trug, Butterschnitte, die sie sich recht wohl schmecken ließen, und nach diesem Frühstücke maditen die Regimenter ihre Schwenkungen im Retirieren, Avancieren usw. Wenn zuletzt die Karrees gemacht wurden, womit jedes Manöver beschloß, warfen die Grenadiere auf den Flügeln der Kompagnien hölzerne Granaten, deren man sich damals bediente, um die Kavallerie scheu zu machen, und das war dann für das berlinische Publikum, besonders aber für die berlinische Jugend ein herrliches Schauspiel. Hierauf ging der Rückmarsch nach der Stadt vor sich. Vor dem Tore wurden die Kleider und Schuhe abgebürstet und die Gewehre abgewischt, und so rüdcten sie in die Stadt ein.« Manches hatte sich seit jener Zeit geändert, doch im Grunde war es dasselbe geblieben. Die Herbstparade auf dem Tempelhofer Felde war eine grandiose Truppenschau. Das gesamte Garde-Korps war angetreten: die 1. und 2. Gardedivision mit 11 Regimentern Garde-Infanterie, dem Gardejäger-, Gardeschützen- und dem Lehr-Infanterie-Bataillon und den 4 Garde-Feldartillerie-Regimentern, sowie die Garde-KavallerieDi vision mit 8 Regimentern. Bei der Herbstparade 1912 wurde auch das III. Armee-Korps, das brandenburgische, mit herangezogen. 19 Regi­ menter Infanterie, 12 Regimenter Kavallerie und 8 Regimenter Feld­ artillerie waren angetreten — der Anblich war schier überwältigend. Wir fuhren von Potsdam nach Berlin mit dem Auto. Dort stiegen wir, mein Vater, meine Brüder und ich, zu Pferde und ritten zum Tempelhofer Feld hinaus. Meine Mutter hatte eine Krankheit noch nicht ganz überstanden, und so fuhr sie mit meinen Schwägerinnen und meinen Neffen Wilhelm und Louis Ferdinand, den beiden ältesten Söhnen des Kronprinzen, in einem Wagen. In den anderen Jahren ritten auch meine Mutter und ihre Schwiegertöchter, jede in der Uniform des Regiments, deren Chef sie war, hinaus. — Ich trug die kleidsame Uniform meiner 3 3 2

2. Leibhusaren und ritt eine wunderschöne irisdie Vollblutstute, schwarz­ braun wie die Vorschrift es verlangte, im Unterschied zu den 1. Leib­ husaren, die Sdiimmel hatten. Daß Vollblüter bei all dem Lärm und dem Getöse nur schwer ruhig zu halten sind, braucht nicht ausgemalt zu werden. Ich hatte etwas Sorge, als wir mit unserem Vater die Front abritten und die Musik der Militärkapellen mit den vielen Pauken­ schlägen den Tieren in die Ohren dröhnte. Doch es ging gut. Man hatte es zuvor eingeübt. Wir schwenkten dann zur Paradeaufstellung ein, wobei im Galopp zu der Stelle geritten wurde, an der der Vorbeimarsch abgenommen werden sollte. Wenn dann die Infanterie in Regimentskolonnen im Paradeschritt vorbeikam, begann der Erdboden zu beben. Hinter uns hielten die ausländischen Diplomaten, die Militärattaches und die Gäste. Auch sie waren beritten. Und da gab es dann und wann komische Bilder, wenn jemand, der im Reiten nidit sehr geübt war, Schwierigkeiten mit seinem Pferd hatte. Nadi der Parade ritt mein Vater mit meinen Brüdern und seinen Gästen hinter der Fahnenkompanie zurück nach Berlin. Dicht gedrängt umsäumten die Berliner die Straßen. Sachverständig musterte vor allem die Jugend die einmarsdiierenden Truppen. Mein Bruder Oskar fing da­ bei eine Bemerkung auf, die auf einen der ausländischen Gäste, einen Admiral, gemünzt war, der an seinen Hosen keine Stege trug, so daß diese beim Reiten nach oben rutschten. Prompt rief ein Berliner Junge lauthals: »Kieke mal, det is ja Hosianna in der Höh’!« Den Abschluß des Tages bildete der Große Zapfenstreich. Auf dem Platz zwischen Dom und Schloß marschierten die Militärkapellen der beiden Armeekorps auf. Schon der Anmarsch im Fackelschein war ein großartiger Anblich. Die Aufstellung erfolgte in einem weiten Viereck. Der wunderbare Marsch Beethovens erklang. Dann wurde nacheinander der Zapfenstreich der Infanterie und der Kavallerie gespielt. Alle Ka­ pellen intonierten danach gemeinsam den Choral »Ich bete an die Macht der Liebe«. Wir standen auf dem Balkon des Schlosses. Das nächtliche Bild und die weihevolle militärische Musik zogen uns gänzlich in ihren Bann. — Zu den militärischen Feiern, an denen mein Vater regelmäßig teil­ nahm, gehörte das sogenannte »Schrippenfest«. Der Name selbst verrät wenig, aber er war in der Armee allgemein bekannt als die Bezeichnung des Stiftungsfestes des Lehr-Infanterie-Bataillons. Dieses Bataillon hatte 3 3 3

die besondere Aufgabe, Neuerungen in Bewaffnung, Ausrüstung und Ausbildung der Infanterie zu erproben. Seine Mannschaften waren sorg­ fältig in den Regimentern ausgewählte Männer, die für die Dauer eines Jahres nach Potsdam, dem Standort des Bataillons, kommandiert wurden. Das »Schrippenfest« wurde auf dem Sdiloßplatz des Neuen Palais vor den »Communs« gefeiert, und zwar am zweiten Pfingsttag. Von mei­ nen Zimmern aus verfolgte ich die umfangreichen Vorbereitungen. Große Fahnenmasten wurden errichtet, Zelte aufgebaut, lange Tafeln aufgestellt und alles mit Girlanden aus frischem Maiengrün geschmückt. Wenn der Festtag anbrach, marschierten vor dem Palais Posten vom 1. GardeRegiment zu Fuß auf. Sie lösten die Männer des Lehr-Infanterie-Bataillons ab, das üblidierweise den Wadidienst versah. Das Bataillon war an seinem Stiftungstag von diesem Dienst befreit. Die Posten, die vom 1. Garde-Regiment gestellt wurden, kamen zumeist aus der Leibkom­ panie und waren ausgesucht lange Kerls. Der größte war, glaube ich, mit 2,15 Metern der »lange Josef«. Die Infanterie-Gewehre sahen in ihren Händen wie Puppenspielzeug aus. Das Lehr-Bataillon begann den Tag mit einem Feldgottesdienst vor dem Südflügel des Schlosses, wo unter den Bäumen des Parks der Feld­ altar errichtet wurde. Es folgte ein kurzer Vorbeimarsch, der an Exakt­ heit und Strammheit alles übertraf, was man sonst hierbei zu sehen bekam. Daß die Vorbereitungen für das eigentlidie Fest ihren Höhepunkt erreidit hatten, entnahmen wir weniger dem geschäftigen Treiben auf der Mopke als vielmehr dem köstlichen Duft, der von dem großen Braten­ spieß zu uns herüberdrang, an dem über offenem Feuer ein Ochse gebra­ ten wurde. Braten, Reisbrei, Backpflaumen, Gurken und dazu die »Schrippe«, wie man in Berlin die Brötchen nennt, waren das traditio­ nelle Essen des »Schrippenfestes«. Ein großes Schmausen begann, zu dem mehrere Militärkapellen mit Musik aufwarteten. Für die Musikmeister war das kein reines Vergnügen. Die Mopke hatte ein kurzes und lautes Echo, und das irritierte die Musiker und madite es schwer, den Takt zu halten. Der Kaiser feierte das Stiftungsfest gemeinsam mit seinen Soldaten. Das hatte schon Wilhelm I. so gehalten. Mit ihm nahmen auch die Mit­ glieder unserer Familie, das Gefolge meiner Eltern und eine Anzahl geladener Gäste, unter ihnen Generale und ausländisdie Militärattaches, teil. Wir bekamen von dem köstlichen Essen und auch von der Erdbeer­ bowle, die dazu gegeben wurde. Bei Tisch wurde ein Hoch auf den Kaiser 334

ausgebracht, und mein Vater trank auf das Wohl der Armee und ins­ besondere auf das des Bataillons. Bei einem ausgedehnten Rundgang unterhielt er sich mit den Unteroffizieren und Mannschaften, wobei seine Scherze nicht wenig zu der fröhlichen Stimmung beitrugen, die das »Schrippenfest« stets beherrschte. — Nachmittags begannen für die Ba­ taillonsangehörigen Tanzvergnügungen in den benachbarten Orten, wie Bornim und Eiche. Für die Gäste gab es einen großen Empfang im Muschelsaal des Schlosses. Meine Geschwister und ich durften schon als Kinder an dem Fest auf der Mopke teilnehmen. Wie traurig ich war, als ich wegen eines verlän­ gerten Aufenthaltes in Urville einmal das bunte Treiben nicht miterleben konnte, läßt sich einer Aufzeichnung der Gräfin Keller entnehmen: »Am ersten Pfingstfeiertag spielte ich mit den Kindern (Prinz Joachim und Prinzessin Viktoria Luise) Krocket. Am zweiten Feiertag waren ihre Gedanken sehr mit dem Schrippenfest beschäftigt, und sie beklagten es nicht wenig, daß sie in diesem Jahr darauf verzichten mußten. Beide waren ganz melancholisch gestimmt. Um so größer war aber die Freude, als am nächsten Tage ein Paket mit den geliebten >Schrippen< ankam. Obgleich sie gänzlich trocken waren, was bei der argen Fiitze und der weiten Entfernung ja nicht zu verwundern war, wurden sie als eine auserlesene Delikatesse verzehrt.« Die Hofdame kommentierte: »Es war zu nett, dies Vergnügen daran zu sehen. Und da glauben die Menschen, daß Königskinder derartig verwöhnt sind, daß es ganz besonderer Ver­ anstaltungen bedürfe, um ihnen Freude zu bereiten!« — Bereits in unserer Kindheit nahmen wir noch an einer anderen mili­ tärischen Veranstaltung teil, die allerdings einen betont ernsten Charak­ ter trug: der Fahnennagelung. Das war ein zeremonieller Akt, bei dem die Fahnentücher neu errichteter Regimenter auf den Fahnenstangen befestigt wurden. Mit symbolischen Hammerschlägen vollzog der Kaiser bei jedem Feldzeichen selbst die Nagelung. Ich war gerade fünf Jahre alt, als 63 Fahnen neu formierter Truppenteile geweiht wurden. Meine Mutter notierte sich hierüber: »Am 17. Oktober war Fahnennagelung in Berlin im Zeughaus, und hatte ihr Vater gewünscht, daß alle 7 Kinder, auch die Tochter, dabei sein sollten.« In einer sehr persönlichen Be­ merkung setzte sie hinzu: »Es war wirklich ein amüsanter Anblick, die Kleine zu sehen, wie sie mit voller Sicherheit hereinmarschierte, nach allen Seiten grüßend, als ob sie nie etwas anderes getan.« Der Nagelung schloß sich am folgenden Tag die Fahnenweihe an. Sie fand Unter den Linden statt, »vor dem Denkmale des großen Königs 3 3 5

und vor den Fenstern des großen Kaisers«, wie mein Vater nach der Einsegnung der Feldzeichen in einer Anspradie hervorhob. Das Leben des Soldaten der alten Armee spielte sich »im bunten Rock« ab. Seit die Staaten, dem Beispiele Frankreichs folgend, dazu über­ gegangen waren, stehende Fleere zu unterhalten, hatte man sich überall daran gemacht, die einzelnen Truppen in gleicher Weise - uniform - zu kleiden, so daß man sie als zusammengehörend erkennen, sie anderer­ seits aber auch von anderen Waffengattungen und Einheiten unterschei­ den konnte. Eine farbige Vielfalt entstand, die in den Jahrhunderten durch Erfordernisse der Kampfführung wie auch durch die Mode man­ cherlei Wandlungen erfuhr. Nichts hat so sehr zu der Ausgestaltung der Uniformen beigetragen wie das Traditionsbewußtsein und der Korps­ geist, also das Zusammengehörigkeitsgefühl der Truppen. Man trug die besondere Uniform »seines« Regiments und war stolz darauf. Das war ein Gefühl, das in den Garnisonstädten auch der Bevölkerung eigen war. Es war die Zeit, da jung und alt voller Inbrunst das Lied anstimmte: »Wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren ...« Die Vielzahl der Uniformen der Armee kam auch in der Kleidung, die mein Vater trug, zum Ausdruck. Man findet zuweilen spöttische Flinweise darauf, daß er vielerlei Uniformen zu tragen pflegte. Doch daran war nidits Außergewöhnliches. Gewiß, er liebte wie alle Soldaten seiner Zeit die Uniform, kannte auch, um es modern auszudrüdcen, ihre wehr­ psychologische Wirksamkeit, aber deshalb neigte er keineswegs dazu, den Uniformwechsel als Spielerei zu betreiben. Der Kaiser war Chef zahlreicher ausländischer Regimenter, wie etwa des russischen Infanterie-Regiments Wyborg und des Petersburger LeibGarde-Regiments, des großbritannischen 1. Dragoner-Regiments, des portugiesischen 4. Reiter-Regiments, um einige von ihnen zu nennen. Desgleichen war er Chef mehrerer inländischer nichtpreußischer Regi­ menter, so u. a. des bayerischen 1. Ulanen-Regiments und des 2. württembergischen Infanterie-Regiments. Er legte die Uniform dieser Truppen an, wenn er sie selbst oder ihre Souveräne besuchte. Genauso wie umge­ kehrt die ausländischen Souveräne die Uniform ihrer preußischen Regi­ menter trugen, wenn sie bei uns zu Besuch weilten. Eine ähnliche Ursache hatte es, als mein Vater während seines Staats­ besuchs in der Schweiz die Uniform des Garde-Schützen-Bataillons trug. Das mag zunächst überraschend klingen, doch die Schweizer verstanden die Geste, die hierin lag. Denn der Schweizer Kanton Neuenburg — oder 3 3 6

lodr/.eit des Kronprinzen. I\i’)’,rüßung der Braut am Mr.indenburger Tor.

I

1 )ic Galakarosse mit der Kronprinzessin l)clm Einzug.

Die Kronprinzessin

Prinzessin Oskar

Neudiätel — hatte rund 150 Jahre zur Krone Preußen gehört, und als mein Vater seinen Besudi bei den Eidgenossen machte, waren kaum mehr als fünf Jahrzehnte vergangen, seit Preußen Neuenburg abgetreten hatte. Aber wer von den vielen Urlaubern, die den Neuenburger See in Rich­ tung Lausanne oder nach Bern und Biel entlangfahren, weiß, daß hier, in der westlichen Schweiz, bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts schwarz-weiße Grenzpfähle mit dem preußischen Adler gestanden haben und der König von Preußen als Fürst von Neuenburg Souverän dieses anmutigen und betriebsamen Rebenlandes war! Friedrich I. hatte das Land auf dem Erbwege erworben. In der napoleonischen Zeit war es einige Jahre französischer Besitz, von Napo­ leon seinem Marschall Berthier übertragen, der sein Fürstentum aller­ dings nie betreten hat. Im Pariser Frieden hatte Preußen Neuenburg zurückerhalten gegen die Verpflichtung zu einer jährlichen Rente von 34 000 Talern an den Marschall. Noch im Londoner Protokoll erkannten die Mächte die preußischen Rechte ausdrüdklich an. Als Friedrich Wil­ helm IV. dann 1857 auf Neuenburg verzichtete, verbriefte man ihm die Berechtigung, sich weiterhin Fürst von Neuenburg zu nennen. Lebendiger als in diesem Titel lebte die Erinnerung an das Fürstentum im Garde-Sdiützen-Bataillon. Es war in Neuenburg errichtet worden, wobei man die Reste eines von Berthier aufgestellten Bataillons über­ nommen hatte. Sein erster Kommandeur war ein Major v. Meuron aus einem Neuenburger Adelsgeschlecht. Auch nachdem die Schützen nach Berlin verlegt waren, stellten Schweizer Familien weiterhin einen Teil des Offizierkorps dieses preußischen Bataillons. Und noch 1914 fanden sich in der Rangliste der Garde-Schützen Namen wie v. Gelieu, Le Tanneux v. Saint-Paul, v. de Bos, Graf v. Pourtal^s. Im Berliner Volks­ mund aber nannte man die Lichterfelder Garde-Sdiützen kurz die »Neffschandeller«. — Im allgemeinen trug mein Vater die Uniform eines der Regimenter, deren Chef er war. Hielt er sich in Potsdam oder Berlin auf, so war es die Uniform eines Garde-Regiments; bei Aufenthalten in den Provinzen etwa die der hannoverschen Königs-Ulanen, des Königsberger GrenadierRegiments Nr. 3, der 1. Leibhusaren oder der Posener Königs-Jäger zu Pferde. In Lothringen legte er die Uniform der Königs-Grenadiere an, die in Metz standen. Anläßlich eines Besuches bei diesem Regiment zeigte sich einmal die Verfänglichkeit der Uniformvorschriften. Die Königs-Grenadiere trugen als Leibregiment des Kaisers am Helm den fliegenden Adler der Garde. 3 3 7

Mein Vater erschien aber mit einem Helm, den nur der schlidite stehende Adler der Linien-Infanterie zierte, obgleich er im übrigen die Uniform des Königs-Grenadier-Regiments angelegt hatte. Das Offizierkorps schmunzelte. »Vater Schulz«, der alte Leibjäger meines Vaters, der für die Garderobe verantwortlich war, hatte eine falsche Kopfbedechung herausgelegt. Vater Schulz war im übrigen auch der Urheber eines stummen Frage­ spiels, das sich dann und wann zwischen meiner Mutter und mir ergab. Wie gesagt, es hatte stets einen Sinn, mit welcher Uniform der Kaiser bekleidet war. Uniform und Tagesprogramm stimmten stets überein. Irgendwann geschah es aber, daß uns die angelegte Uniform irritierte. Wir fragten uns, warum trägt unser Vater heute gerade diese Uniform, und rätselten herum, zumal uns weder eine Besichtigung noch ein Emp­ fang bekannt waren, denen die Uniform entsprechen könnte. Ich er­ innere, daß meine Mutter einmal auf die Uniform weisend, meinen Vater fragte, ob sich irgend etwas im Tagesplan geändert hätte. Lächelnd gab er zur Antwort: »Vater Schulz meinte, sie würde so selten angezogen, ich sollte sie heute mal an die Luft führen.« Wir haben schallend gelacht. Für die Zukunft wußten wir Bescheid. Zu meiner Zeit kam die Mode auf, möglichst hohe Kragen und Mützen zu tragen. Der modische Reiz vertrug sich allerdings nicht mit den Uniformvorschriften. So bestand in vielen Regimentern ein perma­ nenter Krieg zwischen den Kommandeuren, die auf die Einhaltung der Vorschrift zu achten hatten und ihren jungen Offizieren. Wie in vielen Ländern die Kronprinzen in der Mode tonangebend waren — wie etwa der Prinz von Wales, der heutige Herzog von Windsor, in England — so war es auch bei uns. Was mein Bruder Wilhelm trug, war bestimmend für den modischen Geschmack. Und da er hohe Kragen und Mützen liebte, galt er als der eigentliche Übeltäter, auf den die serienweise auf­ tretenden unvorschriftsmäßigen Röcke und Kopfbedeckungen zurück­ gingen. Da kam bei uns zu Hause manch Donnerwetter auf ihn herunter. Als wieder einmal eine Philippika gehalten worden war, erschien unser Bruder Oskar in einer Uniform, die auf den Millimeter genau der Norm entsprach, mit niedrigem Kragen und flacher Mütze. Wir waren entsetzt. Wie aus einem Mund riefen wir ihm entgegen: »Du siehst ja unmöglich aus!« Oskar erwiderte trocken und mit gespielter Harmlosig­ keit: »Aber ich muß doch sehr bitten. Ich bin haargenau nach Vorschrift angezogen!« 3 3 8

Ein lustiger Vorfall ereignete sich auch nach meiner Verlobung. Wir kamen von Karlsruhe nach Berlin, wo mein Bräutigam feierlich empfan­ gen wurde. Im Mittelpunkt der offiziellen Veranstaltungen im Schloß stand die Ablegung des Fahneneids auf den König von Preußen. Prinz Ernst August von Hannover hatte bis dahin als Oberleutnant in bayeri­ schen Diensten gestanden, jetzt sollte er in das Zietenhusaren-Regiment eintreten. Mein Vater hatte sich eine Überraschung für den Schwieger­ sohn ausgedacht und für ihn eine Uniform seines neuen Regiments anfer­ tigen lassen. Die genauen Maße waren in München besorgt worden. Alles war vorzüglich gelaufen, und in tadellos sitzender Uniform meldete sich der Prinz beim Kaiser. Er sah blendend aus. Doch der Schneider hatte seine Arbeit zu gut gemacht. Er hatte Roch und Hose nach dem eleganten modischen Zuschnitt gearbeitet und natürlich auch den Kragen doppelt so hoch gemacht, wie es erlaubt war. Nachher suchte mich Vater Schulz auf und fragte: »Was mag Seine Majestät nur zu der Uniform gesagt haben?« Ich konnte ihn beruhigen: »Mein Vater fand meinen Verlobten sehr schön.« Der alte Schulz meinte: »Ein Glück, daß das gut gegangen ist!« Ein Nachspiel gab es aber mit meinen Brüdern. Voller Erstaunen nahmen sie zur Kenntnis, daß die unvorschriftsmäßige Uniform des hannoverschen Prinzen unbeanstandet geblieben war. »Natürlich«, mein­ ten sie, »nur weil er Dein Bräutigam ist. Er darf sich das erlauben!« Meine Erwiderung vermochte sie nicht milder zu stimmen, denn ich konnte doch nur sagen: »Wie sollte Vater monieren, er hat die Uniform doch selbst geschenkt.« Mein Mann hatte im übrigen erst eine Reihe von Erfahrungen machen müssen, ehe er mit dem deutschen Uniformwesen vertraut wurde. Er war in Österreich auf gewachsen, hatte meist in seiner Geburtsstadt Wien und in Gmunden gelebt. Sein Vater, der Herzog von Cumberland, war Chef des k. u. k. Infanterie-Regiments Nr. 42 und trug, wie auch der älteste Bruder meines Mannes, der als Hauptmann bei diesem Regi­ ment stand, österreichische Uniform. Als mein Mann 1908 in München bei den 1. Schweren Reitern eintrat, kannte er sich in den Uniformen der k. u. k. Armee aus, nicht aber in den deutschen. Oft hat er mir ausgemalt, welche Schwierigkeiten sich da vor ihm auftürmten. Er hatte zunächst Wohnung im »Regina-Palast-Hotel« genommen, bis ein geeignetes Haus für ihn gefunden war. So mußte er eine Zeitlang morgens durch die Stadt zur Kaserne reiten und abends zurück. Es war, wie er mir versicherte, anfangs eine Tortur. Immer wieder war er, wenn vor ihm eine Uniform auftauchte, im Zweifel: Ist 3 3 9

das nun ein Vorgesetzter?! Da er bereits sehr früh zum Dienst reiten mußte, begegnete er zu seiner Erleichterung nidit sehr vielen Menschen. Aber eines Tages, bei einem Spaziergang, ereignete sich dann doch eine Panne. Ein prächtig ausstaffierter, sehr wichtig aussehender Militär kam angeritten, breite Litzen zierten den Uniformrock, und ein mächtiger Helm, auf dem ein ma» ‘iver Löwe thronte, schmückte das Haupt. Der junge Prinz trat zur Seite, machte Front und salutierte. Der Militär grüßte huldvoll zurück; aber irgend etwas, sinnierte der Prinz, hatte nicht gestimmt. Im Kasino fragte er seine Kameraden und schilderte ihnen die Uniform, die ihm da begegnet war. Einer Salve gleich erscholl tosendes Gelächter. Es war ein Hartschier von der Leibgarde des Königs gewesen, vor dem Prinz Ernst August Front gemacht hatte, aber kein Offizier und schon gar nicht ein Vorgesetzter. — Im Jahre 1905 sah ich zum erstenmal die feldgraue Uniform. Das Lehr-Infanterie-Bataillon führte die neue Felduniform auf dem Bornstedter Felde vor, um sie dann gefechtsmäßig zu erproben. Die Entwick­ lung der Waffentechnik und die Veränderungen in der Kampfführung verlangten ihren Tribut. Die Wende brachten die Feldzüge und Kriege der Jahrhundertwende. Im Burenkrieg traten die englischen Truppen in khakifarbenen Schutzuniformen auf, und im russisch-japanischen Krieg zeigten sich die Russen, die ihre Soldaten in den leuchtend weißen Som­ meruniformen ins Feld führten, den in Khaki gekleideten Japanern hoffnungslos unterlegen. Auch wir kleideten unser ostasiatisches Expedi­ tionskorps mit einer khakifarbenen Sommeruniform ein. Für den Winter gab man ihm eine »feldgraue« Montur, deren Farbe einer Misdiung ent­ sprach, die in sorgfältigen Versuchen in den verschiedenen Geländever­ hältnissen erprobt war. Sie war das Vorbild für die neue Felduniform des deutschen Heeres. In England entschloß man sich für ein oliv getöntes Khaki, in Rußland zu lehmgelb und in Österreich zu hechtgrau. Frank­ reich und Belgien verzichteten auf die Einführung einer Tarnfarbe. Sie haben ihr Versäumnis später bereuen müssen. Lange schon ist die dem Gelände angepaßte Feldkleidung zur Selbst­ verständlichkeit geworden. Aber in allen Armeen, gleich welcher Nation und Staatsform, führen Tradition und Korpsgeist wie zu allen Zeiten zu Ausschmüdcungen am Kleid des Soldaten, und fast überall trifft man noch die Paradeuniform, den »bunten Rock«, wie er einst auch bei uns getragen wurde. 340

Die kleine Residenz

Das Jahr 1903 brachte dem Deutschen Reich eine denkwürdige Ge­ bietserwerbung. Wismar, die kleine, nördlich Schwerin gelegene Ostsee­ stadt, wurde deutsch. Über 250 Jahre, seit dem Westfälischen Frieden, hatte sie zum Königreich Schweden gehört. Zwar hatte 1803 der Herzog von Mecklenburg-Schwerin die Stadt für die Zahlung von 1,25 Millionen Bankotalern von Schweden als Pfand erhalten, aber sie war schwedisch geblieben. Damals war vereinbart worden, daß innerhalb von hundert Jahren gegen Rückzahlung des Betrages nebst 3 Prozent Zinsen die Wiedereinlösung erfolgen könne. Die hundert Jahre vergingen, und als sie verstrichen waren, verzichtete Schweden auf dieses Gebiet, das nun auch staatsrechtlich deutsch wurde. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde im Großherzogtum MecklenburgSchwerin eine Erwerbung vorgenommen, der zwar auch staatspolitische Bedeutung zukam, die aber zu allererst rein persönlicher Natur war. Mein ältester Bruder verliebte sich in die jüngste Schwester des Groß­ herzogs Friedrich Franz IV., Cecilie, und sie gab ihm ihr Jawort. Von dem ersten Augenblick an, da der Kronprinz der noch sehr jungen Herzogin in Schwerin begegnet war, hatte ihn eine glühende Be­ geisterung erfaßt, und wer hätte das nicht verstehen wollen! Ich sehe sie noch vor mir, wie sie uns zum ersten Mal im Neuen Palais besuchte. Sie war traumhaft schön, atemberaubend schön. Sie trug ein entzückendes rosafarbenes Kleid, mit vielen Rüschen und Schleifen, und dazu einen gleichfarbigen Hut, der in einem wirkungsvollen Kontrast zu ihren dunklen Augen und ihrem dunklen Haar stand. Ich kann mich nicht entsinnen, jemals wieder ein Bild von solcher Anmut, solchem Charme und solch strahlender Schönheit gesehen zu haben. An einem herrlichen Sonnentag hatten sich Wilhelm und Cecilie in dem von Wäldern umschlossenen Witwensitz der Großherzogin Anasta­ sia Michailowna verlobt. Es kam für uns alle sehr plötzlich. Deutlich spiegelt sich das im Tagebuch meiner Mutter: »Am 4. September über­ raschte uns unser ältester Sohn mit der Nachricht seiner Verlobung mit Cecilie Mecklenburg. Die Kleine (damit war ich gemeint) erhielt als erste ein Telegramm des Bruders, hatte überhaupt keinen Schimmer, war wie versteinert. Ich ließ sie am 9. September nach Plön nachkommen, um ihren Geburtstag vorzufeiern und mit ihren Brüdern die große Neuigkeit zu bereden. Sie war ganz aus dem Häuschen vor Freude und Aufregung.« Wenig später, zum Geburtstag der Kaiserin, machte Cecilie ihren ersten Besuch bei uns in Potsdam. Sie wurde von ihrem Bruder, dem 3 4 3

Großherzog, und der Großherzogin Alexandra, sowie ihrer Mutter be­ gleitet. Ihre Mutter, eine russische Großfürstin, war die Witwe Friedridi Franz III. von Mecklenburg-Schwerin. Großherzogin Alexandra wieder­ um war eine Tochter des Flerzogs von Cumberland, eine Schwester meines Mannes. Die ältere Schwester Cecilies, Alexandrine, hatte den dänischen Kronprinzen, den späteren König Christian X., geheiratet. Im Juni 1905 fand dann die Hochzeit statt. Meine Schwägerin Cecilie gestand: »Wenn ich gefragt würde, welches für mich das glanz­ vollste Ereignis meines Lebens gewesen ist, so kann ich nur antworten: meine Hochzeit.« Wieder trat das prunkvolle Hochzeitszeremoniell in Erscheinung. In Wittenberge, nachdem sie preußischen Boden betreten hatte, war die Braut feierlich begrüßt worden und hatte den auf sie wartenden kaiser­ lichen Hofzug bestiegen. Auf dem mit Rosengirlanden geschmückten Lehrter Bahnhof fand der Empfang in Berlin statt. Wohin die Braut blickte — Rosen überall. Selbst die Straßen, auf denen sie zum Schloß Bellevue fuhr, waren mit Rosen bestreut. Im Schloßhof war die Leib­ kompanie des 1. Garde-Regiments zu Fuß unter dem Kommando meines Bruders Eitel Fritz angetreten. Mein Vater begrüßte seine erste Schwiegertochter und geleitete sie die Front der präsentierenden Kompa­ nie entlang. Im Schloß begrüßten meine Mutter und wir Geschwister die strahlende Braut. Über den weiteren Verlauf gebe ich einem zeitgenössischen Bericht das Wort: »Nach dem Frühstück erfolgte entsprechend dem alten Brauch der feierliche Einzug der hohen Braut, geleitet von Ihrer Majestät, in dem historischen goldenen Prunkwagen in die Reichshauptstadt zum königlichen Schloß. Die ganze Einzugsstraße war mit entzückenden Rosengirlanden geschmückt, das Wetter war herrlich, alles in Sonne ge­ taucht. Der Jubel der Bevölkerung, die in dichten Scharen von Bellevue an die Straße säumte, kannte keine Grenzen. Unermüdlich erwiderte die junge, reizend aussehende Herzogin die Grüße der Umstehenden. Wie rief das alles die Erinnerungen wach an den Einzug der Kaiserin im Jahre 1881! Nur ließ dieser glänzende, strahlende Sommertag alles noch festlicher und stimmungsvoller erscheinen. Wie damals sein Vater, kom­ mandierte nun der Kronprinz beim Eintreffen seiner Braut die Ehren­ kompanie auf dem Schloßhof. Unmittelbar nach der Ankunft wurden die Ehepakten vollzogen, abends war im sehr großen Kreise Familientafel. Aus allen Ländern sind die fürstlichen Gäste zusammengeströmt, um diesen Freudentag mit unserm Königshause zu verleben, an der Spitze 344

der alte ehrwürdige Großvater der Herzogin Cecilie, der Großfürst Michael mit seiner Rittergestalt, der die enge Verbindung des russisdien Kaiserhauses mit dem preußischen Königshause geradezu in seiner Per­ son verkörpert.« Der Hochzeitstag war der 6. Juni. Im Kurfürstenzimmer des Sdilosses wurde durch den Minister des königlichen Hauses die standesamtlidie Trauung vorgenommen. Danach sdiritt der Hochzeitszug zur Schloßkapelle, wo Oberhofprediger Dryander die kirchliche Trauung vornahm. Cecilie, in einem Silberbrokatkleid, dessen lange Schleppe von vier Hofdamen getragen wurde, erschien mir wie eine Prinzessin aus der Märchenwelt. Ich war zwölf Jahre alt und unsagbar fasziniert von dem feierlichen Geschehen, das sich meinen Augen darbot. Abends durfte ich von der Galerie aus den Fackeltanz im Weißen Saal mit ansehen. »Natürlich war Sissy enorm aufgeregt«, notierte sich meine Mutter in ihrem Tagebuch. War das ein Wunder? Ich hatte zum ersten Mal die Hochzeit eines Bruders miterlebt. Lange Zeit noch hat mich dieses Er­ lebnis beschäftigt. — Mit der Heirat änderte sich das Verhältnis, in dem mein ältester Bruder bis dahin zu mir gestanden hatte. Verständlich. Neue Pflichten und Interessen kamen auf ihn zu. Das hatte sich schon beim ersten Be­ such Cecilies angekündigt. Auch meiner Mutter war das nicht entgangen. Sie vermerkte sich: »Sissys Freude über die neue Schwester war grenzen­ los. Der Bräutigam liebte die Intimität aber nicht zu sehr, ich denke, später wird alles wieder ungezwungener werden.« — Mein Bruder blieb aber stets ritterlich um mein Wohl besorgt, und sei es nur, daß er mich tröstend in Lindstedt besuchte, allein oder mit Kameraden, als ich dort, sehr gegen meinen Willen, für einige Wochen Aufenthalt nehmen mußte. Es war während der Vorbereitungszeit auf die Konfirmation, meine Eltern weilten in Corfu, und die Erzieherinnen wähnten mich in dem kleinen, einsamen Schloß besser aufgehoben und den Ablenkungen des Neuen Palais entrückt. Meine Schwägerin Cecilie habe ich als junges Mädchen geradezu ver­ göttert. Wir haben uns immer gemocht und zeitlebens überaus herzlich zueinander gestanden. Damals wußte sie sehr bald, wo bei mir der Schuh drüdcte, wie man sagt. Oft lud sie mich ins Marmorpalais ein, das sie und mein Bruder bezogen hatten, unternahm auch kleine Ausfahrten mit mir, so daß ich dann und wann ohne meine Erzieherinnen sein konnte. Die Kronprinzessin wurde schon bald der Mittelpunkt der jungen Gene­ ration unserer Familie. Sie war eine kluge Frau, mit sprudelnder Leb­ 3 4 5

haftigkeit, wußte jedermann zu fesseln und erledigte ihre zahlreidien Verpfliditungen mit erstaunlidier Leichtigkeit. Meine Eltern haben sie geliebt und verehrt. Der Kronprinz aber bekannte: »Ein gütiges Geschick hat es gefügt, daß meine Wahl frei von einengenden politischen oder dynastischen Rücksichten auf die Frau fallen konnte, der ich von Herzen zugetan war. Ich kann ihr nur aus tiefstem Herzen dafür danken, daß sie mir als bester und treuester Freund und Kamerad zur Seite gestanden hat; eine fürsorgende Gattin und Mutter, nachsichtig und gütig verzeihend gegen manche meiner Fehler, voll Verstehen für das, was ich bin, unbeirrt zu mir haltend im Glück wie im Unglück.« War mir die Verlobung des Kronprinzen völlig überraschend ge­ kommen, so konnte ich bei meinem Zweitältesten Bruder miterleben, wie sich eine Bekanntschaft allmählich zum Verlöbnis entwickelte. Für einen angehenden Backfisch, wie ich es damals war, ein interessanter Vorgang. Eitel Fritz hatte ursprünglich sehr für die Schwester Carl Eduards von Coburg, Prinzessin Alice, geschwärmt. Man überlegte, ob die Verwandt­ schaft zwischen ihnen nicht zu nahe wäre. Ihr Vater, der Herzog von Albany, war ein Bruder unserer Großmutter Viktoria. Alice vermählte sich dann mit Fürst Alexander von Teck, während Eitel Fritz mit der Zeit seine Zuneigung für die Herzogin Sophie Charlotte von Oldenburg entdeckte, eine Tochter des Großherzogs Friedrich August. Auch sie war mit uns verwandt, wenn auch nicht so nahe wie Prinzessin Alice. Ihre Mutter war eine Tochter des Prinzen Friedrich Karl von Preußen. Ich habe meine Schwägerin Sophie Charlotte sehr liebgewonnen. Sie war in ihrer Art ganz anders als Cecilie, hatte eine etwas rauhe Schale; aber wenn sie jemanden gern hatte, war sie ihm ein treuer Kamerad. Die Vermählung fand am Tage der Silbernen Hochzeit meiner Eltern statt. Wieder zog unter dem Jubel der Bevölkerung eine Braut in Berlin ein . . . Noch im selben Jahr verlobte sich mein Bruder August Wilhelm. Meine Mutter machte sich hierüber folgende Aufzeichnung: »Im Dezem­ ber, gleich nach Weihnachten, überraschte August Wilhelm seine Brüder mit seiner Verlobung mit seiner Cousine Alix von Glücksburg, meiner Nichte, die fast wie eine Schwester für die Kinder schon vorher war, da ich die Kinder meiner Schwester so viel hier hatte. Natürlich hatte ich schon recht lange diese Neigung gemerkt, aber der nahen Verwandschaft wegen nicht recht gewünscht, da August Wilhelm aber zu seinem Vater 3 4 6

gegangen war und von ihm die Erlaubnis erhielt, da konnten wir uns doch nur freuen.« Die Braut, Prinzessin Alexandra zu Schleswig-Holstein-SonderburgGlücksburg, war die Tochter Herzog Friedrich Ferdinands und seiner Gemahlin Karoline Mathilde, einer Schwester meiner Mutter, in der Familie kurz »Calma« genannt. Unsere Cousine Alix war künstlerisch sehr begabt, vor allem im Malen. In diesen Talenten und Neigungen traf sie sich mit August Wilhelm. Als sie 1908, am 50. Geburtstag meiner Mutter, heirateten, bezogen sie in Potsdam die »Villa Liegnitz«, die sie bezaubernd herrichteten. Die »Villa Ingenheim«, das Haus meines Bruders Eitel Fritz, wurde zum Mittelpunkt der Offizierkorps des 1. Garde-Regiments und der LeibGarde-Husaren. Das Haus August Wilhelms, am Park von Sanssouci an der Friedenskirche gelegen, erlangte einen Ruf als Treffpunkt von Künst­ lern und Gelehrten. Die »Villa Liegnitz« selbst war einst von Friedrich Wilhelm IIL für seine zweite Gemahlin, die Fürstin Liegnitz, erbaut worden. Es war ein entzückendes Domizil, und Alix und August Wil­ helm gelang es, das Innere stilgerecht auszugestalten und den Garten in ein kleines Paradies zu verwandeln. Ich habe wundervolle Stunden dort verlebt. August Wilhelm liebte es wie ich, draußen zu sitzen. Und so haben wir, wann immer es sich ein­ richten ließ, auf den kleinen, italienisch anmutenden Terrassen gesessen. Von ihnen konnte man auch, ohne selbst wahrgenommen zu werden, auf die vorbeiführende Straße sehen. Besonders amüsant war das zu Him­ melfahrt, wenn die beliebten »Herrenpartien« vorüberzogen. Da fuhren die Kremser an uns vorbei, in denen man sich auf Bänken gegenübersaß, meist ein Faß Bier in der Mitte. Strohhüte und Mützen saßen tief und frech auf den Köpfen, und Plakate kündeten von dem Zweck der Aus­ fahrt: »Los von Muttern!« Wenn es sehr heiß war oder die Stimmung schon recht fortgeschritten, hatten die Ausflügler die Jacken ausgezogen und die Hosenträger kamen so recht zur Geltung. Selbstverständlich wurden dann auch die Ärmel hochgezogen, wobei die damals in Mode befindlichen »Röllchen« — das waren lose Manschetten, die mit einem Gummizug gehalten wurden — lustig an den Spitzen der Spazierstöcke herumbaumelten, an denen man sie befestigt hatte. Die vom Wohlstand der guten alten Zeit zeugenden Rundungen, die viele der Zecher vor sich hertrugen, vervollkommneten das heitere Schauspiel. Witze und Scherz­ worte flogen hin und her. Es war ein Bild der Zufriedenheit und des be­ schaulichen Lebens, das sich uns da bot. 3 4 7

Der nächste meiner Brüder, der unserem Vater die Absicht zu heiraten unterbreitete, war Oskar. Als sidi die Brüder einmal darüber unterhalten hatten, welches Ideal die zukünftige Lebensgefährtin ver­ körpern müßte, hatte er schlidit gesagt: »Gut muß sie sein!« Die gütige Frau, die er sich wünschte, glaubte er in der Gräfin Ina Marie BassewitzLevetzow, einer Hofdame meiner Mutter, gefunden zu haben. Sie ent­ stammte meddenburgisdiem Uradel, und ihr Vater war Ministerpräsi­ dent und Minister des Großherzoglichen Hauses in Schwerin. Nach den preußischen Hausgesetzen galt die Gräfin jedoch nidit als ebenbürtig, und der Kaiser konnte sich nicht entschließen, der Bitte Oskars um die Heiratsgenehmigung zu entsprechen. Jahr für Jahr verging; die beiden Liebenden standen treu zueinander. Schließlich, im Mai 1914, willigte mein Vater ein. Die Ehe meines Bruders Oskar wurde außerordentlidi glücklich. Mein Vater, der so lange gezögert hatte, gewann schnell ein besonders ver­ trauensvolles Verhältnis zu dieser Schwiegertochter. Wie uneingeschränkt die Anerkennung war, die er ihr zollte, spricht auch aus diesen Sätzen, die er mir später nach einer schweren Erkrankung meines Bruders schrieb: »Gott sei Dank, daß es mit Oskar wieder besser geht. Die arme Mietze (das ist der familiäre Rufname meiner Schwägerin Ina Marie), was hat sie durchgemacht, und wie famos hat sie ausgehalten! Gott gebe, daß es ihr nicht schadet! Sie hat sich doch wieder in ihrer ganzen Vortrefflichkeit, ihrem prachtvollen Charakter gezeigt! Eine Perle. Glück­ licher Junge, von solcher Frau gepflegt zu werden!« Mein Bruder Oskar legte — als er 1945 im Feuerorkan des Zusammenbrudis in Potsdam ausharrend mit dem Leben abschloß, — in einem an mich gerichteten Brief, von dem er annahm, daß es wohl sein letzter wäre, das Bekenntnis ab: »Ich habe mein Leben hinter mir, und es war durch Gottes Gnade schön trotz vielem Schweren . .. Du hast meine ganze Vorgeschichte mit Mietze erlebt, Ihr wart damals so rüh­ rend, uns in Braunschweig Zusammenkommen zu lassen. Du hast immer zu uns gestanden. Und ich weiß, daß Du Mietze liebhast. — Als Ab­ schluß darf ich Dir sagen: Mietze war mir in diesen 31 Jahren a l l e s . Sie war der gute Geist meines Hauses, sie war mir alles, Frau, Freund, treuester Kamerad, unbestechlich klarer und kluger Ratgeber. Sie leitete nicht nur den Haushalt spielend bis ins kleinste, alle Blumen gediehen unter ihren lieben Händen. Sie hat auch in den schwersten Lagen nie versagt. Sie hat mir in 30 Jahren nie einen falschen Rat gegeben. Und ich liebe sie noch genauso, wie damals als Braut, nur noch viel gereifter. 3 4 8

Sage ihr, daß mein letzter Segenswunsch und Dank ihr gilt. — Vier Kinder hat sie mir gesdienkt, alles Gute haben sie von ihr gehabt. Sie war der weitaus wertvollere Teil in unserer Ehe, Gott behüte sie!« — Jetzt, da ich diesen Bericht zum Absdiluß bringe, führte das Schick­ sal meine Schwägerin Ina Marie und mich wieder in Braunschweig zu­ sammen, der Stadt, in der ich einst ihr und meinem Bruder Oskar helfen konnte, die Schranke, die ihrem Glück entgegenstand, zu öffnen. Sie war trotz aller Beschwernisse gekommen, um an meinem 75. Geburtstag bei mir zu sein. Meine Gedanken gingen zurück zu jenen Maientagen des Jahres 1914, als sich zur Taufe meines ersten Sohnes auch Ina Marie und Oskar in der historisdien Weifenstadt eingefunden hatten. Noch einmal nahm ich das Tagebudi meiner Mutter zur Hand, nach­ blätternd, was sie wohl über jenes Ereignis aufgezeichnet haben möchte. Was ich da fand, lautete: »Den Täufling ihres Landes benutzte die glückliche Mutter, um für das Glück ihres Lieblingsbruders bei ihrem Vater eine Bitte einzulegen. Mein Sohn hatte seit Jahren die Gräfin Ina Marie Bassewitz geliebt, doch wollte sein Vater die Einwilligung dafür nidit geben. An diesem Tag wurde sein Herz weich, und am 19. Mai, also 10 Tage später, erlaubte er die Verlobung. Also wird hoffentlich aus dem Braunsdiweiger Glück Oskars Glück mitwachsen.« Damals, im Frühling des Jahres 1914, sdiien es nur Freude und Sonne zu geben. Ich hatte den Mann heiraten dürfen, den ich liebte. All die vielen Schwierigkeiten, die dem im Wege gestanden hatten, waren hinweggeräumt worden. Ja, unsere Heirat, so verstand man es überall, hatte den Bruderzwist zwischen Hohenzollern und Welfen aus der Welt geschafft. Mein Schwiegervater hatte an meinen Vater schreiben können: »Eure Majestät, Zwar habe idi, meinem Herzen folgend. Dir — so darf ich Dich, wie die teure Sissy mir wiederholt gesagt hat, ja nennen — wegen der Regelung der Braunschweigischen Thronsache meinen tiefgefühlten innig­ sten Dank schon telegraphisch ausgesprochen, aber es ist mir doch Herzensbedürfnis, diesem Dank auch noch brieflich Ausdruck zu geben. Durch Deine gnädigen Entschließungen ist es ermöglicht, daß die Ver­ handlungen zu einem günstigen und befriedigenden Abschluß gelangen konnten. Ich erblicke in Deinen Entschließungen den Beweis Deines be­ sonderen Vertrauens, und es erfüllt mich nicht nur mit innigem Dank, sondern auch mit Freude und Genugtuung, daß Du Dich von der Auf­ 349

richtigkeit und Loyalität meiner und meines Sohnes Gesinnungen über­ zeugt hast. Möge Gott Deine hochherzige Tat reichlidi lohnen und unseren Kin­ dern eine glückliche Zukunft besdieren. Darf ich Dich bitten, midi Ihrer Majestät zu Füßen zu legen. Meine Thyra sendet Dir und der Kaiserin ihre herzlichsten Grüße. Ich verharre als Eurer Majestät dankbarst ergebener Vetter Ernst August.« Mein Vater hatte geantwortet: »Lieber Vetter und Freund! Habe aufrichtigen Dank für Deinen freundlichen Brief vom 1. d. Mts. Auch ich begrüße es mit ungeteilter Freude, daß die Verhand­ lungen in der Braunschweigischen Thronsache zu einer so glücklichen Lösung geführt haben. Dabei gereicht es mir zu besonderer Genugtuung, daß alle deutschen Bundesfürsten das Vertrauen, welches ich zu Dir und meinem Schwiegersohn hege, ausnahmslos teilen, wofür der einstimmige Beschluß im Bundesrat beredtes Zeugnis ablegt. Victoria und ich wissen uns eins mit Euch in der Hoffnung, daß unsern lieben Kindern eine glückliche Zukunft und unserm Schwiegersohn eine lange Regierung beschieden sein möge zum Segen Braunschweigs und des ganzen deutschen Vaterlandes. Meine Frau erwidert herzlichst Eure Grüße, und ich bitte Dich, der verehrten Herzogin meinen Handkuß zu übermitteln. In freundschaftlicher Gesinnung verharre ich, lieber Vetter Dein treuer Vetter und Freund Wilhelm.« Im November 1913 waren mein Mann und ich dann, von Rathenow, der Garnison der Zietenhusaren, kommend, in Braunschweig eingezogen. Ich war Landesmutter geworden, wie man es damals nannte. Zwar hatte in der Hauptstadt des Herzogtums all und jedes andere Dimensionen als in Berlin und Potsdam, und waren mir die meisten der Familien, die uns umgaben, bisher fremd — doch eher, als ich gedacht, fühlte ich mich in der kleinen Residenz zu Hause. Bald auch kannte ich die Hofchargen so gut wie die am Kaiserhof. Hofmarschall war Herr v. Klencke, Ober­ stallmeister Freiherr v. Girsewald, Oberkammerherr Exzellenz v. Lüne­ burg, Ober-Zeremonienmeister Freiherr v. Münchhausen, Zeremonien­ meister Gramer v. Clausbruch, Oberjägermeister Freiherr v. Marenholtz und Generalintendant des herzoglichen Hoftheaters Freiherr v. Wangen­ heim. Zu meinem Gefolge gehörte Freifrau v. d. Bussche-Streithorst als 350

Oberhofmeisterin und als Hofdame Gräfin Bernstorff. Den Dienst als Flügeladjutanten des Herzogs versahen Oberst Freiherr Knigge und Hauptmann v. Grone. Dann, im März 1914, brachte ich unser erstes Kind zur Welt. Voller Seligkeit vernahm ich: »Es ist ein Junge!« Meine Mutter hatte es sich nicht nehmen lassen, mir in den schweren Stunden beizustehen. — Der Reichstag und das Preußische Abgeordnetenhaus gratulierten. Extra­ blätter, Ovationen und Glückwünsche. Im braunschweigischen Landtag erklärte der Präsident: »Meine Herren! Diese frohe Kunde, die in der frühen Morgenstunde das Herzogtum durcheilt hat und sicherlich jetzt bis in die fernsten Ort­ schaften desselben gedrungen sein wird, hat auch uns alle mit hoher und reiner Freude erfüllt. Wir teilen die Freude des hohen Elternpaares, wir teilen die freudige Erregung der Bevölkerung, daß heute dem Lande ein Erbprinz geboren ist und daß demnadi nach menschlicher Voraussicht das Weiterblühen des alten Herrsdierhauses gesichert ist.« Wie die Hauptstadt eines Herzogtums die Geburt des Erbprinzen beging, läßt sich mit bildhafter Anschaulichkeit den damaligen Berichten der Presse entnehmen: »Zum Schlosse, auf dessen Dache die große herzogliche Hausflagge lustig im Winde wehte, zog der Strom der freudig bewegten Menge und staute sich unter den Fenstern zu Füßen der Bronzedenkmäler der braun­ schweigischen Heldenherzöge in Erwartung, daß der Herzog sich an den Fenstern zeigen werde. Plötzlich öffnen sich die Türflügel des Balkons über dem Mittelportale, und brausender Jubelruf, immer wiederholt, nichtendenwollend, tönt dem Herzoge entgegen, der, durch diese spon­ tane Huldigung der Bevölkerung seiner Residenzstadt freundlich be­ rührt, nickend und winkend, für diese Beweise der Teilnahme dankt. Und während unten das Volk jubelt und auf dem Balkon der Herzog dankt, übertönt ein dumpfes Surren und Brausen und Brummen die Hochrufe der Menschenmenge. Zwei Flugapparate erscheinen hoch oben am strahlend blauen Himmel, dem Herzogspaare und dem Erbprinzen ihre Huldigungen darzubringen.« Und weiter liest man: »Schon kurz nach 7 Uhr morgens war der Löwenwall das Ziel vieler Einwohner der Stadt, die Zeuge sein wollten von dem historisch-interes­ santen Schauspiel der Abgabe des Freudensaluts durch die Artillerie. In dichten Reihen hielt die Menge die Zugänge zu dem Platze besetzt, und immer dichter wurden die Menschenmauern, je näher die ursprünglich 351

festgesetzte Zeit zur Abgabe des Saluts heranrückte. Dieses sollte um 8 Uhr erfolgen. Doch mußte sich die Menge nodi mit Geduld wappnen, denn es war bekannt geworden, daß die Batterie kurz vor 8 Uhr in Wolfenbüttel abgerückt sei und demnadi erst etwa in einer Stunde werde eintreffen können. 5 Minuten vor 9 Uhr hörte man von der Wolfenbütteler Straße her die Klänge der deutschen Nationalhymne und des Marsches >Wir lustigen BraunschweigerGeehrte Herren! In schicksalsschwerer Stunde habe Ich die gewählten Vertreter des deutschen Volkes um Mich versammelt. Fast ein halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Weg des Friedens verharren. Versuche, Deutsch­ land kriegerische Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat Meine Regierung auch unter heraus­ fordernden Umständen die Entwicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge ge­ wesen, wie unermüdlich wir in dem Drang und den Wirren der letzten Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen. 355

Die sdiwersten Gefahren, die durch die Ereignisse am Balkan herauf­ beschworen waren, sdiienen überwunden. Da tat sich mit der Ermordung Meines Freundes, des Erzherzogs Franz Ferdinand, ein Abgrund auf. Mein hoher Verbündeter, der Kaiser und König Franz Joseph, war ge­ zwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines Reichs gegen gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten Interessen ist der verbündeten Monarchie das Russische Reich in den Weg getreten. An die Seite ÖsterreichUngarns ruft uns nicht nur unsere Bündnispflicht. Uns fällt zugleich die gewaltige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den Ansturm feindlicher Kräfte zu schirmen. Mit schwerem Herzen habe Ich Meine Armee gegen einen Nachbar mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen Schlachtfeldern gemein­ sam gefochten hat. Mit aufrichtigem Leid sah Ich eine von Deutsdiland treu bewahrte Freundschaft zerbrechen. Die Kaiserlich russische Regie­ rung hat sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nach­ gebend, für einen Staat eingesetzt, der durch Begünstigung verbreche­ rischer Anschläge das Unheil dieses Krieges veranlaßte. Daß auch Frank­ reich sich auf die Seite unserer Gegner gestellt hat, konnte uns nicht überraschen. Zu oft sind unsere Bemühungen, mit der Französischen Republik zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoff­ nungen und alten Groll gestoßen. Geehrte Herren! Was menschliche Einsicht und Kraft vermag, um ein Volk für die letzten Entscheidungen zu wappnen, das ist mit Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Die Feindseligkeit, die im Osten und im Westen seit langer Zeit um sich gegriffen hat, ist nun zu hellen Flammen aufgelodert. Die gegenwärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Interessenkonflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor, sie ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Übelwollens gegen Macht und Gedeihen des Deutschen Reichs. Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den Gott uns gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter. Aus den Schriftstücken, die Ihnen zugegangen sind, werden Sie er­ sehen, wie Meine Regierung und vor allem Mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemüht waren, das Äußerste abzuwenden. In aufgedrunge­ ner Notwehr mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das Schwert. 3 5 6

An die Völker und Stämme des Deutschen Reichs ergeht Mein Ruf, mit gesamter Kraft, in brüderlichem Zusammenstehen mit unseren Bun­ desgenossen, zu verteidigen, was wir in friedlicher Arbeit geschaffen haben. Nach dem Beispiel unserer Väter fest und getreu, ernst und ritter­ lich, demütig vor Gott und kampfesfroh vor dem Feind, so vertrauen wir der ewigen Allmacht, die unsere Abwehr stärken und zu gutem Ende lenken wolle! Auf Sie, geehrte Herren, blickt heute, um seine Fürsten und Führer geschart, das ganze deutsche Volk. Fassen Sie Ihre Entschlüsse einmütig und schnell — das ist Mein inniger Wunsch.< Seine Majestät fügten hinzu: >Sie haben gelesen, meine Herren, was Ich an Mein Volk vom Balkon des Schlosses aus gesagt habe. Hier wiederhole Ich: Ich kenne keine Parteien mehr. Ich kenne nur Deutsche.< (Langanhaltendes, brausendes Bravo.) >Zum Zeichen dessen, daß Sie fest entschlossen sind, ohne Parteiunter­ schiede, ohne Stammesunterschiede, ohne Konfessionsunterschiede durch­ zuhalten mit Mir durch dick und dünn, durch Not und Tod, fordere Ich die Vorstände der Parteien auf, vorzutreten und Mir das in die Hand zu geloben.< Die Parteiführer kamen dieser Aufforderung nach unter stürmischem, andauerndem Bravo. Darauf trat der Reichskanzler vor und erklärte den Reichstag für eröffnet. Nach erneutem Hcxh, ausgebracht vom Königlich bayerischen Ge­ sandten Grafen von und zu Lerchenfeld-Köfering, stimmten die Ver­ sammelten in Begeisterung >Heil Dir im Siegerkranz< an, das Seine Majestät stehend anhörten. Während Seine Majestät, nach allen Seiten mit Dank grüßend und vielen Abgeordneten die Hand huldvoll reichend, den Saal verließen^ ertönten fortgesetzt brausende Hurrarufe.«

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NAMENVERZEICHNIS

A b b e, E rn st 297 A ck m a n n , F ried rid i 16 f. A d a lb ert, P rin z v . P reu ß en (d. A lt.) 2 98 , 302 A d a lb ert, P rin z v. P reuß en 149 f., 163, 179, 222, 254, 303 f., 324 A d elh eid , H erzo g in zu S d ile sw ig -H o lstein-Son derb urg-A ugu stenb urg 79 f., 82, 84, 87 f., 90 ff., 95 A d o lf, G ro ß h erzo g v. L u x em b u rg 262 A d o lf, P rin z zu Schaum burg-Lippe 116 A d o lf G eo rg , F ürst zu S chau m bu rg-L ipp e 249 A lb e d y ll, E m il v. 97, 241 A lb e r t, K ö n ig v. Sachsen 137, 194, 222, 254 , 2 5 7 f. A lb ert, P rin z v. Sachsen -C obu rg u. G oth a, P rin ce C o n so rt 52 ff., 80, 106, 111 A lb ert, P rin z zu S c h lesw ig -H o lstein 105 f. A lb rech t, P rin z v. P reu ß en 233 A lb rech t, E rzh erzo g v . Ö sterreich 260 A lb rech t, H er z o g v . W ü rttem b erg 260 A ld a g , F riedrich 16 A lex a n d er I., K aiser v. R u ß la n d 33 f., 39, 170 A le x a n d e r IL, K aiser v. R u ß la n d 106 A lex a n d er, P rin z v. H essen 113 A lex a n d ra , G ro ß h erzo g in v. M eck len ­ b u rg-S ch w erin 344, 353 A lex a n d ra , P rinzessin v. P reu ß en 346 f., 353 A lex a n d ra F eo d o ro w n a , K aiserin v. R u ß ­ land 111 A lex a n d rin e, K ö n ig in v . D ä n em a rk 344 A lfred , H e r z o g v . S a ch sen -C ob u rg u. G o th a 106 f. A lice , G ro ß h erzo g in v. H essen 5 3 ,1 1 0 ff. A lice , P rin zessin v . G riech en lan d 114 A m ad eu s, H e r z o g v . A o sta 137 A m a lie, P rin zessin v . P reu ß en 133 A m a lie, P rin zessin zu S c h le sw ig -H o lstein S on d erb u rg -A u g u sten b u rg 87 f. A n astasia M ichailow na, G ro ß h e rz o g in v. M eck len b u rg-S ch w erin 139, 343 f. A n dreas, P rin z v. G riech en lan d 114 A n g eli, H ein rich v . 156 f. A n n a , L an d gräfin v. H ^ s e n 116, 120 f. d ’A rgen s, M arquis 130, 134 A r th u r, H e r z o g v. C o n n a u g h t 107 ff., 114 A r th u r, H e r z o g v. C o n n a u g h t (d. Jüng.) 107, 109 A sseb u rg -F a lk en stein , L u d w ig G raf v. 228 A u g u st IL, K ö n ig v. P o len s. Friedrich A u g u st L, K u rfü rst v. Sachsen A u g u sta , D eu tsch e K aiserin 43 f., 52 ff., 82, 95 f., 98, 100, 111 f., 161, 166,

193, 205 f., 314 A u gu sta, G ro ß h erzo g in v. M ecklenbu rgS tr e litz 138 A u gu ste, P rin zessin v. B ayern 250 A u g u st W ilh elm , P rin z v. P reu ß en (d. A lt.) 36 A u g u st W ilh elm , P rin z v. P reu ß en 13 f., 17, 148, 150, 171, 175, 178, 222, 239, 325, 329, 346 f. B achm ayr, P aul 330 B aiding, K ath arin e 145 f. B allestrem , F ranz G raf v. 284 B allin , A lb e r t 297 B arnard, M iss K atie E. 145, 310 B asserm ann, E rn st 282 B assew itz, In a-M arie G räfin s. Ina-M arie, P rin zessin v. P reuß en B a ssew itz -L e v etz o w , K arl G raf v. 348 B eatrice, P rin zessin v. B a tten b erg 113 f. B eau lieu , Susanne C h ales de 220 B eb el, A u g u st 284 ff. Begas, R ein h o ld 171, 222 B en n igsen , R u d o lf v. 270, 282, 315 Bergsträsser, L u d w ig 280 B ern h ard , H e r z o g v. S achsen -M einingen 63, 115 ff., 119 B e rn sto r ff, V ic to ria G räfin v. 100 B ern sto rff, K arolin e G räfin v. 351 B erstett, v. 244 B erth ier, A lex a n d re 32 f., 170, 337 Bessi^res, Jean B ap tiste 32 B eth m a n n H o llw e g , T h eo b a ld v. 296, 299 f., 355 ff. B ism arck, Joh an n a F ü rstin v. 96 B ism arck, O t t o Fürst v . 38 ff., 56 ff., 63, 84 ff., 88, 94, 96, 101, 117, 120, 137, 191 ff., 2 06, 250, 269, 277, 279 f., 282, 284, 293, 314 f. Bism arck, T h ed a G räfin v. s. K n y p h au sen , T h ed a F ürstin v. B issing, M oritz Frhr. v. 328 B leib treu , G eo rg 241 Blücher, G eb h ard L eberecht F ü rst v. 314 B lu m en th a l, L eon h ard G raf v. 50 f., 58, 193, 267 Bock, A d o lf 304 B ode, M arie 168 B od e, W ilh elm 168 B öh m e, M artin H ein rich 186 B os, V. de 337 B o lz, E u gen 278 B ro ck d orff, T herese G räfin v. 98, 138, 159 ff., 204 f., 235 Brühl, H e d w ig G räfin v . 161 B ü h rin g, J oh an n G o ttfried 134 B ü lo w , B ern hard Fürst v. 73 f., 158 f., 209, 237 f., 251, 271, 283 f., 295 f.

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B ü low , G abriele v. 162 B ü lo w , M aria F ürstin v . 237 B ussd ie-Streithorst, G ertru d F reifrau v. d. 350 f.

C an terbu ry, A rd ib ish o p o f 115 C ap riv i, L eo G af v. 298 C ap riv i, v . 244 C arl E duard, H e r z o g v. S a d isen -C ob u rg u. G otha 106 ff., 346 C arm en S y lv a s. E lisa b eth , K ön igin v. R u m ä n ien C au er, L u d w ig 74 C e c ilie, D eu tsch e K ro n p rin zessin 144, 150, 163, 195, 31 8 , 343, 345 f., 353 C h am ier, J. D a n iel 2 37 f. C h a rlo tte , K aiserin v . R u ß la n d 56, 259 C h a rlo tte , H e r z o g in v . Sach sen -M ein in ­ gen 63, 115 f., 119 C h a rlo tte , K ö n ig in v . W ü rttem b erg 259 C h eliu s, O skar v . 244 C h ristia n L, K ö n ig v . D ä n em a rk 80 C h ristia n IX ., K ö n ig v . D ä n em ark 81, 83, 197, 263 C h ristia n X ., K ö n ig v . D ä n em ark 344 C h ristia n , P rin z z u S c h le sw ig -H o lstein S on d erb u rg -A u g u sten b u rg 92, 105 f, C h ristia n A u g u st, H e r z o g zu Schlesw igH o lstein -S o n d er b u rg -A u g u sten b u r g 81 ff., 88 f., 98 C h ristia n V ik to r , P rin z zu Schlesw igH o lstein -S o n d er b u rg -A u g u sten b u r g 105 C icero , M arcus T u lliu s 26 C o n y n g h a m , L ord 115 C ram er v . C lausbruch, A u g u st 350 C u rtiu s, E rnst 60

D a w so n , M rs. s. B arnard, K atie E. D ein es, G u sta v A d o lf v . 255 D ern b u rg , B ern hard 294 ff. D ern b u rg , F riedrich 295 D ern b u rg , H ein rich 295 D ib eliu s, D . 92, 95 D isra eli, B enjam in 248 D ö h rin g , B runo 15 D ö n h o ff, B ernhard G ra f zu 228 D ö n h o ff, G räfin s. Sch w erin , G räfin D o m b ro w sk i, Erich 236 D om m es, E lisabeth v . s. K a n itz, Gräfin D om m es, W ilh elm v . 24 4 , 2 7 5 , 353 D o r o th e a , H e r z o g in zu S ch lesw ig -H o lstein -S o n d erb u rg -A u g u sten b u rg 106 D ry a n d er, E rnst v. 150, 180, 194, 345 D u m a s, A lex a n d re 168 D u n a n t, H e n r y 45 D u ro c , M id iel 33, 170

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E b elin g, C u rt 352 E du ard V I i., K ö n ig v. E n glan d 55 f., 68 ff., 75, 114, 136, 231, 244 E du ard , H e r z o g v. K en t 79 E duard, H erzo g v. W ind sor, 109 f., 113 f., 338 E gan -K rieger, Jen ö v . 330 E glo ffstein , H ein rich F rhr. v. u. zu 233 E itel-F ried rich , P rin z v . P reu ß en 107 f., 157, 171 f., 222, 2 4 3 , 254, 323, 325, 329, 344, 346 f. E lisab eth , K ö n ig in v. P reu ß en 54, 171, 250 f. E lisab eth , K ö n ig in d. B elgier 254 E lisab eth II., K ö n igin v . E n glan d 114 E lisab eth , K ön igin v. R u m ä n ien 261 E lisab eth , E rb gro ß h erzo g in v. O ld en b u rg 346 E lisab eth , G ro ß fü rstin v . R u ß la n d 111 E lisabeth C h ristin e, D eu tsch e K aiserin 187 E lisab eth C h ristin e, K ö n ig in v. P reuß en 36, 191, 247 f. E m m a, K ö n ig in d. N ie d e rla n d e 321 E n gels, Friedrich 285, 318 E osan d er v. G ö th e , Joh an n F riedrich 18, 186, 188 E rnst II., H e r z o g v. Sach sen -C ob u rg u. G o th a 57, 96, 106, 137 E rn st, H e r z o g zu S ach sen -A lten b u rg 249 E rn st A u g u st, K u rfü rst v. H a n n o v e r 36 E rn st-A u g u st, K ön ig v. H a n n o v e r 37, 81, 142, 195 E rn st A u g u st, H e r z o g v . C u m b erlan d 142, 195, 339, 344, 349 f. E rn st A u g u st, H e r z o g zu B raunschw eig u n d L ü n eb u rg 14, 17, 37, 114, 122, 142, 148, 163, 195, 197, 199, 239, 253, 258, 260, 339 f., 344, 350 f., 353 ff. E rn st A u gu st, P rin z v . H a n n o v e r 349, 351 f., 354 E rn st G ü n th er , H e r z o g zu Schlesw igH o lstein -S o n d er b u rg -A u g u sten b u r g 90, 97 f., 106 E rzb erger, M atthias 278 f., 283 f. E saka, R u d o lf 294 E sebeck, W alter Frhr. v. 228 Essad Pascha 261 f. E storff, V. 244 E u g en ie, K aiserin v. F ra n k reid i 80 E u len b u rg, A u gu st G raf v. 71, 142, 200 f., 21 0 , 213, 219, 229 ff., 239, 353 E u len b u rg, E leo n o re G räfin v . 169 E u len b u rg, V ik to ria G räfin v. 230 E vers, P farrer 91 Faber, W ilh elm 222 F eod ora, P rinzessin zu S ch lesw ig -H o lstein S on d erb u rg -A u g u sten b u rg 90, 158

F erdinan d, K ö n ig v . B ulgarien 238, 263 F erdinan d A lb r e d it II., H e r z o g v o n B ra u n sch w eig -W o lfen b ü ttel-B ev ern 36 F lem m in g , Jakob H ein rich G raf v. 25 F lex, W alter 127 Foch, F erdinan d 325 F ran ck en stein , G eorg A rb o g a st F rhr. v. 278 Frank, L u d w ig 287 Franz, P rin z v . B ayern 353 F ranz F erdinan d, E rzh erzo g v. Ö sterreich 356 F ran z J osep h , K aiser v. ö s t e r r e id i 85, 194, 21 5 , 353, 356 F ranz J osep h , P rin z v. H o h c n z o lle r n S igm arin gen 258 F rey ta g , G u sta v 60 F risd eb u rg, v. 244 F ried erik e, K ö n ig in v. P reu ß en 191, 215 F ried erik e, K ö n ig in v. H a n n o v e r 28, 35, 37, 215 F ried erik e, K ö n ig in v . G riech en lan d 114 F ried erik e, M arkgräfin v . B ran d en b u rgA nsbach 190 Friedrich I., K u rfü rst v. B ran d en b u rg 125, 185 F riedrich II., K u rfü rst v. B ran d en b u rg 185 Friedrich I., Barbarossa, D eu tsch er K aiser

247^ F riedrich I., K ö n ig v . P reu ß en 18, 24, 36, 127, 185 f., 189, 195 f., 202, 337 Friedrich d. G roße 17, 23 ff., 34 ff., 101, 126 ff., 143, 169 f., 181, 188, 213, 220 f., 23 8 , 241 f., 247 f., 335 F riedrich III., D eu tsch er K aiser 30, 40 ff., 47, 49 ff., 68 f., 75, 82 ff., 92 ff., 106, 110 ff., 115 f., 134 f., 137 f., 147, 155, 162, 172, 225, 22 9 , 23 1 , 241 ff., 247, 255, 2 5 9 , 282, 300, 314 f., 320 Friedrich V II., K ö n ig v. D ä n em a rk 83 Friedrich I., G ro ß h erzo g v . B aden 44, 60, 86 f., 90, 249 F riedrich, F ürst v. H o h e n z o lle rn -S ig m a rin g en 258 Friedrich, H e r z o g v. S c h le sw ig -H o lstein S o n d erb u rg -A u g u sten b u rg 77, 80 ff., 90 ff., 105, 122 F riedrich, M ark graf v . B ra n d en b u rg-B ay­ reu th 190 F riedrich, P rin z v. A u g u ste n b u r g -N o e r 81 F riedrich A u g u st I., K u rfü rst v. Sachsen 187, 190 F riedrich A u g u st III., K ö n ig v. Sachsen 25 6 ff. F riedrich A u g u st, G ro ß h erzo g v. O ld e n ­ b u rg 346

Friedrich C h ristia n , M arkgraf v. M eißen 259 Friedrich F erd in an d , H e r z o g v. Schlesw ig -H o lstein -S o n d erb u rg -G lü ck sb u rg 108, 347 Friedrich F ran z I., H er z o g v. M eck len ­ b u rg-S ch w erin 343 Friedrich F ranz II., G ro ß h erzo g v. M eck­ len b u rg-S ch w erin 249 F riedrich F ran z III., G ro ß h erzo g v. M eck­ len b u rg-S ch w erin 344 Friedrich F ran z IV ., G ro ß h e rz o g v. M ecklenburg-Schw erin 294, 343 f., 353 f. Friedrich K arl, P rin z v. P reuß en 49 f., 109, 116, 120, 2 7 3 ,3 2 6 ,3 4 6 Friedrich K arl, L and graf v. H essen 116 ff.,

121 Friedrich W ilh elm d. G roß e K u rfü rst 24, 125, 127, 136, 185, 188 f. Friedrich W ilh elm L, K ö n ig v. P reuß en 17, 24 f., 36 f., 99, 130, 169, 186 ff., 190, 220 f., 332 Friedrich W ilh elm II., K ön ig v. P reußen 36 f., 130, 190, 198, 215, 233, 250 Friedrich W ilh elm III., K ön ig v. P reuß en 28, 30 ff., 37 ff., 42 f., 65, 170, 190 f., 206, 241, 314, 347 Friedrich W ilh elm IV ., K ö n ig v . Preuß en 39 f., 42, 54, 81 f., 160, 171, 186 f., 191, 203, 220, 2 2 8 ,2 5 1 ,3 2 7 f., 337 Friedrich W ilh elm I., K urfürst v. H essen 120 f. Friedrich W ilh elm , L an d graf v . H essen 116, 120 f. Friedrich W ilh elm , H er z o g v . B raun­ schw eig 258 f. Friedrich W ilh elm , G roß h erzog v. M ecklen bu rg-S trelitz 249 Fürstenberg, Irm a Fürstin zu 227 F ürstenberg, M axim ilian E gon Fürst zu 195, 225 ff. G ab len z, L u d w ig v. d. 58 f., 84 f. G alen, Friedrich G raf v. 278 G arbe 352 G arlin 214 G elieu , v. 337 G eorg L, K ö n ig v. E nglan d 37 G eorg IIL , K ön ig v. E n glan d 37, 79 G eorg V ., K ön ig v. E ngland 113 f., 195, 353 G eorg I., K ön ig v. G riechenland 263 G eorg II., K ön ig v. G riechenland 67 G eorg II., H er z o g v. Sachsen-M einingen u. H ild b u rgh au sen 249 G eorg, K ön ig v. Sachsen 257 G eorg, Fürst zu Schw arzbu rg-R udolstad t 249

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G eorg W ilh elm , P rinz v. H a n n over (d. Ä lt.) 339 G eorg W ilh elm , P rin z v . H a n n o v er 114 G eorg L u d w ig, K urfürst v . H an n o v er s. G eorg I., K ön ig v. E nglan d G eorg V ictor, Fürst zu W aldeck u. P y r ­ m ont 249 G erlach, P h ilip p 169 G ersdorff, C laire v . 131, 138, 143, 163 f., 1 7 5 ,2 3 5 G ersdorff, H erm ann v. 163 G ersdorff, K lara v . 163 G iese, Benjam in 128 G ih rin g, K urt 45 G irsew ald , W ilh elm Frhr. v. 350 G len zen d o rf 175 G oen s, G . 150 G örtz, G raf 25 f. G oeth e, C ornelia 27 G oeth e, Johan n K aspar 27 G oeth e Johan n W o lfg a n g v . 27 f., 30, 43 G oeth e, K atharin a E lisabeth 27 f. G o ltz , C olm ar Frhr. v . d. 297, 325 ff. G ontard, C arl v . 134, 238 G on tard , H a n s v. 23 3 , 238 f., 353 G ooch, G eorge 66 G oschen, Sir E d w ard 353 G oß ler, H einrich v . 73 G ravenreuth, Frhr. v . 294 G röber, A d o lf 284 G rolm ann , v . 161 G ron e, H a n s-H ein rich v. 351 G rube, M ax 131 G rum m e, v . 244 G ünther, Fürst zu Schw arzburg-Sondershausen 249 G w in n er, A rthur v. 297 H a a k o n V I., K ö n ig v. N o r w e g en 136 H än d ler, W ilh elm 32 8 , 353 H aeseler, G o ttlieb G ra f v. 325 ff. H a g el, Richard 354 H ah n k e, W ilh elm v . 73, 236, 241 f. H ah n k e, O berstlt. v . 236 H ard en , M ax im ilia n 279 H ard en berg, C arl H a n s G ra f v. 17, 31 H arrach, Ferdinand G ra f v . 60 H a tz fe ld , H erm ann Fürst v ., H erzo g zu Trachenberg 2 2 5 , 291 H au k e, G räfin Ju lie 113 H eid ert 134 H einrich d. L öw e 353 H einrich , P rin z v . P reuß en (d. Ä lt.) 133 H einrich, P rin z v . P reuß en 63, 111 ff., 119, 139, 236, 2 4 2 , 300 ff. H einrich , P rin z v. B attenberg 113 f. H einrich L X V IL , Fürst Reuss j. L. 249 H ein tze-W eissen ro d e, H einrich Frhr. v. 228

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H elen e, H erzo g in v . A lb a n y 107 H elen e, P rinzessin zu S ch lesw ig -H o lstein Sonderb urg-A ugu stenb urg 105 H en n in g, A d o lf 187 H ertel, A lb ert 74 H ertlin g , G eorg G raf v . 252, 278 H ertzb erg, E w a ld Friedrich G raf v . 26 H erw arth v . B itten feld , K arl Eberhard

120 H euss, T h eod or 275 f., 281 f. H eyd eb ran d u. d. Lasa, Ernst v. 275 ff. H ey d en , Baurat 188 H in zp eter, G eorg 61, 68, 271 H itle r, A d o lf 49, 305 H oh en au , W ilh elm G raf v. 71 H oh en loh e-L an gen b u rg, Ernst Fürst zu 79 f. H oh en loh e-L an gen b u rg, E rnst E rbprinz zu 107, 294 H oh en loh e-L an gen b u rg, F eod ora Fürstin zu 79 H o h en loh e-O eh rin gen , F ürst C hristian K raft zu 225 H oh en loh e-S ch illin gsfü rst, C h lo d w ig Fürst zu 97, 291 f. H olck , Erich G raf v . 330 H o llm a n n , Friedrich v . 298 H olzin g -B ersted t, Frhr. v . 244 H ü lsen , B oth o v. 101, 242 H ü lsen , D ietrich v . 242 H ü lsen , H elen e v . 242 H ü lsen -H aeseler, D ietrich G ra f v. 242 f., 278 H ü lsen -H a eseler, G eorg G ra f v . 181, 210, 242 H u m b o ld t, W ilh elm v . 43 f. Ih lefeld , H eim b ert 323 Ihne, Ernst v. 188 In a-M arie, P rinzesin v. P reußen 169, 348 f. Irene, P rinzessin v . Preuß en 111 ff., 303 Isenburg, F riedrich-W ilhelm 323 Jacob i, B aurat 75 J a g o w , V. 31 Jerom e B onap arte, K ön ig v. W estfalen 170 Joachim , P rin z v. P reußen 23, 28, 144, 146, 149, 157, 166, 171, 177 ff,, 220, 2 2 2 , 253 f., 312 f., 321 f., 325, 335 Joachim Albrecht, P rin z v . P reußen 233 Joh an n , K ön ig v. Sachsen 249 Joh an n , E rzh erzog v . Ö sterreich 81 John C am p bell, H er z o g v. A r g y ll 114 K aem p f, Johan n 355 K aiserin Friedrich s. V ik to ria , Deutsche K aiserin K alckreuth, Friedrich A d o lf G ra f v. 31

K alckreuth, G räfin 100 K a n itz, E lisabeth G räfin 168 f., 244, 274 f., 353 K a n itz, G eorg G raf v . 169, 228 K a n itz, K arl G ra f v . 274 K a n itz, H a n s G raf v . 273 f. K a n itz, M arie G räfin v ., geh. G räfin B is­ m arck-B ohlen 274 K a n itz, M arie G räfin v ., geb. v. K rassow 274 K arl d. G roß e 60, 247 K arl, K urprin z v . Brandenburg 127 K arl I., K ö n ig v. R u m änien 263 K arl I., K ö n ig v. W ürttem berg 259 K arl II., G roß h erzog v . M ed denbu rgS trelitz 29, 34 f., 37 f. K arl V I., Deutscher K aiser 187 K arl, H er z o g zu Braunschweig und L ün e­ burg 36 K arl, P rin z v . P reußen 41, 43, 49, 116,

120 K arl A lex a n d er, G roß h erzog v . SachsenW eim ar 137 K a rl-A u g u st, G roß herzog v . Sachsen-W ei­ m ar 43 K arl L u d w ig , E rzh erzog v . Ö sterreich 260 K arl T h eo d o r, H erzo g in B ayern 253 ff. K aro lin e M ath ild e, H er z o g in zu S d ilesw ig-H olstein -S o n d erb u rg -G lü ck sb u rg 88, 90, 9 3 , 9 6, 108, 346 f. K arp f, H a n s v . 305 K atharin a, K aiserin v . R u ß lan d 133 K atharin a P a w lo w n a , K ö n ig in v. W ü rt­ tem berg 259 K au lb ad i, Friedrich K arl 163 K eller, G u sta v L u d w ig E m il G raf v. 161 K eller, M ath ild e C h arlotte G räfin v. 161 K eller, M ath ild e G räfin v . 9 6, 100, 131 f., 137 ff., 160 ff., 178, 204, 335, 353 K essel, G u sta v v. 71, 231, 244 K essler, H a n s 171, 175 K etteier, K lem ens Frhr. v . 309 K im p fels, Johan n C h ristop h 220 K lee, Sergeant 319 K lencke, K arl v . 350 K nesebeck, B o d o Frhr. v . d. 166 K n igge, M oritz Frhr. 351 K n ob elsd orff, G eorg W enzeslau s v. 18, 128 K norr, E rnst v . 298 K n yp h au sen , T heda Fürstin v. 169 K o e Ä e r itz , v . 31 K ögel, R u clolf 100 K oester, H a n s v. 298 K olsh orn , O tto 252 K o n sta n tin L, K önig v . G riechenland 67, 116 K op p , G eorg v. 283 K r a i e , Friedrich 258

K rogh, Frl. v. 89 Lederer, H u g o 155 L ehndorff, H einrich G ra f v. 97, 267 L ehzen, B aronin 115 L eib n itz, G ottfried W ilh elm FrhrL einingen, Emich III. Fürst zu 79 Leisner, Em m i 144 Lenin, W lad im ir Iljitsch 49 L entulus, R ob ert S cip io v . 131 L eopold L, K ön ig d. B elgier 262 L eopold, H er z o g v. A lb a n y 107, 34^ L eop old , H er z o g v . A n h a lt 249 L erch en fcld -K öferin g, H u g o G raf zu 251, 267 f., 356 L ev etzo w , A lb ert v. 267 Liebenau, W ilh elm v. 161 Liebknecht, K arl 287 L iegn itz, A u guste Fürstin v. 347 Loe, W alter v. 118 Loen, L eop old Frhr. v. 160 f. . L öw en stein -W erth eim -R osen b erg, Fürst zu 278 L oo, A m 6de van 135 L ortzin g, A lb ert 167 Lothar L, D eutscher K aiser 156 Louis, Earl M ou n tb atten 114 Louise, H er z o g in v. A rg y ll 114 f. Louis F erdinan d, P rin z v. Preuß^^ 332 L ucdiesini, M archese 25 f. L u d w ig, P rin z v. P reußen 37 L ud w ig, P rin z v. H essen 148 im f L ud w ig IV ., G roß h erzog v. HesseJ^ 110 t. L ud w ig, P rin z v . B attenberg 113 ** L udw ig L, K ön ig v. B ayern 84 L ud w ig II., K ön ig v. B ayern 40 f*» L udw ig III., K ön ig v. B ayern 255 f. L üd eritz, A d o lf 292 Lüneburg, Eberhard v. 350 Luise, K u rfü rstin v . Brandenburg r Luise, K ö n ig in v. P reußen 23, 27 n*» 65, 98, 138, 155, 170, 190 f., 215 Luise, G roß h erzogin v. Baden 44 *•» 54, 87, 138, 174 Luise A m a lie, P rinzessin v . Preuß^^ Luise M argarete, H erzo g in v. 108 Luise Sop h ie, P rinzessin v. P reu ß ei' L u itp old , P rinzregent v . B ayern 250 ff. Lyncker, M axim ilian Frhr. v. 23 Lyncker, M oritz Frhr. v. 243, 353 M ac M ah on , E dm e P atrice M auri^^ G raf V. 51 M ackensen A u gust v, 317 3 6 5

M afa ld a , L andgräfin v . H essen 148 M alm esbury, Lord 79 f. M ann, T hom as 25 M an siein , Erich v. 21 3 , 219 M anteuffel, E d w in Frhr. v . 85 M anteuffel, G ra f v . 25 M aren h oltz, G ebhard Frhr. v. 350 M argarete, F ürstin v. H o h en zo llern -S ig m aringen 258 M argarete Sop hie, H er z o g in v. W ürttem ­ berg 260 M argarethe, L andgräfin v . H essen 30, 71, 73, 115 ff., 122, 1 4 8 ,2 1 4 M argherita, K ö n ig in v. Ita lien 117 f. M aria, P rinzessin v. Baden 87 M aria, P rinzessin v. H o h en zo llern -S ig m a ringen 258 M aria A lex a n d ro w n a , H erzo g in v . Sach­ sen-C oburg u. G oth a 106 M aria A n na, K ö n ig in v . Sadisen 257 M aria Joseph a, H er z o g in in Bayern 254 M aria Therese, P rin zessin v. B ayern 250 M aria T heresia, K aiserin v . ö ste r r e id i 133 M aria T heresia, H er z o g in v . W ürttem berg 260 M arie, K ö n ig in v . B ayern 250 M arie, P rinzessin A lbrecht v. P reußen 163 M arie, P rinzessin K arl v . P reußen 43 M arie, K ön igin v. W ürttem berg 259 M arie A lex a n d ra , P rinzessin v. H essen 148 M arie G abriele, K ron prin zessin v. B ayern 253 f. M arie Luise, P rinzessin v . Baden 353 M arx, K arl 270, 2 8 5 ,3 1 8 M ary, K ön igin v . E n g la n d 195 M ary, H erzo g in v . C am b ridge HO M atcham , M iss 140, 145, 253 M aud, K ön igin v . N o r w e g en 136 M ax, P rinz v. B aden 116, 148, 227 f., 2 7 9 ,3 5 3 M axim ilia n , K aiser v . M ex ik o 262 M axim ilia n L, K ö n ig v . B ayern 251 M axim ilia n IL , K ö n ig v . B ayern 250 M ealth, Earl o f 172 M eersch eidt-H üllessem , Frhr. v. 193 M eister, D r. v. 75 M en zel, A d o lp h v . 129 ff., 197 f., 267 M euron, v. 337 M ichael, G roß fü rst v . R u ß la n d 345 M ilfo rd H a v en , M arquis o f s. L ud w ig, P rin z V. B attenberg M iquel, V. 270, 279 M irbach, Ernst Frhr. v . 137, 156, 165 f. M ittler & Sohn, E. S. 150 M itzla ff, A lfred v . 330 M oeller, Eduard v . 120 M öller, K . v . 270 M öller, T h eod or v. 2 70 f.

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M oeller v an den Bruck, A rthur 127 M oltk e, A n n a M aria v . 161, 163 M oltk e, H elm u th G raf v. 39, 83, 137, 161, 174, 194, 206, 241, 298 f. M oltk e, H elm u th G ra f v . (d. Jün g.) 325 M onts, A lexan d er G raf v. 298 M ühlenh ard t, P astor 95 M üller, A lexan d er 235 M üller, G eorg A lexan d er v. 71, 235 ff. M üller, Sven v . 235 f. M ünchhausen, Frhr. v. 121 M ünchhausen, K un o Frhr. v. 350 M urat, Joachim 170 M utius, A lb ert v . 244 M uzaffar a d -D in , Schah v. Persien 217 N a ch tigal, D r. G u stav 292 ff. N a p o le o n L, 29 ff., 38, 79, 109, 170, 258, 3 1 4 ,3 3 7 N a p o le o n IIL , 38, 79 f., 88, 259, 262 N au m an n , Friedrich 275 f., 280 ff. N ik o la u s L, K aiser v . R u ß lan d 56, 259 N ik o la u s IL , K aiser v. R u ß lan d 111, 195, 353 N o a ille s, M arquis de 74 N orm an n , O skar v. 273 O ldenburg-Januschau, E lard v. 273, 275, 296 O lg a , K ön igin v. W ürttem berg 259 O rio la , M axim ilian e G räfin v. 193 O skar, K önig v. Schw eden 65 O skar, P rinz v. P reußen 14 ff., 108, 144, 163, 171, 176, 180, 222, 239, 275, 310, 321, 325, 329, 338, 348 f. O tto I., K ön ig V. G riechenland 84 O tto , P rinz v. B avern 252 P aar, E duard G raf v. 215 P allesk e, v. 244 P ansa, Marchesa 212, 216 P ap en , Franz v. 219 P au l, Jean 13 P au li, A u gust 273 P a w lo w a , A n na 354 Perponcher, A n to in ette G räfin v. 162 Perponcher, M argarethe G räfin v. 71 P erp on ch er-S ed ln itzk y, Friedrich G raf v. 228, 267 P erp on ch er-S ed ln itzk y, L u d w ig G raf v. 228 Persius, L u d w ig 171 P eter, G roß herzog v . O ld en b u rg 249 P eters, Carl 293 P etersdorff, Ernst v. 320 P etdry, A n ton v. 327 f. P fu e l, V. 31 P h ilip , H erzog v. E dinburgh 114 P h ilip p , H erzog v. W ürttem b erg 260

P h ilip p II., L and graf v . H essen-K assel 241 P h ilip p in e, Landgräfin v. H essen -K assel 241 P h ilip p in e C h a rlo tte, P rin zessin v. P reu­ ßen 36 P ilatu s, P on tiu s 173 P in to , G ra f v . 26 P la ten -H a llerm u n d , A rm gard G räfin v. 244 P la ten -H a llerm u n d , K arl G ra f v. 244 P laten -H a llerm u n d , O skar G ra f v. 244 P leß , H erzo g H a n s-H e in rid i v . 225 P lessen, H a n s v . 239 f., 353 P letten b erg, K urt Frhr. v . 15 f. P letten b erg, Freifrau v . 15 P lü sk o w , H erm ann O tto v . 244 Plutarch 26 P om p ad ou r, M arquise de 133 P on so n b y , Sir Frederidk 69 ff. P on so n b y , Sir H en ry 69 P on so n b y , L ady M ary 69 Pourtal^s, G ra f v. 337 Pückler, M ath ild e G räfin v . 100, 163 Pückler, M axim ilian G ra f v . 228 K ad olin , H u g o Fürst v . 225 R a d z iw ill, A n to n Fürst v. 21 5 , 267 R a d z iw ill, Elisa P rinzessin v . 42 f. R a d z iw ill, Luise Fürstin v. 215 R an k e, L eop old v . 60 R an tza u , L ita G räfin 169, 318, 353 R ath , O b erreg.-R at 232 R ath en au, Em il 284, 297 Rauch, C hristian 242 R eille, A ndr6 G raf 88 R eisd ia d i, H u g o Frhr. v. 56, 230 f., 353 Reischach, M argarete Freifrau v. 230 f. R enesse, G ra f v . 155 R envers, P ro f. 71 R etem eyer, H u g o 354 R eyh er, v . 50 R i i t e r , Eugen 279 ff. R ichter-R eichhelm , W alter 171 R ich th o fen , K arl F riedrid i Frhr. v. 273 R öchling, K arl 23 f., 309 R ösicke, G u stav 273 R össing, A u gust Frhr. v . 121 R oeth e, G ustav 168 R oh dich , v . 25 R oh r, Ina v . 180 R oon , Albrecht G ra f v . 39 R oseb ery, A rd iib a ld Earl o f 291 R oseb ery, L ad y H a n n a h 291 R oth en burg, G ra f v. 129 R othkirch und Trach, T h ilo G ra f v. 244 R u d o lf, K ron prin z v. Ö sterreich 137 R um ohr, M arianne v . 163 R upprecht, K ron prin z v . B ayern 251 ff.

R üssel, C o lo n el 237 R ustan, M am eluck 34 Sack, Friedrich Sam uel G o ttfried 1^^ . . Saldern, E lisabeth v . 145, 150 f., * 353 Saldern, S iegfried v. 311 S alm -H orstm ar, P rin z E duard ^ au Salm -R eiffersch eidt, A lfred F ü rst graf zu 278 S av ig n y , K arl v. 278, 284 Schachtm eyer, H an s v . 39 f. Schenkendorf, M ax v . 274 Schiller, Friedrich v. 18 Schinkel, K arl Friedrich 125 f., 183 Schleinitz, A lexan d er G raf v. 41, 9b Schlepegrell, L u d ew ig v. 121 Schlieffen, A lfred G ra f v . 325, 327 Schlüter, A n dreas 1 8 ,1 8 5 Schm idt, A rthur v. 215 f. S d im id t, L eutnan t 352 Schm idt, M oritz 61 Schoebel, G eorg 210, 240 Scholl, Friedrich v. 71, 240 . Schorlem er, Burghard Frhr. v. 2 7 / *• Schott V. Schottenstein, Frhr. 74 Schrötter, L eop old 62 Schulenburg, G raf v. d. 244 Schulenburg, H elen e G räfin v. d. Schulz, W ilh elm 177 f., 338 f. Schum ann, H p tm . 352 Schwechten, Franz 156 S chw einitz, H an s W illib a ld G r a f ^ ^ S chw einitz, V ik toria v. s. Eulenbur^» toria G räfin v. S chw einitz, W ilh elm v. 230 S ch w erin -L öw itz, H an s G raf v . Schw erin, K urt C h ristop h G ra f * Schw erin, Sophie G räfin v. 30, 33» Seckendorff, A lbert Frhr. v. 300 ff* Seckendorff, G ö tz G raf v . 60 Seidel, P au l 317 Senden, K arl O tto Frhr. v. 244 - qq S end en -B ibran, G ustav Frhr. v . Sendtner, K urt 251 Sergius, G roß fü rst v. R u ß lan d S eyd el (C helchen) 270 . S e y d litz, Friedrich W ilh elm Frhr* Seym our, Sir E dw ard 309 Sigism u nd, D eutscher K aiser 125 Sigism u nd, P rin z v. P reußen 68 Sim son, Eciuard v. 40, 267 Sod en , A lfr ed G raf V. 244, 310, 3 3 3 S od en -F rau n h ofen , J o sef M aria G rat v. 251 Solm s-B aruth , Friedrich Fürst zU Sop hia, P rinzessin v. H a n n o v er Sop h ie, K ön igin v. Griechenland^ ’ 73, 1 1 6 ,1 1 9

367

Sop hie, H erzo g in in B ayern 254 Sop hie C h arlotte, K ö n ig in v. P reußen 36 f. S op h ie C h a rlo tte, P rinzessin v. P reußen 1 0 8 ,3 4 6 , 353 Sop hie D o ro th ee, K ö n ig in v . Preußen 37, 190 Spahn, P eter 278, 284 Spengler, H ein rid i 144 Sp ielhagen, D r. 71 Spitzem berg, L othar Frhr. H u g o v. 166 Sternaux, L u d w ig 125 f., 134 Stichle, G u stav v . 193 S tillfried , R u d o lf G ra f v. 60 Stöcker, A d o lf 272 S töw er, W illy 304 Stolb erg-W ern igerod e, O tto Fürst zu 193, 225 Stolberg-W ernigerod e, U d o G raf zu 244, 273 Stosch, Albrecht v . 298, 300 Strathm ann, M artin 15 ff. Strauß, D . 137 Stresem ann, G u stav 282 f. Strubberg, O tto v . 193 Stüler, A u gust 186 S varez, C arl G o ttlieb 26 S yson b y, Lord s. P o n so n b y , Sir Frederick S zö g y en y -M a rid i, G ra f v . 2 10, 353 T a lley ra n d , C harles M aurice D u c de 33 T an n eu x v. S a in t-P a u l, Le 337 T au en tzien , L isinka G räfin v . 30 ff. T au en tzien v. W itten b erg, B ogislav G raf 32 Teck, A lexan d er Fürst v . 346 Teck, A lice Fürstin v. 346 T etten born, D r. 75 T hom son, W illiam A rchbishop o f Y ork

110 T hyra, H erzo g in v . C u m berland 142, 195, 260, 350, 353 f. TichomiroflF 354 T irp itz, A lfred v . 2 3 6 , 291 f., 297 ff., 305 T isd ib ein , Johan n H einrich W ilh elm 35 T örring, Sophie G räfin v . 254 T op h an , A nne 145 T reitschke, H einrich v . 60 T rim born, K arl 278 T rotha, Ulrich Frhr. v . 233 UlfFers, Franz X a v e r 300 ff. U m b erto, K ö n ig v . Ita lien 117 f. U n ger, G eorg C h ristian 143 Urach, A m alie H er z o g in v . 254 U rach, W ilh elm H er z o g v . 254 U th m a n n , v . 75 V erdi, G iuseppe 168

368

V ictor E m anuel IIL , K ön ig v. Italien 148 V ik toria, K ön igin v . E nglan d 52 ff., 66, 68 ff., 75, 79 ff., 93, 105 ff., 110 f., 113 ff., 138 V ik toria, D eutsche K aiserin 30, 52 ff., 62, 65 ff., 82, 88, 92 ff., 96 f., 105, 112, 115 ff., 138, 156 f., 162, 171 f., 177, 193, 222, 231, 300, 302, 305, 346 V ik toria, K ön igin v . Schw eden 45 V ik toria, P rinzessin zu Schaum burg-Lippe 1 1 6 ,1 1 9 V ik toria, P rinzessin v . B attenberg 113 f. V ik toria, H erzo g in v. K en t 54, 79, 115 V ik toria A d elh eid , H er z o g in v. SachsenC oburg u. G oth a 107 f. V ik toria E ugenia, K ön igin v. Spanien 114 V oltaire, Francois M arie A rou et 134 V oß , Sop hie W ilh elm in e C h arlotte Gräfiir V. 28, 31 ff. W agner, Richard 167, 252 W aldem ar, P rin z v. D än em ark 353 W aldem ar, P rinz v. P reußen 68 W aldersee, A lfred G raf v. 310 W alew sk a, M arie G räfin 79 W alew sk y, A lexan d er G raf 79 W a llo t, P au l 267 W angenheim , Julius Frhr. v . 350 W ed el, Ernst G raf v. 228 W ed el, W ilh elm v. 197 f., 229 W ellin gton , Arthur W ellesley D u k e o f 109 W erner, A n ton v. 267 W estarp, K uno G raf v . 273 W ile, F. W . 285 W ied , Friedrich Fürst zu 259, 262 W ied , P aulin e Fürstin zu 259 ff. W ied , Sophie Fürstin zu 262 W ied , W ilh elm P rin z zu 261 f. W ilh elm L, D eutscher K aiser 32, 34, 37 ff., 49, 51, 53 ff., 63, 65, 69, 82 f., 85 f., 88, 94 ff., 100 f., 111, 120 f., 135, 137, 155 f., 188, 191 ff., 198, 205 f., 220 ff., 240, 242, 248, 250, 255, 257, 259, 297 f., 302, 314, 317, 319 f., 334, 336 W ilh elm L, K önig v . W ürttem berg 259 W ilh elm TL, K ön ig v . W ürttem berg 222, 259 ff., W ilh elm IV ., K ön ig v . E n glan d 115 W ilh elm , Deutscher K ron p rin z 15, 37, 137 ff., 171 f., 194 f., 197, 220, 222, 233, 236, 239, 243, 254 f., 318, 320 f., 324 f., 332, 338, 343 ff. W ilh elm , P rinz v. P reuß en 138 f., 332 W ilh elm , H erzo g v. W ürttem b erg 83 W ilh elm , H erzo g zu B raunschw eig u. Lüneburg 249, 258 f. W ilh elm , P rin z zu Schaum burg-Lippe 259 W ilh elm in a, K ön igin d. N ied erla n d e 321

W ilh elm in e, M arkgräfin v . B randenburgB ayreuth 129, 187, 190 W illib rod u s, P ater 155 W ilm o w sk i, K arl Frhr. v. 97 W ilm s, G eorg Ernst 318 W in d th orst, Joseph 277 W in d th orst, Julie 277 W in d th orst, L ud w ig 277 f. W in terfeld , H ans K arl v. (K am m erherr) 166 ff., 318 W in terfeld , H ans K arl v. (G eneral) 130 W itzleb en , v. 120 W oerm ann, Fa. 292 W oldem ar, Fürst zur L ippe 249 W old en , M arie 211 f. W olff, Baron v. 353

W rangel, K arl G u stav G ra f v. 83 Zachariä, L eutnant 352 Z ed litz und T rü tzsd iler, E duard G raf 233 Z ed litz und T rü tzsd iler, R ob ert G raf (V ater) 233 Z ed litz und T rützsdiler, R ob ert G raf (Sohn) 233 ff., 237 f. Z iesenis, Johan n G eorg 35 f. Z ieten , H an s Joachim v. 130 Z im m erm ann, O berstltn . 293 Z o b eltitz, V. 330 Zorn, P h ilip p 107 Zorn V. Bulach, Franz Frhr. 316 Zorn V. Bulach, H u g o Frhr. 316

369

S TAMMTAF EL HAUS P R EU S SE N

Friedridi W ilh elm , der G roß e K urfürst (1 6 2 0 — 1688) CID Luise v o n N assau -O ran ien (1 6 2 7 — 1667) CID D o roth ea von H olstein-G lücksburg (1 6 3 6 — 1689)

K arl K urprin z

Friedrich I. (1 6 5 7 — 1713) (3D H en riette V. H essen -K assel (1 6 6 1 — 1683) (3D C h arlotte V. H a n n o v er (1 6 6 8 — 1705) C7D Sophie V. M ecklenburgS d iw erin (1 6 8 5 — 1735)

D oroth ea d p Friedrich V. H essen -K assel, K ö n ig V. Schw eden

W ilh elm in e Q D Friedridh V. B randenburgB ayreuth

L u d w ig Q D Luise R a d ziw ill

P h ilip p (3D Johanna C h arlotte V. A n h a ltD essau

M aria (J D K a r l V. M ecklenburgG üstrow CID M oritz W ilh elm V. S ad isen -Z eitz

Albrecht K arl C7D M aria D oroth ea Q D K atharin a V. K urland V. B albiano

E lisabeth C hristian H D Friedrich K asim ir V. K urlan d Q D C h ristian Ernst V. B randenburgB ayreuth d p Ernst L u d w ig V. Sad isen M einingen

Friedrich W ilh elm I. (1 6 8 8 — 1740) d p S op h ie D oroth ee V. H a n n o v er (1 6 8 7 — 1757)

Friedrich der G roße (1 7 1 2 — 1786) C7D E lisabeth C h ristine V. Braunsd iw eig B evern (1 7 1 5 — 1797)

F riederike G D K arl W ilh elm Friedrich V. BrandenburgA nsbadi

U lrik e C h arlotte Sophie G D K arl d p W ilh elm CE) A d o lf V. Braun- V. Schw edt Friedrich schw eigV. H o lstein Lüneburg G ottorp , K ön ig V. Schw eden

A u gu stA m alie W ilh elm G D Luise v. Braunschw eigW olfen b ü ttelB evern

H einrich CJD W ilh elm in e V. H essen -K assel

Ferdinan d G D Luise v. B randenburgSchw edt

Friedrich W ilh elm II. (1 7 4 4 — 1797) H D E lisabeth V. B raunschw eigW olfen b ü ttel (1 7 4 6 — 1840) Q D Friederike V. H essen D arm stad t (1 7 5 1 — 1805) F riederike H D Friedrich V. Y ork

Friedrich W ilh elm III. (1 7 7 0 — 1840) CID Luise zu M ecklenburgS trelitz (1 7 7 6 — 1810) Q D A u guste V. H arrach, Fürstin L iegn itz (1 8 0 0 — 1873)

L u d w ig G D F riederike V. M ecklenburgS trelitz

Friedrich W ilh elm IV. (1 7 9 5 — 1861) (3D E lisabeth V. B ayern (1 8 0 1 — 1873)

W ilh elm I. (1 7 9 7 — 1888) G D A u gusta V. SachsenW eim ar (1 8 1 1 — 1890)

C h arlotte G D N ik o la u s I. V. R u ß lan d

W ilh elm ine Q D W ilh elm I. der N ie d e r ­ land e

K arl (3D M aria V. SachsenW eim ar

H einrich

A uguste G D W ilh elm II. V. H essen K assel

A lexan d rin e G D P aul Friedrich v. M ecklenburgSchwerin

W ilh elm in e (3D W ilh elm V. V. N assau -O ran ien

H einrich

Luise G D W ilh elm Friedrich K arl d. N ied erla n d e

W ilh elm G D M aria A n na V. H essen H om burg

A lbrecht G D M arianne d. N ied erla n d e (3D R osalie V. Rauch, G räfin H oh en au

F riedridi III. (1 8 3 1 — 1888) ( 5 ) V ik toria V. G roß britan nien un d Irland (1 8 4 0 — 1901)

W ilh elm II. (1 8 5 9 — 1941) CID A u gu steV ik toria V. Schlesw igH o lstein (1 8 5 8 — 1921)

Luise (3D Friedrich V. B aden

C h arlotte G D Bernhard V. SachsenM einingen

H einrich Q D Irene V. H essen

Sigism und

V ik toria (3D A d o lf V. Schaum burgLippe

W aldem ar

Sop hie Q D K on stan tin V. G riechenland

W ilh elm (1 8 8 2 — 1951) G D C ecilie V. M ecklenburgSchw erin (1 8 8 6 -^ 1 9 5 4 )

E itel-F ried rid i (1 8 8 3 — 1942) G D Sop hie C h arlotte V. O ld en bu rg (1 8 7 9 — 1951)

A d alb ert (1 8 8 4 — 1948) G D A d elh eid V. SachsenM einingen (1891)

A u gust W ilh elm (1 8 8 7 — 1949) (3D A lexan d ra V. Schlesw igH o lstein (1 887— 1957)

O skar (1 8 8 8 — 1958) G D Ina M arie V. B assew itz (1888)

Joachim (1 8 9 0 — 1920) G D M arie A uguste V. A n h alt (1898)

W ilh elm (1 9 0 6 — 1940) (3D D oro th ea V. S a lvia ti (1907)

Louis F erdinand (1907) (3D K ira V. R u ß lan d (1 9 0 9 — 1967)

H ub ertus (1 9 0 9 — 1950) G D M agdalen e V. R euß (1920)

Friedrich (1 9 1 1 — 1966) (3D B irgid G uinness (1920)

A lexan d rin e (1915)

C ecilie (1917) (3D C ly d e, K en neth H arris (1 9 1 8 — 1958)

M argarethe Q D Friedrich K arl V. H essen

V ik toria Luise (1892) G D Ernst A u gust V. H a n n o v er (1 8 8 7 — 1953)

STAMMTAFEL HAUS H A N N O V E R

G eorg L u d w ig (1 6 6 0 — 1727) K urfürst v. H a n n o v er, 1714 K ön ig G eorg I. v. E nglan d Q D Sophie D o ro th ee V. B rau n sd iw eig-C elle (1 6 6 6 — 1726) G eorg II. (1 6 8 3 — 1760) Q D C arolin e v. A n sb ad i (1 6 8 3 — 1737) Friedridi L u d w ig (1 7 0 7 — 1751) P rinz V. W ales Q D A u gusta V. Sachsen-C oburg (1719— 1772) G eorg III. (1 7 3 8 — 182Ü) Q D C h arlotte S op h ie V. M ecklenbu rg-S trelitz (1 7 7 4 - -1818)

G eorg IV . (1 7 6 2 — 1830) Q D C aro lin e V. Braunschw eig

W ilh elm IV . (1 7 6 5 — 1837) Q D A d elh eid V. SachsenM einingen

E duard, H er z o g v . K en t (1 7 6 7 — 1820) Q D V ik toria V. Sachsen-C oburg (verw . P rinzessin V. L ein in gen )

Ernst A u gust, H erzo g V. C um berland, K ön ig v .H a n n o v e r (1771— 1851) (3D F riederike V. M ecklenburgS trelitz

V ictoria, Q ueen (1 8 1 9 — 1901) Q D A lb ert V. SachsenC oburg (1 8 1 9 — 1861)

G eorg V ., K ön ig V. H an n o v er (1819— 1878) Q D M arie V. SachsenA ltenbu rg (1 818— 1907)

E duard V II. (1 8 4 1 — 1910) Q D A lex a n d ra V. D än em ark (1 8 4 7 — 1925)

V icto ria , A lice P rincess R o y a l (1843— 1878) (1 8 4 0 — 1901) ( J ) L ud w ig IV . (3D Friedrich IIL , v. H essen D eutscher K aiser (1837— 1892) (1 8 3 1 — 1888)

A lfred , H er z o g v. Edinburgh (1 8 4 4 — 1900) Q D M arie V. R u ß lan d (1 8 5 3 — 1920)

L ouise (1 8 4 8 — 1939) Q D Joh n C am p b ell, H er z o g V. A r g y ll (1 8 4 5 — 1914)

A rthur, H er z o g V. C o n n au gh t (1 8 5 0 — 1942) Q D Luise M argarete V. P reußen (1 8 6 0 — 1917)

B eatrice (1 8 5 7 — 1944) Q D H einrich v . B attenberg (1 8 5 8 — 1896)

L eopold, H erzo g v. A lb an y (1853— 1884) Q D H elen e v. W aldeck (1861— 1922)

H elen e (1 846— 1923) Q D C hristian v. Schlesw igH o lstein (1831— 1917)

Ernst A u gust, H erzo g V. C um berland (1845— 1923) Q D T hyra V. D än em ark (1853— 1933)

Ernst A ugust, H erzog zu Braunschweig u. Lüneburg, P rinz V. H an n o v er (1887— 1953) Q D V ik toria Luise V. Preußen (1892)

H er z o g in V ik to ria L uise

Ein Leben als Toditer des Kaisers 381 Seiten



58 Abbildungen



Ganzleinen



DM 24,-

85. T ausend

„ D ie Erinnerungen, die m it anerkennensw erter O ffe n h e it geschrieben sind , stoß en m it Recht au f ein großes Interesse breiter B evölk erun gsk reise; sie sind m ehr als eine b loß e Lebensbeschreibung; sie sind ein kulturgeschichtliches un d w e ltp o li­ tisches D ok u m en t v o n h oh em W ert und gehören zu den besten A u tob iograp h ien , d ie in unserer Z eit geschrieben w ord en sin d .“ Mitteilungen des Vereins für die

Geschidjte Berlins „E in e sprachliche und g eistige N o b lesse durchzieht das ganze W e r k . . . D ieses Buch ist nicht nur gut zu verschenken, sondern auch gut zu lesen .“ Norddeutscher

Rundfunk „ N ich t ohne G rund hab en gerade führende H isto rik er die H er z o g in gebeten, ihre Erinnerungen als w ichtigen B eitrag zur K läru n g vieler strittiger Fragen h erauszugeben.“ Das Ostpreußenblatt „E in leb haftes T em peram ent, ein e redliche G esin nu ng, heiter und lieb en sw ü rd ig — m it diesen E igen schaften hat die H erzo g in ihre M em oiren g esch rieb en . . . D ie D a rstellu n g der A b d an k u n g des K aisers und der R o lle, die H in d en b u rg dabei g esp ielt hat, ist sehr bem erk en sw ert. Interessante B ild er sind dem Buch b ei­ gegeb en .“ Die Zeit „ D ie P rinzessin berichtet einfach und klar aus ihrem Leben. V or uns steht p lö tz ­ lich ein anderer W ilh elm II., als w ir ihn aus dem Geschichtsunterricht oder heutiger B etrachtungsw eise kenn en . So w ird dieses Buch vielleich t gerade bei den jüngeren Lesern zu einem besseren V erständ nis dessen beitragen, w as nach dem Zusam m enbruch abträglich m it dem Schlagw ort »preußisch* geheiß en w u rd e und w a s eine hochgeborene, w arm h erzige Frau unter »preußisch* versteht.** Literatur­

spiegel „ D a s Buch ist ein für den G eschichtsfreund höchst w ertv o lles W erk, in dem die prächtigen F otos nur einer v o n vielen V orzü gen sin d .“ Die Furche (Wien) „Ih r Buch strahlt m enschliche W ärm e und m ütterliche Liebe aus. V ielleich t ist es das, w as diesem W erk so v ie l A n k lan g versch afft, daß es zu einem B estseller wurde.** Der Heimkehrer

G Ö T T IN G E R

V E R L A G S A N S T A L T

G en eral P ertev D em irh an

Generalfeldmarschall Freiherr von der Goltz D a s L ebensb ild eines großen S old aten

240 Seiten



Ganileinen



mehrere Abbildungen



DM 14^80

In der zw ielich tig en G egen w art, m it dem In fragestellen aller W erte, erhebt sich eine Stim m e aus dem A u slan d , um m it der D arstellu n g des Lebens eines deutschen F eldm arschalls ein „V orb ild an F äh igk eit und C h arak ter“ zu v er­ m itteln. Es ist der in K rieg und F rieden um sein L and verd ien te türkische G eneral P ertev D em irh an. M it seinem neuen Buch, in dem er seine A u fzeich ­ nungen über C olm ar Freiherr v o n der G o ltz v erö ffen tlich t, w ill er, um m it seinen W orten zu sprechen, zeigen , daß w ir Deutsche sto lz sein m üssen, eine solche P ersön lichkeit besessen zu haben. D as W erk ist zunächst einm al ein e B iograp hie. Sie beschreibt in leb en digen Schilderungen das B ild eines S old a ten , dessen W irken ein e bem erkensw ert w eite Spanne u m fa ß t — vom In fan teristen bis zum D r. h. c. einer p h ilo so ­ phischen F a k u ltä t, vom H eeresreform er bis zum Inhaber des O rd en s „P our le m erite für W issenschaft und K ü n ste“, vo m R eorganisator der deutsclien L andes­ verteid ig u n g bis zum Sieger in der W üstenschlacht v o n K u t-el-A m a ra . D ab ei erw eist sich P ertev D em irh an, der G o ltz persönlich sehr n ah estand und in ihm seinen Lehrer sieht, im m er w ied er als ein ausgezeichnet unterrichteter A u tor. D och das Buch ist w eit mehr als eine B iograp hie. D arin lie g t seine über­ ragende B edeutun g. D er V erfasser verö ffen tlich t erstm als eine V ielza h l v o n N ied ersch riften des Feldm arschalls, B riefe, die er an den türkischen G eneral sandte und in denen er über viele Jahre h in w eg nicht nur seine A u ffassu n gen zu m ilitärischen P rob lem en, sondern gerade auch zur E ntw icklu ng der W eltlage m itteilte. D iese B riefe sind ein historischer, außenpolitischer un d m ilitärischer Anschauungsunterricht, w ie m an ihn son st kaum fin d et. A m erstaunlichsten ist es, daß dieser S o ld a t m it einer beinahe prophetischen G abe, die bei ihm aber im m er w ied er allein die exak te A n w en d u n g von un iversellem W issen, D e ta il­ kenntnis un d L ogik ist, die großen w eltb ew egen d en V eränderungen der letzten Jahrzeh nte vorausgesehen hat. Fassen w ir zusam m en: D as Buch v o n G eneral P ertev D em irh an zeichnet sich dadurch aus, daß es ein w eites, fesselndes P anoram a jüngster deutscher Geschichte en tro llt und gleichzeitig w er tv o lle M aßstäbe für die B ew ältigu n g der großen A u fg a b en unserer T age v erm ittelt.

G Ö T T IN G E R

V E R L A G SA N ST A L T